Vater, Vater, Mutter, Kind - Ein Plädoyer für die rechtliche Mehrvaterschaft 9783161548390, 9783161548406, 3161548396

Kinder haben nicht selten zwei Vaterfiguren: Einen rechtlichen und sozialen Vater einerseits und einen leiblichen, aber

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Vater, Vater, Mutter, Kind - Ein Plädoyer für die rechtliche Mehrvaterschaft
 9783161548390, 9783161548406, 3161548396

Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel: Einführung
A. Problemaufriss – Forschungsfrage
B. These
C. Forschungsstand
D. Methode – Gang der Untersuchung
E. Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts
I. Kurzer Überblick über die Entwicklung des Kindeswohlbegriffs im BGB nach Inkrafttreten des Grundgesetzes
II. Funktionen des Kindeswohls
III. Inhalt des Kindeswohlprinzips
1. Vorrang der Kindesinteressen vor Elterninteressen – Elternautonomie
2. Berücksichtigung subjektiver Kindesinteressen – Einzelfallorientierte Gerechtigkeit
3. Der Wille des Kindes
IV. Das Kindeswohl als Zugangsvoraussetzung oder Schranke
1. Positive Kindeswohlprüfung
2. Negative Kindeswohlprüfung
V. Zusammenfassung
2. Kapitel: Die verfassungsrechtliche Dimension der rechtlichen Stellung des leiblichen Vaters
A. Das Grundgesetz
I. Der Schutz der Familie, Art. 6 Abs. 1 GG
1. Enger Familienbegriff
2. Neuer weiter Familienbegriff
3. Der „Familienfriede“ als verfassungsrechtliche Kategorie
II. Das Elternrecht, Art. 6 Abs. 2 GG
1. Biologischer Ansatz – Das Elternrecht als „natürliches“ und damit genetisch determiniertes Recht?
a. Auslegungsansätze zur „Natürlichkeit“ des Elternrechtes
b. Auslegung der „Natürlichkeit“ durch das Bundesverfassungsgericht
2. Insbesondere: Der leibliche (nicht rechtliche) Vater als Träger des Elternrechtes
a. Entwicklungen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
b. Die Einführung des § 1686a BGB als gesetzgeberische Wertentscheidung mit Einfluss auf das Verfassungsrecht
3. Gemischt sozial-biologischer Ansatz
4. Die sozial-familiäre Beziehung
5. Gemeinsame Elternschaft eines Mannes und einer Frau als zwingende Voraussetzung für den grundrechtlichen Schutz?
6. Die objektive Dimension des Elternrechts
7. Rechtliche Absicherung des Kindes durch Abbildung der sozial gelebten familiären Situation
8. Eventuelle Beschneidung des Elternrechtes durch weitere Person im Schutzbereich
9. Ausgestaltung des Zugangs zum Elternrecht durch den Gesetzgeber
III. Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG
1. Dogmatische Herleitung
2. Unmittelbare Grundrechtsbindung der Eltern durch das Recht des Kindes auf elterliche Pflege und Erziehung?
3. Folgerungen aus dem Grundrecht für den Staat
a. Abwehrfunktion
b. Schutzfunktion
B. Verfassungsmäßigkeit des § 1686a BGB
I. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG – Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung
II. Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG
III. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung
1. Schutzbereich des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung
2. Eingriff und mögliche Rechtfertigung
3. Zwischenergebnis
C. Der Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber
I. Grundgesetzlicher Gestaltungsspielraum
II. Menschenrechtliche Aspekte
3. Kapitel: Einfachrechtliche Positionen de lege lata
A. Begriffsbestimmung der verschiedenen beteiligten Personen
B. Abstammung
I. Bestandsaufnahme
1. Verwandtschaft im Sinne des § 1589 BGB
2. Zuordnungskriterien der Mutterschaft
3. Zuordnungskriterien der Vaterschaft
a. § 1592 Nr. 1 BGB
b. § 1592 Nr. 2 BGB
c. § 1592 Nr. 3 BGB
4. Zwischenergebnis: Vaterschaftszuordnungen und Kindeswohl
II. Prinzipien des Abstammungsrechtes
1. Genetische Abstammungskriterien
2. Soziale Abstammungskriterien
3. Statusprinzip
4. Ein-Vater-Prinzip
a. Hintergründe der existierenden Sperrwirkung
b. Imitationsbedürfnis des „natürlich“ Möglichen
c. Gesetzliches Novum durch § 1686a BGB: Bestehen zweier gerichtlich festgestellter Vaterschaften
d. Vergleich mit § 1598a BGB
5. Bindungskraft der Abstammungsprinzipien
C. Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft/ Rangverhältnis de lege lata und de lege ferenda/Möglichkeit zur Anfechtung der Vaterschaft
I. Das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB
1. Versicherung der Beiwohnung der Mutter während der Empfängniszeit
2. Sozial-familiäre Beziehung, § 1600 Abs. 2, 4 BGB
a. Verantwortung für das Kind tragen oder getragen haben
aa. Ehe des rechtlichen Vaters mit der Mutter
bb. Häusliche Gemeinschaft
cc. Widerlegbarkeit der Regelbeispiele
dd. Sozial-familiäre Beziehung jenseits der gesetzlichen Regelvermutungen
b. Kritik an der Auswahl der Regelbeispiele
c. Kritik an der mangelnden Gleichwertigkeit sozial-familiärer Beziehungen
d. Kindeswohlerwägungen im Rahmen der sozial-familiären Beziehung
e. Vorteile einer konkreten Kindeswohlbestimmung
3. Fristbestimmungen, § 1600b BGB
4. Anfechtungsobliegenheit für den leiblichen Vater bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen?
II. Bisherige Lösungsansätze für das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft
1. Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests
a. Erläuterungen
b. Stellungnahme gegen die Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests
2. Anfechtungsrecht des biologischen Vaters
3. Abschaffung der pater-est-Regel
4. Evidente Schwäche der Lösungsansätze
5. Einführung einer sekundären Vaterschaft
III. Die deutsche Regelung zur Vaterschaftsanfechtung im Spiegel der Rechtsprechung des EGMR
D. Zwischenergebnis: Widersprechen die Grundprinzipien des Abstammungsrechts einer Zuordnung des Kindes zu zwei Vätern?
E. Einfluss des § 1686a BGB auf das Abstammungsrecht
4. Kapitel: Regelungsvorschlag
A. Grundsätzliche Möglichkeit eines kindeswohlabhängigen Abstammungsrechtselementes
I. Generelles Kindeswohlprinzip des Kindschaftsrechts
II. Statusbegründende Kindeswohlerwägungen in der Rechtsprechung: insbesondere Anerkennung ausländischer Entscheidungen
III. Kindeswohlerwägungen im Vaterschaftsanfechtungsrecht, § 1600a IV BGB
IV. Statusbegründung nach Kindeswohlprüfung im Adoptionsrecht
V. Bereits gesetzlich verankerte plurale Elternform: die Volljährigenadoption, §§ 1767 ff. BGB
VI. Wirkungen der schwachen Adoption auch bei der Minderjährigenadoption in Stiefkindfällen
VII. Zusammenfassung
B. Abstammungsrecht de lege ferenda
I. Die Neuregelungen im Einzelnen
1. Terminologie
2. Notwendige Neuerungen im Abstammungsrecht
a. Materiell-rechtliche Erläuterungen
aa. Leibliche Vaterschaft als Voraussetzung
bb. Kindeswohldienlichkeit – Bedeutung für das Erfordernis der Minderjährigkeit bei Feststellung
cc. Das Widerspruchsrecht des Kindes, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat und nicht geschäftsunfähig ist
dd. Anfechtungsobliegenheit des leiblichen Vaters?
ee. Wahrung der Interessen des bisherigen rechtlichen Vaters
b. Das Erfordernis einer Probezeit
aa. Parallele zu § 1744 BGB
bb. Erfordernis aus Kindeswohlgesichtspunkten – Ausfluss aus § 1686a BGB und damit auch der Rechtsprechung des EGMR
c. Zuordnung des leiblichen Vaters an volljährige Kinder
aa. § 1600d Abs. 1 S. 6 BGB [E]
bb. Alternative: Verweis auf die Volljährigenadoption
d. Exkurs: Notwendigkeit eines Widerspruchsrechts des über 14 Jahre alten, nicht geschäftsunfähigen Kindes auch im Rahmen der Zwei-Eltern-Konstellation
e. Konsequenzen für die verwandtschaftlichen Beziehungen des Kindes
f. Verfahrensrechtliche Erläuterungen
aa. Antragsberechtigung des Kindes, des potentiellen leiblichen Vaters und der Mutter
bb. Antragsberechtigung des rechtlichen Vaters
cc. Abänderung des Feststellungsbeschlusses oder Wiederaufnahme des Verfahrens?
II. Fazit zum Abstammungsrecht de lege ferenda
C. Konsequenzen der doppelten Vaterschaft de lege ferenda
I. Notwendige Neuerungen im Sorgerecht
1. Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, § 1626a BGB
a. Abgabe gemeinschaftlicher Sorgeerklärungen, § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB
b. Heirat der Mutter, § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB
c. Familiengerichtliche Übertragung, § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB
2. Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge
a. Gemeinschaftliches Vertretungsrecht, § 1629 BGB
b. Anwendung von § 1628 BGB auch in Drei-Eltern-Konstellationen
c. Anwendung von § 1687 BGB
3. Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern, § 1671 BGB
a. Grundsätzliches
b. Anwendung von § 1671 BGB auch auf Drei-Eltern-Konstellationen
aa. Konstellation des § 1671 Abs. 1 BGB
bb. Konstellation des § 1671 Abs. 2 BGB
cc. § 1671 Abs. 5 BGB [E]
4. Kein Sorgerecht des leiblichen, auch rechtlichen Vaters, § 1687a BGB
5. Fazit zu sorgerechtlichen Fragestellungen de lege ferenda
II. Notwendige Neuerungen im Recht auf Umgang und Auskunft
1. Allgemeines zum Umgangsrecht eines Elternteiles
2. Geltung von § 1626 Abs. 3 BGB auch in Drei-Eltern-Konstellationen
3. Möglichkeit des Ausschlusses des Umgangsrechts
4. Streichung des § 1686a BGB
5. Auskunftsrecht, § 1686 BGB
6. Fazit zu umgangsrechtlichen Fragestellungen
III. Unterhaltsrechtliche Fragestellungen
1. Allgemeines
2. Haftung der Eltern für den Unterhalt des Kindes
a. Minderjährige Kinder
b. Volljährige Kinder
c. Ausfallhaftung eines Elternteiles
3. Maß des Kindesunterhalts
4. Anwendung des geltenden Rechts auf Drei-Eltern-Konstellationen
5. Fazit zu unterhaltsrechtlichen Fragestellungen
IV. Erbrechtliche Fragestellungen
1. Das Kind dreier Eltern als Erblasser
2. Die jeweiligen Elternteile als Erblasser
3. Fazit zu erbrechtlichen Fragestellungen
V. Verfahrensrechtliche Neuerungen
D. Zusammenfassung der Ergebnisse
E. Positive Folgen – insbesondere mit Blick auf die Rechtslage nach der Einführung von § 1686a BGB
I. Keine „Vaterschaft light“
II. Mehr Einzelfallgerechtigkeit
III. Keine Auslegung des „ernsthaften Interesses“ nötig
IV. Nützlichkeit der statusrechtlichen Zuordnung des leiblichen Vaters
V. Stringentes Konzept
5. Kapitel: Schlussbetrachtungen und Ausblick
A. Schlussbetrachtungen
I. Verfassungsrechtliche Dimension der Stellung des leiblichen Vaters
II. Einfachrechtliche Positionen
III. Regelungsvorschlag de lege ferenda
B. Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Studien zum Privatrecht Band 57

Ina Plettenberg

Vater, Vater, Mutter, Kind – Ein Plädoyer für die rechtliche Mehrvaterschaft

Mohr Siebeck

Ina Plettenberg, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg; 2013 Erste Juristische Prüfung; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte und Kirchenrecht der Universität Regensburg; seit 2015 Referendariat am Oberlandesgericht Nürnberg.

e-ISBN PDF 978-3-16-154840-6 ISBN 978-3-16-154839-0 ISSN 1867-4275 (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­ wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Neuffen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat vorliegende Arbeit im Sommersemester 2016 als Dissertationsschrift angenommen. Mein allererster Dank gilt meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Martin Löhnig, der die Arbeit betreut und auch das Erstgutachten erstellt hat. Während der Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl durfte ich sowohl fachlich als auch persönlich sehr viel von ihm lernen. Er hat meine Arbeit durch zahlreiche, äußerst wertvolle Gespräche bereichert und mir stets sämtliche wissenschaftliche Freiheit gewährt. Bei allen Mitarbeitern des Lehrstuhls möchte ich mich darüber hinaus für die herzliche, gewinnbringende und unvergessliche Arbeitsatmosphäre bedanken. Meinem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Anatol Dutta, M. Jur. (Oxford), danke ich für die zügige Erstellung seines Zweitgutachtens. Schließlich möchte ich mich besonders herzlich bei meiner gesamten Familie bedanken, von denen jeder auf seine ganz eigene, wundervolle Art zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen hat. Regensburg, im Mai 2016

Ina Plettenberg

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel: Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Problemaufriss – Forschungsfrage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. These  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 C. Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 D. Methode – Gang der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 E. Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts  . . . . . . . . . . 5 I. Kurzer Überblick über die Entwicklung des Kindeswohlbegriffs im BGB nach Inkrafttreten des Grundgesetzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionen des Kindeswohls  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhalt des Kindeswohlprinzips  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang der Kindesinteressen vor Elterninteressen – Elternautonomie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung subjektiver Kindesinteressen – Einzelfallorientierte Gerechtigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Wille des Kindes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Kindeswohl als Zugangsvoraussetzung oder Schranke  . . . . . . . . . 1. Positive Kindeswohlprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Negative Kindeswohlprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 7 7 8 9 10 11 12 12 13

2. Kapitel: Die verfassungsrechtliche Dimension der rechtlichen Stellung des leiblichen Vaters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 A. Das Grundgesetz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Der Schutz der Familie, Art. 6 Abs. 1 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Enger Familienbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neuer weiter Familienbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der „Familienfriede“ als verfassungsrechtliche Kategorie  . . . . . . . II. Das Elternrecht, Art. 6 Abs. 2 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Biologischer Ansatz – Das Elternrecht als „natürliches“ und damit genetisch determiniertes Recht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Auslegungsansätze zur „Natürlichkeit“ des Elternrechtes  . . . . . b. Auslegung der „Natürlichkeit“ durch das Bundesverfassungsgericht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 15 16 17 20 20 20 20

VIII



Inhaltsverzeichnis

2. Insbesondere: Der leibliche (nicht rechtliche) Vater als Träger des Elternrechtes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Entwicklungen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Einführung des § 1686a BGB als gesetzgeberische Wertentscheidung mit Einfluss auf das Verfassungsrecht  . . . . . 3. Gemischt sozial-biologischer Ansatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die sozial-familiäre Beziehung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gemeinsame Elternschaft eines Mannes und einer Frau als zwingende Voraussetzung für den grundrechtlichen Schutz?  . . . . . 6. Die objektive Dimension des Elternrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtliche Absicherung des Kindes durch Abbildung der sozial gelebten familiären Situation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Eventuelle Beschneidung des Elternrechtes durch weitere Person im Schutzbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Ausgestaltung des Zugangs zum Elternrecht durch den Gesetzgeber  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG  . 1. Dogmatische Herleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmittelbare Grundrechtsbindung der Eltern durch das Recht des Kindes auf elterliche Pflege und Erziehung?  . . . . . . . . . 3. Folgerungen aus dem Grundrecht für den Staat  . . . . . . . . . . . . . . . a. Abwehrfunktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Schutzfunktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 22 25 27 28 30 31 32 32 33 33 34 35 35 36 36

B. Verfassungsmäßigkeit des § 1686a BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG – Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung  . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff und mögliche Rechtfertigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

39 39 40 41 42 42

C. Der Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

I. Grundgesetzlicher Gestaltungsspielraum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Menschenrechtliche Aspekte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3. Kapitel: Einfachrechtliche Positionen de lege lata  . . . . . . . . . . . . . . 47 A. Begriffsbestimmung der verschiedenen beteiligten Personen  . . . . . . . . . 47 B. Abstammung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Inhaltsverzeichnis

I. Bestandsaufnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwandtschaft im Sinne des § 1589 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuordnungskriterien der Mutterschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuordnungskriterien der Vaterschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. § 1592 Nr. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. § 1592 Nr. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. § 1592 Nr. 3 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis: Vaterschaftszuordnungen und Kindeswohl  . . . II. Prinzipien des Abstammungsrechtes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Genetische Abstammungskriterien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Soziale Abstammungskriterien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Statusprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ein-Vater-Prinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Hintergründe der existierenden Sperrwirkung  . . . . . . . . . . . . . . b. Imitationsbedürfnis des „natürlich“ Möglichen  . . . . . . . . . . . . . c. Gesetzliches Novum durch § 1686a BGB: Bestehen zweier gerichtlich festgestellter Vaterschaften  . . . . . . . . . . . . . . d. Vergleich mit § 1598a BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bindungskraft der Abstammungsprinzipien  . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX 48 48 49 49 50 50 52 53 53 54 55 56 56 57 58 60 61 62

C. Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft/ Rangverhältnis de lege lata und de lege ferenda/Möglichkeit zur Anfechtung der Vaterschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versicherung der Beiwohnung der Mutter während der Empfängniszeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozial-familiäre Beziehung, § 1600 Abs. 2, 4 BGB  . . . . . . . . . . . . a. Verantwortung für das Kind tragen oder getragen haben  . . . . . . aa. Ehe des rechtlichen Vaters mit der Mutter  . . . . . . . . . . . . . . bb. Häusliche Gemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Widerlegbarkeit der Regelbeispiele  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Sozial-familiäre Beziehung jenseits der gesetzlichen Regelvermutungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kritik an der Auswahl der Regelbeispiele  . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kritik an der mangelnden Gleichwertigkeit sozial-familiärer Beziehungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Kindeswohlerwägungen im Rahmen der sozial-familiären Beziehung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Vorteile einer konkreten Kindeswohlbestimmung  . . . . . . . . . . . 3. Fristbestimmungen, § 1600b BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtungsobliegenheit für den leiblichen Vater bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bisherige Lösungsansätze für das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests  . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

a. Erläuterungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Stellungnahme gegen die Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtungsrecht des biologischen Vaters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschaffung der pater-est-Regel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Evidente Schwäche der Lösungsansätze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einführung einer sekundären Vaterschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die deutsche Regelung zur Vaterschaftsanfechtung im Spiegel der Rechtsprechung des EGMR  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 75 76 77 78 78 81

D. Zwischenergebnis: Widersprechen die Grundprinzipien des Abstammungsrechts einer Zuordnung des Kindes zu zwei Vätern?  . . . . 81 E. Einfluss des § 1686a BGB auf das Abstammungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . 82

4. Kapitel: Regelungsvorschlag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 A. Grundsätzliche Möglichkeit eines kindeswohlabhängigen Abstammungsrechtselementes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Generelles Kindeswohlprinzip des Kindschaftsrechts  . . . . . . . . . . . . . II. Statusbegründende Kindeswohlerwägungen in der Rechtsprechung: insbesondere Anerkennung ausländischer Entscheidungen  . . . . . . . . . III. Kindeswohlerwägungen im Vaterschaftsanfechtungsrecht, § 1600a IV BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Statusbegründung nach Kindeswohlprüfung im Adoptionsrecht  . . . . . V. Bereits gesetzlich verankerte plurale Elternform: die Volljährigenadoption, §§ 1767 ff. BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wirkungen der schwachen Adoption auch bei der Minderjährigenadoption in Stiefkindfällen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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86 89 89 89 90 91

B. Abstammungsrecht de lege ferenda  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

I. Die Neuregelungen im Einzelnen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Terminologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Notwendige Neuerungen im Abstammungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . 93 a. Materiell-rechtliche Erläuterungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa. Leibliche Vaterschaft als Voraussetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb. Kindeswohldienlichkeit – Bedeutung für das Erfordernis der Minderjährigkeit bei Feststellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 cc. Das Widerspruchsrecht des Kindes, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat und nicht geschäftsunfähig ist  96 dd. Anfechtungsobliegenheit des leiblichen Vaters?  . . . . . . . . . 97 ee. Wahrung der Interessen des bisherigen rechtlichen Vaters  . . 98 b. Das Erfordernis einer Probezeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa. Parallele zu § 1744 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Inhaltsverzeichnis

bb. Erfordernis aus Kindeswohlgesichtspunkten – Ausfluss aus § 1686a BGB und damit auch der Rechtsprechung des EGMR  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Zuordnung des leiblichen Vaters an volljährige Kinder  . . . . . . . aa. § 1600d Abs. 1 S. 6 BGB [E]  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Alternative: Verweis auf die Volljährigenadoption  . . . . . . . . d. Exkurs: Notwendigkeit eines Widerspruchsrechts des über 14 Jahre alten, nicht geschäftsunfähigen Kindes auch im Rahmen der Zwei-Eltern-Konstellation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Konsequenzen für die verwandtschaftlichen Beziehungen des Kindes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Verfahrensrechtliche Erläuterungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Antragsberechtigung des Kindes, des potentiellen leiblichen Vaters und der Mutter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Antragsberechtigung des rechtlichen Vaters  . . . . . . . . . . . . . cc. Abänderung des Feststellungsbeschlusses oder Wiederaufnahme des Verfahrens?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fazit zum Abstammungsrecht de lege ferenda  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

100 101 101 101 102 104 105 105 106 107 108

C. Konsequenzen der doppelten Vaterschaft de lege ferenda  . . . . . . . . . . . 109 I. Notwendige Neuerungen im Sorgerecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, § 1626a BGB  . . a. Abgabe gemeinschaftlicher Sorgeerklärungen, § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Heirat der Mutter, § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . c. Familiengerichtliche Übertragung, § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB  . . 2. Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge  . . . . . . . . . . . . . . . . a. Gemeinschaftliches Vertretungsrecht, § 1629 BGB  . . . . . . . . . . b. Anwendung von § 1628 BGB auch in Drei-Eltern-Konstellationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Anwendung von § 1687 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern, § 1671 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Anwendung von § 1671 BGB auch auf Drei-Eltern-Konstellationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Konstellation des § 1671 Abs. 1 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Konstellation des § 1671 Abs. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. § 1671 Abs. 5 BGB [E]  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kein Sorgerecht des leiblichen, auch rechtlichen Vaters, § 1687a BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit zu sorgerechtlichen Fragestellungen de lege ferenda  . . . . . . . II. Notwendige Neuerungen im Recht auf Umgang und Auskunft  . . . . . . 1. Allgemeines zum Umgangsrecht eines Elternteiles  . . . . . . . . . . . . 2. Geltung von § 1626 Abs. 3 BGB auch in Drei-Eltern-Konstellationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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111 112 113 114 114 115 116 117 117 119 119 120 120 121 122 123 123 124

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Möglichkeit des Ausschlusses des Umgangsrechts  . . . . . . . . . . . . . 4. Streichung des § 1686a BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auskunftsrecht, § 1686 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit zu umgangsrechtlichen Fragestellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterhaltsrechtliche Fragestellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung der Eltern für den Unterhalt des Kindes  . . . . . . . . . . . . . . a. Minderjährige Kinder  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Volljährige Kinder  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ausfallhaftung eines Elternteiles  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maß des Kindesunterhalts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwendung des geltenden Rechts auf Drei-Eltern-Konstellationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit zu unterhaltsrechtlichen Fragestellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erbrechtliche Fragestellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Kind dreier Eltern als Erblasser  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die jeweiligen Elternteile als Erblasser  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit zu erbrechtlichen Fragestellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfahrensrechtliche Neuerungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 125 125 126 126 126 127 127 127 128 128 128 131 132 132 133 134 134

D. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 E. Positive Folgen – insbesondere mit Blick auf die Rechtslage nach der Einführung von § 1686a BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Keine „Vaterschaft light“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mehr Einzelfallgerechtigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Auslegung des „ernsthaften Interesses“ nötig  . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nützlichkeit der statusrechtlichen Zuordnung des leiblichen Vaters  . . V. Stringentes Konzept  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 136 136 137 138

5. Kapitel: Schlussbetrachtungen und Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 A. Schlussbetrachtungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

I. Verfassungsrechtliche Dimension der Stellung des leiblichen Vaters  . . 140 II. Einfachrechtliche Positionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Regelungsvorschlag de lege ferenda  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

B. Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

1. Kapitel

Einführung A.  Problemaufriss – Forschungsfrage Die Pluralisierung der Bezugspersonen für Kinder ist gesellschaftliche Realität. Familienstrukturen weichen auf, Trennung und Scheidung sind längst innerhalb der gesellschaftlichen Mitte angelangt. Hohe Scheidungsraten führen zu Zweitoder Drittpartnerschaften, deren Beteiligte als neue Bezugspersonen für Kinder in die Rolle des Elternteiles einrücken, der aus dem Familienverbund ausscheidet. Das (Zusammen-)Leben von Kindern mit mehreren Elternteilen ist längst nicht mehr ein Phänomen, das nur vereinzelt und allenfalls in Regenbogenfamilien anzutreffen ist: Gerichte beschäftigen sich mit dem rechtlichen Vater, dem sozialen Vater, dem Stiefvater, dem nichtehelichen Vater, Eltern innerhalb einer Patchworkfamilie, gleichgeschlechtlichen Eltern, Pflegeeltern, Adoptiveltern, Leihmüttern, Samenspendern oder Eizellspenderinnen. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 schaffte erstmals ein Umgangsrecht von anderen Personen als den rechtlichen Eltern mit einem Kind (§ 1685 BGB): Großeltern, Geschwister (§ 1685 Abs. 1 BGB) sowie derzeitige oder ehemalige Ehegatten eines Elternteiles und andere Bezugspersonen, bei denen das Kind in Familienpflege gelebt hat (§ 1685 Abs. 2 BGB a. F.), besitzen ein Umgangsrecht mit dem Kind, wenn dies dem Kindeswohl dient. Anknüpfungspunkt für ein Umgangsrecht mit Großeltern und Geschwistern ist die rechtliche Verwandtschaft (§ 1589 Abs. 1 BGB). Das Umgangsrecht des ehemaligen Ehegatten eines Elternteiles sowie anderer Bezugspersonen wurde aus der gewachsenen tatsächlichen sozialen Nähe abgeleitet. Der leibliche, nicht rechtliche Vater kam allerdings nicht in den Genuss dieses Umgangsrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 20031 gebilligt und festgestellt, dass zwar auch der leibliche, nicht rechtliche Vater mit seinem Kind eine gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie bildet. Dies allerdings nur, wenn er mit dem Kind in einer soziafamiliären Beziehung steht. Infolgedessen wurde sämtlichen engen Bezugspersonen – also auch dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater – in § 1685 Abs. 2 BGB ein Umgangsrecht gewährt, wenn sie zum Kind eine sozial-familiäre Beziehung besaßen. Der Gesetzgeber übernahm den Begriff der sozial-familiären Beziehung und definierte 1 

BVerfG, FPR 2003, 471.

2

1. Kapitel – Einführung

ihn in § 1685 Abs. 2 BGB.2 Relevanz hat das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind nicht nur im Umgangs-, sondern auch im Abstammungsrecht erhalten. So ist die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater gemäß § 1600 Abs. 2 BGB gesperrt, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Einen nächsten Meilenstein zur Pluralisierung von Umgangspersonen hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters3 mit dem am 13. 07. 2013 in Kraft getretenen § 1686a BGB gesetzt. Diese Norm, die im Wesentlichen auf zwei Entscheidungen des EGMR beruht,4 spricht dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater unter bestimmten Voraussetzungen ein Umgangsrecht mit dem Kind und einen Auskunftsanspruch über die Verhältnisse des Kindes zu. Dabei hat das betreffende Kind einen rechtlichen (und sozialen) Vater, der allerdings nicht leiblicher Vater des Kindes ist. Daneben beansprucht der leibliche Vater ebenfalls Vaterrechte in Form von Umgang und Auskunft über das Kind. Voraussetzung für ein Umgangsrecht ist zudem, dass es dem Kindeswohl dient. Einen Auskunftsanspruch erhält der leibliche, nicht rechtliche Vater bereits dann, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Diese Norm setzt für ein Umgangsrecht erstmals etwas anderes voraus als die tatsächliche persönliche oder rechtliche Verbundenheit zwischen Anspruchsteller und Kind – die leibliche Vaterschaft genügt. Vor allem aber ist § 1686a BGB deshalb ein Meilenstein, weil er es erstmals ermöglicht, einem Kind neben dem rechtlichen Vater einen weiteren gerichtlich festgestellten, nur leiblichen Vater zuzuordnen. Dieser unterscheidet sich vom rechtlichen Vater in erster Linie dadurch, dass ihm keinerlei väterliche Pflichten auferlegt werden.

B. These Diese Regelung geht nicht weit genug. Der Gesetzgeber will einerseits die Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters stärken5, andererseits aber auch eine strenge Orientierung des gesamten Kindschaftsrechts am Kindeswohl gewährleisten. Daher müsste in bestimmten Fällen neben einer bereits bestehenden rechtlichen Vaterschaft eine zweite vollwertige rechtliche Vaterschaft des leiblichen Vaters etabliert werden können. Alleinige Voraussetzung hierfür wäre, dass diese doppelte Vaterschaft im Einzelfall dem Kindeswohl dient. Da 2  Die „sozial-familiäre Beziehung“ ist legal definiert als das aktuelle oder vergangene Tragen von tatsächlicher Verantwortung für das Kind. 3  BGBl. 2013 I, 2176. 4 Anayo./.Bundesrepublik Deutschland EGMR, NJW 2011, 3565; Schneider./.Bundesrepublik Deutschland EGMR, NJW 2012, 2781. 5  Dieser Wille kommt gerade durch die Einführung von § 1686a BGB zum Ausdruck, vgl. BT-Drucks. 17/12163.



C. Forschungsstand

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die lex lata jedoch strikt vom Ein-Vater-Prinzip ausgeht, ist dieses Ziel nur durch eine Gesetzesänderung zu erreichen. Die weiteren Ausführungen werden zeigen, dass ein solches Konzept nicht gegen das Grundgesetz verstoßen würde und der gesetzgeberische Aufwand für seine Umsetzung dieses Postulats nur sehr gering wäre. Der Vorschlag könnte sich dem Einwand ausgesetzt sehen, dass er die Multiplikation rechtlicher Vaterschaften ad infinitum ermöglichen würde. Dieser Einwand träfe jedoch nur dann zu, wenn alle sozialen Väter eines Kindes tatsächlich einbezogen würden. Der Gesetzgeber hat mit § 1686a BGB lediglich ein Tor hin zur Verrechtlichung der leiblichen Vaterschaft neben einer bestehenden anderweitigen rechtlichen Vaterschaft geöffnet. Diese sachlich gerechtfertigte Beschränkung ist zu respektieren.

C. Forschungsstand Den § 1686a BGB kennzeichnet die Asymmetrie von Rechten und Pflichten des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters. Diese Untersuchung will – unter den durch den Gesetzgeber geschaffenen Bedingungen – ein Regelungssystem entwickeln, das sich zum einen konsequent am Kindeswohl orientiert und zum anderen die Übernahme von Verantwortung eines jeden „Vaters“ gewährleistet. Bislang wurde noch kein derartiger Regelungsvorschlag erarbeitet. Ohne einen Bezug zur Einführung des § 1686a BGB herzustellen, widmen sich zwei kürzlich erschienene Monographien dem Phänomen der Mehrelternschaft.6 Beide Arbeiten sehen die Lösung des Problems, das sich aus der real gelebten Mehrelternschaft ergibt, aber nicht in der rechtlichen Gleichstellung beider Väter eines Kindes. Vielmehr werden in den Arbeiten lediglich die Probleme, welche das geltende Recht aufwirft, beschrieben und kritisch gewürdigt. Schröder7 schlägt die Einführung einer sekundären Vaterschaft vor. Hierdurch ergeben sich aber wiederum neue Fragestellungen, sodass diese Lösung nicht befriedigt.8 Ansonsten wurden lediglich einige Einführungsaufsätze zu der Frage veröffentlicht, in welchen einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Kontext der § 1686a BGB zu stellen sei.9 Noch behandeln nicht alle großen Kommentare 6  Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015; Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, 2015. 7  Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 249 ff. 8  Hierzu siehe Kap. 3. B. II. 2. e. 9  So vor allem: Peschel-Gutzeit, Der doppelte Vater – Kritische Überlegungen zum Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, NJW 2013, 2465; KlosterHarz, Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters auf Umgang und Auskunft – Umsetzung der Rechtsprechung des EGMR durch den deutschen Gesetzgeber, FamFR 2013, 337; Keuter, Neue Rechte für den biologischen Vater, ZKJ 2013, 484; Hammer, Das neue Verfahren betreffend das Umgangs- und Auskunftsrecht des leiblichen, nicht recht-

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1. Kapitel – Einführung

den § 1686a BGB. Wurde die Norm kommentiert, wurde sie durchweg kritisch gesehen.10 Die Kritik konzentriert sich allerdings mehr darauf, wie die EGMRRechtsprechung in das deutsche Familienrecht eingefügt wurde. Rauscher kritisiert den Weg des Gesetzgebers über ein Umgangs- und Auskunftsrecht des leiblichen Vaters und schlägt als einzig konsequenten Weg, einen Ausgleich zwischen sozialer Vaterschaft und rechtlicher Vaterschaft zu schaffen, vor, das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters nicht von einer bestehenden sozialfamiliären Beziehung abhängig zu machen. Diese Arbeit lehnt diesen Vorschlag ab und schlägt stattdessen mit der Multiplikation von rechtlicher Elternschaft einen Ausgleich zwischen allen Beteiligten vor, der sich tatsächlich am Kindeswohl orientiert. § 1686a BGB wurde auch dahingehend kritisiert, dass dem leiblichen Vater zwar Rechte eingeräumt werden, diese jedoch mit keinen Pflichten verbunden sind.11 Dieser Kritik kann ebenfalls durch die Einräumung einer vollwertigen rechtlichen Vaterstellung des leiblichen Vaters entgegengetreten werden. Denn ein solches Rechte- und Pflichtenungleichgewicht ergibt sich unmittelbar daraus, dass der Vater lediglich zu Umgang und Auskunft berechtigt ist. Bereits vor Einführung des § 1686a BGB hat sich Heiderhoff12 mit der Frage auseinandergesetzt, ob einem Kind de lege ferenda mehr als ein Vater zugeordnet werden kann, ohne dies näher auszuführen. Die folgende Untersuchung möchte dieses Gedankenexperiment vertiefen und perpetuieren. Zudem will sie helfen, das von vielen Autoren diagnostizierte Desiderat weiterer Reformen im Bereich der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters13 zu befriedigen.

D.  Methode – Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil behandelt den verfassungsrechtlichen Rahmen. Dabei wird die Prämisse aufgestellt und begründet, dass auch dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater das volle Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zusteht. Sodann wird das Kindschaftsrecht de lege lichen Vaters, FamRB 2013, 298; Lang, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, FPR 2013, 233; Hoffmann, Das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, FamRZ 2013, 1077; Büte, Das Umgangsrecht leiblicher, aber nichtrechtlicher Väter, FuR 2013, 676; Grziwotz, Umgangs- und Auskunftsrechte für den biologischen Vater, FF 2012, 382. 10 Staudinger/Rauscher, § 1686a BGB Rn. 4. 11  Peschel-Gutzeit, Der doppelte Vater – Kritische Überlegungen zum Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, NJW 2013, 2465 (2469). 12  Heiderhoff, Kann ein Kind mehrere Väter haben?, FamRZ 2008, 1901. 13  Hoffmann, Das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, FamRZ 2013, 1077 (1082); Büte, Das Umgangsrecht leiblicher, aber nichtrechtlicher Väter, FuR 2013, 676 (678).



E.  Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts

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lata an dieser Prämisse gemessen. Zuletzt wird anhand zentraler Bereiche des Familien- und Erbrechts gezeigt, dass und wie eine Pluralisierung der Vaterschaft auf einfachgesetzlicher Ebene etabliert werden kann.

E.  Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts Das Umgangsrecht des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters gemäß § 1686a BGB muss dem Kindeswohl dienen. Auch sonst begegnet man dem Begriff des „Kindeswohls“ im Kindschaftsrecht sehr häufig. Die Generalklausel des § 1697a BGB regelt, dass für sämtliche gerichtliche Entscheidungen das Kindeswohlprinzip gilt, soweit nichts anderes bestimmt ist. Auch die vorliegende Arbeit wird immer wieder hierauf Bezug nehmen. Daher ist es sinnvoll, den Begriff des Kindeswohls bereits an dieser Stelle näher zu erläutern, um die spätere Argumentation besser verstehen zu können. Zunächst wird ein kurzer Überblick über die geschichtliche Entwicklung des rechtlichen Verständnisses vom Wohl des Kindes gegeben, danach über die verschiedenen Funktionsweisen auf den unterschiedlichen rechtlichen Ebenen, denen der Begriff des Kindeswohls gerecht werden muss.

I.  Kurzer Überblick über die Entwicklung des Kindeswohlbegriffs im BGB nach Inkrafttreten des Grundgesetzes Im BGB fand das Wohl des Kindes bereits in seiner Urfassung vom 01. 01. 1900 Beachtung. § 1666 BGB a. F. hat Eingriffe des Staates in die väterliche Gewalt ermöglicht, wenn das geistige oder leibliche Wohl des Kindes durch Verhaltensweisen innerhalb der Sorgebeziehung beeinträchtigt wurde. Diese Norm wurde auch unter Geltung des Grundgesetzes in ihrer ursprünglichen Form beibehalten. § 1666 BGB eignet sich sehr gut dazu, die geschichtliche Entwicklung des Kindeswohlbegriffs zu erläutern, da diese Norm das Zentrum des einfachrechtlich ausgestalteten Wächteramtes, nunmehr abgeleitet aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG, darstellt. Sehr bedeutsam für die Entwicklung des Kindeswohlbegriffes im BGB war die Neustrukturierung des Eltern-Kind-Verhältnisses durch das Sorgerechtsgesetz, das am 18. 07. 1979 verabschiedet wurde und zum 01. 01. 1980 in Kraft trat.14 Ziel des Gesetzgebers war es insbesondere, das zuvor noch deutlich geregelte Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern umzuformen und das Eltern-Kind-Verhältnis nicht länger als Gewalt- sondern als Sorgeverhältnis zu begreifen. Das Familienrecht und vor allem das Kindschaftsrecht sollte angepasst werden an das familiäre Leitbild in der Gesell14 

BGBl. 1979 I, S. 1061.

6

1. Kapitel – Einführung

schaft, das sich seit 1900 deutlich gewandelt hatte.15 Eine sprachlich wichtige Neuerung des Gesetzes war folgerichtig die Änderung der „elterlichen Gewalt“ hin zur „elterlichen Sorge“. Dies war allerdings nicht die einzige rein sprachliche Veränderung, die der Gesetzgeber vorgenommen hat. Um den Charakter des Elternrechtes als Pflichtrecht besonders hervorzuheben, erfuhr die ursprüngliche Formulierung des § 1626 BGB („Der Vater und die Mutter […] haben das Recht und die Pflicht für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen“) eine neue Akzentuierung, indem es fortan heißen sollte: „Der Vater und die Mutter haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge).“16 Das Kind als selbstbestimmtes Individuum mit eigener Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) und einem eigenen Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)17 – auch und gerade im Verhältnis zu seinen Eltern – rückte ins Zentrum der Diskussionen des Rechts.18 Das Wohl des Kindes wurde insofern stärker in den Mittelpunkt gestellt, als es den Gerichten mit dieser Reform möglich gemacht wurde, einzuschreiten, wenn das Wohl des Kindes auch ohne elterliches Verschulden gefährdet wurde.19 Einen weiteren Meilenstein der Rechtsentwicklung des Kindeswohlbegriffes hat die Kindschaftsrechtsreform gesetzt,20 die am 01. 07. 1998 in Kraft getreten ist. Im Zentrum der Reform stand die Stärkung des Kindeswohls als Leitprinzip für das gesamte Kindschaftsrecht.21 Hiermit verbunden war auch die Abstraktion kindlicher Belange von der persönlichen oder rechtlichen Verbundenheit der Eltern – Art. 6 Abs. 5 GG sollte so Genüge getan werden. Um die Allgegenwärtigkeit des Kindeswohlprinzips in sämtlichen Belangen22 des Minderjährigen zu bekräftigen, wurde auch die Generalklausel des § 1697a BGB eingeführt, die den Gerichten auferlegt, so zu entscheiden, wie es dem Wohl des Kindes am besten entspricht.23 § 1697a BGB erfüllt seine Auffangfunktion („soweit“) immer dann, wenn spezielle Bestimmungen zum Kindeswohl fehlen. Seit 1998 hat es keine das Kindschaftsrecht betreffende Reform24 mehr gegeben, in der nicht das Kindeswohl – in welcher Ausprägung auch immer – 15 

BT-Drucks. 7/2060, S. 13. heutigen Fassung hat sich seither lediglich geändert, dass aus „Vater und Mutter“ die „Eltern“ wurden. 17  BVerfG, NJW 2008, 1287 (1288). 18 BT-Drucks. 7/2060, S. 13 ff.; Gernhuber, Elterliche Gewalt heute, FamRZ 1962, 85 (91 f.); Bosch, Volljährigkeit – Ehemündigkeit – Elterliche Sorge, FamRZ 1973, 489 (506 f.). 19  BT-Drucks. 7/2060, S. 28. 20  BGBl. 1997 I, S. 2942. 21  BT-Drucks. 13/4899, S. 29 f. 22  Die Norm beschränkt sich richtigerweise nicht auf sorgerechtliche Entscheidungen im engeren Sinn, sondern umfasst sämtliche kindschaftsrechtlichen Entscheidungen, MünchKommBGB/Olzen, § 1697a Rn. 2. 23  BT-Drucks. 13/4899, S. 110 f. 24  Hierbei sei an folgende Reformen gedacht: 2004 Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, 16  Zur



E.  Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts

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Beachtung gefunden hätte. Diese Entwicklungen verdeutlichen, welchen Stellenwert der Gesetzgeber diesem Prinzip beimisst: Das Kindeswohl als Eingriffsvoraussetzung, das Kindeswohl als Zutrittsvoraussetzung, das Kindeswohl als Entscheidungskriterium, das Kindeswohl in seiner Funktion als Anspruchsbegrenzung. Liest man die Normen des Kindschaftsrechts im BGB, dann darf das Kindeswohl in keinem Zusammenhang fehlen. Und sollte es an einer Stelle im Gesetz tatsächlich fehlen, dann greift die Auffangnorm des § 1697a BGB ein.

II.  Funktionen des Kindeswohls Der Kindeswohlbegriff hat verschiedene Funktionen zu erfüllen. Ein wichtiger Anwendungsbereich ist die Legitimation von Eingriffen in die elterliche Sorge, insbesondere wenn das Kindeswohl gefährdet ist (§§ 1666, 1666a BGB).25 Dadurch wird dem Kindeswohl – auch wenn es nicht ausdrücklich in der Verfassung normiert ist – verfassungsrechtliche Bedeutung beigemessen. Denn das Kindeswohl und seine Betroffenheit kann das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einschränken. Daneben fungiert das Kindeswohl aber auch als Entscheidungsmaxime für staatliches Handeln sowie für das Handeln der Eltern bei Ausübung der elterlichen Sorge (§ 1627 BGB). Die Eltern sind im Rahmen des fiduziarischen Sorgeverhältnisses befugt, den Kindeswohlbegriff – subjektiv auf ihr Kind bezogen – selbstständig in eigener Verantwortung auszufüllen. Eine Grenze für die elterliche Erziehungsautonomie bildet § 1666 BGB, der staatliches Einschreiten bei einer konkreten Kindeswohlgefährdung ermöglicht. Das Kindeswohl übernimmt im Gesetz unterschiedliche Funktionen. Unterschieden werden kann zunächst zwischen der positiven und der negativen Kindeswohlprüfung.

III.  Inhalt des Kindeswohlprinzips Das Kindeswohl als unbestimmter Rechtsbegriff ist so subjektiv determiniert, dass das Aufstellen einer allgemeingültigen Formel nur schwer möglich ist. Daher wird sich diesem Begriff durch das Ziehen von Richtlinien und LeitBGBl. 2004 I, S. 598, BT-Drucks. 15/2492; 2008 Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts, BGBl. 2007 I, S. 3189, BT-Drucks. 16/1830; 2008 Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren, BGBl. 2008 I, S. 441, BT-Drucks. 16/6561; 2008 Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls, BGBl. 2008 I, S. 1188, BT-Drucks. 16/6815; 2013 Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, BGBl. 2013 I, S. 795, BT-Drucks. 7/11048; 2013 Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, BGBl. 2013 I, S. 2176, BTDrucks. 17/12163. 25  Coester, Kindeswohl, S. 134.

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1. Kapitel – Einführung

planken genähert, innerhalb derer sich die Ausgestaltung des konkreten Kindeswohls bewegen kann. Man tut gut daran, justiziable Kriterien aufzustellen, im Rahmen derer sich das Verständnis eines objektivierbaren Maßstabes für das Kindeswohl bewegt. Das Gesetz selbst differenziert zwischen dem körperlichen, geistigen und seelischen Wohl des Kindes (§ 1666 Abs. 1 BGB). In der familienrechtlichen Literatur haben sich aber weitere Kriterien herausgebildet, um das konkrete Kindeswohl zu bestimmen. Allerdings ist es nicht möglich, das Kindeswohl nur juristisch zu bestimmen. Hierbei muss ebenfalls auf Kenntnisse aus anderen Fachbereichen, insbesondere der (Entwicklungs-) Psychologie, zurückgegriffen werden. Demnach ist der Begriff des Kindeswohls auch geprägt vom Kenntnisstand der Fachwelt zur jeweiligen Zeit.26 Aber auch beim Rückgriff auf die Erkenntnisse außerjuristischer Disziplinen verbietet sich die pauschale Übernahme von mehr oder weniger gesicherten Ansichten; vielmehr muss auch hier anhand der Erfahrungssätze im Wege von Sachverständigengutachten das Kindeswohl im Einzelfall für jedes Kind gesondert festgestellt werden. Weiter steht der Begriff des Kindeswohls auch in Relation zu der Norm, von der er jeweils verwendet wird. Beispielsweise werden für die Gewährung des Umgangsrechts mit einem Nicht-Elternteil andere Kriterien herangezogen als bei einer Adoption eines Minderjährigen, obwohl beides dem Kindeswohl dienen muss.

1.  Vorrang der Kindesinteressen vor Elterninteressen – Elternautonomie Zum einen beinhaltet das Kindeswohl im Eltern-Kind-Verhältnis, dass Kindesinteressen denen der Eltern vorgehen und die Eltern ihre Erziehung daran ausrichten sollen, was die persönliche Entwicklung und Entfaltung des Kindes individuell am besten fördert. Die staatliche Gewalt hat bei Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses stets die Interessen des Kindes zu berücksichtigen und sich von ihnen leiten zu lassen. Für gerichtliche Entscheidungen verdeutlicht dies § 1697a BGB. Der Vorrang der Kindesinteressen darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass familiäre Bedürfnisse in jedem Fall hinter die subjektiven Interessen des einzelnen Kindes zurücktreten müssen. Allerdings müssen andere Erwägungsgründe bei Entscheidungen, für die das Kindeswohl Relevanz hat, stets einen Bezug zum Wohl des Kindes aufweisen. In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff der Elternautonomie durchgesetzt. Außerhalb der Eingriffsbefugnisse, die dem Staat aufgrund seines verfassungsrechtlichen Wächteramtes zukommen, haben die Eltern das Recht, ihre Erziehung grundsätzlich frei auszuüben. Um die Privatheit der Kindererziehung in Abgrenzung zur Staatskindererziehung zu sichern, wird den Eltern ein staatlicher Interpretations- und Konkretisierungsprimat zugebilligt beider 26 Staudinger/Coester,

§ 1666 Rn. 66.



E.  Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts

9

Kindeswohlbestimmung für jedes einzelne Kind.27 Hält man sich das treuhänderische Pflichtendreieck von Staat – Eltern – Kind vor Augen, so sollte man sich stets bewusst machen, dass das Interpretationsprimat bei der Kindeswohlbestimmung erst einmal nur gegenüber dem Staat besteht. Im Verhältnis zum Kind nimmt die Interpretationsbefugnis mit steigendem Alter des Kindes stetig ab, bis sie schließlich mit Volljährigkeit des Kindes vollständig erlischt. So wie das Elternrecht die Eltern vor unzulässigen staatlichen Eingriffen schützt, so muss – um das Dreieck wieder zu schließen und daraus keine Hierarchie zu machen – das Kind ebenfalls vor unzulässigen Eingriffen seitens der Eltern geschützt werden. Hierfür liefert § 1666 BGB Grund und Grenze.

2.  Berücksichtigung subjektiver Kindesinteressen – Einzelfallorientierte Gerechtigkeit Das Aufstellen einer allgemein gültigen Formel zum Kindeswohl ist auch deswegen nur schwer möglich, weil es nicht das eine Kindeswohl gibt, sondern dieses sich immer nur am konkret von der Entscheidung betroffenen Kind orientieren kann. Es kann also durchaus auch innerhalb eines familiären Verbandes unterschiedliche Ausprägungen des Kindeswohlverständnisses geben – aufgrund der grundgesetzlich geschützten Individualität eines jeden Kindes muss es diese wohl auch geben. Freilich kann es sich dabei nur um feine Nuancen innerhalb der „breiten Hauptstraße des Kindeswohls“ handeln. Dennoch darf dieser Aspekt nicht aus den Augen verloren werden. Einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die subjektiven Interessen eines Kindes bilden Umfang und Art seiner gewachsenen Bindungen. Erkenntnissen aus der Entwicklungspsychologie kann entnommen werden, dass liebevolle und emotionale Bindungen für die Persönlichkeitsentwicklung sehr bedeutsam sind und daher die Herausnahme des Kindes aus seinem persönlichen Beziehungsgeflecht sogar traumatisierend wirken kann.28 Die Erziehung des Kindes zu einem eigenverantwortlichen und zugleich gemeinschaftsfähigen Individuum ist nur auf Grundlage liebe- und vertrauensvoller Bindungen des Kindes möglich.29 Eng verbunden mit den Prinzipien der Bindungstheorie ist die Frage nach Stabilität und Kontinuität gewachsener Kindesbindungen. Wenn den persönlichen Bindungen des Kindes ein solcher Stellenwert beigemessen wird, dann muss im Rahmen der Kindeswohlprüfung auch dafür gesorgt werden, dass diese Bindungen erhalten oder je nach Kontext auch gefördert werden. Dies ist insbesondere auch die Ratio des gesetzlich verankerten Umgangsrechts von Nicht-Eltern gemäß § 1685 BGB. Dabei ist bereits an dieser Stelle festzuhalten, 27 

Coester, Elternautonomie und Staatsverantwortung bei der Pflege und Erziehung von Kindern, FamRZ 1996, 1181 (1183). 28  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, S. 261 f. 29 Staudinger/Coester, § 1671 Rn. 215.

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1. Kapitel – Einführung

dass das Kind mehr als nur eine oder zwei Bindungsbeziehungen aufbauen kann, die schützenswert sind.30

3.  Der Wille des Kindes Vor allem die Diskussionen um das Kindeswohl seit den 1960er Jahren31 haben dazu geführt, dass zunehmend auch der Wille des Kindes als Bestandteil seines Wohls Beachtung findet. Die Berücksichtigung des kindlichen Willens ist Ausdruck der verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmung des Kindes. Der kindliche Wille ist umso stärker zu beachten, je mehr die Fähigkeit zur Selbstbestimmung mit dem Alter ansteigt.32 Auch die Eltern sind im Sorgeverhältnis gehalten, den Ausdruck des Kindeswillens zu berücksichtigen und zu fördern (§ 1626 Abs. 2 BGB). Dass der Kindeswille auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten ist, verdeutlicht der § 159 FamFG: in Kindschaftssachen ist das Kind stets anzuhören. Geht es um die Willensbetätigung des Kindes als Ausdruck seiner Selbstbestimmung, wird von den Fachgerichten vielmals eine Rückführung des Willens auf beachtliche oder vernünftige Gründe verlangt.33 Dieses Erfordernis ist insofern problematisch, als die Rechtsordnung an anderen Stellen ebenfalls keine rationale und/oder nachvollziehbare Begründung einer Entscheidung verlangt. Aus der fehlenden Begründung könnte man aber den Schluss ziehen, dass der Wille des Kindes unabhängig von rationalen Erwägungen möglicherweise nicht autonom gebildet wurde und eine illoyale Beeinflussung des Willens durch die Eltern zumindest nicht auszuschließen ist. Somit könnte man der Begründung der kindlichen Entscheidung eine wertende Komponente beimessen. Je schlüssiger und umfassender – den Umständen des Einzelfalles angemessen – eine Entscheidung über ein Kind begründet wird, desto eher ist davon auszugehen, dass diese dem Kindeswohl zuträglich ist.34 Die Beachtlichkeit des kindlichen Willens ist für jedes Kind eines Familienverbundes und jede Äußerung gesondert zu untersuchen. Zudem kann die Äußerung des kindlichen Willens als Indiz für seine psychosozialen Bindungen herangezogen werden.35 Insbesondere die Kundgabe sozialer Bindungen ist rational nicht zu begründen. Kindliche Bindungen als emotionale Empfindungen sind der Vernunft weitestgehend entzogen, soweit sie ein

30 

Bovenschen/Spangler, Wer kann Bindungsfigur eines Kindes werden?, FPR 2013, 187. Allen voran wird hierbei auf einen Vorstoß von Lempp, Das Wohl des Kindes in §§ 1666 und 1671 BGB, NJW 1963, 1659 rekurriert. 32  BVerfG, FamRZ 2008, 1737 (1738). 33  OLG Hamm, FamRZ 2009, 1763; OLG Bremen, NJW 2013, 2603; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2011, 436. 34  Vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1671 Rn. 82. 35  BVerfG, FamRZ 2008, 1737 (1738); Staudinger/Coester, § 1666 Rn. 76. 31 



E.  Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts

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inneres Faktum darstellen.36 Für diese Bestimmung mit festen Altersgrenzen zu arbeiten, verbietet sich schon wegen des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes des Individuums, der gerade nicht an Altersgrenzen gebunden ist.37 Ausschlaggebend ist hier der natürlich gebildete Wille des Kindes; auf seine Einsichtsfähigkeit kommt es dabei nicht an.38 Als größtmögliche Form der grundrechtlich geschützten Selbstbestimmung des Kindes sieht das Gesetz weiter vor, dem Kind in familienrechtlichen Entscheidungen eine Teilmündigkeit zuzugestehen. Innerhalb dieser Entscheidungskompetenz ist der Wille des Kindes das allein ausschlaggebende Kriterium. Anders gestaltet sich die Rechtslage, wenn das Gesetz die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Kindes zu dessen autonomer Entscheidung verlangt. So kann zum Beispiel das über 14-jährige, nicht geschäftsunfähige Kind die Einwilligung in seine Adoption gemäß § 1746 Abs. 1 BGB nur selbst erteilen und bedarf hierfür der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Eine bereits erteilte Einwilligung in seine Adoption kann das Kind dagegen selbst und ohne die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters widerrufen. In solchen Fragen, die für die persönliche Entwicklung besonders relevant sind, gesteht der Gesetzgeber dem Minderjährigen also ein erhöhtes Maß an Autonomie zu.

