Unternehmerische Qualifikationsstrategien im internationalen Wettbewerb [1 ed.] 9783428469963, 9783428069965

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Unternehmerische Qualifikationsstrategien im internationalen Wettbewerb [1 ed.]
 9783428469963, 9783428069965

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Schriften des Vereins für Socialpolitik Band 200

Unternehmerische Qualifikationsstrategien im internationalen Wettbewerb Von Günter Faltin, Cheung Ling Lam, Peter Meyer-Dohm, Keith Thurley, Dieter Timmermann, Arndt Sorge, Dietrich Winterhager

Herausgegeben von Dieter Sadowski und Uschi Backes-Gellner

Duncker & Humblot · Berlin DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-46996-3 | Generated on 2023-09-19 19:08:34 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Schriften des Vereins für Socialpolitik Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Neue Folge Band 200

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S C H R I F T E N DES V E R E I N S FÜR

SOCIALPOLITIK

Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Neue Folge Band 200

Unternehmerische Qualifikationsstrategien im internationalen Wettbewerb

Duncker & Humblot * Berlin DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-46996-3 | Generated on 2023-09-19 19:08:34 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Unternehmerische Qualifikationsstrategien im internationalen Wettbewerb

Von Günter Faltin, Cheung Ling Lam, Peter Meyer-Dohm, Keith Thurley, Dieter Timmermann, Arndt Sorge, Dietrich Winterhager

Herausgegeben von Dieter Sadowski und Uschi Backes-Gellner

Duncker & Humblot 9 Berlin DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-46996-3 | Generated on 2023-09-19 19:08:34 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Unternehmerische Qualifikationsstrategien im internationalen Wettbewerb / von Günter Faltin . . . Hrsg. von Dieter Sadowski und Uschi Backes-Gellner. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozial Wissenschaften; N. F., Bd. 200) ISBN 3-428-06996-X NE: Faltin, Günter; Sadowski, Dieter [Hrsg.]; Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: Schriften des Vereins . . .

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0505-2777 ISBN 3-428-06996-X

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Vorwort Auch wenn die Globalisierung der Märkte nicht für alle Unternehmen in gleicher Weise eintreten wird, bedeutet verschärfter Wettbewerb für Unternehmen, daß sie ihre Personalpraktiken überdenken müssen, um Vorsprünge von Wettbewerbern aufzuholen oder selbst einen Vorsprung zu erlangen. Die stärkere Marktnähe eines Unternehmens mag sprachlich bedingt sein; sie kann auf einer Produktnischenpolitik beruhen, die komparative Vorteile in ,flexibler Spezialisierung' sucht; sie mag aber auch in einem öffentlichen Bildungssystem oder einer gesellschaftlichen Arbeitskultur beruhen, die nicht das Verdienst des einzelnen Unternehmens sind und ihm weniger strategischen Spielraum bieten, als eine einfügsame Unterordnung erfordern. Die Aufsätze dieses Bandes fragen nach Bedingungen und Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen, durch Qualifikationsanstrengungen im Wettbewerb zu bestehen. Meyer-Dohm gibt Rechenschaft davon, wie ein für die Bildung in einem international tätigen deutschen Großunternehmen Verantwortlicher den Herausforderungen, die sich durch den Einheitlichen Binnenmarkt stellen werden, begegnen zu können glaubt. Timmermann wählt eine berufsbildungspolitische Perspektive und entwickelt die zugespitzte These, daß die international steigende Anerkennung des bundesdeutschen dualen Berufsbildungssystems schwere Funktionsprobleme übersehe. Thurley und Cheung Ling Lam präsentieren als empirischen Fund die hohe Bedeutung der Arbeitsorganisation für die Qualifikationsentfaltung — eine Voraussetzung, die typischerweise den Verantwortlichen für Personal und Bildung in Unternehmen vorgegeben ist. Würde sich die Vermutung erhärten, daß die Arbeitsorganisation im einzelnen Unternehmen abhängig wäre von der institutionellen Infrastruktur — eine Hypothese, die Sorge untersucht—dann wäre der Versuch eines internationalen Nachahmungswettbewerbs so lange naiv, wie die gesellschaftlichen Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind. Wenn die Organisation der Arbeit zwar nicht technologisch determiniert, aber ebenso wie die Bildungspolitik in Unternehmen gesellschaftlich eingebettet ist, bedingen neue unternehmerische Qualifikationsstrategien Änderungen der staatlichen Bildungspolitik, wenn nicht gar gesellschaftlichen Wandel. Die Möglichkeiten unternehmensinitiierten Wandels sind in dem Beispiel eines international tätigen studentischen Unternehmens von Faltin und Winterhager veranschaulicht. Dieser engagierte und provokative Beitrag läßt sich gleichzeitig als hochschuldidaktisches Experiment dazu lesen, wie denn die Universitäten auf die Internationalisierung der zukünftigen Arbeitsbereiche ihrer Studenten reagieren könnten.

