Verfassungswandel in der Außenverfassung: Entwicklung von Verfassungsrecht in Text und Kontext [1 ed.] 9783428551293, 9783428151295

In Bezug auf die den Auslandseinsätzen der Streitkräfte zugrunde liegenden Normen des Grundgesetzes untersucht die Arbei

145 102 2MB

German Pages 298 Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Verfassungswandel in der Außenverfassung: Entwicklung von Verfassungsrecht in Text und Kontext [1 ed.]
 9783428551293, 9783428151295

Citation preview

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1343

Verfassungswandel in der Außenverfassung Entwicklung von Verfassungsrecht in Text und Kontext

Von

Katharina Stock

Duncker & Humblot · Berlin

KATHARINA STOCK

Verfassungswandel in der Außenverfassung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1343

Verfassungswandel in der Außenverfassung Entwicklung von Verfassungsrecht in Text und Kontext

Von

Katharina Stock

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahr 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15129-5 (Print) ISBN 978-3-428-55129-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85129-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Mit der Idee zu dieser Arbeit eröffnete sich mir die Möglichkeit, zugleich praxisrelevanten Fragen der Wehrverfassung und Grundlagen der Rechtswissenschaft nachzugehen. Die vorliegende Arbeit wurde schließlich im Oktober 2016 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Internationales Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Bernd Grzeszick, LL.M. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand von November 2016. Mein besonderer Dank gilt zunächst Herrn Prof. Dr. Bernd Grzeszick, LL.M., der das Erstgutachten zu dieser Arbeit erstattet und mir während meiner Promotionsphase die nötige Freiheit gewährt hat, den Fortschritt der Arbeit nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Herzlich danken möchte ich ebenfalls Herrn Prof. Dr. Peter Axer für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle für wertvolle Anregungen, Hinweise und Kritik bei Dr. Chris­tiane Diehl, Philipp Hofmann und Dr. Jochen Rauber. Die Zeit in Heidelberg hat für mich alte Freundschaften bestärkt und neue geschaffen. Mein Dank für wissenschaftlichen Zuspruch und die nötige Ablenkung gilt daher nicht nur den bereits Genannten, sondern ebenso Dr. Monique Amoulong, Dr. Franziska Buchwald, Juliane Hettche, Dr. Patrick Hilbert, Dr. Yasemin Jüngling sowie Kamilla Zembala-Börner. Vor allem gilt schließlich meine Dankbarkeit für immerwährenden Rückhalt und Unterstützung meinen Eltern und Jan. Frankfurt am Main, November 2016

Katharina Stock

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung 

17

A. Begriff und Entwicklung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr . . . . . . . . 19 I. Verfassungsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Auslandseinsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 IV. Auslandseinsätze in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Teil 2

Auslandseinsätze der Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 

31

A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 1994 (Out-of-area-Einsätze) . . . . . 31 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Ist Art. 24 II GG Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Grundlagen des Art. 24 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Interpretation des Art. 24 II GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) System gegenseitiger kollektiver Sicherheit . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Wahrung des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 cc) Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 dd) Einwilligung in die Beschränkung von Hoheitsrechten . . . . 41 ee) Herbeiführung und Sicherung der friedlichen und dauerhaften Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Ist Art. 87a II GG Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Grundlagen des Art. 87a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Interpretation des Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

8 Inhaltsverzeichnis aa) Art. 87a II GG als Regelung für den Einsatz im In- und Ausland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (1) Angriffsart und Angreifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (a) Völkerrechtliche Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (b) Richtung der Angriffshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (c) Angreifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (2) Objekt der Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (a) Landesverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (b) Nothilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (c) Schwere des Angriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (d) Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland . . 59 (3) Ort der Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (4) Zeitpunkt der Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 dd) Ausdrücklich zugelassene Einsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG? . . . . . . . . . . . . . 62 a) Art. 24 II GG als ausdrücklich zulässiger Einsatz gemäß Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Art. 24 II GG als unabhängige Einsatzgrundlage . . . . . . . . . . . . 64 c) Art. 24 II GG als Einsatz zur Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Art. 24 II GG als lex specialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 e) Praktische Konkordanz der Art. 24 II GG und Art. 87a II GG . 65 f) Art. 87a II GG steht der Anwendung des Art. 24 II GG nicht entgegen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Kompetenzverteilung bezüglich Auslandseinsätzen der Streitkräfte? . 66 a) Auswärtige Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Auswärtige Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Auswärtige Gewalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Grundlagen der Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (1) Verbandskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Organkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Interpretation des Art. 59 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Politische Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (2) Gegenstände der Bundesgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . 72 (3) Zustimmung oder Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (4) Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (a) Änderungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (b) Vertragsänderung durch Auslegung . . . . . . . . . . . . . 74 cc) Kompetenzverteilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Inhaltsverzeichnis9 c) Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Grundlagen des Parlamentsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Interpretation des Parlamentsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . 84 B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 (NATO-Konzept) . . . 87 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Parlamentsbeteiligung aufgrund Änderungsvertrag zum NATOVertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Parlamentsbeteiligung aufgrund konkludenter Vertragsänderung? . . 90 3. Parlamentsbeteiligung aufgrund Fortentwicklung des NATO-Vertrags? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4. Überschreitung der Grenzen des Art. 24 II GG? . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Einsätze ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen . . . 95 bb) Ausnahmen vom Gewaltverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (1) Humanitäre Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (2) Responsibility to Protect . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (3) Rettung eigener Staatsangehöriger . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (4) Intervention auf Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Wahrung des Friedens gemäß Art. 24 II GG? . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) NATO-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Strategisches Konzept 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Exkurs: Strategisches Konzept 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Art. 24 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Art. 59 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 C. BVerfGE 118, 244 – Urteil vom 03. Juli 2007 (Afghanistan-Einsatz) . . . . . 105 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Parlamentsbeteiligung aufgrund Fortentwicklung des NATO-Vertrags? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Überschreitung der Grenzen des Art. 24 II GG? . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Art. 24 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Art. 59 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 D. BVerfGE 121, 135 – Urteil vom 07. Mai 2008 (Luftraumüberwachung Türkei) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

10 Inhaltsverzeichnis 1. Parlamentsvorbehalt: Einsatz bewaffneter Streitkräfte? . . . . . . . . . . 114 2. Reichweite der Parlamentsbeteiligung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Art. 24 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Art. 59 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015 (Rettungseinsatz ­Libyen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Parlamentsvorbehalt: Einsatz bewaffneter Streitkräfte? . . . . . . . . . . 121 a) Einsatz bewaffneter Streitkräfte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Erfordernis einer nachträglichen Zustimmung? . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Gefahr im Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Beendeter Einsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc) Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Rechtsgrundlage für Einsätze zur Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Art. 24 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Art. 59 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 F. Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. BVerfGE 68, 1 – Urteil vom 18. Dezember 1984 (Atomwaffenstationierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. BVerfGE 89, 38 – Urteil vom 23. Juni 1993 (Somalia) . . . . . . . . . . . . 135 III. BVerfGE 100, 266 – Beschluss vom 25. März 1999 (Kosovo) . . . . . . 135 IV. BVerfGE 108, 34 – Beschluss vom 25. März 2003 (Bewaffnete Bundeswehreinsätze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 V. BVerfGE 117, 359 – Beschluss vom 12. März 2007 (Tornadoeinsatz Afghanistan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 VI. BVerfGE 118, 111 – Beschluss vom 29. März 2007 (einstweilige Anordnung zu BVerfGE 118, 244) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 VII. BVerfGE 123, 267 – Urteil vom 30. Juni 2009 (Lissabon) . . . . . . . . . 137 VIII. BVerfGE 124, 267 – Beschluss vom 13. Oktober 2009 (Unabhängigkeitserklärung Kosovo) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 IX. BVerfGE 126, 55 – Beschluss vom 04. Mai 2010 (G8-Gipfel-Heiligendamm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 X. BVerfGE 132, 1 – Beschluss vom 03. Juli 2012 (Luftsicherheits­ gesetz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen von Auslandseinsätzen der Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Inhaltsverzeichnis11 1. Art. 24 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Kompetenzverteilung bezüglich Auslandseinsätzen der Streitkräfte . . . 144 1. Art. 59 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Auswärtige Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Teil 3

Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht 

148

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Bindungswirkung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . 150 B. Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht in der Theorie . . . 158 I. Theorien des Verfassungswandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Historische Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Verfassungswandel unter dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . 162 b) Verfassungswandel mittels Inhalts- bzw. Sinnänderung ohne Textänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 c) Verfassungswandel mittels Inhaltsänderung durch einfache Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Verfassungswandel mittels Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 e) Verfassungswandel mittels Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 f) Verfassungswandel existiert nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Eingrenzung des Verfassungswandels durch das Bundesverfassungs­ gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Verfassungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Interpretation des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Methoden der Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Ziel der Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation . . . . . . . . . . . . 182 aa) Abgrenzung von Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 cc) Begriff der Veränderungen im Sinn der Verfassung . . . . . . . 187 3. Grenze von Verfassungswandel und Verfassungsänderung  . . . . . . . 189 a) Grenzen der Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Gegenstand der Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

12 Inhaltsverzeichnis bb) Normprogramm und Normbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 cc) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Verfassungsgewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Wechselwirkungen (funktionale Abgrenzung) . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Legitimation des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Legitimationsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Verfassungskonkretisierende Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Verfassungsentwickelnde Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (3) Verfassungswandelnde Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Legitimationsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 C. Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht in der Praxis . . . . 217 I. Verfassungswandel durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts . . . . 218 1. Art. 24 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Verfassungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Ursprung des Art. 24 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Interpretation der Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 d) Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 e) Urteile des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Art. 59 II 1 GG und Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Verfassungsrechtliche Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Ursprung der Art. 59 II 1 GG und Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . 226 aa) Art. 59 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Art. 87a II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (1) Die erste Wehrrechtsnovelle 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (2) Die zweite Wehrrechtsnovelle 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (3) Die Notstandsreform 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 cc) Verfassungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Interpretation der Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 d) Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 e) Urteile des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Gegenstand der Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Normprogramm und Normbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 c) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 d) Wechselwirkungen (funktionale Abgrenzung) . . . . . . . . . . . . . . . 239 e) Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 f) Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation . . . . . . . . . . . . 243 II. Potentieller Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht . . 244 1. Ausgangspunkte des Verfassungswandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Potentieller Verfassungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Art. 87a I GG oder Art. 87a II GG als Rechtsgrundlage? . . . . . 246

Inhaltsverzeichnis13 b) Art. 87a II GG als Regelung für den Einsatz im In- und Ausland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Einsatz zur Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 d) Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland und Einsatz ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen . . . 250 e) Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG?  . . . . . . . . . . 250 D. Fazit – Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . 251 I. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Verfassungswandel und Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 IV. Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Teil 4

Fazit – Verfassungswandel und Auslandseinsätze 

260

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

a. F.

alte Fassung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

AP Außenpolitik APuZ

Aus Politik und Zeitgeschichte

AVR

Archiv des Völkerrechts

AWACS

Airborne Early Warning and Control System

BBesG Bundesbesoldungsgesetz BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

eingef. eingeführt EJIL

European Journal of International Law

EL Ergänzungslieferung FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FDP

Freie Demokratische Partei

FG Festgabe Fn. Fußnote FS Festschrift GS Gedächtnisschrift GYIL

German Yearbook of International Law

HFR Humboldt-Forum-Recht Hrsg. Herausgeber ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

i. d. F.

in der Fassung

IPG

Internationale Politik und Gesellschaft

ISAF

International Security Assistance Force

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

jew. jeweils JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

Abkürzungsverzeichnis15 JöR n. F.

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart n. F.

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ Juristenzeitung KJ

Kritische Justiz

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NATO

North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantische Allianz)

NILR

Netherlands International Law Review

NJ

Neue Justiz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-Extra

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Extra

NYIL

Netherlands Yearbook of International Law

NZWehrR

Neue Zeitschrift für Wehrrecht

PATRIOT

Phased Array Tracking Radar to Intercept of Target

PDS

Partei des Demokratischen Sozialismus

Rn. Randnummer RuP

Recht und Politik

RW Rechtswissenschaft S. Seite s. o.

siehe oben

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SR

Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

s. u.

siehe unten

u. a.

und andere

UBWV

Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung

UNC

Charter of the United Nations (Charta der Vereinten Nationen)

UNOSOM II

United Nations Operation in Somalia

VBlBW

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg

VerwArch Verwaltungsarchiv VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

WEU

Westeuropäische Union

WRV

Weimarer Reichsverfassung

WVK

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

16 Abkürzungsverzeichnis ZaöRV ZFAS ZfP ZG ZRP ZSE

Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift

für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht für Außen- und Sicherheitspolitik für Politik für Gesetzgebung für Rechtspolitik für Staats- und Europawissenschaften

Teil 1

Einleitung „Angesichts der völlig veränderten Sicherheitslage lastet auf dem in den 1950er und 1960er Jahren entstandenen Text der Wehrverfassung ein erheblicher Interpretationsdruck mit dem Ziel, diese an die moderne Wirklichkeit heran zu führen.“1

Auslandseinsätze der Bundeswehr sind ein beständig aktuelles Thema in der politischen Auseinandersetzung. Seit geraumer Zeit entsteht der Eindruck, die Streitkräfte der Bundesrepublik seien immerzu „im Einsatz“. Exemplarisch lassen sich nicht nur die historische Diskussion um die Wiederbewaffnung2 anführen, sondern auch jüngere Auseinandersetzungen um Einsätze im Kosovo3, in Afghanistan4, Libyen5, Mali6, der Ukraine7 und in Syrien8 sowie die grundsätzliche Debatte um das Engagement deutscher Streitkräfte in der Welt9. Das Ausmaß der Kontroverse verwundert nicht, kumulieren doch in der Frage nach Auslandseinsätzen der Bundeswehr die Diskussionen um die Außenpolitik der Bundesrepublik, die Position Deutschlands in der Staatengemeinschaft sowie existentielle Fragen nach Verantwortung, Leben und Tod. Vorrangig ist deren Beantwortung Aufgabe des gesellschaftlichen und politischen Diskurses und kann durch keine rechtliche Bewertung ersetzt werden. 1  Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 382. Siehe auch Gramm, NZWehrR 2011, S. 89, 93 f. 2  „Kampf um den Wehrbeitrag“, vgl. z.  B. Institut für Staatslehre und Politik e. V.  Mainz (Hrsg.), Wehrbeitrag. 3  Gasteyger, FAZ vom 30. Mai 2000, Nr. 125, S. 14; Nonnenmacher, FAZ vom 03. Mai 1999, Nr. 101, S. 1; Rühl, FAZ vom 28. Dezember 1999, Nr. 302, S. 9. 4  Beste/Szandar, Der Spiegel vom 10. Dezember 2001, S. 28; Fröhlingsdorf/ Hammerstein/Koelbl et al., Der Spiegel vom 11. März 2002, S. 172. 5  Lau, Die Zeit vom 24. März 2011, Nr. 13, S. 10. 6  Ladurner, Die Zeit vom 23. Januar 2014, Nr. 5, S. 1. 7  Blome/Follath/Gebauer et al., Der Spiegel vom 10. März 2014, S. 78. 8  Hoffmann, Der Spiegel vom 05. Dezember 2015, S. 6; Repinski/Schult, Der Spiegel vom 05. Dezember 2015, S. 34; Ulrich, Die Zeit vom 03. Dezember 2015, Nr. 49, S. 1. 9  Gareis, Militärische Auslandseinsätze, in: Jäger/Höse/Oppermann, Außenpolitik, S. 148; Pfister/Repinski, Der Spiegel vom 27. Januar 2014, S. 19; Joffe, Die Zeit vom 03. Juli 2014, Nr. 28, S. 8; Nonnenmacher, FAZ vom 03. Februar 2014, Nr. 28, S. 1.

18

Teil 1: Einleitung

Die Diskussion um Einsätze im Ausland findet jedoch nicht nur im politischen Tagesgeschehen statt, sondern auch in der juristischen Auseinandersetzung. In diesem Zusammenhang liegt ein Blick in das Grundgesetz als rechtliches Fundament des Staates nahe. Es findet sich allerdings keine Norm, die explizit auf diesen Themenbereich zugeschnitten ist10 – Anhaltspunkte bieten gleichwohl Art. 24 II GG und Art. 87a II GG. Bei näherer Betrachtung der Thematik lassen sich frappierende tatsächliche Veränderungen im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr beobachten, welche sich in den verfassungsrechtlichen Diskussionen um Voraussetzungen und Art der Einsätze widerspiegeln.11 Dabei scheint die zu beobachtende Veränderung von Zahl und Art der Einsätze im Ausland nicht in der Verfassung reflektiert zu werden: Seit mehr als 40 Jahren unterlagen die Normen des Grundgesetzes in diesem Themenbereich keiner Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG mehr. Diese Diskrepanz zwischen der Entwicklung von Auslandseinsätzen und dem vermeintlichen Stillstand des Grundgesetzes ist Anlass und Thema der vorliegenden Untersuchung. In der rechtswissenschaftlichen Literatur findet sich eine Vielzahl12 von Hinweisen darauf, dass die Normen des Grundgesetzes den Anforderungen der Realität nicht mehr gerecht werden. Im Hinblick auf den Unterschied zwischen faktischer Veränderung von Auslandseinsätzen und textlicher Stabilität des Grundgesetzes wird häufig auf den Begriff des Verfassungswandels rekurriert.13 Dahinter steht die Vorstellung einer Entwicklung der Normen des Grundgesetzes jenseits der Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG. Wenn sich im vorliegenden Themenbereich ein Verfassungswandel nachzeichnen lässt, ist die grundlegende Fragestellung aufgeworfen: Können durch die Anwendung des Konzepts des Verfassungswandels auf die verfassungsrechtlichen Fragestellungen der Auslandseinsätze einerseits Rückschlüsse auf denselben und andererseits auf die darzustellenden Probleme gezogen werden? Mithilfe des Verfassungswandels könnten sich faktische Veränderungen im Komplex der Einsätze im Ausland auf die Normen des Grundgesetzes auswirken. 10  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 6. 11  Ausführlich unten A. III. 12  Vgl. z. B. Badura, Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 265, Rn. 13; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57; Harnisch, Politik, S. 237; Schmahl, Einsatz deutscher Streitkräfte, in: Dreier, Macht und Ohnmacht, S. 107, 110; Streinz, Wandlungen des Grundgesetzes, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 130, 153 f. 13  Siehe z. B. oben. Detaillierter Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375.



A. Begriff und Entwicklung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr 19

Im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr fehlt es keineswegs an Literatur, im Gegenteil.14 Dennoch liegt bislang keine Untersuchung vor, die sich umfassend mit den verfassungsrechtlichen Fragestellungen der Thematik auseinandersetzt und diese zusammenhängend darlegt. Vor allem ein Verfassungswandel in diesem Bereich wurde bislang nicht tiefgehender erörtert. Eingangs wird nun zunächst die Entwicklung von Auslandseinsätzen in den Jahrzehnten seit Bestehen der Bundesrepublik kurz dargelegt (A.), anschließend wird die Fragestellung der vorliegenden Arbeit näher erläutert (B.) und schließlich folgt ein Überblick über den Gang der Untersuchung (C.).

A. Begriff und Entwicklung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr Vor der verfassungsrechtlichen Untersuchung werden die Begrifflichkeiten des Themenbereichs der Auslandseinsätze der Streitkräfte kurz dargestellt und die Entwicklung dieser Einsätze nachgezeichnet. Zunächst sind die verfassungsrechtlichen Regelungen zu betrachten (I.). Anschließend werden die Fragen aufgeworfen, was unter Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu verstehen ist und vor allem, welche Veränderungen sich beobachten lassen (II., III.). Schließlich wird dargelegt, welche Einsätze und Urteile des Bundesverfassungsgerichts vorliegend relevant sind (IV.).

I. Verfassungsrechtliche Regelungen Im Grundgesetz lassen sich zunächst vier Szenarien im Hinblick auf die Streitkräfte unterscheiden: Verteidigungsfall (Art. 115a I 1 GG), Spannungsfall (Art. 80a I GG), Zustimmungsfall (Art. 80a I GG) und Bündnisfall (Art. 80a III GG).15 Grundsätzlich bilden jedoch die Regelungen des Grundgesetzes für den Friedenszustand das Fundament der Streitkräfte.16 Trotz des gebräuchlichen Begriffs der „Wehrverfassung“17 sind die Einsatzmög14  In jüngster Zeit z. B. Bettendorf, Verantwortlichkeit; Scherrer, Parlament; Stam, Strafverfolgung; Surholt, Amtshaftung; Thiele, Auslandseinsätze; Wagner, Parlamentsvorbehalt; Wiefelspütz, Auslandseinsatz. 15  Krings/Burkiczak, DÖV 2002, S. 501. 16  Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 18. 17  Zum Begriff der Wehrverfassung siehe von Bülow, Einsatz der Streitkräfte, S.  27 m. w. N.; Lepper, Streitkräfte, S. 52 ff.; Raap, JuS 1996, S. 980; Schultz, Auslandsentsendung, S.  105 ff.; Spranger, Wehrverfassung, S. 20.

20

Teil 1: Einleitung

lichkeiten der Streitkräfte nicht an einheitlicher Stelle geregelt.18 Nur der Verteidigungsfall wird in Abschnitt Xa des Grundgesetzes (Art. 115a ff. GG) behandelt. Daneben ist die Verteidigung in Art. 45a, 53a, 73 I Nr. 1, 79 I sowie 80a GG erwähnt. Regelungen, welche die Bundeswehr oder die Streitkräfte betreffen, sind des Weiteren Art. 12a, 17a, 35 II, III, 65a, 87a, 87b und 96 GG. Zusätzlich sind Art. 24 II und 26 GG zu nennen.

II. Bundeswehr Die Bundeswehr ist Teil der Exekutive.19 Die Streitkräfte bilden den militärischen Teil20 der Bundeswehr: Die „Gesamtheit der militärischen Einheiten der Bundesrepublik Deutschland“21, „die unter der Befehls- und Kommandogewalt des Verteidigungsministers gemäß Art. 65a GG bzw. des Bundeskanzlers gemäß Art. 115b GG stehen“22.23 In den Anfangsjahren der Bundesrepublik drehte sich eine langwierige Auseinandersetzung darum, ob überhaupt wieder deutsche Streitkräfte aufgestellt werden sollten („Kampf um den Wehrbeitrag“24), nachdem dies 1949 ausgeschlossen schien.25 Die Wiederbewaffnung war gesellschaftlich, politisch und rechtlich hoch umstritten.26 Bis zum Jahre 1955 existierten daher keine deutschen Streitkräfte. 18  Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 357 f.; Röben, ZaöRV 63 (2003), S. 585, 593. 19  Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 7; Stern, Staatsrecht II, S. 851 ff. 20  Den überwiegenden Teil bildet die Bundeswehrverwaltung, Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84; vgl. zum Begriff der Bundeswehr Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 38 ff. Trotz der Unterscheidung werden die Begriffe der Bundeswehr und der Streitkräfte auch in dieser Arbeit synonym im letzteren Sinn verwandt. 21  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 16. 22  Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 9. 23  Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 10; Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn.  21 ff.; Hernekamp, Art. 87a GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 6; Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 10; Ladiges, JuS 2015, S. 598, 599. Ausführlich siehe Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 65 ff.; Poretschkin, NZWehrR 2008, S. 103. 24  Vgl. Institut für Staatslehre und Politik e. V.  Mainz (Hrsg.), Wehrbeitrag; Bartke, Verteidigungsauftrag, S.  36 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 855. 25  Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 2 ff.; Epping, Wehrverfassung, in: Pieroth, Verfassungsrecht, S. 183, 191 f.; Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 18 ff.; Harnisch, Politik, S. 174 ff.; Hofmann, Entwicklung des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 9, Rn. 44 ff. 26  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 23.



A. Begriff und Entwicklung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr 21

Seit ihren Anfängen ist die Bundeswehr eine Bündnisarmee.27 Dementsprechend war sie lange Zeit darauf ausgerichtet, die Bundesrepublik (im Rahmen der NATO) zu verteidigen und humanitäre Hilfsaktionen (solche ohne Waffeneinsatz) durchzuführen.28 Mit den Umbrüchen ab 1989 begann jedoch auch innerhalb der Bundeswehr eine „Transformation“29 hin zu neuen Aufgaben und Tätigkeiten im internationalen Umfeld.30 Das Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr aus dem Jahre 2016 nennt nun den internationalen Terrorismus als „zentrale Herausforderung“31. Die Bundeswehr ist eine „Armee im Einsatz“32. Sie wird seit dem 11. September 2001 vom Kampf gegen den Terrorismus geprägt,33 wobei weiterhin die Verteidigung Deutschlands erstes Ziel bleibt.34 Als Aufgaben der Bundeswehr werden u. a. genannt: „Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO und der EU“35; „Internationales Krisenmanagement einschließlich aktiver militärischer und zivil-militärischer Beiträge“36; „Heimatschutz, nationale Krisen- und Risikovorsorge und subsidiäre Unterstützungsleistungen in Deutschland“37, wozu auch Rettungseinsätze im Ausland zählen sowie „Partnerschaft und Kooperation auch über EU und NATO hinaus“38. Dabei soll die Bundeswehr Verantwortung und Führung übernehmen.39 Weitere Zielsetzungen der Bundeswehr bestimmen die Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011.40 Danach ist „eine unmittelbare territoriale Bedrohung Deutschlands mit konventionellen militärischen Mitteln […] unverändert unwahrscheinlich“41. Als größte Gefahr werden „zerfallende und zer27  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 24; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 26; Theiler, Bundeswehr, in: Gießmann/Wagner, Armee, S. 186, 189. 28  Gramm, NZWehrR 2011, S. 89. 29  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2006, S. 95 ff. 30  Gareis, Militärische Auslandseinsätze, in: Jäger/Höse/Oppermann, Außenpolitik, S. 148, 149; Gramm, NZWehrR 2011, S. 89, 90; Varwick, Bundeswehr, in: Schmidt/Hellmann/Wolf, Handbuch zur deutschen Außenpolitik, S. 246. 31  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 34. 32  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 137. 33  Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 380 f. 34  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 24, 90. 35  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 91. 36  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 92. 37  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 92. 38  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 92. 39  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2016, S. 23, 98. 40  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­nien. 41  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­ nien, S. 1.

22

Teil 1: Einleitung

fallene Staaten“42 genannt, denn dadurch „entstehen Bedrohungen wie Bürgerkrieg, Destabilisierung von Regionen [und] humanitäre Krisen“43. Als sicherheitspolitische Ziele folgten daraus: „Sicherheit und Schutz der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, territoriale Integrität und Souveränität Deutschlands und seiner Verbündeten [sowie] Wahrnehmung internationaler Verantwortung“44. Die Streitkräfte nehmen daher folgende Aufgaben wahr: „Landesverteidigung als Bündnisverteidigung im Rahmen der [NATO]; internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung – einschließlich des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus; Beteiligung an militärischen Aufgaben im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU; Beiträge zum Heimatschutz […]; Rettung und Evakuierung sowie Geiselbefreiung im Ausland; […] humanitäre Hilfe im Ausland“45. Dieses Selbstverständnis der Bundeswehr läuft auf eine rege Auslandstätigkeit hinaus. Noch in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 ist z. B. der Terrorismus mit keinem Wort erwähnt.46 Im Gegensatz dazu findet sich heute kaum ein staatenübergreifendes Problem, gegen das die Bundeswehr nicht vorgehen will, wobei weiterhin der Schutz der Bundesrepublik und deren Bündnispartner im Mittelpunkt steht. Die Bundeswehr stellt sich so als Armee dar, die international einsatzfähig sein will und dies mit weitreichenden Zielsetzungen. Politische Beschränkungen ergeben sich dabei fast nur noch aus ihrem Bekenntnis zur Bündnisintegration und dem „Weltfrieden“.

III. Auslandseinsätze Der Angriffskrieg ist gemäß Art. 26 I 1 GG verboten, zu anderen mög­ lichen Tätigkeiten der Streitkräfte im Ausland trifft das Grundgesetz allerdings keine wörtliche Regelung. Nichtsdestotrotz wird die Bundeswehr in den letzten Jahrzehnten durch Auslandseinsätze „geprägt“47.48 Im Herbst 42  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­ nien, S. 2. 43  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­ nien, S. 2. 44  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­ nien, S. 4. 45  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­ nien, S. 11. 46  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­ nien. 47  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 2006, S. 12. 48  Brenner/Hahn, JuS 2001, S. 729; Gareis, Militärische Auslandseinsätze, in: Jäger/Höse/Oppermann, Außenpolitik, S. 148, 149; Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 380, 392; Rauch, Auslandseinsätze, S.  70 ff.



A. Begriff und Entwicklung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr 23

2016 befindet sie sich nach eigenen Angaben in mehr als fünfzehn verschiedenen Einsätzen außerhalb des deutschen Staatsgebiets.49 Dabei wird unterschieden zwischen bewaffnetem Einsatz und humanitären Hilfsleistungen, wobei letztere grundsätzlich zulässig sein sollen.50 Der Fokus der Debatte liegt auf der Zulässigkeit und der Ausführung von Einsätzen, die nicht ausschließlich humanitärer Art sind, d. h. eine militärische Qualität aufweisen; so auch in dieser Untersuchung.51 Der erste Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland war ihre Entsendung nach Marokko 1960.52 Sie leisteten humanitäre Hilfe nach einem Erdbeben in Agadir. Nach Ansicht des Bundesministeriums der Verteidigung handelte es sich hierbei um eine Übung, keinesfalls um einen militärischen Einsatz.53 Der Verwendung in Marokko folgten bis zum heutigen Tag zahlreiche weitere dieser Art.54 Den humanitären Charakter der darauffolgenden Einsätze der Bundeswehr im Ausland demonstriert unter anderem die Zuständigkeit des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes, sie lag gerade nicht beim Bundesministerium der Verteidigung.55 Neue politische und rechtliche Fragen warf der Beitritt der Bundesrepublik zu den Vereinten Nationen im Jahre 197356 auf: In Frage stand die Beteiligung deutscher Truppen an peacekeeping-Einsätzen der Organisation, was jedoch zunächst nicht praktisch relevant wurde,57 denn bis 1990 fanden keinerlei bewaffnete Einsätze der Bundeswehr statt.58 Politisch bestand bis Ende der 1980er-Jahre weitgehend Einigkeit, dass zwar (unbewaffnete) Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen möglich seien, aber jedenfalls nicht außerhalb des NATO-Bündnisgebietes.59 (Bewaffnete) Auslandseinsät49  http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM 9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjUzLzixJIqIDcxu6Q0NScHKpRaUpWqX5 DtqAgASPKsIg!!/ (aufgerufen am 01. November 2016). 50  Breitwieser, Auslandseinsätze, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 152, 157. 51  Dazu näher s. u. Teil 2. A. II. 1., 2. 52  Chiari, Agadir 1960, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 24. 53  Chiari, Agadir 1960, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 24, 31. 54  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 27; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 19 f. 55  Chiari, Agadir 1960, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 24, 31. 56  BGBl. II, 1973, S. 430. 57  Vgl. dazu z. B. Stein, Rechtliche Aspekte, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 17. 58  Harnisch, Politik, S. 233. 59  Breitwieser, Auslandseinsätze, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 152, 158; von Krause, Bundeswehr, S. 159 ff.; van Ooyen, IPG 2002, S. 90, 96; vgl. dazu ausführlich Harnisch, Politik, S. 216–228; dagegen Glawe, Organkompetenzen, S.  117 ff.

24

Teil 1: Einleitung

ze wurden z. B. vom Bundessicherheitsrat bis in die 1980er-Jahre hinein als verfassungsrechtlich unzulässig eingestuft.60 Diese Ansicht vertrat auch die Bundesregierung:61 „Die Vorlage der Staatspraxis besteht darin, daß die Bundesregierung – und zwar jedweder parteipolitischer Couleur – herkömmlich die Auffassung vertreten hat, der Bundeswehr sei von Verfassungs wegen der Einsatz außerhalb des NATO-Gebietes, wie es in Art. 6 des Nordatlantikvertrages umschrieben wird, also ‚out-of-area‘, durch das Grundgesetz, Art. 87a Abs. 2, verboten.“62 Unter Einsatz im Bündnis wurde bis zur Wiedervereinigung verstanden, dass sich die Bundesrepublik mit Hilfe ihrer Bündnispartner gegen einen Angriff verteidigt, nicht jedoch, dass sie sich an einer Operation des Bündnisses beteiligt, ohne selbst angegriffen worden zu sein.63 Den Wendepunkt in der Praxis der Auslandseinsätze brachten die weltpolitischen Entwicklungen der 1990er-Jahre. Im Zuge der Wiedervereinigung erlangte Deutschland die volle staatliche Souveränität – auch im Hinblick auf militärische Maßnahmen64 – und die Forderungen verbündeter Staaten nach militärischen Beiträgen der Bundeswehr wurden deutlicher65. Nach 1990 nahm die Bundeswehr zum ersten Mal an einem peacekeeping-Einsatz der Vereinten Nationen (in Kambodscha) teil, allerdings weiterhin allein mit humanitären Hilfsmitteln (medizinische Versorgung).66 Erstmals militärische Unterstützung erbrachten die Streitkräfte schließlich mit der Beteiligung an den Operationen Sharp Guard und Deny Flight.67 Mit dem Einsatz im Kosovo 1999 änderte sich die militärische Zurückhaltung,68 grundsätzliche politische Beschränkungen für Einsätze der Streitkräfte im Ausland wurden 60  Stein,

Rechtliche Aspekte, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 17, 18. Bülow, Einsatz der Streitkräfte, S. 199 Fn. 1; Glawe, Organkompetenzen, S. 97; Isensee, Anhörung, in: Deutscher Bundestag, Materialien, S. 375, 383; Klein, Bemerkungen, in: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn et al., FS Bothe, S. 157; Tomuschat, Internationale Offenheit, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 226, Rn. 40 Fn. 152; Wieland, Wehrverfassung, in: Wahl, Verfassungsänderung, S.  165, 168 f. 62  Isensee, Anhörung, in: Deutscher Bundestag, Materialien, S. 375, 383. 63  Breitwieser, Auslandseinsätze, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 152, 154 f., 161; Glawe, Organkompetenzen, S. 96 f.; Kreß, ICLQ 44 (1995), S. 414; Schorkopf, Überstaatlichkeit, S. 120. 64  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 29. 65  Gareis, Militärische Auslandseinsätze, in: Jäger/Höse/Oppermann, Außenpolitik, S. 148, 149, 154; Harnisch, Politik, S. 237; Meiers, ZFAS 2010, S. 201, 204. 66  Hazdra, Peacekeeping, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 32, 42 f. 67  Vgl. dazu Keßelring, Bosnien-Herzegowina, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 50, 56; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 23. s. u. IV. und Teil 2 A. I. 68  Harnisch, Politik, S. 285; van Ooyen, IPG 2002, S. 90, 102. 61  von



A. Begriff und Entwicklung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr 25

aufgegeben.69 Auch geographische Grenzen werden seit den Einsätzen zu Beginn der 2000er-Jahre kaum mehr gezogen.70 Von da an nahm die Bundeswehr an verschiedensten militärischen Einsätzen im Ausland teil,71 unter anderem im Nahen Osten72 und in Afrika.73 Dabei veränderten sich nicht nur die Praxis der Einsätze der Bundeswehr und ihr Selbstverständnis, sondern auch die internationalen Rahmenbedingungen. Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes wandelten sich die Arten der Konflikte („Krieg gegen den Terror“)74. Zwar bestehen die Grundlagen der Charta der Vereinten Nationen weiterhin, im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde jedoch darüber hinaus u. a. die „humanitäre Intervention“ diskutiert.75 Auch die NATO durchlief einen Entwicklungsprozess. Gegründet als Selbstverteidigungsbündnis,76 war sie bis in die 1990er-Jahre hinein bestimmt durch die Mechanismen des Kalten Krieges.77 Nach dessen Ende erübrigte sich jedoch die diesbezügliche Strategie und das Strategische Konzept in Rom 199178 war der Beginn einer Neuausrichtung.79 Diesem folgten zwei weitere Strategische Konzepte (Washington 199980 und Lissa69  van Ooyen, IPG 2002, S. 90, 102 ff.; van Ooyen, Das BVerfG als außen- und sicherheitspolitischer Akteur, in: van Ooyen/Möllers, BVerfG, S. 665, 670; Schlaffer, „Armee im Einsatz“, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 246, 249 ff. 70  Harnisch, Politik, S. 286; van Ooyen, Öffentliche Sicherheit, in: Möllers/van Ooyen, BVerfG, S. 19, 27. s. o. II. 71  Gareis, Militärische Auslandseinsätze, in: Jäger/Höse/Oppermann, Außenpolitik, S. 148, 157; Harnisch, Politik, S. 285; Varwick, Bundeswehr, in: Schmidt/Hellmann/Wolf, Handbuch zur deutschen Außenpolitik, S. 246, 250; Weingärtner, Bundeswehr, in: Wiesner, Verteidigungspolitik, S. 347. Tabellarische Übersicht von Auslandseinsätzen der Bundeswehr von 1990 bis 2008 bei Gießmann/Wagner (Hrsg.), Armee im Einsatz, S. 386 f. Vgl. auch Gareis, Militärische Auslandseinsätze, in: Jäger/Höse/Oppermann, Außenpolitik, S. 148, 158. 72  Breitwieser, Die Vereinten Nationen, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 80. 73  Pahl, EUFOR RD Congo, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 108. 74  Herdegen, Völkerrecht, § 56; Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 95, 96. Vgl. dazu z. B. Heintze/Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht. 75  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 35 ff., 44 ff. s. u. Teil 2 B. II. 4. a) bb) (1). 76  Oeter, Systeme kollektiver Sicherheit, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 243, Rn. 27. 77  Limpert, Auslandseinsatz, S.  28 ff.; Varwick, NATO, in: Schmidt/Hellmann/ Wolf, Handbuch zur deutschen Außenpolitik, S. 763, 765 f. 78  Neues Strategisches Konzept der NATO 1991 http://www.nato.int/cps/en/nato hq/official_texts_23847.htm (aufgerufen am 01. November 2016). 79  Gareis, Militärische Auslandseinsätze, in: Jäger/Höse/Oppermann, Außenpolitik, S. 148, 154; Varwick, NATO, in: Schmidt/Hellmann/Wolf, Handbuch zur deutschen Außenpolitik, S. 763, 766 f. 80  http://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_27433.htm (aufgerufen am 01. November 2016).

26

Teil 1: Einleitung

bon 201081). Die NATO erweiterte Aktionsradius und Mitgliederzahl und versteht sich nun als sicherheits- und stabilitätsfördernde Organisation, die auf neue Bedrohungen (z. B. internationaler Terrorismus) flexibel reagieren kann.82 Die Probleme des sich im Umbruch befindlichen Völkerrechts und der internationalen politischen Lage spiegeln sich somit in der nationalen Entwicklung der Bundeswehr wider. Daraus resultiert, dass die Bundeswehr an den unterschiedlichsten Arten von Einsätzen im Ausland beteiligt ist, zumeist innerhalb eines Bündnisses. Im Rahmen der Vereinten Nationen kann sie sich an Einsätzen aufgrund von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen83 beteiligen (wobei Mitgliedsstaaten bzw. die NATO durch die Vereinten Nationen ermächtigt werden) sowie an (robusten) peacekeeping Einsätzen (ebenfalls durch Ermächtigung der Vereinten Nationen). Daneben können deutsche Streitkräfte in Operationen der NATO eingebunden sein, die aufgrund einer Resolution des Sicherheitsrats (in Form der soeben genannten Einsätze) oder ohne eine solche Ermächtigung (zur Verteidigung, als Krisenreaktionseinsatz oder humanitäre Intervention bzw. aufgrund der Responsibility to Protect)84 stattfinden. Schließlich besteht die Möglichkeit eines Einsatzes zur Verteidigung (allein oder im Bündnis) oder zu humanitären Zwecken. Darüber hinaus können Einsätze der Streitkräfte auch unter Führung der Europäischen Union stattfinden.85 Im Lauf der Jahre veränderte sich damit die Praxis der Auslandseinsätze von ihrer vermeintlichen Unzulässigkeit bis hin zur ständigen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in Anbetracht der Krisenherde der Welt.86 Die Rolle der Bundeswehr stellt sich heute tiefgreifend anders dar als vor den Umbrüchen der 1990er-Jahre.87 Die Debatte um militärische Auslandseinsätze hat damit seit der Annahme, solche Vorhaben seien verfassungswidrig, einen weiten Weg zurückgelegt.88 81  http://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_68580.htm?selectedLocale=en (aufgerufen am 01. November 2016). 82  Varwick, NATO, in: Schmidt/Hellmann/Wolf, Handbuch zur deutschen Außenpolitik, S. 763, 767. 83  BGBl. II, 1973, S. 430. 84  Vgl. zur Humanitären Intervention und Responsibility to Protect Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 22. s. u. Teil 2 B. II. 4. a) bb). 85  Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. dazu z.  B. Cremer, Art. 42 EUV, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV; Kaufmann-Bühler, Art. 42 EUV, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EU. Dazu ebenfalls BVerfGE 123, 267 (360 f.). 86  Breitwieser, Auslandseinsätze, in: Chiari/Pahl, Auslandseinsätze, S. 152, 159 ff.; van Ooyen, RuP 2008, S. 75, 77. 87  Harnisch, Politik, S. 285. 88  Kutscha, KJ 2004, S. 228, 231; Stein, Rechtliche Aspekte, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 17, 18.



B. Fragestellung27

IV. Auslandseinsätze in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung mit Auslands­ einsätzen der Streitkräfte liegt es schließlich nahe, den Fokus auf die Einsätze der Streitkräfte zu richten, mit denen sich das Bundesverfassungsgericht zu beschäftigen hatte. Urteile des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der Auslandseinsätze der Bundeswehr sind vor allem BVerfGE 90, 286 (Urteil vom 12. Juli 1994 – Out-of-area-Einsätze)89, BVerfGE 104, 151 (Urteil vom 22. November 2001 – NATO-Konzept), BVerfGE 118, 244 (Urteil vom 03. Juli 2007 – Afghanistan-Einsatz), BVerfGE 121, 135 (Urteil vom 07. Mai 2008 – Luftraumüberwachung Türkei) und BVerfGE 140, 160 (Rettungseinsatz Libyen. Hier in Frage stehen aufgrund der dazu ergangenen Urteile daher folgende Einsätze: Die Beteiligung an UNOSOM II in Somalia von 1992 bis 1994,90 die Beteiligung am NATO / WEU-Einsatz Sharp Guard im ehemaligen Jugoslawien von 1993 bis 1996,91 die Beteiligung an ISAF in Afghanistan von 2001 bis 201492, die Beteiligung an NATO-Luftraumüberwachungsmaßnahmen in der Türkei im Jahre 2003 sowie die Rettungsaktion deutscher Streitkräfte in Libyen am 26. Februar 2011. Dabei handelt es sich nur um solche Einsätze, die nicht ausschließlich humanitärer Art sind, sondern einen möglichen Waffeneinsatz mit sich brachten.

B. Fragestellung Die Darstellung zeigt, dass sich Auslandseinsätze und Bundeswehr wesentlich fortentwickelten. Weitreichende Veränderungen im Verhältnis der Streitkräfte zu Auslandseinsätzen prägen die letzten Jahrzehnte. Von einer Armee, die humanitäre Aufgaben im Ausland wahrnimmt, veränderte sich die Bundeswehr hin zu einer solchen, die bewaffnete Kampfeinsätze außerhalb des eigenen Staatsgebiets und desjenigen der Bündnispartner durchführt. 89  Alle Fallnamen sind zitiert nach dem Projekt „Deutschsprachiges Fallrecht (DFR)“ www.verfassungsrecht.ch (aufgerufen am 01. November 2016). 90  http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM 9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjUzLzixJIqIDcxKT21ODkjJ7-4ODUPKpFa UpWqV5yfm5iTmahfkO2oCAA-Fi4E/ (aufgerufen am 01. November 2016). 91  http://www.nato.int/ifor/general/shrp-grd.htm (aufgerufen am 01. November 2016). 92  http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM 9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjUzLzixJIqIDcxKT21ODkjJ7-4ODUPKpFa UpWql5iWnpGYl1lckpinX5DtqAgAEspFtA!!/ (aufgerufen am 01. November 2016).

28

Teil 1: Einleitung

Daraus allein folgt jedoch noch keine Aussage darüber, ob sich ebenfalls die verfassungsrechtlichen Normen veränderten, welche die Auslandseinsätze der Streitkräfte regeln. Im Rahmen des vorliegenden Themenkomplexes gehen allerdings mit der faktischen Veränderung der Einsätze neue verfassungsrechtliche Fragestellungen einher, die teilweise aus den geänderten Anforderungen resultieren:93 Einerseits ist die Frage nach Zulässigkeit und Voraussetzungen von Einsätzen im Ausland aufgeworfen, andererseits wird die Zuständigkeit für die Entscheidung über solche Einsätze diskutiert. Innerhalb dieser zentralen Fragestellungen finden sich weit verzweigte verfassungsrechtliche Probleme, je tiefgehender die Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgt.94 Im Zuge der faktischen Veränderungen der Einsätze im Ausland stellt sich somit die Frage nach einer möglichen Veränderung der Normen des Grundgesetzes in diesem Themenkomplex. Die Verteidigung ist im Grundgesetz in Art. 87a GG normiert, neuartige Aufgaben wie internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung werden jedoch nicht genannt. Die Verfassung ist in diesem Zusammenhang auf dem Stand des Jahres 1968, ausführliche Regelungen sind nur für den Verteidigungsfall getroffen, dessen Eintreten jedoch kaum mehr für möglich gehalten wird.95 Aktuellere Anforderungen an die Streitkräfte wurden jedenfalls nicht im Wege der Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG in das Grundgesetz eingefügt. Damit ist zu erörtern, ob eine Veränderung der verfassungsrechtlichen Normen festgestellt werden kann, die gleichzeitig keine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG bedeutet. Eine solche Veränderung könnte mittels der Methoden der Interpretation erfolgen und wird oftmals unter dem Stichwort des Verfassungswandels diskutiert.96 Damit ist zunächst die Definition des Verfassungswandels zu erörtern, die bislang nicht einheitlich festgelegt ist. Des Weiteren ist darzulegen, ob in den Normen des vorliegenden Themenkomplexes überhaupt ein Verfassungswandel festgestellt werden kann. Vor allem wird dabei die Frage nach Zulässigkeit und Grenzen eines Verfassungswandels aufgeworfen. Prinzipiell scheint eine Veränderung von Normen des Grundgesetzes im Wege der Interpretation möglich, allerdings existiert mit Art. 79 GG gerade 93  Vgl.

unten Teil 2. unten Teil 2 A. II., B. II., C. II., D. II., E. II. 95  Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Verteidigungspolitische Richtli­ nien, S. 1. 96  Vgl. z. B. Badura, Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 265, Rn. 13; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57; Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 382; Gramm, NZWehrR 2011, S. 89, 93 f.; Harnisch, Politik, S. 237; Schmahl, Einsatz deutscher Streitkräfte, in: Dreier, Macht und Ohnmacht, S. 107, 110; Streinz, Wandlungen des Grundgesetzes, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 130, 153 f. 94  Vgl.



B. Fragestellung29

eine Norm, welche ausdrücklich die Verfassungsänderung regelt. Infolgedessen besteht die Gefahr einer Umgehung des Art. 79 GG und es ist das Spannungsverhältnis zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG aufzulösen. Insbesondere im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird eine Veränderung der Normen des Grundgesetzes im Wege des Verfassungswandels relevant, da das Gericht zwar das Grundgesetz interpretiert, aber keine unzulässige Verfassungsänderung vornehmen darf. Die Untersuchung eines Verfassungswandels im Bereich von Auslandseinsätzen der Bundeswehr erfolgt daher nicht zufällig anhand von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, denn das Gericht spielt nicht nur eine wesentliche Rolle bei der Interpretation des Grundgesetzes, sondern insbesondere kommt seinen Entscheidungen gemäß § 31 BVerfGG bindende Wirkung zu. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage der Legitimation des Gerichts zu einem möglichen Verfassungswandel. Die vorliegende Arbeit untersucht daher, ob sich aus einem Verfassungswandel innerhalb der Normen zu Auslandseinsätzen der Streitkräfte einerseits neue Lösungswege für die auftretenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen ergeben, d. h. ob das Konzept des Verfassungswandels einen Beitrag zur rechtlichen Diskussion leisten kann und so von Nutzen97 ist; sowie andererseits, ob sich aus der Anwendung des Verfassungswandels Rückschlüsse auf diesen selbst ziehen lassen und Voraussetzungen und Grenzen des Verfassungswandels detaillierter dargestellt werden können. Auf der einen Seite könnte die Perspektive des Verfassungswandels gewinnbringend für die verfassungsrechtlichen Fragestellungen im Bereich von Auslandseinsätzen der Streitkräfte eingesetzt werden: Aus dem Konzept des Verfassungswandels ergeben sich womöglich Lösungsansätze oder weiterführende Argumente für die darzustellenden Probleme und jenes könnte neue Impulse für die umstrittene Thematik bereithalten. Es wird daher erörtert, ob die Hinweise auf die veraltete Wehrverfassung zu Recht bestehen und ob eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG (die in diesem Bereich häufig diskutiert wird)98 notwendig ist. Darüber hinaus kann der Verfassungswandel eventuell zukünftige Möglichkeiten des Umgangs mit den Normen des Grundgesetzes im vorliegenden Bereich aufzeigen. Gerade im Zusammenhang mit der Thematik der Auslandseinsätze könnte mittels des Verfassungswandels der Einfluss der zeitlichen Entwicklung durch die Anwendung des Verfassungswandels berücksichtigt werden.

97  Zu der Frage des Nutzens des Verfassungswandels Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450. 98  Zuletzt Deutscher Bundestag (Hrsg.), Unterrichtung, BT-Drucks. 18/5000, S. 45. Nachweise z. B. bei Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 27.

30

Teil 1: Einleitung

Die Erörterung des Verfassungswandels in Bezug auf die im verfassungsrechtlichen Kontext der Auslandseinsätze vorliegenden Fragestellungen könnte andererseits Schlussfolgerungen hinsichtlich des Begriffs des Verfassungswandels selbst ermöglichen. Dessen Voraussetzungen und Grenzen könnten durch die Darstellung im Bereich der Auslandseinsätze der Streitkräfte detaillierter erarbeitet werden. Dabei stellt sich diese Frage vor allem mit Blick auf die Rolle des Bundesverfassungsgerichts und dessen Legitimation zum Verfassungswandel.

C. Gang der Untersuchung Um die Zielsetzung der Untersuchung zu erreichen, erfolgt zunächst eine Darstellung der verfassungsrechtlichen Fragestellungen, welche sich im Bereich der Auslandseinsätze der Streitkräfte eröffnen (Teil 2). Die in den relevanten Urteilen anklingenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen im Rahmen der vorliegenden Thematik werden diskutiert und in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Dabei konzentriert sich die Darstellung vor allem auf die Voraussetzungen von Auslandseinsätzen sowie der Zuständigkeit hinsichtlich der Entscheidung über solche Einsätze. Mit jedem folgenden Urteil wird die verfassungsrechtliche Debatte um neue Aspekte erweitert. Es erfolgt dabei sowohl eine allgemeine Darstellung des Diskussionsstands als auch der Begründung und Entscheidung des Gerichts. Begleitend wird gleichsam die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt. Anschließend wird der Verfassungswandel näher betrachtet und untersucht, ob eine solche Veränderung der Normen im vorliegenden Themenkomplex stattgefunden hat (Teil 3). Dabei werden eingangs die theoretischen Grundlagen des Verfassungswandels dargelegt und der Begriff des Verfassungswandels erörtert. Hierauf aufbauend ist darzustellen, ob mit einem Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht die Grenzen des Art. 79 GG durchbrochen werden und ob in den aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragestellungen ein Verfassungswandel nachgezeichnet werden kann. Darauf aufbauend wird zu diskutieren sein, ob sich aus der Darstellung des Verfassungswandels Rückschlüsse auf diesen selbst ziehen lassen. Schließlich folgt das Fazit der Untersuchung (Teil 4). Die Konsequenzen der vorliegenden Darstellung werden dargelegt und die Frage beantwortet, ob sich Folgen für die verfassungsrechtlichen Fragestellungen ergeben.

Teil 2

Auslandseinsätze der Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Zu der Frage von Einsätzen der Streitkräfte im Ausland entschied das Bundesverfassungsgericht in einer vergleichsweise geringen Anzahl von Verfahren. Dementsprechend scheint es lohnenswert, die einzelnen Entscheidungen en détail zu betrachten und davon ausgehend verfassungsrechtliche Fragestellungen im Hinblick auf Auslandseinsätze der Streitkräfte aufzuwerfen. Im Fokus stehen in diesem Zusammenhang die Artikel 24 II, 59 II 1 und 87a II GG. Dabei wird die Argumentationsweise des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt und es werden gleichfalls die Problem- und Lösungsdarstellungen in der Literatur berücksichtigt. Die ausgewählten Urteile erscheinen in chronologischer Reihenfolge, um darüber hinaus Entwicklungsstränge der Argumentationen darzulegen.

A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 1994 (Out-of-area-Einsätze) Ein Ausrufezeichen in der Debatte um Einsätze der Streitkräfte im Ausland setzte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu out-of-area-Einsätzen am 12. Juli 1994. Es war die erste umfassende Entscheidung des Gerichts, die sich mit der Frage der Zulässigkeit von Einsätzen der Streitkräfte im Ausland beschäftigte, die nicht zweifellos humanitären Charakter hatten.

I. Sachverhalt Bei BVerfGE 90, 286 handelt es sich um zusammengefasste Organstreitverfahren der SPD- und FDP-Fraktionen im Deutschen Bundestag gegen die Bundesregierung. Streitgegenstände waren einerseits die Zustimmung der Bundesregierung zu Einsätzen der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien im Rahmen der NATO und der WEU sowie zu der Beteiligung an der Operation UNOSOM II und andererseits die Mitwirkung der Bundesregierung an Erklärungen von NATO und WEU, eigene Beschlüsse und ihr Briefwechsel mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen. Zuvor erging

32

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

bezüglich des Einsatzes in Somalia eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts.1 Im Verfahren 2 BvE 3 / 92 strengte die SPD-Fraktion im Bundestag ein Organstreitverfahren gegen die Bundesregierung an. Infolge des Krieges im zerfallenden Jugoslawien kam es zu einem Eingreifen der Vereinten Nationen, deren Sanktionen NATO und WEU ab Juni 1993 mit dem Einsatz Sharp Guard durchsetzten, an dem sich auch die Bundesrepublik beteiligte.2 Die Seestreitkräfte setzten zu Wasser und in der Luft die Wirtschaftsund Waffenembargos der Vereinten Nationen durch. Die Sanktionen wurden legitimiert durch die Resolutionen Nr. 7133 und Nr. 7574 des UN-Sicherheitsrats. Eine militärische Durchsetzung der Embargos ermöglichte der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution Nr. 7875. Der NATO-Außenministerrat und der WEU-Ministerrat fassten am 10. Juli 1992 in Helsinki Beschlüsse zur Umsetzung dieser Resolutionen. Die Bundesregierung entschied über die Beteiligung deutscher Streitkräfte am 15. Juli 1992.6 Die Antragsteller rügten diesen Beschluss der Bundesregierung sowie die Unterstellung der Streitkräfte unter die Verbände der NATO. Darüber hinaus wurden mit diesem Verfahren die Zustimmung und Mitwirkung der Bundesregierung an den Beschlüssen vom 10. Juli 1992 in Helsinki sowie an Beschlüssen der WEU vom 19. Juni 1992 und des NATO-Verteidigungsplanungsausschusses vom 24. März 1992 angegriffen.7 In zwei weiteren Organstreitverfahren (2 BvE 5 / 93 und 2 BvE 7 / 93) einerseits der FDP-Fraktion und andererseits der SPD-Fraktion im Bundestag gegen die Bundesregierung ging es um den Beschluss derselben vom 02. April 1993 über eine deutsche Beteiligung an der militärischen Sicherung einer vom UN-Sicherheitsrat verhängten Flugverbotszone über Bos­ nien-Herzegowina. Eine solche war mit der Resolution Nr. 7818 verhängt 1  BVerfGE

89, 38. Dazu näher unten F. II.

2  http://www.nato.int/ifor/general/shrp-grd.htm

(aufgerufen am 01. November 2016). Zu den Einsätzen Sharp Guard und Deny Flight auch Beck, Auslandseinsätze, S.  33 f.; Erberich, Auslandseinsätze, S.  144 ff.; Schröder, Zustimmungsverfahren, S.  40 ff. 3  Resolution des Sicherheitsrats 713 vom 25. September 1991 – S/RES/713 (1991) (Waffenembargo). 4  Resolution des Sicherheitsrats 757 vom 30. Mai 1992 – S/RES/757 (1992) (Handelsembargo). 5  Resolution des Sicherheitsrats 787 vom 16. November 1992 – S/RES/787 (1992) (Durchsetzung Embargo). 6  BVerfGE 90, 286 (307). 7  BVerfGE 90, 286 (287 f.). 8  Resolution des Sicherheitsrats 781 vom 09. Oktober 1992 – S/RES/781 (1992) (Flugverbotszone).



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199433

worden und wurde durch die Resolution Nr. 8169 noch einmal erweitert. Die NATO sicherte das Flugverbot aufgrund der Beschlüsse des NATO-Rats vom 02. und 08. April 1993 in der Operation Deny Flight. Schließlich ging es im Verfahren 2 BvE 8 / 93 um den Organstreit der SPD-Fraktion im Bundestag gegen die Bundesregierung aufgrund der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Operation UNOSOM II (einer peacekeeping-Operation der Vereinten Nationen mit Mandat zu Zwangsmaß­ nahmen)10 in Somalia auf Grundlage der Resolution Nr. 81411. Mit Beschluss der Bundesregierung und des Bundestags vom 21. April 1993 sowie einem Briefwechsel zwischen Bundesregierung und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen (26. / 28. April 1993 und 11. / 12.  Mai 1993) stand die deutsche Beteiligung an UNOSOM II fest. Das Gericht zog Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für die Einsätze im Ausland heran, unterwarf diese einem vorherigen konstitutiven Parlamentsvorbehalt und entschied, dass Art. 59 II 1 GG durch die fehlende Mitwirkung des Bundestags an den streitgegenstandlichen Erklärungen nicht verletzt war.

II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen BVerfGE 90, 286 warf eine Reihe von verfassungsrechtlichen Fragen auf, die zwar bereits diskutiert wurden, jedoch noch nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht waren. Erörtert wird im Folgenden zunächst die Möglichkeit, Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte heranzuziehen, anschließend die diesbezügliche Reichweite von Art. 87a II GG, das Verhältnis beider Normen zueinander sowie zuletzt die Kompetenzverteilung innerhalb der auswärtigen Gewalt anhand Art. 59 II 1 GG, inklusive eines Parlamentsvorbehalts für Einsätze der Streitkräfte im Ausland. 1. Ist Art. 24 II GG Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte? Es stellte sich zunächst die grundlegende Frage, welche Norm des Grundgesetzes einen Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland unter Führung ei9  Resolution

des Sicherheitsrats 816 vom 31. März 1993 – S/RES/816 (1993). Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 36. Zu UNOSOM II auch Beck, Auslandseinsätze, S. 34; Erberich, Auslandseinsätze, S.  96 f.; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 45 ff. 11  Resolution des Sicherheitsrats 814 vom 26. März 1993 – S/RES/814 (1993). 10  Bothe,

34

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

nes militärischen Bündnisses zulässt. Konkret ging es um militärische Einsätze, die nicht zur kollektiven Selbstverteidigung, außerhalb des NATOBündnisgebiets (out of area), aber unter Zuhilfenahme von Waffengewalt stattfanden, da sowohl die Resolution bezüglich des ehemaligen Jugoslawiens als auch diejenige hinsichtlich Somalias militärisch durchgesetzt werden konnte. Bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde über eine Heranziehung des Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte diskutiert, obwohl solche in der Norm mit keinem Wort erwähnt sind.12 Diesbezüglich könnte auch Art. 24 I GG als Rechtsgrundlage in Betracht kommen, wenn es sich bei militärischen Bündnissen um zwischenstaatliche Einrichtungen handelt, allerdings werden diesen bei einem Einsatz deutscher Streitkräfte keine „Hoheitsbefugnisse mit unmittelbarer Wirkung im innerstaatlichen Bereich“13 übertragen. Wäre dies möglich, würden die wehrverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes unterlaufen.14 Gerade die NATO verfügt über keine Durchgriffsrechte gegenüber ihren Mitgliedstaaten.15 Somit kann Art. 24 I GG nicht herangezogen werden. Wozu suchte das Gericht allerdings überhaupt nach einer Rechtsgrund­ lage? Die Verteidigung ist schließlich „genuine und naturgegebene Staatsaufgabe“16, sie „steht nicht zur Disposition des Verfassungsgebers, sondern ist ihm nur zur praktischen Ausformung zugewiesen“17 und bedürfte demnach vielleicht gar keiner geschriebenen Grundlage.18 Im Grundgesetz wird sie in Art. 87a GG genannt, nicht in Art. 24 II GG. Das Rechtsstaatsprinzip fordert jedoch letztlich eine verfassungsrechtliche Grundlage für Einsätze der Streitkräfte.19 Für diese muss demnach auf die „konkreten Rechtsgrundlagen des Grundgesetzes“20 zurückgegriffen werden.

12  Arndt,

DÖV 1992, S. 618, 623 f. 90, 286 (347). 14  Kirchhof, Der Verteidigungsauftrag, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann; et al., FS Bernhardt, S. 797, 810. 15  Randelzhofer, Art. 24 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 187. 16  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 8. 17  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 3. 18  Vgl. dazu Stern, Staatsrecht II, S. 843 ff. 19  Kersting, NZWehrR 1982, S. 84; Röben, ZaöRV 63 (2003), S. 585; Schmahl, Einsatz deutscher Streitkräfte, in: Dreier, Macht und Ohnmacht, S. 107. 20  Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 391. 13  BVerfGE



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199435

a) Grundlagen des Art. 24 GG Bevor Art. 24 II GG detaillierter betrachtet wird, kurz zu den Grundlagen der Norm. Diese gehört zu den völkerrechtsfreundlichen Bestimmungen des Grundgesetzes.21 Art. 24 II GG dient der Mitwirkung Deutschlands auf internationaler Ebene.22 Absatz 1 und Absatz 2 sind inhaltlich getrennt, stehen jedoch zueinander im Verhältnis der Komplementarität.23 Das Hinzufügen des Absatz 1a am 21. Dezember 199224 hat keine Auswirkungen auf die hier vorliegenden Fragen. Dementsprechend gilt die Norm prinzipiell unverändert seit 1949. Zunächst wurde Art. 24 II GG teilweise als einfacher Programmsatz abgetan, in der Norm liegt hingegen eine Ermächtigung zur Einordnung in ein System der kollektiven Sicherheit.25 b) Interpretation des Art. 24 II GG Es wird nun, ausgehend vom Wortlaut der Norm, die Frage erörtert, ob Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für den Einsatz der Streitkräfte im Ausland im Rahmen eines Verteidigungsbündnisses herangezogen werden kann. aa) System gegenseitiger kollektiver Sicherheit Ein Einsatz im Ausland, dessen Grundlage Art. 24 II GG bildet, kann nur innerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit erfolgen. Daher ist fraglich, welche Art von Bündnissen von derartigen Systemen erfasst werden. Die Verwendung dieses Begriffs beruht vermutlich auf einem Missverständnis, da die Mitglieder des Parlamentarischen Rates davon ausgingen, dass es sich um einen Fachbegriff des Völkerrechts handelte, der eine Vereinigung bezeichnet, die nicht nur Schutz vor äußeren Aggressoren bietet, sondern auch vor interner Bedrohung.26 Dem war jedoch nicht so; eine

21  Randelzhofer,

Art. 24 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 2. Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 121. 23  Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 2. 24  BGBl. I, 1992, S. 2086: „Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen.“ 25  Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 118. 26  Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 126. Siehe dazu auch Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 14/I, S. 174 ff. 22  Tomuschat,

36

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

präzise, verbindliche Definition herrschte (und herrscht) im Völkerrecht nicht.27 Nach dem Wortlaut zeichnen sich Systeme kollektiver Sicherheit dadurch aus, dass sich ihre Mitglieder gegenseitige Hilfe versprechen, falls eines von ihnen angegriffen wird.28 Maßgeblich ist nun, ob dieser Angriff von außen gegen das System und von innen erfolgen kann. Das engere Verständnis des Begriffs umfasst nur Systeme, deren Mitglieder sich unterei­ nander schützen und Frieden innerhalb ihres Bündnisses herstellen (kollektive Sicherheit).29 Die weitere Lesart erfasst jegliche Systeme der Friedenswahrung, deren Mitglieder sich auch gegen Drittstaaten schützen (kollektive Selbstverteidigung).30 Als ein gegenseitiges System muss zumindest „jeder Staat […] gleichzeitig Garant und Garantieempfänger sein“31.32 Ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit [soll sich] regelmäßig auch auf Streitkräfte [stützen]“33, was sich insoweit allerdings nicht aus dem Wortlaut des Art. 24 II GG ergibt. Die Historie deutet jedoch darauf hin, dass die Vorschrift bei ihrer Entstehung in Beziehung zu militärischen Auseinandersetzungen gesetzt wurde.34 Sinn und Zweck von Art. 24 II GG sollte die „militärische Sicherheit“35 der Bundesrepublik durch „ein staatenübergreifendes System der Friedenssicherung“36 sein. Unter einem System kollektiver Sicherheit ist folglich eine Organisation zu verstehen, deren Mitglieder den Frieden zu sichern suchen, nicht zuletzt unter Zuhilfenahme von Streitkräften. Das Bundesverfassungsgericht sieht dementsprechend von Art. 24 II GG Systeme beinhaltet, die ein „friedenssicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation“37 umfassen und deren Mitglieder „wechselseitig 27  BVerfGE 90, 286 (347); Hobe, Offener Verfassungsstaat, S. 146; Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 95, 111; Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 13; Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 127. 28  Brenner/Hahn, JuS 2001, S. 729, 733. 29  Classen, Art. 24 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 77 ff.; Deise­roth, Art. 24 GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 179; Hillgruber, Art. 24 GG, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 46. 30  Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 20. 31  Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 139. 32  Oeter, Systeme kollektiver Sicherheit, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 243, Rn. 17. 33  BVerfGE 90, 286 (345). 34  BVerfGE 90, 286 (345 f.). 35  BVerfGE 90, 286 (348). Siehe dazu und zum Folgenden auch Klein, Art. 24 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Rn. 3; von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 163 f. 36  BVerfGE 90, 286 (348). 37  BVerfGE 90, 286 (349).



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199437

zur Wahrung des Friedens verpflichtet [sind] und Sicherheit [gewähren]. Ob das System dabei ausschließlich oder vornehmlich unter den Mitgliedstaaten Frieden garantieren oder bei Angriffen von außen zum kollektiven Beistand verpflichten soll, ist unerheblich. Auch Bündnisse kollektiver Selbstverteidigung können somit Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG sein, wenn und soweit sie strikt auf die Friedenswahrung verpflichtet sind.“38 Das Gericht legte sich damit auf die umfassendere Interpretation des Begriffs fest. Dafür spricht neben den oben genannten Gründen, dass auch ein solches System der Friedenswahrung verpflichtet ist.39 Unbestritten sind die Vereinten Nationen ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit gemäß Art. 24 II GG.40 Der Einsatz im Rahmen von UNOSOM II erfolgte daher innerhalb eines solchen Systems. Vorliegend bezog sich die Frage nach einem Einsatz der Streitkräfte daneben auf das Mitwirken in einem Verband der NATO. Die Organisation existiert seit 1949 und besteht im Herbst 2016 aus 28 Mitgliedsstaaten. Das Hauptorgan der Organisation ist gemäß Art. 9 NATO-Vertrag41 der Nordatlantikrat und für alle Entscheidungen gilt das Konsensprinzip.42 Neben dieser allgemeinen Organisationsstruktur verläuft eine militärische Ebene, deren Hauptorgan der NATO-Militärausschuss ist. Gemäß Art. 1 NATO-Vertrag binden sich die Mitgliedsstaaten vornehmlich an die friedliche Streitbeilegung. Darüber hinaus verpflichten sie sich in Art. 4 und Art. 5 NATO-Vertrag zur kollektiven Selbstverteidigung. Aktuelle Ziele und Ausrichtungen der NATO bestimmen sich nach dem 2010 in Lissabon beschlossenen Strategiekonzept43. Nach alledem ist sie „durch ein friedenssicherndes Regelwerk und den Aufbau einer Organisation gekennzeichnet“44. Die NATO stellt somit ein Bündnis dar, das den Frieden der Mitgliedsstaaten nach außen sichern soll und zwar durch gegenseitige (militärische) Unterstützung. Nach obiger Definition und Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts45 handelt es sich um ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit gemäß Art. 24 II GG. 38  BVerfGE

90, 286 (349). Art. 24 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 46. 40  BVerfGE 90, 286 (349); Hillgruber, Art. 24 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 46. 41  BGBl. II, 1955, S. 289. 42  http://www.nato.int/cps/en/natolive/topics_49178.htm (aufgerufen am 01. November 2016). 43  http://www.nato.int/nato_static/assets/pdf/pdf_publications/20120214_strategicconcept-2010-eng.pdf (aufgerufen am 01. November 2016). 44  BVerfGE 90, 286 (351). 45  BVerfGE 90, 286 (351); BVerfGE 104, 151 (206). 39  Hillgruber,

38

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ist somit eine Organisa­ tion, die über ein eigenes Regelwerk verfügt und deren Mitglieder nach innen und außen Frieden und Sicherheit gewähren. bb) Wahrung des Friedens Die Friedenssicherung wird in Art. 24 II GG betont: Der Bund darf sich nur zur Wahrung desselben in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen. Dies soll sich bereits aus dem Begriff des Systems als solchem ergeben.46 Der Zusatz hebt daher im Prinzip die Grenze der Friedlichkeit bei der Einordnung in ein System gemäß Art. 24 II GG noch einmal hervor. Wie gezeigt, erfüllen sowohl NATO als auch UN dieses Kriterium. Daraus ergibt sich allerdings die Frage, ob nicht nur die Friedlichkeit des Systems vorliegen muss, sondern ob ebenso jeglicher Einsatz innerhalb eines solchen Systems friedlichen Zwecken zu dienen hat. Zur Klärung dieser Frage kam es im Verfahren allerdings nicht.47 cc) Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit Nachdem Einsätze nur innerhalb eines friedenswahrenden Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit erfolgen können, ist fraglich, ob die Einordnung in ein solches System gemäß Art. 24 II GG zu einem militärischen Einsatz innerhalb desselben ermächtigt. Der Wortlaut der Vorschrift lässt nicht auf den ersten Blick an einen Einsatz der Streitkräfte denken, zumindest nicht im Sinne von „expressis verbis“48. Grundsätzlich meint die Einordnung in ein System die Entstehung der Mitgliedschaft, durch Beitritt oder Mitwirkung beim Gründungsvertrag.49 Dazu bedarf es eines Gesetzes im Sinne von Art. 59 II 1 GG, da politische Beziehungen des Bundes geregelt werden.50 Einordnung bedeutet im Allgemeinen das Einfügen in etwas bereits Bestehendes. Bei Militärbündnissen werden üblicherweise Streitkräfte eingefügt, es besteht jedoch wiederum dazu keine Pflicht der Mitgliedsstaaten.51 Eine Mitgliedschaft in einem solchen System muss daher nicht automatisch einen Militäreinsatz 46  Heintschel

von Heinegg, Art. 24 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 43. dazu unten B. II. 4. b) und C. II. 2. 48  Deiseroth, NJ 1993, S. 145, 149. 49  Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 23. 50  Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 24. 51  Deiseroth, NJ 1993, S. 145, 149. 47  Siehe



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199439

nach sich ziehen.52 Dies wird gerade am Beispiel der NATO deutlich, da in Art. 5 NATO-Vertrag einzig „such action as it deems necessary“ vereinbart ist.53 Innerhalb einer solchen Organisation kann der Streitkräfteeinsatz dennoch als typische Aufgabe, womöglich als „Regelfall“54 betrachtet werden.55 Andererseits ist durchaus fraglich, ob gerade mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen (der erst 1973 erfolgte)56 zwangsläufig Militäreinsätze verbunden sind; die Organisation widmet sich zwar der Friedenssicherung, Hauptziel bleibt jedoch die Vermeidung eines militärischen Einsatzes von Streitkräften, sodass eine Mitgliedschaft durchaus ohne Militärbeitrag auskommt.57 Art. 87a GG kann nicht gegen die Möglichkeit des Streitkräfteeinsatzes auf Grundlage des Art. 24 II GG angeführt werden, da die Norm in neuer Fassung nicht den Bedeutungsgehalt von Art. 24 II GG einschränken sollte.58 Der Verfassungsgeber soll bereits bei Erarbeitung des Art. 24 II GG an die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und damit verbundene „Teilnahme an militärischen Sanktionen“59 gedacht haben.60 Ein Hinweis auf einen Einsatz findet sich allerdings nicht in den Beratungen des Parlamentarischen Rates.61 Bei Entstehung der Norm gab es des Weiteren noch keine Streitkräfte, daher ist durchaus fraglich, ob deren Einsatz von Art. 24 II GG erfasst werden kann.62 Art. 26 GG und Art. 4 III GG zeigen jedoch, dass der Verfassungsgeber grundsätzlich an Streitkräfte 52  Arndt, DÖV 1992, S. 618, 623  f.; Arndt, NJW 1994, S. 2197, 2198; Bähr, MDR 1994, S. 882, 884; Deiseroth, Art. 24 GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 249; Kutscha, KJ 2004, S. 228, 234. 53  Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass sich aus Art.  5 NATO-Vertrag nicht zwangsläufig ein militärischer Einsatz ergibt. BVerfGE 68, 1 (93); BVerfGE 123, 267 (424). 54  Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 171. 55  BVerfGE 90, 286 (345); Badura, ZSE 2007, S. 358, 362. 56  BGBl. II, 1973, S. 430. 57  Beispiele (Mikrostaaten, Japan, Österreich) bei Klein, ZaöRV 34 (1974), S.  429, 447 ff. 58  Classen, Art. 24 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 89; Fink, JZ 54 (1999), S. 1016, 1018; Gornig, JZ 48 (1993), S. 123, 126 f.; Tomuschat, AP 36 (1985), S. 272, 280. 59  Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 55. 60  Kriele, ZRP 1994, S. 103, 105; Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/ Dürig, GG, Rn. 55. s. u. Teil 3 C. I. 1. b). 61  Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 5/I, S. 322  ff.; Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 5/II, S. 542 ff.; Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 14/I, S. 174 ff. 62  BVerfGE 90, 286 (318); Bähr, MDR 1994, S. 882, 883; Deiseroth, Art. 24 GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 252; Kutscha, KJ 2004, S. 228, 234.

40

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

dachte,63 wenngleich diese historischen Hinweise nicht eindeutig sind.64 Art. 24 II GG sollte kaum zur Wiederbewaffnung Deutschlands beitragen.65 Es stellt sich jedoch die Frage, welche Funktion der Norm innewohnt, wenn nicht die der Ermächtigung zum Streitkräfteeinsatz innerhalb Systemen kollektiver Sicherheit,66 denn als allgemeine Rechtsgrundlage des Beitritts zu Internationalen Organisationen fungiert bereits Art. 59 II 1 GG.67 Organisationen, die von der Regelung des Art. 24 II GG betroffen sind, sind im Wesentlichen die UN, die NATO oder die (aufgelöste) WEU und gerade hier wird die Frage nach einem möglichen Einsatz deutscher Streitkräfte relevant. An den ursprünglichen Normen des Grundgesetzes lässt sich somit keine gänzliche Ablehnung von Streitkräften ablesen.68 Es kann jedoch ebenfalls nicht belegt werden, dass ein Einsatz der Streitkräfte auf Grundlage des Art. 24 II GG vorausgesetzt wurde. Der Begriff des Einordnens wird an keiner anderen Stelle des Grundgesetzes erwähnt. Arten des Beitritts finden sich in Art. 24 I GG (Übertragung von Hoheitsrechten) und Art. 23 I GG (Mitwirkung bei der EU durch Übertragung von Hoheitsrechten), wobei jedoch eine andere Form der Eingliederung erfolgt als in Art. 24 II GG.69 Daraus lassen sich für die Zulässigkeit eines Streitkräfteeinsatzes im Rahmen von Art. 24 II GG keine Schlussfolgerungen ziehen. Aus dem Zweck der Norm „sicherheitspolitische Kooperation“70 zu ermöglichen, könnte jedoch die Notwendigkeit einer Einsatzmöglichkeit gefolgert werden. Die Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit zieht laut Bundesverfassungsgericht die Übernahme von mit diesem „typischerweise verbundenen Aufgaben und damit auch […] [die] Verwendung der Bundeswehr zu Einsätzen, die im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems stattfinden“71 nach sich. Die Einordnung in ein solches System 63  BVerfGE 90, 286 (292); Bothe, Art. 26 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 8; Breitwieser, NZWehrR 2009, S. 150, 151; Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 4; Epping, Wehrverfassung, in: Pieroth, Verfassungsrecht, S. 183, 185; Harnisch, Politik, S.  173 f.; Wieland, Wehrverfassung, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 165. 64  Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 652, 656 f. 65  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 20. 66  Classen, Art. 24 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 76. 67  Classen, Art. 24 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 76; Pieper, Art. 59 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 31. 68  Stern, Staatsrecht II, S. 846. 69  s. u. dd). 70  Rojahn, Art. 24 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 96. 71  BVerfGE 90, 286 (345).



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199441

bedeutet „auch die Eingliederung von Streitkräften […] oder eine Beteiligung von Soldaten an militärischen Aktionen des Systems […], soweit Eingliederung oder Beteiligung in Gründungsvertrag oder Satzung […] bereits angelegt sind“72. Damit folgt aus der Einordnung die Möglichkeit eines Einsatzes. Fraglich ist nun letztlich, was unter Einsätzen „im Rahmen und nach den Regeln [des] Systems“73 zu verstehen ist. Das Handeln im Rahmen eines Systems bedeutet, dass selbiges die politische und völkerrechtliche Verantwortung für den Einsatz übernimmt.74 Ein Einsatz erfolgt nach den Regeln des Systems, wenn „die zuständigen Organe des jeweiligen Systems, Aufgaben und Kompetenzen wahrnehmen, die in der Satzung der betreffenden Organisation angelegt sind“75. Letztere kann allerdings möglicherweise geändert oder extensiv ausgelegt werden.76 Insgesamt bedeutet Einordnen somit das Einbringen der Streitkräfte in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit, jedenfalls besteht die Möglichkeit dazu (nicht die Verpflichtung). Dadurch ergibt sich gleichsam die Möglichkeit der Erfüllung der im Bündnis vereinbarten Aufgaben (ob verpflichtend oder freiwillig), folglich auch der Einsatz der Streitkräfte. dd) Einwilligung in die Beschränkung von Hoheitsrechten Nach dem Wortlaut des Art. 24 II GG folgt mit der Einordnung die Einwilligung in die Beschränkung der Hoheitsrechte des Bundes: Der Bund wird „hierbei“ einwilligen.77 Die Beschränkung von Hoheitsrechten aus Art. 24 II GG unterscheidet sich von der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 I GG. Die Beschränkung engt zwar die Handlungsfreiheit des Staates ein, führt aber im Gegensatz zur Übertragung nicht zu unmittelbaren Regelungsbefugnissen der Internationalen Organisation.78 Die Beschränkungen, denen der Mitgliedsstaat Bundesrepublik Deutschland unterliegt, sind die Befolgung der „Handlungs- und Unterlassungspflichten, die im Vertragswerk des Systems ausdrücklich enthalten oder unausgesprochen ange72  BVerfGE

90, 286 (351). 90, 286 (345). 74  Scherrer, Parlament, S. 40. 75  Scherrer, Parlament, S. 39. 76  Scherrer, Parlament, S. 39 f. 77  BVerfGE 90, 286 (351). 78  Heintschel von Heinegg, Art. 24 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 37  f.; Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 28; Rojahn, Art. 24 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 100. 73  BVerfGE

42

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

legt sind“79. Darunter fällt auch ein Einsatz im Ausland.80 Nachdem die Einordnung die Möglichkeit des Einsatzes der Streitkräfte eröffnet, ist nun fraglich, wo die Befehls- und Kommandogewalt über die deutschen Streitkräfte bei einem Einsatz im Ausland liegt. Die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte hat außerhalb des Verteidigungsfalles gemäß Art. 65a GG der Bundesminister für Verteidigung81 inne. Diese umfasst die Unterstellung der Streitkräfte in jeder Hinsicht (full command82).83 Bei der truppendienstlichen Unterstellung, d. h. „[allen] persönlichen und disziplinären Angelegenheiten, Ausbildung und [materieller] Versorgung“84, wird zwischen operational command, operational control und tactical control unterschieden.85 Umstritten ist, inwieweit die Übertragung militärischer Befehlsgewalt zu einer Beeinträchtigung von Art. 65a GG führt.86 In Friedenszeiten sind die Befugnisse der NATO grundsätzlich auf die operative Planung (operational control) beschränkt (Ausnahmen davon können sich bei bestimmten Verbänden ergeben).87 In Spannungszeiten oder zu Beginn von Kampfhandlungen verfügt die NATO über die Kompetenz zur operativen Führung (operational command) und der Bundesverteidigungsminister hat nicht mehr unmittelbar die Befehls- und Kommandogewalt inne.88 Operational command ist durch die NATO definiert als „die, einem militärischen Führer übertragene Befugnis, nachgeordneten Führern Aufgaben zuzuweisen oder Aufträge zu erteilen […] sowie operational control und / oder tactical control je nach Notwendigkeit selbst auszuüben oder zu übertragen‘ “89. Die Befehls- und Kommandogewalt kann somit als solche nicht im Ganzen übertragen werden,90 auch nicht bei Einsätzen in multilateralen Verbänden.91 Die Beschränkung 79  Rojahn,

Art. 24 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 100. Art. 24 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 101. 81  Zum Begriff siehe Epping, Art. 65a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 18. 82  Gill, NYIL 42 (2011), S. 37, 46. 83  Epping, Art. 65a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57. 84  Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 116. 85  Vgl. die Übersicht dazu bei Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 116; dazu auch Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 47 ff. 86  Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 125 ff. mit Verweis auf BVerfGE 68, 1 (96). 87  Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 111; Epping, Art. 65a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57. 88  Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 112; Epping, Art. 65a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57. 89  Zitiert aus Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 112. 90  Frank, nach Art. 87a GG, in: Denninger, Grundgesetz, Rn. 68. 91  Oeter, Systeme kollektiver Sicherheit, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 243, Rn. 22. Zur Unterscheidung zwischen „operational command“, 80  Rojahn,



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199443

von Hoheitsrechten bedeutet jedoch, die Anforderungen der Organisation (d. h. ein Einsatz der Streitkräfte) werden durch die Anerkennung fremder, nicht-umfassender militärischer Befehlsgewalt erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht stellte somit fest: „Die darin liegende Einwilligung in die Beschränkung von Hoheitsrechten umfaßt auch die Beteiligung deutscher Soldaten an militärischen Unternehmungen auf der Grundlage des Zusammenwirkens von Sicherheitssystemen in deren jeweiligem Rahmen, wenn sich Deutschland mit gesetzlicher Zustimmung diesen Systemen eingeordnet hat.“92 Folglich ermächtigt die Möglichkeit zur Einordnung in ein System kollektiver Sicherheit und die darauffolgende Beschränkung von deutschen Hoheitsrechten aus Art. 24 II GG zu einem Einsatz der Streitkräfte der Bundeswehr im Ausland innerhalb dieses Bündnisses. ee) Herbeiführung und Sicherung der friedlichen und dauerhaften Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt Der letzte Halbsatz des Art. 24 II GG dient wiederum der Unterstreichung des friedlichen Charakters eines Systems kollektiver Sicherheit.93 Zusätz­ liche konkrete Anforderungen an die Zulässigkeit eines Einsatzes ergeben sich hingegen nicht. 2. Ist Art. 87a II GG Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte? Mit Art. 24 II GG war eine Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze gefunden. Bei einem Blick in die Verfassung fällt allerdings Art. 87a II GG ins Auge – immerhin erwähnt die Norm Streitkräfte und Verteidigung. Es wird daher die Reichweite von Art. 87a II GG als zentrale Norm94 der Wehrverfassung untersucht und gefragt, ob diese Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte sein kann. „operational control“ und „tactical control“ vgl. Deiseroth, Art. 65a GG, in: Umbach/ Clemens, GG, Rn. 112 ff. 92  BVerfGE 90, 286 (351). 93  Wollenschläger, Art. 24 GG, in: Dreier, GG, Rn. 69. s. o. bb). 94  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 59; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 1; Hernekamp, Art. 87a GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 3; Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 7; Ipsen, Art. 87a GG, in: Kahl/ Waldhoff/Walter, BK, Rn. 8; Kokott, Art. 87a GG, in: Sachs, GG, Rn. 2.

44

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Absatz 1 des Art. 87a GG kommt entgegen anderer Ansicht nicht als Ermächtigungsgrundlage in Betracht, da die vor der Neufassung des Art. 87a GG in Absatz 1 enthaltene Ermächtigung heute in Absatz 2 zu finden ist, der im Gegensatz zu ersterem gerade von einem Einsatz der Streitkräfte spricht.95 Das Gericht äußerte sich dazu allerdings nicht. a) Grundlagen des Art. 87a GG Die Geschichte des Art. 87a GG ist im Gegensatz zu Art. 24 GG bis zum Jahre 1968 geradezu geprägt von Änderungen.96 Der Text des Grundgesetzes, das am 23. Mai 1949 in Kraft trat, enthielt keine Bestimmung zum Einsatz von Streitkräften.97 Die Wiederbewaffnung wurde jedoch recht schnell vorangetrieben und bereits am 28. März 1954 trat eine Regelung in Kraft (1. Wehrrechtsnovelle), die Art. 73 Nr. 1 GG änderte, sodass dem Bund unter anderem die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Verteidigung zukam.98 Infolgedessen verfügte die Bundesrepublik ab 1955 über eigene Streitkräfte. Bereits am 09. Mai 1955 wird die Bundesrepublik Mitgliedsstaat der NATO und am 22. März 1956 wurde ein neuer Art. 87a GG eingefügt (2. Wehrrechtsnovelle)99. Des Weiteren trat Art. 59a GG100 in Kraft. Die Diskussion war damit allerdings noch nicht beendet. Im Zuge der Notstandsreform101 1968 wurde erneut auch das Wehrrecht überholt: Art. 59a GG a. F. wurde ersatzlos gestrichen und Art. 87a GG neu formuliert. Damit fand die Norm zwar ihre bis heute 95  Arndt, DÖV 2005, S. 908, 909  f.; Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Rn. 14; von Bülow, Einsatz der Streitkräfte, S. 47 f.; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 82; Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 4 f.; Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 16; Kutscha, KJ 2004, S. 228, 231; Graf Vitzthum/Hahn, VBlBW 2004, S. 71. Für Art. 87a I GG als Ermächtigungsgrundlage Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 10; Kirchhof, Der Verteidigungsauftrag, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann, et al., FS Bernhardt, S. 797, 803 ff.; Scherrer, Parlament, S. 46 f.; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 51, 54 f. Für Art. 87a II GG als speziellere Norm, da auch Art. 87a I GG eine Ermächtigungsgrundlage darstellt Lutze, NZWehrR 2003, S. 101, 107. 96  Dazu ausführlich unten Teil 3 C. I. 2. b) bb). 97  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 2 Fn. 3; Bartke, Verteidigungsauftrag, S.  19 ff.; Epping, Art. 65a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 2; Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 18 ff.; Harnisch, Politik, S. 171; Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz, S. 103. 98  BGBl. I, 1954, S. 45; BVerfGE 90, 286 (293); Breitwieser, NZWehrR 2009, S.  150, 155 f.; Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 2. 99  BGBl. I, 1956, S. 112. 100  BGBl. I, 1956, S. 112. 101  BGBl. I, 1968, S. 711.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199445

gültige Fassung, die Diskussion um die Bundeswehr setzt sich allerdings weiterhin fort.102 b) Interpretation des Art. 87a II GG Bei der Frage, ob Art. 87a II GG als Rechtsgrundlage für Einsätze im Ausland dienen kann, ist wiederum auszugehen vom Wortlaut der Norm. aa) Art. 87a II GG als Regelung für den Einsatz im In- und Ausland? Zunächst wirft Art. 87a II GG im Grundsatz die Frage auf, ob die Norm den Einsatz der Streitkräfte sowohl im In- als auch im Ausland regelt oder lediglich einen solchen im Inland. Der Wortlaut des Art. 87a II GG deute auf eine Geltungsbeschränkung für das Inland hin, wenn die potentiellen Einsätze der Verteidigung ähneln müssen und sich diese nur auf die Verteidigung des Inlands beschränkt.103 Diese einschränkende Auslegung ergibt sich allerdings nicht zwangsläufig aus der Formulierung der Norm104 – eher das Gegenteil105. Für eine ausschließliche Anwendung auf Einsatzfälle innerhalb des Territoriums der Bundesrepublik wird vor allem die Entstehungsgeschichte der Norm herangezogen:106 Art. 87a GG ersetzte Art. 143 GG, welcher lediglich den inneren Notstand regelte.107 Andererseits soll wiederum auch der Einsatz im Ausland bei Entstehung der Norm bedacht worden sein.108 Daneben 102  Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 3; zahlreiche Nachweise bei Wiefelspütz, Parlamentsheer, S. 71; Wiefelspütz, Auslandseinsatz, S. 7 f. Dazu z. B. auch Baldus, NZWehrR 2007, S. 133; Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375; Roellecke, Der Staat 34 (1995), S. 415; Thalmair, ZRP 1993, S. 201. 103  Pechstein, JURA 1991, S. 461, 466; Schemann, Legitimation, S. 18. 104  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 61  f.; Bähr, ZRP 1994, S. 97; Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 32; Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 19; Klein, ZaöRV 34 (1974), S. 429, 432. 105  Klein, ZaöRV 34 (1974), S. 429, 432. 106  Hopfauf, ZRP 1993, S. 321, 323; Thalmair, ZRP 1993, S. 201, 203; Wiefel­ spütz, AöR 132 (2007), S. 44, 50 ff. 107  Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 18; Hopfauf, ZRP 1993, S. 321, 323; Limpert, Auslandseinsatz, S.  22 ff.; Stein, Landesverteidigung, in: Hail­ bron­ner/Ress/Stein, FS Doehring, S. 934, 942; Stein, Rechtliche Aspekte, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 17, 23 f.; Thomsen, Parlamentsvorbehalt, S.  9 f.; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 50 ff. 108  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 67 f.; Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Rn. 32; von Bülow, Einsatz der Streitkräfte, S. 58; Epping, Art. 87a

46

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

hätte es der weitreichenden Veränderung der Norm nicht bedurft, wenn lediglich redaktionelle Änderungen, keine inhaltlichen, angestrebt worden wären.109 Dass der verfassungsändernde Gesetzgeber einen Einsatz im Ausland für möglich hielt, könnte Art. 96 II GG belegen.110 Allerdings kann eine Entsendung ins Ausland im Sinne von Art. 96 II GG auch im Rahmen der Verteidigung zu verstehen sein und so keine Anhaltspunkte für „ausdrücklich zugelassene“ Einsätze bieten. Art. 87a II GG findet sich im Abschnitt zur innerstaatlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und könnte dementsprechend nur für das Inland gelten.111 Dafür lässt sich ebenfalls anführen, dass die Absätze 3 und 4 des Art. 87a GG nur den Einsatz innerhalb des Staatsgebiets betreffen.112 Die Stellung des Art. 87a GG kann jedoch insgesamt als verfehlt bezeichnet werden, da der Regelungsgehalt der Norm nicht zwangsläufig zu Abschnitt VIII „Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung“ passt.113 Regelt Art. 87a II GG lediglich den Einsatz im Inland, soll es keiner ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage für einen solchen im Ausland bedürfen.114 Gegen eine derartige Anwendungsbeschränkung spricht das widersprüchliche Ergebnis, dass so der Einsatz im Innern einem strikten Vorbehalt unterläge, wohingegen ein solcher im Ausland in das Ermessen der Exekutive fiele.115 Einzige ausdrückliche „Bremse“116 wäre in diesem Fall GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 19; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 19; Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 16. s. u. Teil 3 C. I. 2. b). 109  Epping, Wehrverfassung, in: Pieroth, Verfassungsrecht, S. 183, 201. 110  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 55; Jachmann, Art. 96 GG, in: Maunz/Dürig, GG, S. 1; Scherrer, Parlament, S. 47. 111  Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 19; Kokott, Art. 87a GG, in: Sachs, GG, Rn. 12; Stein, Landesverteidigung, in: Hailbronner/Ress/Stein, FS Doehring, S. 934, 942; Stein, Rechtliche Aspekte, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 17, 24 f.; Thalmair, ZRP 1993, S. 201, 202. 112  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 31; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 18; Stein, Landesverteidigung, in: Hailbronner/Ress/Stein, FS Doehring, S. 934, 942. 113  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 58 ff.; Bähr, ZRP 1994, S. 97, 98; Ipsen, Art. 87a GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 2 ff.; Scherrer, Parlament, S. 51 f. m. w. N. Kritik seit Entstehung der Norm von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2303. 114  Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 57. 115  Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 19; Gramm, NZWehrR 2005, S. 133, 136; Preuß, KJ 1993, S. 263, 265; Schopohl, Außeneinsatz, S. 130. 116  Stein, Rechtliche Aspekte, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 17, 29.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199447

Art. 26  GG,117 ein – im historischen Kontext betrachtetes – weitläufiges Ergebnis.118 Es würden zwar die völkerrechtlichen Grenzen gelten,119 da­raus ergeben sich jedoch noch keine grundgesetzlichen Einschränkungen. Genau solche sind jedoch für den Einsatz im Ausland nötig, um die Befugnisse und Möglichkeiten der Streitkräfte detailliert festzulegen.120 Darüber hinaus ist die umstrittene Rechtslage im Völkerrecht wenig geeignet, Grenzen für Einsätze deutscher Streitkräfte zu ziehen. Insgesamt weist die Konzeption des Grundgesetzes daher darauf, dass der Einsatz der Streitkräfte nur in enger Anbindung an die Verfassung erfolgen soll, d. h. nur aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung.121 Das Bundesverfassungsgericht schloss sich in seiner out-of-area-Entscheidung explizit keiner dieser beiden Sichtweisen an.122 Zum Teil wird, vor allem durch historische Argumentation, eine Präferenz des Gerichts für eine ausschließliche Geltung des Art.  87a II GG für Inlandseinsätze begründet,123 da „die Notstandsverfassung weder neue Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte schaffen noch im Grundgesetz bereits zugelassene beschränken“124 sollte. Darüber hinaus sei „maßgeblich […] das Ziel [gewesen], die Möglichkeiten für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern durch das Gebot strikter Texttreue zu begrenzen“125. Eine ausführliche Begründung für das Heranziehen des Art. 24 II GG wäre andererseits kaum nötig gewesen, gälte der Vorbehalt des Art. 87a II GG nicht für Auslands­ einsätze.126 Auch die Verhandlungsgliederung des Gerichts, in der Art. 87a II GG vor Art. 24 II GG positioniert war, spricht für diese Auffassung.127 Das jüngere Lissabon-Urteil könnte gleichfalls so verstanden werden, dass jeglicher Einsatz im Ausland einer Ermächtigungsgrundlage bedarf und damit Art. 87a II GG sowohl für In- als auch Auslandseinsätze Ipsen, Art. 87a GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 69. 90, 286 (316); Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 64 f.; Beck, Auslandseinsätze, S. 296; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 434 f. 119  Bothe, Art. 26 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 22 ff.; Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 28; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 53. 120  Tomuschat, AP 36 (1985), S. 272, 280. 121  Bachmann, MDR 1993, S. 397. 122  BVerfGE 90, 286 (355). 123  Dau, NZWehrR 1994, S. 177, 179; Hernekamp, Art. 87a GG, in: von Münch/ Kunig, GG, Rn. 12; Heun, JZ 49 (1994), S. 1073; Krings/Burkiczak, DÖV 2002, S. 501, 504 Fn. 48; Scherrer, Parlament, S. 49 f. 124  BVerfGE 90, 286 (356). 125  BVerfGE 90, 286 (357). 126  Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 397; Scherrer, Parlament, S. 51. 127  Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 428. 117  Dafür

118  BVerfGE

48

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

gilt:128 „Der Auslandseinsatz der Streitkräfte ist außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt“129. Eine klare Aussage trifft das Bundesverfassungsgericht jedoch gerade nicht.130 Es handelt sich um ein obiter dictum,131 keinen Schwerpunkt des Verfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht versteht schließlich Art. 87a II GG als Grundlage für den Einsatz im In- und Ausland.132 Das Bundesverfassungsgericht bezieht zwar keine Stellung, allerdings sprechen die besseren Argumente dafür, den Vorbehalt von Art. 87a II GG auch auf Auslandseinsätze zu erstrecken. bb) Einsatz Der Einsatzbegriff des Art. 87a II GG ist umstritten und die Frage vom Bundesverfassungsgericht im Verfahren BVerfGE 90, 286 gleichsam nicht entschieden.133 Soll Art. 87a II GG zu Einsätzen im Ausland ermächtigen, müssten solche vom Begriff des Einsatzes erfasst sein. Gilt nun Art. 87a II GG für Auslandseinsätze, ist jedoch die Frage aufgeworfen, ab wann ein Einsatz im Sinne der Norm vorliegt und keine andere Art der Verwendung der Streitkräfte. Im Urteil wird einzig festgestellt, dass es sich nicht um einen Einsatz handeln kann, wenn die Streitkräfte nicht in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind.134 Der Begriff wird jedoch nicht weiter ausgeführt.135 Gegen eine daraus abzuleitende Definition spricht, dass lediglich Einsatz durch Unternehmungen ersetzt wurde.136 Ein Einsatz soll teilweise aus der Bewaffnung der Streitkräfte folgen.137 Im Anschluss daran wird vertreten, Einsätze könnten nur vorliegen, sobald 128  BVerfGE 123, 267; Gramm, DVBl 2009, S. 1476, 1479; Gramm, NZWehrR 2011, S. 89, 95. Dazu unten F. VII. 129  BVerfGE 123, 267 (360). 130  Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 427; Heintschel von Heinegg/Haltern, NILR 41 (1994), S. 285, 303 f.; Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 652, 655; Scherrer, Parlament, S.  50 ff. 131  Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 23. 132  BVerwGE 127, 1 (15); Ladiges, JuS 2015, S. 598, 599. 133  BVerfGE 90, 286 (355); Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 37; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 20 f. Für einen ausführlichen Überblick zum Streitstand vgl. Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S.  121 ff.; Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 106  ff.; Sigloch, Auslandseinsätze, S.  47 ff. 134  BVerfGE 90, 286 (388). 135  Ausführlich unten D. II. 1. 136  Sigloch, Auslandseinsätze, S. 46.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199449

sie als militärisch zu qualifizieren sind.138 Wiederum davon abweichend soll es sich um einen Einsatz handeln, wenn militärische Gewalt zielgerichtet eingesetzt wird.139 Schließlich wird zum Teil ein Einsatz nur angenommen, wenn dies nach „Art der Verwendung der Streitkräfte (bewaffnet, hoheitlich) [und] […] durch die besondere Situation (Verteidigung, Notstand, Katastrophe)“140 angebracht ist. Der Wortlaut des Art. 87a II GG deutet jedoch durch die Formulierung „eingesetzt werden“ ohne Beschränkung auf einen militärischen Sinn bzw. Bewaffnung auf eine weite Auslegung hin.141 Was genau unter Bewaffnung zu verstehen sein soll, bleibt darüber hinaus zumeist offen.142 Das Kriterium ist daher wenig zur Definition des Einsatzbegriffes geeignet. Historische Betrachtungen stützen ebenfalls die These, dass das Merkmal der Bewaffnung bei Art. 87a II GG keine Rolle spielen sollte,143 wenn dies auch nicht eindeutig ist.144 Im Anschluss an die anderen ausdrücklich zugelassenen Einsätze im Grundgesetz könnte zu fordern sein, dass ein Einsatz nur bei Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt.145 Dagegen spricht allerdings, dass dies als gemeinsames Merkmal nicht zwangsläufig auch Voraussetzung ist.146 Des Weiteren lässt sich der Vergleich mit den ausdrücklich zugelassenen Einsätzen ebenfalls gegen eine notwendige Bewaffnung anführen.147 Folglich kann die Definition des Einsatzbegriffes nicht ausschließlich am Merkmal Bewaffnung ausgerichtet werden. Des Weiteren wird eine Auslegung des Einsatzbegriffs anhand des Völkerrechts (Art. 2 Nr. 4 UNC) diskutiert.148 Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind, können zur Auslegung herangezogen werden.149 Im Hinblick auf den Einsatz137  Hernekamp, Art. 87a GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 13; vgl. Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 123 Fn. 5; Fiebig, Bundeswehr im Innern, Fn. 239 jew. m. w. N. 138  Coridaß, Auslandseinsatz, S.  85 f.; Nölle, Verwendung, S. 52; Schopohl, Außeneinsatz, S. 132. 139  Hoffmann, Bundeswehr, S. 192. 140  Mössner, Bundeswehr, in: von Münch, FS Schlochauer, S. 97. 141  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 135 f.; Sigloch, Auslandseinsätze, S. 50. 142  Glawe, NVwZ-Extra 2011, S. 1, 2; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 181. 143  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 140 f. Dagegen Fiebig, Bundeswehr im Innern, S.  117 f. 144  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 113 f.; Schemann, Legitimation, S. 38. 145  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 137 ff. 146  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 124. 147  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 121 f.; Sigloch, Auslandseinsätze, S.  52 f. 148  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 122; Giegerich, ZaöRV 49 (1989), S. 1, 24 ff. Siehe dazu auch unten A. II. 2. b) cc). 149  Kersting, NZWehrR 1982, S. 84, 85.

