Umsatzsteuerliche Behandlung des sog. E-Commerce 9783504382544

Die umsatzsteuerliche Erfassung der im elektronischen Geschäftsverkehr getätigten Umsätze stellt nach wie vor ein weltwe

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Umsatzsteuerliche Behandlung des sog. E-Commerce
 9783504382544

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Henschel · Umsatzsteuerliche Behandlung des sog. E-Commerce

Schriften zum Umsatzsteuerrecht Band 18 Herausgegeben vom UmsatzsteuerForum

-Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts e.V.-

Umsatzsteuerliche Behandlung des sog. E-Commerce

von

Dr. Lars Henschel Rechtsanwalt, Düsseldorf

2005

Verlag Dr. OttoSchmidt Köln

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Postfach 51 I 0 26, 50946 Köln Tel.:0221/93738-0!, Fax:0221/93738 943 e-mail: [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 3-504-62218-0 © 2005 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holzund säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Umschlaggestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Druck Partner Rübelmann GmbH, Hemsbach Printed in Gerrnany

Vorwort Eines der weltweit ungelösten Probleme ist die steuerliche Erfassung der im elektronischen Geschäftsverkehr getätigten Umsätze. In diesem Bereich stößt das im internationalen Steuerrecht geltende Territorialprinzip an seine Grenzen. Es stellen sich eine Fülle von ungelösten Fragen und Problemen, von denen einleitend nur einige genannt seien: Mit dem Verbrauchsteuersystem ist es konform, die Besteuerung am Ort des Verbrauchs durchzufUhren. Wie kann dies aber sichergestellt werden, wenn sich der Anbieter elektronischer Leistungen außerhalb der Europäischen Union befindet? Wie läßt sich der fUr eine allgemeine Verbrauchsteuer vitale Grundsatz der Wettbewerbsneutralität verwirklichen? Nach welchen Kriterien sind die Steuerhoheiten zwischen den einzelnen Staaten zu verteilen? Die EG hat versucht, durch die sog. Internet-Richtlinie vom 7.5.2002 eine Antwort zu geben. Der nationale Gesetzgeber hat diese Richtlinie zum 1.7.2003 durch das sog. Steuervergünstigungsabbaugesetz umgesetzt. Der Verfasser setzt sich mit dieser Rechtsentwicklung kritisch auseinander und arbeitet die verbleibenden Schwachstellen heraus. Im Anschluß hieran wird ein eigenständiger Alternativvorschlag entwickelt. Die vorliegende Arbeit hat der rechtswissenschaftliehen Fakultät der RuhrUniversität Bochum im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation vorgelegen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur konnten bis Juni 2004 berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Roman Seer, danke ich herzlich fUr die persönliche Betreuung dieser Arbeit. Bei Herrn Professor Dr. KarlNikolaus Peifer bedanke ich mich fUr die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Mein besonderer Dank gilt Herrn Steuerberater Eberhard Brune, der mit einem großzügigen Stipendium zum 25. Firmenjubiläum diese Dissertation gefordert und unterstützt hat. Nicht zuletzt gebührt aber meinen lieben Eltern der größte Dank, die mir über die langen Jahre meiner Ausbildung immer mit Geduld, finanzieller Unterstützung und Optimismus zur Seite standen. Ihnen möchte ich daher diese Arbeit widmen. Hagen!Westf., im November 2004

Lars Henschel

V

Inhaltsübersicht Seite Vorwort .......................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ......................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XIX Literaturverzeichnis .................................................................................XXIII

Einleitung .............................................................................................. 1 1. Teil: Grundlegung ............................................................................ 5 A.

Begriffsbestimmungen und technischer Hintergrund .......................... 5

B.

System und Telos der Umsatzsteuer .................................................. 10

C.

Politische Diskussion und Vorgaben fUr die Umsatzbesteuerung des E-Commerce ............................................... 14

2. Teil: Umsatzsteuerliehe Behandlung des E-Commeree in der Rechtsentwicklung bis heute ............................................ 53 A.

Steuerbarkeit des E-Commerce I Erfassung vom umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbegriff ......................................... 53

B.

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen: "Lieferung" oder "sonstige Leistung"? .................................................... ,..................... 55

C.

Bestimmung des Leistungsortes ........................................................ 97

D.

Anwendbarer Steuersatz .................................................................. 164

E.

Rechnungserteilung und Vorsteuerabzug ......................................... 175

F.

Besteuerungsverfahren ..................................................................... 181

G.

Sicherstellung der Besteuerung im Gesetzesvollzug ....................... 188

H.

Zusammenfassung ............................................................................ 201

VII

Inhaltsübersicht

3. Teil: Überlegungen zur zukünftigen Umsatzbesteuerung des E-Commerce ..................................................................... 205 A.

Ausgangssituation ............................................................................ 206

B.

Ansatz: systemkonforme Abgrenzung nach Leistungsinhalten ....... 207

C.