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Vorwort

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Alle Ausarbeitungen wurden auf der Sitzung des Bildungsökonomischen Ausschusses am 5. und 6. Oktober im Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft (IAAEG) in Trier vorgetragen und diskutiert. Diese Diskussionen sind auch kurz festgehalten worden und im Anschluß an die Beiträge durch ein Diskussionsprotokoll dokumentiert. Alle Protokolle sind von Uschi Backes-Gellner verfaßt worden. Der damals ein sehr lebendiges Gespräch eröffnende Beitrag von Münch über „Berufsbildung und Bildung in den USA" wird hier nicht abgedruckt, stattdessen wird auf ein gleichnamiges Buch verwiesen, das 1989 im Erich Schmid Verlag von ihm veröffentlicht worden ist, sowie auf das Diskussionsprotokoll am Ende des Bandes. Quint, im Mai 1990

Dieter Sadowski Uschi Backes-Gellner

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Inhaltsverzeichnis

Unternehmerische Qualifikationsstrategien und Europäischer Binnenmarkt Von Peter Meyer-Dohm, Wolfsburg

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Zukunftsprobleme des Dualen Systems unter Bedingungen verschärften Wettbewerbs Von Dieter Timmermann, Bielefeld

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Improving the Skill Formation Process of Electronic Engineers and Information Technologists in the UK and Japan Von Keith Thurley und Cheung Ling Lam, London

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Unternehmensstrategien, Qualifikationsentwicklung und Erfolg von Wirtschaftszweigen. Aufschlüsse aus zwischengesellschaftlichen Vergleichen über industrielle Mikroelektronikanwendungen Von Arndt Sorge, Maastricht

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Projektwerkstatt/Teekampagne: Ein international tätiges Unternehmen mit Studenten in Berlin Von Günter Faltin und Dietrich

Winterhager,

Berlin

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Diskussionsprotokoll des Referats von Joachim Münch „Betriebliche Aus- und Weiterbildung in den USA" Von Uschi Backes-Gellner, Trier

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Unternehmerische Qualifikationsstrategien und Europäischer Binnenmarkt Von Peter Meyer-Dohm, Wolfsburg

Gliederung I. Unternehmerische Qualifikationsstrategien: Begriff und Bedeutung 1. Qualifikation und Qualifizierung 2. Zur wachsenden Bedeutung der Humanressourcen II. Strategien der Unternehmungen im europäischen Binnenmarkt 1. Die Bedeutung des Europäischen Binnenmarktes für die Unternehmungen 2. Unternehmensfunktionen und europäischer Binnenmarkt III. Qualifikationsstrategien für den europäischen Binnenmarkt 1. Trend- und projektorientierte Qualifikationsplanung 2. Personalbeschaffung 3. Bildungsbezogene Personalentwicklung 4. Stellenbezogene Personalentwicklung 5. Interessenpolitische Maßnahmen im Rahmen von Qualifikationsstrategien IV. Schluß V. Diskussionsprotokoll

Folgt man Zeitungsberichten, Verbandsmitteilungen und einzelnen Untersuchungen, dann hat der Europäische Binnenmarkt (EBM) in der deutschen Wirtschaft per Saldo eine positive Würdigung gefunden. Die Fülle der zum Thema stattfindenden Veranstaltungen, die in der Regel Chancen und Risiken gegeneinander abwägen, ist kaum noch zu überblicken. Meist werden die Chancen stärker betont und von einem Aufbruch in erweiterte Märkte gesprochen, was mit der insgesamt starken wirtschaftlichen Stellung der Bundesrepublik in Europa zusammenhängen mag. Um so mehr muß es verwundern, daß zur Frage der unternehmerischen Qualifikationsstrategien bisher kaum Untersuchungen vorliegen, zumindest keine repräsentativen. Zwar gibt es manchen interessanten Hinweis auf die Meinungsbildung in den Unternehmungen, was eine gewisse Orientierung im Vorfeld ermöglicht; aber auch hier ist es schwer, zu empirisch abgesicherten, mehr oder weniger eindeutigen Aussagen zu kommen. Ganz offensichtlich stehen die Fragen des erweiterten Marktzugangs, der neuen Wettbewerbsbedingungen und der Steuern und umweltpolitischen Auflagen im Vordergrund. 1 Im 1 Als interessante Parallele ist anzumerken, daß in der öffentlichen Diskussion um den EBM das Thema Bildungspolitik bisher relativ geringe Beachtung gefunden hat. Der Schwerpunkt des Interesses liegt auf den wirtschaftlichen Feldern, und selbst die Erörterungen des europäischen Arbeitsmarktes sparen bildungpolitische Fragen oft aus.