50

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

begriff dient dies jedoch kaum der Konkretisierung des Grundgesetzes, denn das Völkerrecht kann nur wenig Aufschluss über verfassungsrechtlich Zulässiges geben.150 Daraus ergibt sich zumindest kein weiterführender feststehender Einsatzbegriff. Schließlich wird angeführt, dass ein Einsatz der Streitkräfte grundsätzlich ihre hoheitliche Verwendung bedeutet.151 Die Streitkräfte müssen planmäßig durch die Staatsleitung verwendet werden.152 Dass nicht schlicht jede Verwendung der Streitkräfte gleichzeitig ihren Einsatz bedeuten kann, folgt daraus, dass andere Einsätze (im innerstaatlichen Bereich) an besondere Gefahren anknüpfen.153 Nach Sinn und Zweck154 der Verteidigung (Schutz des Territoriums der BRD, der Bürgerinnen und Bürger sowie des freiheitlich demokratischen Rechtsstaats) ist eine hoheitliche155 Verwendung der Streitkräfte erforderlich.156 Dabei ist allerdings umstritten, was hoheitlich in diesem Zusammenhang bedeutet.157 Einerseits wird gefordert, dass nur ein obrigkeitliches Handeln maßgeblich sein kann (d. h. die Streitkräfte werden eingesetzt, wenn dies durch eine Staatsgewalt geschieht, „die sich durch die Befugnis zu Regelung und Zwangsausübung sowie die Ausübung dieser Befugnisse auszeichnet“158).159 Es soll andererseits nicht darauf ankommen, ob die Streitkräfte hoheitlich oder schlicht-hoheitlich handeln.160 Gegen diese Abgrenzung lässt sich anführen, dass eine Unterscheidung zwischen hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln nicht immer eindeutig ist.161 Daraus folgt, dass die Streitkräfte für einen Einsatz zumindest hoheitlich als Teil der vollziehenden Gewalt tätig werden müssen.162 Damit ist nicht jede 150  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 48; Brenner/Hahn, JuS 2001, S. 729, 733; Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 686; Fehn/Fehn, JURA 1997, S. 621, 622; Fibich, ZRP 1993, S. 5, 7; Pechstein, JURA 1991, S. 461, 466; Riedel, Einsatz, S.  100 f.; Graf Vitzthum/Hahn, VBlBW 2004, S. 71, 72; Wiefelspütz, Parlamentsheer, S. 119; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 63. s. u. A. II. 2. b) cc) (1) (a). 151  Sigloch, Auslandseinsätze, S.  51 f. 152  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 111. 153  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 136 ff. 154  Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Zweck des Art. 87a II GG vgl. Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 125 ff. 155  Für obrigkeitlich statt hoheitlich Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 156 f. 156  Beck, Auslandseinsätze, S. 294; Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 156 f. 157  Hoffmann, Bundeswehr, S. 176 ff.; Lutze, NZWehrR 2003, S. 117, 120; Speth, Bundeswehr, S.  49 ff. 158  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 156. 159  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 156 f. 160  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 139. 161  Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 180; Stein/Kröninger, JA 1995, S. 254, 256. 162  BVerwGE 127, 1 (17); vgl. Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 124 Fn. 8; Fiebig, Bundeswehr im Innern, Fn. 255; Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 15;



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199451

Verwendung ein Einsatz. Dennoch ist mit Blick auf die Verteidigung aus Art. 87a II GG zu fordern, dass ein gewisser Bezug zur Eigenart der Streitkräfte als Teil der Bundeswehr besteht. Das Bundesverfassungsgericht geht schließlich in einem späteren Urteil davon aus, dass für einen Einsatz im Inland konkreter Zwang nicht nötig ist, sondern die Personal- und Sachmittel der Streitkräfte in ihrem Drohbzw. Einschüchterungspotential genutzt werden müssen.163 Auch für einen Einsatz im Ausland ist zur näheren Eingrenzung die Frage zu stellen, ob die Streitkräfte in ihrem „[spezifischen] Droh- und Gewaltpotential“164 genutzt werden. Im Umkehrschluss ergibt sich aus Art. 87a II GG, dass es sich nicht um Einsätze handelt, wenn die Streitkräfte keine Gewalt ausüben sollen.165 Insgesamt stellen unbewaffnete Verwendungen somit zumeist keinen Einsatz dar,166 wenn auch das Kriterium der Bewaffnung nicht ausschlaggebend ist. Für die Verwendung der Streitkräfte im Ausland gilt letztlich: Beim Eingreifen in einen bewaffneten Konflikt wird es sich regelmäßig um einen Einsatz handeln, wie andererseits humanitäre Hilfe durch die Streitkräfte im Normalfall keinen Einsatz darstellt.167 Der Einsatz kann somit als hoheitliche Verwendung der Streitkräfte unter Nutzung ihres spezifischen Droh- und Gewaltpotentials definiert werden. cc) Verteidigung Ein Einsatz der Streitkräfte kommt nach Art. 87a II GG des Weiteren nur in Betracht, wenn es sich um Verteidigung handelt. Zunächst wurde davon ausgegangen, die Verteidigung des Art. 87a I GG sei im Gleichklang mit dem Verteidigungsfall gemäß Art. 115a I GG auszulegen.168 Dagegen sprechen jedoch insbesondere der Wortlaut der Normen, die verschiedenen Regelungszwecke und die unterschiedliche Verwendung Sigloch, Auslandseinsätze, Fn. 130 jew. m. w. N.; Windthorst, Art. 87a GG, in: Gröpl/ Windthorst/von Coelln, GG, Rn. 11. 163  BVerfGE 132, 1 (20); Pieroth, Art. 87a GG, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn. 8. s. u. E. II. 1. 164  BVerfGE 140, 160 (206). 165  BT-Drucks. V/2873, S. 13; Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Rn. 40; Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 15; Klein, ZaöRV 34 (1974), S. 429, 435. Kritisch dazu Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Fn. 60. 166  Kokott, Art. 87a GG, in: Sachs, GG, Rn. 17. 167  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 41. 168  Arndt, DÖV 1992, S. 618, 620; Breitwieser, NZWehrR 2009, S. 150, 160; dazu ausführlich Bartke, Verteidigungsauftrag, S.  67 ff.

52

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

beider Begriffe in Art. 87a GG selbst.169 Davon ging wohl ebenfalls der Verfassungsgeber aus.170 Bei einem Verteidigungsfall wird jedoch immer auch im Sinne des Art. 87a II GG verteidigt.171 Nach dem Bundesverfassungsgericht bedurfte diese Frage im Verfahren wiederum „keiner Entscheidung“172. Der Begriff ist damit weiterhin umstritten.173 In der wissenschaftlichen Diskussion lässt sich eine Vielzahl von Interpretationen unterschiedlichster Nuancen finden.174 Besonders im Zuge der terroristischen Bedrohung kam es in den letzten Jahren zu immer neuen Diskussionsbeiträgen.175 Im allgemeinen Sprachgebrauch meint Verteidigung die Abwehr von Angriffen, was jedoch keine Anhaltspunkte für eine tiefgehende Definition bietet. Aufschluss könnte eine Abgrenzung zum Angriff bieten: Verteidigung darf zumindest nicht zuerst tätig die Initiative ergreifen. Das ergibt sich allerdings für die Bundeswehr bereits aus Art. 26 GG. Eine nähere Betrachtung der Verteidigung erfolgt nun durch die Aufteilung des Begriffs in verschiedene Aspekte. (1) Angriffsart und Angreifer Zunächst lässt sich fragen, gegen wen und gegen welche Art von Angriffen Verteidigung erfolgen darf. Die Abwehr von Angriffen militärischer Art fällt unter den Begriff der Verteidigung.176 Weitere Angriffsarten werden 169  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 46; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 436; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 22; Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 15; Ipsen, Einsatz der Bundeswehr, in: Schwarz, Sicherheitspolitik, S. 615, 615, 617 ff.; Kersting, NZWehrR 1982, S. 84, 86 ff.; Klein, ZaöRV 34 (1974), S. 429, 437 f.; Kokott, Art. 87a GG, in: Sachs, GG, Rn. 23; Kreß, ICLQ 44 (1995), S. 414, 419; Ladiges, HFR 2009, S.  19 m. w. N.; Pieroth, Art. 87a GG, in: Jarass/Pieroth, GG, Rn. 9; Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 172; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S.  44, 56 f. 170  BVerfGE 90, 286 (296). 171  Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 687. 172  BVerfGE 90, 286 (355). 173  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 42; Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 686 f.; Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 210 ff.; Ladiges, HFR 2009, S. 19, 21. 174  Für einen Überblick siehe z. B. Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 55 ff. 175  Siehe z. B. Dreist, NZWehrR 2002, S. 133; Gramm, NZWehrR 2003, S. 89; Hochhuth, NZWehrR 2002, S. 154; Lutze, NZWehrR 2003, S. 101; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, S. 773. 176  Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 5.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199453

nach völkerrechtlicher Interpretation sowie nach Richtung der Angriffshandlung oder aufgrund der Angreifer differenziert. (a) Völkerrechtliche Interpretation Zum einen könnte eine völkerrechtliche Interpretation entlang der Maßstäbe des Selbstverteidigungsrechts gemäß Art. 51 UNC maßgeblich sein.177 Dabei sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die gemäß Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechtes sind, zur Interpretation heranzuziehen.178 Vorliegend kommt dazu das Selbstverteidigungsrecht als Völkergewohnheitsrecht in Betracht, das in Art. 51 UNC kodifiziert wird.179 Der Begriff des bewaffneten Angriffs ist nicht mit dem der Gewalt aus Art. 2 Nr. 4 UNC identisch, sondern enger zu verstehen.180 Er muss ein gewisses Ausmaß und eine gewisse Schwere erreichen und erhebliche Auswirkungen zeigen.181 Die ausgeübte Selbstverteidigung hat notwendig und verhältnismäßig zu sein,182 die Verteidigungsmaßnahme muss folglich erforderlich sein und darf nicht außer Verhältnis zum Angriff stehen.183 Der bewaffnete Angriff kann mit Hilfe der Aggressionsdefinition184 näher bestimmt werden,185 z. B. können die Angriffshandlungen aus Art. 3 Aggres­ sionsdefinition (z. B. die Invasion)186 als Hinweis auf einen bewaffneten Angriff dienen.187 Ein solcher Katalog besteht für das Grundgesetz aller177  BVerwGE 127, 1 (15); Breitwieser, NZWehrR 2009, S. 150, 160; von Bülow, Einsatz der Streitkräfte, S. 62 ff.; Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 94; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 436 f.; Ipsen, JöR 21 (1972), S. 1, 25; Ipsen, Einsatz der Bundeswehr, in: Schwarz, Sicherheitspolitik, S. 615, 616 f.; Klein, ZaöRV 34 (1974), S. 429, 438 f.; Ladiges, HFR 2009, S. 19, 21 Fn. 30 m. w. N.; Mössner, Bundeswehr, in: von Münch, FS Schlochauer, S. 97, 105. 178  Kersting, NZWehrR 1982, S. 84, 85. s. o. A. II. 2. b) bb). 179  Randelzhofer/Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte; et al., UNC, Rn. 9 ff.; Shaw, International law, S. 1132 f. 180  von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 1057; Randelzhofer/Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 6. 181  von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 1057; Randelzhofer/Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 20. 182  Randelzhofer/Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 57 ff.; Shaw, International law, S. 1140 ff. 183  von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 1068. 184  Resolution der UN-Generalversammlung 3314 (XXIX) vom 14. Dezember 1974 – A/RES/3314 (XXIX) (1974). 185  Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 22 ff.; Ipsen, Einsatz der Bundeswehr, in: Schwarz, Sicherheitspolitik, S. 615, 619 f. 186  Randelzhofer/Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 23. 187  von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 1057; Randelzhofer/Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 22.

54

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

dings nicht. Problematisch ist darüber hinaus u. a. die Frage, ob Angriffe auf Staatsangehörige in einem anderen Land das Recht zur Selbstverteidigung eröffnen.188 Durchaus umstritten ist auch, in welchem Zusammenhang Staat und bewaffnete Gruppen stehen müssen, damit ein bewaffneter Angriff vorliegt.189 Nur staatliche Gewalt soll vom Begriff des bewaffneten Angriffs umfasst sein, nicht-staatliche Gewalt lediglich, wenn sie einem Staat zugerechnet werden kann.190 Fraglich ist des Weiteren die zeitliche Ausdehnung des Rechts auf Selbstverteidigung.191 In neuerer Zeit ist ebenso umstritten, inwieweit die Verletzung von Menschenrechten das (kollektive) Selbstverteidigungsrecht auslösen kann.192 In diesem Zusammenhang wird darüber hinausgehend vertreten, unter den Begriff der Verteidigung falle noch weitreichender der Schutz des „Weltfriedens“.193 Diese Ansicht stützt sich auf die Präambel und die Art. 24 II und 26 I GG.194 Dagegen spricht, dass so der Begriff der Verteidigung eher ausufert denn definiert wird.195 Insgesamt kann danach davon ausgegangen werden, dass ein Angriff, gegen den Verteidigung zulässig ist, nur vorliegt, wenn militärische Gewalt ausgeübt wird und diese eine gewisse Schwere erreicht,196 andernfalls ufert der Begriff der Verteidigung zu weit aus. Dies spricht ebenfalls dafür, dass sich die Verteidigung nur gegen einen staatlichen (bzw. zurechenbaren) militärischen Angriff richten darf. Die Verteidigungshandlung muss dabei 188  von Arnauld, Völkerrecht, Rn.  1100 ff.; Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 21; Randelzhofer/ Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 28. Vgl. zur Rettung deutscher Staatsangehöriger unten E. II. 189  Randelzhofer/Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 31 ff. 190  von Arnauld, Völkerrecht, Rn.  1060 f.; Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 19. 191  von Arnauld, Völkerrecht, Rn.  1063 ff.; Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 19; Randelzhofer/ Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 49 ff.; Shaw, International law, S.  1137 ff. 192  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 19, 22. 193  Boldt, ZRP 1992, S. 218, 220; Günther, Einsatz der Bundeswehr, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 329, 349; Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/ Walter, BK, Rn. 173. Vgl. dazu die Diskussion um Einsätze der Streitkräfte ohne SR-Resolution (s. u. B. II. 4.). 194  Sigloch, Auslandseinsätze, S.  59 f. 195  Günther, Einsatz der Bundeswehr, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 329, 349; Sigloch, Auslandseinsätze, S.  59 ff. 196  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 19.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199455

allerdings verhältnismäßig sein. Insoweit ist die völkerrechtliche Diskussion aufschlussreich für den Begriff der Verteidigung. (b) Richtung der Angriffshandlung Weiterhin ist umstritten, aus welcher Richtung die Angriffshandlungen erfolgen müssen. Die Abwehr eines Angriffs von außen ist regelmäßig vom Begriff der Verteidigung erfasst.197 Probleme bereitet jedoch eine detaillierte Erfassung des Merkmals „außen“. Terroristische Bedrohungen erschweren die Trennung zwischen innen und außen, sodass diese nur schwer als geeignetes Definitionsmerkmal herangezogen werden kann.198 Nichtsdestotrotz muss ein Unterschied zum inneren Notstand gewahrt werden, das ergibt sich aus Art. 87a IV, 35 II 2, III GG.199 Zu beachten ist dabei, dass eine Schutzlücke entsteht, könnten terroristische Angriffe weder aufgrund Art. 87a II GG noch Art. 87a IV GG bekämpft werden.200 Ein Angriff muss daher nicht zwangsläufig von außen erfolgen. (c) Angreifer Es stellt sich darüber hinaus die Frage, von wem der Angriff ausgehen muss. Zum Teil wird vertreten, Verteidigung könne nur gegen staatliche (oder einem Staat zurechenbare) Angriffe stattfinden.201 Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte des Art. 87a II GG bestätigen jedoch eine Auslegung in diese Richtung.202 Systematisch betrachtet, müssten Angriffe auch von nicht-staatlichen Stellen erfasst sein, da diese auf Grundlage des Art. 87a IV GG im Inland bekämpft werden können und andernfalls eine Verteidigungslücke entstünde.203 Um der Ausuferung des Verteidigungsbegriffs vorzubeugen, bedarf es allerdings eines militärähnlichen Angriffs.204 197  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 255; Fischer, JZ 59 (2004), S. 376, 380; Gramm, NZWehrR 2005, S. 133; Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, S. 773, 775; Wiefelspütz, NZWehrR 2003, S. 45, 54; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 65. 198  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 92 ff.; Wiefelspütz, NZWehrR 2005, S. 146, 149; Wiefelspütz, NZWehrR 2007, S. 12, 14. 199  Ladiges, HFR 2009, S. 19, 27. 200  Ladiges, HFR 2009, S. 19, 27. 201  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 50; Ladiges, HFR 2009, S. 19, 23. s. o. (a). 202  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 50; Ladiges, HFR 2009, S. 19, S. 26. 203  Ladiges, HFR 2009, S. 19, S. 27; Wiefelspütz, ZaöRV 65 (2005), S. 819, 827 f. 204  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 50; Lutze, NZWehrR 2003, S. 101, 115.

56

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Der Unterschied zur polizeilichen Gefahrenabwehr muss gewahrt bleiben.205 Von der Verteidigung im Sinne des Art. 87a II GG sollen jedoch auch Angriffe erfasst sein, die militärähnlich erfolgen und nur durch die Streitkräfte (im Gegensatz zur Polizei) wirksam bekämpft werden können.206 Gegen das Kriterium der ausschließlich durch die Streitkräfte möglichen Abwehr spricht jedoch die daraus resultierende Beliebigkeit des Streitkräfteeinsatzes sowie die entstehenden Abgrenzungs- und Anwendungsprobleme.207 Nur weil die Streitkräfte faktisch eher in der Lage sein mögen, terroristischen Angriffen zu begegnen, heißt das nicht, dass sie dies auch dürfen.208 Es darf der Polizei nicht bloß gerade nicht möglich sein den Angriff abzuwehren, sondern dieser muss mit seiner Intensität und Wirkung nach einem Einsatz der Streitkräfte verlangen. Demnach muss der Angriff nicht zwangsläufig von einem Staat ausgehen, allerdings zumindest militärische Merkmale aufweisen oder einem Staat zurechenbar sein, um einen Einsatz der Streitkräfte zu rechtfertigen. (2) Objekt der Verteidigung Neben Angriffsart und Angreifer ist ebenfalls das Objekt der Vertei­ digung Gegenstand der Diskussion. Richtlinien werden dabei nach den Kategorien der Landesverteidigung, der Nothilfe, des Weltfriedens, der ­ Schwere des Angriffs und der möglichen Rettung deutscher Staatsangehöriger aufgestellt. (a) Landesverteidigung Die Entstehungsgeschichte des Art. 87a II GG deutet auf ein Hinausreichen des Begriffs über die reine Landesverteidigung hin.209 Unbestritten soll zumindest das deutsche Staatsgebiet verteidigt werden. Eine Beschränkung der Verteidigung auf das Bundesgebiet widerspräche wiederum den – zur Zeit der Schaffung von Art. 87a II GG bereits bestehenden – Bündnispflich205  Wiefelspütz,

AöR 132 (2007), S. 44, 64. RuP 2006, S. 136, 137 ff.; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 90; Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 13; Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz, S. 137 f.; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 62, 64, 70 f.; Wiefelspütz, NZWehrR 2007, S. 12, 19 f. 207  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 52; Ladiges, HFR 2009, S. 19, 28. 208  Gramm, NZWehrR 2003, S. 89, 95; Linke, AöR 129 (2004), S. 498, 516. 209  Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 18  ff.; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 47, 61. 206  Arnold,



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199457

ten der Bundesrepublik.210 Daher kann Verteidigung sowohl im Hinblick auf das Staatsgebiet Deutschlands als auch auf die Gebiete der Bündnispartner stattfinden.211 Allerdings können auch innerhalb der Bündnisverteidigung nicht die grundgesetzlichen Grenzen der Verteidigung überschritten werden, sodass dieses Kriterium allein keine hinreichende Definition darstellt.212 (b) Nothilfe Diskutiert wird des Weiteren die völkerrechtliche Nothilfe zugunsten anderer Staaten, die keine Bündnispartner sind.213 Für eine Einbeziehung der Nothilfe in den Begriff der Verteidigung lassen sich historische Gründe anführen.214 Die Verteidigung von Bündnispartnern sei ohnehin als völkerrechtliche Nothilfe zu qualifizieren, es mache demnach keinen Unterschied, ob dies im Rahmen eines Bündnisses oder außerhalb erfolgte.215 Eine Differenzierung zwischen Bündnispartnern und anderen Staaten ist daher nicht erforderlich.216 Andererseits könne im Fall der Bündnisverteidigung durch das Vorliegen des Bündnisvertrags regelmäßig von einer Einwilligung des betroffenen Staates ausgegangen werden, dies sei im Fall der schlichten Nothilfe nicht gegeben und daher könne diese nicht von Art. 87a II GG erfasst werden.217 Gegen eine Erstreckung des Verteidigungsbegriffs auf die Nothilfe wird ebenfalls angemerkt, dass in diesem Fall kein Bezug zur Landesverteidigung des Gebiets der Bundesrepublik bestehe und daher kein taugliches Verteidigungsobjekt vorliege.218 Weitergehend soll es darauf ankommen, ob deutsche Sicherheitsinteressen bedroht seien,219 ist dies der Fall, sei Verteidigung zulässig. Daneben wird 210  Bachmann, MDR 1993, S. 397, 398; Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Rn. 46; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 77; Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 18. 211  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 46; Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 687; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 33. 212  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 81. 213  Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 217 Fn. 31; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 23 f. jew. m. w. N. 214  Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 24; Wiefelspütz, AöR 132 (2007), S. 44, 61; Wiefelspütz, DÖV 2010, S. 73, 77. 215  Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 12; Wiefelspütz, DÖV 2010, S. 73, 77. 216  Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 23. 217  Burmester, NZWehrR 1993, S. 133, 137, 144. 218  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 120. 219  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 120.

58

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

eine Einbeziehung der Nothilfe in Art. 87a II GG befürwortet, wenn indirekt eine Bedrohung Deutschlands oder seiner Bündnispartner besteht.220 Die Frage nach der Einbeziehung der Nothilfe bleibt daher strittig und wurde bisher vom Bundesverfassungsgericht nicht entschieden, es spricht jedoch viel dafür, zwischen Nothilfe für Bündnispartner und anderen Staaten nicht zu unterscheiden. (c) Schwere des Angriffs Im Übrigen wird der Begriff der Verteidigung teilweise nach der Qualität des Angriffs ausgerichtet.221 Dies wird vor allem im Hinblick auf die terroristische Bedrohung und den Streitkräfteeinsatz im Innern vertreten.222 Ein funktionaler Ansatz spricht von Verteidigung „als Abwehr oder Abschreckung eines aktuellen oder drohenden bewaffneten Angriffs auf das im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 und 26 GG organisierte System internationaler Sicherheit“223. Dagegen ist anzuführen, dass der verfassungsrechtliche Verteidigungsbegriff nicht konturlos werden darf, um seine „rechtsstaatliche Funktion“224 nicht zu gefährden. Der Vorbehalt aus Art. 87a II GG läuft leer, wenn alle erdenklichen Vorfälle unter den Begriff der Verteidigung gefasst werden könnten.225 Eine solche Interpretation verkehrt in letzter Konsequenz den Begriff der Verteidigung ins Gegenteil, solange ein „guter Zweck“ zu finden ist.226

220  Heun,

Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 17. Hinweise bei Gramm, DVBl 2009, S. 1476, 1479; Hernekamp, Art. 87a GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 4; Ladiges, HFR 2009, S. 19, 25. Wiefelspütz, Terroristische Anschläge, S.  26 ff. 222  Gramm, DVBl 2006, S. 653, 656; Hernekamp, Art. 87a GG, in: von Münch/ Kunig, GG, Rn. 4; Ladiges, HFR 2009, S. 19, 25; Wiefelspütz, Terroristische Anschläge, S.  26 ff. 223  Preuß, KJ 1993, S. 263, 266. 224  Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 395. 225  Bachmann, MDR 1993, S. 397, 398; Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, S. 396. 226  Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 686; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/ Dürig, GG, Rn. 86. 221  Vgl.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199459

(d) Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland Strittig ist schließlich, ob als Verteidigungsobjekt nicht nur das Staatsgebiet, sondern auch das Leben deutscher Staatsangehöriger im Ausland in Betracht kommt.227 Die Verteidigung auch des Lebens der Staatsbürger und Staatsbürgerinnen im Inland ist stets gleichzeitig zur Staatsgebietsverteidigung der Fall.228 Probleme bereiten Lebensgefährdungen deutscher Staatsbürger und Staatsbürgerinnen im Ausland. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass ein sehr weiter Verteidigungsbegriff gleichfalls eher auch die Ermächtigung zur Rettung eigener Staatsangehöriger umfasst,229 wogegen jedoch die genannten Argumente sprechen.230 Zum einen wird vorgebracht, ein Einsatz im Ausland sei als Verteidigung des Staatsvolks gemäß Art. 87a GG aufgrund staatlicher Schutzpflichten zulässig.231 Auch im Ausland bestünden diese weiter.232 Schutzpflichten begründen jedoch allgemein keine Kompetenzen.233 Weiterhin würde der Vorbehalt zulässiger Streitkräfteeinsätze aus Art. 87a II GG unterlaufen, wenn diverse verfassungsrechtlich geschützte Güter „verteidigt“ werden könnten.234 Zum anderen wird daher dargelegt, der Begriff der Verteidigung aus Art. 87a II GG erstreckt sich nach der Drei-Elemente-Lehre auf die Attribute Staatsgebiet und Staatsvolk („Personalverteidigung“235).236 Dies wurde z. B. im Fall der Rettungsaktion „Libelle“237 erörtert.238 227  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 56; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 435 ff.; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 24; Schorkopf, Überstaatlichkeit, S. 129 ff. Dazu auch unten E. II. 228  Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 687 f.; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/ Dürig, GG, Rn. 108. 229  Z. B. Hillgruber, Art. 87a GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 17. Kritisch Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 395; Gramm, DVBl 2009, S. 1476, 1479. 230  s. o. A. II. 2. b) cc) (1) und (2) (c). 231  Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 437 ff.; Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 77; Schorkopf, Überstaatlichkeit, S.  130 ff.; Wild, DÖV 2000, S. 622, 625. 232  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 110. 233  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 56; Gramm, NZWehrR 2005, S. 133, 140. So auch Kötter/Nolte, DÖV 2007, S. 186, 190 f. 234  Brunner, ZRP 2011, S. 207, 208; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 440 ff.; Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 10; Gramm, NZWehrR 2005, S.  133, 139 f. 235  Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 687. 236  Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 687 f.; Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/ Dürig, GG, Rn. 108 ff.; Franzke, NZWehrR 1996, S. 189, 192; knapp Glawe, NZ

60

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Prinzipiell umfasst die Drei-Elemente-Lehre auch die Staatsgewalt239, sodass die Verteidigung derselben nach dieser Ansicht ebenfalls vom Verteidigungsbegriff umfasst sein müsste. Dabei ist jedoch unklar, welche Konsequenzen dies hat, darüber hinaus könnte dies gleichsam zu einer ausufernden Defini­tion des Verteidigungsbegriffes führen. Schließlich bietet diese Sichtweise keine Lösung für eine Rettung ausschließlich fremder Staatsangehöriger im Ausland, da lediglich deutsche Staatsangehörige vom Staatsvolk und demnach vom Verteidigungsbegriff umfasst sind. Die Frage nach der Zulässigkeit solcher Aktionen wird bereits bei der Rettung überwiegend fremder Staatsangehöriger aufgeworfen, wie dies auch bei der Rettungsaktion in Libyen240 im Jahr 2011 der Fall war. Eröffnet jedoch die Gefährdung einzelner Staatsangehöriger die Möglichkeit der Verteidigung im Ausland, kann die Frage der Anzahl der tatsächlich geretteten Personen keine Rolle spielen, solange sich da­ runter überhaupt deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen befinden. Dafür, dass der Begriff der Verteidigung auch das Staatsvolk umfasst, lassen sich die völkerrechtlichen Interpretationshinweise anführen.241 Die Staatsangehörigkeit enthält als Gegenseitigkeitsverhältnis gleichzeitig die Schutzpflicht des Staates.242 Dagegen wird allerdings angemerkt, dass einzelne Staatsbürger und Staatsbürgerinnen im Ausland nicht das Staatsvolk als Element des Staates bilden, sondern sich dieses gerade auf dem Territorium des Staates befindet.243 Auch im Ausland befindliche Staatsangehörige behalten jedoch ihre Zugehörigkeit zum Staatsvolk.244 Soweit die Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland nicht von Art. 87a II GG erfasst sein soll, wird schließlich auf die Möglichkeit der Rettung durch die Bundespolizei verwiesen.245 Dagegen wird allerdings angeführt, diese sei dafür weniger geeignet.246 WehrR 2009, S. 221, 225; Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 52. 237  Deutscher Bundestag (Hrsg.), Einsatz, BT-Drucks. 13/7233; dazu auch Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 69 ff. 238  Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 93 f.; Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 688. 239  Dafür Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 94; Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 52. Zweifelnd auch Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 440 Fn. 87. 240  s. u. E. 241  Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 94. 242  Depenheuer, DVBl 1997, S. 685, 688; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 439. Ähnlich Franzke, NZWehrR 1996, S. 189, 192. 243  Brunner, ZRP 2011, S. 207, 208; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 440 Fn. 87; Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 10.1. 244  Pudlas/Brinkmann, JURA 2012, S. 426, 428. 245  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 56; Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 17; Riedel, Einsatz, S. 175.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199461

Insgesamt scheint es plausibel, dass die Bundesrepublik ihre Staatsangehörigen im Ausland nicht sich selbst überlassen kann. Die Rettung deutscher Staatsangehöriger ist folglich als „Verteidigung“ gemäß Art. 87a II GG möglich. (3) Ort der Verteidigung Nach dem geflügelten Wort des ehemaligen Bundesministers der Verteidigung (2002 bis 2005) Peter Struck wird Deutschland „nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“247. Damit ist die Frage aufgeworfen, in welchem Territorium (außer auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland) deutsche Streitkräfte gemäß Art. 87a II GG zur Verteidigung eingesetzt werden dürfen. Art. 87a II GG selbst weist keine Beschränkung örtlicher Natur auf. Nach den oben dargelegten Grundsätzen können Gebiete außerhalb Deutschlands verteidigt werden. Der Ort der Verteidigung ist des Weiteren eng verknüpft mit dem Schutzgut, das es zu verteidigen gilt.248 (4) Zeitpunkt der Verteidigung Weitere Fragen wirft die zeitliche Komponente der Verteidigung auf: Ab wann darf verteidigt werden und bis zu welchem Zeitpunkt darf die Verteidigung andauern? Auch hierzu schweigen sowohl Art. 87a II GG als auch das Bundesverfassungsgericht. Über die zeitliche Ausdehnung des Verteidigungsbegriffs wird vor allem im völkerrechtlichen Zusammenhang ge­strit­ ten,249 in der verfassungsrechtlichen Diskussion spielt dies bislang kaum eine Rolle. Die Verteidigung kann allerdings auch vorbereitende Maßnahmen umfassen.250 dd) Ausdrücklich zugelassene Einsätze Soll ein Einsatz nicht zur Verteidigung erfolgen, muss er gemäß Art. 87a II GG durch das Grundgesetz ausdrücklich zugelassen worden sein, um Ein246  Depenheuer,

Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 110. Bundestag, Plenarprotokoll 15/97 v. 11. März 2004, S. 8601. 248  s. o. A. II. 2. b) cc) (2) (d). 249  Vgl. z. B. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 29; Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 29; Randelzhofer/ Nolte, Article 51, in: Simma/Khan/Nolte, et al., UNC, Rn. 49 ff.; Schiffbauer, Selbstverteidigung. 250  Wild, DÖV 2000, S. 622, 625. 247  Deutscher

62

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

sätzen kraft Natur der Sache vorzubeugen.251 Die Verfassung sieht explizit die Aufgaben der Katastrophenhilfe (Art. 35 II, III GG) und der Abwehr des äußeren und inneren Notstands (Art. 87a III, IV GG) vor.252 Keiner dieser Fälle billigt allerdings ausdrücklich eine Betätigung der Streitkräfte im Ausland. Daher ist eine andere Ermächtigungsgrundlage notwendig, bei deren Erschließung nach dem Bundesverfassungsgericht das „Gebot strikter Texttreue“253 zu beachten ist. Als solche wird Art. 24 II GG genannt. Eine nähere Betrachtung des Begriffs der Ausdrücklichkeit erfolgt daher im Rahmen der Diskussion des Verhältnisses von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG. 3. Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG? Im Folgenden stellt sich die Frage, ob Art. 24 II GG möglicherweise einen ausdrücklich geregelten Fall gemäß Art. 87a II GG darstellt und damit grundsätzlich, wie das Verhältnis beider Normen zueinander ist, die nach den obigen Erkenntnissen beide einen Einsatz der Streitkräfte im Ausland normieren (Art. 24 II GG im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit und Art. 87a II GG im Rahmen der Verteidigung). Ihr Zusammenhang ist bis heute nicht geklärt und wurde im Verfahren vom Bundesverfassungsgericht vergleichsweise knapp behandelt.254 Ist grundsätzlich anzunehmen, dass Art. 87a II GG nur Einsätze im Inland reguliert, ist Art. 24 II GG als ausdrückliche Ermächtigung für Einsätze im Ausland nicht erforderlich.255 Wird allerdings Art. 87a II GG, wie vorliegend dargestellt, auch auf Auslandseinsätze angewandt, müssen beide Normen in Einklang gebracht werden.

251  BVerfGE 90, 286 (356 f.); Hernekamp, Art. 87a GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 14. 252  Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 21; Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 1. 253  BVerfGE 90, 286 (357). 254  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 31 ff.; Deise­ roth, Art. 24 GG, in: Umbach/Clemens, GG, Rn. 249; Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 284; Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 54 ff. Für einen ausdrücklichen Einsatz Gornig, JZ 48 (1993), S. 123, 126 f.; Tomuschat, Art. 24 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 174. Dagegen Stein, Rechtliche Aspekte, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 17, 19. Für eine unabhängige Ermächtigung Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 54 ff. 255  Dazu Franzke, NJW 1992, S. 3075, 3076 m. w. N.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199463

a) Art. 24  II GG als ausdrücklich zulässiger Einsatz gemäß Art. 87a II GG Fraglich ist zunächst der Begriff der Ausdrücklichkeit gemäß Art. 87a II GG. Weitere ausdrückliche Anforderungen sind im Grundgesetz in Art. 71 und 79 I 1 GG genannt. In beiden Fällen unterscheiden sich die Regelungen jedoch zu stark von Art. 87a II GG, um Aufschluss über eine Auslegung des Begriffs geben zu können.256 Art. 87a II GG soll allerdings durch das Erfordernis der Ausdrücklichkeit hermeneutische Klarheit, inhaltliche Eindeutigkeit oder sachliche Unmittelbarkeit verlangen.257 Der Wortlaut des Art. 24 II GG erwähnt gerade weder die Bundeswehr noch die Streitkräfte.258 Eine ausdrückliche Nennung, wie sie Art. 87a II GG verlangt, fällt schwer bis unmöglich zu begründen.259 Dagegen wird ebenfalls angeführt, dass Art. 24 II GG lediglich die Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ermöglicht, nicht jedoch die Anordnung eines Einsatzes.260 Art. 24 II GG enthielte keine ausdrückliche Ermächtigung, da lediglich die Möglichkeit zum Streitkräfteeinsatz eröffnet wird, nicht die Notwendigkeit.261 Teilweise wird dagegen jedoch angeführt, nach Schaffung der Bundeswehr habe Art. 24 II GG „weiteren Inhalt [gewonnen]“262 und auch das Gegenseitigkeitserfordernis aus Art. 24 II GG führe dazu, dass Streitkräfte eingesetzt werden können müssen.263 Andererseits lässt sich anführen, dass bereits Art. 87a GG a. F. als Befugnisnorm zum Einsatz der Streitkräfte zu verstehen gewesen sein könnte und daher kein Bedeutungswandel des Art. 24 II GG begründet werden kann.264 Indessen sollte Art. 87a II GG wohl nur Zuständigkeitsbegründungen aufgrund Natur der Sache verhindern,265 darüber geht Art. 24 II GG hinaus. Der Vorbehalt der Ausdrücklichkeit soll schließlich nur für Normen gelten, die zeitlich nach Art. 87a II GG in die Verfassung eingefügt wurden.266 256  Bähr,

Einsatz der Bundeswehr, S. 166 ff. Einsatz der Bundeswehr, S. 198. 258  Franzke, NJW 1992, S. 3075, 3076; Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57. 259  Arndt, DÖV 1992, S. 618, 623; Fährmann, Bundeswehr, S. 67 f.; Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57 f. 260  Bähr, ZRP 1994, S. 97, 102; Klein, ZaöRV 34 (1974), S. 429, 443. 261  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 198 ff. 262  Tomuschat, AP 36 (1985), S. 272, 281. 263  Beck, Auslandseinsätze, S. 303; Tomuschat, AP 36 (1985), S. 272, 281. 264  Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S. 191 ff. Siehe zum Bedeutungs- und Verfassungswandel des Art. 24 II GG unten Teil 3 B. 265  Wieland, DVBl 1991, S. 1174, 1180. 266  Mußgnug, Diskussionsbeitrag, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S. 65. 257  Bähr,

64

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Insgesamt lässt sich dem Wortlaut des Art. 24 II GG kaum eine ausdrückliche Zulassung von Einsätzen der Bundeswehr im Sinne des Art. 87a II GG entnehmen. b) Art. 24  II GG als unabhängige Einsatzgrundlage Für eine unabhängige Betrachtung des Art. 24 II GG spricht, dass einerseits Art. 87a II GG der Einsatzmöglichkeit für Streitkräfte aus Art. 24 II GG wohl nicht entgegenstehen, andererseits aber zukünftige Möglichkeiten außerhalb der Verteidigung von einem ausdrücklichen Vorbehalt abhängig machen sollte.267 Hätten die Einsatzmöglichkeiten aus Art. 24 II GG beschränkt werden sollen, hätte dessen Wortlaut gemäß Art. 79 I GG ausdrücklich geändert werden müssen.268 Dagegen lässt sich anführen, dass vom verfassungsändernden Gesetzgeber nicht verlangt werden kann, alle Auswirkungen von Grundgesetzänderungen auf andere Normen zu bedenken und zu regeln.269 Auch wurde nicht Art. 24 II GG geändert, „sondern nur die potentielle Reichweite seines Anwendungsbereichs“270. Die Reformen der Wehrverfassung erfüllen das Gebot „keine Verfassungsänderung ohne Verfassungstextänderung“271. Es stellt sich dennoch die Frage, ob nicht eine Änderung, die Art. 24 II GG offensichtlich inhaltlich beträfe, eine Änderung des Wortlauts der Norm erforderlich macht. Eine unabhängige Betrachtung des Art. 24 II GG ist somit nicht überzeugend. c) Art. 24  II GG als Einsatz zur Verteidigung Andererseits könnte der Einsatz gemäß Art. 24 II GG und gemäß Art. 87a II GG gleichzeitig zur Verteidigung erfolgen müssen.272 Der Parlamentsvorbehalt273 zeige, dass auch das Gericht davon ausgeht, dass Einsätze nur zur Verteidigung von Elementen, die im Sinne des Art. 87a II GG zu verteidigen sind, erfolgen können.274 Die Notwendigkeit der Verteidigung lässt sich allerdings aus dem Wortlaut des Art. 24 II GG nicht ablesen. 267  Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57 f.; Scherrer, Parlament, S. 22; Sigloch, Auslandseinsätze, S.  202 ff. 268  Frowein, VN-Friedenstruppen, in: Frowein/Stein, Friedenstruppen der VN, S.  1, 12 f.; Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 55. 269  Fährmann, Bundeswehr, S. 69. 270  Fährmann, Bundeswehr, S. 69. 271  Stern, Staatsrecht I, S. 159. 272  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 80, 123 ff. 273  s. u. A. II. 4. c). 274  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 80.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199465

d) Art. 24 II GG als lex specialis Art. 24 II GG könnte des Weiteren lex specialis zu Art. 87a II GG sein.275 Die Norm wäre demnach eine konstitutive Rechtsgrundlage, dagegen spricht allerdings der Wortlaut des Art. 87a II GG, demzufolge Einsätze nur zulässig sind, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.276 e) Praktische Konkordanz der Art. 24  II GG und Art. 87a II GG Möglicherweise kann der Widerspruch zwischen Art. 87a II GG und Art. 24 II GG, d. h. die Frage, ob ein Einsatz gemäß Art. 24 II GG ein ausdrücklich zugelassener im Sinne von Art. 87a II GG ist, mittels praktischer Konkordanz277 gelöst werden.278 Es müssten demnach beide Normen miteinander in Einklang gebracht werden, sodass sie zu „optimaler Wirksamkeit gelangen“279. Demnach besteht kein Vorrang einer der beiden Vorschriften.280 Da Art. 87a II GG nicht von vorneherein jegliche andere Einsätze der Streitkräfte außer zur Verteidigung ausschließt, könnte Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für solche Einsätze heranzuziehen sein, diese Norm ermächtigt schließlich nur zu Einsätzen in friedenswahrenden Systemen.281 Auf diesem Weg könnten somit möglicherweise beide Normen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Auch dagegen lässt sich allerdings der Wortlaut des Art. 87a II GG anführen.282 f) Art. 87a II GG steht der Anwendung des Art. 24 II GG nicht entgegen Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass Art. 87a II GG der Anwendung von Art. 24 II GG wenigstens nicht widerspricht: „Art. 87a GG steht der Anwendung des Art. 24 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht entgegen“283. Die Anwen275  Dau,

NZWehrR 1994, S. 177, 179; Franzke, NJW 1992, S. 3075, 3076. NJW 1992, S. 3075, 3076. 277  Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 72. 278  Fährmann, Bundeswehr, S. 71 f.; Khan/Zöckler, EJIL 3 (1992), S. 163, 176. 279  Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 72. 280  Fährmann, Bundeswehr, S. 71 f. 281  Fährmann, Bundeswehr, S. 72; Khan/Zöckler, EJIL 3 (1992), S. 163, 176. 282  s. o. d). 283  BVerfGE 90, 286 (355). 276  Franzke,

66

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

dung des Art.  24 II GG werde zumindest „nicht ausgeschlossen“284. Art. 24 II GG bilde von jeher eine Kompetenzgrundlage für den Einsatz im Ausland und nachträglich eingefügte Änderungen in der Wehrverfassung sollten daran nichts ändern.285 Sie sollten „neue Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte [weder] schaffen noch im Grundgesetz bereits zugelassene beschränken“286. Dafür werden in erster Linie historische Argumente angeführt.287 Das jüngere Lissabon-Urteil288 des Bundesverfassungsgerichts wird hingegen teilweise so verstanden, dass Art. 24 II GG eine ausdrückliche Ermächtigung im Sinne von Art. 87a II GG darstellt. Dagegen sprechen jedoch die genannten Gründe.289 Historisch betrachtet, sollte Art. 87a II GG dem Art. 24 II GG wohl nicht entgegenstehen, der Wortlaut beider Normen verlangt jedoch prinzipiell nach einer weiter reichenden Erklärung. 4. Kompetenzverteilung bezüglich Auslandseinsätzen der Streitkräfte? Im Weiteren warf das Verfahren BVerfGE 90, 286 die Frage auf, wer für die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte zuständig ist: Bundesregierung oder Bundestag? Über die vorliegenden Verwendungen der Streitkräfte hatte die Bundesregierung zunächst alleine entschieden. Da diese Kompetenzfrage zu den Bereichen der auswärtigen Gewalt zählt,290 ist zunächst zu fragen, was unter auswärtiger Gewalt zu verstehen ist und wie die diesbezügliche Zuständigkeit verteilt ist. Im Weiteren geht es darum, die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte im Ausland zu beleuchten. a) Auswärtige Gewalt Soweit Einsätze der Streitkräfte in Staaten außerhalb Deutschlands erfolgen, betreffen sie die Beziehungen zu anderen Staaten und befinden sich demnach im Bereich der sogenannten auswärtigen Gewalt. Die Wehrverfassung bildet einen „besonderen Regelungskomplex“291 in diesem Gebiet. Um die diesbezüglichen Kompetenzregelungen nachvollziehen zu können, ist 284  BVerfGE

90, 286 (356). 90, 286 (356). 286  BVerfGE 90, 286 (356). 287  BVerfGE 90, 286 (356 f.). 288  BVerfGE 123, 267 (360). 289  s. o. A. II. 2. b) aa). 290  Klein, ZaöRV 34 (1974), S. 429, 441 f. 291  Kluth, Auswärtige Gewalt, in: Wendt, FS Friauf, S. 197, 199. 285  BVerfGE



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199467

zunächst die Frage zu erörtern, was unter auswärtiger Gewalt zu verstehen ist. Die Urheberschaft des Begriffs wird zumeist Albert Haenel zugeschrieben.292 In seinen Ausführungen geht es dabei neben anderem um das Deutsche Reich als einheitliches Subjekt des Völkerrechts und die Einwirkung der äußeren auf die inneren Kompetenzen des Reiches.293 Seit Haenels Lehrbuch sind allerdings einige Jahrzehnte vergangen, die Frage lautet also wie sich der Inhalt der auswärtigen Gewalt im heutigen Kontext darstellt. Das Grundgesetz selbst nennt den Begriff der auswärtigen Gewalt nicht. aa) Auswärtige Angelegenheiten Am nächsten kommt dem Ausdruck der auswärtigen Gewalt jener der auswärtigen Angelegenheiten. Für solche wird gemäß Art. 45a I GG ein Ausschuss bestellt, dessen Aufgaben sich an den Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes anlehnen.294 Seine Zuständigkeit wird jedoch nach der Korrolartheorie begrenzt,295 sodass die Frage aufgeworfen ist, wie weit die Kompetenzen des Bundestages in diesem Bereich überhaupt reichen und der Begriff aus Art. 45a GG gerade nicht zu einer Definition der auswärtigen Gewalt beiträgt. Weiterhin ist der Bund gemäß Art. 73 I Nr. 1 GG für die Gesetzgebung auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten zuständig. Erfasst sind alle Angelegenheiten zwischen der Bundesrepublik und anderen Völkerrechtssubjekten, explizit Fälle des gegenseitigen Verhältnisses,296 z. B. konsularische und diplomatische Vertretungen.297 Gerade nicht zu diesen auswärtigen Angelegenheiten zählt jedoch die Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags, sonst könnte der Bund durch internationale Übereinkünfte die grundgesetzliche Kompetenzverteilung unterwandern.298 Der Inhalt der auswärtigen Gewalt geht demnach über die Definition aus ­ Art. 73 I Nr. 1 GG hinaus.299

292  Haenel,

Staatsrecht, S. 531; dazu Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 55. Staatsrecht, S. 531 ff. 294  Achterberg/Schulte, Art. 45a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 17; Dürig/Klein, Art. 45a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 17. 295  Achterberg/Schulte, Art. 45a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 19. 296  Uhle, Art. 73 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 40; Seiler, Art. 73 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 2. 297  Uhle, Art. 73 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 41. 298  Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 266; Uhle, Art. 73 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 42. 299  Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 252 f. 293  Haenel,

68

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

bb) Außenpolitik Kaum zu trennen von der Diskussion um die auswärtige Gewalt ist der Begriff der Außenpolitik. In der Politikwissenschaft300 wird dieser generell verwendet für Politik gegenüber anderen Staaten, mit der eigene Ziele und Interessen, Werte und Handlungsprioritäten in Konkurrenz oder in Abstimmung zu anderen Staaten durchgesetzt werden sollen.301 Außenpolitik und auswärtige Gewalt ähneln sich demnach. Ergibt sich dementsprechend aus Art. 65 S. 1 GG für den Bundeskanzler die Befugnis über die auswärtige Gewalt zu entscheiden? Dagegen spricht, dass die Norm im Abschnitt des Grundgesetzes zur Bundesregierung steht und damit kaum zur Abgrenzung dieses Organs zu anderen herangezogen werden kann.302 Darüber hinaus ist der Begriff der Richtlinien der Politik zu unbestimmt, um als verfassungsrechtlicher Vorbehalt zugunsten des Bundeskanzlers zu dienen.303 cc) Auswärtige Gewalt Die Inhaltsbestimmung der auswärtigen Gewalt wird daher zum Teil als „unklar, unnötig und irreführend“304 zurückgewiesen. Handlungen des Staates finden jedoch fraglos nicht nur im innerstaatlichen Bereich statt, sondern entfalten ebenfalls einen Bezug nach außen. Einigkeit besteht dahingehend, dass auswärtige Gewalt keine selbstständige vierte Gewalt darstellt, sondern ein Sachgebiet, in dessen Rahmen Befugnisse auf die drei Gewalten aufgeteilt sind.305 Für die Definition der auswärtigen Gewalt bietet sich die Abgrenzung zum Inneren des staatlichen Handelns an. Sowohl innen- wie auch außenpolitisches Handeln findet jedoch zumeist auf dem Staatsgebiet statt, eine Differenzierung nach dem Ort des Handelns ist damit unzulänglich.306 Die ursprüngliche Unterscheidung zwischen Innen- und Außensphäre von Staa300  Wilhelm,

Außenpolitik, S. 7. Parlamentarisierung, S. 33. 302  Herzog, Art. 65 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 30. 303  Herzog, Art. 65 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 31. 304  Pernice, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 15. 305  Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 83, Rn. 1; Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 27, Rn. 68; Fischbach, Auswärtige Gewalt, S. 19; Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), S. 7, 9; Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 251; Nettesheim, Verfassungsbindung der auswärtigen Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 241, Rn. 19; Röben, Außenverfassungsrecht, S. 74. 306  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 62. 301  Lüddecke,



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199469

ten beruht auf der Vorstellung, dass diese innerhalb des Staatsgebiets von außen nicht tangiert werden (Koordinationsvölkerrecht)307.308 Mit fortschreitender Zusammenarbeit der Staaten und Verfolgung gemeinsamer Ziele entstanden allerdings mehr Berührungspunkte (Kooperationsvölkerrecht).309 Völkerrechtliche Verträge regeln nicht nur außenpolitische Beziehungen, sondern auch innerstaatliche Sachbereiche, besonders deutlich wird dies anhand der Europäischen Union.310 Eine Unterscheidung von innen und außen aufgrund der Einwirkung staatlicher Handlungen auf verschiedene Sphären ist damit kaum mehr möglich.311 Auch die Abgrenzung nach unterschiedlichen Handlungsrichtungen, d. h. ob die staatliche Maßnahme auf zwischenstaatliche Beziehungen zielt,312 kann aufgrund der unzureichenden Bestimmbarkeit dieses Kriteriums kein Unterscheidungsmerkmal sein.313 Ebenso führt die Frage nach der Unmittelbarkeit314 beider Kriterien zu keinem näheren Ergebnis.315 Im Rahmen der Abgrenzung nach unterschiedlichen Handlungsformen316 ergibt sich, dass völkerrechtliche Rechtsakte eindeutig der Außensphäre zugeordnet werden können, bei informalen Handlungsweisen allerdings auch die Aussagekraft dieses Kriteriums endet.317 Jene spielen hingegen eine zunehmend große Rolle im internationalen Bereich.318 Damit liegt zwar begrifflich die Unterscheidung zwischen innen und außen nahe, inhaltlich lassen sich jedoch keine Kriterien finden, die beides präzise fassen. Demnach wird mit Blick auf Globalisierung319, Internationa307  Hobe,

Völkerrecht, S. 9; Nettesheim, JZ 57 (2002), S. 569, 570. Auswärtige Gewalt, S. 8; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 62; Wollenschläger, Art. 32 GG, in: Dreier, GG, Rn. 1; Röben, Außenverfassungsrecht, S. 76. 309  Delbrück, Perspektiven für ein „Weltinnenrecht“?, in: Jickeli/Kreutz/Reuter, GS Sonnenschein, S. 793, 794; Hobe, Der Staat 34 (1998), S. 521, 528 ff.; Hobe, Völkerrecht, S.  10 f.; Nettesheim, JZ 57 (2002), S. 569, 571. 310  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 63. 311  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 65; Hitzel-Cassagnes, KJ 2000, S. 63. 312  Biehler, Auswärtige Gewalt, S. 9 ff.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 65. 313  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 66; Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 5. 314  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 66; Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 5. 315  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 67. 316  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S.  68; Fischbach, Auswärtige Gewalt, S.  23 ff.; Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), S. 7, 9. 317  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 68. 318  Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 19. 319  Hobe, Völkerrecht, S.  4 ff. 308  Biehler,

70

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

lisierung und Europäisierung diskutiert,320 ob sich die Trennung zwischen innen und außen noch aufrechterhalten lässt.321 Auswärtige Gewalt soll daher schlicht alle verfassungsrechtlichen Kompetenzen und Organe umfassen, die sich mit auswärtigen Beziehungen beschäftigen,322 d. h. alle Aufgaben, die einen Bezug nach außen haben.323 Eingrenzender ist festzustellen, dass Gegenstand der auswärtigen Gewalt die verfassungsrechtlich geordneten Aufgaben und Befugnisse des Staates sind, welche sich auf die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten und auf die sonstige Teilnahme am internationalen Verkehr beziehen.324 Darunter fallen folglich auch die Einsätze der Streitkräfte im Ausland. b) Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt Es stellt sich nun die Frage, wie die Zuständigkeiten zwischen Legisla­tive und Exekutive im Bereich der auswärtigen Gewalt verteilt sind, um die Frage der Zuständigkeit im Hinblick auf Auslandseinsätze zu beantworten. aa) Grundlagen der Kompetenzverteilung Zu Beginn werden die Grundlagen der Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt kurz erörtert. (1) Verbandskompetenz Bei den Akteuren der auswärtigen Gewalt ist zunächst in der Verbandskompetenz zu unterscheiden zwischen Bund und Ländern. Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist gemäß Art. 32 I GG Sache des Bundes. Vorliegend beschränkt sich die Darstellung auf dessen Kompetenzen und lässt daher die Reichweite der Länder325 unberücksichtigt. Aus diesem Grund entfällt auch eine Einbeziehung des Bundesrates. Unter auswärtige Staaten sind nicht nur Staaten selbst zu fassen, sondern nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch alle anderen Völkerrechtssubjekte.326 Die 320  Krajewski, AVR 41 (2003), S. 419, 424; Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/ Dürig, GG, Rn. 19. 321  Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 19. 322  Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 1. 323  Röben, Außenverfassungsrecht, S. 1. 324  Badura, Staatsrecht, D 116. 325  Auswärtige Kompetenzen der Bundesländer bei Fassbender, Bundesstaat. 326  BVerfGE 2, 347 (374); Heintschel von Heinegg, Art. 32 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 2; Wollenschläger, Art. 32 GG, in: Dreier, GG, Rn. 20.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199471

Pflege der Beziehungen zu diesen schließt im weitesten Sinne alle Maßnahmen zu Beginn, Umsetzung und Beendigung außenpolitischer Bindungen ein.327 Dem Bund steht damit die umfassende Kompetenz im Sachbereich des Auswärtigen zu, folglich auch bezüglich der Streitkräfte im Ausland. (2) Organkompetenz Für die Organkompetenz innerhalb des Bundes errichtet das Grundgesetz kein ausdrückliches Zuständigkeitsregime, einen Ansatzpunkt bietet jedoch Art. 59 GG. Die Norm spricht die Vertretung des Bundes gemäß Art. 59 I GG dem Bundespräsidenten zu, dieser repräsentiert als Staatsoberhaupt die bundesstaatliche Einheit.328 Er ist nach Art. 59 I 2 GG ebenfalls zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge berufen und zuständig für alle diesbezüglichen rechtserheblichen Erklärungen.329 Verträge im Sinne des Art. 59 I 2 GG erfassen „alle Übereinkünfte zwischen zwei oder mehr Völkerrechtssubjekten […], durch welche die zwischen ihnen bestehende Rechtslage verändert werden soll“330. Entgegen des Wortlauts fallen darunter auch Verträge mit anderen Völkerrechtssubjekten, nicht nur mit Staaten.331 Der Bundespräsident konzipiert jedoch keine inhaltlich eigenständige Außenpolitik, sondern ist überwiegend zuständig für formale „Repräsentation“332.333 Unabhängige politische Entscheidungen über den Streitkräfteeinsatz kommen daher nicht in Betracht. Art. 59 II 1 GG betrifft die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften bei völkerrechtlichen Verträgen.334 Damit ist ein Anhaltspunkt für die Zuständigkeit der Legislative im Hinblick auf Auswärtiges gegeben, der im Folgenden näher erläutert wird.

327  Heintschel von Heinegg, Art. 32 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 5; Wollenschläger, Art. 32 GG, in: Dreier, GG, Rn. 22 ff. 328  Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 19. 329  Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 21; Pieper, Art. 59 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 19ff; Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 25. 330  BVerfGE 90, 286 (359). 331  Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 20; Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 65; Rojahn, Art. 59 GG, in: von Münch/ Kunig, GG, Rn. 12. 332  Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 263. 333  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 199 ff.; Fischbach, Auswärtige Gewalt, S.  79 f.; Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 10; Pieper, Art. 59 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 13; Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 21. 334  Rojahn, Art. 59 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 18.

72

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

bb) Interpretation des Art. 59 II 1 GG Den Ausgangspunkt der Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt bildet der Wortlaut des Art. 59 II 1 GG335, welcher seit 1949 unverändert gilt. (1) Politische Beziehungen Das Bundesverfassungsgericht versteht unter Verträgen, die politische Beziehungen regeln seit BVerfGE 1, 372 nur solche, die „die Existenz des Staates, seine territoriale Integrität, seine Unabhängigkeit, seine Stellung oder sein maßgebliches Gewicht in der Staatengemeinschaft durch den Vertrag selbst [berühren]“336. Darunter fallen z. B. Friedens- und Abrüstungsverträge.337 In der Rechtsprechung findet der Begriff damit eine restriktive Auslegung, die auch im vorliegenden Verfahren bekräftigt wurde.338 Sowohl der NATO-Vertrag als auch die Charta der Vereinten Nationen sind solche Verträge im Sinne des Art. 59 II 1 GG.339 (2) Gegenstände der Bundesgesetzgebung Nach dem Wortlaut des Art. 59 II 1 GG könnten Verträge über Gegenstände der Bundesgesetzgebung solche sein, die sich auf die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes beziehen. Allerdings soll die Regelung nicht die Verbandskompetenz des Bundestags begründen, sondern im Rahmen derer die Zuständigkeit regeln und festlegen, ob ein Gesetz zur Vertragsumsetzung nötig ist oder ob die Verwaltung tätig werden kann.340 Für letzteres gilt Art. 59 II 2 GG. Ersteres richtet sich grundsätzlich nach dem Vorbehalt des Gesetzes.341 Das Bundesverfassungsgericht zählt zu Verträgen, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, „nur diejenigen, deren Inhalt, wenn es sich nicht um eine völkerrechtliche Vereinbarung, sondern um eine innerstaatliche Regelung handelte, zu den Gegenständen der Ge-

335  Siehe

zur Geschichte des Art. 59 II 1 näher unten Teil 3 C. I. 2. b) aa). 1, 372 (381); BVerfGE 90, 286 (359). 337  Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 28. 338  BVerfGE 90, 286 (359). 339  BVerfGE 104, 151 (195); Rauschning, Art. 59 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 68; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 113. 340  Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 66. 341  Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 66. 336  BVerfGE



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199473

setzgebung und nicht zu denen der Verwaltung gehörte“342. Maßgeblich sind gerade nicht die Art. 70 ff. GG.343 Vorliegend werden solche Verträge nicht relevant. (3) Zustimmung oder Mitwirkung Art. 59 II 1 GG begründet durch die Formulierung „Zustimmung oder Mitwirkung“ einen Gesetzesvorbehalt zugunsten der zuständigen Körperschaften. Die Zustimmung erfolgt durch Vertragsgesetz („in Form eines Bundesgesetzes“) und kann auch antizipiert werden.344 (4) Verträge Im Rahmen des Begriffs der Verträge gemäß Art. 59 II 1 GG stellt sich nun die Frage, welche Handlungsformen erfasst sind. Auch im vorliegenden Verfahren wurde erörtert, ob der Bundestag durch die Bundesregierung um sein Recht auf Zustimmung aus Art. 59 II 1 GG gebracht worden war, d. h. ob die Zustimmung zu Erklärungen der NATO und der WEU durch Gesetz hätte erfolgen müssen. Der Wortlaut der Norm legt nahe, prinzipiell den Abschluss eines Vertrags, sei es durch Erklärung, konkludentes Verhalten oder Ähnliches, von Art. 59 II 1 GG umfasst zu sehen.345 Da in der völkerrechtlichen Praxis der Abschluss eines Vertrags nicht immer eindeutig ist, kommt es hierfür auf den Vertragsabschlusswillen der Parteien an.346 Im Laufe der Jahre unterliegt der einmal geschlossene Vertrag jedoch zumeist einigen Neuerungen, die sich in Inhaltsänderungen ausdrücken. Dies geschieht auf unterschiedliche Weise, daher ist fraglich, ob eine solche Änderung ebenfalls dem Vorbehalt des Art. 59 II 1 GG unterfällt. Vorliegend drehte sich das Verfahren darum, ob die Erklärungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der NATO von Art. 59 II 1 GG erfasst werden.

342  BVerfGE 1, 372 (389 f.). Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 66; Rojahn, Art. 59 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 24. 343  Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 106. 344  Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 45. 345  Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 46 ff. 346  BVerfGE 90, 286 (360 f.).

74

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

(a) Änderungsverträge Zum einen kann durch die Vertragsparteien ein Änderungsvertrag347 geschlossen werden. Dieser ist von Art. 59 II 1 GG erfasst, wenn er selbst die Voraussetzungen der Norm erfüllt.348 Sind die Voraussetzungen des Art. 59 II 1 GG nicht erfüllt, soll gegen eine Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften sprechen, dass Vertragsänderungen zumeist nur eine untergeordnete Rolle spielen.349 Darüber hinaus würde der Entscheidungsspielraum der Regierung eingeschränkt.350 Andererseits trägt der Bundestag nach seiner Zustimmung eine Mitverantwortung für den Vertrag, er stimmt diesem als Einheit zu und der Vertrag wird erst durch das Zusammenspiel einzelner Teile zu einem Ganzen, daher sollten keine separaten Abschnitte ohne Zustimmung geändert werden.351 Auch die Kontrollfunktion des Bundestages könnte eine Zustimmungspflicht für Änderungsverträge gebieten.352 Dafür kann ebenfalls der Zweck des Art. 59 II 1 GG angeführt werden, nicht rückgängig zu machende völkerrechtliche Pflichten zu verhindern.353 Ein Änderungsvertrag bedarf demnach, auch nach Sicht des Bundesverfassungsgerichts, gemäß Art. 59 II 1 GG der Zustimmung des Gesetzgebers,354 ein solcher wurde im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht geschlossen. (b) Vertragsänderung durch Auslegung Zum anderen kann ein Vertrag Veränderung durch Auslegung erfahren. Allerdings lässt sich häufig keine präzise Linie zwischen Änderung durch Vertrag und durch Auslegung ziehen, so verweist z. B. Art. 31 III WVK355 auf die spätere Übereinkunft und Übung der Vertragsparteien. Das Bundesverfassungsgericht grenzt beides mit dem Vorliegen eines „Vertrags­ änderungswillens“356 ab. Dieser soll sich nach objektiven Kriterien beur­ 347  Vgl. Teil IV Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl. II, 1985, S. 926. 348  BVerfGE 90, 286 (358, 361); Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 235 f. 349  Pernice, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 125. 350  Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 50. 351  Nettesheim, Art.  59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 125; Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 44. 352  Kempen, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 50. 353  Sauer, ZaöRV 62 (2002), S. 317, 337. 354  BVerfGE 90, 286 (361). 355  BGBl. II, 1985, S. 926. 356  BVerfGE 90, 286 (362). Dazu auch Baumbach, Vertragswandel, S.  56 ff.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199475

teilen.357 Die Zustimmung der Bundesregierung kommt als solche Änderung in Betracht. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Mitwirkungsrechte des Bundestags ausgehöhlt werden. Das Bundesverfassungsgericht erachtete eine Beteiligung der gesetzgebenden Körperschaften allerdings für entbehrlich, wenn eine dynamische oder authentische Auslegung des Vertrags vorliegt.358 Doch auch dadurch könnten neue Rechte und Pflichten für die Bundesrepublik Deutschland entstehen.359 Wenn die dynamische Auslegung über den bisherigen Vertragsinhalt hinausgeht, soll dennoch keine Zustimmungspflicht des Gesetzgebers entstehen, wenn die Parteien einig sind, dass sich ihre Auslegung im Rahmen des Vertrags bewegt.360 Für diese restriktive Auslegung des Art. 59 II 1 GG spricht die so mögliche eindeutige Kompetenzabgrenzung zwischen Legislative und Exekutive und die daraus resultierende außenpolitische Handlungsfähigkeit des Staates.361 Die Kompetenzen der Legislative sind nach dem Bundesverfassungsgericht dabei ausreichend gewahrt.362 Im vorliegenden Fall sahen vier Mitglieder des Senats die Voraussetzungen des Art. 59 II 1 GG durch die in Frage stehenden Handlungen nicht erfüllt,363 sodass das Gericht entschied, dass die Rechte des Bundestags durch die Handlungen der Bundesregierung nicht verletzt wurden. Die vier übrigen Mitglieder waren allerdings der Ansicht, dass durch die Maßnahmen der Regierung die Mitwirkungsrechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG gefährdet werden, da eine eigenständige Weiterentwicklung der Verträge über ihren ursprünglichen Sinn hinaus befürchtet werden könne.364 Die Auslegung der Verträge sei nicht gänzlich den Vertragsparteien überlassen, sondern müsse auch an objektiven Kriterien gemessen werden und sobald wesentliche Inhalte geändert werden, greife das Zustimmungserfordernis aus Art. 59 II 1 GG.365 Eine solche Änderung erfolge nicht plötzlich durch eine einzige Erklärung der Vertragsparteien, sondern könne sich „fortschreitend und undurchschaubar zu einer rechtsverbindlichen Absprache [verdichten]“366. Dieser Vorgang unterscheide sich nicht wesentlich 357  Fischbach, Auswärtige Gewalt, S. 57; Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 36. 358  BVerfGE 90, 286 (363 f.). 359  BVerfGE 90, 286 (363). 360  BVerfGE 90, 286 (363). 361  BVerfGE 90, 286 (364). 362  BVerfGE 90, 286 (364). 363  BVerfGE 90, 286 (365 ff.). 364  BVerfGE 90, 286 (372 ff.). 365  BVerfGE 90, 286 (374 f.). 366  BVerfGE 90, 286 (375).

76

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

von einer formalen Vertragsänderung.367 Auch bei einer nicht-„förmlichen“ Vertragsänderung könne es zu einer dynamischen Fortbildung des Vertrags kommen.368 Durch die Anwendung des Art. 59 II 1 GG würden auch nicht die Kompetenzen der Bundesregierung begrenzt: Entweder stimme der Bundestag zu oder die Regierung könne eine andere Handlungsform wählen.369 Das Gericht hat in der nachfolgenden Rechtsprechung die vorliegend erarbeitete Auslegung näher begrenzt.370 Die dargestellte abweichende Meinung wurde allerdings nicht übernommen. cc) Kompetenzverteilungsmöglichkeiten Mit der Frage nach der Zuständigkeitsverteilung für Streitkräfteeinsätze im Ausland ist gleichsam die der Kompetenzverteilung im Rahmen der auswärtigen Gewalt aufgeworfen. Der diesbezügliche Streit reicht zurück bis in die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes.371 Ein Träger der auswärtigen Gewalt wird im Grundgesetz nicht genannt.372 Da es sich bei der auswärtigen Gewalt nicht um eine Gewalt im Sinne der Exekutive oder Legislative handelt, soll zumindest kein Organ gänzlich allein für das Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten zuständig sein.373 Für die Art der gemeinsamen Ausübung werden verschiedene Begrifflichkeiten vertreten, von der „kombinierten Gewalt“374 über die „gemischte Gewalt“375 bis zur Staatsleitung „zur gesamten Hand“376. Traditionell handlungsbefugt ist jedoch die Exekutive als „Schwergewicht der auswärtigen Gewalt“377 und damit hauptsächlich die 367  BVerfGE

90, 286 (376). 90, 286 (373). 369  BVerfGE 90, 286 (377). 370  BVerfGE 104, 151 (210); Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 131. 371  Vgl. zur verfassungsgeschichtlichen Entwicklung z.  B. Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 19 ff. Ebenfalls Leibholz/von Mangoldt, JöR n. F. 1 (1951), S. 413 ff. 372  Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 41; Menzel, AöR 40 (1953/54), S. 326, 347. 373  Beck, Auslandseinsätze, S. 23; Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/ Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 268; Röben, Außenverfassungsrecht, S. 76. 374  Menzel, VVDStRL 12 (1953), S. 179, 194; Menzel, AöR 40 (1953/54), S. 326, 348. 375  Baade, Parlament und Regierung, S. 7. 376  Friesenhahn, VVDStRL 16 (1957), S. 9, 38. 377  Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 288. 368  BVerfGE



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199477

Bundesregierung.378 Auch im vorliegenden Verfahren ging das Gericht davon aus, dass „die Außenpolitik eine Funktion der Regierung ist“379. In der wissenschaftlichen Diskussion wird gleichfalls die auswärtige Gewalt als Domäne der Regierung betrachtet.380 Im Grundgesetz findet sich kein Primat des Parlaments, dagegen spricht ebenfalls die Regelung des Art. 59 II 1 GG, sodass die Legislative jedenfalls nicht ausschließlich zuständig ist. Aus der Verfassung ergibt sich keine dezidierte Zuordnung des Auswärtigen zur Exekutive.381 Bundesregierung und Bundestag könnten daher die Angelegenheiten der auswärtigen Gewalt gleichermaßen nur gemeinsam ausüben.382 Zunächst kann sich der Debatte historisch genähert werden: John Locke wies die auswärtige Gewalt der federative power zu, einer eigenständigen Gewalt neben Legislative und Exekutive, die personell von der Exekutive ausgeübt wurde.383 Auch Montesquieu ging davon aus, dass die auswärtige Gewalt grundsätzlich bei der Exekutive liegt,384 aber wohl nur, weil zu seiner Zeit keine Gefahr eines Machtmissbrauchs aus dieser Aufteilung resultierte – im Gegensatz zu heute.385 Weitergehender wurden von Alexander Hamilton in den Federalist Papers der Legislative Beteiligungsrechte an der Vertragsgewalt des Auswärtigen zugewiesen.386 Besonders wichtige Entscheidungen im Rahmen der auswärtigen Angelegenheiten waren historisch 378  BVerfGE 1, 351 (369); BVerfGE 68, 1 (86 ff.); Beck, Auslandseinsätze, S. 22; Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 83, Rn. 22, 43; Kadelbach/Guntermann, AöR 126 (2001), S. 563, 567; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 105 ff. 379  BVerfGE 90, 286 (357). 380  Siehe nur z. B. Stern, Staatsrecht III/1, S. 1362. 381  Kokott, Art. 59 Abs. 2 GG, in: Hailbronner/Ress/Stein, FS Doehring, S. 503, 509. 382  Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 83, Rn. 44. 383  Locke, Two treatises of government, Book II Chapter XII; Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 9; Menzel, VVD StRL 12 (1953), S. 179, 183 f.; Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 27; Wollenschläger, Art. 32 GG, in: Dreier, GG, Rn. 1. 384  Montesquieu, De l’esprit des lois, Liv. XI Chap. 6; dazu Cornils, Gewaltenteilung, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 657, Rn. 13; Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 27. 385  Baade, Parlament und Regierung, S. 214, 223; Menzel, VVDStRL 12 (1953), S. 179, 185. 386  Kokott, Art. 59 Abs. 2 GG, in: Hailbronner/Ress/Stein, FS Doehring, S. 503, 508; Röben, Außenverfassungsrecht, S.  77 ff.

78

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

zumeist den Parlamenten überlassen.387 In der Weimarer Reichsverfassung wurde der Reichstag zwar lediglich an Bündnissen und Verträgen mit fremden Staaten beteiligt (Art. 45 III WRV),388 mit dem Grundgesetz sollte jedoch eine Erweiterung der legislativen Kompetenzen einhergehen.389 Im Grundgesetz finden sich einige Hinweise auf die Mitwirkung der Gesetzgebung bei der auswärtigen Gewalt: Der Bundestag bestimmt (zusammen mit dem Bundesrat) über die Feststellung390 des Verteidigungsfalls gemäß Art. 115a I GG und über den Friedensschluss gemäß Art. 115l III GG. Gerade diese Sonderregelungen sprechen gegen eine grundsätzliche Zuständigkeit der Exekutive.391 Auch gemäß Art. 23 I GG und Art. 24 I GG ist der Bundestag beteiligt. Im Zusammenhang mit Art. 59 II 1 GG soll sich daher ergeben, dass das Parlament im auswärtigen Bereich über entscheidende Kompetenzen (d. h. die der Gesetzgebung) verfügt.392 In „Lebensfragen der Nation“393 übernehme das Parlament eine entscheidende Rolle. Bei staatsleitenden Entscheidungen der Außenpolitik müsse der Bundestag durch Gesetz oder Beschluss mitwirken (Art. 23, 24, 59 II, 115a, 115l GG).394 Dies spricht für die Teilhabe des Gesetzgebers an der auswärtigen Gewalt und gegen eine ausschließliche Übertragung auf die Exekutive.395 Schließlich beruhe die Annahme, die auswärtige Gewalt gehöre zur Exekutive, auf der „überholten Hypothese“396 der Trennung von innen und außen397. Art. 65 GG gibt diesbezüglich keinen Aufschluss über die Kompetenzverteilung zugunsten der Exekutive, da die Vorschrift keine Abgrenzung gegenüber dem Bundestag vornimmt, sondern lediglich innerhalb bestehender Zuständigkeiten gilt.398 Lassen sich für die Verteilung der Kompetenzen weitere Argumente aus Art. 59 II 1 GG gewinnen? 387  Menzel,

AöR 40 (1953/54), S. 326, 348. Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 4. 389  Menzel, AöR 40 (1953/54), S. 326, 348; Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 5. 390  Wobei hier wiederum die Initiative bei der Regierung liegt, die gemäß Art. 115a I GG den Antrag stellt. 391  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 187 f. 392  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 187; zu den Handlungsmöglichkeiten des Bundestags Fischbach, Auswärtige Gewalt, S. 92 ff. 393  Friesenhahn, VVDStRL 16 (1957), S. 9, 36. 394  Wolfrum, VVDStRL 56 (1997), S. 36, 44. 395  Baade, Parlament und Regierung, S. 116. 396  Kadelbach/Guntermann, AöR 126 (2001), S. 563, 569. 397  s. o. A. II. 4. a) cc). 398  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 123, 179 f.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 216. s. o. A. II. 4. a) bb). 388  Wollenschläger,



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199479

Einerseits soll sich aus Art. 59 II 1 GG die ausschließliche Zuständigkeit der Exekutive ergeben: Der Bundestag stimmt über Verträge im Sinne des Art. 59 II 1 GG nur en bloc ab (vgl. § 81 IV 2 GOBT) und kann keine Änderungswünsche einbringen, die Legislative könne demzufolge an Verträgen im Bereich des Auswärtigen kaum aktiv mitwirken.399 Die Entscheidungsbefugnis der Regierung solle nicht nur für alle einseitigen völkerrechtlichen Akte gelten, sondern auch für völkerrechtliche Verträge, wenn die Mitwirkung des Bundestags nicht ausdrücklich vorgesehen ist, wie in Art. 59 II 1 GG.400 Diese Norm dürfe nicht zu ausufernd ausgelegt werden, da sonst u. a. erhebliche Rechtsunsicherheit über den Bestand eines Vertrags entstehe.401 Auch liege die Initiative zu Vertragsverhandlungen bei der Exe­ kutive.402 Weitere Funktionen, die ihr in diesem Bereich zukommen, sorgten dafür, dass die Regierung auf dem Gebiet des Vertragsschlusses mit auswärtigen Staaten eine starke Stellung innehat.403 Die Zustimmungspflicht der gesetzgebenden Körperschaften gemäß Art. 59 II 1 GG sei demnach als Ausnahmeregelung zu lesen.404 Die Vorschrift wird auch vom Bundesverfassungsgericht als eng auszulegende Zuständigkeitsnorm beurteilt, die „einen Einbruch in zentrale Gestaltungsbereiche der Exekutive [darstellt]“405.406 Demnach „wird, abweichend vom Grundsatz der Gewaltenteilung […] den Gesetzgebungsorganen ein Mitwirkungsrecht im Bereich der Exekutive eingeräumt“407. Der Bundestag könne im Bereich der auswärtigen Gewalt somit nur seine allgemeinen Kontrollfunktionen wahrnehmen408 und seine Mitwirkung sei auf die Formen aus Art. 59 II 1 GG beschränkt.409 Dementsprechend sei die Bundesregierung im Bereich der auswärtigen Gewalt grundsätzlich zuständig.410 Dabei besteht jedoch stets Gefahr, dass die Ar399  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 200; Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 528 f.; Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 293 f. 400  Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 124 f. 401  Grewe, VVDStRL 12 (1953), S. 129, 158 f. 402  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 199; Wolfrum, VVDStRL 56 (1997), S. 36, 47. 403  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 199; Fischbach, Auswärtige Gewalt, S. 85. 404  Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 531 f.; Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 59. 405  BVerfGE 68, 1 (87). 406  Bryde, JURA 1986, S. 363, 366. 407  BVerfGE 90, 286 (357). 408  Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243. 409  Cremer, Das Verhältnis von Gesetzgeber und Regierung, in: Geiger, Legitimation, S. 11, 29; Kluth, Auswärtige Gewalt, in: Wendt, FS Friauf, S. 197, 207. 410  Mosler, Die auswärtige Gewalt, in: Mosler/Ballreich, FS Bilfinger S. 243, 289.

80

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

gumentation zugunsten der Exekutive sich nicht am Grundgesetz orientiert, sondern „politische […] Forderung“411 bleibt. Aus Art. 59 II 1 GG ergeben sich andererseits Argumente für eine gemeinsame Zuständigkeit von Exekutive und Legislative: Zunächst wird angemerkt, dass die fehlende Möglichkeit des Bundestags, Änderungen bei der Zustimmung zu Verträgen gemäß Art. 59 II 1 GG anzubringen, nicht zwangsläufig aus Art. 59 II 1 GG selbst folge.412 Der Verfassungsgeber wollte die Befugnisse der Exekutive gerade beschneiden und nicht über den Umweg der auswärtigen Gewalt stärken.413 Bei einer alleinigen Zuständigkeit könne die Regierung ihre innerstaatlichen Kompetenzen stetig er­wei­ tern,414 auch eine Minderheitsregierung wäre danach in der Lage, gegen den Willen des Parlaments Entscheidungen im Bereich der auswärtigen Gewalt zu treffen.415 Art. 59 II 1 GG statuiere daher ein allgemeines Prinzip, nach dem das Parlament an Akten der auswärtigen Gewalt grundsätzlich beteiligt werden muss.416 Im Unterschied zur Organisationsgewalt der Regierung soll sich die auswärtige Gewalt daher gerade nicht grundsätzlich der Exekutive zuordnen lassen.417 Art. 59 II 1 GG ist demnach keine Ausnahmevorschrift, sondern Ausdruck der auswärtigen Gewalt als kombinierte Gewalt.418 Zur entscheidenden Frage wird demzufolge auch, wie die politischen Verträge gemäß Art. 59 II 1 GG ausgelegt werden, die enge Variante beschränkt die Kompetenzen der Legislative, andersrum ist die Exekutive benachteiligt.419 Die Staatsleitung soll Regierung und Parlament schließlich zur „gesamten Hand“420 zustehen.421 Aufgrund des staatsleitenden Charakters der auswärtigen Gewalt müsse es sich um eine kombinierte Gewalt handeln, an der sowohl Exekutive als auch Legislative beteiligt sind.422 Demzufolge sind Legislative und Exekutive gemeinsam für die auswärtige Gewalt zuständig. 411  Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 48. 412  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 200 ff. 413  Baade, Parlament und Regierung, S. 118. 414  Baade, Parlament und Regierung, S. 118. 415  Bryde, JURA 1986, S. 363, 368. 416  Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 83, Rn. 24 ff. 417  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 188. 418  Bryde, JURA 1986, S. 363. 419  Menzel, VVDStRL 12 (1953), S. 179, 191. s. o. A. II. 4. b) bb) (4). 420  Friesenhahn, VVDStRL 16 (1957), S. 9, 38. 421  Röben, Außenverfassungsrecht, S.  91 f. 422  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 113 f., 179 f., 188.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199481

Die genannten Vorschriften des Grundgesetzes bieten folglich Argumente für beide Sichtweisen. Aus Art. 59 II 1 GG lässt sich weder zweifellos die Kompetenz der Exekutive noch die von Exekutive und Legislative gemeinsam herleiten. Letztlich bleibt daher im Weiteren die Betrachtung des allgemeinen Prinzips der Gewaltenteilung aus Art. 20 II GG, da dies durch Art. 59 II 1 GG in einem bestimmten Bereich konkretisiert wird.423 Im Hinblick auf das Prinzip der Gewaltenteilung lässt sich allerdings allgemein zu Anfang fragen, inwieweit dieses überhaupt geeignet ist, eigenständig zur Antwort auf die Frage der Kompetenzverteilung beizutragen.424 Die notwendige Mitwirkung der Legislative erfolge aus dem der Gewaltenteilung zugrunde liegenden Prinzip der Machtbegrenzung.425 Auch im modernen Verfassungsstaat behält die Aufteilung staatlicher Macht diesen Sinn.426 Die Wesentlichkeitslehre, soweit sie im Bereich des Auswärtigen anwendbar ist,427 soll ebenfalls für eine Beteiligung der Legislative sprechen.428 Die Kompetenz der Exekutive wird hingegen mit dem Demokratieverständnis des Grundgesetzes begründet: Die repräsentative Demokratie werde flankiert von einem System der Gewaltenteilung, das nicht auf strikter Trennung beruht, sondern von einer Verschränkung ausgeht.429 Die unmittelbare Legitimation des Parlaments führe daher keineswegs zu einer Vorrangstellung gegenüber der Regierung.430 Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung müsse jedoch jede Gewalt an der Ausübung der auswärtigen Gewalt beteiligt sein, da es sich gerade nicht um eine eigenständige Gewalt handelt, sondern um ein Sachgebiet.431 Aus dem Demokratieprinzip soll sich demnach keine umfassende Beteiligung des Bundestags ergeben, sondern diese sei aus den konkreten normativen Ausprägungen desselben im Grundgesetz zu er423  Ehrenzeller,

Legislative Gewalt, S. 185. zum Inhalt der Gewaltenteilung Grzeszick, Staatliche Gewalt, S. 12 f., 15, 25 ff., 35 ff., 77 ff. 425  Röben, Außenverfassungsrecht, S. 77. 426  Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 27, Rn. 2; Grzeszick, Staatliche Gewalt, S. 28 f. 427  Dagegen BVerfGE 68, 1 (108 ff.); Blumenwitz, NZWehrR 1988, S. 133, 145. Dafür Bryde, JURA 1986, S. 363, 367; Kokott, Art. 59 Abs. 2 GG, in: Hailbronner/ Ress/Stein, FS Doehring, S. 503, 510. 428  Kadelbach/Guntermann, AöR 126 (2001), S.  563, 572  ff.; Kokott, Art. 59 Abs. 2 GG, in: Hailbronner/Ress/Stein, FS Doehring, S. 503, 510 f.; Möllers, AöR 132 (2007), S. 493, 529. 429  Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 527. 430  Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 527; Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 48; Kluth, Auswärtige Gewalt, in: Wendt, FS Friauf, S. 197, 205. 431  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 180. 424  Vgl.

82

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

mitteln.432 Da das vage Prinzip der Gewaltenteilung im Grundgesetz nicht näher definiert wird, sei es erforderlich, dieses vor dem Hintergrund der den Staatsorganen zugewiesenen Kompetenzen auszulegen.433 Nach dem Bundesverfassungsgericht müssen demzufolge staatliche Aufgaben von dem ­Organ wahrgenommen werden, das „nach [seiner] O ­ rganisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen [verfügt]“434.435 Im Falle des Auswärtigen sollen sich die effektivsten „personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten“436 bei der Regierung befinden. Diese verfüge im Vergleich zum Parlament über die besseren Geheimhaltungsmöglichkeiten, sodass sie die Aufgaben der Diplomatie effektiver wahrnehmen könne.437 Dabei ist jedoch durchaus fraglich, ob die Geheimdiplomatie im 21. Jahrhundert noch maßgebliches Argument sein kann.438 Eine erweiterte Beteiligung der Legislative gehe allerdings demnach über das im Grundgesetz verankerte Demokratieprinzip hinaus.439 Schließlich wird angemerkt, die Zuständigkeiten der auswärtigen Gewalt sollten gerade nicht grundsätzlich verteilt werden, sondern dies am Einzelfall zu messen sein.440 Da die staatlichen Akte, welche die auswärtige Gewalt umfasst, unterschiedlich sind, sollen diese nicht generell einer Staatsgewalt zugeordnet werden können, sondern nur „von Fall zu Fall“441. Das Prinzip der Gewaltenteilung bietet daher sowohl Argumente für die eine wie für die andere Kompetenzverteilungsmöglichkeit. Insgesamt lassen sich schließlich aus Art. 59 II 1 GG und durch den Rückgriff auf das allgemeine Prinzip der Gewaltenteilung Argumente für die Beteiligung der Legislative an den Entscheidungen im Rahmen der auswärtigen Gewalt gewinnen. Daraus würde auch folgen, dass die Entscheidung über den Streitkräfteeinsatz im Ausland von Bundesregierung und Bundestag zusammen zu treffen wäre. 432  Kempen,

Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 31. AöR 112 (1987), S. 521, 527. 434  BVerfGE 68, 1 (86). 435  Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 527 f. 436  BVerfGE 68, 1 (87). 437  Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 528; Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 77, Rn. 49 f. 438  Ehrenzeller, Legislative Gewalt, S. 181; Kadelbach/Guntermann, AöR 126 (2001), S. 563, 569. 439  Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 526. 440  Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 83, Rn. 45; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 78 f.; Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 32; Rojahn, Art. 59 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 21. 441  Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 79. 433  Grewe,



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199483

Das Bundesverfassungsgericht vertritt jedoch in konstanter Rechtsprechung die Zuordnung der auswärtigen Gewalt zur Verwaltung und Regierung.442 Im Hinblick auf die Außenpolitik gelte das Prinzip des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung.443 Aus dem Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 II 2 GG ergebe sich eine funktionelle Zuordnung der auswärtigen Gewalt zur Exekutive.444 Bereits in den Anfangsjahren seines Bestehens stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass „die Bundesregierung […] für die Ausübung der auswärtigen Gewalt zuständig ist und zwar allein“445. Auch im vorliegenden Verfahren legt das Gericht dar, dass nach dem „Grundsatz der Gewaltenteilung […] die Außenpolitik eine Funktion der Regierung ist“446. Damit geht ebenfalls die Qualifizierung des Art. 59 II 1 GG als Ausnahmebefugnis einher.447 Nach dem Gericht wird „das Mitwirkungsrecht des Parlaments […] durch Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zugleich auch begrenzt und zwar in verfahrensmäßiger wie in gegenständlicher Hinsicht“448. Die Bundesregierung ist zuständig für Vertragsverhandlungen, hat das Initiativrecht für Zustimmungsgesetze im Sinne des Art. 59 II 1 GG und entscheidet über den Inhalt des Vertrages, über den der Bundestag nur en bloc abstimmen kann.449 „Akte der auswärtigen Gewalt, die vom Tatbestand des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfaßt ­ werden, sind grundsätzlich dem Kompetenzbereich der Regierung zuge­ ordnet.“450 Allerdings muss die Legislative an neuen oder erweiternden rechtlichen Bindungen im Rahmen von Verträgen beteiligt werden.451 Aus anderer Sicht überträgt das Bundesverfassungsgericht hier allerdings die Vertragsfortbildung der gemeinsamen Verantwortung von Legislative und Exekutive.452 442  BVerfGE 1, 372 (394); BVerfGE 68, 1 (85 f.); BVerfGE 90, 286 (357); Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 83, Rn. 43; Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 525. 443  Cremer, Das Verhältnis von Gesetzgeber und Regierung, in: Geiger, Legitimation, S. 11, 12 f.; Fischbach, Auswärtige Gewalt, S. 87 ff.; Kloepfer, Verfassungsrecht, § 18, Rn. 282. 444  BVerfGE 90, 286 (357); Bryde, JURA 1986, S. 363, 366. 445  BVerfGE 2, 347 (379). 446  BVerfGE 90, 286 (357). 447  BVerfGE 1, 351 (369); BVerfGE 1, 372 (394); BVerfGE 90, 286 (357); Cremer, Das Verhältnis von Gesetzgeber und Regierung, in: Geiger, Legitimation, S. 11, 13. 448  BVerfGE 90, 286 (358). 449  BVerfGE 90, 286 (358). 450  BVerfGE 90, 286 (287). Zur Argumentation des Gerichts im Hinblick auf Verträge im Sinne des Art. 59 II 1 GG s. o. A. II. 4. b) bb) (4). 451  BVerfGE 90, 286 (358). 452  Röben, Außenverfassungsrecht, S. 81.