IV.  Das Kindeswohl als Zugangsvoraussetzung oder Schranke Das Gesetz verwendet den Kindeswohlbegriff auf verschiedene Weise. Die Barriere des Kindeswohls wird grundsätzlich auf zweierlei Art eingesetzt: Zum einen wird als Tatbestandsvoraussetzung bestimmter Normen eine positive Kindeswohlprüfung verlangt. Ein gewisses Recht (beispielsweise der Umgang des Kindes mit einem Großelternteil gemäß § 1685 BGB) wird daran geknüpft, dass seine Ausübung dem Kindeswohl dient. In Abgrenzung hierzu gibt es auch gewisse Rechte, deren Wahrnehmung dem Wohl des Kindes nicht widersprechen darf (beispielsweise das Auskunftsrecht eines Elternteiles über die persönlichen Verhältnisse des Kindes gemäß § 1686 BGB). Zudem arbeitet das Gesetz auch mit Vermutungsregeln. Beispielsweise geht es gemäß § 1626 Abs. 3 BGB davon aus, dass der Umgang des Kindes mit beiden Eltern zum Wohl des Kindes gehört. Gleiches gilt auch für andere Bezugspersonen des Kindes, zu denen das Kind Bindungen hält, die förderlich für seine Entwicklung sind.39 Verlangt das 36  BVerfG, FamRZ 2008, 1737 (1738); Peschel-Gutzeit, Die Bedeutung des Kindeswillens, NZFam 2014, 433. 37  Vgl. auch OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 186 (187). 38  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, S. 264. 39  Eine schwächere Formulierung, aber ebenfalls eine Regelvermutung in Bezug auf das Kindeswohl enthält § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB: Nach dieser Vorschrift wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, zumindest dann nicht, wenn Gründe, die gegen die gemeinsame elterliche Sorge sprechen, weder vorgetragen noch ersichtlich sind.

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1. Kapitel – Einführung

Gesetz lediglich eine negative Kindeswohlprüfung, dann kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich nicht von einer Gefährdung des Kindeswohls bei diesem Tatbestand ausgeht. Im konkreten Einzelfall kann dies aber durchaus der Fall sein und muss daher im Einzelfall geprüft werden.

1.  Positive Kindeswohlprüfung Meist ist die Gewährung subjektiver Rechte anderer mit dem Kind daran geknüpft, dass dies dem Kindeswohl dient. Dabei trifft denjenigen, der sich auf das Recht beruft, auch die Darlegungslast für die Gründe, die für die Kindeswohldienlichkeit sprechen. Bei der positiven Kindeswohlprüfung unterscheidet das Gesetz wiederum verschiedene Unterformen. So können verschiedene Rechtsfolgen nur eintreten, wenn diese zum Wohle des Kindes „erforderlich“ sind.40 Anders als die „Dienlichkeit“ für das Kindeswohl setzt die Erforderlichkeit höhere Maßstäbe für die Vereinbarkeit der richterlichen Entscheidung mit dem Kindeswohl. Durch diese Nuancierung der Tatbestandvoraussetzungen können die Rechte der Beteiligten besonnen austariert werden.

2.  Negative Kindeswohlprüfung Verlangt das Gesetz lediglich, dass der Zugang zu einem Recht oder eine andere Maßnahme dem Kindeswohl nicht widersprechen darf, wird hierdurch die Schwelle, die gewollte Rechtsfolge herbeizuführen, bewusst niedrig gehalten. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich eine solche Maßnahme grundsätzlich mit dem Kindeswohl verträgt, die Gerichte können im Einzelfall aber auch vom Gegenteil überzeugt werden. Äußerste Grenze der negativen Kindeswohlprüfung ist die Kindeswohlgefährdung i. S. d. § 1666 BGB. Sie fungiert wie oben gesehen als Eingriffslegitimation des Staates in die elterliche Sorge. Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt der Zuspruch etwaiger Rechte unter keinen Umständen in Frage. Darüber hinaus kennt das Gesetz aber auch noch eine „erhebliche Beeinträchtigung“ des Wohls des Kindes (§ 1598a Abs. 3 BGB). Der scharfe Wortlaut des Gesetzes legt nahe, dass für die erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohles strengere Voraussetzungen gelten als für eine Kindeswohlgefährdung i. S. v. § 1666 BGB.41 Analysiert man die Verwendung des Kindeswohlbegriffes im BGB stellt man eine gestufte Rangfolge von Eingriffslegitimationen und Anordnungskompetenzen fest. Es ergibt sich folgende Rangfolge, wenn mit dem Standard des Kindswohls begonnen wird, 40  Die fehlende Einwilligung des anderen Ehegatten bei Einbenennung kann beispielsweise gemäß § 1618 S. 4 BGB nur dann ersetzt werden, wenn diese zum Wohl des Kindes erforderlich ist. 41 BT-Drucks. 16/6561, S. 13, nennt als Beispiel unter anderem die Suizidgefahr des Kindes.



E.  Das Kindeswohl – Zentraler Begriff des Kindschaftsrechts

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der am positivsten bestimmt ist: (1) Die Erforderlichkeit für das Kindeswohl, (2) die Dienlichkeit für das Kindeswohl, (3) der mangelnde Widerspruch zum Kindeswohl, (4) die (einfache) Kindeswohlgefährdung und (5) die erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls.

V. Zusammenfassung Der Begriff des Kindeswohls nimmt im Kindschaftsrecht eine zentrale Rolle ein. Es hat sich im Laufe der Zeit eine Rechtsprechung entwickelt, die den Begriff im Rahmen seiner weiten Grenzen handhabbar gemacht hat. Eine streng formaljuristische Definition des Kindeswohls ist nicht möglich. Aufgrund der Sensibilität des Themas muss auf die aktuellen Erkenntnisse aus anderen Fachbereichen, insbesondere der Psychologie, der Soziologie und der Pädagogik, zurückgegriffen werden. Zwar kann man dem Kindeswohl als Rechtsbegriff durchaus den Vorwurf der Unbestimmtheit machen und die weiten Grenzen mehr oder weniger verwischen lassen. Ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit ist aber jeder Generalklausel immanent. Bislang hat sich aber keine alternative Herangehensweise herausgebildet, die die gängige Auffassung des Kindeswohlbegriffes ablösen könnte. Ein Blick in unser Nachbarland Österreich zeigt aber, dass sich der Gesetzgeber der Problematik der Rechtsunsicherheit des Kindeswohlbegriffes annehmen könnte. § 138 ABGB enthält einen Katalog an Kriterien, anhand derer man sich der Bestimmung des Kindeswohles nähern kann. Bei näherer Lektüre der Vorschrift fällt allerdings auf, dass diese Kriterien sich kaum von den Erkenntnissen unterscheiden, die sich durch Wissenschaft und Rechtsprechung auch in Deutschland herauskristallisiert haben. Letzten Endes bleibt als Vorteil gegenüber dem deutschen unbestimmten Rechtsbegriff lediglich das Plus an demokratischer Legitimierung durch das Tätigwerden des Gesetzgebers. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, das Wohl des Kindes zur Voraussetzung für eine bestimmte Rechtsfolge zu machen, führen zu einer enormen Flexibilität, die starre Definitionen nicht leisten können.

2. Kapitel

Die verfassungsrechtliche Dimension der rechtlichen Stellung des leiblichen Vaters Das Abstammungsrecht und seine Folgerechtsverhältnisse sind ein persönlichkeitsrelevanter Bereich und demnach besonders grundrechtssensibel. Daher ist es wichtig, einen Grundstein für rechtspolitische Erwägungen zu legen. Zunächst soll aufgrund der Normenhierarchie auf die Ausgestaltung des Grundgesetzes und dessen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht eingegangen werden. Von Interesse ist dabei insbesondere die Frage, inwieweit der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer rechtlichen Mehrelternschaft determiniert ist.

A.  Das Grundgesetz Die speziellste Norm des Grundgesetzes für familienrechtliche Fragestellungen ist Art. 6 GG, der besondere Schutz von Ehe und Familie. Daher wird zunächst dieser Artikel, der sehr bedeutend für das einfache Familienrecht ist, vorgestellt und insbesondere auch mit Blick auf den nur leiblichen Vater untersucht. Art 6 GG gliedert sich in mehrere Absätze und deckt in diesen verschiedene Schutzbereiche ab. Für den leiblichen Vater sind vor allem die ersten beiden Absätze relevant. Zu beachten ist in dieser Konstellation aber auch die grundgesetzliche Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder gemäß Art. 6 Abs. 5 GG.

I.  Der Schutz der Familie, Art. 6 Abs. 1 GG Neben der bürgerlich-rechtlichen Ehe (Art. 6 Abs. 1 Alt. 1 GG) stellt das Grundgesetz auch die Familie unter seinen besonderen Schutz. Im Gegensatz zur Ehe1 hat sich das verfassungsrechtliche Verständnis von Familie über die Geltungsdauer des Grundgesetzes hin verändert. Die ursprüngliche Vorstellung von Familienschutz sah lediglich den Schutz der ehelichen Familie vor. Das nichteheliche Kind wurde nur in Bezug zur Mutter als Familie begriffen. Das heutige Verständnis von Familie hat sich von der Ehe emanzipiert. Das Vorliegen einer wirksamen Ehe ist nicht länger Voraussetzung dafür, in den Genuss des Famili1  Welche nicht explizit Gegenstand der Arbeit sein soll und deswegen nur an den relevanten Stellen erwähnt wird.



A.  Das Grundgesetz

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enschutzes gemäß Art. 6 Abs. 1 Alt. 2 GG zu kommen. Das Bundesverfassungsgericht definiert in seiner ständigen Rechtsprechung die Familie als „tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft der Kinder und ihrer Eltern“2. Im Unterschied zur Ehe wird bei der Familie also das Augenmerk nicht auf den kindschaftsrechtlichen Status, sondern auf die tatsächlichen Gegebenheiten gelegt. Auch hier zeigt sich, dass sich der Familienbegriff des Grundgesetzes nicht einer bestimmten Ausrichtung – sei es genetisch, sei es sozial – anschließt. Durch das Element der tatsächlichen Verantwortungsübernahme füreinander wird versucht, die gelebte Realität abzubilden und den Familienbegriff nicht vorschnell zu verengen.

1.  Enger Familienbegriff In personeller Hinsicht hat sich der Familienbegriff durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über die Jahre gewandelt. Ursprünglich als schützenswert erachtet und auch den Lebensentwürfen der frühen 50er Jahre entsprechend wurde lediglich die Kleinfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und einem oder mehreren Kindern.3 Vermeintlich endgültig auf den engen Familienbegriff festgelegt hat sich das Bundesverfassungsgericht 1978, als es betont hat, eine grundrechtlich geschützte Familie sei „die in der Hausgemeinschaft geeinte engere Familie“, also „die Eltern mit ihren Kindern“.4 Freilich sagt dies noch nichts darüber aus, in welchem Verhältnis die Eltern mit ihren Kindern stehen sollen – ob also eine soziale Verbundenheit ausreichend ist, ob diese mit entsprechender Genetik flankiert sein muss oder aber, ob all diese Faktoren keine Rolle spielen, sondern allein auf die Eltern im abstammungsrechtlichen Sinne abzustellen ist. Allerdings kann aus dieser Wertentscheidung herausgelesen werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Kleinfamilie als schützenswertes gesellschaftliches Lebensmodell erachtet hat und zu diesen Zeiten nur wenig Raumbestand, den Schutzbereich auf sozial oder genetisch verbundene Familienmitglieder auszudehnen. Heute ist es allerdings einhellige Meinung, dass der Familienbegriff sich nicht auf die genetisch und rechtlich verbundene Familie beschränkt, sondern auch Pflege-, Stief- und Adoptivfamilien einschließt.5

2 

BVerfG, FamRZ 2014, 1435. Uhle, Abschied vom engen Familienbegriff – Zur Rejustierung des bundesverfassungsgerichtlichen Familienverständnisses, NVwZ 2015, 272. 4  BVerfG, NJW 1978, 2289 (2290). 5 BeckOK-GG/Uhle, Art. 6 Rn. 15. 3 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

2.  Neuer weiter Familienbegriff Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur allein schützenswerten Kleinfamilie hat allerdings in der Folge und zuletzt im Jahr 20146 Änderungen erfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Rechtsprechung zum ausschließlichen Schutz der Kleinfamilie aufgegeben und den Schutzbereich der Familie auf alle Mitglieder der Großfamilie ausgeweitet. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist neben der Abkehr von seiner ursprünglichen Rechtsprechung auch, dass das Bundesverfassungsgericht hier sehr deutlich zum Ausdruck bringt, dass es gerade nicht auf das Bestehen der formalen rechtlichen Voraussetzungen ankommt, sondern auf das Vorliegen tatsächlicher sozialer und familiärer Verbundenheit. Seine Rechtsprechungsänderung begründet es auch mit dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 GG, der gerade die Herausnahme des Kindes aus dessen „Familie“ in Abgrenzung zu den Eltern betone. Hierbei nimmt das Bundesverfassungsgericht auch keine Einschränkung auf die vertikal ausgedehnte Mehrgenerationen-Familie vor, sondern bezieht auch Familienmitglieder der Seitenlinie, wie beispielsweise Tanten, Onkel, Nichten und Neffen, mit ein. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat den Blickwinkel auf die Definition von familiärer Bindung verändert. Familie lässt sich gerade nicht schematisch begreifen als Kleinverbund zwischen Vater, Mutter und Kind/Kindern. Eine Familie ist ein gesellschaftlich sehr komplexes und feinsinniges Gefüge, das von der Verschiedenheit seiner Mitglieder lebt und sich nicht einfach strukturieren lässt. Das Recht hat hier eine dienende Funktion. Schützenswert sind die Bindungen, welche die „Entfaltungsfreiheit des privaten Lebensbereiches“ ermöglichen und intensivieren. Dabei hat das Recht die Entscheidungsfreiheit eines jeden Mitglieds des familiären Verbundes zu akzeptieren und zu fördern, seine Bindungen zum Mitglied seiner Wahl aufbauen und erhalten zu können. Die neue Rechtsprechung transportiert weiterhin die Aussage, dass ein Kind mehr als nur ein bis zwei enge Bezugspersonen haben kann, der Bestand dieser Beziehungen steht darüber hinaus unter grundrechtlichem Schutz. Gestützt wird diese Ansicht vom Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 GG, aus dem sich keine Verengung des Schutzbereiches auf die Kleinfamilie ablesen lässt.7 Nach dieser Entscheidung scheint ein weitergehender Ausbau des familiären Schutzes auch im horizontalen Bereich der Kleinfamilie nicht ausgeschlossen.8 Denn das Argument von verfestigten und dadurch schützenswerten Bindungen zwischen Angehörigen der Familie im gesellschaftlichen Sinne lässt sich ohne 6 

BVerfG, NJW 2014, 2853. Uhle, Abschied vom engen Familienbegriff – Zur Rejustierung des bundesverfassungsgerichtlichen Familienverständnisses, NVwZ 2015, 272 (274). 8  So auch Uhle, Abschied vom engen Familienbegriff – Zur Rejustierung des bundesverfassungsgerichtlichen Familienverständnisses, NVwZ 2015, 272 (275). 7 



A.  Das Grundgesetz

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Weiteres auf den gesellschaftsfähig gewordenen, Verantwortung tragenden leiblichen, aber aus welchen Gründen auch immer nicht rechtlichen Vater übertragen. Hierfür müsste das einfache Recht dem leiblichen Vater allerdings die Möglichkeit bieten, diese Rolle wahrzunehmen.

3.  Der „Familienfriede“ als verfassungsrechtliche Kategorie Ein in Literatur und Gesetzesbegründungen gerne bemühtes Argument für geplante Gesetzesänderungen oder zur Untermauerung von Ansichten ist die geflügelte Wendung der Wahrung des „Familienfriedens“. Zunächst klingt „Familienfriede“ nach einem höchst unbestimmten Begriff, der stark vom selbst gelebten Vorverständnis geprägt ist. Im Gesetz wird der Familienfriede daher auch an keiner Stelle erwähnt. Dennoch lohnt sich eine nähere Auseinandersetzung mit dem Familienfrieden – insbesondere als verfassungsrechtliche Kategorie. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich zum ersten Mal 1989 mit der Wahrung des „Familienfriedens“ als gesetzgeberische Begründung auseinanderzusetzen, als es das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung entwickelte.9 Die Entscheidung beschäftigte sich mit der Frage, ob es mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist, dass gemäß § 1596 Abs. 1 BGB a. F. das volljährige Kind seine Ehelichkeit nur unter engen Voraussetzungen10 anfechten kann. Das Bundesverfassungsgericht hat hierin einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG erblickt und seine Ansicht auch schematisch begründet. Der Gesetzgeber rechtfertigte diese Beschränkung des Anfechtungsrechts des Kindes damit, dass durch den Ausschluss möglicher gefährlicher Szenarien der Familienfrieden bestmöglich gewahrt werde.11 Diese Zwecksetzung hat das Bundesverfassungsgericht im zu entscheidenden Fall für legitim erachtet. Es hat sich aber auch mit dem Familienfrieden als solchem im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 GG auseinandergesetzt und festgestellt, dass dieser Gesetzeszweck „seinen verfassungsrechtlichen Rückhalt […] in Art. 6 Abs. 1 GG [findet], der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt und es dem Gesetzgeber verbietet, Regelungen zu treffen, die geeignet sind, Ehe 9 

BVerfG, NJW 1989, 891. § 1596 Abs. 1 BGB a. F. sah als Grundvoraussetzung für die Anfechtung der Ehelichkeit vor, dass die Ehe der Mutter des Kindes geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wurde oder die Ehegatten seit drei Jahren getrennt lebten und nicht zu erwarten war, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Ausnahmen machte das Gesetz in folgenden Fällen: der Tod des Mannes ohne Verlust seines eigenen Anfechtungsrechts, die Heirat der Mutter mit dem Erzeuger des Kindes, sittliche Rechtfertigung der Anfechtung wegen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels oder wegen einer schweren Verfehlung des Mannes gegen das Kind oder die sittliche Rechtfertigung wegen einer schweren Erbkrankheit des Mannes. 11  BT-Drucks. 3/530, S. 15. 10 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

und Familie zu schädigen oder zu benachteiligen.“12 Durch diese Formulierung hat der „Familienfriede“ eine verfassungsrechtliche Erhöhung erfahren. Allerdings wurde nicht geklärt, was mit dem Familienfrieden eigentlich gemeint ist. Das Gericht erkannte allerdings an, dass der rigorose Anfechtungsausschluss des Kindes nicht geeignet sei zu verhindern, die Frage nach der leiblichen Vaterschaft des Kindes innerhalb des Familienverbundes zu diskutieren und dadurch zum Unfrieden beizutragen. Differenzierend wies es aber darauf hin, der Anfechtungsausschluss tauge immerhin dazu, familiäre Streitigkeiten vor die Gerichte zu tragen und damit nicht öffentlich werden zu lassen. Offenbar gibt es also zwei Komponenten des Familienfriedens: eine innere im Kern des familiären Zusammenlebens und eine äußere, die darauf gerichtet ist, familiäre Streitigkeiten nicht in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Frage der Sinnhaftigkeit eines zweigeteilten Familienfriedens in „privat“ und „öffentlich“ wird dabei nicht aufgeworfen; auch nicht die Frage, ob ein unterschiedlicher Rechtfertigungsaufwand betrieben werden muss, um in den privaten oder den öffentlichen Familienfrieden einzugreifen. 2007 setzte sich das Bundesverfassungsgericht13 erneut mit dem Familienfrieden auseinander, als es dem Gesetzgeber den Auftrag erteilte, ein gerichtliches Verfahren bereitzustellen, bei dem die leibliche Abstammung ohne statusrechtliche Folgen festgestellt werden kann. Im Zentrum der Argumentation stand dabei nicht der Familienfriede, sondern die Wahrung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Dennoch beschäftigte sich das Gericht abermals damit, ob die Wahrung des Familienfriedens der Einführung eines solchen statusunabhängigen Feststellungsverfahrens entgegenstehen könnte. Anders als noch im Jahr 1989 wurde allerdings nicht zwischen dem privaten und dem öffentlichen Familienfrieden unterschieden. Stattdessen könne „der Familienfriede allein schon durch geäußerte Zweifel eines rechtlichen Vaters an der Abstammung seines Kindes von ihm beeinträchtigt werden, nicht erst durch ein Verfahren, das die bezweifelte Abstammung klärt.“14 Demnach sieht es eher so aus, als wollte das Bundesverfassungsgericht seine Einteilung in einen privaten und einen öffentlichen, vor Gericht gebrachten Familienfrieden nicht länger aufrechterhalten. Richtigerweise stellte es daher nur auf den Familienfrieden im Innenverhältnis ab. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Entscheidung ausgeführt hat, kann die Wahrung des Familienfriedens ein respektables Schutzgut darstellen, dessen Erhalt auch verfassungsrechtlich in Art. 6 Abs. 1 GG abgesichert ist. Wie bei allen verfassungsrechtlichen Schutzgütern ist es aber auch eine Frage des Preises, den man bereit ist zu zahlen. Die Wahrung des gesamtfami12 

BVerfG, NJW 1989, 891 (892). BVerfG, NJW 2007, 753. 14  BVerfG, NJW 2007, 753 (756). 13 



A.  Das Grundgesetz

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liären Friedens kann nicht per se auf Kosten eines individuellen Schutzgutes gewährleistet werden, erst recht nicht zulasten des Kindes. Es sind meist nicht die rechtlichen Möglichkeiten, die den Familienfrieden gefährden, sondern die Worte und Taten einzelner Familienmitglieder. Diese kann das Recht weder fassen noch unter dem Deckel gesetzlich aufgezwängter Harmonie ungeschehen machen. Auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 1686a BGB befasst sich mit dem familiären Frieden. Das Gesetz lässt in § 1686a BGB erstmals eine Inzidentprüfung der leiblichen Abstammung im Rahmen eines Umgangsverfahrens zu. Die Einbeziehung der Abstammungsfeststellung in das Umgangsverfahren sei nötig, damit „der vermeintliche biologische Vater […] nicht allein mit seinem Klärungsinteresse – das heißt hier losgelöst von seinem Wunsch nach und seiner Bereitschaft zum Umgang (oder Auskunft) – Unfrieden in eine funktionierende soziale Familie hineintragen [können soll].“15 Es drängt sich nun tatsächlich die Frage auf, wer den Unfrieden in die funktionierende Familie trägt: der biologische Vater, der nach einer rechtlichen Verbindung strebt – und sei es de lege lata erst einmal das Umgangsrecht mit seinem leiblichen Kind –, oder die Eltern, die eine Konstellation – auf welche Weise auch immer – herbeigeführt haben, die zum Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft geführt hat? Und sollte sich die Frage daran anschließen, ob das Kind die richtige Person ist, auf dessen Rücken solche Streitigkeiten ausgefochten werden sollten. Fast schon perfide mutet die Gesetzesbegründung an, die davon ausgeht, dass durch die lediglich gerichtlich festgestellte leibliche Vaterschaft des Dritten mehr familiärer Unfrieden gestiftet wird als durch einen engagierten leiblichen Vater, der darüber hinaus ein Umgangsrecht mit dem Kind oder ein Auskunftsrecht geltend machen kann. Der Familienfriede wird trotz seiner verfassungsrechtlichen Aufwertung nicht stringent als Argument für oder gegen rechtliche Instrumente verwendet. Diese ohnehin sehr unbestimmte und wenig aussagekräftige Wendung taugt insbesondere nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 nur sehr begrenzt dazu, juristische Handlungsinstrumente zu legitimieren. Vielmehr ist der Familienfriede eine Kategorie des generalisierten Kindeswohlbegriffes. Er vereint Elemente aus dem Schutzbereich der sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen jeweiligen Elternteilen und dem Schutz der Familie als Einheit, deren Gewährleistung dem Kind ein möglichst ungestörtes Heranreifen zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit ermöglicht.

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BT-Drucks. 17/12163, S. 13.

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

II.  Das Elternrecht, Art. 6 Abs. 2 GG Die entscheidende Norm für die Rechtsposition des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters ist Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, der das Elternrecht regelt. Zunächst ist der persönliche Schutzbereich des Elternrechts und insbesondere die Frage zu klären, ob das Grundgesetz biologische, soziale und rechtliche Elternschaft unterschiedlich wertet. Der Elternbegriff wird unter verschiedenen Gesichtspunkten näher betrachtet: Einmal steht die genetische Wahrheit, also die leibliche Elternschaft im Mittelpunkt, ein anderes Mal kommt es lediglich darauf an, wer die rechtlichen Eltern eines Kindes sind und schließlich wird auf die soziale Elternschaft abgestellt. Fraglich ist, ob einer dieser Anschauungen der Vorzug zu geben ist, oder nicht alle diese Faktoren, die jeweils für sich einen Teil von „Elternschaft“ ausmachen, so tief miteinander verwoben sind, dass keine Hierarchie gebildet werden kann.

1.  Biologischer Ansatz – Das Elternrecht als „natürliches“ und damit genetisch determiniertes Recht? a.  Auslegungsansätze zur „Natürlichkeit“ des Elternrechtes Bereits der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, der vom „natürlichen“ Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung des Kindes spricht, gibt zu bedenken, ob der grundrechtlich geprägte Elternbegriff von der „Natur“16 und damit der Genetik bestimmt ist. Ein natürliches Recht ist als vorgesetzliches Recht einzuordnen, als ein Recht, das von der Natur verliehen wird und gerade nicht von der Rechtsordnung.17 Es lässt sich also festhalten, dass zunächst einmal den beiden18 genetisch Beteiligten an der Zeugung des Kindes, also der Frau, von der die Eizelle stammt und dem Mann, von dem die Samenzelle stammt, das natürliche Elternrecht des Grundgesetzes zugewiesen wird.

b.  Auslegung der „Natürlichkeit“ durch das Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat andere Gedanken zur „Natürlichkeit“ des Elternrechtes formuliert. Für das Gericht berührt die Natürlichkeit des Rechts nicht die Frage, ob rechtliche oder verfassungsrechtlich geschützte Eltern16  Die Denkweise zur natürlichen Herkunft und der damit einhergehenden genetischen Prägung lässt sich in Zeiten ansteigender Zahlen von künstlicher Fortpflanzung freilich auch ad absurdum führen. Denn was ist in diesem Bereich noch „natürlich“? 17  BVerfG, FamRZ 2003, 816 (818). 18  Bei Geltung der deutschen Gesetze (insb. des ESchG) bleibt es in Deutschland zunächst auch noch bei zwei genetisch Beteiligten an der Zeugung eines Kindes. Entwicklungen in Großbritannien zeigen, dass in Zukunft wohl auch mehr als zwei genetisch Beteiligte nicht ausgeschlossen sind (und auch auf Billigung der Rechtsordnung hoffen können).



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schaft nur die leibliche Elternschaft erfasst. Vielmehr grenzt das Gericht das Elternrecht von Rechten ab, die dem Rechtsträger erst durch den Staat verliehen werden müssen: „Wenn Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG vom natürlichen Recht der Eltern spricht, kommt hiermit einerseits zum Ausdruck, dass dieses Recht nicht vom Staat verliehen, sondern als vorgegebenes von ihm anerkannt ist.“19 Die Natürlichkeit des Rechts soll für die Auslegung des Elternrechtes die Grundaussage vermitteln, dass „diejenigen, die einem Kind das Leben geben, von Natur aus grundsätzlich bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen.“20 In diesem Zitat schlägt das Bundesverfassungsgericht sehr schön die Brücke zu einem weiteren Element, welches das Elternrecht prägt: der Verantwortungsübernahme. Genetische Bausteine der Elternschaft werden also eng verknüpft mit sozialen Elementen und es scheint, als wäre das eine ohne das andere nicht sehr viel wert. Auch legt die Natürlichkeit des Elternrechtes die Vermutung nahe, dass „in aller Regel Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution.“21 Auch in neueren Entscheidungen erklärt das Bundesverfassungsgericht einem streng biologischen Verständnis von Elternschaft eine Absage. 2013 hat es im Zuge des Verbots der Sukzessivadoption von eingetragenen Lebenspartnern entschieden, dass „der Wortlaut des Elterngrundrechts […] einer Anwendung auf zwei Personen gleichen Geschlechts nicht entgegen [steht].“ Hier zeigt sich ganz deutlich: Das grundrechtliche Verständnis von Elternschaft ist wandelbar. Den Verfassern des Grundgesetzes schwebte wohl nicht die Vorstellung gleichgeschlechtlicher, grundrechtlich geschützter Elternschaft vor Augen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Homosexualität 1949 noch unter Strafe gestellt war (§§ 175, 175a StGB).

2.  Insbesondere: Der leibliche (nicht rechtliche) Vater als Träger des Elternrechtes Die Grundrechtsposition des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters hat sich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kontinuierlich verbessert. Fraglich ist, ob der Gesetzgeber mit der Einführung des § 1686a BGB eine Wertentscheidung getroffen hat, die es vermag, die verfassungsrechtlichen Wertungen zu beeinflussen.

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BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152), bezugnehmend auf BVerfG, NJW 1982, 1375. BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152), bezugnehmend auf BVerfG, NJW 1968, 2233. 21  BVerfG, NJW 1982, 1375 (1376). 20 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

a.  Entwicklungen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Lange Zeit kam der nichteheliche Vater eines Kindes nicht in den Genuss eines Elternrechtes; dieses war den ehelichen Vätern vorbehalten.22 Diese Sichtweise hat sich aber, auch aufgrund von veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der wachsenden Akzeptanz der nichtehelichen Familie, schrittweise gewandelt. Der Schutzbereich des Elternrechts wurde unter bestimmten Voraussetzungen auch dem nichtehelichen Vater eröffnet. So hat das Bundesverfassungsgericht 198123 entschieden, dem nichtehelichen Vater komme der Grundrechtsschutz aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zumindest dann zu, wenn er mit dem Kind und der Mutter in häuslicher Gemeinschaft lebe. Denn in diesem Rahmen könne auch der nichteheliche Vater zumindest ein Stück weit beweisen, dass er fähig und gewillt sei, auch der dem Elternrecht korrespondierenden Elternpflicht gerecht zu werden. Das Gericht stellte aber noch einmal eindeutig klar, dass „soweit ein nichtehelicher Vater an der Entwicklung seines Kindes keinen Anteil nimmt und sich nicht um den Aufbau eines Vater-Kind-Verhältnisses bemüht, […] ihm ein auf Verantwortung gerichtetes Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht zukommen [kann].“24 Die Verfassungsauslegung kann sich daher bei der Bestimmung des Elternrechtes nicht auf einen konkreten Standpunkt stellen. Es sind immer wieder Neujustierungen erforderlich und Abgrenzungskriterien aufzustellen, um einen Lösungsweg zu finden, der die Rechte und in diesem Fall auch die Pflichten aller Beteiligten unter einen Hut bringt. Zehn Jahre später hatte das Bundesverfassungsgericht Anlass, seine Entscheidung zu den nichtehelichen Vätern in bestimmten Punkten zu korrigieren.25 Denn auch wenn die Rechtsprechung den nichtehelichen Vater in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einbezieht, ist damit nicht sehr viel gewonnen, wenn dem Vater einfachgesetzlich keine (sorge-) rechtlichen Befugnisse an die Hand gegeben werden. Ohne diese ist es nur schwer möglich, eine umfängliche elterliche Verantwortung auszuüben. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass auch dem nichtehelichen Vater, der mit Mutter und Kind/Kindern in einer Gemeinschaft lebt, solche Befugnisse nicht ohne sachlichen Grund abgesprochen werden dürfen. In dieser Entscheidung konnte es das Gericht aber ausdrücklich offen lassen,26 ob das Erfordernis des Zusammenlebens von Vater, Mutter und Kind vor dem Hintergrund einer stetig steigenden Anzahl nichtehelicher Lebensformen tatsächlich Voraussetzung sein soll für das 22 Die

nichteheliche Mutter dagegen wurde schon sehr bald auch in den personellen Schutzbereich des Elternrechts einbezogen, vgl. BVerfG, FamRZ 1968, 578 (582). 23  BVerfG, NJW 1981, 1201. 24  BVerfG, NJW 1981, 1201 (1202). 25  BVerfG, NJW 1991, 1944. 26  BVerfG, NJW 1991, 1944.



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Elternrecht des nichtehelichen Vaters. Wieder einmal ließ sich auch in diesem Beschluss herauslesen, das Elterngrundrecht bedürfe der gesetzgeberischen Ausgestaltung und der Gesetzgeber fahre hierbei auf einer breiten Hauptstraße möglicher Regelungsformen. Das Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft zwischen nichtehelichem Vater und dem Kind hat die Rechtsprechung des BVerfG aber vier Jahre später, im Jahr 1995, endgültig aufgegeben.27 Auch der nichteheliche Vater, der nicht mit Mutter und Kind in Gemeinschaft lebe, stehe unter dem Schutz des Elternrechtes. „Der Begriff ,Eltern‘ umfaßt aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch die leiblichen Eltern eines nichtehelichen Kindes.“28 Die weitere Begründung dieser Entscheidung ist aus heutiger Sicht und mit Blick auf die verfassungsrechtliche Schieflage, in der sich die lex lata befindet, besonders interessant. Denn hier differenziert das Gericht deutlich zwischen dem Zuspruch des Elternrechtes auf der einen und der konkreten Ausübung auf der anderen Seite. Während die gemeinsame Ausübung sorgerechtlicher Befugnisse von Mutter und Vater ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft voraussetzt, die im Falle eines nichtehelichen Elternpaares nicht zwangsläufig gewährleistet sein muss, so stellt diese Tatsache noch keinen konkreten Grund dar, dem nichtehelichen Vater von vorneherein den Schutz des Elternrechtes abzusprechen. Hier könnten im Einzelfall über die Regelungen der einzelnen sorgerechtlichen Befugnisse Ergebnisse erzielt werden, die den Besonderheiten des Einzelfalles am ehesten gerecht werden. Diese Argumentation lässt sich sehr schön auch auf die Konstellation des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, die nun in § 1686a BGB geregelt ist, übertragen. Zwar ist es nicht selbstverständlich, dass eine weitere dritte rechtliche Elternschaft dem Kindeswohl zuträglich ist – in vielen Fällen wird das nicht der Fall sein. Allerdings rechtfertigt dies nicht, eine Zuordnung eines dritten, vollwertigen Elternteiles von vorneherein zu versagen. Sein Grundsatzurteil zur Rechtsstellung des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters hat das Bundesverfassungsgericht 200329 gefällt. Hier hatte es unter anderem zu entscheiden, ob § 1600 BGB a. F., der kein Vaterschaftsanfechtungsrecht des leiblichen Vaters vorgesehen hat, mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu vereinbaren war. Diese Frage verneinte das Gericht und begründete dies auch ausführlich. So wurde in diesem Urteil erstmalig festgestellt, dass „auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes […] unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG [steht].“30 Einschränkend hierzu wendete das Gericht aber ein, die Eigenschaft als leiblicher Vater allein reiche noch nicht aus, Träger des Elternrechtes zu sein. Dem leiblichen Vater müsse es aber einfachrechtlich ermöglicht werden, die Rechtsstellung als rechtlicher Vater einzunehmen. 27 

BVerfG, NJW 1995, 2155. BVerfG, NJW 1995, 2155 (2156). 29  BVerfG, NJW 2003, 2151. 30  BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152). 28 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

Das Bundesverfassungsgericht stellte allerdings auch klar, dass die leiblichen Eltern auch vom Elternbegriff des allgemeinen Sprachgebrauches umfasst seien, „unabhängig vom Familienstand der Eltern und der Enge der Beziehung zwischen ihnen und dem Kind.“31 Aus diesem Zitat könnte gefolgert werden, dass die Tatsache der leiblichen Abstammung auch ein Stück weit das Fehlen von sozialen Beziehungen ausgleichen kann.32 Neben dieser Absage an soziale Komponenten von Elternschaft erteilte das Gericht in diesem Urteil auch der rechtlichen Komponente der Elternschaft in ihrer absoluten Wirkung eine klare Absage. Es stellte dazu Folgendes fest: Der Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG setzt die rechtliche Elternschaft nicht voraus. Der Mann, von dem ein Kind abstammt, ist Vater des Kindes, auch wenn er von der Rechtsordnung nicht als solcher anerkannt ist. Mehr als diese auf Abstammung beruhende Elternschaft setzt Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG für die Einbeziehung von Eltern in seinen Schutzbereich nicht voraus.33

Auch diese Entscheidung liefert ein Indiz dafür, dass sich das Gericht nicht recht einig ist, wie mit den verschiedenen Linien, die, wenn sie zusammengeführt werden, das Elternrecht ergeben, umzugehen ist: Die Abstammung wie die sozial-familiäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG aus. Beides in Deckung zu bringen, ist vom Gesetzgeber anzustreben. Fallen sie aber in der Wirklichkeit auseinander, gibt die Grundrechtsnorm keine starre Gewichtung dafür vor, welchem der beiden Merkmale, die die Elternschaft ausmachen sollen, der Vorrang einzuräumen ist und bestimmt insoweit kein Rangverhältnis zwischen der biologischen und der sozialen Elternschaft. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Entscheidung, wem das Kind in einem solchen Falle zuzuordnen ist, beide Interessen zu berücksichtigen und miteinander abzuwägen. Er kann dabei neben der Abstammung auch rechtlichen und sozialen Tatbeständen Bedeutung zumessen.

Dieses Zitat zeigt sehr schön den Spielraum, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Abstammungsrechtes zuweist. Eine solche Sichtweise spricht ebenfalls für die Heranziehung des Kindeswohls im Einzelfall, wenn eine weitere Vaterstellung durch das Gesetz zugeordnet wird. Als Folge dieser Entscheidung hat der einfache Gesetzgeber dem leiblichen Vater die Möglichkeit eingeräumt, die rechtliche Vaterschaft des Kindes anzufechten (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Diese Anfechtung setzt aber voraus, dass zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht. Dies sollte den Spagat zwischen sozialer und leiblicher Vaterschaft ermöglichen. Aber auch diese Regelung trifft noch immer auf verfassungsrecht31 

BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152). ist insbesondere relevant für die Fälle, in denen nach einiger Zeit ein leiblicher Vater in das Leben eines bereits heranwachsenden Kindes tritt, der zuvor noch keine sozialen Kontakte pflegte oder pflegen konnte. 33  BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152). 32  Dies



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liche Bedenken.34 Der BGH hat sich allerdings für die Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtslage ausgesprochen und eine Vorlage der Frage an das Bundesverfassungsgericht abgelehnt.35 Auch mit Blick auf die Menschenrechte wurde die Ausgestaltung des Anfechtungsrechtes des leiblichen Vaters zwar kritisch beäugt,36 aber dennoch nicht als konventionswidrig erachtet.37

b.  Die Einführung des § 1686a BGB als gesetzgeberische Wertentscheidung mit Einfluss auf das Verfassungsrecht Immer wieder wird vom Bundesverfassungsgericht, aber auch vom EGMR betont, der Gesetzgeber habe bei der notwendigen einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Art. 6 GG einen sehr weiten Ermessensspielraum, den die Höchstgerichte ihm auch zugestehen. Insbesondere der Schutzbereich des Elternrechtes muss durch einfachrechtliche Entscheidungen näher konkretisiert werden. Diese Konkretisierung hat beispielsweise bereits dadurch stattgefunden, dass sich das Recht mit den §§ 1591 f. BGB dafür entschieden hat, mehrere Tatbestände für die Begründung einer rechtlichen Vaterschaft bereitzustellen, währenddessen es  – auch wegen neuer fortpflanzungsmedizinischer Erkenntnisse und deren Anwendung – für die Begründung der rechtlichen Mutterschaft lediglich einen Tatbestand geben soll, nämlich den der natürlichen Geburt. Eine allgemeingültige verfassungsrechtliche Vorgabe, rechtliche Elternschaft zu begründen, um so in den Genuss des verfassungsrechtlichen Elternrechts zu gelangen, gibt es demnach nicht. Nun hat der Gesetzgeber mit der Einführung der systemfremden Norm des § 1686a BGB die Entscheidung getroffen, den leiblichen, nicht rechtlichen Vater am Aufwachsen seines Kindes auch rechtlich bindend zu beteiligen.38 Es stellt sich hieran anschließend die Frage, ob der Gesetzgeber damit eine Wertentscheidung treffen wollte – oder auch nur reflexartig getroffen hat –, die auch für die Bestimmung des persönlichen Schutzbereiches von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bedeutsam ist. So könnte der leibliche, nicht rechtliche Vater eine neuerliche Aufwertung seiner grundrechtlichen Schutzposition erhalten haben, diesmal nicht durch einen Hammerschlag des Bundesverfassungsgerichts, sondern durch den Gesetzgeber selbst. 34 MünchKommBGB/Wellenhofer, 35 

423.

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§ 1600 Rn. 6. BGH, NJW 2007, 1677; vgl. auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG, NJW 2009,

Vgl. MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 Rn. 6. EGMR, NJW 2014, 3083. 38 In unstreitigen Familienkonstellationen bedurfte es wohl nicht der Einführung des § 1686a BGB, um den leiblichen Vater am Aufwachsen des Kindes teilhaben zu lassen. Denn es gehört zur elterlichen Sorge zu bestimmen, inwieweit einem elternfremden Dritten der Umgang oder Kontakt in jedweder Ausgestaltung gewährt wird. 37 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

Der Zuspruch eines Umgangsrechtes mit einem Kind an Personen, die keine rechtliche Elternstellung innehaben, ist für den Gesetzgeber kein neues Phänomen. Im Rahmen des Kindschaftsrechtsreformgesetzes wurde mit der Einführung von § 1685 BGB erstmals ein Umgangsrecht von Nicht-Eltern im Gesetz etabliert, mit dem Ziel, die sozialen Bindungen des Kindes über die Kleinfamilie hinaus zu festigen. Die Norm gab in ihrer ursprünglichen Fassung den Großeltern und Geschwistern (§ 1685 Abs. 1 BGB) sowie dem Ehegatten oder früheren Ehegatten des Elternteiles und anderen Personen, bei denen das Kind längere Zeit in Familienpflege war (§ 1685 Abs. 2 BGB) ein kindeswohlabhängiges Umgangsrecht. Nach der oben erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts39 erfolgte eine Änderung des § 1685 Abs. 2 BGB. Sämtlichen engen Bezugspersonen40 wurde nun ebenfalls ein solches Umgangsrecht zugestanden, sofern diese für das Kind tatsächlich Verantwortung tragen oder getragen haben. Bei dieser Neuordnung legte der Gesetzgeber den Fokus also auf die Stärkung und Aufrechterhaltung sozial gewachsener Beziehungen und vernachlässigte dabei rechtliche Bindungen41 und auch genetische Aspekte. Ohne zusätzliche Voraussetzungen wird einem gemäß § 1685 BGB Umgangsberechtigtem qua seines Umgangsrechtes nicht der personelle Schutzbereich des Elternrechtes eröffnet. Diese Tatsachen ließen den Schluss zu, dass das Umgangsrecht aus § 1686a BGB demjenigen aus § 1685 BGB keinen darüber hinausgehenden materiellen Gehalt zuweist. Allerdings bestehen zwischen dem Recht aus § 1686a BGB und dem aus § 1685 BGB dennoch materielle wie systematische Unterschiede. Ein besonders wichtiger Unterschied zum Umgangsrecht aus § 1685 BGB besteht darin, dass dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater im Gegensatz zu anderen umgangsberechtigten Nicht-Eltern zusätzlich ein Auskunftsrecht über die Belange des Kindes gewährt wird. Dieses Auskunftsrecht besteht, wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht; die Kindeswohlschwelle wurde im Vergleich zum Umgangsrecht also abgesenkt (negative Kindeswohlprüfung). Der Gesetzesbegründung zu § 1685 BGB ist nicht zu entnehmen, warum diese Vorschrift Nichteltern zwar ein kindeswohlabhängiges Umgangsrecht, aber gerade kein Auskunftsrecht über die Belange des Kindes zugesteht. Ein Erklärungsansatz ist, dass sich das Auskunftsrecht originär aus dem Elternrecht ableitet,42 welches Nichteltern ohne zusätzliche Voraussetzungen gerade nicht zusteht. Im 39 

BVerfG, NJW 2003, 2151. Gerade unabhängig von der rechtlichen Verbindung der Bezugsperson zur Mutter. 41 Im Gegensatz hierzu verlangt Absatz 1 die rechtliche Verbundenheit zwischen den Großeltern und Geschwis­tern. Eine Blutsverwandtschaft zwischen den Beteiligten wird ausgeblendet, wie im vom OLG Dresden (FamRZ 2012, 1153) zu entscheidenden Fall, in dem ein Umgangsrecht eines Geschwisterteils wegen zwi­schenzeitlicher Adoption seiner Schwester versagt wurde. Und das, obwohl die Geschwister insbesondere durch einen gemeinsamen Heimaufenthalt eine enge emotionale Beziehung zueinander aufgebaut hatten. 42  So Staudinger/Rauscher, § 1686 Rn. 4. 40 



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Umkehrschluss würde das bedeuten, dass dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater offenbar eine andere Stellung zukommt als anderen Umgangsberechtigten, die ebenfalls keine rechtliche Elternstellung innehaben. Auch die systematische Stellung im Gesetz verdeutlicht den Unterschied der beiden Normen.43 Hätte der Gesetzgeber die Nähe zur gesetzlichen Regelung des Umgangsrechtes gesucht, so hätte er den Umgangs- und Auskunftsanspruch auch systematisch an § 1685 BGB orientiert. Stattdessen wurde § 1686a BGB nach dem Auskunftsanspruch über die Verhältnisse des Kindes gemäß § 1686 BGB platziert, der nur den rechtlichen Eltern zusteht.

3.  Gemischt sozial-biologischer Ansatz Das Idealbild des Grundgesetzes ist eine Kombination aus genetischer Herkunft und sozialer Verbundenheit. Dieses Elternmodell, in dem die Verantwortung tragenden Personen auch gleichzeitig die genetischen Eltern des Kindes sind, ist auch der gesellschaftliche Regelfall. Nur selten kommt es zum Auseinanderfallen von genetischer und sozialer Elternschaft. In diesen Konstellationen muss das Recht einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Positionen finden. So sagt auch das Bundesverfassungsgericht: „Die Abstammung wie die sozialfamiliäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG aus.“44 Idealbild des Grundgesetzes ist auch nach Auffassung des Gerichts – zumindest im Jahr 200345 – die eheliche Verbundenheit von Vater und Mutter. Allerdings wurde im Laufe der Jahre versucht, das Elternrecht nicht mehr nur über die Ehe der Eltern zu begründen. Die Rechtsprechung war aber stets bestrebt, die genetische Abstammung mit der rechtlichen und sozialen – sofern möglich – zu vereinen.46 So wie das Bundesverfassungsgericht den Familienbegriff immer weiter ausgedehnt hat, so hat auch das Elternrecht durch die Rechtsprechung stets neue Nuancierungen erfahren und sein Schutzbereich ist erweitert worden. So ging das Gericht in einer Entscheidung davon aus, dass sich auch ein Großelternteil eines Kindes auf das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG berufen kann, wenn er die Vormundschaft für das Kind inne-hat.47 In dieser Konstellation ver43  Eine

Lösung in Form der Erweiterung von § 1685 Abs. 2 BGB wurde auch in der Literatur angedacht, Wellenhofer, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Vaterschaftsanfechtungsrecht des leiblichen Vaters, FamRZ 2012, S. 828 (832). 44  BVerfG, NJW 2008, 2835. 45  Ob dies insbesondere nach der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Sukzessivadoption eingetragener Lebenspartner (NJW 2013, 847) so noch der Fall ist, kann an dieser Stelle dahinstehen. 46  BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152). 47  BVerfG, FamRZ 2004, 771; währenddessen der Vormund ohne blutsverwandtschaftliche Beziehung zu dem Kind trotz gleicher rechtlicher Befugnisse nicht in den Schutzbereich des Elternrechtes einbezogen wird, vgl. BVerfG, BeckRS 1960, 00271.

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

mengen sich die beiden Ansätze, denen das Elternrecht folgt: Der Großelternteil ist auf der einen Seite blutsverwandt mit seinem Enkelkind in gerader Linie, die Vormundschaft wiederum beweist die Übernahme tatsächlicher Verantwortung für das Kind in Form der Ausübung des hierdurch übertragenen Sorgerechts.

4.  Die sozial-familiäre Beziehung Die soziale Verantwortungsübernahme wird allerdings in einigen Fällen gänzlich von der genetischen Abstammung entkoppelt. Denn das Bundesverfassungsgericht weist auch Adoptiveltern den grundrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu.48 In diesen Fällen lässt das Recht bewusst die fehlende genetische Verbundenheit außer Acht und rückt die tatsächliche soziale Elternschaft mit ihren Höhen und Tiefen in den Vordergrund. Gerechtfertigt werden kann diese Entkoppelung mit dem Kindeswohl. Diesen Gedanken führt auch das einfache Recht fort, indem es den Eltern nach erfolgreicher Adoption die statusrechtlich vollwertige Elternposition einräumt und so das Eltern-KindVerhältnis perpetuiert und vor Außeneinflüssen schützt. Zudem stellt sich die Frage, ob das grundrechtlich gesicherte Elternrecht auch den Pflegeeltern zukommen kann. Ein Pflegeeltern-Kind-Verhältnis kann zwar durchaus mit der Übernahme von klassischen Elternrechten und -pflichten einhergehen, ist aber in den meisten Fällen gerade nicht auf Dauer angelegt. Auch hat die Übernahme einer Pflegschaft für ein Kind keine statusrechtlichen Folgen im einfachen Recht. So ging die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch davon aus, dass Pflegeeltern der Schutz aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG generell nicht zusteht.49 In einer späteren Entscheidung ist das Gericht vorsichtiger geworden und hat es offen gelassen, ob Pflegeeltern generell nicht in den Schutzbereich des Elternrechtes fallen.50 Endgültig geklärt hat das Gericht diese Frage bisher nicht. Aber eine Tendenz der Rechtsprechung ist durchaus zu erkennen: Es kommt auf den Einzelfall und die bestehenden familiären Bindungen an. Denn auch wenn man Pflegeeltern kein Elternrecht zugesteht, so fällt eine Pflegefamilie dennoch in den Schutzbereich des Familiengrundrechtes aus Art. 6 Abs. 1 GG, sodass eine Abwägung der Interessen vollzogen werden muss.51 Bei der nicht seltenen Kollision von Elternrechten der leiblichen Eltern und Rechten der Pflegeeltern zumindest aus Art. 6 Abs. 1 und 3 GG müssen die einzelnen Rechtspositionen sauber abgegrenzt werden und insbesondere das Kindeswohl betreffende Erwägungen angestellt werden. In einer hierzu ergangenen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht einem absoluten Vorrang von gewachsenen sozial-familiären Beziehungen vor der genetischen 48 

Vgl. BVerfG, NJW 1968, 2233. BVerfG, NJW 1989, 519. 50  BVerfG, NJW 1994, 183. 51  BVerfG, FamRZ 2006, 1593. 49 



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Relation allerdings eine Absage erteilt. Es nimmt hier sogar eine psychische Belastung des Kindes bei dessen Rückführung zu seinen leiblichen Eltern in Kauf, „weil andernfalls die Zusammenführung von Kind und Eltern immer dann ausgeschlossen wäre, wenn das Kind seine ,sozialen Eltern‘ gefunden hätte“.52 Weiter reicht es für den persönlichen Schutzbereich des Elternrechtes nicht aus, lediglich sozial die Rolle eines Elternteiles wahrzunehmen: „Soziale Elternschaft allein begründet grundsätzlich keine Elternposition i. S. d. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG“.53 Auch hier deutet sich an, dass weder die leibliche noch die soziale Elternschaft durch die Zuweisung der rechtlichen Elternstellung privilegiert werden soll. Die sozial-familiäre Beziehung als legal definierter terminus technicus ist ein Produkt der wegweisenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts54 zum leiblichen, nicht rechtlichen Vater. In dieser Entscheidung postuliert das Gericht, dass auch der leibliche, nicht rechtliche Vater eines Kindes unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG steht.55 Der leibliche Vater darf nicht von vorneherein von der Anfechtung einer anderweitigen rechtlichen Vaterschaft ausgeschlossen werden, sondern nur in den Fällen, in denen eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und seinem Kind besteht. Die sozial-familiäre Beziehung kann also nicht als grundrechtsbegründendes, sondern eher als grundrechtsausfüllendes Verhältnis verstanden werden, das je nach Fallgestaltung als Korrektiv für unerwünschte Familienkonstellationen verwendet wird. Aber auch wenn das von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so nicht gewollt ist, stellt das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung im Verhältnis zwischen rechtlichem Sozialvater und leiblichem Vater (der gerne die vollwertige Vaterstellung erreichen würde) ein Grundrechtshindernis dar. Somit hat die sozial-familiäre Beziehung zumindest in dieser Konstellation doch grundrechtsbegründenden Charakter, wenn auch in negativer Ausgestaltung. Eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Ausgestaltung der sozial-familiären Beziehung geprägt:56 Das Gericht hat das 2008 eingeführte Anfechtungsrecht der Vaterschaft eines Kindes durch die anfechtungsberechtigte Behörde für verfassungswidrig erklärt. Da das behördliche Anfechtungsrecht genau wie das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters unter dem Vorbehalt steht bzw. stand, dass zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, hat das Gericht auch einige allgemeine Aussagen über die Ausformung einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichem Vater getroffen. So muss die Be52 

BVerfG, FamRZ 2006, 1593 (1594). BVerfG, NJW 2013, 847 (850). 54  BVerfG, NJW 2003, 2151. 55  BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152). 56  BVerfG, NJW 2014, 1364. 53 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

ziehung zwischen dem rechtlichen Vater und seinem Kind bei Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft des Kindes durch den leiblichen Vater im Einzelfall „sozial gehaltvoll“57 sein, um in den Genuss verfassungsrechtlichen Schutzes zu kommen. Zwar stellte das Bundesverfassungsgericht im Anschluss anders als bei der verfassungswidrigen behördlichen Vaterschaftsanfechtung keine Kriterien dafür auf, wann eine Beziehung zwischen Vater und Kind sozial gehaltvoll ist, es kommt aber dennoch zum Ausdruck, dass das Vorliegen einer sozialfamiliären Beziehung im Einzelfall einer Begründung bedarf. Die gesetzlichen Vermutungen in § 1600 Abs. 4 BGB erscheinen insbesondere vor diesem Hintergrund sehr fragwürdig.58 Auch hat das Gericht in dieser Entscheidung noch einmal betont, dass es für die Schutzwirkung des Elterngrundrechtes gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG weder von Belang ist, ob das Kind genetisch vom Vater abstammt, noch, ob der Vater mit dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung59 unterhalten hat. Vielmehr ist ausreichend, dass der Vater – auf welchem Wege auch immer – die rechtliche Vaterschaft erlangt hat. Fehlt hingegen eine sozialfamiliäre Beziehung, ist das Schutzniveau des Elternrechtes abgesenkt. Alle diese unterschiedlichen Ausgestaltungen der Einzelfälle zeigen aber, dass es keine einheitliche Linie gibt, wer personell in den Schutzbereich des Elternrechtes fällt und wer nicht.