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Peter Meyer-Dohm

übrigen gibt es, wenn man von innerbetrieblichen Untersuchungen absieht, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit in großen Unternehmungen durchgeführt werden, noch viel Raum für Spekulationen, zumal immer noch Zweifel geäußert werden, ob der EBM termingemäß verwirklicht wird. Dieser Beitrag kann kaum mit breitem empirischem Material aufwarten, sondern stellt nicht mehr als einen Versuch dar, aus der Sicht eines Praktikers, der für das betriebliche Bildungswesen eines Großbetriebes verantwortlich ist, über Fakten und Überlegungen zu berichten, die eine Einschätzung unternehmerischer Qualifikationsstrategien im Hinblick auf den EBM ermöglichen. Dabei sind zugleich die Beschränkungen aufzuzeigen, denen die Behandlung des Themas unterliegt. Im Vordergrund stehen die Erfahrungen und Einsichten sowie Informationen aus der Welt deutscher, international tätiger Großunternehmungen, insbesondere der Automobilindustrie. Da in diesen Unternehmungen zum Teil Qualifikationsstrategien mit spezifischem Blick auf den EBM noch im Entstehen oder aber noch nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind, muß sich die Analyse zum Teil auf Mutmaßungen stützen. Und schließlich fallt es, wie noch genauer darzulegen sein wird, außerordentlich schwer, im Rahmen ohnehin international orientierter Strategien die spezifischen Einflüsse des EBM zu isolieren. Dennoch hoffe ich, daß die Überlegungen, Hinweise und Fakten zum Thema einen Überblick vermitteln.

I. Unternehmerische Qualifikationsstrategien: Begriff und Bedeutung 1. Qualifikation und Qualifizierung Bevor auf den EBM Bezug genommen wird, ist der Begriff der „Qualifikationsstrategie" genauer zu bestimmen, der in volkswirtschaftlichen Analysen bzw. solchen des „Bildungsstandorts Bundesrepublik" zunehmend Verwendung gefunden hat. Soweit ich sehen kann, wird er in der Unternehmenspraxis kaum gebraucht. Dort ist in der Regel von strategischem Personalmanagement oder Personalstrategie die Rede, aber auch nur von qualitativer und quantitativer Personalplanung, von Personalförderung, Personalentwicklung und -qualifizierung. Da der Raum für grundsätzliche begriffliche Diskussionen fehlt 2 und auch in unserem Zusammenhang Zweifel an deren Fruchtbarkeit bestehen, sei unter unternehmerischen Qualifikationsstrategien die mittel- bzw. langfristige Antwort auf die Frage verstanden, über welche Qualifikationen in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt die Unternehmen glauben verfügen zu müssen, um ihre Ziele zu erreichen, und mit welchen Mitteln oder Maßnahmen diese Qualifikationen beschafft oder gesichert werden sollen. 2 Als auf eine umfassende, die durchaus uneinheitliche Begriffs verwendung dokumentierende Arbeit sei verwiesen auf N. Thom (1987): Personalentwicklung als Instrument der Unternehmensführung, Stuttgart.

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Qualifikationsstrategien und Europäischer Binnenmarkt

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Die Frage nach einer so definierten Qualifikationsstrategie klingt präzise und einfach genug, um eine mehr oder weniger klare Antwort zu erwarten. Welche Schwierigkeiten aber mit der Erarbeitung von Qualifikationsstrategien allgemein verbunden sind, hat die schon über Jahre geführte Diskussion um die „Neuen Technologien" (Informations- und Kommunikationstechnik, Produktionstechnik, Produkttechnik, Bioverfahrenstechnik) und ihre operativen und strategischen Auswirken auf die Personalplanung gezeigt.3 Dabei sind diese „Neuen Technologien" in der Regel meist konkret zu definieren — zumindest durch den Ingenieur. Während aber solche Technologien bereits betriebliche Wirklichkeit wurden, war die Frage nach deren Kombination mit einer optimalen Arbeitsorganisation oft nicht befriedigend beantwortet. Aussagen über personalplanerische Konsequenzen und Freiräume lassen sich erst nach Festlegung von Technik und Arbeitsorganisation treffen. Auch heute noch gibt es in diesem Kontext viele Unklarheiten und Spekulationen bezüglich der für die einzelnen Unternehmungen optimalen Qualifikationsstrategien. Überall aber werden Versuche unternommen und Verfahren entwickelt, die Investitionsplanung stärker als bisher mit der Personalplanung zu verknüpfen und auf letztere die innerbetriebliche Bildungsplanung genauer auszurichten. 4 Diese erfordert einerseits eine langfristige Perspektive — schon wegen der Dauer mancher Qualifikationsprozesse —, die andererseits aber an die prognostischen Grenzen heranreicht: Aus der Sicht der Praxis werden bei technologischen Entwicklungen oft „Prognosezeiträume, die über fünf Jahre hinausgehen,... als unseriös verworfen." 5 Diese Schwierigkeiten mit einer derivativ logistischen Qualifikations- bzw. Personalplanung 6 liegen in der Natur der Sache, nämlich der Notwendigkeit, spezifisch technischen Ansprüchen und ihren Veränderungen gerecht zu werden. 3 Einen aufschlußreichen Bericht aus der Praxis eines Unternehmens der Großchemie gibt J. Maasch (1987): Neue Technologien — Folgerungen für die quantitative und qualitative Personalplanung, in: K. Lompe (Hrsg.): Techniktheorie — Technikforschung — Technikgestaltung, Opladen, S. 308 fî. Ferner P. Meyer-Dohm (1988): Neue Technologien — Herausforderung für die Qualifikation der Mitarbeiter im Betrieb, in: S. Bachmann IM. Bohnet/K. Lompe (Hrsg.): Industriegesellschaft im Wandel, Hildesheim, S. 169 ff. 4 Zu den in der Firmenpraxis eingesetzten Verfahren siehe P. Haase/ D. Jaehrling (1986): Zukunftsorientierte Qualifikationssicherung als unternehmerische Aufgabe, dargestellt an Beispielen aus der Volkswagen A G und A U D I AG, in: Personalentwicklung. Ansätze — Konzepte — Perspektiven ( = Training. Aus- und Weiterbildung in Wirtschaft, öfftl. Verwaltung und Schule, Bd. 2), Köln u.a., S. 113ff. 5 J. Maasch (1987): Neue Technologien — Folgerungen für die quantitative und qualitative Personalplanung, in: K. Lompe (Hrsg.): Techniktheorie — Technikforschung — Technikgestaltung; Opladen, S. 312. 6 K . Bleicher spricht von einer „derivativ logistischen Personalplanung", die sich in der Unterstützung von „strategischen Vorhaben in anderen Bereichen, vor allem im Bereich des ökonomischen Programm-Managements" erschöpft. Vgl. K. Bleicher (1987): Strategisches Personalmanagement, in: H. Glaubrecht/D. Wagner (Hrsg.): Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung, Freiburg /Br., S. 22.