84

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Dem Gericht zufolge ist die Exekutive im Bereich der auswärtigen Gewalt maßgeblich verantwortlich. Dementsprechend könnte ihr auch die Entscheidung über Bundeswehreinsätze im Ausland zustehen. c) Parlamentsvorbehalt Maßgeblich für das vorliegende Verfahren war die Frage, ob die Bundesregierung über den Einsatz der Streitkräfte im Ausland entscheidet. Nach dem Bundesverfassungsgericht nicht, jedenfalls nicht allein. Das Gericht band auch den Bundestag in die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte im Ausland ein, im Wege des Parlamentsvorbehalts. Der Bundestag muss demnach einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte zuvor zustimmen. Die Diskussion schließt sich inhaltlich an die Frage nach der allgemeinen Kompetenzverteilung an, wird jedoch im vorliegenden Urteil kaum als Teil der Gewaltenteilung betrachtet.453 Zunächst werden nun im Folgenden die Grundlagen des Parlamentsvorbehalts kurz dargelegt und anschließend die Diskussion um denselben. aa) Grundlagen des Parlamentsvorbehalts In den Anfangsjahren der Bundesrepublik gab es keine Streitkräfte, über die der Bundestag hätte entscheiden können. Nach ihrer Einführung kam es bis 1990 ausschließlich zu humanitären Hilfseinsätzen,454 wobei der Bundestag an der Entscheidung über deren Durchführung zumeist nicht beteiligt wurde. Art und Umfang der Beteiligung der Legislative wurden in der verfassungsrechtlichen Diskussion kaum thematisiert. Gemäß Art. 59a GG a. F. entschied der Bundestag über Verteidigungsfall und Friedensschluss, zur praktischen Anwendung gelangte die Norm allerdings nicht. Das Gleiche gilt bis heute für Art. 115a GG. Zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über konkrete Einsätze der Bundeswehr kam es vor 1990 ebenfalls nicht. bb) Interpretation des Parlamentsvorbehalts Aus Art. 65a GG folgt keine Kompetenz zur Entscheidung aller die Streitkräfte betreffenden Fragen,455 da die Regelung nur im Rahmen der Zuständigkeit der Exekutive wirkt.456 453  van Ooyen, RuP 2008, S. 75, 79; van Ooyen, Das BVerfG als außen- und sicherheitspolitischer Akteur, in: van Ooyen/Möllers, BVerfG, S. 665, 672. 454  Kutscha, KJ 2004, S. 228, 231; Rauch, Auslandseinsätze, S.  47 ff.; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 15. 455  Epping, Art. 65a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 29 ff. 456  Schröder, Art. 65a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 14.



A. BVerfGE 90, 286 – Urteil vom 12. Juli 199485

Das Bundesverfassungsgericht unterwarf in seinem Urteil bewaffnete Einsätze der Streitkräfte im Ausland einem vorherigen konstitutiven Parlamentsvorbehalt.457 Der Bundestag muss danach vor einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte – im Gegensatz zur Verwendung – zustimmen. Ein bewaffneter Einsatz liegt nach dem Gericht vor, wenn die „Soldaten […] in bewaffnete Unternehmungen458 einbezogen sind“459. Eine Zustimmung ist grundsätzlich bei Einsätzen aufgrund von Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen erforderlich.460 Bei Gefahr im Verzug kann auf diese Notwendigkeit verzichtet werden, in solch einem Fall ist allerdings die nachträgliche Befassung des Bundestags erforderlich und die Streitkräfte sind zurückzuholen, falls der Bundestag dies verlangt.461 Der Vorbehalt darf nicht „die militärische Wehrfähigkeit und die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland […] beeinträchtigen“462. Die dogmatische Begründung dieses Vorbehalts ist umstritten.463 Das Gericht legte dar, dass aus der Gesamtschau des Grundgesetzes das „Parlamentsheer“464 Bundeswehr nicht allein der Exekutive überlassen ist, sondern die Verfassung ein Prinzip erkennen lässt, nachdem die vorherige konstitutive Zustimmung des Bundestags bei einem Einsatz nötig ist.465 Die wehrrechtlichen Bestimmungen, die 1956 in das Grundgesetz eingefügt wurden (insbesondere Art. 59a GG a. F.), deuteten auf eine parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte hin.466 Diese Kontrolle beinhaltet die „konkrete Entscheidung über deren Verwendung“467. Dies ergebe sich ebenfalls aus einer seit 1918 bestehenden Verfassungstradition.468 457  BVerfGE 90, 286 (345, 381 ff.); Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Rn. 69; Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 35. Für eine tiefergehende Bearbeitung siehe Wagner, Parlamentsvorbehalt. 458  Zum Begriff s. u. D. II. 1. 459  BVerfGE 90, 286 (388). 460  BVerfGE 90, 286 (387 f.). 461  BVerfGE 90, 286 (388). 462  BVerfGE 90, 286 (388). 463  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 70; Scherrer, Parlament, S.  71 ff.; Sigloch, Auslandseinsätze, S.  298 ff.; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 22, 25 ff. 464  BVerfGE 90, 286 (282). 465  BVerfGE 90, 286 (382). Für nähere Ausführungen vgl. Wagner, Parlamentsvorbehalt, S.  24 f. 466  BVerfGE 90, 286 (384 f.). 467  BVerfGE 90, 286 (385). 468  BVerfGE 90, 286 (387). Für nähere Ausführungen vgl. ebenfalls Wagner, Parlamentsvorbehalt, S.  23 f.

86

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Eine solche Tradition war jedoch vor dem Urteil des Gerichts eher unbekannt.469 Es lässt sich aus den Regelungen des Grundgesetzes zur Parlamentsbeteiligung ebenfalls schließen, dass einzelne Beteiligungen ausdrücklich gefordert werden und somit gerade kein allgemeiner Vorbehalt besteht.470 Für einen Parlamentsvorbehalt kann allerdings angeführt werden, dass der Bundestag auch bei der weniger existentiellen Entscheidung über den Vertragsabschluss gemäß Art. 59 II 1 GG beteiligt ist, er könnte folglich erst Recht an der Entscheidung über Einsätze der Streitkräfte im Ausland zu beteiligen sein.471 Aus früheren Normen, vor allem Art. 59a GG a. F. lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die aktuelle Rechtslage ziehen, denn diese gelten gerade nicht mehr.472 Auch wird bemerkt, dass die Normen des Grundgesetzes nicht auf einen verfassungsrechtlichen Vorbehalt hindeuten, sondern lediglich politische parlamentarische Kontrolle ermöglichen.473 Der Vorbehalt zugunsten des Parlaments steht konträr zur Feststellung des Primats der Exekutive in der auswärtigen Gewalt.474 Für den Parlamentsvorbehalt kann allerdings das Demokratieprinzip angeführt werden.475 Dafür spricht ebenso die Wesentlichkeitslehre.476 Danach müssen wesentliche Entscheidungen im Staat-Bürger-Verhältnis vom Gesetzgeber selbst getroffen werden.477 Die Entscheidung über Einsätze der Streitkräfte im Ausland betrifft fundamentale Fragen über Krieg und Frieden und wirkt sich ebenfalls auf elementare Rechtsgüter Einzelner aus, sodass es hier um wesentliche Angelegenheiten geht.478 Gegen die Anwendung des Wesentlichkeitsvorbehalts in diesem Zusammenhang wird jedoch angeführt, 469  Fährmann, Bundeswehr, S.  76; Glawe, Organkompetenzen, S. 96, 114  ff.; Scherrer, Parlament, S. 75 ff.; Stein/Kröninger, JA 1995, S. 254, 261; Wiefelspütz, Einsatz, S. 28; Wiefelspütz, HFR 2010, S. 230, 237. 470  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 143; Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 446; Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 652, 674; Scherrer, Parlament, S.  71 ff.; Sigloch, Auslandseinsätze, S. 300. 471  Ipsen, DÖV 1971, S. 583, 588; für Kontrollrechte des Parlaments Glawe, Organkompetenzen, S.  122 ff. 472  Fährmann, Bundeswehr, S. 76. 473  Dau, NZWehrR 1994, S. 177, 182. 474  Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 25. 475  Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 32. 476  Epping, AöR 124 (1999), S. 423, 448; Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 26; Heun, JZ 49 (1994), S. 1073, 1074; Kokott, Art. 87a GG, in: Sachs, GG, Rn. 42; Payandeh, DVBl 2011, S. 1325, 1327; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S.  31 ff. Dazu auch Axer, Normsetzung, S. 337 f. Dagegen Blumenwitz, NZ WehrR 1988, S. 133, 145. Vgl. dazu ausführlich Scherrer, Parlament, S. 90 ff. 477  Maurer, Staatsrecht I, § 8, Rn. 21. 478  Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 32.



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 87

dass es sich bei Auslandseinsätzen nicht um Gesetze handelt, nur der Bundestag betroffen ist (nicht auch der Bundesrat) und dem Parlament keine Allzuständigkeit übertragen werden darf.479 Anzuwenden ist sie trotzdem, da wohl die Form der Entscheidung nicht maßgeblich dafür sein sollte, ob wichtige Fragen dem Parlament vorenthalten werden.480 Die Nicht-Beteiligung des Bundesrates folge schließlich lediglich daraus, dass kein Gesetz verabschiedet wird.481 Insgesamt überwiegen daher die Gründe für einen Parlamentsvorbehalt.

B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001  (NATO-Konzept) In den Jahren nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu out-ofarea-Einsätzen klafft eine Lücke in der Rechtsprechung des Gerichts. Der völker- und verfassungsrechtlich bedeutsame Einsatz der deutschen Streitkräfte im Kosovo findet kaum Widerhall. Am 25. März 1999 verwarf der Zweite Senat in einem knappen Beschluss wegen fehlender Antragsbefugnis im Organstreitverfahren den diesbezüglichen Antrag der PDS-Fraktion im Bundestag gegen Bundesregierung und Bundesminister der Verteidigung.482 Zehn Jahre später, am 13. Oktober 2009, lehnte das Gericht einen weiteren Antrag der Fraktion Die Linke im Bundestag im Wege des Organstreitverfahrens wegen offensichtlicher Unbegründetheit ab und entschied, dass der Bundestag nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht erneut dem laufenden Einsatz der Streitkräfte zustimmen musste.483 Eine abermalige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vorliegenden Themenkomplex erging erst am 22. November 2001 mit dem Urteil zum NATO-Konzept.

I. Sachverhalt Am 23. / 24. April 1999 wurde im Nordatlantikrat ein neues Strategisches Konzept484 der NATO beschlossen, das den NATO-Vertrag ergänzte. Strategische Konzepte begleiten die Geschichte der Organisation, sie aktualisieren den grundlegenden Vertrag im Hinblick auf die jeweilige sicherheitspoliti479  Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 153; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 31. 480  Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 32. 481  Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 32. 482  BVerfGE 100, 266. Siehe dazu unten F. III. 483  BVerfG, Urt. v. 13.10.2009, 2 BvR 4/08, Absatz-Nrn. 1–32. 484  http://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_27433.htm?selectedLocale =en (aufgerufen am 01. November 2016).

88

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

sche Lage.485 Seit Beginn der 1990er-Jahre beschäftigte sich der NATO-Rat mit diesem Konzept, das Antworten auf die veränderte sicherheitspolitische Lage nach dem Ende des Kalten Krieges geben sollte.486 Die vier Abschnitte des neuen Konzepts betreffen Ziele und Aufgaben der NATO, strategische Perspektiven, Sicherheitsansätze für das 21. Jahrhundert und Richtlinien für die Streitkräfte innerhalb der Strategie der Allianz.487 Zunächst wird festgestellt, dass nach den Umbrüchen in den 1990erJahren neue sicherheitspolitische Herausforderungen und Risiken in Europa entstanden sind (Nrn. 1–5). Die NATO ist Sicherheit und Verteidigung verpflichtet, diesbezüglich werden folgende Aufgaben wahrgenommen: Sicherheit, Konsultation, Abschreckung und Verteidigung (Nr. 10). Sie fördert Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum (Nrn. 12–19) und nimmt neue Bedrohungen, wie z. B. den Terrorismus, als Gefahr für Frieden und Sicherheit wahr (Nr. 24). Das Bündnis versucht daher, durch folgende Maßnahmen, Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum zu erhalten: transatlantische Verbindung, Aufrechterhaltung militärischer Ressourcen, europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität, Konfliktprävention und Krisenmanagement, Partnerschaft, Kooperation und Dialog, Ausdehnung des Bündnisses sowie Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung (Nrn. 27–40). Um ihre Aufgaben bewältigen zu können, bedarf die NATO ausreichend militärischer Mittel (Nr. 41). Zur Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität sind auch Missionen außerhalb Art. 5 NATO-Vertrag denkbar (Nr. 49). Es werden schließlich Richtlinien für die Position der Streitkräfte festgelegt (Nrn. 51–53) sowie Merkmale konventioneller und nuklearer Streitkräfte (Nrn. 54–64). Die NATO begegnet durch das Konzept neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen und hat das Ziel, Sicherheit, Stabilität sowie Demokratie und friedliche Streitbeilegung zu fördern (Nr. 65). Nach dem Beschluss des Konzepts in Washington stimmte die Bundesregierung diesem zu. Das Gericht wies die Anträge der PDS-Fraktion gegen diese Zustimmung der Bundesregierung zurück.

485  BVerfGE pics_56626.htm 486  BVerfGE 487  Für eine (160 ff.).

104, 151 (156 ff.). Vgl. auch http://www.nato.int/cps/en/natolive/to (aufgerufen am 01. November 2016). 104, 151 (156 f.). Zusammenfassung des Konzepts vgl. auch BVerfGE 104, 151



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 89

II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen Im Verfahren stellte sich die Frage, ob die Zustimmung zum neuen Strategischen Konzept der NATO gegen Art. 59 II 1 GG i. V. m. Art. 24 II GG verstieß. Vorliegend ging es nicht um den NATO-Vertrag (der als politischer Vertrag gemäß Art. 59 II 1 GG zustimmungsbedürftig ist), sondern um dessen mögliche Änderung durch das neue Strategiekonzept. Damit war fraglich, ob hier eine Änderung des NATO-Vertrags vorlag, die gemäß Art. 59 II 1 GG zustimmungspflichtig war und ob das neue Konzept die Grenzen des Art. 24 II GG wahrte. 1. Parlamentsbeteiligung aufgrund Änderungsvertrag zum NATO-Vertrag? Nach dem Bundesverfassungsgericht sind wesentliche Überschreitungen oder Änderungen eines Vertrags im Sinne von Art. 59 II 1 GG vom Zustimmungsgesetz grundsätzlich nicht mehr gedeckt.488 Änderungen zu völkerrechtlichen Verträgen sind nach der Rechtsprechung zustimmungspflichtig, wenn es sich um Änderungsverträge handelt.489 Die Antragsgegnerin bestritt allerdings den Bindungswillen, der für eine Einordnung des Konzepts als Vertragsänderung, die der Zustimmung des Bundestags bedürfe, notwendig sei.490 Das Strategische Konzept sei eine politische Absichtserklärung, es gebe keine Anhaltspunkte für den Willen zur vertraglichen Bindung.491 Das Bundesverfassungsgericht ging ebenfalls davon aus, dass keine Anhaltspunkte für einen Änderungsvertrag bestanden: Es fehle z. B. eine Ratifikationsklausel, die weiteren Umstände der Annahme des Konzepts wiesen nicht auf einen rechtliche Bindungswillen der Parteien hin und der Wortlaut des Konzepts selbst bleibe für einen Vertrag zu wenig konkret (vgl. z. B. den Maßnahmenkatalog Nrn. 27–40 Strategisches Konzept 1999).492 Daran ändere auch der durchaus hochpolitische Gegenstand des Konzepts nichts,493 sondern die NATO passe sich im Gegenteil erfolgreich an „tief greifend veränderte politische Verhältnisse an“494. 488  BVerfGE

104, 151 (195). A. II. 4. b) bb) (4) (a). 490  BVerfGE 104, 151 (183 ff.). 491  BVerfGE 104, 151 (183 f.). 492  BVerfGE 104, 151 (200 ff.). 493  BVerfGE 104, 151 (201). 494  BVerfGE 104, 151 (201). 489  s. o.

90

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Dagegen lässt sich anführen, dass die Ratifikation nur eine von mehreren Möglichkeiten der Vertragsbindung ist (vgl. Art. 11 WVK495), sodass aus dem Fehlen einer solchen Klausel nicht zwangsläufig auf fehlenden Bindungswillen geschlossen werden kann.496 Darüber hinaus weist das Strategiekonzept Kennzeichen eines Vertrags auf, indem es lange Zeit verhandelt wurde und von besonderer Bedeutung für die NATO ist.497 Ein eindeutiger Hinweis auf die rechtliche Verbindlichkeit des Konzepts findet sich jedoch nicht,498 insbesondere kein diesbezüglich geäußerter Parteiwille. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist das neue Strategische Konzept der NATO daher kein Vertrag im Sinne des Art. 59 II 1 GG, da kein Änderungswille der Mitgliedsstaaten bestand, folglich lag aus diesem Grund keine Zustimmungspflicht vor. 2. Parlamentsbeteiligung aufgrund konkludenter Vertragsänderung? Es könnte durch das Strategische Konzept allerdings eine konkludente Änderung des NATO-Vertrags erfolgt sein. Diese ergibt sich aus hinreichend objektiven Umständen.499 Die Antragstellerin ging davon aus, dass der NATO-Vertrag durch das neue Strategische Konzept erheblichen inhaltlichen Änderungen ausgesetzt ist.500 Die NATO erhalte als Verteidigungsbündnis einen neuen Sinn und Zweck.501 Das Konzept erweitere die Aufgaben der NATO, die sich zuvor auf Territorialverteidigung beschränkt habe.502 Sie fördert nun Sicherheit, Stabilität, Demokratie und friedliche Streitbeilegung (Nr. 65 Strategisches Konzept 1999). In diesem Zusammenhang entferne sich die Organisation von ihrer ursprünglichen Absicht, kollektive Selbstverteidigung gegen bewaffnete Angriffe im Sinne von Art. 51 UNC zu leisten.503 Unabhängig davon, ob es sich bei dem Strategiekonzept um einen Vertrag handele oder nicht,504 hätte der Bundestag daher gemäß Art. 59 II 1 GG dem Konzept zustimmen müssen. 495  BGBl. II,

1985, S. 926. GYIL 44 (2001), S. 544, 559. 497  Rau, GYIL 44 (2001), S. 544, 559; ähnlich Kadelbach, Die parlamentarische Kontrolle, in: Geiger, Legitimation, S. 41, 48. 498  Rau, GYIL 44 (2001), S. 544, 562. 499  BVerfGE 104, 151 (202). 500  BVerfGE 104, 151 (170). 501  BVerfGE 104, 151 (174 ff.). 502  BVerfGE 104, 151 (172 f.); Dietz, DÖV 2012, S. 952, 960. 503  BVerfGE 104, 151 (173). 504  BVerfGE 104, 151 (171). 496  Rau,



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 91

Das Bundesverfassungsgericht legte dar, dass das Konzept weiterhin im Sinne der Tradition der NATO auf der Idee der kollektiven Verteidigung beruhe, die angesichts aktueller sicherheitspolitischer Fragen erläutert werde.505 Die NATO ist auch künftig Sicherheit und Verteidigung verpflichtet (Nr. 10 Strategisches Konzept 1999). Es werden jedoch Krisenreaktionseinsätze außerhalb Art. 5 NATO-Vertrag eingeführt, welche eine Erweiterung der Funk­tio­ nen der NATO darstellen könnten.506 In Art. 5 NATO-Vertrag geht es um die kollektive Selbstverteidigung nach einem Angriff auf ein Mitglied des Bündnisses, Krisenreaktionseinsätze sind demgegenüber unabhängig von einer solchen Voraussetzung. Allerdings seien diese bereits im Strategischen Konzept von 1991 erwähnt und würden vorliegend lediglich weiter ausgeführt, daraus folge noch keine Änderung des NATO-Vertrags,507 sondern diese Einsatzmöglichkeiten seien im entwicklungsoffenen NATO-Vertrag angelegt.508 Die Einsätze sollen des Weiteren als Maßnahme einer Regionalorganisation509 ­gemäß Kapitel VIII der UN-Charta zulässig sein.510 Bereits früher habe die ­NATO politische Änderungen verarbeitet, ohne den Vertrag zu ändern.511 Eine andere, mit den Umbrüchen zu Beginn der 1990er vergleichbare politische Veränderung, erfolgte seit Gründung der NATO jedoch nicht. Für eine konkludente Änderung könne des Weiteren angeführt werden, dass „territorial unbegrenzt mögliche Krisenreaktionseinsätze […] etwas grundsätzlich Neues“512 sind. Die Organisation erweiterte ihren Handlungsspielraum erheblich.513 Allerdings soll weiterhin der euro-atlantische Raum geschützt werden (Nrn. 12–19 Strategisches Konzept 1999). Möglicherweise kann jedoch Art. 12 NATO-Vertrag zur Begründung einer inhaltlichen Änderung herangezogen werden, da dieser eine Vertragsrevision im Fall der Veränderung sicherheitspolitischer Bedingungen ermöglicht und die Mitgliedsstaaten dies hier taten.514 Innerhalb des Konzepts werde der Wille der 505  BVerfGE

104, 151 (203). RuP 1999, S. 198, 205; Rau, GYIL 44 (2001), S. 544, 563 f. 507  BVerfGE 104, 151 (203 ff.). 508  BVerfGE 104, 151 (205 f.). 509  Ob die NATO eine Regionalorganisation im Sinne von Kapitel VIII UNCharta ist, war lange umstritten, da die Frage, ob Regionalorganisationen zugleich Verteidigungsorganisationen sein dürfen, unterschiedlich beantwortet wurde. Vgl. dazu Herdegen, Völkerrecht, § 43, Rn. 2; Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 95, 97 f., 99 ff.; Walter, Article 52, in: Simma/Khan/Nolte et al., UNC, Rn. 22 ff. Dagegen z. B. Simma, EJIL 10 (1999), S. 1, 10. 510  BVerfGE 104, 151 (203). 511  BVerfGE 104, 151 (206). 512  Sauer, ZaöRV 62 (2002), S. 317, 340. 513  van Ooyen, RuP 2008, S. 75, 80 f. 514  Sauer, ZaöRV 62 (2002), S. 317, 340. 506  Klein/Schmahl,

92

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Staaten deutlich, den NATO-Vertrag zu erweitern.515 Insbesondere die Möglichkeit zu Einsätzen außerhalb einer Legitimation durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen spreche für eine notwendige Zustimmung gemäß Art. 59 II 1 GG.516 Im Verfahren stellte das Gericht allerdings die Bindung der NATO an die Vereinten Nationen heraus, die auch im neuen Strategischen Konzept betont wird (vgl. Nrn. 10, 12 ff. Strategisches Konzept 1999).517 Dazu gehört auch die Beachtung der Voraussetzungen zur Gewaltanwendung nach der Charta der Vereinten Nationen.518 Ein Einsatz „hat in Übereinstimmung mit dem jeweils anwendbaren Völkerrecht zu erfolgen“519. Nach dem Bundesverfassungsgericht liegt im neuen Strategischen Konzept daher keine konkludente Änderung des NATO-Vertrags, da keine erkennbare Erweiterung zum ursprünglichen Vertrag zutage tritt.520 Es handele sich um eine „Fortentwicklung und Konkretisierung“521. Somit ist auch hiernach das Konzept nicht zustimmungspflichtig. 3. Parlamentsbeteiligung aufgrund Fortentwicklung des NATO-Vertrags? Schließlich ist fraglich, ob eine Fortentwicklung des NATO-Vertrags durch Auslegung von dem Zustimmungserfordernis des Art. 59 II 1 GG erfasst ist.522 Die Antragstellerin legte dar, dass eine Mitwirkungspflicht des Bundestags gemäß Art. 59 II 1 GG vorliege, auch wenn es sich nicht um einen Änderungsvertrag oder eine ausdrückliche Änderung handelt.523 Dies ergebe sich aus der Gewaltenteilung, da das Parlament wesentliche Entscheidungen selbst treffen müsse.524 Das Gericht geht davon aus, dass die „Fortentwicklung eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG […] 515  Klein/Schmahl,

RuP 1999, S. 198, 205. RuP 1999, S. 198, 205. 517  BVerfGE 104, 151 (211). 518  BVerfGE 104, 151 (213). 519  BVerfGE 104, 151 (204). 520  BVerfGE 104, 151 (202). 521  BVerfGE 104, 151 (205). 522  s. o. A. II. 4. b) bb) (4) (b). 523  BVerfGE 104, 151 (171). 524  BVerfGE 104, 151 (171). 516  Klein/Schmahl,



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 93

keiner gesonderten Zustimmung des Bundestags“525 bedarf. Alles andere würde zu Rechtsunsicherheit führen, die Steuerungswirkung des Zustimmungsgesetzes beschädigen, die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung gefährden und nicht der funktionsgerechten Teilung der Staatsgewalt entsprechen.526 Insoweit folgte das Gericht seiner Rechtsprechung aus BVerfGE 90, 286.527 Die Konkretisierung bestehender Verträge ist demzufolge (als Teil der auswärtigen Gewalt) Aufgabe der Bundesregierung.528 Der Gefahr weitreichender, schleichender Inhaltsänderung könne unter anderem durch den Einsatz von Instrumenten par­ lamentarischer Kontrolle begegnet werden (z. B. Budgetrecht, Parlamentsvorbehalt, Organstreitverfahren529).530 Dagegen lässt sich anführen, dass der Einsatz solcher Kontrollmechanismen oftmals zu spät kommt.531 Auch kann diese Auslegung des Art. 59 II 1 GG zu einer „Blankovollmacht“532 für die Bundesregierung führen, welcher der Bundestag dem einmal zugestimmten Vertrag in die Hände gibt. Auf die Argumentation zur Wesentlichkeitslehre ging das Gericht nicht ausdrücklich ein.533 Die Zustimmung zu einem Vertrag gemäß Art. 24 II, 59 II 1 GG führt nach dem Bundesverfassungsgericht allerdings grundsätzlich zur politischen Mitverantwortung des Bundestags für das Integrationsprogramm.534 Eine Verletzung der Rechte des Parlaments aus Art. 24 II, 59 II 1 GG entsteht daher durchaus bei einer Fortentwicklung des jeweiligen Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit ultra vires.535 Eine solche liegt vor, wenn „gegen wesentliche Strukturentscheidungen des Vertragswerks“536 verstoßen wird, Verstöße gegen einzelne Bestimmungen liegen hingegen nicht außerhalb des Zustimmungsgesetzes.537 Die wesentlichen Entscheidungen des NATO-Vertrags würden durch das neue Strategische Konzept jedoch nicht verletzt: Der Einsatz von Nuklearwaffen sei im ursprünglichen Vertrag nicht geregelt und bedürfe daher gerade der Ausformung und Krisenreaktionseinsätze außerhalb Art. 5 NATO-Vertrag seien im Hinblick auf die umfassende Sicher525  BVerfGE

104, 151 (206). 104, 151 (207). 527  BVerfGE 90, 286 (363 f.). 528  BVerfGE 104, 151 (207). 529  BVerfGE 104, 151 (209). 530  BVerfGE 104, 151 (208). 531  Sauer, ZaöRV 62 (2002), S. 317, 338. 532  van Ooyen, RuP 2008, S. 75, 81. 533  Vgl. dazu aber Scherrer, Parlament, S. 96 f. 534  BVerfGE 104, 151 (209). 535  BVerfGE 104, 151 (210). 536  BVerfGE 104, 151 (210). 537  BVerfGE 104, 151 (210). So auch BVerfGE 118, 244 (260). 526  BVerfGE

94

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

heitsaufgabe des Bündnisses durchaus zulässig.538 Die NATO sei weiterhin den Zielen der Vereinten Nationen und deren Satzung verpflichtet.539 Einsätze sollen nur in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht erfolgen.540 Darüber hinaus habe sich die Organisation nicht vom Ziel der regionalen Friedenssicherung entfernt.541 Eine Fortentwicklung ultra vires sei demnach nicht erkennbar. Insgesamt ist danach die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus Mitgliedschaften in Internationalen Organisationen weiterhin Aufgabe der Regierung und dieser ebenso wie die auswärtige Gewalt anvertraut, jedoch den Beschränkungen des Grundgesetzes und der parlamentarischen Kon­ trolle unterworfen.542 Daher sollen Bundesregierung und Legislative „zusammenwirken“543. Das Gericht stellte somit fest, dass die Fortentwicklung eines Vertrags ultra vires zwar gegen Art. 59 II 1 GG verstößt, dies vorliegend durch das Strategische Konzept allerdings nicht erfolgte. Folglich besteht auch aus diesem Grund keine Zustimmungspflicht. 4. Überschreitung der Grenzen des Art. 24 II GG? Neben der Frage nach der Kompetenzverteilung ging es im Verfahren um die Voraussetzungen des Art. 24 II GG. Möglicherweise wurden durch das neue Strategische Konzept der NATO die Grenzen der Wahrung des Friedens gemäß Art. 24 II GG i. V. m. Art. 59 II 1 GG verletzt. Dabei ging es vor allem um die Frage nach Einsätzen deutscher Streitkräfte ohne eine Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. a) Einsätze ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Zunächst ist fraglich, warum die Regelung von Krisenreaktionseinsätzen ohne Resolution des Sicherheitsrats im neuen Strategiekonzept dazu führen könnte, dass das Erfordernis der Wahrung des Friedens gemäß Art. 24 II GG nicht mehr gewahrt wird. Dazu wird einerseits dargestellt, wozu Resolutionen des Sicherheitsrats dienen und andererseits, welche Einsatzarten ohne eine solche Resolution diskutiert werden. 538  BVerfGE 539  BVerfGE 540  BVerfGE 541  BVerfGE 542  BVerfGE 543  BVerfGE

104, 104, 104, 104, 104, 104,

151 151 151 151 151 151

(210 f.). (211). (213). (210). (207, 210). (210).



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 95

aa) Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Die NATO basiert auf Art. 51 UNC. Danach ist die individuelle und kollektive Selbstverteidigung zulässig, ohne dass eine Resolution des Sicherheitsrats nötig ist.544 Grundsätzlich ist die Anwendung von Gewalt im Völkerrecht jedoch untersagt, als ius cogens545 und normiert in Art. 2 Nr. 4 UNC. Neben Art. 51 UNC findet sich eine weitere Ausnahme vom Gewaltverbot in Kapitel VII UNC. Gemäß Art. 24 UNC obliegt die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dem Sicherheitsrat. Sobald dieser gemäß Art. 39 UNC eine Bedrohung oder einen Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung festgestellt hat, können gemäß Art. 42 UNC erforderliche Maßnahmen durchgeführt werden, auch militärische. Da bisher kein Abkommen zwischen den Mitgliedsstaaten und den Vereinten Nationen gemäß Art. 43 UNC geschlossen wurde, können die Staaten den Vereinten Nationen entweder Streitkräfte zur Verfügung stellen oder der Sicherheitsrat kann diese zum Einsatz von militärischer Gewalt ermächtigen.546 Neben diesen sogenannten peace-enforcement-Einsätzen besteht die Möglichkeit von peacekeeping-Einsätzen oder Beobachtermissionen, die jedoch nicht normiert sind und grundsätzlich ohne Einsatz von Waffengewalt und mit Zustimmung des betroffenen Staates erfolgen.547 Daneben können sogenannte peacebuilding-Einsätze durchgeführt werden, die zusätzlich exekutive Funktionen wahrnehmen.548 Darauf aufbauend haben sich Einsätze des robusten peacekeeping entwickelt, die durch eine Resolution des Sicherheitsrats dazu ermächtigt sind, im Rahmen ihrer Mission Gewalt anzuwenden,549 im Gegensatz zu peace-enforcement-Einsätzen allerdings von der Zustimmung des betroffenen Staates abhängig sind. Die Elemente von (robustem) peacekeeping und peace enforcement verschränken sich in den letzten Jahrzehnten,550 sodass eine genaue Trennung der 544  Simma,

EJIL 10 (1999), S. 1, 3. EJIL 10 (1999), S. 1, 3; Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 16. 546  von Arnauld, Völkerrecht, Rn.  1031 ff.; Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 49 f.; Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 38; Simma, EJIL 10 (1999), S. 1, 4. 547  von Arnauld, Völkerrecht, Rn.  1037 ff. 548  von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 1041. 549  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 36. 550  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 34 ff.; so auch Deutscher Bundestag (Hrsg.), Unterrichtung, BT-Drucks. 18/5000, S. 28. 545  Simma,

96

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

militärischen und nicht-militärischen Einsatzarten häufig nur schwer vorzunehmen ist. Eine Resolution des Sicherheitsrats kann demnach die gemäß Art. 2 Nr. 4 UNC verbotene Gewaltanwendung legitimieren. Neben dieser Möglichkeit und Art. 51 UNC sieht die Charta der Vereinten Nationen keine weiteren Einsätze militärischer Gewalt vor. Es werden dennoch verschiedene Ausnahmen diskutiert, die im Folgenden dargelegt werden. bb) Ausnahmen vom Gewaltverbot In den letzten Jahren wird vornehmlich eine Diskussion um Ausnahmen vom Gewaltverbot in Gestalt von humanitärer Intervention und Responsibil­ ity to Protect geführt.551 Ebenfalls umstritten sind die Rettung eigener Staatsangehöriger im Ausland552 und die Intervention auf Einladung553. (1) Humanitäre Intervention Die sogenannte humanitäre Intervention554 beschreibt das militärische Eingreifen eines Staates in einem anderen Staat zum Schutz von Menschenrechten.555 Sie wird einerseits mittels Art. 51 UNC gerechtfertigt, indem schwere Menschenrechtsverletzungen als bewaffneter Angriff qualifiziert werden.556 Dagegen sprechen jedoch u. a. Wortlaut, Systematik und Zweck des Art. 51 UNC, eindeutige Regeln für die Gewaltanwendung zur Selbstverteidigung schaffen zu wollen.557 Zum Teil wird für die Zulässigkeit der humanitären Intervention andererseits die Möglichkeit der Rettung eigener Staatsangehöriger angeführt, dieses Konzept ist jedoch nicht nur ohnehin strittig, sondern beides ist darüber hinaus kaum vergleichbar.558 Die huma551  Herdegen,

Völkerrecht, § 34, Rn. 4, 35 ff. Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 21; Kreß, ZaöRV 57 (1997), S. 329. Dazu auch oben A. II. 2. b) cc) (2) (c) und unten E. II. 553  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 23; siehe dazu Nolte, Einladung. 554  Die humanitäre Intervention wird auch als humanitäre Intervention im weiteren Sinne bezeichnet, im Gegensatz zur humanitären Intervention im engeren Sinne (Rettung eigener Staatsangehöriger). 555  Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 35. 556  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 22. 557  Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941, 949 f. 558  Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941, 950 f. 552  Bothe,



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 97

nitäre Intervention könnte jedoch als Völkergewohnheitsrecht gelten.559 Dazu ist eine allgemeine Übung der Staaten (consuetudo) und eine entsprechende Überzeugung (opinio iuris) nötig.560 Als Ausdruck einer allgemeinen Übung wird zumeist der Einsatz der NATO im Kosovo angeführt.561 Eine große Gruppe von Staaten hat allerdings die humanitäre Intervention als Ausnahme vom Gewaltverbot in diesem Fall kritisiert.562 Eine Rechtsüberzeugung lässt sich damit insgesamt kaum begründen.563 Die Diskussion kann an dieser Stelle nicht entschieden werden und soll daher offen bleiben. Ein Einsatz zur humanitären Intervention ohne Mandat des Sicherheitsrats kann daher je nach Argumentation als völkerrechtskonform qualifiziert werden oder nicht. (2) Responsibility to Protect Neben der humanitären Intervention wird unter dem Stichwort Respons­ ibility to Protect eine Ausnahme vom Gewaltverbot diskutiert. Darunter ist zu verstehen, dass Staaten im Rahmen ihrer Souveränität dazu verpflichtet sind, die eigene Bevölkerung vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen; tun sie dies nicht, kann die internationale Gemeinschaft (militärisch) eingreifen.564 Diesbezüglich wird jedoch zumeist eine Resolution des Sicherheitsrats verlangt.565 Bislang hat sich keine anderweitige Praxis etabliert.566 559  Simma,

EJIL 10 (1999), S. 1, 5. Völkerrecht, § 16, Rn. 1. 561  Steinkamm, Zur humanitären Intervention, in: Ipsen/Raap/Stein et al., FS Dau, S.  261, 273 ff. 562  Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941, 946 f. Für die ausführliche Diskussion um diese Frage im Völkerrecht siehe z. B. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 22; Deiseroth, NJW 1999, S. 3084, 3085; Doehring, Völkerrecht, Rn.  1008 ff.; Heintschel von Heinegg, Friedenssicherung, in: Ipsen, Völkerrecht, § 52, Rn. 49 ff.; Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn.  4, 38 ff.; Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941, jew. m. w. N. 563  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 22; Deiseroth, NJW 1999, S. 3084, 3087; Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 46; Simma, EJIL 10 (1999), S. 1, 6. 564  von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 310; Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 22. 565  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 22. So bereits International Commission on Intervention and State Sovereignty (Hrsg.), Responsibility to Protect, 2001, Ziffern 6.36 f. 566  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 22; Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 46. 560  Herdegen,

98

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Dies zeigt sich z. B. an der Resolution des Sicherheitsrats im Fall Libyen.567 Die Responsibility to Protect ohne Mandat des Sicherheitsrats kann damit kaum als Völkergewohnheitsrecht eingestuft werden. (3) Rettung eigener Staatsangehöriger Ferner wird bei der Rettung eigener Staatsangehöriger in einem anderen Staat militärisch eingegriffen. Zur rechtlichen Begründung wird teilweise das Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 UNC herangezogen.568 Dabei besteht allerdings die Gefahr der Ausuferung militärischer Gewalt.569 Es lässt sich wiederum keine einheitliche Staatenpraxis bzw. Überzeugung ermitteln.570 (4) Intervention auf Einladung Bei einer Intervention auf Einladung liegt eine Genehmigung des betroffenen Staates für den Gewalteinsatz eines anderen Staates auf seinem Territorium vor.571 Die völkerrechtliche Rechtfertigungswirkung dieser Erlaubnis wird allerdings unterschiedlich beurteilt.572 Besonders die Intervention im Rahmen von Bürgerkriegen wird diskutiert.573 Eine solche kann demnach nur teilweise als Rechtfertigung für einen Einsatz ohne Resolution des ­Sicherheitsrats dienen. b) Wahrung des Friedens gemäß Art. 24 II GG? Die Frage, ob völkerrechtskonforme Ausnahmen vom Gewaltverbot neben Art. 39 ff., 51 UNC bestehen, kann somit nicht abschließend beurteilt werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass Einsätze ohne Resolution des Sicherheitsrats völkerrechtswidrig sind. Dies unterstellt, ergibt sich die Frage, ob eine Organisation, die diese durchführt, gemäß Art. 24 II GG eine friedliche ist.574 Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei den Einsätzen, 567  Resolution des Sicherheitsrats 1973 vom 17. März 2011 – S/RES/1973 (2011); Tomuschat, ZaöRV 72 (2012), S. 447, 455. 568  Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 31 f. 569  Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 32. 570  von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 1102. 571  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 23. 572  Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 8. Abschnitt, Rn. 23. 573  Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Casebook, Rn. 445. 574  Siehe dazu auch BVerfGE 118, 244 (271).



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 99

die hier diskutiert werden, um militärische Einsätze handelt, die grundsätzlich das Gewaltverbot aus Art. 2 Nr. 4 UNC verletzen. Fraglich ist also, ob die NATO, basiert sie auf völkerrechtswidrigen Einsätzen, ein unfriedliches System darstellt. Dann käme ein Einsatz im Rahmen der NATO aufgrund Art. 24 II GG nicht in Betracht. Die verfassungsrechtliche und die völkerrechtliche Beurteilung sind zwar prinzipiell zu trennen, es bestehen jedoch Berührungspunkte.575 Zum einen verweist Art. 24 II GG selbst nicht auf das Völkerrecht, d. h. von der möglichen Völkerrechtswidrigkeit von Einsätzen außerhalb Mandaten der Vereinten Nationen kann nicht automatisch auf einen Verstoß gegen das Erfordernis der Wahrung des Friedens geschlossen werden, zum anderen besteht bei einem völkerrechtswidrigen Einsatz jedoch zumindest der Verdacht, dass dies nicht der Friedenswahrung dient. Der Wortlaut der Art. 24 II GG verpflichtet jedoch nicht ausdrücklich zum Vorliegen eines Mandats des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.576 Um als nicht-friedliches System eingeordnet zu werden, müsste sich die NATO daher grundsätzlich von ihrer friedenswahrenden Funktion entfernen und wesentliche Prinzipien verändern.577 Ein Verstoß gegen einzelne Vertragsbestandteile führt hingegen nicht dazu, dass Art. 59 II 1 GG i. V. m. Art. 24 II GG verletzt wird.578 aa) NATO-Vertrag Zunächst könnte der NATO-Vertrag selbst Einsätze ohne Resolution des Sicherheitsrats vorsehen. Dieser betont an mehreren Stellen die Bindung an die Charta der Vereinten Nationen (Präambel, Art. 1, 5, 7, 11 NATO-Vertrag) sowie die Verantwortung des Sicherheitsrats für Frieden und Sicherheit (Art. 5, 7 NATO-Vertrag). Dennoch wird ein Handeln außerhalb der Charta der Vereinten Nationen nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Nach dem implied powers579 Grundsatz kann die NATO Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, ihre Aufgaben der Verteidigung und Bewahrung von Frieden, Freiheit und Sicherheit wahrzunehmen.580 Auch Art. 4 NATO-Vertrag schließt Einsätze ohne Resolution nicht aus.581 Die NATO verneinte in der Vergangenheit solche Einsätze nicht ausdrücklich,582 wenngleich derjenige 575  Herdegen,

Völkerrecht, § 22, Rn. 8 ff. JZ 54 (1999), S. 1016, 1019. 577  BVerfGE 104, 151 (213). 578  BVerfGE 104, 151 (210). 579  Herdegen, Völkerrecht, § 10. 580  Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 95, 102 ff. 581  Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 95, 104. 582  Sigloch, Auslandseinsätze, S.  270 f.; Simma, EJIL 10 (1999), S. 1, 14 ff. 576  Fink,

100

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

im Kosovo bisher der Einzige dieser Art blieb. Der NATO-Vertrag enthält jedoch jedenfalls keine Verpflichtung583 zu einem Einsatz ohne Mandat. Folglich ergibt sich daraus keine grundsätzlich unfriedliche Tendenz der NATO, die mit Art. 24 II GG unvereinbar wäre. bb) Strategisches Konzept 1999 In BVerfGE 104, 151 in Frage stand allerdings nicht der NATO-Vertrag, sondern das Strategische Konzept 1999. Es ist daher zu fragen, ob dieses die NATO zu einem unfriedlichen System macht. Die Antragstellerin wies darauf hin, dass das neue Konzept Einsätze außerhalb des Art. 5 NATO-Vertrag und ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrats ermöglicht, da sich die NATO im Rahmen der Kriseneinsätze zwar zum Völkerrecht bekennt, jedoch nicht ausdrücklich zur Notwendigkeit einer Resolution des Sicherheitsrats.584 Im neuen Strategischen Konzept werde zwar die Bindung an das Völkerrecht betont, jedoch gleichzeitig auf den Einsatz im Kosovo verwiesen, der ohne Mandat der Vereinten Nationen erfolgte.585 Die NATO erweitere daher ihre Möglichkeiten um „Konfliktverhütung und Krisenbewältigung“586. In der Folge greife die Organisation auch militärisch zum Schutz der Menschenrechte ein (dies zeige sich am Beispiel Kosovo), was zu ausufernden Möglichkeiten der Intervention führe.587 Insbesondere die Abkehr vom Verteidigungszweck der NATO führe dazu, dass das Kriterium der Wahrung des Friedens gemäß Art. 24 II GG nicht mehr erfüllt sei.588 Im Gegensatz dazu erklärte die Antragsgegnerin, dass die NATO nie ein reines Verteidigungsbündnis gewesen sei, sondern sich stets dem Schutz von Frieden und Sicherheit verpflichtet habe.589 Der Sicherheitsbegriff der ­NATO sei immer offen und weit gewesen.590 Eine Abkehr von den Voraussetzungen aus Art. 24 II GG sei demzufolge nicht ersichtlich. Um gegen die Voraussetzung des Art. 24 II GG zu verstoßen, müsste sich die NATO grundsätzlich von ihrer friedenswahrenden Funktion entfernen und wesentliche Prinzipien verändern.591 Es bestehen durchaus Hinweise 583  Paulus/Leiß, 584  BVerfGE 585  BVerfGE 586  BVerfGE 587  BVerfGE 588  BVerfGE 589  BVerfGE 590  BVerfGE 591  BVerfGE

Article 103, in: Simma/Khan/Nolte et al., UNC, Rn. 29 ff. 104, 151 (174, 176). 104, 151 (176). 104, 151 (174). 104, 151 (177). 104, 151 (178 f.). 104, 151 (185 f.). 104, 151 (185 f.). 104, 151 (213).



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 101

darauf, dass die NATO zur Zeit des neuen Strategischen Konzepts 1999 eine Resolution des Sicherheitsrats nicht für zwingend erforderlich hielt.592 Beispielhaft kann dafür der Einsatz der NATO im Kosovo 1999 angeführt werden,593 dort waren die militärischen Aktionen des Bündnisses nicht durch Resolutionen der Vereinten Nationen legitimiert.594 Im Rahmen von BVerfGE 90, 286 ergab sich das Problem zuvor nicht, da alle fraglichen Einsätze auf Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen beruhten. Das neue Strategiekonzept 1999 bindet, wie der NATO-Vertrag, die Organisation an die Charta der Vereinten Nationen (Nrn. 10, 11), das Völkerrecht (Nr. 31) und erkennt die Vereinten Nationen als essentiell für Frieden und Sicherheit an (Nrn. 14, 25, 31). Eine ausdrückliche Absage an Einsätze außerhalb der Vereinten Nationen findet sich jedoch nicht,595 lediglich der Wille, sich an Einsätzen der Vereinten Nationen zu beteiligen (Nr. 31). Ebenso wenig erklärt die NATO allerdings Einsätze ohne Mandat des Sicherheitsrats zur Grundlage ihres Handelns. Daraus soll sich ergeben, dass die NATO Einsätze ohne Ermächtigung des Sicherheitsrats für unzulässig hält.596 Das Handeln der Organisation deutete im Fall Kosovo jedoch in eine andere Richtung. Zu einer neuen Säule ihres Handelns erklärt die NATO Krisenreaktionseinsätze (vgl. Nrn. 29, 31, 41, 43, 47, 49, 51 Strategisches Konzept 1999). Speziell diese könnten zur Unfriedlichkeit des Systems führen, wenn sie grundsätzlich ohne Mandat der Vereinten Nationen gedacht sind und dies völkerrechtswidrig ist. Dafür finden sich jedoch keine Hinweise, auch hier besteht lediglich die Möglichkeit für einen solchen Einsatz. Darüber hinaus ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, diese Einsätze seien nichts grundsätzlich Neues.597 Das Gericht betonte die Bindung der NATO an die Vereinten Nationen, die sich aus dem Konzept ergibt.598 Die primäre Verantwortung des Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens werde von der NATO anerkannt.599 Daher habe sich diese ebenfalls im Zusammenhang mit dem Einsatz im Kosovo auf Resolutionen des Sicherheitsrats berufen.600 Das Gebot der Friedenswahrung gelte zwar 592  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 66; Simma, EJIL 10 (1999), S. 1, 16. 593  Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 38. 594  Fink, JZ 54 (1999), S. 1016, 1019; Sigloch, Auslandseinsätze, S.  276 ff. 595  Vgl. dazu Kamp, APuZ 1999, S. 19, 21 ff. 596  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 67. Für eine differenzierte Auslegung vgl. Zivier, RuP 1999, S. 210. 597  BVerfGE 104, 151 (211). 598  BVerfGE 104, 151 (211). 599  BVerfGE 104, 151 (211). 600  BVerfGE 104, 151 (211 f.).

102

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

auch für nichtvertragliche Fortentwicklungen, werde aber durch das Konzept der NATO nicht verletzt.601 Das Strategiekonzept 1999 führe nicht dazu, dass die NATO sich in ein unfriedliches System verwandele.602 Die Grundlagen des Völkerrechts und der Vereinten Nationen würden nicht in Frage gestellt.603 Eine „machtpolitisch oder gar aggressiv motivierte Frie­ densstörungsabsicht“604 fehle. Das Gericht stellte daher fest, dass es sich bei dem neuen Strategischen Konzept der NATO um „ein entwicklungsoffenes Dokument handelt, das im Weiteren von den Mitgliedsstaaten zu konkretisieren ist“605. Das neue Strategiekonzept 1999 führe demzufolge nicht dazu, dass das Kriterium der Wahrung des Friedens aus Art. 24 II GG überschritten wird.606 cc) Exkurs: Strategisches Konzept 2010 Auch das aktuelle Strategische Konzept der NATO aus dem Jahre 2010 bezieht sich nicht ausdrücklich auf Einsätze ohne Resolutionen des Sicherheitsrats.607 Die NATO betont die wichtige Partnerschaft mit den Vereinten Nationen (Einleitung, Nr. 31 Strategisches Konzept 2010), bindet sich an die Charta der UN, akzeptiert die hauptsächliche Verantwortung des Sicherheitsrats für Frieden und Sicherheit (Nr. 2) und erklärt, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht handeln zu wollen (Nr. 4). Auch daraus ergibt sich kein unfriedlicher Charakter der Organisation. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die NATO Einsätze ohne Resolution zur Grundlage ihres Handelns macht.

III. Rechtsprechungsentwicklung Im Verfahren wurden im Hinblick auf Art. 24 II und 59 II 1 GG ähnliche Fragen wie in BVerfGE 90, 286 aufgeworfen, daher soll nun der Fokus auf eine mögliche Entwicklung der Rechtsprechung gelegt werden.

601  BVerfGE

104, 151 (212 ff.). 104, 151 (213). 603  BVerfGE 104, 151 (213). 604  BVerfGE 104, 151 (213). 605  BVerfGE 104, 151 (214). 606  BVerfGE 104, 151 (212 ff.). 607  http://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_68580.htm?selectedLocale=en (aufgerufen am 01. November 2016). 602  BVerfGE



B. BVerfGE 104, 151 – Urteil vom 22. November 2001 103

1. Art. 24 II GG Im Zusammenhang mit Art. 24 II GG ergab sich die Frage nach den Voraussetzungen der Friedlichkeit des Systems aus Art. 24 II GG und die Problematik der Zulässigkeit von Einsätzen der Streitkräfte ohne Resolution des Sicherheitsrats. Was genau unter der Friedlichkeit des Systems aus Art. 24 II GG zu verstehen ist, wurde in BVerfGE 90, 286 nicht konkretisiert. Betont wurde dort allerdings die „Friedenssicherung“608, das „[friedenssichernde] Regel­ werk“609 des Systems, die „Wahrung des Friedens“610 und die friedliche Streitbeilegung611 durch das System. Es wurde ebenfalls der Charakter der NATO als Verteidigungsbündnis herausgestellt.612 Daneben legte das Gericht die Bindung des Bündnisses an die friedliche Streitbeilegung gemäß Art. 1 NATO-Vertrag und die Konsultationspflicht aus Art. 4 NATO-Vertrag dar.613 In BVerfGE 104, 151 wird nun festgestellt, dass einzelne Verstöße gegen den NATO-Vertrag nicht gegen das Zustimmungsgesetz aus Art. 24 II GG i. V. m. Art. 59 II 1 GG verstoßen.614 Die Friedlichkeit des Systems werde dadurch nicht in Frage gestellt. Auch das neue Strategische Konzept führe nicht zur Abkehr vom Erfordernis der Friedlichkeit.615 Grundsätzlich stellt das Gericht noch einmal die Friedlichkeit des Systems als Grenze der Einordnung fest.616 Insgesamt unterscheidet sich die Beurteilung des Gerichts kaum von der Einschätzung aus BVerfGE 90, 286. Auf die Frage nach der Notwendigkeit einer Resolution der Vereinten Nationen für Einsätze deutscher Streitkräfte gibt das Gericht keine ausdrückliche Antwort. Im vorangegangenen Verfahren waren noch alle Einsätze der Bundeswehr in diesem Sinne legitimiert. Das Gericht hatte sich lediglich dahingehend geäußert, dass Einsätze innerhalb der Vereinten Nationen grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Parlaments unterliegen.617 Das Gericht betonte auch, dass die NATO Mandate des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ausführt,618 die Einordnung und Beschränkung von Ho608  BVerfGE 609  BVerfGE 610  BVerfGE 611  BVerfGE

612  BVerfGE 613  BVerfGE 614  BVerfGE 615  BVerfGE 616  BVerfGE 617  BVerfGE 618  BVerfGE

90, 286 (348). 90, 286 (349, 351). 90, 286 (350). 90, 286 (350). 90, 286 (350). 90, 286 (350 f.). 104, 151 (210). 104, 151 (213). 104, 151 Leitsatz 5. 90, 286 (387). 90, 286 (350).

104

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

heitsrechten wird jedoch bereits dort unabhängig von den Vereinten Nationen geprüft.619 Einsätze ohne Mandat der Vereinten Nationen wurden daher auch in BVerfGE 90, 286 nicht ausgeschlossen. Folglich liegt hier ebenfalls kein Unterschied zur früheren Rechtsprechung vor. 2. Art. 59 II 1 GG Das Urteil widmet sich umfassend Art. 59 II 1 GG. Die Norm sichert die „Legislativfunktion der gesetzgebenden Körperschaften im Bereich der auswärtigen Gewalt“620. Hierbei wirkt der Gesetzgeber mit,621 daraus ergebe sich allerdings keine Neujustierung der allgemeinen Kompetenzverteilung. Die auswärtige Gewalt bleibt weiterhin der Bundesregierung „anvertraut“622. Der Parlamentsvorbehalt wird jedoch erstmals als Instrument parlamentarischer Kontrolle dargestellt.623 Das Gericht bestätigt sein Verständnis von Änderungsverträgen im Rahmen des Art. 59 II 1 GG.624 Nachdem in BVerfGE 90, 286 Fortentwicklungen eines völkerrechtlichen Vertrags durch Auslegung keine detaillierten Grenzen gesetzt wurden, gilt seit BVerfGE 104, 151 eine ultra vires Grenze.625 Wesentliche Strukturprinzipien des völkerrechtlichen Vertrags dürfen nicht verletzt werden.626 Geschieht dies dennoch, kann der Bundestag den Vertragsinhalt nicht mehr im Sinne seiner ursprünglichen Zustimmung mitverantworten, da diese ebenfalls für den folgenden Vertragsvollzug gilt.627 Die ultra vires Grenze soll jedoch auch durch das neue Strategische Konzept nicht überschritten worden sein.628 Es erfolgte dadurch eine weitere Vertiefung der Rechtsprechung aus BVerfGE 90, 286629, da im vorigen Urteil noch keine Zustimmungspflicht des Bundestags bei Fortentwicklungen dargelegt wurde.630 619  BVerfGE

90, 286 (351). 104, 151 (194). 621  BVerfGE 104, 151 (210). 622  BVerfGE 104, 151 (207). 623  BVerfGE 104, 151 (208); Di Fabio, Gewaltenteilung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 27, Rn. 72; Röben, ZaöRV 63 (2003), S. 585, 594; Scherrer, Parlament, S. 70; Wiefelspütz, HFR 2010, S. 230, 243. 624  BVerfGE 90, 286 (361); BVerfGE 104, 151 (199 f.). 625  BVerfGE 104, 151 (209 ff.). 626  Fastenrath, JZ 63 (2008), S. 94. 627  BVerfGE 104, 151 (209 f.). 628  BVerfGE 104, 151 (210 ff.). 629  BVerfGE 90, 286 (361); Fischbach, Auswärtige Gewalt, S. 62. 630  Rau, GYIL 44 (2001), S. 544, 568 f. 620  BVerfGE



C. BVerfGE 118, 244 – Urteil vom 03. Juli 2007105

In Frage gestellt wird die Zustimmung gemäß Art. 59 II 1 GG vorliegend durch das Konzept der Krisenreaktionseinsätze, die in BVerfGE 90, 286 nicht thematisiert wurden, da sie im NATO-Vertrag nicht explizit vorgesehen sind und auch im Strategischen Konzept von 1991631 nicht ausdrücklich enthalten, sondern erst durch das Strategische Konzept 1999 einbezogen wurden. Das Gericht sah die sogenannten Krisenreaktionseinsätze jedoch nicht als etwas entscheidend Neues an.632 Das Bundesverfassungsgericht stellte diesbezüglich die Bindung der NATO an das Völkerrecht heraus.633 Da sich diese nicht verändert habe, könne auch keine Veränderung der ­NATO weg von einem friedlichen System festgestellt werden.634 3. Art. 87a II GG Art. 87a II GG findet im vorliegenden Verfahren kaum Erwähnung. Zum Verhältnis von Art. 24 II GG zu dieser Norm findet sich kein neuer Hinweis im Urteil, außer der Wiederholung, dass Art. 87a II GG den Art. 24 II GG nicht einschränken sollte.635

C. BVerfGE 118, 244 – Urteil vom 03. Juli 2007 (Afghanistan-Einsatz) Die nächste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts innerhalb des vorliegenden Themenkomplexes ist das Urteil vom 03. Juli 2007 zu Fragen der Fortentwicklung des NATO-Vertrags und der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an einem erweiterten ISAF-Mandat in Afghanistan. Im Organstreitverfahren wandte sich die Fraktion PDS / Die Linke im Bundestag gegen die Bundesregierung, um in Prozessstandschaft Rechte des Parlaments geltend zu machen, die durch Handlungen der Bundesregierung verletzt worden seien. Zuvor war am 29. März 2007 eine einstweilige Anordnung auf Aussetzung des Beschlusses der Bundesregierung über die erweiterte Beteiligung deutscher Streitkräfte am ISAF-Einsatz abgelehnt worden.636 Ebenfalls abgelehnt wurde mangels Antragsbefugnis am 12. März 2007 ein Eilantrag 631  http://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_23847.htm (aufgerufen am 01. November 2016). 632  BVerfGE 104, 151 (211). 633  BVerfGE 104, 151 (211). 634  BVerfGE 104, 151 (211 ff.). 635  BVerfGE 104, 151 (212 f.). 636  BVerfG, Urt. v. 29.3.2007, 2 BvE 2/07, Absatz-Nrn. 1–33.

106

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

einzelner Abgeordneter gegen die Entsendung von Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan.637

I. Sachverhalt Ende des Jahres 2001 richtete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf Antrag Afghanistans mit der Resolution 1386638 eine Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) ein, welche die afghanische Interimsverwaltung im Hinblick auf die Sicherheitslage im Raum Kabul auch unter Einsatz von Waffengewalt unterstützen sollte. Zunächst begrenzt auf sechs Monate, wurde der Einsatz in der Folge stets verlängert und dauerte an bis ins Jahr 2014. Am 11. August 2003 übernahm die NATO die Führung dieses Einsatzes. Ende des Jahres 2003 wurde der Einsatz durch die Resolution 1510639 auf das gesamte Gebiet Afghanistans erweitert und im weiteren Verlauf übernahm die NATO auch die Verantwortung für Gebiete mit schwieriger Sicherheitslage, es kam daraufhin zu Überschneidungen mit der US-amerikanischen Mission Enduring Freedom.640 Am 22. Dezember 2001 stimmte der Bundestag nach Antrag der Bundesregierung einer Beteiligung deutscher Streitkräfte am ISAF-Einsatz in Afghanistan zu. Am 09. März 2007 gab der Bundestag auch dem Antrag der Bundesregierung auf Beteiligung deutscher bewaffneter Streitkräfte durch Aufklärung und Überwachung im Luftraum am erweiterten ISAF-Einsatz seine Zustimmung.641 Nicht nur dieser konkrete Einsatz, sondern auch die Entwicklung der NATO selbst stand im vorliegenden Verfahren wiederum zur Debatte, da die NATO seit dem Jahre 2002 eine Schnelle Eingreiftruppe aufbaute, deren volle Einsatzbereitschaft von den Staats- und Regierungschefs im Rahmen des NATO-Gipfels in Riga am 28. / 29.  November 2006 erklärt wurde. Als zulässige Antragsgegenstände wurden nur die Erklärungen im Rahmen des NATO-Gipfels in Riga am 28. / 29.  November 2006 und der Beschluss der Bundesregierung vom 07. Februar 2007 zur Entsendung von 637  BVerfG,

Urt. v. 12.3.2007, 2 BvE 1/07, Absatz-Nrn. 1–31. des Sicherheitsrats 1386 vom 20. Dezember 2001 – S/RES/1386 (2001). Zum ISAF-Einsatz z. B. auch Erberich, Auslandseinsätze, S.  155 f.; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 119 ff. 639  Resolution des Sicherheitsrats 1510 vom 13. Oktober 2003 – S/RES/1510 (2003). 640  BVerfGE 118, 244 (247). 641  BVerfGE 118, 244 (248). 638  Resolution



C. BVerfGE 118, 244 – Urteil vom 03. Juli 2007107

Tornado-Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan erachtet.642 Das Gericht wies die Anträge der Antragstellerin zurück.

II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen In Frage stand im vorliegenden Verfahren, ob der Bundestag in seinem Recht aus Art. 59 II 1 GG verletzt wurde, indem der NATO-Vertrag gegen wesentliche Strukturentscheidungen weiterentwickelt wurde und sich deutsche Streitkräfte am erweiterten ISAF-Mandat beteiligten. 1. Parlamentsbeteiligung aufgrund Fortentwicklung des NATO-Vertrags? Fraglich war zunächst, ob die Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG durch eine mögliche Lösung des Bezugs der NATO zum euro-atlantischen Raum verletzt wurden. Die Antragstellerin machte geltend, dass der NATO-Vertrag über die Grenzen der ursprünglichen Zustimmung des Parlaments hinaus fortentwickelt wurde.643 Bereits im Antrag auf einstweilige Verfügung war die Fraktion von einem „[fundamentalen] Bedeutungswandel“644 ausgegangen. Mit der NATO-Mission in Afghanistan werde ein Einsatz durchgeführt, der „keinen Bezug mehr zur Sicherheit im euro-atlantischen Raum aufweise“645. Der vorliegende Einsatz diene vorrangig afghanischen Interessen, nicht der europäischen Sicherheit und Stabilität.646 Der NATO-Vertrag sei somit von den Mitgliedsstaaten in verschiedenen rechtsverbindlichen Dokumenten erheblich fortentwickelt worden.647 Dagegen brachte die Antragsgegnerin vor, dass Krisenreaktionseinsätze außerhalb des Bündnisgebietes bereits im Verfahren BVerfGE 104, 151 für zulässig erklärt worden seien.648 Des Weiteren gebe es keine rechtsverbindlichen Erklärungen, die den NATO-Vertrag fortentwickelten, die in Frage stehenden bewegten sich entweder innerhalb der gültigen Weiterentwicklung des Vertrags oder seien gerade nicht verbindlich.649 642  BVerfGE

118, 244 (257). 118, 244 (250). 644  BVerfG, Urt. v. 29.3.2007, 2 BvE 2/07, Absatz-Nr. 13. 645  BVerfGE 118, 244 (250). 646  BVerfGE 118, 244 (250). 647  BVerfGE 118, 244 (250). 648  BVerfGE 118, 244 (252). 649  BVerfGE 118, 244 (252 f.). 643  BVerfGE

108

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Die NATO ist ein System kollektiver Sicherheit, deren Mitglieder sich zu gegenseitigem Beistand verpflichtet haben.650 Dieser Zweck schließt nach dem Bundesverfassungsgericht Krisenreaktionseinsätze nicht aus.651 Solche könnten „sachlich und zeitlich in Verbindung“652 mit der Verteidigungsreaktion des Bündnisses stehen. Unabhängig davon seien diese Einsätze als Antwort auf neue Bedrohungsszenarien zulässig.653 Ebenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen seien Einsätze außerhalb des Bündnisgebietes, sondern vom Zweck der Friedenswahrung umfasst.654 Dies zeige auch der frühere Einsatz in Bosnien-Herzegowina.655 Eine territoriale Begrenzung habe durch den NATO-Vertrag noch nie bestanden, da potentielle Angreifer auch außerhalb des Bündnisgebietes abgewehrt werden sollten.656 Diese Argumentation zu Krisenreaktionseinsätzen hatte das Gericht bereits in BVerfGE 104, 151 eingeschlagen.657 In Anbetracht der sicherheitspolitischen Lage nach 1990 sieht das Bundesverfassungsgericht Krisenreaktionseinsätze der NATO auch außerhalb des Bündnisgebietes vom Zweck der Organisation als regionales Sicherheitsbündnis erfasst.658 Davon gehe das neue Strategische Konzept 1999 ausdrücklich aus.659 Der ISAF-Einsatz in Afghanistan sei ein solcher Einsatz, der sich im Rahmen der NATO-Aufgaben Frieden und Sicherheit hält und als Krisenreaktionseinsatz außerhalb des Bündnisgebiets zu qualifizieren sei.660 Hierbei werde nicht ausschließlich die Sicherheit Afghanistans verteidigt, sondern auch die des euro-atlantischen Raums, indem „durch die Lage in Afghanistan […] [eigene] Sicherheitsinteressen“661 betroffen sind und „von einem stabilen afghanischen Staatswesen in Zukunft keine aggressive und friedensstörende Politik zu erwarten ist“662. Zumindest stelle die Situation in Afghanistan eine Bedrohung des Weltfriedens dar.663 Dass die dortige Lage unsicher und gespannt ist, stehe außer Frage.664 650  BVerfGE 651  BVerfGE 652  BVerfGE 653  BVerfGE 654  BVerfGE 655  BVerfGE 656  BVerfGE 657  BVerfGE 658  BVerfGE 659  BVerfGE 660  BVerfGE 661  BVerfGE 662  BVerfGE 663  BVerfGE 664  BVerfGE

118, 244 (263). s. o. A. II. 1. b) aa). 90, 286 (349); BVerfGE 104, 151 (211); BVerfGE 118, 244 (263). 118, 244 (264). 118, 244 (265). 118, 244 (264). 118, 244 (264). Vgl. zu diesem Einsatz BVerfGE 90, 286. 118, 244 (264). 118, 244 (263). 118, 244 (264). 118, 244 (265). 118, 244 (265 f.). 118, 244 (266). 118, 244 (267). 118, 244 (267). 118, 244 (268).



C. BVerfGE 118, 244 – Urteil vom 03. Juli 2007109

Es ist allerdings fraglich, wozu die Grenze des euro-atlantischen Raums dient, wenn im Prinzip der „Weltfrieden“ geschützt wird. Daher wird vorgebracht, im vorliegenden Fall könne durchaus davon ausgegangen werden, dass kein euro-atlantischer Bezug mehr vorliege, da die Bedrohung kaum mehr räumlich eingrenzbar sei.665 Zumindest sei offen, ab wann dem Gericht zufolge ein Sicherheitsinteresse nicht mehr von der NATO verfolgt werden kann.666 Daneben soll auch die Erklärung im Rahmen des NATO-Gipfels in Riga nicht zu einer Fortschreibung des NATO-Vertrags führen, die sich außerhalb des ursprünglichen Zwecks befindet, da es sich um eine (nicht verbindliche) politische Erklärung handelt, die darüber hinaus nicht die Verpflichtung der NATO auf den euro-atlantischen Raum aufgibt.667 Wie in BVerfGE 104, 151 stellte das Gericht daher fest, dass der NATO-Vertrag nicht in unzulässiger Weise fortentwickelt wurde.668 Auch im vorliegenden Verfahren betont das Gericht „ein Mitentscheidungsrecht [der Legislative] im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten“669. Die Zustimmung des Deutschen Bundestags „erschöpft sich nicht in einem einmaligen Mitwirkungsakt anlässlich des Vertragsschlusses, sie bedeutet vielmehr die dauerhafte Übernahme von Verantwortung für das im Vertrag und im Zustimmungsgesetz festgelegte politische Programm“670. Im Bereich der auswärtigen Gewalt verbleibt der Bundesregierung allerdings eine weitreichende „[eigenverantwortliche] Aufgabenwahrnehmung“671. Daher bleibt das Bundesverfassungsgericht bei dem in BVerfGE 104, 151 eingeschlagenen Weg, dass Fortentwicklungen eines Vertrags ultra vires unzulässig sind.672 Die Grenzen werden vorliegend allerdings nicht klar gezogen, ein Verstoß gegen diese Grenze scheint zwar möglich, aber nur theoretisch.673 Auch ein „Verstoß gegen einzelne Vertragsbestimmungen“674 führt nicht dazu, dass die Rechte der Legislative verletzt werden. Demzufolge verfügt die Exekutive über einen weiten Entscheidungsspielraum.675 665  van

Ooyen, RuP 2008, S. 75, 82 f. Parlamentarische Kontrolle, in: Hufen, FS Schneider, S. 165, 175. 667  BVerfGE 118, 244 (269). 668  BVerfGE 118, 244 (265). 669  BVerfGE 90, 286 (351); BVerfGE 118, 244 (258). 670  BVerfGE 118, 244 (258). 671  BVerfGE 118, 244 (259). 672  Fastenrath, JZ 63 (2008), S. 94. 673  Fastenrath, JZ 63 (2008), S. 94, S. 94. 674  Fastenrath, JZ 63 (2008), S. 94, 95. So auch in BVerfGE 104, 151 (210). 675  Fastenrath, JZ 63 (2008), S. 94; van Ooyen, RuP 2008, S. 75, 78, 82. 666  Bothe,

110

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass der NATO-Vertrag weder durch die Erklärungen von Riga noch durch den ISAF-Einsatz dahingehend fortentwickelt wurde, dass der Bundestag gemäß Art. 59 II 1 GG hätte erneut zustimmen müssen. 2. Überschreitung der Grenzen des Art. 24 II GG? Der ISAF-Einsatz warf die Frage auf, ob hierdurch der friedenswahrende Charakter der NATO aufgehoben würde und dadurch gegen die Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG i. V. m. Art. 24 II GG verstoßen wurde. Die Antragstellerin machte geltend, Maßnahmen einiger Mitgliedsstaaten der NATO verletzten geltendes Völkerrecht, was zu einer Fortentwicklung des NATO-Vertrags führe, die gegen die Grenzen aus Art. 24 II GG verstieße.676 Auch die Kooperation der NATO mit der Operation Enduring Freedom führe zu einer solchen Weiterentwicklung des Vertrags, da jene völkerrechtswidrig sei.677 Dagegen führt die Antragsgegnerin an, die NATO sei nicht an eventuell völkerrechtswidrigen Maßnahmen ihrer Mitglieder beteiligt.678 Eine Entwicklung hin zu einer nicht-friedlichen Organisation sei nicht erkennbar, da sich alle Maßnahmen (so auch die Operation Enduring Freedom) auf Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen stützten.679 Grundsätzlich stellte das Gericht fest, dass Verstöße gegen das Völkerrecht geeignet seien, den friedenswahrenden Charakter der NATO aufzulösen.680 Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht einzelne Völkerrechtsverstöße, sondern, ob sich die Organisation grundsätzlich von der Verpflichtung zur Wahrung des Friedens aus Art. 24 II GG entfernt.681 Nur die vertragliche Grundlage des Bündnisses sei maßgeblich für eine Kontrolle gemäß Art. 24 II GG, d. h. nur „eine strukturelle Entfernung […] von [der] friedenswahrenden Ausrichtung“682 ihres Gründungsvertrags ist im Rahmen von Art. 24 II GG relevant. Der ISAF-Einsatz befinde sich jedoch in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.683 Ob dies ebenfalls für die Operation Enduring Freedom gelte, könne dahinstehen, da es sich explizit nicht um einen Einsatz der NATO handelt und der friedenswahrende Zweck 676  BVerfGE 677  BVerfGE 678  BVerfGE 679  BVerfGE 680  BVerfGE 681  BVerfGE 682  BVerfGE 683  BVerfGE

118, 118, 118, 118, 118, 118, 118, 118,

244 244 244 244 244 244 244 244

(250 f.). (251). (253). (253 f.). (271). (271). s. o. B. II. 4. b). (272). (272).



C. BVerfGE 118, 244 – Urteil vom 03. Juli 2007111

des Bündnisses auch durch ein Zusammenwirken mit der Mission der USA nicht aufgegeben werde.684 „ISAF und die Operation Enduring Freedom richten sich nach getrennten Zwecksetzungen, unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und klar abgegrenzten Verantwortungssphären“685, wobei dies bezweifelt werden kann, da beide Missionen durchaus zusammenarbeiteten. Selbst wenn der NATO im Einzelfall völkerrechtliche Verstöße zuzurechnen seien, führt dies allerdings nicht zur Auflösung des friedenswahrenden Zwecks der Organisation.686 Der Einsatz der NATO besteht laut Bundesverfassungsgericht unabhängig von der Operation Enduring Freedom.687 Dies begründete das Gericht ausführlich (ob notwendig688 oder nicht689). Eine andere Schlussfolgerung ließe auch nicht die in Frage stehende Erklärung auf dem NATO-Gipfel in Riga zu.690 Mit dem ISAF-Einsatz der NATO ist nach dem Gericht daher nicht der grundsätzliche Zweck der Organisation zur Friedenswahrung aus Art. 24 II GG überschritten.691

III. Rechtsprechungsentwicklung Da im vorliegenden Verfahren mit in BVerfGE 90, 286 und BVerfGE 104, 151 vergleichbare Fragestellungen aufgeworfen wurden, wird kurz die Entwicklung der Rechtsprechung dargestellt. 1. Art. 24 II GG Das Bundesverfassungsgericht ging, wie in BVerfGE 104, 151, davon aus, dass es zur Beurteilung des friedenswahrenden Charakters eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht auf einzelne Einsätze des Bündnisses ankommt, sondern auf den umfassenden Charakter der Organisation. Diese muss sich grundsätzlich vom Zweck der Friedenswahrung entfernen, damit die Voraussetzung aus Art. 24 II GG nicht mehr erfüllt ist. Dadurch zieht das Bundesverfassungsgericht eine weite Grenzen für die Friedlichkeit von Systemen gemäß Art. 24 II GG. Dies entspricht grundsätzlich dem Ansatz, der bereits in BVerfGE 104, 151 verfolgt wurde. 684  BVerfGE

118, 244 (272 ff.). 118, 244 (272). 686  BVerfGE 118, 244 (275). 687  BVerfGE 118, 244 (267). 688  Fastenrath, JZ 63 (2008), S. 94, 96. 689  van Ooyen, RuP 2008, S. 75, 83. 690  BVerfGE 118, 244 (276). 691  BVerfGE 118, 244 (270). 685  BVerfGE

112

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

2. Art. 59 II 1 GG Es wurden ebenfalls die Grenzen der Vertragsänderung aus Art. 59 II 1 GG ausgelotet. Dabei blieb das Gericht bei der Grenze der Fortentwicklung ultra vires aus BVerfGE 104, 151. Im vorliegenden Verfahren wurde allerdings deutlich, dass auch diese Grenzziehung eine weitreichende ist. Das ultra vires Kriterium hat kaum praktikable Auswirkungen für die Legisla­ tive.692 Das Gericht dehnt die territoriale Grenze der out-of-area-Einsätze der Bundeswehr aus und zwar nahezu unbegrenzt, nachdem die Sicherheit des euro-atlantischen Raums überall bedroht sein kann.693 Dies wurde in BVerfGE 104, 151 bereits angedeutet, allerdings noch nicht in dieser Tragweite festgestellt. Das Urteil eröffnete der Legislative im Rahmen der auswärtigen Gewalt somit keine neuen Handlungsspielräume. 3. Art. 87a II GG Art. 87a II GG spielte in BVerfGE 118, 244 keine Rolle.

D. BVerfGE 121, 135 – Urteil vom 07. Mai 2008 (Luftraumüberwachung Türkei) Nach der Entscheidung zum Afghanistan-Einsatz folgte bereits im Jahr darauf am 07. Mai 2008 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage, ob die Bundesregierung die Rechte des Bundestags verletzte hatte, indem sie deutsche Streitkräfte an einer Mission der NATO in der Türkei beteiligte ohne aufgrund des Parlamentsvorbehalts die Zustimmung des Bundestags einzuholen. Zuvor war auch hier ein Antrag der FDP-Fraktion im Bundestag auf einstweilige Anordnung am 25. März 2003 abgelehnt worden, weil in der Folgenabwägung die Rechte des Bundestags nicht deutlich überwogen, sondern andernfalls die außenpolitische Eigenverantwortlichkeit der Exekutive beeinträchtigt würde.694

692  Fastenrath,

JZ 63 (2008), S. 94. Ooyen, RuP 2008, S. 75, 83. 694  BVerfGE 108, 34 (44 f.). 693  van



D. BVerfGE 121, 135 – Urteil vom 07. Mai 2008113

I. Sachverhalt Zu Beginn des Jahres 2003 stieg die Aussicht auf einen militärischen Einsatz der USA im Irak.695 Als Nachbarstaat lehnte die Türkei zwar die Stationierung amerikanischer Bodentruppen auf ihrem Territorium ab, gestattete allerdings eine Nutzung ihres Luftraums.696 Um daraus folgende Sicherheitsrisiken zu minimieren, wandte sich die Türkei am 10. Februar 2003 gemäß Art. 4 NATO-Vertrag an die NATO.697 Der Verteidigungsplanungsausschuss der NATO beschloss daraufhin am 19. Februar 2003, AWACS-Flugzeuge und das PATRIOT-Flugabwehrraketensystem zur Abwehr von Raketen sowie chemischer und biologischer Waffen in der Türkei zu stationieren, um den türkischen Luftraum zu überwachen (Operation Display Deterrence).698 AWACS-Flugzeuge sind ein luftgestütztes Warnund Überwachungssystem, das selbst nicht mit Waffen ausgestattet ist und in diesem Fall von Soldaten verschiedener Nationen geführt wurde, ein Drittel davon Deutsche.699 Das PATRIOT-System verfügt über ein eigenes Radarsystem zur Abwehr von Raketenangriffen und Zerstörung von Flugzeugen und steht über Funk mit AWACS-Flugzeugen in Verbindung.700 Vom 26. Februar bis zum 17. April 2003 fanden 105 Einsätze der AWACSFlugzeuge unter Beteiligung deutscher Bundeswehrsoldaten statt.701 Zunächst wurden die Streitkräfte im Rahmen allgemeiner Einsatzregeln (rules of engagement) der NATO eingesetzt, ab dem 20. März 2003 (am selben Tag begann auch der Irak-Krieg) galten zusätzliche Regelungen, die den Einsatz von Waffengewalt zur Verteidigung der Türkei erlaubten.702 Die Bundesregierung sah die Beteiligung deutscher Streitkräfte an den Maßnahmen der NATO in der Türkei nicht als zustimmungspflichtigen Einsatz an.703 Ein von der FDP-Fraktion im Bundestag am 20. März 2003 gestellter Entschließungsantrag, demzufolge die Bundesregierung die Zustimmung des Bundestags für den Einsatz in der Türkei beantragen sollte, wurde von demselben abgelehnt.704 Schließlich wandte sich die Fraktion der 695  BVerfGE

121, 135 (136). 121, 135 (136). 697  BVerfGE 121, 135 (136). 698  BVerfGE 121, 135 (136 f.). Zum AWACS-Einsatz z. B. auch Schröder, Zustimmungsverfahren, S.  127 ff. 699  BVerfGE 121, 135 (137). Zu AWACS Dreist, ZaöRV 64 (2004), S. 1001, 1005 f. 700  BVerfGE 121, 135 (137). 701  BVerfGE 121, 135 (137). 702  BVerfGE 121, 135 (138). 703  BVerfGE 121, 135 (139 f.). 704  BVerfGE 121, 135 (140). 696  BVerfGE

114

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

FDP im Deutschen Bundestag daher im Wege des Organstreitverfahrens gegen die Bundesregierung an das Bundesverfassungsgericht. Im Vorfeld des Urteils war am 24. März 2005 das Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz)705 in Kraft getreten. Das Gericht entschied schlussendlich, dass der konstitutive Parlamentsvorbehalt verletzt wurde, indem die Zustimmung des Bundestags zur Beteiligung deutscher Soldaten an Maßnahmen der NATO zur Luftüberwachung der Türkei nicht eingeholt worden war.

II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen Im Verfahren stellte sich die Frage, ob der Bundestag dem Einsatz der Streitkräfte im Zuge der NATO-Mission aufgrund des konstitutiven Parlamentsvorbehalts hätte zustimmen müssen. Dabei wurde auch die grundsätzliche Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt erörtert. 1. Parlamentsvorbehalt: Einsatz bewaffneter Streitkräfte? Hauptsächlich wurde im Verfahren die Definition eines Einsatzes bewaffneter Streitkräfte als Voraussetzung des Parlamentsvorbehalts erläutert, was in BVerfGE 90, 286 nicht erfolgt war. Die Antragstellerin machte geltend, dass es sich um einen zustimmungspflichtigen Einsatz handelte, da die Beteiligung an der Operation der NATO eine bewaffnete Unternehmung darstellte, bei der die Anwendung von Gewalt möglich erschien.706 Sowohl die Türkei als auch die NATO seien davon ausgegangen, dass ein Angriff auf die Türkei im Bereich des Möglichen lag; die Anwendung von Waffengewalt war demnach nicht gänzlich ausgeschlossen.707 Dies zeigten auch die erweiterten Einsatzregelungen der NATO.708 Die Antragsgegnerin ging davon aus, dass für einen bewaffneten Angriff die tatsächliche Anwendung militärischer Gewalt notwendig sei und da dies nicht erfolgte, die Zustimmung des Bundestags nicht erforderlich war.709 Es habe sich lediglich um Routinemaßnahmen der NATO gehandelt.710 705  BGBl. I,

2005, S. 775. 121, 135 (144 f.). 707  BVerfGE 121, 135 (145). 708  BVerfGE 121, 135 (145). 709  BVerfGE 121, 135 (147). 710  BVerfGE 121, 135 (147). 706  BVerfGE



D. BVerfGE 121, 135 – Urteil vom 07. Mai 2008115

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts sind Einsätze, die sich auf Resolutionen der Vereinten Nationen stützen, stets zustimmungspflichtig.711 Vorliegend kam es darauf jedoch nicht an, da es sich um einen originären Einsatz der NATO handelte, welcher hier wiederum ohne Mandat der Vereinten Nationen erfolgte. Fraglich ist allerdings, ob eine Resolution des Sicherheitsrats notwendig gewesen wäre. Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit ist dies nicht zwingend der Fall.712 Völkerrechtlich stellt sich jedoch die Frage, ob das Gewaltverbot durch die Operation der NATO verletzt wurde. Der Einsatz sollte allerdings lediglich zur Vorbereitung der Verteidigung eines Mitgliedsstaats gemäß Art. 51 UNC dienen.713 Solche Einsätze sind grundsätzlich zulässig.714 Der Einsatz bewaffneter Streitkräfte kann als verfassungsrechtlicher Begriff nicht durch das ParlBG konkretisiert werden.715 Ein solcher soll nach dem Bundesverfassungsgericht vorliegen, „wenn deutsche Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind“716. Fraglich ist damit, ob bereits bewaffnete Auseinandersetzungen vorliegen müssen, wie die Antragsgegnerin darlegte. Dagegen wendet das Gericht ein, dass nach dieser Auslegung der Einfluss des Bundestags zu gering wäre und sich die Entscheidungsbefugnisse regelmäßig zeitlich nach hinten verschöben sowie eine parlamentarische Beteiligung im Voraus des Einsatzes kaum mehr erfolgen könnte, was dem Erfordernis der Entscheidungskompetenz des Bundestags widerspreche.717 Für bewaffnete Unternehmungen käme es darauf an, dass „nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist und deutsche Soldaten deshalb bereits in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind“718. Tatsächliche Kampfhandlungen seien nicht nötig.719 Für eine nähere Unterscheidung komme es auf „Einsatzzweck und Einsatzbefugnisse“720 an. Es dürfe nicht bloß möglich sein, dass es zu bewaffneten Auseinandersetzungen 711  BVerfGE

121, 135 (154 f.). B. II. 4. 713  Fischer-Lescano, NVwZ 2003, S. 1474, 1475. 714  Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 68; Günther, Einsatz der Bundeswehr, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 329, 354 f.; Nolte, ZaöRV 54 (1994), S. 95, 102. 715  BVerfGE 121, 135 (156). 716  BVerfGE 121, 135 (163). 717  BVerfGE 121, 135 (164). 718  BVerfGE 121, 135 (164). 719  BVerfGE 121, 135 (164). 720  BVerfGE 121, 135 (164). 712  s. o.

116

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

kommt, sondern dafür bedürfe es einer qualifizierten Erwartung,721 die sich durch zwei Kriterien auszeichnet:722 Zum einen sollen nach Zweck des Einsatzes, politischen und militärischen Umständen sowie Einsatzbefugnissen hinreichende Anhaltspunkte für die Anwendung von Waffengewalt vorliegen, was der Fall ist, wenn die Umstände und die politische Gesamtlage eine konkrete militärische Gefahrenlage begründen, die hinreichende sachliche Nähe zu militärischer Gewalt und damit bewaffneten Auseinandersetzungen bietet.723 Dafür sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, die Operationsziele und die Reichweite der militärischen Befugnisse maßgeblich.724 Zum anderen soll eine besondere Nähe zur Anwendung von Waffengewalt vorliegen, d. h. diese muss unmittelbar bevorstehen.725 Dies kann durch die Verdichtung tatsächlicher Umstände oder Einsatzplanung und Einsatzbefugnisse angezeigt werden.726 Eine Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen kann folglich vorliegen, wenn die Streitkräfte Waffen tragen, trotz dieser Tatsache jedoch wiederum nicht, wenn der Einsatz der Selbstverteidigung dient oder keinen militärischen Charakter hat.727 Auf der anderen Seite kann eine Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen vorliegen, wenn die Streitkräfte keine Waffen tragen, aber „als wesentlicher Teil des den bewaffneten Einsatz durchführenden integrierten militärischen Systems handeln“728. Weiterhin ohne Zustimmungspflicht sind Einsätze, bei denen Gefahr im Verzug besteht, der Bundestag soll allerdings nachträglich damit befasst werden und die Streitkräfte können zurückgerufen werden.729 Dem Bundestag steht keine Initiativbefugnis zu.730 Vorliegend bejahte das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage dieser Kriterien einen bewaffneten Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen der Maßnahmen der NATO. Die Soldaten seien an einer Operation beteiligt gewesen, die erstmalig auf Konsultationen gemäß Art. 4 NATO-Vertrag 721  Vgl. zur Diskussion um die qualifizierte Erwartung Ladiges, RuP 2009, S. 29, 31 m. w. N. 722  BVerfGE 121, 135 (165). 723  BVerfGE 121, 135 (165). 724  BVerfGE 121, 135 (165 f.). 725  BVerfGE 121, 135 (166). 726  BVerfGE 121, 135 (166). 727  BVerfGE 121, 135 (168). 728  BVerfGE 121, 135 (168). 729  BVerfGE 121, 135 (154, 174). 730  BVerfGE 121, 135 (154).



D. BVerfGE 121, 135 – Urteil vom 07. Mai 2008117

beruhte und Maßnahmen gegen einen militärischen Angriff gegen die Türkei traf.731 Für die konkrete Möglichkeit militärischer Auseinandersetzungen sprächen auch die erweiterten Einsatzregelungen der NATO.732 Im Rahmen eines militärischen Zwischenfalls wären deutsche Soldaten beteiligt gewesen, da die AWACS-Systeme eine wesentliche Rolle in der militärischen Flugabwehr spielten.733 Auch in zeitlicher Hinsicht stand eine Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen unmittelbar bevor, da ein Angriff auf die Türkei möglich schien und alle wesentlichen Gegenmaßnahmen bereits getroffen waren.734 Damit definierte das Gericht den Einsatz bewaffneter Streitkräfte als Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen, die zumindest bei der qualifizierten Erwartung bewaffneter Auseinandersetzungen zu bejahen ist, d. h. beim Vorliegen eines konkreten Anhaltspunkts für die Anwendung von Waffengewalt, die zeitlich unmittelbar bevorsteht. Der Bundestag hätte demnach dem Einsatz in der Türkei zustimmen müssen. 2. Reichweite der Parlamentsbeteiligung? Da das Verfahren die Voraussetzungen des Parlamentsvorbehalts erörterte, stellte sich auch die Frage nach dessen Grundlagen und der Kompetenzverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung im Rahmen der auswärtigen Gewalt. Wie bereits in BVerfGE 104, 151 angedeutet, sieht das Gericht auch vorliegend den Parlamentsvorbehalt als eine Kontrollmöglichkeit des Bundestags im Hinblick auf Veränderungen in Bündnissystemen und legt seine Ansicht nun detaillierter dar.735 Dabei äußert sich der Senat wiederum zur grundsätzlichen Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt. Innerhalb von Bündnissystemen sei die Bundesregierung für politische Entscheidungen und Fortentwicklungen zuständig, hierbei zeige sich deren weit bemessener Gestaltungsspielraum.736 Da der Bundestag insoweit nicht auf die Wahrung seiner Rechte einwirken könne, erfolge dies mittels des Parlamentsvorbehalts.737 In diesem Zusammenhang spricht das Gericht von einem „Entscheidungsverbund von Parlament und Regierung“738. Der Parla731  BVerfGE 732  BVerfGE 733  BVerfGE 734  BVerfGE 735  BVerfGE 736  BVerfGE 737  BVerfGE 738  BVerfGE

121, 121, 121, 121, 121, 121, 121, 121,

135 135 135 135 135 135 135 135

(170). (171). (172 f.). (173). (160). (160 f.); van Ooyen, Bundesverfassungsgericht, S. 60. (161); dagegen Wiefelspütz, Auslandseinsatz, S.  306 f. (161).

118

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

mentsvorbehalt wird in die grundsätzliche Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt eingeordnet: Zwar sei die Bundesregierung maßgeblich zuständig, die „funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt“739 führe jedoch im Rahmen der Systeme kollektiver Sicherheit dazu, dass das Parlament „grundlegende Verantwortung für die vertragliche Grundlage des Systems einerseits und für die Entscheidung über den konkreten bewaffneten Streitkräfteeinsatz andererseits übernimmt, während im Übrigen die nähere Ausgestaltung der Bündnispolitik als Konzeptverantwortung ebenso wie die konkrete Einsatzplanung der Bundesregierung obliegen“740. Aufgrund der Mitwirkungsbefugnisse des Bundestags sei es daher erforderlich, den Parlamentsvorbehalt „im Zweifel parlamentsfreundlich auszulegen“741. Aus der Einordnung desselben in das System der Gewaltenteilung ergibt sich, dass hier „gerade kein eigenverantwortlicher Entscheidungsraum der Bundesregie­ rung“742 bestehe. Das Gericht betont zwar wiederum die zentrale Rolle der Bundesregierung im Hinblick auf die auswärtige Gewalt, verwendet vorliegend jedoch mehr Aufwand auf die Einordnung des Parlamentsvorbehalts in die Gewaltenteilung und die Rolle des Bundestags. In Bezug auf Auslandseinsätze sollen beide Organe zusammenarbeiten, die Bundesregierung hat über­ wiegende Kompetenzen im Zusammenhang mit Systemen im Sinne von Art. 24 II GG inne, ohne den Bundestag findet jedoch kein Einsatz bewaffneter Streitkräfte statt. Insgesamt stellt das Bundesverfassungsgericht damit die Parlamentsfreundlichkeit des Parlamentsvorbehalts heraus.

III. Rechtsprechungsentwicklung Einige der bereits zuvor in BVerfGE 90, 286, BVerfGE 104, 151 und BVerfGE 118, 244 angesprochenen Fragestellungen werden auch im vorliegenden Verfahren noch einmal aufgegriffen, sodass im Folgenden auf die Entwicklung der Rechtsprechung eingegangen wird. 1. Art. 24 II GG Zu den Erfordernissen der Friedlichkeit eines Systems aus Art. 24 II GG äußert das Gericht in diesem Verfahren nichts.

739  BVerfGE

121, 121, 741  BVerfGE 121, 742  BVerfGE 121, 740  BVerfGE

135 135 135 135

(162). (162). (162). (163).



D. BVerfGE 121, 135 – Urteil vom 07. Mai 2008119

2. Art. 59 II 1 GG Im Anschluss an die vorangegangenen Urteile stellt das Gericht fest, dass das Parlament durch seine Zustimmung gemäß Art. 59 II 1 GG die Verantwortung für den weiteren Vertragsvollzug übernimmt und sich dies nicht in einem einmaligen Zustimmungsakt erschöpft.743 Dem steht die Möglichkeit der Fortentwicklung durch die Bundesregierung allerdings nicht entgegen.744 Das Bundesverfassungsgericht betont insoweit wiederum die Grenze der Fortentwicklung ultra vires.745 Eine erneute Zustimmung des Bundestags im Sinne von Art. 59 II 1 GG soll nur erfolgen, wenn entweder ein Änderungsvertrag vorliegt oder „die Fortentwicklung des Systems das vertragliche Integrationsprogramm verlässt“746. Zum Schutz der Rechte des Parlaments sind parlamentarische Kontrollmöglichkeiten, darunter der Parlamentsvorbehalt, ausreichend.747 Neu an der Erläuterung des Parlamentsvorbehalts ist die Tatsache, dass dieser im Zweifel parlamentsfreundlich auszulegen ist. Im Gegensatz zu BVerfGE 90, 286 wird er hier ebenfalls als Kontrollmittel der Legislative im Bereich der auswärtigen Gewalt dargestellt.748 Insgesamt kann das vorliegende Urteil daher im Hinblick auf die Darstellung des Parlamentsvorbehalts parlamentsfreundlicher verstanden werden als BVerfGE 90, 286.749 Wesentliche Änderungen ergeben sich daraus allerdings nicht. Das Gericht stellt klar, dass sich aus dem Parlamentsvorbehalt keine Initiativbefugnis ergibt.750 3. Art. 87a II GG Es wird wiederum hervorgehoben, dass die Regelung des Art. 87a II GG der Ermächtigung aus Art. 24 II GG nicht entgegensteht.751

743  BVerfGE

121, 135 (157 f.). 121, 135 (158). 745  BVerfGE 121, 135 (158); Fischbach, Auswärtige Gewalt, S. 66. 746  BVerfGE 121, 135 (158). 747  BVerfGE 121, 135 (159). 748  Wiefelspütz, Auslandseinsatz, S.  304 ff. 749  Burkiczak, NVwZ 2008, S. 752, 753; Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 384; Sohm, NZWehrR 2008, S. 235, 237, 242 f. 750  BVerfGE 121, 135 (154). 751  BVerfGE 121, 135 (157). 744  BVerfGE

120

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015 (Rettungseinsatz Libyen) Bereits im August  2011 reichte die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag beim Bundesverfassungsgericht den Antrag zu der Frage ein, ob der Bundestag in seinem wehrverfassungsrechtlichen Beteiligungsrecht in Form des konstitutiven Parlamentsvorbehalts dadurch verletzt worden war, dass die Bundesregierung nicht seine nachträgliche Zustimmung zu einem Rettungseinsatz der Streitkräfte in Libyen eingeholt hatte. Im Organstreitverfahren 2 BvE 6 / 11 ging es darum, ob der Einsatz von Soldaten der Bundeswehr zur Evakuierung deutscher und anderer Staatsangehöriger am 26. Februar 2011 aus Libyen der Zustimmung des Bundestags bedurfte.