Zusammenfassung und Ausblick ..................................................... 232

Stichwortverzeichnis .................................................................................. 235

VIII

Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort .......................................................................................................... V Inhaltsübersicht ........................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XIX Literaturverzeichnis .................................................................................XXIII

Einleitung .............................................................................................. 1 1. Teil: Grundlegung ............................................................................ 5 A. I.

II. 111.

Begriffsbestimmungen und technischer Hintergrund .......................... 5 Electronic Commerce........................................................................... 5 1. Definition ...................................................................................... 5 2. Erscheinungsformen ..................................................................... 6 a) Offline-Umsätze ..................................................................... 6 b) Online-Umsätze ..................................................................... 7 3. Abgrenzung zu Telekommunikationsdienstleistungen ................. 7 Internet und world wide web ............................................................... 8 Server und Provider ...........................................•................................. 9

B.

System und Telos der Umsatzsteuer .................................................. 10

C.

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce ............................................... 14 Bit-Tax ............................................................................................... 14 US-Regierung ,,A Framework for Global Electronic Commerce" vom 1.7.1997 ................................................................. 16 Turku-Konferenz 1997 ....................................................................... 17 Vorschläge der deutschen Finanzverwaltung ..................................... 17 1. Modell eines transaktionsbezogenen Abzugsteuersystems ........ 17 2. OTP-Modell ................................................................................ 21 Mitteilung der EU-Kommission "Elektronischer Handel und indirekte Steuern" vom 17.6.1998 I Beschluß des ECOFINRates vom 6.7.1998 ............................................................................ 22 Ottawa-Konferenz 1998 und weitere Arbeiten der OECD ................ 24 1. Einigung auf allgemeine Besteuerungsgrundsätze: Taxation Framework Conditions ................................................. 25

I. II. 111. IV.

V.

VI.

IX

Inhaltsverzeichnis

2. Schlußfolgerungen für die Verbrauchsbesteuerung .................... 26 3. Weitere Arbeiten der OECD ....................................................... 26 VII. Internet Tax Freedom Act der USA im Oktober 1998 ....................... 27 VIII. Arbeitspapier der EU-Kommission "Indirekte Steuern und elektronischer Geschäftsverkehr" vom 8.6.1999 ............................... 29 1. Umfassende Änderung der Ortsbestimmung in Art. 9 der 6. EG-MwSt-Richtlinie ............................................................... 29 2. Verfahrensrechtliche Empfehlungen ........................................... 32 IX. Richtlinienvorschlag der EU-Kommission "Mehrwertsteuerliche Behandlung elektronisch erbrachter Dienstleistungen" vom 7.6.2000 ........................................................ 32 1. Definition der "elektronisch erbrachten Dienstleistungen" und Ortsbestimmung dieser Leistungen ..................................... 33 2. Anzuwendender Steuersatz ......................................................... 34 3. Bestimmung des Steuerschuldners einschließlich der Einführung einer Gutglaubensregelung ...................................... 34 4. Einführung einer mehrwertsteuerliehen Registrierungspflicht für Drittlandsunternehmer. ....................... 36 5. Einführung der Möglichkeit, USt-Erklärungen und Anzeigen über die Unternehmerische Tätigkeit auf elektronischem Weg abzugeben .................................................. 36 X. Modifikation, Verabschiedung und Umsetzung des Vorschlages ........................................................................................ 37 1. Kompromißvorschlag der schwedischen EUPräsidentschaft ............................................................................ 37 2. Politische Einigung und Verabschiedung der Richtlinienänderung .................................................................... 39 a) Inhalt der Richtlinienänderung ............................................ 40 aa) Aufnahme elektronisch erbrachter Dienstleistungen in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e ............... 40 bb) Ort dieser Leistungen .................................................. 41 cc) Einheitliche Anwendung des Normalsteuersatzes ..................................................... 43 dd) Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ....................... 43 ee) Spezielles Verfahren für Drittlandsunternehmer ......... 43 b) Inhalt der Verordnungsänderung .......................................... 45 aa) Überprüfung des umsatzsteuerliehen Empfängerstatus anband der USt-Id.Nr...................... 46 bb) Informationsaustausch und Einführung eines Clearing-Verfahrens .................................................... 46 3. Umsetzung ins nationale UStG zum 1.7.2003 ............................ 47 X

Inhaltsverzeichnis

a)

XI.

Ortsbestimmung der auf elektronischem Wege erbachten sonstigen Leistungen ........................................... 48 b) Besteuerungsverfahren für Drittlandsanbieter ..................... 49 c) Zusammenfassung ................................................................ 51 Ergebnis ............................................................................................. 52

2. Teil: Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute ............................................ 53 A.

Steuerbarkeit des E-Commerce I Erfassung vom umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbegriff ......................................... 53

B.