5.  Gemeinsame Elternschaft eines Mannes und einer Frau als zwingende Voraussetzung für den grundrechtlichen Schutz? Eine unbefangene Lesart des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ließe den Schluss zu, dass es das Elternrecht nur im Plural gibt,60 es den Eltern nur gemeinschaftlich zusteht und auch eine gewisse Abhängigkeit der Eltern untereinander besteht. Das Elternrecht entfaltet aber lediglich eine vertikale Dimension: Jeder Elternteil, der in den Schutzbereich des Elternrechts fällt, übt seine eigene Elternverantwortung für das Kind aus – unabhängig davon, ob ein weiterer (rechtlich zugeordneter) Elternteil überhaupt existiert. Die mit dieser Ausgestaltung verbundene Pluralität der Einzelrechte eines jeden Elternteiles kann sogar dazu führen, dass bei deren Ausübung divergierende Interessen verfolgt werden. In einem solchen Fall „stehen sich auf beiden Seiten Grundrechtsträger gegenüber, die sich gleichermaßen auf das Elternrecht berufen können.“61 Das Elternrecht steht also von Verfassungs wegen zunächst einmal jedem Elternteil „einzeln“ 57 

BVerfG, NJW 2014, 1364 (1369). Siehe unten Kap. 3 B. II. 1. b. bb. 59  Hierzu auch BVerfG, NJW 2005, 2685 (2688). 60 Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG: „das natürliche Recht der Eltern“; eindeutiger wäre wohl die Formulierung „das natürliche Recht eines jeden Elternteiles“. 61  BVerfG, NJW 1994, 1208 (1209). 58 



A.  Das Grundgesetz

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zu.62 Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der grundsätzlich gemeinsamen Sorge der (verheirateten) Eltern ist hiervon zu unterscheiden. Zum Geschlecht der Eltern trifft Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zunächst keine ausdrückliche Entscheidung. Aber der Umgang des Rechts mit homosexuellen Elternpaaren und deren Billigung durch das Bundesverfassungsgericht63 zeigen, dass das Geschlecht als solches bei der Zuordnung eines Kindes an seine Eltern offenbar keine Rolle (mehr) spielt. Hier zeigt sich erneut der Rechtsprechungswandel des Verfassungsgerichts zum Elternrecht. Die tatsächliche Elternschaft zwischen einer Frau und einem Mann ist also keine Voraussetzung, um in den Genuss des Elternrechtes zu kommen.

6.  Die objektive Dimension des Elternrechts Man mag sich innerhalb einer freiheitlichen Demokratie,64 die die Achtung der Menschenwürde an den Anfang ihrer Verfassung schreibt, durchaus daran stoßen, Rechte auf Pflege und Erziehung eines anderen Menschen zu haben. Das Bundesverfassungsgericht begründet die Existenz von Elternrechten zur Pflege und Erziehung eines Kindes mit dessen Hilfsbedürftigkeit, „um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln.“65 Das Elternrecht ist als Pflichtrecht ausgestaltet, was bedeutet, dass es sich um ein treuhänderisch auszuübendes Grundrecht handelt.66 Das Elternrecht schützt die Eltern vor Eingriffen in ihr Pflege- und Erziehungsrecht von außen, aber es legt den Eltern auch die Pflicht auf, die Pflege und Erziehung des Kindes auszuüben. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet diese Kombination aus Recht und Pflicht daher treffend als „Elternverantwortung“.67 Bei Ausübung ihrer Elternverantwortung ist Richtschnur stets das im Einzelfall zu bestimmende Kindeswohl. „Denn das Kind ist nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung, es ist Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten.“68 Hierunter fällt grundsätzlich auch die Akzeptanz eines Elternteiles, dass das Kind Kontakt in Form von persönlichem, telefonischem oder auch elektronischem Umgang mit dem jeweils anderen Elternteil pflegt.

62 

BVerfG, NJW 1999, 631 (633). BVerfG, NJW 2013, 847 (849). 64  Vgl. BVerfG, NJW 2008, 1287 (1288). 65  BVerfG, NJW 2010, 2336 (2337). 66  BVerfG, BeckRS 2009, 88701. 67  BVerfG, NJW 2003, 2151 (2153). 68  BVerfG, NJW 2008, 1287 (1288). 63 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

7.  Rechtliche Absicherung des Kindes durch Abbildung der sozial gelebten familiären Situation Die verfassungsrechtlich geschützten Positionen haben auch den Auftrag, die grundrechtlichen Wertungen in das einfache Recht zu übertragen und ein Gleichgewicht herzustellen. Insbesondere das Familienrecht hat dabei eine dienende Funktion. Es soll die sozial gelebten Beziehungen und die Blutsbande rechtlich absichern. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, eine Stiefkindadoption diene in der Regel dazu, die tatsächlich gelebte familiäre Situation69 auch rechtlich mit allen Konsequenzen abzusichern. Eine solche rechtliche Absicherung könne „im Interesse des Kindes liegen“70. Die Besonderheit bei der Stiefkindadoption von Minderjährigen ist aber, dass das Kind wegen § 1755 BGB sämtliche rechtlichen Bande zu seiner Herkunftsfamilie väterlicherseits ohne Not verliert. Deshalb wird die derzeitige Ausgestaltung der Stiefkindadoption auch von einigen Stimmen in der Literatur71 kritisiert. § 1686a BGB schafft allerdings den rechtlichen Boden für neue soziale Konstellationen. Das Kind bekommt einen gerichtlich festgestellten leiblichen Vater an die Seite gestellt, der auch ein Umgangsrecht mit dem Kind beanspruchen kann, wenn dies dem Kindeswohl dient. Das Kind hingegen kann keinerlei weitere Rechte geltend machen, die mit einer Vaterschaft grundsätzlich verbunden sind. Wir haben es also mit einer sozialen Situation zu tun, die sich rechtlich nicht absichern lässt; von der im Zweifel nicht gewollten Adoption des Kindes durch den leiblichen Vater einmal abgesehen.

8.  Eventuelle Beschneidung des Elternrechtes durch weitere Person im Schutzbereich Das Elternrecht besteht, wie oben dargelegt, jeweils einzeln zwischen Mutter und Kind sowie Vater und Kind. Das Elternrecht der rechtlichen Eltern könnte durch das Hinzutreten einer weiteren, vollwertig geschützten Person eingeschränkt werden. Das Rechtsverhältnis zum Kind wird nicht erweitert, sondern es wird sich nun statt von zwei von drei Personen geteilt – das ursprüngliche Elternrecht wird also geschmälert. Aber diese Rechtsbeschränkung ist durch den Pflichtrechtcharakter und die Bindung des Rechtes an das Kindeswohl gerechtfertigt. Denn es kann niemals zu einer Statuserweiterung und damit einhergehend einer Grundrechtsschmälerung kommen, ohne dass dies dem konkreten Kindeswohl entspricht. (Daher könnte man überlegen, ob überhaupt ein Eingriff in das Elternrecht vorliegt, wenn wir ohnehin „nur“ von einem Pflichtrecht ausgehen.) 69  Also

ein tatsächliches soziales Zusammenleben zwischen Kind, Mutter und Stiefvater. BVerfG, NJW 1995, 2155 (2157). 71  Siehe hierzu unten Kap. 4. A. V. 1. 70 



A.  Das Grundgesetz

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In einer Pflegeeltern-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass mehrere personell schutzwürdige Personen aufeinanderträfen, wenn Pflegeeltern verfassungsrechtlicher Schutz aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zugute käme.72 Eine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Neuheit wäre das Hinzutreten eines weiteren Trägers des Elterngrundrechtes also nicht. In einem solchen Fall müssten bei widerstreitendem Interesse die einzelnen grundrechtlichen Positionen gegeneinander abgewogen werden. Instrumente, die eine Entscheidung im Einzelfall ermöglichen, hält das einfache Kindschafts-, insbesondere das Sorgerecht bereit.73

9.  Ausgestaltung des Zugangs zum Elternrecht durch den Gesetzgeber Bisher wurden die Funktion und die Kompetenzen, die sich aus dem Elternrecht ergeben, näher beleuchtet. Hierbei war die Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht von besonderem Interesse. Die meisten Entscheidungen beziehen sich auf die grundgesetzkonforme Ausübung des Elternrechts. Eher selten hat sich das Gericht mit den Voraussetzungen des Zugangs zum Elternrecht beschäftigt. Dies hat verschiedene Gründe: Zum einen gibt es viel mehr Fälle, die die Ausübung des Elternrechts betreffen, als solche, die den Zugang zum Elternrecht zum Gegenstand haben. Zum anderen sieht sich das Bundesverfassungsgericht auch nicht in der Pflicht, Entscheidungen hierüber zu treffen, da auf diesem Gebiet dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber die Entscheidungshoheit zukommt.74 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum zur Ausgestaltung des einfachen Familienrechts eröffnet. Diese Entscheidungsfreiheit soll der Gesetzgeber aber auch in Anspruch nehmen und sich stets auch auf die dienende Funktion des Familienrechts zurückbesinnen.

III.  Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Ein verhältnismäßig junges und bisher wenig diskutiertes Grundrecht75 ist das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Recht entwickelt, indem es 72 

BVerfG, NJW 1994, 183. Siehe unten: Kap. 4. B. I. 3. 74  Vgl. BVerfG, NJW 2010, 3008 (3009). 75  Britz, Das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung – jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 2014, 1069; Hohmann-Dennhardt, Kindeswohl und Elternrecht – Rechtsverhältnis von Eltern und Kindern, FPR 2008, 476; sehr kritisch Jestaedt, Das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Alles zum Wohle des Kindes?, 13. 73 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

das Recht des Kindes auf Entfaltung seiner Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG (subjektive Dimension des Rechts) und die Zuweisung der Sorge für das Kind an die Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG (objektive Dimension) verbunden hat.76 Erstmals erwähnt wurde es in der Entscheidung des Gerichts77 über die Frage, ob die in § 1684 BGB ausgestaltete Pflicht eines Elternteiles, Umgang mit dem Kind zu pflegen, auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden darf, oder ob dies nicht einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Elternteiles darstellt. Dieses Grundrecht verleiht dem Kind ein „Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung […] und schützt Kinder zugleich dagegen, durch staatliche Maßnahmen von der spezifisch elterlichen Hinwendung abgeschnitten zu werden.“78

1.  Dogmatische Herleitung Auch wenn das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung noch recht jung ist, hat sich die Rechtsprechung dazu bereits gewandelt. Nach seiner erstmaligen Erwähnung im Jahr 2008, als es noch unter der Wendung „Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern“ firmierte, hat sich das Bundesverfassungsgericht bei der nächsten Gelegenheit im Jahr 2013 dazu entschieden, das Grundrecht umzutaufen und seine grundgesetzliche Herleitung zu überdenken. Zunächst hat sich die Begründung des Grundrechtes noch unmittelbar auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gestützt.79 Aber bereits in dieser Entscheidung hat das Gericht einen engen Zusammenhang zwischen dem Recht auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern und seinem Grundrecht auf Schutz seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG festgestellt.80 Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ist daher kein Recht, das von dem Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern abgekoppelt ist.81 Vielmehr wollte das Bundesverfassungsgericht wohl seine 2008 entwickelte Rechtsprechung in eine andere Richtung weiterentwickeln, was auch der Rückgriff auf die Entscheidung aus dem Jahr 2008 in seinen entscheidenden Passagen zum damals noch „Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch die Eltern“ deutlich macht. Fortan wurde das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung konsequenterweise auf eine 76 

BVerfG, NJW 2013, 847 (848). BVerfG, NJW 2008, 1287, damals hieß es noch „Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern“. 78  BVerfG, NJW 2014, 1364 (1372). 79  BVerfG, NJW 2008, 1287. 80  BVerfG, NJW 2008, 1287 (1289). 81  Anders aber Reimer/Jestaedt, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 19. 2. 2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, JZ 2013, 468 (471), die davon ausgehen, dass das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern seither in der Versenkung verschwunden sei. 77 



A.  Das Grundgesetz

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Verbindung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gestützt. In der Gesamtschau folgt daraus also ein subjektives Recht des Kindes gegen den Staat, dem Kind eine rechtliche Infrastruktur zu schaffen und zu erhalten, in der es möglich und auch besonders effizient ist, die Pflege und Erziehung des Kindes durch seine Eltern sicherzustellen.

2.  Unmittelbare Grundrechtsbindung der Eltern durch das Recht des Kindes auf elterliche Pflege und Erziehung? Nach der maßgebenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Umgangsrecht des Elternteiles 2008 war die Empörung und Verwirrung groß, dass offenbar ein Kindesgrundrecht erschaffen wurde82, das die Eltern zu einem Grundrechtsverpflichteten macht.83 Denn nach der damaligen Herleitung direkt aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG liegt es nicht fern, die Eltern als unmittelbar grundrechtsgebunden zu erachten. Es entspricht aber allgemeiner Grundrechtsdogmatik, dass Grundrechte lediglich im Staat-Bürger-Verhältnis gelten. Manifestiert wird dieser Grundsatz in Art. 1 Abs. 3 GG, der lediglich Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die unmittelbare Geltung der Grundrechte bindet. Zwar könnte man an dieser Stelle die Lehren über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Einzelfall bemühen, doch hat das Bundesverfassungsgericht mittlerweile offenbar selbst erkannt, dass es mit einer unmittelbaren Grundrechtsverpflichtung der Eltern über das wohlverstandene Ziel hinausgeschossen ist. Auch Gabriele Britz, Richterin am Bundesverfassungsgericht, betont, bei dem Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung handele es sich um ein reines staatsgerichtetes Grundrecht, da die Eltern nicht grundrechtsgebunden seien.84

3.  Folgerungen aus dem Grundrecht für den Staat Eine spannende Frage ist, welche Folgen für den Staat sich aus einem solchen Gewährleistungsanspruch des Kindes ergeben. Im Folgenden werden die verschiedenen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte erläutert. Eine 82  So dem Wortlaut nach in BVerfG, NJW 2008, 1287 (1288): „Eltern sind auch – unmittelbar – ihrem Kind gegenüber zu dessen Pflege und Erziehung verpflichtet.“ 83  Zumindest von denjenigen, die sich überhaupt näher mit den Passagen des einschlägigen Urteils des BVerfG auseinandergesetzt haben: Jestaedt, Das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Alles zum Wohle des Kindes?, 13; ausführlich auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, S. 169 ff., die allerdings die bis dato ergangene Entscheidung des BVerfG, NJW 2013, 847 leider unberücksichtigt gelassen hat. 84  Britz, Das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung – jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 2014, 1069 (1070).

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

umfassende Kasuistik des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Grundrecht gibt es aber noch nicht.

a. Abwehrfunktion Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gewährleistungsrecht des Kindes zum einen eine Abwehrfunktion zugesprochen. 2014 hat es85 die bis dato mögliche Anfechtung der Vaterschaft eines Kindes durch die zuständige Behörde für verfassungswidrig erklärt. Dem Kind werde dadurch ein Elternteil genommen, ohne dass dieser Verlust durch die Zuordnung eines adäquaten Ersatzes, beispielsweise des tatsächlich leiblichen Vaters, kompensiert werde. Die Abwehrfunktion dieses Grundrechts beschränkt sich allerdings nicht auf den Verlust des elterlichen Status durch staatliche Maßnahmen, sondern entfaltet sich auch bei staatlichen Maßnahmen, mit denen Eingriffe in die Ausübung der elterlichen Sorge (z. B. auf Grundlage von § 1666 BGB) verbunden sind. Im Rahmen dieser Entscheidung hat das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung also auch die Funktion einer zusätzlichen Schranke für einen Grundrechtseingriff übernommen.

b. Schutzfunktion Während das kindliche Gewährleistungsrechts als Abwehrrecht einigermaßen konkret zu bestimmen und auch zu begrenzen ist, ist unklar, ob dem Grundrecht auch die Aufgabe zukommt, eine bestimmte Gestaltung des einfachen Rechts hinsichtlich des Zuganges zum Elternrecht zu gewährleisten. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage ausgeführt, zur staatlichen Gewährleistung gehöre auch, „die – von der Verfassung vorausgesetzte – spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern […] dem Grunde nach zu ermöglichen und zu sichern […].“ 86 Darüber hinaus soll der Staat darüber wachen, dass sich das Kind im Rahmen dieser geschaffenen Möglichkeiten in der Obhut seiner zugeordneten Eltern auch tatsächlich zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickeln kann. Bereits an dieser Stelle erstaunt, dass in der konkreten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Sukzessivadoption der Eingriff in das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung damit gerechtfertigt werden konnte, das Kind werde durch das Verbot nicht elternlos gestellt, sondern habe immerhin einen rechtlichen Elternteil. Die rechtliche Absicherung der sozial gelebten Familie könne auch durch einfachrechtliche Gestaltungen wie beispielsweise das klei85  86 

BVerfG, NJW 2014, 1364. BVerfG, NJW 2013, 847 (848).



A.  Das Grundgesetz

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ne Sorgerecht des Lebenspartners des rechtlichen Elternteiles im Sinne von § 1687b BGB gewährleistet werden. Dabei sieht das Grundgesetz die rechtliche Elternschaft von nur einem Elternteil mitnichten als Regelfall an, vielmehr soll es dabei nur in Ausnahmefällen bleiben. Offenbar schränkt das Grundrecht des Kindes den Gesetzgeber nur sehr geringfügig in seiner Gestaltungsfreiheit ein. Der tatsächliche Nutzen für das Kind durch das neu gewonnene Grundrecht im Bereich der Gewährleistung rechtlicher Elternschaft kann folglich nicht allzu hoch sein. Die Öffnung der rechtlichen Elternschaft hin zur Mehrelternschaft stellt nach alledem keine gesetzgeberische Pflicht dar, die sich aus den grundgesetzlichen Werten und insbesondere dem Gewährleistungsanspruch des Kindes ergibt. Allerdings kann eine Öffnung der Elternschaft für weitere Beteiligte ein Kompromiss sein: Nämlich immer dann, wenn der Zugang zur rechtlichen Elternstellung dem Kindeswohl im Einzelfall dienlich ist. Hier ist allerdings wieder der weite Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers von Bedeutung, den das Bundesverfassungsgericht stets betont. Das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung würde also auch die Entscheidung des Gesetzgebers decken, mehr als zwei Elternteile zuzulassen,87 wenn dies im Einzelfall dem Kindeswohl dient. Ein Gebot zum Erlass einer solchen Regelung lässt sich dem Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung dagegen nicht entnehmen. In diesem Zusammenhang sei am Rande erwähnt, dass sich das Bundesverfassungsgericht aber nicht gänzlich widerspruchsfrei verhält, wenn es bei der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Behördenanfechtung einerseits darauf abstellt, dass dem Kind die rechtliche Vaterfigur genommen werde und daher einen Eingriff in seine Grundrechte bejaht, während es das Verbot der Sukzessivadoption von eingetragenen Lebenspartnern – also einen Eingriff in das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung – damit rechtfertigt, das Kind werde hierdurch nicht elternlos gestellt, sondern habe ja immerhin weiter einen rechtlichen Elternteil, der dem Kind die nötige Pflege und Erziehung zukommen lassen könne. Zwar stellt der Wegfall eines bestehenden Elternteiles (ob nun eine sozial-familiäre Beziehung vorliegt oder nicht, jedenfalls besteht ein Statusverhältnis zwischen Vater und Kind) für das Kind eine Rechtsänderung dar, während sich bei Versagen der Adoption die ursprüngliche Rechtslage nicht ändert. Am Ende steht aber in beiden Fällen das Ergebnis, dass dem Kind nur ein rechtlicher Verantwortungsträger zugeordnet ist. Hieraus lässt sich aber ablesen, dass das Bundesverfassungsgericht dem 87 In diese Richtung lässt sich auch Britz, Das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung – jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 2014, 1069 (1071), verstehen, wenn sie davon ausgeht, dass auch weiteren Personen über die Mutter, den Vater oder die Adoptiveltern hinaus der rechtliche Elternstatus zugänglich gemacht werden kann.

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

Gesetzgeber in statusrechtlichen Zuordnungsfragen einen weiten Gestaltungsspielraum zugesteht.88

B.  Verfassungsmäßigkeit des § 1686a BGB Bereits die Autoren der Einführungsaufsätze haben sich nach Inkrafttreten von § 1686a BGB die Frage nach dessen Verfassungsmäßigkeit gestellt,89 teilweise wurde die Norm auch als „evident verfassungswidrig“ bezeichnet.90 § 1686a BGB löst sich von der konsequenten Ausrichtung des Kindschaftsrechtes am Kindeswohl sowie von der Vorstellung sämtliche das Kind betreffende Fragen auch konsequent vom Kind her zu denken. Besonders deutlich wird dies daran, dass dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater mit dem Umgangsrecht ein sehr bedeutsamer Teil elterlicher Verantwortung zugesprochen wird, nämlich die Möglichkeit eine soziale Verbindung zu dem Kind aufzubauen, zu fördern und zu erhalten. Für das Bundesverfassungsgericht ist der Umgang eines Elternteils mit seinem Kind nicht „lediglich eine mögliche Ausdrucksform elterlicher Erziehung, sondern eine grundlegende Basis für die Eltern-Kind-Beziehung und damit ein wesentlicher Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Elternrechts.“91 Daneben „gibt es kein von der Verfassung geschütztes Interesse, die biologische Vaterschaft ohne elterliche Verantwortung neben der rechtlichen Vaterschaft festgestellt zu erhalten.“92 § 1686a BGB räumt dem leiblichen Vater allerdings genau eine solche Möglichkeit ein, indem incidenter im Rahmen des vorgesehenen Umgangs- oder Auskunftsrechtes die leibliche Vaterschaft festgestellt wird. Dabei ist unschädlich, dass diese rechtliche Feststellung lediglich inter partes wirkt. Entscheidend für die Befriedigung des Rechts des leiblichen Vaters auf Kenntnis seiner eigenen Nachkommenschaft (das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt ist) ist es ja gerade, dass er selbst weiß, ob das Kind tatsächlich von ihm genetisch abstammt oder nicht.

88 

In diese Richtung auch Britz, Das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung – jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 2014, 1069 (1071). 89  Peschel-Gutzeit, Der doppelte Vater – Kritische Überlegungen zum Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, NJW 2013, 2465 (2468); Lang, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, FPR 2013, 233 (235 f.). 90  Coester, Reformen im Kindschaftsrecht, in: DFGT (Hrsg.), Brühler Schriften zum Familienrecht, Band 18, 43 (49). 91  BVerfG, NJW 2008, 1287 (1289). 92  BVerfG, NJW 2009, 423 (424).



B.  Verfassungsmäßigkeit des § 1686a BGB

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I.  Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG – Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung Wie oben aufgezeigt ist der Schutzbereich dieses noch verhältnismäßig jungen Grundrechts des Kindes von der Rechtsprechung noch nicht ausreichend konkretisiert worden. Dennoch muss sich die gesetzgeberische Entscheidung, die in § 1686a BGB getroffen wurde, auch an diesem Grundrecht messen lassen. Wie das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach betont hat, obliegt die Ausgestaltung von Art. 6 GG grundsätzlich dem Gesetzgeber. Er kann so beeinflussen, wie die rechtliche Infrastruktur elterlicher Pflege und Erziehung in concreto ausgestaltet wird und welche Personen in den Kreis der Verantwortungsträger für das Kind einbezogen werden. Das gesetzgeberische Gestaltungsermessen beschränkt sich nicht nur auf den Zugang zu elterlichen Rechtspositionen, sondern erstreckt sich auch auf einzelne einfachrechtliche Ausgestaltungen des Kindschaftsrechts. Beim leiblichen, nicht rechtlichen Vater hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, diesem ein kindeswohlabhängiges Umgangsund Auskunftsrecht zu gewähren. Hierdurch wird das Kind nicht beschnitten in seiner Pflege und Erziehung durch seine beiden rechtlichen Elternteile. Denn zwei Elternteile sind gerade Voraussetzung für ein Umgangs- und/oder Auskunftsrecht. Da sich an der statusrechtlichen Zuordnung des Kindes durch einen Anspruch aus § 1686a BGB nichts ändert, kann mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts93 zur Verfassungsmäßigkeit des Verbots der Sukzessivadoption eingetragener Lebenspartner davon ausgegangen werden, dass das Kind durch das Hinzutreten einer weiteren umgangsberechtigten Personen nicht in seinem Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung verletzt ist. Problematisch an der Regelung ist aber dennoch, dass dem Kind gegenüber seinem leiblichen, nicht rechtlichen Vater gerade kein Recht auf Umgang zusteht, wie dies § 1684 BGB vorsieht.

II.  Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG In der bislang einzigen Entscheidung 94 zu § 1686a BGB war Prüfungsmaßstab des Gerichts prüfte das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG, der die gesamte rechtliche Familie schützt. Wie oben aufgezeigt, schützt dieser Artikel die Familie vor staatlichem Eindringen. Das Umgangsund Auskunftsrecht des leiblichen Vaters berührt die Integrität der rechtlichen Familie – sie wird mit der besonderen Konstellation konfrontiert, dass rechtliche und leibliche Vaterschaft voneinander abweichen. Nach dem Bundesverfassungsgericht besteht hierdurch die Gefahr, dass das Familienleben gehemmt wird und gewachsene Bindungen in Frage gestellt oder gar erschüttert werden. 93  94 

BVerfG, NJW 2013, 847. BVerfG, NJW 2015, 542.

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

Dieser Eingriff in das Grundrecht der Familie sei aber verfassungsimmanent beschränkt durch den „verfassungsrechtlich grundsätzlich anzuerkennenden Wunsch des leiblichen Vaters nach Umgang und nach Auskunft über das Kind.“95 Der Eingriff sei gerechtfertigt, solange im Einzelfall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt bleibe. Ein Eingriff ist demnach grundsätzlich gerechtfertigt, den Gerichten bleibt die verhältnismäßige Ausgestaltung im Einzelfall überlassen. Die Prüfungsreihenfolge ist dabei nicht in das Belieben der Gerichte gestellt: Sie haben immer diejenige Reihenfolge zu wählen, die den geringstmöglichen Eingriff in die Rechte der Familie bedeutet. Hierfür gibt es keine strengen Vorgaben, es entscheidet der Einzelfall. Wenn absehbar ist, dass die Kindeswohlprüfung einen sehr geringen Eingriff in das Wohl des Kindes darstellt und die Abstammungsfeststellung die Gefahr birgt, das Kind unverhältnismäßig zu belasten, dann gebietet es die Verfassung, zunächst die Kindeswohldienlichkeit des Umgangs zu prüfen und im Anschluss die leibliche Abstammung des potentiellen Vaters. Es kann allerdings auch Fälle geben, in denen die umgekehrte Lösung die grundrechtsschonendste ist. Hierbei ist insbesondere an Fälle zu denken, in denen die leibliche Vaterschaft des Dritten unstreitig ist und der Fokus auf die übrigen Voraussetzungen gelegt wird.

III.  Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung § 1686a BGB macht es einem ernsthaft interessierten leiblichen Vater möglich, seine leibliche Vaterschaft im Rahmen eines Umgangs- oder Auskunftsverfahrens inzident feststellen zu lassen. Zeigt der leibliche Vater zudem ernsthaftes Interesse am Kind und dient ein Umgang mit dem Vater dem Kindeswohl, so steht einem Umgangsrecht nichts mehr im Wege. Zwar dürfte es kein leichtes sein, vor dem Gericht den fürsorgenden Vater zu mimen, um das womöglich eigentliche Anliegen, nämlich die statusunabhängige Feststellung der genetisch eigenen Nachkommenschaft, zu verschleiern. Die rechtliche Möglichkeit hierzu besteht allerdings grundsätzlich. Hinzu kommt, dass die Prüfungsreihenfolge – bezüglich leiblicher Abstammung und Kindeswohldienlichkeit – im Ermessen des erkennenden Gerichts steht und damit ein nicht unerheblicher Spielraum im Einzelfall verbleibt.96 Umgekehrt wird dem Kind unabhängig von weiteren Voraussetzungen kein Rechtsmittel an die Hand gegeben, seine Abstammung von einem anderen leiblichen Vater gerichtlich festzustellen. Fraglich ist daher, inwieweit diese ein95 

BVerfG, NJW 2015, 542; so auch schon BVerfG, NJW 2014, 1364 (1372). Freilich ist die Prüfungsreihenfolge somit nicht in das Belieben des Gerichts gestellt, es muss sich dabei an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit halten. Einen Ermessensspielraum gibt es aber durchaus, vgl. BVerfG, NJW 2015, 542, siehe oben. 96 



B.  Verfassungsmäßigkeit des § 1686a BGB

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seitig begünstigende Rechtsposition des leiblichen Vaters mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu vereinbaren ist.

1.  Schutzbereich des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und ein Produkt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.97 Gerechtfertigt wird die Existenz dieses Rechts damit, dass die Kenntnis der eigenen Abstammung maßgeblich ist für die persönliche Entwicklung und Identitätsfindung. Dieses Grundrecht fungiert gegenüber dem Staat allerdings nicht als Leistungsrecht in Form der Beschaffung genetischer Informationen eines jeden Bürgers, sondern schützt lediglich davor, erhältliche Informationen vorenthalten zu bekommen.98 In einem so intimen Lebensbereich wie der Abstammung eines Menschen ist auch bei der bloßen Vorenthaltung erlangbarer Informationen eine mittelbare Drittwirkung des Grundrechtes augenscheinlich. Auf Verurteilung des Bundesverfassungsgerichts99 hin hat der Gesetzgeber 2007 ein statusunabhängiges Abstammungsklärungsverfahren geschaffen100, um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu wahren, ohne dafür zum einen heimlich Vaterschaftstest durchführen zu müssen, deren Verwertbarkeit weitere Grundrechtsverstöße nach sich zöge, und zum anderen ohne ein Statusverfahren anstreben zu müssen, da Statusfolgen nicht in jedem Fall gewollt sind und die Entscheidung hierüber den Betroffenen im Einzelfall überlassen bleiben sollte. Gemäß § 1598a BGB haben das Kind, die rechtliche Mutter und der rechtliche Vater jeweils gegeneinander einen Anspruch auf Einwilligung in die genetische Abstammungsuntersuchung sowie Duldung der notwendigen Einholung genetischer Proben. Der leibliche, nicht rechtliche Vater ist in der Normunberücksichtigt geblieben. Weder er selbst noch das Kind hat einen Anspruch gegen den jeweils anderen oder gegenüber den rechtlichen Elternteilen, die Einwilligung zur Abstammungsuntersuchung zu verlangen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater der Weg über das Anfechtungsrecht offen stünde und er darüber hinaus keine unbegründeten Zweifel in die sozial intakte Familie hineintragen können sollte.101 Insoweit war auch die gesetzgeberische Entscheidung folgerichtig, dem Kind ebenfalls keine Möglichkeit zu geben, statusunabhängig 97 

BVerfGE 59, 256. BVerfG, NJW 2010, 3772. 99  BVerfG, NJW 2007, 753. 100  Zur Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 16/6561. 101 Verfassungsrechtliche Kritik dieser Entscheidung: MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1598a BGB Rn. 10 f. 98 

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

einen anderen Mann als seinen rechtlichen Vater als leiblichen Vater gerichtlich feststellen zu lassen.

2.  Eingriff und mögliche Rechtfertigung Seit der Einführung des § 1686a BGB (mit der Möglichkeit der inzidenten Feststellung der leiblichen Vaterschaft) besteht also keine – prozessual ausgedrückt – „Waffengleichheit“ mehr zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind. Zwar wird durch die incidenter festgestellte leibliche Vaterschaft des Dritten zugleich auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung des Kindes befriedigt. Dennoch steht das „ob“ und auch das „wann“ der Eröffnung eines Verfahrens nach § 1686a BGB vollständig im Belieben102 des leiblichen Vaters. Das Kind hingegen wird verwiesen auf Auskunftsansprüche über die Person seines leiblichen Vaters gegen die Mutter. Dieser Anspruch ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, seine Rechtsgrundlage ist streitig.103 Unabhängig davon, welche Rechtsgrundlage letzten Endes für einen Auskunftsanspruch des Kindes gegen seine Mutter herangezogen wird, besteht ein solcher Anspruch nicht absolut. In jedem Fall hat eine Interessenabwägung zwischen dem gegebenenfalls bestehenden Geheimhaltungsinteresse der Mutter (keine intimen Details preisgeben zu müssen) und dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu erfolgen.104 Selbst bei dem Rückgriff auf einen Anspruch des Kindes gegen die Mutter stünde dieses also schlechter als der leibliche, nicht rechtliche Vater.

3. Zwischenergebnis Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob § 1686a BGB in seiner jetzigen Fassung tatsächlich einen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Rechte des Kindes oder der gesamten Familie des Kindes darstellt. Die Norm lag im Jahr 2015 auf dem Schreibtisch des Bundesverfassungsgerichts.105 Doch die entscheidende Kammer hat die Sache dem Senat nicht zur Entscheidung vorgelegt. Im Zweifel kann also davon ausgegangen werden, dass die Kammer nicht von schwerwiegenden, nicht zu rechtfertigenden Eingriffen in die Grundrechte ausgeht und die Norm weiter Bestand haben wird.106 102  Und außerhalb der Staatsgewalt ist das Belieben gerade nicht mit dem an die Verhältnismäßigkeit gebundenen „Ermessen“ zu verwechseln. 103 MünchKommBGB/Wellenhofer, Vorbem. zu §§ 1591 – 1600e, Rn. 26 ff. 104 Diese Interessensabwägung besteht auch fort, obwohl die Rechtsprechung immer mehr dazu tendiert, das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu einem unabwägbaren Grundrecht aufsteigen zu lassen. 105  BVerfG, NJW 2015, 542. 106  So auch: Sanders, Anmerkung zu BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 19. 11. 2014 – 1 BvR 2843/14, NJW 2015, 543.



C.  Der Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber

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Aber auch wenn die Norm aufgrund der weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht verfassungswidrig sein mag, so ist sie dennoch rechtspolitisch verfehlt: Zum einen gesteht sie dem leiblichen Vater ein (zwar kindeswohlabhängiges) Umgangs- und Auskunftsrecht zu, legt ihm allerdings keine elterlichen Pflichten auf, die vom Elternrecht nicht zu trennen sind. Zum anderen kann nur der leibliche Vater selbst und nicht das Kind die leibliche Vaterschaft feststellen lassen. Dies stellt eine kaum begründbare gesetzliche Schieflage dar.

C.  Der Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber I.  Grundgesetzlicher Gestaltungsspielraum Das Grundgesetz bildet den Rahmen, innerhalb dem der Gesetzgeber tätig werden darf. Insbesondere die Ausführungen zum Elternrecht haben gezeigt, dass dem Gesetzgeber beim Erlass von einfachgesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Eine zwingende Ausgestaltung von Elternschaft erachten weder das Grundgesetz selbst noch das Bundesverfassungsgericht für notwendig.107 Allerdings müssen die grundsätzlichen Wertungen, die das Grundgesetz vorgibt, einfachgesetzlich umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für das als Pflichtrecht ausgestaltete Elternrecht. Dem Gesetzgeber ist vorzuwerfen, die Grundwerte der Verfassung mit der derzeitigen Rechtslage zumindest aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem es dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater den Zugang zu einer eigenen, statusrechtlich vollständigen Elternschaft – bei Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind – verwehrt, ihm als Ausgleich (offenbar, um angeblichen menschenrechtlichen Mindeststandards auf europäischer Ebene zu genügen) aber ein Umgangs- und Auskunftsrecht gewährt. Die Verfassung räumt weder leiblichen noch sozialen Komponenten einen uneingeschränkten Vorrang ein, um die Elternschaft zu bestimmen.108 Sie zwingt den Gesetzgeber auch nicht dazu, dem leiblichen Vater neben dem bestehenden rechtlichen Vater eine statusrechtliche Position einzuräumen. Die gegenwärtige Rechtslage, die den rechtlich legitimierten Sozialvater dem leiblichen Vater vorzieht, steht im Einklang mit der Verfassung. Den leiblichen Vater auch zum rechtlichem Vater zu machen – neben der bestehenden rechtlichen Sozialvaterschaft – würde aber mit den Grundwertungen der Verfassung konform gehen.109 Das Bundesver107 

BVerfG, NJW 2003, 2151 (2154). auch Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 211; Wittmann, Genetische Realität anstelle der pater-est-Doktrin, S. 170. 109  So auch: Lembke, Was darf der Staat? Insbesondere zur Bedeutung des Grundgesetzes 108  So

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

fassungsgericht hat immer wieder betont, dass der einfache Gesetzgeber für die Ausgestaltung der rechtlichen Elternschaft in Erfüllung seiner Schutzpflicht einen sehr großen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum besitzt.110 Eine gesetzliche Ausgestaltung pluraler Familienformen geht nicht leicht von der Hand geht, es sind hierbei auch Kompromisse einzugehen. Aber immerhin gibt es einen Punkt, in dem sich das Grundgesetz, das Bundesverfassungsgericht und auch der einfache Gesetzgeber grundsätzlich einig sind: Das Elternrecht und alle damit zusammenhängenden einfachgesetzlichen Folgen bestehen, um im Einzelfall dem Kindeswohl zu dienen. Dieses Kindeswohl ist also die Maxime sowohl für die Verfassungsinterpretation im Einzelfall als auch für die einfache Gesetzgebung. Insbesondere das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG muss bei der Abwägung gesetzgeberischer Entscheidungen eine Rolle spielen. Ausgestaltet als subjektives Recht gegen den Staat liegt es nicht sehr fern, ein Abstammungsrecht zu konstruieren, das Kindern sämtlicher Familienformen gerecht wird und Zugangsmöglichkeiten auch jenseits der Vater-Mutter-Kind-Situationen eröffnet. Auch wenn diese Arbeit das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt der Argumentation stellt und einen Perspektivenwechsel weg von gestärkten Väterrechten zu erreichen sucht, ließe sich durch die Möglichkeit der im Einzelfall kindeswohldienlichen Zuordnung eines zweiten rechtlichen Vaters auch das Recht des leiblichen Vaters auf angemessene Weise berücksichtigen. Mit gutem Grund hat sich der Gesetzgeber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2003111 gegen die unbeschränkte Anfechtungsmöglichkeit des leiblichen Vaters entschieden; die sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater ist als so schützenswert eingestuft worden, dass der leibliche Vater diese nicht ohne Weiteres zerstören können sollte. Dennoch hallen die Worte des Bundesverfassungsgerichts, dem leiblichen Vater solle auch ein Zugang zur rechtlichen Vaterstellung für sein Kind gewährt werden, nach. Der Schutz der sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind und das grundrechtlich geschützte Recht des nur leiblichen Vaters auf Zugang auch zur rechtlichen Vaterschaft lässt sich am ehesten miteinander verknüpfen, wenn man es zulässt, die kindeswohlgebundene rechtliche Vaterschaft des leiblichen Vaters neben derjenigen des rechtlichen Vaters zu ermöglichen.

für das Abstammungsrecht, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 37 (67). 110  BVerfG, NJW 2013, 847 (848). 111  BVerfG, NJW 2003, 2151.



C.  Der Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber

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II.  Menschenrechtliche Aspekte Die Norm, die das Tor zur pluralen Elternschaft sehr weit aufgestoßen und das System der Umgangsrechte in eine rechtliche Schieflage gebracht hat, lässt sich unmittelbar auf die Rechtsprechung des EGMR zurückführen. Daher soll an dieser Stelle kurz darauf eingegangen werden, ob die vollständige statusrechtliche Zuordnung eines weiteren Vaters neben der bestehenden rechtlichen Vaterschaft mit den Grundsätzen der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR in Einklang zu bringen wäre. Vorweg sei betont, dass sich die Regelungen über eine zweite vollwertige rechtliche Vaterschaft des leiblichen Vaters nicht an den Normen der EMRK im engeren Sinne messen lassen müssten, da der EMRK als völkerrechtlicher Vertrag im normenhierarchischem Gefüge lediglich der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zukommt (Art. 59 Abs. 2 GG). Dennoch ist der Gesetzgeber den Vertragspartnern gegenüber verpflichtet, in Deutschland konventionskonforme Zustände herzustellen und zu sichern.112 Der EGMR hat bereits mehrere Entscheidungen zu Statusfragen getroffen.113 Wie das Bundesverfassungsgericht betont der EGMR den weiten Einschätzungsspielraum, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Statusfragen zukommt. Wie dem Grundgesetz lässt sich auch Art. 8 EMRK allerdings keine Pflicht entnehmen, irgendeiner Form der Vaterschaft bei der statusrechtlichen Zuordnung den Vorrang zu gewähren.114 Nicht zuletzt führt auch die rechtsvergleichende Methode des EGMR zu dem Ergebnis, dass einheitliche Standards zur statusrechtlichen Zuordnung innerhalb der Konventionsstaaten nicht ersichtlich sind und somit die Gestaltungsfreiheit der einzelnen Staaten in erhöhtem Maße gewährleistet werden kann. Hinzu kommt, dass der EMRK im einschlägigen Art. 8 ein Pendant zum vom Grundgesetz in Art. 6 Abs. 2 spezifisch vorgesehenen Elterngrundrecht fehlt. Streitigkeiten, die das Eltern-KindVerhältnis betreffen, unterfallen also dem viel weiter gefassten Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens.115 Ein weiteres zentrales Anliegen des EGMR in Rechtsstreitigkeiten mit kindschaftsrechtlichem Bezug ist die Kindeswohldienlichkeit im Einzelfall. So hat das Gericht insbesondere in den beiden Entscheidungen Anayo./.Deutschland und Schneider./.Deutschland die deutsche Rechtslage dahingehend gerügt, dass die bis dato geltende Vorschrift zum Umgangsrecht eines leiblichen Elternteils keine Möglichkeit der gerichtlichen Prüfung vorgesehen hat, eine Kindeswohl112  Löhnig/Preisner, Zur Reichweite des Einflusses der Rechtsprechung des EuGHMR auf das deutsche Kindschaftsrecht, FamRZ 2011, 489 (492). 113  Zuletzt EGMR, NJW 2014, 3083 (Hülsmann./.Deutschland); EGMR, NJW 2013, 1937 (Kautzor./.Deutschland); EGMR, BeckRS 2012, 09754 (Ahrens./.Deutschland). 114  EGMR, NJW 2014, 3083 (3084). 115  Unter das auch das beabsichtigte Familienleben subsumiert werden kann, sofern dieser Umstand nicht dem Berechtigten zugerechnet werden kann, vgl. EGMR, NJW 2011, 3565 (3566).

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2. Kapitel – Die verfassungsrechtliche Stellung des leiblichen Vaters

dienlichkeit des Umgangs mit dem leiblichen Vater im Einzelfall festzustellen. Das Kindeswohl nehme in Verfahren, welche die Belange des Kindes berühren, einen überragenden Stellenwert ein.116 Die statusrechtliche Zuordnung eines leiblichen Vaters neben dem bestehenden rechtlichen Sozialvater liegt also im Rahmen des Gestaltungsspielraumes, den der EGMR den jeweiligen nationalen Gesetzgebern der Konventionsstaaten überlasst. Dies gilt umso mehr, als die vorgeschlagene Lösung vorsieht, die Zuordnung des leiblichen Vaters an die Kindeswohldienlichkeit im Einzelfall zu koppeln. Deutschland müsste sich bei entsprechender Ausgestaltung somit nicht fürchten, die Konvention zu verletzen und damit Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein.

116  EGMR, NJW 2011, 3565 Rn. 65, im Original heißt die betreffende Passage: „Considera­ tion of what lies in the best interest of the child concerned is of paramount importance in every case of this kind“.

3. Kapitel

Einfachrechtliche Positionen de lege lata Das folgende Kapitel behandelt die einfachrechtlichen Positionen de lege lata und stellt einen Bezug zu den verfassungsrechtlich gewonnenen Erkenntnissen her.

A.  Begriffsbestimmung der verschiedenen beteiligten Personen In der juristischen Literatur haben sich verschiedene Begrifflichkeiten von Vaterschaft herausgebildet, die zu Beginn dieses Kapitels voneinander abzugrenzen sind. Das Gesetz selbst unterscheidet nicht explizit zwischen den einzelnen Vaterfiguren. Wenn das Gesetz von „Vater“ sprach, dann ließ dieses Wort bis zur Einführung des § 1686a BGB nur einen Schluss zu: „Vater“ war der rechtliche Vater gemäß § 1592 BGB. § 1686a BGB hat zwar nicht den „leiblichen Vater“ in das BGB eingeführt, denn dieser existierte bereits in § 1600 Abs. 2 BGB. Eine terminologische Neuerung ergab sich allerdings durch den „leiblichen, nicht rechtlichen Vater“. Der leibliche Vater ist derjenige, von dem das Genmaterial stammt, mit dem das Kind gezeugt wurde. Für den leiblichen Vater haben sich in der Literatur weitere Begriffe etabliert, etwa der „biologische“ und der „genetische“ Vater. Soweit ersichtlich werden diese Begriffe synonym verwendet und meinen ebenfalls – wie das Gesetz – mit dem leiblichen Vater denjenigen, der das nötige Genmaterial liefert. Das Auseinanderfallen von rechtlicher und genetischer Vaterschaft wird hierbei impliziert. Doch auch diese Konnotation führt nicht immer zu einer einheitlichen Verwendung: Teilweise wird trotz bestehender rechtlicher Elternschaft vom leiblichen Elternteil gesprochen, gerade in der Abgrenzung zu Pflegefamilien. Eine wirkliche Stringenz in der Bezeichnung durch Rechtsprechung und Schrifttum ist demnach nicht auszumachen. Die dritte, häufig erwähnte Vaterfigur ist die des „sozialen“ Vaters: Er ist derjenige, der grundsätzlich unabhängig von rechtlicher oder leiblicher Vaterschaft tatsächlich Verantwortung für das Kind trägt. Zwischen dem sozialen Vater und dem Kind besteht mindestens ein faktisches Eltern-Kind-Verhältnis, also eine sozial-familiäre Beziehung. Auch der Begriff des Kindes ist näher zu bestimmen, denn auch er wird unterschiedlich verwendet. So kann das Kind zum einen als Minderjähriger betrachtet werden. Aus dem Umkehrschluss zu § 2 BGB folgt, dass minderjäh-

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

rige Kinder mit Vollendung des 18. Lebensjahres die Volljährigkeit erreichen. Allerdings sind die Rechtsbegriffe „Kind“ und „Minderjähriger“ nicht synonym zu verwenden. Jeder Minderjährige ist zwar denknotwendig ein Kind im Rechtssinne, aber nicht jedes Kind ist minderjährig. Denn der Begriff „Kind“ kann auch ein bestimmtes, durch Abstammung begründetes Rechtsverhältnis zwischen Verwandten ausdrücken. Man bleibt ein Leben lang das „Kind“ seiner Eltern, unabhängig vom Alter.

B. Abstammung Gesteht man dem leiblichen, zunächst nicht rechtlichen Vater ein grundrechtlich geschütztes Elternrecht zu, muss sich dies konsequenterweise auch im Abstammungsrecht niederschlagen, das die Verwandtschaftsbeziehung einfachrechtlich begründet. Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Grundzüge des geltenden Abstammungsrechtes dargelegt. Im Anschluss wird ein in sich konsistentes Abstammungskonzept de lege ferenda vorgeschlagen.

I. Bestandsaufnahme Zunächst wird das geltende Abstammungsrecht vorgestellt und daraufhin untersucht, ob und in welcher Form das Wohl des einzelnen Kindes Beachtung findet.

1.  Verwandtschaft im Sinne des § 1589 BGB Nach allgemeiner Auffassung beschreibt § 1589 BGB die blutsmäßige, also genetische Abstammung als Verwandtschaft im engeren Sinne.1 Allerdings sollen sich aus dieser Definition von Verwandtschaft noch keine Rechtsfolgen ergeben. Diese werden erst in den darauffolgenden Normen begründet.2 Für die Verwandtschaft im engeren Sinne unterscheidet das Gesetz zwischen Verwandten in der geraden Linie und in der Seitenlinie. Kennzeichnend für eine Verwandtschaft in gerader Linie ist die direkte Abstammung der einen Person von der anderen. Hiervon umfasst sind in aufsteigender wie absteigender Richtung also Abkömmlinge, Eltern, Großeltern, Urgroßeltern usw. Die Seitenlinie beschreibt nicht die Abstammung voneinander, sondern von derselben dritten Person. Dazu gehören insbesondere die Geschwister, Onkel, Tanten, usw. Die Nähe der jeweiligen Verwandtschaft bemisst sich in Graden. Gemäß

1 Staudinger/Rauscher, §  1589 Rn.  1; MünchKommBGB/Wellenhofer, §  1598 Rn.  1; NK-BGB/Gutzeit, § 1589 Rn. 1. 2 MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1598 Rn. 1.



B. Abstammung

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§ 1589 Abs. 2 S. 3 BGB ist für den Grad der Verwandtschaft die Zahl der sie vermittelnden Geburten maßgeblich. § 1589 BGB und die Auslegung der Norm durch die Literatur sind ein Grund dafür, dass die Frage nach der Herkunftsbiologie eines Menschen immer wieder neu aufgeworfen wird. Hierdurch werden auch auf einfachgesetzlicher Ebene die Grenzen zwischen rechtlicher, genetischer und sozialer Zuordnung verwischt. Am Ende steht die Erkenntnis, dass es offenbar nicht eine Wahrheit gibt, nach der ein rechtliches Verwandtschaftsverhältnis begründet werden kann.

2.  Zuordnungskriterien der Mutterschaft Die Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes beruhen auf seiner Abstammung (§ 1589 BGB). § 1591 BGB regelt die rechtliche Zuordnung des Kindes zu seiner Mutter knapp, eindeutig und unwiderruflich. Mutter des Kindes ist die Frau, die es geboren hat. Die Geburt als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Mutterschaft ist ein leicht feststellbares Kriterium. Zweifelhaft ist die absolute Anknüpfung der Mutterschaft an die Geburt aber wegen des medizintechnischen Fortschritts, der das Auseinanderfallen von genetischer und Geburtsmutterschaft durchaus möglich macht. Die Zukunft wird zeigen, ob sich diese verhältnismäßig junge Regelung rechtspolitisch halten lässt.

3.  Zuordnungskriterien der Vaterschaft Komplexer gestalten sich die Abstammungsverhältnisse der väterlichen Linie. Ausgehend vom römisch-rechtlichen Grundsatz „pater semper incertus est“ bestehen mehrere Möglichkeiten, dem Kind statusrechtlich einen Vater zuzuordnen, vgl. §§ 1592 f. BGB. § 1592 BGB gibt die (zeitliche) Reihenfolge der Vaterschaftsbegründung wieder. Anknüpfungspunkt für die Vaterschaftszuordnung ist in zwei der drei Fälle die Mutter. Lediglich bei der gerichtlichen Feststellung gemäß § 1592 Nr. 3 BGB kommt es weder auf den Status der Mutter noch auf deren Mitwirkung an. Bereits an dieser Stelle kann man sich die Frage stellen, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Vaterschaftsbegründungen das Kindeswohl zu wenig beachtet hat. Dem kann allerdings entgegengehalten werden, dass hierbei generalisierende Kindeswohlerwägungen angestellt wurden. Die Anknüpfung von § 1591 BGB an die Geburtsmutterschaft macht eine schnelle, verhältnismäßig einfache und sichere Zuordnung des Kindes möglich.3 Dass sich die danach festzustellende rechtliche Vaterschaft an der Mutter orientiert, ist daher zumindest auf den ersten Blick nur konsequent. In 3  Zumindest ist dies nach dem Gesetz so. Hierüber lässt sich in Zeiten von Eispenden, Leihmutterschaften oder Embryoadoptionen freilich streiten, dies soll aber nicht Teil dieser Arbeit sein.

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

der Regel wird eine Zuordnung des Vaters als Ehemann der Mutter oder bei Anerkennung mit deren Zustimmung (§ 1595 Abs. 1 BGB) dem Kindeswohl zuträglich sein. Und in den meisten Fällen stimmt auch die leibliche mit der rechtlichen und sozialen Vaterschaft überein, sodass die gesetzgeberische Entscheidung auch meist zu einem für alle Beteiligten angemessenen Ergebnis führt. Generell könnte der Diskurs aber auch sein Augenmerk auf die Frage legen, ob das blinde Vertrauen in die Mutter als liebevolle Treuhänderin für das Kind tatsächlich in allen Fällen gerechtfertigt ist.

a.  § 1592 Nr. 1 BGB Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB ist bei einer verheirateten Mutter zunächst deren Ehemann rechtlicher Vater des Kindes, unabhängig von der genetischen Richtigkeit dieser Tatsache. Ist eine Mutter verheiratet, so scheidet auch eine anderweitige Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft aus. Die Korrektur einer genetisch unwahren Vaterschaft ist ausschließlich im Wege des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens (§§ 1600 ff. BGB) mit Wirkung ex tunc möglich. Die Anknüpfung der Vaterschaft an die Ehe der Mutter hat den tradierten Hintergrund, dass es in dieser Konstellation sehr wahrscheinlich ist, dass der rechtliche Vater auch der genetische Vater ist („pater est quem nuptiae demonstrant“).4 Es soll also gerade keine Privilegierung von Kindern stattfinden, die in einer Ehe geboren wurden. Diese tradierte Vermutung der Vaterschaft wurde auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt.5 Sie bietet eine schnelle und praktikable Zuordnung eines Kindes zu seinem rechtlichen Vater. Eine Kindeswohlprüfung findet bei der Zuordnung der rechtlichen Vaterschaft kraft Ehe mit der Mutter nicht statt. Der Gesetzgeber verlässt sich hier auf repressive Mittel der Kindeswohlbeachtung, wie beispielsweise ein Eingreifen des Staates aufgrund seines Wächteramtes gemäß § 1666 BGB.

b.  § 1592 Nr. 2 BGB Weiter kommt gemäß § 1592 Nr. 2 BGB eine Vaterschaftszuordnung kraft Anerkennung in Betracht. Gesellschaftlich kommt hierin zum Ausdruck, dass die Ehe nunmehr nicht den einzigen legitimen Rahmen bietet, um ein Kind in die Welt zu setzen.6 Die Vaterschaftszuordnung kraft Anerkennung prüft ebenfalls nicht die genetische Übereinstimmung von Vater und Kind. Auch die bewusst 4 Staudinger/Rauscher, § 1592 Rn. 14; Roth, Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater, NJW 2003, 3153 (3156); Gaul, Die Neuregelung des Abstammungsrechts durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1997, 1441 (1446); Mutschler, Emanzipation und Verantwortung – Zur Neuordnung des Abstammungsrechts, FamRZ 1994, 65. 5  BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152). 6  Luh, Abstammungsprinzipien, S. 199.