I. Sachverhalt Ab Februar 2011 verschärfte sich die politische Situation in Libyen und der innerstaatliche Konflikt eskalierte gewaltsam in einem Bürgerkrieg. Daraufhin flogen Mitte Februar 2011 unbewaffnete Bundeswehrsoldaten deutsche Staatsbürger aus Libyen aus.752 Darüber hinaus wurden Kräfte der Bundeswehr zu einem Einsatzverband für militärische Evakuierungsoperationen zusammengeführt (Operation „Pegasus“).753 Da die Lage in Libyen sich weiter verschlechterte, entschied der Krisenstab des Auswärtigen Amtes am 24. Februar 2011, Mitarbeiter deutscher Firmen aus Nafurah in Libyen auszufliegen.754 Militärische Begleitung wurde zunächst nicht für erforderlich gehalten, dies änderte sich jedoch bereits am nächsten Tag.755 Die Bundeskanzlerin stimmte dem Einsatz am 25. Februar 2011 zu und die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag wurden über die Aktion unterrichtet.756 Seit 22. Februar 2011 bestand eine generelle Lande- und Starterlaubnis in Libyen, eine erneute Anfrage am 26. Februar 2011 blieb jedoch unbeantwortet.757 Die öffentliche Ordnung in Libyen war zusammengebrochen.758 Am 26. Februar 2011 wurden schließlich 132 Personen (deutsche und andere Staatsbürger und Staatsbürgerinnen) mit Transportflugzeugen der Bundeswehr aus Libyen ohne Zwischenfälle oder Einsatz von Waffengewalt 752  BVerfGE 753  BVerfGE 754  BVerfGE 755  BVerfGE 756  BVerfGE 757  BVerfGE 758  BVerfGE

140, 140, 140, 140, 140, 140, 140,

160 160 160 160 160 160 160

(161). (162). (163). (163 f.). (164 f.). (161 f., 165). (163 f.).



E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015121

ausgeflogen.759 Die Maschinen waren mit „erweitertem Selbstschutz“ gegen Radarerfassung und Flugabwehrraketen ausgestattet und hatten bewaffnete Soldaten der Bundeswehr an Bord, welche den Auftrag hatten, die Evakuierung – wenn nötig auch gewaltsam – zu sichern.760 Nach Abschluss der Aktion wurden wiederum die Fraktionsvorsitzenden in Kenntnis gesetzt.761 Sowohl die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen als auch die Fraktion Die Linke forderten anschließend die nachträgliche Zustimmung des Bundestags zur Rettungsaktion.762 Die Bundesregierung ging jedoch davon aus, dass es sich nicht um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte gehandelt habe, für den der Parlamentsvorbehalt gelte, sodass eine Zustimmung des Bundestags nicht erforderlich sei.763 Der Bundestag lehnte am 24. März 2011 eine Beschlussfassung ab.764 Das Bundesverfassungsgericht wies den Antrag der Fraktion Bündnis 90 /  Die Grünen am 23. September 2015 zurück. Der Einsatz in Libyen unterfiel zwar dem Parlamentsvorbehalt, eine nachträgliche Zustimmung des Bundestags war jedoch nicht erforderlich, da der Einsatz zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Zustimmung bereits beendet war.

II. Verfassungsrechtliche Fragestellungen Das Verfahren befasste sich hauptsächlich mit Fragen des Parlamentsvorbehalts, einerseits ging es um die Voraussetzungen eines Einsatzes bewaffneter Streitkräfte und andererseits um den Zeitpunkt der Zustimmung des Bundestags. Darüber hinaus stand dahinter die Frage nach der Zulässigkeit unilateraler Einsätze der deutschen Streitkräfte im Ausland. 1. Parlamentsvorbehalt: Einsatz bewaffneter Streitkräfte? Im Wesentlichen wurde im Verfahren die detaillierte Ausgestaltung des Parlamentsvorbehalts diskutiert.

759  BVerfGE 760  BVerfGE 761  BVerfGE 762  BVerfGE 763  BVerfGE 764  BVerfGE

140, 140, 140, 140, 140, 140,

160 160 160 160 160 160

(167). (166 f.). (168). (168 f.). (170 f.). (170).

122

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

a) Einsatz bewaffneter Streitkräfte? Fraglich war, ob die Rettungsaktion der Bundeswehr in Nafurah einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte darstellt, welcher die Parlamentsbeteiligung aufgrund des Parlamentsvorbehalts zur Folge hat. Ein solcher Einsatz liegt bei der Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen vor.765 Die Antragstellerin trug vor, dass es sich um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte handelte, da bewaffnete Soldaten beteiligt gewesen waren, die Operation mit genuin militärischen Mitteln ausgeführt wurde und dies auf die Möglichkeit bewaffneter Auseinandersetzungen schließen lasse.766 Dafür spreche ebenfalls die Bereitstellung weiterer Soldaten (Operation „Pegasus“).767 Die Antragsgegnerin legte hingegen dar, dass dem Einsatz ein spezielles militärisches Gepräge fehlte.768 Der Parlamentsvorbehalt sei auf ‚das historische Bild eines Kriegseintritts zugeschnitten‘769, dementsprechend sei der weit von Kriegshandlungen entfernte Einsatz in Libyen nicht zustimmungspflichtig.770 Eine Verwicklung in bewaffnete Auseinandersetzungen sei nicht zu erwarten gewesen, Libyen habe der Aktion konkludent zugestimmt und die getroffenen Maßnahmen seien lediglich aus Vorsicht gewählt worden.771 Darüber hinaus seien die bereitgestellten Kräfte der Operation „Pegasus“ noch nicht einsatzbereit gewesen.772 Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Zustimmung des Bundestags aufgrund des Parlamentsvorbehalts sowohl für Einsätze bewaffneter Streitkräfte innerhalb Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit gemäß Art. 24 II GG einzuholen ist als auch für unilaterale Einsätze.773 Bislang hatte das Gericht über solche nicht zu entscheiden, in den bisherigen Verfahren ging es um Einsätze im Bündnis. Bewaffnete Einsätze, die ohne Bündnispartner allein von der Bundesrepublik ausgeführt werden, sind demnach ebenfalls stets zustimmungspflichtig. Die Ausgestaltung der Bundeswehr als Parlamentsheer verlangt auch bei der Ausführung von rein nationalen Einsätzen nach der Beteiligung des Bundestags.774 Die materiell765  BVerfGE

90, 286 (388); BVerfGE 121, 135 (163 ff.); BVerfGE 140, 160

766  BVerfGE

140, 140, 140, 140, 140, 140, 140, 140, 140,

(190).

767  BVerfGE 768  BVerfGE 769  BVerfGE 770  BVerfGE 771  BVerfGE 772  BVerfGE 773  BVerfGE 774  BVerfGE

160 160 160 160 160 160 160 160 160

(175 f.). (175 f.). (178, 180 f.). (177). (177, 179, 181). (179 ff.). (182). (187 f.). (188).



E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015123

rechtliche Grundlage unilateraler Einsätze ist dabei unerheblich für die Frage nach dem Zustimmungserfordernis.775 Der Parlamentsvorbehalt ist nicht an die Rechtsgrundlage des Einsatzes geknüpft, seine Anwendbarkeit ist lediglich von einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland abhängig.776 Die vorliegende Rettungsaktion ist somit nicht von vorneherein aus dem Anwendungsbereich des Parlamentsvorbehalts ausgeschlossen, indem sie außerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit ausgeführt wurde. Der Parlamentsvorbehalt ist insoweit parlamentsfreundlich auszulegen.777 Dieser sei „keine Durchbrechung der alleinigen Verantwortlichkeit der Exekutive im auswärtigen Bereich“778, sondern „prägender Teil der grundgesetzlichen Gewaltenteilung“779 und somit sowohl bei Einsätzen innerhalb eines Bündnisses als auch bei unilateralen Einsätzen maßgeblich. Die Bundesregierung könne nicht eigenverantwortlich über einen bewaffneten Einsatz der Streitkräfte entscheiden, unabhängig davon, ob der Bundestag vor oder nach Beginn des Einsatzes zustimmt.780 Die Möglichkeit der Anordnung eines Einsatzes ohne Zustimmung bei Gefahr im Verzug bleibe eine Ausnahmebefugnis.781 Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Streitkräfte steht Bundestag und Bundesregierung somit nur gemeinsam zu, dabei ist der Parlamentsvorbehalt zugunsten der Legislative zu verstehen. Fraglich war nun, ob es sich bei dem Einsatz in Nafurah um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte handelte, welcher den Parlamentsvorbehalt auslöst. Dazu ist die Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen nötig.782 Erforderlich ist die qualifizierte Erwartung einer Einbeziehung in solche Unternehmungen, die über die bloße Möglichkeit hinausreicht.783 Diesbezüglich verweist das Gericht auf die Ausführungen aus BVerfGE 121, 135, d.  h. es bedarf „hinreichend greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte […] [und] [einer] [besonderen] Nähe der Anwendung von Waffengewalt“784. Der Einsatz bewaffneter Streitkräfte gilt als einheitlicher Auslöser des Parlamentsvorbehalts, unabhängig davon, ob der Einsatz innerhalb oder außer775  BVerfGE 776  BVerfGE 777  BVerfGE 778  BVerfGE 779  BVerfGE 780  BVerfGE 781  BVerfGE 782  BVerfGE

(190).

783  BVerfGE 784  BVerfGE

140, 160 (188). 90, 286 (381 ff.). s. o. A. II. 4. c) und D. II. 1. 140, 160 (189). 140, 160 (189). 140, 160 (189). 140, 160 (189). 140, 160 (189). 90, 286 (388); BVerfGE 121, 135 (163 ff.); BVerfGE 140, 160 140, 160 (190 f.). 121, 135 (165 f.); BVerfGE 140, 160 (190 f.). s. o. D. II. 1.

124

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

halb eines Bündnisses stattfindet.785 Dabei besteht der Parlamentsvorbehalt nicht nur für die „Mitentscheidung bei kriegerischen oder kriegsähnlich ausgerichteten Außeneinsätzen“786. In Anbetracht der tatsächlichen und völkerrechtlichen Entwicklungen ist die Zustimmung des Parlaments auch bei Einsätzen von „geringer Intensität und Tragweite“787 nötig. Da der Kriegseintritt kaum noch förmlich erklärt wird und sich militärische Auseinandersetzungen ebenso in begrenzten Einzelaktionen äußern, bedarf es der Zustimmung des Bundestags zu einem bewaffneten Einsatz nicht erst, wenn dieser „dem Leitbild des Kriegseintritts entspricht“788.789 Es ist keine Überschreitung einer bestimmten militärischen Erheblichkeitsschwelle erforderlich, auch eine humanitäre Zielsetzung hindert nicht das Eingreifen des Parlamentsvorbehalts.790 Das Gericht folgte damit nicht den Ausführungen der Antragsgegnerin, die den Parlamentsvorbehalt enger verstand und diesen mit dem „militärischen Gepräge“791 eines Einsatzes verband. Bereits seit BVerfGE 90, 286 gilt, dass der Parlamentsvorbehalt auch im Rahmen von Einsätzen auf Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrats greift, unabhängig von der tatsächlichen Gewaltanwendung bzw. der Ermächtigung dazu.792 Der Parlamentsvorbehalt sichert den Einfluss des Bundestags im Hinblick auf die „Verwendung der Streitkräfte als Machtpotential“793. Folglich ist für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte weiterhin nicht maßgeblich, ob diese Waffen einsetzen oder welche Zielsetzung sie verfolgen. Entscheidend bleibt die qualifizierte Erwartung einer Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen. In Libyen herrschte zum Zeitpunkt der Rettungsaktion Bürgerkrieg, die Sicherheitslage war unsicher und es bestand die ernstzunehmende Gefahr von Gewalttätigkeiten gegenüber den deutschen Soldaten.794 Es drohte somit eine Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen.795 Der Einsatz erforderte das spezifische Droh- und Gewaltpotential der Bundeswehr.796 Ebenso stand eine Anwendung von Waffengewalt zeitlich unmittelbar bevor und hing lediglich davon ab, ob der Rettungseinsatz 785  BVerfGE 786  BVerfGE 787  BVerfGE 788  BVerfGE 789  BVerfGE 790  BVerfGE 791  BVerfGE 792  BVerfGE 793  BVerfGE 794  BVerfGE 795  BVerfGE 796  BVerfGE

140, 160 (191 f.). 140, 160 (192). 140, 160 (191 f.). 140, 160 (193). 140, 160 (192 f.). 140, 160 (193). 140, 160 (178, 180 f.). 90, 286 (387); BVerfGE 140, 160 (193). 140, 160 (193 f.). 140, 160 (204 f.). 140, 160 (204 f.). 140, 160 (206 f.).



E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015125

ohne Zwischenfälle in Libyen durchgeführt werden konnte.797 Demnach handelte es sich bei der vorliegenden Operation um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Sinne des Parlamentsvorbehalts.798 Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass der Parlamentsvorbehalt ausdrücklich auch für unilaterale Einsätze im Ausland gilt und weiterhin parlamentsfreundlich auszulegen ist. Dabei ist nach wie vor ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte Auslöser des Parlamentsvorbehalts, wofür eine qualifizierte Erwartung maßgeblich ist, die nicht vom Begriff des Krieges oder dem Ziel des Einsatzes abhängt bzw. davon, ob tatsächlich Waffengewalt angewendet wird. b) Erfordernis einer nachträglichen Zustimmung? Besonderheit dieses Verfahrens war die Frage, ob der Bundestag einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte auch dann nachträglich zustimmen muss, wenn Gefahr im Verzug bestand und der Einsatz bereits abgeschlossen ist. aa) Gefahr im Verzug Grundsätzlich stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte ohne vorherige Zustimmung des Bundestags nicht zulässig ist.799 Bei Gefahr im Verzug kann die Bundesregierung allerdings zunächst alleine über den Einsatz der Streitkräfte entscheiden, anschließend ist die Zustimmung des Bundestags einzuholen.800 In diesem Fall verfügt die Bundesregierung über „eine auf den Einzelfall bezogene Eilzuständig­ keit“801, die den Parlamentsvorbehalt beeinträchtigt.802 Die nachträgliche Zustimmung des Bundestags ist demnach keine Genehmigung, die den bereits erfolgten Einsatz rechtswidrig werden lässt.803 Die Eilentscheidung der Bundesregierung entfaltet die gleichen Wirkungen wie eine mit Zustimmung des Bundestags erfolgte Entscheidung.804 Dies sichert die Wehr- und Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik und führt zu rechtlich auf verlässlichen 797  BVerfGE

140, 160 (207 f.). 140, 160 (203 f.). So auch Payandeh, DVBl 2011, S. 1325, 1328 f. 799  BVerfGE 140, 160 (194). So bereits BVerfGE 90, 286 (381); BVerfGE 121, 135 (154). 800  BVerfGE 140, 160 (194 f.). So bereits BVerfGE 90, 286 (388); BVerfGE 121, 135 (154). 801  BVerfGE 140, 160 (195 f.). 802  BVerfGE 140, 160 (195 f.). 803  BVerfGE 140, 160 (195 f.). s. u. 804  BVerfGE 140, 160 (195 f.). 798  BVerfGE

126

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Grundlagen stehenden Auslandseinsätzen.805 Die Eilkompetenz der Bundesregierung beeinträchtigt daher nicht die parlamentarischen Mitwirkungsrechte.806 Verweigert der Bundestag die Zustimmung, ist der Einsatz jedoch zu beenden.807 „Das Recht der Exekutive zur vorläufigen Alleinentscheidung bei Gefahr im Verzug steht […] nicht gleichrangig neben dem wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt“808, sondern stellt eine Durchbrechung jenes Prinzips dar und eine subsidiäre Kompetenz.809 Die Bundesregierung entscheidet insofern bei Gefahr im Verzug über die eigene Zuständigkeit.810 bb) Beendeter Einsatz Fraglich ist nun, ob eine nachträgliche Beschlussfassung des Bundestags nötig ist, wenn der Einsatz bereits beendet ist, wie der vorliegende in Libyen. Bislang hatte sich das Gericht lediglich damit auseinanderzusetzen, dass die Bundesregierung nach einer Eilentscheidung den Bundestag umgehend mit dem Einsatz befassen muss und die Streitkräfte gegebenenfalls zurückzurufen sind.811 Einerseits wird häufig dargelegt, die Befassung des Bundestags sei umgehend geboten, wenn die Bundesregierung eine Entscheidung über einen Einsatz bei Gefahr im Verzug trifft, auch im Fall eines bereits beendeten Einsatzes.812 Dafür spreche die „vertrauensbegründende Komponente“813 der Beteiligung des Parlaments. Des Weiteren habe ein ablehnender Beschluss wegweisende Wirkung für die Zukunft.814 Zu „Bewertung und 805  BVerfGE 140, 160 (195 f.). So auch BVerfGE 90, 286 (388); BVerfGE 121, 135 (154). 806  BVerfGE 140, 160 (196). 807  BVerfGE 140, 160 (195 f.). Ebenso BVerfGE 90, 286 (388); BVerfGE 121, 135 (154). 808  BVerfGE 140, 160 (196). 809  BVerfGE 140, 160 (196); Baldus, Stellungnahme, S. 37. 810  BVerfGE 140, 160 (196 f.). 811  BVerfGE 140, 160 (199). 812  Baldus, Stellungnahme, S. 38; Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 99; Klein, Rechtsfragen des Parlamentsvorbehalts, in: Horn/Häberle/Schambeck et al., FS Schmitt Glaeser, S. 245, 263; Payandeh, DVBl 2011, S. 1325, 1329 f.; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 159; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 280; Sigloch, Auslandseinsätze, S. 308; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 149; Wiefelspütz, Auslandseinsatz, S. 498. 813  Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 99. Darauf verweisen auch Lutze, DÖV 2003, S. 972, 978; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 280. 814  Klein, Rechtsfragen des Parlamentsvorbehalts, in: Horn/Häberle/Schambeck, et al., FS Schmitt Glaeser, S. 245, 263; Lutze, DÖV 2003, S. 972, 978; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 280; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 149.



E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015127

Kontrolle“815 sei ein nachträglicher Beschluss erforderlich. Der Beschluss des Bundestags habe zwar keine rechtliche, jedoch politische Bedeutung.816 Schließlich übernehme der Bundestag durch die nachträgliche Zustimmung politische Verantwortung und erhöhe die demokratische Legitimation, auch im Fall eines bereits beendeten Einsatzes.817 Dazu lässt sich ebenfalls anführen, dass die Bundesregierung im Fall der Operation „Libelle“ in Albanien im Nachhinein einen Beschluss des Bundestags beantragte.818 Andererseits wird nicht bestritten, dass das Rückrufrecht bei einem bereits beendeten Einsatz sinnlos wird.819 Der Bundestag kann in diesem Fall keinen rechtserheblichen Einfluss mehr auf die Verwendung der Streitkräfte ausüben, auch durch einen negativen Beschluss des Bundestags wird der Einsatz nicht nachträglich rechtswidrig.820 Die Streitkräfte können weder zurückgeholt noch weiter eingesetzt werden,821 da der Bundestag über kein Initiativrecht verfügt. Für eine inhaltliche Entscheidung des Parlaments ist kein Raum mehr, sodass keine konstitutive Zustimmung des Bundestags nach einem abgeschlossenen Einsatz erforderlich ist.822 Dafür wird angeführt, dass die Eilentscheidungskompetenz der Bundesregierung in den „Eigenbereich exekutiver Handlungsbefugnis und Verantwortlichkeit“823 fällt. Des Weiteren sei der Bundestag nicht befugt, die Rechtmäßigkeit des Handelns der Bundesregierung zu beurteilen (dies kommt dem Bundesverfassungsgericht zu),824 ihm verbleiben allerdings seine parlamentarischen Kontrollrechte („Frage-, Antrags-, Debatten- und Entschließungsrecht“825).826 Ein nachträglicher Beschluss des Bundestags hat im Fall einer bereits erfolgten Einsatzentscheidung der Bundesregierung nie rückwirkende Wir815  Sigloch,

Auslandseinsätze, S. 308. Parlamentsvorbehalt, S. 149. 817  Payandeh, DVBl 2011, S. 1325, 1329. 818  BT-Drucks. 13/7233; Kreß, ZaöRV 57 (1997), S. 329, 356; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 159; Schorkopf, Überstaatlichkeit, S. 130; Wiefelspütz, Parlamentsheer, S. 427; Wiefelspütz, Auslandseinsatz, S. 449 Fn. 2282. 819  Baldus, Stellungnahme, S. 38; Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 99; Klein, Rechtsfragen des Parlamentsvorbehalts, in: Horn/Häberle/Schambeck, et al., FS Schmitt Glaeser, S. 245, 263; Scherrer, Parlament, S. 288. 820  BVerfGE 140, 160 (200  f.); Baldus, Stellungnahme, S. 37; Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 99; Scherrer, Parlament, S. 289 f.; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 159; Schröder, Zustimmungsverfahren, S. 281; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S.  149 f. A. A. Wiefelspütz, Auslandseinsatz, S. 498. 821  BVerfGE 140, 160 (200 f.); Lutze, DÖV 2003, S. 972, 978. 822  BVerfGE 140, 160 (200 f.). So bereits Kreß, ZaöRV 57 (1997), S. 329, 356. 823  Kreß, ZaöRV 57 (1997), S. 329, 356. 824  Kreß, ZaöRV 57 (1997), S. 329, 356; Scherrer, Parlament, S. 290. 825  BVerfGE 140, 160 (201 f.). 826  BVerfGE 140, 160 (200 ff.). 816  Wagner,

128

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

kung.827 Der Einsatz der Streitkräfte wird nicht rechtswidrig, auch wenn der Bundestag die Rückholung beschließt. Die Kompetenzzuweisung für die Bundesregierung bei Gefahr im Verzug ist originärer Teil des Parlamentsvorbehalts. Der Bundestag kann lediglich für die Zukunft korrigierend eingreifen. Bei Gefahr im Verzug ist die Bundesregierung für die Einsatzentscheidung zuständig, diese Kompetenz beinhaltet, dass der Bundestag nicht im Nachhinein die Entscheidung der Bundesregierung ändern kann. Die politische Bedeutung einer nachträglichen Befassung soll nicht bestritten werden, jedoch ist der Bundestag nicht grundsätzlich gehindert, einen missbilligenden Beschluss zu fassen. In der Frage, ob die Bundesregierung verpflichtet ist, den Beschluss des Parlaments herbeizuführen, kann die politische Bedeutung desselben, der ohne rechtliche Folgen bleibt, jedoch nicht entscheidend sein. Das Gericht machte darüber hinaus deutlich, dass der Bundestag nicht befugt ist, die Rechtmäßigkeit des Handelns der Bundesregierung festzustellen.828 Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Bundestag diese Rechtmäßigkeit verfassungsgerichtlich überprüfen lassen kann. Am Beispiel des vorliegenden Urteils betrachtet, käme es für den Bundestag darauf an, ob er das Bundesverfassungsgericht mit der Frage nach der Ermächtigungsgrundlage des Einsatzes befassen kann. Fraglich ist damit, ob aus Art. 87a II GG ein Recht des Bundestags erwächst, das im Wege des Organstreits gemäß Art. 93 I Nr. 1 GG gegen die Bundesregierung geltend gemacht werden kann. Im Organstreit muss eine rechtserhebliche Maßnahme gerügt werden, die „geeignet ist, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträch­tigen“829.830 Der Organstreit ist keine Möglichkeit der allgemeinen verfassungsrechtlichen Aufsicht.831 In BVerfGE 90, 286 legte sich das Gericht nicht fest, ob Art. 87a I oder II GG kompetenzschützenden Charakter für den Bundestag haben.832 In den vorangegangenen Entscheidungen wurden zumeist die Beteiligungsrechte des Bundestags in Form des Parlamentsvorbehalts erörtert.833 Im vorlie827  Baldus, Stellungnahme, S. 37; Dau, NZWehrR 1998, S. 89, 99; Kreß, ZaöRV 57 (1997), S. 329, 356; Scherrer, Parlament, S. 289 f.; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 159; Wagner, Parlamentsvorbehalt, S. 150. 828  BVerfGE 140, 160 (200 f.). 829  BVerfGE 118, 277 (317 m. w. N.). 830  Meyer, Art. 93 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 24; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 93; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Rn. 107. 831  Z. B. BVerfGE 68, 1 (69 ff.); BVerfGE 104, 151 (194); BVerfGE 118, 244 (157); BVerfGE 126, 55 (67 f. m. w. N.); Meyer, Art. 93 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 23. 832  BVerfGE 90, 286 (337). 833  s. o. A. II., B. II., C. II., D. II.



E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015129

genden Urteil vom 23. September 2015 legte das Gericht dar, dass die Rechtsgrundlage des Einsatzes unabhängig von der Frage nach der Verletzung des Parlamentsvorbehalts ist.834 Ein Verstoß gegen Rechte des Bundestags könnte sich daraus ergeben, dass eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG für einen unilateralen Einsatz erforderlich gewesen wäre, allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die „Stellung [des Bundestags] als verfassungsändernder Gesetzgeber […] ihm nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats […] gerade kein eigenes Recht im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG“835 einräumt, „weil ihm anderenfalls im Wege des Organstreitverfahrens eine abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des Verhaltens des Antragsgegners schlechthin ermöglicht würde (vgl. BVerfGE 68, 1 [73])“836. In BVerfGE 126, 55 legte das Gericht schließlich dar, dass „Art. 87a Abs. 2 GG […] dem Deutschen Bundestag jenseits des Verfassungsvorbehalts keine eigenen Rechte [vermittelt]“837. In der Norm ist der Bundestag nicht erwähnt.838 Auch historische Erwägungen führen nicht zu dem Ergebnis, dass Art. 87a II GG dem Bundestag eigene Rechte verleihen sollte.839 Es ergibt sich aus Art. 87a II GG somit kein Recht, dessen Verletzung der Bundestag im Wege des Organstreits geltend machen kann. Das Parlament kann folglich die Frage nach einer grundsätzlichen Zulässigkeit unilateraler Einsätze gemäß Art. 87a II GG nicht an das Bundesverfassungsgericht herantragen. Diese fehlende Möglichkeit könnte dafür sprechen, dass die Bundesregierung nachträglich einen Beschluss des Bundestags über einen Einsatz erwirken muss. Einerseits ist dieser jedoch keine Kompensation für fehlende verfassungsprozessuale Möglichkeiten, andererseits ist der Organstreit gerade nicht dazu da, die Handlungen der Bundesregierung durch den Bundestag umfassend gerichtlich überprüfen zu lassen. Damit ergibt sich folglich auch daraus keine Notwendigkeit, dass die Bundesregierung einen Beschluss des Bundestags über bereits abgeschlossene Einsätze herbeiführen muss. Demzufolge stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass ein Beschluss des Bundestags nicht mehr erforderlich ist, wenn der Einsatz zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer nachträglichen Zustimmung bereits abgeschlossen ist und der Bundestag musste der Rettungsaktion in Libyen nicht nachträglich zustimmen.840 834  BVerfGE 835  BVerfGE 836  BVerfGE 837  BVerfGE 838  BVerfGE 839  BVerfGE 840  BVerfGE

140, 126, 126, 126, 126, 126, 140,

160 (188, 203). 55 (73 f.). 55 (74). 55 (74). 55 (74). 55 (74 f.). 160 (199 f.).

130

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

cc) Unterrichtung Der Parlamentsvorbehalt verpflichtet die Bundesregierung letztlich dazu, den Bundestag unverzüglich und qualifiziert über den zuvor abgeschlossenen Einsatz zu unterrichten.841 Dabei muss jener als Ganzer über „die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Einsatzentscheidung sowie Verlauf und Ergebnis des Einsatzes bewaffneter Streit­ kräfte“842 schriftlich informiert werden.843 Diese Informationen sollen „in sachlicher Hinsicht umfassend sein“844. Durch die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung wird die parlamentarische Kontrolle des Bundestags gesichert, auch wenn eine nachträgliche Zustimmung nicht mehr erfolgen muss.845 Die Verletzung einer solchen Informationspflicht wurde durch die Antragstellerin allerdings nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.846 2. Rechtsgrundlage für Einsätze zur Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland? Das Verfahren berührte schließlich grundsätzlich die Frage, auf welcher Ermächtigungsgrundlage unilaterale Rettungseinsätze deutscher Streitkräfte im Ausland beruhen. Dies blieb jedoch auch im vorliegenden Verfahren unbeantwortet. Teilweise wird erörtert, ob das Lissabon-Urteil847 des Bundesverfassungsgerichts so zu verstehen sei, dass neben Art. 24 II GG und der Feststellung des Verteidigungsfalls gemäß Art. 115a I GG keine weitere Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Streitkräfte besteht.848 Folglich käme eine unilaterale Rettungsaktion nur in Betracht, wenn gemäß Art. 115a GG der Verteidigungsfall festgestellt wurde. Dagegen ist anzuführen, dass die Darlegung des Gerichts nicht zu den tragenden Gründen des Urteils zählt,849 sondern „nebenbei“850 getroffen wurde und darüber hinaus durch 140, 160 (202). In diesem Sinn auch Scherrer, Parlament, S. 288. 140, 160 (202). 843  BVerfGE 140, 160 (202 f.). 844  BVerfGE 140, 160 (202). 845  BVerfGE 140, 160 (202). 846  BVerfGE 140, 160 (209). 847  BVerfGE 123, 267 (360). 848  Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 14; Glawe, NVwZ-Extra 2011, S. 1, 3. s. o. A. II. 2. b) aa), 3. f) und s. u. F. II. 849  Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 23. s. u. F. VII. 850  Glawe, NVwZ-Extra 2011, S. 1, 3. 841  BVerfGE 842  BVerfGE



E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015131

einen Nebensatz des Urteils die Verfassungsmäßigkeit des § 5 I ParlBG in Frage gestellt wäre.851 Des Weiteren wird die Zulässigkeit der Rettung eigener Staatsangehöriger auf Grundlage des Völkergewohnheitsrechts vertreten, was durch Art. 25 GG ebenfalls zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit führen soll.852 Die Rettung eigener Staatsangehöriger ist indessen bereits auf völkerrechtlicher Ebene umstritten853 und damit ist diese Argumentation wenig geeignet, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu stützen. Im Übrigen ist der Begriff der Verteidigung nicht auf völkerrechtliche Interpretationen beschränkt.854 Darüber hinaus wird erörtert, ob ein Rettungseinsatz der Streitkräfte im Ausland als polizeiliche Unternehmung einzuordnen ist.855 In der Konsequenz sei keine Zustimmung des Bundestags für eine solche Aktion erforderlich, da keine kriegerische Auseinandersetzung erfolge.856 Generell wird die Einsatzqualität bei „polizei-funktionaler“ Verwendung der Bundeswehr diskutiert.857 Gegen eine Einordnung von Rettungseinsätzen als polizeiliche Verwendung lässt sich anführen, dass jene klassische Militäraufgaben sind, die in anderen Ländern stets von den Streitkräften ausgeführt werden.858 Des Weiteren besteht erhebliches Missbrauchspotential dieser Argumentation, wenn militärische Einsätze als Polizeiaktionen eingeordnet werden und dadurch der Zustimmungspflicht des Bundestags entzogen werden können.859 Darüber hinaus gilt der Parlamentsvorbehalt unabhängig von der Einordnung der Einsatzart für Einsätze bewaffneter Streitkräfte im Ausland.860 Aus der Voraussetzung des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte folgt keine Unterscheidung nach der Funktion des Einsatzes.861 Daneben ist eine 851  Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 14; Glawe, NZWehrR 2009, S. 221, 226; Kokott, Art. 87a GG, in: Sachs, GG, Rn. 32. 852  Franzke, NZWehrR 1996, S. 189, 193  ff. Mit Verweis auf das Völkerrecht auch Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 17. 853  Herdegen, Völkerrecht, § 34, Rn. 31 f.; Heun, Art. 87a GG, in: Dreier, GG, Rn. 17. Dazu oben A. II. 2. b) cc) (1) (a) und B. II. 4. a) bb) (3). 854  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 56. Gegen die völkerrechtliche Akzessorietät auch Kreß, ZaöRV 57 (1997), S. 329, 353 f. s. o. A. II. 2. b) cc). 855  Vgl. die Nachweise in BVerfGE 140, 160 (203). 856  Schmahl, Einsatz deutscher Streitkräfte, in: Dreier, Macht und Ohnmacht, S. 107, 127 Fn. 97; Wiefelspütz, NVwZ 2005, S. 496, 497; Wiefelspütz, Parlamentsheer, S. 427; Wiefelspütz, Auslandseinsatz, S.  448 f. 857  Röben, ZaöRV 63 (2003), S. 585, 586 Fn. 4. s. o. A. II. 2. b) bb). 858  Bothe, Parlamentarische Kontrolle, in: Hufen, FS Schneider, S. 165, 169. 859  Bothe, Parlamentarische Kontrolle, in: Hufen, FS Schneider, S. 165, 169. 860  BVerfGE 140, 160 (203); Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Rn. 82. 861  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 82.

132

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Trennung zwischen polizeilichen und militärischen Einsätzen oftmals ohnehin kaum möglich.862 Eine solche ergibt sich letztlich nur teilweise aus Art. 87a GG und noch weniger aus Art. 24 II GG.863 Dementsprechend ist die Einordnung des Rettungseinsatzes als polizeiliche Unternehmung unabhängig für die Frage nach dem Zustimmungserfordernis des Parlaments.864 Nach den bisherigen Ausführungen könnten unilaterale Rettungseinsätze im Ausland daher lediglich gemäß Art. 87a II GG zur Verteidigung erfolgen. Art. 24 II GG scheidet für unilaterale Einsätze als Rechtsgrundlage aus, da diese nicht innerhalb eines Bündnisses stattfinden. Es bleibt somit Art. 87a II GG, dieser gilt auch für Einsätze der Streitkräfte im Ausland.865 Eine Rettung deutscher Staatsangehöriger ist als Verteidigung zu qualifizieren, teilweise wird dies mit einer Schutzpflicht des Staates begründet, überzeugender ist die Verteidigung des Staatsvolks als Element des Staates.866 Die Rettung deutscher Staatsangehöriger ist damit gemäß Art. 87a II GG zulässig.

III. Rechtsprechungsentwicklung Das Verfahren warf ähnliche Fragen wie BVerfGE 121, 135 und andere vorangegangene Urteile auf, dementsprechend wird auch hier eine Rechtsprechungsentwicklung untersucht. 1. Art. 24 II GG Zu Art. 24 II GG äußerte sich das Gericht im vorliegenden Verfahren kaum und stellte lediglich erneut fest, dass der Parlamentsvorbehalt für bewaffnete Einsätze der Bundeswehr in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit gilt. 2. Art. 59 II 1 GG Das Bundesverfassungsgericht legte zum wiederholten Mal dar, dass sich aus dem Grundgesetz ein konstitutiver Parlamentsvorbehalt ergibt und die Bundeswehr als Parlamentsheer nicht der alleinigen Zuständigkeit der Exekutive überlassen ist.867 Dieser Parlamentsvorbehalt gilt sowohl für Einsätze 862  Epping,

Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 32.4. Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 32.4. 864  BVerfGE 140, 160 (203). 865  s. o. A. II. 2. b) aa). 866  Ausführlich s. o. A. II. 2. b) cc) (2) (d). 867  Seit BVerfGE 90, 286 (381 ff.). 863  Epping,



E. BVerfGE 140, 160 – Urteil vom 23. September 2015133

innerhalb eines Bündnisses als auch für unilaterale Einsätze. Bislang war über letztere nicht zu entscheiden, die bisher erfolgte Darstellung des Parlamentsvorbehalts wies jedoch nicht auf eine abweichende Ansicht hin. Der Parlamentsvorbehalt gilt folglich nicht erst seit dieser Entscheidung für Einsätze außerhalb eines Bündnisses. Daneben führte das Gericht wiederum aus, dass der Parlamentsvorbehalt im Zweifel parlamentsfreundlich auszulegen ist. Dabei wird erneut ein „Entscheidungsverbund“868 von Bundesregierung und Bundestag angenommen.869 Der Parlamentsvorbehalt ist überdies keine Durchbrechung der Exekutivkompetenzen im auswärtigen Bereich. Damit führte das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung aus BVerfGE 121, 135 fort.870 Der Parlamentsvorbehalt greift nicht erst bei Einsätzen in kriegsähnlichen Situationen, sondern die Zustimmung des Bundestags ist erforderlich bei der qualifizierten Erwartung der Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen. Dies bekräftigt ebenso noch einmal die Ausführungen des Gerichts aus BVerfGE 121, 135.871 Auch die Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung für Einsätze bei Gefahr im Verzug ist nicht neu,872 sondern besteht bereits seit BVerfGE 90, 286. Zum ersten Mal beschäftigte sich das Gericht nun mit der Frage, ob eine nachträgliche Entscheidung des Bundestags auch bei Einsätzen erforderlich ist, die bereits beendet sind und stellte fest, dass die Bundesregierung keinen nachträglichen Beschluss des Bundestags herbeiführen muss. Das Parlament ist jedoch zu unterrichten. Überwiegend weisen die Ausführungen des Gerichts zum Parlamentsvorbehalt klarstellenden Charakter auf. 3. Art. 87a II GG Art. 87a II GG wurde im Verfahren nicht erwähnt. Es drängte sich allerdings die Frage auf, ob die Rettungsaktion der deutschen Streitkräfte auf Grundlage dieser Norm stattfand oder nicht. Das Gericht äußerte sich jedoch nicht direkt dazu.873

868  BVerfGE

140, 160 (194). bereits BVerfGE 121, 135 (161). 870  BVerfGE 121, 135 (162). s. o. D. II. 2. 871  BVerfGE 121, 135 (165 ff.). 872  So bereits seit BVerfGE 90, 286 (388). 873  s. o. A. II. 2. b) cc) (2) (d). 869  So

134

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

F. Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Nicht ausschließlich in den zuvor besprochenen, auch in anderen Entscheidungen bezog das Bundesverfassungsgericht Stellung zu Fragen des Themenkomplexes Auslandseinsätze der Streitkräfte. Daher werden einige davon im Folgenden ergänzend dargestellt.

I. BVerfGE 68, 1 – Urteil vom 18. Dezember 1984 (Atomwaffenstationierung) In BVerfGE 68, 1 ging es um ein Organstreitverfahren der Fraktion Die Grünen im Deutschen Bundestag gegen die Bundesregierung, welche durch die Zustimmung zur Stationierung von nuklear bestückten amerikanischen Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland die Rechte des Bundestags aus Art. 24, 59 II 1, 79 GG verletzt haben sollte. Das Gericht entschied, dass Art. 59 II 1 GG nicht verletzt ist, da die einseitige Erklärung über die Stationierung kein Vertrag im Sinne der Norm ist und diese nicht erweiternd ausgelegt werden kann.874 Die Kompetenzen im Rahmen der auswärtigen Gewalt seien in erster Linie der Bundesregierung zugeordnet und das Zustimmungserfordernis aus Art. 59 II 1 GG daher eng auszulegen.875 Auch Art. 24 I GG sei nicht verletzt.876 Das Bundesverfassungsgericht legte diesbezüglich dar, dass die Aufstellung von Waffensystemen noch keiner Übertragung von Hoheitsrechten gleichkommt, die Abgabe der Entscheidung über den Einsatz der Waffen hingegen schon.877 Diese Übertragung erfolgte auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten „als besonderes Organ“878 der NATO. Sie verletze allerdings nicht Art. 79 III GG oder bedurfte der Änderung des Grundgesetzes.879 Das Gericht ging davon aus, die Zustimmung der Bundesregierung sei bereits durch die Zustimmung des Bundestags zum NATO-Vertrag gedeckt und eine erneute gesetzliche Zustimmung daher nicht erforderlich.880 In der Stationierung und der Möglichkeit zum Einsatz der in Frage stehenden Waffen liege auch keine wesentliche Änderung des Bündnisprogramms.881 Der Antrag der Fraktion wurde 874  BVerfGE 875  BVerfGE 876  BVerfGE 877  BVerfGE 878  BVerfGE 879  BVerfGE 880  BVerfGE 881  BVerfGE

68, 68, 68, 68, 68, 68, 68, 68,

1 1 1 1 1 1 1 1

(80 ff.). (85 ff.). (89 ff.). (90 f.). (92). (96 ff.). (99 ff.). (102).



F. Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 135

daher als unbegründet zurückgewiesen. Im Hinblick auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Fragen ist festzuhalten, dass das Gericht auch in diesem Urteil davon ausging, dass hauptsächlich die Bundesregierung für die auswärtige Gewalt zuständig ist. Darüber hinaus wird ein weites Verständnis der Art. 24, 59 II 1 GG deutlich, indem die Stationierung und die Möglichkeit zum Einsatz von Mittelstreckenraketen das Bündnisprogramm eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht verändere. Demzufolge ergeben sich aus BVerfGE 68, 1 keine anderen Maßstäbe als aus den oben dargestellten Urteilen.

II. BVerfGE 89, 38 – Urteil vom 23. Juni 1993 (Somalia) Das Bundesverfassungsgericht verhandelte im Vorfeld der Entscheidung zu out-of-area-Einsätzen (BVerfGE 90, 286) über eine einstweilige Anordnung bezüglich des Einsatzes der Bundeswehr in Somalia. Diese hatte Erfolg, der Einsatz durfte nur nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestags fortgeführt werden. Dessen Rechte drohten ohne einstweilige Anordnung schwerwiegend verletzt zu werden.882 Im Hinblick auf das Hauptsachverfahren deutete sich hier bereits ein möglicher Parlamentsvorbehalt an, da das Gericht davon ausging, Bundestag und Bundesregierung könnten über „die UNO-Mission des deutschen Kontingents nur gemein­ sam“883 entscheiden.

III. BVerfGE 100, 266 – Beschluss vom 25. März 1999 (Kosovo) Zum durchaus brisanten Einsatz der NATO im Kosovo zu Beginn des Jahres 1999 erging durch das Bundesverfassungsgericht am 25. März 1999 die Entscheidung im Organstreitverfahren der Fraktion der PDS im Deutschen Bundestag gegen die Bundesregierung und den Bundesminister der Verteidigung. Die Fraktion hatte beantragt festzustellen, dass durch die Beteiligung an der NATO-Militäroperation gegen die Föderative Republik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) die Rechte des Bundestags verletzt wurden. Im Einzelnen sei Art. 25 GG verletzt, da durch den Einsatz das dort enthaltene völkerrechtliche Gewaltverbot verletzt werde.884 Es bestehe keine verfassungsrechtliche Grundlage für den vorliegenden Einsatz, da insbeson882  BVerfGE

89, 38 (45). 89, 38 (46). 884  BVerfGE 100, 266 (267). 883  BVerfGE

136

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

dere keine Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vorliege.885 Mit der Zustimmung zum Einsatz habe der Bundestag ultra vires gehandelt, denn eine Verfassungsänderung sei notwendig gewesen.886 Das Gericht ging allerdings nicht auf die Argumentation der Antragstellerin ein, sondern der Antrag wurde wegen fehlender Antragsbefugnis verworfen.887 Die Antragstellerin sprach jedoch wesentliche Probleme an. Für die vorliegende Arbeit ergibt sich aus dem Kosovo-Konflikt vor allem die Frage, ob das deutsche Verfassungsrecht Einsätze der Streitkräfte ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zulässt. Weitere Hinweise lassen sich aus dem Beschluss nicht entnehmen.

IV. BVerfGE 108, 34 – Beschluss vom 25. März 2003 (Bewaffnete Bundeswehreinsätze) Im Beschluss BVerfGE 108, 34 lehnte das Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung durch die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag bezüglich des Einsatzes der Bundeswehr in der Türkei ab, da die außenpolitische Verantwortung der Bundesregierung in der Folgenabwägung die Rechte des Bundestags aus dem Parlamentsvorbehalt überwogen.888 Bis zum Urteil in der Hauptsache889 dauerte es noch fünf Jahre, das Gericht sah schließlich die Rechte des Bundestags verletzt.

V. BVerfGE 117, 359 – Beschluss vom 12. März 2007 (Tornadoeinsatz Afghanistan) In BVerfGE 117, 359 ging es um den Antrag auf einstweilige Anordnung zweier Abgeordneter des Bundestags, die durch die Beschlüsse des Bundestags über die Entsendung deutscher Streitkräfte nach Afghanistan im Rahmen des ISAF-Einsatzes der NATO ihre Rechte aus Art. 38 I 2 GG verletzt sahen und eine Verletzung der Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG durch die Bundesregierung in Prozessstandschaft geltend machten. Das Gericht schloss allerdings eine Geltendmachung der Rechte des Bundestags durch einzelne Abgeordnete aus.890 Darüber hinaus würden diese nicht in ihrem Recht aus Art. 38 I 2 GG verletzt, wenn die Bundesregierung es 885  BVerfGE

100, 266 (267). 100, 266 (268). 887  BVerfGE 100, 266 (268 ff.). 888  BVerfGE 108, 34 (41 ff.). 889  BVerfGE 121, 135. 890  BVerfGE 117, 359 (366). So auch BVerfGE 2, 143 (160); BVerfGE 67, 100 (126); BVerfGE 90, 286 (343 f.); BVerfGE 123, 267 (337). 886  BVerfGE



F. Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 137

unterlässt, eine Fortentwicklung von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit entgegen Art. 59 II 1 GG zu verhindern, dies betreffe ausschließlich den Bundestag.891

VI. BVerfGE 118, 111 – Beschluss vom 29. März 2007 (einstweilige Anordnung zu BVerfGE 118, 244) Zum Verfahren BVerfGE 118, 244 erließ das Gericht ebenfalls zuvor eine einstweilige Anordnung. Die Fraktion der PDS / Die Linke im Bundestag hatte beantragt festzustellen, dass die Bundesregierung die Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG verletzt hatte, indem sie sich an der Fortentwicklung des NATO-Vertrags beteiligte und dies ebenfalls durch die Beteiligung deutscher Streitkräfte am erweiterten ISAF-Mandat der Fall sei. In einer knappen Entscheidung stellte das Gericht fest, dass es vorliegend an der Dringlichkeit einer Entscheidung durch das Gericht fehle und der Antrag daher unbegründet sei.892

VII. BVerfGE 123, 267 – Urteil vom 30. Juni 2009 (Lissabon) Das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts erörtert insgesamt die Frage, ob das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diesbezüglich wurde unter anderem dargelegt, durch das Zustimmungsgesetz sei der Parlamentsvorbehalt verletzt, da der Bundestag die Kompetenz zur Entscheidung über Einsätze der Streitkräfte verliere.893 Dazu stellte das Gericht zunächst fest, dass Auslandseinsätze „außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt (Art. 24 Abs. 2 GG)“894 sind. Eine „Supranationalisierung mit Anwendungsvorrang im Hinblick auf den konkreten Einsatz deutscher Streitkräfte [sei] nicht zulässig. Der konstitutive Parlamentsvorbehalt für den Auslandseinsatz der Bundeswehr sei daher integrationsfest.“895 Die Letztentscheidung über den Einsatz der Bundeswehr muss demnach beim Bundestag verbleiben. Insgesamt habe sich die Europäische Union allerdings noch nicht zu einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit entwickelt und durch den Ver891  BVerfGE

117, 118, 893  BVerfGE 123, 894  BVerfGE 123, 895  BVerfGE 123, 892  BVerfGE

359 (368). 111 (123 f.). 267 (318, 338). 267 (360). 267 (361).

138

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

trag von Lissabon werde der Parlamentsvorbehalt nicht beeinträchtigt.896 Darüber hinaus betonte das Gericht, dass die Regelungen des Grundgesetzes bezüglich der Streitkräfte darauf ausgerichtet sind, den Machtbereich der Exekutive zu begrenzen und die Bundeswehr als Parlamentsheer festzulegen.897 Durch den Parlamentsvorbehalt werde der Bundestag an Entscheidungen der auswärtigen Gewalt beteiligt.898 In Bezug auf die vorliegenden Fragen wird das Urteil teilweise als Begründung dafür herangezogen, dass Einsätze außerhalb der Grundlagen Art. 87a II GG und Art. 24 II GG nicht zulässig seien,899 auch nicht aufgrund ungeschriebener Ermächtigungsgrundlagen und daher Art. 87a II GG für Einsätze im In- und Ausland gelte.900 Des Weiteren werde im Urteil der Begriff der Verteidigung aus Art. 87a II GG eng auslegt.901 Darüber hinaus wird aus dem Urteil zum Teil eine Begründung des Parlamentsvorbehalts aus dem Demokratieprinzip herausgelesen, obwohl dieser zuvor anders hergeleitet worden war.902 Die Frage nach den Auslandseinsätzen der Bundeswehr spielt allerdings keine zentrale Rolle im Lissabon-Urteil. Insoweit sind auch die Aussagen des Gerichts zu diesem Themenkomplex vergleichsweise knapp. Eine eindeutige Absage an bestimmte Ansichten im Themenbereich von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG lässt sich daher kaum herauslesen.903 Das Bundesverfassungsgericht stellt allerdings heraus, dass der Parlamentsvorbehalt zur Stärkung der Möglichkeiten des Bundestags im Bereich der auswärtigen Gewalt führt. Insoweit fügt sich das Urteil in die oben nachvollzogene Entwicklung der Rechtsprechung ein.

VIII. BVerfGE 124, 267 – Beschluss vom 13. Oktober 2009 (Unabhängigkeitserklärung Kosovo) In BVerfGE 124, 267 beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht noch einmal mit einer Frage zum Kosovo. Die Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag hatte beantragt festzustellen, dass die Bundesregierung, indem sie nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo 2008 nicht erneut 896  BVerfGE

123, 267 (423 ff.). 123, 267 (422). 898  BVerfGE 123, 267 (423). 899  Gramm, DVBl 2009, S. 1476, 1477. 900  Gramm, DVBl 2009, S. 1476, 1479. s. o. A. II. 2. b) aa). 901  Dau, NZWehrR 2011, S. 1, 13 ff.; Gramm, DVBl 2009, S. 1476, 1479 f. 902  Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 31. 903  Kokott, Art.  87a GG, in: Sachs, GG, Rn. 32; Krieger, Art. 87a GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Rn. 23; Ladiges, UBWV 2010, S. 114, 118; Ladiges, JuS 2015, S. 598, 600. 897  BVerfGE



F. Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 139

die Zustimmung des Bundestags zum dortigen Einsatz der Streitkräfte eingeholt hatte, Rechte des Bundestags verletzt habe. Das Gericht hielt den Antrag jedoch für offensichtlich unbegründet, da keine tatsächlichen oder rechtlichen Umstände weggefallen seien, die im Zustimmungsbeschluss als notwendige Bedingung des Einsatzes genannt sind.904 Die Zuständigkeiten zwischen Bundestag und Bundesregierung im Hinblick auf Auslandseinsätze seien seit BVerfGE 90, 286 geklärt.905 Ab wann ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte vorliege, stehe seit BVerfGE 121, 135 fest.906 Im Hinblick auf den Einsatz im Kosovo habe sich weder die völkerrechtliche Beurteilung geändert, noch hänge der Beschluss des Bundestags mit der Unabhängigkeit des Kosovo zusammen.907

IX. BVerfGE 126, 55 – Beschluss vom 04. Mai 2010 (G8-Gipfel-Heiligendamm) Im Verfahren BVerfGE 126, 55 ging es um einen Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag, welche die Rechte des Bundestags verletzt sah, indem dessen Zustimmung zum Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm nicht eingeholt wurde. Das Gericht verwarf die Anträge. Der Parlamentsvorbehalt gelte nur für Einsätze im Ausland, nicht im Inland.908 Die Rechte des Bundestags im Hinblick auf Inlandseinsätze seien in der Verfassung geregelt, daraus ergebe sich mithin gerade kein grundsätzlicher Zustimmungsvorbehalt.909 Art. 87a GG begründe keine subjektiven Rechte des Bundestags.910 Das Parlament ist in dieser Vorschrift nicht erwähnt, aus Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der Norm ergäben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für ein solches Recht, ebenso wenig aus Art. 115a I 1 und 80a I GG.911

904  BVerfGE 905  BVerfGE 906  BVerfGE 907  BVerfGE 908  BVerfGE 909  BVerfGE 910  BVerfGE 911  BVerfGE

124, 124, 124, 124, 126, 126, 126, 126,

267 (276). 267 (275). 267 (275). 267 (279). 55 (69 ff.). 55 (71). 55 (73). 55 (74 ff.).

140

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

X. BVerfGE 132, 1 – Beschluss vom 03. Juli 2012 (Luftsicherheitsgesetz) In BVerfGE 132, 1 ging es um einen Beschluss des Plenums bezüglich des Luftsicherheitsgesetzes912. Der Zweite Senat hatte im Hinblick auf die Gesetzgebungszuständigkeit für das Luftsicherheitsgesetz angefragt, ob Art. 35 II 2, III GG einen Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen nicht zulässt und ob § 13 III 2, 3 LuftSiG mit Art. 35 III 1 GG unvereinbar ist.913 Die Gesetzgebungskompetenz für das LuftSiG verortete das Plenum in der Annexkompetenz zu Art. 73 I Nr. 6 GG.914 Die Verwendung spezifisch militärischer Waffen im Rahmen von Art. 35 II 2, III GG schloss das Gericht nicht gänzlich aus, knüpfte dies jedoch an enge Voraussetzungen.915 Im Bereich dieser Frage äußerte sich das Bundesverfassungsgericht zum Begriff des Einsatzes von Streitkräften. Art. 87a II GG sei nur für die Verwendung der Streitkräfte „als Mittel der vollziehenden Gewalt in einem Eingriffszusammenhang“916 anwendbar. Eine solche Verwendung der Streitkräfte läge nicht erst bei konkretem Zwang vor, sondern bereits wenn personelle oder sachliche Mittel der Streitkräfte in ihrem Droh- oder Einschüchterungspotential genutzt werden.917 Zur dritten Vorlagefrage entschied das Plenum, dass ein Einsatz der Streitkräfte gemäß Art. 35 III 1 GG nur durch die Bundesregierung als Kollegialorgan beschlossen werden könne.918 Im Hinblick auf die hier untersuchten Fragestellungen ist die Äußerung des Gerichts zum Begriff des Einsatzes relevant.919 Das Gericht setzt sich zwar mit Einsätzen im Inland auseinander, das Urteil kann jedoch auch für den Begriff des Einsatzes im Ausland he­ rangezogen werden.

G. Zusammenfassung Die Diskussion der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen von Einsätzen deutscher Streitkräfte im Ausland birgt vielschichtige Fragestellungen, die von kaum noch überschaubaren Diskussionsbeiträgen begleitet werden. Dabei bleibt BVerfGE 90, 286 bis heute das maßgebliche Urteil des 912  BGBl. I,

2005, S. 78. 132, 1 (1 f.). 914  BVerfGE 132, 1 (5). 915  BVerfGE 132, 1 (9). 916  BVerfGE 132, 1 (20). 917  BVerfGE 132, 1 (20). 918  BVerfGE 132, 1 (21). 919  s. o. A. II. 2. b) bb). 913  BVerfGE



G. Zusammenfassung141

Bundesverfassungsgerichts zum Thema Auslandseinsätze der Streitkräfte. Alle wesentlichen verfassungsrechtlichen Fragestellungen in diesem Bereich sind hier bereits angelegt. Den darauffolgenden Urteilen kam es zu, einzelne Punkte näher zu beleuchten. Dabei wurden für einige Fragestellungen Lösungen entwickelt, während andere wiederum offen blieben. Diesbezüglich sind sowohl die Bedeutungen einzelner Wörter (z. B. Einsatz und Verteidigung) als auch grundsätzliche Fragen (z. B. die Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt) umstritten. Die relevanten Fragestellungen konzentrieren sich in den Bereichen der Artikel 24 II, 59 II 1 und 87a II GG. Dabei zeichnen sich grundsätzlich zwei Linien ab: Verfassungsrechtliche Probleme der tatbestandlichen Voraussetzungen von Auslandseinsätzen (I.) und die Kompetenzabgrenzung zwischen Bundestag und Bundesregierung in diesem Bereich (II.).

I. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen von Auslandseinsätzen der Streitkräfte Zunächst stellte sich die Frage, welche Voraussetzungen für einen verfassungsrechtlich zulässigen Einsatz der Streitkräfte im Ausland erfüllt sein müssen. 1. Art. 24 II GG Im Verfahren BVerfGE 90, 286 ging es zunächst um eine Rechtsgrundlage für militärische Auslandseinsätze. Das Gericht verwies diesbezüglich auf Art. 24 II GG,920 auf dessen Grundlage folglich Einsätze im Ausland innerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit zulässig sind. Zuvor war Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Einsätze der Streitkräfte in der Literatur vereinzelt diskutiert worden, eine Entscheidung des Gerichts hatte es vor 1994 indessen nicht gegeben. Streitkräfte sind dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen und dieses Argument weckt bis heute Bedenken gegen Art. 24 II GG als Grundlage für Auslandseinsätze. Dennoch werden diese durch den Wortlaut der Norm nicht ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht beantwortete die Fragen, welche Merkmale ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ausmachen und ob die NATO ein solches darstellt. Das ist sie nach Auffassung des Gerichts, weil sie ein „friedenssicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation“921 umfasst und ihre Mitglieder „wechselseitig zur Wahrung 920  BVerfGE 921  BVerfGE

90, 286 (345). 90, 286 (349).

142

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

des Friedens verpflichtet [sind] und Sicherheit [gewähren]“922, sowohl nach innen wie auch nach außen. Dies ist gleichsam bei den Vereinten Nationen der Fall. In BVerfGE 90, 286 definierte das Gericht damit erstmals ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Seit BVerfGE 90, 286 entscheidet das Gericht, dass die Möglichkeit der Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit und die Beschränkung deutscher Hoheitsrechte zu Einsätzen der Streitkräfte im Ausland ermächtigt, die sich im Rahmen und nach den Regeln des Systems abspielen, wenn der Einsatz von Streitkräften zu den üblichen und vereinbarten Aufgaben innerhalb dieses Systems gehört.923 Dabei kann deutsche Befehlsgewalt auf ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit übertragen werden, jedoch nicht die gesamte Befehlsgewalt. Innerhalb eines solchen Systems ermächtigt Art. 24 II GG zu Einsätzen der Bundeswehr, solange die Friedlichkeit der Organisation gewährleistet ist. Diese Friedenswahrung wurde in BVerfGE 90, 286 nicht näher erläutert. Im darauffolgenden Urteil BVerfGE 104, 151 klang die Frage wiederum an, indem die Problematik der Zulässigkeit von Einsätzen deutscher Streitkräfte ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aufgeworfen, jedoch vom Bundesverfassungsgericht nicht aufgelöst wurde. Das Gericht stellte allerdings fest, dass das Zustimmungsgesetz aus Art. 59 II 1 GG nicht durch einzelne Verstöße gegen den NATO-Vertrag überschritten wird, sondern erst, wenn gegen wesentliche Strukturentscheidungen (ultra vires) verstoßen wird.924 Da das Strategische Konzept 1999 Einsätze der NATO ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nicht zur Handlungsgrundlage macht, veränderten sich die wesentlichen Prinzipien der Organisation nicht. Ein friedliches System bestimmt sich demnach nicht nach einzelnen Einsätzen, sondern durch den gesamten Charakter der Organisation. Daraus ergibt sich, dass die NATO durch einzelne Einsätze (wie dem Einsatz im Kosovo 1999) und durch den Beschluss neuer Strategischer Konzepte nicht zu einer unfriedlichen Organisation wird und die Grenze aus Art. 24 II GG gewahrt bleibt. 2. Art. 87a II GG In Bezug auf Art. 87a II GG ist zunächst festzuhalten, dass Absatz 2 als Rechtsgrundlage für einen Einsatz im Ausland in Betracht kommt, nicht Absatz 1. Ob wiederum Art. 87a II GG Rechtsgrundlage für Auslandseinsät922  BVerfGE

90, 286 (349). 90, 286 (345). 924  BVerfGE 104, 151 (210). 923  BVerfGE



G. Zusammenfassung143

ze sein kann (oder nur für solche im Inland), ist vom Gericht bisher ebenfalls nicht entschieden, vielmehr beschränkte es sich darauf festzustellen, dass die Norm der Anwendung des Art. 24 II GG nicht entgegenstehe.925 Diese Aussage wurde in den folgenden Urteilen wiederholt. Die überzeugenderen Argumente sprechen für eine Erstreckung des Anwendungsbereichs von Art. 87a II GG auf Einsätze im Ausland.926 Art. 87a II GG wirft darüber hinaus die Frage nach der Interpretation der Merkmale Verteidigung, Einsatz und ausdrückliche Zulassung auf. Die moderne Sicherheitslage erschwert eine – alle denkbaren Varianten erfassende – Definition der Verteidigung, dies gilt auch für den Begriff des Einsatzes. Dennoch lässt sich festhalten, dass ein solcher bei Verwendung der Streitkräfte als Teil der vollziehenden Gewalt mit spezifischem Drohund Gewaltpotential vorliegt. Auf die konkrete Bewaffnung kommt es nicht an. Übereinstimmend wird der Begriff der Verteidigung von dem des Verteidigungsfalls abgegrenzt. Schwierigkeiten ergeben sich im Zusammenhang mit völkerrechtlichen Regelungen (z. B. Einsatzarten der NATO, humanitäre Intervention oder Responsibility to Protect). Diesbezüglich wird vorgeschlagen, die Auslegung an Art. 51 UNC anzulehnen und Verteidigung in diesem Sinne gegen einen bewaffneten Angriff zuzulassen. Fraglich ist des Weiteren, ob der Angriff von innen oder außen erfolgen muss. Darüber hinaus werden unterschiedliche Lösungsansätze für Angriffe staatlicher und nichtstaatlicher Stellen verfolgt. Schließlich ist auch die zeitliche Ausdehnung des Begriffs umstritten. Insgesamt ist Verteidigung als verhältnismäßige Maßnahme gegen militärische oder militärähnliche Angriffe auch von nichtstaatlichen Akteuren von außen auf das Gebiet der Bundesrepublik oder der Bündnispartner zu verstehen. Darunter fallen ebenso Nothilfe und Rettung eigener Staatsangehöriger im Ausland. In den vorliegenden Verfahren wurde Art. 87a II GG nur in BVerfGE 90, 286 teilweise relevant. Eine abschließende Beurteilung ist bei dem offenen927 Begriff der Verteidigung bislang nicht gelungen und wurde auch vom Bundesverfassungsgericht nicht vorgenommen.

925  BVerfGE

90, 286 (355). Einsatz der Bundeswehr, S. 58 ff.; Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 32; Epping, Art. 87a GG, in: Epping/Hillgruber, GG, Rn. 19; Gramm, NZWehrR 2005, S. 133, 136; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/ Höfling, GG, Rn. 19; Scherrer, Parlament, S. 51 ff. s. o. A. II. 2. b) aa). 927  Isensee, Mündlichen Verhandlung, in: Dau/Wöhrmann, Auslandseinsatz, S. 668, 782. 926  Bähr,

144

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

3. Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG Das Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG bleibt bislang ohne klare Kontur. Es werden jedoch verschiedene Lösungsvorschläge angebracht: Von Art. 24 II GG als ausdrücklicher Regelung im Sinne des Art. 87a II GG über eine unabhängige Anwendungsmöglichkeit, dem Erfordernis der Verteidigung in Art. 24 II GG sowie der Norm als lex specialis und dem Ausgleich beider Normen durch praktische Konkordanz. Das Bundesverfassungsgericht entschied dazu bislang kontinuierlich, dass Art. 87a II GG der Anwendung des Art. 24 II GG zumindest nicht entgegensteht.928

II. Kompetenzverteilung bezüglich Auslandseinsätzen der Streitkräfte Neben den Voraussetzungen der Einsätze war die Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt im Hinblick auf Auslandseinsätze der Streitkräfte zu diskutieren. 1. Art. 59 II 1 GG Umstritten sind zunächst die Grenzen des Art. 59 II 1 GG bezüglich Auslandseinsätzen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist hier für eine erweiternde Auslegung der Norm kaum Raum.929 So haben weder die Strategischen Konzepte noch die neuartigen Missionen der NATO dazu geführt, dass die Organisation über die Grenze der Zustimmungspflicht aus Art. 59 II 1 GG hinaus fortentwickelt wurde. Die enge Auslegung des Art. 59 II 1 GG aus BVerfGE 90, 286 wird jedoch in BVerfGE 104, 151 insofern gelockert, als Vertragsfortentwicklungen ultra vires unzulässig sind.930 Dies bestätigte das Gericht in darauffolgenden Entscheidungen. Dass jene Grenze keine großzügige Ausdehnung der Parlamentsrechte darstellt, wurde jedoch in BVerfGE 118, 244 deutlich: Hier stellt sich die Frage, ab wann die Eingrenzung des Gerichts überhaupt greift, da die territorialen und politischen Grenzen von Auslandseinsätzen relativ weit ausgedehnt wurden.

928  BVerfGE

90, 286 (355). 90, 286 (359 ff.). 930  BVerfGE 104, 151 (209 f.). 929  BVerfGE



G. Zusammenfassung145

2. Auswärtige Gewalt Bei auswärtiger Gewalt handelt es sich um Kompetenzen, die über rein innerstaatliche Zusammenhänge hinausgehen, davon umfasst ist auch der Einsatz der Streitkräfte im Ausland. Das Bundesverfassungsgericht bleibt seit seinen ersten Entscheidungen bei der Auffassung, dass prinzipiell die Exekutive für die auswärtige Gewalt zuständig ist, sie in jenem Zusammenhang über einen Kernbereich verfügt sowie Art. 59 II 1 GG diesbezüglich eine Ausnahmevorschrift darstellt. Dies bekräftigte das Gericht in allen vorliegend dargestellten Urteilen. Auszugehen ist bei der Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt grundsätzlich von Art. 32 und 59 GG. Der Bund ist folglich zumeist zuständig, umstritten ist die Organkompetenz. Im Rahmen von Art. 59 II 1 GG werden politische Verträge eng ausgelegt und vor allem die Interpretation des Begriffs der Verträge ist streitig. Das Bundesverfassungsgericht legte in BVerfGE 90, 286 dar, dass eine Zustimmung des Bundestags nur bei einem Vertragsabschluss erforderlich ist, im Anschluss daran nicht mehr. Seit BVerfGE 104, 151 ist eine Fortentwicklung von Verträgen aus Art. 59 II 1 GG ultra vires unzulässig. Aus dem Wortlaut des Grundgesetzes lässt sich keine eindeutige Zuständigkeitsregelung der auswärtigen Gewalt folgern. Nicht nur für eine Zuständigkeit der Exekutive, sondern auch für eine solche von Exekutive und Legislative gemeinsam, lassen sich überzeugende Argumente darlegen, sowohl aus Art. 59 II 1 GG als auch aus Art. 20 II 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht betont jedoch stets die grundsätzliche Zuständigkeit der Exekutive. In BVerfGE 104, 151 sprach das Gericht allerdings von einem „[Zusammenwirken]“931 zwischen Bundesregierung und Legislative und seit BVerfGE 121, 135 geht das Gericht von einem „Entscheidungsverbund von Parlament und Regierung“932 aus. Es lässt sich damit eine leichte Tendenz der Stärkung des Bundestags beobachten, ohne dass hieraus jedoch eine fundamentale Änderung folgt. Im Hinblick auf die Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt betont das Gericht seit BVerfGE 118, 244 das Mitentscheidungsrecht des Parlaments durch den Parlamentsvorbehalt, welcher als Stärkung der Parlamentsrechte gesehen werden kann.933

931  BVerfGE

104, 151 (210). 121, 135 (161); BVerfGE 140, 160 (189). 933  BVerfGE 118, 244 (258). 932  BVerfGE

146

Teil 2: Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

3. Parlamentsvorbehalt Bezüglich der Frage nach der Kompetenzverteilung speziell für die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der auswärtigen Gewalt entschied das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 90, 286, dass für einen Einsatz der Streitkräfte im Ausland die Bundesregierung die Zustimmung des Parlaments benötigt (Parlamentsvorbehalt).934 Nachdem dieser in den letzten beiden Jahrzehnten allgemeine Zustimmung fand, wurde seine Reichweite im Jahre 2015 überprüft.935 Seine dogmatische Begründung ist bis heute durchaus strittig. Im Gegensatz zu BVerfGE 90, 286936 bezeichnet das Gericht den Vorbehalt seit BVerfGE 104, 151 als Instrument parlamentarischer Kontrolle.937 Der Parlamentsvorbehalt ist seit BVerfGE 121, 135 im Zweifel parlamentsfreundlich auszulegen,938 dies stellt einen weiteren Schritt in Richtung einer Kompetenzerweiterung der Legislative bezüglich der auswärtigen Gewalt dar. Ab wann der Parlamentsvorbehalt greift, bestimmt sich nach der Definition des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte, die vom Gericht in BVerfGE 121, 135 geleistet wurde:939 Ein solcher findet statt, wenn die Streitkräfte in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden, die zumindest bei der qualifizierten Erwartung bewaffneter Auseinandersetzungen zu bejahen sind, d. h. beim Vorliegen eines konkreten Anhaltspunkts für die Anwendung von Waffengewalt, die zeitlich unmittelbar bevorsteht. Diese Feststellungen bestätigte das Gericht in seiner jüngsten Entscheidung zum Themenkomplex am 23. September 2015 und stellte darüber hinaus fest, dass eine nachträgliche Zustimmung des Bundestags nicht erforderlich ist, wenn Einsätze, die von der Bundesregierung bei Gefahr im Verzug beschlossen wurden, zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Zustimmung bereits beendet sind.940 Die Darstellung der verfassungsrechtlichen Probleme zeigt insgesamt eine festgefahrene Situation, in der nahezu alle Argumente genannt wurden, ohne dass dies näher an ein überzeugendes Ergebnis geführt hätte oder der Einsatz bewaffneter Streitkräfte auf stabilen verfassungsrechtlichen Grundlagen ruht. Im Laufe der Jahre hat das Bundesverfassungsgericht zwar diverse verfassungsrechtliche Probleme ausführlich beleuchtet, jedoch nicht 934  BVerfGE

90, 286 (381). die Vorschläge der Kommission vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Unterrichtung, BT-Drucks. 18/5000. 936  BVerfGE 90, 286 (381 ff.). 937  BVerfGE 104, 151 (208). 938  BVerfGE 121, 135 (162). 939  BVerfGE 121, 135 (156 ff.). 940  BVerfGE 140, 160 (199 f.). 935  Für



G. Zusammenfassung147

alle Diskussionen zu einem Ergebnis geführt. Besonders die offenen Fragen zu Art. 87a II GG bleiben problematisch. In anderen Bereichen eröffnet das Gericht zwar Lösungswege, ob diese jedoch neueren politischen Entwicklungen standhalten, ist durchaus fraglich. Schon jetzt fügen sich nicht alle denkbaren Fälle eines Einsatzes der Streitkräfte im Ausland in die Schablonen der Wehrverfassung ein. Sollte das Engagement ausgeweitet werden, wie zu Beginn des Jahres 2014 gefordert,941 sind weitere Ungewissheiten vorprogrammiert. Insbesondere die Frage nach der verfassungsrechtlichen Grundlage unilateraler Einsätze bleibt unbeantwortet. Es wird deutlich, dass im Bereich der Auslandseinsätze der Streitkräfte die politische Realität immer neue Fragen aufwirft, die weiterführende Anforderungen an die Normen des Grundgesetzes stellen. Gleichzeitig findet keine Verfassungsänderung der einschlägigen Regelungen statt. In diesem Zusammenhang ist der Begriff des Verfassungswandels aufgeworfen.942 Daher wird im Folgenden untersucht, ob ein solcher nachgewiesen werden kann und ob dieser zur Lösung der dargestellten verfassungsrechtlichen Fragestellungen weiterhelfen kann, indem sich aus dem Konzept des Verfassungswandels neue Lösungsansätze ergeben. Darüber hinaus ist zu fragen, ob aus der Anwendung des Konzepts des Verfassungswandels Rückschlüsse auf dieses selbst gezogen werden können.

941  Pfister/Repinski, Der Spiegel vom 27. Januar 2014, S. 19; Nonnenmacher, FAZ vom 03. Februar 2014, Nr. 28, S. 1. 942  s. o. Teil  1.

Teil 3

Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht Im Kontext verfassungsrechtlicher Fragestellungen zu Auslandseinsätzen der Streitkräfte und der faktischen Veränderung von Inhalt und Anforderungen solcher Einsätze ist die Frage aufgeworfen, ob die erörterten Normen (Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG) im Laufe der Zeit Veränderungen unterlagen. Dabei führt die Diskussion immer wieder zum Begriff des Verfassungswandels.1 Zumeist wird ein Verfassungswandel zwar anhand der Veränderungen von Grundrechten dargestellt,2 es finden sich jedoch ebenso Hinweise auf einen Verfassungswandel in den Normen, die zum vorliegenden Themenbereich gehören,3 vor allem der Parlamentsvorbehalt wird als Bei­ spiel für einen Verfassungswandel angeführt:4 „Die Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 GG zu bestimmten Auslandseinsätzen der Bundeswehr würde wohl [von der Verfassungswandlung] erfasst werden, sofern man [dies] noch als Ergebnis der Interpretation geschriebenen Rechts verstehen will“5. 1  s. o.

Teil  1. Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 38; Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 21, Rn. 63; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 451, 467 ff.; Schenke, JZ 44 (1989), S. 653, 655 ff.; Wittinger, Verfassungen, in: Wittinger/Wendt/Ress, FS Fiedler, S. 739, 741 ff.; Wahl, Verfassungsänderung – Verfassungswandel – Verfassungsinterpretation II, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 65, 75 f. Am Beispiel von Art. 68 GG Holzner, Normative Kraft. 3  Depenheuer, Art. 87a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 57; Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 38; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 453; Schmahl, Einsatz deutscher Streitkräfte, in: Dreier, Macht und Ohnmacht, S. 107, 110; Streinz, Wandlungen des Grundgesetzes, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 130, 153 f.; Wolff, Verfassungsrecht, S. 109. 4  Badura, Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 265, Rn. 13; Badura, Staatsrecht, G 83; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 453; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 54; Roellecke, Identität und Variabilität der Verfassung, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 453, Rn. 54. 5  Wolff, Verfassungsrecht, S. 109. Dafür auch Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 38. Verfassungswandel in Bezug auf Verteidigung gemäß Art. 87a GG Schulte-Bunert, Grundrechtsschutz, S. 100 f. 2  Dreier,



A. Einführung149 „Ein Beispiel für diese Verfassungsfortbildung [durch Verfassungswandel] ist die Statuierung des Parlamentsvorbehalts für Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des Verteidigungsfalls.“6

Der Begriff des Verfassungswandels verweist auf die Thematik der Entwicklung von Verfassungsnormen im Laufe der Zeit. Da ein Verfahren zur Änderung des Grundgesetzes jedoch in Art. 79 GG normiert ist, wird zu diskutieren sein, in welchem Verhältnis Verfassungswandel und Art. 79 GG stehen. Hierbei ist insbesondere das Bundesverfassungsgericht in den Blick zu nehmen, da die bindende Wirkung der Entscheidungen des Gerichts ein Spannungsverhältnis zu Art. 79 GG erzeugt. Im Folgenden wird zunächst die Fragestellung detaillierter dargelegt (A.), anschließend erörtert, was unter dem Begriff des Verfassungswandels zu verstehen ist (B. I.), welchen Grenzen dieser unterliegt (B. II.), ob im vorliegenden Themenkomplex ein Verfassungswandel festgestellt werden kann (C.) und schließlich, welches Fazit aus der Untersuchung resultiert (D.).

A. Einführung Die zuvor dargestellten Urteile des Bundesverfassungsgerichts deuten auf eine mögliche Entwicklung bzw. Veränderung in den relevanten verfassungsrechtlichen Normen (Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG) hin. Eingangs wird daher die Rolle des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf einen Verfassungswandel dargelegt (II.) sowie die vorliegende Fragestellung näher erläutert (I.).

I. Fragestellung Der Begriff des Verfassungswandels wird im Zusammenhang mit der Veränderung von Normen des Grundgesetzes im Laufe der Zeit angebracht und der Einfluss der Zeit auf die verfassungsrechtlichen Regelungen problematisiert. Zunächst stellt sich daher die Frage, was genau unter dem Begriff des Verfassungswandels zu verstehen ist, d. h. welchen Voraussetzungen und Grenzen dieser unterliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Veränderung von verfassungsrechtlichen Normen im Hinblick auf das Grundgesetz ein erklärungsbedürftiger Vorgang ist, da die Verfassung ihre eigene Änderung in 6  Badura, Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 265, Rn. 13. So ebenfalls Michael, RW 5 (2014), S. 426, 453; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 54; Roellecke, Identität und Variabilität der Verfassung, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 453, Rn. 54.

150

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Art. 79 GG regelt. Sowohl Verfassungswandel als auch Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG betreffen damit die Änderung des Grundgesetzes. Da beide Vorgänge die gleiche Thematik tangieren, könnte eine Veränderung von Normen jenseits des Art. 79 GG unzulässig sein. Infolgedessen kann eine nähere Eingrenzung des Begriffs des Verfassungswandels nur im Hinblick auf Art. 79 GG erfolgen. Diese Problematik ist insbesondere in Bezug auf das Bundesverfassungsgericht aufgeworfen, da dessen Entscheidungen gemäß § 31 BVerfGG bindende Wirkung entfalten und gleichzeitig allgemeine Autoritätswirkung genießen.7 Die (teilweise) verbindliche Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erzeugt damit die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Verfassungswandels. Dieses Problem kann durch ein rein deskriptives Verständnis8 des Verfassungswandels nicht gelöst werden, da hierbei die Frage offen bleibt, welche Kriterien an einen zulässigen Verfassungswandel angelegt werden sollten. Das Gericht trifft verbindliche Aussagen über das Verfassungsrecht, obwohl keine verbindliche Interpretationsmethode existiert. Ein Verfassungswandel durch das Gericht als letztverbindlichen Interpreten des Grundgesetzes könnte daher einen Verstoß gegen Art. 79 GG nach sich ziehen. Ein solcher Verfassungswandel steht folglich im Spannungsverhältnis zu Art. 79 GG. Dieses gilt es näher zu untersuchen und gegebenenfalls aufzulösen. Dazu ist es zunächst erforderlich darzulegen, ob in den vorliegenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts ein Verfassungswandel stattfand.

II. Bindungswirkung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts Ein Verfassungswandel durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts könnte aufgrund der Bindungswirkung derselben eine Veränderung des Grundgesetzes bedeuten, die von Art. 79 GG nicht zugelassen wird. Daher wird im Folgenden zunächst die bindende Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts näher dargelegt. Die Rechtsprechung9 soll das geltende Recht durchsetzen (Art. 20 II, III, 92, 97 GG).10 Dem Bundesverfassungsgericht kommt diese Aufgabe daher 7  s. u.

II. dazu zuletzt Becker/Kersten, AöR 141 (2016), S. 1. 9  Das Bundesverfassungsgericht als Rechtsprechung, vgl. Nachweise bei Stern, Art. 93 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 33 Fn. 4; oder Bethge, Vorbemerkung, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein et al., BVerfGG, Rn. 18; Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 163; Rupp-von Brünneck, AöR 102 (1977), S. 1, 3. 10  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 6. 8  Vgl.



A. Einführung151

im Hinblick auf das Grundgesetz zu.11 Das Gericht legt das Grundgesetz aus und entwickelt dieses fort.12 Es ist sogenannter „Hüter der Verfassung“13 und entscheidet letztverbindlich14. Dabei ist es an das Grundgesetz gebunden, unparteiisch und unabhängig.15 Die Kompetenzen des Gerichts sind vor allem in Art. 93 GG geregelt und abschließend festgelegt.16 Aus der Einordnung des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan ergeben sich keine über das Grundgesetz hinausgehenden Kompetenzen (wie z. B. die zum Verfas­sungs­ wandel).17 Im Zusammenhang mit dem Verfassungswandel werden mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht weitere Problemfelder diskutiert, die auch in der vorliegenden Untersuchung tangiert werden: das Verhältnis von Bundesverfassungsgericht zu Exekutive und Legislative18 (d. h. das Bundesverfassungsgericht in der Gewaltenteilung), die Interpretation des Gerichts selbst sowie allgemein die Legitimation der Verfassungsrichter und -richterinnen.19 11  Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 561; Kreuter-Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit im Dienst der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 272, Rn. 19; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 47. 12  BVerfGE 6, 222 (240); Badura, Verfassung, Staat und Gesellschaft, in: Starck, FS 25 Jahre BVerfG, S. 1; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 562; Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 53 f.; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Rn. 24 ff., 33; Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 71. 13  Ursprünglich Kelsen, VVDStRL 5 (1929), S. 30; Kelsen, Die Justiz 1930/31, S. 576; Schmitt, Hüter der Verfassung. Seit BVerfGE 1, 184 (195 ff.); Bundesverfassungsgericht, JZ 8 (1953), S. 157. Belege bei Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 18 Fn. 82; dazu auch Detterbeck, Art. 93 GG, in: Sachs, GG, Rn.  4 f.; Stern, Art. 93 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 38; Wieland, Art. 93 GG, in: Dreier, GG, Rn. 30. 14  Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 167 f.; Isensee, AöR 138 (2013), S. 325, 331; Stern, Art. 93 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 34; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Rn. 26; Wieland, Art. 93 GG, in: Dreier, GG, Rn. 31. 15  Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 163; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 18, 20, 23. 16  Maunz, Art. 93 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 1; Meyer, Art. 93 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 11; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 90. 17  Gröpl/Georg, AöR 139 (2014), S. 125, 138; Meyer, Art. 93 GG, in: von Münch/ Kunig, GG, Rn. 6; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 31 ff.; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 28  f.; Wieland, Art. 93 GG, in: Dreier, GG, Rn. 30. 18  Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt et al., FS Isensee, S. 183, 193 f.; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn.  502 ff.; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, Fn. 1. 19  Grzeszick, Art. 20 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Abschnitt II. Rn. 235 ff.; Rennert, JZ 70 (2015), S. 529; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, Fn. 2.

152

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet als letztverbindlicher Interpret und ist dabei gleichzeitig an das Grundgesetz gebunden.20 Die Entscheidungen dürfen folglich nicht gegen das Grundgesetz verstoßen, das Gericht kann seine Entscheidungen jedoch nur selbst korrigieren.21 Dabei besteht keine verbindliche Methode zur Entscheidungsfindung, auch der Kontrollmaßstab der Entscheidungen, das Grundgesetz, unterliegt wiederum der Interpretation des Gerichts.22 Dieses ist zwar einerseits beschränkt in seinen Möglichkeiten, indem es nur auf Anrufung hin agieren kann und auf bestimmte Verfahrensarten limitiert ist, andererseits kommt den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bindende Wirkung zu. Dies folgt zum einen aus faktischen Gründen, da eine festgelegte Interpretation zwar nur für das konkrete Verfahren gilt, jedoch zumeist zu erwarten ist, dass diese in ähnlichen Verfahren gleichsam ausgesprochen wird.23 Zum anderen entfalten die Entscheidungen bindende Wirkung gemäß § 31 I BVerfGG bzw. teilweise Gesetzeskraft gemäß § 31 II BVerfGG.24 Ein Verfassungswandel könnte sich demnach mit verbindlicher Wirkung aus den Entscheidungen des Gerichts ergeben, indem sich die Interpretation verändert. Die Auslegung des Gerichts ist „letztverbindlich und […] autoritativ“25 bzw. „authentisch“26. Dementsprechend stellte Rudolf Smend fest, „das Grundgesetz [gelte] nunmehr praktisch so, wie das Bundesverfassungsgericht es auslegt“27. Der Umfang der Bindungswirkung hängt davon ab, was gemäß § 31 I BVerfGG unter Entscheidungen zu verstehen ist. Übereinstimmend wird zumeist auf den Tenor der Entscheidung verwiesen.28 Das Bundesverfas20  Bethge, § 31 BVerfGG, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein et al., BVerfGG, Rn. 7; Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 166 ff. 21  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 13; Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 167; Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, § 1 Rn. 10. 22  Vgl. Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 168 f.; Kenntner, DÖV 1997, S. 450, 456. 23  Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 167. 24  Borowski, Subjekte der Verfassungsinterpretation, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 274, Rn. 26. 25  Stern, Staatsrecht I, S. 130. 26  Schneider, Authentische Interpretation, in: Bernhardt/Geck/Jaenicke et al., FS Mosler, S. 849, 854. 27  Smend, Das Bundesverfassungsgericht, in: Smend, Abhandlungen, S. 581, 582. 28  Bethge, § 31 BVerfGG, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, et al., BVerfGG, Rn. 94; Lechner/Zuck, BVerfGG, § 31 Rn. 30; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 485.



A. Einführung153

sungsgericht geht darüber hinaus davon aus, dass tragende Gründe, welche die Verfassungsauslegung betreffen und den Tenor darlegen, ebenfalls verbindlich sind.29 Dies soll Wille des Gesetzgebers gewesen sein.30 Der Wortlaut des § 31 BVerfGG differenziert zwischen Entscheidungen und Entscheidungsformel, dementsprechend gehe ersteres über letzteres hi­naus.31 Als bindend werden andererseits allerdings ausschließlich die Entscheidungsformeln des Gerichts betrachtet.32 Kritisiert wird zum einen die fehlende Präzision des Begriffs der tragenden Gründe,33 wogegen jedoch angeführt wird, dass durchaus die Möglichkeit der Grenzziehung bestehe.34 Zum anderen wird auf die Gefahr der Versteinerung des Verfassungsrechts aufmerksam gemacht, die durch eine verbindliche Interpretation des Bundesverfassungsgerichts entstehe.35 Eine Auseinandersetzung über das Verfassungsrecht werde durch die Monopolstellung des Bundesverfassungsgerichts verhindert.36 Allerdings ist die Interpretation des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich änderbar.37 Zumindest erstrecke sich die Bindungswirkung nur auf den konkreten Fall und eine Abweichung sei daher zukünftig nicht ausgeschlossen.38 Darüber hinaus müsse das Gericht ohnehin die Gestaltungsspielräume anderer staatlicher Organe berücksichtigen.39 Mit einer Bindungswirkung jenseits des Tenors nehme das Gericht jedoch legislative Kompetenzen wahr.40 Ferner sprächen besondere Tenorierungsmöglichkeiten 29  BVerfGE 1, 14 (37); BVerfGE 19, 377 (391  f.); BVerfGE 20, 56 (87); BVerfGE 24, 289 (297); BVerfGE 40, 88 (93); BVerfGE 104, 151 (197); BVerfGE 112, 268 (277); Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 II 3. Dagegen Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 566. 30  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 420; Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung, in: Badura/Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, S. 385, 391. 31  Heusch, § 31 BVerfGG, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Rn. 59. 32  Z. B. BGHZ 13, 265 (277 ff.). Vgl. für Nachweise Ziekow, JURA 1995, S. 522, Fn. 61; Klein, NJW 1977, S. 697, 700; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 48 II 3. 33  Hoffmann-Riem, Der Staat 13 (1974), S. 335, 349; Kriele, Rechtsgewinnung, S. 294; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 488; Stricker, DÖV 1995, S. 978, 984 f. 34  Bethge, § 31 BVerfGG, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, et al., BVerfGG, Rn. 101. 35  Hoffmann-Riem, Der Staat 13 (1974), S. 335, 342 f.; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 490. 36  Kriele, Rechtsgewinnung, S. 291 f. 37  Bethge, § 31 BVerfGG, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, et al., BVerfGG, Rn.  98 ff. 38  Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 70, Rn. 107. 39  Heusch, § 31 BVerfGG, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Rn. 59. 40  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  419 f.; Hoffmann-Riem, Der Staat 13 (1974), S. 335, 341; Stricker, DÖV 1995, S. 978, 983.

154

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

im BVerfGG gegen die Bindungswirkung der tragenden Gründe,41 andererseits wird dies lediglich als Erweiterung des § 31 I BVerfGG gesehen.42 Schließlich sei das Gericht durch die Berufung auf tragende Gründe dazu verleitet, sich weniger am Text der Verfassung zu orientieren und entgehe der Auseinandersetzung mit den Fachgerichten.43 Ebenfalls wird kritisiert, die Bindungswirkung tragender Gründe sei im Hinblick auf die vielen unterschiedlichen Begründungsmöglichkeiten des gleichen Ergebnisses problematisch, auch seien nicht alle möglichen Gründe im Urteil erfasst.44 Für die Erstreckung der Bindungswirkung auf tragende Gründe spreche allerdings, dass § 31 I BVerfGG andernfalls kaum eigenständige Bedeutung zukäme.45 Daneben müsse die Interpretation der Verfassung – wozu das Gericht berufen ist46 – vollständig und nachvollziehbar sein, was nur unter Berücksichtigung der tragenden Gründe möglich sei.47 Die Einheit der Verfassung48 erfordere, dass der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts bindende Wirkung zukommt.49 Die Konkretisierung des Verfassungsrechts sei auch durch § 31 I BVerfGG explizit dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen und könne nicht allein durch den Tenor geschehen.50 Es sollen daher zumindest die Gründe, die nötig sind, den Tenor zu verstehen, Teil an dessen Bindungswirkung haben.51 Das Bundesverfassungsgericht fasst wiederum tragende Gründe grundsätzlich unter § 31 I BVerfGG.52 Die besseren Argumente sprechen insgesamt dafür, jenseits des Tenors die bindende Wirkung auf die tragenden Gründe zu erstrecken. 41  Heusch, § 31 BVerfGG, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Rn. 58; Hoffmann-Riem, Der Staat 13 (1974), S. 335, 348. 42  Ziekow, NVwZ 1995, S. 247, 248; Ziekow, JURA 1995, S. 522, 527. 43  Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn.  491  f.; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 32. 44  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  417 f.; Kriele, ZRP 1975, S. 73, 75. 45  Bethge, § 31 BVerfGG, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, et al., BVerfGG, Rn. 97; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 420; Lange, JuS 1978, S. 1, 4; Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 70, Rn. 107. 46  Heusch, § 31 BVerfGG, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Rn. 59; Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 70, Rn. 107. 47  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 421; Lenz/Hansel, § 31, in: Lenz/Hansel, BVerfGG, Rn. 27. 48  s. u. B. II. 2. a) aa). 49  Heusch, § 31 BVerfGG, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Rn. 59. 50  Benda/Klein/Klein (Hrsg.), Verfassungsprozessrecht, Rn. 1456. 51  Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, § 20, Rn. 90. 52  BVerfGE 1, 14 (37); BVerfGE 19, 377 (391  f.); BVerfGE 20, 56 (87); BVerfGE 24, 289 (297); BVerfGE 40, 88 (93); BVerfGE 112, 268 (277).