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Daß diese Art der Planung nicht auf die gesamten Humanressourcen, insbesondere die Führungskräfte, übertragen werden sollte, wird im nächsten Abschnitt zu zeigen sein. Das Unternehmen verschafft und sichert sich die für den betrieblichen Vollzug notwendigen Qualifikationen durch (a) Personalbeschaffung, (b) bildungsbezogene Personalentwicklung (Berufsausbildung, Trainee- und Volontärprogramme 7 , Führungs- und Managementausbildung und (fachliche) Fort- und Weiterbildung und (c) stellenbezogene Personalentwicklung (Führungsnachwuchsprogramme, job rotation u.ä.). 8 Im weiteren Sinne sind unter dem Begriff der Qualifikationsstrategie auch alle Maßnahmen und Versuche der Unternehmungen zu subsumieren, die diese direkt oder über Verbände in Richtung auf eine wünschbare Gestaltung des Bildungssystems ergreifen. Damit soll der künftige Arbeitsmarkt beeinflußt bzw. die Qualifizierung von potentiellen Mitarbeitern gesichert werden. Wir wollen hier von interessenpolitischen Maßnahmen sprechen. Bei der Darstellung möglicher und faktischer Qualifikationsstrategien werden wir uns dieser Gliederung bedienen. 2. Zur wachsenden Bedeutung der Humanressourcen Ohne leugnen zu wollen, daß die Qualifikationsstrategie in einzelnen Unternehmen immer schon von Bedeutung gewesen ist, läßt sich feststellen, daß ihr Stellenwert seit geraumer Zeit zunimmt. In der Praxis bricht sich ein zunehmendes „Denken in Humanressourcen" Bahn, das von der wachsenden Einsicht in die wettbewerbsentscheidende Bedeutung der Leistungsfähigkeit und -Willigkeit der Mitarbeiter getragen wird. 9 Die Humanressourcen werden zum strategischen Faktor. Bei dieser Feststellung sind zwei Bereiche zu unterscheiden, für die spezielle Konsequenzen gezogen werden, nämlich der der Führungskräfte und der der 7

In der Literatur werden Trainee- und Volontärprogramme den Bildungsmaßnahmen, und zwar überwiegend der Ausbildung, zugerechnet, obgleich kein Berufsbildungsverhältnis besteht (vgl. N. Thom [1987], S. 38 f.). 8 Wir folgen mit dieser Einteilung in bildungs- und stellenbezogene Personalentwicklungsmaßnahmen N. Thom (1987), S. 35. Ziel der Personalentwicklung ist immer die Entwicklung von Qualifikationen für spätere Tätigkeiten, und zwar „on-the-job" und „off-the-job", wenngleich sich diese Unterscheidung, wie noch zu zeigen sein wird, nicht immer durchhalten läßt. 9 Im Rahmen des „Human Resource Managements" (HRM) wird zunehmend das Humanpotential, das einer Unternehmung zur Verfügung steht, in der „Gesamtheit von Wissen, Können und Wollen der menschlichen Arbeitskraft" (K. Bleicher [1987], S. 23) gesehen. H R M geht in dieser Sicht weit über das hinaus, was derivativ logistische Personalplanung im Rahmen einer technokratischen Managementphilosophie darstellt.