B. Abstammung

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der genetischen Wahrheit entgegengesetzte Anerkennungserklärung entfaltet die volle statusrechtliche Wirkung. Sie stellt eine Form der Statusbegründung basierend auf einem Willensakt dar. Die Vaterschaftsanerkennung bedarf der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB). Dies soll aufgedrängte Vaterschaftsanerkennungen und eine dadurch ausufernde Willkür vermeiden. Die Zustimmung der Mutter erscheint auch sinnvoll, da sie über ihr Sexualleben und damit auch über die Auswahl an potentiellen leiblichen Vätern am besten Bescheid weiß. Auch bei der Vaterschaft durch Anerkennung findet keine konkrete, positive Kindeswohlprüfung statt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die Mutter als Treuhänderin des Kindes alles in ihrer Macht Stehende tun wird, eine dem Wohl ihres Kindes förderliche Entscheidung zu treffen. Eine ähnliche Diskussion wurde zur Verfassungsmäßigkeit des § 1626a BGB a. F. geführt: Hiernach hatte der Vater eines Kindes, der mit der Mutter des Kindes nicht verheiratet ist, keine Möglichkeit, ohne die Beteiligung der Mutter Mitsorgeberechtigter zu werden. Diese Tatsache hat das Bundesverfassungsgericht7 aber für nicht vereinbar mit dem Elternrecht des Vaters gemäß Art. 6 Abs. 2 GG erachtet und dem Gesetzgeber aufgetragen, eine Möglichkeit für den Vater zu schaffen, gerichtlich feststellen zu lassen, ob die gemeinsame Sorge nicht dem Kindeswohl entspricht. Im Sorgerecht hat der Gesetzgeber nach verfassungsgerichtlichem Auftrag also der Mutter bezüglich der treuhänderischen Ausübung der ihr zugewiesenen Befugnisse nicht mehr sein vollstes Vertrauen ausgesprochen. Freilich ließ sich dieser Verstoß im Sorgerecht leichter mit dem Elternrecht des bereits festgestellten rechtlichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG begründen. Die Argumentation sollte dennoch auch im Abstammungsrecht im Auge behalten werden. Der Gesetzgeber selbst begründet die erforderliche Zustimmung allein der Mutter gemäß § 1595 BGB damit, dass unnötige doppelte Zustimmungen der Mutter – einmal für sich selbst und einmal im Namen des Kindes – vermieden werden sollen, da diese nicht viel mehr seien als reiner Formalismus.8 Für Skeptiker bildet sich in dieser Konstellation der Nährboden für einen Interessenkonflikt bei der Mutter:9 Auf der einen Seite ist sie bei ihrer Entscheidung dem Kindeswohl verpflichtet und soll dem Kind möglichst zeitnah nach seiner Geburt eine weitere, Verantwortung tragende Elternfigur zur Seite stellen. Andererseits hat die Anerkennung der Vaterschaft auch direkten Einfluss auf die eigene Rechtsstellung der Mutter, da zwischen den rechtlich legitimierten Eltern mit Begründung der Elternschaft ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht, an 7 Das Gesetz darf hierbei nicht von der Prämisse ausgehen, dass die Mutter ohnehin nur denjenigen Mann als Vater ihres Kindes wählt – sofern eine Auswahl an Prätendenten vorhanden ist – den sie durch die Anerkennung als Vater persönlich an sich binden möchte. 8  BT-Drucks. 13/4899, S. 84. 9  BVerfG, NJW 2010, 3008.

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

das auch Rechtsfolgen geknüpft werden.10 Hierin ist zudem in Abgrenzung zu § 1592 Nr. 1 BGB das Willenselement der Zuordnung zu sehen. Die Mutter des Kindes entscheidet, ob einem potentiellen Vater die rechtliche Vaterschaft zuteil wird oder nicht. Bereits auf dieser Ebene eine konkrete Kindeswohlprüfung zu verlangen, erschiene insbesondere mit Blick auf Art. 6 Abs. 5 GG eine nicht zulässige Stigmatisierung von nichtehelichen Kindern zu sein, deren Väter sich – im Gegensatz zu ehelichen Vätern – erst einmal vor Gericht beweisen müssten. Ob die konsequente11 Beteiligung des Kindes am Anerkennungsverfahren von Geburt an einen entscheidenden Mehrwert bringt, ist zu bezweifeln. Kernaussage der pater-est-Regel ist die möglichst frühzeitige Zuordnung eines Kindes an einen Vater, das heißt, ohne größere zeitliche Zäsur nach der Geburt. Zu diesem Zeitpunkt kann das Kind natürlich nicht selbst entscheiden, ob es den Anerkennenden als Vater gutheißt oder nicht. Für das Kind müsste also der gesetzliche Vertreter handeln. Dies wäre mangels anderweitig festgestellter Elternschaft die Mutter. Nun kann es auch hier wieder zu dem oben attestierten Interessenskonflikt kommen. In der Konsequenz könnte man andenken, einen Ergänzungspfleger für das Kind (§§ 1909, 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Nr. 3 BGB) zu bestellen, der den Interessenskonflikt zum Wohle des Kindes auflöst. Fraglich bleibt allerdings, ob der eventuell eingeschaltete Ergänzungspfleger den für die Vaterschaft in Betracht kommenden Mann und die damit verbundene familiäre Situation tatsächlich besser einschätzen kann als die Mutter des Kindes. Diese Frage bleibt allerdings nur in solchen Konstellationen offen, in denen das Kind tatsächlich zu jung ist, selbständig eine Entscheidung zu treffen. Sobald das Kind ein Alter erreicht hat, indem es selbst bestimmen kann, ob der Mann, den die Mutter als Vater zuordnen will, tatsächlich auch im Sinne des Kindes Vater werden soll, wäre es ratsam, dem Kind ein eigenes Zustimmungsrecht zuzubilligen.12

c.  § 1592 Nr. 3 BGB § 1592 Nr. 3 BGB bietet zudem die Möglichkeit, die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen. Als einzige der drei Zuordnungsvarianten des § 1592 BGB ist hier also die Übereinstimmung von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft von Bedeutung und wird medizinisch überprüft. Ist kein anderer rechtlicher Vater vorhanden, so schafft das Recht die Möglichkeit, den wirklichen Erzeuger

10  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014. 11  Das Kind wird gemäß § 1595 Abs. 2 BGB zumindest dann beteiligt, wenn der Mutter die elterliche Sorge nicht zusteht. Dies stellt allerdings nicht den Regelfall dar. 12  Hierzu auch: Kap. 4. B. I. 1. c.



B. Abstammung

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des Kindes feststellen zu lassen, um so eine dauerhafte Vaterlosigkeit zu verhindern.13 § 1592 Nr. 3 BGB steht damit in einem Subsidiaritätsverhältnis zu den vorangehenden Begründungstatbeständen. Dass die genetische Abstammungswahrheit trotz der fehlenden Kontrolle bei der Zuordnung des Kindes zu einem Mann relevant ist, zeigt die Möglichkeit, eine begründete Vaterschaftsbeziehung anzufechten. Anders als die Mutterschaft ist die Vaterschaft grundsätzlich anfechtbar (§ 1600 BGB). Allerdings wird die Frage nach dem Kindeswohl im Einzelfall auch bei der Feststellung des leiblichen Vaters als rechtlichem Vater nicht gestellt. Die drei Formen der Vaterschaftsbegründung stehen zwar derart in einem faktischen Rangverhältnis, dass bei einer verheirateten Frau keine Anerkennung oder gerichtliche Feststellung einer anderen Vaterschaft möglich ist. Aber die unterschiedlichen Arten der Begründung ziehen in keinem Fall unterschiedliche Rechtswirkungen nach sich.

4.  Zwischenergebnis: Vaterschaftszuordnungen und Kindeswohl Das konkret-individuell bestimmte Kindeswohl spielt bei der Begründung von abstammungsrechtlichen Statusverhältnissen eine eher untergeordnete Rolle.14 Zwar hat der Gesetzgeber die Zuordnungskriterien keineswegs willkürlich gewählt, sondern generalisierte Kindeswohlerwägungen angestellt. Hierdurch kann und wird es in den meisten Fällen zu kindeswohlgerechten Einzelergebnissen kommen. Dennoch bleibt fraglich, ob diese rechtliche Situation den vielschichtigen Familiengestaltungen, die gesellschaftlich anerkannt sind, gerecht wird. Besser wäre eine Regelung, die zwar Rückgriff nimmt auf generalisierte Kindeswohlerwägungen, aber dennoch Raum lässt für abweichende Gestaltungen in Fällen, in denen das konkrete Kindeswohl durch individuelle Regelungen besser gewahrt werden kann.

II.  Prinzipien des Abstammungsrechtes Das Abstammungsrecht folgt bestimmten Prinzipien. Welche Prinzipien dies sind, ob diese einen bindenden Charakter haben oder ob sie überwunden werden können, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.

13 

Vollersen, Abstammung, S. 143. dieser Erkenntnis gelangt auch Helms, Abstammungsrecht und Kindeswohl in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 19 (21). 14 Zu

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

1.  Genetische Abstammungskriterien Das bestimmende Prinzip, das das gesamte Abstammungs- und Verwandtschaftsrecht durchzieht, ist das der biologischen Abstammung.15 Zunächst bemüht sich die Rechtsordnung also um eine rechtliche Zuordnung des Kindes aufgrund seiner genetischen Abstammung. Neben der Beständigkeit der genetischen Abstammung im Vergleich zu anderen Formen gelebter Abstammung hat die Verwandtschaft aufgrund von Blutsbanden eine lange historische Tradition. Daran ändert auch erst einmal nichts, dass das Kriterium der blutsmäßigen Abstammung durch die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland häufig einen faden Beigeschmack hinterlässt.16 Dies zeigt auch § 1589 BGB, der mit „Abstammung“ die biologisch-genetische Abstammung, also die „Blutsverwandtschaft“ meint.17 Man gewinnt auch den Eindruck, dass die Bedeutung der genetischen Abstammung in den letzten Jahren innerhalb der Gesellschaft zugenommen hat.18 Dies mag daran liegen, dass eine genetisch gesicherte Zuordnung überhaupt erst seit einiger Zeit durch genetische Gutachten möglich ist und dazu noch immer erschwinglicher wird. Zudem werden die sozialen Beziehungen innerhalb der Gesellschaft immer unbeständiger. Die genetische Verbindung bleibt hingegen auf ewig unverändert bestehen und bildet damit ein seltenes familienrechtlich relevantes Kontinuum. Aber auch sämtliche Möglichkeiten der genetischen Abstammungsfeststellung können nicht erreichen, dass sich das Abstammungsrecht ausschließlich an genetischen Kriterien orientiert, welche nicht sichtbar nach außen treten und damit stets ein mehr oder weniger eingriffsintensiver Test vonnöten sein würde.19 Ein obligatorischer Gentest zur Bestimmung der genetischen Abstammung vor Verrechtlichung der Elternbeziehung wäre nicht zweckmäßig: Zum einen wäre ein solcher Test in den meisten Fällen – denn meistens entspricht die rechtliche Zuordnung durch Ehe oder Anerkennung auch der genetischen Wahrheit  – schlichtweg überflüssig und strapaziös, zum anderen würde er gerade in diesen Fällen unnötige Kosten verursachen. Zudem könnte – am Rande bemerkt – eine solche Zwangsbegutachtung einem eventuell verfassungsrechtlich ebenfalls geschützten Recht auf Nichtkenntnis der wahren genetischen Abstammung des Vaters entgegenstehen. Hinzu kommt, dass auch das Bundesverfassungsgericht von dem Idealbild der 15 

Schwab, Familienrecht, Rn. 543; Dethloff, Familienrecht, § 10 Rn. 1; Spickhoff, Der Streit um die Abstammung – Brennpunkte, in: Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald (Hrsg.), Streit um die Abstammung, 13 (18). 16 Vgl. Spickhoff, Der Streit um die Abstammung – Brennpunkte, in: Spickhoff/Schwab/ Henrich/Gottwald (Hrsg.), Streit um die Abstammung, 13 (18). 17 Staudinger/Rauscher, Einl. zu §§ 1598 ff. Rn. 1; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1589 Rn. 1; Wittmann, Genetische Realität anstelle der pater-est-Doktrin, S. 1. 18  So auch Helms, Die Stellung des potenziellen biologischen Vaters im Abstammungsrecht, FamRZ 2010, 1 (4); vgl. beispielsweise auch die Diskussion um heimliche Vaterschaftsgutachten. 19 MünchKommBGB/Wellenhofer, Vorbem. § 1591 Rn. 20.



B. Abstammung

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Vaterschaft im Sinne von Art. 6 Abs. 2 GG ausgeht, die rechtlich auch die genetische Herkunft abbildet.20

2.  Soziale Abstammungskriterien Neben der genetischen Abstammung hat sich auch eine soziale Komponente als Maßstab für die Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses herausgebildet. Insbesondere die Möglichkeit, die Vaterschaft für das Kind anzuerkennen (§ 1592 Nr. 2 BGB), unabhängig von genetischen Kriterien, eröffnet den Weg zu einem voluntativ begründeten Statusverhältnis. Begründet wird diese Möglichkeit – und das damit möglicherweise einhergehende Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft – damit, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennt, der mit dem Kind tatsächlich nichts zu tun haben möchte. Bevor das Kind mangels Kenntnissen über den wahren leiblichen Vater keinem Mann zugeordnet wird, der für es Verantwortung trägt, soll das Prinzip der genetischen Abstammung durch soziale Aspekte überwunden werden können. Gesetzlichen Niederschlag hat dieses Prinzip durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „sozial-familiären Beziehung“ gefunden, insbesondere als Vaterschaftsanfechtungssperre (§ 1600 Abs. 2 BGB) und als Grund für ein Umgangsrecht ohne rechtliche Verbindung zum Kind (§ 1685 Abs. 2 BGB). Allerdings garantiert auch eine bestehende sozial-familiäre Beziehung nicht immer die Kontinuität der Verbindung. Eine besondere Problematik, die zeigt, dass der Schutz sozial-familiärer Beziehungen im Gesetz zwar verwurzelt ist und insbesondere durch die Rechtsausübungssperre in § 1600 Abs. 2 BGB besondere Ausprägung erfahren hat, an anderen Stellen aber ziemliche Lücken aufweist. Die Regelung des § 1682 BGB entfaltet eine Schutzlücke der sozial-familiären Beziehung bei nicht rechtlich legitimierten Patchwork-Familien. Gemäß § 1682 BGB kann nicht der Verbleib bei der Bezugsperson des Kindes angeordnet werden, mit der es ohne rechtliche Verbindung in einer sozial-familiären Beziehung gelebt hat. Auch dann nicht, wenn ansonsten das Wohl des Kindes gefährdet würde. Eine solche Verbleibensanordnung ist nur möglich, wenn die Bezugsperson mit dem Elternteil, der die Herausgabe nicht verlangt, verheiratet oder verpartnert ist, oder wenn es sich bei der Bezugsperson um volljährige Großeltern oder Geschwister im Rechtssinne handelt.21 Für eine analoge Anwendung von § 1682 BGB auch auf den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft fehlt es an einer Regelungslücke, da der Gesetzgeber in § 1682 S. 2 BGB explizit auf 20 

BVerfG, FamRZ 2003, 816 (820). Ebenfalls kritisch hierzu: Löhnig, Neue Partnerschaften der gemeinsam sorgeberechtigt gebliebenen Eltern – Welche Rechte haben die neuen Partner?, FPR 2008, 157 (159); MünchKommBGB/Hennemann, § 1682 Rn. 9; Muscheler, Das Recht der Stieffamilie, FamRZ 2004, 913 (921); Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, S. 290. 21 

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

den Partner in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft sowie auf volljährige Umgangsberechtigte gemäß § 1685 Abs. 1 BGB abstellt, aber gerade nicht auf Umgangsberechtigte gemäß § 1685 Abs. 2 BGB. Eine vollumfängliche Privilegierung der sozial-familiären Beziehung im Verhältnis zu anderen legitimierten Verbindungen des Kindes ist demnach gesetzgeberisch nicht gewollt. Offenbar ist sie auch nicht der „Trumpf“ des Kindschaftsrechtes, der sie zunächst zu sein scheint.

3. Statusprinzip Eine weitere Säule für die Begründung von Abstammung ist das Statusprinzip. Die Abstammung als Status ist kein natürliches Faktum,22 sondern ein juristisches und auch gesellschaftliches Konstrukt. Die Rechtsordnung bestimmt die Kriterien, nach denen der rechtliche Status als Kind zugewiesen wird. Als Argument für oder gegen die Erweiterung der Elternschaft eines Kindes eignet sich das Statusprinzip freilich nicht. Zumindest dann nicht, wenn man das Eltern-Kind-Verhältnis als rechtlicher Status nicht als solches angreifen, sondern lediglich seine Voraussetzungen modifizieren möchte. So wie der Gesetzgeber die heute gültigen Kriterien aufgestellt hat, könnte er sie auch im vom Grundgesetz vorgegebenen Rahmen neu bestimmen. Eine wichtige Säule des Statusprinzips ist der Grundsatz der Stabilität. Ein einmal begründeter Status soll nicht, auch nicht durch parteiliches Einvernehmen, willkürlich geändert werden. Die Änderung eines Status kann nur innerhalb der eng gezogenen gesetzlichen Grenzen erfolgen. Auch das Kindeswohl verlangt nach einer stabilen Eltern-Kind-Beziehung. Die Statusklarheit wird allerdings nicht in ihrem Kern angetastet, wenn die Rechtsordnung mehr als nur einen Vater für das Kind bestimmt. Denn solange sich die sonstigen Voraussetzungen nicht ändern, bleibt das Statusprinzip in seiner grundsätzlichen Funktion erhalten.

4. Ein-Vater-Prinzip Das heute geltende Abstammungsrecht kennt das Ein-Vater-Prinzip, das mitunter auch Prinzip der Unität genannt wird. Rechtlicher Vater eines Kindes kann neben einer rechtlichen Mutter nur ein Mann sein.23 Und rechtliche Mutter eines Kindes kann nur die gebärende Mutter werden, § 1591 BGB. Dass zwei Mütter ein gebären, ist trotz des medizinischen Fortschritts in Fragen der Fortpflanzung biologisch nicht möglich. Ein Auseinanderfallen von genetischer Mutter (z. B. 22 

Büchler, Sag mir, wer die Eltern sind…, AJP 2004, 1175. NJW 1973, 948; in der Literatur statt vieler: NK-BGB/Gutzeit, § 1592 Rn. 11; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1592 Rn. 2; außer Betracht bleiben hier eingetragene männliche Lebenspartner, die beide in Folge einer Adoption zu rechtlichen Vätern werden können. 23  BGH,



B. Abstammung

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auf Grund einer Eizellenspende) und Geburtsmutter kann es jedoch geben. Mit diesen Fällen beschäftigt sich die Arbeit nicht, denn der Gesetzgeber hat de lege lata (bereits durch § 1592 BGB, nun bekräftigt durch § 1686a BGB) nur das Tor für eine doppelte Vaterschaft zumindest ein Stück weit geöffnet. Das Gesetz bietet im Gegensatz zur Mutter dem Vaterschaftsprätendenten mehrere Möglichkeiten, die rechtliche Vaterschaft für ein Kind zu begründen. Aber auch im Rahmen der Vaterschaft gilt das Exklusivitätsgebot: Das Bestehen einer rechtlichen Vaterschaft entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber weiteren, in Frage kommenden Vaterschaften. Diese Sperrwirkung ist nicht nur als negative Sperrwirkung ausgestaltet, das heißt, dass eine bestehende Vaterschaft eine weitere ausschließt, sondern auch als positive Sperrwirkung, denn die Aufzählung der Begründungstatbestände einer rechtlichen Vaterschaft in § 1592 BGB ist abschließend. Innerhalb der verschiedenen Zuordnungstatbestände gilt das Prioritätsprinzip, insbesondere im Verhältnis von Anerkennung der Vaterschaft und gerichtlicher Feststellung.24 Ist die Mutter bei der Geburt des Kindes eines leiblichen Vaters verheiratet, so ist dessen rechtliche Vaterschaft durch Anerkennung oder gerichtliche Feststellung nur nach vorheriger Anfechtung der Vaterschaft des Ehemannes der Mutter möglich.

a.  Hintergründe der existierenden Sperrwirkung Möchte man dem leiblichen Vater eines Kindes – neben dem sozialen rechtlichen Vater – ein in sich konsistentes System von Rechten und Pflichten gegenüber dem Kind bieten, kommt man nicht umhin, die gesetzlich bestehende Sperrwirkung der Vaterschaft und deren Hintergründe näher zu beleuchten. Denn die Sperrwirkung führt gerade dazu, dass eine auf dem Willen der Beteiligten beruhende Zuordnung des Kindes an zwei Väter de lege lata nicht möglich ist. Gesetzlichen Ausdruck findet die Sperrwirkung einer bereits bestehenden Vaterschaft zum einen in § 1594 Abs. 2 BGB, wonach eine Anerkennung der Vaterschaft nicht wirksam ist, solange eine andere Vaterschaft besteht.25 Auch für die gerichtliche Zuordnung einer Vaterschaft (§ 1592 Nr. 3 BGB) gilt gemäß § 1600d I BGB, dass diese nur stattfinden darf, sofern keine anderweitig begründete (§ 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 BGB) Vaterschaft besteht. Ein weiteres, vielfach bemühtes Argument, die Sperrwirkung einer bestehenden Vaterschaft zu rechtfertigen, ist die Sorge um den Familienfrieden. Steht ein rechtlicher Vater fest, so soll diese Vaterschaft nicht beliebig oft zur Disposition gestellt werden. Das Kind soll in beständigen rechtlichen Elternverhältnissen aufwachsen. Der Gesetzgeber trifft folglich durch die Rechtsausübungssper24 

Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 Rn. 5. trotz bestehender Vaterschaft abgegebene Anerkennungserklärung ist allerdings nach richtiger Auffassung nicht nichtig, sondern lediglich schwebend unwirksam, bis die rechtliche Vaterschaft wirksam angefochten wird, vgl. Staudinger/Rauscher, § 1592 Rn. 15. 25  Eine

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

re auch eine generalisierte Kindeswohlentscheidung.26 Auf den ersten Blick erscheint diese Argumentation sehr plausibel: Eine einmal getroffene Vaterschaftszuordnung soll nur unter den engen Voraussetzungen einer Anfechtung der bestehenden Vaterschaft möglich sein. Der Gesetzgeber widerspricht sich hierbei aber selbst. Denn genau er war es, der mit der Einführung des § 1686a BGB ein Tor geöffnet hat für potentielle leibliche Väter, durch ein etwaiges Umgangs- oder Auskunftsrecht den Familienfrieden bestehender rechtlicher Familien erheblich zu stören. Die Sperrwirkung der Vaterschaften als Argument gegen die konsequente Verrechtlichung der Stellung des leiblichen Vaters heranzuziehen, wäre daher in sich widersprüchlich.

b.  Imitationsbedürfnis des „natürlich“ Möglichen Sehr selbstverständlich hat im deutschen Recht das Modell Geltung beansprucht, dass ein Kind einen Vater und eine Mutter besitzt. Seine Legitimation erhielt es durch die Biologie. Menschliches Leben entsteht durch die Zusammenführung von weiblichen und männlichen Keimzellen. Die biologische Erschaffung von Leben ist (noch) weder nur mit weiblichen noch nur mit männlichen Keimzellen möglich. So erscheint es sinnvoll, diese biologischen Verhältnisse auch rechtlich abzubilden – mit einem weiblichen und einem männlichen Elternteil. Sollte der männliche Teil unbekannt27 sein, dann ließ und lässt das Recht entweder eine fehlende Vaterschaft zu oder auch die Zuordnung eines anderen als dem genetischen Vater. Auch das bisher sehr willkürlich ausgestaltete Adoptionsrecht ist dem „imitatur“-Grundsatz gefolgt. Lange Zeit war daher auch die gleichgeschlechtliche Elternschaft rechtlich nicht vorgesehen. Doch auch dieses deutliche biologische Hindernis wurde aus Gründen des Kindeswohls rechtlich überwunden.28 Hiergegen lässt sich auch nicht anführen, dass die gemeinsame Elternschaft von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern eine Frage der Adoption und nicht des primären Abstammungsrechtes ist. Denn im Ergebnis haben wir eine Form von gelebter Elternschaft mit gleichen (verfassungsrechtlich determinierten) Rechten und Pflichten. Hierdurch lässt sich auch erklären, warum auffällig viele Kritiker einer doppelten Vaterschaft anführen, eine solche wirke „gekünstelt“29 oder zumindest 26 Vgl. Wittmann, Genetische Realität anstelle der pater-est-Doktrin, S. 181, der hervorhebt, dass das Kindeswohl dadurch gefördert wird, dass sich das Kind so nur auf einen Vater fixieren kann. 27  De lege lata ist es aufgrund der Gesetzessystematik auch möglich, dass der leibliche Vater des Kindes nicht unbekannt sein muss, es reicht aus, dass die unverheiratete Mutter ihre Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft des leiblichen Vaters verweigert und anschließend einen anderen die Vaterschaft für das Kind anerkennen lässt. Vorgesehen hatte der Gesetzgeber diese Konstruktion wohl nicht. 28  BVerfG, NJW 2013, 847. 29  Heiderhoff, Kann ein Kind mehrere Väter haben?, FamRZ 2008, 1901 (1908); ihr



B. Abstammung

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„befremdlich“30. Offenbar werden in Gesellschaft und Fachöffentlichkeit tiefe Vorbehalte gegenüber der Vorstellung von drei rechtlich egalitären Elternteilen für ein Kind gehegt. Nicht viel anders lässt sich wohl auch die sehr abrupte und verhältnismäßig heftige Absage an das Nebeneinander zweier rechtlicher Vaterschaften neben einer Mutter von Prantl31 erklären. Zunächst stellt er sehr eingängig und ausführlich den Vorzug der verschiedenen, sich immer wieder neu erfindenden Familienformen32 heraus und betont, dass es gerade nicht auf die Form der Elternschaft, sondern allein auf das Gefühl ankomme, das die Gemeinschaft dem Kind gebe.33 Dann macht er aber sehr deutlich, dass eine Gemeinschaft bestehend aus mehr als zwei Personen ein solches Gefühl offenbar nicht vermitteln kann und die rechtliche Gleichstellung von mehr als zwei Erziehungsberechtigten nicht wünschenswert sei. Begründet wird dies insbesondere mit dem meistzitierten Argument, dass jeder Koch mehr den Brei der Kindererziehung nicht nur verderbe, sondern auch die Beantwortung von für das Kind existentiellen Lebensfragen in unverhältnismäßiger Weise erschwere.34 Auch drei rechtlich gleichrangige Personen können aber in der Lage sein, einem Kind das oben herausgestellte Gefühl zu vermitteln. Möglicherweise lässt sich dieser Vorbehalt gegenüber Mehrelternkonstellationen mit einer gewissen Unsicherheit und mangelnden Erfahrung mit der tatsächlich gleichberechtigten Mehrelternschaft begründen. Zudem werden teilweise die Paarebene zwischen den Eltern und die Eltern-Kind-Beziehung nicht ausreichend voneinander abstrahiert. Geht man von der Notwendigkeit einer elterlichen Paarbeziehung für ein stabiles Aufwachsen des Kindes aus, dann liegt es nahe, die Elternschaft eher für ein sich (noch?) liebendes, homosexuelles Paar zu öffnen als für drei gleichberechtigte Eltern, die sich nur in seltensten Fällen mit gegenseitigen Liebesgefühlen begegnen werden. Vielleicht mag es auch damit zu tun haben, dass es viel weniger öffentlich zugängliche psychologische Studien darüber gibt, wie sich das Aufwachsen eines Kindes mit drei rechtlich gleichberechtigten Elternteilen auf seine Entwicklung auswirkt, als dies bei gleichgeschlechtlichen Eltern der Fall ist.

folgend Dieckmann, Die rechtliche Stellung des lediglich biologischen Vaters im Wandel des gesellschaftlichen Familienbildes, S. 268. 30  Wittmann, Genetische Realität anstelle der pater-est-Doktrin, S. 181. 31  Prantl, Familie ist kein Stillleben, in: DFGT (Hrsg.), Brühler Schriften zum Familienrecht, Band 18, 27 (40). 32  Bezug genommen wird hier gerade auf Regenbogenkonstellationen. 33  Prantl, Familie ist kein Stillleben, in: DFGT (Hrsg.), Brühler Schriften zum Familienrecht, Band 18, 27 (34); die wichtigen Gefühle, die eine Gemeinschaft dem Kind nach seiner nachvollziehbaren Einschätzung geben muss sind „Ich bin wertvoll“ und „Ich kann dem Leben vertrauen“. 34  Prantl, Familie ist kein Stillleben, in: DFGT (Hrsg.), Brühler Schriften zum Familienrecht, Band 18, 27 (40).

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

Die notwendige Abstraktion zwischen der Paarebene und der Elternebene macht ebenfalls deutlich, dass es nicht hilfreich wäre, die Schutzwürdigkeit des leiblichen Vaters daran zu knüpfen, ob das Kind aus einem lockeren Seitensprung hervorging oder das Produkt einer Liebesbeziehung zwischen der Mutter und dem leiblichen Vater ist.35 Der leibliche Vater hat nicht deswegen eine engere Beziehung zum Kind, weil er (beim Zeugungsakt?) tiefere Gefühle für die Mutter gehegt hat. Dies gilt unabhängig von der nicht immer klar zu beantwortenden Frage, wann es sich um eine Liebesbeziehung oder doch nur einen Seitensprung handelt. Viele Autoren denken zu wenig vom Kind her und stellen stattdessen die Rechte des biologischen Vaters in den Mittelpunkt. Denn dem Kind wird es im Zweifel egal sein, in welchen Gefühlswelten sich seine leiblichen Eltern zum Zeitpunkt der Zeugung befunden haben. Für das Kind zählt nur, dass es einen rechtlichen Vater zur Seite gestellt bekommen hat und daneben einen zweiten leiblichen Vater. Zur Klarstellung sei auch an dieser Stelle erwähnt, dass die rechtliche Zuordnung eines leiblichen Vaters zu seinem Kind nicht zwangsläufig mit einer dreigeteilten Sorgetragung einhergehen muss. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber explizit gegen ein Sorgerecht entschieden, das eine gemeinsame elterliche Sorge von Gesetzes wegen vorsieht. Die abstammungsrechtliche Zuordnung und die hiermit vermeintlich einhergehende dreigeteilte Sorgetragung sind gedanklich zu trennen.36 Möglicherweise könnte diese Klarstellung und ein Bewusstsein dafür, dass in Konstellationen, in denen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, auch ohne die Beteiligung eines Dritten die gemeinsame rechtliche Elternschaft mitnichten auch ohne Weiteres die gemeinschaftliche Sorgetragung zur Folge hat,37 den Skeptikern den Wind aus den Segeln nehmen.

c.  Gesetzliches Novum durch § 1686a BGB: Bestehen zweier gerichtlich festgestellter Vaterschaften Die Einführung des § 1686a BGB hat ein Novum Gesetz werden lassen: Im Rahmen dieser Anspruchsnorm wird zum ersten Mal ein Mann von Gerichts wegen als Vater des Kindes festgestellt, obwohl bereits eine anderweitige rechtliche Vaterschaft besteht. Der Gesetzgeber hat also selbst begonnen, das Prinzip der Einvaterschaft aufzuweichen. Mag die Vorstellung eines zweiten rechtlichen Vaters vielleicht auf den ersten Blick befremdlich sein,38 so war es der Gesetzgeber, der mit der Einführung des § 1686a BGB de facto einen zweiten Vater 35  So aber: Dieckmann, Die rechtliche Stellung des lediglich biologischen Vaters im gesellschaftlichen Wandel, S. 271. 36  Vgl. Kap. 4. B. I. 3. 37  In solchen Situationen sieht es das Gesetz aber ausdrücklich vor, dass der leibliche Vater zur Elternverantwortung herangezogen werden kann (§ 1600d BGB). 38  Wittmann, Genetische Realität anstelle der pater-est-Doktrin, S. 181.



B. Abstammung

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im Gesetz etabliert hat.39 Dieser Vater wird auch terminologisch „Vater“ genannt, hat aber – und das ist der kritikwürdige Punkt an der derzeitigen Rechtslage – keine Pflichten gegenüber „seinem Kind“. Dieses Ungleichgewicht wird weder von der Verfassung getragen noch kann man ihm mit einem Befremden gegenüber einem zweiten Vater entgegentreten. Zudem wird eine doppelte Vaterschaft in den Fällen, in denen sie rechtlich anerkannt werden soll, bereits sozial ausgeübt. Ein Umgangs- und Auskunftsrecht nach § 1686a BGB besteht ohnehin nur, wenn es dem Kindeswohl dient. Ein Umgangskontakt mit seinem leiblichen Vater wird einem Kind nur zugemutet, wenn es psychisch-emotional sehr stabil ist und es ihm sogar guttut, Kontakt zu sämtlichen rechtlichen, leiblichen und/oder sozialen Bezugspersonen zu pflegen. Für dieses Kind – und am Maßstab dieses Kindes sollte die Befremdlichkeit gemessen werden – existieren bereits zwei Väter.

d.  Vergleich mit § 1598a BGB Man mag der oben aufgezeigten Aufweichung des Ein-Vater-Prinzips durch § 1686a BGB de lege lata entgegenhalten, dass bereits § 1598a BGB ermöglicht, gerichtlich feststellen zu lassen, dass der rechtliche Vater nicht dem leiblichen Vater entspricht. Die beiden Rechtsinstitute unterscheiden sich aber deutlich voneinander: Im Rahmen von § 1598a BGB kann nur die Vaterschaft , eines leiblichen Vaters, der zugleich rechtlicher Vater ist, positiv auch ohne Statuswirkung festgestellt werden; ansonsten ist lediglich eine negative Prüfung der genetischen Voraussetzungen der rechtlichen Vaterschaft möglich. Zudem zieht § 1598a BGB im Unterschied zu § 1686a BGB gerade keine Rechtsfolgen nach sich. Seine Rechtfertigung zieht die Norm im Wesentlichen daraus, dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) von rechtlichen Eltern und Kind Genüge zu leisten.40 Hierfür reicht es aus festzustellen, ob die rechtliche Vaterschaft mit der leiblichen Vaterschaft übereinstimmt oder eben nicht. § 1686a BGB hat zwar ebenfalls keinen Statuswechsel zur Folge, gibt dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater aber bei Kindeswohldienlichkeit immerhin ein Umgangs- und/oder Auskunftsrecht. Zwar sind beide Rechtsinstitute Teil des Abstammungsrechtes, doch verfolgen sie jeweils unterschiedliche Ziele: § 1598a BGB schließt den potentiellen leiblichen Vater bewusst davon aus, von der Abstammung Kenntnis zu erlangen. § 1686a BGB hingegen ist zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters geschaffen worden. 39  So auch: Wellenhofer, Beweiserhebung bei der Klärung der leiblichen Abstammung, NZFam 2014, 117. 40  BVerfG, NJW 2007, 753.

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

5.  Bindungskraft der Abstammungsprinzipien Offen ist noch die Frage, welchen Stellenwert die Prinzipien des Abstammungsrechtes in dieser Betrachtung einnehmen und ob weitergehende Überlegungen zu einer pluralen Elternschaft bereits am Ein-Vater-Prinzip scheitern. Die einzelnen Prinzipien dienen dem besseren Verständnis der jeweiligen Norm. Allerdings können Prinzipien, die lediglich über die Wertungen hinter dem Gesetzestext mutmaßen, keine Bindungswirkung für Entwicklungen im Abstammungsrecht entwickeln.41 Würde man rechtspolitische Erwägungen an existierenden Prinzipien messen, so wäre der rechtspolitische Erkenntnisgewinn regelmäßig äußerst gering: Die bestehenden (verfassungsrechtlich nicht festgelegten) Prinzipien würden jede Neuerung im Kern ersticken. Vor dem Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes konnte man wohl davon ausgehen, es sei ein abstammungsrechtliches Prinzip, dass der nichteheliche Vater nicht mit seinem leiblichen Kind verwandt ist. Heute ist eine solche Regelung ein evidenter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG. Insofern bestehen also keine Bedenken, das Ein-Vater-Prinzip aufzuweichen.

C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft/ Rangverhältnis de lege lata und de lege ferenda/ Möglichkeit zur Anfechtung der Vaterschaft Durch die gesetzlich nicht vorgesehene biologische Kontrolle vor der Begründung einer jeden rechtlichen Vaterschaft42 nimmt die Rechtsordnung ein mögliches Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft in Kauf. Flankiert wird dies allerdings mit der Möglichkeit, die rechtliche Vaterschaft anzufechten (§ 1600 BGB). Anfechtungsberechtigt sind der rechtliche Vater (unabhängig davon, auf welchem Wege er die rechtliche Vaterschaft erlangt hat)43, der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, und das Kind selbst. Für alle Anfechtungsberechtigten gilt: Anfechtungsgrund kann allein das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft sein.44 Ein statusabhängiges Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist demnach nur möglich, wenn eine Divergenz im Bereich der Statuswahrheit entsteht. Andere Unstimmigkeiten bei den Abstam41 

Gietl, Abstammung, S. 83 f. Hierzu siehe unten Kap. 3. B. II. 2. a. 43  Eine erfolgreiche Klage schließt freilich der Umstand aus, dass eine anderweitige Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Bei dieser Form der Begründung der rechtlichen Vaterschaft des Kindes kann es denknotwendig nicht zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft kommen, was den einzigen Anfechtungsgrund darstellen würde. 44  BT-Drucks. 5/2370, S. 31. 42 



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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mungsprinzipien berechtigen nicht zur Anfechtung. Auf den ersten Blick könnte man also meinen, die Statuswahrheit sei das „Ass“ im Abstammungsrecht und „steche“ somit alle anderen Formen von rechtlicher Elternschaft. So einfach ist die Lage aber nicht: Die genetische Wahrheit ist zwar der einzige Grund für eine Anfechtung. Allerdings modifizieren einige gesetzliche Bestimmungen das Verfahren der Vaterschaftsanfechtung, sodass auch weitere abstammungsrechtlich gesicherte Schutzgüter berücksichtigt werden. Die Abstammungswahrheit ist somit nicht der alleinige „Trumpf“.

I.  Das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB Das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters wurde erst nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts45 2004 ins Gesetz46 integriert und stellt somit eine der neueren Entwicklungen im Abstammungsrecht dar. Das Recht auf Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes durch den leiblichen Vater ist aber nicht unbeschränkt,47 sondern an bestimmte Voraussetzungen gebunden.

1.  Versicherung der Beiwohnung der Mutter während der Empfängniszeit Zunächst muss der leibliche Vater an Eides statt versichern, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (§ 1600 I Nr. 2 BGB). Allzu hoch ist diese Hürde nicht, sie soll nach der Gesetzesbegründung lediglich Anfechtungen von beliebigen Männern „ins Blaue hinein“ verhindern. Damit will der Gesetzgeber die Persönlichkeitssphäre der beteiligten Personen, insbesondere des Kindes, schützen.48 Mit Blick auf die modernen Fortpflanzungstechniken ist die Hürde aber ebenfalls geeignet, gewerbliche Samenspender von der Anfechtung auszuschließen.49 Denn die Abgabe von Sperma beim Personal der Samenbank fällt nicht mehr unter den Begriff der „Beiwohnung“.50 Anders gelagert sind hingegen Fälle der vertrauten Samenspende: Hier kann die persönliche Übergabe des Bechers mit Sperma den Tatbestand der Beiwohnung erfüllen. Entscheidend scheint also der persönliche Kontakt zwischen Spender und Mutter zu sein, unabhängig von sexuellen Handlungen.

45 

BVerfG, NJW 2003, 2151. BGBl. I, S. 598. 47  Diesen Umstand beklagt: Peschel-Gutzeit, Der doppelte Vater – Kritische Überlegungen zum Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, NJW 2013, 2465 (2469); siehe auch unten Kap. 3. B. II. 2. b. 48  BT-Drucks. 15/2253 S. 10; Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 127. 49  Vgl. auch BT-Drucks. 15/2253 S. 20. 50  Vgl. BGH, FamRZ 2013, 1209. 46 

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

2.  Sozial-familiäre Beziehung, § 1600 Abs. 2, 4 BGB Der leibliche Vater kann eine Statusänderung durch Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft zudem nur herbeiführen, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Diese Bestimmung versucht, das Prinzip der Statuswahrheit mit dem Prinzip der Statusbeständigkeit in Einklang zu bringen. Hier trifft der Gesetzgeber im Falle des Aufeinandertreffens von leiblicher und sozialer Vaterschaft erneut eine Wertentscheidung51 und versucht damit, den Konflikt zwischen den beiden Vaterstellungen zu entschärfen. Die Wertentscheidung des Gesetzgebers kann als generalisierte und antizipierte Kindeswohlentscheidung betrachtet werden.52 Es entspricht den (aktuellen) Erkenntnissen der Bindungsforschung, dass Kinder generell ein großes Maß an Beziehungskontinuität brauchen, um nicht in ihrer inneren Integrität beeinträchtigt zu werden und sich zu einer stabilen Persönlichkeit zu entwickeln.53 Dennoch bleibt die Frage offen, ob diese generelle Entscheidung zum Kindeswohl die richtige Lösung ist für die im Verhältnis doch eher kleine Zahl an Kindern, bei denen leibliche und rechtliche Vaterschaft auseinanderfallen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der „sozial-familiären Beziehung“ hervorgebracht, der Gesetzgeber hat ihn dann im Anschluss an dessen Entscheidung übernommen. Wie das Kindeswohl stellt auch die sozial-familiäre Beziehung einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der sich allmählich in der Gesetzessprache etabliert.54

a.  Verantwortung für das Kind tragen oder getragen haben Der Gesetzgeber hat die sozial-familiäre Beziehung in § 1685 BGB55 als terminus technicus legal definiert. Hiernach besteht zwischen den engen Be51  Diese Wertentscheidung trägt allerdings den Widerspruch in sich, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwar die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater verhindern kann. Umgekehrt kann aber ein sozialer Vater, der Verantwortung für das Kind übernimmt, eine bestehende anderweitige rechtliche Vaterschaft nicht anfechten, weil der Anfechtungsgrund eben nur in Folge der leiblichen Vaterschaft besteht. Der soziale Vater wird auf die Möglichkeit einer Adoption verwiesen, die zum einen grundsätzlich der Einwilligung des rechtlichen Vaters bedarf und zum anderen konkret (!) kindeswohldienlich sein muss. 52  Löhnig/Preisner, Zur Reichweite des Einflusses der Rechtsprechung des EuGHMR auf das deutsche Kindschaftsrecht, FamRZ 2011, 489 (492). 53  Brisch, Die vier Bindungsqualitäten und die Bindungsstörungen, FPR 2013, 183; Bovenschen/Spangler, Wer kann Bindungsfigur eines Kindes werden?, FPR 2013, 187. 54  So auch in § 1600b BGB und § 1685 BGB. 55 Auch nach § 1600 Abs. 4 BGB besteht eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der rechtliche Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat. § 1685 Abs. 2 BGB wurde im Rahmen dieser Ausführungen auch für das Anfechtungsrecht als Anknüpfungspunkt gewählt, weil der Gesetzgeber sich dazu entschieden hat, den Begriff dort legal zu definieren und nicht in § 1600 Abs. 4 BGB.



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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zugspersonen (bei § 1600 BGB dem rechtlichen Vater) und einem Kind eine sozial-familiäre Beziehung, wenn diese tatsächlich für das Kind Verantwortung tragen oder getragen haben. Daneben statuiert § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB zwei unterschiedliche Regelbeispiele, die zu einer widerleglichen Vermutung führen, dass eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat. Raum für eine differenzierte Auslegung der sozial-familiären Beziehung bleibt bei der Dauer der Verantwortungsübernahme: Wie nachhaltig muss die Verantwortungsübernahme ausgestaltet sein? In welchem Zeitraum nach der Geburt des Kindes ist es überhaupt erst möglich, eine sozial-familiäre Beziehung zu begründen? Das Gesetz hilft dem Rechtsanwender hier Fragen insoweit, als es zwei Regelbeispiele aufführt, bei deren Vorliegen die Übernahme von Verantwortung für das Kind vermutet werden kann.

aa.  Ehe des rechtlichen Vaters mit der Mutter Erste Regelvermutung für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung ist die Ehe mit der Mutter des Kindes. Diese Vermutung gilt nur solange, wie die Ehe auch tatsächlich besteht. Nicht von Bedeutung ist die Art der Beendigung der Ehe, sei es durch Auflösung, Scheidung oder Tod.

bb.  Häusliche Gemeinschaft Zudem wird eine sozial-familiäre Beziehung vermutet, wenn der rechtliche Vater mit dem Kind in einer häuslichen Gemeinschaft lebt. In Abgrenzung zum erstgenannten Regelbeispiel ist das Leben in häuslicher Gemeinschaft unabhängig von den Beziehungen der Mutter des Kindes.56 Das bedeutet, dass eine häusliche Gemeinschaft mit dem Kind auch bei Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften bestehen kann. Der rechtliche Vater muss nicht einmal in irgendeiner Beziehung stehen, sondern kann auch als alleinerziehender Vater mit dem Kind zusammenleben. Auch eine Beziehung mit einer anderen Frau als der Mutter des Kindes schadet der Vermutung einer sozial-familiären Beziehung nicht von vorneherein. So ist es auch konsequent, wenn Rauscher vertritt, für die längere Dauer des Zusammenlebens reiche es nicht aus, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter zusammengewohnt habe. Maßgeblich ist die häusliche Gemeinschaft mit dem Kind.57

56  In den meisten Fällen wird allerdings eine nichteheliche Beziehung zwischen Mutter und sozialem Vater des Kindes bestehen. 57 Staudinger/Rauscher, § 1600 Rn. 46a.

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

cc.  Widerlegbarkeit der Regelbeispiele Diese Regelbeispiele sind widerlegbare Vermutungen. Die Beweislast für ihr Nichtvorliegen trägt der anfechtende leibliche Vater. Ein non liquet geht also zulasten des leiblichen Vaters. Für den leiblichen Vater wird es aber regelmäßig sehr schwierig sein, an tragfähige Argumente zu gelangen, die die gesetzgeberische Regelvermutung entkräften können; insbesondere, weil persönlichkeitsrechtlich sehr empfindliches Datenmaterial gesammelt werden müsste. Die Regelvermutung der Ehe zwischen Mutter und rechtlichem Vater lässt sich beispielsweise dadurch widerlegen, dass es sich bei der Ehe um eine Scheinehe handelt oder die Ehegatten bereits getrennt leben.58

dd.  Sozial-familiäre Beziehung jenseits der gesetzlichen Regelvermutungen Rechtsprechung59 und Literatur haben aber erkannt, dass ein schematisches Festhalten an den gesetzlichen Regelvermutungen den besonderen Einzelfällen nicht immer gerecht wird und eine sozial-familiäre Beziehung auch darüber hinaus angenommen werden kann. Dies setzt aber jenseits der gesetzlichen Regelbeispiele „Betreuungsleistungen“ des rechtlichen Vaters „von außergewöhnlichem Gewicht“60 voraus.

b.  Kritik an der Auswahl der Regelbeispiele Die Regelbeispiele für das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung scheinen etwas willkürlich gewählt. Insbesondere die Ausdifferenzierung der Art der Vaterschaftsbegründung und die damit einhergehende Privilegierung ehelicher Kinder sind dem Zweck nicht angemessen und stoßen mit Blick auf Art. 6 Abs. 5 GG auf verfassungsrechtliche Bedenken.61 Zwar kann diesem Einwand entgegengehalten werden, dass Kindern aus intakten nichtehelichen Lebensgemeinschaften das zweite Regelbeispiel, die „häusliche Gemeinschaft“, zugutekommt, doch ist das Schutzniveau der sozial-familiären Beziehung hier eingeschränkt durch den Zusatz eines zeitlichen Elements („längere Zeit“), das bei der Regelvermutung der Ehe fehlt. Hinzu kommt, dass die Ehe der Mutter mit dem rechtlichen Vater in manchen Fällen nicht viel über die wirkliche sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater

58 

BT-Drucks. 15/2253, S. 11. FamFR 2010, 154; Schenkel, Die Reduzierung des Konfliktpotentials in der Vaterschaftsanfechtung, S. 137. 60 Erman/Hammermann, § 1600 Rn. 17. 61  Die Anknüpfung an die Ehe von Mutter und rechtlichem Vater kritisiert auch: Luh, Die Prinzipien des Abstammungsrechts, S. 242. 59  BGH,



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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aussagt. Besonders schwer haben es Kinder62 aus der Sicht des Gesetzgebers in ungewöhnlichen Familienkonstellationen, wenn also weder eine Ehe zwischen ihren Eltern besteht noch wenigstens eine länger andauernde „wilde Ehe“ in einer gemeinsamen häuslichen Gemeinschaft. Sondern das Kind beispielsweise bei der Mutter lebt und der rechtliche Vater in einer anderen Straße oder sogar in der Nachbarwohnung. Hier muss der rechtliche Vater, um sich und seine sozialfamiliäre Beziehung zu beweisen, „außergewöhnliche Betreuungsleistungen“ vollbringen. Dem verheirateten Geschäftsmann hingegen, der einen Großteil seiner Zeit im Ausland verbringt und den Rest vor dem Geschäftscomputer, wird eine solche Leistung nicht zugemutet.63 Daher böte sich als Alternative an, die Regelvermutung nicht generell an persönliche Verbindungen der Mutter anzuknüpfen (bei denen es – seien sie ehelich oder nicht – nicht selten vorkommt, dass die Kinder nicht besonders glücklich darüber sind). Beziehungen der Mutter können allenfalls schwach ausgestaltete Indizien für das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Abwägungsprozess sein, die nicht erst zu widerlegen sind. Dem könnte man zwar entgegenhalten, dass § 1592 Nr. 1 BGB ebenfalls mit einer Vermutung64 für die eheliche Abstammung des Kindes operiert. Ein entscheidender Unterschied besteht aber beim Anknüpfungspunkt: § 1592 Nr. 1 BGB geht von der in den meisten Fällen auch zutreffenden Annahme aus, dass der Ehemann der Mutter auch der genetische, leibliche Vater des Kindes ist (weil die Rechtsordnung von der Ausschließlichkeit sexueller Beziehungen eines Ehepaares ausgeht und dies auch darf). Die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichem Vater und dem Kind ist dagegen ein tatsächliches soziales Gefüge, das sich aus mehreren einzelnen sozialen Komponenten (im Gegensatz zur einmal sicher feststehenden genetischen Herkunft des Kindes) zusammensetzt und im Einzelfall auf sein tatsächliches Bestehen geprüft werden muss; insbesondere weil in Fällen, in denen eine Anfechtung durch den leiblichen Vater im Raum steht, nicht zwangsläufig von einer durch das Gesetz typisierten ehelichen Idealfamilie ausgegangen werden kann. Der Wegfall der Regelvermutung der sozial-familiären Beziehung bei einer Ehe mit der Mutter des Kindes hätte also keinen Wertungswiderspruch im Abstammungsrecht zur Folge. Ein weiterer Kritikpunkt an der derzeitigen Ausgestaltung der Regelbeispiele ist, dass auch nicht die eingetragene Lebenspartnerschaft (§ 1 LPartG) 62  Hier wird bewusst auf die Kinder abgestellt, denn ihnen soll der Schutz der sozialfamiliären Beziehung zugutekommen. Leider geht dies in der Diskussion um Elternrechte sehr häufig unter. 63  Der Erfahrung nach ließe sich auch stark bezweifeln, dass solche außergewöhnlichen Betreuungsleistungen auch tatsächlich erbracht werden. 64  Strittig, vgl. Gietl, Abstammung, S. 89 ff., die genaue dogmatische Einordnung ist für die vorliegende Arbeit allerdings nicht relevant.

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

neben der Ehe als Anknüpfungspunkt für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung herangezogen wird. Diese Tatsache kann nicht mit der verfassungsrechtlichen Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur eingetragenen Lebenspartnerschaft gerechtfertigt werden, da Bezugspunkt für eine solche Regelvermutung nicht die Paarebene der Eltern, sondern die vermutete Beziehung des Kindes zu einem Elternteil ist. Gegen diese Einwände spricht, dass es gerade nicht die isolierte Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind ist, die durch die Hürde der bestehenden sozial-familiären Beziehung geschützt werden soll, sondern der Familienverbund als solcher. Auch der rechtliche Vater, der Elternverantwortung trägt, und die Mutter, die ein Interesse am Fortbestand des sozialen Gefüges zwischen Vater, Mutter und Kind hat, verdienen Schutz.65 Problematisch an dieser Sichtweise ist, dass dem Kind das verfassungsrechtlich verankerte (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) Recht gegen den Staat auf Bereitstellung einer einfachrechtlich Infrastruktur zur Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung66 zusteht und dieses Recht – im Falle von Kollisionen – eine sehr vorsichtige Abwägung zwischen Elternrechten und Kindesrechten gebietet. Bei dieser Abwägung kann den Elternrechten aber nur schwerlich eine positive Prognose gestellt werden, da diese Rechte an das Wohl des Kindes gebunden sind, für das die Eltern als Treuhänder zu sorgen haben. Solange also der „Eingriff“ eines leiblichen Vaters in die bestehenden sozialen Gefüge als dem Kindeswohl entsprechend oder gar förderlich angesehen wird, kann es zu keinen verfassungsrechtlichen Friktionen kommen. Das Recht der Eltern auf „Ruhe vor dem leiblichen Eindringling“ tritt hinter das Recht des Kindes auf Förderung seines Wohls zurück (durch die Möglichkeit rechtlicher Verbundenheit und Legitimation sowohl mit seinen sozialen als auch leiblichen Bezugspersonen). Zudem ist das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft keine biologische Spontanmutation, sondern durchaus auf ein Verhalten67 eines oder beider rechtlicher Elternteile zurückzuführen. Dem Kind, das sich seine Position in diesem System nicht ausgesucht hat, rechtliche Möglichkeiten zu verwehren, um den Rechten anderer zu genügen, erscheint unangebracht. Hier zeigt sich eine weitere Schwäche der gesetzlichen Ausgestaltung der sozial-familiären Beziehung: Eine dem Gesetz nach regelmäßig vermutete sozial-familiäre Beziehung zwischen zwei Familienmitgliedern kann nur an65 So

Will, Wer ist Vater im Sinne des Gesetzes?, FPR 2005, 172 (176). Britz, Das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung  – jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JZ 2014, 1069. 67  Außer Acht gelassen werden bei dieser Betrachtung Fälle von sexuellem Missbrauch der Mutter mit der Folge der Geburt eines Kindes. Diese stellen zum Glück nicht den Regelfall dar. 66 Hierzu



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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genommen werden, wenn ein Aspekt der Fürsorge und Sorgetragung eine Rolle spielt; damit wirkt die sozial-familiäre Beziehung nur in vertikalen und gerade nicht auch in horizontalen familiären Bindungen. Persönliche Bindungen und Neigungen in alle Richtungen werden vom Gesetzgeber hingegen nicht als schützenwert erachtet. Dies widerspricht der entwicklungspsychologischen Bindungstheorie, die den Wert von Bindungen nicht nur im fürsorgerischen Bereich, sondern auch im horizontalen Familiengefüge ansiedelt. Dass dieser Blick auf die Schutzwürdigkeit sozial-familiärer Beziehungen im Einzelfall zu erheblichen Friktionen führen kann, zeigt der vom OLG Dresden68 entschiedene Fall, in dem einer nachweislich intensiven Geschwisterbindung die Schutzwürdigkeit im Rahmen von § 1685 Abs. 1 BGB aberkannt wurde, nachdem ein Geschwisterteil adoptiert und dadurch die rechtliche Verbindung zu seinem leiblichen Geschwisterteil gekappt wurde.

c.  Kritik an der mangelnden Gleichwertigkeit sozial-familiärer Beziehungen Dass ein Kind nicht nur eine sozial-familiäre Beziehung zu einem Menschen haben kann, erklärt sich bereits aus der biologischen Tatsache, dass auch in heutigen Zeiten noch mindestens zwei Eltern vonnöten sind. Auch das Recht erkennt die multiplen Bindungen und Beziehungen des Kindes an und fördert diese durch diverse Umgangs- und Auskunftsrechte (z. B. § 1685 Abs. 2 BGB oder § 1686 BGB für den rechtlichen Elternteil). So kann es durchaus zu der problematischen Konstellation kommen, dass das Kind sowohl zu seinem rechtlichen Vater als auch zu seinem leiblichen Vater – vielleicht sogar im gegenseitigen Einvernehmen – eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut hat.69 Treffen nun zwei gleichwertige sozial-familiäre Beziehungen im Vaterschaftsanfechtungsverfahren aufeinander, muss das Gericht entscheiden, ob es die Anfechtung des leiblichen Vaters zulässt oder nicht.70 Hier zeigt sich also deutlich die Schwäche des geltenden Rechts im Umgang mit verschiedenen elterlichen Bindungen. Möchte der leibliche, soziale Vater ein vollwertiges Elternrecht erlangen, so muss er das Glück haben, dass seine zu dem Kind aufgebaute sozial-familiäre Beziehung stark genug ist, die des rechtlichen Vaters mit dem Kind zu verdrängen. Es ist aber auch möglich, dass sich alle Beteiligten mit der besonderen familiären Konstellation arrangiert haben und auch der leibliche Vater den sozialen rechtlichen Vater gar nicht verdrängen möchte. Den Interessen im Einzelfall könnte man also sehr gut durch flexible Lösungen gerecht werden. Dass weitgehend gleichwertige sozial-familiäre Beziehungen 68 

OLG Dresden, FamRZ 2012, 1153. Beispiel wäre der konsentierte „Seitensprung“ mit einem guten Freund des Ehemannes, wenn dieser infertil ist – sei es auf natürlichem Wege oder in Form der privaten Samenspende. 70  So beispielsweise AG Herford, FamRZ 2008, 1270. 69  Ein

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

zum rechtlichen und leiblichen Vater auch in der Praxis gelebt werden, beweist die Funktionstüchtigkeit einer Drei-Eltern-Konstellation. Auch das OLG Bremen71 hat in einem obiter dictum angemerkt, das Vorliegen zweier gleichwertiger sozial-familiärer Beziehungen des Kindes sowohl zum bestehenden rechtlichen Vater als auch zum leiblichen Vater könne im Einzelfall zu einer unangemessenen Benachteiligung des leiblichen Vaters im Rahmen von § 1600 Abs. 2 BGB führen. Das Gericht sympathisierte mit der Lösung, die Anfechtungssperre des § 1600 Abs. 2 BGB teleologisch zu reduzieren. Betont wurde aber auch hier, dass bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung die sozial-familiäre Beziehung des leiblichen Vaters zu dem Kind genau in den Blick genommen werden müsse.

d.  Kindeswohlerwägungen im Rahmen der sozial-familiären Beziehung Vom Kindeswohl ist nicht ausdrücklich die Rede, wenn die sozial-familiäre Beziehung als Sperre der Vaterschaftsanfechtung fungiert. Dem könnte die Überlegung zugrunde liegen, dass die sozial-familiäre Beziehung vom Gesetzgeber als antizipierte und generalisierte Kindeswohlentscheidung ausgestaltet wurde, sie also bereits das Ergebnis einer Kindeswohlabwägung darstellt.72 Bei diesem Konzept ist es allerdings nicht wirklich stimmig, die oben bereits kritisierten Regelvermutungen anzubringen und so eher auf die Verbindung zwischen den rechtlichen Eltern abzustellen als auf diejenige (eigentlich maßgebliche) zwischen anzufechtendem Elternteil und Kind. Denn auch wenn die Familie äußerlich als „heile“ Familie erscheint und die Verbindung zwischen Mutter und Vater stabil ist, steht deswegen noch nicht fest, dass das Kind nicht im Einzelfall beim biologischen Vater besser aufgehoben sein könnte.73

e.  Vorteile einer konkreten Kindeswohlbestimmung Die Regelbeispiele in § 1600 Abs. 4 BGB sind eher unbestimmt und vage formuliert; sie spiegeln nicht für alle Fälle die tatsächlich gelebten Beziehungen wieder. Vor allem aber sind sie zu wenig vom Kind her gedacht.74 Kindern wird es in der Regel gleichgültig sein, ob ihre Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht. Sie haben ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf eine recht71 

OLG Bremen, FamRZ 2013, 1824. Löhnig/Preisner, Zur Reichweite des Einflusses der Rechtsprechung des EuGHMR auf das deutsche Kindschaftsrecht, FamRZ 2012, 489 (492). 73  Hier sei nicht an Adoleszenzkonflikte gedacht, bei denen das Kind seinen rechtlichen Vater munter austauschen möchte, um unliebsamen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Dennoch strahlt die leibliche Vaterschaft, wenn sie bekannt und akzeptiert ist, eine nicht zu leugnende Stabilität kraft unüberwindbarer Verbindung aus. 74  Vgl. auch Coester-Waltjen, Statusrechtliche Folgen der Stärkung der Rechte der nichtehelichen Väter, FamRZ 2013, 1693 (1699). 72 



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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liche Infrastruktur, die eine gesicherte rechtliche Elternschaft begründet (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG). Und wenn es um die Modalitäten dieser rechtlichen Elternschaft geht, sind die Belange des Kindes zu berücksichtigen. In Zeiten von pluralen Lebensformen wie beispielsweise dem „living apart together“75 ist auch das Kriterium der häuslichen Beziehung nur wenig aussagekräftig. Wie die Ehe kann die häusliche Gemeinschaft sicherlich ein Indiz sein, dabei sollte man es aber auch belassen. Eine zu widerlegende Regelvermutung – was im Falle der häuslichen Gemeinschaft tatsächlich leichter fällt als bei rein sozialen Verbindungen, die für den anfechtenden leiblichen Vater nur schwer zu ermitteln sind – ist nicht mehr zeitgemäß. Kritisch ist es auch zu sehen, wenn die sozial-familiäre Beziehung an Tatsachen wie das Bezahlen von Unterhalt geknüpft wird.76 Hierbei besteht die Gefahr, dem Kind durch „Erkaufen“ von Beziehungen persönliche, vielleicht auch intensivere soziale Bindungen vorzuenthalten, die für die Persönlichkeitsentwicklung mindestens genauso wichtig sind wie die finanzielle Sicherheit (die ja beim anfechtenden leiblichen Vater auch gegeben sein kann).