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen: "Lieferung" oder "sonstige Leistung"? .......................................................................... 55 Begriff der Lieferung, § 3 Abs. 1 UStG ............................................. 55 1. Erfordernis eines körperlichen Gegenstandes ............................. 56 2. Verschaffung der Verfügungsmacht.. .......................................... 57 Komplementärbegriff der sonstigen Leistung, § 3 Abs. 9 UStG ................................................................................................... 57 Abgrenzungsgrundsätze ..................................................................... 58 Einordnung der Offline-Umsätze ....................................................... 59 1. Typische Erscheinungsformen .................................................... 59 a) Buchbestellung über das Internet ......................................... 60 b) Warenbestellung bei einem Versandhandel ......................... 61 c) Online-Bestellung von Eintritts-/Konzertkarten .................. 62 d) Reisebuchung über das Internet.. ......................................... 63 2. Streitpunkt Software ................................................................... 63 a) Definition und Erscheinungsformen .................................... 64 b) Differenzierung der Erscheinungsformen für umsatzsteuerliche Zwecke ................................................... 64 c) Qualifikation als "Lieferung" oder "sonstige Leistung" .............................................................................. 66 aa) Verschaffung der Verfügungsmacht an einem körperlichen Datenträger nicht leistungsprägend .......................................................... 70 bb) Ausnahmen vom grundsätzlichen Erfordernis der Körperlichkeit ....................................................... 71 cc) Standardsoftware ......................................................... 75 dd) Individualsoftware ....................................................... 76 ee) Zeitlich beschränkte Überlassung von Software ......... 77 ft) Updates ........................................................................ 77

I.

Il. III. IV.

XI

Inhaltsverzeichnis

V.

C. I.

XII

(1) Basisprogramm und Updates eine einheitliche Leistung? .......................................... 79 (2) Qualifizierung als Haupt- und Nebenleistung ....................................................... 80 (3) Konsequenzen einer abweichenden Einordnung ........................................................... 81 3. Zusammenfassung ....................................................................... 82 Einordnung der Online-Umsätze ....................................................... 82 1. Kategorie der elektronischen Serviceleistungen ......................... 86 a) Online-Recherche in einer Datenbank ................................. 86 b) Abfrage von Börseninformationen ...................................... 88 c) Einrichten von "Links" und Werbebannern ......................... 89 d) Online-Wartung von EDV-Systemen ................................... 90 e) Online-Schu1ung .................................................................. 91 f) Zusammenfassung und Ergebnis ......................................... 92 2. Kategorie der virtuellen Güter .................................................... 92 a) Typische Erscheinungsformen ............................................. 93 b) Übertragung unkörperlicher Gegenstände ........................... 94 3. Zusammenfassung ....................................................................... 96 Bestimmung des Leistungsortes ........................................................ 97 Offline-Umsätze ............................................................................... 100 1. Systematik der Leistungsortbestimmung nach § 3 Abs. 5a UStG .......................................................................................... 100 2. Versendung und Beförderung - bewegte Lieferungen ............. 100 3. "Unbewegte" Lieferungen ........................................................ 101 4. Innergemeinschaftlicher Warenverkehr .................................... 101 a) B2B .................................................................................... 102 aa) Innergemeinschaftliche Lieferung auf seiten des Leistungserbringers, §§ 4 Nr. 1b, 6a UStG ......... 102 bb) Innergemeinschaftlicher Erwerb auf seiten des Leistungsempfängers, §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 1a UStG .......................................................................... 103 b) B2C .................................................................................... 103 aa) Versandhandelsregelung, § 3c UStG ......................... 104 bb) Lieferschwelle ........................................................... 104 5. Ausfuhr in Drittländer ............................................................... 105 6. Einfuhr im Inland, § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG ................................ 105 a) Freigrenze fiir Kleinsendungen, § 1 Abs. 1 EUStBV ........ 106 b) Verlegung des Lieferungsortes in das Einfuhrland, § 3 Abs. 8 UStG ................................................................. 107

Inhaltsverzeichnis

c)

II.

(Anmerkung zur) Einfuhr von Software auf Datenträgern ............................................................ ,.......... 108 7. Zusammenfassung und Ergebnis .............................................. 109 Online-Umsätze ............................................................................... 109 1. Systematik der Leistungsortregelung des § 3a UStG ............... 109 2. Rechtslage bis zum 30.6.2003 .................................................. 110 a) § 3aAbs. 2 Nr. 3 UStG: Ort der Tätigkeit ......................... 110 aa) Buchst. a: Kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende und ähnliche Leistungen ...................... 111 bb) Buchst. c: Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und deren Begutachtung ............................................................. 113 cc) "Ort der Tätigkeit" vs. "Ort der Leistungsbewirkung" ................................................ 114 dd) Zusammenfassung ..................................................... 115 b) § 3a Abs. 3 iVm. Abs. 4 UStG: Leistungsort der sog. Katalogleistungen ...... ..... ......... ..... ....... ...... ....... ....... ...... .... 116 aa) Nr. 1: Übertragung von Urheberrechten ................... 116 (1) Schutzbereich des UrhG ..................................... 117 (2) Erforderlichkeit einer Einräumung, Übertragung oder Wahrnehmung dieser Rechte ................................................................. 117 bb) Nr. 2: Werbung und Öffentlichkeitsarbeit.. ............... 118 cc) Nr. 4: Datenverarbeitung ........................................... 121 dd) Nr. 5: Überlassung von Informationen ...................... 122 (1) Darstellung des Meinungsstreits ........................ 123 (2) Stellungnahme .................................................... 124 (3) Zusammenfassung und Ergebnis ........................ 125 ee) Nr. 12: Telekommunikationsdienstleistungen ........... 126 (1) Problemfall: "Misch-Anbieter" .......................... 127 (2) Ergebnis .............................................................. 129 ff) Zusammenfassung ..................................................... 130 c) § 1 UStDV: Verlagerung des Leistungsortes in Sonderfällen ....................................................................... 130 aa) Leistungen anjur. Personen des öffentlichen Rechts ........................................................................ 131 bb) Telekommunikationsdienstleistungen ....................... 131 cc) Vfg. der OFD Düsseldorf: bei nichtunternehmerischen Leistungsempfängern Nutzung/Auswertung im Inland maßgeblich ............ 132