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Qualifikationsstrategien und Europäischer Binnenmarkt

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übrigen Mitarbeiter, besonders jener, die von technischen Veränderungen betroffen sind. Wir wollen uns zunächst dem letzteren Bereich zuwenden. Während früher die Technik und damit auch die Ergänzung bzw. Substitution menschlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Maschinen im Vordergrund stand und eine bloß reaktive Personalpolitik häufig nur die „Bemannung" der Anlagen sicherzustellen hatte, ist heute der Faktor Arbeit unter qualitativen und motivationalen Aspekten zunehmend als Möglichkeit der Optimierung erkannt worden. Dieses ist eine Tendenz, die praktisch in allen Industrieländern festzustellen ist und u.a. ein zentrales Ergebnis des OECD-Forschungsprogramms „Entwicklung und Einsatz von Humanressourcen im Zusammenhang mit strukturellem und technischem Wandel" bildet. 10 Parallel zu dieser allgemeinen Entwicklung gibt es eine Diskussion über die Konsequenzen der Automatisierung für die Mitarbeiter. Die einmal gehegten Hoffnungen auf den flexiblen automatisierten Betrieb ohne Facharbeit werden, zumindest mittelfristig, kaum noch ausgesprochen. 11 Auch wenn man Argumente der Gewerkschaften, die die Vermarktungsmöglichkeiten vorhandener Qualifikationen ihrer Mitglieder sichern sollen, außer acht läßt, wird deutlich, daß es ökonomische Kräfte gibt, die in Richtung auf eine stärkere Berücksichtigung des Menschen und seiner Qualifikationen und Qualifizierbarkeit drängen. Der Taylorismus ist seit längerem schon unter Beschüß geraten, weil bei solcher Arbeitsorganisation der Mensch mit seinen intellektuellen und kreativen Kenntnissen und Fähigkeiten zu kurz kommt. U m diese nutzen zu können, findet immer stärker Gruppen- oder Teamarbeit anstelle tayloristischer Arbeitsorganisation Einsatz. 12 Die Visionen der „menschenleeren Fabrik" waren Ausfluß des Bestrebens, Unsicherheitsfaktoren zu minimieren und sichere Prozeßabläufe zu erreichen. Nun sind aber Fehler und Risiken wesentliche Bestandteile des Verhaltens technischer Systeme, weil diese immer Mensch-Maschine-Systeme sind. Fehler können sowohl in der Maschine durch den Menschen „eingebaut" werden als auch durch ihn direkt entstehen. Darüber hinaus gibt es technisch bedingte Zuverlässigkeitsgrenzen (ζ. B. Materialverschleiß), was zu einer Ausfallwahrscheinlichkeit jeder technischen Einrichtung führt. Es gibt also das Dilemma, 10

Zu diesem internationalen Forschungsprogramm und auch seinen deutschen Ergebnissen, die am Beispiel der Volkswagen A G konkretisiert wurden, ausführlich die Beiträge in P. Meyer-Dohm /H.G . Schütze (1987) (Hrsg.): Technischer Wandel und Qualifizierung: Die neue Synthese, Frankfurt/New York. 11 Vgl. P. Brödner (1985): Fabrik 2000. Alternative Entwicklungspfade in die Zukunft der Fabrik, Berlin, S.45ff. 12 Ausführlicher zu dieser Entwicklung P. Meyer-Dohm (1988): Bildungsarbeit im lernenden Unternehmen, in: P. Meyer-Dohm /E. Tuchtfeldt/ E. Wesner (Hrsg.): Der Mensch im Unternehmen, Bern / Stuttgart, S. 251 ff.; sowie B. Lutz (1988): Welche Qualifikationen brauchen wir? Welche Qualifikationen können wir erzeugen?, in J.J. Hesse/H.-G. Rolff/Chr. Zöpel (Hrsg.): Zukunftswissen und Bildungsperspektiven, Baden-Baden S. 58 f f