A. Einführung155

Es bleibt jedoch fraglich, was unter tragenden Gründen zu verstehen ist. Tragende Gründe sind „jene Rechtssätze, die nicht hinweggedacht werden können, ohne daß das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele. Nicht tragend sind dagegen bei Gelegenheit einer Entscheidung gemachte Rechtsausführungen, die außerhalb des Begründungszusammenhangs zwischen genereller Rechtsregel und konkreter Entscheidung stehen.“53 Teilweise wird eine Anknüpfung an die Leitsätze des Gerichts zur Bestimmung der tragenden Gründe angenommen,54 die Erstellung von Leitsätzen ist jedoch weder geregelt noch verpflichtend.55 Tragende Gründe sollen objektiv zu ermitteln sein,56 mit Indizienfunktion der Leitsätze.57 Das Gericht selbst kann nicht beliebig Gründe zu „tragenden“ erklären.58 Auch obiter dicta sind nicht verbindlich.59 Zur näheren Bestimmung wird daher vorgeschlagen, die tragende „Argumentationskette“60 nachzuvollziehen. Grundsätzlich sind tragende Gründe zumindest solche, die zum Verständnis des Tenors nötig sind,61 da dieser andernfalls nicht erfasst werden kann. Darüber hinaus sollen tragende Gründe diejenigen sein, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass sich die Entscheidung des Gerichts ändert,62 sozusagen der „Brennpunkt des Konflikts“63. Vorgeschlagen wird gleichsam, dass ein tragender Grund die Aussage des Gerichts sei, „daß ein derartiges Verhalten nicht nur im entschiedenen Fall, sondern unter gleichgelagerten Bedingungen generell erlaubt, verboten oder geboten ist“64. Die Begründung soll abstrahierbar sein.65 Insgesamt können demnach tragende Gründe, die zum 53  BVerfGE

96, 375 (404); BVerfGE 115, 97 (110). 73, 263 (268); BVerwGE 77, 258 (261). Dazu Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 489. 55  Knops, KritV 80 (1997), S.  38, 47; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, § 20, Rn. 37; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 489; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 32. 56  Bethge, § 31 BVerfGG, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, et al., BVerfGG, Rn. 102; Heusch, § 31 BVerfGG, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Rn. 61. 57  Benda/Klein/Klein (Hrsg.), Verfassungsprozessrecht, Rn. 1452. 58  Benda/Klein/Klein (Hrsg.), Verfassungsprozessrecht, Rn. 1454. 59  Benda/Klein/Klein (Hrsg.), Verfassungsprozessrecht, Rn. 1452; Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  414 ff.; Knops, KritV 80 (1997), S. 38, 46; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 488. 60  Ziekow, NVwZ 1995, S. 247, 249. 61  Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, § 20, Rn. 90; Ziekow, JURA 1995, S. 522, 527. 62  Knops, KritV 80 (1997), S. 38, 46. 63  Lange, JuS 1978, S. 1, 5. 64  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 424. 65  Ziekow, JURA 1995, S. 522, 528. 54  BVerwGE

156

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Verständnis des Tenors nötig sind und solche, die nicht hinweggedacht werden können bzw. abstrahierbar sind, unterschieden werden. Beide unterliegen der Bindungswirkung aus § 31 I BVerfGG. Für die vorliegende Untersuchung stellt sich nun die Frage, welche Komponenten der untersuchten Urteile verbindliche Wirkung entfalten. Diese können der Darstellung des Verfassungswandels zugrunde gelegt werden. Bindende Wirkung für die in § 31 I BVerfGG genannten Organe hat nach dem oben dargelegten jedenfalls der Tenor der Urteile: BVerfGE 90, 286: „1. Die Anträge der jeweiligen Antragsteller zu 2) werden verworfen. Die Anträge der Antragsteller zu 1) in den Verfahren 2 BvE 3 / 92, 2 BvE 7 / 93 und 2 BvE 8 / 93 werden insoweit verworfen, als sie sich gegen den Antragsgegner zu 2) richten. 2. a) Das Grundgesetz verpflichtet die Bundesregierung, für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte die – grundsätzlich vorherige – konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen. Die Bundesregierung hat gegen dieses Gebot verstoßen, indem sie aufgrund ihrer Beschlüsse vom 15. Juli 1992, 2. April 1993 und 21. April 1993 bewaffnete Streitkräfte eingesetzt hat, ohne vorher die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen. b)  Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.“

Durch den Tenor ist somit bindend festgestellt, dass Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG nicht verletzt wurden. Das Gericht entschied des Weiteren über das Bestehen des Parlamentsvorbehalts. BVerfGE 104, 151: „Der Antrag wird zurückgewiesen.“

Damit verletzte die Zustimmung der Bundesregierung zu den Beschlüssen über das neue Strategische Konzept der NATO nicht die Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG. BVerfGE 118, 244: „Die Anträge werden zurückgewiesen.“

Das Gericht entschied dadurch mit bindender Wirkung, dass die Bundesregierung die Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG nicht verletzte, indem sie sich an der konsensualen Fortentwicklung des NATO-Vertrags beteiligte. Darüber hinaus verstieß diese nicht gegen wesentliche Strukturentscheidungen des Vertrags, wodurch Rechte aus Art. 59 II 1 GG hätten verletzt werden können. Außerdem verletzte auch die Beteiligung am erweiterten ISAF-Mandat diese Rechte nicht. BVerfGE 121, 135: „Die Antragsgegnerin hat den Deutschen Bundestag in seinem wehrverfassungsrechtlichen Beteiligungsrecht in Form des konstitutiven Parlamentsvorbehalts für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte verletzt, indem sie es unterlassen hat, seine Zustimmung zur Beteiligung deutscher Soldaten an Maßnahmen der NATO zur Luftüberwachung der Türkei vom 26. Februar bis zum 17. April 2003 einzuholen.“



A. Einführung157

In dieser Entscheidungsformel stellte das Gericht fest, dass die Beteiligung deutscher Soldaten an NATO-Einsätzen im Rahmen der Luftüberwachung der Türkei unter den Parlamentsvorbehalt fällt und dies der Zustimmung des Bundestags bedurft hätte. BVerfG 2 BvE 6 / 11: Der Antrag wird zurückgewiesen.

Somit verletzte die Bundesregierung den Parlamentsvorbehalt nicht, indem sie die Zustimmung des Bundestags zum Einsatz deutscher Soldaten zur Rettung deutscher Staatsangehöriger aus Libyen am 26. Februar 2011 nicht einholte. Es stellt sich nun die Frage, welche Begründungen als tragende Gründe eingeordnet werden können. In BVerfGE 90, 286 ergibt sich aus dem Tenor das Bestehen eines Parlamentsvorbehalts. Warum ein solcher existiert, lässt sich allerdings erst aus der Begründung66 des Gerichts ablesen. Für den konkreten Fall ist daher die Begründung nicht zwangsläufig zum Verständnis des Tenors nötig, kann jedoch auch nicht hinweggedacht werden, ohne dass das Urteil in seiner konkreten Gestalt entfiele und ist daher ein tragender Grund. Zum Verständnis der Zurückweisung der Anträge ist die Begründung notwendig, warum die Maßnahmen der Bundesregierung nicht die Art. 24 II, 87a II, 59 II 1 GG verletzten.67 Damit können diese Stellen bereits aufgrund des Verständnisses des Tenors als bindend gemäß § 31 I BVerfGG qualifiziert werden. Nicht zu den tragenden Gründen gehört jedenfalls die Erläuterung der Richterin und Richter, welche die Entscheidung nicht tragen.68 In BVerfGE 104, 151 werden die Anträge zurückgewiesen. Zum Verständnis des Tenors ist daher die Kenntnis erforderlich, warum kein Zustimmungsverfahren69 zum neuen Strategischen Konzept nötig war. Im Weiteren müsste die Frage beantwortet werden, ob Art. 59 II 1 GG erweitert ausgelegt werden kann,70 denn ohne diese Darstellung entfiele das konkrete Ergebnis, die Begründungen diesbezüglich können daher als tragende Gründe des Urteils verstanden werden. Auch in BVerfGE 118, 244 werden die Anträge zurückgewiesen. Hier ist zum Verständnis ebenfalls eine Begründung nötig, warum Art. 59 II 1, 24 II GG nicht verletzt71 sind. 66  BVerfGE 67  BVerfGE 68  BVerfGE 69  BVerfGE 70  BVerfGE 71  BVerfGE

90, 286 (381 ff.). 90, 286 (345 ff., 355 ff., 357 ff.). 90, 286 (372 ff.). 104, 151 (199 ff.). 104, 151 (206 ff., 209 ff.). 118, 244 (263 ff., 270 ff.).

158

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Um den Tenor aus BVerfGE 121, 135 zu verstehen, ist es erforderlich, die Reichweite des Parlamentsvorbehalts zu kennen, sonst ist nicht nachvollziehbar, warum dieser verletzt ist. Das Gericht begründet72 dies und jene Begründung kann demnach als bindend im Sinne von § 31 I BVerfGG verstanden werden. Im letzten dargestellten Verfahren BVerfGE 140, 160 wurde der Antrag schließlich zurückgewiesen. Zum Verständnis sind daher nähere Erläuterungen des Parlamentsvorbehalts erforderlich,73 d. h. die Darstellung, warum dieser nicht verletzt wurde. Insgesamt ist ein Verfassungswandel anhand der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu untersuchen, da der Interpretation des Gerichts bindende Wirkung zukommen kann und durch die zeitliche Entwicklung gleichzeitig die Gefahr einer Veränderung des Grundgesetzes entgegen der Regelung des Art. 79 GG entsteht. Ausgehend von den Interpretationen des Bundesverfassungsgerichts, welche der bindenden Wirkung der Entscheidungen unterfallen, wird nun eine Veränderung im Sinne des Verfassungswandels erörtert. Für diese Untersuchung werden Tenor und tragende Gründe der Entscheidungen herangezogen. Hinsichtlich der vorliegenden Urteile sind daher zu berücksichtigen: Die Ausführungen des Gerichts zu Begründung und Reichweite des Parlamentsvorbehalts, insbesondere bezüglich einzelner Einsätze sowie die Interpretation des Art. 59 II 1 GG im Hinblick auf das neue Strategische Konzept der NATO, dessen konsensuale Fortentwicklung und die Beteiligung am ISAF-Einsatz.

B. Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht in der Theorie Mit den dargestellten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts ist ein Verfassungswandel angedeutet, jedoch noch nicht näher erörtert. Bevor ein solcher dargelegt werden kann, ist nun der Begriff des Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht näher einzugrenzen. Daher erfolgt zunächst ein Überblick über die Theorien des Verfassungswandels (I.), um anschließend die Voraussetzungen und Grenzen eines Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf Art. 79 GG zu diskutieren (II.).

72  BVerfGE 73  BVerfGE

121, 135 (153 ff.). 140, 160 (187 ff., 194, 198, 203).



B. Verfassungswandel in der Theorie159

I. Theorien des Verfassungswandels Der Begriff des Verfassungswandels ist eine ambivalente Figur in der Rechtswissenschaft. Nicht nur kann eine lang anhaltende wissenschaftliche Diskussion nachgezeichnet werden74 und bestehen unterschiedliche Ansichten75 zum Begriff, sondern schließlich verweist der Verfassungswandel stets zugleich auch auf weiterführende Auseinandersetzungen76. Grundsätzlich ist die Frage nach Veränderung der Verfassungsnormen aufgeworfen, bei genauerer Betrachtung zeigen sich allerdings verschiedenste Ausdifferenzierungen. Dabei werden teilweise unterschiedliche Begriffe verwendet (Verfassungswandel77 bzw. -wandlung78),79 daraus ergeben sich jedoch noch keine inhaltlichen Unterschiede. 1. Historische Diskussion Die Auseinandersetzung um den Verfassungswandel findet seit dem Deutschen Kaiserreich statt. Der Begriff des Verfassungswandels als solcher geht zurück auf Paul Laband.80 Bei Laband bestand Verfassungswandel in einer Veränderung des 74  Zur frühen Diskussion z.  B. Jellinek, Verfassungsänderung; Laband, Die Wandlungen der deutschen Reichsverfassung, in: Gehe-Stiftung, Jahrbuch, S. 149; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Smend, Abhandlungen, S. 119. Im weiteren Verlauf z. B. Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141; Bryde, Verfassungsentwicklung; Dokumentation bei Dreier (Hrsg.), Verfassungsinterpretation; Fiedler, Sozialer Wandel; Häberle, ZfP 1974, S. 111; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551. Zur neueren Diskussion z. B. Michael, RW 5 (2014), S. 426; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450; und die Beiträge in Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation. 75  Für umfassende Übersichten zu einzelnen Diskussionsbeiträgen siehe Klein, Finanzwesen, in: FS Giese, S. 61, 113 Fn. 172; Stern, Staatsrecht I, S. 160 Fn. 91. 76  Dazu z. B. Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450. 77  So z. B. Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270; Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450. Synonyme Verwendung beider Begriffe z. B. auch Wolff, Verfassungsrecht, S.  79 ff. 78  So z. B. Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123; Huber, Probleme des ungeschriebenen Verfassungsrechts, in: Eichenberger/Bäumlin/Müller, Rechtstheorie, Verfassungsrecht, Völkerrecht, S. 329, 330; Krüger, Verfassungswandlung und Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Hesse/Reicke/Scheuner, FG Smend, S. 151. 79  Vorliegend werden die Begriffe des Verfassungswandels und des Wandels synonym gebraucht. 80  Laband, Die Wandlungen der deutschen Reichsverfassung, in: Gehe-Stiftung, Jahrbuch, S. 149; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 451.

160

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Verfassungszustands des Reichs im Gegensatz zum Verfassungstext, d. h. im Unterschied zwischen Verfassungszustand und Verfassungsgesetz.81 Der Begriff wurde in der Wissenschaft aufgegriffen und in den folgenden Jahrzehnten tiefergehend diskutiert. Georg Jellinek beschrieb Verfassungswandel als Änderung des Textinhalts durch Tatsachen, ohne Absicht oder Bewusstsein dafür.82 Er unterschied zwischen unbewusstem Wandel und absichtlicher Verfassungsänderung.83 Hans Kelsen definierte Verfassungswandel als die „Tatsache, daß sich die Handhabung der Verfassungsnormen allmählich und unmerklich dadurch ändert, daß den unverändert bleibenden Worten des Verfassungstextes ein anderer als der ursprüngliche Sinn beigelegt wird, oder daß sich eine zum Wortlaut und jedem möglichen Sinne der Verfassung in Widerspruch stehende Praxis bildet“84. Nach Rudolf Smend war Verfassungswandel außerhalb der Verfassung, auf von ihr vorausgesetzten Gebieten möglich und innerhalb derselben, wenn „Rang- und Gewichtsverhältnis der verfassungsmäßigen Faktoren, Institute, Normen“85 verschoben werden oder Neues eingeführt wird.86 Dieses Verständnis beruht auf dem „Charakter der Verfassung [als] ein dauernd seinen Sinn erfüllendes Integrationssystem“87.88 Hsü Dau-Lin führte diese Untersuchungen weiter aus und definierte die „Verfassungswandlung als eine Inkongruenz […], die zwischen den Verfassungsrechtsnormen einerseits und der Verfassungswirklichkeit andererseits besteht“89. Es herrsche „eine Spannung zwischen der 81  Laband, Die Wandlungen der deutschen Reichsverfassung, in: Gehe-Stiftung, Jahrbuch, S. 149, 151: „Die wichtigen Veränderungen des Verfassungszustandes des Reichs, welche in der Verfassung nicht zum Ausdruck gelangt sind, um den Gegensatz zwischen dem Verfassungszustand und dem Verfassungsgesetz.“; Fiedler, Sozialer Wandel, S.  27 f.; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 126; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 552. 82  Jellinek, Verfassungsänderung, S. 3: „die diese Texte formal unverändert bestehen läßt und durch Tatsachen hervorgerufen wird, die nicht von der Absicht oder dem Bewußtsein einer solchen Änderung begleitet sein müssen“; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 126; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 553. 83  Jellinek, Verfassungsänderung, S. 3; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 452 Fn. 21. 84  Kelsen, Staatslehre, S. 254; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 126 f. 85  Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Smend, Abhandlungen, S. 119, 241 f. 86  Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Smend, Abhandlungen, S. 119, 241 f. 87  Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Smend, Abhandlungen, S. 119, 242. 88  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 132. 89  Dau-Lin, Verfassungswandlung, S. 17.



B. Verfassungswandel in der Theorie161

geschriebenen Verfassung und dem tatsächlichen Verfassungszustand.“90 Er kategorisierte die bis dahin vertretenen Verständnisse und teilte sie in vier verschiedene Unterkategorien ein. Die Verfassungswandlung kann dabei durch geänderte Staatspraxis entstehen (sowohl durch formal die Verfassung nicht verletzende, als auch durch eine die Verfassung verletzende) sowie durch nicht mögliche Ausübung verfassungsrechtlicher Rechte und durch Interpretation.91 Die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes vertretenen Ansichten zum Verfassungswandel können aus unterschiedlichen Gründen kaum auf die Diskussion unter Geltung desselben angewandt werden.92 Vor allem die fehlende Verfassungsgerichtsbarkeit vor 1949 führt dazu, dass die Ergebnisse der Auseinandersetzung auf das Grundgesetz nur bedingt übertragbar sind.93 Dafür spricht auch Art. 79 GG,94 der eine Änderung des Grundgesetzes ohne Textänderung verbietet. Der Vorrang der Verfassung hindert ebenfalls teilweise einen Verfassungswandel nach obigem Verständnis.95 Es darf unter dem Grundgesetz keine dem Verfassungstext widersprechende Staatspraxis geben.96 Verfassungsorgane können kein verbindliches Recht setzen und keine Praxis gegen das Grundgesetz etablieren.97 Die obigen Ansichten werden aus diesen Gründen als zu weit gehend abgelehnt.98 Thematisch gehört zu diesen früheren Ansichten auch Ernst Forsthoff. Nach Forsthoff waren Verfassungswandlungen möglich durch einfache Gesetze und inhaltliche Änderung des Verfassungsgesetzes selbst, wenn es nicht mit den Auslegungsmethoden, die Friedrich Carl von Savigny begründet hat, interpretiert wird, sondern mittels einer „geisteswissenschaftlich-werthierarchischen Auslegungsmethode“ inhaltlich geändert oder gar aufgelöst wird.99 Eine Verfassungswandlung liege vor, sobald das Ergebnis der Interpretation nicht mit den klassischen Auslegungsmethoden begründet 90  Dau-Lin,

Verfassungswandlung, S. 18. Verfassungswandlung, S. 19. 92  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 451 f.; dazu auch Wolff, Verfassungsrecht, S.  86 ff. 93  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 143; Wolff, Verfassungsrecht, S. 89. 94  Wolff, Verfassungsrecht, S. 88. 95  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 451. 96  Peters, Theorie, S.  474 f.; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 553; Wolff, Verfassungsrecht, S. 91. 97  Rädler, ZaöRV 58 (1998), S. 611, 633, 639. 98  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 127 f., 128 ff., 136 ff.; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 553. 99  Forsthoff, Umbildung, in: Barion, FS Schmitt, S. 35 ff. 91  Dau-Lin,

162

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

werden kann, sondern von außen herangetragen wird100.101 Diese Ansicht ist durch Forsthoffs Verfassungsverständnis bedingt.102 Da er Verfassungswandlungen als solche bezeichnete, die sich gegen die Verfassung wen­ den,103 kann seine Definition gleichfalls vorliegend nicht berücksichtigt werden. Der Ursprung des Begriffs des Verfassungswandels ist somit der anfänglichen Diskussion im Kaiserreich zu verdanken. Im Laufe der folgenden Jahre entstanden unterschiedliche Verständnisse des Begriffs, aufgrund der fehlenden Verfassungsgerichtsbarkeit vor 1949 sind die Ergebnisse jedoch kaum auf die aktuelle Debatte übertragbar. 2. Verfassungswandel unter dem Grundgesetz Der Begriff des Verfassungswandels wird seit Geltungsbeginn des Grundgesetzes – bisher ohne Einigkeit zu erzielen – diskutiert. Es werden daher kurz verschiedene Definitionsansätze dargestellt. Insgesamt betrifft der Verfassungswandel in der aktuellen Diskussion die Änderung bzw. Veränderung einer Verfassungsnorm, beide Begriffe werden daher inhaltsgleich verwendet. a) Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich in einigen Entscheidungen zum Verfassungswandel. Dazu wird angeführt, das Gericht verwende die Begriffe des Bedeutungswandels und des Verfassungswandels synonym.104 Den Ausdruck des Verfassungswandels gebrauchte das Bundesverfassungsgericht bislang ohne Definition.105 Teilweise geht das Gericht diesbezüglich von einer möglichen gewandelten Verfassungsauslegung aus,106 in anderen 100  Forsthoff, Umbildung, in: Barion, FS Schmitt, S. 35, 54 f.; Hollerbach, AöR 85 (1960), S. 241, 265. 101  Hollerbach, AöR 85 (1960), S. 241, 242. 102  Hollerbach, AöR 85 (1960), S. 241, 267. 103  Fiedler, JZ 34 (1979), S. 417, 418. 104  Heun, AöR 109 (1984), S. 13, 27; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 452 Fn. 22; Wolff, Verfassungsrecht, S. 96 Fn. 695. 105  Z. B. in BVerfGE 45, 1 (33); 62, 1 (49). 106  So z. B. in BVerfGE 33, 1 (12 f.); BVerfGE 33, 303 (347); BVerfGE 41, 251 (266 f.); BVerfGE 51, 268 (288); BVerfGE 58, 257 (280); BVerfGE 76, 171 (189); BVerfGE 84, 239 (285). Mit Bezug zu Auslegung und Wandel in BVerfGE 55, 274 (320). Einen Wandel im Verständnis des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes stellt das Gericht in BVerfGE 49, 89 (126) fest, einen Wandel im Spannungsverhältnis von Parlament und Regierung in BVerfGE 49, 79 (85).



B. Verfassungswandel in der Theorie163

Fällen stellt es einen Wandel im einfachen Recht fest.107 In jüngerer Zeit taucht der Begriff des Verfassungswandels kaum mehr auf.108 Zuletzt wies das Gericht jedoch auf den Verfassungswandel als Interpretationsproblem hin sowie auf die mögliche Veränderung des Verfassungsrechts aufgrund faktischer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse.109 Insgesamt wird der Ausdruck „Wandel“ zumeist im Zusammenhang mit veränderten tatsäch­ lichen Verhältnissen verwendet.110 Innerhalb der vorliegend untersuchten Urteile ist ein solcher nur in BVerfGE 118, 244 angesprochen, als Problem eines Wandels der NATO oder des NATO-Vertrags.111 Das Bundesverfassungsgericht verwendet somit keine feststehende Begrifflichkeit des Verfassungswandels, auf die zurückgegriffen werden könnte. Das Gericht geht des Weiteren von einem Bedeutungswandel einer Verfassungsbestimmung aus (Verfassungswandel im weiteren Sinn112), „wenn in ihrem Bereich neue, nicht vorausgesehene Tatbestände auftauchen oder bekannte Tatbestände durch ihre Einordnung in den Gesamtablauf einer Entwicklung in neuer Beziehung oder Bedeutung erscheinen“113. Ein solcher könne auch durch Veränderungen im Normbereich entstehen.114 Die faktischen Veränderungen im Bereich der Auslandseinsätze der Streitkräfte führen zu der Frage, ob darin ein solcher Bedeutungswandel liegt. Fraglich ist, ob „sich Gegebenheiten im Sach- und Lebensbereich, auf den die Verfassungsnorm bezogen ist, ändern und der (nämlichen) Norm dadurch eine andere oder neue Funktion zuwächst“.115 Der Bereich der Auslandseinsätze der Bundeswehr hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert:116 107  Z. B.

BVerfGE 17, 1 (12 f.); BVerfGE 35, 202 (224). Der Staat 43 (2004), S. 450, 456 f. 109  BVerfG, Urt. v. 3.5.2016, 2 BvE 4/14, Rn. 110. 110  So z. B. BVerfGE 12, 341 (353 f.); 36, 146 (164); 39, 1 (67); 52, 1 (33, 35, 39); 88, 203 (310, 341, 348); 95, 322 (334); 96, 68 (97); 96, 288 (290, 302); 96, 375 (394 f.); 105, 1 (14); 105, 313 (345, 350); 108, 282 (309 f.); 111, 10 (53); 120, 274 (303); 128, 193 (210). Fiedler, Sozialer Wandel, S. 95  f. Vgl. bzgl. Rechtsfortbildung BVerfGE 130, 212 (228); BVerfGE 132, 99 (128); BVerfGE 133, 59 (79). 111  BVerfGE 118, 244 (255 f.; 271 f.). 112  Wolff, Verfassungsrecht, S. 96. 113  BVerfGE 2, 380 (401); BVerfGE 3, 407 (422); BVerfGE 7, 342 (351). Bedeutungswandel ohne Definition z. B. erwähnt in BVerfGE 2, 280 (401); BVerfGE 3, 407 (422); BVerfGE 7, 342 (352); BVerfGE 11, 105 (111); BVerfGE 62, 1 (67 f.); BVerfGE 83, 37 (52); BVerfGE 86, 1 (13); BVerfGE 107, 133 (149). 114  BVerfGE 74, 297 (359) mit Verweis auf BVerfGE 73, 118 (154). Ähnlich in BVerfGE 34, 269 (288). 115  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 142, 145 f.; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 452. 116  s. o. Teil  1 A. 108  Voßkuhle,

164

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Die Transformation der Bündnisarmee Bundeswehr führt zu verstärkter Auseinandersetzung mit internationalem Terrorismus und Konfliktverhütung. Die Streitkräfte sind an unterschiedlichsten Einsätzen im Ausland beteiligt, mit und ohne Waffen. Dabei fand eine Entwicklung von ursprünglich humanitären Hilfseinsätzen zu militärischer Friedensdurchsetzung statt (stets innerhalb eines Bündnisses), was auch dem erhöhten Bedarf an solchen Einsätzen auf internationaler Ebene seit Ende des Kalten Krieges geschuldet ist. Insofern hat eine Veränderung im Sach- und Lebensbereich stattgefunden. Dadurch müsste des Weiteren für einen Bedeutungswandel den hier dargelegten Normen (Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG) eine andere oder neue Funktion zugewachsen sein. Einsätze aufgrund Art. 87a II GG finden jedoch nach wie vor nicht statt. In Bezug auf Art. 59 II 1 GG dauert die Diskussion an, ob und inwieweit die Legislative stärker beteiligt werden sollte,117 diese Auseinandersetzung wird jedoch im Grunde seit Beginn des Grundgesetzes geführt,118 ist daher jedenfalls nicht neu. Es bleibt Art. 24 II GG. Die Norm bot nach 1949 die Grundlage für den NATO-Beitritt, ihr wurde jedoch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu out-of-area-Einsätzen 1994 größere Aufmerksamkeit zuteil, da nun Einsätze der Bundeswehr mittels dieser Norm möglich waren. Die Funktion als Legitimationsgrundlage für Bundeswehreinsätze im Ausland war vor diesem Urteil nicht angewandt worden. Demzufolge kann ein Bedeutungswandel dieser Norm angenommen werden. Dabei muss ein solcher jedoch nicht zwangsläufig einen Verfassungswandel implizieren.119 Teilweise wird der Verfassungswandel zwar als Bedeutungswandel eingeordnet,120 zumeist jedoch gleichzeitig die inhaltliche Änderung des Verfassungsgesetzes für einen Verfassungswandel vorausgesetzt.121 Letzterer erfolgt daher nur, wenn sich auch der Sinn der Norm ändert.122 Der 117  s. o.

118  Vgl.

Teil 2 A. II. 4. b), c). z. B. Grewe, VVDStRL 12 (1953), S. 129; Menzel, VVDStRL 12 (1953),

S. 179. 119  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 145; Bushart, Verfassungsänderung, S. 56. 120  BVerfGE 2, 380 (401); BVerfGE 7, 342 (422); BVerfGE 3, 407 (351); Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 14; Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 38; Fiedler, Sozialer Wandel, S. 105; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 553. 121  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 15; Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 38; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 554. 122  s. u. B. II. 2.



B. Verfassungswandel in der Theorie165

Begriff des Bedeutungswandels ist insofern umfassender als der des Verfassungswandels.123 Ein Verfassungswandel liegt nur vor, wenn sich auch der Inhalt der Norm verändert, dies ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig aus einer Veränderung der Realität.124 Folglich führen Veränderungen im Bereich des Tatsächlichen (Bedeutungswandel) nicht automatisch zu einem Verfassungswandel. b) Verfassungswandel mittels Inhalts- bzw. Sinnänderung ohne Textänderung Überwiegend wird Verfassungswandel im Schrifttum als Inhalts- oder Sinnänderung der Verfassungsnorm bezeichnet, die ohne Textänderung erfolgt. Der Begrifflichkeit des Sinns der Norm ist gleichzusetzen mit ihrem Inhalt, d. h. den Verhaltensanforderungen, welche die Norm an die Adressaten stellt.125 In der Untersuchung werden daher Inhalts- und Sinnänderung synonym gebraucht. Ernst-Wolfgang Böckenförde begrenzt den Begriff des Verfassungswandels auf „[Änderungen] des Inhalts von Verfassungsnormen, ohne daß eine Änderung des Verfassungstexts (in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren) stattfindet“126. Auch Brun-Otto Bryde versteht unter Verfassungswandel „alle Veränderungen im Sinn der Verfassung, die nicht Verfassungsänderung sind“127 und damit „eine Entwicklung des Verfassungsrechts, in deren Folge neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse) an den Normadressaten aus einem gleichbleibenden Text gestellt werden“128. Horst Dreier definiert Verfassungswandel als „den auf neuer oder andersartiger Interpretation beruhenden Bedeutungswandel von Verfassungsnormen, denen ohne Änderung des Verfassungstextes andere Aussagen entnommen werden“129. Ebenso ist bei Konrad Hesse Verfassungswandel der Wandel des Inhalts der Norm, ohne dass der Text geändert wird,130 genauer: Die Konkretisierung des Texts ohne Textänderung.131 Diese Konkretisierung 123  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 142. 124  Wolff, Verfassungsrecht, S. 92. 125  Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 189 ff. 126  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 144. 127  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 22. 128  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 254. 129  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 38. 130  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 128. 131  Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 39, 46.

166

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

der Norm bedeute auch die Berücksichtigung der konkreten Lebensverhältnisse, welche die Norm ordnen soll.132 Ändern sich die Besonderheiten dieser Lebensverhältnisse, entstehe Verfassungswandel.133 In der jüngsten Untersuchung zum Verfassungswandel sieht Lothar Michael denselben vorliegen, „wenn sich der Norminhalt als Ergebnis der Norminterpretation ändert, ohne dass der Wortlaut der Norm geändert wurde. Die im Verfassungsrecht geregelten Kompetenzen, Verfahren und inhaltlichen Maßgaben lassen sich interpretieren als Gebote, Verbote und Erlaubnisse. Verfassungswandel materieller Verfassungsnormen hat eine Vergrößerung oder Verkleinerung der von der Verfassung mehr oder weniger belassenen Spielräume zur Folge. […] Verfassungswandel ist vom Ergebnis her also ein Phänomen der Verfassungsrevision – jenseits der in Art. 79 GG geregelten und dem Gesetzgeber in einem besonderen Verfahren vorbehaltenen textlichen Verfassungs­änderung.“134 Des Weiteren definiert auch Alexander Roßnagel den Verfassungswandel als Bedeutungswandel einer Norm.135 Nach Wolf-Rüdiger Schenke bedeutet Verfassungswandel gleichfalls die inhalt­ liche Änderung der Norm ohne ausdrückliche Verfassungsänderung, was auch mittels Konkretisierung durch einfaches Recht geschehen könne.136 Bei Klaus Stern ist Verfassungswandel ebenfalls die Sinnänderung der Norm ohne Textänderung.137 Verfassungswandel wird als ein Problem der Interpretation und des Verhältnisses von Verfassungswirklichkeit und -recht verstanden sowie der richterlichen Rechtsfortbildung.138 Auch Andreas Voßkuhle definiert Verfassungswandel als Änderung des Sinns der Verfassungsnorm.139 Rainer Wahl beschreibt Verfassungswandel gleichfalls als Sinnänderung ohne Textänderung, was auch bei der Interpretation der Fall sein könne.140 Dies geschehe vor allem auch durch das Bundesverfassungsgericht.141 Schließlich versteht auch Heinrich Amadeus Wolff unter Verfassungswandel die Konstellation, „wenn sich der normative Gehalt der Verfassung ohne eine Änderung des Wortlauts verändert. Nur wenn gegenwärtig ein Verfassungsrechtssatz besteht, der früher nicht oder nicht mit die132  Hesse,

Verfassungsrecht, Rn.  45 f., 60 ff. Verfassungsrecht, Rn. 46. 134  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 433 f. 135  Roßnagel, Änderungen, S. 19 ff.; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 553. 136  Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 585 f. 137  Stern, Staatsrecht I, S. 161. 138  Stern, Staatsrecht I, S. 161. 139  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 451 f. 140  Wahl, Verfassungsgebung – Verfassungsänderung – Verfassungswandel I, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 29, 43. 141  Wahl, Verfassungsgebung – Verfassungsänderung – Verfassungswandel I, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 29, 46. 133  Hesse,



B. Verfassungswandel in der Theorie167

sem Inhalt galt, oder einer weggefallen ist, der früher galt, hat sich der Inhalt der Verfassung gewandelt.“142 Ein Verfassungswandel bedarf nach dieser Sichtweise daher einer Änderung des Sinns bzw. Inhalts einer Norm, die sich nicht im Text des Grundgesetzes niederschlägt, unabhängig davon, wo diese herrührt (in Betracht kommen auf Grundlage der vorliegenden Definitionen vor allem Interpretation bzw. Rechtsprechung). c) Verfassungswandel mittels Inhaltsänderung durch einfache Gesetze Des Weiteren wird Verfassungswandel als Inhaltsänderung durch einfache Gesetze beschrieben. Peter Lerche legt den stillen Verfassungswandel als Prozess dar, der den Inhalt der Verfassung durch Gesetz „von unten“ verändert.143 Der Verfassungswandel kommt danach durch einfache Gesetze zustande, welche die Verfassung konkretisieren. Veränderungen des einfachen Rechts würden zu Änderungen des Verfassungsverständnisses führen.144 Die Legislative hat im vorliegenden Bereich u. a. durch Beschlüsse über Einsätze gehandelt sowie das ParlBG verabschiedet. Das Parlament hat vor den Entscheidungen zugunsten der Einsätze keine gegenteiligen Beschlüsse gefasst, daher kann dementsprechend kaum eine Entwicklung festgestellt werden, anders als bei der Bundesregierung. Im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr bestehen verschiedene Gesetze (z. B. § 52 ff. BBesG, ParlBG, SoldatenG). Das prominenteste Gesetz in diesem Bereich, das Parlamentsbeteiligungsgesetz, kann nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts seinen Gegenstand, den Parlamentsvorbehalt, jedoch gerade nicht konkretisieren.145 Eine Veränderung durch einfachgesetzliche Konkretisierung kann im Bereich der Auslandseinsätze der Bundeswehr daher nicht beobachtet werden. Nach Peter Lerche liegt ein Verfassungswandel allerdings gerade vor, wenn der Inhalt der Verfassung durch Gesetz „von unten“ verändert wird.146 Aus dieser Sicht ist ein Verfassungswandel durch Gesetz jedoch wiederum nicht exklusiv, d. h. andere Wege des Verfassungswandels, z. B. durch Rechtsprechung werden nicht ausgeschlossen. Daher kann im Folgenden eine Konzentration auf den Verfassungswandel durch das Bun142  Wolff,

Verfassungsrecht, S. 98. Stiller Verfassungswandel, in: Spanner/Lerche/Zacher; et al., FS Maunz, S. 285, 287. 144  Lerche, Stiller Verfassungswandel, in: Spanner/Lerche/Zacher, et al., FS Maunz, S. 285, 287 f. 145  BVerfGE 121, 135 (156). 146  Lerche, Stiller Verfassungswandel, in: Spanner/Lerche/Zacher, et al., FS Maunz, S. 285, 287. 143  Lerche,

168

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

desverfassungsgericht erfolgen und ein Verfassungswandel durch einfache Gesetze bleibt außer Betracht. d) Verfassungswandel mittels Rechtsprechung Der Verfassungswandel wird ebenfalls als Vorgang, bewirkt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, definiert. Ein Verfassungswandel liegt nach Peter Badura vor, wenn keine Textänderung erfolgt, aber „eine von sozialen und politischen Veränderungen abhängige Praxis Verfassungsbestimmungen […] inhaltlich ändert“147. Diese Änderung erfolge zwar auch durch neue Tatsachen, liege aber in der Verfassung begründet.148 Es handelt sich demnach um einen Bedeutungswandel.149 Die Veränderung werde durch das Verfassungsgericht zum Ausdruck gebracht.150 Verfassungswandel sei demnach Rechtsfortbildung,151 jedoch grundsätzlich „Sache der Staatspraxis, also der politischen Entscheidungen des gesetzgebenden Parlaments und der Regierung“152. Bei Christoph Hönnige liegt impliziter Verfassungswandel durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, indem das Gericht Interpretationen anderer Akteure ändert, eigene Interpretationen ändert oder neue Fragen beantwortet.153 Auch Markus Kenntner definiert den Verfassungswandel als Veränderung in der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts.154 Helmuth Schulze-Fielitz legt Verfassungswandel als Konkretisierungen durch das 147  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 160, Rn. 13; Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 15; Badura, Staatsrecht, F 60. 148  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 160, Rn. 15. 149  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 15. 150  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 160, Rn. 15; Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 14. 151  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 160, Rn. 15; Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 14. 152  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 17. 153  Hönnige, Impliziter Verfassungswandel, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 249. 154  Kenntner, DÖV 1997, S. 450, 456 f.



B. Verfassungswandel in der Theorie169

Bundesverfassungsgericht (Interpretation)155 oder durch Änderungen im einfachen Recht und Rückwirkung auf das Grundgesetz dar.156 Gunnar Folke Schuppert erklärt Verfassungswandel einerseits durch Interpretation (durch das Bundesverfassungsgericht) und im Rahmen des Wandels von Staatlichkeit.157 Christian Walter definiert Verfassungswandel vor allem als Änderung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.158 Dabei vollzieht sich der Verfassungswandel durch die Interpretation der Normen.159 Nach Thomas Würtenberger besteht Verfassungswandel bei einem neuen theoretischen Ansatz der Auslegung oder Konkretisierung durch das Bundesverfassungsgericht, aber ebenfalls durch europarechtliche und völkerrechtliche Vorgaben.160 Demzufolge ist Verfassungswandel zumeist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verursacht; es werden jedoch teilweise andere Möglichkeiten genannt, die einen Verfassungswandel herbeiführen können, wodurch diese Ansichten ebenfalls Elemente der oben dargelegten Defini­ tionen beinhalten. Ansätze für einen Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht finden sich vorliegend z.  B. in der Auslegung des Art. 24 II GG, der Definition von Verträgen gemäß Art. 59 II 1 GG oder dem Parlamentsvorbehalt. e) Verfassungswandel mittels Politik Daneben wird der Bezug des Verfassungswandels zur Politik dargelegt. Bei Karl Loewenstein liegt ein Verfassungswandel in einer Änderung durch politische Übung.161 Dies bezieht Loewenstein jedoch auf nominale Verfassungen, in denen ein Unterschied zwischen formeller Verfassung und tatsächlicher Geltung besteht.162 Für das Grundgesetz als normative Verfas155  Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 222. 156  Schulze-Fielitz, DVBl 1982, S. 328, 334. 157  Schuppert, AöR 120 (1995), S. 32, 68 ff.; Schuppert, Verfassungswandel im Kontext, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 346, 355 ff., 358 ff. 158  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 521. 159  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 521 ff. 160  Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Kirchhof/ Papier/Schäffer, FS Merten, S. 77, 82; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 54 ff.; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287, 295; Würtenberger, Rahmenbedingungen, in: Franzius/Lejeune/von Lewinski et al., FS Kloepfer, S. 277, 289; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 II 1. 161  Loewenstein, AöR 38 (1951/52), S. 387, 404. 162  Loewenstein, AöR 38 (1951/52), S. 387, 404.

170

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

sung kann dieser Begriff des Verfassungswandels daher nicht verwendet werden.163 Es ist bereits angeklungen, dass in den dargestellten Definitionen teilweise ein Verfassungswandel durch die Staatspraxis angenommen wird. Dieser Ausdruck umfasst die Handlungen des Staates.164 Damit wird die Praxis oder Übung von Verfassungsorganen bezeichnet,165 deren Organisation und Verfahren,166 zumeist alle politischen Entscheidungen von Legislative und Exekutive.167 Jedenfalls gehören dazu die Handlungen des Bundestags.168 Unter Staatspraxis sind vorliegend daher die Handlungen aller Gewalten zu verstehen. Ein Verfassungswandel könnte demzufolge auch durch die Handlungen der Bundesregierung entstehen. Insbesondere deren Ansichten veränderten sich von dem Standpunkt, dass bewaffnete Einsätze im Ausland unzulässig sind, hin zur Forderung nach mehr Beteiligung an bewaffneten Einsätzen.169 Im Vorfeld von BVerfGE 90, 286 interpretierte die Bundesregierung allerdings das Grundgesetz derart, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich zulässig seien und ihr die Zuständigkeit für den Beschluss derselben zukam. Dies wird deutlich durch die Handlungen der Bundesregierung, z. B. durch ihren Beschluss vom 02. April 1993 über die Beteiligung an der militärischen Sicherung der Flugverbotszone über Bosnien-Herzegowina oder den Beschluss von Bundestag und Bundesregierung zur Beteiligung an ISAF. Daneben belegt dies, dass sie ebenfalls davon ausging, ihr komme die Zuständigkeit im Bereich der auswärtigen Gewalt zu und Art. 59 II 1 GG sei restriktiv zu verstehen. Diese Auffassung zeichnete sich auch vor den Verfahren BVerfGE 104, 151 und BVerfGE 118, 244 ab. Des Weiteren demonstrieren die Beschlüsse der Bundesregierung vor dem letztgenannten Verfahren, dass sie geneigt ist, das Kriterium der Friedlichkeit der Systeme aus Art. 24 II GG weit zu verstehen. Vor den Verfahren BVerfGE 121, 135 und BVerfGE 140, 160 verdeutlichen die Beschlüsse der Bundesregierung zum Einsatz der Streitkräfte, dass diese das Erfordernis des Parlamentsvorbehalts ebenfalls nicht eng auslegte, sondern weiten Spielraum für eigene Entscheidungen sah. Aufgrund der dargelegten Handlungen der Exekutive scheint demnach ein Verfassungswandel mög163  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  37 ff.; Loewenstein, AöR 38 (1951/52), S.  387, 404 f. 164  Rahe, Staatspraxis, S. 13. 165  BVerfGE 1, 351 (368); BVerfGE 45, 1 (33); BVerfGE 62, 1 (49); BVerfGE 89, 359 (363); BVerfGE 91, 148 (169 f.). 166  Rädler, ZaöRV 58 (1998), S. 611. 167  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 17. 168  Wiefelspütz, Die Friedens-Warte 2012, S. 16, 19. 169  s. o. Teil 1 A. III.



B. Verfassungswandel in der Theorie171

lich.170 Dieser soll allerdings nicht Gegenstand der vorliegenden Unter­ suchung sein, welche sich aus den genannten Gründen auf die Rolle des Bundesverfassungsgerichts beschränkt.171 f) Verfassungswandel existiert nicht Schließlich wird die Existenz des Verfassungswandels gänzlich bestritten. Nach Peter Häberle gibt es keinen Verfassungswandel.172 Der Begriff gehe vollständig in der Interpretation auf:173 „Verfassungsinterpretation oder Verfassungsänderung bzw. Verfassungsbruch – tertium non datur!“174 Auch Matthias Jestaedt beschreibt den Verfassungswandel zwar ebenfalls als Inhaltsänderung der Verfassung, ohne dass das Verfahren nach Art. 79 GG eingehalten wird, lehnt einen solchen jedoch gerade aufgrund der Existenz des Art. 79 GG ab.175 Ein Verfassungswandel durch Interpretation sei unter dem Grundgesetz nicht zulässig.176

II. Eingrenzung des Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht Es ist – bereits per Definition des Verfassungswandels als „alle Veränderungen im Sinn der Verfassung, die nicht Verfassungsänderung sind“177 – die Frage nach der Abgrenzung des Verfassungswandels von der Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG aufgeworfen. Insgesamt wird der Verfassungswandel dargestellt als bedingt durch die Gesetzgebung der Legislative, Handlungen der Exekutive (d. h. der Bundesregierung) bzw. der Staatspraxis, Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Interpretation178 aller drei Gewalten sowie der Wissenschaft. Ei170  „Der Verfassungswandel bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr war insoweit teilweise durch die Staatspraxis vorbereitet.“ Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 224. 171  s. o. A. II. 172  Häberle, ZfP 1974, S. 111, 130. 173  Häberle, ZfP 1974, S. 111, 129 f. 174  Häberle, ZfP 1974, S. 111, 130. 175  Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt, et al., FS Isensee, S. 183, 194 f.; Jestaedt, Selbstand und Offenheit der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 264, Rn. 70. 176  Jestaedt, Selbstand und Offenheit der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 264, Rn. 70. 177  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 22. 178  Dafür auch Hofmann, Änderungen des Grundgesetzes, in: Damm/Heermann/ Veil, FS Raiser, S. 589, 862; Peters, Theorie, S. 476; Schneider, Verfassunggebende

172

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

nigkeit besteht jedenfalls in der Annahme, dass es nicht nur einen einzigen Akteur gibt, d. h. keinen „Träger“179 des Verfassungswandels.180 Überwiegend wird auf das Bundesverfassungsgericht verwiesen,181 weil den Entscheidungen im Gegensatz zur Interpretation der Literatur (teilweise) Bindungswirkung gemäß § 31 BVerfGG zukommt.182 Gerade bei einem Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht besteht somit die Gefahr, dass eine Veränderung im Sinn der Verfassung im Wege des Verfassungswandels eine unzulässige Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG darstellt, indem eine Verfassungsänderung entweder in der falschen Form (nicht durch Gesetz gemäß Art. 79 I 1 GG) oder durch den falschen Akteur (nicht durch den verfassungsändernden Gesetzgeber gemäß Art. 79 II GG) erfolgt. Um die Möglichkeit eines Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht darzustellen,183 ist es zuvor erforderlich, den Inhalt des Begriffs des Verfassungswandels durch verschiedene Grenzziehungen näher einzufangen. Es wird daher der Frage nachgegangen, welche Grenzen zwischen einem Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht und einer Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG zu ziehen sind. Zunächst wird daher die Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG kurz dargestellt, um anschließend auf die Veränderung im Sinn der Verfassung im Wege des Verfassungswandels einzugehen und schließlich die aus dem diesbezüglichen Spannungsverhältnis resultierenden Grenzen zur Verfassungsänderung zu erörtern. 1. Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG Die Verfassungsänderung findet sich in Art. 79 GG. Das Grundgesetz kann durch den verfassungsändernden Gesetzgeber geändert werden (pouvoirs constitués)184. Gemäß Art. 79 I 1 GG erfolgt eine Änderung des Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 255, Rn. 50. Zu Verfassungswandel und Interpretation zuletzt von Achenbach, Der Staat 55 (2016), S. 1. 179  Wolff, Verfassungsrecht, S. 100. 180  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  299 ff.; Fiedler, JZ 34 (1979), S.  417, 419; Hofmann, Änderungen des Grundgesetzes, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, S. 589, 862; Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 224; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 II 2. 181  Grimm, Verfassung, in: Grimm, Verfassung, S. 11, 22; Mayer, Nachbesserungspflicht, S. 124; Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 224; Wolff, Verfassungsrecht, S. 101; Würtenberger, Rahmenbedingungen, in: Franzius/Lejeune/von Lewinski, et al., FS Kloepfer, S. 277, 288 ff.; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 II 2. 182  s. o. A. II. 183  s. u. C. I. 184  Winterhoff, Verfassung, S.  167 f.; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 6 III.



B. Verfassungswandel in der Theorie173

Grundgesetzes nur durch ein Gesetz, das den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändert oder ergänzt: „Keine Verfassungsänderung ohne Verfas­ sungs­text­änderung.“185 Änderungen gemäß Art. 79 I 1 GG umfassen inhaltliche Änderungen, Einfügungen und Aufhebungen;186 grundsätzlich „alle denkbaren Formen verfassungsändernder Eingriffe“187. Das Grundgesetz wurde seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1949 bisher 60 Mal gemäß Art. 79 GG geändert.188 Weder Art. 24 II GG noch Art. 59 II 1 GG wurden bislang derart geändert. Mit der ersten Wehrrechtsnovelle189 wurden Art. 73 Nr. 1 und 79 I 2 GG geändert sowie Art. 142a GG eingefügt und ab 1955 auf dieser Grundlage deutsche Streitkräfte eingeführt. Mit der zweiten Wehrrechtsnovelle190 gelangte Art. 87a GG in die Verfassung; ebenso Art. 59a GG.191 Die Normen regelten den Verteidigungsfall und die Beteiligung des Bundestags. Art. 59a GG a. F. wurde allerdings im Zuge der Notstandsreform192 wieder gestrichen und Art. 87a GG in seine heutige Form gebracht,193 der nun Einsatz und Verteidigung regelt. Art. 79 GG verbietet eine Änderung des Verfassungstexts, die nicht durch Gesetz erfolgt (Art. 79 I 1 GG), die Nichteinhaltung des Verfahrens aus Art. 79 II GG und die Überschreitung der Grenzen aus Art. 79 III GG.194 Es sind demnach keine Gesetze zulässig, die zwar die Verfassung inhaltlich ändern, aber entweder gegen Art. 79 I 1 GG (indem sie den Text der Verfassung nicht ändern) oder gegen Art. 79 II GG (indem sie nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande kamen) verstoßen oder die inhaltlichen Voraussetzungen des Art. 79 III GG nicht erfüllen. Auch durch andere als formelle Gesetze darf die Verfassung nicht geändert werden.195 Änderungen 185  Stern,

Staatsrecht I, S. 159. Art. 79 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 8; Erichsen, JURA 1992, S. 52; Hoffmann, Art. 79 Abs. 1 und 2 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 6. 187  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 23. 188  Stand: 14. Oktober 2015. Dazu z. B. Hofmann, Entwicklung des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 9. 189  BGBl. I, 1954, S. 45. 190  BGBl. I, 1956, S. 111. 191  Des Weiteren wurden Art. 17a, 45a, 45b, 65a, 87b, 96a und 143 GG eingefügt sowie Art. 1, 12, 36, 49, 60, 96, 137 GG geändert. 192  BGBl. I, 1968, S. 711. 193  Daneben wurden Art. 9, 10, 11, 12, 19, 20, 35, 65a, 73 und 91 GG geändert und Art. 12a, 53a, 80a, 115a, 115b, 115c, 115b, 115d, 115e, 115f, 115g, 115h, 115i, 115j, 115k, 115l GG eingefügt. 142a und 143 GG wurden aufgehoben. 194  Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 21, Rn. 42. 195  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 13; Herdegen, Art. 79 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 17; Rozek, Verfassungsrevision, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 257, Rn. 12. 186  Bryde,

174

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

einfachen Rechts, wenn auch „[materielles] Verfassungsrecht“196, sind hingegen ohne Berücksichtigung des Art. 79 GG zulässig (so z. B. das Wahl­ recht).197 Art. 79 I 1 GG schließt auch sogenannte Verfassungsdurchbrechungen198 aus, dabei wird jedoch zwischen formellen und materiellen unterschieden. Erstere sollen unzulässig, letztere hingegen zulässig sein.199 Unter materiellem Verfassungsbruch werden Änderungen verstanden, die keine allgemeinen Regelungen sind, sondern einen Einzelfall betreffen (z. B. Art. 143 GG)200; formelle Verfassungsdurchbrechungen sind (dauerhafte) Verfassungsänderungen, die sich nicht im Text niederschlagen (Verfassungs textdurchbrechungen).201 Einzelfallregelungen seien zulässig, da diese in Art. 79 GG nicht ausdrücklich verboten sind und das Grundgesetz bereits in seiner ursprünglichen Fassung solche enthielt.202 Als Ausnahmen vom ­Verbot der Verfassungstextdurchbrechung werden Art. 23 und 24 I GG ge­ nannt,203 teilweise auch der Verfassungswandel.204 Damit sind die Grundlagen des Art. 79 GG skizziert. Es bleibt nun die Frage, wie sich Verfassungsänderung und Verfassungswandel abgrenzen lassen. 2. Verfassungswandel Ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt jedenfalls nicht durch Gesetz, sodass Art. 79 GG auf diesem Weg nicht durchbrochen wird. Aus dem Wortlaut des Art. 79 GG ergibt sich des Weiteren keine ausdrückliche Grenze zum Verfassungswandel. Die bislang der Darstellung zugrunde gelegte Definition beschreibt Verfassungswandel als 196  Rozek, Verfassungsrevision, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 257, Rn. 10. 197  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 11; Herdegen, Art. 79 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 13; Rozek, Verfassungsrevision, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 257, Rn. 10. 198  Zum Begriff Herdegen, Art. 79 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 22; Hoffmann, Art. 79 Abs. 1 und 2 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 9; Hufeld, Verfassungsdurchbrechung; Unruh, Verfassungsbegriff, S.  436 ff. 199  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 3, 21; dagegen Ehmke, AöR 40 (1953/54), S. 385, 401. 200  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 20. 201  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 18 f. 202  Erichsen, JURA 1992, S. 52. 203  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 26; Hoffmann, Art. 79 Abs. 1 und 2 GG, in: Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Rn. 112 ff.; Robbers, NJW 1989, S. 1325, 1331 f.; a. A. Herdegen, Art. 79 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 28. 204  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 39.



B. Verfassungswandel in der Theorie175

„Veränderungen im Sinn der Verfassung, die nicht Verfassungsänderung sind“205. Im Folgenden wird nun dargelegt, wie ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht entstehen kann und welche Grenzen zu Art. 79 GG daraus folgen. In diesem Kontext ist der Verfassungswandel zunächst von weiteren Phänomenen abzugrenzen, die zwar ebenfalls im Zusammenhang mit Veränderungen stehen, jedoch nicht im Spannungsverhältnis zu Art. 79 GG:206 So liegt kein Verfassungswandel vor, wenn sich lediglich die tatsächlichen Gegebenheiten verändern, auf welche die Norm bezogen ist,207 da keine normative Änderung innerhalb der Norm erfolgt. Auch handelt es sich deswegen nicht um einen Verfassungswandel, wenn die Bedeutsamkeit einer Norm sich verändert.208 Schließlich beinhaltet der Begriff des Verfassungswandels nicht den Fall, dass bei gleichbleibender Interpretation ein verändertes Ergebnis erzielt wird, weil sich die Tatsachengrundlage verändert hat, z. B. im Rahmen des Art. 3 GG,209 da keine Veränderung der Auslegung erfolgt. a) Interpretation des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht Einhellig wird dargelegt, dass Verfassungswandel sich durch Interpreta­ tion vollzieht, d. h., eine Veränderung im Sinn der Verfassung erfolgt durch Auslegung,210 vorliegend durch die des Bundesverfassungsgerichts. Ein Spannungsverhältnis zu Art. 79 GG entsteht infolge der bindenden Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.211 Die Interpretation der Verfassung ist nicht gesetzlich geregelt (im Gegensatz zur Verfassungsänderung), sodass sie nicht anhand normativer Voraussetzungen vom Verfassungswandel abgegrenzt werden kann. Für die Auslegung der Gesetze gibt es keine positiven Regeln, sondern die Rechtstheorie, die Methoden zur Auslegung von Recht entwickelt: „Gesetze über Gesetze“212. 205  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 22. weitere Eingrenzungen vgl. Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141. 207  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S.  141 f., 145 f.; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 452 f. 208  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 452. 209  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 453; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 524 f. 210  s. o. B. I. 2. 211  s. o. A. II. 212  Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, Rn. 17; Hart, Begriff, S. 115 f. 206  Für

176

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Diese Methoden werden auch vom Bundesverfassungsgericht angewandt. Das Gericht ist dabei nicht zur alleinigen Interpretation des Grundgesetzes berufen, da alle Staatsgewalt an die Verfassung gebunden ist und diese insofern auch interpretieren muss.213 Dies zeigt sich ebenfalls daran, dass das Gericht erst im Nachhinein die Entscheidungen anderer staatlicher Gewalt überprüft.214 Bei der Betrachtung der Interpretationsmacht des Gerichts ist zu berücksichtigen, dass dieses nur über die Auslegung entscheiden kann, wenn es auch gefragt wird.215 Es hat kein Initiativrecht und demnach ist die Fähigkeit des Bundesverfassungsgerichts zur Interpretation auf die Normen limitiert, die im konkreten Verfahren eine Rolle spielen. Dennoch ist die Interpretation letztverbindlich.216 aa) Methoden der Interpretation Alle Ausführungen zur juristischen Methode führen zu Friedrich Carl von Savigny und den heutigen vier Auslegungsmethoden: grammatische, historische, systematische, teleologische Auslegung.217 Zur Frage der Auslegungsmethoden äußert sich das Gericht zumeist mit dem Hinweis auf diese üblichen und anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung.218 Der Wortlaut der Norm bildet den Ausgangspunkt der Auslegung. Führt die Untersuchung des Wortlauts zu einem Ergebnis, sollen nach dem Bundesverfassungsgericht weitere Methoden keine Rolle mehr spielen.219 Ob der Wortlaut jemals eindeutig sein kann, ist umstritten, eine klare Bedeutung wird allerdings zumindest teilweise kaum geleugnet werden können.220 Der Wortlaut ist damit zugleich die Grenze der Auslegung.221 Daneben wird die 213  Borowski, Subjekte der Verfassungsinterpretation, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 274, Rn. 12. 214  Borowski, Subjekte der Verfassungsinterpretation, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 274, Rn. 27; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 302. 215  Borowski, Subjekte der Verfassungsinterpretation, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 274, Rn. 25; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 154; Lange, JuS 1978, S. 1. 216  Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 167. s. o. A. II. 217  von Savigny, System, § 33. Vgl. dazu aber Bydlinski, Methodenlehre, S. 437; Gröpl/Georg, AöR 139 (2014), S. 125, 133; Kriele, Rechtsgewinnung, S. 81 ff.; Rü­ thers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 698 ff. 218  Bleckmann, JuS 2002, S. 942; Hailbronner, Der Staat 53 (2014), S. 425, 435 f.; Herdegen, JZ 59 (2004), S. 873, 876. 219  Bleckmann, JuS 2002, S. 942, 943. 220  Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 614. s. u. B. II. 2. b), 3. a). 221  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 77; Müller, Normstruktur, S. 160 f.; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 614 ff.;



B. Verfassungswandel in der Theorie177

Entstehungsgeschichte herangezogen (historisch-genetische Auslegung): Der Wille des Verfassungsgebers wird erforscht.222 Dabei wird auf den Willen des Volkes als Verfassungsgeber rekurriert.223 Des Weiteren wird die einzelne Norm in die Systematik anderer eingeordnet.224 Bei der Auslegung der Normen des Grundgesetzes ist demzufolge auch anderen Verfassungsrechtssätzen Beachtung zu schenken und die „Einheit der Verfassung“225 zu wahren. Schließlich wird als weitere Auslegungsmethode Sinn und Zweck der Norm untersucht.226 Es bedarf keiner speziellen Methodenlehre hinsichtlich des Grundgesetzes.227 Im Rahmen der Interpretation der Verfassung werden die klassischen Methoden durch weitere ergänzt, dazu gehören z. B. die integrierende Wirkung228 und die normative Kraft der Verfassung,229 wobei diese in den oben genannten Methoden wohl bereits enthalten sind.230 Die Methoden der Interpretation dürften einem Verfassungswandel jedenfalls nicht entgegenstehen. Wird Verfassungswandel als Sinnänderung der Norm verstanden, dann muss diese Entwicklung der Verhaltensanforderungen aufgezeigt werden. Den Sinn der Norm zu erfassen, ist Aufgabe der Interpretation, daher kann diese ebenfalls dazu dienen, eine Veränderung des Sinns darzulegen. Die vorliegend untersuchten Normen (Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG) wurden in Literatur und Rechtsprechung mit Hilfe der angeführten Methoden interpretiert: Der Wortlaut bildete dabei den Ausgangspunkt der Darstellung und war meist Auftakt zu einer weiterführenden Zippelius, Verfassungskonforme Auslegung, in: Starck, FS 25 Jahre BVerfG, S. 108, 115 f.; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 I 1 a. 222  Maurer, Staatsrecht I, § 1, Rn. 52 f.; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 620; Zippelius/ Würtenberger, Staatsrecht, § 7 I 1 b 2. 223  Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 I 1 b 2. 224  Maurer, Staatsrecht I, § 1, Rn. 55; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 622 f. 225  BVerfGE 1, 14 (32); BVerfGE 19, 206 (220); Grzeszick, Staat, Verfassung und Einheit der Rechtsordnung, in: Depenheuer, FS Isensee, S. 93; Lerche, Stil und Methode, in: Badura/Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, S. 333, 340 ff.; Ossenbühl, DÖV 1965, S. 649, 654; Roellecke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: Starck, FS 25 Jahre BVerfG, S. 22, 32 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 134 f.; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 I 1 c. 226  Maurer, Staatsrecht I, § 1, Rn. 56; Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 620 ff. 227  Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 505, 523. 228  Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 271, Rn. 30 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 134. 229  Maurer, Staatsrecht I, § 1, Rn. 60 ff.; Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 164, Rn. 19. 230  Brugger, AöR 119 (1994), S. 1, 30  ff.; Herdegen, JZ 59 (2004), S. 873, 875 f.; Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 271, Rn. 20.

178

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Diskussion,231 dies wird besonders deutlich am Beispiel des Art. 87a II GG. Ein Ergebnis für den konkret zu lösenden Fall ergab sich rein aus dem Wortlaut der Normen in keinem der dargestellten Urteile. Der Wille der Verfassungsgeber konnte ebenfalls nur annäherungsweise festgestellt werden und blieb umstritten.232 Daher drehte sich der Schwerpunkt der Debatte um Sinn und Zweck der Normen.233 Dies zeigt sich insbesondere im Rahmen der Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt und Art. 59 II 1 GG. Die Systematik brachte darüber hinaus zumeist keine entscheidenden Impulse,234 dafür lässt sich z. B. der Begriff des Einordnens aus Art. 24 II GG anführen. Im Besonderen wurde u. a. die Herstellung praktischer Konkordanz im Zusammenhang mit der Frage nach dem Verhältnis von Art. 24 II und 87a II GG vorgebracht.235 Ausdrückliche Hinweise auf die Anwendung bestimmter Interpretationsmethoden finden sich in den vorliegenden Urteilen des Gerichts selten. In BVerfGE 90, 286 argumentiert das Bundesverfassungsgericht mit Sinn und Zweck der Art. 59 II 1 GG236 und Art. 24 II GG237. Daneben sind vor allem historische Hinweise zu finden.238 Teilweise werden ebenfalls systematische Argumente genannt.239 In BVerfGE 104, 151 wird mit dem Wortlaut des neuen Strategischen Konzepts argumentiert.240 Darüber hinaus verweist das Gericht auch hier auf den historischen Willen des Verfassungsgebers.241 Ebenso in BVerfGE 118, 244.242 In BVerfGE 121, 135 und BVerfGE 140, 160 finden sich keine ausdrücklichen methodischen Hinweise. An die Darlegung der Methoden der Verfassungsinterpretation schließt sich die Frage nach der Rangfolge243 derselben an, da ihre Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen kann. Dies zeigt sich vorliegend im Falle des Wortlauts von Art. 24 II GG, da dieser nicht zwangsläufig zum gleichen Ergebnis führt wie die Frage nach Sinn und Zweck.244 Das Gleiche gilt für die Diskrepanz zwischen Wortlaut und Telos des Art. 59 II 1 GG im Hin231  s. o.

z. B. Teil 2 A. II. 2. b). z. B. Teil 2 A. II. 2. b). 233  s. o. Teil 2 A. II. 2. b) bb), cc), 4. b) bb), cc). 234  s. o. Teil 2 A. II. 1. b) cc), 2. b), 3., 4. b) cc). 235  s. o. Teil 2 A. II. 3. e). 236  BVerfGE 90, 286 (377). 237  BVerfGE 90, 286 (348 f.). 238  BVerfGE 90, 286 (345 f., 347 f., 356 f., 382 ff.). 239  BVerfGE 90, 286 (384 ff.). 240  BVerfGE 104, 151 (202). 241  BVerfGE 104, 151 (212). 242  BVerfGE 118, 244 (271). 243  Vgl. dazu ausführlich Gern, VerwArch 80 (1989), S. 415. 244  s. o. Teil 2 A. II. 1. b). 232  s. o.



B. Verfassungswandel in der Theorie179

blick auf „Verträge“.245 Bisher besteht jedoch keine Einigkeit in der Frage nach der Rangfolge der Methodenanwendung.246 bb) Ziel der Interpretation Im Hinblick auf das Ziel der Auslegung herrscht Streit darüber, welches Verständnis maßgeblich sein soll: Der Wille des Verfassungsgebers oder der Sinn der Norm zur Zeit der Auslegung?247 Zum einen soll sich die Interpretation ausschließlich am positiven Recht orientieren und an den Willen des Verfassungsgebers gebunden sein.248 Damit ist einerseits fraglich, was unter dem Willen des Verfassungsgebers zu verstehen ist und andererseits, wer der Verfassungsgeber ist: Volk, Parlament, einzelne Abgeordnete? Im demokratischen Staat ist Verfassungsgeber das Volk.249 Für die Auslegung kann jedoch faktisch nicht der Wille des Volkes als Summe aller Bürgerinnen und Bürger herangezogen werden. Der Wille des Gesetzgebers sei jedoch durch den „[gesamten gesellschaftlich-politischen] Kontext […] sowie die Materialien des Gesetzgebungsverfahrens (Regierungsentwurf, Kommissionsberatungen, Gegenentwürfe, BTund BR-Protokolle, Amtl. Begründungen etc.)“250 zu ermitteln. Bezüglich des Parlamentarischen Rates bilden Materialien und Diskussionen lediglich einen subjektiven Ausschnitt, nicht den tatsächlichen Willen des Verfassungsgebers.251 Daneben wird der Erforschung des Willens des Verfas245  s. o.

Teil 2 A. II. 4. b) bb) (4). AöR 119 (1994), S. 1, 21; Hassemer, ZRP 2007, S. 213, 216; Rü­ thers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 784; kritisch Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 120 f., 612, 631 f. 247  Bydlinski, Methodenlehre, S.  428  ff.; Dreier, Verfassungsinterpretation, in: Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 13, 24 ff.; Herdegen, JZ 59 (2004), S. 873, 879; Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 505, 508 ff.; 514 ff.; Müller, JZ 17 (1962), S. 471; Schneider, VVDStRL 20 (1963), S. 1, 6 ff.; Schuppert, Verfassungswandel im Kontext, in: Hönnige/Kneip/ Lorenz, Verfassungswandel, S. 346, 361; Wahl, Verfassungsgebung – Verfassungsänderung – Verfassungswandel I, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 29, 44 ff.; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 54. 248  Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 505, 509 f. Dabei soll zwischen Interpretation und Anwendung zu unterscheiden sein Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 505, 517 ff. Dazu Volkmann, Der Staat 54 (2015), S. 35, 48. 249  Kenntner, DÖV 1997, S. 450, 451; Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 6 I, II. 250  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 790. 251  Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 7 I 1 b 2. 246  Brugger,

180

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

sungsgebers die Gefahr der „Herrschaft früherer Generationen über die heute Lebenden“252 entgegengehalten. Dagegen spreche allerdings, dass die subjektive Theorie durchaus Entwicklungen des Rechts berücksichtigen könne, indem sie Gesetze so auslegt, als habe sie der heutige Gesetzgeber erlassen.253 Die Norm sei nicht starr, sondern könne „Fernwirkung“254 entwickeln, indem das Ziel des Verfassungsgebers berücksichtigt und auf die veränderte Wirklichkeit angewandt werde.255 Entscheidend ist vorliegend, ob nach der subjektiven Auslegungsmethode ein Verfassungswandel überhaupt möglich ist. Der Wille des Verfassungsgebers soll schließlich danach „dauerhaft maßgeblich sein“256. Wird das Ziel des Gesetzgebers in Verbindung mit der aktuellen Wirklichkeit gebracht, auf welche die Norm anzuwenden ist, dann können sich daraus neue Aspekte ergeben, die in früheren Auslegungsergebnissen so nicht zu finden waren. Ist darin eine Sinnänderung der Norm zu sehen, dann ist ein solcher Verfassungswandel auch im Rahmen der subjektiven Auslegung möglich. Zum anderen wird vertreten, dass das „ ‚Ziel‘ [der Verfassungsnorm] nicht bereits real existent ist“257. Die objektive Auslegung will daher die heutige Bedeutung der Norm darlegen,258 denn „die Geschichte eines Rechtsgedankens ist […] nicht vorläufig zu Ende, wenn er sich in einem Gesetze niedergeschlagen hat“259. Durch die Interpretation soll das Verfassungsrecht konkretisiert werden, die Auslegung wirkt – im Rahmen der Norm – schöpferisch.260 Dafür wird angeführt, der Verfassungsgeber habe keinen eindeutigen Willen, sondern es gebe Anhaltspunkte für mögliche Entscheidungen, welche der Interpret trifft.261 Der objektiven Auslegung wird jedoch der Vorwurf gemacht, nicht überprüfbar zu sein, da es keine Kriterien für den Sinn der Norm gebe.262 Im Gegensatz zur subjektiven Methode besteht kein Fixpunkt der Auslegung. Wenn der objektive Sinn der Norm in jeder Anwendung neu ausgelegt wird, ist daher ein Verfassungswandel nicht von vorneherein ausgeschlossen. 252  Zippelius/Würtenberger,

Staatsrecht, § 7 I 1 b 5. Rechtslehre, S. 628. 254  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 721. 255  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 721. 256  Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 505, 515. 257  Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 56. 258  Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 628. 259  Radbruch/Zweigert, Rechtswissenschaft, S. 254 f. 260  Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 60; Isensee, NJW 1977, S. 545, 549. 261  Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 56. 262  Hassemer, ZRP 2007, S. 213, 216. 253  Röhl/Röhl,



B. Verfassungswandel in der Theorie181

Der Streit zwischen subjektiver und objektiver Auslegung bleibt bislang eine ergebnislose Diskussion. Eine Wahl zwischen subjektiver und objektiver Auslegung soll schlussendlich nicht möglich sein.263 Somit soll beides verbunden werden (Vereinigungstheorie)264.265 Die objektive Auslegung könne sich an die subjektive Auslegung anschließen, wenn diese ergebnislos bleibt.266 Nach dieser vermittelnden Ansicht ist ein Verfassungswandel ebenfalls nicht ausgeschlossen, da keine ausschließliche Begrenzung auf die Ermittlung des Willens des Verfassungsgebers vorliegt. Zur Auslegung der Verfassung stellt das Bundesverfassungsgericht fest: „[Nach] der [Rechtsprechung des Gerichts] [müssen] die einzelnen Artikel des Grundgesetzes so ausgelegt werden […], daß sie mit den elementaren Grundsätzen des Grundgesetzes, insbesondere den Grundrechten, und seiner Werteordnung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 1, 14 [32]; 7, 198 [205]). Vornehmstes Interpretationsprinzip ist die Einheit der Verfassung als eines logisch-teleologischen Sinngebildes, weil das Wesen der Verfassung darin besteht, eine einheitliche Ordnung des politischen und gesellschaftlichen Lebens der staatlichen Gemeinschaft zu sein.“267 Aufgrund dessen wird überwiegend davon ausgegangen, dass das Gericht die Normen auf den objektiven Willen des Gesetzes hin untersucht.268 Die gerichtlichen Aussagen sind jedoch keineswegs einheitlich269 und die tatsächlich angewandten Methoden trotz gleichlautender Feststellungen oft unterschiedlich.270 Der Wille des Gesetzgebers ist zwar zu berücksichtigen, aber nicht maßgeblich.271 Das Bundesverfassungsgericht ist daher – wie vielzitiert festgestellt wird – nicht nur „la bouche qui prononce les paroles de la loi“272.

263  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 255. Methodik, S. 87. 265  Brugger, AöR 119 (1994), S. 1, 19; Stern, Staatsrecht I, S. 124. 266  Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 632. 267  BVerfGE 19, 206 (220). 268  Bleckmann, JuS 2002, S. 942, 943; Gern, VerwArch 80 (1989), S. 415, 421; Hesse, Verfassungsrecht, R. 54; Heun, AöR 116 (1991), S. 185, 196; Ossenbühl, DÖV 1965, S. 649, 652; Schlothauer, Verfassungsgerichtsbarkeit, S.  47 f. 269  Vgl. z. B. BVerfGE 54, 277 (297). Roellecke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, in: Starck, FS 25 Jahre BVerfG, S. 22, 25; Stern, Staatsrecht I, S. 130. Vgl. dazu auch Kranenpohl, Der Staat 48 (2009), S. 387. 270  Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, Fn. 4; Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53, 57 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 800; Schneider, VVDStRL 20 (1963), S.  1, 12 f. „Auch hier schreibt das Gericht kein Lehrbuch.“ Lerche, Stil und Methode, in: Badura/Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, S. 333, 357. 271  Heun, AöR 116 (1991), S. 185, 196 f. 272  Montesquieu, De l’esprit des lois, Liv. XI Chap. VI. 264  Schwacke,

182

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

b) Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation Verfassungswandel bedeutet nach der vorliegenden Definition die Änderung des Sinns der Verfassung im Wege der Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht. Möglicherweise lässt sich diese Änderung – der Verfassungswandel – von der Interpretation unterscheiden und daraus folgt eine Grenze zwischen Interpretation, die von Art. 79 GG umfasst ist, und Verfassungswandel, der gegen Art. 79 GG verstößt. Aus den Regeln der Interpretation ergibt sich zunächst keine nähere Eingrenzung des Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich Art. 79 GG, da das Gericht als letztverbindlicher Interpret gerade darüber entscheidet, ob eine bestimmte Auslegung der Verfassung zulässig ist oder nicht. Fraglich ist daher, ob Verfassungswandel und Interpretation derart voneinander abgegrenzt werden können, dass daraus eine Begrenzung des Verfassungswandels bezüglich Art. 79 GG folgt. aa) Abgrenzung von Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation Ernst-Wolfgang Böckenförde beschreibt den Begriff des Verfassungswandels als „materielle, den normativen Inhalt betreffende Änderung der rechtlichen Verfassung […] ohne deren formelle Änderung“273. Dabei wird der Begriff des Verfassungswandels in Bezug auf die Interpretation näher eingegrenzt: Vom Verfassungswandel nicht erfasst sei die Veränderung der vom Tatbestand einer Verfassungsnorm erfassten Sachverhalte.274 Des Weiteren soll von Verfassungswandel gerade keine Rede sein, wenn unterschiedliche gesetzliche Ausgestaltungen möglich sind und der Gesetzgeber diese Möglichkeiten nutzt.275 Bei der Konkretisierung unbestimmter Verfassungsbegriffe liege ebenfalls kein Verfassungswandel vor, da diese nicht gewandelt werden, sondern lediglich konkretisiert.276 Auch erfolge kein Verfassungswandel, wenn die Verfassungsnorm auf außerrechtliche Zustände verweist, die sich im Zuge des Zeitgeistes verändern (sogenannte Schleusenbegriffe).277 273  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 142. 274  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 145. 275  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 146 f. Dazu auch Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 525 f. 276  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 147. 277  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 149; dazu auch kurz Sommermann, Verfassungswandel, in: Manssen/Jachmann/Gröpl, FS Steiner, S. 796, 804 f.



B. Verfassungswandel in der Theorie183

Des Weiteren wird der Verfassungswandel von der verfassungsrechtlichen Rechtsfortbildung abgegrenzt.278 Dahinter steht das Verständnis der Verfassung als Rahmenordnung.279 Insgesamt wird der Begriff des Verfassungswandels dadurch eng begrenzt, insbesondere verschiedene Formen der Veränderung einer Norm durch Interpretation ausgeschlossen, wie z. B. die veränderte Auslegung unbestimmter Verfassungsbegriffe. Verfassungswandel bedeutet danach eine normative Veränderung der Verfassung, die jenseits der zuvor genannten Vorgänge liegt. Fraglich ist nun, welche Konsequenz sich daraus für die Frage nach dem Verhältnis von Verfassungswandel und Art. 79 GG ergibt. Nach dieser Darstellung wird die Interpretation durch das geschriebene Gesetz angeleitet und unterscheidet sich dadurch vom Verfassungswandel, der die Veränderung der Norm zur Folge hat.280 Ein Verfassungswandel bedeute Veränderung oder Neuentwicklung, jedoch nicht die Ermittlung, Entfaltung oder Vervollständigung von etwas Vorgegebenem.281 Durch die Überschreitung oder Aufgabe dieser Grenze, bestehe die Gefahr einer unzulässigen Verfassungsänderung, insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht.282 Die Diskussion wird unter Rückgriff auf die Termini von Friedrich Müller geführt. Dabei setzt sich die Norm aus Normprogramm und Normbereich zusammen.283 Der Normbereich umfasst alle Faktoren der Wirklichkeit, die von der Norm geregelt und geordnet werden sollen und wird mithilfe des Normprogramms durch Auslegung ermittelt.284 Der Unterscheidung zwischen Normbereich und Normprogramm zufolge, könnte eine Veränderung im Normbereich dazu führen, dass sich die Norm selbst ändert, da beides nicht voneinander getrennt werden kann.285 Die Veränderungen im Normbe278  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S.  141, 150 ff. 279  Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, 2091; Böckenförde, JA 1984, S. 325, 332; Böckenförde, Die Eigenart des Staatsrechts, in: Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 11, 17 f.; Sommermann, Verfassungswandel, in: Manssen/Jachmann/ Gröpl, FS Steiner, S. 796, 801; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 529. 280  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 153. 281  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 153. 282  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 153. 283  Müller/Christensen, Methodik, Rn. 16. s. u. B. II. 3. a) bb), C. I. 3. b). 284  Müller/Christensen, Methodik, Rn.  232; dazu Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 259; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 46; Klatt, Wortlautgrenze, S. 83. 285  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 154.

184

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

reich „können die Ergebnisse der Normkonkretisierung [grundsätzlich] ändern, obwohl der Normtext (und damit im Wesentlichen das „Normprogramm“) identisch bleibt“286. Die von der Norm geregelte Wirklichkeit könne sich jedoch auch ändern, ohne dass sich die Norm verändert.287 Durch eine Veränderung des Normbereichs verändere sich daher lediglich die ordnende Wirkung der Norm, nicht jedoch das Normprogramm, denn letzteres dürfe nur interpretiert werden, nicht verändert.288 Indem so eine Veränderung des Normbereichs nicht zu einer Veränderung des Normprogramms führen soll, werden Änderungsvorgänge im Normbereich als Interpretation eingeordnet und führen nicht zum Verfassungswandel. Eine Veränderung des Normprogramms im Wege der Interpretation ist danach unzulässig, dies gilt folglich auch für einen Verfassungswandel durch Interpretation. Gleichzeitig erfasst die Interpretation in diesem Zusammenhang die Veränderungen im Normbereich. So werden dem Interpretationsvorgang weite Grenzen gesetzt, indem aus dem Begriff des Verfassungswandels z. B. unbestimmte Rechtsbegriffe (s. o.) ausgenommen werden. Die Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG schließt danach eine Veränderung im Sinn der Norm aus, welche eine unzulässige Veränderung des Normprogramms bedeutet. Eine solche Veränderung durch das Bundesverfassungsgericht ist danach einen Verstoß gegen Art. 79 GG.289 bb) Diskussion Unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten geplante Ungenauigkeiten und „[verlangen] nach einer wertenden Entscheidung des Anwenders“290.291 Diese Ausfüllung erfolgt durch die Interpreten.292 Dabei können jedoch durchaus neue Verhaltensanforderungen an den Normadressaten gestellt werden und somit könnte auch ein Verfassungswandel erfolgen. Dies spricht dagegen, derartige Konkretisierungen von Normen nicht als Verfassungswandel zu begreifen. Gegen den Ausschluss unbestimmter Rechtsbegriffe aus dem Vorgang des Verfassungswandels lässt sich des Weiteren anführen, 286  Hesse,

Verfassungsrecht, Rn. 46. Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa,

287  Böckenförde,

S. 141, 146. 288  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 154, 156. 289  Vgl. Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S.  141, 155 f. 290  Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 60. 291  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 185. 292  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 528.



B. Verfassungswandel in der Theorie185

dass dies zu einer wesentlichen Verengung des Begriffs des Verfassungswandels führt, sodass letztlich kein Anwendungsbereich verbliebe.293 Werden die genannten Konkretisierungen ausgeschlossen, der Verfassungswandel jedoch durch den Rahmen der Verfassung selbst begrenzt, bleibt unklar, welche zulässigen Veränderungen noch vom Verfassungswandel erfasst sein können. Danach darf durch die Interpretation keine normative Änderung einer Verfassungsnorm erfolgen, da jedoch andererseits der Verfassungswandel eng begrenzt wird, hat dies zur Folge, dass kaum eine Änderung des Sinns der Verfassung (d. h. Verfassungswandel) möglich scheint, der einerseits die Voraussetzungen des Begriffs erfüllt, aber andererseits nicht zu einer Veränderung des Normprogramms führt.294 Sind daher Schleusenbegriffe und unbestimmte Rechtsbegriffe nicht erfasst, kann der Verfassungswandel nur noch in unzulässiger Interpretation liegen.295 Danach verbleibt jedoch kein Verfassungswandel mehr; sind die Grenzen der Interpretation überschritten, beginnt die Verfassungsänderung. Fraglich ist des Weiteren, ob tatsächlich eine Grenze zwischen Verfassungswandel und Rechtsfortbildung gezogen werden kann. Es wird gleichfalls argumentiert, „Verfassungswandel [sei] ein Vorgang der Rechtsfortbildung, durch die Verfassung selbst hervorgerufen und gesteuert.“296 Nach der obigen Darstellung könnte der Verfassungswandel zwar von der Rechtsfortbildung abgegrenzt werden, jedoch führt dies dazu, dass ein solcher kaum noch existiert.297 Richterliche Rechtsfortbildung bedeutet grundsätzlich die Fortentwicklung des Rechts, wenn dieses lückenhaft ist.298 Rechtsfortbildung erfolgt, indem das Gesetz „präzisiert, ergänzt oder berichtigt“299 wird, dabei kann dies über den Wortlaut der Norm hinausgehen.300 Eine Ergänzung des Verfassungsrechts kann jedoch ebenfalls einen Verfassungswandel bedeuten, wenn dadurch eine Veränderung des Sinns der Verfassung erfolgt. Liegt nun in einem Vorgang gleichzeitig Verfassungswandel und Rechtsfortbildung, kann nicht geleugnet werden, dass dies zu „Vieldeutig-

293  Voßkuhle,

Der Staat 43 (2004), S. 450, 454 f. Der Staat 43 (2004), S. 450, 454 f. 295  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 529. 296  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 17. 297  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 455. 298  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 21; Fiedler, JZ 34 (1979), S. 417, 420; Kreuter-Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit im Dienst der Verfassung, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 272, Rn. 59; Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 271, Rn. 35. 299  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 19. 300  Zippelius, Methodenlehre, S. 78. 294  Voßkuhle,

186

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

keit und Unklarheit des Begriffs [führt]“301. Auf der anderen Seite entleert sich der Inhalt des Begriffs des Verfassungswandels, wenn dieser von der Rechtsfortbildung abgegrenzt wird, indem der Verfassungswandel gänzlich unbrauchbar wird. Darüber hinaus kann beides durch unterschiedliche Vo­ raussetzungen dargestellt werden, das eine führt nicht automatisch zum anderen. Verfassungswandel muss nicht zwangsläufig Rechtsfortbildung bedeuten, wenn z. B. keine Lücke im Grundgesetz vorliegt. Es ist jedoch fraglich, ob es andersherum Rechtsfortbildung geben kann, die keinen Verfassungswandel bedeutet. Dazu müsste das Grundgesetz ergänzt werden, ohne dass daraus eine Veränderung des Sinns der Verfassung resultiert. Dies scheint kaum möglich, da eine Ergänzung zumeist etwas Neuartiges be­ inhaltet und somit Veränderung schafft. Da dies andersrum jedoch nicht gilt, sind Verfassungswandel und Rechtsfortbildung dennoch nicht identisch. Es bleibt allerdings die Frage nach einer handhabbaren Grenze zwischen Verfassungswandel und Verfassungsfortbildung. Mögliche Grenze könnte der Wortlaut der Norm darstellen. Dieser kann durch Rechtsfortbildung überschritten werden, im Hinblick auf den Verfassungswandel wird jedoch an jener zumeist festgehalten.302 Allerdings übersteigt wiederum nicht jede Rechtsfortbildung den Wortlaut der Norm.303 Insoweit kann bei Überschreitung dieser Grenze zwar Rechtsfortbildung, jedoch kaum ein Verfassungswandel vorliegen. Da nicht jede Fortbildung des Rechts jenseits des Wortlauts erfolgt, fungiert auch der Wortlaut nicht als abschließende Grenze zwischen Verfassungswandel und Rechtsfortbildung. Dafür spricht ebenfalls, dass bislang ebenso keine Grenze zwischen Verfassungsinterpretation und -fortbildung gefunden wurde.304 Verfassungswandel kann somit gleichzeitig Rechtsfortbildung durch das Bundesverfassungsgericht sein. Somit kann Verfassungswandel auch Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe, Veränderung sogenannter Schleusenbegriffe sowie richterliche Rechtsfortbildung beinhalten. Eine handhabbare Grenzziehung zwischen Verfassungswandel und -interpretation ist bislang nicht gefunden. Es wird daher festgestellt, beides sei funktional äquivalent305 und die Diskussion „dreht sich im Kreis“306.

301  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 152. 302  s. u. B. II. 3. 303  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187; Zippelius, Methodenlehre, S. 79. 304  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 267. 305  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S.  141, 152 f. 306  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S.  551; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 456.



B. Verfassungswandel in der Theorie187

cc) Begriff der Veränderungen im Sinn der Verfassung Nachdem Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation nicht voneinander abgegrenzt werden können, folgt daraus gleichsam keine Grenze zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG. Dennoch beschreibt der Verfassungswandel nach der bislang verwendeten Definition eine Veränderung im Sinn der Verfassung, während Aufgabe der Interpretation die Erfassung des Sinns der Normen ist. Eine Veränderung bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch grundsätzlich „das Verändern, Anderswerden oder Abwandlung, Korrektur, Revision, Überarbeitung, Umänderung, Variation, Verbesserung und Abkehr, Neuerung, Neuregelung, Umbruch, Umstellung, Wandel, Wechsel“307. Zunächst ist damit festzustellen, dass eine Veränderung des Sinns der Verfassung nicht beschränkt sein muss auf Entwicklungen, die im Widerspruch zu vorherigen Verständnissen stehen, d. h. es ist nicht nötig, dass das Gegenteil einer früheren Bedeutung festgestellt wird. Dies würde eine unnötige Einengung des Begriffs bedeuten.308 Die Veränderung ist sprachlich nicht auf gegenteilige Entwicklungen beschränkt, auch eine Erweiterung kann als Verfassungswandel verstanden werden und ist daher nicht von vorneherein auszuschließen. Es wird auch dargelegt, durch den Verfassungswandel ändere sich „nicht der normative Gehalt der Verfassung“309. Danach besteht keine Konkurrenz zu Art. 79 GG, weil keine normative Veränderung vollzogen wird, sondern innerhalb der von der Norm gezogenen Grenzen neue Konkretisierungen vorgenommen werden.310 Der Verfassungswandel geht vollständig in der Interpretation auf. Wird eine mögliche normative Veränderung vom Begriff des Verfassungswandels ausgenommen, sind Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation deckungsgleich. Diese Eingrenzung folgt nicht aus der Definition des Verfassungswandels als Veränderung im Sinn der Verfassung. Die Begrifflichkeit des Sinns der Norm ist gleichzusetzen mit ihrem Inhalt, d. h. der Verhaltensanforderung, welche die Norm an die Adressaten stellt.311 Veränderung bedeutet daher eine „Entwicklung des Verfassungsrechts, in deren Folge neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse) 307  http://www.duden.de/rechtschreibung/Veraenderung (aufgerufen am 01. November 2016). 308  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 22. 309  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 457; siehe auch Fiedler, JZ 34 (1979), S. 417, 418; Wolff, Verfassungsrecht, S. 101. 310  Hain, Art. 79 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 13; Masing, Der Staat 44 (2005), S. 1, 15. 311  Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 189 ff.

188

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

an den Normadressaten aus einem gleichbleibenden Text gestellt werden“312. „Die im Verfassungsrecht geregelten Kompetenzen, Verfahren und inhalt­ lichen Maßgaben lassen sich interpretieren als Gebote, Verbote und Erlaubnisse. Verfassungswandel materieller Verfassungsnormen hat eine Vergrößerung oder Verkleinerung der von der Verfassung mehr oder weniger belassenen Spielräume zur Folge.“313 Die Veränderung des Sinns einer Norm im Rahmen des Verfassungswandels erfolgt daher mit der „Veränderung der Rechtsfolgen einer Verfassungsnorm“314. Der normative Gehalt der Verfassung kann sich somit im Wege des Verfassungswandels durch Interpretation verändern. Dabei ist eine solche Änderung des Sinns der Verfassung bereits durch die Erstkonkretisierung, die das Bundesverfassungsgericht vornimmt, möglich. Ausgehend von einem Verfassungswandel durch Interpretation, kann ein solcher auch bei erstmaliger Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einem bestimmten Themenkomplex erfolgen.315 Dies wird insbesondere deutlich bei „überraschenden“ Entscheidungen des Gerichts. Die Interpretation des Gerichts kann durchaus von dem abweichen, was zuvor als Auslegung einer Norm diskutiert wurde, als Beispiel wird Art. 2 GG i. V. m. Art. 1 I GG angeführt.316 Dies gilt unabhängig davon, dass die Abweichung des Gerichts von einer zuvor übereinstimmend erfolgten Auslegung in Wissenschaft und Praxis im Einzelfall nur schwer nachzuvollziehen ist. Da Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation kaum voneinander getrennt werden können, liegt in einer Veränderung des Sinns der Verfassung gleichzeitig eine Interpretation (wenn diese nach den Methoden der Interpretation erfolgt), aber wegen der möglichen verbindlichen normativen Änderung des Grundgesetzes durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist dieser Verfassungswandel im Hinblick auf Art. 79 GG näher zu begrenzen. Die Gefahr des Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht besteht gerade darin, dass eine normative Änderung der Verfassung im Wege der Interpretation durch das Gericht erfolgt.

312  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 254. RW 5 (2014), S. 426, 433 f. 314  Wolff, Verfassungsrecht, S. 96. 315  Hönnige, Impliziter Verfassungswandel, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 249; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 434; Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 226; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 522; anders Wolff, Verfassungsrecht, S.  99 f. 316  Vgl. Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 226. 313  Michael,



B. Verfassungswandel in der Theorie189

3. Grenze von Verfassungswandel und Verfassungsänderung Nachdem Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation kaum voneinander getrennt werden können, stellt sich schließlich die Frage, ob und wie eine Grenze zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG gezogen werden kann. Fraglich ist damit, wie normative Änderungen der Verfassung festgestellt werden können, die zwar Art. 79 GG unterfallen, aber unter dem Deckmantel des Verfassungswandels erfolgen. Dort liegt die Grenze zwischen Verfassungsänderung und Verfassungswandel. a) Grenzen der Interpretation Da der Verfassungswandel, wie gezeigt, auf Interpretation beruht, ist zunächst auf die Grenzziehungsvorschläge einzugehen, die auf den Grenzen der Interpretation basieren. aa) Gegenstand der Interpretation Im Rahmen des Verfassungswandels wird deutlich, dass die Auseinandersetzung immer wieder auf die Diskussion um das Wesen der Verfassung zurückführt.317 In einem statischen Verständnis der Verfassung ist ein Verfassungswandel problematischer und mit geringerem Anwendungsbereich ausgestaltet als im Rahmen eines Verfassungsverständnisses, das auf Konkretisierung angelegt ist.318 In der jüngsten Untersuchung schlägt Lothar Michael vor, die Hürde zwischen der Einordnung der Verfassung als etwas „Aufgegebenem“ und etwas „Vorgegebenem“ zu überschreiten, indem der Verfassungswandel legitimiert wird.319 Vorliegend werden nun einige Aspekte des Verfassungsrechts genannt, die für den Verfassungswandel von Bedeutung320 sind, um die Frage zu erörtern, ob sich aus dem Grundgesetz selbst Hinweise auf einen zulässigen Verfassungswandel ergeben, der die Grenzen des Art. 79 GG wahrt. 317  Fiedler, Sozialer Wandel, S. 12; Fiedler, JZ 34 (1979), S. 417, 418; González de la Vega, Verfassungswandel, in: Goethe Universität Frankfurt, 25th IVR World Congress, S. 1; Herdegen, JZ 59 (2004), S. 873, 876; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 435, 475; Volkmann, Der Staat 54 (2015), S. 35, 43, 47, 52, 57 f. 318  Fiedler, Sozialer Wandel, S. 12; Fiedler, JZ 34 (1979), S. 417, 418; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 435; vgl. auch Volkmann, Der Staat 54 (2015), S. 35. s. o. B. II. 2. b). 319  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 435. s. u. B. II. 3. d) aa) (3). 320  Vgl. dazu ausführlich Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  27 ff.

190

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Das Grundgesetz ist eine geschriebene Verfassung,321 deren Bestimmungen normative Kraft haben.322 Daraus folgt, dass Auslandseinsätze der Streitkräfte grundsätzlich auf einer Rechtsgrundlage basieren müssen.323 Das Grundgesetz wird ebenfalls als anspruchsvoll und relevant klassifi­ ziert,324 es stellt Anforderungen an den politischen Alltag und regelt die Entscheidungsprozesse des Staates.325 Im Gegensatz zu anderen Normen ist die Verfassung damit auch und gerade Ausdruck der politischen Ordnung.326 Dies ist folglich bei der Auslegung zu berücksichtigen, vorliegend werden lediglich die Urteile des Bundesverfassungsgerichts herangezogen, nicht alle Handlungen politischer Akteure. Eine Verfassungsänderung kann nur gemäß Art. 79 GG vorgenommen werden, ein möglicher Verfassungswandel muss dagegen ohne Änderung des geschriebenen Texts auskommen, aber gleichzeitig die Normativität der Bestimmungen des Grundgesetzes berücksichtigen.327 Die Verfassung ist auf Stabilität328 ausgerichtet und die Möglichkeit eines Verfassungswandels besteht nicht unbegrenzt. Der Anspruch der Verfassung auf Dauerhaftigkeit wird vorliegend dadurch verdeutlicht, dass die letzte Verfassungsänderung im hier relevanten Bereich im Jahre 1968 erfolgte. Seitdem bestehen die angesprochenen Normen fort. Die Regelung der Verfassungsänderung machen es erforderlich, diese von den Verfassungswandlungen im Bereich von Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG abzugrenzen.329 Weil das Grundgesetz nur unter erschwerten Bedingungen änderbar ist,330 handelt es sich um eine rigide Verfassung.331 Im Unterschied zu anderen Gesetzen wurde das 321  Ein Gegenbeispiel findet sich in Großbritannien, vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 74 Fn. 72; vgl. aber Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 43. 322  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 1 f.; Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  37 ff.; Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/ Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 505, 508; Starck, Verfassungsauslegung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 271, Rn. 1; Stern, Staatsrecht I, S.  69 ff., 103 ff. 323  s. o. Teil 2 A. II. 1. 324  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  35 ff. 325  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  33 ff., 36 f. 326  Dreier, Verfassungsinterpretation, in: Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 13, 14; Karpen, Auslegung, S. 43; Stern, Staatsrecht I, S. 16, 75, 109 ff. 327  s. o. B. II. 1., 2. 328  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  18 ff.; Masing, Der Staat 44 (2005), S. 1, 12; Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219 f. 329  s. o. A. II., B. II. 1., 2. 330  Dreier, Verfassungsinterpretation, in: Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 13, 14. 331  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 57.