XIII

Inhaltsverzeichnis

3.

4.

XIV

d) Zusammenfassung und Ergebnis ....................................... 133 Rechtslage ab dem 1.7.2003 ..................................................... 134 a) § 3a Abs. 4 Nr. 13 UStG: Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen ..................................................... 135 b) § 3aAbs. 4 Nr. 14 UStG: aufelektronischem Wege erbrachte sonstige Leistungen ............................................ 138 aa) Von§ 3aAbs. 4 Nr. 14 UStG erfaßte Leistungen ................................................................. 139 (1) Technisches Merkmal der elektronischen Übertragung ........................................................ 139 (2) Anforderung an eine "Erbringung" auf elektronischem Weg ........................................... 140 (3) Anhang L: Beispiele fiir auf elektronischem Wege erbrachte Leistungen ....... 143 (4) Kritik: Ungelöste Abgrenzungsprobleme ........... 146 (5) Zwischenergebnis ............................................... 149 bb) Leistungsorte in Abhängigkeit von Sitz und Status ......................................................................... 150 (1) Darstellung der möglichen Leistungsorte .......... 150 (2) Kritik: Keine durchgängige Besteuerung am Verbrauchsort ................................................ 153 (3) Problematik der Ansässigkeitsbestimmung privater Endverbraucher ..................................... 154 (4) Identifizierung des Status anhand der UStId.Nr................................................................... 156 c) Zusammenfassung .............................................................. 157 § 3aAbs. 1 UStG: "Grundregel" des Leistungsortes ................ 157 a) Sitz des Unternehmens ....................................................... 157 b) Ort der Betriebsstätte als Leistungsort ............................... 158 aa) Der Internet-Server als Betriebsstätte? Die Betriebsstättenproblematik im Umsatzsteuerrecht ..................................................... 159 (1) Nationales Umsatzsteuerrecht: Begriff der Betriebsstätte, § 12 AO ...................................... 159 (2) Europarechtliche Vorgaben: feste Niederlassung erfordert Mindestbestand an Personal und Sachmitteln ................................... 160 (3) Ergebnis .............................................................. 161 bb) Konkurrenzverhältnis zwischen Unternehmenssitz und Betriebsstätte ........................ 161

Inhaltsverzeichnis

c) D. I.

II.

III. E. I. II.

111. F. I.

(1) Ausgangsumsätze: Ort der Leistungserbringung ........................................... 161. (2) Eingangsumsätze: Ort des Leistungsempfangs ............................................. 163 Ergebnis ............................................................................. 164

Anwendbarer Steuersatz .................................................................. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit der Anlage .................... 1. Lieferungen von Gegenständen/Waren erforderlich ................. 2. Möglichkeit der Einordnung unter Nr. 49 der Anlage? ............ 3. Stellungnahme ........................................................................... 4. Ergebnis .................................................................................... § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG: Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Urheberrechten ................................................. 1. Stimmen in der Literatur: ermäßigter Steuersatz stets anwendbar ................................................................................. 2. Abweichende Literaturauffassung: ermäßigter Steuersatz nur bei Individualsoftware ........................................................ 3. Differenzierte Auffassung der Rechtsprechung und des Schrifttums ................................................................................ 4. Stellungnahme ........................................................................... 5. Ergebnis .................................................................................... Zusammenfassung und Ergebnis .....................................................

164 166 166 167 168 170 171 171 172 172 172 173 174

Rechnungserteilung und Vorsteuerabzug ......................................... 175 Allgemeine Rechnungsanforderungen ............................................. 175 Elektronische Rechnungserteilung .................................................. 177 1. Elektronische Signatur .............................................................. 177 2. Elektronischer Datenaustausch ................................................. 178 3. Übermittlungper Telefax oder E-Mail ..................................... 179 4. Archivierung ............................................................................. 179 Zusammenfassung ............................................................................ 180 Besteuerungsverfahren ..................................................................... Allgemeine Vorschriften .................................................................. 1. Voraussetzungen des Reverse-Charge-Verfahrens .................... a) Leistungskatalog ................................................................ b) Ausländischer Leistungserbringer ..................................... aa) Wohnsitz/Sitz/Geschäftsleitung ................................ bb) Zweigniederlassung ................................................... 2. Anwendungsbereich und Folgen ..............................................