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Peter Meyer-Dohm

einerseits größtmögliche Zuverlässigkeit von technischen Anlagen erreichen zu wollen und andererseits der Unzulänglichkeit des Menschen und der von ihm geschaffenen Dinge entgegentreten zu können. Dies Dilemma läßt sich nur auflösen, wenn man „Fehler" als wesentlichen Bestandteil des Systemverhaltens erkennt. 13 Daraus ergeben sich aber zwei „Denkrichtungen" beim Entwurf des MenschMaschine-Systems: Die eine setzt beim vollautomatischen System an, die andere bei einem entsprechenden manuellen System, womit erreicht werden soll, das System von beiden Einsatzfaktoren her zu optimieren („Dualer Entwurf). Notwendige Voraussetzung ist das Operieren mit neuen oder zumindest veränderten Qualifikationsprofilen, wobei auch die Entstehung von Arbeitsplätzen zu beachten ist, die ein größeres Maß an Selbständigkeit dem Menschen ermöglichen und damit die Motivation zu stützen vermögen. 14 Es wird also von stärkerer Selbstbestimmung der Arbeit und gestiegenen Partizipationsansprüchen der Mitarbeiter ausgegangen, was für den Führungsstil im industriellen Unternehmen von großer Bedeutung ist. Dieser ist darauf gerichtet, Leistungsreserven der Mitarbeiter mit ihnen und nicht gegen sie zu aktivieren. Es ist die Reaktion der Hierarchie auch auf organisationspsychologische Einsichten und praktische Vorbilder (z.B. in der japanischen Arbeitsorganisation). 15 Die Durchsetzung dieser Entwicklung bedarf eines kommunikativen und kooperativen Mitarbeitertyps. 16 Die „Tugenden", die von ihm verlangt werden, lassen sich — im Gegensatz zu den puritanischen — nicht erzwingen. 13 Vgl. K. Henning IB. Ochterbeck (1988): Dualer Entwurf von Mensch-MaschineSystemen, in: P. Meyer-Dohm /E. Tuchtfeldt/E. Wesner (Hrsg.) S. 229 f. 14 Vgl. K. Henning IB. Ochterbeck (1988) S. 231, 234. 15 So hat z. B. in der Automobilindustrie die Partizipationsphilosophie der New United Motor Manufacturing, Inc., ( N U M M I ) , eines Gemeinschaftsunternehmens von General Motors und Toyota in den U.S.A., starke Aufmerksamkeit gefunden. Zu N U M M I : G. H. Stoner (1988): Partizipation der Mitarbeiter und die Kurzsichtigkeit der Manager, in: P. Meyer-Dohm /E. Tuchtfeldt/E. Wesner (Hrsg.) S. 217 ff. 16 „Bei der,neuen 4 Technik (und Organisation) dominieren folgende Arbeitstugenden, die zu einem Teil stark kommunikative Züge tragen: — Fähigkeit und Bereitschaft zur Teamarbeit, wozu Offenheit, eigene Meinung, Mut, Zuhören-Können, Humor und soziale Verträglichkeit gehören. — Verständnis für technisch-organisatorische Zusammenhänge und soziale Prozesse. — Lernfähigkeit und -bereitschaft. — Konfliktvermeidungs- bzw. -lösungspotential. — Abstraktionsfahigkeit und Kreativität. — Schnelle Auffassungsgabe und hohe Flexibilität. — Hohes Verantwortungsbewußtsein (für Produkt, Leistungserstellung und Mitarbeiter)." (R. Schultz [1987]: Aspekte betrieblicher Personalpolitik und -führung vor dem Hintergrund veränderter Produktions- und Marktbedingungen, in: H. Lamszus/H. Sanmann [Hrsg.]: Neue Technologien, Arbeitsmarkt und Berufsqualifikation, Bern /Stuttgart, S. 175).

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Qualifikationsstrategien und Europäischer Binnenmarkt

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„Die neuen an Bedeutung gewinnenden sozialen Qualifikationen müssen ganz anders entwickelt und funktionsfähig gehalten werden als die früher so wichtigen und auch heute naturgemäß notwendigen fundierten (engen) fachlichen Qualifikationen. Das heißt: Es ist jetzt eine grundsätzlich andere Art von Arbeitsorganisation, Personalführung und Personalentwicklung erforderlich." 1 7 Aus der Sicht der betrieblichen (und außerbetrieblichen, schulischen) Bildungsarbeit geht es, kurz gesagt, um die Entwicklung und Förderung der sozialen und der Lernkompetenz der (künftigen) Mitarbeiter. 18 Aber nicht nur die beruflich Vorgebildeten oder Auszubildenden sind dabei die Zielgruppe; zunehmend erlangen die angelernten Produktionsarbeiter Aufmerksamkeit, deren Bildungsfahigkeit in der Vergangenheit gröblich unterschätzt worden ist. 1 9 M i t der Notwendigkeit, Qualifizierungsanstrengungen angesichts des sich beschleunigenden Wandels zu intensivieren, nimmt das Interesse an qualifizierender bzw. persönlichkeitsförderlicher Arbeitsgestaltung und an „Bildungsmaßnahmen vor Ort" (ζ. B. in der Produktion) zu. 2 0 Damit wird die Unterscheidung von bildungs- und stellenbezogener Personalentwicklung zum Teil fraglich. Der andere Weg ist die Aufforderung an die Mitarbeiter, über Kleingruppenaktivitäten (Qualitätszirkel, Lernstatt) aktiv zu werden und sich selbst um die Gestaltung und Qualität der eigenen Arbeit zu kümmern und neue Ideen direkt umzusetzen.21 Daneben gibt es noch viele andere Möglichkeiten, die dem Ziel „Flexibilität durch Ermächtigung der Mitarbeiter" dienen, wie es Tom Peters in seinem einflußreichen Bestseller „Kreatives Chaos" 22 fordert. 17