3.  Fristbestimmungen, § 1600b BGB Auch die gesetzlichen Anfechtungsfristen, geregelt in § 1600b BGB, sorgen für Rechts- und damit Statussicherheit. Wie alle anderen Berechtigten eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens hat auch der leibliche Vater eine Frist von zwei Jahren einzuhalten. Diese für persönlichkeitsrelevante Statusverhältnisse relativ kurz bemessene Frist findet ihre Rechtfertigung in der Schutzbedürftigkeit des Kindes. Eine rechtliche Zuordnung zum Vater soll nicht lange in der Schwebe bleiben.77 Die Fristberechnung richtet sich nach den allgemeinen Regeln des BGB, §§ 187 ff. BGB. Gewahrt wird die Frist einzig durch Stellung eines entsprechenden Antrages beim zuständigen Familiengericht (§ 170 FamFG). Objektive Voraussetzung für den Beginn des Fristlaufs ist die Geburt des Kindes (§ 1600b Abs. 2 S. 1 BGB). Darüber hinaus ist subjektive Voraussetzung die Kenntnis von der Geburt des Kindes beziehungsweise die Kenntnis von den Umständen, die gegen die leibliche Vaterschaft des rechtlichen Vaters sprechen. Die Anfechtungsfrist für den leiblichen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) beginnt auch dann zu laufen, wenn er das Anfechtungsrecht beispielsweise aufgrund einer bestehenden sozial-familiären Beziehung gar nicht durchsetzen kann 75  Bei dieser Lebensform teilen die Familienmitglieder keine gemeinsame Wohnung; gehört dem Familienverbund ein Kind an, so teilen sich die getrennt lebenden Eltern regelmäßig dennoch die Sorge. 76  So zumindest die Gesetzesbegründung bei Einführung des als verfassungswidrig erklärten behördlichen Anfechtungsrechtes, vgl. BT-Drucks. 16/3291, S. 13. 77  BVerfGE 38, 241 (251) = NJW 1975, 203.

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

(vgl. § 1600b Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB).78 Für den leiblichen Vater bedeutet dies, dass die Zweijahresfrist für ihn verstreichen kann, ohne je die rechtliche Möglichkeit gehabt zu haben, die rechtliche Vaterschaft des Kindes anzufechten. Dies gilt auch dann, wenn die sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind nach Ablauf der zwei Jahre wegfällt.79 Hier stellt sich tatsächlich die Frage, ob dieser rigorose Fristlauf für die Erfüllung des Schutzzweckes der Frist notwendig ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung den Ausschluss des Anfechtungsrechtes des leiblichen Vaters rechtfertigt. Die verhältnismäßig knappe und starre Fristenbestimmung wurde durchaus auch in der Literatur kritisiert.80 Dies insbesondere mit Blick auf die nur scheinbare Rechtssicherheit, die die Fristenbestimmung bieten kann. Für jeden Beteiligten kann die Frist subjektiv zu einem anderen Zeitpunkt beginnen, so wird die Rechtsunsicherheit bezüglich des Status des Kindes vergrößert.81 Das eigentliche Ziel der Fristenbestimmung, die Schaffung von Rechtssicherheit, unterwandert sich dadurch selbst. Hinzu kommt die Möglichkeit, die Kenntnis von den Umständen, die gegen die Vaterschaft des rechtlichen Vaters sprechen, auch wieder zu verlieren, beispielsweise durch neue tatsächliche oder auch vermeintliche Umstände, die für die Vaterschaft des rechtlichen Vaters sprechen. Hiernach beginnt die Frist von Neuem zu laufen.82 Besser wird die Situation auch nicht dadurch, dass in einigen Entscheidungen der Ablauf der Frist offenbar missachtet oder auch gezielt umgangen wurde, um so noch Jahre später wirksam die Vaterschaftsanfechtung zu betreiben.83

4.  Anfechtungsobliegenheit für den leiblichen Vater bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen? § 1686a BGB hat nicht nur systemfremd ein Umgangsrecht von Personen eingeführt, die dem Kind sozial fremd sind, sondern auch eine Zweifelsfrage zum Vaterschaftsanfechtungsrecht hervorgebracht: Voraussetzung des Umgangsrechtes ist unter anderem das Bestehen einer anderweitigen rechtlichen Vaterschaft für das Kind. Ist dies nicht der Fall, wird der Umgang begehrende leibliche Vater auf das Vaterschaftsanerkennungsverfahren, respektive die gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft verwiesen. Diskutiert wird nun, ob der Vater – 78 

BGH, NJW 2007, 1677 (1681). hierzu Eckebrecht, Neuere Gesetze zur Stärkung der Vaterrechte, FPR 2005, 205 (209); Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 195. 80  Groß, Fristen und Anfangsverdacht im Abstammungsrecht, FPR 2007, 392; Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, S. 149. 81  Groß, Fristen und Anfangsverdacht im Abstammungsrecht, FPR 2007, 392 (393). 82 Erman/Hammermann, § 1600b Rn. 23; Staudinger/Rauscher, § 1600b Rn. 32; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600b Rn. 16; NK-BGB/Gutzeit, § 1600b Rn. 8. 83  Vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 191; BVerfG, FamRZ 2015, 729. 79  Kritisch



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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um seinem ernsthaften Interesse auch tatsächlich Ausdruck zu verleihen – bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen, also wenn den rechtlichen Vater mit dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung verbindet, vorrangig ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren betreiben muss. Ebenfalls problematisch können Fälle sein, in denen die Voraussetzungen der Anfechtung der Vaterschaft zu irgendeinem Zeitpunkt vorlagen, der Umgang begehrende leibliche Vater aber die Anfechtungsfrist hat verstreichen lassen. Auch die Gesetzesbegründung hat sich dieser Frage angenommen und ausführlich dargelegt, dass eine Pflicht zur Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft des Kindes nicht bestehe. Dem Kind sollen zur Verwirklichung des Umgangsrechtes seines leiblichen Vaters nicht die rechtlichen Bande zu seinem rechtlichen Vater abgeschnitten werden.84 Als weiteres Argument führt die Gesetzesbegründung an, dass das entscheidende Gericht im Umgangsverfahren inzident die Erfolgsaussichten des Anfechtungsverfahrens prüfen müsse. Aufgrund des im FamFG-Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes sieht der Gesetzgeber einen hohen Ermittlungsaufwand auf die Gerichte zukommen, zudem wird diese Form des umgangsrechtlichen Inzidentprüfungsverfahrens als systemfremd erachtet.85 Bislang wurden Inzidentprüfungen der Abstammung eines Kindes nur in seltenen Fällen zugelassen, beispielsweise, als es nach Anfechtung der Vaterschaft um den Regressanspruch eines vormals rechtlichen Vaters gegen den leiblichen Vater eines Kindes ging.86 Teilweise wird aber vertreten, § 1686a BGB sei so weit auszulegen, dass eine solche Anfechtungsobliegenheit bestehe. Es wird die Frage nach der Wertigkeit einer rechtlichen Vaterstellung gestellt, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind nicht besteht und das Kind infolgedessen auf diese Art von Vaterschaft auch verzichten kann. Zudem sei es die Wertentscheidung des Gesetzgebers, die leibliche mit der rechtlichen Vaterschaft in möglichst vielen Fällen zu vereinen. Nehme ein leiblicher Vater die Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung nicht wahr, so könne man ihm überdies unterstellen, dass er lediglich an der Rechtsstellung als Umgangsberechtigter gemäß § 1686a BGB interessiert sei und eine rechtlich vollwertige Vaterstellung aufgrund der auf ihn zukommenden Pflichten scheue.87 Diese Diskussion beweist erneut die Systemwidrigkeit und Kurzsichtigkeit des Gesetzgebers bei der Etablierung erweiterter Väterrechte auf Grundlage der biologischen Herkunft. Auf den ersten Blick mag das Argument des Gesetzgebers einleuchten, dem Kind keinen Vater nehmen zu wollen, weil sein leiblicher Vater ein Umgangsrecht durchsetzen kann. Allerdings bestünden 84 

BT-Drucks. 17/12163, S. 12. § 1686a Rn. 13. 86  Vgl. BGH, NJW 2012, 852. 87  Lang, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, FPR 2013, 233. 85 NK-BGB/Peschel-Gutzeit,

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

nach Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater die Voraussetzungen des § 1686a BGB nicht länger fort, da ja die Vaterschaft eines anderen Mannes nach dessen Anfechtung ex tunc88 nicht mehr besteht. Mit der Anfechtungsobliegenheit einhergehen müsste freilich, das der leibliche Vater in die Position des rechtlichen Vaters einrückt. Dies wäre durch gerichtliche Feststellung des Vaters gemäß §§ 1592 Nr. 3, 1600d BGB für alle Beteiligten möglich. Das Kind stünde also nicht zwingend vaterlos, zumindest dann nicht, wenn die Vaterschaftsfeststellung gerichtlich betrieben wurde.89

II.  Bisherige Lösungsansätze für das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft Die besondere Stellung des leiblichen, (noch) nicht rechtlichen Vaters des Kindes in Abstammungsfragen wird seit Längerem diskutiert. Beflügelt wurde diese Diskussion auch durch die neuen gentechnischen Möglichkeiten, den leiblichen Vater weitgehend zweifelsfrei feststellen zu können. Oftmals wird insbesondere bei Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft dem leiblichen Vater eine rechtlich zu schwach ausgestaltete Stellung attestiert. Im Folgenden werden die Lösungsansätze, die für das Problem des Auseinanderfallens von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft in der Literatur bisher diskutiert wurden, vorgestellt und ihre jeweiligen Schwächen aufgezeigt.

1.  Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests a. Erläuterungen Eine Möglichkeit, das Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft endgültig zu unterbinden, wäre die Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests eines jeden Kindes sofort nach dessen Geburt. Tatsächlich wurde dies nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts90 vorgeschlagen.91 Demnach sollte obligatorisch bei jedem Kind sofort nach der Geburt ein Gutachten über die genetische Abstammung erstellt werden, sämtliche Fragen zur Abstammung würden so geklärt. So werde das verfassungsrechtlich geschützte Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung effizient gewahrt und auch die Frage nach heimlichen DNA-Tests (die auch nach Einführung des statusunab88  Zur Kritik an dieser Tatsache mit guten Argumenten: Heiderhoff, Die Vaterschaftsklärung und ihre Folgen – von der Vaterschaftsanfechtung zur Vaterschaftsbeendigung?, FamRZ 2010, 8. 89  Hier wird explizit die Mutter des Kindes angesprochen, die am ehesten und am besten weiß, wer als leiblicher Vater des Kindes in Betracht kommt. 90  BVerfG, NJW 2017, 753. 91  Willutzki, Heimliche Vaterschaftstests – Anstoß für den Gesetzgeber, ZRP 2007, 180 (184).



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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hängigen Klärungsverfahrens nach § 1598a BGB noch von Bedeutung ist) hätte sich ein für alle Mal erledigt. Zudem sähen sich leibliche Vater in selteneren Fällen Regressansprüchen durch den ehemals rechtlichen Vater ausgesetzt.92

b.  Stellungnahme gegen die Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests Der Einführung eines obligatorischen Abstammungstests sofort nach der Geburt jeden Kindes können verschiedene Argumente entgegengehalten werden. Ein Abstammungsgutachten wird nur nötig, wenn die genetische Herkunft nicht sicher ist. Ein obligatorischer Test würde also implizieren, dass sich die Frau nicht sicher ist, mit wem sie ein Kind gezeugt hat. Die Rechtsordnung liefe Gefahr, Frauen unter den Generalverdacht der Untreue und/oder Promiskuität zu stellen. Zudem ist ein Abstammungsgutachten in den meisten Fällen ein überflüssiger finanzieller Aufwand. Das Zusammenfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft ist immer noch der Regelfall, das Auseinanderfallen zwar ein häufiger vorkommendes (oder auch nur offener diskutiertes) Phänomen, aber dennoch eine Ausnahme, die eine solch drastische Maßnahme nicht rechtfertigt.93 Das aus meiner Sicht gewichtigste Argument gegen ein obligatorisches Abstammungsgutachten ist aber, dass hierdurch einige Kinder vaterlos gestellt würden. Ein solches Abstammungsgutachten kann nämlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen der genetischen Vaterschaft des potentiellen rechtlichen Vaters feststellen. Damit ist allerdings noch lange nicht geklärt, wer tatsächlicher leiblicher Vater ist, wenn das Abstammungsgutachten ergibt, dass der Vater im Rechtssinne es nicht ist. Der Gesetzgeber würde mit der Einführung eines obligatorischen Abstammungsgutachtens ein falsches Signal setzen: Er würde den leiblichen Vater privilegieren. Dies hat der Gesetzgeber bisher aber gerade vermieden. Anders ließe sich das komplexe Gefüge aus den Begründungstatbeständen der Vaterschaft, der Anfechtung und deren Ausnahmen und Fristen sowie dem Umgangs- und Auskunftsrecht nach § 1686a BGB nicht erklären. Auch wenn die biologische Wahrheit (offenbar) ein sehr wichtiges Gut im Abstammungsrecht ist, hat der Gesetzgeber eine Privilegierung in diesem sensiblen Bereich tunlichst zu vermeiden. Durch eine solche Grundwertung würde zudem die soziale Vaterschaft in ein falsches Licht gerückt. Es wird in der sozialen Realität durchaus Konstellationen geben, in denen der soziale Vater ahnt oder sogar weiß, dass er nicht der leibliche Vater des Kindes ist, sich mit diesem Gedanken aber – aus welchen Gründen auch immer – abgefunden hat und gerne 92 

Orel, Heimliche Vaterschaftstests, S. 193. auch Janott, Heimliche Vaterschaftstests – Anstoß für den Gesetzgeber, ZRP 2008, 132 Orel, Heimliche Vaterschaftstests, S. 194; Schenkel, Die Reduzierung des Konfliktpotentials in der Vaterschaftsanfechtung, S. 259. 93  So

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

die rechtliche Vaterstellung einnehmen möchte. Die Einführung eines obligatorischen Vaterschaftstests kann also das Auseinanderfallen von leiblicher und sozialer Vaterschaft nicht auflösen.

2.  Anfechtungsrecht des biologischen Vaters Vielfach wurde überlegt, dem leiblichen Vater unabhängig von einer sozial-familiären Beziehung ein eigenständiges und damit unbeschränktes Anfechtungsrecht zur Seite zu stellen.94 Einzige Voraussetzung für eine Anfechtung der Vaterschaft sollte die leibliche Vaterschaft des Anfechtenden sein. Daneben wurde vorgeschlagen, das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters um eine zeitliche Komponente zu erweitern.95 Erfolge die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft zeitnah nach der Geburt des Kindes, so solle es auf eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater nicht ankommen. Stattdessen könne der leibliche Vater in dieser Zeit die Anfechtung unbeschränkt betreiben. Ein angemessener Zeitraum seien dabei zwei Jahre. Auch nach der Einführung von § 1686a BGB wurde kritisiert, dass eine abstammungsrechtliche Lösung des Problems der gerechten Einbeziehung des „nur“ biologischen Vaters durch „Stärkung des Anfechtungsrechts in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 nicht nur systematisch korrekter, sondern vor allem widerspruchsfrei“96 sein würde. Der zur Verantwortungsübernahme bereite Vater werde durch die umgangsrechtliche Ausgestaltung des Problems lediglich auf eine Umgangsvaterschaft verwiesen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, „Vater“ mit allen rechtlichen Konsequenzen zu werden.97 Daneben gibt es den Vorschlag, die generalisierte Kindeswohlentscheidung in Form der sozial-familiären Beziehung zwischen dem Vater und dem Kind solle einer konkreten Kindeswohlprüfung im Einzelfall weichen.98 Hiermit würde insbesondere den Vorgaben des EGMR Genüge getan. Die Interessen 94  So wurde dies auch im Rahmen der Gesetzesbegründung zur Einführung von § 1686a BGB diskutiert, vgl. BT-Drucks. 17/12163, S. 10; weiter auch: Peschel-Gutzeit, Der doppelte Vater – Kritische Überlegungen zum Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, NJW 2013, 2465 (2469); Helms, Anmerkung zu EuGHMR, Urt. vom 15. 9. 2011 – Beschwerde Nr. 17080/07, FamRZ 2011, 1717 (1718); Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 275 f., S. 325 f.; MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600 Rn. 6 spricht von der Lockerung der Anfechtungsvoraussetzungen für den leiblichen Vater, ohne dabei einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten. 95  Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, S. 116. 96 Staudinger/Rauscher, § 1686a Rn. 4. 97  Vgl. NK-BGB/Peschel-Gutzeit, § 1686a Rn. 13. 98  Helms, Abstammungsrecht und Kindeswohl in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 19 (33 f.); Schulze, Das deutsche Kindschafts- und Abstammungsrecht und die Rechtsprechung des EGMR, S. 228.



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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der Beteiligten könnten durch diese Einzelfallentscheidung am ehesten berücksichtigt werden.

3.  Abschaffung der pater-est-Regel Wittmann99 widmet seine Monographie der Frage, ob sich das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft durch die Abschaffung der pater-est-Regel angemessen lösen lässt. Er möchte § 1592 BGB auf nur ein Tatbestandsmerkmal reduzieren und damit – die Adoption ausgeklammert – ein Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft schon im Ansatz unmöglich machen. Dabei übersieht er allerdings einen wichtigen Punkt, in dem sich Rechtsprechung und Gesetzgebung einig sind: es lässt sich in dieser Härte nicht entscheiden, welcher Form von Elternschaft von Gesetzes wegen der Vorzug zu schenken ist. Die Abschaffung der pater-est-Regel könnte, ähnlich wie bei obligatorischen Vaterschaftstests direkt nach der Geburt, zu einer Entwertung von sozial übernommener Elternschaft führen. Genau diese Denkweise – die Bevorzugung einer Form von Elternschaft gegenüber einer anderen – wird wiederum gerade von denjenigen zu Recht kritisiert, die für bessere Rechte des leiblichen Vaters plädieren. Denn das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft ist nicht die Regel, sondern eine Ausnahme. Regelungen für den Normalfall sollten aber nicht tatsächlich nur Ausnahmefälle betreffen. Das heißt noch lange nicht, dass für den Ausnahmefall keine Regelung getroffen werden sollte: Das Recht erfüllt seine Aufgabe nur, wenn es auch den Anspruch hat, alle in der Praxis denkbaren Problemfälle einer Lösung zuzuführen. Die Abschaffung der pater-est-Regel würde zu einer unnötigen Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses führen. Der Vorteil einer solchen Lösung, nämlich die Rechtssicherheit in Form einer endgültigen Vaterzuordnung, kann deren Nachteile nicht ausgleichen. Problematisch an diesem Lösungsansatz ist darüber hinaus, dass bei Absenz des leiblichen Vaters dem sozialen Vater lediglich der Weg der Adoption offen steht, der wiederum mit relativ hohen Hürden verbunden ist. Es wird also hingenommen, dass einem Kind im Zweifel lieber kein (sorgender) Vater zugeordnet wird als der biologisch „falsche“. Diese Lösung wäre ein Paradigmenwechsel im Abstammungsrecht, weg vom Schutz der sozialen Elternschaft und hin zu einer sehr einseitig biologischen Ausrichtung.

99 

Wittmann, Genetische Realität anstelle der pater-est-Doktrin, 2012.

78

3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

4.  Evidente Schwäche der Lösungsansätze Solange das Ein-Vater-Prinzip Bestand hat und nicht in Frage gestellt wird, liegt die evidente Schwäche der Lösungsansätze, die dem leiblichen Vater ein Anfechtungsrecht auch bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater zusprechen möchten, auf der Hand: Der soziale und rechtliche Vater wird verdrängt. Die reelle Alternität zwischen den beiden Vaterfiguren lässt sich auf dieser Ebene nicht lösen; zumindest dann nicht, wenn man die sozial-familiäre Beziehung als ebenso schützenswert ansieht wie die biologische Abstammungswahrheit. Auch hier ließe sich dann die Frage nach der Berücksichtigung des Kindeswohls stellen. Denn immerhin stellt das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung eine generalisierende Kindeswohlprüfung bei der Zulassung von statusrechtlichen Änderungen dar, die durch die schrankenlose Öffnung des Anfechtungsrechtes des leiblichen Vaters missachtet würde. Ebenfalls nicht zielführend sind diejenigen Lösungsmodelle, die eine rechtliche Vaterstellung unter den Vorbehalt der genetischen Vaterschaft stellen. Auch hier wird sozialen Beziehungen des Kindes zu anderen Elternteilen als den leiblichen die rechtliche Legitimität in unnötiger Weise entzogen oder erst gar nicht hergestellt. Eine solche Schwächung der sozialen Familie hat weder die Verfassung noch der einfache Gesetzgeber im Blick.

5.  Einführung einer sekundären Vaterschaft Auch eine doppelte Vaterschaft wird in der Literatur zunehmend erwogen, um die Frage nach der Priorität von biologischer, rechtlicher und sozialer Vaterschaft aufzulösen.100 Für die nähere Ausgestaltung einer weiteren Vaterschaftsstellung kommen die jeweiligen Autoren zu unterschiedlichen Ergebnissen: Schröder101 will die pater-est-Regel des § 1592 BGB unangetastet lassen. Ihr soll allerdings ein § 1592a BGB[E] angefügt werden, der die Feststellung eines biologischen Vaters als sekundären Vater ermöglicht. Voraussetzung dafür soll zunächst sein, dass der (potentielle) leibliche Vater bei Stellung des Feststellungsantrages an Eides statt versichert, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Antragsberechtigt soll dabei nur der potentielle biologische Vater des Kindes sein.102 Weiter wird verlangt, dass der Antragsteller auch tatsächlich der leibliche Vater des Kindes ist und ernsthaftes Interesse an dem Kind hat.103 Auffällig an dieser Lösung ist auf den ersten Blick, dass die Dienlichkeit für das Kindeswohl (anders als bei § 1686a BGB, an dem sich die Voraussetzungen 100  Aust, Das Kuckuckskind und seine drei rechtlichen Eltern, 2015; Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, 2015. 101  Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, 2015. 102  Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 265. 103  Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 277.



C.  Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft

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im Übrigen orientieren) gerade keine Voraussetzung für die Zuordnung des leiblichen Vaters ist. Bezüglich der weiteren rechtlichen Folgen, die eine Feststellung der sekundären Vaterschaft nach sich zieht, bleibt Schröder eher vage. Neben der Eintragung der sekundären Vaterschaft ins Personenstandsregister104 soll dem sekundären Vater ein Umgangsrecht mit dem Kind zustehen.105 Leider wird nicht darauf eingegangen, welcher Art von Kindeswohlprüfung ein solches Umgangsrecht unterliegen soll; und auch nicht darauf, ob dem sekundären Vater eine Umgangspflicht mit dem Kind auferlegt werden soll, wie es § 1684 BGB vorsieht. Es bleibt offen, ob § 1686a BGB in seiner jetzigen Fassung auf den sekundären Vater Anwendung finden kann, denn dieser verlangt einen „nicht rechtlichen“ Vater. Ist der als sekundärer Vater festgestellte und ins Personenstandsregister eingetragene Vater tatsächlich noch ein „nicht rechtlicher“? Die konkrete materiell-rechtliche Einordnung der sekundären Vaterschaft in die vom Gesetz sehr deutlich vorgenommene Differenzierung zwischen dem rechtlichen und dem nicht rechtlichen Vater bleibt die Verfasserin schuldig. Zwar wird sehr deutlich herausgestellt, dass der sekundäre Vater nicht rechtlicher Vater des Kindes werde.106 Auf der anderen Seite wird aber auch die grundsätzliche Möglichkeit zur gemeinsamen Sorgebegründung und -tragung nach den Vorgaben des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB bejaht. Diese Vorschrift verlangt allerdings dem Wortlaut nach die rechtliche Elternschaft derjenigen, die die gemeinsame Sorge durch Sorgeerklärungen begründen möchten.107 So liegt die Annahme nahe, dass die sekundäre Vaterschaft zumindest als eine Form der rechtlichen Vaterschaft zu qualifizieren ist. Anderenfalls wäre eine weitere Modifikation der sorgerechtlichen Regelungen notwendig, die dieser Reformvorschlag aber nicht unterbreitet. Die Einführung einer sekundären Vaterschaft nach dem Lösungsansatz von Schröder brächte mehrere Nachteile mit sich, die die Vorteile dieser Konstruktion nicht aufwiegen könnten. Schwierig bleibt die rechtliche Qualifizierung einer solchen sekundären Vaterschaft: Zwar geht die Verfasserin davon aus, dass der sekundären Vaterschaft nicht der Gehalt einer rechtlichen Vaterschaft beigemessen wird.108 Das Gesetz kennt aber bislang nur das Alles-oderNichts-Prinzip – man ist rechtlicher Elternteil oder eben nicht. § 1686a BGB hat das Tor für einen zweiten rechtlichen Vater bereits ein Stück weit geöffnet und ist hierfür nachhaltig kritisiert worden. Eine teilweise rechtliche Elternschaft hätte zur Folge, dass eine komplett neuartige Statusbeziehung des leib104 

Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 272. Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 263. 106  Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 255. 107  Spricht das Gesetz von „Eltern“ sind damit grundsätzlich die rechtlichen Eltern gemeint. Speziell für die Anwendung von § 1626a BGB statt aller: BeckOK-BGB/Veit, § 1626a Rn. 5; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1626a Rn. 2; NK-BGB/Rakete-Dombek, § 1626a Rn. 6. 108  Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 255. 105 

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

lichen, sekundären Vaters in das Recht eingeführt würde, bei der genauer zu untersuchen wäre, welche elterntypischen Rechts- und Pflichtenpositionen zugeordnet werden sollen. Rechtspolitisch wäre eine solche Einführung sicherlich denkbar, auch rechtlich wäre sie möglich. Dennoch müssten Gründe dargetan werden, warum es einer solchen mehrschichtigen, zwischen den Elternteilen differierenden Rechtsbeziehung des Kindes zu seinen verschiedenen Elternteilen bedarf. Schröder sieht die Notwendigkeit eines abgestuften Systems darin begründet, dass eine zweite, vollwertige rechtliche Vaterschaft nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar sei.109 Andere stichhaltige Gründe sind aber nicht ersichtlich, wenn man zutreffend davon ausgeht, dass eine zweite volle rechtliche Vaterschaft im Drei-Personen-Verhältnis vom verfassungsrechtlichen Rahmen gedeckt wäre.110 Zudem würde bei der Feststellung des leiblichen Vaters als sekundärer Vater das Kindeswohl im Einzelfall keine Berücksichtigung finden. Zwar müsste der Vaterschaftsprätendent ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt haben, was sich wohl als generalisierende Kindeswohlbetrachtung deuten lässt.111 Hier lässt sich aber auf die rege Diskussion112 nach Einführung des § 1686a BGB verweisen, ob ein neuer unbestimmter Rechtsbegriff ohne Rechtsprechungspraxis tatsächlich Eingang in das Kindschaftsrecht finden sollte. Insgesamt wirkt der Vorschlag einer sekundären Vaterschaft in der vorgestellten Ausgestaltung primär inspiriert von der Stärkung der Rechte des leiblichen Vaters gegenüber dem rechtlichen Sozialvater. Nach der Rechtsprechung des EGMR und der Einführung von § 1686a BGB mit seinem einschlägigen Titel erscheint dies auch sehr plausibel. Dennoch distanziert sich die vorliegende Arbeit von der Idee, möglichst viele unterschiedliche Elternrechte unter einem Dach zu vereinen. Die Schwächung der sozial-familiären Beziehung als generalisierte Kindeswohlentscheidung darf letzten Endes – wenn überhaupt – nur mit einer Berücksichtigung des Kindeswohles im Einzelfall einhergehen. Auch Aust plädiert für die Öffnung des Abstammungsrechtes dahingehend, einem Kind zwei Väter zuzuordnen.113 Wie eine solche zweite Vaterschaft rechtstechnisch näher ausgestaltet werden sollte, legt die Autorin indes nicht dar. Zwar werden im Verlauf der Darstellung die Folgen einer statusrechtlichen Zuordnung eines weiteren Vaters durchdekliniert und ein Bezug zu Vorschriften hergestellt, die de lege lata die Stellung als vollwertig rechtlicher Elternteil be109 

Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft?, S. 254. Siehe oben Kap. 2. B. 111  Diese Ansicht ist insofern problematisch, als der leibliche Vater durchaus sehr bemüht sein kann, und dennoch das konkrete Kind mit der Situation zweier Väter und einer Mutter so sehr überfordert ist, dass die Zuordnung des leiblichen Vaters dennoch nicht dem Kindeswohl dient. 112 NK-BGB/Peschel-Gutzeit, §  1686a Rn. 14; Staudinger/Rauscher, §  1686a Rn. 15; BeckOK-BGB/Veit § 1686a Rn. 8 f. 113  Aust, Das Kuckuckskind und seine drei rechtlichen Eltern, S. 279 ff. 110 



D. Zwischenergebnis

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treffen. Explizit dargestellt werden die abstammungsrechtlichen Konsequenzen, die sich durch zwei Väter für das Kind ergeben, allerdings nicht.

III.  Die deutsche Regelung zur Vaterschaftsanfechtung im Spiegel der Rechtsprechung des EGMR In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der EGMR die deutsche Rechtslage bestätigt: Er hat es als konventionskonform erachtet, dass nach deutschem Recht ein Dritter, auch wenn er leiblicher Vater ist, bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nicht anfechten und ihn damit aus seiner Position verdrängen kann. Der Gedanke hinter dieser Entscheidung war, dass ein Kind nicht wegen genetischer Differenz seiner Abstammung seines sozialen Umfeldes beraubt werden soll.114 Auch der EGMR deckt hier eine Schwäche des deutschen Abstammungsrechtes auf, wenn die leibliche von der sozial rechtlichen Vaterschaft abweicht: Es muss eine Entscheidung getroffen werden. Die Zulassung einer weiteren vollrechtlichen Vaterschaft würde diese Schwäche beheben und sich nahtlos in die Argumentationsstruktur des EGMR einfügen.

D.  Zwischenergebnis: Widersprechen die Grundprinzipien des Abstammungsrechts einer Zuordnung des Kindes zu zwei Vätern? Das Abstammungsrecht kennt zwei wichtige Anknüpfungspunkte, die genetischen und die sozialen Wirklichkeit; es privilegiert keine von beiden. Dies ist zu begrüßen, denn Extrempositionen tun einer sensiblen Statusfrage selten gut.115 Ein obligatorischer Gentest vor der Zuordnung eines Vaters zu einem Kind würde wohl viele Kinder ohne Vater aufwachsen lassen. Aber auch eine erforderliche sozial-familiären Beziehung, um ein Eltern-Kind-Verhältnis zu begründen, würde tausende Trennungskinder, Scheidungskinder oder Kinder, die aus einer losen Verbindung hervorgehen, vaterlos stellen. Grundsätzlich verfolgen die Abstammungskriterien einen respektablen Zweck. Allerdings ist nicht einsichtig, warum die Zahl der möglichen Vaterschaften auf eine begrenzt ist.116 Ziel eines modernen und kindeswohlorientierten Abstammungsrechtes 114  EGMR, Urteil vom 22. 03. 2012 – 45071/09 (Ahrens./.Deutschland), BeckRS 2012, 09754, Rn. 67; hierzu ausführlich Wellenhofer, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Vaterschaftsanfechtungsrecht des leiblichen Vaters, FamRZ 2012, 828. 115  Heiderhoff, Die Vaterschaftsklärung und ihre Folgen – von der Vaterschaftsanfechtung zur Vaterschaftsbeendigung?, FamRZ 2010, 8 (11). 116 Abgesehen von (Einzel-)Fällen der Sukzessivadoption eines Kindes durch homosexuelle Männer. Hier kann es durchaus dazu kommen, dass ein Kind zwei rechtliche Väter, dafür aber keine rechtliche Mutter hat.

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3. Kapitel – Einfachrechtliche Positionen de lege lata

sollte ein sensibler Ausgleich zwischen der genetischen Wahrheit und dem kindlichen Bedürfnis nach der rechtlichen Zuordnung zu seinen Bezugspersonen sein. Wenn man schon diesen schmalen Grat, auf dem das Abstammungsrecht wandelt, wahrnimmt, wäre es nur konsequent zuzugeben, dass es nicht die eine Lösung für das natürliche Spannungsfeld von rechtlicher, leiblicher und sozialer Vaterschaft gibt. Der nächste Schritt wäre dann, ein Konzept zu entwickeln, das weder die genetische Wahrheit noch die soziale Realität privilegiert. Dieser Weg führt denklogisch dazu, eine Mehrelternschaft zuzulassen. Stets ist dabei im Hinterkopf zu behalten, dass eine Mehrelternschaft nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen wird.

E.  Einfluss des § 1686a BGB auf das Abstammungsrecht Fraglich ist, inwieweit § 1686a BGB auch einen Einfluss auf das Abstammungsrecht hat. Eine Statusänderung kann durch § 1686a BGB nicht erreicht werden. Allerdings hat § 1686a BGB zum ersten Mal eine inzidente Abstammungsfeststellung ohne statusrechtliche Folgen ermöglicht. So stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis § 1686a BGB und die ebenfalls statusunabhängige Abstammungsklärung gemäß § 1598a BGB stehen. Das Abstammungsklärungsverfahren nach § 1598a BGB sieht lediglich drei berechtigte Personen vor: das Kind, die rechtliche Mutter und den rechtlichen Vater. Bewusst wurde der potentielle leibliche Vater des Kindes außen vor gelassen. Er sollte mit seinem Wunsch nach Aufklärung keine „Zweifel in eine funktionierende soziale Familie hineintragen“117. Verwiesen wird der lediglich leibliche Vater auf das Vaterschaftsanfechtungsverfahren, das freilich gesperrt ist, wenn Kind und rechtlicher Vater in einer sozial-familiären Beziehung leben. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 1686a BGB sein selbst gestecktes Ziel unterlaufen. Denn auch das weniger eingriffsintensive und daher nur bei Kindeswohlwidrigkeit ausscheidende Auskunftsrecht i. S. d. § 1686a Abs. 1 Nr. 2 BGB steht unter dem Vorbehalt, dass der Anspruchsteller leiblicher Vater des Kindes ist. Hier hilft ihm das inzident erteilte Recht auf Feststellung weiter. Die Hürde für den Auskunftsanspruch ist recht gering, er darf nur dem Kindeswohl nicht widersprechen. Es lässt sich nur sehr schwer eine Fallkonstellation denken, die dieses Kriterium erfüllt. Zwar muss der Antragsteller zusätzlich ein ernsthaftes Interesse an dem Kind nachweisen. Dies sollte ihm allerdings in der Regel gelingen; zumindest liegt dieses Erfordernis allein in den Händen des Antragstellers. Somit wird der Ausschluss des nur leiblichen Vaters aus dem Kreis der Klärungsberechtigten in § 1598a BGB durch das Inzidentfest117 

BT-Drucks. 16/8219, S. 12.



E.  Einfluss des § 1686a BGB auf das Abstammungsrecht

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stellungsverfahren aus § 1686a BGB de facto unterlaufen.118 Noch weiter an Dramatik gewinnt dieser Bruch, wenn man auf das Kind blickt. Denn auch in abstammungsrechtlicher Sicht ist § 1686a BGB einseitig ausgestaltet: Das Kind kann auch nicht durch die Hintertür des § 1686a BGB die leibliche Vaterschaft eines anderen Mannes feststellen lassen. Ein Zustand, der nicht zu einem Kindschaftsrecht passt, das das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen möchte.

118 

Vgl. auch Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, S. 274 ff.

4. Kapitel

Regelungsvorschlag Im folgenden Kapitel wird ein Regelungsvorschlag unterbreitet, der zum einen die Mängel der oben aufgeführten Lösungsansätze zu vermeiden sucht und zum anderen auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben konsequent aufgreift. Darüber hinaus soll den Skeptikern einer Drei-Eltern-Konstellation aufgezeigt werden, dass mehrere rechtliche Väter nicht zu unlösbaren Problemen führen, sondern die bereits gesetzlich etablierten Konfliktlösungsmechanismen auch im Drei-Personen-Verhältnis angewendet werden können.

A.  Grundsätzliche Möglichkeit eines kindeswohlabhängigen Abstammungsrechtselementes Wie oben dargelegt spielt das Kindeswohl – zumindest das im Einzelfall zu bestimmende Kindeswohl – im Abstammungsrecht keine Rolle. Es stellt sich also die Frage, ob es grundsätzlichen Strukturprinzipien des Abstammungsrechtes zuwiderliefe1, eine Mehrelternschaft – begründet durch das Kindeswohl – in das Gesetz zu integrieren. Oder, ob es nicht sogar geboten wäre, im Einzelfall eine Abstammung zuzulassen, die allein auf dem Kindeswohl beruht. Die Geschichte des Verwandtschaftsrechts zeigt, dass der Gesetzgeber bei statusbegründenden Faktoren durchaus seine Gesinnung ändern kann: Bis zur Einführung des Nichtehelichengesetzes galt der außereheliche, leibliche Vater gemäß § 1589 Abs. 2 BGB a. F. als nicht mit dem Kind verwandt. Heute wird darüber gestritten, ob unverheiratete Eltern von Gesetzes wegen von Geburt an gemeinsam Sorge für das Kind tragen sollen.2 1 Vgl.

in Bezug auf ein generell kindeswohlbasiertes Abstammungsrecht: Heiderhoff, Anmerkung zu BGH, Urt. vom 15. 5. 2013 – XII ZR 49/11, FamRZ 2013, 1212 (1213); aufgeschlossen zeigt sich auch Helms, Anmerkung zu BVerfG, Beschl. vom 4. 12. 2013 – 1 BvR 1154/10 FamRZ 2014, 277. 2 Vgl. Lambrecht/Bosse, Plädoyer für eine gemeinsame elterliche Sorge, ZRP 2013, 9; Heilmann, Die Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern – Das Ende eines Irrwegs?, NJW 2013, 1473; Mandla, Wenn man den Gleichheitsgrundsatz und ein natürliches Recht ignoriert, ZRP 2012, 247; Keuter, Vereinfachtes Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge – ein Fremdkörper in Kindschaftssachen, FamRZ 2012, 825;



A.  Möglichkeit eines kindeswohlabhängigen Abstammungsrechtselementes

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Das Kindschaftsrecht bedient sich sehr häufig einer konkreten Kindeswohlprüfung. Die Idee einer Einzelfallprüfung ist also grundsätzlich nichts Neues. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass nur untergeordnete Rechtspositionen unter einem Kindeswohlvorbehalt stehen. Ganz im Gegenteil, es ist das Unterhaltsrecht, das als einziges nicht zum Wohle des Kindes beschränkt oder erweitert werden kann. Elementare Bestandteile des rechtlichen ElternKind-Verhältnisses werden durch eine konkrete Kindeswohlentscheidung entweder begründet (Umgangsrechte, Sorgerechte, § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB), modifiziert (z. B. § 1696 BGB) oder auch gänzlich entzogen (z. B. Sorgerecht nach § 1666 BGB). Es erscheint nicht ganz stimmig, ausgerechnet beim Zugang zu all diesen Rechten eine objektivierte Kindeswohlentscheidung in den Mittelpunkt der Entscheidung zu rücken, wie es bei der Maßgabe einer sozialfamiliären Beziehung in § 1600 Abs. 2 BGB der Fall ist, die die Anfechtung durch den leiblichen Vater ausschließt. All die gesetzlich bestehenden Kindeswohlabhängigkeiten rechtfertigen also durchaus die Frage, warum gerade beim Zugang zur Rechtsstellung der Aufwand einer konkreten Kindeswohlprüfung in begrenzten Ausnahmefällen gescheut wird und Möglichkeiten nicht genutzt werden, die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu fördern. Die Möglichkeit, auch kindeswohlabhängige Elemente in das (allgemeine) Abstammungsrecht – in Abgrenzung zur Adoption – zu integrieren, bedeutet aber noch lange nicht, das gesamte Abstammungsrecht einem Kindeswohlvorbehalt zu unterstellen. Es soll eben keine vorgeschaltete Prüfung der Erziehungsfähigkeit (die ohnehin wohl verfassungsrechtlich unzulässig wäre) bei jeder statusrechtlichen Begründung der Elternschaft stattfinden. Vielmehr muss sich der Gesetzgeber darüber Gedanken machen, wie er mit der tatsächlichen, gesellschaftlich immer mehr akzeptierten Begebenheit umgeht, das genetische und soziale Realität auseinanderfallen. Die rechtliche Entwicklung im Bereich der Persönlichkeitsfindung ist so weit vorangeschritten, dass Kinder vor den tatsächlichen Lebensumständen, in die sie hineingeboren werden, nicht mehr per se durch den (rechtlichen) Ausschluss von Bezugspersonen (sei es soziale oder genetische) geschützt werden können. Dafür sorgen auch die Obergerichte,3 die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu einem absoluten Recht aufwerten und damit das Recht auf Nichtkenntnis (und die damit vielleicht auch einhergehende seelische Integrität des Kindes) völlig außen vor lassen. Dies soll freilich keinen Rückschritt im allgemeinen Kindesschutz bedeuten. Aber die Prämisse, dass entweder der genetischen oder der sozialen Vaterschaft der Vorrang gebührt, ist nicht länger haltbar.

diese Diskussion wurde und wird darüber hinaus unter ausdrücklicher Billigung einer solchen Lösung vom BVerfG (FPR 2010, 465 [469]) geführt. 3  BGH, BeckRS 2015, 01802.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

I.  Generelles Kindeswohlprinzip des Kindschaftsrechts Bereits von Verfassungs wegen bestimmt das Kindeswohl das gesamte Kindschaftsrecht. Um dies auch einfachrechtlich zu verdeutlichen, wurde § 1697a BGB ins Gesetz aufgenommen. Diese Norm sieht als Auffangtatbestand für alles gerichtliche Handeln die Bindung an das Kindeswohl im Einzelfall vor. Auch wenn das Abstammungsrecht streng genommen nicht zum Kindschaftsrecht gehört, ermöglicht es doch erst den Zugang zu den elterlichen Rechten und Pflichten. Daher liegt der Gedanke nicht fern, auch das Abstammungsrecht in gewissen Maßen am Kindeswohl zu orientieren. Dies soll freilich nicht für das gesamte Abstammungsrecht gelten, es wird keine „Bestenauslese“ betrieben, welcher Elternteil oder welches Elternpaar nun dem Kindeswohl am zuträglichsten erscheint. Vielmehr lassen sich die Kindeswohlerwägungen im Abstammungsrecht beschränken auf die Konstellationen, die vom gesetzlichen Regelfall abweichen. Hierzu könnte auch das Kind gehören, das sich mit dem Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Vaterschaft auseinandersetzen muss. Diesen Überlegungen wird allerdings für gewöhnlich entgegengehalten, das Kind selbst verliere durch die rechtliche Anerkennung eines Zweitvaters zwischen den verschiedenen Väterrechten an Beachtung. Doch auch ohne einen offiziellen Zweitvater birgt die liberale Rechtsordnung bereits jetzt die Gefahr, das Kindeswohl unter einem Berg verschiedener Elternrechte (denen nicht immer Elternpflichten korrespondieren) aus den Augen zu verlieren, insbesondere durch die Einführung des § 1686a BGB. Daher ist es zunehmend wichtig, neben den Elternrechten das Recht des Kindes auf eine individuelle, einzelfallbezogene Entscheidung in den Vordergrund zu rücken.

II.  Statusbegründende Kindeswohlerwägungen in der Rechtsprechung: insbesondere Anerkennung ausländischer Entscheidungen Die Begründung eines Statusverhältnisses zwischen Eltern und Kind kann nicht nur durch die Instrumentarien des nationalen Rechts erreicht werden, sondern auch durch die gerichtliche Anerkennung ausländischer Statusentscheidungen. Wird eine ausländische Entscheidung anerkannt, zieht diese nach nationalem Recht dieselben Folgen nach sich wie eine inländische. Relevant werden derartige Anerkennungen insbesondere in Fällen des Fortpflanzungstourismus. Die Leihmutterschaft ist in Deutschland in jeglicher Form verboten, § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 6, 7, Abs. 2 ESchG. Weil die Leihmutterschaft aber in einigen ausländischen Staaten erlaubt ist, versuchen deutsche Paare mit Kinderwunsch diesen im Ausland mithilfe einer Leih- oder Ersatzmutter zu befriedigen und kommen mit ihren dort geborenen Kindern zurück nach Deutschland. Auf diesem Weg entstehen aber zahlreiche Probleme, zunächst bereits im Personenstandsrecht.



A.  Möglichkeit eines kindeswohlabhängigen Abstammungsrechtselementes

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Sollte es die Familie mit dem von der Leihmutter geborenen Kind nach Deutschland geschafft haben, stellt sich die Frage nach dem Status des Kindes. Nach geltendem deutschem Recht ist gemäß § 1591 BGB unverrückbar die gebärende Leihmutter auch rechtliche Mutter des Kindes, unabhängig von der genetischen Herkunft. Meist werden aber in den Herkunftsländern der Leihmutter bereits die deutschen Wunscheltern als gemeinsame rechtliche Eltern in das Geburtsregister eingetragen. Für deutsche Behörden ist es so unmöglich, die Leihmutter zu ermitteln. Ein Weg, die im Ausland wirksame Entscheidung über den Status des Kindes auch nach deutschem Recht geltend zu machen, ist der über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen gemäß § 108 FamFG. Eine solche Anerkennung ist aber nur möglich, wenn ihr keine Anerkennungshindernisse im Sinne von § 109 FamFG entgegenstehen. Hier stellt sich insbesondere die Frage nach der ordre public-Widrigkeit (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) einer solchen Anerkennung. Genau darüber hatte der BGH zuletzt zu entscheiden:4 Die Entscheidung einer kalifornischen Behörde für Abstammungssachen, die die beiden Bestelleltern (von denen einer eine leibliche Verbindung zum Kind hatte) als rechtliche Eltern auswies, sollte nach deutschem Recht anerkannt werden. Der BGH hat sich gegen das Anerkennungshindernis der ordre publicWidrigkeit entschieden, obwohl hierdurch dem Leihmutterschaftstourismus und der Umgehung der nationalen Vorgaben Tür und Tor geöffnet wurde.5 Der BGH hat sich nicht darauf beschränkt, den einen mit dem Kind leiblich verwandten Elternteil als einzigen Elternteil anzuerkennen, sondern die gesamte Entscheidung der kalifornischen Behörde anerkannt. Auch wenn der BGH keine konkrete Kindeswohlprüfung anstrebt – weil er dies auf Grundlage von § 108 FamFG auch gar nicht darf – entsteht der Eindruck, dass diese Entscheidung sehr stark von Kindeswohlerwägungen geleitet ist. Ohne Not angesprochen hat der BGH auch das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.6 Entscheidungserheblich für die Verneinung der ordre public-Widrigkeit war für den BGH, dass die in der kalifornischen Entscheidung festgelegten Wunscheltern ein Leben lang Verantwortung für das Kind tragen werden. Stringent zieht sich die Rechtsstellung des Kindes durch die gesamte Argumentation des BGH.7 Das deutsche Verbot der Leihmutterschaft dürfe nicht auf dem Rücken der durch diese Methode geborenen Kinder aus4 BGH, NJW 2015, 475 (m. Anm. Heiderhoff); der Entscheidung folgend auch OLG Düsseldorf, BeckRS 2015, 11991. 5  So auch Helms, Anmerkung zu BGH, Beschl. vom 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, FamRZ 2015, 245. 6  Siehe oben Kap. 2. A. I. 3. 7  Dementsprechend positiv wurde das Urteil auch in der Literatur aufgenommen: Helms, Anmerkung zu BGH, Beschl. vom 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, FamRZ 2015, 245; Heiderhoff, Anmerkung zu BGH, Beschl. vom 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, NJW 2015, 485; Schall, Anmerkung zu BGH, Beschl. vom 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, DNotZ 2015, 306.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

getragen werden.8 Die Bestelleltern müssten in die Verantwortung genommen werden und sollten sich dieser nicht durch die fehlende Anerkennung der deutschen Gerichte wieder entziehen können. Eines hat die Entscheidung des BGH aber unabhängig davon aufgedeckt: Die Unsicherheit bezüglich der Gewichtung und Bedeutung der verschiedenen Formen von Elternschaft, die das Leben hervorbringt. Ist es nun die genetische Elternschaft, die das Kindeswohl am besten fördert? Oder ist es die soziale Elternstellung, die dem Kind die besten Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes, glückliches Leben schafft? Offenbar gibt es keine pauschale Antwort. Eines lässt sich – obwohl es sich stets um verallgemeinerungsfähige Grundsatzentscheidungen handeln sollte9 – nicht von der Hand weisen: Das Gericht hat sich bei diesem sensiblen Thema stets von dem zu entscheidenden Einzelfall leiten lassen. Im Fall der Leihmutterschaft hätte es für das Kind keine bessere Alternative gegeben, als die rechtliche Elternschaft der Bestelleltern anzuerkennen. Denn nach kalifornischem Heimatrecht ist nicht die gebärende Frau die rechtliche Mutter des Kindes, sondern rechtliche Eltern sind die Bestelleltern. Das Kind stünde bei Nichtanerkennung der gesamten Entscheidung also – je nach Situation – zumindest ohne zweiten rechtlichen Elternteil, wenn nicht gar elternlos da. An dieser Stelle sollt man sich kurz an die EGMR-Entscheidungen erinnern, die zur Schaffung von § 1686a BGB geführt haben. Denn auch in diesen beiden Entscheidungen lag jeweils ein Fall zugrunde, in dem ein verantwortungsbewusster Mann sich um das Kind bemüht, das genetisch von ihm abstammt. Auch hier fragt man sich zunächst: Was wäre die Alternative für dieses Kind gewesen? Es lebt zwar in einem sozial stabilen Umfeld, muss sich aber mit der abweichenden genetischen Herkunft früher oder später auseinandersetzen.10 Dies fällt ihm vielleicht leichter, wenn es einen genetischen Vater an seiner Seite hat, mit dem es sich gemeinsam mit dieser Situation auseinandersetzen kann, an der dieser ja auch maßgeblich beteiligt war. In Einzelfällen kann das Wohl des Kindes durchaus zu Ergebnissen führen, die sich in der konkreten Situation für das Kind als weitgehend alternativlos darstellen. Das Recht zeichnet die sozialen Lebensbedingungen des Kindes nach und bietet ihm einen stabilen rechtlichen Rahmen. 8  So auch Schall, Anmerkung zu BGH, Beschl. vom 10. 12. 2014 – XII ZB 463/13, DNotZ 2015, 306 (309). 9  Zwei davon sogar so verallgemeinerungsfähig, dass der Gesetzgeber die Wertungen der Entscheidungen offenbar kritiklos Gesetz hat werden lassen (vgl. § 1686a BGB). 10  Insbesondere im Fall Anayo./.Deutschland tritt deutlich zu Tage, dass sich die genetische Abstammung nicht stets verheimlichen lässt. Herr Anayo ist als Nigerianer dunkelhäutig, die rechtlichen Eltern der Zwillinge haben beide helle Hauttypen, den Kindern sieht man den afrikanischen Einschlag an. Früher oder später werden sie die Frage nach ihrer (genetischen) Herkunft entweder selbst stellen oder von außerhalb so lange gestellt bekommen, bis sie die abweichende Vaterschaft des Dritten verinnerlicht haben.