181 181 181 181 182 182 183 184

XV

Inhaltsverzeichnis

II.

Besondere Vorschriften flir den elektronischen Geschäftsverkehr.............................................................................. 185 1. Verfahren nach § 18 Abs. 4c UStG ........................................... 185 2. Kritik ......................................................................................... l86

Sicherstellung der Besteuerung im Gesetzesvollzug ....................... 188 Einführung ....................................................................................... 188 Verfassungsrechtliche Bedeutung des (kontrollierten) Gesetzesvollzuges ............................................................................ 188 111. Problemfelder ................................................................................... 189 1. Entmaterialisierung der Leistungen - fehlende Hilfstatsachen ............................................................................ 189 2. Identifizierung der Beteiligten .................................................. 190 3. Bestimmbarkeit des Leistungsinhalts-Verschlüsselung von Daten .................................................................................. 191 4. Mobilität der Anbieter- Zunahme grenzüberschreitender Leistungsbeziehungen ............................................................... 191 IV. Lösungsansätze ................................................................................ 192 1. Datenzugriff der Finanzverwaltung .......................................... 192 a) Einführung ......................................................................... 192 b) Umfang des Datenzugriffs ................................................. 193 c) Art des Zugriffs .................................................................. 194 d) Anwendungsbereich ........................................................... 195 2. IP-Adresse ................................................................................. 195 a) Derzeitige dynamische Vergabe ......................................... 196 b) Zukünftige feste Vergabe ................................................... 198 c) Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit von IPAdressen zur Leistungsortbestimmung .............................. 198 3. Zentraler lntemetabgleich ......................................................... 199 · 4. Elektronische Signaturen .......................................................... 200 V. Ergebnis ........................................................................................... 201 G. I. II.

H.

Zusammenfassung ............................................................................ 201

3. Teil: Überlegungen zur zukünftigen Umsatzbesteuerung des E-Commerce ..................................................................... 205 A.

Ausgangssituation ............................................................................ 206

B. I.

Ansatz: systemkonforme Abgrenzung nach Leistungsinhalten ....... 207 VIrtuelle Güter: Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 2 6. EGMwSt-Richtlinie? ............................................................................. 207

XVI

Inhaltsverzeichnis

1. 2.

II. III.

C.

Vergleichbarkeit mit Art. 5 Abs. 2 Var. 1: "Elektrizität"? ......... 208 Virtuelle Güter als "ähnliche Leistungen" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Var. 5? .................................................................. 209 3. Zwischenergebnis ...................................................................... 212 Vorschlag: Differenzierung von standardisierten und individuellen virtuellen Gütern ........................................................ 213 Konsequenzen dieses Vorschlages ................................................... 214 1. Leistungsort der standardisierten virtuellen Güter.................... 215 a) Download als Fortbewegung eines Gegenstandes? ........... 215 b) Maßgeblichkeit der Verschaffung der Verfügungsmachttrotz Übertragung .................................. 216 c) Konsequenzen der Einordnung als ruhende Lieferung ............................................................................ 219 aa) Inländische Sachverhalte ........................................... 220 bb) Innergemeinschaftliche Leistungsbeziehungen ........ 221 cc) Lieferungen mit Drittlandsbezug .............................. 223 d) Zusammenfassung und Ansätze zur Erleichterung der Registrierungspflicht/ Einfuhrbesteuerung .................. 226 2. Intention der Besteuerung am Ort des Verbrauchs ................... 228 3. Auswirkungen auf den Gesetzesvollzug ................................... 229 4. Ergebnis .................................................................................... 231 Zusammenfassung und Ausblick ..................................................... 232

Stichwortverzeichnis .................................................................................. 23 5

XVII

Abkürzungsverzeichnis a.A.

a.F. Abi. Abs. Abschn. Anm. Art. ASP AT AW-Prax

andere(r) Auffassung alte Fassung Amtsblatt Absatz Abschnitt Anmerkung Artikel Access Provider allgemeiner Teil Außenwirtschaftliche Praxis (Zeitschrift)

BR-Drucks. BStBl BT-Drucks. Buchst. BVerfG BVerfGE bzw.

Business to Business Business to Consumer Betriebsberater (Zeitschrift) Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Finanzen Bundesrat-Drucksachen Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksachen Buchstabe Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen beziehungsweise

ca. CR

cirka Computer und Recht (Zeitschrift)

DB ders. d.h. Dok. DSL DStR DSWR

Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe das heißt Dokument Digital Subscriber Line Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift)

B2B B2C BB BFH BFHINV BGBl

BMF

XIX

Abkürzungsverzeichnis

dt.

deutsch

ECOFIN

EGV Einf. endg. engI. etc. EU EuGH EUSt EUStBV EuZW EWG

European Council ofEconomic and Finance Ministers Electronic Data Interchange elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaft Sechste Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer Europäische Gerichtsverordnung Einfiihrung endgültig englisch et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Einfuhrumsatzsteuer Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung Europäische Zeitschrift fiir Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

f. ff. Fn. FR FTP

folgende fortfolgende Fußnote Finanz-Rundschau (Zeitschrift) File Transfer Protocol

GATS ggfs.