R. Schultz (1987) in: H. Lamszus/H. Sanmann (Hrsg.) S. 175. Vgl. P. Meyer-Dohm (1989): Zukunftssicherung durch betriebliche Bildungsarbeit, in: Hessej Roljf/Zöpel, (Hrsg.): Zukunftswissen und Bildungsperspektiven, Baden-Baden S. 58 ff., S. 210 ff. Ferner P. Schneider (1988): Neuorientierung der Berufsausbildung in der Industrie, in Meyer-Dohm/Tuchtfeldt/Wesner, (Hrsg.) S. 273 ff. 19 Vgl. M. Lacher/D. Neumann/ J. Rubelt/M. Schuler (1988): Leben — Arbeiten — Lernen. Entwurf einer biographisch begründeten Bildungstypologie von Montagearbeitern/ -innen, in: P. Meyer-Dohm/M. Lacher/J. Rubelt (Hrsg.): Produktionsarbeiter in angelernten Tätigkeiten. Eine Herausforderung für die Bildungsarbeit, Frankfurt/ New York, S. 63 ff. 20 Vgl. F. Frei (1989): Qualifizierende Arbeitsgestaltung, in: Meyer-Dohm/ Lacher/ Rubelt, (Hrsg.) S. 147ff.; F. Frei/W. Duell/Chr. Baisch (1984): Arbeit und Kompetenzentwicklung, Bern/Stuttgart/Wien; W. Duell /F. Frei (1986): Leitfaden für qualifizierende Arbeitsgestaltung, Köln; H. Wächter/B. Modrow-Thiel/G. Roßmann (1989): Persönlichkeitsförderliche Arbeitsgestaltung, München/Mering, S. 18 ff. Zur „Qualifizierung vor Ort" P. Meyer-Dohm: Strategische Ansätze und neue Formen betrieblichen Lernens für angelernte Industriearbeiter/-innen, in: Meyer-Dohm / Lacher / Rubelt, (Hrsg.) S. 58 ff. 21 Aus der inzwischen breiten Literatur vgl. J. Deppe (1986): Qualitätszirkel — Ideenmanagement durch Gruppenarbeit, Bern-Frankfurt/M. — New York; P. Beriger (1986): Quality Circles und Kreativität, Bern/Stuttgart; W. BungardArbeitsplatzorientiertes Lernen durch Qualitätszirkel, in: Meyer-Dohm / Tuchtfeldt/Wesner (Hrsg.) S. 311 ff.; B. Kirchhoff/P. Grutzau (1982): Die Lernstatt, Grafenau. 18

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T. Peters (1988): Kreatives Chaos. Die neue Management-Praxis, Hamburg. Orig.: Thriving on Chaos, New York 1987.

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Peter Meyer-Dohm

Auf die Konsequenzen für den Führungsstil ist bereits hingewiesen worden. Wenn aber eingangs dieses Abschnitts der Bereich der Führungskräfte von dem der übrigen Mitarbeiter des Unternehmens abgehoben wurde, dann erfolgte das aus einem anderen Grund. Im Zusammenhang mit der Diskussion des „Strategischen Personalmanagments" 23 ist herausgearbeitet worden, daß dieses ein „integra ti ver Bestandteil strategischer Führung" 2 4 zu sein hat, wenn die zunehmend durch Diskontinuitäten gekennzeichnete Dynamik der Unternehmensentwicklung in einer turbulenten Umwelt bewältigt werden soll. Die Unternehmen sind im Rahmen des strategischen Personalmanagments bestrebt, eine Führungsmannschaft aufzubauen, die sowohl ein kognitives als auch affektives Problemlösungspotential darstellt. In diesem Zusammenhang spielt die Evolution von Unternehmenskulturen, also die sozio-strukturelle Dimension der Unternehmen mit ihren Werten, Symbolen usw., eine wichtige Rolle. 25 Die Führungsmannschaft orientiert sich in ihrer Zusammensetzung also nicht (allein) an aktuellen, heutigen Aufgaben, sondern wird als kreatives Potential für zukünftige Entwicklungen gesehen, das auch akquisitorische Wirkungen auf potentielle „helle Köpfe" (Schumpeter) ausübt. Im Gegensatz zu der mehrfach erwähnten derivativ logistischen ist hier eine „originär aktivistische" Personalplanung gefordert. 26 Dieser nur stichwortartige Überblick zeigt, daß der erkannte Bedeutungszuwachs der Humanressourcen der Unternehmungen sehr unterschiedliche Überlegungen und Maßnahmen ausgelöst hat und noch auslöst. Es geht dabei um die Vermittlung, Sicherung und Aktivierung von Qualifikationen, was wiederum in umfassende, zum Teil langfristig angelegte Qualifikationsstrategien münden kann. 2 7 Auslöser dieser Entwicklung ist neben dem technischen und arbeitsorganisatorischen Wandel die Veränderung der Ansprüche der Mitarbeiter, die wiederum im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wertewandel gesehen werden muß. Parallel dazu vollzieht sich ein Wandel des Menschenbildes in den Unternehmungen in Richtung selbständiger, eigenverantwortlich handelnder Mitarbeiter, wobei allerdings nicht übersehen werden sollte, daß dieser Wandel noch 23