A.  Möglichkeit eines kindeswohlabhängigen Abstammungsrechtselementes

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III.  Kindeswohlerwägungen im Vaterschaftsanfechtungsrecht, § 1600a IV BGB Das Kindeswohl (ausgestaltet als Vertretenenwohl) findet seinen Niederschlag auch im Anfechtungsrecht. § 1600a IV BGB setzt fest, dass eine Anfechtung der Vaterschaft durch einen Vertreter – beispielsweise bei einem minderjährigen Kind durch die gesetzliche Vertretungsmacht des sorgeberechtigten Elternteiles – nicht zulässig ist, wenn die Anfechtung dem Wohl des Vertretenen zuwiderläuft. Das Unterlassen einer Anfechtung ändert zwar nichts am rechtlichen Status. Aber der Status ändert sich eben auch nicht zugunsten des leiblichen Vaters, solange dies nicht dem Wohl des Vertretenen entspricht. Selbst wenn diese Regelung gerade in Bezug auf das Kindeswohl eher deklaratorischen Charakter hat, weil die gesetzlichen Vertreter ohnehin treuhänderisch an das Wohl des Kindes gebunden sind, so zeigt sie doch, dass der Gesetzgeber bereit ist, das Bestehen von Statusverhältnissen am Wohl des Betroffenen zu orientieren.

IV.  Statusbegründung nach Kindeswohlprüfung im Adoptionsrecht Gänzlich fremd ist auch dem geltenden deutschen Recht nicht, dass die Kindeswohldienlichkeit einen Status begründet. Dies belegt ein Blick ins Adoptionsrecht: § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB erlaubt die rechtliche Zuordnung eines Kindes an potentielle Adoptiveltern nur bei Kindeswohldienlichkeit. Die rechtliche Qualität der Adoptivelternschaft bleibt hierbei nicht hinter der einer Elternschaft nach den §§ 1591 ff. BGB zurück. Somit können diese beiden Formen der Statusbegründung auch ohne die technische Verortung im Abstammungsrecht durchaus miteinander verglichen werden.

V.  Bereits gesetzlich verankerte plurale Elternform: die Volljährigenadoption, §§ 1767 ff. BGB Auch das deutsche Recht kennt eine plurale Elternschaft. Die schwach ausgestaltete Volljährigenadoption sieht genau diese Form von Verwandtschaft vor. Denn gemäß §§ 1767 Abs. 2, 1770 Abs. 2 BGB erlöschen bei der Volljährigenadoption im Gegensatz zur stark ausgestalteten Minderjährigenadoption die bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse des Anzunehmenden nicht. Rechtlich hat ein volljährig Adoptierter also bis zu vier vollwertige Elternteile. Die rechtlichen Beziehungen zu diesen unterscheiden sich beispielsweise beim Unterhalt oder im Erbrecht11 nicht voneinander. Zwar können bei der Adoption eines Volljährigen nicht so viele Folgeprobleme auftreten wie bei Minderjährigen, 11 Zumindest nach der überzeugenden Ansicht nicht, vgl. Staudinger/Werner, § 1925 Rn. 9.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

schon allein aufgrund des elterlichen Sorgeverhältnisses. Dennoch handelt es sich um ein vollwertiges Statusverhältnis zwischen Eltern und Kind.

VI.  Wirkungen der schwachen Adoption auch bei der Minderjährigenadoption in Stiefkindfällen Die Stiefkindadoption ist nahezu die häufigste Form der Minderjährigenadoption. Gleichzeitig ist sie aber auch diejenige, die am häufigsten in der Kritik steht.12 Der Wille, sein Stiefkind zu adoptieren, entspringt meist dem nachvollziehbaren Wunsch, aus der gelebten auch eine rechtlich fundierte Familie mit vollwertiger rechtlicher Elternstellung auch des Stiefelternteiles werden zu lassen. Das kleine Sorgerecht gemäß § 1687b BGB reicht den Familien oftmals nicht aus. Zwingend geht aber mit der Adoption eines Minderjährigen einher, dass die rechtlichen Verwandtschaftsbande zu dem leiblichen Elternteil, der seine Einwilligung in die Adoptionspläne der Stieffamilie erteilen muss, unwiderruflich gekappt werden (§ 1755 BGB). Sollte der Vater derjenige sein, der in die Adoption durch den neuen Ehegatten der Mutter des Kindes einwilligt, so steht ihm nach erfolgter Adoption auch nicht ein Umgangs- und/oder Auskunftsrecht gemäß § 1686a BGB zu.13 Das Scheitern der stiefelterlichen Ehe stellt auch keinen Aufhebungsgrund der Adoption im Sinne von § 1763 BGB dar, sodass das Annahmeverhältnis regelmäßig die Ehe der Stiefeltern überdauert.14 Nach aktuellem Recht kann eine vollrechtliche gemeinsame Elternschaft der Stieffamilie also nur auf Kosten der rechtlichen Beziehung zum weichenden Elternteil erfolgen. In der Literatur wird vermehrt vorgeschlagen, die Stiefelternteile mit einem umfassenderen Repertoire an Elternrechten und -pflichten auszustatten und/oder die rechtliche Elternstellung des leiblichen Elternteiles beizubehalten.15 Auch das Bundesverfassungsgericht hat 1995 festgestellt, dass „eine Stiefkindadoption ohne völliges Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses zum leiblichen Elternteil erwogen werden [könnte]“16. Allerdings wird für Fälle der Stiefkindadoption auch angedacht, eine dritte Säule der rechtlichen

12 Staudinger/Frank,

§ 1741 Rn. 42; NK-BGB/Dahm, Vor §§ 1741–1772 Rn. 11; Muscheler, Das Recht der Stieffamilie, FamRZ 2004, 913 (915). 13  BT-Drucks. 17/12163, S. 12. 14  Kroppenberg, Unvereinbarkeit des Verbots der sukzessiven Stiefkindadoption durch eingetragene Lebenspartner mit dem Grundgesetz, NJW 2013, 2161 (2163). 15  Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, S. 299; Enders, Stiefkindadoption, FPR 2004, 60; Muscheler, Das Recht der Stieffamilie, FamRZ 2004, 913 (919); Oberloskamp, Stiefeleltern und Verwandtenadoptionen aus rechtlicher Sicht, in: Paulitz (Hrsg.), Adoption, Positionen – Impulse – Perspektiven, 116, die eine Art schwacher Form der Stiefkindadoption erwägt. 16  BVerfG, NJW 1995, 2155 (2157).



A.  Möglichkeit eines kindeswohlabhängigen Abstammungsrechtselementes

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Elternschaft zu etablieren.17 Mit der rechtlichen Stellung als Elternteil ist nicht zwangsläufig eine dreigeteilte elterliche Sorge verbunden. Die Stieffamilie hätte ihr Ziel – die Verrechtlichung ihrer gelebten Verhältnisse – erreicht und die sozialen und verwandtschaftlichen Bande zum leiblichen Elternteil könnten dem Kind erhalten bleiben. Gewichtige Unterschiede in der täglichen Lebensführung würden sich für das Kind dabei nicht ergeben. Die sozialen Kontakte zum nicht mehr in der familiären Gemeinschaft lebenden Elternteil könnte das Kind durch sein Umgangsrecht gemäß § 1684 BGB pflegen. So könnten also rechtliche, soziale und leibliche Elternschaft miteinander verknüpft werden. Sollte die Ehe der Stieffamilie scheitern und sich der annehmende Elternteil von dem Kind abwenden, so bliebe die rechtliche Beziehung zum leiblichen Elternteil erhalten. Darüber hinaus könnten auch sonstige, dem Elternstatus inhärente Rechte und Pflichten des leiblichen Vaters an die Gegebenheiten angepasst werden.18

VII. Zusammenfassung Ein teilweise kindeswohlbasiertes Abstammungsrecht würde nicht gegen grundlegende Prinzipien des geltenden Rechts verstoßen. Vielmehr sehen auch das geltende Abstammungsrecht sowie andere Statuszuordnungen wie die Adoption (§ 1741 BGB) Kindeswohlerwägungen vor. Zwar agiert das Abstammungsrecht bereits de lege lata mit generalisierenden Kindeswohlerwägungen, insbesondere durch die Aufwertung der sozial-familiären Beziehung, dennoch sollte bei Reformanstrengungen stets das konkrete Kindeswohl im Einzelfall die oberste Richtschnur sein.19 Besonders nahe liegt für alle rechtspolitischen Erwägungen der Vergleich zum Adoptionsrecht, dem das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft immanent ist. Hier war der Gesetzgeber bereits gefordert, Eltern- und vor allem Kindesrechte in Ausgleich zu bringen. Ein Blick auf die Volljährigenadoption zeigt, dass das Gesetz bereits vertraut ist mit Formen pluraler Elternschaft. Die spezifischen Probleme, die sich durch die Minderjährigkeit des Kindes ergeben können, lassen sich bei der Zuordnung von zwei Vätern und einer Mutter de lege ferenda durch die gewohnten Konfliktlösungsmechanismen lösen, die das Kindschaftsrecht im Zwei-Eltern-Verhältnis bereithält.

17  Coester, Reformen im Kindschaftsrecht, in: DFGT (Hrsg.), Brühler Schriften zum Familienrecht, Band 18, 43 (58). 18  Coester, Reformen im Kindschaftsrecht, in: DFGT (Hrsg.), Brühler Schriften zum Familienrecht, Band 18, 43 (58). 19  So auch: Heiderhoff, Das Kind und sein rechtlicher Vater, in: Bork/Repgen (Hrsg.), Das Kind im Recht, 31 (38).

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

B. Abstammungsrecht de lege ferenda Im Folgenden wird ein Vorschlag für eine Gesetzesänderung unterbreitet, der Aspekte des Kindeswohls und sozial wie leiblich geprägte Elternrechte in einen angemessenen Ausgleich bringt. Diese Lösung führt zu einem ausgewogenen System und bedarf zudem nur einer wesentlichen Änderung im Abstammungsrecht. Der Ausgleich zwischen dem bereits in § 1686a BGB zum Ausdruck kommenden Bedürfnis des leiblichen Vaters an Umgang mit seinem Kind und Auskunft über dessen Lebensverhältnisse und dem Bedürfnis des Kindes nach rechtlicher Legitimation sowohl seiner sozialen Eltern als auch – bei Auseinanderfallen von sozialer und leiblicher Vaterschaft – des leiblichen Vaters lässt sich in letzter Konsequenz herstellen, indem man auch dem leiblichen Vater die rechtliche Elternstellung zuerkennt. Bei der Schaffung eines neuen Abstammungssystems wird besonderer Wert darauf gelegt, die Modifikation des geltenden Rechts auf ein Minimum zu reduzieren. Konkret soll die Vaterschaft eines zweiten Mannes neben dem rechtlichen Vater mit der vollen Wirkung der Rechtsstellung als Vater dann in Betracht gezogen werden, wenn dies im zu entscheidenden Fall konkret dem Kindeswohl dient. Dass dies funktioniert, ohne das kindschaftsrechtliche System in seinen Grundwertungen antasten zu müssen, sollen die folgenden Ausführungen zu den neuralgischen Punkten des Kindschaftsrechtes zeigen.

I.  Die Neuregelungen im Einzelnen Im folgenden Abschnitt werden die wenigen Neuerungen, die für ein konsistentes System zweier gleichwertiger rechtlicher Vaterschaften für ein Kind vonnöten sind, näher erläutert. Begonnen wird mit dem rechtlichen Zugang zur Vaterschaft des leiblichen Vaters. Im Anschluss daran wird sich den häufig beschriebenen Folgeproblemen einer doppelten Vaterschaft im Sorge- und Umgangsrecht zugewendet.

1. Terminologie Entwirft man ein System, das zwei gleichwertige Vaterschaftspositionen nebeneinander ermöglicht, stellt sich vorweg die Frage, ob und gegebenenfalls wie die beiden Vaterschaften terminologisch voneinander abgegrenzt werden sollen. Zwar unterscheiden sich die beiden Vaterschaften in ihrer rechtlichen Ausgestaltung grundsätzlich nicht; insbesondere führen beide zur vollrechtlichen Vaterposition. Dennoch ist man gut beraten, beide Formen der Vaterschaft terminologisch zu unterscheiden. Nicht, um rechtliche Unterschiede aufzuzeigen, sondern vielmehr um die beteiligten Väter sowohl gesetzlich – soweit not-



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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wendig – als auch im Verfahren auseinanderhalten zu können. Der Gesetzgeber hat 2013 dem terminus technicus des „leiblichen, nicht rechtlichen Vaters“ den Weg ins BGB geebnet. Auch wenn der Bestand von § 1686a BGB im Gesetz fraglich erscheint,20 wird es die Stellung eines leiblichen Vaters, der nicht rechtlicher Vater ist, auch ohne Rechtspositionen weiterhin geben. In Abgrenzung hierzu wird im vorliegenden Gesetzesentwurf derjenige leibliche Vater, dem es gelungen ist, eine vollwertige Vaterposition einzunehmen, als „leiblicher, auch rechtlicher Vater“ bezeichnet. Derjenige rechtliche Vater, der offenbar nicht der leibliche Vater ist, seine Vaterschaft aber auf anderem Wege nach § 1592 BGB erlangt hat, wird weiterhin lediglich „Vater“ genannt. Bewusst wird an dieser Stelle auf den gebräuchlichen Begriff des „Scheinvaters“ für den rechtlichen, nicht leiblichen Vater verzichtet. Diese Bezeichnung transportiert die unterschwellige Botschaft, dass der Scheinvater offenbar kein richtiger Vater ist, sondern diese Stellung nur zum „Schein“ einnimmt.

2.  Notwendige Neuerungen im Abstammungsrecht Ziel einer jeden Novelle sollte es sein, die Änderungen des geltenden Rechts so gering wie möglich zu halten, um insbesondere die vorhandene Gesetzessystematik nicht unnötig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Daher sieht der folgende Gesetzesvorschlag nur die Änderung eines einzigen Paragraphen im Abstammungsrecht vor. Insbesondere die pater-est-Regel, normiert in § 1592 BGB, wird nicht angetastet. Für die Zuordnung des leiblichen Vaters wird auf bereits bestehende Rechtsinstrumente zurückgegriffen. Daher wird § 1600d Abs. 1 BGB im Entwurf um die Zuordnung eines weiteren Vaters erweitert, wenn die leibliche Vaterschaft von der rechtlichen abweicht. § 1600d BGB [E] Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft (1)  1Besteht keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593, so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen. 2Gleiches gilt, wenn eine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht, und die Zuordnung des leiblichen Vaters dem Kindeswohl dient. 3Hat das Kind das 14. Lebensjahr vollendet und ist es nicht geschäftsunfähig, kann es der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft widersprechen. 4Eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist nicht erforderlich. 5Die endgültige Feststellung eines leiblichen, auch rechtlichen Vaters soll erst nach einer angemessenen Probezeit erfolgen, in der dem leiblichen Vater die Rechte nach §§ 1684, 1686 BGB zustehen. 6Bei Volljährigkeit des Kindes wird die Kindeswohlprüfung durch die Zustimmung des Kindes ersetzt. 20 

Vgl. Kap. 4. B. I. 4. d.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

(2) 1Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. 2Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen. (3) 1Als Empfängniszeit gilt die Zeit von dem 300. bis zu dem 181. Tage vor der Geburt des Kindes, mit Einschluss sowohl des 300. als auch des 181. Tages. 2Steht fest, dass das Kind außerhalb des Zeitraums des Satzes 1 empfangen worden ist, so gilt dieser abweichende Zeitraum als Empfängniszeit. (4) Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden.

a.  Materiell-rechtliche Erläuterungen aa.  Leibliche Vaterschaft als Voraussetzung Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1600d BGB ist nach § 1592 Nr. 3 BGB die dritte Möglichkeit, rechtlicher Vater eines Kindes zu werden. Zweck der Vorschrift ist die Zuordnung eines Kindes zu seinem leiblichen Vater, wenn dieser nicht mit der Mutter verheiratet ist und die Vaterschaft auch nicht wirksam anerkannt wurde. Jedem Kind soll möglichst zügig ein rechtlicher Vater und damit auch ein Verantwortungsträger mehr an die Seite gestellt werden. Daher wurde die Norm bewusst ohne Ermessensspielraum ausgestaltet: Der leibliche Vater ist gerichtlich festzustellen.21 Weiter trägt dieser Zuordnungstatbestand dem abstammungsrechtlichen Prinzip der Statuswahrheit Rechnung, denn einzige materiell-rechtliche Voraussetzung für die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ist die genetische Verbundenheit zwischen dem festzustellenden Mann und dem Kind.22 § 1600d Abs. 1 BGB eignet sich deswegen hervorragend als Anknüpfungstatbestand, weil das voluntative Element einer Vaterschaftszuordnung in diesem Fall am geringsten von allen Zuordnungsmöglichkeiten ausgeprägt ist. Die doppelte Vaterschaft soll nur ermöglicht werden in Fällen, die § 1686a BGB vorsieht, also beim Hinzutreten eines leiblichen Vaters, der aus gewissen Gründen keine Möglichkeit hatte, auch rechtlicher Vater zu werden. Daher setzt eine weitere vollberechtigte Vaterstellung einen Abstammungsnachweis voraus. In der geltenden Systematik des Abstammungsrechts gewährleistet lediglich § 1600d BGB die Prüfung der genetischen Vaterschaft. Die beiden anderen Zuordnungsmöglichkeiten (Ehe mit der Mutter und Anerkennung) legen ihren Schwerpunkt auf das voluntative

21 MünchKommBGB/Wellenhofer, 22 MünchKommBGB/Wellenhofer,

§ 1600d Rn. 7. § 1600d Rn. 10.



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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Element der Erklärungen von Vater und Mutter und beachten gerade nicht die genetischen Abstammungsverhältnisse.23

bb.  Kindeswohldienlichkeit – Bedeutung für das Erfordernis der Minderjährigkeit bei Feststellung Zentrale Voraussetzung für die Zuordnung des leiblichen Vaters zu seinem Kind ist, dass diese dem Kindeswohl dient. Aus den möglichen Kindeswohlprüfungen wurde bewusst die hohe Schwelle der Dienlichkeit für das Kindeswohl ausgewählt. Die Zuordnung einer weiteren Vaterschaft ist eine Besonderheit, mit der nicht jedes Kind in jeder Altersstufe zurechtkommt. Pauschale Lösungen verbieten sich daher von vorneherein. Weiter streitet für die Notwendigkeit der Kindeswohldienlichkeit der Gleichlauf zur Minderjährigenadoption (§ 1741 BGB), die einzige gesetzlich geregelte kindeswohlabhängige Statusbegründung. Daher können die Erkenntnisse aus dem Adoptionsrecht zur Kindeswohldienlichkeit der Annahme als Kind auch hier herangezogen werden. Entscheidender Unterschied ist aber: Im Adoptionsverfahren werden die Verwandtschaftsbande des Kindes zu seinen bisherigen rechtlichen Eltern gekappt (§§ 1754 f. BGB), bei der gerichtlichen Feststellung des leiblichen Vaters als auch rechtlichen Vater bleiben hingegen die ursprünglichen verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen. Das Kind erhält sogar eine zusätzliche Beziehung. Ein wichtiger Aspekt bei der Frage, ob ein zusätzlicher Vater dem Kindeswohl dient, wird das Bedürfnis des Kindes nach Kontinuität seiner Bindungen sein. Steht zu befürchten, dass der Beitritt des leiblichen Vaters das Kind aus seinem soziokulturellen Umfeld herausreißt und der leibliche Vater Misstrauen und Unfrieden in das Leben des Kindes trägt, wird eine rechtliche Zuordnung nur schwer zu begründen sein. Ebenso beachtlich für die Prüfung des Kindeswohles ist, dass die Zuordnung des leiblichen Vaters den Kindeswohlmaßstab für spätere Entscheidungen verschiebt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Umgangsrecht eines Elternteiles gemäß § 1684 BGB, das nur unter besonderen Voraussetzungen gerichtlich eingeschränkt oder gänzlich aufgehoben werden kann. Regelmäßig dem Kindeswohl dienlich wird ein zusätzlicher rechtlicher Vater dann sein, wenn das Kind noch sehr jung ist und die beteiligten Eltern sich darüber einig sind, ein solches Familienmodell leben zu wollen und das Kind auch von Anfang an (ähnlich dem Grundgedanken bei der Adoption) mit diesem Wissen aufwachsen zu lassen. Das Kind hat dann statt der gesetzlich vorgesehenen zwei festen Bindungspersonen drei. Und durch die Zuordnung des leiblichen Vaters auch noch das zusätzliche Band der genetischen Verbundenheit, das durch keine Vaterschaftsanfechtung aufgelöst werden kann. Die 23 

Siehe oben Kap. 3. B. I. 3.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

Schwierigkeit der Kindeswohlbestimmung besteht vor allem darin, dass hier nicht auf ein bestimmtes Recht an oder mit dem Kind abgestellt werden kann, sondern die Vaterstellung als solche in den Blick genommen werden müsste mit allen ihr folgenden Konsequenzen. Bei der Kindeswohldienlichkeit müsste also in alle Richtungen gedacht werden, man dürfte sich gerade nicht auf einen Aspekt der Vaterschaft beschränken (z. B. das Umgangsrecht). Denn ist erst einmal diese Hürde überwunden und der leibliche Vater auch als rechtlicher Vater festgestellt, dann sehen die rechtlichen Folgeinstrumente, insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht, keine weitere, gleichermaßen anspruchsvolle Kindeswohlprüfung mehr vor. Vielmehr kehrt sich in einigen Fällen die Beweislast für Gründe, die gegen eine Kindeswohldienlichkeit sprechen, um. So kann einem rechtlichen Elternteil das Umgangsrecht mit dem Kind beispielsweise nur dann entzogen werden, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1684 Abs. 4 BGB).

cc.  Das Widerspruchsrecht des Kindes, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat und nicht geschäftsunfähig ist Im Entwurf ist ein Widerspruchsrecht des Kindes, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat und nicht geschäftsunfähig ist, vorgesehen. Dem Kind wird damit eine Teilmündigkeit in Bezug auf die Frage zugebilligt, ob es seinen leiblichen Vater auch als rechtlichen Vater zugeordnet bekommen möchte. Zwar wird der Wille des Kindes bei einem 14-Jährigen auch im Rahmen der Kindeswohlprüfung berücksichtigt, die Teilmündigkeit hat aber eine darüber hinausgehende Wirkung. Auch im Adoptionsrecht erachtet das Gesetz das über 14 Jahre alte, nicht geschäftsunfähige Kind als teilmündig. Gemäß § 1746 Abs. 2 BGB kann es eine bereits erteilte Einwilligung in seine Adoption ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nur selbst widerrufen. Dahinter steht der Gedanke, dass die Familie in ihrem jetzigen rechtlichen Bestand den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießt. Das Kind braucht die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters nicht, weil sich durch den Widerruf am Bestand der Familie nichts ändert.24 Überträgt man diesen Gedanken auf eine bestehende rechtliche Familie, zu der ein weiterer rechtlicher Elternteil hinzutritt, erscheint es mit der gleichen Argumentation angebracht, dem über 14-jährigen, nicht geschäftsunfähigen Kind eine Teilmündigkeit zuzusprechen, ob der Bestand der rechtlichen Familie unangetastet bleiben soll. Dass hierbei mögliche Interessen der rechtlichen Eltern an einem zusätzlichen rechtlichen Vater unberücksichtigt bleiben, ist mit einem Verweis auf das Kindeswohl zu vernachlässigen. Dem könnte entgegengehalten werden, dass ein Kind in allen anderen Fällen der Zuordnung eines Vaters nach § 1592 BGB kein eigenes Widerspruchsrecht 24 

BT-Drucks. 7/3061, 35 Nr. 11.



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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innehat. Dieser Einwand verkennt, dass die Zuordnung eines weiteren Vaters für das Kind eine besondere Situation darstellt. Es besteht kein staatliches Interesse daran, dem Kind möglichst frühzeitig einen Vater zur Seite zu stellen. Denn das Kind hat bereits einen rechtlich voll verantwortlichen Vater. An dieser Einschätzung ändert auch nichts, dass es mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts25 Aufgabe des Abstammungsrechts sein soll, die leibliche und die rechtliche Vaterschaft möglichst in sich zu vereinen.

dd.  Anfechtungsobliegenheit des leiblichen Vaters? Bereits de lege lata wurde diskutiert,26 ob der leibliche Vater, der ein Umgangsund/oder Auskunftsrecht gemäß § 1686a BGB geltend macht, zuvörderst – wenn möglich – die Anfechtung der bestehenden Vaterschaft betreiben muss. Dieselbe Frage würde sich bei der Zuordnung eines weiteren Vaters stellen. In den Grenzen des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehört der leibliche Vater auch zum Kreis der Anfechtungsberechtigten. Die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft scheitert allerdings regelmäßig gemäß § 1600 Abs. 2 BGB daran, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und seinem Kind besteht. Der Gesetzgeber sieht eine Eltern-Kind-Beziehung, die weder genetisch noch sozial geprägt ist, als weniger schützenswert an. Hauptargument für die Annahme einer Anfechtungsobliegenheit für den leiblichen Vater im Falle eines Verfahrens nach § 1686a BGB ist, dass der leibliche Vater nicht nur Rechte erhalten soll, ohne auch Pflichten tragen zu müssen (Stichwort: „Elternschaft light“). Diese Argumentation lässt sich aber auf den Fall einer statusrechtlichen Feststellung des leiblichen Vaters als auch rechtlichen nicht übertragen. Denn mit der Feststellung als rechtlicher Vater gehen denknotwendig Pflichten einher. Daran ändert auch das Bestehen einer weiteren Vaterschaft im Rechtssinne nicht. Nun ließe sich auch hier andenken, der leibliche Vater, der eine bestehende Vaterschaft trotz Möglichkeit nicht anfechte, sei nicht bereit, die väterlichen Pflichten allein zu tragen. Diese Argumentation verfängt aber nicht: Solange dem zugeordneten Vater die Rechte und Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis zufallen, kann es gleichgültig sein, aus welchem Grund die Anfechtung der darüber hinaus bestehenden Vaterschaft nicht erfolgt ist. Sollte die Zuordnung eines zweiten Vaters im konkreten Fall dem Kindeswohl dienlich sein, dann darf vom leiblichen Vater nicht verlangt werden, dem Kind die anderweitige Vaterfigur zu nehmen. Insbesondere, weil man nicht in jedem Fall sagen kann, warum eine sozial-familiäre Beziehung (vgl. § 1600 Abs. 2 BGB) zwischen rechtlichem Vater und Kind nicht besteht.

25  26 

BVerfG, NJW 1989, 891; BVerfG, NJW 2003, 2151 (2152). Siehe oben Kap. 3. B. II. 1. d.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

Daneben bleibt allerdings festzuhalten, dass es dem leiblichen, auch rechtlichen Vater unbenommen bleibt, die Vaterschaft des zweiten rechtlichen Vaters bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen (insbesondere § 1600 Abs. 2 BGB) anzufechten. Auch nach Feststellung der Vaterschaft gehört der leibliche Vater zum Kreis der Anfechtungsberechtigten gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Zumeist wird ihm dies aber unter anderem wegen der abgelaufenen Anfechtungsfristen nicht gelingen.

ee.  Wahrung der Interessen des bisherigen rechtlichen Vaters Die vorgeschlagene Feststellung einer weiteren Vaterschaft orientiert sich bewusst nicht an den Voraussetzungen für die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft gemäß §§ 1600 ff. BGB, weil Feststellung und Anfechtung ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Zwar kommt es in beiden Fällen auf die leibliche Abstammung des Kindes von demjenigen Mann an, welcher den Feststellungsbzw. Anfechtungsantrag stellt. Das hier vorgeschlagene Feststellungsverfahren hat jedoch – anders als die Anfechtung – nicht einen Vatertausch, sondern eine Vaterkumulation zum Ziel; der Status des bereits vorhandenen rechtlichen Vaters wird also nicht angetastet. Dementsprechend ist nicht das (Nicht-)Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen, nicht leiblichen Vater und dem Kind zu prüfen, weil es hierauf für die Begründung der weiteren rechtlichen Vaterschaft nicht ankommt, sondern die Kindeswohldienlichkeit. Wollte man überhaupt ein Rangverhältnis zwischen diesen beiden Voraussetzungen herstellen, so stellt die positive Kindeswohlprüfung im Einzelfall die deutlich höhere Hürde dar. Daran wird deutlich, dass der hier vorgelegte Reformvorschlag die Rechte aller Beteiligten miteinander in Einklang bringt, während die vielfach vorgeschlagene Ausweitung der Anfechtungsmöglichkeiten für den leiblichen Vater zu einer Rechtlosstellung des bisherigen Vaters führen würde – und dies zu Lasten der bestehenden sozial-familiären Beziehung zu dem Kind und damit auch zu Lasten des Kindeswohls. Freilich kann der nicht leibliche, aber rechtliche Vater eines Kindes selbst im Wege der Anfechtung die rechtliche Vaterschaft zu einem Kind, das nicht sein leibliches Kind ist, beenden, §§ 1600 BGB ff. Dieses Anfechtungsrecht unterliegt einer kenntnisabhängigen zweijährigen Ausschlussfrist, § 1600b BGB. Für den rechtlichen Vater beginnt die Frist in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem er von den Umständen erfährt, die gegen seine Vaterschaft sprechen. Spätestens die Feststellung eines anderen Mannes als leiblicher, auch rechtlicher Vater im Sinne des Gesetzesentwurfes löst also den Fristlauf aus. Wusste der rechtliche Vater schon zuvor um derartige Umstände, muss der hingegen damit rechnen, dass die Möglichkeit der Feststellung eines weiteren Vaters besteht. Erfolgt diese Feststellung tatsächlich, ist kein Grund dafür ersichtlich, dem rechtlichen, aber nicht leiblichen Vater erneut ein Anfechtungsrecht einzuräumen.



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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Der festgestellte leibliche, auch rechtliche Vater beeinträchtigt den rechtlichen, nicht leiblichen Vater nämlich nicht in seiner Rechtsposition; insbesondere ist die Feststellung eines weiteren Vaters nicht als eine Art „Teilanfechtung“ anzusehen. Ein schützenswertes Vertrauen in den Bestand der Alleinvaterschaft bei fehlender Leiblichkeit besteht angesichts des Wissens um die Umstände nicht. Zudem könnte ein solches Vertrauen kaum das Kindeswohl überwiegen, welchem die Zuordnung eines weiteren Vaters dienen muss.

b.  Das Erfordernis einer Probezeit Da das Eltern-Kind-Verhältnis als Statusverhältnis nicht mehr rückgängig zu machen ist, ist zu überlegen, die Feststellung der leiblichen, auch rechtlichen Vaterschaft unter die Bedingung einer Probezeit zu stellen, wie § 1600d Abs. 1 S. 5 BGB [E] dies vorsieht.

aa.  Parallele zu § 1744 BGB Die Feststellung des leiblichen als auch rechtlichen Vater hat eine entscheidende Gemeinsamkeit mit der Adoption: Beide Institute begründen grundsätzlich unveränderliche Statusbeziehungen und sind abhängig vom Kindeswohl im Einzelfall. Im Adoptionsrecht sieht § 1744 BGB vor, die Adoption in der Regel erst auszusprechen, wenn das Kind beim Annehmenden eine angemessene Zeit zur Pflege gelebt hat. Da kindeswohlbasierte Entscheidungen stets auch Prognoseentscheidungen darstellen, fällt eine gerichtliche Entscheidung solchen Ausmaßes deutlich leichter, wenn ihr eine angemessene Zeit auf Probe voranging. Für die Frage der Angemessenheit der Probezeit wird im Adoptionsrecht auf pädagogische und psychologische Erkenntnisse zurückgegriffen.27 Ausschlaggebend sind insbesondere das Alter und die Konstitution des Kindes oder auch, ob der Annehmende und das Kind sich bereits vorher kannten. Der Gesetzgeber hat als Richtwert für eine angemessene Probezeit etwa zwei bis sechs Monate vorgesehen.28 Ohne Einschränkung können die Grundsätze des Adoptionsrechtes nicht übernommen werden. Denn anders als im Adoptionsrecht zieht die Zuordnung eines weiteren Vaters keine so weitreichenden Konsequenzen nach sich. Der leibliche, auch rechtliche Vater wird beispielsweise nicht automatisch zum mitsorgeberechtigten Elternteil, und durch die Feststellung werden gerade nicht bestehende Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes gekappt, sondern lediglich ein neues hinzugefügt. Dennoch erscheint auch hier eine Probezeit erforderlich, die sich dem Grunde nach an § 1744 BGB orientiert. Das Kind und die drei 27 BeckOK-BGB/Enders, 28 

§ 1744 Rn. 2; NK-BGB/Dahm, § 1744 Rn. 10. BT-Drucks. 7/3061, S. 32.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

potentiellen rechtlichen Elternteile können sich an die neue Situation gewöhnen und erste Erfahrungen machen, die sich wiederum auf die Kindeswohlentscheidung auswirken. Dem Gericht wird eine tragfähige Entscheidungsgrundlage an die Hand gegeben. Was den zeitlichen Rahmen angeht, so dürfte eine Probezeit von etwa einem Jahr angemessen sein. Diese längere Dauer ist gerechtfertigt, weil auf das Erfordernis der Inpflegenahme im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung verzichtet wurde und an ihre Stelle ein § 1684 BGB nachgebildetes Umgangsrecht getreten ist. Ein Kennenlernen ist durch die dauerhafte Pflege des Kindes zur Adoptionsvorbereitung deutlich leichter, als dies im Rahmen eines zeitlich weniger umfangreichen Umgangsrechtes gewährleistet werden kann. Bevor endgültig ein weiterer rechtlicher Vater zugeordnet wird, trifft das Gericht eine Umgangsregelung für die Probezeit.

bb.  Erfordernis aus Kindeswohlgesichtspunkten – Ausfluss aus § 1686a BGB und damit auch der Rechtsprechung des EGMR Ziel des Reformentwurfes ist es, einen Ausgleich herzustellen zwischen nationalem Verfassungsrecht und einfachem Recht sowie den vom EGMR entwickelten Grundsätzen, nach denen § 1686a BGB geschaffen wurde. Dem leiblichen Vater, der nicht zum rechtlichen Vater werden kann, sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ein im Einzelnen kindeswohlabhängiges Umgangsrecht mit dem Kind zu erstreiten. Der Reformentwurf will das Elternrecht des leiblichen Vaters – in Einklang mit den Vorgaben des Grundgesetzes – streng mit dem Kindeswohl verknüpfen. Durch den vorgeschlagenen Lösungsweg kann der leibliche Vater die Rechtsstellung eines vollwertigen Elternteiles erlangen. Es soll aber nicht länger möglich sein, Väterrechte zu erwerben, ohne die hiermit regelmäßig korrespondierenden Pflichten tragen zu müssen. Die Probezeit soll also Kinderrechte und Väterrechte in einen gerechten Ausgleich bringen. Der Vater kann sich und seine Tauglichkeit als Vater während der Probezeit unter Beweis stellen und infolgedessen eine gesicherte Rechtsposition, ebenfalls ausgestattet mit allen Rechten, die auch der bisherige § 1686a BGB gewährt, erlangen. Das Kind kann sich während der Probezeit an die Gegebenheiten gewöhnen, es kann dann fundierter über sein Wohl entschieden werden.



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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c.  Zuordnung des leiblichen Vaters an volljährige Kinder aa.  § 1600d Abs. 1 S. 6 BGB [E] Grundsätzlich ist die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nicht an eine Frist gebunden und kann auch noch bei Volljährigkeit des Kindes betrieben werden.29 Dieser Grundsatz soll auch für die Zuordnung eines weiteren rechtlichen Vaters gelten. Denn es gibt keinen vernünftigen Grund, minderjährige Kinder in ihrem Interesse auf Nachzeichnung der tatsächlichen familiären Strukturen rechtlich mit mehr Möglichkeiten auszustatten als volljährige. Freilich erscheint hier der Grundgedanke hinter der doppelten Vaterschaft, die Wahrung und Zentrierung des individuellen Kindeswohls, verfehlt. Denn die Konzentration auf das Kindeswohl wird denknotwendig nur bei minderjährigen Kindern relevant, denn nur sie können nicht in allen Fragen selbständig entscheiden. Deshalb ist bei Handlungen des gesetzlichen Vertreters das individuelle Kindeswohl zu beachten. Volljährige Kinder hingegen können und müssen nach dem Gesetz selbständig und in voller Eigenverantwortung auch rechtserhebliche Entscheidungen treffen. Diesem Grundsatz trägt der vorliegende Gesetzesentwurf dadurch Rechnung, dass die Kindeswohlprüfung durch die eigene Entscheidung des volljährigen Kindes ersetzt wird.

bb.  Alternative: Verweis auf die Volljährigenadoption Als Alternative zur gerichtlichen Feststellung der leiblichen Vaterschaft bei volljährigen Kindern böte sich der Verweis auf die Volljährigenadoption (§§ 1767 ff. BGB) an mit dem Hinweis, dass bei Vorliegen einer leiblichen Vaterschaft neben der rechtlichen die sittliche Rechtfertigung für die Volljährigenadoption indiziert ist. Auf diese Weise ließe sich ebenfalls die rechtliche Verbundenheit zwischen dem Kind und dem leiblichen Vater herstellen. Allerdings bestünden bei dem Verweis auf die Volljährigenadoption verschiedene Bedenken: Wie bereits oben erwähnt unterliegt die Zuordnung des genetisch wahren Vaters zu dem Kind kaum voluntativen Aspekten. Ein leiblicher Vater wird dem Kind gerade aufgrund seiner genetischen Verbundenheit zugeordnet. Die Adoption als solche hingegen ist gerade darauf ausgelegt, voluntativ rechtliche Verwandtschaftsverhältnisse zu knüpfen, die gerade nicht der genetischen Realität, sondern im besten Fall den sozialen Strukturen der Familie entsprechen. Es ergeben sich also bei beiden Rechtsinstituten völlig unterschiedliche Anknüpfungspunkte. Eine Rechtfertigung, bei Volljährigkeit des Kindes auf die Regeln der Adoption zurückzugreifen, ist nicht ersichtlich. Durch den Verweis auf die Regelungen der Volljährigenadoption würde dem volljährigen Kind darüber hinaus die Möglichkeit genommen, den leiblichen Vater notfalls 29 MünchKommBGB/Wellenhofer,

§ 1600d Rn. 7; BeckOK-BGB/Hahn, § 1600d Rn. 3.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

auch gegen seinen Willen als rechtlichen Vater feststellen zu lassen, da für die Adoption auch ein Antrag des Annehmenden erforderlich ist. Da der Zeitpunkt, an dem das Kind erfährt, dass die rechtliche von der leibliche Vaterschaft abweicht, oftmals sehr willkürlich ist, erscheint eine solche Differenzierung nicht angebracht. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Gesetzesänderung vor allem das konkrete Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen will. Zudem bestehen im Rahmen des Adoptionsdekretes besondere Vorschriften, die der Situation eines leiblichen Vaters nicht gerecht werden. So darf beispielsweise die Adoption eines Volljährigen gemäß § 1769 BGB nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen. Da die Zuordnung eines leiblichen Vaters zu seinem Kind – unabhängig davon, ob es einen weiteren rechtlichen Vater gibt – jedoch nicht auf dem Willen, sondern auf natürlichen Gegebenheiten beruht, ist für die Berücksichtigung der Interessen anderer kein Raum. Genau wie die Zeugung eines weiteren Abkömmlings muss auch die rechtliche Zuordnung eines bereits gezeugten Abkömmlings möglich sein, ohne auf die Belange anderer Rücksicht zu nehmen.

d.  Exkurs: Notwendigkeit eines Widerspruchsrechts des über 14 Jahre alten, nicht geschäftsunfähigen Kindes auch im Rahmen der Zwei-Eltern-Konstellation Die vorstehenden Überlegungen möchten zeigen, dass das geltende Recht durchaus auch Elternkonstellationen mit mehr als zwei Elternteilen regeln und Konfliktfälle angemessen lösen kann. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass das geltende Recht, das Konstellationen mit einem oder zwei Elternteilen regelt, in sich geschlossen ist. Ziel der Arbeit ist es nicht, einzelne Probleme im Familienrecht zu eruieren und hierfür Lösungswege zu entwickeln. Doch kommt man bei Untersuchungen auch nicht umhin, gefundene Auffälligkeiten darzulegen. Bewusst sieht der Reformvorschlag die Möglichkeit vor, dass ein über 14 Jahre altes, nicht geschäftsunfähiges Kind der Feststellung des leiblichen Vaters widerspricht. Dies soll, wie oben aufgezeigt, Ausdruck der wachsenden Selbstbestimmung des Kindes sein. Dieses Widerspruchsrecht ist unter anderem deshalb besonders zu begründen, weil es für die Zwei-Eltern-Konstellation im Sinne von § 1600d BGB nicht vorgesehen ist. Nun ließe sich aber genauso anders herum fragen, worin sich Zwei- oder Drei-Eltern-Konstellationen oder auch die Adoption unterscheiden. Ist eine unterschiedliche Behandlung der Situationen gerechtfertigt? Kann denn nicht auch ein Kind, das über 14 Jahre lang mit seiner Mutter ohne rechtlich zugeordneten rechtlichen Vater gelebt hat, ein Interesse daran haben, selbst und eigenverantwortlich zu entscheiden, ob es den rechtlichen status quo als rechtliches Kind nur der Mutter beibehalten will



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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oder nicht? Es mag sein, dass dies im Rahmen des § 1592 Nr. 3 BGB mit dem Verweis darauf verworfen werden kann, dass die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft lediglich die rechtliche Nachzeichnung biologischer Gegebenheiten ist und der Staat ein berechtigtes Interesse an der Zuordnung eines Kindes zu einer weiteren Versorgungsperson hat. Viel deutlicher zeigt sich das Problem jedoch bei der Vaterschaft kraft Anerkennung, § 1592 Nr. 2 BGB. Hier könnte die Mutter dem über 14-jährigen Kind einen ihr beliebigen Vater aufzwängen. Unabhängig davon, ob dies dem Kindeswohl dient oder es hierdurch zu massiven Auseinandersetzungen innerhalb der Mutter-Kind-Beziehung kommen kann. Zwar sieht § 1595 Abs. 2 BGB vor, das die Anerkennung der Vaterschaft auch der Zustimmung des Kindes bedarf; jedoch nur, wenn der Mutter insoweit, also in Bezug auf die Vaterschaftszuordnung, die elterliche Sorge nicht zusteht. Erfasst sind von dem Zustimmungserfordernis insbesondere die Fälle, in denen das Kind bereits volljährig ist. Das heißt aber auch, dass eine sorgeberechtigte Mutter dem Jugendlichen einen Vater aufzwängen könnte, mit dessen Stellung als rechtlicher Vater das Kind – aus welchen Gründen auch immer – nicht einverstanden ist. Sollte es zu dem seltenen30 Fall kommen, dass das Kind seine Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung tatsächlich erteilen muss, sieht § 1596 Abs. 2 BGB ein nach dem Alter und der persönlichen Reife abgestuftes Konzept für die Zustimmung des Kindes vor. Hat das Kind das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht oder ist es geschäftsunfähig, kann nur der gesetzliche Vertreter der Anerkennung zustimmen. Gesetzliche Vertreterin ist in diesen Fällen freilich nicht die Mutter, denn Voraussetzung ist ja, dass dieser insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht. Vielmehr ist hier an einen Vormund oder einen Ergänzungspfleger zu denken. Ein über 14 Jahre altes, beschränkt geschäftsfähiges Kind kann nur selbst zustimmen. Aber es benötigt hierfür wiederum die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. § 1596 Abs. 2 BGB sieht also auch für solche Fälle keine Teilmündigkeit des Kindes vor. Diese gesetzliche Regelung wäre grundsätzlich zu begrüßen, wenn nicht vorher in der Vielzahl der Fälle eine eigene Zustimmung des Kindes durch die Struktur des § 1595 Abs. 2 BGB ausgeschlossen wäre. Die rechtlich gewachsene Familie aus Mutter und Kind kann de lege lata vom Kind nicht aufrechterhalten werden. Aus diesen Gründen wird auch in der Literatur gefordert, dem 14-jährigen Kind ein eigenes Zustimmungsrecht unabhängig von der Inhaberschaft der mütterlichen Sorge im Sinne des § 1595 BGB einzuräumen.31

30 

So auch NK-BGB/Gutzeit, § 1596 Rn. 12. § 1595 Rn. 2.

31 MünchKommBGB/Wellenhofer,

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

e.  Konsequenzen für die verwandtschaftlichen Beziehungen des Kindes Nach der Zuordnung eines weiteren Vaters stellt sich die Frage, wie sich dies auf die weiteren verwandtschaftlichen Beziehungen des Kindes auswirkt. Gemäß § 1589 BGB werden verwandtschaftliche Bande durch Abstammung begründet. Die Abstammung eines Kindes richtet sich wie gesehen nach den §§ 1591 ff. BGB. Wird dem Kind mehr als ein Vater zugeordnet, stammt das Kind von drei Personen ab. Da das Gesetz bewusst auf eine ausschließliche genetische Elternschaft verzichtet und einen Ausgleich zwischen sozialen und genetischen Komponenten sucht, ist eine solche Rechtslage nicht verwunderlich. Die verwandtschaftlichen Verhältnisse beziehen sich demnach jeweils auch auf die Abstammung der beiden Väter und der Mutter; sämtliche Abstammungsverhältnisse sind gleichwertig. Somit kann ein Kind auch bis zu drei Großelternpaare haben. Man mag hier zweifelnd das jedem einzelnen Großelternteil zustehende subjektive Recht auf Umgang mit dem Kind ins Feld führen. Hiergegen ist allerdings einzuwenden, dass jedes Umgangsrecht von Nicht-Eltern unter dem Vorbehalt einer positiven Kindeswohlprüfung steht. Steht also zu befürchten, dass das Kind mit derart vielen potentiellen Umgangsberechtigten überfordert ist, oder bestehen tiefgreifende familiäre Konflikte zwischen allen Beteiligten, wird dem betreffenden Großelternteil ein Umgangsrecht mit dem Kind nicht gewährt. Das Gesetz kennt die Multiplikation der Abstammungsverhältnisse bei der Volljährigenadoption, vgl. § 1770 BGB. Gemäß § 1770 Abs. 1 S. 1 BGB beschränkt sich die Wirkung der Annahme eines volljährig Adoptierten auf die Person des oder der Annehmenden. Sie erstreckt sich gerade nicht auf die Verwandten des Annehmenden. Die Volljährigenadoption stellt zum einen eine von der Blutsverwandtschaft abweichende Begründungsform verwandtschaftlicher Verhältnisse dar, die auf dem Willen der an der Annahme Beteiligten beruht; zum anderen soll der Angenommene dabei nicht im Sinne einer Erziehungsgemeinschaft in die Familie des Annehmenden integriert werden. Vielmehr entwickelt sich zwischen den Volljährigen eine Begegnungsgemeinschaft.32 Insofern besteht ein Unterschied zur Konstellation mit einem Kind, dem – ob nun minderjährig oder volljährig – sein leiblicher Vater gerichtlich zugeordnet wird. Hierdurch entsteht ein im Sinne von § 1600d BGB genetisch determiniertes Abstammungsverhältnis mit allen rechtlichen Konsequenzen, das gerade nicht nur auf dem Willen der Beteiligten beruht. Es bedarf daher auch keiner Änderung des Rechts der verwandtschaftlichen Beziehungen. Dies betrifft alle Verwandtschaftsgrade gleichermaßen. Dieses Ergebnis entspricht auch den Wertungen des Gesetzgebers für die Minderjährigenadoption. Gemäß § 1756 BGB bleiben die Verwandtschaftsverhältnisse des 32 NK-BGB/Dahm,

§ 1770 Rn. 9.



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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Kindes bestehen, wenn die Annehmenden mit dem Kind im zweiten oder dritten Grad verwandt oder verschwägert sind. Das Kind erhält so also auch einen zusätzlichen, dritten Verwandtenstamm.

f.  Verfahrensrechtliche Erläuterungen Im Anschluss an die materiell-rechtlichen Erwägungen soll nun auch die verfahrensrechtliche Seite der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung näher beleuchtet werden. Auch hier können sich aus der zusätzlichen Zuordnung des leiblichen Vaters Probleme ergeben. Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft, die nur auf Antrag hin verfolgt wird, ist eine Abstammungssache (§ 169 Nr. 1 FamFG) und damit eine Familiensache im Sinne von § 111 Nr. 3 FamFG. Streitig ist im Rahmen dieses Verfahrens, welchen Personen die materiell-rechtliche Antragsbefugnis zusteht. Dies gilt umso mehr, nachdem der Gesetzgeber mit der Einführung des FamFG den bis dato geltenden § 1600e Abs. 1 BGB, der die Aktivlegitimation der Feststellungsklage regelte, ersatzlos gestrichen hat. Vorgeschlagen wurde bislang, den Kreis der Antragsberechtigten aus § 172 FamFG herzuleiten.33 Diese Norm regelt allerdings lediglich die Beteiligung am Verfahren und nicht ein materielles Antragsrecht.34 Vermehrt wird das Antragsrecht direkt aus den geschützten Interessen von Art. 6 Abs. 2 GG hergeleitet.35 Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass der Wegfall von § 1600e BGB den Kreis der Antragsberechtigten weder erweitern noch vermindern sollte.36 Vielmehr ist der Gesetzgeber irrigerweise davon ausgegangen, § 1600e BGB habe nach Einführung des FamFG offenbar keine Daseinsberechtigung mehr.37 Daher genügt ein in sonstiger Weise ausgeprägtes Interesse an der Abstammungsfeststellung nicht.

aa.  Antragsberechtigung des Kindes, des potentiellen leiblichen Vaters und der Mutter Zur aktuellen Fassung von § 1600d BGB wird in der Literatur weitgehend die Ansicht vertreten, die eine Antragsberechtigung des Kindes, der Mutter und des 33 

Stößer, Das neue Verfahren in Abstammungssachen nach dem FamFG, FamRZ 2009, 923 (925); MünchKommBGB/Wellenhofer, § 1600d Rn. 14 lehnt die Herleitung immerhin an die Beteiligtenstellung gemäß § 172 FamFG an. 34  Löhnig, Probleme des neuen Verfahrens in Abstammungssachen nach § 169 ff. FamFG, FamRZ 2009, 1798 (1799). 35  Löhnig, Probleme des neuen Verfahrens in Abstammungssachen nach § 169 ff. FamFG, FamRZ 2009, 1798 (1799); Erman/Hammermann, § 1600d Rn. 1a. 36  Löhnig, Probleme des neuen Verfahrens in Abstammungssachen nach § 169 ff. FamFG, FamRZ 2009, 1798 (1799) Erman/Hammermann, § 1600d Rn. 1b. 37 BT-Drucks. 16/6308, S. 345; Coester-Waltjen, Besonderheiten im Abstammungsverfahren, JURA 2009, 427 (429).

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

potentiellen leiblichen Vaters vorsieht.38 Für das Kind und den potentiellen leiblichen Vater gilt dies insbesondere deshalb, weil beide von der positiven oder auch negativen Feststellung als Rechtsträger unmittelbar betroffen sind.39 Die unmittelbare Betroffenheit der Mutter ist hingegen zweifelhaft: Zwischen dem potentiellen leiblichen Vater und ihr werden keine eigenen Rechtspositionen begründet. Zudem hat der Gesetzgeber an anderer Stelle in § 184 Abs. 3 FamFG die ausnahmsweise bestehende Beschwerdebefugnis der Mutter ausdrücklich festgeschrieben, da diese Beteiligte am Abstammungsverfahren gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist. Dies gilt, obwohl die Gesetzesbegründung ausdrücklich festgestellt hat, dass die Mutter durch den Abstammungsbeschluss nicht unmittelbar in ihren Rechten berührt ist.40 Wenn die beteiligte Mutter schon ein eigenes Beschwerderecht besitzt, dann muss ihr erst recht ein eigenes Antragsrecht zugesprochen werden.41

bb.  Antragsberechtigung des rechtlichen Vaters Die Neuerung zum bislang geltenden Verfahren brächte die Frage mit sich, ob auch der rechtliche Vater des Kindes antragsberechtigt sein soll, um die Vaterschaftsfeststellung des leiblichen Vaters zu betreiben. Wird die Antragsberechtigung der Mutter aus dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG hergeleitet, so kann konsequenterweise für den Vater des Kindes kein anderer Maßstab gelten, da ihm ebenfalls der Schutz aus Art. 6 Abs. 2 GG zukommt. Selbst wenn man der Ansicht folgt, die von der Beteiligung gemäß § 172 FamFG auf eine Antragsberechtigung schließt, käme man zu dem gleichen Ergebnis, denn § 172 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sieht ebenfalls die Beteiligung des Vaters vor. Folglich ist auch der rechtliche Vater berechtigt, ein Verfahren zur gerichtlichen Feststellung des leiblichen Vaters als auch rechtlichen Vater einzuleiten. Insbesondere bei Fällen mit minderjährigen Kindern wird dies in der Praxis kaum bedeutsam sein, da auch dem rechtlichen, sorgeberechtigten Vater der Weg offen steht, die Feststellung im Namen des Kindes zu betreiben. Im Gegensatz zur Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO muss der Antragssteller der Abstammungsfeststellung kein gesondertes, besonderes Feststel38  Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 Rn. 75; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig, § 171 Rn. 14; Löhnig, Probleme des neuen Verfahrens in Abstammungssachen nach § 169 ff. FamFG, FamRZ 2009, 1798 (1799); Coester-Waltjen, Besonderheiten im Abstammungsverfahren, JURA 2009, 427 (429); NK-BGB/Gutzeit, Vor §§ 1591–1600d Rn. 30. 39  Helms/Balzer, Das neue Verfahren in Abstammungssachen, ZKJ 2009, 348 (349); Bork/ Jacoby/Schwab/Löhnig, § 171 Rn. 14. 40  Löhnig, Probleme des neuen Verfahrens in Abstammungssachen nach § 169 ff. FamFG, FamRZ 2009, 1798 (1799); anders hingegen Musielak/Borth/Borth/Grandel, § 169 Rn. 2, die auf mögliche Unterhaltsansprüche der Mutter gegen den rechtlichen Vater gemäß § 1615l BGB sowie auf Besonderheiten der gemeinsamen Elternstellung (§ 1626a BGB) verweisen. 41 Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig, § 171 Rn. 14.