B. Verfassungswandel in der Theorie191

Grundgesetz durch die verfassungsgebende Gewalt erlassen,332 die Verfassung ist daher auch Ausdruck des Willens des Verfassungsgebers (des Willens des Volkes),333 der bei der Auslegung zu berücksichtigen ist. Vorliegend konnte dieser jedoch nicht zweifelsfrei festgestellt werden und trug dementsprechend einen nur geringen Teil zur Auslegung der Normen bei. Beim Grundgesetz handelt es sich gleichzeitig um eine „sprachlich offene und konkretisierungsbedürftige Verfassung“334. Die meisten Normen sind weit gefasst und durch Interpretation zu konkretisieren.335 Damit wird die Möglichkeit eines Verfassungswandels eröffnet. Einerseits ist die Verfassung offen für neue Einflüsse, andererseits erhebt sie gleichzeitig Anspruch auf Dauerhaftigkeit.336 Im Hinblick auf den Verfassungswandel steht die Verfassung daher zwischen Stabilität und Dynamik.337 Fraglich ist, welche Konsequenzen sich genau daraus ergeben, dass das Grundgesetz sprachlich offene und weit gefasste Normen enthält. Die Normen der Verfassung sollen grundsätzlich offen sein für Verfassungswandel.338 Sie sind konkretisierungsbedürftig, dabei kann jedoch ein unterschiedliches Maß an Offenheit beobachtet werden.339 Nach der Darstellung von Brun-Otto Bryde können die Normen des Grundgesetzes interpretatorisch geöffnet und geschlossen werden.340 Innerhalb desselben Wortlauts sind verschiedene Deutungen möglich.341 Zur Öffnung der Verfassung und damit des Verfassungswandels bedarf es wegen Art. 79 GG einer Begründung.342 Es sollen sich daher Regelungen aus der Verfassung selbst ergeben, ob sich die Normen in der Interpretation zu öffnen oder zu schließen haben.343 Dabei unterscheidet Bryde zwischen Normen, die die Gestaltung des 332  Maurer,

Staatsrecht I, § 1, Rn. 34; Stern, Staatsrecht I, S. 104. Verfassungsinterpretation, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 505, 512 f. 334  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 80. 335  Stern, Staatsrecht I, S. 128. 336  Masing, Der Staat 44 (2005), S. 1, 3. 337  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  19 ff.; Häberle, ZfP 1974, S. 111 ff.; Hesse, Verfassungsrecht, Rn.  36 ff.; Pieroth, Geschichte des Grundgesetzes, in: Pieroth, Verfassungsrecht, S. 11, 24; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566; Stern, Staatsrecht I, S. 88. 338  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 13. 339  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  80 f. 340  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 263, 272 ff. 341  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 272. 342  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 273. s. o. B. II. 1. 343  Badura, Arten der Verfassungsrechtssätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 159, Rn. 8; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 272; Voßkuhle, AöR 119 (1994), S. 35, 45. 333  Hillgruber,

192

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

gesellschaftlichen Prozesses übernehmen und solchen, die Organisation und Verfahren dieses Prozesses regeln,344 d. h. inhaltlichen Regelungen wie den Grundrechten und andererseits staatsorganisationsrechtlichen Normen. Für die interpretatorische Öffnung der gestaltenden Normen spricht, dass die Verfassung Regeln für den gesellschaftlichen Prozess enthält und sie dessen Entwicklung nur einfangen kann, wenn diese Regelungen offen zu verstehen sind.345 Diese Offenheit ist nötig, da derartige Prozesse nicht durch die Verfassungsänderung aus Art. 79 GG aufgefangen werden können.346 Als Beispiele werden das Sozialstaatsprinzip und die Grundrechte angeführt.347 Im Gegensatz dazu sollen die Normen des Verfahrens und der Organisation durch Interpretation geschlossen werden.348 Dies sei einerseits geboten, da diese Normen bereits selbst häufig recht präzise sind und andererseits, weil die Schließung dieser Normen die Öffnung der anderen korrigierend begleiten kann.349 Für ein „geordnetes Verfahren“ sind stabile Normen nötig.350 Trotz dessen bleibt insgesamt ein flexibler politischer Prozess möglich.351 Vorliegend stellt sich daher die Frage, ob Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG zu den zu öffnenden oder zu schließenden Normen des Grundgesetzes zählen. Die Normen des Grundgesetzes werden überwiegend in „organisationsrechtliche und materiellrechtliche“352 eingeteilt, wobei weitere Untergruppen kategorisiert werden können. Dabei ist eine klare Einteilung häufig nicht möglich, auch die Einordnung von Normen in beide Gruppen ist nicht ausgeschlossen.353 Art. 24 II GG (zum Teil i. V. m. Art. 26 GG) wird einerseits als Staatszielbestimmung354 (Aufgabe der Friedenssicherung355) qualifiziert und wäre demnach eine zu öffnende Norm.356 Art. 24 II GG ermächtigt allerdings 344  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  274; dazu auch Voßkuhle, AöR 119 (1994), S. 35, 43 ff. 345  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 274. 346  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 276. 347  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  274 ff. 348  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  276 f. 349  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  276 f. 350  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 277. 351  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 278. 352  Stern, Staatsrecht I, S. 117. 353  Häberle, Artenreichtum und Vielschichtigkeit, in: Haller/Kölz/Müller et al., FS Häfelin, S. 225, 254 f.; Sachs, ZG 1991, S. 1, 4. 354  Stern, Staatsrecht I, S. 121 f. 355  Sachs, ZG 1991, S. 1, 11. 356  Badura, Arten der Verfassungsrechtssätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 159, Rn. 16; Maunz, Präambel, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Rn. 37; Maurer, Staatsrecht I, § 6, Rn. 10.



B. Verfassungswandel in der Theorie193

andererseits den Bund, etwas zu tun: Dieser kann sich in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen, woraus die Möglichkeit des Streitkräfteeinsatzes folgt. Demnach weist die Norm eine Befugnis zu, was darauf hindeutet, dass es sich um eine Kompetenznorm357 handelt, die interpretatorisch zu schließen ist. Wie ist diese widerstreitende Einordnung aufzulösen? Im Hinblick auf Normen, die die Außenbeziehungen des Bundes regeln, wird angemerkt, diese gehörten zu den materiellrechtlichen Regelungen.358 Art. 24 II GG hat vor allem die Einordnung in die internationale Gemeinschaft im Blick. Zu diesem Zweck ist jedoch auch die Ermächtigung zur Einordnung bedeutsam. Dennoch wird Art. 24 II GG als materiellrechtliche Norm eingeordnet, die sich auf andere Staaten bezieht.359 Insgesamt ergibt sich keine eindeutige Zuordnung. Folglich kann auch keine ausschließliche Qualifizierung als zu öffnende oder zu schließende Norm erfolgen. Art. 59 II 1 GG regelt die Kompetenzverteilungen zwischen Bundespräsident sowie Bundestag und Bundesrat, indem die Zustimmung oder Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften festgelegt wird. Dabei sind auch inhaltliche Anforderungen wie die politischen Beziehungen angesprochen. Überwiegend werden jedoch Befugnisse der Staatsorgane abgegrenzt. Dementsprechend handelt es sich um eine Kompetenznorm360 und damit eine Regelung der Staatsorganisation, die zu den zu schließenden Normen des Grundgesetzes gehört. Zum Teil wird angenommen, Art. 87a II GG beinhalte die Staatsaufgabe der Friedenssicherung.361 Es wird jedoch im Sinne einer Organisationsnorm dem Bund eine Befugnis zugewiesen: Die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte. Art. 87a II GG wird dementsprechend als Kompetenznorm verstanden.362 So ergebe sich auch gerade aus der Bestimmtheit des Art. 87a II GG die Problematik des Verhältnisses zu Art. 24 II GG.363 Folglich ist die Norm in die Kategorie der zu schließenden Regelungen des Grundgesetzes einzuteilen. Unterstellt, bei Art. 24 II GG handele es sich grundsätzlich um eine zu öffnende Norm, führen die Überlegungen von Bryde weiter. Es wird die Frage beantwortet, wie eine Öffnung oder Schließung der Verfassung erfolgen kann: Letzteres geschieht durch die Präzisierung der Normen und einen 357  Stern,

Staatsrecht I, S. 118. Einführung, in: Sachs, Grundgesetz, Rn. 33. 359  Sachs, ZG 1991, S. 1, 11. 360  Stern, Staatsrecht I, S. 118. 361  Frank, nach Art. 87a GG, in: Denninger, Grundgesetz, Rn. 1 ff. 362  Voßkuhle, AöR 119 (1994), S. 35, 43 Fn. 30. 363  Wolff, Verfassungsrecht, S. 166. 358  Sachs,

194

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Abschluss der Diskussion bei einer Fixierung des Normsinns.364 Hingegen werden für die Öffnung der inhaltlichen Normen drei Fälle von Offenheit unterschieden: Öffnung durch Verweisung, Öffnung durch Anpassung des Normsinns und Öffnung für neue Wertungen.365 Im Rahmen der Öffnung durch Verweisung deuten die Normen des Grundgesetzes auf ihre Offenheit hin, indem sie selbst das Aufkommen neuer Tatsachen durch einen Verweis antizipieren, als Beispiele werden Art. 3 und 12 GG genannt, aber auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip.366 Die Öffnung durch Anpassung des Normsinns beruht auf der Anerkennung, dass Veränderungen im Regelungsbereich sich auf den Normsinn auswirken.367 Beispiele dafür sind Art. 4 II, 5 und 14 GG.368 Schließlich kann ein Verfassungswandel durch Öffnung für neue Wertungen erfolgen, indem sich ein Wertungswandel vollzieht (auf der Ebene des Rechtsverständnisses, nicht der Tatsachen), der sich auf die Normen auswirkt,369 so z. B. im Fall der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.370 Fraglich ist nun, ob Art. 24 II GG eine Norm ist, die ihre Öffnung durch Verweisung, durch Anpassung des Normsinns und durch Öffnung für neue Wertungen erreicht. Eine Öffnung durch Verweisung ist im Fall des Art. 24 II GG nicht angezeigt, der Wortlaut der Norm deutet nicht darauf hin, dass von vorneherein neue Tatsachen aufgenommen werden sollten. In Betracht kommt eine Öffnung durch Anpassung des Normsinns. Liegen Veränderungen im Regelungsbereich vor? Hier kann auf die Entwicklung der Geschichte der Auslandseinsätze der Bundeswehr verwiesen werden. Des Weiteren kommt ebenfalls eine Öffnung für neue Wertungen in Betracht. Ist ein Wertungswandel auf der Ebene des Rechtsverständnisses zu beobachten? Hier können für eine umfassende Betrachtung nur die Ansichten aller Akteure einfließen. Jedenfalls die Bundesregierung kommt zu neuen Ergebnissen.371 Auch in der Wissenschaft lässt sich eine Veränderung erahnen.372 Dementsprechend könnten auch neue Wertungen für die Öffnung des Art. 24 II GG sprechen.373 Anders könnte sich dies bei Art. 59 II 1 GG darstellen. Die Norm ist als Kompetenznorm grundsätzlich zu schließen. Da sie jedoch zu den Regelun364  Bryde,

Verfassungsentwicklung, Verfassungsentwicklung, 366  Bryde, Verfassungsentwicklung, 367  Bryde, Verfassungsentwicklung, 368  Bryde, Verfassungsentwicklung, 369  Bryde, Verfassungsentwicklung, 370  Bryde, Verfassungsentwicklung, 371  s. o. Teil 1 A. III. 372  s. o. Teil  1. 373  Näher s. u. C. I. 3. a). 365  Bryde,

S. 279. S.  284 ff., 286 f., 287 ff. S. 284. S. 286. S.  286 f. S.  287 ff. S. 288.



B. Verfassungswandel in der Theorie195

gen der Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt zählt, ist sie gleichfalls in den Bereich der Außenbeziehungen der Bundesrepublik einzuordnen und könnte allein aufgrund dieser Tatsache interpretatorisch zu öffnen sein. Dennoch könnte sich aus Art. 59 II 1 GG grundsätzlich eine Tendenz ablesen lassen, welche die interpretatorische Schließung der Norm verlangt. Dagegen sprechen allerdings die Argumente, die sich für den Parlamentsvorbehalt anführen lassen, da dies eher eine interpretatorische Öffnung darstellt.374 Die Tendenz zur Schließung der Norm führt daher nicht zwingend zu einer solchen im Bereich der Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt. Aus der Offenheit des Grundgesetzes ergeben sich demnach für die vorliegende Fragestellung nach dem Verfassungswandel keine zwingenden Hinweise. Die Überlegungen können jedoch als Indizien gewertet werden. Der Gegenstand der Interpretation, das Grundgesetz, besitzt verschiedene Eigenschaften, die für die Beurteilung des Verfassungswandels eine Rolle spielen und berücksichtigt werden sollten. Vorliegend gelingt es allerdings nicht, aus den dargestellten Merkmalen des Grundgesetzes notwendigerweise auf einen Verfassungswandel zu schließen. Infolgedessen ergibt sich daraus auch kein Abgrenzungskriterium zwischen Verfassungswandel und ­ Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG. bb) Normprogramm und Normbereich In Bezug auf die Darstellung der Norm mittels Normprogramm und Normbereich wird die Grenze zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG dadurch gezogen, dass keine unzulässige Änderung des Normprogramms erfolgen darf. Nach Ernst-Wolfgang Böckenförde stellt eine Veränderung des Normprogramms eine unzulässige Verfassungsänderung dar, wenn dieses nicht interpretiert, sondern verändert wird.375 Die Veränderung von etwas Vorgegebenem verstößt demnach gegen Art. 79 GG.376 Dabei wird jedoch nicht auf die Grenze des Wortlauts verwiesen, sondern dargelegt, dass die Veränderung des Normprogramms im Gegensatz zur Interpretation unzulässig ist.377 374  s. o.

Teil 2 A. II. 4. c). Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 154, 156. 376  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 154, 153. 377  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S.  141, 153 ff. Dazu ausführlich s. o. B. II. 2. b). 375  Böckenförde,

196

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Unter Bezugnahme auf Friedrich Müller legt Konrad Hesse dar, dass eine Veränderung des Normbereichs zu einer Änderung des Norminhalts führen könne.378 Veränderungen im Normbereich führten zu einer Änderung des Normprogramms, wenn nach der Auslegung des Normprogramms (d. h. des Normtexts) die faktische Änderung einbezogen werden muss,379 wobei diese Veränderung des Normbereichs belegt werden muss.380 Dabei könne sich grundsätzlich der „Inhalt der Verfassungsnorm […] nur innerhalb des durch den Text gezogenen Rahmens wandeln“381. Ein Verfassungswandel endet demnach am Wortlaut der Norm.382 Der Normtext bleibt Grenze des Verfassungswandels.383 Dies basiert auf dem Verständnis der Verfassung als umfassende Grundordnung.384 Gleichzeitig wird dargelegt, die Verfassung werde durch die Konkretisierung der Norm verwirklicht und könne so auch gewandelt werden,385 d. h. einzelne Interpretationsvorgänge werden nicht vom Verfassungswandel getrennt. Infolgedessen kann sich der normative Inhalt der Verfassung durch den Verfassungswandel ändern.386 Nach diesem Verständnis kann eine Veränderung im Normbereich zu einer Veränderung im Normprogramm führen, wenn der Normtext, d. h. das Normprogramm, dies zulässt. Daraus folgt, dass der Verfassungswandel am Wortlaut der Norm endet, eine darüber hinausgehende Veränderung erfolgt somit nur entgegen Art. 79 GG. Weiterführend schlägt Brun-Otto Bryde zur Grenzziehung vor, dass die Richtung einzuhalten sei, in die das Normprogramm den Normbereich beschränkt, d. h. wenn das Normprogramm den Normbereich garantiert, indifferent behandelt oder ändert,387 muss diese Vorgabe durch einen möglichen Wandel eingehalten werden.388 Hierdurch könnte eine nähere Eingrenzung des Verfassungswandels erfolgen, dazu ist es jedoch erforderlich, diese Grenze im Hinblick auf einen konkreten Verfassungswandel zu erörtern.389 Hinsichtlich der Abgrenzung von Verfassungswandel und Verfassungsänderung mithilfe des Konzepts von Normbereich und Normprogramm ergibt 378  Hesse,

Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 138. Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 138. 380  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139. 381  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139. 382  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139. 383  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139. 384  Hesse, Verfassungsrecht, Rn.  5 ff.; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 530. 385  Hesse, Verfassungsrecht, Rn.  41 ff. 386  Vgl. Wolff, Verfassungsrecht, S. 96, 98. 387  Müller, Normstruktur, S. 176. 388  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  289 ff. 389  s. u. C. I. 3. b). 379  Hesse,



B. Verfassungswandel in der Theorie197

sich somit, dass das praktikabelste Kriterium in diesem Zusammenhang der Wortlaut der Norm ist. Dieses Abgrenzungskriterium wird im Folgenden noch einmal detaillierter erörtert. cc) Wortlaut Als Grenze des Verfassungswandels wird zumeist der Wortlaut der Norm genannt:390 Ein entgegenstehender Verfassungswandel ist auszuschließen.391 Gegen diese Grenzziehungsfunktion wird angeführt, dass der Wortlaut nicht zugleich Grenze und Richtung der Auslegung sein könne, jede andere Annahme sei ein „Zirkelschluss“.392 „Das Problem der Verfassungsinterpretation [entstehe] doch gerade aus der Vieldeutigkeit und Unbestimmtheit, der lapidaren Kürze und Bruchstückhaftigkeit des Wortlauts der Verfassungs­ normen.“393 Man könne kaum „darauf vertrauen, dass der Wortlaut der Norm eine verläßliche, feste Grenze für Normauslegung und Normwandel gleichermaßen abzugeben imstande ist“394. Allerdings soll der Wortlaut der Norm durchaus zugleich auslegungsbedürftig und „eindeutig“ sein.395 Eine 390  Vgl. die Nachweise bei Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 39 Fn. 119; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 555 Fn. 23; Stern, Staatsrecht I, S. 162; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 455 Fn. 38, der selbst die Grenze des normativen Gehalts der Norm angibt, 457 f. Ebenso Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 15; Hain, Art. 79 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 13; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139; Heun, AöR 109 (1984), S. 13, 28; Holzner, Normative Kraft, S. 25; Kirchhof, Die Identität der Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 21, Rn. 63; Kloepfer, Verfassungsrecht, § 1, Rn. 142; Peters, Theorie, S.  478 f.; Sachs, Art. 79 GG, in: Sachs, GG, Rn. 17; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 588 f. Keine Entscheidung bei Hönnige, Impliziter Verfassungswandel, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 249; Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287. 391  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  267 ff.; Bryde, Art. 79 GG, in: von Münch/ Kunig, GG, Rn. 11; Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 39; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139 f.; Herdegen, Art. 79 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 33; Pieroth, Geschichte des Grundgesetzes, in: Pieroth, Verfassungsrecht, S. 11, 26. 392  Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, 2096; Depenheuer, Wortlaut, S.  17 ff.; Je­ staedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt, et al., FS Isensee, S. 183, 196 Fn. 52. 393  Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, 2096. 394  Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt, et al., FS Isensee, S. 183, 197 Fn. 52. 395  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 541.

198

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

grundsätzliche Orientierung am Text der Norm könne nicht geleugnet werden:396 „[Auch] dann, wenn der Wortlaut – wie dies bei vielen verfassungsrechtlichen Bestimmungen gang und gäbe ist – mehrdeutig ist, [vermag] er dennoch sehr wohl eine Grenzfunktion zu haben“397. Diese Grenze ist im Einzelnen schwer bestimmbar, eine völlige Aufgabe leugnet jedoch die Möglichkeit sprachlicher Kommunikation.398 Ein verständnisorientiertes Lesen der Norm in ihrem Zusammenhang kann zu Ergebnissen führen.399 Der Wortlaut der Norm wird daher zumeist als Grenze der Auslegung und damit auch des Verfassungswandels verstanden.400 Dieser sei nur soweit möglich wie ein „[sinnvolles Verständnis des Normtextes]“401 reicht. Dagegen spreche jedoch, dass danach gar keine Unterscheidung von Verfassungswandel und Verfassungsänderung möglich sei, außer das eine vollziehe sich „ausdrücklich“, das andere „stillschweigend“402, infolgedessen bestehe allerdings die Gefahr einer interpretativen (unzulässigen) Verfassungsänderung.403 Für die Grenze des Wortlauts lässt sich wiederum anführen, dass diese wesentliche Funktionen der Verfassung sichert (Stabilisierung, Rationalisierung, Machtbegrenzung).404 Nur die Überwindung des Wortlauts einer Norm kann dazu führen, dass dieselbe im Sinne des Art. 79 GG geändert wird, ohne das dort vorausgesetzte Verfahren einzuhalten; dementsprechend kann lediglich die Einhaltung der Wortlautgrenze eine unzulässige Verfassungsänderung verhindern.405 Nur die Textgrenze kann ein Mindestmaß an Sicherung der Verfassung gewährleisten.406 Auch wenn der Wortlaut keine unfehlbare Grenze ist, ist er doch notwendig, um vollendete Tatsachen der 396  Walter,

AöR 125 (2000), S. 517, 541. AöR 103 (1978), S. 566, 589 Fn. 110. 398  Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 589 Fn. 110. 399  Röhl/Röhl, Rechtslehre, S. 614. 400  Zum Wortlaut als Grenze Müller/Christensen, Methodik, Rn.  310; Stern, Staatsrecht  III/2, S.  1660 f.; Zippelius, Methodenlehre, § 10 VI; zu Wortlaut und Verfassungswandel Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 15; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139; Schneider, AöR, Beiheft 1 (1974), S. 64, 76; Wolff, Verfassungsrecht, S. 102. 401  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139; vgl. auch Masing, Der Staat 44 (2005), S. 1, 15. 402  Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, 2096 Fn. 89. Ein Verfassungswandel soll sich nur „still“ vollziehen können, jedoch nicht unbewusst, im Sinne von unbemerkt. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 163; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 127; Wolff, Verfassungsrecht, S. 99. 403  Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, 2096 Fn. 89. 404  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139. 405  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 139. 406  Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 140. 397  Schenke,



B. Verfassungswandel in der Theorie199

Auslegung zu verhindern.407 Der Wortlaut als Grenze der Auslegung wird insofern auch vom Bundesverfassungsgericht betont.408 Doch auch wenn der Wortlaut grundsätzlich als Grenze der Auslegung anerkannt wird, besteht Kritik an der Unüberwindbarkeit dieser Hürde. Gerade der zumeist offene Wortlaut des Grundgesetzes ermögliche kaum eine Eingrenzung des Verfassungswandels durch Hinweis auf den Wortlaut: Ist der Wortlaut der Normen klar, wird dieser kaum überschritten und ist der Wortlaut der Normen im hohen Maße auslegungsbedürftig, kann jener kaum eine klare Grenze offerieren.409 Danach ist der Wortlaut für den Verfassungswandel „zwar eine besonders wichtige, aber keine unübersteigbare Grenze“410. Offen ist allerdings diesbezüglich, nach welchen Kriterien ein zulässiger Verfassungswandel zu ermitteln ist, der die Grenze des Wortlauts verletzt. Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass der Wortlaut prinzipiell zur Grenzziehung zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung geeignet ist. Die Änderung des Sinns einer Norm, d. h. ihren Verhaltensanforderungen ist somit durch den Verfassungswandel nur soweit möglich wie der Wortlaut der Norm nicht verletzt ist, um die Grenze zur Verfassungsänderung nicht zu überschreiten. b) Verfassungsgewohnheitsrecht Des Weiteren könnte ein Verfassungswandel im Hinblick auf Art. 79 GG zulässig sein, wenn die Grenze der Verfassungsänderung dadurch gewahrt werden kann, dass der Verfassungswandel eine verfassungsgewohnheitsrechtliche411 Änderung des Grundgesetzes darstellt. Verfassungsgewohnheitsrecht wird im Zusammenhang mit dem ungeschriebenen Verfassungsrecht diskutiert.412 Es soll sich jedoch von diesem unterscheiden, indem es nur aufgrund einer länger dauernden Übung zustande kommt.413 Gerade diese Übung ist aber meist nur schwer nachzuweisen, sodass daraus geschlossen wird, Verfassungsgewohnheitsrecht sei ohnehin nur vor407  Hesse,

Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 140 f. BVerfGE 2, 266 (278), vgl. Stern, Staatsrecht III/2, S. 1661 Fn. 115. 409  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 268. 410  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 270. 411  Mit Hinweisen auf C. Bornhark, H. Götz, H. Helfritz, P. Landau, U. Scheuner: Wolff, Verfassungsrecht, S. 103 Fn. 752. 412  Grzeszick, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 417; Huber, Probleme des ungeschriebenen Verfassungsrechts, in: Eichenberger/Bäumlin/Müller, Rechtstheorie, Verfassungsrecht, Völkerrecht, S. 329; Stern, Staatsrecht I, S. 110; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 45. 413  Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 46. 408  Seit

200

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

konstitutionell möglich und spiele unter dem Grundgesetz keine Rolle.414 Da­ rüber hinaus ist für die Entstehung von Verfassungsgewohnheitsrecht eine Rechtsüberzeugung zu verlangen.415 Über den Begriff des Verfassungsgewohnheitsrechts besteht keine Einigkeit: Einerseits soll dieses aus dem Verfassungsrecht entstehen,416 andererseits wiederum nicht direkt daran anknüpfen417. Die Zulässigkeit des Verfassungsgewohnheitsrechts wird grundsätzlich in Frage gestellt.418 Das Bundesverfassungsgericht hat sich bislang nicht eindeutig dazu geäußert.419 Teilweise wird zwischen ungeschriebenem Verfassungsrecht contra constitutionem und intra constitutionem unterschieden.420 Übereinstimmung besteht darin, dass zumindest das geschriebene Recht dem ungeschriebenen vorgeht, Verfassungsgewohnheitsrecht kann folglich das Grundgesetz nicht ändern,421 da die Grenzen des Art. 79 GG gewahrt werden müssen.422 Verfassungsgewohnheitsrecht contra constitutionem ist dementsprechend unzulässig. Verfassungsgewohnheitsrecht intra constitu­ tionem soll vorliegen, wenn „der Sinn der Verfassungsnorm endgültig auf eine der möglichen Alternativen, in denen sie verstanden werden kann, eingeschränkt wird, so daß ihre Fortentwicklung von jetzt an eine Verfassungsänderung erfordern würde“423. Dennoch wird festgestellt, dass „das Verfassungsrecht der Gewohnheitsrechtsbildung [nicht] besonders entgegen­ kommt“424. Grundsätzlich sei Verfassungsgewohnheitsrecht aber nicht ausgeschlossen.425 Da das Verfassungsrecht nicht abschließend geregelt sei, könne es weiter fortgebildet oder ergänzt werden.426 Dementsprechend 414  Roßnagel,

Änderungen, S. 10 f.; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 589. Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 44. 416  Häberle, AöR 99 (1974), S. 437, 443 Fn. 37. 417  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 11; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 51; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 430. 418  Unruh, Verfassungsbegriff, S. 430. 419  Blankenagel, Tradition und Verfassung, S. 129 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 111; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 430. 420  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 446; Stern, Staatsrecht I, S. 111. 421  Hain, Art. 79 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 14; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 34; Roßnagel, Änderungen, S. 10; Schneider, AöR, Beiheft 1 (1974), S. 64, 76; Stern, Staatsrecht I, S. 111; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 431; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 522. 422  Bryde, Art. 79 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 11; Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  454 f.; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 88. 423  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 446. 424  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 451. 425  Stern, Staatsrecht I, S. 111. 426  Bryde, Art. 79 GG, in: von Münch/Kunig, GG, Rn. 11; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 34; Stern, Staatsrecht I, S. 112. 415  Tomuschat,



B. Verfassungswandel in der Theorie201

bleibe Raum für richterliche Rechtsfortbildung, die sich zu Verfassungsgewohnheitsrecht ausbilden könne.427 Dabei wird allerdings gleichzeitig davon ausgegangen, dass mit der Existenz des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsgewohnheitsrecht kaum noch eine Rolle spielt.428 Auch wird dagegen angeführt, Gewohnheitsrecht könne nicht aus Richterrecht entstehen, da es jederzeit möglich und erlaubt sei, die Rechtsprechung zu ändern.429 Darüber hinaus sei schließlich auch die Staatspraxis ohnehin nicht davon überzeugt, dass ihre Praxis rechtlich bindend sei, sondern dass das Bundesverfassungsgericht das „letzte Wort“ habe.430 Bei Konkretisierungen der Verfassung (z. B. durch die Staatspraxis) handele es sich daher nicht um Verfassungsrecht.431 Selbst wenn Verfassungsgewohnheitsrecht intra constitutionem zulässig sein soll, kann somit kaum ein Anwendungsbereich aufgezeigt werden. Gegen die grundsätzliche Zulässigkeit von Verfassungsgewohnheitsrecht wird zum einen Art. 79 GG angeführt, da die Norm auch Verfassungsergänzungen nur als Änderung im vorgeschriebenen Verfahren zulasse.432 Daneben könne Verfassungsgewohnheitsrecht zum anderen nur mit Bestätigung des Bundesverfassungsgerichts entstehen, sodass es sich dann nicht um Verfassungsgewohnheitsrecht handele, sondern um Verfassungsinterpretation.433 Auch die Kodifikation der Verfassung als solche schließe Verfassungsgewohnheitsrecht aus.434 Ob es tatsächlich Verfassungsgewohnheitsrecht intra constitutionem geben kann, hängt schließlich davon ab, ob jenes nicht ohnehin aus der Verfassung selbst entsteht: Dies wird allerdings bejaht, das ungeschriebene Verfassungsrecht werde durch die Verfassung angeleitet und ist daher Ergebnis der Interpretation.435 Das Verfassungsgewohnheitsrecht resultiert demnach aus der Verfassung und konkretisiert jene lediglich.436 427  Stern,

Staatsrecht I, S. 112. Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 41. 429  Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S.  52 f. 430  Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S.  140 f. 431  Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S.  59 f. 432  Roßnagel, Änderungen, S. 11; Stern, Staatsrecht I, S. 111; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 431; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 522. 433  Unruh, Verfassungsbegriff, S. 432. 434  Unruh, Verfassungsbegriff, S. 432. 435  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 10; Grzeszick, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 417, 449; Häberle, AöR 99 (1974), S. 437, 443 Fn. 37; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 50; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 429; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 523. 436  Hain, Art. 79 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 14 Fn. 88. 428  Dreier,

202

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Folglich ist Verfassungsgewohnheitsrecht (weder entgegenstehendes noch grundgesetzkonformes) unter dem Grundgesetz nicht existent: „Auf dem Boden der Verfassung […] kann es nicht gedeihen“437. Der Verfassungswandel kann daher auch nicht durch Verfassungsgewohnheitsrecht entstehen,438 somit folgt daraus auch keine Grenzziehung im Hinblick auf Art. 79 GG. c) Wechselwirkungen (funktionale Abgrenzung) Darüber hinaus wird diskutiert, ob sich aus unterschiedlichen Funktionen von Verfassungsänderung und Verfassungswandel Rückschlüsse auf die Abgrenzung ziehen lassen. In den Anfangsjahren des Grundgesetzes wird die Debatte um die Streitkräfte von verschiedenen verfassungsrechtlichen Änderungen begleitet.439 Nach 1968 kam es zwar (gerade in den letzten 25 Jahren) ebenfalls zu Auseinandersetzungen um die Streitkräfte,440 eine Änderung des Grundgesetzes folgte daraus jedoch nicht. Gerade aus der Tatsache, dass das Grundgesetz trotz anhaltender verfassungsrechtlicher Diskussionen nicht geändert wurde, lässt sich womöglich ein Verfassungswandel begründen.441 Im Gegensatz zu anderen Bereichen (z. B. die Verfassungsänderungen im Bereich der EU (Art. 23 eingef. durch Gesetz vom 21. Dezember 1992; BGBl. I, 1992, S. 2086) und im Bund-Länder-Verhältnis (Verfassungsänderungen des Art. 72 GG in den Jahren 1994 und 2006)442) wurde der verfassungsändernde Gesetzgeber vorliegend nicht tätig. Zum Zusammenhang von Verfassungswandel und Verfassungsänderung fasst Alexander Roßnagel drei Funktionsabgrenzungen zusammen.443 Zum einen soll neuen Entwicklungen und Anforderungen so lange mittels Interpretation begegnet werden können, bis deren Grenze erreicht ist und eine Verfassungsänderung nötig wird.444 Als Grenze der Interpretation wird der 437  Tomuschat,

Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 144. AöR 125 (2000), S. 517, 523; Verweis auf Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 553. 439  s. o. Teil 1 A., Teil 2 A. II. 2. a), s. u. C. I. 1. b), 2. b). 440  Siehe z. B. Breitwieser, NZWehrR 2009, S. 150; Chiari/Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze; Harnisch, Politik, S. 216 f.; Roellecke, Der Staat 34 (1995), S. 415. 441  Gramm, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375, 382; Wolff, Verfassungsrecht, S.  107 f. 442  Uhle, Art. 72 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 39 ff., 45 ff. 443  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 554 ff. 444  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 554 f., Fn. 21. Roßnagel verweist dabei u. a. auf Fiedler, Sozialer Wandel, S. 24; Häberle, ZfP 1974, S. 111, 133; Hesse, 438  Walter,



B. Verfassungswandel in der Theorie203

Wortlaut der Norm herangezogen, diese Grenze soll bei Grundrechten weit verlaufen, dagegen bei Kompetenznormen enger.445 Zum anderen soll die Unterscheidung von Verfassungswandel und Verfassungsänderung vom Sachbereich der Regelung abhängen: Einerseits wird die Verfassungsänderung als Möglichkeit zur Schließung von Verfassungslücken dargestellt und der Verfassungswandel zur Fortbildung des bestehenden Rechts herangezogen, andererseits soll die Struktur der Rechtsnormen maßgeblich sein, d. h. textlich offene Normen können gewandelt werden, andere Normen werden durch Verfassungsänderung entwickelt.446 Schließlich wird eine zeitliche Abgrenzung zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung vorgenommen: Der Wandel erfolge über einen längeren Zeitraum, die Verfassungsänderung sei hingegen geeignet, plötzliche Veränderungen einzufangen.447 Roßnagel untersucht die Grenze zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung, indem er von Verfassungstextänderungen ausgeht und diese einem möglichen Verfassungswandel gegenüberstellt, dabei werden auch die vorliegend relevanten Verfassungsänderungen betrachtet.448 1949 bestanden keine Vorschiften für Streitkräfte im Grundgesetz, doch sehr bald begann die Diskussion in diesem Themenbereich. Der Streit drehte sich zunächst um die Frage, ob die Wehrhoheit des Bundes in der Verfassung geregelt sein müsse oder nicht.449 Die Bundesregierung blieb bei ihrer Ansicht, es sei keine verfassungsrechtliche Regelung notwendig; nachdem sich die politischen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat geändert hatten, wurde dennoch eine Verfassungsänderung verabschiedet:450 Die erste Wehrrechtsnovelle 1954. Nach Ansicht der Exekutive war die Interpretation damit noch nicht an ihre Grenze gelangt, dennoch wurde die Verfassung förmlich geändert. Möglicherweise hing die Änderung vom Sachbereich der Regelungsmaterie ab. Nach Ansicht der Regierung bestand jedoch gerade keine Lücke, die hätte geschlossen werden müssen. Es erfolgte eine Änderung von Kompetenznormen, der diesbezüglichen Abgrenzung nach war die Verfassungsänderung daher logische Konsequenz. Schließlich wirft Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123, 130, 136; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 602. 445  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 555. Vgl. zur Grenze von Interpretation und Wandel B. II. 3. 446  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 556 f. Diesbezüglich verweist Roß­ nagel u. a. auf Jellinek und Smend. Vgl. zur Öffnung und Schließung von Normen ausführlich B. II. 3. a) aa). 447  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 557. Dazu verweist Roßnagel u. a. auf Häberle, ZfP 1974, S. 111, 136. So auch Fiedler, JZ 34 (1979), S. 417, 419. 448  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 558 f. 449  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 560. 450  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 560.

204

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

die dritte Abgrenzung die Frage auf, ab wann eine plötzliche Änderung eintritt. Zwischen 1949 und 1954 vergingen fünf Jahre, im Hinblick auf eine Änderung der Verfassung kann daher durchaus von einer plötzlichen Veränderung gesprochen werden. Mit der zweiten Wehrrechtsnovelle 1956 wurden Art. 87a GG und Art. 59a GG eingefügt.451 Auch in diesem Fall ging es nicht darum, dass die interpretatorischen Möglichkeiten an ihre Grenzen gekommen waren und deswegen eine Verfassungsänderung nötig wurde. Darüber hinaus wurden diesmal nicht nur Kompetenznormen geändert, sondern auch „offene“ Normen (z. B. Art. 12 GG). Eine Abgrenzung nach Sachbereichen funktioniert demnach nicht. Die zeitliche Dauer ist jedoch wiederum als eher kurz einzuschätzen, sodass die Einordnung der Verfassungsänderung für plötzliche Änderungen zutreffen könnte. Im Fall der Notstandsverfassung aus dem Jahr 1968 bestimmten langwierige Auseinandersetzungen deren Inhalt.452 Eine interpretatorische Änderung der Verfassung in diesem Zusammenhang kann nicht beobachtet werden.453 Dementsprechend wurden die Grenzen der Auslegung nicht erreicht, worauf eine Verfassungsänderung gründen könnte. Das Grundgesetz enthielt zuvor nur wenige Vorschriften im Hinblick auf diesen Regelungskomplex,454 sodass hingegen das Vorliegen einer Lücke begründet werden kann. Auch hier wurden allerdings wiederum offene und weniger offene Normen geändert. Darüber hinaus kann der Zeitraum zwischen Geltungsbeginn des Grundgesetzes 1949 und Verfassungsänderung 1968 nun als lang qualifiziert werden, sodass nach den obigen Ausführungen ein Verfassungswandel indiziert wäre. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass einzelne von Roßnagel genannte Kategorien der Abgrenzung in einigen Fällen der Verfassungsänderung Anwendung finden, jedoch keineswegs alle und nur ein Kriterium lässt sich doppelt nachweisen (zeitliche Abgrenzung). Es lässt sich kein System beobachten, aus dem sich eine Regel ableitet, die auch für zukünftige Fälle von Verfassungsänderung und Verfassungswandel zutrifft. Ein Zusammenhang zwischen Wandel und Änderung folgt danach aus diesen Kategorien nicht.455 Roßnagel untersucht insgesamt sechs verschiedene Verfassungsänderungen.456 Seine Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, 451  Roßnagel,

Der Staat 22 (1983), S. 551, 561. Der Staat 22 (1983), S. 551, 561 f. 453  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 562. 454  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 561. 455  So auch Hofmann, Änderungen des Grundgesetzes, in: Damm/Heermann/ Veil, FS Raiser, S. 589, 862 ff. 456  Roßnagel, Der Staat 22 (1983), S. 551, 559 ff. 452  Roßnagel,



B. Verfassungswandel in der Theorie205

dass zu Änderungen vor allem politische Überlegungen führen, dass auch die als offen eingestuften Grundrechte geändert werden, nicht nur gewandelt, dass hingegen auch vor der Änderung geschlossener Normen diese anders interpretiert wurden, jedoch im Fall der Wehrnovellen durchaus kein langsamer Verfassungswandel stattfand, sondern eine abrupte Änderung.457 Da keine Konsequenzen für einen Verfassungswandel aus dem Vorliegen oder Nichtvorliegen von Verfassungsänderungen gezogen werden können, lässt sich aus der Tatsache, dass bislang keine neuen Verfassungsänderungen vorgenommen wurden, kein Verfassungswandel im vorliegenden Bereich begründen. Es folgt daraus auch keine Abgrenzung zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung. d) Legitimation des Bundesverfassungsgerichts Eine Grenze von Verfassungswandel und Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG neben dem Wortlaut ist damit bislang nicht gefunden, zum Abschluss soll die Auseinandersetzung daher noch einmal von einer anderen Seite beleuchtet werden und im Hinblick auf Art. 79 GG erörtert werden, ob das Bundesverfassungsgericht zu einem Verfassungswandel legitimiert458 ist. Das Bundesverfassungsgericht soll das Grundgesetz interpretieren, aber auch fortbilden.459 Der Verfassungswandel basiert, wie gezeigt, auf der Interpretation. Folglich könnte das Gericht gleichsam zum Verfassungswandel legitimiert sein. Im Rahmen dieser Diskussion wird jedoch dargelegt, dass durch Verfassungswandel neues Verfassungsrecht entsteht und das Bundesverfassungsgericht dazu jedenfalls nicht automatisch legitimiert sei.460 Durch den Verfassungswandel verändert sich der Sinn der Normen, d.  h. es ergeben sich neue Verhaltensanforderungen, insofern liegt ein „Mehr“ im Vergleich zur Interpretation vor.461 Wenn es einerseits richtig ist, dass dem Verfassungswandel grundsätzlich Grenzen gesetzt sind,462 die bislang nicht genau definiert werden konnten, ist andererseits auch ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht nicht uneingeschränkt 457  Roßnagel,

Der Staat 22 (1983), S. 551, 569 f. Michael, RW 5 (2014), S. 426; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 544; Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S.  57, 58 f. 459  s. o. A. II. 460  Roellecke, Identität und Variabilität der Verfassung, in: Depenheuer/Grabenwarter, Verfassungstheorie, S. 453, Rn. 56. 461  s. o. B. II. 2. 462  s. o. A. II., B. II. 1., 2. 458  Vgl.

206

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

möglich. Ist dieses jedoch dazu legimitiert, könnte wiederum zumindest aus dieser Richtung der Verfassungswandel weiter eingegrenzt werden. Die vorliegende Problematik ist vor allem auch bedingt durch die fehlende Übereinstimmung in Interpretationsfragen:463 Wenn das Gericht bereits durch die Interpretation der Verfassung seine Kompetenzen ausweiten kann, dann liegt der Verdacht nahe, dass dies durch den Verfassungswandel, indem der Sinn der Verfassung verändert werden kann und neue Ge-, Verbote oder Erlaubnisse entstehen, noch einfacher geschehen kann. Damit ist die Frage nach den Grenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Verfassungswandel gestellt. Diese sind grundsätzlich umstritten.464 Im Rahmen des Verfassungswandels ist insbesondere die Frage nach der Abgrenzung zu den anderen Verfassungsorganen relevant, vor allem der Gesetzgebung: Greift das Bundesverfassungsgericht durch den Verfassungswandel in fremde Kompetenz ein?465 Problematisch ist hier zumeist das Verhältnis von Verfassungsgerichtsbarkeit und verfassungsänderndem Gesetzgeber bzw. verfassungsgebender Gewalt,466 da das Bundesverfassungsgericht durch den Verfassungswandel den Sinn von Normen des Grundgesetzes ändert, nicht den einfacher Gesetze. Dabei wird der Rückgriff auf funktionell-rechtliche oder materiell-rechtliche Grenzen vorgeschlagen.467 aa) Legitimationsvorschläge In Bezug auf die Legitimation des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungswandel werden vereinzelte Vorschläge diskutiert. 463  Böckenförde, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 157, 166 ff.; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 506; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 35; Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 62; Würtenberger, Rahmenbedingungen, in: Franzius/Lejeune/von Lewinski, et al., FS Kloepfer, S.  277, 288 f. 464  Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 35 ff. 465  Grundsätzlich zum Verhältnis Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 502 ff. 466  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 433; Stern, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Ziemske/Langheid/Wilms et al., FS Kriele, S. 411, 423; Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Kirchhof/Papier/Schäffer, FS Merten, S. 77, 83; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287, 296. 467  Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53, 74 ff.; Hesse, Funktionelle Grenzen, in: FS Huber, S. 261; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 506 ff.; Schulze-Fielitz, AöR 122 (1997), S. 1, 10 ff.; Schuppert, Verfassungsinterpretation; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 38 ff.



B. Verfassungswandel in der Theorie207

(1) Verfassungskonkretisierende Gewalt Nach Brun-Otto Bryde soll die Entwicklungskompetenz der Verfassung von der Frage abhängen, wer zur Konkretisierung der Verfassung befugt ist.468 Grundsätzlich könne das durch alle Akteure im Wege der Interpretation erfolgen, das Bundesverfassungsgericht drohe dabei jedoch zur übermächtigen Gewalt zu werden.469 Die Auslegung der Verfassung dürfe nicht den gesellschaftlichen Diskurs ersetzen.470 Auch Legislative und Exekutive konkretisierten daher die Verfassung und bilden diese fort, wenn auch die Letztentscheidung bei der Judikative verbleibe.471 Das Bundesverfassungsgericht übernehme dadurch keine Funktionen der anderen Gewalten.472 Bryde stellt in der Folge die Frage nach der Sicherung der funktionellen Eigenständigkeit der Staatsorgane gegen die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.473 Durch eine restriktive Auslegung der Verfassung allein sei das Problem nicht zu lösen.474 Aus dem Grundgesetz müssten die Grenzen des Gerichts zu erfassen sein, indem die Funktionen des Bundesverfassungsgerichts von denen anderer Staatsorgane abzugrenzen sind.475 Die political-question-Doktrin biete in diesem Zusammenhang nur teilweise Ansatzpunkte für eine Lösung.476 Zur Klärung werden die Konkretisierungskompetenzen des Bundesverfassungsgerichts einerseits und der Fachgerichte und des Gesetzgebers andererseits abgegrenzt:477 Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz, es überprüft nicht alle Sach- und Rechtsfehler der Fachgerichte, da auch diese zum Grundrechtsschutz beitragen.478 Sie haben folglich ebenfalls an der Verfassungsentwicklung und -konkretisierung teil.479 Im Hinblick auf den Gesetzgeber gelte zunächst, dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren des politischen Prozesses kontrolliere.480 Zur 468  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 299. Verfassungsentwicklung, S. 300. 470  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 301. 471  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  301 f. 472  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 302. 473  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 303. 474  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  303 ff. 475  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 309. 476  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  309  ff.; dazu auch Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 505; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 22. 477  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  313 ff. 478  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  313 ff. 479  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  320 ff. 480  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  326 ff. 469  Bryde,

208

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

weiteren Abgrenzung wird auf das Prinzip der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip verwiesen.481 Der Grundsatz der Gewaltenteilung biete zwar keine eindeutigen Abgrenzungskriterien, spreche allerdings dafür, dem Gesetzgeber die entscheidende Rolle in der Verfassungsentwicklung zuzusprechen.482 Dafür lasse sich auch das Demokratieprinzip anführen, das bei Entscheidungen über den politischen Prozess Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts fordere.483 Dem Gesetzgeber komme folglich ein Konkretisierungs- und Entwicklungsprimat zu.484 Insgesamt ergibt sich daraus ein zurückhaltendes Ergebnis. Vorrangig sind Gesetzgebung und Fachgerichtsbarkeit für die Entwicklung der Verfassung zuständig, die Möglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts sind demgegenüber eingeschränkt. Es hat zwar an der Verfassungsentwicklung und -konkretisierung teil, soll allerdings nicht maßgebliche Kraft sein. (2) Verfassungsentwickelnde Gewalt Nach Thomas Würtenberger ist das Bundesverfassungsgericht Träger der „verfassungsentwickelnden Gewalt“485. Zur Legitimation des Verfassungsrichterrechts werden verschiedene Aspekte herangezogen: Die Institution des Bundesverfassungsgerichts selbst, der politische Konsens, prozedurale Legitimation und kontinuitätswahrende Disziplin.486 Problematisch sei nicht die institutionelle Legitimation, sondern die Legitimität konkreter Rechtsprechung.487 Die Verfassungsgerichtsbarkeit sei jedenfalls nicht „demokratisch in hinlänglicher Weise legitimiert“488. Dazu wird allerdings bemerkt, das Bundesverfassungsgericht sei zwar nicht in gleicher Weise verantwortlich wie Parlament und Regierung, es werden jedoch alle Formen 481  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 333. Verfassungsentwicklung, S.  335 ff. 483  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  341 ff. 484  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 350. 485  Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Kirchhof/ Papier/Schäffer, FS Merten, S. 77, 82; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 54; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287, 295; Würtenberger, Rahmenbedingungen, in: Franzius/ Lejeune/von Lewinski, et al., FS Kloepfer, S. 277, 289. Mit Verweis auf Peters, Theorie, S.  395 ff. 486  Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 70. 487  Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 71. 488  Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 72. 482  Bryde,



B. Verfassungswandel in der Theorie209

der Legitimation verwirklicht.489 Dennoch sei es besonders wichtig, gesellschaftliche Akzeptanz und Konsens bezüglich der Urteile des Gerichts zu schaffen.490 Darüber hinaus müsse die Entscheidung in den öffentlichen Diskurs einbezogen und die Ergebnisse der Wissenschaft berücksichtigt werden.491 Das Bundesverfassungsgericht selbst fühlt sich zwar nicht an Präjudizien gebunden,492 schließlich seien aber Kontinuität in der Rechtsprechung und die Auseinandersetzung mit den eigenen Entscheidungen nötig um Legitimation herzustellen.493 Dazu trage ebenso bei, dass der „verfassungsändernde Gesetzgeber seinerseits durch eine Änderung der Verfassung dem Verfassungsrichterrecht und damit dem Verfassungswandel entgegen treten kann“494. Daran dürfe auch das Bundesverfassungsgericht nichts ändern, z. B. durch Berufung auf Art. 1 I GG, sonst beschneide das Gericht die Konkretisierungsbefugnis des verfassungsändernden Gesetzgebers.495 Letztlich sei die Akzeptanz für das Bundesverfassungsgericht entscheidend für die Legitimation des Verfassungswandels.496 489  Klein, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Badura/Scholz, FS Lerche, S. 49, 63 f. 490  Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 72 ff. 491  Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 76 ff. 492  Bethge, Vorbemerkung, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, et al., BVerfGG, Rn. 212; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 483 f.; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Kirchhof/Papier/Schäffer, FS Merten, S. 77, 83; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 56; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287, 296. 493  Würtenberger, Legitimität, in: Guggenberger/Würtenberger, Hüter der Verfassung, S. 57, 78 f.; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 56. 494  Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Kirchhof/ Papier/Schäffer, FS Merten, S. 77, 83; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 56; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287, 296; Würtenberger, Rahmenbedingungen, in: Franzius/ Lejeune/von Lewinski, et al., FS Kloepfer, S. 277, 290. s. u. (3). Im Hinblick auf den Europäischen Gerichtshof Peters, Theorie, S.  419 ff. 495  Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Kirchhof/ Papier/Schäffer, FS Merten, S. 77, 84; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287, 297. 496  Würtenberger, Auslegung von Verfassungsrecht, in: Bohnert/Gramm/Kindhäuser et al., FS Hollerbach, S. 223, 239 ff.; Würtenberger, Rahmenbedingungen, in: Franzius/Lejeune/von Lewinski, et al., FS Kloepfer, S. 277, 290; gegen die Akzeptanz als normative Grenze des Verfassungswandels Peters, Theorie, S. 483. Zur Akzeptanz auch Möllers, Legalität, Legitimität und Legitimation, in: Jestaedt/Lep­ sius/Möllers et al., Das entgrenzte Gericht, S. 281, 297 ff.

210

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

In diesem Fall wird die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts für eine Entwicklung des Verfassungsrechts begründet, die auf verschiedenen Aspekten beruht. Vor allem die Kontrolle durch den verfassungsändernden Gesetzgeber bzw. die verfassungsgebende Gewalt führt dazu, dass das Bundesverfassungsgericht daran gehindert wird, das Grundgesetz in unzulässiger Weise zu wandeln. Innerhalb dieser Grenze ist es zum Verfassungswandel legitimiert. (3) Verfassungswandelnde Gewalt Nach dem Konzept von Lothar Michael sind die an der Verfassungsrevi­ sion beteiligten Organe in Ausgleich zu bringen und die jeweilige Form (Verfassungsablösung, Verfassungsänderung, Verfassungswandel) von dem Organ wahrzunehmen, dass funktionell am geeignetsten ist.497 Der Verfassungswandel wird hiernach als Teil der Verfassungsrevision verstanden, wozu auch Verfassungsänderung und Verfassungsablösung zählen.498 Die Verfassungsänderung könne zwar nur durch Gesetz erfolgen, sei aber dennoch keine originäre Gesetzgebung, weil historisch betrachtet die Verfassungsänderung nicht durch den Gesetzgeber erfolgte und theoretisch keine Funktion desselben sei.499 Die Änderung der Verfassung sei eigentlich Aufgabe der verfassungsgebenden Gewalt und daher bedürfe es der Begründung, warum dies der Legislative anvertraut ist.500 Trotz Starrheit und Stabilität der Verfassung sei diese aufgrund dessen vergleichsweise leicht zu ändern.501 Art. 79 GG soll demnach als Ausnahmeregelung verstanden werden, nicht als Hinweis dafür, dass eine Änderung der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht unzulässig wäre.502 Zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und verfassungsablösender Versammlung sei kein Wechselspiel wie zwischen Gericht und Gesetzgeber möglich,503 folglich gelte: „So wie die Verfassungsänderung nicht klassische Legislative ist, so ist auch der Verfassungswandel keine klassische Rechtsprechung.“504 Das Bundesverfassungsgericht sei daher Organ der Verfassungsrevision.505 Durch die Offenheit der Verfassung entstehe ein erhöhter Bedarf an ihrer Änderung, der durch Verfassungsänderung und Ver497  Michael, 498  Michael, 499  Michael, 500  Michael, 501  Michael, 502  Michael, 503  Michael, 504  Michael, 505  Michael,

RW RW RW RW RW RW RW RW RW

5 5 5 5 5 5 5 5 5

(2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014),

S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426,

455. 435 f. 437 ff. 438 f., 443 ff. 440 ff. 439. 449. 439. 439 f.



B. Verfassungswandel in der Theorie211

fassungsablösung nicht ausreichend gedeckt werden könne.506 Somit bleibe viel Raum für einen Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht.507 Eine dynamische Interpretation sei viel einfacher durch das Gericht als durch den Gesetzgeber möglich.508 Die Verfassungsablösung stelle dabei keine praktikable Alternative dar.509 Für das Bundesverfassungsgericht soll des Weiteren sprechen, dass „die Entwicklung richterrechtlicher Maßstäbe zu den originären Aufgaben von Gerichten“510 gehöre. Schließlich zeigten auch die europäischen Gerichte, dass auf verfassungsrechtlicher Ebene dynamische Rechtsprechung nötig sei.511 Im Fall des Verfassungswandels sei daher das Bundesverfassungsgericht funktionell am besten geeignet diesen auszuführen.512 Es sei somit „Träger einer eigenständigen verfassungswandelnden Gewalt“513. Zum einen spreche für das Gericht die richterliche Unabhängigkeit, zum anderen bilde es ein Gegengewicht zur Macht des Gesetzgebers im Hinblick auf die Verfassungsrevision.514 Dem verfassungsändernden Gesetzgeber verbleibe das letzte Wort, denn die Änderung einer Verfassungsänderung kommt dem Gericht gerade nicht zu.515 Des Weiteren sei der Verfassungswandel durch die Spielräume der Interpretation begrenzt und die Verfassungsänderung könne den Verfassungswandel korrigieren oder eingrenzen, die Befugnisse des verfassungsändernden Gesetzgebers werden daher nicht berührt.516 Auch das Verhältnis von Verfassungswandel und Verfassungsablösung biete Argumente für den Wandel durch das Bundesverfassungsgericht: Die Verfassungsablösung sei einerseits als schwerfälliges Verfahren praktisch kaum relevant, andererseits beschränke der Verfassungswandel nicht das Verfahren der Verfassungsablösung.517 Insgesamt ergibt sich daraus eine umfassende Legitimation des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungswandel, die so bislang nicht dargelegt wurde. Begründet wird dies vor allem auch damit, dass das Gericht durch einen Verfassungswandel gerade nicht in die Befugnisse des Gesetzgebers eingreift, weil jener zwar für die Verfassungsänderung zuständig sei, dies 506  Michael, 507  Michael, 508  Michael, 509  Michael, 510  Michael, 511  Michael,

512  Michael, 513  Michael, 514  Michael, 515  Michael, 516  Michael, 517  Michael,

RW RW RW RW RW RW RW RW RW RW RW RW

5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5

(2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014), (2014),

S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426, S. 426,

448. 448. 448, 454. 448. 448. 449. 455 f. 430. 455 f. 456 f. 457 ff. 460 f.

212

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

aber nicht als originäre Gesetzgebung verstanden werden soll. Insofern bildet die Legislative dem Bundesverfassungsgericht in Bezug auf den Verfassungswandel keinen adäquaten Gegenüber. Und die Verfassungsänderung bleibt vom Verfassungswandel gerade unberührt. Insbesondere soll durch diesen Vorschlag auch die Entgegengesetztheit verschiedener Verfassungsverständnisse als Problempunkt in der Diskussion um den Verfassungswandel aufgelöst werden, indem verschiedene Ansätze miteinander verbunden werden:518 „Vorgegeben ist jedenfalls der Verfassungstext und aufgegeben ist jedenfalls dessen Interpretation.“519 Für die Legitimität des Verfassungswandels stellt Lothar Michael des Weiteren fünf verschiedene Voraussetzungen auf, die im Anschluss an die Erörterung des erfolgten Verfassungswandels diskutiert werden.520 bb) Legitimationsdiskussion Es lässt sich festhalten, dass dem Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf den Verfassungswandel einerseits unterstellt wird, in die Befugnisse des Gesetzgebers einzugreifen und andererseits davon ausgegangen wird, es sei als Träger eigenständiger Kompetenz zum Verfassungswandel legitimiert. Teilweise wird zur Begrenzung der Kompetenzen des Gerichts auf einen judicial self-restraint verwiesen.521 Daraus ergeben sich allerdings keine näheren Grenzen für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.522 Gegen einen vom Gericht ausgehenden Verfassungswandel wird grundsätzlich angebracht, dieses verfüge so über die Verfassung und gefährde die Geltung derselben.523 Durch einen Verfassungswandel übernehme das Bundesverfassungsgericht die Funktionen anderer Gewalten.524 In Bezug auf die Legislative wird daher häufig eine Grenzüberschreitung des Gerichts angemahnt und gewarnt, es greife in die Gesetzgebungszuständigkeit derselben ein.525 518  Michael,

RW 5 (2014), S. 426, 475. RW 5 (2014), S. 426, 475. 520  s. u. C. I. 3. e). 521  Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 586; Stern, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Ziemske/Langheid/Wilms, et al., FS Kriele, S. 411, 418 Fn. 33 m. w. N. 522  Hesse, Funktionelle Grenzen, in: FS Huber, S. 261, 264; Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 505; Stern, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Ziemske/Langheid/Wilms, et al., FS Kriele, S. 411, 418; Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 36. 523  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 431. 524  Hesse, Funktionelle Grenzen, in: FS Huber, S. 261, 270; Hesse, JZ 50 (1995), S. 265, 267; Kenntner, DÖV 1997, S. 450, 457. 525  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 59. 519  Michael,



B. Verfassungswandel in der Theorie213

Vor allem wird kritisiert, dass eine Verfassungsrechtsfortbildung durch das Bundesverfassungsgericht nicht demokratisch legitimiert sei.526 Dagegen wird angeführt, das Bundesverfassungsgericht werde ohnehin nur auf Antrag tätig,527 könne nur Entscheidungen im Einzelfall treffen, sei an die Verfassung gebunden und verfüge über keine eigenen Machtmittel.528 Das Gericht habe eine „reaktiv-nachträgliche, punktuelle, kontrollierende Rolle“529. Allerdings wird auch bemerkt, dass Fehlentscheidungen des Gerichts nur schwer korrigiert werden können, da das Gericht nur auf Antrag entscheidet und folglich auf eine neue Gelegenheit zur Entscheidung warten muss.530 Schließlich führe auch die erhöhte Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts dazu, dass andere Akteure keine Änderungen mehr vornehmen können.531 Darüber hinaus sei Verfassungspolitik nicht Aufgabe des Ge­richts,532 da andernfalls Unabhängigkeit und Unparteilichkeit aufgegeben würden.533 Die Gefahr eines Jurisdiktionsstaats drohe.534 Gerade die Offenheit der Verfassung werde durch die Erfüllung von Aufgaben der Politik durch das Bundesverfassungsgericht bedroht.535 Die Verfassungsgerichtsbarkeit solle zwar die Flexibilität der Verfassung sichern, indem diese nur durch Fortbildung gewahrt werden könne.536 Diese Fortbildung liege doch zuerst in der Hand der Gesetzgebung, dem Gericht komme lediglich Kontrollfunktion zu.537 Daher wurde bemerkt, dass „die Verfassungsgerichtsbarkeit […] die Rigidität der Verfassung nicht [auflöse], sondern […] sie noch [verstärke]“538 und die Eignung des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungswandel grundsätzlich bestritten.539 526  Gröpl/Georg, AöR 139 (2014), S. 125, 139, 144; Kenntner, DÖV 1997, S. 450, 457; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 544. Zu dieser Frage auch Becker/ Kersten, AöR 141 (2016), S. 1. 527  Voßkuhle, Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 21. 528  Morlok/Michael, Staatsorganisationsrecht, § 17, Rn. 59. 529  Schlaich/Korioth (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht, Rn. 512. 530  Möllers, Legalität, Legitimität und Legitimation, in: Jestaedt/Lepsius/Möllers, et al., Das entgrenzte Gericht, S. 281, 320. 531  Hesse, JZ 50 (1995), S. 265, 268. 532  Klein, Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsstruktur, in: Kirchhof, FS Klein, S. 511, 522. 533  Hesse, JZ 50 (1995), S. 265, 267. 534  Hesse, JZ 50 (1995), S. 265, 267. 535  Hesse, JZ 50 (1995), S. 265, 267; Kenntner, DÖV 1997, S. 450, 457. 536  Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53, 68. 537  Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53, 68 f. 538  Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53, 67 f.; Krüger, Verfassungswandlung und Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Hesse/Reicke/Scheuner, FG Smend, S. 151, 168. 539  Krüger, Verfassungswandlung und Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Hesse/Rei­ cke/Scheuner, FG Smend, S. 151, 168 ff.

214

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Für den Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht wird hingegen angeführt, dass, wenn der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht in der Lage sei, seine Aufgabe zu erfüllen, dies durch die Interpreten geschehen könne.540 Die Verfassungsänderung sei nicht praktikabel genug, um die Verfassung im Lauf der Zeit zu erhalten.541 Darüber hinaus sei das Bundesverfassungsgericht letztlich besser geeignet als der verfassungsändernde Gesetzgeber, um die Verfassung flexibel zu halten und zu verhindern, dass nicht allzu viele detailreiche Regelungen in das Grundgesetz aufgenommen werden.542 Zum Verhältnis des Bundesverfassungsgerichts und des verfassungsändernden Gesetzgebers wird auch bemerkt, dass schließlich keine Pflicht zur Nachführung des Grundgesetzes bei erfolgtem Verfassungswandel bestehe.543 Eine Handlungspflicht des verfassungsändernden Gesetzgebers könne nicht begründet werden.544 Das bedeutet, der verfassungsändernde Gesetzgeber kann die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts jederzeit korrigieren.545 Zwar könne das Bundesverfassungsgericht nur entscheiden, wenn es gefragt werde, die Möglichkeit dazu sei allerdings hinreichend gegeben, besonders durch die Verfassungsbeschwerde.546 Die „destruktive“ Funktion547 des Gerichts schließe eine konstruktive Fortentwicklung des Verfassungsrechts nicht aus.548 Problematisch sei zwar durchaus die Frage der Richterwahl, Legitimation könne jedoch gleichsam durch Verfahren erreicht werden.549 Auch führe die Struktur des Bundesverfassungsgerichts als Kollegialorgan zur Begrenzung der Macht des Gerichts.550 Zum Bundesverfassungsgericht als Wandler der Verfassung führt zunächst die praktische Notwendigkeit: Der verfassungsändernde Gesetzgeber kann 540  Hesse, Funktionelle Grenzen, in: FS Huber, S. 261, 266; Klein, Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsstruktur, in: Kirchhof, FS Klein, S. 511, 522. 541  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 545. 542  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 545. 543  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 43; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S.  450, 457 f. 544  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 43; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 458. 545  Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Kirchhof/ Papier/Schäffer, FS Merten, S. 77, 83; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 56; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287, 296; Würtenberger, Rahmenbedingungen, in: Franzius/ Lejeune/von Lewinski, et al., FS Kloepfer, S. 277, 290. Im Hinblick auf den Europäischen Gerichtshof Peters, Theorie, S.  419 ff. 546  Frowein, DÖV 1971, S. 793, 796; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 473. 547  Hesse, JZ 50 (1995), S. 265, 267. 548  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 473. 549  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 474. 550  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 541 f.



B. Verfassungswandel in der Theorie215

zum einen nicht immer reagieren (wenn z. B. keine Zweidrittel-Mehrheit zu erreichen ist) und zum anderen sollen in das Grundgesetz keine fallbezogenen Entwicklungen aufgenommen werden. Dagegen ist das Bundesverfassungsgericht gezwungen sich zu entscheiden (es darf die Rechtsprechung nicht verweigern)551 und kann sachverhaltsbezogen auf Entwicklungen reagieren. Die Praktikabilität der Verfassungswandlung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht lässt sich damit begründen. Daraus allein kann allerdings noch keine Legitimation erwachsen. Für und Wider eines Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht lassen sich jeweils hinreichend darstellen. Das Gericht ist jedoch zur Interpretation des Grundgesetzes berufen und da sich der Verfassungswandel kaum von dieser unterscheiden lässt, ist eine Ablehnung der Legitimation des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungswandel kaum zielführend. Die Wahl der Richterinnen und Richter sorgt für demokratische Legitima­ tion. Für die fallbezogene Weiterentwicklung des Verfassungsrechts ist das Gericht geradezu prädestiniert. Die Verfassungsänderung ist hingegen vergleichsweise schwer geeignet, derartige Entwicklungen zuverlässig in das Grundgesetz aufzunehmen. Zu detaillierte Regelungen sollten nicht in das Grundgesetz aufgenommen werden. Ein unstatthafter Machtzuwachs des Bundesverfassungsgerichts kann und sollte durch verschiedene Grenzziehungen verhindert werden. Insbesondere der Wortlaut ist zwar weder eine neue Grenze noch eine stets zuverlässige, kann jedoch dafür sorgen, dass keine unzulässige Verfassungsänderung durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht keine Beschränkung der Kompetenzen des verfassungsändernden Gesetzgebers, dieser hat stets das letzte Wort. Die Geltung des Grundgesetzes wird dadurch nicht gefährdet.

III. Zusammenfassung Die Theorien des Verfassungswandels verwiesen überwiegend auf das Bundesverfassungsgericht, da den Entscheidungen des Gerichts (teilweise) Bindungswirkung zukommt. Diesbezüglich lässt sich festhalten, dass der Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht auf Interpretation beruht und vorwiegend als „alle Veränderungen im Sinn der Verfassung, die nicht Verfassungsänderung sind“552 definiert wird. Dabei stellte sich die Frage nach der Abgrenzung des Verfassungswandels von der Verfassungsänderung, da die Gefahr besteht, dass ein Verfassungswandel durch Inter551  Voßkuhle, 552  Bryde,

Art. 94 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 22. Verfassungsentwicklung, S. 22.

216

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

pretation in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als Teil derselben bindende Wirkung entfaltet. Verfassungsänderung ist die gesetzlich geregelte Änderung des Wortlauts des Grundgesetzes gemäß Art. 79 GG. Der Verfassungswandel entsteht durch Interpretation, diesbezüglich wird einerseits schlicht festgestellt, eine Abgrenzung sei bislang nicht gelungen: „Verfassungswandel [ist] nichts als ordinäre Auslegung“553. Interpretation und Wandel seien „de facto nicht mehr unterscheidbar“554.555 Andererseits soll es weitere Formen des Verfassungswandels als den durch Interpretation geben, sodass kein gänzlich konturloser Unterschied bestehe.556 Dagegen wird angeführt, dass nichts anderes als Interpretation den Verfassungswandel auslösen könne.557 Aber auch, wenn jede Anwendung zu neuem Recht führt, soll es möglich sein, die Beibehaltung der Interpretation der Norm von der Änderung derselben (d. h. dem Verfassungswandel) zu unterscheiden.558 Der Begriff wird überwiegend nicht als überflüssig eingeordnet, sondern soll beibehalten werden.559 Der Verfassungswandel und die Verfassungsinterpretation können jedoch, wie gezeigt, nicht insoweit voneinander abgegrenzt werden, dass daraus eine Grenze zwischen Verfassungswandel und Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG folgt. Die Interpretation ist insoweit Grundlage des Verfassungswandels. Im Folgenden ließen sich jedoch einige Kriterien festhalten, nach denen Verfassungswandel und Verfassungsänderung voneinander abgegrenzt werden können: Das Normprogramm darf nicht in der Art geändert werden, dass der Wortlaut der Norm verletzt ist, des Weiteren konnte die Legitimation des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungswandel dargestellt werden; und schließlich können sich aus dem Grundgesetz selbst Hinweise auf Öffnung oder Schließung einer Norm ergeben. Unter Verfassungswandel sind folglich alle Veränderungen im Sinn der Verfassung zu verstehen, die in dargelegter Weise nicht Verfassungsände553  Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt, et al., FS Isensee, S. 183, 196. 554  Hofmann, Änderungen des Grundgesetzes, in: Damm/Heermann/Veil, FS Rai­ ser, S. 589, 870. 555  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 40; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S.  450, 454 ff.; Wolff, Verfassungsrecht, S. 102. 556  Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 21. 557  Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 524. 558  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 455. 559  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 14; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123; Michael, RW 5 (2014), S. 426; Peters, Theorie, S.  476 f.; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 585; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 524; Wolff, Verfassungsrecht, S. 98; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287.



C. Verfassungswandel in der Praxis217

rung sind; d. h. neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse) durch die Änderung von Kompetenzen, Verfahren oder inhaltliche Vorgaben.

C. Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht in der Praxis Nach der Erörterung des Begriffs des Verfassungswandels wird nun untersucht, ob ein solcher nach den dargelegten Kriterien in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zum Themenkomplex Auslandseinsätze festzustellen ist. Ausdrucksform des Gerichts ist das Urteil (bzw. der Beschluss). Nur dort lässt sich demnach ein Verfassungswandel ablesen. Dies wirft die Frage auf, ob der Verfassungswandel durch das Gericht entsteht oder lediglich „zum Ausdruck“560 gebracht wird. Als letztverbindlicher Interpret kann das Gericht jedoch selbstständig die Verfassung wandeln561 und ist danach aktiver Gestalter des Verfassungswandels.562 Des Weiteren kann ein Verfassungswandel sowohl durch veränderte Interpretation von Urteil zu Urteil563 stattfinden als auch durch die Veränderung einer zuvor erfolgten Interpretation durch andere Akteure. Dies bedeutet, auch die Erstkonkretisierung durch das Bundesverfassungsgericht in Form der Entscheidung über eine neue verfassungsrechtliche Fragestellung kann ein Verfassungswandel sein,564 da hierdurch die Veränderung einer vorigen Interpretation der Verfassung erfolgen kann. Zu berücksichtigen sind für den Verfassungswandel dabei Tenor und tragende Gründe der Entscheidungen des Gerichts.565 560  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 17. 561  Dreier, Art. 79 I GG, in: Dreier, GG, Rn. 40; Hönnige, Impliziter Verfassungswandel, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S.  249; Kenntner, DÖV 1997, S. 450, 457; Kloepfer, Verfassungsrecht, § 1, Rn. 141 f.; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 589; Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 225 f. 562  Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  265 f.; Würtenberger, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 49, 54. 563  Hönnige, Impliziter Verfassungswandel, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 249, 252 f.; Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 224. 564  Hönnige, Impliziter Verfassungswandel, in: Hönnige/Kneip/Lorenz, Verfassungswandel, S. 249; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 434; Schulze-Fielitz, Verfassung als Prozeß, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 219, 226; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 522; anders Wolff, Verfassungsrecht, S. 99 f. Ausführlicher s. o. B. II. 2. b) cc). 565  s. o. A. II.

218

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Zunächst wird nun ein möglicherweise erfolgter Verfassungswandel in den untersuchten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts erörtert (I.) und anschließend diskutiert, hinsichtlich welcher verfassungsrechtlicher Fragestellungen ein solcher möglich wäre (II.).

I. Verfassungswandel durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts Für einen Verfassungswandel muss sich der Sinn der Normen Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG nach obigem Verständnis verändert haben.566 Es bedarf einer „Entwicklung des Verfassungsrechts, in deren Folge neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse) an den Normadressaten aus einem gleichbleibenden Text gestellt werden“567. Da bei einem Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht nicht nur eine Veränderung von früherer Rechtsprechung in Betracht kommt, kann der Wandel gleichsam in der Änderung anderer Ausgangspunkte liegen. Dafür kommen in Betracht: Der Wille des Gesetzgebers und die Auslegung der Norm in ihrer Entstehung als historischer Anknüpfungspunkt568; die Interpretation der Norm in der Staatspraxis im Vorfeld der Urteile sowie die Norm ausfüllende Gesetze. 1. Art. 24 II GG Zu Beginn wird ein Verfassungswandel im Bereich des Art. 24 II GG untersucht. a) Verfassungsrechtliche Fragestellungen Zur Erörterung eines Verfassungswandels können nur die Passagen der Urteile herangezogen werden, die bindende Wirkung gemäß § 31 I BVerfGG entfalten. Im Verfahren BVerfGE 90, 286 ging es um die Frage, ob die Maßnahme der Bundesregierung, deutsche Streitkräfte in der NATO und WEU Aktion sharp guard einzusetzen, die (auch militärisch) zu Wasser und in der Luft die Wirtschafts- und Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Jugo­ slawien durchsetzten, das Grundgesetz verletzte. Dazu ist nötig zu wissen, welche Rechtsgrundlage dazu ermächtigt und ob die durchgeführten Einsät566  s. o.

B. II. 2., 3. Verfassungsentwicklung, S. 254. 568  So auch Michael, RW 5 (2014), S. 426, 467 ff. 567  Bryde,



C. Verfassungswandel in der Praxis219

ze deren Voraussetzungen erfüllen. Um festzustellen, ob die fraglichen Einsätze unter Art. 24 II GG zu subsumieren sind, bedarf es daher auch der Definition der tatbestandlichen Merkmale. Dies vollzieht das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Urteilsbegründung: Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit sind solche, die ein „friedenssicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation“569 umfassen und deren Mitglieder „wechselseitig zur Wahrung des Friedens verpflichtet [sind] und Sicherheit [gewähren]. Ob das System dabei ausschließlich oder vornehmlich unter den Mitgliedstaaten Frieden garantieren oder bei Angriffen von außen zum kollektiven Beistand verpflichten soll, ist unerheblich. Auch Bündnisse kollektiver Selbstverteidigung können somit Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG sein, wenn und soweit sie strikt auf die Friedenswahrung verpflichtet sind.“570 Art. 24 II GG kann als Rechtsgrundlage für den Einsatz von Streitkräften im Ausland herangezogen werden: „Die […] Einwilligung in die Beschränkung von Hoheitsrechten umfaßt auch die Beteiligung deutscher Soldaten an militärischen Unternehmungen auf der Grundlage des Zusammenwirkens von Sicherheitssystemen in deren jeweiligem Rahmen, wenn sich Deutschland mit gesetzlicher Zustimmung diesen Systemen eingeordnet hat.“571 Ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ist ein friedliches, wenn sich die Organisation nicht grundsätzlich von der Verpflichtung zur Wahrung des Friedens aus Art. 24 II GG entfernt.572 Zur Frage des Verhältnisses von Art. 87a II GG und Art. 24 II GG stellte das Gericht fest, dass „Art. 87a GG […] der Anwendung des Art. 24 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht entgegen[steht]“.573 b) Ursprung des Art. 24 II GG Art. 24 II GG besteht unverändert seit 1949. Die Norm unterscheidet sich jedoch von Art. 24 II Herrenchiemseeentwurf. Dieser lautete: „Insbesondere kann er im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens sein Gebiet in ein System kollektiver Sicherheit einordnen und hierbei, unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit, in diejenigen Beschränkungen seiner Hoheitsrechte 569  BVerfGE 90, 286 (349). Vgl. zu Fragen des Art. 24 II GG oben Teil 2 A. II. 1., B. II. 4. 570  BVerfGE 90, 286 (349). 571  BVerfGE 90, 286 (351). 572  BVerfGE 118, 244 (271). 573  BVerfGE 90, 286 (355). Vgl. zum Verhältnis von Art.  24 II GG und Art. 87a II GG oben Teil 2 A. II. 3.

220

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

einwilligen, durch die eine friedliche und dauerhafte Ordnung der europäischen Verhältnisse erreicht und sichergestellt werden kann.“574

Die grundlegenden Züge des Art. 24 II GG sind dort allerdings bereits angelegt. Die militärische Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit der Bundesrepublik sollte durch die Einordnung in ein System kollektiver Sicherheit gewährleistet werden,575 welches stets auf Gegenseitigkeit beruhen sollte.576 Die Norm diente vor allem der – als eine gemeinsam verstandene Aufgabe der – Wahrung des Friedens.577 Deutschland sollte sich als „friedliebender Partner in die Völkergemeinschaft“578 einordnen, wobei die Einordnung in eine Überstaatlichkeit betont wurde.579 Eine völkerrechtlich eindeutige Definition des Systems kollektiver Sicherheit bestand bereits damals nicht.580 Die Einordnung in ein kollektives Sicherheitssystem sollte nötig sein, weil Deutschland über keine Streitkräfte verfügte.581 Der Ausdruck zur Wahrung des Friedens habe dabei jedoch keine weitere Bedeutung als den Zweck des Systems zu kennzeichnen.582 Einerseits wird angenommen, bei Entstehung des Art. 24 II GG sei an die Teilnahme von Einsätzen der Vereinten Nationen gedacht worden.583 In den Beratungen zum späteren Art. 24 II GG findet sich allerdings kein ausdrücklicher Hinweis auf ein solches Verständnis.584 In Anbetracht der Reichweite dieser Frage wäre dies jedoch eher zu erwarten, als dass ein solches Verständnis stillschweigend anzunehmen ist. Einsatzmöglichkeiten wurden zur Zeit der Entstehung der Norm jedenfalls nicht explizit diskutiert.585 In den besprochenen Urteilen charakterisiert das Bundesverfassungsgericht die Gegenseitigkeit der Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit aus von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 161. Art. 24 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Rn. 3; von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 161, 164. 576  von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 162, 164. 577  von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 163. 578  Klein, Art. 24 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Rn. 1. 579  von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 163. 580  von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 164. s. o. Teil 2 A. II. 1. b) aa). 581  von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 164. 582  von Mangoldt, Art. 24 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 164. 583  Randelzhofer, Art. 24 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 55. Vgl. auch Teil 2 A. II. 1. b) cc). 584  Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 5/I, S. 322 ff.; Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 5/II, S. 542 ff.; Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 14/I, S. 174 ff. 585  Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 5/I, S. 322 ff.; Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 5/II, 542 ff.; Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat 14/I, S. 174 ff. 574  Zitiert 575  Klein,



C. Verfassungswandel in der Praxis221

als wechselseitig586 und damit in Übereinstimmung mit der ursprünglichen Auslegung. Die Wahrung des Friedens wird ebenfalls – wie früher – betont.587 Dazu passt auch die Definition des Gerichts der Systeme als friedenssichernde Organisationen.588 Insoweit ist kein Verfassungswandel festzustellen. Die Art der Verteidigung, die innerhalb eines solchen Bündnisses stattfinden sollte, wurde in der anfänglichen Diskussion nicht näher dargelegt, es gab keine Festlegung darüber, ob die Bundeswehr (die es damals noch nicht gab) auf Grundlage dieser Norm militärische Einsätze im Ausland durchführen könnte. In BVerfGE 90, 286 qualifiziert das Gericht Art. 24 II GG schließlich als Rechtsgrundlage für jegliche Auslandseinsätze im Bündnis. Dies steht nicht im Gegensatz zum ursprünglichen Verständnis. Die aktive Teilnahme an militärischen Einsätzen auf Grundlage dieser Norm ist jedoch etwas anderes als das oben anklingende Verständnis von der Vorschrift, die der Wahrung des Friedens dient und die Einordnung Deutschlands in staatsübergreifende Systeme zur Verteidigung ermöglicht. Vorherrschend war die Notwendigkeit der Verteidigung im Bündnis gewesen, nun sind Einsätze nicht mehr zweckgebunden, sondern einzig an die Voraussetzung der Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit geknüpft. Insofern kam durch die Eröffnung der Einsatzmöglichkeit durch die Urteile ein wesentlicher neuer Aspekt hinzu. Weiterhin haben sich die Bedingungen der Wirklichkeit, auf die sich die Norm bezieht, verändert.589 Hat sich auch der Sinn der Norm verändert, d. h. sind neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote und Erlaubnisse) an die Normadressaten herangetragen worden, sodass ein Verfassungswandel bejaht werden kann? Wurden Kompetenzen, Verfahren oder inhaltliche Maßgaben erweitert und haben sich neue Spielräume bzw. Rechtsfolgen ergeben? Art. 24 II GG lässt nun militärische Einsätze im Ausland zu, auch ohne, dass diese der Verteidigung dienen. Darin liegt eine Erlaubnis an den Normadressaten, d. h. die für die Entscheidung über solche Einsätze zuständige Stelle (Bundesregierung und Bundestag). Demnach besteht sowohl eine Kompetenz über diesen Einsatz zu entscheiden als auch die inhaltliche Erlaubnis eines solchen Einsatzes. Ist dies auch neu? Von der Rechtsgrundlage des Art. 24 II GG wurde jedenfalls für militärische Einsätze der Bundeswehr vor 1990 kein Gebrauch gemacht. Dadurch allein lässt sich aber noch keine Neuheit begründen, da die Frage nach Einsätzen militärischer Art in der Praxis nicht gestellt wurde. Ein Verfassungswandel kann allerdings auch in der erstmaligen Konkretisierung 586  BVerfGE

90, 286 (349). Teil 2 A. II. 1. b) bb). 588  s. o. Teil 2 A. II. 1. b) aa). 589  s. o. Teil 1 B. 587  s. o.

222

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

der Norm durch das Bundesverfassungsgericht liegen.590 Bereits daraus kann ein Verfassungswandel resultieren, indem neue Verhaltensanforderungen durch die nun verbindliche Auslegung des Bundesverfassungsgerichts entstehen, wenn diese zuvor bestritten oder kontrovers diskutiert wurden.591 Durch die verbindliche Entscheidung des Gerichts werden die neuen Anforderungen der Norm im Wege eines Urteils festgelegt, auch dabei gilt, dass diese Auslegung für eine Veränderung, d. h. einen Verfassungswandel, nicht das Gegenteil einer vorherigen Interpretation darstellen muss.592 Im Vergleich zur ursprünglichen Interpretation der Norm lässt sich demnach im vorliegenden Urteil des Gerichts eine neue Verhaltensanforderung beobachten: Eine tatsächliche Kompetenz, die sich aus Art. 24 II GG ergab, wurde zuvor nicht dargelegt. Die Spielräume von Bundestag und Bundesregierung haben sich durch die Möglichkeit, die Streitkräfte aufgrund des Art. 24 II GG einzusetzen, erweitert. Infolge des Urteils aus dem Jahr 1994 ist die rechtliche Grundlage für viele mögliche Einsatzarten im Ausland mit bindender Wirkung entschieden. Diese Veränderung im Sinn der Norm dürfte jedoch schließlich nicht gegen den Wortlaut verstoßen. So schwer dies festzustellen ist, scheint es doch so, dass der Wortlaut des Art. 24 II GG diesem Verständnis jedenfalls nicht widerspricht, denn ein Einsatz wird zwar nicht erwähnt, jedoch auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen.593 Wie gezeigt, liegt es durchaus im Rahmen des Wortlauts von Art. 24 II GG, dass die Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit die Grundlage für einen militärischen Einsatz bildet. Demzufolge ist für Art. 24 II GG ein Verfassungswandel festzustellen, indem das Bundesverfassungsgericht die Norm als Rechtsgrundlage für militärische Einsätze der Bundeswehr im Ausland beurteilt. Daneben äußerte sich das Gericht zum Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG. Dieses war bei Entstehung des Art. 87a II GG nicht bedacht worden,594 diese Norm entstand allerdings auch erst nach Art. 24 II GG. Da das Gericht jedoch entschied, dass Art. 87a II GG die Anwendung des Art. 24 II GG nicht hindert, kann kein Verfassungswandel im Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG vom historischen Ausgangspunkt festgestellt werden.595

590  s. o.

ausführlicher B. II. 2. b) cc). RW 5 (2014), S. 426, 434. 592  s. o. B. II. 2. b) cc). 593  s. o. Teil 2 A. II. 1. b). 594  s. u. C. I. 2. b). 595  Näher zum Einfluss des Art. 24 II GG auf Art. 87a II GG hinsichtlich eines Verfassungswandels s. u. C. I. 2. b) cc). 591  Michael,



C. Verfassungswandel in der Praxis223

c) Interpretation der Staatspraxis In Frage stehen mit Bezug auf die Staatspraxis die Handlungen der Bundesregierung und die nicht legislativen Handlungen des Bundestags. Die Beschlüsse beider Organe zeigen keinen Zweifel an der Zulässigkeit von Einsätzen im Ausland.596 Dabei wird zwar Art. 24 II GG nicht direkt genannt, die Urteile des Bundesverfassungsgerichts befinden sich jedoch damit im Einvernehmen. Demnach hat kein Verfassungswandel durch das Gericht stattgefunden. d) Gesetze Ein Verfassungswandel von Gesetzen des Bundestags durch Urteile des Gerichts ist in Bezug auf Art. 24 II GG gleichfalls nicht festzustellen. e) Urteile des Bundesverfassungsgerichts Vor BVerfGE 90, 286 ergingen keine Urteile des Gerichts im vorliegenden Themenkomplex. Es fanden jedoch im Anschluss daran durchaus Entwicklungen innerhalb der Rechtsprechung des Gerichts statt. Zum Kriterium der Wahrung des Friedens stellte sich die Frage, ob nur die Friedlichkeit des Systems vorliegen muss oder ob auch jeglicher Einsatz innerhalb eines solchen Systems friedlichen Zwecken dienen muss. Im Verfahren BVerfGE 90, 286 äußerte sich das Gericht dazu nicht, es wurde allerdings die Friedlichkeit des Systems betont.597 In BVerfGE 104, 151 ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Friedlichkeit des Systems nicht verletzt werde, wenn gegen einzelne von dessen Vorschriften verstoßen werde, sondern wenn wesentliche Prinzipien aufgegeben oder verändert würden.598 In der Begründung der Urteile lässt sich damit eine leicht veränderte Tendenz im Hinblick auf die Rolle der Friedlichkeit des Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit feststellen. Dadurch könnten sich neue Verhaltensanforderungen für die Normadressaten ergeben haben. Die Ausführungen des Gerichts zur Friedlichkeit von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Jahr 1994 sind allerdings kaum so deutlich, dass tatsächlich eine veränderte Kompetenz der Normadressaten durch das nachfolgende Urteil begründet werden kann. Zwar mag die Einordnung des Bundes in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit nun in größerem Maß möglich als zuvor 596  s. o.

Teil 2 A. I., B. I., C. I., D. I. Teil 2 A. II. 1. 598  s. o. Teil 2 B. II. 4. b). 597  s. o.

224

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

sein, darin liegt jedoch kein neues Ge- oder Verbot (oder eine Erlaubnis), das sich aus Art. 24 II GG ergibt. Die grundsätzliche Anforderung der Friedlichkeit des Systems besteht fort. Eine neue Rechtsfolge lässt sich dadurch nicht begründen. Dementsprechend entstand auch keine neue Verhaltensanforderung oder Rechtsfolge aus der Norm. Daher erfolgte kein Verfassungswandel. 2. Art. 59 II 1 GG und Art. 87a II GG Im Weiteren werden nun Art. 59 II 1 GG und Art. 87a II GG gemeinsam betrachtet, da einerseits letzterer in den Urteilen des Gerichts kaum eine Rolle spielte und andererseits der Parlamentsvorbehalt an keinem Text eindeutig festzumachen ist,599 sondern in den Bereich der Kompetenzordnung der auswärtigen Gewalt zählt. a) Verfassungsrechtliche Fragestellungen Im Verfahren BVerfGE 90, 286 ergab sich die Frage, ob die Bundesregierung ohne den Bundestag über Einsätze der Streitkräfte im Ausland entscheiden durfte. Die grundsätzliche Kompetenzverteilung im Rahmen der auswärtigen Gewalt spricht dafür, auch Art. 59 II 1 GG führt nicht zu einer Zustimmungspflicht. Eine solche ergibt sich jedoch aus dem Parlamentsvorbehalt, den das Gericht ausdrücklich im Tenor erwähnt. Die Darstellung, wie dieser zu legitimieren ist, ist daher ebenfalls zu den tragenden Gründen zu zählen. Im folgenden Verfahren BVerfGE 104, 151 war die Frage aufgeworfen, ob die Zustimmung zum neuen Strategischen Konzept der NATO durch die Bundesregierung die Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG verletzte. Um zu verstehen, warum dies nicht der Fall war, sind die Ausführungen des Gerichts im Hinblick auf die Voraussetzungen der Norm wesentlich. Die Begründung dreht sich um die Frage, inwieweit Änderungen zu Verträgen aus Art. 59 II 1 GG zustimmungspflichtig sind. Auch im Urteil des Jahres 2007 (BVerfGE 118, 244) ging es um die Frage, ob Rechte des Bundestags aus Art. 59 II 1 GG verletzt wurden, wobei zum Verständnis ebenfalls die diesbezüglichen Erläuterungen erforderlich sind. In BVerfGE 121, 135 war die Frage zu entscheiden, ob für den Einsatz der Streitkräfte im Zuge der NATO-Mission in der Türkei aufgrund des Parlamentsvorbehalts die Zustimmung des Bundestags erforderlich war. Das Gericht entschied, dass dies nötig gewesen wäre. Um das Urteil nachvollziehen zu können, müssen Inhalt und tatbestandliche Voraussetzungen des Parlamentsvorbehalts nachvollzogen werden, welche das Gericht in den Erläuterungen 599  Nettesheim,

Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 7.



C. Verfassungswandel in der Praxis225

zum Begriff des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte darlegt. Die Entscheidung des Jahres 2015 (BVerfGE 140, 160) beschäftige sich mit der Frage, ob der Bundestag einem Einsatz zustimmen muss, den die Bundesregierung bei Gefahr im Verzug angeordnet hat und welcher bereits beendet ist. Zum Verständnis des Urteils ist es erforderlich, die Ausführungen des Gerichts zum Inhalt des Parlamentsvorbehalts zu kennen, insbesondere die Passagen zu Einsätzen bei Gefahr im Vollzug. Demnach unterfallen diese Erläuterungen der bindenden Wirkung der Urteile. Diesbezüglich legte das Bundesverfassungsgericht folgende Interpretationen dar: Unter Verträgen, die politische Beziehungen regeln, sind solche zu verstehen, welche „die Existenz des Staates, seine territoriale Integrität, seine Unabhängigkeit, seine Stellung oder sein maßgebliches Gewicht in der Staatengemeinschaft durch den Vertrag selbst [berühren]“600. Verträge, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen sind „nur diejenigen, deren Inhalt, wenn es sich nicht um eine völkerrechtliche Vereinbarung, sondern um eine innerstaatliche Regelung handelte, zu den Gegenständen der Gesetzgebung und nicht zu denen der Verwaltung gehörte“601. Änderungsverträge zu solchen aus Art. 59 II 1 GG sind von der Norm erfasst, wenn sie ebenfalls deren Voraussetzungen erfüllen.602 Die geänderte Interpretation eines solchen Vertrags unterliegt nur Art. 59 II 1 GG, wenn ein „Vertragsänderungswillen“603 vorliegt, der sich nach objektiven Kriterien bestimmt.604 Wesentliche Überschreitungen oder Änderungen eines Vertrags im Sinne von Art. 59 II 1 GG sind jedoch vom Zustimmungsgesetz grundsätzlich nicht mehr gedeckt.605 Eine bloße „Fortentwicklung eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG bedarf keiner gesonderten Zustimmung des Bundestags“606. Lediglich bei ultra vires Verletzungen sei dies nötig.607 Im Hinblick auf die Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Außenpolitik der Verwaltung und Regierung zuzuordnen ist.608 Bewaffnete Einsätze der Streitkräfte im Ausland sind dem Gericht zufolge 600  BVerfGE 1, 372 (381); BVerfGE 90, 286 (359). Vgl. zu Art. 59 II 1 GG oben Teil 2 A. II. 4., B. II., C. II., D. II. 601  BVerfGE 1, 372 (389 f.). 602  BVerfGE 90, 286 (358, 361); Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 235 f. 603  BVerfGE 90, 286 (362). 604  Wollenschläger, Art. 59 GG, in: Dreier, GG, Rn. 36. 605  BVerfGE 104, 151 (195). 606  BVerfGE 104, 151 (206). 607  BVerfGE 104, 151 (210). 608  BVerfGE 1, 372 (394); BVerfGE 68, 1 (85 f.); BVerfGE 90, 286 (357); Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 83, Rn. 43; Grewe, AöR 112 (1987), S. 521, 525.

226

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

einem vorherigen konstitutiven Parlamentsvorbehalt unterworfen.609 Das Gericht stützt diesen u. a. auf die Eigenschaft der Bundeswehr als „Parla­ ments­heer“610, woraus sich ein Prinzip ergibt, nach welchem die vorherige konstitutive Zustimmung des Bundestags bei einem Einsatz nötig ist.611 Ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte liegt vor, wenn die „Soldaten […] in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind“612. Für bewaffnete Unternehmungen kommt es darauf an, dass „nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist und deutsche Soldaten deshalb bereits in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind“613. Eine nähere Unterscheidung erfolgt durch „Einsatzzweck und Einsatzbefugnisse“614. Es bedarf einer qualifizierten Erwartung von bewaffneten Auseinandersetzungen, die sich nach zwei verschiedenen Kriterien richtet.615 Schließlich ist der Parlamentsvorbehalt „im Zweifel parlamentsfreundlich auszulegen“616. Die vorherige Zustimmung ist nicht erforderlich bei Einsätzen bei Gefahr im Verzug, anschließend jedoch nachzuholen.617 Dies gilt allerdings nicht für Einsätze, die bereits abgeschlossen sind.618 b) Ursprung der Art. 59 II 1 GG und Art. 87a II GG Im Folgenden wird nun wiederum die Entstehung der Normen dargelegt. aa) Art. 59 II 1 GG Art. 59 II 1 GG unterscheidet sich von seinem Vorgänger im Herrenchiemseeentwurf. Dort lautete Art. 81 II 1: 609  BVerfGE 90, 286 (345, 381  ff.); Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Rn. 69; Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 84, Rn. 35. Für eine tiefergehende Bearbeitung siehe Wagner, Parlamentsvorbehalt. 610  BVerfGE 90, 286 (282). 611  BVerfGE 90, 286 (382). Für nähere Ausführungen vgl. Wagner, Parlamentsvorbehalt, S.  24 f. 612  BVerfGE 90, 286 (388). 613  BVerfGE 121, 135 (164). 614  BVerfGE 121, 135 (164). 615  BVerfGE 121, 135 (165). 616  BVerfGE 121, 135 (162). 617  BVerfGE 90, 286 (388). 618  BVerfGE 140, 160 (204 f.).



C. Verfassungswandel in der Praxis227 „Staatsverträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrats (Senats) gemäß den für die Bundesgesetzgebung geltenden Vorschriften.“619

Die Norm lässt sich des Weiteren auf Art. 45 WRV zurückführen:620 „(1)  Der Reichspräsident vertritt das Reich völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Reichs Bündnisse und andere Verträge mit auswärtigen Mächten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten. (2)  Kriegserklärung und Friedensschluß erfolgen durch Reichsgesetz. (3) Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung des Reichstags.“

Statt mit auswärtigen Mächten schloss die BRD nun Verträge mit auswärtigen Staaten.621 Die Rechte des Bundestags wurden gegenüber der WRV erweitert, indem mehr Arten von Verträgen zustimmungspflichtig wurden.622 Unter politischen Verträgen gemäß Art. 59 II 1 GG sollten alle solche zu verstehen sein, „welche nicht einen rein fachlich-technischen Charakter ­ haben“623. Verträge, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, werden von solchen der Verwaltung abgegrenzt.624 Verträge mit Bündnissen waren nicht aufgenommen worden, da die BRD noch nicht bündnisfähig war.625 Erläuterungen zu Krieg und Frieden waren ebenfalls nicht aufgenommen worden.626 Von Art. 59 II 1 GG umfasst sollte der Abschluss und die Änderung von Verträgen sein.627 Da Art. 59 II 1 GG Verträge über politische Beziehungen beinhaltet, erweiterte dies das Zustimmungserfordernis für Verträge mit Bündnissen aus Art. 45 WRV.628 Es wurde vertreten, die Vorschrift weit auszulegen, das Bundesverfassungsgericht war jedoch anderer Ansicht.629 Art. 59 II 1 GG wurde nie gemäß Art. 79 GG geändert. bb) Art. 87a II GG Die Geschichte des Art. 87a GG weist demgegenüber häufigere Änderungen auf. aus von Mangoldt, Art. 59 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 315. Mangoldt, Art. 59 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 315. Mangoldt, Art. 59 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 316. Mangoldt, Art. 59 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 320. Mangoldt, Art. 59 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 320. Mangoldt, Art. 59 GG, in: von Mangoldt, GG, S. 320. Mangoldt/Klein, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1124. Mangoldt/Klein, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1124. Mangoldt/Klein, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1135. Mangoldt/Klein, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1136. Mangoldt/Klein, Art. 59 GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1136 f.