General Agreement on Trade in Services gegebenenfalls

h.M. Hrsg.

herrschende Meinung Herausgeber

idR. iHv. INF

in der Regel in Höhevon Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Internet Protocol im Sinne eines I einer Internet Service Provider

EDI EDV EG 6. EG-MwSt-Richtlinie

IP iSe. ISP XX

Abkürzungsverzeichnis

IStR iSv. iVm. IWB

Zeitschrift für internationales Steuerrecht im Sinne von in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)

K&R KOM KÖSDI

Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Dokumente der europäischen Kommission Kölner Steuerdialog (Zeitschrift)

lit.

litera

m.a.W. m.E. m.w.N. MMR MwSt

mit anderen Worten meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Multimedia und Recht (Zeitschrift) Mehrwertsteuer

n.F. NJW No. Nr.

neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Number Nummer

o.ä. OECD OFD OTP

oder ähnliche Organization for Economic Co-Operation and Development Oberfinanzdirektion Open Trading Protocol

Rdn. RlW Rz.

Randnummer Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Randziffer

s.

Seite I Satz Signaturgesetz Short Message System sogenannte ständige Rechtsprechung Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

SigG SMS sog. st. Rspr. StBp StuW

XXI

Abkürzungsverzeichnis

TCPIIP TDG TKG

Transmission Control Protocol I Internet Protocol Teledienstegesetz Telekommunikationsgesetz

u.a. UMTS UR USt UStB UStG UStR UVR

unter anderen I anderem Universal Mobile Telecommunication System Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Umsatzsteuer Der Umsatzsteuer-Berater (Zeitschrift) Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift)

V.

vom Variante VerfUgung vergleiche Volume

Var. Vfg. vgl. Vol.

wco WTO www

World Customs Organization World Trade Organization World Wide Web

z.B. ZfZ ZK ZK-DVO

zum Beispiel Zeitschrift fiir Zölle Zollkodex Zollkodex-Durchfiihrungsverordnung

XXII

Literaturverzeichnis Altmann, Anja, Die Umsatzbesteuerung des elektronischen Handels mit digitalen Produkten, Frankfurt a. M. 2000, (zugl.: Mainz, Univ., Diss., 2001) Ammann, Gunter, Weitere Überlegungen zur Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung auf dem Prüfstand, UR 2002, 258 Apitz, Wilfried, Digitale Buchfilhrung und Datenzugriff der Finanzverwaltung ab 1.1.2002, StBp 2002, 33 Arndt, Wolfgang I Fetzer, Thomas, Der Internetserver im Ausland - Ein Fall des§ 42AO?, BB 2001, 1175 Arndt, Wolfgang I Fetzer, Thomas, Der Richtlinienvorschlag der europäischen Kommission zur Mehrwertbesteuerung des Elektronischen Handels, BB 2000, 2545 Balmes, Frank, Belastungsgleichheit privater Veräußerungsgeschäfte oder die Spekulation mit Erhebungsdefiziten, FR 2000, 1069 Baumbach I Hopt, Handelsgesetzbuch, 31. Aufl., München 2003 Bernütz, Stefan, Zukunft der elektronischen Rechnungen im Umsatzsteuerrecht - Zum Referentenentwurf zur Umsetzung der 6. EG-Richtlinie, DB 2003,2403 Bieser, Wende/in, Das neue Signaturgesetz, DStR 2001, 27 Birk, Dieter, Das Leistungsfiihigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, Köln 1983 (zugl.: Münster/Westfalen, Univ., HabiL-Schrift, 1981) Birk, Dieter, Steuerrecht, 5. Aufl., Beideiberg 2002 Birkenfeld, Wolfram, Umsatzsteuer-Handbuch, Loseblatt, Köln, Stand: Mai 2004 Birkenfeld, Wolfram, Mehrwertsteuer der EU, 5. Aufl., Bietefeld 2003 Bornheim, Wolfgang, Besonderheiten der Umsatzsteuerplanung bei Betriebsstätten und Zweigniederlassungen, UStB 2001, 125 Büllesbach, Alfred I Miedbrodt, Anja, überblick über die internationale Signaturregulierung, CR 2000, 751 Bunjes I Geist, Umsatzsteuergesetz, 7. Aufl., München 2003 (zit.: Bearbeiter in: Bunjes I Geist) Burchert, Bernd, Einfilhrung eines Zugriffsrechts der Finanzverwaltung auf DV-gestützte Buchfilhrungssysteme, INF 2001, 230 und 263 Bustor.ff, Ingo, Lieferortbestimmung im liberalisierten Stromhandel, UR 2002,349