B.  Abstammungsrecht de lege ferenda

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lungsinteresse darlegen.42 Gemäß § 26 FamFG gilt auch in Abstammungssachen der Amtsermittlungsgrundsatz. In der Regel wird das Gericht seiner Amtsermittlung Genüge tun, indem es ein den aktuellen Erkenntnissen über Abstammungsuntersuchungen43 entsprechendes Abstammungsgutachten einholt. Die Entscheidung des Gerichts erfolgt durch Beschluss (§ 38 FamFG) und wird in Abweichung zu § 40 FamFG gemäß § 184 Abs. 1 FamFG erst mit Rechtskraft wirksam. Dabei entfaltet der Beschluss inter-omnes-Wirkung, § 184 Abs. 2 FamFG. Ansonsten bestehen keine weiteren Unterschiede zum bewährten Verfahren in Abstammungssachen.

cc.  Abänderung des Feststellungsbeschlusses oder Wiederaufnahme des Verfahrens? § 184 Abs. 1 FamFG bestimmt, dass die Abänderung eines rechtskräftig gewordenen Beschlusses über die Feststellung der Abstammung ausgeschlossen ist. Für den Fall einer Vaterschaftsfeststellung nach dem hier vorgeschlagenen Entwurf hat dies zur Folge, dass die Antragsberechtigten nur einmal die Möglichkeit haben ein Feststellungsverfahren zu betreiben. Stellt das Gericht also fest, dass die rechtliche Zuordnung eines zweiten rechtlichen Vaters dem Kindeswohl nicht dienlich ist, kann – auch wenn sich die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten geändert haben mögen – nicht erneut die Vaterschaftsfeststellung begehrt werden. Dieser Regelung liegen generalisierte Kindeswohlerwägungen zu Grunde. Das Kind soll vor wiederholten Kindeswohl-Explorationen geschützt werden. Zudem kann hierdurch unüberlegtes Vorgehen der Verfahrensbeteiligten verhindert werden. Nicht zuletzt dient § 184 Abs. 1 FamFG auch dem Bedürfnis der Mitglieder der rechtlichen Familie des Kindes nach Rechtssicherheit in statusrelevanten Fragen. Hinter diese Schutzgüter muss das im Einzelfall bestehende Interesse eines leiblichen, nicht rechtlichen Vaters an der statusrechtlichen Feststellung seiner Vaterschaft zurücktreten. Jedoch eröffnet § 185 FamFG die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn ein neues Abstammungsgutachten vorliegt, das eine andere Entscheidung im vorangegangenen Verfahren zur Folge gehabt hätte. § 185 FamFG [E] Wiederaufnahme des Verfahrens (1)  1Der Restitutionsantrag gegen einen rechtskräftigen Beschluss, in dem über die Abstammung entschieden ist, ist auch statthaft, wenn ein Beteiligter ein 42 MünchkommBGB/Wellenhofer, §  1600d Rn. 26; MünchKommFamFG/Coester-Waltjen/Hilbig-Lugani, § 169 FamFG Rn. 14; BeckOK-FamFG/Nickel, § 169 Rn. 5. 43  Hierzu ausführlich NK-BGB/Gutzeit, Vor §§ 1591–1600d Rn. 13 ff.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

neues Gutachten über die Abstammung vorlegt, das allein oder in Verbindung mit den im früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde. 2Er ist darüber hinaus statthaft, wenn ein Beteiligter eines Verfahrens nach § 1600d Abs. 1 S. 2 BGB [E] nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes die Feststellung begehrt. (2)  Der Antrag auf Wiederaufnahme kann auch von dem Beteiligten erhoben werden, der in dem früheren Verfahren obsiegt hat. (3) Für den Antrag ist das Gericht ausschließlich zuständig, das im ersten Rechtszug entschieden hat; ist der angefochtene Beschluss von dem Beschwerdegericht oder dem Rechtsbeschwerdegericht erlassen, ist das Beschwerdegericht zuständig. Wird der Antrag mit einem Nichtigkeitsantrag oder mit einem Restitutionsantrag nach § 580 der Zivilprozessordnung verbunden, ist § 584 der Zivilprozessordnung anzuwenden. (4)  § 586 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. De lege ferenda erscheint es sinnvoll, in § 185 FamFG einen Restitutionsantrag auch dann zuzulassen, wenn das volljährig gewordene Kind nunmehr die Zuordnung des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters als zweiten rechtlichen Vater begehrt. Diese vorgeschlagene Ausnahme steht im Einklang mit den materiell1600b rechtlichen Wertungen des Vaterschaftsanfechtungsrechtes: Nach §  Abs. 3 BGB läuft die Anfechtungsfrist für ein Kind, dessen gesetzlicher Vertreter die Anfechtung der Vaterschaft nicht rechtzeitig betrieben hat, mit Eintritt der Volljährigkeit erneut an, sofern das Kind bis dahin bereits Kenntnis von den Umständen erlangt hat, die gegen die Vaterschaft des rechtlichen Vaters sprechen. Innerhalb der gleichen Frist sollte das volljährig gewordene Kind jedoch nicht nur die rechtliche Vaterschaft beseitigen und anschließend möglicherweise die rechtliche Vaterschaft seines leiblichen Vaters begründen, sondern auch die zusätzliche rechtliche Vaterschaft seines leiblichen Vaters begründen können. Denn nach Eintritt der Volljährigkeit besteht deshalb eine neue Situation, weil nunmehr keine Kindeswohlprüfung mehr vorzunehmen ist. Sollte das volljährige Kind seine notwendige Zustimmung zur Feststellung versagen, ist das Verfahren endgültig beendet.

II.  Fazit zum Abstammungsrecht de lege ferenda Eine zweite vollrechtliche Vaterschaft lässt sich ohne Modifikation der zentralen Regelung zur Vaterschaftszuordnung, § 1592 BGB, de lege ferenda im Gesetz etablieren. Es wird keine neue, eigenständige Norm geschaffen, sondern auf das bestehende Regelungskonzept des Abstammungsrechts zurückgegriffen. Dabei liegt es nahe, die abstammungsrechtliche Durchbrechung des Ein-Vater-Prinzips, die ja auch die tatsächliche leibliche Vaterschaft des Prätendenten voraussetzt, in dem Zuordnungsgrund zu verorten, bei dem die leibliche Abstammung



C.  Konsequenzen der doppelten Vaterschaft de lege ferenda

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relevant ist: § 1600d BGB. Neben der tatsächlichen Feststellung der leiblichen Vaterschaft ist elementares Merkmal der Neuregelung, dass die Zuordnung eines zusätzlichen Vaters dem Kindeswohl dienen muss. Hierfür kann auf Erkenntnisse aus dem Adoptionsrecht von Minderjährigen (§ 1741 BGB) zurückgegriffen werden. Dem minderjährigen Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat und nicht geschäftsunfähig ist, wird eine Teilmündigkeit zugesprochen: Seine Zustimmung ist für die Zuordnung eines weiteren rechtlichen Vaters erforderlich. Um die perspektivische Frage nach dem Kindeswohl beantworten zu können und dem Vaterschaftsprätendenten die Möglichkeit zu geben, seine Vaterqualitäten neben einem weiteren rechtlichen Vater unter Beweis zu stellen, gibt es eine adäquate Probezeit, nach deren Ablauf das Gericht die Feststellung der Vaterschaft aussprechen soll. Ein Vergleich zum ebenfalls kindeswohlbasierten Adoptionsverhältnis bietet sich an. Hiermit können auch die Wertungen in den vom EGMR getroffenen Entscheidungen Anayo./.Deutschland und Schneider./. Deutschland angemessen berücksichtigt werden. Während der Probezeit stehen dem Vaterschaftsprätendenten die Rechte aus §§ 1684, 1686 BGB zu. Die Zuordnung eines zweiten rechtlichen Vaters ist auch für volljährige Kinder möglich. Die Kindeswohlprüfung wird hier durch die Zustimmung des volljährigen Kindes ersetzt.

C.  Konsequenzen der doppelten Vaterschaft de lege ferenda I.  Notwendige Neuerungen im Sorgerecht § 1626 BGB [E] Elterliche Sorge, Grundsätze (1)  1Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). 2Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2)  1Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. 2Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an. (3)  1Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden allen Elternteilen. 2Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

§ 1671 BGB [E] Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern (1)  Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit 1. der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder 2. zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. (2)  Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit 1. die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder 2. eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht. (3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. (4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss. (5) Besteht die rechtliche Elternschaft für mehr als zwei Elternteile, sind die Absätze 1 bis 4 mit der Maßgabe anzuwenden, dass nicht nur die Übertragung der Alleinsorge, sondern auch die Übertragung der Sorge auf zwei Elternteile möglich ist. Auch die notwendigen Neuerungen im Sorgerecht sind minimal. Sie beschränken sich in der zentralen Norm des Sorgerechts, dem § 1626 BGB, sogar auf eine kleine redaktionelle Änderung, die dem Rechtsanwender bewusst machen soll, dass ein Kind auch drei rechtlichen Elternteilen zugeordnet sein kann. Dass das geltende Recht weitgehend unverändert auch auf die multiple Vaterschaft angewendet werden kann, soll aber nicht heißen, dass der leibliche, nun rechtlicher Vater keine Möglichkeit bekommen soll, sich an der elterlichen Sorge für das Kind zu beteiligen. Vielmehr kann sich auch hierbei an den gesetzlich bestehenden Instituten zur Sorgerechtsbegründung und -ausübung orientiert



C.  Konsequenzen der doppelten Vaterschaft de lege ferenda

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werden. Es bedarf dafür keiner Sondervorschrift. Soll die Sorge bei Getrenntleben der Eltern gemäß § 1671 BGB übertragen werden, ist ein weiterer Absatz einzufügen, der dem Gericht nicht nur die Übertragung der Alleinsorge ermöglicht, sondern auch, die elterliche Sorge auf zwei rechtliche Elternteile zu übertragen.

1.  Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, § 1626a BGB Die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge richtet sich nach dem Status der Mutter, also danach, ob die Mutter mit dem rechtlichen Vater des Kindes verheiratet ist oder nicht (vgl. §§ 1626, 1626a BGB). Auch bei der multiplen Vaterschaft muss an diesem Anknüpfungssystem nichts geändert werden. In den meisten Fällen werden die Mutter des Kindes und der leibliche Vater nicht miteinander verheiratet sein, denn ansonsten wäre der leibliche Vater gemäß § 1592 Nr. 1 BGB bereits aufgrund der Ehe mit der Mutter rechtlicher Vater des Kindes. Eine Zwei-Väter-Konstellation wäre ausgeschlossen. Sind die Eltern eines Kindes bei dessen Geburt nicht miteinander verheiratet, steht ihnen die gemeinsame Sorge für das Kind nicht schon von Gesetzes wegen zu. Ihre Begründung ist aber möglich und richtet sich nach § 1626a BGB. Hiernach haben die Eltern mehrere Möglichkeiten das gemeinsame Sorgerecht zu begründen. Bei multipler Elternschaft sind damit alle rechtlich zugeordneten Elternteile gemeint. Da es aus historischer Sicht keine Selbstverständlichkeit ist, sei an dieser Stelle noch einmal verdeutlicht, dass eine funktionierende Paarbeziehung zwischen den Eltern (dabei ist unerheblich, ob dies zwei oder drei Personen sind) nicht nötig ist. Im Gesetz wird dies deutlich durch die mögliche gemeinsame Sorge trotz nicht nur vorübergehenden Getrenntlebens der Eltern (§ 1671 Abs. 1 S. 1 BGB).

a.  Abgabe gemeinschaftlicher Sorgeerklärungen, § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB So wie es in Zwei-Eltern-Konstellationen möglich ist, dass die Eltern gemeinschaftlich Sorgeerklärungen abgeben (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB), können de lege ferenda drei gleichrangige Elternteile die gemeinsame Sorge für das Kind übernehmen. Diese Variante birgt die wenigsten Probleme. Zudem wahrt die einverständliche Begründung eines dreifachen Sorgerechts das Kindeswohl vermutlich am besten. Diese Lösung ist auch direkter Ausfluss der grundrechtlich geschützten Elternautonomie (Art. 6 Abs. 2 GG).

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

b.  Heirat der Mutter, § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB Weiter besteht bei zwei rechtlichen Elternteilen die Möglichkeit, die gemeinsame elterliche Sorge durch Heirat zwischen der Mutter und dem Vater des Kindes zu begründen. Hier werden die unterschiedlichen Konstellationen deutlicher, die eine multiple Elternschaft begründen können und die rechtlichen Probleme, die sich hieraus ergeben können. Dennoch muss die Norm nicht von vornherein unanwendbar sein. Zur Veranschaulichung dienen die folgenden Fallbeispiele:44 Beispiel 1 A und B sind miteinander verheiratet. Es kommt Kind C auf die Welt. Leiblicher Vater des Kindes ist D, dieser wird als auch rechtlicher Vater des Kindes wirksam festgestellt. A und B sind unbeschränkte Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge. Diese Fallkonstellation ist rechtlich am einfachsten zu bewältigen: Denn für D besteht gemäß § 1306 BGB das gesetzliche Verbot, eine Ehe mit der verheirateten A einzugehen. Somit ist kann auch keine gemeinsame elterlichen Sorge gemäß § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB begründet werden. Der leibliche, auch rechtliche Vater ist verwiesen auf die beiden anderen Möglichkeiten der Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge. Beispiel 2 A und B sind nicht miteinander verheiratet. Es kommt Kind C auf die Welt. B erkennt die Vaterschaft für C wirksam an. Leiblicher Vater des Kindes ist D, dieser wird als auch rechtlicher Vater des Kindes wirksam festgestellt. Diese Grundkonstellation kann sich in sorgerechtlicher Hinsicht in verschiedene Richtungen entwickeln: Grundsätzlich dürfen wir davon ausgehen, dass Mutter A ohne Einschränkung Inhaberin der elterlichen Sorge ist. Da sie unverheiratet ist, haben A und B anders als im Beispiel 1 nicht automatisch die gemeinsame Sorge für C inne. Der Fall kann sich zum einen so entwickeln, dass A und B zunächst nicht Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge sind. Heiraten A und D, so erlangen sie gemäß § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB die gemeinsame elterliche Sorge für C. An der mangelnden sorgerechtlichen Beteiligung des B ändert sich hierdurch nichts. Haben A und B aber die gemeinsame Sorge durch die Abgabe von Sorgeerklärungen oder kraft gerichtlicher Entscheidung erlangt, und gehen nun A und 44  Außer Acht gelassen werden bei dieser Betrachtung Spezialfälle, in denen den Eltern aus besonderen Gründen die elterliche Sorge (teilweise) entzogen wurde oder die Sorge ruht.



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D eine Ehe ein, hat dies zur Folge, dass durch die Heirat A, B und D zu dritt sorgeberechtigt sind. Zwar ist es ein rechtliches Novum, dass mehrere Personen gemeinsam sorgeberechtigt sind, ohne dass einer der Berechtigten Einfluss auf die Begründung der gemeinsamen elterliche Sorge hat. Dennoch soll den Eltern diese Möglichkeit der Sorgebegründung nicht genommen werden. Der Elternteil, der nicht die Ehe eingegangen ist, wird auf ein Verfahren gemäß § 1671 BGB verwiesen. Dieses sieht unter bestimmen Voraussetzungen die Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern vor und soll es de lege ferenda ermöglichen, dass bei drei rechtlichen Elternteilen auch die elterliche Sorge auf zwei Personen übertragen werden kann.45

c.  Familiengerichtliche Übertragung, § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB Als dritte Möglichkeit zur Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge sieht § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB die Übertragung durch das Familiengericht vor. Gemäß § 1626a Abs. 2 BGB überträgt das Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge dann, wenn diese dem Kindeswohl nicht widerspricht. Im Vergleich zur positiven Kindeswohlprüfung bei Statusbegründung sieht das Gesetz für die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge also nur eine negative Kindeswohlprüfung vor. Gemäß § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB wird vermutet, dass die gemeinsame Sorge der rechtlichen Eltern dem Kindeswohl entspricht, wenn der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können.46 Dies muss allerdings noch nicht bedeuten, dass es nicht oder nur sehr schwer möglich sein wird, in diesen besonderen Konstellationen die gemeinsame elterliche Sorge zu versagen. Vielmehr wird lediglich die Beweislast anders verteilt. Der Maßstab der Kindeswohlprüfung wird bei einer Drei-Eltern-Konstellation ein anderer sein als im Regelfall der Zwei-Eltern-Konstellation, da sich das Konfliktpotential durch das Hinzutreten eines weiteren Sorgeberechtigten erhöht. Wären alle drei Beteiligten einverstanden mit der gemeinsamen Sorgetragung, würden sie wohl gemeinsame Sorgeerklärungen im Sinne der Nr. 1 abgeben. Daher ist von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Elternteilen auszugehen. Aber auch hier verbieten sich schematische Ausführungen, ob dies dem Kindeswohl ab- oder zuträglich ist: Das Kindeswohl ist in jedem Fall gesondert zu prüfen.

45 

Siehe Kap. 4. B. I. 2. c. bb. vielfältigen Kritik an dieser Voraussetzung: Coester, Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern, FamRZ 2012, 1337; Heilmann, Die Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern – Das Ende eines Irrwegs?, NJW 2013, 1473; Salgo, Ein Zwischenruf zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, FPR 2012, 409. 46  Zur

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

2.  Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge Die Ausübung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge ist unabhängig von der Paarebene und dem Familienstand der Elternteile zum gesellschaftlichen Regelfall geworden, auf den bei gerichtlichen Entscheidungen gezielt hingewirkt wird. Kritiker der Drei-Eltern-Lösung führen insbesondere ins Feld, die Ausübung der gemeinschaftlichen Sorge sei stets so konfliktträchtig, dass eine solche Lösung mehr schaden als nutzen würde. In diesem Abschnitt soll aufgezeigt werden, dass die Ausübung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge auch im Drei-Personen-Verhältnis zu keinen unlösbaren Konfliktsituationen führen muss. Vielmehr lassen sich die bestehenden Normen auch auf diese besondere Konstellation übertragen. Maßstab elterlichen Handelns ist auch in der Drei-Personen-Konstellation das gegenseitige Einvernehmen zum Wohl des Kindes, vgl. § 1627 BGB. Daher soll die gemeinsame elterliche Sorge von drei Personen wie im Zwei-Personen-Verhältnis ausgestaltet werden.

a.  Gemeinschaftliches Vertretungsrecht, § 1629 BGB Damit Eltern ihre Kinder im Rechtsverkehr wirksam repräsentieren können, hat der Gesetzgeber ihnen mit § 1629 Abs. 1 BGB eine gesetzliche Vertretungsmacht eingeräumt. Hierdurch können die Eltern mit Wirkungen für das Kind Willenserklärungen abgeben und empfangen sowie wirksam Prozesshandlungen vor- und entgegennehmen. Die gesetzliche Vertretungsmacht ist nicht an die Rechtsstellung als Elternteil geknüpft, sondern an die Inhaberschaft der elterlichen Sorge für das Kind. Die gesetzliche Vertretungsmacht reicht also nur so weit wie die elterliche Sorge. Haben die Eltern das gemeinsame Sorgerecht inne, dann sind sie auch nur gemeinsam zur Vertretung befugt (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB). Hat der leibliche, auch rechtliche Vater das Sorgerecht für das Kind inne, ist es nur konsequent, ihn mit in die Vertretungsberechtigung des Kindes einzubeziehen. Sachliche Gründe, die einen Ausschluss von der Vertretungsmacht rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Auch Praktikabilitätserwägungen führen hier nicht zum Ziel: Zwar steigt durch die gemeinsame Vertretungsberechtigung der Organisationsaufwand für die Eltern, allerdings ist dies bei getrennt lebenden, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht anders. Zudem geht die Rechtsprechung davon aus, dass nicht alle gesetzlichen Vertreter des Kindes nach außen hin gemeinsam tätig werden müssen. Es reicht aus, dass ein Vertreter tätig wird und die anderen im Innenverhältnis ihr Einverständnis zur Entscheidung des Tätigen geben, sei es durch Einwilligung (§ 183 BGB) oder Genehmigung (§ 184 BGB).47

47 Staudinger/Peschel-Gutzeit,

§ 1629 Rn. 35.



C.  Konsequenzen der doppelten Vaterschaft de lege ferenda

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Weiter haben die Eltern die Möglichkeit, sich intern durch Erklärung für eine Alleinvertretung oder auch eine Vertretungsbefugnis zweier Elternteile zu entscheiden.48 Hierdurch wird der Zweck der Gesamtvertretung nicht gefährdet. Es ist rechtstechnisch umstritten, wie eine solche Elternvereinbarung genau aussehen soll,49 dem Grundgedanken dahinter stehen aber keine Einwände entgegen. Geht man davon aus, dass die Übertragung der jeweils eigenen Vertretungsmacht auf einen oder gegebenenfalls auch zwei andere Elternteile kraft Bevollmächtigung erfolgt, kann diese Vollmacht auch nur für einen bestimmten Bereich erteilt werden. Ein Alles-oder-nichts-Prinzip ist nicht notwendig. Die Bevollmächtigung bedarf keiner besonderen Form und kann auch konkludent erteilt werden. Somit ergeben sich auch durch das Erfordernis der Gesamtvertretung im Rahmen der Drei-Eltern-Konstellation keine spezifischen Probleme. Freilich ist die Gesamtvertretung als solche nicht unproblematisch, aber sie bringt keine besonderen Konfliktlagen hervor, die nicht auch in der Zwei-Eltern-Konstellation auftreten könnten. Das Drei-Eltern-Modell soll insbesondere auch durch seine Individualität und Flexibilität bestechen, daher können und sollen Fragen, die sich aus dem Grundsatz der Gesamtvertretung gemäß § 1629 BGB ergeben, nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Diese Fallgestaltungen werden aber in der Praxis sehr selten auftreten. Häufiger werden die drei Elternteile getrennt im Sinne von § 1567 Abs. 1 BGB leben und demnach § 1687 BGB anzuwenden sein, der im Falle des Fehlens einer Paarbeziehung zwischen den Elternteilen ein abgestuftes Konzept der Ermächtigung desjenigen Elternteiles vorsieht, bei dem das Kind nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.50 Hierdurch können bereits eventuell auftretende Probleme entschärft werden.

b.  Anwendung von § 1628 BGB auch in Drei-Eltern-Konstellationen § 1627 BGB gibt den Eltern im Grundsatz drei zentrale Leitlinien zur Erziehung ihres Kindes an die Hand: Zum einen werden die Eltern angehalten, ihre gemeinsame elterliche Verantwortung in gegenseitigem Einvernehmen auszuüben. Alle Elternteile sind gleichberechtigt, es soll keinen alleinigen Stichentscheid geben. Zum zweiten führt § 1627 BGB den bereits grundrechtlich begründeten Elternvorrang vor staatlichem Eingreifen in einfaches Recht über. Und zum dritten haben die Eltern ihre gemeinsame Sorge zum Wohl des Kindes auszuüben. Kommt es in erzieherischen Fragen zu Meinungsverschiedenheiten, so müssen die Eltern zunächst versuchen, sich zu einigen. Sollte auch dies nicht fruchten, kann nach § 1628 BGB bei Meinungsverschiedenheiten über Belange, 48 NK-BGB/Kaiser,

§ 1629 Rn. 20; MünchKommBGB/Huber, § 1629 Rn. 33; Staudinger/ Peschel-Gutzeit, § 1629 Rn. 41. 49  Vgl. hierzu Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1629 Rn. 41 ff. 50  Siehe Kap. 4. B. I. 2. b. cc.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, eine gerichtliche Entscheidung erwirkt werden. Das Gericht entscheidet hierbei grundsätzlich nicht in der Sache, sondern überträgt per Beschluss das Entscheidungsrecht auf einen Elternteil. Nicht nur juristisch wäre eine Drei-Eltern-Konstellation eine Neuigkeit, sondern auch mathematisch tun sich Besonderheiten auf. Während im ZweiEltern-Verhältnis ein Stichentscheid mangels möglicher Mehrheit ausscheidet, ließe sich bei drei sorgeberechtigen Elternteilen durchaus eine mathematische Mehrheit bilden. Inwieweit können oder sollen Eltern also auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss verwiesen werden? Der Weg zu einem gerichtlichen Entscheid gemäß § 1628 BGB bliebe so versperrt. Dies würde sich insbesondere bei Fragen anbieten, die tatsächlich mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten sind. Zugegeben, die Vorstellung eines Mehrheitsbeschlusses mag auf den ersten Blick reizvoll sein. Man entlastete Familiengerichte und könnte dieses Vorgehen als elterliche Einigung begreifen, wie sie in § 1627 BGB vorgesehen ist. Diese Gedanken greifen aber insoweit zu kurz, als es auch in einer DreiEltern-Konstellation in erzieherischen Fragen, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, zu einer Pattsituation kommen kann. Nicht immer gibt es nur zwei Lösungswege, über die mittels Mehrheitsentscheid abgestimmt werden könnte. Oftmals sind es gerade die wesentlichen Angelegenheiten, bei denen sich ein Schwarz-Weiß-Denken verbietet. Zusammengefasst lassen sich bei drei sorgeberechtigten Eltern durchaus Situationen denken, die mittels Mehrheitsentscheid geregelt werden könnten und bei denen die Anrufung des Familiengerichtes unnötig wäre. Hierauf könnte im Rahmen des Rechtschutzbedürfnisses Bezug genommen werden. So wären die verschiedenen Interessen in einen Ausgleich zu bringen.

c.  Anwendung von § 1687 BGB § 1687 BGB trifft besondere Regelungen zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei dauerhaftem Getrenntleben der Eltern. Generell gilt § 1687 BGB sowohl für Kinder, die einer Ehe entstammen, als auch für diejenigen, bei denen die Eltern gemäß § 1626a Abs. 1 BGB die gemeinschaftliche Sorge tragen. Die Norm soll die Ausübung der Gemeinsorge bei Getrenntleben der Eltern erleichtern, indem sie demjenigen Elternteil, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, für Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes die Alleinentscheidungsbefugnis zuweist.51 Mit seinem abgestuften Regelungskonzept beschreitet § 1687 BGB also einen schmalen Grat: Die gemeinschaftliche Sorge soll durch § 1687 BGB nicht zu 51 NK-BGB/Peschel-Gutzeit,

§ 1687 Rn. 4.



C.  Konsequenzen der doppelten Vaterschaft de lege ferenda

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einer leeren Hülle verkommen.52 Daher ist für Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung weiterhin das Einvernehmen aller sorgeberechtigen Elternteile notwendig. Dies gilt auch für die vorrangige Frage, bei welchem Elternteil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben soll. Können sich die Elternteile hierüber nicht einigen, können sie eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 1628 BGB beantragen, da die Aufenthaltsbestimmung eine für das Kind erhebliche Angelegenheit ist.53 Die Eltern können bei der Ausgestaltung des Aufenthalts und der Betreuung des Kindes zwischen verschiedenen Betreuungsmodellen wählen. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Modelle. Die Eltern sind aber nicht an diese gebunden, sondern können vielmehr kraft ihrer Elternautonomie bis zur Grenze der Kindeswohlgefährdung auch andere alternative Betreuungsformen wählen. Als besonders gängige Formen haben sich herausgebildet: (1) Das Residenzmodell (das Kind lebt bei einem Elternteil, pflegt aber regelmäßigen Umgang mit dem anderen Elternteil), (2) das Wechselmodell (das Kind wechselt seinen gewöhnlichen Aufenthalt regelmäßig von einem Elternteil zum anderen) und (3) das Nestmodell (das Kind behält seinen gewöhnlichen Aufenthalt und die Eltern wechseln sich in diesem Haushalt mit der Betreuung und Erziehung ab). Das Residenzmodell hat der Gesetzgeber (wohl weniger als gesetzliche Grundwertung formuliert, sondern eher dem Zeitgeist geschuldet) als Regelfall ausgestaltet. Aber auch die Anwendung von § 1687 BGB schließt, wie bereits bei § 1629 BGB festgestellt, nicht aus, dass die Eltern sich gegenseitig zu alleinigem oder gemeinsamem Handeln zweier Elternteile ermächtigen.54

3.  Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern, § 1671 BGB a. Grundsätzliches Bereits die Sensibilität des Sorgeverhältnisses als solches macht deutlich, dass einmal getroffene Sorgeentscheidungen55 nicht unveränderlich sind. Als kindeswohlschützende Norm ermöglicht es § 1671 Abs. 1 BGB daher, bei Getrenntleben der Eltern durch familiengerichtlichen Beschluss die zunächst gemeinsame Sorge auf einen Elternteil alleine (oder teilweise alleine) zu übertragen. Neben der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt dies weiter voraus, dass die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben. Ein Antrag gemäß § 1671 Abs. 1 BGB ist dabei nicht nur möglich, wenn die Eltern bereits zu irgendeinem Zeitpunkt eine Paarbeziehung geführt haben und diese nun aufgelöst ist, sondern 52 

BT-Drucks. 13/8511, S. 67. Karlsruhe, FamRZ 2001, 1634; NK-BGB/Peschel-Gutzeit, § 1687 Rn. 4; BeckOK-BGB/Veit, § 1687 Rn. 6.1.; Erman/Döll, § 1687 Rn. 2. 54 JurisPK-BGB/Poncelet, § 1687 Rn. 5. 55 Oder auch die gesetzgeberische Entscheidung zur grundsätzlich gemeinsamen Sorgetragung für ein Kind, das innerhalb einer Ehe geboren wurde. 53  OLG

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

auch, wenn sie nie eine persönliche Verbindung jenseits des Elternverhältnisses eingegangen sind.56 Die Eltern des Kindes dürfen lediglich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keine Paarbeziehung führen.57 Eine gerichtliche Entscheidung wird nur auf Antrag eines Elternteiles getroffen, antragsberechtigt sind beide Elternteile. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass die Elternteile sich widersprechende Anträge stellen.58 Jeder Elternteil kann nur beantragen, dass die Alleinsorge auf ihn selbst übertragen wird. Das Kind ist nicht antragsberechtigt.59 Darüber hinaus wird dem Antrag nur stattgegeben, wenn eine der Voraussetzungen des § 1671 Abs. 1 S. 2 BGB erfüllt ist. Also, wenn der andere Elternteil der Übertragung der Alleinsorge zustimmt und das über 14-jährige Kind dem nicht widerspricht (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB).60 Oder, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Neben der Begründung der gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern gemäß § 1626a BGB sieht § 1671 Abs. 2 BGB auch die Möglichkeit vor, dass der rechtliche Vater eines Kindes, dessen Mutter gemäß § 1626a Abs. 3 BGB die elterliche Sorge innehat, beantragen kann, die Alleinsorge gerichtlich auf sich übertragen zu lassen. Die Übertragung ist wie nach Absatz 1 nur möglich, wenn die Mutter zustimmt und das über 14-jährige Kind nicht widerspricht oder wenn die gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Materiell-rechtlich unterscheidet sich Abs. 2 von Abs. 1 aber insoweit, als in Abs. 2 der elterliche Konsens dem Kindeswohl nicht widersprechen darf. Hintergrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung ist, dass Abs. 2 abweichend von Abs. 1 einen Wechsel von einer alleinsorgeberechtigten Person auf eine bisher nicht sorgeberechtigte Person vorsieht. Dieser komplette Austausch der sorgeberechtigten Personen birgt eine höhere Gefahr für das Kindes56 MünchKommBGB/Hennemann, §  1671 Rn. 10; Staudinger/Coester, § 1671 Rn. 40; BeckOK-BGB/Veit, § 1671 Rn. 16. 57  Bewusst wird hier nicht auf das Bestehen eines gemeinschaftlichen Haushalts abgestellt, da das Getrenntleben wie in § 1567 Abs. 1 BGB begriffen wird und dieses auch im Rahmen eines gemeinsamen Haushaltes möglich ist. Die Elternteile müssen nach außen erkennbar gemacht haben, getrennt zu leben. 58 BeckOK-BGB/Veit, § 1671 Rn. 20. 59 Diese rechtliche Ausgestaltung ist insofern kritikwürdig, als Kindern dadurch eine mögliche Gestaltungsform ihrer eigenen Sorgetragung genommen wird und die Interessen der Eltern unverhältnismäßig in den Mittelpunkt gestellt werden, vgl. auch: MünchKommBGB/ Hennemann, § 1671 Rn. 2; Staudinger/Coester, § 1671 Rn. 14. 60  Das Widerspruchsrecht des Kindes kann dabei (in kritikwürdiger Weise) nicht als Vetorecht aufgefasst werden, sondern bewirkt lediglich, dass die Bindungswirkung des Gerichts an die elterliche Entscheidung entfällt, vgl. BeckOK-BGB/Veit, § 1671 Rn. 34; Schwab, Familienrecht, Rn. 795.



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wohl als der konsentierte Wechsel von zwei Sorgeberechtigten zur Alleinsorge eines bisher auch schon sorgeberechtigten Elternteiles.61

b.  Anwendung von § 1671 BGB auch auf Drei-Eltern-Konstellationen Auch die mögliche Anwendung von § 1671 BGB in Drei-Eltern-Konstellationen ist genauer zu untersuchen. Im Anschluss daran wird der Gesetzesvorschlag für einen neuen Abs. 5 näher erörtert. In seiner jetzigen Ausgestaltung ist § 1671 BGB passgenau auf die Zwei-Eltern-Konstellation zugeschnitten. Einer der beiden Elternteile kann das alleinige Sorgerecht für das Kind beantragen. Man merkt dieser Norm auch nach ihrer letzten Neufassung im Jahr 201362 noch an, für welche Fälle sie ins Gesetz gekommen ist: Wir haben eine Ehe aus der zwei Kinder hervorgegangen sind, trotz mehrfacher Versöhnungsversuche landet die Ehe vor dem Scheidungsrichter. Da es heutzutage en vogue63 ist, auch nach Scheidung der Ehe das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder beizubehalten, entscheiden sich die geschiedenen Eltern hierzu. Freilich funktioniert dies nicht und ein Elternteil (in der Regel die treusorgende Mutter) muss das alleinige Sorgerecht beantragen. Daher ist es besonders spannend herauszufinden, ob § 1671 BGB auch auf drei (potentiell) sorgeberechtigte Elternteile Anwendung finden kann. Vor allem, weil § 1671 BGB mangels rechtlicher Alternativen nur die „Alles-oderNichts“-Lösung anbietet: entweder gemeinsam Sorge beider Eltern oder (zumindest partielle) Alleinsorge eines Elternteils.

aa.  Konstellation des § 1671 Abs. 1 BGB § 1671 Abs. 1 BGB geht davon aus, dass die Eltern gemeinsam sorgeberechtigt waren, dies trotz Getrenntlebens auch zunächst bleiben, die Ausübung der gemeinsamen Sorge aber über kurz oder lang nicht weiter funktioniert. Es entspringt der elterlichen Autonomie, in diesem Fall eine Änderung durch ein Gericht herbeiführen zu können und nicht an der einmal getroffenen Entscheidung festhalten zu müssen. Da es nicht notwendig ist, dass die Eltern jemals irgendeine Paarbeziehung gelebt haben, ist diese Grundkonstellation auch im Drei-Personen-Verhältnis durchaus denkbar: Drei Eltern beschließen zunächst die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, beispielsweise durch die Abgabe gemeinschaftlicher Sorgeerklärungen. Nach einiger Zeit merken sie, dass sie sich mit der gemeinsamen Sorgetragung übernommen haben und das Wohl des Kindes nicht mehr adäquat berücksichtigen können. Einem der drei 61 

BT-Drucks. 17/11048, S. 19. BGBl. I, S. 795. 63  Und ohnehin „erst“ seit der Kindschaftsrechtsreform 1998 möglich ist. 62 

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

Sorgeberechtigten soll nun ebenfalls die Möglichkeit eröffnet werden, die gerichtliche Übertragung der Alleinsorge zu beantragen. Es besteht also kein Unterschied zu einer Familie mit zwei sorgeberechtigten Elternteilen. Auch die weiteren in Abs. 1 statuierten Voraussetzungen bereiten keine spezifischen Probleme im Drei-Eltern-Verhältnis. § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 muss so gelesen werden, dass die Zustimmungen der beiden anderen Sorgeberechtigten benötigt werden.

bb.  Konstellation des § 1671 Abs. 2 BGB Die Neufassung von § 1671 Abs. 2 BGB sieht vor, dass der Vater eines Kindes, dessen Mutter bis dato gemäß § 1626a Abs. 3 BGB die Alleinsorge innehatte, nunmehr das alleinige Sorgerecht beantragen kann. Auch im Drei-PersonenVerhältnis kann es dazu kommen, dass die Mutter alleine sorgeberechtigt ist. Hier besteht gegebenenfalls das Bedürfnis nach einer gerichtlichen Klärung. Im Unterschied zu § 1671 Abs. 1 BGB verlangt § 1671 Abs. S. 2 Nr. 1 BGB in Anlehnung an § 1626a Abs. 2 BGB, dass die Übertragung der Alleinsorge auf den antragstellenden Vater dem Kindeswohl nicht widerspricht.

cc.  § 1671 Abs. 5 BGB [E] Wie oben erläutert führt die Anwendung von § 1671 BGB auf Drei-Eltern-Konstellationen zu keinen spezifischen Problemen. Dennoch soll der Norm ein weiterer klarstellender Absatz 5 hinzugefügt werden. Das Problem, das sich – wenn auch nur indirekt – bei der Anwendung von § 1671 BGB ergibt, ist folgendes: § 1671 BGB sieht vor, dass ein Elternteil beantragen kann, ihm die Alleinsorge für das Kind gerichtlich zu übertragen. Bei drei rechtlichen Elternteilen können sich hingegen besondere Möglichkeiten der Sorgetragung ergeben, die sich nicht auf ein „Entweder-oder“ beschränken. Neben der Alleinsorge und der gemeinsamen Sorge aller drei Elternteile ist auch denkbar, dass zwei Elternteile in bestimmten Konstellationen das Sorgerecht gemeinsam ausüben und der dritte Elternteil dabei außen vor bleibt. Da der Reformvorschlag den Eltern – und damit auch dem Kind – nicht eine Möglichkeit der Sorgeübertragung nehmen will, müsste § 1671 BGB an die Drei-Elternschaft angepasst werden. Die Ratio des § 1671 BGB steht dem insoweit nicht entgegen, als es dem Gesetzgeber nicht ausschließlich um die Übertragung der Alleinsorge ging. Vielmehr gibt es gegenwärtig bei der rechtlichen Elternschaft nur die Wahl zwischen gemeinsamer Sorge auf der einen und Alleinsorge eines Elternteiles auf der anderen Seite. Da § 1671 BGB für die Zwei-Eltern-Konstellation vorsieht, dass jeder Elternteil nur die gerichtliche Übertragung der Alleinsorge auf sich selbst beantragen kann, stellt sich außerdem die Frage, wie dies bei drei möglichen



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Sorgeberechtigten gehandhabt werden soll. Denkbar erscheint zunächst, dass jeder Elternteil alleine die Wahl hat, entweder die Alleinsorge oder die gemeinsame Sorge mit einem anderen Elternteil zu beantragen. Überspitzt formuliert: Einer allein hätte die Macht, einen anderen, gleichberechtigten Elternteil aus dem Rennen zu kicken. Dies ließe aber unberücksichtigt, dass das Gericht dem Antrag nur unter den oben aufgezeigten Voraussetzungen stattgibt. Liegt kein Elternkonsens vor (was im Falle des alleinigen Antrags nicht fernliegt), entscheidet das Gericht nach einer doppelten Kindeswohlprüfung. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es durchaus gerechtfertigt, einem Elternteil das alleinige Antragsrecht auch für die gemeinsame Sorgetragung zu zweit zuzubilligen. Voraussetzung für eine gemeinsame Sorgetragung ist aber grundsätzlich ein tragfähiger Konsens zwischen den sorgeberechtigten Eltern. Dieser Konsens sollte sich im sorgerechtlichen Verfahren auch nach außen hin manifestieren. Daher ist es den beiden Elternteilen, die in Zukunft zu zweit die Sorge für das Kind ausüben möchten, auch zuzumuten, einen gemeinsamen, gleichgerichteten Antrag bei Gericht zu stellen.

4.  Kein Sorgerecht des leiblichen, auch rechtlichen Vaters, § 1687a BGB In einer Vielzahl der Fälle von drei rechtlich zugeordneten Elternteilen wird der leibliche, auch rechtliche Vater nicht Inhaber der elterlichen Sorge werden.64 Wenn die Zuordnung des leiblichen Vaters dem Kindeswohl dient, besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ihm ein Umgangsrecht mit dem Kind zugesprochen wird. Es ergibt sich also eine von Trennungsfamilien (auch in der heutigen Rechtslage) häufig gelebte Konstellation, in der es einen rechtlichen Vater gibt, der zwar nicht sorgeberechtigt ist, dem aber ein Umgangsrecht zusteht. Hält sich das Kind daher beim leiblichen, auch rechtlichen Vater auf, so hat dieser für die Zeit des Aufenthaltes die alleinige Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung gemäß § 1687a BGB. Dies gilt freilich nicht, wenn sich das Kind unberechtigt bei ihm aufhält. Von dieser Entscheidungsbefugnis umfasst sind etwa die Essgewohnheiten oder die Freizeitgestaltung des Kindes. Dies gilt wiederum nicht, wenn der andere Sorgeberechtigte (oder die anderen Sorgeberechtigten) begründete Einwände gegen die Entscheidung des leiblichen, auch rechtlichen Vaters hat.65 Anderen Umgangsberechtigten als Elternteilen steht diese Entscheidungskompetenz gemäß § 1687a BGB nicht zu. Der Reformentwurf würde also die Kompetenzen des leiblichen Vaters erweitern im Vergleich zur derzeitigen 64  Zu denken sei hier insbesondere an Fälle, in denen das Kind in eine funktionierende Ehe zwischen Mutter und rechtlichem Vater geboren wird, die Übertragung der gemeinschaftlichen Sorge aller drei Beteiligten nicht dem Kindeswohl dient und auch sonst keine Sorgeerklärungen abgegeben wurden. 65  Vgl. MünchKommBGB/Hennemann, § 1687a Rn. 3.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

Regelung des § 1686a BGB. Diese Besserstellung ist durch das Kindeswohl gerechtfertigt. Die Reform will dem Kind einen weiteren vollrechtlichen Elternteil an die Seite zu stellen, wenn dies seinem Wohl dient. Dazu gehört aber auch, dass die Rechtsordnung dem zusätzlichen rechtlichen Elternteil vertraut und ihm die Kompetenzen nach § 1687a BGB zubilligt. Diesem Vertrauen steht das Loyalitätsgebot bei gemeinsamer rechtlicher Elternschaft gegenüber (vgl. §§ 1687a a. E., 1687 Abs. 1 S. 5, 1684 Abs. 2 S. 1 BGB): Der nicht sorgeberechtigte Elternteil hat alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.

5.  Fazit zu sorgerechtlichen Fragestellungen de lege ferenda Die Begründung der gemeinsamen Sorge auch im Drei-Eltern-Verhältnis ist auf Grundlage des bestehenden Normgefüges mit nur geringen Abweichungen möglich. Denn Konflikte zwischen Sorgeberechtigten können sowohl im Zweials auch im Drei-Personen-Verhältnis66 vorkommen. Mit den derzeitigen rechtlichen Instrumenten lassen sich daher auch sorgerechtliche Problemfälle im Interesse des Kindeswohles lösen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind. Für viele Kritiker einer Drei-Eltern-Lösung mag das Thema Sorgerecht ein neuralgischer Punkt sein. Zugegeben, die Probleme liegen hier eher im sozialen als im rechtlichen Bereich. In der Praxis wird es daher nur in Ausnahmefällen zu einer dreifachen rechtlichen Sorge für ein Kind kommen. Auf rechtlicher Ebene müssten durch eine solche Konstruktion die Grundwertungen des elterlichen Sorgerechtes nicht angetastet werden. Die Möglichkeit einer Begründung dreier Sorgerechtsverhältnisse zu einem Kind muss nicht zwingend zur Folge haben, dass alle sorgerechtlichen Normen auch auf den leiblichen, auch rechtlichen Vater anzuwenden sind. So ist es beispielsweise nicht einsichtig, warum der leibliche, auch rechtliche Vater, der zunächst nicht Inhaber der elterlichen Sorge geworden ist, von der Regelung des § 1680 BGB „profitieren“ können sollte. § 1680 Abs. 2 und 3 BGB ordnet für den Fall, dass der alleinsorgeberechtigte Elternteil gestorben ist oder ihm die elterliche Sorge entzogen wurde, an, dass dem anderen „übriggebliebenen“ Elternteil unter erleichterten Bedingungen die elterliche Sorge für das Kind übertragen werden kann; nämlich immer dann, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Die Regelung beruht auf dem Gedanken, dass es im Fall des Verlustes eines Elternteils für das Kind grundsätzlich besser ist, die elterliche Sorge dem anderen statusrechtlich zugeordneten Elternteil, dessen Elternrecht zudem respektiert werden muss, zu übertragen als einem Dritten. Verbleibt dem Kind aber – bedingt durch die rechtliche Drei-Elternschaft – ein bisher schon 66  Und das sogar ganz unabhängig vom Bestehen einer Paarbeziehung der sorgeberechtigten Eltern.



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sorgeberechtigter Teil, greift dieser Rechtsgedanke nicht. Dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bleibt stets der Weg über § 1626a BGB offen.

II.  Notwendige Neuerungen im Recht auf Umgang und Auskunft § 1684 BGB [E] Umgang des Kindes mit den Eltern (1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. (2) 1Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum den jeweils anderen Elternteilen beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. 2Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet. (3) 1Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. 2Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. 3Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). 4Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. 5Die Anordnung ist zu befristen. 6Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (4) 1Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. 2Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. 3Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. 4Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt. § 1686a BGB wird ersatzlos gestrichen

1.  Allgemeines zum Umgangsrecht eines Elternteiles § 1684 BGB gibt Eltern und ihren Kindern ein vom Status der Eltern unabhängiges, einheitliches Umgangsrecht. Im Gegensatz zu den Umgangsrechten von Nicht-Eltern regelt § 1684 BGB darüber hinaus eine korrespondierende Um-

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

gangspflicht der Eltern mit ihren Kindern. Dieses eigene Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Elternteilen verdeutlicht noch einmal die Grundwertung des Kindschaftsrechtes: Das Kind und seine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt.67 Daher soll die Frage nach dem „Ob“ des Umgangs mit dem Kind nicht ausschließlich in das Belieben des Elternteiles gestellt werden. Genau dies sieht aber § 1686a BGB de lege lata vor. Das Ausmaß des Umgangs zwischen dem Kind und seinem leiblichen, auch rechtlichen Vater bestimmen grundsätzlich die Eltern in gemeinsamer Verantwortung. Bestehen Unstimmigkeiten, kann das Familiengericht gemäß § 1684 Abs. 3 BGB Regelungen über Umfang und Ausübung des Umgangsrechtes treffen. Für gewöhnlich besteht der tatsächliche Umgang des Kindes mit seinem nicht betreuenden Elternteil aus zeitlich begrenzten Kontakten. Die genaue Ausgestaltung des Kontaktes bestimmt sich nach dem konkreten Einzelfall. Eine gesetzliche Wertung wird dazu nicht getroffen. Möglich sind persönliche Treffen mit oder ohne Übernachtungen, (Video-) Telefonate, Briefwechsel, E‑Mail- oder SMS-Kontakte.68 Die genaue Ausgestaltung obliegt den Eltern, die ihre Entscheidung wiederum am Wohl des Kindes zu orientieren haben. Das Umgangsrecht soll allerdings nicht dafür missbraucht werden, eine Form des Wechselmodells praktizieren zu können, bei dem das Kind zwischen den Haushalten hin und her wechselt. Dies gilt bereits für die Zwei-ElternKonstellation69 und muss erst Recht gelten, wenn das Kind möglicherweise einem Wechsel zwischen bis zu drei Haushalten ausgesetzt wird. Bei der Ausgestaltung des Umgangs sollte auch darauf geachtet werden, wie viele weitere umgangsberechtigte Personen einen Umgang mit dem Kind beanspruchen. Leben in einer Drei-Eltern-Konstellation keine der beteiligten Elternteile zusammen, und ist infolgedessen das Kind mit zwei unterschiedlichen Umgangsberechtigten neben seinem gewöhnlichen Aufenthalt belastet, dann ist dies bei der Ausgestaltung des Umgangs zu berücksichtigen.

2.  Geltung von § 1626 Abs. 3 BGB auch in Drei-Eltern-Konstellationen Die sorgerechtliche Bestimmung des § 1626 Abs. 3 BGB stellt die widerlegliche Vermutung auf, dass zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit seinen Elternteilen gehört. Der Wortlaut erfasst die rechtlichen Eltern des Kindes. Dem leiblichen, auch rechtlichen Vater würde also folgerichtig auch die gesetzliche Vermutungswirkung des § 1626 Abs. 3 BGB zugutekommen. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass die Vermutung bei der Frage nach der Kindeswohldienlichkeit im Feststellungsverfahren Beachtung gefunden hat. 67 

BT-Drucks. 13/8511, S. 67 f. § 1684 Rn. 19. 69  OLG Brandenburg, FamRZ 2010, 1352 (1354 f.). 68 NK-BGB/Peschel-Gutzeit,



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3.  Möglichkeit des Ausschlusses des Umgangsrechts Betrachtet man die Drei-Eltern-Konstellation als in erhöhtem Maße anfällig für soziale Konfliktsituationen, muss es Wege geben, den Umgang des leiblichen, auch rechtlichen Vaters einzuschränken oder gänzlich auszuschließen. Gemäß § 1684 Abs. 4 BGB kann der Umgang zwischen einem Elternteil und seinem Kind dann ausgeschlossen werden, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Bei der gerichtlichen Entscheidung zum Umgangsausschluss sind die verschiedenen Grundrechtspositionen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Dabei stehen sich insbesondere das durch den Umgangsausschluss tangierte Elternrecht auf Seiten der beteiligten Elternteile gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 GG sowie das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger gegenüber.70 Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, müssen bei Änderungen der Umgangsausgestaltung stets auch mildere, das Kindeswohl ebenso schützende Mittel in Erwägung gezogen werden, bevor der endgültige Ausschluss des Umgangsrechtes ausgesprochen wird. In der Drei-Eltern-Konstellation, in der das Konfliktpotential der Eltern untereinander erhöht ist, wird dies besonders relevant.71 Zwar wird, wenn die beteiligten Eltern stark zerstritten sind, eine leibliche, auch rechtliche Vaterschaft gar nicht erst festgestellt werden. Dennoch muss – für den Fall der Fälle – gewährleistet sein, das Umgangsrecht des leiblichen, auch rechtlichen Vaters ausschließen zu können.

4.  Streichung des § 1686a BGB Eher klarstellend sei an dieser Stelle erwähnt, dass der materielle Regelungsgehalt des § 1686a BGB wegfällt, wenn der leibliche Vater die Möglichkeit erhält, eine vollwertige rechtliche Vaterstellung zu erlangen. Dem leiblichen Vater soll es nicht möglich sein, daneben noch die Rechte aus § 1686a BGB zu beanspruchen. Ist seine Zuordnung trotz Erprobung nicht kindeswohldienlich, so soll er auch keinen Umgangs- oder Auskunftsanspruch haben. Zudem wird eine Kindeswohldienlichkeit in den meisten Fällen hiernach ohnehin nicht gegeben sein. Daher wird § 1686a BGB ersatzlos gestrichen.

5.  Auskunftsrecht, § 1686 BGB Neben dem Umgangsrecht gemäß § 1684 BGB steht dem leiblichen, auch rechtlichen Vater ebenfalls das Auskunftsrecht über die persönlichen Belange des Kindes zu, soweit er ein berechtigtes Interesse hat und dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dieser Anspruch ist unabhängig von der Inhaberschaft eines Sorge- oder Umgangsrechtes und ist das Elternrecht, das am schwierigsten zu 70 

BVerfG, FamRZ 2004, 1166 (1167). § 1684 Rn. 41.2.

71 BeckOK-BGB/Veit,

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

entziehen ist. Ein berechtigtes Interesse besteht insbesondere dann, wenn dem Elternteil ein Umgangsrecht nicht zusteht oder ein solches faktisch nicht ausgeübt werden kann, etwa wenn das Kind einen Umgang mit dem Berechtigten in jeder Form ablehnt.72 Es sind nur seltene Fälle denkbar, in denen die Auskunft über persönliche Verhältnisse des Kindes dessen Wohl widerspricht. In Betracht kommt allenfalls die missbräuchliche Verwendung von Informationen durch den Anspruchsinhaber. Abzuwägen ist auch bei Auskünften, die zu sehr in die Privatsphäre eines Jugendlichen eindringen. Für den leiblichen, auch rechtlichen Vater ergeben sich bezüglich des Auskunftsrechtes keine nennenswerten Besonderheiten.

6.  Fazit zu umgangsrechtlichen Fragestellungen Das Umgangsrecht bedarf in einer Drei-Eltern-Konstellation keiner einschneidenden gesetzlichen Änderung. Die Grundsätze, die sich für das ZweiEltern-Verhältnis herausgebildet haben, sind auch bei drei rechtlichen Elternteilen uneingeschränkt anzuwenden. Dabei ist auch keine unverhältnismäßige Mehrung von Umgangsberechtigten im Vergleich zur geltenden Rechtslage zu befürchten. Zwar hat das Umgangsrecht im Sinne von § 1684 BGB eine andere Qualität als dasjenige im Sinne von § 1686a BGB. Dieser Unterschied wird aber dadurch ausgeglichen, dass der Feststellung eines weiteren rechtlichen Vaters eine grundlegende Kindeswohlprüfung unter Abwägung aller Konsequenzen vorangeht.

III.  Unterhaltsrechtliche Fragestellungen 1. Allgemeines Neben der Pflicht zum Umgang mit dem Kind ist für den leiblichen, auch rechtlichen Vater die Unterhaltspflicht von Bedeutung. Grundsätzlich geht § 1601 BGB davon aus, dass Verwandte in gerader Linie einander zum Unterhalt verpflichtet sind. Die Pflicht zum Unterhalt knüpft also an die rechtliche Verwandtschaft im Sinne von § 1589 BGB an und beschränkt sich auf die Verwandtschaft in gerader Linie. Einen Anspruch auf Unterhaltsleistung hat nur derjenige, der bedürftig im Sinne von § 1602 BGB ist. Unterhalt zahlen muss nur, wer gemäß § 1603 BGB leistungsfähig ist. Für den Kindesunterhalt, also die Leistungen der Eltern an ihre Kinder, stellt das Gesetz besondere Regelungen auf. Insbesondere besteht für Eltern gegenüber ihren minderjährigen oder privilegiert volljährigen (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB) Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Die Eltern müssen alle verfügbaren Mittel aufwenden, um den Bedarf 72 BeckOK-BGB/Veit,

§ 1686 Rn. 3.1.; BT-Drucks. 8/2788, S. 55.



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ihrer unterhaltsberechtigten Kinder zu decken. Daher gelten für einen unterhaltspflichtigen Elternteil auch gesteigerte Erwerbsobliegenheiten. Das Unterhaltsrecht ist abgekoppelt vom Status der Eltern. Das Kind hat gegen jeden Elternteil einen eigenen subjektiven Anspruch auf Gewährung der benötigten Unterhaltsleistung. Somit stellen mehrere Unterhaltsschuldner bereits de lege lata den Regelfall dar.