Vgl. die umfassenden Literaturangaben bei K. Bleicher, (1987) S. 36ff., und die Ausführungen von K.-F. Ackermann (1987): Konzeptionen des strategischen Personalmanagements für die Unternehmenspraxis, in: Glaubrecht ! Wagner (Hrsg.) S. 39 ff. 24 K. Bleicher (1987) S. 20 ff. 25 Den Versuch einer bewertenden Zusammenfassung der bisherigen Forschungen unternimmt M. Dierkes (1988): Unternehmenskultur, Leitbilder und Führung, in: MeyerDohm / Tuchtfeldt/ Wesner (Hrsg.) S. 19 ff. 26 K. Bleicher (1987) S. 22. 27 Soweit mir bekannt, sind solche umfassenden Qualifikationsstrategien, die die unter 1.1 oben zusätzlich genannten Bereiche abdecken müßten, bisher in der Praxis nicht systematisch in Aktionsplänen ausformuliert worden. In der Regel werden häufig unverbundene Maßnahmenbündel beschlossen und nicht selten Interdependenzen wegen der Komplexität vernachlässigt.

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Qualifikationsstrategien und Europäischer Binnenmarkt

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nicht auf breiter Front erfolgt. Eine empirische Untersuchung über die implizierten Theorien von Führungskräften bezüglich der Natur des Menschen in der Arbeitswelt zeigt, daß noch Vorstellungen dominieren, die den Menschen zum Beispiel als „passives und unselbständiges Wesen" oder als „mechanisches Instrument" verstehen. 28 Wenn nicht nur nach Berufsabschlüssen, kognitiven Kenntnissen und ähnlichen gefragt wird, sondern der ganzheitlich qualifizierte Mitarbeiter gefordert ist, dann erhalten Qualifikationsstrategien einen sehr komplexen Inhalt, der in diesem Beitrag nur in seiner Bedeutung aufgezeigt, aber nicht annähernd erschöpfend behandelt werden kann.

II. Strategien der Unternehmungen im europäischen Binnenmarkt 1. Die Bedeutung des europäischen Binnenmarktes für die Unternehmungen Nachdem das durch die Regierung der Mitgliedsländer gebilligte Weißbuch der EG-Kommission über die „Vollendung des Binnenmarktes" 29 ein deutliches Bild von Vorteilen einer Marktintegration gezeichnet hatte und die Ergebnisse des Forschungsprogramms über die „Kosten der NichtVerwirklichung Europas" im sogenannten „Cecchini-Report" vorliegen, 30 spricht man von einem neuen „Wachstumsschub ..., der weit über die Grenzen der Zwölfergemeinschaft ausstrahlen kann." 3 1 Aus der Sicht einzelner Branchen und Unternehmungen ergibt sich natürlicherweise ein weit differenzierteres Bild, denn sie sind aufgrund ihrer Größe und ihres Marktes ganz unterschiedlich von den administrativen und gesetzlichen Aspekten der Binnenmarktharmonisierung betroffen. Eine Umfrage der EG-Kommission zeigt, daß die zwischen den Mitgliedsländern abweichenden technischen Vorschriften und Normen sowie die administrativen Schranken (Verwaltungsaufwand) als wichtigste Handelshürde durch die europaweit befragten Unternehmungen angesehen werden. A n dritter Stelle rangieren bei den Unternehmungen der zwölf Mitgliedsländer weit überwiegend die Grenzformalitäten (Tabelle 1). Eine repräsentative Befragung von Führungskräften der 600 größten europäischen Unternehmungen nach ihren Plänen und Erwartungen bezüglich „Europa '92", deren erste Ergebnisse im Februar 1989 veröffentlicht wurden, 32 28

Vgl. K.-F. Ackermann /P. Rothenberger (1987): Zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung von Führungskräften, in: E. Gaugier (Hrsg.): Betriebliche Weiterbildung als Führungsaufgabe, Wiesbaden, S. 16. 29 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1985): Vollendung des Binnenmarktes. Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, Brüssel. 30 P. Cecchini (1988): Europa '92. Der Vorteil des Binnenmarktes, Baden-Baden. 31 P. Cecchini (1988): Europa '92. Der Vorteil des Binnenmarktes, Baden-Baden, S. 15. 32 H. Meffertj J. Bolz (1989): Europa '92 und Unternehmensführung — Betroffenheit und Maßnahmen aus der Sicht europäischer Unternehmungen (Institut für Marketing der Universität Münster, Arbeitspapier Nr. 36), Münster.

2 Schriften d. Vereins f. Socialpolitik 200

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