XXIII

Literaturverzeichnis

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XXX

Einleitung Das Internet verändert unsere Gesellschaft in einem Umfang und einer Geschwindigkeit, wie es kaum eine andere technische Errungenschaft zuvor so grundlegend getan hat. Ursprünglich als militärisches Computernetzwerk konzipiert ermöglicht es heute weltweit ca. 500 Millionen Menschen 1 den sekundenschnellen Versand von elektronischen Nachrichten (E-Mails) über den gesamten Globus, die Beschaffung von wissenschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Informationen aus Datenbanken oder die Inanspruchnahme von Unterhaltungsangeboten wie Musik und Filmen. Neben privaten Internetnutzern entdecken zudem immer mehr Unternehmen - in Deutschland sind beispielsweise ca. 66% aller Betriebe im Internet via "Homepages" präsentl - dieses Medium und erzielen hierüber ein Umsatzvolumen in Milliardenhöhe. Die Prognosen für die kommenden Jahre liegen zahlenmäßig zwar weit auseinander, einig ist man sich jedoch allenthalben, daß das Internet trotz des Niedergangs zahlreicher "dot-coms" an der Börse in den nächsten Jahren weiterhin boomen wird. So soll der globale OnlineHandel zwischen Unternehmen im Jahr 2004 ein Volumen von 6.000 Milliarden US-Dollar erreichen, im Handel mit Verbrauchern werden in diesem Jahr Umsätze in Höhe von ca. 400 Milliarden US-Dollar erwartee. Durch diese Revolution der Kommunikations- und Transferwege werden die Rechtsordnungen weltweit vor große Herausforderungen gestellt. Zahlreiche Rechtsgebiete sind an die neuen elektronischen Begebenheiten anzupassen bzw. gänzlich neue, internetspezifische Regelungen müssen getroffen werden. Neben dem Datenschutz, dem Verbraucherschutz oder aber auch dem allgemeinen Vertragsrecht, um nur einige betroffene Rechtsbereiche zu nennen, steht insbesondere das Steuerrecht vor der Aufgabe, die durch diesen radikalen Strukturwandel und die dadurch eröffneten Tätigkeitsfelder und Geschäftsvorgänge der New Economy aufgeworfenen Fragen und Probleme interessensgerecht zu lösen. Vor dem Hintergrund der außerordentlichen Umsatz- und Zuwachsraten sind die internationalen und nationalen Gremien seit einigen Jahren verständlicherweise darum bemüht, das Medium Internet

2

3

Quelle: Nielsen/Netratings-Report, Stand: Mai 2004, Fundstelle: http://www.nielsennetratings.com. Quelle: Fortschrittsbericht "Informationsgesellschaft Deutschland", Rede des damaligen Bundesministers ftir Wirtschaft und Technologie Dr. W. Müller v. 6.3.2002, Fundstelle: http://www.bmwi.de/Homepage/Presseforum. Quelle: Mummert & Partner; Fundstelle: http://www.funkschau-handel.de/heftarchiv; Europäische Kommission, GD XV, Fundstelle: http://www.europa.eu.in/comm/ dgl 5 .de/media/elec-comm/99-952.htm.

Einleitung

in einen geeigneten Rechtsrahmen zu kleiden, um somit die Rechtssicherheit zu schaffen, die es dem Internet erlaubt, sich weiterhin zu entwickeln und seine volle Entfaltungsmöglichkeit zu erreichen. Motivation hierfür sind selbstverständlich nicht zuletzt fiskalische Interessen. Ein wesentliches Charakteristikum des Iotemets ist die Marginalisierung geographischer Grenzen. Ist die Welt in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Telefon, Telefax, dem Fernsehen und weiteren Medien näher zusammengerückt, verschwinden nunmehr im Internet die verbliebenen Barrieren nahezu in Gänze. Für die beteiligten Nutzer ist der physikalische Aufenthaltsort oftmals irrelevant, mitunter sogar unbekannt, da sich der Kontakt über das Internet ausschließlich virtuell vollzieht. Für den wirtschaftlichen Geschäftsverkehr im Internet bedeutet dies, daß digitale Leistungen praktisch von jedem Ort der Welt an einen anderen, beliebigen Ort erbracht werden können. Dieses Phänomen wirft daher insbesondere dort steuerliche Probleme auf, wo an physikalische Begebenheiten wie eine feste Niederlassung oder Betriebsstätte angeknüpft wird. Für die Ertragssteuern sind diese und weitere Problemstellungen, in deren Mittelpunkt die Frage der Betriebsstätteneigenschaft eines sog. Internetservers stand, kontrovers in der OECD4 diskutiert und zumindest teilweise im Februar 2001 durch die Überarbeitung der Musterkommentierung zu Artikel 5 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen gelöst worden5• Umsatzsteuerrechtlich wirft die fehlende Körperlichkeit der digitalen Leistungen neben Fragen der Steuerbarkeit und des Leistungsortes dieser Transaktionen zudem deswegen verfahrensrechtliche Probleme auf, weil die bisherigen Kontrollmechanismen wie Verprobungen und Schätzungen dort versagen, wo den Steuerbehörden die Existenz eines Leistungsaustausches gar nicht bekannt ist. Erfolgen Geschäftsvorgänge ausschließlich virtuell, werden physisch keine nationalen Grenzen passiert, entfällt weiterhin die Möglichkeit der herkömmlichen Zollabfertigung und Einfuhrumsatzsteuererhebung bei Einfuhren aus Drittländem.