2.  Haftung der Eltern für den Unterhalt des Kindes Die Eltern sind keine Gesamtschuldner, sondern haften dem Kind gegenüber als Teilschuldner für den jeweils zu leistenden Anteil.73 Hierfür setzt § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB fest, dass mehrere gleich nahe Verwandte anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften. Dabei wird unterschieden zwischen dem Unterhalt für volljährige und dem für minderjährige Kinder.

a.  Minderjährige Kinder Leben die Eltern eines minderjährigen, unverheirateten Kindes nicht zusammen und betreut ein Elternteil das Kind allein, kann dies die Art der jeweiligen Unterhaltsgewährung beeinflussen. Gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB unterscheidet das Gesetz zwischen dem Barunterhalt auf der einen und dem Betreuungsunterhalt auf der anderen Seite. Die Betreuung umfasst die Pflege und Erziehung des Kindes. Der die Betreuung des Kindes übernehmende Elternteil erfüllt hiermit „in der Regel“ bereits seine Unterhaltspflicht. Freilich kann es unter bestimmten, engen Voraussetzungen Ausnahmen von dieser Regel geben. Somit hat der Gesetzgeber eine gewisse Flexibilität erhalten.

b.  Volljährige Kinder Die Berechnung der anteiligen Unterhaltsverpflichtung der Elternteile für das volljährige Kind ist verhältnismäßig einfach. Sämtliche Elternteile sind dem Kind zum Barunterhalt verpflichtet. Volljährige Kinder bedürfen in der Regel nicht mehr der Betreuung durch einen Elternteil; zumindest wird von den Eltern ab Volljährigkeit des Kindes mit auslaufender elterlicher Sorge eine Betreuung nicht länger geschuldet.74 Dabei ist es ebenfalls unerheblich, ob die Eltern die tatsächliche Betreuung weiterhin leisten.75

73 

BGH, NJW 1971, 1983 (1985); BGH, NJW 1981, 923 (924). § 1606 Rn. 10. 75  BGH, NJW 2008, 227 (228). 74 NK-BGB/Saathoff/Reuter,

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

c.  Ausfallhaftung eines Elternteiles Sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig, und ist einer von ihnen außerstande, seinen Beitrag zu leisten, kann den leistungsfähigen Elternteil die volle Unterhaltslast treffen. Denn die Verletzung der elterlichen Erwerbsobliegenheit soll nicht zulasten des Kindes gehen.76 Dem Elternteil, der den Unterhaltsanspruch allein erfüllt hat, steht ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil zu, sofern die Voraussetzungen des § 1607 BGB nicht vorliegen.77

3.  Maß des Kindesunterhalts Gemäß § 1610 Abs. 1 BGB richtet sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Beim Kindesunterhalt kommt die Besonderheit hinzu, dass sich minderjährige Kinder noch nicht eigenständig eine Lebensstellung schaffen können. Da minderjährige Kinder finanziell von ihren Eltern abhängig sind, wird auch ihre Lebensstellung von der ihrer Eltern abgeleitet.78 Leben die Eltern nicht zusammen, so wird regelmäßig auf die Lebensstellung des barunterhaltspflichtigen Elternteiles abgestellt.79 Das Kind besitzt keine Lebensstandardgarantie, sondern ist aufgrund der abgeleiteten Lebensstellung abhängig von den – möglicherweise Schwankungen unterworfenen – wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Eltern. Die Grundlage für die Berechnung des genauen Unterhaltes bildet die Düsseldorfer Tabelle. Im Einzelfall kann es aber Umstände geben, die eine Abweichung vom Tabellenunterhalt erforderlich machen.

4.  Anwendung des geltenden Rechts auf Drei-Eltern-Konstellationen Das geltende Unterhaltsrecht kann in seiner bestehenden gesetzlichen Struktur unverändert auch auf Drei-Eltern-Konstellationen angewendet werden. Hierbei ergeben sich auch keine Unterschiede zwischen volljährigen und minderjährigen Kindern. Das Kind gewinnt einen vollwertigen Unterhaltspflichtigen hinzu. Auch die Berechnung des Unterhaltsanspruches erfolgt nach denselben Grundsätzen wie im Zwei-Personen-Verhältnis. Durch die Haftung als Teilschuldner wird das Risiko von Streitigkeiten der Eltern untereinander, die sich negativ auf das Kindeswohl auswirken könnten, minimiert. Auch die Unterscheidung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt lässt sich sehr gut auf das Drei-Per76 

OLG Koblenz, FamRZ 1996, 756 (766); NK-BGB/Saathoff/Reuter, § 1606 Rn. 13. § 1606 Rn. 34. 78  BGH, NJW 2000, 954 (955); allg. Meinung, Staudinger/Engler/Kaiser, § 1610 Rn. 10; Erman/Hammermann, § 1610, Rn. 18; MünchKommBGB/Born, § 1610 Rn. 10; NK-BGB/ Kath-Zurhorst/Reuter, § 1610 Rn. 3. 79  BGH, NJW 2000, 954 (955). 77 Erman/Hammermann,



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sonen-Verhältnis übertragen, da sie anhand tatsächlicher Kriterien vollzogen wird. Die Entscheidung, bei welchem Elternteil das Kind leben soll, obliegt den nicht in Gemeinschaft lebenden Elternteilen auch in Zwei-Personen-Konstellationen. Die Zuordnung des leiblichen, auch rechtlichen Vaters würde rückwirkend zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes erfolgen. Der Unterhaltsanspruch des Kindes würde also ab diesem Zeitpunkt bestehen. Grundsätzlich ist aber die Unterhaltsgewährung für die Vergangenheit aus Gründen des Schuldnerschutzes gesetzlich nicht vorgesehen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist § 1613 Abs. 2 Nr. 2 lit. a BGB, der einen Unterhaltsanspruch auch für die Vergangenheit gewährt, wenn der Unterhaltsberechtigte aus rechtlichen Gründen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches gehindert war. Somit hat das Kind rückwirkend zum Zeitpunkt seiner Geburt einen Anspruch auf die im Einzelfall zu berechnende Teilunterhaltsleistung gegen den leiblichen, auch rechtlichen Vater. Eine grundsätzlich unbeschränkte Unterhaltspflicht des leiblichen, auch rechtlichen Vaters könnte unbillig sein, sofern dieser an der Sorgetragung für das Kind nicht beteiligt ist und ihm etwa „nur“ ein Umgangsrecht zusteht.80 Diesem Einwand steht aber die Dogmatik des Unterhaltsrechts entgegen: Anknüpfungspunkt für den Verwandtenunterhalt ist die rechtliche Verwandtschaft und nicht etwa die Inhaberschaft von Rechten, die aus der Abstammung folgen. Der leibliche, auch rechtliche Vater nimmt eine vollwertige, unterschiedslose Vaterstellung ein, zu der auch die Unterhaltspflicht gehört. Es ergeben sich auch keine Unterschiede zur Zwei-Eltern-Konstellation. Auch dort ist die Pflicht zu Unterhaltsleistungen nur abhängig von der rechtlichen Verwandtschaft. Es gibt nicht selten Fälle, in denen einem Elternteil die elterliche Sorge für das Kind nicht zusteht, dieser aber dennoch zu Unterhaltszahlungen für das Kind verpflichtet ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies nicht auf Drei-ElternKonstellationen übertragbar sein sollte. Dieser Umstand ist der Dogmatik des Unterhaltsrechts geschuldet und gerade nicht der Besonderheit von drei Elternteilen. Da die Unterhaltspflicht in gerader Linie sowohl ab- als auch aufsteigend besteht, ist das Kind in späteren Jahren durch die Zuordnung eines dritten Elternteiles gegenüber einem weiteren Unterhaltsgläubiger verpflichtet. Zwar kommt es durch demographisch gewandelte Altersstrukturen und hohe Kosten der Pflege im Alter immer häufiger dazu, dass Kinder ihren bedürftigen Eltern unterhaltspflichtig werden. Im Gegensatz zum Unterhalt der Eltern gegenüber ihren Kindern besteht im umgekehrten Fall aber keine gesteigerte Unterhaltspflicht. Die Selbstbehaltsgrenze ist daher wesentlich höher angesetzt. 80  So offenbar: Heiderhoff, Kann ein Kind mehrere Väter haben?, FamRZ 2008, 1901 (1907).

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

Hinzu kommt, dass Eltern in der Rangfolge von Unterhaltsberechtigten gemäß § 1609 Nr. 6 BGB sehr weit unten stehen. Durch den Selbstbehalt ist das Kind vorweg also vor übermäßiger Inanspruchnahme durch seine Eltern geschützt. Hier ergeben sich auch keine der Drei-Eltern-Konstellation immanente Probleme. Zuzugeben ist aber, dass sich das Risiko, eine Unterhaltsverpflichtung für die Eltern erfüllen zu müssen, um eine Person potenziert. Dies rechtfertigt allerdings noch keine Änderung des Unterhaltsrechts. Dem „mehr“ an potentiellen Unterhaltsgläubigern wird ein „mehr“ an Unterhaltsschuldnern gegenüber gestellt, die – qua gesteigerter Unterhaltsverpflichtung – verhältnismäßig häufiger in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus bietet sich auch für das Unterhaltsrecht ein Vergleich zur Rechtslage nach einer Volljährigenadoption an. Denn dort kennt das Gesetz eine Verpflichtung von vier Elternteilen, Unterhalt zu gewähren. Auch wenn die Volljährigenadoption auf einem Willensakt basiert, begründet sie eine rechtliche Verwandtschaft zu den Adoptiveltern, während die rechtliche Verwandtschaft zur Herkunftsfamilie – und damit auch die Unterhaltspflicht – bestehen bleibt.81 Bei der Zuordnung eines weiteren rechtlichen Vaters wird die Willenserklärung des Anzunehmenden, die für die Volljährigenadoption nötig ist, durch die Kindeswohldienlichkeit oder bei Volljährigkeit durch die Zustimmung äquivalent ersetzt, sodass keine Wertungswidersprüche zu befürchten sind. Was die Berechnung der genauen Höhe des kindlichen Unterhaltsanspruches angeht, so kann auch bei der Beteiligung eines dritten Elternteiles auf die oben erörterten Grundsätze verwiesen werden.82 Das Maß des Unterhaltes richtet sich nach der Lebensstellung des Kindes, welche sich wiederum von den Eltern ableitet. In Zwei-Eltern-Konstellationen wird hier bei Getrenntleben der Eltern auf den barunterhaltspflichtigen Elternteil abgestellt. Sind zwei Elternteile barunterhaltspflichtig und wird das Kind vom dritten Elternteil alleine betreut, so erscheint es angemessen, beide Lebensverhältnisse zusammenzurechnen und für das Kind hieraus das Mittel zu errechnen. Jeder der Unterhaltspflichtigen entrichtet sodann den auf ihn entfallenden Betrag. Dies wäre folgerichtig für eine zusätzliche, vollwertige rechtliche Elternschaft. Das Kind soll an der Lebenssituation aller Elternteile gleichermaßen beteiligt werden. Schwieriger gestaltete sich die Berechnung des Unterhaltes, wenn das Kind bei zwei der drei Elternteilen aufwächst, also auch betreut und erzogen wird, und der dritte Elternteil lediglich regelmäßigen Umgang mit dem Kind pflegt oder aber auch Sorgerechtsinhaber ist und mit dem Kind keinen gemeinsamen Haushalt führt. 81 § 1770 Abs. 3 BGB trifft insoweit eine unterhaltsrechtliche Sonderregelung für die Volljährigenadoption, als nach dieser Norm die Adoptiveltern dem Angenommen vorrangig vor den leiblichen Verwandten für seinen Unterhalt haften. Umgekehrt gilt dies aber nicht für den Verwandtenunterhalt, den sowohl die leiblichen Verwandten als auch die Adoptiveltern geltend machen können; vgl. Staudinger/Frank, § 1770 Rn. 12. 82  Vgl. MünchKommBGB/Born, § 1606 Rn. 7 ff.



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Dieses Problem ergibt sich nur in einer Drei-Eltern-Konstellation und ist daher gesondert zu beurteilen. Die konsequente Übernahme der im Zwei-Eltern-Verhältnis entwickelten Grundsätze hätte zur Folge, dass sich die pflegenden und erziehenden Elternteile im Verhältnis zum dritten Elternteil auf § 1603 Abs. 3 S. 2 BGB berufen. Allein barunterhaltspflichtig wäre demnach der dritte Elternteil. Sind die betreuenden Elternteile darüber hinaus verheiratet, so wird der Anspruch des Kindes auf Unterhalt zudem durch einen Anspruch des einen Ehegatten83 gegen den anderen auf Leistung eines angemessenen Familienunterhaltes gemäß §§ 1360 f. BGB zumindest teilweise überlagert. Die Rechtslage ist in solchen Fällen deutlich komplizierter, ist aber dennoch kein Grund für eine Gesetzesänderung. Vielmehr kann auch hier davon ausgegangen werden, dass zunächst alle drei rechtlichen Elternteile barunterhaltspflichtig sind. In diesen Konstellationen wird allerdings genau ermittelt werden müssen, wie die Betreuungszeiten innerhalb der bestehenden Ehe oder auch nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufgeteilt sind. Die Barunterhaltspflicht mindert sich somit durch die Quote an Betreuungsleistung. Nach Ermittlung der Quote wird die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteiles bestimmt. Für das konkrete Maß des jeweiligen Anspruches werden auch hier die Lebensstellungen der drei Elternteile addiert und das Mittel hieraus errechnet. Der nicht betreuende Elternteil zahlt den nach seinen Einkommensverhältnissen auf ihn fallenden Teil an das Kind. Wie die Barunterhalts- und Betreuungsverhältnisse unter den betreuenden Elternteilen aufgeteilt werden, ist bei lebensnaher Betrachtung nicht stets zu kontrollieren.

5.  Fazit zu unterhaltsrechtlichen Fragestellungen Es bedürfte keiner gesetzlichen Neuerungen im Unterhaltsrecht. Das Unterhaltsrecht erfüllt im Eltern-Kind-Verhältnis eine dienende Funktion und muss aufgrund seiner Abhängigkeit die abstammungsrechtlichen Gegebenheiten konsequent nachvollziehen. Der Unterhaltsbedarf eines Kindes wächst nicht mit der Zuordnung eines weiteren Mannes als leiblicher, auch rechtlicher Vater. Fraglich bleibt lediglich, wie die drei beteiligten Personen den Bedarf des Kindes befriedigen. Aber auch hier kann auf die für das Eltern-Kind-Verhältnis entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Durch leichte Modifikationen können die verschiedenen Interessen in einen gerechten Ausgleich gebracht werden.

83 Umstritten ist, ob dem Kind gemäß § 1360 BGB ein eigener Anspruch gegen seine Eltern auf Leistung von Familienunterhalt zusteht. Mit dem Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut des § 1360 BGB („Die Ehegatten“) ist ein solcher Anspruch allerdings abzulehnen. So auch: NK-BGB/Kaiser, § 1360 Rn. 8.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

IV.  Erbrechtliche Fragestellungen Ebenso wie das Unterhaltsrecht orientieren sich das gesetzliche Erbrecht und das Pflichtteilsrecht am Vorliegen von rechtlicher Verwandtschaft. Da der leibliche, auch rechtliche Vater eine vollwertige rechtliche Vaterstellung einnimmt, liegt die Annahme nahe, dass auch das Erbrecht in seiner geltenden Form im Drei-Eltern-Verhältnis Anwendung findet und keiner Modifikation bedarf. Im folgenden Abschnitt werden die grundlegenden erbrechtlichen Probleme in dieser Konstellation behandelt. Stets ist dabei im Hinterkopf zu behalten, dass die Regelungen der gesetzlichen Erbfolge von der gewillkürten Erbfolge verdrängt werden können. Das Erbrecht bietet einen großen Gestaltungsraum. Nicht umgangen werden kann allerdings das Pflichtteilsrecht, auf das auch gesondert eingegangen wird.

1.  Das Kind dreier Eltern als Erblasser Die Eltern eines Erblassers und deren Abkömmlinge gehören gemäß § 1925 BGB zu den gesetzlichen Erben zweiter Ordnung. Ist ein Verwandter erster Ordnung nicht vorhanden (vgl. § 1930 BGB), so erben die Eltern eines Erblassers allein und zu gleichen Teilen. Hätte das Kind drei statt zwei rechtliche Elternteile, so würden diese drei allein zu gleichen Teilen erben, § 1925 Abs. 2 BGB. Nach seinem Wortlaut ist § 1925 Abs. 2 BGB unverändert auf die DreiEltern-Konstellation anwendbar, da hier lediglich von „Eltern“ die Rede ist und keine Beschränkung auf zwei Personen vorgesehen ist. Wie beim Elternunterhalt bietet sich für das Erbrecht der Vergleich mit der Multiplikation der Elternpositionen durch die Volljährigenadoption an. Denn auch hier ist es durchaus denkbar, dass bis zu vier Personen in die Rolle der Eltern des volljährig Angenommenen schlüpfen und allesamt gesetzlich erbberechtigt sind. Dabei werden die leiblichen Elternteile und die annehmenden Elternteile nicht jeweils zu einem Stamm verschweißt, sondern jeder bildet für sich einen eigenen. Denn die Verwandtschaft zum Erblasser besteht jeweils einzeln in der Person des Elternteiles; die Elternpaare bilden keine Einheit, sondern sind als Einzelpersonen erbberechtigt.84 Verstirbt das Kind dreier Eltern, ohne Abkömmlinge hinterlassen zu haben, und leben die drei Elternteile noch, wird der Nachlass folglich gleichmäßig auf die drei Stämme aufgeteilt; jeder erbt zu einem Drittel. Ist einer der drei Elternteile oder sind auch zwei vorverstorben, kommt § 1925 Abs. 3 BGB zur Anwendung. An die Stelle des vorverstorbenen Elternteiles (oder der verstorbenen Elternteile) treten dessen (oder deren) Abkömmlinge und beerben den Erblasser nach den Vorschriften für die Beerbung in der ersten Ordnung. Dies müssen keine vollbürtigen Geschwister des Erblas84 Staudinger/Werner,

§ 1925 Rn. 9.



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sers sein, entscheidend ist die jeweilige rechtliche Stellung als Abkömmling des vorverstorbenen Elternteiles.85 Hinterlässt ein vorverstorbener Elternteil keine Abkömmlinge, so erben die noch lebenden Elternteile allein, § 1925 Abs. 3 S. 2 BGB. Bei der gesetzlichen Erbfolge ergeben sich also auch für das Kind dreier Elternteile keine unlösbaren Besonderheiten. Hat das Kind dreier Eltern von seiner Testierfreiheit Gebrauch gemacht und einen Elternteil oder alle seine Elternteile durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so bleibt die Frage offen, ob auch das Pflichtteilsrecht in seiner jetzigen Ausgestaltung uneingeschränkt Anwendung finden kann. Gemäß § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB können auch Eltern von den Erben den Pflichtteil verlangen. Die Bedeutung des elterlichen Pflichtteilsrechtes wird aber durch § 2309 BGB relativiert: Die Pflichtteilsberechtigung der Eltern des Erblassers ist immer dann ausgeschlossen, wenn ein Abkömmling des Erblassers, der die Eltern auch von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann. Grundsätzlich sind die Vorschriften über das Pflichtteilsrecht ohne Modifikation auf Drei-Eltern-Konstellationen übertragbar. Auch hier kann wiederum ein Vergleich mit der Vermehrung von Elternpositionen durch die Volljährigenadoption gezogen werden. Hätte der Gesetzgeber nicht gewollt, dass mehr als zwei Elternteile pflichtteilsberechtigt sind, dann hätte er es bereits für diese Konstellation so geregelt. Das Erbrecht ist allerdings akzessorisch zum Recht der Abstammung und bildet dessen Ergebnisse konsequent nach.

2.  Die jeweiligen Elternteile als Erblasser Stirbt ein Elternteil, so ist das Kind als dessen vollwertiger rechtlicher Abkömmling ein gesetzlicher Erbe erster Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB). Unter einem Abkömmling werden alle Personen verstanden, die mit dem Erblasser absteigend in gerader Linie verwandt sind (§ 1589 S. 1 BGB). Entscheidend ist dabei allein die rechtliche Verwandtschaft.86 Hat das Kind drei rechtlich zugeordnete Elternteile, so ist es ohne Vorversterben dreimal in erster Ordnung gesetzlich erbberechtigt. Das Kind wird dadurch rechtlich genauso wenig bevorzugt wie ein solches Kind benachteiligt wird, dem niemals ein rechtlicher Vater zugeordnet wurde und dass somit nur einmal nach seiner Mutter erbberechtigt ist. Ebenso verhält es sich grundsätzlich mit den Fragen des Pflichtteilsrechtes. Wird das Kind von einem oder mehreren seiner Elternteile durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so ist es gemäß § 2303 Abs. 1 85 BeckOK-BGB/Müller-Christmann, § 1925 Rn. 6; MünchKommBGB/Leipold, § 1925 Rn. 5; Staudinger/Werner, § 1925 Rn. 14. 86  BGH, NJW 1989, 2197 (2198); MünchKommBGB/Leipold, § 1924 Rn. 3.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

BGB berechtigt, von dem oder den Erben den Pflichtteil zu verlangen. Die Eltern bilden auch hier keine irgendwie geartete Einheit, sondern das Kind wird nach dem Versterben jedes einzelnen Elternteiles zum Pflichtteilsberechtigten.

3.  Fazit zu erbrechtlichen Fragestellungen Das gesetzliche Erbrecht und das Pflichtteilsrecht knüpfen an die rechtliche Verwandtschaft an. Wird also eine rechtliche Verwandtschaft postuliert, dann beugt sich dem das Erbrecht und vollzieht die abstammungsrechtlichen Wertungen nach. Daher bedarf es auch im Drei-Eltern-Verhältnis keiner Modifikation der erbrechtlichen Bestimmungen. Auch eklatante Wertungswidersprüche sind hierdurch nicht zu befürchten. Besonders deutlich wird dies durch einen Vergleich mit der Rechtslage nach einer Volljährigenadoption. Hier erhält ein Kind bis zu vier vollwertige rechtliche Elternteile. Diese sind auch uneingeschränkt erb- und pflichtteilsberechtigt. Das Erbrecht unterscheidet bezüglich einer grundsätzlichen Stellung als Erbe oder als Erblasser nicht zwischen Minderjährigen und Volljährigen. Daher kann diesem Vergleich auch nicht entgegengehalten werden, dass die Zuordnung eines leiblichen Vaters den gesetzlichen Wertungen für die Beteiligung von Minderjährigen widerspricht. Die Drei-Eltern-Lösung sieht sich daher auch nicht mit unlösbaren erbrechtlichen Schwierigkeiten konfrontiert. In Familien mit mehreren Elternteilen bietet sich insbesondere auch die gewillkürte Erbfolge an, sofern die gesetzliche im Einzelfall nicht passend erscheint. Wie gegenwärtig für Patchwork-Familien werden Notare auch für drei rechtlich gleichwertige Elternteile sehr zeitig die passenden Formulare parat haben.

V.  Verfahrensrechtliche Neuerungen § 167a FamFG wird ersatzlos gestrichen.87 Neben den wenigen materiell-rechtlichen Änderungen, die eine Drei-ElternKonstellation mit sich brächte, wäre auch an eine Anpassung des Verfahrensrechts zu denken. Das abstammungsrechtliche Verfahren im Drei-Eltern-Verhältnis wurde oben bereits dargelegt. Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle aber erwähnt sein, dass die Streichung des § 1686a BGB de lege ferenda auch dessen verfahrensrechtlichen Flankierung in Gestalt des § 167a FamFG den Anwendungsbereich entzieht. Daher wäre § 167a FamFG ebenfalls ersatzlos zu streichen. Auch wenn die Rechte während der Probezeit dem jetzigen § 1686a BGB nachgebildet werden, können diese in Zukunft im Rahmen des Feststellungsverfahrens geltend gemacht werden. 87  Darüber hinaus sollen die durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters (BGBl. 2013 I, 2176) Neuerungen eher redaktioneller Natur durch § 14 Abs. 1 Nr. 7 RPflG sowie § 45 Abs. 1 FamGKG rückgängig gemacht werden.



E.  Positive Folgen

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D.  Zusammenfassung der Ergebnisse In diesem Kapitel wurde untersucht, wie sich eine vollwertige zweite rechtliche Vaterschaft auf die zentralen Bereiche des Kindschaftsrechts und des Erbrechts auswirken würde. Es hat sich gezeigt, dass hierdurch keine unlösbaren Probleme zu erwarten sind. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine zusätzliche Elternfigur durchaus für zwischenmenschliche Spannungen sorgen kann – mit negativen Folgen für das Kindeswohl. Der Gesetzgeber sollte aber deshalb nicht halbseidene Regelungen wie den § 1686a BGB erlassen, der erkennbar der Feder eines auf seine Rechte pochenden biologischen Vaters entstammt, der aus welchen Gründen auch immer den Weg vor den EGMR angetreten hat. Vielmehr sollte die Rechtsordnung den Blick wieder auf das Kind und seine Bedürfnisse richten. Dabei ist es wohl nicht zu gewagt, das Kindeswohl im Einzelfall zu prüfen statt auf eine generalisierende Kindeswohlentscheidung zu bauen, die auf dem Schutz der sozial-familiären Beziehung beruht.

E.  Positive Folgen – insbesondere mit Blick auf die Rechtslage nach der Einführung von § 1686a BGB Ein flexibles Abstammungsrecht, das sich konsequent am Kindeswohl orientiert, hat mehrere positive Auswirkungen.

I.  Keine „Vaterschaft light“ Am meisten wurde nach der Einführung von § 1686a BGB kritisiert, dass der leibliche Vater eine besondere Rechtsstellung eingeräumt bekomme, mit dieser Stellung aber keine Pflichten korrespondierten. Dieses Ungleichgewicht ist tatsächlich nicht zu rechtfertigen. Es ließe sich aber ausgleichen durch die Installation einer weiteren rechtlichen Vaterschaft. Denn einem beliebigen, zwar genetisch, aber nicht rechtlich verknüpften Elternteil Pflichten aufzuerlegen wäre nicht gerechtfertigt; hierzu fehlt schlicht die Rechtsgrundlage. Erst wenn dem leiblichen Vater die Rechtsstellung eines vollwertigen Elternteils zugebilligt wird, kann ihm als Träger des Elternrechts die Pflicht zur Sorge und Unterhalt für das Kind auferlegt werden. Anderenfalls bliebe es bei der vielfach kritisierten88 „Vaterschaft light“. Der leibliche Vater müsste sich nun für oder gegen das Kind, dem bereits ein anderer rechtlicher Vater zugeordnet ist, entscheiden. Dies ließe hoffen, dass nur diejenigen leiblichen Väter tatsächlich an die bestehenden Sozialfamilien 88 NK-BGB/Peschel-Gutzeit, § 1686a Rn. 13; Hähnchen, Vergangenheit und Zukunft der Rechte des nichtehelichen Vaters, JZ 2015, 708 (709).

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

herantreten, die tatsächlich vollwertige (auch rechtliche) Väter sein wollen. Ein Vater, der nicht nur Rechte erhält, sondern auch gewöhnliche elterliche Pflichten zu tragen hat, wird es sich genauer überlegt haben, den (wenn auch in manchen Fällen nur vermeintlichen) Frieden der sozial gelebten Familie zu gefährden. Mit § 1686a BGB hat der leibliche Vater nur zu gewinnen, aber nichts zu verlieren.

II.  Mehr Einzelfallgerechtigkeit Die vollwertige rechtliche Vaterstellung des leiblichen Vaters könnte zudem zu einer breiteren Akzeptanz des Auseinanderfallens von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft innerhalb der Familie führen. Die sozialen Eltern könnten sich sicher sein, dass der leibliche Vater nicht nur seine eigenen Bedürfnisse durch Umgang mit dem Kind und einem Auskunftsverlangen befriedigt, sondern er auch in die Verantwortung genommen werden kann.89 Eine größere Akzeptanz wird freilich meist nicht gegeben sein, wenn die Beziehungen zwischen den verschiedenen Elternfiguren stark belastet sind. Es ist aber auch äußerst fraglich, ob in diesen Situationen die Feststellung eines weiteren rechtlichen Vaters dem Kindeswohl entsprechen kann. Hier bleibt lediglich der Appell an die Eltern, eigene Eitelkeiten hinter die tatsächlichen Bedürfnisse des Kindes zu stellen. Stets ist zu bedenken, dass die betreffenden Familien nur eine Minderheit darstellen und eine rechtliche Mehrelternschaft kein Massenphänomen werden wird. Trotzdem ist kein Grund ersichtlich, besondere Konstellation nicht rechtlich auszugestalten oder nur so unzureichend wie in § 1686a BGB. Es geht um die rechtliche Absicherung einzelner und – bei Kindeswohldienlichkeit – schützenswerter familiärer Ausprägungen. Ihnen kann ein Recht zur flexiblen Regelung ihrer Verhältnisse nicht von vorneherein abgesprochen werden.90 Ferner wird dem Kind, bei dem rechtliche und leibliche Vaterschaft auseinanderfallen, die Möglichkeit eröffnet, seine tatsächlichen Bindungen und sozialen Gefüge auch rechtlich nachzuzeichnen. Ohne die Möglichkeit der gerichtlichen Zuordnung wäre dies de lege lata nur bei Volljährigkeit des Kindes im Wege der Volljährigenadoption denkbar.

III.  Keine Auslegung des „ernsthaften Interesses“ nötig Bis jetzt hat sich in der Rechtsprechung keine Tendenz herausgebildet, wie der neue unbestimmte Rechtsbegriff des „ernsthaften Interesses“, das der leibliche, nicht rechtliche Vaters am Kind zeigen soll, auszulegen ist. Die dazu bisher 89  Vgl.

die Argumentation bei Helms, Anmerkung zu EuGHMR, Urt. vom 15. 9. 2011 – Beschwerde Nr. 17080/07, FamRZ 2011, 1717. 90  Vgl. auch: Remus/Liebscher, Wohnst du noch bei oder sorgst du schon mit? – Das Recht des Samenspenders zur Anfechtung der Vaterschaft, NJW 2013, 2558 (2561).



E.  Positive Folgen

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veröffentlichten Beiträge und Kommentierungen machen deutlich, dass die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals des § 1686a BGB sehr umstritten sein wird.91 Dies mag zum einen daran liegen, dass die Beispiele in der Gesetzesbegründung (anstelle einer praktikablen Definition) sehr willkürlich gewählt erscheinen:92 Von der Gesetzesbegründung vorgesehen ist beispielsweise die Begleitung der Mutter zu Vorsorgeuntersuchungen oder der Entbindung, der Wunsch, möglichst bald Kontakt zu dem Kind aufzubauen, das Angebot von finanzieller Unterstützung für das Kind oder die Bekenntnis des leiblichen Vaters zu dem Kind vor oder nach der Geburt.93 Zum anderen ist die Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffes durch die Rechtsprechung per se mit einigen Schwierigkeiten verbunden und braucht eine gewisse Zeit.

IV.  Nützlichkeit der statusrechtlichen Zuordnung des leiblichen Vaters In ihrem Gedankenexperiment geht Heiderhoff94 davon aus, dass es „praktisch wenig nützlich“ sei, zwei Vätern gleichermaßen die statusrechtliche Vaterstellung einzuräumen. In Folge der Feststellung des leiblichen Vaters bestehe ohnehin die Notwendigkeit, einzelne Rechtspositionen der zweiten Vaterschaft gesondert einzuräumen. In der Tat sind auch nach der statusrechtlichen Zuordnung noch einzelne Rechte (insbesondere ein Sorge- und/oder Umgangsrecht) zu gewähren. Deshalb sollte aber nicht dem zweiten Vater eine statusrechtliche Zuordnung schlechthin versagt werden. Besonders deutlich wird dies, wenn man Parallelen zu der Vaterschaftsfeststellung in Zwei-Eltern-Konstellationen zieht. Auch hier ist die statusrechtliche Zuordnung beispielsweise noch nicht mit einem Sorgerecht des festgestellten Vaters verbunden. Die rechtlich festgestellte Vaterschaft ist zwar materielle Voraussetzung für die Sorgebegründung für das Kind, unverheiratete Eltern müssen aber für sie weiter tätig werden, unter Umständen sogar die gemeinsame elterliche Sorge oder auch die Alleinsorge des festgestellten leiblichen Vaters gerichtlich beantragen. Dennoch würde man dabei nicht auf den Gedanken kommen, dem leiblichen, gerichtlich festgestellten Vater den elterlichen Status ganz abzusprechen. Eine Gleichordnung der verschiedenen Arten, Vaterschaft zu begründen, wird nur erreicht, wenn zwei Väter die gleiche statusrechtliche Zuordnung erfahren. Andernfalls würde

91 NK-BGB/Peschel-Gutzeit, § 1686a Rn. 14; Staudinger/Rauscher, § 1686a Rn. 15; BeckOK-BGB/Veit § 1686a Rn. 8 f.; Hähnchen, Vergangenheit und Zukunft der Rechte des nichtehelichen Vaters, JZ 2015, 708 (709). 92  Keuter, Neue Rechte für den biologischen Vater, ZKJ 2013, 484 (486). 93  BT-Drucks. 17/12163, S. 13. 94  Heiderhoff, Kann ein Kind mehrere Väter haben?, FamRZ 2008, 1901 (1904); ihr folgend Dieckmann, Die rechtliche Stellung des lediglich biologischen Vaters im Wandel des gesellschaftlichen Familienbildes, S. 268.

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4. Kapitel – Regelungsvorschlag

wieder die Frage nach dem Rang der jeweiligen Vaterschaft aufgeworfen.95 Ein solches Rangverhältnis würde sich aber nicht mit der Erkenntnis vertragen, dass weder der soziale noch der leibliche Vater den Vorrang haben soll. Zumindest immer dann nicht, wenn ein zusätzlicher rechtlicher Vater im konkreten Fall dem Kindeswohl dient. Selbst wenn man es für notwendig erachtet, dass der Gesetzgeber die abstammungsrechtlichen Statusprinzipien aufrechterhält, verträgt sich dies mit dem vorliegenden Lösungsansatz. Elementares Merkmal des Statusprinzips ist die inter omnes-Wirkung des gesetzlich zugeordneten Elternstatus. Ein weiterer Vater im Rechtssinne stellt den Kern dieses Prinzips nicht in Frage, sondern erweitert lediglich das rechtliche Elterngefüge um eine weitere Person. Wenn nach geltendem Recht die Vaterschaft eines Vaters für und gegen alle wirkt, so könnten de lege ferenda durchaus auch zwei Vaterschaften eine inter omnes-Wirkung entfalten, ohne das Prinzip als solches in Frage zu stellen. Der Statusklarheit ist diese Konstruktion ebenso wenig abträglich wie die Tatsache, dass ein Elternverhältnis insoweit von der Norm abweicht, als dem Kind nur ein rechtlicher Elternteil – nämlich die Mutter im Sinne von § 1591 BGB – zugeordnet wird.

V.  Stringentes Konzept Die Feststellung des leiblichen Vaters als auch rechtlichen ist ein in sich stimmiges Gesamtkonzept, das ohne Wertungswidersprüche auskommt und sowohl mit der Verfassung als auch der Rechtsprechung des EGMR in Einklang steht. Der Forderung nach einer Kombination des Umgangsrechts des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters mit äquivalenten Pflichten könnte zwar auch ohne die statusrechtliche Zuordnung nachgekommen werden. Dies würde aber wieder lediglich eine „Insellösung“96 darstellen, als die schon die Einführung eines Umgangs- und Auskunftsrechts des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters bezeichnet wurde. Stattdessen sollte auf die bewährte Dogmatik zurückgegriffen und das Problem grundlegend gelöst werden. In den hier interessierenden Fällen ließe es sich – wie gezeigt – überdies nicht rechtfertigen, wenn eine der beteiligten Vaterfiguren als Vater minderer Güte mit einigen in „a-Paragraphen“ eingeräumten Einzelrechten abgespeist würde. Auch die mögliche Konfliktträchtigkeit kann kein Argument für eine derartige Lösung sein, denn schwerste Konflikte können 95  Zwar

sympathisiert Helms, Abstammungsrecht und Kindeswohl in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 19 (36) noch nicht mit dem Gedanken einer vollwertigen pluralen Elternschaft, dennoch hält auch er am Grundgedanken fest, dass die rechtliche Elternschaft ein Statusverhältnis bleiben muss: „ Mir erscheint es im Allgemeinen sinnvoll, den Begriff der rechtlichen Elternschaft für den Vollstatus zu reservieren, der mit allen elterlichen Rechten und Pflichten verbunden ist, von wechselseitigen Unterhaltsansprüchen über das Umgangsrecht bis zum gesetzlichen Erbrecht“. 96  So die Stellungnahme des DFGT zum Referentenentwurf des BMJ eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters, ZKJ 2012, 351.



E.  Positive Folgen

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auch zwischen zwei (oder zweieinhalb, § 1686a BGB) Elternfiguren auftreten. Ziel des Reformvorschlages ist allerdings genauso wenig eine völlige Gleichstellung aller Elternteile. Die Unmöglichkeit einer derartigen Gleichstellung ergibt sich schon daraus, dass in Fällen pluraler Elternschaft die drei Elternteile allenfalls ganz selten eine gemeinsame Dreierbeziehung leben, weshalb – nach den Regeln der lex lata – von getrennt lebenden Elternteilen auszugehen ist. Wichtig ist jedoch, dass alle drei Elternteile mit derselben Grundvoraussetzung starten, nämlich der statusrechtlichen Elternschaft.

5. Kapitel

Schlussbetrachtungen und Ausblick A. Schlussbetrachtungen I.  Verfassungsrechtliche Dimension der Stellung des leiblichen Vaters Das Grundgesetz verlangt nicht, dem leiblichen Vater die gleiche Rechtsposition einzuräumen wie dem rechtlichen Vater. Das geltende Abstammungsrecht wurde mit Blick auf die Rechtsposition des leiblichen Vaters unlängst auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt.1 Bei der Ausgestaltung des Abstammungsrechtes wird dem einfachen Gesetzgeber aber ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt, innerhalb dessen er die Voraussetzungen zur Begründung von Statusverhältnissen festsetzen kann. Will der Gesetzgeber aber seinen Rechtsetzungsauftrag ernst nehmen, sollte er eine der Kernaussagen des Art. 6 Abs. 2 GG beachten. Art. 6 Abs. 2 GG gewährt den Eltern das Grundrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder, die ihnen durch einfaches Recht statusrechtlich zugeordnet sind. Dieses Grundrecht stellt aber dahingehend einen Solitär im Vergleich zu allen anderen Grundrechten dar, als es gerade keinen Selbstzweck erfüllt, sondern nur zum Wohle des Kindes besteht. Daher sollten das Kind und sein Wohl im Mittelpunkt allen gesetzgeberischen Tätigwerdens stehen.2 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass auch das Ein-Vater-Prinzip mit der Verfassung in Einklang steht. Dennoch hat der einfache Gesetzgeber mit § 1686a BGB das Tor geöffnet für eine zweite rechtliche Vaterschaft (wenn dies im Einzelfall dem Kindeswohl dient). An dieser Weichenstellung kommt das Bundesverfassungsgericht nicht so leicht vorbei. Vor allem auch deshalb, weil § 1686a BGB unmittelbar die Rechtsprechung des EGMR umsetzt. Bislang hat sich das Bundesverfassungsgericht noch nie gegen den EGMR gestellt und dem einfachen Gesetzgeber anderslautende Aufgaben zugewiesen. Letzten Endes wird sich das Bundesverfassungsgericht wohl nicht den Vorwurf aussetzen, vom EGMR aufgeworfene menschenrechtliche Standards zu verwerfen.3 1 

BVerfG, FamRZ 2015, 817. auch: Lembke, Was darf der Staat? Insbesondere zur Bedeutung des Grundgesetzes für das Abstammungsrecht, in: Röthel/Heiderhoff, Regelungsaufgabe Vaterstellung: Was kann, was darf, was will der Staat?, 37 (71). 3  Vgl. auch Groh, Nächster Halt: Karlsruhe – Endstation: Straßburg – Die Bedeutung des 2  So



A. Schlussbetrachtungen

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II.  Einfachrechtliche Positionen Das Abstammungsrecht wird in regelmäßigen Zeitabständen in Frage gestellt. Dies ist notwendig und beflügelt  – mit dem Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen – familienrechtliche Erkenntnisse; ein Zweig der Zivilrechtswissenschaft, der ohnehin durch sich ändernde gesellschaftliche Strukturen einem steten Wandel unterliegt. Durch die Einführung von § 1686a BGB ist das ausgewogene Konzept des Gesetzgebers aus väterlichen Rechten und den hiermit korrespondierenden Pflichten aus dem Gleichgewicht geraten. Die Entscheidung, einer bestehenden sozial-familiären Beziehung zwischen Eltern und Kind den uneingeschränkten Vorrang einzuräumen, wurde durch das Umgangsund Auskunftsrecht des nur leiblichen Vaters erheblich in Frage gestellt. Der Gesetzgeber muss den entstandenen Wertungswiderspruch korrigieren. Hierfür wurden und werden viele Vorschläge unterbreitet. Häufig wird dabei aber ein falscher Schwerpunkt gesetzt: Es geht meist um die Rechte des leiblichen Vaters oder der Eltern. Eine Neuregelung sollte sich aber ausnahmslos am betroffenen Kind und seinen Bedürfnissen orientieren. Die Befindlichkeiten der Eltern (seien es rechtliche, soziale oder leibliche) müssen dahinter zurückstehen. Diese Ansicht wird zudem durch das Grundgesetz gestützt: Art. 6 Abs. 2 GG statuiert zwar ein Elternrecht. Dieses erfüllt allerdings mitnichten einen Selbstzweck, sondern besteht – wie schon festgestellt – lediglich um des Kindes willen.

III.  Regelungsvorschlag de lege ferenda Diese Arbeit will nicht ohne Not die Grundwertungen zum Statusverhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern über Bord werfen, um ein neues System Gesetz werden zu lassen. Der Gesetzgeber selbst hat Anlass gegeben zu diesen Gedankenspielen: Durch die Einführung von § 1686a BGB hat der einfache Gesetzgeber den zuvor weitgehend konsequent eingeschlagenen Pfad des Schutzes der bestehenden sozial-familiären Beziehung verlassen. Es hat eine Norm Eingang ins BGB gefunden, die sich in keiner Weise in die bestehende Systematik einfügt. Offenbar wurden zwei Entscheidungen des EGMR kritiklos in das Gesetz übernommen.4 Der Gesetzgeber mag weitere Urteile aus Straßburg gefürchtet haben. Es könnte aber auch sein, dass er die Systematik des Kindschaftsrechts bewusst aufbrechen wollte, um vorstrebenden gesellschaftlichen Lebensentwürfen gesetzlichen Raum zu schaffen. Offiziell sollten mit der Einführung von § 1686a BGB die Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters gestärkt werden. All dies sind Motive, aus denen heraus der einfache BVerfG und des EGMR für die Entscheidung umgangsrechtlicher Streitigkeiten, FPR 2009, 153 (155). 4 Vgl. Löhnig/Preisner, Zur Reichweite des Einflusses der Rechtsprechung des EuGHMR auf das deutsche Kindschaftsrecht, FamRZ 2011, 489 (495).

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5. Kapitel – Schlussbetrachtungen und Ausblick

Gesetzgeber – im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung – tätig werden darf. Nicht nachvollziehbar ist aber, dass sich der gleiche Gesetzgeber, der spätestens seit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz 1998 bei jedem Reformentwurf das Kindeswohl in die Mitte seiner Betrachtungen rückt, dazu hinreißen lässt, ein Gesetz zu entwerfen, das das Kind lediglich zum Objekt von Väterrechten macht. Dieser Lobbyarbeit des Gesetzgebers für verzweifelte leibliche Väter versucht die vorliegende Arbeit den intendierten Sinn zu entnehmen und daraus ein in sich stimmiges System zu entwickeln, das konsequent – in der Tradition seit spätestens 1998 – das Kind wieder in den Mittelpunkt stellt. Dies soll erreicht werden durch die statusrechtliche Zuordnung des leiblichen Vaters als auch rechtlichen Vater, sofern dies dem Kindeswohl dient. Diese Zuordnung kann sowohl vom betroffenen Kind als auch vom leiblichen Vater betrieben werden. Dabei werden durch die Zuordnung die gleichen Rechte und Pflichten begründet wie bei einer alleinigen Vaterschaft. Im Verlauf der Darstellung wurde bereits an mehreren Stellen erwähnt, dass ein Kind mit drei rechtlich festgestellten Elternteilen auch de lege ferenda nicht die Regel, sondern die Ausnahme bleiben soll. Die Neuerungen richten sich an Vernunft geleitete Eltern-Kind-Beziehungen, die sich offen damit auseinandersetzen, dass im konkreten Fall – anders als in der Mehrzahl der Fälle – leibliche und rechtliche Vaterschaft auseinanderfallen. Der Entwurf bemüht sich, die konfligierenden Interessen der Kinder, des Grundgesetzes, der Rechtsprechung des EGMR und der vielen Kritiker von § 1686a BGB unter einen Hut zu bringen. Der praktische Regelfall einer solchen Familienkonstellation wird bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen den rechtlichen Eltern und dem Kind in Form des klassischen Familienverbundes sein, dass dem leiblichen Vater die Rechte aus § 1686a BGB (nur dann eben abgeleitet aus §§ 1684, 1686 BGB) zugebilligt werden, diesen aber auch Pflichten korrespondieren. Entscheidender Vorteil zur derzeitigen Rechtslage ist aber, dass bei einer rechtlichen Drei-Elternschaft nun auch dem Kind zugebilligt wird, seinen leiblichen Vater nicht nur „kennen zu lernen“5, sondern ihn auch in die adäquate Pflicht eines leiblichen Vaters nehmen zu können. Einen Vater, der endlich beweisen kann, dass es ihm ernst ist mit der Erstreitung von „Väterrechten“ und der sich diese auch tatsächlich verdient, indem er die volle rechtliche Position einnimmt und sich dabei auch noch kooperativ mit den anderen Elternteilen zeigt. Sollte 5 Genau weiß man wohl noch nicht, wie dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung Genüge getan werden kann. Ausgegangen werden kann in diesem Rahmen von der Kenntnisbefriedigung des Kindes durch – soweit vorhanden –Name, Bildnis und Adresse des leiblichen Elternteiles. Ein Kennenlernen setzt freilich zusätzlich voraus, dass das Kind gegen die Mutter einen Auskunftsanspruch betreibt, der auch begründet ist. Vgl. zu der Frage, ob auch die Umstände der Zeugung vom Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung erfasst sind: Grziwotz, Künstliche Fortpflanzung und Vertragsgestaltung (Kinderwunschverträge) in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig (Hrsg.), Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 25 (47).



B. Ausblick

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dies nicht der Fall sein, dann ist es durchaus gerechtfertigt, den leiblichen Vater rechtlich außen vor zu lassen und ihm jedes niederschwellige Recht zu versagen – Gemeinsamkeit mit dem Kind kraft geteilter Gene hin oder her.

B. Ausblick Die vorliegende Arbeit hat sich auf die Darstellung der Verrechtlichung des leiblichen Vater-Kind-Verhältnisses beschränkt. Das Gesetz kennt nur das Problem des Auseinanderfallens von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft und bietet hierfür Lösungen an. Auch das Auskunfts- und Umgangsrecht nach § 1686a BGB – der Ausgangspunkt der Untersuchung – bezieht sich dem Wortlaut nach nur auf die Rechte des leiblichen Vaters. Wie verhält es sich aber mit der leiblichen, nicht rechtlichen Mutter?6 Kann sie de lege ferenda ebenfalls die gerichtliche Feststellung als leibliche, auch rechtliche Mutter betreiben? Das Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Mutterschaft ist nach der geltenden Gesetzeslage seltener als bei Vaterschaften möglich. Nach § 1591 BGB ist rechtliche Mutter eines Kindes die Frau, die es geboren hat. Angeknüpft wird also an den Vorgang der Geburt und nicht (wie bei der Anfechtung der Vaterschaft) an die tatsächliche genetische Verbindung zwischen Mutter und Kind. Die Geburtsmutter ist immer dann nicht die leibliche Mutter, wenn die Eizelle, der das Kind entspringt, nicht von ihr stammt. Dies ist auf natürliche Art und Weise nicht möglich, sondern erfordert stets einen medizinischen Eingriff. Eine fremde Eizelle oder auch ein insgesamt fremder Eierstock werden der Mutter bereits befruchtet oder auch unbefruchtet transplantiert. Diese fremden Eizellen oder Eierstöcke können einer gewerblichen oder vertrauten Eizellspenderin beziehungsweise Eierstockspenderin entstammen. Nach geltendem Recht hat die Spenderin des Genmaterials nicht wie bei der Vaterschaftsanfechtung die Möglichkeit, die rechtliche Mutter zu verdrängen und selbst in deren Rechtsposition einzurücken. Ihre Situation ist also grundsätzlich vergleichbar mit der des leiblichen Vaters, der eine bestehende anderweitige Vaterschaft nicht anfechten kann, weil eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind besteht.7 Sollte sich der Gesetzgeber dazu entschließen, die Mutterschaft ähnlich offen auszugestalten wie die Vaterschaft, und äquivalent zu § 1592 BGB mehrere Möglichkeiten zulassen, rechtliche Mutter des Kindes zu werden, so ist durchaus daran zu denken, auch die rechtliche Zulassung der leiblichen Mutter (neben der rechtlichen Mutter) zu ermöglichen. Freilich unter den gleichen Voraussetzungen wie beim leiblichen, nicht rechtlichen Vater. 6  Die Frage nach der Anwendung von § 1686a BGB auf die leibliche, nicht rechtliche Mutter klärt Löhnig, Die leibliche, nicht rechtliche Mutter, FamRZ 2015, 806. 7  Löhnig, Die leibliche, nicht rechtliche Mutter, FamRZ 2015, 806 (807).

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Sachregister Abstammung  48 ff. –– Abstammungsklärung, statusunabhängig s. statusunabhängige Abstammungsklärung –– Abstammungsklärung, inzident  19, 42, 73, 82 –– Abstammungssache  105, 107 –– de lege ferenda  92 ff. –– und Kindeswohl  53, 78, 84 ff., 92 ff. –– Prinzipien des geltenden Abstammungsrechts  53 ff., 81 –– und § 1686a BGB  82 ff. Adoption  8, 11, 21, 28, 36, 39, 58, 85, 89 ff., 95, 99, 101, 104, 109, 130, 132 ff. –– Minderjährigenadoption  89, 95, 104 –– schwache 90 –– Stiefkindadoption s. Stiefkindadoption –– Sukzessivadoption  21, 36, 39 –– Volljährigenadoption  101, 104, 130, 132 ff. Anayo-Entscheidung  2, 45, 88, 109 Anerkennung s. Vaterschaftsanerkennung –– ausländischer Entscheidungen  86 ff. Anfechtung s. Vaterschaftsanfechtung Anfechtungsobliegenheit  72 ff. Antragsberechtigung  105 f. Aufenthaltsbestimmung  116 f. Auskunftsrecht  125 f. Beiwohnung 63 Bindungstheorie  9, 69 EGMR  2, 25, 45 f., 76, 80 f., 88, 100, 109, 135, 138, 140 Ehe  50, 65 Ein-Vater-Prinzip  3, 56 f., 61 f., 78, 108, 140 Einzelfallgerechtigkeit 136 Elternautonomie  8, 111, 117 Elternrecht  20 ff. –– biologischer Ansatz  20 –– gemischt sozial-biologischer Ansatz  27 –– Pflichtrecht  31 f. –– treuhänderisches 31

–– Zugang zum  33 Elternunterhalt  129 f. Elternverantwortung  30 f. Erbrecht  132 ff. Ergänzungspfleger  52, 103 Ernsthaftes Interesse  78 f., 136 Familie –– enger Familienbegriff  15 –– weiter Familienbegriff  16 –– grundrechtlicher Schutz  14 f. –– sozial-familiäre Beziehung s. sozialfamiliäre Beziehung Familienfriede  17 f., 136 Familiengerichtliche Übertragung  113 Geschäftsunfähigkeit  96 f., 102 Geschwister  26, 48, 55, 69, 132 Gesetzgeber  43 ff. Getrenntleben der Eltern  117 ff. Großeltern  26 f., 48, 55, 104 Häusliche Gemeinschaft  22 f., 65 f., 71 Heirat  50, 111 f. Imitatur-Grundsatz 58 Inter omnes-Wirkung  107, 138 Inter partes-Wirkung  38 Inzidentprüfung siehe Abstammungsklärung inzident Kindeswohl  5 ff., 24, 26, 28, 31 f., 37, 40, 44, 45 f., 49 ff., 56, 58, 64, 68, 70 f., 76 ff., 84 ff., 91, 92 ff., 104, 107, 111, 117, 120, 124, 128, 135 ff., 140 ff. –– konkrete Bestimmung  70 f. –– Funktionen 7 –– im Abstammungsrecht  53, 78, 84 ff., 92 ff. –– Kindeswohlprinzip  6, 86 –– unbestimmter Rechtsbegriff  7 f. Kindeswohlprüfung –– doppelte 121

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Sachregister

–– positive 12 –– negative  12 f. Kindeswille  10, 96 Kindschaftsrechtsreform 6 Kontinuitätsprinzip  9, 64, 95 Lebenspartnerschaft  21, 37, 58, 65, 67 Leihmutterschaft  86 ff. Loyalitätsgebot 122 Mehrheitsbeschluss 116 Meinungsverschiedenheiten  115 f. Mutter  30, 32, 49 ff., 63, 65, 94 ff., 105 f., 111 ff., 143 –– leibliche, nicht rechtliche  143 Normenhierarchie 45 Ordre-public 87 Paarbeziehung  59, 111, 115 Patchwork-Familie  55, 134 Pater-est-Regel  77 f. Pflegeeltern  28, 33 Probezeit  93, 99 f., 109, 134 Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung  33 f. –– dogmatische Herleitung  34 –– Folgerungen aus  35 Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung  18, 40 ff. Regelvermutung  65 ff. Samenspender 63 Scheinvater 93 Schneider-Entscheidung  2, 45, 109 Sorgerecht  6, 22, 33, 51, 60, 79, 109 ff., 124, 129, 135 –– Alleinsorge  110 f., 113, 117 ff., 137 –– Ausübung im Drei-Personen-Verhältnis  114 ff. –– Begründung im Drei-Personen-Verhältnis  111 ff. –– gemeinsame Sorge  51, 111 ff., 121 –– kleines  37, 90 –– Sorgeerklärung  79, 111, 119, 121

Sozial-familiäre Beziehung  2, 24, 28 ff., 37, 44, 47, 55, 64 ff., 97, 143 Statusprinzip  56, 138 Statuswahrheit  63, 94 Statusunabhängige Abstammungsklärung  18, 41, 82 Stieffamilie  90 f. Stiefkindadoption  32, 90 Subsidiaritätsverhältnis 53 Teilmündigkeit  11, 96 Umgangsrecht  25 ff., 38 ff., 72 ff., 123 ff. –– Ausschluss 125 Unterhaltsrecht  126 ff. Vater –– leiblicher  2, 23, 47, 52, 55, 62, 73 ff., 82, 86, 92, 101, 143 –– rechtlicher  3, 19, 23, 50, 52, 56 ff., 62 ff., 74 ff., 92 ff., 131, 135, 138, 143 –– sozialer  4, 64, 76, 78, 82 Vaterschaft kraft Ehe mit der Mutter  50 „Vaterschaft light“  135 Vaterschaftsanerkennung  50 ff., 57, 72, 94, 103 Vaterschaftsanfechtung  2, 4, 17, 23 ff., 30, 36, 41, 50, 55, 62 ff., 81, 85, 89, 95, 97 ff., 108, 143 –– Frist  71 f., 98, 108 –– Kindeswohl 89 –– Sperre  55, 70 Vaterschaftsfeststellung  52, 93 ff., 101, 105, 107 ff., 134 Vaterschaftstest  41, 74 ff., 77 Verantwortungsübernahme  15, 21, 28, 65, 76 Verfahrensrecht  105 ff., 134 Vertretungsrecht 114 –– Alleinvertretung 115 –– Gesamtvertretung 115 Verwandtschaft  48 f., 54, 84, 89 ff., 95, 101, 104, 126, 129, 132 ff. Vormund  27, 103 Volljährige Kinder  101 ff., 108, 126 f., Wechselmodell  117, 124 Widerspruchsrecht  96 f., 102 Wiederaufnahme des Verfahrens  107