619  Zitiert 620  von 621  von 622  von 623  von 624  von 625  von 626  von 627  von 628  von 629  von

228

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

(1) Die erste Wehrrechtsnovelle 1954 Die erste Wehrrechtsnovelle630 im Jahre 1954 drehte sich um die Frage der deutschen Wiederbewaffnung. Nach dem Kampf um den Wehrbeitrag sollten wieder deutsche Streitkräfte bereitgestellt werden, der Bund bedurfte daher der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz.631 Die Wiedereinführung von Streitkräften wurde zum Teil mit Blick auf die deutsche Geschichte abgelehnt, die weltpolitischen Entwicklungen im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg führten jedoch zu der Forderung, dass die Bundesrepublik sich verteidigen können müsse.632 Die Vorgabe der Alliierten, dass es keine deutschen Streitkräfte mehr geben sollte,633 wurde damit schnell fallen gelassen (wenn wohl auch aufgrund politischen Drucks derselben)634. Für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes wurde Art. 73 Nr. 1 GG geändert.635 Die Normen, die sich vor der ersten Wehrrechtsnovelle im Grundgesetz befanden (d. h. alle, außer Art. 107, 120a, 143 GG)636, können im Lichte der Tatsache interpretiert werden, dass keine Streitkräfte aufgestellt werden sollten. Durch die Verfassungsänderung 1954 wird auch deutlich, dass die Einführung der Bundeswehr nicht als Verfassungswandel erfolgte, da hierfür ein die Verfassung änderndes Gesetz vorliegt. (2) Die zweite Wehrrechtsnovelle 1956 Die zweite Wehrrechtsnovelle637 brachte 1956 detailliertere Regelungen bezüglich der deutschen Streitkräfte. Die bereits zuvor angedachten Änderungen des Grundgesetzes wurden nun bearbeitet.638 Zur Einführung der 630  BGBl. I,

1954, S. 45. 90, 286 (293); Breitwieser, NZWehrR 2009, S. 150, 155 f. 632  Stern, Staatsrecht II, S. 855. 633  Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 2 Fn. 3; Epping, Art. 65a GG, in: Maunz/Dürig, GG, Rn. 2; Fassbender, Militärische Einsätze, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 244, Rn. 18 ff.; Harnisch, Politik, S. 171; Stern, Staatsrecht II, S. 845 f. 634  Freiherr von der Heydte, Das Experiment „Bundeswehr“, in: Löw, 25 Jahre Grundgesetz, S. 55, 56 ff.; Wieland, Wehrverfassung, in: Wahl, Verfassungsänderung, S. 165. 635  BGBl. I, 1954, S. 45. 636  http://beck-online.beck.de/Default.aspx?words=grundgesetz&btsearch.x=42& filter=spubtyp0 %3A %22aufs %22|&fVerlage=true&btsearch.x=0&btsearch.y=0 (aufgerufen am 01. November 2016). 637  BGBl. I, 1956, S. 111. 638  Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 02/132 v. 06. März 1956, S. 6819 ff.; Bartke, Verteidigungsauftrag, S. 43. 631  BVerfGE



C. Verfassungswandel in der Praxis229

Streitkräfte bedurfte es nicht nur einer Kompetenzgrundlage (wie 1954 hinzugefügt), sondern auch Regelungen für den Einsatz, die Organisation, usw. Es wurde daher Art. 59a GG a. F. eingefügt639 und so eine Norm für den Verteidigungsfall geschaffen:640 „(1)  Die Feststellung, daß der Verteidigungsfall eingetreten ist, trifft der Bundestag. Sein Beschluß wird vom Bundespräsidenten verkündet. (2) Stehen dem Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen, so kann bei Gefahr im Verzug der Bundespräsident mit Gegenzeichnung des Bundeskanzlers diese Feststellung treffen und verkünden. Der Bundespräsident soll zuvor die Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates hören. (3)  Der Bundespräsident darf völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalls erst nach Verkündung abgeben. (4)  Über den Friedensschluß wird durch Bundesgesetz entschieden.“

Die Norm basierte auf Art. 45 WRV und regelte die Verbands- und Organkompetenz im Verteidigungs- und Friedensfall.641 Der Bundestag sollte als Volksvertretung über die wichtige Entscheidung des Verteidigungsfalls befinden.642 Daher wurde vorgebracht, die Vorschrift weiche von der hergebrachten Tradition ab, dass die Exekutive über Krieg und Frieden entscheide.643 Der Verteidigungsfall ersetzte mit Blick auf Art. 26 GG den Kriegsfall und diesbezüglich wurde angemerkt, er könne auch im Bündnis eintreten.644 Des Weiteren wurde Art. 87a GG eingefügt, dessen systematische Stellung von Beginn an als verfehlt kritisiert wurde.645 Die Norm in der Fassung aus dem Jahre 1956 bestimmte: „Die zahlenmäßige Stärke der vom Bunde zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.“

Nach den beiden Wehrrechtsnovellen bestand demnach die Möglichkeit, Streitkräfte der Bundesrepublik aufzustellen und es existierten Regelungen für deren Hauptaufgabenbereich, die Verteidigung. Auch Art. 59a GG a. F. klärte jedoch den Komplex der Wehrverfassung nicht abschließend.646 639  BGBl. I,

1956, S. 112. Entwicklung des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 9, Rn. 46; Schäfer, NJW 1956, S. 529; Stern, Staatsrecht II, S.  857 f. 641  von Mangoldt/Klein, Art. 59a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1156 f. 642  von Mangoldt/Klein, Art. 59a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1160. 643  von Mangoldt/Klein, Art. 59a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1157. 644  von Mangoldt/Klein, Art. 59a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 1158, 1160. 645  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2303; Schäfer, NJW 1956, S. 529, 532. 646  Stern, Staatsrecht II, S. 1393 f. 640  Hofmann,

230

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

(3) Die Notstandsreform 1968 Die Änderungen der zweiten Wehrrechtsnovelle waren nicht von langer Dauer. Es sollte schließlich eine Norm geschaffen werden, die den Einsatz der Streitkräfte regelte,647 daher ersetzte Art. 87a GG im Rahmen der Notstandsreform Art. 59a GG a. F. und erhielt seine heutige Fassung.648 Die systematische Stellung des Art. 87a GG wird ebenso wie die der Vorgängernorm kritisiert.649 Die Vorschrift sollte jedoch grundlegende Norm für die deutschen Streitkräfte sein, ergänzte Art. 73 Nr. 1 GG650 und führt ebenfalls die Regelungen des Art. 59a GG a. F. weiter.651 Dazu wurde angemerkt, dass die parlamentarische Entscheidung über Aufstellung der Streitkräfte etwas Neues sei.652 Der Begriff der Streitkräfte sollte „die nach dem Befehlsprinzip organisierten bewaffneten Verbände“653 der Bundeswehr bezeichnen. Diese dürften nur dem Zweck der Verteidigung dienen, aber nicht zum Ziel des Angriffs aufgestellt werden.654 Verteidigung sei (gerade im Bezug zu Art. 26 GG) nur möglich „gegen mit Waffengewalt geführte Angriffe (Angriffe militärischer Art), die von außen auf die BRD geführt werden“655. In der aktuellen Diskussion sind die Elemente des Verteidigungsbegriffs weiterhin umstritten, ebenso der Einsatz gemäß Art. 87a II GG.656 Ein solcher sollte ursprünglich als umfassende „Verwendung der Streitkräfte im Rahmen von erlaubten Kriegshandlungen wie im Rahmen der vollziehenden Gewalt im Innern zu verstehen“657 sein (bewaffnet und unbewaffnet). Hier dreht sich die Diskussion im Grunde um dieselbe Frage wie 1968 (die Art des militärischen Angriffs), jedoch angereichert durch neue Fragestellungen. Art. 87a GG sollte des Weiteren die Regelungen des Art. 143 GG a. F. integrieren.658 647  Hopfauf,

ZRP 1993, S. 321, 323. 1968, S. 711. 649  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2303. 650  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2304, 2306. 651  Stern, Staatsrecht II, S. 1389. 652  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2305. 653  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2307. 654  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2308. 655  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2308. 656  Dazu oben Teil 2 A. II. 2. b) bb), cc). 657  von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2323. 658  Hopfauf, ZRP 1993, S. 321, 323; von Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2320 f. 648  BGBl. I,



C. Verfassungswandel in der Praxis231 Art. 143 GG (i. d. F. 1956): „Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Art. 79 erfüllt.“

Geregelt wurde daher durch Art. 87a GG auch (erschöpfend)659 der Einsatz der Bundeswehr im Innern als „ultima ratio“660.661 Die Kompetenzverteilung im Verteidigungsfall wird wiederum zugunsten des Parlaments geregelt (vgl. auch Art. 115a GG). Insgesamt ergibt sich im Hinblick auf die Kompetenzverteilung im Rahmen der auswärtigen Gewalt bezüglich des Bundestags, dass dieser gemäß Art. 59 II 1 GG Verträgen zustimmt, an der Entscheidung über Krieg und Frieden beteiligt ist, jedoch nicht ausdrücklich an einer Entscheidung im Sinne des Art. 87a GG beteiligt wurde. cc) Verfassungswandel Durch die Verfassungsänderung 1954 wird, wie bereits erwähnt662 zunächst deutlich, dass die Einführung der Bundeswehr nicht als Verfassungswandel erfolgte, da hierfür ein die Verfassung änderndes Gesetz vorliegt. Im Hinblick auf Art. 59 II 1 GG ist zu bedenken, dass Verträge, welche die politischen Beziehungen regeln, ursprünglich wohl weiter gedacht waren als durch das Bundesverfassungsgericht entschieden wurde. Diesbezüglich könnte daher über einen Verfassungswandel mittels der früheren Urteile663 des Gerichts nachgedacht werden, durch die vorliegenden geschah dies jedoch nicht mehr. Verträge, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, wurden durch das Gericht ausgelegt, wie vom Verfassungsgeber vorgegeben. Umfasst waren des Weiteren von Art. 59 II 1 GG von Anfang an Abschluss und Änderung von Verträgen. Liegt diesbezüglich ein Verfassungswandel durch die Rechtsprechung des Gerichts vor? Der Abschluss des Vertrags ist nach dem Bundesverfassungsgericht von Art. 59 II 1 GG erfasst.664 Auch Änderungsverträge zum einmal geschlossenen Vertrag sah das Gericht von Art. 59 II 1 GG beinhaltet. Darin liegt folglich kein Unterschied zur Ausgangslage 1949. In BVerfGE 104, 151 entschied das Gericht, dass eine Fortentwicklung von Verträgen ultra vires gegen Art. 59 II 1 GG verstößt.665 Besteht nun eine Veränderung im Sinn der 659  von

Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2321. Mangoldt/Klein, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein, GG, S. 2321. 661  Stern, Staatsrecht II, S. 858. 662  s. o. C. I. 2. b) bb) (1). 663  BVerfGE 1, 372 (381). 664  s. o. Teil 2 A. II. 4. b) bb) (4). 665  s. o. Teil 2 B. II. 4. b). 660  von

232

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Norm? Ergeben sich daraus neue Verhaltensanforderungen der Normadressaten, neue Spielräume in Ge-, Verboten oder Erlaubnissen? Bereits in BVerfGE 90, 286 wurden Mitwirkungsrechte des Bundestags festgestellt. Aus dem Urteil folgte nicht, dass die Exekutive Verträge gemäß Art. 59 II 1 GG beliebig ändern kann. Eine Grenze in der Fortentwicklung von Verträgen gemäß Art. 59 II 1 GG stellt demnach keinen neuen Spielraum dar. Es kann daher keine Kompetenzerweiterung oder -verengung bezüglich des Bundestags festgestellt werden, es entstand keine neue Verhaltensanforderung. Die prinzipielle Rechtsfolge bleibt gleich, d. h. die Bundesregierung kann Verträge fortentwickeln, dass dies nicht unbegrenzt erfolgen darf, ist insoweit keine neue Rechtsfolge. Auch aus den folgenden Urteilen ergeben sich keine weiteren Neuerungen. Anhand Art. 59 II 1 GG und der zweiten Wehrrechtsnovelle wird deutlich, dass die Bundesregierung zumindest nicht ausschließlich für alle Fragen der Streitkräfte zuständig sein sollte. Diese Änderungen sollen auf eine parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte hindeuten.666 Art. 87a GG kann indessen auch als Argument gegen eine weitergehende Beteiligung des Parlaments angeführt werden, da dies gerade nicht geregelt wurde. Andererseits war die grundsätzliche Beteiligung des Bundestags im Grundgesetz nun angelegt. Im Hinblick auf die Kompetenzverteilung im Rahmen der auswärtigen Gewalt könnte daher durch den Parlamentsvorbehalt ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht stattgefunden haben. Der Parlamentsvorbehalt ist als Kompetenzverteilung bezüglich Auslandseinsätzen der Bundeswehr der Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt zuzuordnen, da die Auslandseinsätze der Streitkräfte Teil derselben sind.667 Die Kompetenzverteilung ist als solche nicht explizit im Grundgesetz geregelt. Traditioneller Träger der auswärtigen Gewalt ist die Exekutive, dass das Grundgesetz von einer anderen Vorstellung ausging, ist nicht nachzuweisen.668 Eine darüber hinausgehende Beteiligung des Bundestags könnte daher als Verfassungswandel qualifiziert werden. Dazu müssten neue Verhaltensanforderungen in Form von Geboten, Verboten oder Erlaubnissen an Bundestag und Bundesregierung gestellt werden. Zumindest von einem Parlamentsvorbehalt war im Zusammenhang mit den Normen keine Rede. Die Entscheidung aufgrund Art. 87a II GG bezieht sich auf den Einsatz der Verteidigung, der Parlamentsvorbehalt betrifft nun alle Einsatzentscheidungen, die es zu treffen gilt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den vorliegenden Fällen nimmt jedenfalls nicht die Rechte des Bundestags zurück, die durch Art. 59 II 1 GG geschaffen werden sollten. 666  s. o.

Teil 2 A. II. 4. c). Teil 2 A. II. 4. c). 668  s. o. Teil 2 A. II. 4. b) cc). 667  s. o.



C. Verfassungswandel in der Praxis233

Der Bundestag wird nun auf verfassungsrechtlicher Grundlage an der Entscheidung über Auslandseinsätze beteiligt und die Bundesregierung ist nicht allein zuständig. Demzufolge erweitert sich der Spielraum des Bundestags, dieser gewinnt neue Kompetenzen hinzu. Spiegelbildlich verkleinern sich die Kompetenzen der Bundesregierung. In der Folge ist ein militärischer Einsatz der Bundeswehr im Ausland ohne Beteiligung des Parlaments nicht möglich. Folglich liegt im Parlamentsvorbehalt ein Verfassungswandel. Dieser vollzieht sich nicht direkt innerhalb der Normen Art. 59 II 1 GG oder Art. 87a II GG, sondern innerhalb der Kompetenzordnung von auswärtiger Gewalt. Auch hier lässt sich eine Verletzung des Wortlauts der Verfassung nicht begründen.669 Im Hinblick auf Art. 87a II GG könnte sich der Sinn der Norm verändert haben, indem Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Einsätze der Bundeswehr angewendet wird. Die Rechtsfolge der Norm bleibt dadurch jedoch grundsätzlich gleich, sie ist weiterhin anwendbar und verändert ihren Inhalt nicht. Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn Art. 87a II GG die Anwendung des Art. 24 II GG explizit ausgeschlossen hätte. Nach dem Urteil des Gerichts ist dies jedoch nicht der Fall. Art. 87a II GG besteht in dieser Form erst seit 1968. Die Frage ist demnach, ob zum Zeitpunkt des Entstehens der Norm das Verhältnis zu Art. 24 II GG insofern bedacht wurde als diese Norm als Rechtsgrundlage ausgeschlossen wurde. Dies lässt sich so nicht feststellen und ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Art. 87a II GG: Zwar sollte die Norm umfassende Grundlage für alle Einsätze der Streitkräfte sein, allerdings nicht andere Normen des Grundgesetzes einschränken.670 Es lässt sich daher ein Verfassungswandel im Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG vom historischen Ausgangspunkt nicht begründen. Es könnte ebenfalls angemerkt werden, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber in Art. 87a II GG ausdrücklich nur die Verteidigung regelte und damit keine anderen Arten von Einsätzen ansprach (so wie der Einsatz, der sich nun im Rahmen von Art. 24 II GG ergibt). Diese weitergehende Differenzierung könnte demnach als Verfassungswandel zu betrachten sein. Eine neue Einsatzart resultiert allerdings aus Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für militärische Einsätze im Ausland, dementsprechend wurde für diese Norm ein Verfassungswandel festgestellt. Dass Art. 87a II GG womöglich nicht die Bedeutung erlangte, die der verfassungsändernde Gesetzgeber der Norm zugedacht hatte, führt nicht zu einem Verfassungswandel.671 669  s. o.

Teil 2 A. II. 4. c) bb). Teil 2 A. II. 4. c) bb). 671  Dazu grundsätzlich Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 452. s. o. B. II. 2. 670  s. o.

234

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

c) Interpretation der Staatspraxis Sowohl Bundestag als auch Bundesregierung gingen in ihren Beschlüssen und Handlungen davon aus, dass die Bundesregierung für die Entscheidung über einen Einsatz der Bundeswehr im Ausland zuständig sei und dies weder gegen Art. 59 II 1 GG noch gegen Art. 87a II GG verstoße.672 Insofern erwuchsen dem Bundestag durch den Parlamentsvorbehalt neue Kompetenzen.673 Daher wandelte das Bundesverfassungsgericht die diesbezügliche Interpretation der Staatspraxis (Bundestag und Bundesregierung).674 Die übrigen Feststellungen des Gerichts befanden sich im Einklang mit der Auslegung der beiden Organe. d) Gesetze Für einen Verfassungswandel im Nachgang zu einem Gesetz kommen nur die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nach Verabschiedung des ParlBG in Betracht. In BVerfGE 121, 135 führte das Gericht den Begriff des Einsatzes aus dem Parlamentsvorbehalt näher aus. Es sollte jedoch gerade nicht der Begriff des einfachen Gesetzes konkretisiert werden, sondern der Einsatzbegriff, welcher sich aus dem Grundgesetz selbst ergibt.675 Gleiches gilt für BVerfGE 140, 160. Demnach ist kein Verfassungswandel nachzuweisen. e) Urteile des Bundesverfassungsgerichts Vor BVerfGE 90, 286 finden sich keine Urteile des Gerichts zu Auslands­ einsätzen der Bundeswehr. Als Verfassungswandel im Rahmen der Urteile des Gerichts zur Kompetenzverteilung der auswärtigen Gewalt kommt jedoch der Parlamentsvorbehalt in Betracht. In früheren Urteilen lag die Kompetenz für Entscheidungen im Bereich des Auswärtigen zumeist in der Hand der Exekutive.676 Um tatsächlich von einem Verfassungswandel ausgehen zu können, müsste die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch näher untersucht werden, was vorliegend nicht erfolgte. Im Weiteren hat das Gericht in BVerfGE 121, 135 und im Urteil vom 23. September 2015 (BVerfGE 140, 160) festgestellt, dass der Parlamentsvorbehalt im Zweifel parlamentsfreundlich auszulegen ist. Daraus ergibt 672  s. o.

Teil 2 A. I., B. I., C. I., D. I. C. I. 2. b) cc). 674  s. o. C. I. 2. b) cc). 675  s. o. Teil 2 A. II. 2. b) bb). 676  s. o. Teil 2 A. II. 4. b) cc). 673  s. o.



C. Verfassungswandel in der Praxis235

sich allerdings keine Kompetenzerweiterung für den Bundestag, es erwächst kein neues Ge- oder Verbot bzw. eine Erlaubnis. Folglich liegt darin kein Verfassungswandel. In BVerfGE 104, 151 definiert das Gericht eine ultra vires Grenze im Rahmen der Auslegung des Art. 59 II 1 GG. Darin liegt allerdings, wie auch kein Verfassungswandel der Ausgangslage der Norm, kein Wandel der Rechtsprechung des Gerichts. Dafür spricht ebenfalls, dass die ultra vires Grenze vom Gericht weitreichend zugunsten der Legislative ausgelegt wird.677 In BVerfGE 121, 135 wird schließlich der Einsatzbegriff des Parlamentsvorbehalts näher definiert und in BVerfGE 140, 160 bestätigt. Liegt hierin eine neue Verhaltensanforderung an Bundestag und Bundesregierung? Der Begriff blieb nach dem Urteil zu out-of-area-Einsätzen ohne nähere Konkretisierung. Es ist daher fraglich, ob das Gericht im Urteil von 2008 neue Kompetenzen geschaffen hat. Es könnte darin ein neues Ge- oder Verbot im Hinblick auf die Beteiligung des Bundestags vorliegen. Dessen grundsätz­ liche Beteiligung wird jedoch nicht in Frage gestellt oder neu definiert. Die Darlegung des Einsatzbegriffes beeinflusst zwar die Beteiligung des Bundestags und dessen Spielräume könnten sich durchaus verengt oder erweitert haben. Darin liegt allerdings kein neues Ge- oder Verbot. Aus der näheren Ausgestaltung des Begriffs des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte folgen keine neuen Rechtsfolgen im Hinblick auf den Bundestag, es bleibt bei dem Erfordernis seiner Zustimmung zu solchen Einsätzen. Daher erfolgte kein Verfassungswandel. Schließlich stellte das Gericht im Urteil vom 23. September 2015 (BVerfGE 140, 160) fest, dass die Bundesregierung nicht verpflichtet ist, den Bundestag nachträglich mit einer Entscheidung über einen Einsatz der Streitkräfte zu befassen, wenn jener bei Gefahr im Verzug angeordnet wurde und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer nachträglichen Befassung bereits beendet ist. Fraglich ist, ob darin eine Sinnänderung, d. h. eine Entwicklung des Verfassungsrechts liegt, in deren Folge neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse) an die Bundesregierung aus einem gleichbleibenden Text gestellt werden. Seit der frühesten Entscheidung des Gerichts wohnt dem Parlamentsvorbehalt die Kompetenz der Regierung zur Entscheidung über Einsätze bei Gefahr im Verzug inne. Damit einher geht die Notwendigkeit, den Bundestag anschließend damit zu befassen und die Streitkräfte gegebenenfalls zurückzurufen. Bis zum Jahre 2015 hatte das Gericht nicht über einen solchen Einsatz bei Gefahr im Verzug zu entscheiden. Nun stellte das Gericht fest, dass die Bundesregierung den Bundestag im speziellen Fall des bereits abgeschlossenen Einsatzes nicht befassen 677  s. o.

Teil 2 C. III. 2.

236

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

muss. Ergeben sich daraus neue Verhaltensanforderungen? An der Entscheidungsbefugnis über Einsätze bei Gefahr im Verzug ändert sich nichts, die Bundesregierung gewinnt oder verliert diesbezüglich keine neuen Kompetenzen. Die Pflicht zur Herbeiführung einer Entscheidung des Bundestags besteht nicht, wenn der Einsatz bereits beendet ist, dadurch könnte ein Gebot entfallen. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die Bundesregierung bislang den Bundestag in jedem Fall hätte befassen müssen. Dagegen spricht allerdings, dass eine solche Pflicht gerade bei Einsätzen bei Gefahr im Verzug, die bereits beendet sind, sinnlos ist und dementsprechend nicht von Anfang an Bestandteil des Parlamentsvorbehalts war. Eine inhaltliche Entscheidung des Bundestags ist ohnehin nicht mehr möglich. Folglich ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kein Gebot entfallen. Da­ rüber hinaus besteht nun eine Unterrichtungspflicht und damit möglicherweise ein neues Gebot. Dass der Bundestag über Einsätze der Bundeswehr zu informieren ist, ergibt sich jedoch seit jeher aus dem Sinn und Zweck des Parlamentsvorbehalts. Ohne Informationen kann das Parlament sein Beteiligungsrecht nicht hinreichend wahrnehmen. Die detaillierte Ausgestaltung dieser Informationspflicht in BVerfGE 140, 160 konkretisiert diese, enthält allerdings keine Änderung der Rechtsfolgen. Neue Spielräume für die Bundesregierung ergeben sich folglich nicht. Möglicherweise besteht ein Kompetenzverlust des Bundestags. Die Alleinentscheidung bei Gefahr im Verzug lag jedoch auch bislang bei der Bundesregierung. Diese muss dabei den Bundestag nicht vorher konsultieren, das Parlament kann Einsätze ohnehin nicht allein beschließen, d. h. es verfügt über kein Initiativrecht.678 Die Kontrolle der Entscheidung der Bundesregierung bleibt dem Bundestag erhalten, z. B. sind Anfragen möglich, dies hat gerade der Einsatz in Libyen gezeigt. Folglich liegt auch in der Entscheidung aus dem Jahr 2015 kein Verfassungswandel im Vergleich zu früheren Urteilen. Bezüglich des Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Bundeswehr änderte sich innerhalb der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nichts. Zu Art. 87a II GG finden sich nur in BVerfGE 90, 286 Ausführungen. Dementsprechend erfolgte kein Verfassungswandel von Urteil zu Urteil. 3. Fazit Die Darstellung zeigt insgesamt, dass nicht nur Anlass zur Berücksichtigung des Verfassungswandels im Themenkomplex Auslandseinsätze der Bundeswehr bestand, sondern dieser auch in den Urteilen des Bundesver678  BVerfGE

90, 286 (389); BVerfGE 121, 135 (154); BVerfGE 140, 160 (178 f.).



C. Verfassungswandel in der Praxis237

fassungsgerichts nachgewiesen werden kann. Dabei werden diejenigen Passagen mit bindender Wirkung berücksichtigt, d. h. Tenor und tragende Gründe (welche dem Verständnis des Tenors dienen). Bindende Wirkung entfalten demzufolge die Aussagen des Gerichts zu Art. 24 II, 59 II 1 GG und dem Parlamentsvorbehalt. In der Folge ließ sich ein Verfassungswandel durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts in Art. 24 II GG im Vergleich zur Ausgangslage der Norm nachzeichnen, ebenso wie im Fall des Parlamentsvorbehalts, der einen Verfassungswandel im Vergleich zur Ausgangslage und der Interpretation der Staatspraxis darstellt. Infolge der Darstellung können nun Rückschlüsse auf die diskutierten Abgrenzungsvorschläge bezüglich des Verfassungswandels gezogen werden. a) Gegenstand der Interpretation Zunächst ist fraglich, ob sich die Darstellung des vorliegenden Verfassungswandels in die Begrenzung des Verfassungswandels durch öffnende oder zu schließende Normen einfügen lässt.679 Da für Art. 24 II GG hinreichende Argumente gefunden werden können, um die Norm interpretativ zu öffnen, fügt sich dies – wenn auch nicht nahtlos – in die oben dargelegten Überlegungen ein. Auch wenn Art. 24 II GG keine sprachlich offene Norm ist, können solche doch grundsätzlich geöffnet werden.680 Es ergäbe sich demnach aus dem Grundgesetz lediglich nicht eindeutig, in welche Richtung die Interpretation zu erfolgen hat, in die Öffnung oder Schließung der Norm. Folglich müssen andere Argumente für die vorliegende Interpretation gefunden werden, wie dies im Rahmen der Urteile des Bundesverfassungsgerichts erfolgt ist.681 Die Diskussion, ob Art. 24 I GG eine Norm ist, die ihre Öffnung durch Verweisung, durch Anpassung des Normsinns und durch Öffnung für neue Wertungen erreicht, führte jedoch nicht weiter.682 Art. 59 II 1 GG wäre zu schließen, was vorliegend jedenfalls nicht erfolgt ist, allerdings betrifft der Verfassungswandel auch nicht ausschließlich diese Norm. Aus der Offenheit des Grundgesetzes ergeben sich demnach für den vorliegenden Verfassungswandel keine zwingenden Hinweise, jedoch Indizien. b) Normprogramm und Normbereich Hinsichtlich der näheren Eingrenzung des Verfassungswandels durch die Darstellung von Brun-Otto Bryde bezüglich Normbereich und Normpro679  Dazu

s. o. B. II. 3. a) aa). Verfassungsentwicklung, S. 272. 681  s. o. Teil 2 A. II. 1. 682  s. o. B. II. 3. a) aa). 680  Bryde,

238

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

gramm müsste festgestellt werden, inwieweit das Normprogramm den Normbereich bindet, d. h. ermittelt werden, ob die Normprogramme der Art. 24 II, 59 II 1 und 87a II GG die jeweiligen Normbereiche garantieren, indifferent behandeln oder ändern.683 Zunächst Art. 24 II GG: Garantiert das Normprogramm den Normbereich? Anders als z. B. Art. 3 GG verweist die Norm nicht offen auf äußere Umstände, eine Änderung scheint daher nicht gewollt. Ob der Normbereich jedoch garantiert oder indifferent behandelt werden soll, ist nur schwer feststellbar. Art. 59 II 1 und 87a II GG werden selbst nicht direkt gewandelt, insofern bedarf es hier auch keiner Feststellung bezüglich der Richtungsgebung des Normprogramms, da dies für den Verfassungswandel im Bereich der auswärtigen Gewalt nicht maßgeblich sein kann. Auch aus dem Parlamentsvorbehalt folgt kein Hinweis auf eine Bindung des Normbereichs. Nach der Darstellung von Konrad Hesse folgt aus den Kriterien von Normprogramm und Normbereich wiederum die Grenze des Wortlauts, die im Folgenden näher erörtert wird. c) Wortlaut Es lässt sich nunmehr fragen, ob vorliegend der Wortlaut des Grundgesetzes überschritten wurde. Nur selten wird bestritten, dass der Wortlaut des Art. 24 II GG dessen Qualifizierung als Rechtsgrundlage für militärische Einsätze der Bundeswehr im Ausland abdeckt.684 Insgesamt ließ sich nicht feststellen, dass diese Interpretation gegen den Wortlaut der Norm verstößt. Fraglich ist, ob das Gleiche für den Parlamentsvorbehalt gilt oder ob hier eine Änderung des Grundgesetzes nach Art. 79 GG hätte erfolgen müssen, indem der Wortlaut einer Norm des Grundgesetzes überschritten wurde. Ist der konstitutive Parlamentsvorbehalt vom Wortlaut des Grundgesetzes gedeckt? Es wird zumindest keine Regelung genannt, die dem konkret entgegensteht. Die tatsächliche Begründung des Vorbehalts ist jedoch umstritten.685 Ein Verstoß gegen den Wortlaut des Grundgesetzes wird allerdings auch nicht konstatiert. Der Parlamentsvorbehalt fügt sich in die bestehende Kompetenz­ ordnung der auswärtigen Gewalt ein. Auch hier sind die Grenzen des Art. 79 GG daher nicht überschritten. Damit lässt sich nun auch darlegen, ob vorliegend eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG hätte erfolgen müssen. Dies ist nach dem bislang Erörterten jedenfalls der Fall, wenn die Grenze des Wortlauts überschritten 683  s. o.

B. II. 3. a) bb). Teil 2 A. II. 1. b) und Teil 3 C. I. 1. b). 685  s. o. Teil 2 A. II. 4. c) bb). 684  s. o.



C. Verfassungswandel in der Praxis239

wurde. Der Wortlaut des Grundgesetzes blieb jedoch unberührt, folglich musste auch keine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG erfolgen. Insgesamt ist somit der vorliegende Verfassungswandel vom Wortlaut der Verfassung umfasst. d) Wechselwirkungen (funktionale Abgrenzung) In seiner Darstellung kommt Alexander Roßnagel zu dem Ergebnis, dass Verfassungswandel und Verfassungsänderung grundsätzlich zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden: Ein Verfassungswandel soll immer dann angewendet werden, wenn politische Maßnahmen der Legitimation bedürfen.686 Der Verfassungswandel stellt sich demzufolge als Möglichkeit dar, einzelne konkrete Entwicklungen einzufangen, dagegen ist die Verfassungsänderung auf die Zukunft gerichtet.687 Dies bestätigt auch die Betrachtung der vorliegend erfolgten Verfassungsänderungen im Bereich der Auslands­ einsätze der Bundeswehr: Diesbezüglich bestand die politische Notwendigkeit, sodass ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht durchaus als Legitimation von einzelnen politischen Maßnahmen betrachtet werden kann. Eine Verfassungsänderung, die auf die Regelung zukünftiger Arten von Einsätzen der Bundeswehr gerichtet ist, ist demgegenüber wohl nicht in Sicht.688 e) Legitimation Des Weiteren lassen sich die für die Legitimation des Verfassungswandels aufgestellten Kriterien anhand des vorliegenden Verfassungswandels erörtern. Die Legitimation des Verfassungswandels wird von Lothar Michael an fünf verschiedene Voraussetzungen gekoppelt: „[1.]  Liegt eine Konstellation dysfunktionaler Untätigkeit der verfassungsändernden Gewalt vor […] und wird die Bindung an gegebenenfalls bindende Verfassungsänderungen beachtet […]?“689

Wie gezeigt, beachtet das Bundesverfassungsgericht die im vorliegenden Themenkomplex erfolgten Verfassungsänderungen. Die Lösung der sich in der Praxis ergebenden Fragestellungen im Rahmen der Auslandseinsätze der 686  Roßnagel,

Der Staat 22 (1983), S. 551, 573. Der Staat 22 (1983), S. 551, 573. 688  Empfehlung der Verfassungsänderung zuletzt durch die Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte, vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Unterrichtung, BT-Drucks. 18/5000, S. 44 f. 689  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 687  Roßnagel,

240

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

Bundeswehr hat der verfassungsändernde Gesetzgeber allerdings bislang nicht selbst in die Hand genommen. Eine Änderung der Art. 87a II, 24 II GG ist nicht erfolgt, sodass nahezu alle rechtlichen Fragestellungen vor das Bundesverfassungsgericht gebracht wurden. Der verfassungsändernde Gesetzgeber ist jedoch rechtlich nicht gehindert, durch eine Änderung der Verfassung die Einsätze der Bundeswehr im Ausland neu zu ordnen. Für die Notwendigkeit einer Untätigkeit des verfassungsändernden Gesetzgebers spricht, dass die Kompetenzen desselben dadurch gewahrt werden könnten.690 Allerdings ist nicht stets klar, wann der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht handeln kann oder nicht handeln will und das Bundesverfassungsgericht so möglicherweise einen Verfassungswandel gegen seinen Willen ausführt. Des Weiteren erfolgt ein Verfassungswandel gerade nicht nur in Fällen, in denen die Verfassung als Alternative geändert werden könnte, sondern auch im Wege der Konkretisierung, sodass die Änderung von Geboten, Verboten und Erlaubnissen einer Norm eintreten kann, ohne dass als Alternative eine Verfassungsänderung diskutiert wird. Dies zeigt sich am Beispiel des Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage, da die Norm vom Gericht gewandelt wurde, eine Änderung im Wege des Art. 79 GG jedoch kaum diskutiert wurde bzw. notwendig ist. Umgekehrt bedeutet dies darüber hinaus, dass das Gericht nicht handeln soll, wenn eine Verfassungsänderung erfolgt ist, d. h. es ist an diese Änderungen gebunden. Eine Verfassungsänderung ist jedoch anschließend Teil des Grundgesetzes und damit grundsätzlich wiederum dem Verfassungswandel unterworfen. Unklar ist daher, ab welchem Zeitpunkt das Gericht eine erfolgte Verfassungsänderung wandeln kann, denn auch diese unterliegt letztlich der Dynamik der Verfassung. Somit ist eine explizite Untätigkeit des verfassungsändernden Gesetzgebers nicht erforderlich, ein Verfassungswandel gegen den Willen desselben andererseits auch nicht zulässig. Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an Verfassungsänderungen folgt bereits aus der Bindung des Gerichts an das Grundgesetz. Wird der Verfassungswandel zugelassen, ist es daher konsequent, diesen auch für erfolgte Verfassungsänderungen nicht auszuschließen. Dass das Gericht den Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers nicht unterlaufen soll, kann dadurch erreicht werden, dass der Verfassungswandel an den Wortlaut der Norm gebunden bleibt. Eine dysfunktionale Untätigkeit der verfassungsändernden Gewalt ist damit nicht erforderlich, das Bundesverfassungsgericht bleibt im Rahmen der dargelegten Grenzen an die erfolgten Verfassungsänderungen gebunden. „[2.] Handelt es sich um wandlungsfähiges Recht […] und führt die Begründung das Ergebnis plausibel auf den Verfassungstext […] und auf allgemeine Prinzipien zurück […]?“691 690  Michael, 691  Michael,

RW 5 (2014), S. 426, 456 f. RW 5 (2014), S. 426, 479.



C. Verfassungswandel in der Praxis241

Unter wandlungsfähiges Recht werden hier die offenen Normen des Grundgesetzes gefasst, vor allem Grundrechte, Minderheitenrechte, Schutzpflichten, aber auch Parlamentsrechte.692 Wie gezeigt, lässt sich Art. 24 II GG zu den offenen Normen des Grundgesetzes zählen, jedenfalls nicht ausschließlich zu den zu schließenden.693 Nach dieser Darstellung zählt Art. 59 II 1 GG ebenfalls zu den offenen Normen, wohl auch die auswärtige Gewalt, sodass der Parlamentsvorbehalt auf wandlungsfähigem Recht gründet.694 Die vorliegend dargestellte Interpretation der Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG ist auf den Text des Grundgesetzes zurückzuführen, der Wortlaut ist nicht verletzt.695 Er müsste des Weiteren auf allgemeinen Prinzipien basieren. Die Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Bundeswehr hängt mit dem Rechtsstaatsprinzip zusammen, da eine Grundlage für Handlungen des Staates nötig ist und der Parlamentsvorbehalt basiert auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Das Bundesverfassungsgericht selbst spricht nicht vom Verfassungswandel und führt in der Begründung beider Fälle keine allgemeinen Prinzipien an, geht jedoch davon aus, dass sich das angeführte Ergebnis aus dem Text der Verfassung ergibt.696 Gegen das Erfordernis des wandlungsfähigen Rechts spricht, dass eine Abgrenzung desselben von nicht-wandlungsfähigem Recht nur schwer möglich scheint. Auch eine Unterscheidung zwischen interpretatorisch zu öffnenden und zu schließenden Normen führte, in der vorliegenden Untersuchung, zu keinem Ergebnis.697 Aus dem Grundgesetz selbst ließen sich kaum Hinweise auf die mögliche Wandlung einzelner Normen ziehen. Daher bleibt wiederum lediglich die Grenze des Wortlauts, die ein Verfassungswandel nicht überschreiten soll.698 Dass ein Verfassungswandel nur bei wandlungsfähigem Recht möglich ist, ist daher nicht erforderlich. Da der Wortlaut nicht verletzt werden soll, ist jedoch eine Begründung anhand des Verfassungstextes zu fordern. Fraglich ist, ob eine Rückführung auf allgemeine Prinzipien notwendig ist. Dadurch soll die „normative Kontinuität“699 des Verfassungswandels gesichert werden. Daraus allein lässt sich jedoch noch nicht begründen, warum der Verfassungswandel auf Prinzipien beruhen soll. Es wird ebenfalls nicht deutlich, auf welche Prinzipien ein Verfas692  Michael,

RW 5 (2014), S. 426, 450 ff. B. II. 3. a) aa). 694  Nach den Kriterien von Bryde ergab sich dies nicht, der Parlamentsvorbehalt konnte nicht zwangsläufig auf zu öffnende Normen des Grundgesetzes zurückgeführt werden. s. o. B. II. 3. a) aa). 695  s. o. C. I. 1., 2. 696  s. o. C. I. 1., 2. 697  s. o. B. II. 3. a) aa). 698  Kritisch z. B. Bryde, Verfassungsentwicklung, S.  268 f. 699  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 463. 693  s. o.

242

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

sungswandel zurückzuführen sein muss. Demzufolge ist dieses Kriterium verzichtbar. „[3.] Legt die Begründung den Verfassungswandel und seinen Anlass […] offen und berücksichtigt sie hinreichend die historischen Ursprünge, die eigene Rechtsprechung des BVerfG und die Rechtsprechung Europäischer Verfassungsgerichte […]?“700

In der Begründung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts fehlt es an Hinweisen auf einen Verfassungswandel. Die geschichtlichen Zusammenhänge werden zwar dargelegt (so erfolgen die Begründungen des Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze und des Parlamentsvorbehalts vor allem historisch),701 eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der möglichen Änderung eigener Rechtsprechung oder der Ausgangslage der Normen findet allerdings nicht statt.702 Vorliegend kam es jedoch nicht zu der Wandlung eigener Rechtsprechung, da das Gericht die vorgelegten Fragen erstmals beantwortete. Die Offenlegung des Anlasses des Verfassungswandels ist zwar begrüßenswert, allerdings vom Bundesverfassungsgericht aufgrund der Vielzahl der möglichen Ausgangspunkte (politische, soziale, technische, etc. Veränderung), kaum umfassend zu leisten. Da im Hinblick auf den Verfassungswandel nicht nur Dynamik, sondern auch Stabilität eine Rolle spielt, ist es jedoch sinnvoll, dass das Gericht sich mit seiner eigenen Rechtsprechung auseinandersetzt. Insbesondere, da diese gleichsam gewandelt werden kann. „[4.] Führt die Gesamtbilanz der gewandelten Verfassung zu einer übermäßigen Verengung gesetzgeberischer Spielräume […]?“703

Der Verfassungswandel durch den Parlamentsvorbehalt führte zwar dazu, dass der Gesetzgeber tätig werden musste und das ParlBG verabschiedete, daraus ergibt sich allerdings keine übermäßige Verengung der Spielräume des Bundestags, im Gegenteil, das Parlament bleibt so an der Entscheidung über Auslandseinsätze beteiligt und kann durch die Gesetzgebung weitere Maßstäbe festlegen. Auch der Verfassungswandel des Art. 24 II GG schränkt den Gesetzgeber nicht ein. Da das Bundesverfassungsgericht die Kompetenzen des Gesetzgebers ohnehin nicht einschränken darf, ist dieses Erfordernis zu berücksichtigen. „[5.] Wird das Verfahren dem Diskursbedürfnis für einen Verfassungswandel gerecht […] und überdehnt das BVerfG nicht die Akzeptanzfähigkeit seiner dynamischen Rechtsprechung […]?“704 700  Michael,

RW 5 (2014), S. 426, 479. 90, 286 (345 ff., 382 ff.). 702  BVerfGE 90, 286 (350 f., 388 ff.). 703  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 704  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 701  BVerfGE



C. Verfassungswandel in der Praxis243

Die Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht beschränkte nicht den öffentlichen Diskurs über Einsätze der Bundeswehr im Ausland, sondern führte die Problematik zu einer Lösung, die für alle Beteiligten akzeptabel war.705 Die Urteile des Gerichts wurden erörtert und auch wenn die fehlende Auseinandersetzung des Bundesverfassungsgerichts selbst mit dem Verfassungswandel die Akzeptanz der Entscheidungen beeinträchtigt, überwiegt der Zuspruch für die Lösungen des Gerichts.706 Beide Kriterien führen auf die allgemeine Legitimation verfassungsgerichtlicher Entscheidungen zurück und sind daher für den Verfassungswandel im gleichen Maß relevant. Die Feststellung der Akzeptanz der eigenen Rechtsprechung ist jedoch vom Gericht nicht zwangsläufig zu erwarten. Für den Verfassungswandel ergeben sich somit weitere Grenzen: Die Wahrung der Grenzen der Verfassungsänderung und des Wortlauts, die Auseinandersetzung mit der eigenen Rechtsprechung, kein Eingreifen in die Kompetenz des Gesetzgebers sowie die Wahrung der Diskursbedürftigkeit des Verfassungswandels und der Akzeptanz der Rechtsprechung. Insoweit bestehen weitere Anforderungen neben der Grenze des Wortlauts und der Verfassungswandel kann anhand dieser Kriterien näher begrenzt werden. f) Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation In Bezug auf die Abgrenzung von Interpretation und Verfassungswandel lässt sich schließlich noch einmal fragen, ob der dargestellte Verfassungswandel in Art. 24 II GG und dem Parlamentsvorbehalt nach den genannten Kriterien von der Interpretation zu unterscheiden ist.707 Der Parlamentsvorbehalt kann jedoch als Rechtsfortbildung klassifiziert werden,708 die nach Böckenförde vom Verfassungswandel „unterscheidbar und zu unterschei­ den“709 ist. Folglich läge darin kein Verfassungswandel, obwohl eine Veränderung dargelegt werden konnte. Im Bereich des Art. 24 II GG liegt keine Rechtsfortbildung vor. Jedoch lässt sich hier zumindest von einer Weiterentwicklung der von der Norm erfassten Sachverhalte sprechen, was grundsätz705  Bähr, MDR 1994, S. 882; Glawe, Organkompetenzen, S. 124; Lerche, Stil und Methode, in: Badura/Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, S. 333, 338; Schmidt-Radefeldt, Streitkräfteintegration, S. 152; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 547. 706  Lerche, Stil und Methode, in: Badura/Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, S. 333, 338. 707  s. o. B. II. 2. b). 708  s. o. B. II. 2. b) bb). 709  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 150.

244

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

lich ebenfalls vom Verfassungswandel abzugrenzen wäre.710 Darüber hinaus lassen sich die Begriffe des Art. 24 II GG ebenfalls als Schleusenbegriffe verstehen, deren Auslegung ebenso nicht vom Begriff des Verfassungswandels umfasst wäre.711 Demzufolge wäre vorliegend kein Verfassungswandel nachzuweisen. Dadurch zeigt sich, wie bereits dargelegt, dass die vorgenommene veränderte Interpretation infolge dieser Definition nicht als Verfassungswandel einzuordnen wäre und dies den Begriff des Verfassungswandels derart verengt, dass kaum ein Anwendungsbereich verbliebe.

II. Potentieller Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht Schließlich soll nun näher beleuchtet werden, wie es sich mit einem Verfassungswandel innerhalb der Fragen bezüglich Auslandseinsätzen der Streitkräfte verhält, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen nicht beantwortete. Dabei lässt sich, wie gezeigt, zwar nicht verlässlich ein Verfassungswandel durch andere Akteure als den des Bundesverfassungsgerichts darstellen, jedoch die Frage aufwerfen, ob eine Veränderung des Sinns der Normen, d. h. ihrer Rechtsfolgen, durch den Verfassungswandel möglich ist und zur Lösung der aufgetretenen Fragestellungen beitragen kann. Eingangs ließ das Gericht im Urteil BVerfGE 90, 286 die Frage unbeantwortet, ob Art. 87a I GG oder Art. 87a II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze herangezogen werden sollte.712 Das Bundesverfassungsgericht entschied ebenfalls nicht, ob es Art. 87a II GG als Regelung für den Einsatz im In- und Ausland versteht oder nicht.713 Ebenso äußerte es sich nicht zur Definition des Einsatzbegriffes innerhalb des Art. 87a II GG (allerdings zu dem im Rahmen des Parlamentsvorbehalts).714 Auch die Frage nach dem Umfang der Verteidigung aus Art. 87a II GG wurde nicht beantwortet.715 710  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 145. 711  Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 149. 712  Siehe zu Fragen des Art. 87a GG oben Teil 2 A. II. 2. 713  BVerfGE 90, 286 (355). 714  BVerfGE 90, 286 (355); Baldus, Art. 87a GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rn. 37; Grzeszick, Art. 87a GG, in: Friauf/Höfling, GG, Rn. 20 f. Für einen ausführlichen Überblick zum Streitstand vgl. Bähr, Einsatz der Bundeswehr, S.  121 ff.; Fiebig, Bundeswehr im Innern, S. 106  ff.; Sigloch, Auslandseinsätze, S.  47 ff. 715  BVerfGE 90, 286 (355).



C. Verfassungswandel in der Praxis245

Dabei wird vor allem diskutiert, welche Angriffsart und welche Angreifer erfasst werden, was als Objekt der Verteidigung gilt, wo der Ort der Verteidigung liegt und ab welchem Zeitpunkt Verteidigung zulässig ist. Ebenfalls offen blieb bislang, ob Nothilfe durch deutsche Streitkräfte zulässig ist und ob die Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland erlaubt ist oder nicht. Zur Frage, ob die Bundeswehr bewaffnete Einsätze im Ausland ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats durchführen darf, nahm das Gericht bislang gleichfalls nicht explizit Stellung. Grundsätzlich bleiben damit vor allem Fragen zu Art. 87a II GG offen. Da das Gericht sich dazu nicht festlegte, kann hier auch keine bindende Wirkung gemäß § 31 I BVerfGG eintreten. Zunächst wird im Folgenden dargestellt, welcher Ausgangspunkt für einen Verfassungswandel herangezogen werden kann und danach erörtert, ob ein solcher möglich und sinnvoll ist. 1. Ausgangspunkte des Verfassungswandels Die durch das Bundesverfassungsgericht nicht entschiedenen rechtlichen Fragestellungen wurden zuvor ausführlich dargestellt.716 Insgesamt ist somit Art. 87a II GG hinsichtlich eines Verfassungswandels in den Blick zu nehmen. Um sich der Lösung der Frage zu nähern, ob ein Verfassungswandel im Rahmen des Art. 87a II GG durch Interpretation möglich ist, sind zunächst die Ausgangspunkte der Norm für einen Verfassungswandel eingehender zu betrachten. Der historische Ursprung der Norm wurde bereits dargestellt.717 Bezüglich des Art. 87a II GG gilt (wie hinsichtlich der anderen betrachteten Normen), dass die Literatur äußerst umfassend ist und viele Aspekte seit Entstehung der Norm in hohem Maße umstritten sind. Aufgrund dessen kann in diesem Bereich kaum verlässlich ein Verfassungswandel aufgezeigt werden. Möglicherweise können jedoch die Handlungen der Staatspraxis berücksichtigt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass eine Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland zulässig ist (dies verdeutlichen die Operation „Libelle“ und der Einsatz in Libyen) und der Einsatz im Kosovo zeigt, dass dies nach ihrer Ansicht ebenfalls für einen Einsatz ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gilt.718 Ein Verfassungswandel im Vergleich zur historischen Ausgangslage scheint daher nahe liegend. Die Betrachtung der Staatspraxis führt jedoch bezüglich der vorliegenden Fragen zu keinen weitergehenden Erkenntnissen als die Darstellung 716  s. o.

Teil 2 und Teil 3 C. I. 2. a). Teil 2 A. II. 2. a) und Teil 3 C. I. 2. b) bb). 718  s. o. Teil 1 A., Teil 2 A. II. 2. b) cc) (2) (d), B. II. 4. 717  s. o.

246

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

eines Verfassungswandels durch Interpretation, aufgrund dessen wird darauf verzichtet. Das ParlBG kann nicht für die Begründung eines Verfassungswandels in Anspruch genommen werden, ebenso wenig wie ein Wandel früherer Urteile des Gerichts, da jenes zu Art. 87a II GG bislang keine Stellung nahm. Somit verbleibt der historische Ursprung der Norm als Ausgangspunkt für einen möglichen Verfassungswandel durch Interpretation. 2. Potentieller Verfassungswandel Die Problematik lässt sich nun eingrenzen auf die Frage, ob die im Rahmen der Urteile des Bundesverfassungsgerichts offen gebliebenen Fragestellungen womöglich durch einen Verfassungswandel gelöst werden können. a) Art. 87a I GG oder Art. 87a II GG als Rechtsgrundlage? Zunächst stellte sich im Hinblick auf Art. 87a GG die Frage, ob innerhalb der Norm Absatz 1 oder Absatz 2 als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann.719 Die historische Ausgangslage ist umstritten. Unterstellt, es war nur Absatz 1 als Rechtsgrundlage vorgesehen, ist zu diskutieren, ob bei einer Anwendung des Absatzes 2 die Grenzen den Verfassungswandels erreicht sind. Der Wortlaut stünde dem nicht entgegen. In der Heranziehung des Art. 87a II GG als Rechtsgrundlage läge eine neue Auslegung. Doch ändert sich dadurch der Sinn der Norm? Entstehen neue Ge-, Verbote oder Erlaubnisse, d. h. andere Verhaltensanforderungen? Es entstünde eine neue Erlaubnis durch eine andere Rechtsgrundlage, da nun die Anforderungen von Absatz 2 statt Absatz 1 erfüllt werden müssten. Insofern erfolgt eine Entwicklung. Des Weiteren ist zu fragen, ob die Verfassung dazu gemäß Art. 79 I GG geändert werden müsste. Es läge jedenfalls keine materielle Verfassungsdurchbrechung vor. Fraglich ist jedoch, ob der Wortlaut der Norm verletzt wird. Wenn Absatz 1 als Rechtsgrundlage intendiert war, würde dieser durch einen Wechsel zu Absatz 2 zu einer leeren Hülle. Darin läge eine Änderung entsprechend des Art. 79 I GG und ein Verfassungswandel würde dadurch ausgeschlossen.720 Die Diskussion verlagert sich somit auf die Frage, ob historisch Absatz 1 oder Absatz 2 als Rechtsgrundlage geschaffen wurde. Ein Verfassungswandel könnte dies nicht auflösen. Daher ist diesbezüglich ein solcher nicht möglich und könnte nicht zur Lösung der Fragestellung herangezogen werden. 719  Dazu 720  s. o.

ausführlich oben Teil 2 A. II. 2. b) aa). B. II. 1., 2.



C. Verfassungswandel in der Praxis247

b) Art. 87a  II GG als Regelung für den Einsatz im In- und Ausland? Des Weiteren blieb fraglich, ob von Art. 87a II GG nur Einsätze im Inland oder auch im Ausland umfasst sind.721 Die historische Ausgangslage ist nicht unumstritten. Wenn hier wiederum unterstellt wird, dass nur eine Anwendung auf Einsätze im Inland vorgesehen war, ist ebenfalls fraglich, ob ein Verfassungswandel hin zur Erstreckung auch auf Einsätze im Ausland möglich wäre. Vom Wortlaut der Norm wäre diese Möglichkeit umfasst, ein solches Verständnis ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Könnte diese Änderung als Verfassungswandel qualifiziert werden? Durch eine Erweiterung auf Einsätze im Ausland entwickelte sich die Norm fort, es entstünde eine neue Erlaubnis mittels einer anderen Konkretisierung. Für einen solchen Verfassungswandel sprechen die im Rahmen der Diskussion um Art. 87a II GG angeführten Gründe, z. B. die andernfalls große Diskrepanz zwischen den Voraussetzungen von Einsätzen im Inland und solchen im Ausland. Es dürfte jedoch wiederum keine Änderung gemäß Art. 79 I GG vorliegen. Der Wortlaut der Norm würde jedoch nicht verletzt. Des Weiteren konnte kaum eine gegenseitige Beeinflussung zwischen Verfassungsänderung und Verfassungswandel festgestellt werden. Nach Alexander Roßnagel722 lässt sich jedoch auf einen Verfassungswandel zurückgreifen, wenn politische Maßnahmen legitimiert werden sollen, vorliegend kommen dafür die politisch erwünschten Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte im Ausland in Betracht. Da die Aufgabenerweiterung der Bundeswehr seit längerem diskutiert wird, jedoch ohne das Resultat einer Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG, könnte der Verfassungswandel diese Entwicklung einfangen. Er ist diesbezüglich praktikabler und flexibler und somit besser geeignet die Diskussion zu beenden. Indessen ergibt sich nun das Problem, dass Art. 87a II GG grundsätzlich zu den zu schließenden Normen des Grundgesetzes gehören soll und dementsprechend nicht darauf ausgelegt ist, eine Änderung des Normsinns in Form des Verfassungswandels zu erfahren.723 Dies ist allerdings nicht zwingend. Die Untersuchung hat gezeigt, dass diese Vorgabe nicht schematisch für den Verfassungswandel nutzbar gemacht werden kann. Gerade Art. 87a II GG belegt, welche weitreichenden Fragestellungen sich auch im Bereich der Verfahrens- und Kompetenznormen ergeben können. Eine restriktive Auslegung ist daher nicht von vorneherein sinnvoll. Andererseits könnte aufgrund der Bedeutung der Thematik gerade im Fall des Art. 87a II GG verlangt werden, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber tätig wird. Falls diesem 721  s. o.

Teil 2 A. II. 2. b) aa). Der Staat 22 (1983), S. 551, 573. 723  s. o. B. II. 3. a) aa). 722  Roßnagel,

248

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

eine Entscheidung nicht möglich ist, wird dadurch die Möglichkeit eines Verfassungswandels dennoch nicht ausgeschlossen724. Durch einen solchen wird eine potentielle Verfassungsänderung nicht beeinträchtigt. Das letzte Wort verbleibt stets beim verfassungsändernden Gesetzgeber. Nach der Einschätzung, Art. 87a II GG sei restriktiv auszulegen, ist ein Verfassungswandel nur eingeschränkt zulässig und kann daher vorliegend zur Lösung der Probleme kaum beitragen. Wird dieses Kriterium jedoch nicht als zwingend verstanden, könnte ein Verfassungswandel erfolgen, der seinen Nutzen zur Lösung der aufgeworfenen Frage hat und besonders im Hinblick auf die umstrittene Lage des Art. 87a II GG praktikabler erscheint als eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG. Ob ein Verfassungswandel allerdings tatsächlich erfolgen sollte, lässt sich auf diesem Weg nicht feststellen. Dass dies nicht der Fall sein soll, ergibt sich aus dem Hinweis, dass die Norm grundsätzlich zu schließen ist, wird dem nicht gefolgt, gilt allerdings nicht automatisch das Gegenteil. Es zeigt sich lediglich, dass ein Verfassungswandel im Wege der Interpretation möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht könnte einen solchen Verfassungswandel umsetzen, in diesem Fall ließen sich zu dessen Legitimation die oben angeführten Kriterien anwenden.725 Der mögliche Verfassungswandel lässt sich auf den Text des Grundgesetzes zurückführen und verletzt, wie gezeigt, nicht den Wortlaut des Art. 87a II GG. Daneben müsste das Bundesverfassungsgericht Begründung und Anlass des Verfassungswandels offen legen sowie die historischen Ursprünge berücksichtigen. Vorliegend kann die faktische Entwicklung der Auslandseinsätze und das Aufkommen neuer verfassungsrechtlicher Fragestellungen für einen Verfassungswandel angebracht werden, entgegenstehende historische Entwicklungen lassen sich dagegen kaum feststellen. Darüber hinaus dürften sich jedoch die Spielräume des Gesetzgebers nicht übermäßig verengen. Durch die Heranziehung des Art. 87a II GG werden die Möglichkeiten der Gesetzgebung nicht beeinträchtigt, des Weiteren ist auch hier der Parlamentsvorbehalt zu berücksichtigen, sodass insgesamt die Entscheidungsspielräume der Gesetzgebung kaum verengt werden, jedenfalls aber nicht übermäßig. Nach Anwendung der von Lothar Michael vorgebrachten Kriterien wäre ein Verfassungswandel daher in der vorliegenden Form durch das Bundesverfassungsgericht legitimiert. Aufgrund dessen könnte ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen und so zur Lösung der Fragestellung beitragen, der Verfassungswandel selbst gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, ob dies auch erforderlich ist. 724  s. o.

B. II. 1., 3. d). RW 5 (2014), S. 426, 479. s. o. B. II. 3. d) aa) (3), vor allem C. I.

725  Michael,

3. e).



C. Verfassungswandel in der Praxis249

c) Einsatz zur Verteidigung Ferner ist der Begriff des Einsatzes umstritten.726 Diesbezüglich kann der Wortlaut des Art. 87a II GG kaum verletzt werden, da lediglich der Begriff selbst verwendet wird und damit letztlich keine Grenzen aufweist. Eine Erweiterung oder Verengung des Begriffs durch den Verfassungswandel kommt daher in Betracht, solange die Grenze zur Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG nicht überschritten wird. Der Begriff des Einsatzes wird detailliert diskutiert und für eine Weiterentwicklung lassen sich verschiedene Gründe anführen. Auch hier könnte allerdings Zurückhaltung geboten sein, da die Regelung zu den zu schließenden Normen des Grundgesetzes gehören soll.727 Andererseits ist eine Verfassungsänderung kaum in Sicht, sodass ein Verfassungswandel geeigneter scheint. Das Gleiche gilt für den Begriff der Verteidigung728 aus Art. 87a II GG. Ob ein Verfassungswandel möglich ist oder nicht, gibt allerdings z. B. keine Auskunft über die Fragen, gegen welche Angreifer die Verteidigung erfolgen darf und wo der Ort der Verteidigung ist. Dementsprechend trägt die bloße Möglichkeit eines Verfassungswandels kaum zu inhaltlichen Lösungen bei, er kann lediglich zur Überprüfung einzelner Standpunkte herangezogen werden, indem der jeweilige Vorschlag als zulässiger oder unzulässiger Verfassungswandel qualifiziert werden kann. Für die Begriffe des Einsatzes und der Verteidigung lässt sich daher festhalten, dass ein Verfassungswandel möglich scheint, aber die Grenzen der Verfassungsänderung zu beachten sind und womöglich die interpretatorische Schließung der Norm. Eine restriktive Handhabung der Norm führt zu dem Ergebnis, dass ein Verfassungswandel kaum möglich ist, angesichts der weitreichenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen innerhalb der Norm scheint dies jedoch kaum die zu favorisierende Lösung. Auch hier könnte eventuell ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen. Dazu wäre gleichsam eine Begründung des Gerichts erforderlich, die sich auf die historische Entwicklung stützen könnte. Es kann ebenfalls keine übermäßige Verengung der gesetzgeberischen Spielräume festgestellt werden, zwar würden sich die Voraussetzungen weiterentwickeln, eine unzulässige Einengung des Gesetzgebers läge darin allerdings nicht. Folglich kommt auch hier ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht, daraus ergäbe sich jedoch keine handhabbare Lösung für die dargestellten Fragen. 726  Siehe

zu Fragen des Begriffs des Einsatzes oben Teil 2 A. II. 2. b) bb). b). 728  Siehe zu Fragen des Begriffs der Verteidigung oben Teil 2 A. II. 2. b) cc). 727  s. o.

250

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

d) Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland und Einsatz ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Des Weiteren ist die Zulässigkeit der Rettung deutscher Staatsangehöriger aus dem Ausland umstritten.729 Unterstellt, der Begriff der Verteidigung umfasste ursprünglich nicht die Rettung deutscher Staatsangehöriger aus dem Ausland, lässt sich nach der Möglichkeit eines Verfassungswandels fragen. Der Wortlaut schließt dies nicht aus. Änderte sich dadurch der Sinn der Norm? Die Möglichkeit, deutsche Staatsangehörige auf Grundlage des Art. 87a II GG zu evakuieren, bedeutet eine neue Erlaubnis und die Erweiterung der inhaltlichen Vorgaben der Norm. Somit läge ein Verfassungswandel vor. Die Norm dürfte sich jedoch nicht entsprechend des Art. 79 I GG ändern. Der Wortlaut ist allerdings nicht verletzt. Insofern scheint hier der Verfassungswandel möglich, vorausgesetzt, dass die Norm nicht restriktiv ausgelegt werden soll. Dabei würde die Möglichkeit des Verfassungswandels das Problem in Richtung eines erweiterten Verständnisses des Art. 87a II GG lösen, indem die Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland ermöglicht wird. Dies scheint praktikabler als eine Verfassungsänderung und ist ebenfalls durch die politischen Realitäten indiziert. Folglich könnte ein Verfassungswandel durchaus zur Lösung der Diskussion beitragen. Wiederum ist allerdings festzuhalten, dass sich aus der Möglichkeit zum Verfassungswandel selbst nicht ablesen lässt, ob ein solcher auch erfolgen soll. Das Gleiche gilt für das Problem eines Einsatzes deutscher Streitkräfte ohne Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Schließlich ist fraglich, ob ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen könnte. Das Gericht müsste einen Verfassungswandel wiederum deutlich machen und begründen. Dabei spricht die historische Entwicklung eher für einen solchen Wandel, da die Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten gerade vorangetrieben wurde. Eine Verengung der gesetzgeberischen Spielräume findet gleichfalls nicht statt. Somit stünde der Weg eines Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht offen und dieser könnte vorliegend zur Lösung der noch nicht entschiedenen Fragestellungen beitragen. e) Verhältnis von Art. 24  II GG und Art. 87a  II GG? Schließlich ist das Verhältnis von Art. 24 II GG zu Art. 87a II GG in den Blick zu nehmen.730 Das Gericht legte sich allein darauf fest, dass 729  s. o.

Teil 2 A. II. 2. b) cc) (2) (d) und E. II. Verhältnis von Art. 24 II GG zu Art. 87a II GG oben Teil 2 A. II. 3.

730  Zum



D. Fazit251

Art. 87a II GG der Anwendung des Art. 24 II GG nicht entgegen steht. Zur Lösung der Frage nach der Qualifikation des Verhältnisses im Einzelfall kann der Verfassungswandel allerdings auch hier kaum etwas beitragen. Fraglich ist letztlich, ob dieser durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen könnte. Die historische Entwicklung verlangt geradezu nach einer Lösung für die Frage des Verhältnisses der beiden Normen, wodurch dementsprechend ein Verfassungswandel entstehen könnte. Dadurch würden auch keine gesetzgeberischen Spielräume eingeschränkt. Insgesamt käme ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht, kann dabei jedoch keine konkrete Lösung für das Verhältnis von Art. 24 II GG und Art. 87a II GG eröffnen.

D. Fazit – Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht Den Ausgangspunkt der Darstellung bildeten Hinweise auf einen Verfassungswandel im Bereich der Normen des Grundgesetzes, welche Auslands­ einsätze der Streitkräfte regeln. Es stellte sich die Frage, ob ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht zulässig ist, da durch dessen letztverbindliche Interpretation möglicherweise Art. 79 GG umgangen werden könnte. In der Folge wurden zunächst die Grenzen des Verfassungswandels detaillierter beleuchtet und im Anschluss ein erfolgter Verfassungswandel nachgezeichnet sowie ein potentieller Verfassungswandel für die bislang durch das Bundesverfassungsgericht nicht entschiedenen Fragen erörtert. Schließlich sollen nun aus der obigen Darstellung Folgerungen gezogen werden im Hinblick auf die übergreifende Frage, was sich aus der Anwendung des Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht für diesen ergibt. Dabei sind die Ansprüche an den Verfassungswandel hoch, dieser sieht sich jedenfalls zahlreicher Kritik ausgesetzt:731 „[Es] drängt sich die Frage auf, ob eine eigenständige Lehre vom Verfassungswandel, die über die Verknüpfung bestehender Spezialdiskurse hinausgeht, überhaupt existiert und worin ihr spezifischer Nutzen liegen könnte.“732

731  Z. B. Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: Depenheuer/Heintzen/ Jestaedt, et al., FS Isensee, S. 183, 196 f.; Michael, RW 5 (2014), S. 426, 428 f.; Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450. 732  Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450, 451.

252

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

I. Definition Grundsätzlich konnte mithilfe der Ausführungen zu Art. 24 II GG und dem Parlamentsvorbehalt zunächst dargelegt werden, dass sich der Verfassungswandel nach der hier zugrunde gelegten Definition als „Veränderungen im Sinn der Verfassung, die nicht Verfassungsänderung sind“733 in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts nachzeichnen lässt. Das uneinheitliche Verständnis des Verfassungswandels erschwerte dabei jedoch die Anwendung desselben. Vor der Inanspruchnahme des Verfassungswandels steht die Hürde der Festlegung auf eine bestimmte Begrifflichkeit.734 Je nach Verständnis des Verfassungswandels ist dieser enger oder weiter gefasst und seine Anwendung resultiert in unterschiedlichen Ergebnissen. Entweder der Begriff des Verfassungswandels wird stark begrenzt und geht in der Interpretation auf oder der Begriff wird weiter verstanden und Veränderungen im Wege der Interpretation als Verfassungswandel eingeordnet. So könnte auch der vorliegend festgestellte Verfassungswandel nach einer engen Definition des Verfassungswandels nicht als solcher zu begreifen sein. Es ist demnach sinnvoll, den Verfassungswandel nicht gänzlich in der Interpretation untergehen zu lassen.735 Es ergibt sich allerdings die Frage, ob der Aufwand der Darstellung überhaupt in ausgewogenem Verhältnis zum Ertrag steht. Wie gezeigt, ist ein nicht unerheblicher Begründungsaufwand nötig, um einen Verfassungswandel nachzuzeichnen. Dies liegt vor allem an der zuvor erforderlichen Klärung des Begriffs. Folglich kann der Mehrwert, den Begriff beizubehalten, durchaus bezweifelt werden (wenn zumeist auch das Gegenteil vertreten wird)736. Ob sich dennoch ein Nutzen des Verfassungswandels ergibt, wird im Folgenden erörtert. Die zugrunde gelegte Definition des Verfassungswandels umfasst eine Entwicklung des Verfassungsrechts, in deren Folge neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse, d. h. Kompetenzen, Verfahren und inhaltliche Maßgaben) an den Normadressaten aus einem gleichbleibenden Text herangetragen werden und damit die Vergrößerung oder Verkleinerung der von der Verfassung gestellten Spielräume einhergeht. Unter dieser De733  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 22. B. I., II. 735  s. u. 3. 736  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 14; Hesse, Grenzen, in: Ehmke, FS Scheuner, S. 123; Michael, RW 5 (2014), S. 426; Peters, Theorie, S.  476 f.; Schenke, AöR 103 (1978), S. 566, 585; Walter, AöR 125 (2000), S. 517, 524; Wolff, Verfassungsrecht, S. 98; Würtenberger, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287. Kritisch vor allem Voßkuhle, Der Staat 43 (2004), S. 450. 734  s. o.



D. Fazit253

finition ließen sich die zugrunde liegenden Entwicklungen subsumieren. Demnach sollte diese Definition vermehrt in den Vordergrund gestellt werden, um die Anwendung des Verfassungswandels zu ermöglichen, da hierdurch vorliegend ein solcher aufgezeigt werden konnte.

II. Verfassungswandel und Bundesverfassungsgericht Es ließ sich feststellen, dass das Bundesverfassungsgericht in den dargelegten Urteilen keineswegs von einem Verfassungswandel spricht, einen solchen jedenfalls nicht thematisiert, sondern schlicht die Verfassung wandelt. Dabei bestand keine offen dargestellte Zielsetzung des Gerichts, einen Verfassungswandel durchzuführen. Das Gericht begründete Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage und den Parlamentsvorbehalt vor allem historisch und berücksichtigte dabei Ansichten der Literatur. Der Verfassungswandel ließ sich einerseits als Hilfsmittel zur Untersuchung der Entwicklung der Rechtsprechung im vorliegenden Themenkomplex verwenden.737 Die Diskussion der Veränderung und Entwicklung von Normen erforderte eine detailliertere Darstellung der Urteile. Die Auseinandersetzung mit dem Verfassungswandel zwingt darüber hinaus zur Vergewisserung der Bindungswirkung der Urteile und weitergehend der grundsätzlichen Rolle des Bundesverfassungsgerichts. Es soll jedenfalls nicht in den Kompetenzbereich anderer Akteure eingreifen, was am Beispiel von Bundesverfassungsgericht und verfassungsänderndem Gesetzgeber thematisiert wurde. Damit führte die Diskussion andererseits zu der Frage nach der Legitimation des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungswandel. Vor allem steht dahinter die Frage nach der Abgrenzung von Verfassungswandel und Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG, da ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht keine unzulässige Verfassungsänderung darstellen darf. Das Gericht interpretiert das Grundgesetz und da der Verfassungswandel durch Interpretation erfolgt, kann daraus ein Verfassungswandel resultieren. Ein Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht birgt die Gefahr, dass das Gericht das Grundgesetz auf unzulässige Weise verändert und die Grenzen des Art. 79 GG nicht gewahrt werden, da den Entscheidungen des Gerichts bindende Wirkung zukommen kann. Der Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht konnte jedoch mithilfe der Darstellung der Legitimation des Gerichts zum Verfassungswandel und den daraus folgenden Voraussetzungen insoweit hinsichtlich Art. 79 GG begrenzt werden. Die Frage nach der Begrenzung des Verfassungswandels durch das Bundes737  s. o.

Teil 2 B. III., C. III., D. III., E. III., F.

254

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

verfassungsgericht in Bezug auf Art. 79 GG läuft immer wieder auf die Grenze des Wortlauts hinaus, die als solche bereits umfassend diskutiert wird. Auch die eingehendere Diskussion um Normprogramm und Normbereich führte letztlich zu keiner anderen Begrenzung. Hier zeigte sich insbesondere, dass der Verfassungswandel keine weiteren Impulse für die Diskussion setzen kann. Der Verfassungswandel ist auf die Interpretation angewiesen. Er bedarf immer wieder der Vergewisserung tiefer liegender Fragen (so z. B. die Bindungswirkung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts, das Ziel der Interpretation, die Auslegung des Art. 79 GG, die Eigenschaften der Normen des Grundgesetzes). Möglicherweise könnte es die Diskussion vereinfachen, die Auseinandersetzung um den Verfassungswandel in anderen Diskussionen aufgehen zu lassen. Ein Nutzen des Verfassungswandels besteht jedoch gerade darin, dass er zu weiterführenden Diskussionen zwingt, wie z. B. die Erörterung der Grundlagen von Interpretation und Rechtsfortbildung. Die fehlende Möglichkeit der Abgrenzung führt schließlich jedenfalls nicht dazu, dass der Verfassungswandel nicht anwendbar ist, wie vorliegend dargestellt. Mittels seiner Rechtsprechung kann das Gericht flexibler auf Veränderungen reagieren als der verfassungsändernde Gesetzgeber. Dies wird deutlich, indem das Bundesverfassungsgericht durch die Einordnung des Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze und den Parlamentsvorbehalt zwar nicht den Wortlaut des Grundgesetzes verletzt, jedoch gleichzeitig anhand einzelner Fälle auf zeitbedingte Veränderungen reagieren kann, während der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht tätig wurde. In die Kompetenz des verfassungsändernden Gesetzgebers darf das Gericht ohnehin nicht eingreifen, diese Grenze zur Verfassungsänderung soll durch den Wortlaut der Norm gewahrt werden. Anhand des Beispiels des Art. 87a II GG zeigte sich, dass die abgeschlossenen Verfassungsänderungen bis 1968 gemäß Art. 79 GG kaum Einfluss auf einen Verfassungswandel haben. Auch wenn eine Norm, wie z. B. Art. 87a II GG, gemäß Art. 79 GG geändert wurde, steht sie einem Verfassungswandel trotzdem offen. Dieser befindet sich somit kaum in Wechselwirkung zur Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG. Allerdings ließ sich feststellen, dass ein Verfassungswandel zum Teil zur Bestätigung von politischen Maßnahmen, wie vorliegend Einsätzen im Ausland, erfolgt.738 Mit Blick auf die Verfassungsänderung scheint der Verfassungswandel praktikabler, d. h. dieser kann erfolgen, wenn jene nicht stattfindet. Die Interpretation durch das Gericht unterliegt geringeren Anforderungen als eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG und kann einzelfallbezogen erfolgen. Der Verfassungswandel soll jedoch nicht dazu dienen, die Verfassungsänderung zu umgehen. Das letzte Wort muss beim verfas738  s. o.

C. I. 3. d).



D. Fazit255

sungsändernden Gesetzgeber verbleiben. Fraglich erscheint dabei insbesondere, ob ein Verfassungswandel möglich ist, wenn eine Verfassungsänderung ausdrücklich nicht gewollt ist. Es ließ sich allerdings festhalten, dass die Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG den Verfassungswandel nicht ausschließt, wenn dessen Voraussetzungen gewahrt bleiben. Im Übrigen führen jedoch die im Vergleich zu Art. 79 GG niedrigeren Voraussetzungen des Verfassungswandels dazu, dass dieser Schwierigkeiten, die sich aufgrund des Alters einer Norm ergeben können (wie z. B. im Fall des Art. 87a II GG), vergleichsweise einfacher lösen kann, indem mittels des Verfassungswandels die Änderung im Sinn der Norm explizit festgestellt wird. Besonders langfristige Entwicklungen können durch den Verfassungswandel besser eingefangen werden als durch die Verfassungsänderung, auch bleibt bei einem Verfassungswandel mehr Raum für eine spätere Weiterentwicklung. Dies ergibt sich vorliegend daraus, dass die langfristige Veränderung im tatsächlichen Bereich von Auslandseinsätzen keinen Niederschlag durch eine Veränderung der Verfassung im Wege des Art. 79 GG gefunden hat, sondern durch das Bundesverfassungsgericht eingefangen wurde. Dennoch ist der Weg zur Änderung der Verfassung durch den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht versperrt. Der Verfassungswandel ist insoweit praktikabler, leichter umzusetzen und genügt geringeren Anforderungen. Insgesamt ergab sich, dass das Gericht zum Verfassungswandel legitimiert ist. Innerhalb der Rechtsprechung erfolgt ein Verfassungswandel allerdings bislang nicht unter diesem Stichwort. Eine offenere Diskussion über die Anwendung desselben könnte jedoch vermehrt zur Urteilsbegründung eingesetzt werden, um mehr Transparenz zu schaffen. Bezüglich der Begrenzung des Verfassungswandels durch Art. 79 GG gab das Grundgesetz selbst für den vorliegenden Themenkomplex der Auslands­ einsätze der Streitkräfte kaum Aufschluss darüber, ob ein Verfassungswandel erforderlich ist. Aus dem „Wie“ des Verfassungswandels ergab sich keine Antwort auf die Frage nach dem „Ob“. Dies zeigte sich anhand der Darstellung zu der Diskussion um zu öffnende bzw. zu schließende Normen. Weder der Verfassungswandel hinsichtlich Art. 24 II GG noch der Parlamentsvorbehalt fügten sich nahtlos in die Darstellung dieses Ansatzes ein. Der Begriff des Verfassungswandels war als solcher daher nicht richtungsweisend. Die Frage nach den zu öffnenden oder zu schließenden Normen konnte allerdings als Indiz gewertet werden. Soweit die Diskussion um den Verfassungswandel auf die Frage nach dem Wesen der Verfassung zurückgeführt wird, kann aus dieser Richtung jedoch ebenfalls kein Hinweis für das Verständnis des Verfassungswandels erwartet werden, da die Frage selbst bislang nicht geklärt ist. Ein Rückgriff auf diese Diskussion führt insgesamt nicht weiter. Je enger der Verfassungswandel hingegen mit der Interpreta­tion

256

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

verknüpft wird, desto eher lässt sich dieser anwenden, wie die Darstellung des Verfassungswandels durch das Bundesverfassungsgericht zeigt. Auch hier ist dies letztlich vom Verständnis der Interpretation abhängig, zumindest die Grenze des Wortlauts gilt jedoch. Des Weiteren ist in diesem Fall der Verfassungswandel dem Bundesverfassungsgericht ebenso aufgegeben wie die Interpretation und die Diskussion um den Wandel durch das Gericht kann sich an die allgemeine Diskussion um die Legitimation und die Interpretation durch das Gericht anschließen. Insgesamt könnte eine Methode des Verfassungswandels daher am Beispiel des Bundesverfassungsgerichts ausgerichtet werden.739 Zuletzt schlug Lothar Michael Kriterien vor, die einen legitimen Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht begründen740 und die vorliegend diskutiert und teilweise angewendet wurden. Zunächst ist erforderlich, dass eine bestimmte Definition des Verfassungswandels diskutiert wird und dieser z. B. vom Bedeutungswandel abgegrenzt wird. Aus der Untersuchung ergibt sich des Weiteren, dass ein Verfassungswandel vor allem offen gelegt werden sollte,741 was in den dargestellten Urteilen nicht erfolgt ist. Der Verfassungswandel muss dabei auf den Text des Grundgesetzes zurückzuführen sein. Im Rahmen der vorliegend verwendeten Definition sollten neue Geund Verbote erörtert werden, die sich durch den Verfassungswandel ergeben. Gleichsam ist eine historische Darstellung erforderlich, welche die Entwicklung des Themenkomplexes und der Norm in den Blick nimmt, die Auslegung der Literatur und die eigene Rechtsprechung des Gerichts berücksichtigt.742 Daneben dürfen die Spielräume des Gesetzgebers nicht eingeschränkt werden und die Grenze zu Art. 79 GG ist zu wahren. Darüber hinaus kann sich ein Hinweis auf einen Verfassungswandel daraus ergeben, dass die Normen, welche gewandelt werden, zu öffnen oder zu schließen sind,743 dies hat jedoch letztlich nur Indizienfunktion. Ferner sollten das Diskursbedürfnis des Verfassungswandels und die Akzeptanzfähigkeit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewahrt werden. Schließlich ist stets der Wortlaut der Normen zu beachten,744 um den Verfassungswandel einzugrenzen. Aufgrund dieser Kriterien745 kann daher eine Methode des Verfassungswandels am Beispiel des Bundesverfassungsgerichts diskutiert werden. dazu Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. RW 5 (2014), S. 426, 479. 741  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 742  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 743  Hinweis auf wandlungsfähiges Recht Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 744  Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 745  Weitergehend Michael, RW 5 (2014), S. 426, 479. 739  Siehe

740  Michael,



D. Fazit257

III. Verfassungswandel und Verfassungsinterpretation Anhand der Darstellung zu Art. 87a II GG wurde deutlich, dass der Verfassungswandel als Argument innerhalb der verfassungsrechtlichen Diskussion um die Interpretation einer Norm dienen kann. Im Einzelfall kann der Verfassungswandel zur argumentativen Stärkung eines Resultats beitragen, denn ist ein Verfassungswandel erfolgt oder grundsätzlich zulässig, kann dies die Standfestigkeit eines Arguments erhöhen, welches im Rahmen der Änderung des Sinns der Norm liegt. Der Verfassungswandel ist so in der Lage, im Nachhinein ein Ergebnis zu untermauern. Dies wird deutlich, indem nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze in der Praxis herangezogen wird und ebenfalls der Parlamentsvorbehalt angewendet wird, der im Einzelfall umstritten ist, jedoch grundsätzlich zumeist eingehalten wird. Hierbei zeigte sich jedoch gleichzeitig die begrenzte Funktion des Verfassungswandels. Da seine Existenz eng mit der Wortlautgrenze verknüpft ist, wurde gleichfalls ersichtlich, dass die Anwendung des Verfassungswandels teils nicht mehr Ergebnisse bereit hält als die Untersuchung des Wortlauts. So wurde der Wortlaut des Grundgesetzes auch vorliegend nicht verletzt. Gleichzeitig ist diese Grenze jedoch im Rahmen des Verfassungswandels anwendbar. Der Wortlaut ist zwar selten unmissverständlich, daraus ergeben sich dennoch Grenzen der Auslegung746 und damit auch des Verfassungswandels. Insoweit zeigt sich, dass der Verfassungswandel im Einzelfall keine Ergebnisse bereithält, sondern eher im Nachhinein der rechtlichen Vergewisserung dient, indem eine Veränderung der Norm als Verfassungswandel eingeordnet werden kann. Dies kann wiederum zur Weiterentwicklung einer Streitfrage beitragen, wenn eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG aus politischen Gründen nicht erfolgt oder nicht in Betracht kommt. Gerade im Fall des Art. 87a GG scheint der verfassungsändernde Gesetzgeber dem durch die aufgeworfenen Fragen entstandenen Diskussionsbedarf nicht gerecht zu werden. Somit könnte die Feststellung eines Verfassungswandels dem Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Frage in der Diskussion zu größerer Standfestigkeit verhelfen. Im Hinblick auf Art. 87a GG zeigten sich zahlreiche Fragestellungen, die Diskussion wurde vom Gericht allerdings mit dem Hinweis auf Art. 24 II GG nicht aufgenommen. Dementsprechend könnte ein Verfassungswandel des Art. 87a GG auch dazu beitragen, diese „veraltete“ Norm nicht bedeutungslos werden zu lassen. Durch die Anwendung des Verfassungswandels kann der Zeitfaktor vermehrt berücksichtigt werden, wenn eine Veränderung der Verfassung anklingt. Durch den Verfassungswandel kommt es, verglichen mit der Inter746  Röhl/Röhl,

Rechtslehre, S. 614.

258

Teil 3: Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht

pretation der Norm, zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der Historie der Norm, wie die Darstellung zu Art. 24 II, 59 II 1, 87a II GG zeigt. Die Anwendung des Verfassungswandels zwingt grundsätzlich zum Nachdenken über Entwicklungen im Verfassungsrecht und zur Betrachtung der faktischen Lage, wie vorliegend die Transformation der Bundeswehr. Ohne die Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung ist die Anwendung des Verfassungswandels kaum zweckmäßig. Das Grundgesetz ist sowohl auf Stabilität als auch Dynamik angelegt und es zeigt sich, dass die Dynamik nicht gänzlich durch Art. 79 GG aufgefangen werden kann, aber auch nicht durch Interpretation. Denn hinsichtlich der Auslandseinsätze der Streitkräfte wurde die Verfassung gerade nicht geändert, sondern durch das Bundesverfassungsgericht gewandelt, um den Anforderungen der veränderten Realität zu genügen. Es wird deutlich, ob eine Änderung des Sinns der Norm möglich ist oder nicht. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob der Verfassungswandel mehr ist als die Interpretation der Norm. Die Definition des Verfassungswandels geht über das hinaus, was die Interpretation als Erkennen des Sinns der Norm verlangt. Beim Verfassungswandel geht es um neue bzw. veränderte Verhaltensanforderungen. Verfassungswandel und Interpretation unterscheiden sich letztlich hinsichtlich der Zielsetzung: Die Veränderung des Sinns der Verfassung. Zuzugeben ist dennoch, dass der Verfassungswandel keine eigene Methode kennt. Formal kann der Verfassungswandel kaum von der Interpretation getrennt werden. Es wird schließlich angemerkt, der Unterschied zwischen Interpretation und Verfassungswandel sollte nicht eingeebnet werden.747 Allerdings bietet die herausgearbeitete Unterscheidung auch Vorteile. Im Hinblick auf den Gegenstand der Interpretation, das Grundgesetz, ist es nötig, sich die Veränderung durch Interpretation bewusst zu machen. Denn angesichts der im Grundgesetz angelegten Mechanismen zur Veränderung und dessen Ausrichtung auf Stabilität, kann der Verfassungswandel nicht der „Normalfall“ der Interpretation sein. Die Möglichkeit der Veränderung der Verfassung jenseits von Art. 79 GG bietet die Chance, den Faktor Zeit angemessen zu berücksichtigen, wenn dies offen gelegt und nicht kaschiert wird. Eine Veränderung des Sinns der Normen des Grundgesetzes sollte nicht stillschweigend und ohne kritische Überprüfung vollzogen werden. Im Ergebnis kann dadurch die Diskussion um die Veränderung der Verfassung offener geführt werden.

747  Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 270, Rn. 14 ff.; Böckenförde, Verfassungswandel, in: Böckenförde, Staat, Nation, Europa, S. 141, 153.



D. Fazit259

IV. Nutzen Der Verfassungswandel kann schließlich insgesamt den Faktor Zeit, der auf das Grundgesetz einwirkt, besser verarbeiten als die Interpretation, indem er die Veränderung im Sinn der Norm herbeiführen kann, auf welche die Interpretation nicht angelegt ist. Dies zeigt sich vorliegend z. B. anhand des Parlamentsvorbehalts. Durch die Diskussion eines Verfassungswandels wird die mögliche Veränderung der Verfassung verdeutlicht und es ist eine Auseinandersetzung mit der Begrenzung des Verfassungswandels durch Art. 79 GG erforderlich. Bezüglich des vorliegenden Verfassungswandels wurde die Veränderung oftmals angemerkt und könnte unter diesem Stichwort fortgeführt werden. Hinsichtlich der Verfassungsänderung ist der Verfassungswandel praktikabler und leichter geeignet, eine Veränderung des Grundgesetzes umzusetzen, wenn daraus keine unzulässige Verfassungsänderung folgt. Das Bundesverfassungsgericht konnte das Grundgesetz an die Veränderungen anpassen, ohne dass eine Verfassungsänderung nötig war. Der Nutzen des Verfassungswandels liegt dabei darin, dass er das Bewusstsein für diese Entwicklung schafft. Die Veränderung der Rechtsfolgen der Norm wird offen gelegt und aufgrund dessen kann ein Diskurs darüber stattfinden, ob ein Verfassungswandel zulässig ist oder nicht. Dies zeigt sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Hier kann der Verfassungswandel dafür genutzt werden, die Veränderungen im Sinn der Normen deutlich aufzuzeigen und dies nicht als reine Interpretation zu übergehen. Ein rein deskriptives Verständnis748 des Verfassungswandels vermag dies nicht zu leisten. Das Bundesverfassungsgericht ist zum Verfassungswandel legitimiert, sollte diesen jedoch deutlich machen. Dabei ist von Vorteil, dass das Gericht flexibler ist als der verfassungsändernde Gesetzgeber, wobei es gleichzeitig nicht in dessen Kompetenzen eingreifen darf. Infolgedessen richten sich auch die Kriterien, die einen zulässigen Verfassungswandel kennzeichnen, am Beispiel des Bundesverfassungsgerichts aus. Dazu zählen die Wahrung der Grenzen der Verfassungsänderung und des Wortlauts, die Auseinandersetzung mit der eigenen Rechtsprechung, kein Eingreifen in die Kompetenz des Gesetzgebers sowie die Achtung der Diskursbedürftigkeit des Verfassungswandels und der Akzeptanz der Rechtsprechung des Gerichts. Insoweit ließ sich der Verfassungswandel näher begrenzen und zeigte seinen Nutzen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem Faktor Zeit.

748  Vgl. zuletzt für ein phänomenologisches Verständnis des Verfassungswandels Becker/Kersten, AöR 141 (2016), S. 1.

Teil 4

Fazit – Verfassungswandel und Auslandseinsätze Die Diskrepanz zwischen der weitreichenden faktischen Entwicklung von Auslandseinsätzen der Streitkräfte und nicht vorgenommenen Verfassungsänderungen im Grundgesetz war Anlass dieser Untersuchung. Die Darstellung beschäftigte sich mit der Frage, welche wechselseitigen Konsequenzen für die verfassungsrechtlichen Fragestellungen und das Konzept des Verfassungswandels aus der Anwendung desselben im vorliegenden Themenkomplex gezogen werden können. Verfassungswandel wurde dabei definiert als „alle Veränderungen im Sinn der Verfassung, die nicht Verfassungsänderung sind“1, d.  h. eine „Entwicklung des Verfassungsrechts, in deren Folge neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse) an den Normadressaten aus einem gleichbleibenden Text gestellt werden“2. Nach der Diskussion des Verfassungswandels in den vorliegenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts wird nun zunächst die Frage erörtert, welchen Einfluss die Anwendung des Konzepts des Verfassungswandels auf die verfassungsrechtlichen Fragestellungen im Bereich der Einsätze im Ausland hat. Die Entwicklung der Auslandseinsätze der Streitkräfte stellte sich als tiefgreifende tatsächliche Veränderung dar, was der Beobachtung gegenübersteht, dass die diesbezüglichen Normen des Grundgesetzes seit dem Jahr 1968 nicht mehr in dem dafür vorgesehenen Verfahren der Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG geändert wurden. Wurden militärische Einsätze im Ausland lange Zeit für unzulässig gehalten, sind sie heute fester Bestandteil der Aufgaben der Streitkräfte. Zunächst wurde daher deutlich, dass im Bereich von Auslandseinsätzen der Streitkräfte ältere Normen auf veränderte Umstände treffen, d. h. die rechtlichen Rahmenbedingungen mit den faktischen Veränderungen Schritt halten müssen und dies im Wege des Verfassungswandels geschehen kann. Die Art. 24 II, 59 II 1 und 87a II GG treffen als „ältere“ Normen des Grundgesetzes auf aktuelle Fragestellungen und die Interpretation kann dies nicht gänzlich auffangen. Dies zeigt sich, indem eine Veränderung im Sinn der Verfassung erfolgte, d. h. ein Verfassungswandel 1  Bryde, 2  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 22. Verfassungsentwicklung, S. 254.



Teil 4: Fazit – Verfassungswandel und Auslandseinsätze261

vorliegt. Insofern brachte die Darstellung des Verfassungswandels im vorliegenden Bereich die Gewissheit, dass sich die faktischen Umstände der Auslandseinsätze tatsächlich verändert haben und sich dies auf die Normen des Grundgesetzes auswirkt. Die dargestellten Normen sind teilweise „veraltet“ und bedürfen der entsprechenden Anpassung. Bezüglich Art. 24 II GG ließ sich festhalten, dass die Norm seit ihrer Entstehung einer rechtlichen Entwicklung unterlag. Die Qualifizierung als Rechtsgrundlage konnte als Verfassungswandel, d. h. als Änderung des Sinns der Norm nachgezeichnet werden, da neue Verhaltensanforderungen an die Normadressaten entstanden sind. Auch bezüglich des Parlamentsvorbehalts ließ sich ein solcher Verfassungswandel darstellen. Dieser beleuchtete hierbei andere Aspekte als die Interpretation der Norm, so wurde z. B. die Entwicklungsgeschichte eingehender berücksichtigt. Dabei wurde gleichfalls deutlich, dass sich die Intentionen des Verfassungsgebers in diesem Zusammenhang zwar teilweise darstellen ließen, jedoch für aktuelle Fragestellungen nur in einigen Fällen Antworten bereithielten. Mithilfe bzw. aufgrund des Verfassungswandels konnte somit die Entwicklung nicht nur von Art. 24 II GG dargestellt werden, sondern auch diejenige des Parlamentsvorbehalts. Andererseits wurde gleichsam deutlich, dass nicht jede Entwicklung im vorliegenden Themenkomplex einen Verfassungswandel bedeutet. So handelte es sich z. B. bei der ultra vires Grenze im Bereich des Art. 59 II 1 GG oder der Auslegung des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte nicht um einen Verfassungswandel. Insgesamt ist daher nicht die gesamte Wehrverfassung als veraltet zu qualifizieren. Ebenfalls konnte festgestellt werden, dass die Einordnung des Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze als Verfassungswandel die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung bereichert. Der erfolgte Verfassungswandel kann gerade im Vergleich mit Art. 87a II GG angeführt werden und ist ein weiterer Aspekt in der verfassungsrechtlichen Diskussion um die Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze. Auch im Fall des Parlamentsvorbehalts lässt sich dies festhalten. Da hinsichtlich des Art. 87a II GG kein Verfassungswandel vorliegt, ergaben sich diesbezüglich keine konkreten Ergebnisse. Die Darstellung zeigt jedoch, dass ein Verfassungswandel grundsätzlich möglich ist, die Interpretation in eine bestimmte Richtung ist nicht unzulässig. Es besteht somit kein Verbot, die Interpretation des Art. 87a II GG hin zu einer Änderung des Sinns der Norm auszuweiten. In diesem Zusammenhang konnte daher erörtert werden, dass gerade noch keine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG erforderlich ist und die Verfassung aus eigener Kraft mit aktuellen Anforderungen Schritt halten kann. Im Bereich des Art. 24 II GG und des Parlamentsvorbehalts wird durch die Darstellung des Verfassungswandels ersichtlich, dass die Diskussion in

262

Teil 4: Fazit – Verfassungswandel und Auslandseinsätze

beiden Fällen wohl einen vorläufigen Endpunkt gefunden hat. Jedenfalls scheint ein „Rückgängigmachen“ des Verfassungswandels kaum wahrscheinlich, da weiterhin Einsätze der Streitkräfte im Ausland aktuell bleiben.3 Insofern ergibt sich durch die Feststellung des Verfassungswandels eine gewisse Stabilität der verfassungsrechtlichen Diskussion. Nach dem erfolgten Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht wurde beides weniger grundsätzlich in Frage gestellt. Schließlich könnte der Verfassungswandel Art. 87a II GG vor der Bedeutungslosigkeit schützen und die Norm mithilfe einer Sinnänderung an aktuelle Herausforderungen anpassen. Art. 87a II GG spielte bislang für Auslandseinsätze noch kaum eine Rolle, durch eine Veränderung seines Sinns könnte dieser jedoch auf heutige Einsatzarten angewendet werden (dies zeigt u. a. das Beispiel der Rettungseinsätze im Ausland). Konkrete Lösungsvorschläge für eine verfassungsrechtliche Fragestellung im Rahmen des Art. 87a II GG ergaben sich aus dem Verfassungswandel jedoch nicht. Gerade der Einsatzbegriff bleibt hier, wie im Rahmen des Parlamentsvorbehalts, diskussionsbedürftig,4 wie auch die Definition des Begriffs der Verteidigung. Insgesamt kann der Verfassungswandel die weit verzweigte Auseinandersetzung im Bereich der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Auslandseinsätze der Streitkräfte nicht beenden. Aus dem Konzept des Verfassungswandels selbst ergibt sich keine Notwendigkeit, dieses anzuwenden. Gerade die Anwendung des Verfassungswandels auf vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschiedene Fragen im Bereich des Art. 87a GG zeigt, dass dies zwar möglich ist, allerdings keinen allgemein gültigen Lösungsweg der Diskussion aufzeigt. Doch solange der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht tätig wird, kann der Verfassungswandel die Diskussion bereichern. Die Auseinandersetzung um Auslandseinsätze kann gerade auch mithilfe des Verfassungswandels geführt werden und insoweit ist keine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit, einen Verfassungswandel anzuwenden und so für mehr Transparenz und Praktikabilität in der verfassungsrechtlichen Diskussion um Auslandseinsätze der Streitkräfte zu sorgen. Letztlich steht innerhalb der vorliegenden Auseinandersetzung stets der Hinweis auf eine Verfassungsänderung im Raum.5 Die weit verzweigte Diskussion gerade im Bereich des Art. 87a GG ruft den Wunsch nach einer 3  Joffe, Die Zeit vom 04. Februar 2016, Nr. 6, S. 8; Sattar, FAZ vom 09. Februar 2016, Nr. 33, S. 4. 4  Dazu z. B. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Unterrichtung, BT-Drucks. 18/5000, S.  35 f. 5  So z. B. auch Deutscher Bundestag (Hrsg.), Unterrichtung, BT-Drucks. 18/5000, S.  44 f.



Teil 4: Fazit – Verfassungswandel und Auslandseinsätze263

klärenden verfassungsrechtlichen Regelung hervor. Andererseits wurde deutlich, dass zum einen nicht alle Entwicklungen als Verfassungswandel zu qualifizieren sind und zum anderen, dass das Grundgesetz im Wege des Verfassungswandels mit tatsächlichen Entwicklungen Schritt halten kann. Entgegen einiger Aussagen zur veralteten Wehrverfassung sind die Entwicklungen von z. B. Zustimmungserfordernissen des Bundestags im Rahmen des Art. 59 II 1 GG nicht als Verfassungswandel einzuordnen. In anderen Bereichen trug der Verfassungswandel dazu bei, den Sinn des Grundgesetzes an die aktuellen Herausforderungen anzupassen, wie im Fall des Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für Einsätze im Ausland. Eine Verfassungsänderung ist dadurch nicht zwingend erforderlich, wenn auch die Tragweite der Thematik eine solche politisch wünschenswert erscheinen lässt. Mithilfe der Definition des Verfassungswandels als „alle Veränderungen im Sinn der Verfassung, die nicht Verfassungsänderung sind“6, d. h. eine „Entwicklung des Verfassungsrechts, in deren Folge neue Verhaltensanforderungen (Gebote, Verbote, Erlaubnisse) an den Normadressaten aus einem gleichbleibenden Text gestellt werden“7, ließ sich ein Verfassungswandel innerhalb des Art. 24 II GG wie auch des Parlamentsvorbehalts nachzeichnen. Diese Definition ist daher bei der Diskussion des Verfassungswandels zugrunde zu legen. Kritisch bleibt zu berücksichtigen, dass der Verfassungswandel letztlich kaum von der Interpretation zu unterscheiden ist, daraus folgen Unsicherheiten in der Anwendung des Verfassungswandels. Dadurch führt der Verfassungswandel letztlich stets zu anderen verfassungsrechtlichen Diskussionen, wie z. B. den Grenzen der Interpretation, ohne selbst einen Beitrag dazu leisten zu können. Dies zeigt sich ebenfalls, indem die einzig handhabbare Grenze des Verfassungswandels der Wortlaut der Norm ist, eine ohnehin umstrittene Erkenntnis. Andererseits bleibt es notwendig, mithilfe des Verfassungswandels Veränderungen im Sinn der Verfassung zu untersuchen und zu hinterfragen. Der Verfassungswandel ist eng mit der Interpretation verknüpft, er lässt sich nur durch die Methoden derselben darstellen. Es ist wesentlich, dass die Veränderung des Sinns der Norm nicht in der „herkömmlichen“ Interpretation untergeht und ein Verfassungswandel unter ebendiesem Begriff diskutiert wird. Der Nutzen des Verfassungswandels zeigt sich, indem er ein Bewusstsein für die Veränderung der Normen im Bereich der Auslandseinsätze schafft und so den Diskurs um Stabilität und Dynamik des Grundgesetzes 6  Bryde, 7  Bryde,

Verfassungsentwicklung, S. 22. Verfassungsentwicklung, S. 254.

264

Teil 4: Fazit – Verfassungswandel und Auslandseinsätze

fördert. Mithilfe des Verfassungswandels ließ sich den faktischen Entwicklungen im vorliegenden Themenkomplex begegnen und der Zeitfaktor, dem das Grundgesetz hinsichtlich der Veränderungen der Auslandseinsätze unterliegt, einfangen. So können die Normen des Grundgesetzes bezüglich Auslandseinsätzen nur durch den Verfassungswandel mit der tatsächlichen Entwicklung Schritt halten. Im Hinblick auf Art. 87a II GG zeigt sich, dass der Verfassungswandel als Argument in der verfassungsrechtlichen Diskussion dienen kann und es dadurch möglich wird, „veraltete“ Normen anzupassen und der Dynamik des Grundgesetzes gerecht zu werden. Wird der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht tätig, kann das Bundesverfassungsgericht tatsächliche Entwicklungen durch die Veränderung im Sinn der Verfassung einfangen, wie vorliegend im Bereich des Art. 24 II GG und des Parlamentsvorbehalts erfolgt. Dabei schafft der Verfassungswandel ein Bewusstsein für die Veränderung des Sinns einer Norm und legt diese offen. In der Folge kann ein Diskurs darüber stattfinden, ob der Verfassungswandel zulässig ist oder nicht. Darin liegt der Nutzen des Verfassungswandels. Der Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht ist in diesem Bereich im Hinblick auf Verfassungsänderung und Rechtsfortbildung vergleichsweise praktikabler und leichter umzusetzen, da er geringeren Voraussetzungen unterliegt. Im Rahmen des Verfassungswandels muss jedoch die Grenze des Wortlauts der veränderten Norm gewahrt werden, dies ergibt sich auch unter Berücksichtigung von Normprogramm und Normbereich. Die Wortlautgrenze bietet zwar nicht stets trennscharfe Unterscheidungen, kann jedoch die Abgrenzung ermöglichen. Schließlich verbleibt das letzte Wort beim verfassungsändernden Gesetzgeber. Der Verfassungswandel im vorliegenden Bereich wurde anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachgezeichnet, wobei das Gericht diesen jedoch bislang kaum offenlegt. Für das Bundesverfassungsgericht konnte allerdings festgehalten werden, dass das Gericht zum Verfassungswandel legitimiert ist und dadurch nicht in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers eingreift. Insoweit bleibt ebenfalls die Grenze zu Art. 79 GG gewahrt. Aufgrund dessen kann sich das Gericht offener mit dem Verfassungswandel auseinandersetzen und zum Diskurs über die Veränderung des Grundgesetzes beitragen. Hinsichtlich der Entwicklung des Grundgesetzes ist das Gericht flexibler als der verfassungsändernde Gesetzgeber, denn es entscheidet im Einzelfall und die Interpretation unterliegt geringeren Anforderungen als die Verfassungsänderung. Daher ließen sich schließlich Kriterien anführen, die einen legitimen Verfassungswandel durch das Gericht bedingen: Der Verfassungswandel sollte auf den Text des Grundgesetzes zurückgeführt werden, da stets der Wortlaut der Normen zu achten ist. Dabei ist des Weiteren die Entwicklung der eigenen Rechtsprechung des Gerichts zu erörtern. Durch den Verfassungswandel dürfen die Spielräume des



Teil 4: Fazit – Verfassungswandel und Auslandseinsätze265

Gesetzgebers nicht eingeschränkt werden und es darf keine unzulässige Verfassungsänderung erfolgen, was durch die Wahrung der Wortlautgrenze sichergestellt werden soll. Schließlich sind Diskursbedürfnis des Verfassungswandels sowie Akzeptanzfähigkeit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu achten. Die Einhaltung dieser Kriterien kann daher zu einem legitimen Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht führen. Insgesamt scheint eine aktualisierte Übersetzung des Verfassungswandels nötig. Im Geltungszeitraum der Verfassung tauchen im Hinblick auf ihre Interpretation neue Fragestellungen im Bereich von Auslandseinsätzen auf. Sollen neue Entwicklungen nicht in der „herkömmlichen“ Interpretation untergehen, bietet sich der Verfassungswandel an. Eine Änderung des Sinns der Normen kann unter diesem Begriff diskutiert und offen gelegt werden, sodass eine Auseinandersetzung darüber stattfinden kann, ob ein Verfassungswandel im konkreten Fall nötig und sinnvoll ist. Als Forum dafür eignet sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Konzept des Verfassungswandels ist dann eine Interpretation, in der das Augenmerk auf die Veränderung des Sinns von Normen gelegt wird, damit dies nicht „nebenbei“ ausgeführt wird. Die Qualifikation einer Veränderung als Verfassungswandel kann so dazu beitragen, Entwicklungen zu diskutieren und im jeweiligen Einzelfall die Grenze hinsichtlich des Art. 79 GG auszutarieren, um einer unkontrollierte Veränderung des Grundgesetzes entgegenzuwirken. Gerade im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es möglich, die Grenze zu Art. 79 GG zu ziehen. Daher sollten beginnende Veränderungen unter dem Begriff des Verfassungswandels erörtert werden, um dafür zu sensibilisieren, ob eine zukünftige (mögliche) Veränderung der Verfassung zulässig ist. Mit dem Konzept des Verfassungswandels ist ein Instrument gefunden, dass die Übersetzung der Normen der Auslandseinsätze in veränderten faktischen Gegebenheiten ermöglicht. Die Inhaltsänderung der Normen kann erörtert werden, solange dies in den dargestellten Grenzen des Verfassungswandels erfolgt und nicht ohne Besinnung auf dessen Grundlagen und Anforderungen. Insofern bereichert der Verfassungswandel den Diskurs.

Literaturverzeichnis von Achenbach, Jelena: Verfassungswandel durch Selbstorganisation: Triloge im europäischen Gesetzgebungsverfahren, Der Staat 55 (2016), S. 1–39 Achterberg, Norbert/Schulte, Martin: Art. 45a GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 20 bis 82, Band 2, 6. Aufl., München 2010 Adomeit, Klaus/Hähnchen, Susanne: Rechtstheorie für Studenten, 6. Aufl., Heidelberg 2012 von Arnauld, Andreas: Völkerrecht, 2. Aufl., Heidelberg 2014 Arndt, Claus: Bundeswehreinsatz für die UNO, DÖV 1992, S. 618–624 Arndt, Claus: Verfassungsrechtliche Anforderungen an internationale Bundeswehreinsätze, NJW 1994, S. 2197–2199 Arndt, Claus: Das Grundgesetz und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, DÖV 2005, S. 908–911 Arnold, Rainer: Die Diskussion über das neue Weißbuch. Verteidigungsfall auch bei Terroranschlägen?, RuP 2006, S. 136–139 Axer, Peter: Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung. Ein Beitrag zu den Voraussetzungen und Grenzen untergesetzlicher Normsetzung im Staat des Grundgesetzes, Tübingen 2000 Baade, Hans Wolfgang: Das Verhältnis von Parlament und Regierung im Bereich der auswärtigen Gewalt der Bundesrepublik Deutschland. Studien über den Einfluß der auswärtigen Beziehungen auf die innerstaatliche Verfassungsentwicklung, Hamburg 1962 Bachmann, Ulrich: Die Verfassungsmäßigkeit von Bundeswehreinsätzen im Ausland, MDR 1993, S. 397–399 Badura, Peter: Verfassung, Staat und Gesellschaft in der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, Tübingen 1976, S. 1–21 Badura, Peter: Arten der Verfassungsrechtssätze, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Band 7, 1. Aufl., Heidelberg 1992, § 159 Badura, Peter: Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Band 7, 1. Aufl., Heidelberg 1992, § 160

Literaturverzeichnis267 Badura, Peter: Der Verfassungsauftrag der Streitkräfte im Grundgesetz, ZSE 2007, S. 358–372 Badura, Peter: Die Verfassung im Ganzen der Rechtsordnung und die Verfassungskonkretisierung durch Gesetz, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 265 Badura, Peter: Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 270 Badura, Peter: Staatsrecht. Systematische Erläuterung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl., München 2015 Bähr, Biner Kurt Wenkholm: Anmerkung, MDR 1994, S. 882–884 Bähr, Biner Kurt Wenkholm: Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen, ZRP 1994, S. 97–103 Bähr, Biner Kurt Wenkholm: Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen, Frankfurt am Main 1994 Baldus, Manfred: Schriftliche Stellungnahme. Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundes­ tages am 17. Juni 2004, 2004 Baldus, Manfred: Braucht Deutschland eine neue Wehrverfassung?, NZWehrR 2007, S. 133–138 Baldus, Manfred: Art. 87a GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Chris­tian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 83 bis 146, Band 3, 6. Aufl., München 2010 Bartke, Matthias: Verteidigungsauftrag der Bundeswehr. Eine verfassungsrechtliche Analyse, Baden-Baden 1991 Baumbach, Martin: Vertragswandel und demokratische Legitimation. Auswirkungen moderner völkerrechtlicher Handlungsformen auf das innerstaatliche Recht, Berlin 2008 Beck, Daniel: Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte. Materiell-rechtliche Bindungen aus Völkerrecht und Grundgesetz, insbesondere zum Schutz des Lebens, Hamburg 2008 Becker, Ulrich/Kersten, Jens: Phänomenologie des Verfassungswandels. Eine verfassungstheoretische und rechtsdogmatische Perspektiverweiterung anlässlich der demografischen Entwicklung, AöR 141 (2016), S. 1–39 Benda, Ernst/Klein, Eckart/Klein, Oliver (Hrsg.): Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl., Heidelberg 2012 Beste, Ralf/Szandar, Alexander: Deutsche Führung?, Der Spiegel vom 10. Dezember 2001, S. 28 Bethge, Herbert: § 31 BVerfGG, in: Theodor Maunz/Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein/Herbert Bethge (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 43. EL, München 2014

268 Literaturverzeichnis Bethge, Herbert: Vorbemerkung, in: Theodor Maunz/Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein/Herbert Bethge (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 48. EL, München 2016 Bettendorf, Susanne: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit deutscher Soldaten bei der Anwendung militärischer Gewalt. Exemplarisch dargestellt anhand des Einsatzes in Afghanistan und dem Luftschlag von Kundus am 4. September 2009, Baden-Baden 2015 Biehler, Gernot: Auswärtige Gewalt. Auswirkungen auswärtiger Interessen im innerstaatlichen Recht, Tübingen 2005 Blankenagel, Alexander: Tradition und Verfassung. Neue Verfassung und alte Geschichte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Baden-Baden 1987 Bleckmann, Albert: Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, S. 942–947 Blome, Nikolaus/Follath, Erich/Gebauer, Matthias/Hoffmann, Christiane/Klussmann, Uwe/Mayr, Walter/Neef, Christian/Neukirch, Ralf/Schepp, Matthias/Schmid, Fidelius/Schmitz, Gregor Peter/Stark, Holger: Bis jenseits der Grenze, Der Spiegel vom 10. März 2014, S. 78 Blumenwitz, Dieter: Der nach außen wirkende Einsatz deutscher Streitkräfte nach Staats- und Völkerrecht, NZWehrR 1988, S. 133–145 Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die Methoden der Verfassungsinterpretation – Bestandsaufnahme und Kritik, NJW 1976, S. 2089–2099 Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Geschichtliche Entwicklung und Bedeutungswandel der Verfassung, JA 1984, S. 325–332 Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die Eigenart des Staatsrechts und der Staatsrechtswissenschaft, in: Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hrsg.), Staat, Verfassung, Demokratie. Studien zur Verfassungstheorie und zum Verfassungsrecht, Frankfurt am Main 1991, S. 11–28 Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Anmerkungen zum Begriff Verfassungswandel, in: Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hrsg.), Staat, Nation, Europa. Studien zur Staatslehre, Verfassungstheorie und Rechtsphilosophie, Frankfurt am Main 1999, S. 141–156 Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Verfassungsgerichtsbarkeit. Strukturfragen, Organisation, Legitimation, in: Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hrsg.), Staat, Nation, Europa. Studien zur Staatslehre, Verfassungstheorie und Rechtsphilosophie, Frankfurt am Main 1999, S. 157–182 Boldt, Hans: Einsatz der Bundeswehr im Ausland, ZRP 1992, S. 218–222 Borowski, Martin: Subjekte der Verfassungsinterpretation, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 274 Bothe, Michael: Art. 26 GG, in: Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff/Christian Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 7, 109. EL, Heidelberg 2003

Literaturverzeichnis269 Bothe, Michael: Die parlamentarische Kontrolle von Auslandseinsätzen der Streitkräfte – die Bundeswehr zwischen Außenpolitik und Verfassungsrecht, in: Friedhelm Hufen (Hrsg.), Festschrift für Hans-Peter Schneider zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 165–182 Bothe, Michael: Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Wolfgang Graf Vitzthum/ Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 7. Aufl., Berlin 2016, 8. Abschnitt Breitwieser, Thomas: Verteidigung – Wandlungen eines Begriffs in 60 Jahren, NZ WehrR 2009, S. 150–163 Breitwieser, Thomas: Die Vereinten Nationen und der Nahost-Konflikt, in: Bernhard Chiari/Magnus Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010, S. 80–95 Breitwieser, Thomas: Verfassungshistorische und verfassungsrechtliche Aspekte der Auslandseinsätze, in: Bernhard Chiari/Magnus Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010, S. 152–165 Brenner, Michael/Hahn, Daniel: Bundeswehr und Auslandseinsätze, JuS 2001, S. 729–735 Brugger, Winfried: Konkretisierung des Rechts und Auslegung der Gesetze, AöR 119 (1994), S. 1–34 Brunner, Manuel: Militärische Auslandsrettung, ZRP 2011, S. 207–209 Bryde, Brun-Otto: Verfassungsentwicklung. Stabilität und Dynamik im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1982 Bryde, Brun-Otto: Sicherheitspolitik zwischen Regierung und Parlament – BVerfG v. 18.12.84–2 BvE 13/83, JURA 1986, S. 363–369 Bryde, Brun-Otto: Art. 79 GG, in: Ingo von Münch/Philipp Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 6. Aufl., München 2012 von Bülow, Christoph: Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung. Eine Untersuchung zu Art. 87a II GG, Frankfurt am Main 1984 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Verteidigungspolitische Richtlinien, Bonn 1992 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, Berlin 2006 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Verteidigungspolitische Richtlinien, Berlin 2011 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, Berlin 2016 Bundesverfassungsgericht: Die Stellung des Bundesverfassungsgerichts. Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1952, JZ 8 (1953), S. 157–158 Burkiczak, Christian: AWACS II – In dubio pro Bundestag, NVwZ 2008, S. 752–754 Burmester, Gabriele: Verfassungsrechtliche Grundlagen beim Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung, NZWehrR 1993, S. 133–147

270 Literaturverzeichnis Bushart, Christoph: Verfassungsänderung in Bund und Ländern, München 1989 Bydlinski, Franz: Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl., Wien 1991 Calliess, Christian: Auswärtige Gewalt, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Aufgaben des Staates, Band 4, 3. Aufl., Heidelberg 2006, § 83 Chiari, Bernhard: Agadir 1960: Der Erdbebeneinsatz in Marokko, in: Bernhard ­Chiari/Magnus Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010, S. 24–31 Chiari, Bernhard/Pahl, Magnus (Hrsg.): Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010 Classen, Claus Dieter: Art. 24 GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/ Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 20 bis 82, Band 2, 6. Aufl., München 2010 Coridaß, Alexander: Der Auslandseinsatz von Bundeswehr und Nationaler Volks­ armee, Frankfurt am Main 1985 Cornils, Matthias: Gewaltenteilung, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, Tübingen 2010, S. 657–702 Cremer, Hans-Joachim: Das Verhältnis von Gesetzgeber und Regierung im Bereich der auswärtigen Gewalt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: eine kritische Bestandsaufnahme, in: Rudolf Geiger (Hrsg.), Neuere Probleme der parlamentarischen Legitimation im Bereich der auswärtigen Gewalt: Symposion vom 13. bis 15. Juni 2002 in Leipzig, Baden-Baden 2003, S. 11–32 Cremer, Hans-Joachim: Art. 42 EUV, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 4. Aufl., München 2011 Dau, Klaus: Parlamentsheer unter dem Mandat der Vereinten Nationen – Anmerkungen zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 zu den Auslandsverwendungen deutscher Streitkräfte, NZWehrR 1994, S. 177–184 Dau, Klaus: Die militärische Evakuierungsoperation „Libelle“ – ein Paradigma der Verteidigung? – zugleich ein Beitrag zur grundgesetzlichen Organkompetenz, NZWehrR 1998, S. 89–100 Dau, Klaus: Die Streitkräfte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NZWehrR 2011, S. 1–24 Dau-Lin, Hsü: Die Verfassungswandlung, Berlin 1932 Deiseroth, Dieter: Die Beteiligung Deutschlands am kollektiven Sicherheitssystem der Vereinten Nationen aus verfassungsrechtlicher Sicht, NJ 1993, S. 145–152 Deiseroth, Dieter: „Humanitäre Intervention“ und Völkerrecht, NJW 1999, S. 3084– 3088 Deiseroth, Dieter: Art. 24 GG, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens (Hrsg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band 1, Heidelberg 2002 Deiseroth, Dieter: Art. 65a GG, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens (Hrsg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band 2, Heidelberg 2002

Literaturverzeichnis271 Delbrück, Jost: Perspektiven für ein „Weltinnenrecht“? Rechtsentwicklungen in einem sich wandelnden Internationalen System, in: Joachim Jickeli/Peter Kreutz/ Dieter Reuter (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, Berlin 2003, S. 793–809 Depenheuer, Otto: Der Wortlaut als Grenze: Thesen zu einem Topos der Verfassungsinterpretation, Heidelberg 1988 Depenheuer, Otto: Der verfassungsrechtliche Verteidigungsauftrag der Bundeswehr – Grundfragen des Außeneinsatzes deutscher Streitkräfte, DVBl 1997, S. 685–688 Depenheuer, Otto: Art. 87a GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 53. EL, München 2008 Detterbeck, Steffen: Art. 93 GG, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl., München 2014 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Einsatz deutscher Streitkräfte zur Evakuierung deutscher Staatsbürger und unter konsularischer Obhut befindlicher Staatsangehöriger anderer Nationen aus Albanien, BT-Drucks. 13/7233 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat. 1948–1949. Akten und Protokolle. Ausschuß für Grundsatzfragen, Band 5/II, Boppard am Rhein 1993 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat. 1948–1949. Akten und Protokolle. Ausschuß für Grundsatzfragen, Band 5/I, Boppard am Rhein 1993 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat. 1948–1949. Akten und Protokolle. Hauptausschuß, Band 14/I, München 2009 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Unterrichtung durch die Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Abschlussbericht der Kommission, BT-Drucks. 18/5000 Di Fabio, Udo: Gewaltenteilung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Verfassungsstaat, Band 2, 3. Aufl., Heidelberg 2004, § 27 Dietz, Andreas: Die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes für Amtshilfe- und Unterstützungsmaßnahmen sowie Einsätze der Bundeswehr, DÖV 2012, S. 952– 961 Doehring, Karl: Völkerrecht, 2. Aufl., Heidelberg 2004 Dreier, Horst: Art. 79 I GG, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 3. Aufl., Tübingen 2015 Dreier, Ralf (Hrsg.): Probleme der Verfassungsinterpretation. Dokumentation einer Kontroverse, Baden-Baden 1976 Dreier, Ralf: Zur Problematik und Situation der Verfassungsinterpretation, in: Ralf Dreier (Hrsg.), Probleme der Verfassungsinterpretation. Dokumentation einer Kontroverse, Baden-Baden 1976, S. 13–47 Dreist, Peter: Offene Rechtsfragen des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Zwischenbilanz und Problemaufriss, NZWehrR 2002, S. 133–154

272 Literaturverzeichnis Dreist, Peter: AWACS-Einsatz ohne Parlamentsbeschluss? Aktuelle Fragestellungen zur Zulässigkeit von Einsätzen bewaffneter Streitkräfte unter besonderer Berücksichtigung der NATO-AWACS-Einsätze in den USA 2001 und in der Türkei 2003, ZaöRV 64 (2004), S. 1001–1043 Dürig, Günter/Klein, Hans H.: Art. 45a GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 33. EL, München 1997 Ehmke, Horst: Verfassungsänderung und Verfassungsdurchbrechung, AöR 40 (1953/54), S. 385–418 Ehmke, Horst: Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 53– 102 Ehrenzeller, Bernhard: Legislative Gewalt und Aussenpolitik. Eine rechtsvergleichende Studie zu den parlamentarischen Entscheidungskompetenzen des deutschen Bundestages, des amerikanischen Kongresses und der schweizerischen Bundesversammlung im auswärtigen Bereich, Basel 1993 Epping, Volker: Wehrverfassung. Entmilitarisierung – Wiederbewaffnung – Leistungsfähigkeit, in: Bodo Pieroth (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, Berlin 2000, S. 183–208 Epping, Volker: Art. 65a GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 53. EL, München 2008 Epping, Volker: Art. 87a GG, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 30. Aufl., München 2016 Epping, Volker: Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland als neues Kapitel der Bundeswehrgeschichte ohne rechtliche Grundlage? – Der Tirana-Einsatz der Bundeswehr auf dem rechtlichen Prüfstand, AöR 124 (1999), S. 423–469 Erberich, Ute: Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechtskonvention, Köln 2004 Erichsen, Hans-Uwe: Die Verfassungsänderung nach Art. 79 GG und der Verfassungsbeschluß nach Art. 146 GG, JURA 1992, S. 52–55 Fährmann, Ingo: Die Bundeswehr im Einsatz für Europa. Die Beteiligung Deutschlands an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), Zulässigkeit nach dem Vertrag von Lissabon, Baden-Baden 2010 Fassbender, Bardo: Der offene Bundesstaat. Studien zur auswärtigen Gewalt und zur Völkerrechtssubjektivität bundesstaatlicher Teilstaaten in Europa, Tübingen 2007 Fassbender, Bardo: Militärische Einsätze der Bundeswehr, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Internationale Bezüge, Band 11, 3. Aufl., Heidelberg 2013, § 244 Fastenrath, Ulrich: Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986 Fastenrath, Ulrich: Anmerkung, JZ 63 (2008), S. 94–96 Fehn, Karsten/Fehn, Bernd Josef: Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Blauhelmeinsätzen der Bundeswehr, JURA 1997, S. 621–624

Literaturverzeichnis273 Fibich, Holger: Auslandseinsätze der Bundeswehr, ZRP 1993, S. 5–9 Fiebig, Jan-Peter: Der Einsatz der Bundeswehr im Innern. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von innerstaatlichen Verwendungen der Streitkräfte bei Großveranstaltungen und terroristischen Bedrohungen, Berlin 2004 Fiedler, Wilfried: Sozialer Wandel, Verfassungswandel, Rechtsprechung, Freiburg/ München 1972 Fiedler, Wilfried: Fortbildung der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht?, JZ 34 (1979), S. 417–425 Fink, Udo: Verfassungsrechtliche und verfassungsprozeßrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr, JZ 54 (1999), S. 1016– 1022 Fischbach, Sven: Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt: Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011 Fischer, Mattias G.: Terrorismusbekämpfung durch die Bundeswehr im Inneren Deutschlands?, JZ 59 (2004), S. 376–384 Fischer-Lescano, Andreas: Konstitutiver Parlamentsvorbehalt: Wann ist ein AWACSEinsatz ein „Einsatz bewaffneter Streitkräfte“?, NVwZ 2003, S. 1474–1476 Forsthoff, Ernst: Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: Hans Barion (Hrsg.), Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag, Berlin 1959, S. 35–62 Frank, Götz: nach Art. 87a GG, in: Erhard Denninger (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Neuwied 2001 Franzke, Hans-Georg: Art. 24 II GG als Rechtsgrundlage für den Außeneinsatz der Bundeswehr?, NJW 1992, S. 3075–3077 Franzke, Hans-Georg: Schutz von deutschen Staatsbürgern im Ausland durch die Bundeswehr?, NZWehrR 1996, S. 189–200 Friesenhahn, Ernst: Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1957), S. 9–73 Fröhlingsdorf, Michael/Hammerstein, Konstantin von/Koelbl, Susanne/Szandar, Alexander/Thielke, Thilo: Die überforderte Armee, Der Spiegel vom 11. März 2002, S. 172 Frowein, Jochen Abraham: Änderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Rechtsproblem, DÖV 1971, S. 793–796 Frowein, Jochen Abraham: Der völkerrechtliche Status von VN-Friedenstruppen und seine Bedeutung für das deutsche Recht, in: Jochen Abraham Frowein/Torsten Stein (Hrsg.), Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen. Materialien des Kolloquiums vom 17./18.8.1989, Berlin 1990, S. 1–15 Gareis, Sven Bernhard: Militärische Auslandseinsätze und die Transformation der Bundeswehr, in: Thomas Jäger/Alexander Höse/Kai Oppermann (Hrsg.), Deutsche Außenpolitik: Sicherheit, Wohlfahrt, Institutionen und Normen, 2. Aufl., Wiesbaden 2011, S. 148–170

274 Literaturverzeichnis Gasteyger, Curt: Europas neue Kriege, FAZ vom 30. Mai 2000, Nr. 125, S. 14 Geiger, Rudolf: Grundgesetz und Völkerrecht. Mit Europarecht. Die Bezüge des Staatsrechts zum Völkerrecht und Europarecht, 6. Aufl., München 2013 Gern, Alfons: Die Rangfolge der Auslegungsmethoden von Rechtsnormen, Verw­ Arch 80 (1989), S. 415–436 Giegerich, Thomas: The German Contribution to the Protection of Shipping in the Persian Gulf: Staying out for Political or Constitutional Reasons?, ZaöRV 49 (1989), S. 1–40 Gießmann, Hans-Joachim/Wagner, Armin (Hrsg.): Armee im Einsatz. Grundlagen, Strategien und Ergebnisse einer Beteiligung der Bundeswehr, Baden-Baden 2009 Gill, Terry D.: Legal Aspects of the Transfer of Authority in UN Peace Operations, NYIL 42 (2011), S. 37–68 Glawe, Robert: Rechtsgrundlagen des Einsatzes deutscher Spezialkräfte in maritimen Geisellagen, NZWehrR 2009, S. 221–234 Glawe, Robert: Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, Baden-Baden 2011 Glawe, Robert: Quo vadis, Bündnispartner Deutschland?, Zur Konditionierung des konstitutiven Parlamentsvorbehaltes, NVwZ-Extra 17/2011, S. 1–5 González de la Vega, Geraldina: Verfassungswandel als Dynamische Verfassungsinterpretation, in: Goethe Universität Frankfurt (Hrsg.), 25th IVR World Congress „Law Science and Technology“ Frankfurt am Main, Paper Series No 008/2012 Series A, Frankfurt am Main 2012, S. 1–30 Gornig, Gilbert: Die Verfassungsmäßigkeit der Entsendung von Bundeswehrsoldaten zu „Blauhelm“-Einsätzen, JZ 48 (1993), S. 123–128 Gramm, Christof: Bundeswehr als Luftpolizei: Aufgabenzuwachs ohne Verfassungsänderung?, NZWehrR 2003, S. 89–101 Gramm, Christof: Die Aufgaben der Bundeswehr und ihre Grenzen in der Verfassung, NZWehrR 2005, S. 133–146 Gramm, Christof: Der wehrlose Verfassungsstaat? Urteilsanmerkung zur Entscheidung des BVerfG zum LuftSiG vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05, DVBl 2006, 433, DVBl 2006, S. 653–661 Gramm, Christof: Die Stärkung des Parlaments in der Wehrverfassung, DVBl 2009, S. 1476–1480 Gramm, Christof: Die rechtliche Integration der Steitkräfte in den Staat des Grundgesetzes, NZWehrR 2011, S. 89–103 Gramm, Christof: Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur. Transformation der Streitkräfte im Kontext sicherheitspolitischer, gesellschaftlicher und organisatorischer Veränderungen, Die Verwaltung 41 (2008), S. 375–404 Grewe, Wilhelm G.: Auswärtige Gewalt, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Das Handeln des Staates, Band 3, 1. Aufl., Heidelberg 1988, § 77

Literaturverzeichnis275 Grewe, Wilhelm G.: Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1953), S. 129–178 Grewe, Wilhelm G.: Zum Verfassungsrecht der auswärtigen Gewalt, AöR 112 (1987), S. 521–543 Grimm, Dieter: Verfassung, in: Dieter Grimm (Hrsg.), Die Zukunft der Verfassung, Frankfurt am Main 1991, S. 11–28 Gröpl, Christoph/Georg, Yves: Die Begriffe „Eltern“ und „Familie“ in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus methodischer und verfassungstheoretischer Sicht. Zu den Grenzen zwischen Verfassungsauslegung und Verfassungsrevision, AöR 139 (2014), S. 125–151 Grzeszick, Bernd: Art. 87a GG, in: Karl Heinrich Friauf/Wolfram Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 4, 17. EL, Berlin 2006 Grzeszick, Bernd: Staat, Verfassung und Einheit der Rechtsordnung. Zur Suche nach der verlorenen Einheit des Rechts, in: Otto Depenheuer (Hrsg.), Staat im Wort. Festschrift für Josef Isensee zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2007, S. 93–110 Grzeszick, Bernd: Art. 20 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 57. EL, München 2010 Grzeszick, Bernd: Ungeschriebenes Verfassungsrecht, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, Tübingen 2010, S. 417–452 Grzeszick, Bernd: Die Teilung der staatlichen Gewalt, Paderborn 2013 Günther, Thomas: Zum Einsatz der Bundeswehr im Ausland, in: Markus Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie. Beiträge über die Regelungen zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, Tübingen 2003, S. 329–363 Häberle, Peter: Zeit und Verfassung, ZfP 1974, S. 111–137 Häberle, Peter: Artenreichtum und Vielschichtigkeit von Verfassungstexten, eine vergleichende Typologie, in: Walter Haller/Alfred Kölz/Georg Müller/Daniel Thürer (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Häfelin zum 65. Geburtstag, Zürich 1989, S. 225–255 Häberle, Peter: Verfassungstheorie ohne Naturrecht, AöR 99 (1974), S. 437–463 Haenel, Albert: Deutsches Staatsrecht. Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt, Band 1, Berlin 1892 Hailbronner, Kay: Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), S. 7–37 Hailbronner, Michaela: We the experts. Die geschlossene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, Der Staat 53 (2014), S. 425–443 Hain, Karl-Eberhard: Art. 79 GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 20 bis 82, Band 2, 6. Aufl., München 2010 Harnisch, Sebastian: Internationale Politik und Verfassung. Die Domestizierung der deutschen Sicherheits- und Europapolitik, Baden-Baden 2006 Hart, Herbert L. A.: Der Begriff des Rechts. Mit dem Postskriptum von 1994 und einem Nachwort von Christoph Möllers, 1. Aufl., Berlin 2011

276 Literaturverzeichnis Hassemer, Winfried: Gesetzesbindung und Methodenlehre, ZRP 2007, S. 213–219 Hazdra, Peter: Humanitärer Beitrag zum Peacekeeping: Die UN-Mission in Kambod­ scha, in: Bernhard Chiari/Magnus Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010, S. 32–49 Heintschel von Heinegg, Wolff (Hrsg.): Casebook Völkerrecht, München 2005 Heintschel von Heinegg, Wolff: Friedenssicherung und friedliche Streitbeilegung, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl., München 2014 Heintschel von Heinegg, Wolff: Art. 24 GG, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 30. Aufl., München 2015 Heintschel von Heinegg, Wolff: Art. 32 GG, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 30. Aufl., München 2015 Heintschel von Heinegg, Wolff/Haltern, Ulrich: The Decision of the German Federal Constitutional Court of 12 July 1994 in Re Deployment of the German Armed Forces ‚Out of Area‘, NILR 41 (1994), S. 285–311 Heintze, Hans-Joachim/Ipsen, Knut (Hrsg.): Heutige bewaffnete Konflikte als He­ rausforderungen an das humanitäre Völkerrecht, Berlin 2011 Herdegen, Matthias: Art. 79 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 72. EL, München 2014 Herdegen, Matthias: Völkerrecht, 15. Aufl., München 2016 Herdegen, Matthias: Verfassungsinterpretation als methodische Disziplin, JZ 59 (2004), S. 873–879 Hernekamp, Karl-Andreas: Art. 87a GG, in: Ingo von Münch/Philipp Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 6. Aufl., München 2012 Herzog, Roman: Art. 65 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 53. EL, München 2008 Hesse, Konrad: Grenzen der Verfassungswandlung, in: Horst Ehmke (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Scheuner zum 70. Geburtstag, Berlin 1973, S. 123–141 Hesse, Konrad: Funktionelle Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Recht als Prozess und Gefüge. Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, Bern 1981, S. 261–272 Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Heidelberg 1995 Hesse, Konrad: Verfassungsrechtsprechung im geschichtlichen Wandel, JZ 50 (1995), S. 265–273 Heun, Werner: Art. 87a GG, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 3, 2. Aufl., Tübingen 2008 Heun, Werner: Die Stellung des Bundespräsidenten im Licht der Vorgänge um die Auflösung des Bundestages, AöR 109 (1984), S. 13–36 Heun, Werner: Original Intent und Wille des historischen Verfassungsgebers, AöR 116 (1991), S. 185–209

Literaturverzeichnis277 Heun, Werner: Anmerkung, JZ 49 (1994), S. 1073–1075 Heusch, Andreas: § 31 BVerfGG, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens/FranzWilhelm Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2. Aufl., Heidelberg 2005 Freiherr von der Heydte, Friedrich August: Das Experiment „Bundeswehr“, in: Konrad Löw (Hrsg.), 25 Jahre Grundgesetz. Ein Zwischenzeugnis, Köln 1974, S. 55–68 Hillgruber, Christian: Art. 87a GG, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens (Hrsg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band 2, Heidelberg 2002 Hillgruber, Christian: Verfassungsinterpretation, in: Otto Depenheuer/Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, Tübingen 2010, S. 505–534 Hillgruber, Christian: Art. 24 GG, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Hans Hofmann/ Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 13. Aufl., Köln 2014 Hillgruber, Christian/Goos, Christoph: Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl., Heidelberg 2015 Hitzel-Cassagnes, Tanja: Rechtsstaatliche Domestizierung der Außenpolitik?, KJ 2000, S. 63–85 Hobe, Stephan: Der offene Verfassungsstaat zwischen Souveränität und Interdependenz. Eine Studie zur Wandlung des Staatsbegriffs der deutschsprachigen Staatslehre im Kontext internationaler institutionalisierter Kooperation, Berlin 1998 Hobe, Stephan: Völkerrecht im Zeitalter der Globalisierung. Perspektiven der Völkerrechtsentwicklung im 21. Jahrhundert, Köln 1999 Hobe, Stephan: Der kooperationsoffene Verfassungsstaat, Der Staat 34 (1998), S. 521–546 Hochhuth, Martin: Militärische Bundesintervention bei inländischem Terrorakt – Verfassungsänderungspläne aus Anlaß des 11. September 2001, NZWehrR 2002, S. 154–167 Hoffmann, Christiane: Der falsche Krieg, Der Spiegel vom 05. Dezember 2015, S. 6 Hoffmann, Gerhard: Art. 79 Abs. 1 und 2 GG, in: Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff/Christian Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 10, 51. EL, Heidelberg 1986 Hoffmann, Oskar: Bundeswehr und UN-Friedenssicherung. Die friedenssichernden Massnahmen der Vereinten Nationen und die Frage einer Beteiligung deutscher Streitkräfte – völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und politische Probleme, Bern/Pieterlen 1991 Hoffmann-Riem, Wolfgang: Beharrung oder Innovation – Zur Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, Der Staat 13 (1974), S. 335–364 Hofmann, Hasso: Die Entwicklung des Grundgesetzes von 1949 bis 1990, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Historische Grund­ lagen, Band 1, 3. Aufl., Heidelberg 2003, § 9

278 Literaturverzeichnis Hofmann, Hasso: Änderungen des Grundgesetzes. Erfahrungen eines halben Jahrhunderts, in: Reinhard Damm/Peter W. Heermann/Rüdiger Veil (Hrsg.), Festschrift für Thomas Raiser zum 70. Geburtstag, Berlin 2005, S. 859–870 Hollerbach, Alexander: Auflösung der rechtsstaatlichen Verfassung? Zu Ernst Forsthoffs Abhandlung „Die Umbildung des Verfassungsgesetzes“, AöR 85 (1960), S. 241–270 Holzner, Thomas: Die normative Kraft des Faktischen. Die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG – stiller Verfassungswandel hin zu einem Selbstauflösungsrecht?, Berlin 2009 Hönnige, Christoph: Impliziter Verfassungswandel durch das Bundesverfassungsgericht in gesellschaftlichen und politischen Fragen, in: Christoph Hönnige/Sascha Kneip/Astrid Lorenz (Hrsg.), Verfassungswandel im Mehrebenensystem, Wies­ baden 2011, S. 249–271 Hopfauf, Axel: Zur Entstehung des Art. 87a II GG, ZRP 1993, S. 321–324 Huber, Hans: Probleme des ungeschriebenen Verfassungsrechts, in: Kurt Eichenberger/Richard Bäumlin/Jörg P. Müller (Hrsg.), Rechtstheorie, Verfassungsrecht, Völkerrecht. Ausgewählte Aufsätze 1950–1970. Zum 70. Geburtstag des Verfassers, Bern 1971, S. 329–348 Hufeld, Ulrich: Die Verfassungsdurchbrechung. Rechtsproblem der Deutschen Einheit und der europäischen Einigung, Berlin 1997 Institut für Staatslehre und Politik e. V. Mainz (Hrsg.): Der Kampf um den Wehrbeitrag, 3 Bände, München 1952/53/58 International Commission on Intervention and State Sovereignty (Hrsg.): The Re­ sponsibility to Protect. Report of the International Commission on Intervention and State Sovereignty, 2001 Ipsen, Knut: Art. 87a GG, in: Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff/Christian Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 11, 22. EL, Heidelberg 1969 Ipsen, Knut: Bündnisfall und Verteidigungsfall, DÖV 1971, S. 583–588 Ipsen, Knut: Der Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung, im Spannungs- und Verteidigungsfall sowie im internen bewaffneten Konflikt, in: Klaus-Dieter Schwarz (Hrsg.), Sicherheitspolitik, 3. Aufl., Bad Honnef-Erpel 1978, S. 615–637 Ipsen, Knut: Die rechtliche Institutionalisierung der Verteidigung im atlantischwesteuropäischen Raum, JöR 21 (1972), S. 1–53 Isensee, Josef: Verfassungsgarantie ethischer Grundwerte und gesellschaftlicher Konsens, NJW 1977, S. 545–551 Isensee, Josef: 7. Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission am 11. Fe­ bruar 1993 zum Thema Staatliche Souveränität und militärische Verteidigung, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Materialien zur Verfassungsdiskussion und zur Grundgesetzänderung in der Folge der deutschen Einigung. Anhörungen und Berichterstattergespräche, Band 2, Bonn 1996, S. 375–451

Literaturverzeichnis279 Isensee, Josef: Tonband-Wortprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. und 20. April 1994, in: Klaus Dau/Gotthardt Wöhrmann (Hrsg.), Der Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte. Eine Dokumentation des AWACS-, des Somalia- und des Adria-Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, Heidelberg 1996, S. 668– 787 Isensee, Josef: Der Selbstand der Verfassung in ihren Verweisungen und Öffnungen, AöR 138 (2013), S. 325–362 Jachmann, Monika: Art. 96 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 63. EL, München 2011 Jellinek, Georg: Verfassungsänderung und Verfassungswandlung. Eine staatsrechtlich-politische Abhandlung, Berlin 1906 Jestaedt, Matthias: Verfassungsgerichtspositivismus. Die Ohnmacht des Verfassungsgesetzgebers im verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat, in: Otto Depenheuer/ Markus Heintzen/Matthias Jestaedt/Peter Axer (Hrsg.), Nomos und Ethos. Festschrift für Josef Isensee zum 65. Geburtstag, Berlin 2002, S. 183–228 Jestaedt, Matthias: Selbstand und Offenheit der Verfassung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 264 Joffe, Josef: Zeitenwende, Die Zeit vom 03. Juli 2014, Nr. 28, S. 8 Joffe, Josef: Die Listenkrieger, Die Zeit vom 04. Februar 2016, Nr. 6, S. 8 Kadelbach, Stefan: Die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns bei der Beschlußfassung in internationalen Organisationen, in: Rudolf Geiger (Hrsg.), Neuere Probleme der parlamentarischen Legitimation im Bereich der auswärtigen Gewalt: Symposion vom 13. bis 15. Juni 2002 in Leipzig, Baden-Baden 2003, S. 41–57 Kadelbach, Stefan/Guntermann, Ute: Vertragsgewalt und Parlamentsvorbehalt, AöR 126 (2001), S. 563–587 Kamp, Karl-Heinz: Das neue Strategische Konzept der NATO. Entwicklungen und Perspektiven, APuZ 1999, S. 19–25 Karpen, Ulrich: Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes. Vom liberalen Rechtsstaat zum demokratischen Sozialismus, Berlin 1987 Kaufmann-Bühler, Werner: Art. 42 EUV, in: Eberhard Grabitz/Meinhard Hilf/Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 43. EL, München 2011 Kelsen, Hans: Wer soll Hüter der Verfassung sein?, Die Justiz 1930/31, S. 576–628 Kelsen, Hans: Allgemeine Staatslehre (Unveränd. fotomech. Nachdruck der 1. Aufl. 1925), Wien 1993 Kelsen, Hans: Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, VVDStRL 5 (1929), S. 30–88 Kempen, Bernhard: Art. 59 GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 20 bis 82, Band 2, 6. Aufl., München 2010

280 Literaturverzeichnis Kenntner, Markus: Grundgesetzwandel – Überlegungen zur Veränderung des Grundgesetzes und seines Bezugsrahmens, DÖV 1997, S. 450–457 Kersting, Klaus: Die Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung, NZWehrR 1982, S. 84–91 Keßelring, Agilolf: Bosnien-Herzegowina: Von UNPROFOR zu EUFOR Althea, in: Bernhard Chiari/Magnus Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010, S. 50–63 Khan, Daniel-Erasmus/Zöckler, Markus: Germans to the Front? or Le malade imaginaire, EJIL 3 (1992), S. 163–177 Kirchhof, Ferdinand: Verteidigung und Bundeswehr, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Aufgaben des Staates, Band 4, 3. Aufl., Heidelberg 2006, § 84 Kirchhof, Paul: Der Verteidigungsauftrag der deutschen Streitkräfte, in: Ulrich Beyer­lin/Michael Bothe/Rainer Hofmann/Ernst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung – Völkerrecht – Europarecht – Staatsrecht. Festschrift für Rudolf Bernhardt zum 70. Geburtstag, Berlin 1995, S. 797–824 Kirchhof, Paul: Die Identität der Verfassung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Verfassungsstaat, Band 2, 3. Aufl., Heidelberg 2004, § 21 Klatt, Matthias: Theorie der Wortlautgrenze. Semantische Normativität in der juristischen Argumentation, Baden-Baden 2004 Klein, Eckart: Bemerkungen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte, in: Andreas Fischer-Lescano/HansPeter Gasser/Thilo Marauhn/Natalino Ronzitti (Hrsg.), Festschrift für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 157–173 Klein, Eckart: Rechtsprobleme einer deutschen Beteiligung an der Aufstellung von Streitkräften der Vereinten Nationen, ZaöRV 34 (1974), S. 429–451 Klein, Eckart/Schmahl, Stefanie: Die neue NATO-Strategie und ihre völkerrecht­ lichen und verfassungsrechtlichen Implikationen, RuP 1999, S. 198–209 Klein, Franz: Art. 24 GG, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1. Aufl., Neuwied 1967 Klein, Friedrich: Von der föderativen zur stärker unitarischen Gestaltung des Finanzwesens in der Bundesrepublik Deutschland, in: Festschrift für Friedrich Giese zum 70. Geburtstag, Frankfurt am Main 1953, S. 61–134 Klein, Hans H.: Probleme der Bindung des „einfachen Richters“ an Entscheidungen des BVerfG, NJW 1977, S. 697–700 Klein, Hans H.: Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsstruktur. Vom Rechtsstaat zum Verfassungsstaat, in: Paul Kirchhof (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik. Festschrift für Franz Klein zum 65. Geburtstag, Köln 1994, S. 511–526

Literaturverzeichnis281 Klein, Hans H.: Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Peter Badura/ Rupert Scholz (Hrsg.), Symposium aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, München 1998, S. 49–74 Klein, Hans H.: Rechtsfragen des Parlamentsvorbehalts für Einsätze der Bundeswehr, in: Hans-Detlef Horn/Peter Häberle/Herbert Schambeck/Klaus Stern (Hrsg.), Recht im Pluralismus. Festschrift für Walter Schmitt Glaeser zum 70. Geburtstag, Berlin 2003, S. 245–265 Kloepfer, Michael: Verfassungsrecht. Grundlagen, Staatsorganisationsrecht, Bezüge zum Völker- und Europarecht, Band 1, München 2011 Kluth, Winfried: Die verfassungsrechtlichen Bindungen im Bereich der auswärtigen Gewalt nach dem Grundgesetz, in: Rudolf Wendt (Hrsg.), Staat, Wirtschaft, Steuern. Festschrift für Karl Heinrich Friauf zum 65. Geburtstag, Heidelberg 1996, S. 197–216 Knops, Kai-Oliver: Erste Stimme im Konzert: Bundesverfassungsgericht und die Bindungskraft seiner Entscheidungen, KritV 80 (1997), S. 38–58 Kokott, Juliane: Art. 59 Abs. 2 GG und einseitige völkerrechtliche Akte, in: Kay Hailbronner/Georg Ress/Torsten Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung. Festschrift für Karl Doehring zum 80. Geburtstag, Berlin 1989, S. 503–528 Kokott, Juliane: Art. 87a GG, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl., München 2014 Kötter, Matthias/Nolte, Jakob: Staatliche Verpflichtung zur Befreiung deutscher Geiseln im Ausland?, DÖV 2007, S. 186–195 Krajewski, Markus: Das „Parlamentsheer“ als Kollateralschaden des Irak-Kriegs?, AVR 41 (2003), S. 419–425 Kranenpohl, Uwe: Die Bedeutung von Interpretationsmethoden und Dogmatik in der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 48 (2009), S. 387–409 von Krause, Ulf: Die Bundeswehr als Instrument deutscher Außenpolitik, Wiesbaden 2013 Kreß, Claus: The External use of German Armed Forces – the 1994 Judgment of the Bundesverfassungsgericht, ICLQ 44 (1995), S. 414–426 Kreß, Claus: Die Rettungsoperation der Bundeswehr in Albanien am 14. März 1997 aus völker- und verfassungsrechtlicher Sicht, ZaöRV 57 (1997), S. 329–362 Kreuter-Kirchhof, Charlotte: Verfassungsgerichtsbarkeit im Dienst der Verfassung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 272 Krieger, Heike: Art. 87a GG, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu/Hans Hofmann/HansGünter Henneke (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 13. Aufl., Köln 2014 Kriele, Martin: § 218 StGB nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ZRP 1975, S. 73–79

282 Literaturverzeichnis Kriele, Martin: Theorie der Rechtsgewinnung entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, 2. Aufl., Berlin 1976 Kriele, Martin: Nochmals: Auslandseinsätze der Bundeswehr, ZRP 1994, S. 103–111 Krings, Günter/Burkiczak, Christian: Bedingt abwehrbereit? Verfassungs- und völkerrechtliche Aspekte des Einsatzes der Bundeswehr zur Bekämpfung neuer terroristischer Gefahren im In- und Ausland, DÖV 2002, S. 501–512 Krüger, Herbert: Verfassungswandlung und Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Konrad Hesse/Siegfried Reicke/Ulrich Scheuner (Hrsg.), Staatsverfassung und Kirchenordnung. Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 151–170 Kutscha, Martin: „Verteidigung“ – Vom Wandel eines Verfassungsbegriffs, KJ 2004, S. 228–240 Laband, Paul: Die Wandlungen der deutschen Reichsverfassung: Vortrag, gehalten in der Gehe-Stiftung zu Dresden am 16. März 1895, in: Gehe-Stiftung (Hrsg.), Jahrbuch der Gehe-Stiftung zu Dresden, Band 1, Dresden 1896, S. 149–186 Ladiges, Manuel: AWACS-Aufklärung unter Parlamentsvorbehalt, RuP 2009, S. 29– 36 Ladiges, Manuel: Reichweite des Verteidigungsbegriffs bei terroristischen Angriffen, HFR 2009, S. 19–29 Ladiges, Manuel: Art. 87a Abs. 2 GG im Lichte der neueren Rechtsprechung, UBWV 2010, S. 114–118 Ladiges, Manuel: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den Einsatz der Streitkräfte, JuS 2015, S. 598–604 Ladurner, Ulrich: Da sollen wir hin?, Die Zeit vom 23. Januar 2014, Nr. 5, S. 1 Lange, Klaus: Rechtskraft, Bindungswirkung und Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, JuS 1978, S. 1–8 Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., Berlin 1995 Lau, Jörg: Macht mal – ohne uns!, Die Zeit vom 24. März 2011, Nr. 13, S. 10 Lechner, Hans/Zuck, Rüdiger: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 7. Aufl., München 2015 Leibholz, Gerhard/von Mangoldt, Hermann: Art. 59 GG, JöR n. F. 1 (1951), S. 413– 416 Lenz, Christofer/Hansel, Ronald: § 31 BVerfGG, in: Christofer Lenz/Ronald Hansel (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl., Baden-Baden 2015 Lepper, Manfred: Die verfassungsrechtliche Stellung der militärischen Streitkräfte im gewaltengeteilten Rechtsstaat, Bielefeld 1962 Lerche, Peter: Stiller Verfassungswandel als aktuelles Politikum, in: Hans Spanner/ Peter Lerche/Hans Zacher/Peter Badura/Axel Freiherr von Campenhausen (Hrsg.), Festgabe für Theodor Maunz zum 70. Geburtstag, München 1971, S. 285–300

Literaturverzeichnis283 Lerche, Peter: Stil und Methode der verfassungsrechtlichen Entscheidungspraxis, in: Peter Badura/Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band 1, Tübingen 2001, S. 333–361 Limpert, Martin: Auslandseinsatz der Bundeswehr, Berlin 2002 Linke, Tobias: Innere Sicherheit durch die Bundeswehr? Zu Möglichkeiten und Grenzen der Inlandsverwendung der Streitkräfte, AöR 129 (2004), S. 498–541 Locke, John: Two treatises of government, 1689 Loewenstein, Karl: Verfassungsrecht und Verfassungsrealität. Beiträge zur Ontologie der Verfassungen, AöR 38 (1951/52), S. 387–435 Löwer, Wolfgang: Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Demokratie – Bundesorgane, Band 3, 3. Aufl., Heidelberg 2005, § 70 Lüddecke, René: Parlamentarisierung der nationalen Außenpolitik, Baden-Baden 2010 Lutze, Christian: Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrR 2003, S. 101–115 Lutze, Christian: Bewachung der Euro-Geldtransporte durch die Bundeswehr?, NZ WehrR 2003, S. 117–122 Lutze, Christian: Der Parlamentsvorbehalt beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte, DÖV 2003, S. 972–980 von Mangoldt, Hermann: Art. 24 GG, in: Hermann von Mangoldt (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., Berlin/Frankfurt am Main 1953 von Mangoldt, Hermann: Art. 59 GG, in: Hermann von Mangoldt (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., Berlin/Frankfurt am Main 1953 von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich: Art. 59 GG, in: Hermann von Mangoldt/ Friedrich Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Band 2, 2. Aufl., Berlin/Frankfurt am Main 1966 von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich: Art. 59a GG, in: Hermann von Mangoldt/ Friedrich Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Band 2, 2. Aufl., Berlin/Frankfurt am Main 1966 von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich: Art. 87a GG, in: Hermann von Mangoldt/ Friedrich Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Band 3, 2. Aufl., Berlin/Frankfurt am Main 1974 Masing, Johannes: Zwischen Kontinuität und Diskontinuität, Der Staat 44 (2005), S. 1–17 Maunz, Theodor: Präambel, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 29. EL, München 1991 Maunz, Theodor: Art. 93 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 33. EL, München 1997 Maurer, Hartmut: Staatsrecht I. Grundlagen, Verfassungsorgane, Staatsfunktionen, 6. Aufl., München 2010

284 Literaturverzeichnis Mayer, Christian: Die Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers, Baden-Baden 1996 Meiers, Franz-Josef: Von der Scheckbuchdiplomatie zur Verteidigung am Hindukusch. Die Rolle der Bundeswehr bei multinationalen Auslandseinsätzen 1990– 2009, ZFAS 2010, S. 201–222 Menzel, Eberhard: Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1953), S. 179–220 Menzel, Eberhard: Die Auswärtige Gewalt der Bundesrepublik in der Deutung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 40 (1953/54), S. 326–349 Meyer, Wolfgang: Art. 93 GG, in: Ingo von Münch/Philipp Kunig (Hrsg.), Grund­ gesetz Kommentar, Band 2, 6. Aufl., München 2012 Michael, Lothar: Die verfassungswandelnde Gewalt, RW 5 (2014), S. 426–480 Möllers, Christoph: Legalität, Legitimität und Legitimation des Bundesverfassungsgerichts, in: Matthias Jestaedt/Oliver Lepsius/Christoph Möllers/Christoph Schönberger (Hrsg.), Das entgrenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren Bundesverfassungsgericht, Berlin 2011, S. 281–422 Möllers, Christoph: Dogmatik der grundgesetzlichen Gewaltenteilung, AöR 132 (2007), S. 493–538 Montesquieu, Charles Louis de Secondat de: De l’esprit des lois, 1777 Morlok, Martin/Michael, Lothar: Staatsorganisationsrecht, 2. Aufl., Baden-Baden 2015 Mosler, Hermann: Die auswärtige Gewalt im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Hermann Mosler/Hans Ballreich (Hrsg.), Völkerrechtliche und staatsrechtliche Abhandlungen. Carl Bilfinger zum 75. Geburtstag, Köln 1954, S. 243–299 Mössner, Jörg Manfred: Bundeswehr in blauen Helmen. Verfassungsrechtliche Aspekte des Einsatzes von Bundeswehrsoldaten im Rahmen von UN-Peace-Keep­ ing-Forces, in: Ingo von Münch (Hrsg.), Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht. Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer zum 75. Geburtstag, Berlin 1981, S. 97–116 Müller, Friedrich: Normstruktur und Normativität. Zum Verhältnis von Recht und Wirklichkeit in der juristischen Hermeneutik, entwickelt an Fragen der Verfassungsinterpretation, Berlin 1966 Müller, Friedrich/Christensen, Ralph: Juristische Methodik. Grundlegung für die Arbeitsmethoden der Rechtspraxis, Band 1, 11. Aufl., Berlin 2013 Müller, Horst Joachim: Subjektive und objektive Auslegungstheorie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 17 (1962), S. 471–475 Mußgnug, Reinhard: Diskussionsbeitrag, in: Jochen Abr. Frowein/Torsten Stein (Hrsg.), Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen. Materialien des Kolloquiums vom 17./18.8.1989, Berlin 1990, S. 65–67 Nettesheim, Martin: Art. 59 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 54. EL, München 2009

Literaturverzeichnis285 Nettesheim, Martin: Verfassungsbindung der auswärtigen Gewalt, in: Josef Isensee/ Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Internationale Bezüge, Band 11, 3. Aufl., Heidelberg 2013, § 241 Nettesheim, Martin: Das kommunitäre Völkerrecht, JZ 57 (2002), S. 569–578 Nölle, Bernd: Die Verwendung des deutschen Soldaten im Ausland, Bonn 1973 Nolte, Georg: Eingreifen auf Einladung. Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes fremder Truppen im internen Konflikt auf Einladung der Regierung, Berlin 1999 Nolte, Georg: Bundeswehreinsätze in kollektiven Sicherheitssystemen – Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994, ZaöRV 54 (1994), S. 652–755 Nolte, Georg: Die „neuen Aufgaben“ von NATO und WEU: Völker- und verfassungsrechtliche Fragen, ZaöRV 54 (1994), S. 95–123 Nolte, Georg: Kosovo und Konstitutionalisierung: Zur humanitären Intervention der NATO-Staaten, ZaöRV 59 (1999), S. 941–960 Nonnenmacher, Günther: Ziele des Westens, FAZ vom 03. Mai 1999, Nr. 101, S. 1 Nonnenmacher, Günther: Durchbruch zur Ehrlichkeit, FAZ vom 03. Februar 2014, Nr. 28, S. 1 Oeter, Stefan: Systeme kollektiver Sicherheit, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Internationale Bezüge, Band 11, 3. Aufl., Heidelberg 2013, § 243 van Ooyen, Robert Christian: Die neue Welt des Krieges und das Recht: Out-ofarea-Einsätze der Bundeswehr im verfassungsfreien Raum, IPG 2002, S. 90–110 van Ooyen, Robert Christian: Das Bundesverfassungsgericht als außenpolitischer Akteur: von der „Out-of-Area-Entscheidung“ zum „Tornado-Einsatz“, RuP 2008, S. 75–86 van Ooyen, Robert Christian: Das Bundesverfassungsgericht im Politikfeld Öffent­ liche Sicherheit: Von „Schleyer“ zu „Luftsicherheit“, von „Out-of-Area“ zu „Parlamentsvorbehalt ‚Bundeswehreinsatz‘ G8-Gipfel“, in: Martin H. W. Möllers/ Robert Christian van Ooyen (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Öffentliche Sicherheit, Band 1: Grundrechte, Frankfurt am Main 2013, S. 19–34 van Ooyen, Robert Christian: Das Bundesverfassungsgericht und der Einsatz der Bundeswehr, Frankfurt am Main 2014 van Ooyen, Robert Christian: Das Bundesverfassungsgericht als außen- und sicherheitspolitischer Akteur. Etatistische Regierungsdomänen à la Hobbes/Locke und „kalte“ Verfassungsänderungen beim Aus- (und In)landseinsatz der Bundeswehr, in: Robert Christian van Ooyen/Martin H. W. Möllers (Hrsg.), Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System, 2. Aufl., Wiesbaden 2015, S. 665– 692 Ossenbühl, Fritz: Probleme und Wege der Verfassungsauslegung, DÖV 1965, S. 649–661 Pahl, Magnus: Die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation EUFOR RD Congo, in: Bernhard Chiari/Magnus Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010, S. 108–119

286 Literaturverzeichnis Paulus, Andreas/Leiß, Johann Ruben: Article 103, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Band 2, 3. Aufl., Oxford 2012 Payandeh, Mehrdad: Evakuierungseinsätze der Bundeswehr und Parlamentsbeteiligung, DVBl 2011, S. 1325–1330 Pechstein, Matthias: Der Golfkrieg – Völkerrechtliche und grundgesetzliche Aspekte, JURA 1991, S. 461–467 Pernice, Ingolf: Art. 59 GG, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 2. Aufl., Tübingen 2006 Pestalozza, Christian: Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl., München 1991 Peters, Anne: Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, Berlin 2001 Pfister, René/Repinski, Gordon: Nicht zur Seite schauen, Verteidigungsministerin von der Leyen über die neue Rolle der Bundeswehr in der Welt, Der Spiegel vom 27. Januar 2014, S. 19 Pieper, Stefan Ulrich: Art. 59 GG, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 30. Aufl., München 2015 Pieroth, Bodo: Geschichte des Grundgesetzes, in: Bodo Pieroth (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, Berlin 2000, S. 11–27 Pieroth, Bodo: Art. 87a GG, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 14. Aufl., München 2016 Poretschkin, Alexander: Streitkräfte im Sinne des Grundgesetzes, NZWehrR 2008, S. 103–111 Preuß, Ulrich K.: Die Bundeswehr – Hausgut der Regierung?, KJ 1993, S. 263–277 Pudlas, Florian/Brinkmann, Uwe: Der Schutz deutscher Staatsbürger im Ausland als verfassungsrechtliche Aufgabe der Streitkräfte im Rahmen der Personalverteidigung, JURA 2012, S. 426–431 Raap, Christian: Die Kontrolle der Streitkräfte durch das Parlament, JuS 1996, S. 980–983 Radbruch, Gustav/Zweigert, Konrad: Einführung in die Rechtswissenschaft, 12. Aufl., Stuttgart 1969 Rädler, Peter: Verfassungsgestaltung durch Staatspraxis. Ein Vergleich des deutschen und britischen Rechts, ZaöRV 58 (1998), S. 611–646 Rahe, Michael: Begriff und Bedeutung der Staatspraxis in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Frankfurt am Main 2011 Randelzhofer, Albrecht: Art. 24 Abs. 2 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 30. EL, München 1992 Randelzhofer, Albrecht: Art. 24 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 30. EL, München 1992 Randelzhofer, Albrecht/Nolte, Georg: Article 51, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Band 2, 3. Aufl., Oxford 2012

Literaturverzeichnis287 Rau, Markus: NATO’s New Strategic Concept and the German Federal Government’s Authority in the Sphere of Foreign Affairs: The Decision of the German Federal Constitutional Court of 22 November 2001, GYIL 44 (2001), S. 544–575 Rauch, Andreas M.: Auslandseinsätze der Bundeswehr, Baden-Baden 2006 Rauschning, Dietrich: Art. 59 GG, in: Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff/Christian Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 8, 143. EL, Heidelberg 2009 Rennert, Klaus: Legitimation und Legitimität des Richters, JZ 70 (2015), S. 529–538 Repinski, Gordon/Schult, Christoph: Auf der Rutschbahn, Der Spiegel vom 05. Dezember 2015, S. 34 Riedel, Norbert K.: Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland – verfassungsund völkerrechtliche Schranken, Bern/Pieterlen 1989 Robbers, Gerhard: Die Änderungen des Grundgesetzes, NJW 1989, S. 1325–1332 Röben, Volker: Außenverfassungsrecht. Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, Tübingen 2007 Röben, Volker: Der Einsatz der Streitkräfte nach dem Grundgesetz, ZaöRV 63 (2003), S. 585–603 Roellecke, Gerd: Prinzipien der Verfassungsinterpretation in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, Tübingen 1976, S. 22–49 Roellecke, Gerd: Identität und Variabilität der Verfassung, in: Otto Depenheuer/ Christoph Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, Tübingen 2010, S. 453–488 Roellecke, Gerd: Bewaffnete Auslandseinsätze – Krieg, Außenpolitik, Innenpolitik? Ein verfassungsänderndes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Der Staat 34 (1995), S. 415–428 Röhl, Klaus F./Röhl, Hans Christian: Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl., Köln 2008 Rojahn, Ondolf: Art. 24 GG, in: Ingo von Münch/Philipp Kunig (Hrsg.), Grund­ gesetz Kommentar, Band 1, 6. Aufl., München 2012 Rojahn, Ondolf: Art. 59 GG, in: Ingo von Münch/Philipp Kunig (Hrsg.), Grund­ gesetz Kommentar, Band 1, 6. Aufl., München 2012 Roßnagel, Alexander: Die Änderungen des Grundgesetzes. Eine Untersuchung der politischen Funktion von Verfassungsänderungen, Frankfurt am Main 1981 Roßnagel, Alexander: Verfassungsänderung und Verfassungswandel in der Verfassungspraxis, Der Staat 22 (1983), S. 551–577 Rozek, Jochen: Verfassungsrevision, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 257 Rühl, Lothar: Die Kräfte müssen konzentriert werden, FAZ vom 28. Dezember 1999, Nr. 302, S. 9

288 Literaturverzeichnis Rupp-von Brünneck, Wiltraut: Verfassungsgerichtsbarkeit und gesetzgebende Gewalt. Wechselseitiges Verhältnis zwischen Verfassungsgericht und Parlament, AöR 102 (1977), S. 1–26 Rüthers, Bernd/Fischer, Christian/Birk, Axel: Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 9. Aufl., München 2016 Sachs, Michael: Normtypen im deutschen Verfassungsrecht, ZG 1991, S. 1–26 Sachs, Michael: Art. 79 GG, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl., München 2014 Sachs, Michael: Einführung, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl., München 2014 Sattar, Majid: Nicht Moskau über Auslandseinsätze entscheiden lassen, FAZ vom 09. Februar 2016, Nr. 33, S. 4 Sauer, Heiko: Die NATO und das Verfassungsrecht: neues Konzept – alte Fragen, ZaöRV 62 (2002), S. 317–346 von Savigny, Friedrich Carl: System des heutigen Römischen Rechts, Band 1, Berlin 1840 Schäfer, Hans: Grundgesetz und Bundeswehr, NJW 1956, S. 529–533 Schemann, Eric: Verfassungsrechtliche Legitimation nichtmilitärischer Auslandseinsätze der Bundeswehr, Berlin 1998 Schenke, Wolf-Rüdiger: Verfassung und Zeit – von der „entzeiteten“ zur zeitgeprägten Verfassung, AöR 103 (1978), S. 566–602 Schenke, Wolf-Rüdiger: 40 Jahre Grundgesetz, JZ 44 (1989), S. 653–663 Scherrer, Philipp: Das Parlament und sein Heer. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz, Berlin 2010 Schiffbauer, Björn: Vorbeugende Selbstverteidigung im Völkerrecht. Eine systematische Ermittlung des gegenwärtigen friedenssicherungsrechtlichen Besitzstandes aus völkerrechtsdogmatischer und praxisanalytischer Sicht, Berlin 2012 Schlaffer, Rudolf J.: Die Bundeswehr auf dem Weg zur „Armee im Einsatz“, in: Bernhard Chiari/Magnus Pahl (Hrsg.), Auslandseinsätze der Bundeswehr, Paderborn 2010, S. 246–257 Schlaich, Klaus/Korioth, Stefan (Hrsg.): Das Bundesverfassungsgericht. Stellung, Verfahren, Entscheidungen, 10. Aufl., München 2015 Schlothauer, Reinhold: Zur Krise der Verfassungsgerichtsbarkeit. Neuere Ansätze zur Methodik der Verfassungsinterpretation, Frankfurt am Main 1979 Schmahl, Stefanie: Der Einsatz deutscher Streitkräfte unter der Ägide des Grundgesetzes, in: Horst Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes. Sechs Würzburger Vorträge zu 60 Jahren Verfassung, Berlin 2009, S. 107–136 Schmidt-Jortzig, Edzard: Verfassungsänderung für Bundeswehreinsätze im Innern Deutschlands?, DÖV 2002, S. 773–778 Schmidt-Radefeldt, Roman: Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration, Berlin 2005

Literaturverzeichnis289 Schmitt, Carl: Der Hüter der Verfassung, Tübingen 1931 Schneider, Hans: Zur authentischen Interpretation von Gesetzen, in: Rudolf Bernhardt/Wilhelm Karl Geck/Günther Jaenicke/Helmut Steinberger (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung. Internationale Gerichtsbarkeit. Menschenrechte. Festschrift für Hermann Mosler zum 70. Geburtstag, Berlin 1983, S. 849–856 Schneider, Hans-Peter: Verfassunggebende Gewalt, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 255 Schneider, Hans-Peter: Die Verfassung, AöR, Beiheft 1 (1974), S. 64–85 Schneider, Peter: Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 1–52 Schopohl, Ulrich: Der Außeneinsatz der Streitkräfte im Frieden, 1991 Schorkopf, Frank: Grundgesetz und Überstaatlichkeit. Konflikt und Harmonie in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands, Tübingen 2007 Schröder, Florian: Das parlamentarische Zustimmungsverfahren zum Auslandsein­ satz der Bundeswehr in der Praxis, Köln 2005 Schröder, Meinhard: Art. 65a GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 20 bis 82, Band 2, 6. Aufl., München 2010 Schulte-Bunert, Christoph: Grundrechtsschutz und Verteidigungsauftrag, Berlin 2013 Schultz, Marcus: Die Auslandsentsendung von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz zum Zwecke der Friedenswahrung und Verteidigung. Völker- und verfassungsrechtliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Einsatz deutscher Streitkräfte vom 12. Juli 1994, Bern/Pieterlen 1998 Schulze-Fielitz, Helmuth: Das Bundesverfassungsgericht im Netz seiner Rechtsprechung, DVBl 1982, S. 328–340 Schulze-Fielitz, Helmuth: Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Peter Badura/Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band 1, Tübingen 2001, S. 385–420 Schulze-Fielitz, Helmuth: Verfassung als Prozeß von Verfassungsänderungen ohne Verfassungstextänderungen, in: Rainer Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation. Vorträge bei deutsch-japanischen Symposien in Tokyo 2004 und Freiburg 2005, Berlin 2008, S. 219–232 Schulze-Fielitz, Helmuth: Das Bundesverfassungsgericht in der Krise des Zeitgeists, AöR 122 (1997), S. 1–31 Schuppert, Gunnar Folke: Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, Königstein/Ts. 1980 Schuppert, Gunnar Folke: Verfassungswandel im Kontext. Aspekte einer Theorie des Verfassungswandels, in: Christoph Hönnige/Sascha Kneip/Astrid Lorenz (Hrsg.), Verfassungswandel im Mehrebenensystem, Wiesbaden 2011, S. 346–362

290 Literaturverzeichnis Schuppert, Gunnar Folke: Rigidität und Flexibilität von Verfassungsrecht. Über­ legungen zur Steuerungsfunktion von Verfassungsrecht in normalen wie in „schwierigen Zeiten“, AöR 120 (1995), S. 32–99 Schwacke, Peter: Juristische Methodik, 5. Aufl., Stuttgart 2011 Seiler, Christian: Art. 73 GG, in: Volker Epping/Christian Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 30. Aufl., München 2016 Shaw, Malcolm N.: International Law, 6. Aufl., Cambridge 2010 Sigloch, Daniel: Auslandseinsätze der deutschen Bundeswehr. Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Hamburg 2006 Simma, Bruno: NATO, the UN and the Use of Force: Legal Aspects, EJIL 10 (1999), S. 1–22 Smend, Rudolf: Das Bundesverfassungsgericht. Festvortrag zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts am 26. Januar 1962, in: Rudolf Smend (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl., Berlin 1968, S. 581–593 Smend, Rudolf: Verfassung und Verfassungsrecht, in: Rudolf Smend (Hrsg.), Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl., Berlin 1968, S. 119–276 Sohm, Stefan: Im Zweifel parlamentsfreundlich – Urteilsanmerkung zu 2 BvE 1/03 vom 7. Mai 2008, NZWehrR 2008, S. 235–243 Sommermann, Karl-Peter: Verfassungswandel im Prozess der europäischen Integration und der Globalisierung, in: Gerrit Manssen/Monika Jachmann/Christoph Gröpl (Hrsg.), Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2009, S. 796–806 Speth, Wolfgang: Rechtsfragen des Einsatzes der Bundeswehr unter besonderer Berücksichtigung sekundärer Verwendungen, München 1985 Spranger, Tade Matthias: Wehrverfassung im Wandel. Reformvorschläge und Reformbedarf, Baden-Baden 2003 Stam, Fabian: Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslands­ einsatz, Berlin 2014 Starck, Christian: Die Verfassungsauslegung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung – Internationale Beziehungen, Band 7, 1. Aufl., Heidelberg 1992, § 164 Starck, Christian: Maximen der Verfassungsauslegung, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Normativität und Schutz der Verfassung, Band 12, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 271 Stein, Torsten: Landesverteidigung und Streitkräfte im 40. Jahr des Grundgesetzes, in: Kay Hailbronner/Georg Ress/Torsten Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung. Festschrift für Karl Doehring zum 80. Geburtstag, Berlin 1989, S. 935– 949 Stein, Torsten: Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Friedenstruppen der Vereinten Nationen, in: Jochen

Literaturverzeichnis291 Abraham Frowein/Torsten Stein (Hrsg.), Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen. Materia­lien des Kolloquiums vom 17./18.8.1989, Berlin 1990, S. 17–30 Stein, Torsten/Kröninger, Holger: Bundeswehreinsatz im Rahmen von NATO-, WEU- bzw. VN-Militäraktionen – BVerfG v. 12.7.1994 – 2 BvE 3/93, 2 BvE 5/93, 2 BvE 7/93, 2 BvE 8/93, JA 1995, S. 254–262 Steinkamm, Armin A.: Zur humanitären Intervention, in: Knut Ipsen/Christian Raap/ Torsten Stein/Armin A. Steinkamm (Hrsg.), Festschrift für Klaus Dau zum 65. Geburtstag, Neuwied 1999, S. 261–288 Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung, Band II, München 1980 Stern, Klaus: Art. 93 GG, in: Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff/Christian Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 13, 44. EL, Heidelberg 1982 Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, Band I, 2. Aufl., München 1984 Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Grundlagen und Geschichte, nationaler und internationaler Grundrechtskonstitutionalismus, juristische Bedeutung der Grundrechte, Grundrechtsberechtigte, Grundrechtsverpflichtete, Band III/1, München 1988 Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Grundrechtstatbestand, Grundrechtsbeeinträchtigungen und Grundrechtsbegrenzungen, Grundrechtsverluste und Grundpflichten, Schutz der Grundrechte, Grundrechtskonkurrenzen, Grundrechtssystem, Band III/2, München 1994 Stern, Klaus: Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Burkhardt Ziemske/ Theo Langheid/Heinrich Wilms/Görg Haverkate (Hrsg.), Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag, München 1997, S. 411–429 Streinz, Rudolf: Wandlungen des Grundgesetzes unter dem Einfluss der Ebenen des Europarechts und des Völkerrechts, in: Christoph Hönnige/Sascha Kneip/Astrid Lorenz (Hrsg.), Verfassungswandel im Mehrebenensystem, Wiesbaden 2011, S. 130–157 Stricker, Gregor: Subjektive und objektive Grenzen der Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG, DÖV 1995, S. 978–985 Surholt, Alexa: Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Unter besonderer Berücksichtigung möglicher Amtspflichten aus dem humanitären Völkerrecht, der EMRK und den Grundrechten, Baden-Baden 2014 Thalmair, Roland: Die Bundeswehr im Ausland – eine offene Verfassungsrechtsfrage?, ZRP 1993, S. 201–205 Theiler, Olaf: Bundeswehr und NATO, in: Hans-Joachim Gießmann/Armin Wagner (Hrsg.), Armee im Einsatz: Grundlagen, Strategien und Ergebnisse einer Beteiligung der Bundeswehr, Baden-Baden 2009, S. 186–199

292 Literaturverzeichnis Thiele, Jan: Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Völker- und verfassungsrechtliche Aspekte, Frankfurt am Main 2011 Thomsen, Andreas: Der Parlamentsvorbehalt für den Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, Bonn 1988 Tomuschat, Christian: Verfassungsgewohnheitsrecht? Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1972 Tomuschat, Christian: Art. 24 GG, in: Wolfgang Kahl/Christian Waldhoff/Christian Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 6, 50. EL, Heidelberg 1985 Tomuschat, Christian: Staatsrechtliche Entscheidungen für die internationale Offenheit, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts: Internationale Bezüge, Band 11, 3. Aufl., Heidelberg 2013, § 226 Tomuschat, Christian: Deutscher Beitrag zu den VN-Friedenstruppen, AP 36 (1985), S. 272–283 Tomuschat, Christian: The Arabellion – Legal Features, ZaöRV 72 (2012), S. 447– 467 Uhle, Arnd: Art. 73 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 58. EL, München 2010 Uhle, Arnd: Art. 72 GG, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 76. EL, München 2015 Ulrich, Bernd: Die Stille vor dem Krieg, Die Zeit vom 03. Dezember 2015, Nr. 49, S. 1 Unruh, Peter: Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes. Eine verfassungstheoretische Rekonstruktion, Tübingen 2002 Varwick, Johannes: Bundeswehr, in: Siegmar Schmidt/Gunther Hellmann/Reinhard Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 246– 258 Varwick, Johannes: Nordatlantische Allianz, in: Siegmar Schmidt/Gunther Hellmann/ Reinhard Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 763–778 Graf Vitzthum, Wolfgang/Hahn, Daniel: Bundeswehr in den Auslandseinsatz und zurück! Übungsklausur zum Ersten Staatsexamen (Öffentliches Recht) – Lösungsvorschlag zu VBlBW 2004, 39, VBlBW 2004, S. 71–80 Volkmann, Uwe: Rechts-Produktion oder: Wie die Theorie der Verfassung ihren Inhalt bestimmt, Der Staat 54 (2015), S. 35–62 Voßkuhle, Andreas: Art. 93 GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Chris­ tian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 83 bis 146, Band 3, 6. Aufl., München 2010 Voßkuhle, Andreas: Art. 94 GG, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Chris­ tian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 83 bis 146, Band 3, 6. Aufl., München 2010

Literaturverzeichnis293 Voßkuhle, Andreas: Verfassungsstil und Verfassungsfunktion. Ein Beitrag zum Verfassungshandwerk, AöR 119 (1994), S. 35–60 Voßkuhle, Andreas: Gibt es und wozu nutzt eine Lehre vom Verfassungswandel?, Der Staat 43 (2004), S. 450–459 Wagner, Tobias M.: Parlamentsvorbehalt und Parlamentsbeteiligungsgesetz. Die Beteiligung des Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, Berlin 2010 Wahl, Rainer: Verfassungsänderung – Verfassungswandel – Verfassungsinterpretation II, in: Rainer Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation. Vorträge bei deutsch-japanischen Symposien in Tokyo 2004 und Freiburg 2005, Berlin 2008, S. 65–78 Wahl, Rainer (Hrsg.): Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation. Vorträge bei deutsch-japanischen Symposien in Tokyo 2004 und Freiburg 2005, Berlin 2008 Wahl, Rainer: Verfassungsgebung – Verfassungsänderung – Verfassungswandel I, in: Rainer Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation. Vorträge bei deutsch-japanischen Symposien in Tokyo 2004 und Freiburg 2005, Berlin 2008, S. 29–48 Walter, Christian: Article 52, in: Bruno Simma/Daniel-Erasmus Khan/Georg Nolte/ Andreas Paulus (Hrsg.), The Charter of the United Nations, Band 2, 3. Aufl., Oxford 2012 Walter, Christian: Hüter oder Wandler der Verfassung? Zur Rolle des Bundesverfassungsgerichts im Prozeß des Verfassungswandels, AöR 125 (2000), S. 517–550 Weingärtner, Dieter: Das Recht des Auslandseinsatzes der Bundeswehr – ein Überblick, in: Ina Wiesner (Hrsg.), Deutsche Verteidigungspolitik, 1. Aufl., BadenBaden 2013, S. 347–360 Wiefelspütz, Dieter: Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte und der konstitutive Parlamentsvorbehalt, Baden-Baden 2003 Wiefelspütz, Dieter: Sicherheit vor den Gefahren des internationalen Terrorismus durch den Einsatz der Streitkräfte?, NZWehrR 2003, S. 45–64 Wiefelspütz, Dieter: Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr auf See, NZWehrR 2005, S. 146–163 Wiefelspütz, Dieter: Das Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18.3.2005, NVwZ 2005, S. 496–500 Wiefelspütz, Dieter: Das Parlamentsheer. Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, der konstitutive Parlamentsvorbehalt und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, Berlin 2005 Wiefelspütz, Dieter: Die Abwehr terroristischer Anschläge und das Grundgesetz: Polizei und Streitkräfte im Spannungsfeld neuer Herausforderungen, Frankfurt am Main 2007 Wiefelspütz, Dieter: Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrR 2007, S. 12–21

294 Literaturverzeichnis Wiefelspütz, Dieter: Das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das Wehrverfassungsrecht, DÖV 2010, S. 73–80 Wiefelspütz, Dieter: Der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt, HFR 2010, S. 230–249 Wiefelspütz, Dieter: Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2012 Wiefelspütz, Dieter: Hände weg vom Parlamentsheer!, Die Friedens-Warte 2012, S. 16–21 Wiefelspütz, Dieter: Der Auslandseinsatz der Bundeswehr gegen den grenzüberschreitenden internationalen Terrorismus, ZaöRV 65 (2005), S. 819–835 Wiefelspütz, Dieter: Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 132 (2007), S. 44–94 Wieland, Joachim: Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen für einen Einsatz der Bundeswehr, DVBl 1991, S. 1174–1182 Wieland, Joachim: Art. 93 GG, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 3, 2. Aufl., Tübingen 2008 Wieland, Joachim: Die Entwicklung der Wehrverfassung, in: Rainer Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation. Vorträge bei deutsch-japanischen Symposien in Tokyo 2004 und Freiburg 2005, Berlin 2008, S. 165–172 Wild, Michael: Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen für Auslandseinsätze der Bundeswehr nach dem Kosovo-Krieg – Versuch einer Systematisierung, DÖV 2000, S. 622–631 Wilhelm, Andreas: Außenpolitik: Grundlagen, Strukturen und Prozesse, München 2006 Windthorst, Kay: Art. 87a GG, in: Christoph Gröpl/Kay Windthorst/Christian von Coelln (Hrsg.), Studienkommentar Grundgesetz, 2. Aufl., München 2015 Winterhoff, Christian: Verfassung – Verfassunggebung – Verfassungsänderung. Zur Theorie der Verfassung und der Verfassungsrechtserzeugung, Tübingen 2007 Wittinger, Michaela: Verfassungen, internationale Verträge und das Recht der Europäischen Union im Wandel, in: Michaela Wittinger/Rudolf Wendt/Georg Ress (Hrsg.), Festschrift für Wilfried Fiedler zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 739– 758 Wolff, Heinrich Amadeus: Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, Tübingen 2000 Wolfrum, Rüdiger: Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), S. 38–66 Wollenschläger, Ferdinand: Art. 24 GG, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 3. Aufl., Tübingen 2015 Wollenschläger, Ferdinand: Art. 32 GG, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 3. Aufl., Tübingen 2015

Literaturverzeichnis295 Wollenschläger, Ferdinand: Art. 59 GG, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 3. Aufl., Tübingen 2015 Würtenberger, Thomas: Zur Legitimität des Verfassungsrichterrechts, in: Bernd Guggenberger/Thomas Würtenberger (Hrsg.), Hüter der Verfassung oder Lenker der Politik?, Baden-Baden 1998, S. 57–80 Würtenberger, Thomas: Auslegung von Verfassungsrecht – realistisch betrachtet, in: Joachim Bohnert/Christof Gramm/Urs Kindhäuser/Joachim Lege/Alfred Rinken/ Gerhard Robbers (Hrsg.), Verfassung – Philosophie – Kirche. Festschrift für Alexander Hollerbach zum 70. Geburtstag, Berlin 2001, S. 223–241 Würtenberger, Thomas: Verfassungsänderung und Verfassungswandel. Von der nationalen zu einer globalen Perspektive, in: Ferdinand Kirchhof/Hans-Jürgen Papier/Heinz Schäffer (Hrsg.), Rechtsstaat und Grundrechte. Festschrift für Detlef Merten zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2007, S. 77–90 Würtenberger, Thomas: Verfassungsänderung und Verfassungswandel. Von der na­tio­ nalen zu einer globalen Perspektive, in: Rainer Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation. Vorträge bei deutsch-japanischen Symposien in Tokyo 2004 und Freiburg 2005, Berlin 2008, S. 49–63 Würtenberger, Thomas: Rahmenbedingungen von normativer Kraft und optimaler Realisierung der Verfassung, in: Claudio Franzius/Stefanie Lejeune/Kai von Lewinski/Klaus Meßerschmidt/Gerhard Michael/Matthias Rossi/Theodor Schilling/ Peter Wysk (Hrsg.), Beharren. Bewegen. Festschrift für Michael Kloepfer zum 70. Geburtstag, Berlin 2013, S. 277–293 Würtenberger, Thomas: Verfassungsänderungen und Verfassungswandel des Grundgesetzes, Der Staat, Beiheft 20 (2012), S. 287–315 Ziekow, Jan: Abweichung von bindenden Verfassungsgerichtsentscheidungen?, NVwZ 1995, S. 247–250 Ziekow, Jan: Die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungs­ gerichts, JURA 1995, S. 522–529 Zippelius, Reinhold: Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band 2, Tübingen 1976, S. 108–124 Zippelius, Reinhold: Juristische Methodenlehre, 11. Aufl., München 2012 Zippelius, Reinhold/Würtenberger, Thomas: Deutsches Staatsrecht. Ein Studienbuch, 32. Aufl., München 2008 Zivier, Ernst R.: Der Kosovo – Einsatz als Präzedenzfall? Zum Strategischen Konzept der NATO vom 23./24. April 1999, RuP 1999, S. 210–216

Sachwortverzeichnis Auslandseinsätze  22, 27, 34, 43, 45, 48, 70, 84, 94, 107, 114, 118, 123, 125, 130, 141, 144, 163, 190, 221, 232, 244, 254, 257, 260 auswärtige Gewalt  66, 70, 76, 109, 117, 134, 138, 145, 146, 195, 224, 232 Bedeutungswandel  162, 165, 168, 256 Böckenförde, Ernst-Wolfgang  182, 195, 243 Bryde, Brun-Otto  191, 196, 207, 237 Bundestag  31, 73, 77, 84, 87, 89, 90, 92, 105, 107, 110, 113, 114, 119, 120, 122, 131, 133, 145, 156, 167, 170, 179, 222, 224, 232, 234, 235, 242 Bundesverfassungsgericht  162, 168, 253 –– Bindungswirkung  150 –– Interpretation  175 –– Legitimation zum Verfassungswandel  205 –– Verfassungswandel  217 Bundeswehr  20, 22, 31, 33, 38, 42, 43, 45, 48, 51, 63, 66, 84, 87, 94, 105, 112, 114, 120, 122, 130, 137, 139, 141, 143, 146, 163, 173, 194, 221, 226, 228, 231, 234, 247, 258, 260 Einsatz  141, 146, 193, 219, 224, 232, 247, 249, 250 –– Afghanistan  106 –– bewaffneter Streitkräfte  85, 114, 122 –– Definition  48 –– Libyen  120 –– Resolution des Sicherheitsrats  94 –– Türkei  113 –– zur Verteidigung  51, 249

Gefahr im Verzug  85, 116, 125, 126, 146, 235 Gewaltenteilung  79, 92, 118, 208 Interpretation  237, 257, 260 –– Grenzen  189 –– Methoden  176 –– und Verfassungswandel  182 –– Wortlaut  176, 197, 238 –– Ziel  179 Kompetenzverteilung  66, 70, 72, 76, 84, 89, 114, 144, 193, 232 Michael, Lothar  210, 214, 239, 256 NATO  21, 25, 31, 34, 37, 39, 42, 73, 87, 106, 113, 135, 141, 156 Normbereich  siehe Normprogramm Normprogramm  183, 185, 195, 238, 254, 264 Nothilfe  57, 143, 245 obiter dictum  48, 155 out-of-area  24, 31, 135, 235 Parlament  siehe Bundestag Parlamentsvorbehalt  64, 84, 104, 114, 117, 119, 121, 125, 128, 130, 131, 132, 135, 136, 137, 139, 146, 148, 195, 224, 232, 234, 238, 241, 254, 257, 259, 261 Rechtsfortbildung  166, 168, 183, 185, 201, 213, 243, 254, 264 Rettungseinsätze  59, 98, 120, 122, 130, 143, 245, 250, 262 Staatspraxis  24, 161, 170, 171, 201, 223, 234, 237, 245

Sachwortverzeichnis297 Streitkräfte  siehe Bundeswehr System gegenseitiger kollektiver Sicherheit  35, 38, 40, 62, 92, 99, 100, 108, 118, 122, 141, 193, 220, 223, 225 Terrorismus  21, 88 ultra vires  93, 109, 142, 144, 231, 261 Vereinte Nationen  23, 31, 37, 39, 72, 85, 94, 106, 115, 136, 142, 250 Verfassungsänderung  150, 172, 189, 202, 205, 210, 228, 253, 259, 260 Verfassungsdurchbrechung  174, 246 Verfassungswandel  18, 28, 150, 171, 174, 236, 244, 251, 260 –– Definition  187, 215, 252

–– durch das Bundesverfassungsgericht  217 –– Legitimation des Bundesverfassungsgerichts  205 –– Theorien  159 –– und Verfassungsänderung  189 –– und Verfassungsinterpretation  182 Verteidigung  20, 21, 23, 51, 88, 91, 132, 143, 221, 229, 249, 250  siehe Einsatz Vertragsfortentwicklung  92, 107, 110, 117, 144, 231 Völkerrecht  49, 52, 69, 95, 100, 110 Wehrverfassung  19, 29, 34, 43, 64, 66, 147, 229, 261 Wesentlichkeitslehre  81, 86, 93