4 5

2

Organization for Economic Co-Operation and Development, dt.: Organisation filr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Vgl. OECD, Clarification on the application ofthe permanent establishment definition in E-Commerce: Changes to the Commentary on Article 5; hierzu: Strunk, IWB, Nr. 3 v. 14.2.2001, Fach 10, Gruppe 2, S. 1509; Korj, IStR 2001, 368 (369 f.), Arndt!Fetzer, BB 2001, 1175. Zum Diskussionsentwurf der OECD hinsichtlich der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und (Server-)Betriebsstätte (,,Attribution of profit to a permanent establishment involved in Electronic Commerce") vgl. Ditz, IStR 2002, 210.

Einleitung

Vergegenwärtigt man sich die aktuellen Umsatzzahlen des sog. "Electronic Commerce ", so läßt sich erahnen, welches "potentielle" Verbrauchsteueraufkommen hiervon betroffen ist. "Potentiell" deswegen, weil jedenfalls die bisherigen Regelungen des europäischen Umsatzsteuerrechts die Geschäftsvorgänge der New Economy nur unzulänglich erfassen und daher nicht immer zu einer entsprechenden steuerlichen Belastung der wirtschaftlichen Vorgänge im Internet fiihren. Die Europäische Kommission hat zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten einen Richtlinienvorschlag zur Änderung der 6. EG-Mehrwertsteuer-Richtlinie6 vorgelegt, der in modifizierter Fassung im Mai 2002 verabschiedet? und durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG) 8 zum 1.7.2003 in das nationale Umsatzsteuergesetz (UStG) umgesetzt wurde. Ziel dieser Neuregelung ist die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen und die Sicherstellung der Besteuerung derjenigen elektronisch erbrachten Leistungen, die von Kunden mit Sitz in der Gemeinschaft gegen Entgelt in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig sollen diese Leistungen nicht der europäischen Umsatzbesteuerung unterliegen, wenn sie außerhalb der Europäischen Union in Anspruch genommen werden. Inwiefern diese Ziele verwirklicht worden sind, wird im Anschluß an die zunächst folgende Grundlegung im zweiten Teil dieser Arbeit, der die umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute darstellt, kritisch untersucht. Im dritten Teil folgen sodann auf Grundlage einer zusammenfassenden Analyse der geltenden Rechtslage alternative Überlegungen zur (zukünftigen) Umsatzbesteuerung des E-Commerce.

6 7 8

Dok. KOM (2000) 349 endg., Abi. EG Nr. C 337 E v. 28.11.2000, S. 65. Richtlinie 2002/38/EG v. 7.5.2002, Abi. EG Nr. L 128 v. 15.5.2002, S. 41. StVergAbG v. 16.5.2003, BGBI. I 2003, 660.

3

1. Teil: Grundlegung A.

Begriffsbestimmungen und technischer Hintergrund

Für die Transaktionen, die unter Zuhilfenahme elektronischer Medien erbracht werden, werden eine Vielzahl von Begriffen verwendet. Weiterhin lassen sich die unterschiedlichen Erscheinungsfonneo dieser Transaktionen in mehrere Kategorien unterteilen. Bevor mit der umsatzsteuerrechtlichen Untersuchung dieser Vorgänge begonnen werden kann, bedarf es daher zunächst einer definierenden Bestimmung der nachfolgend genutzten Tennini.

I.

Electronic Commerce

1.

Definition

Eine einheitliche Legaldefmition des englischen Begriffs des "Electronic Commerce" und dessen deutschsprachigen Übersetzungen "elektronischer Handel" oder "elektronischer Geschäftsverkehr", die häufig synonym verwandt werden, existiert nicht. Je nach Verfasser weichen daher die einzelnen Begriffsbestimmungen zum Teil erheblich voneinander ab 1• In der sog. "E-Commerce-Richtlinie"2 werden "Dienste der Infonnationsgesellschaft" als Dienstleistungen definiert, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien elektronisch auf individuellen Abruf des Empfängers erbracht werden. Dieses Begriffsverständnis fmdet sich sinngemäß in § 312b BOB wieder, wonach Fernabsatzverträge Verträge über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen sind, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden. In Anlehnung an diese Bestimmungen läßt sich der Begriff ,,Electronic Commerce" als jede kommerzielle Transaktion definieren, die über elektronische Netze angebahnt oder abgewickelt wird und zu einem Austausch von Werten zwischen den beteiligten Parteien fiibrt3. Für umsatzsteuerliche Zwecke scheint der deutschsprachige Begriff des "elektronischen Geschäftsverkehrs" der geeignetste, da aus umsatzsteuerlicher Sicht auch solche Vorgänge wie beispielsweise Dienstleistungen von Bedeutung sind,

1 Vgl. Fetzer, Die Besteuerung des E1ectronic Commerce im Internet, S. 4 ff. m.w.N. 2 Richtlinie 2000/31/EG v. 8.6.2000, Abi. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000, S. 1. 3 Vgl. Lange, UR 2000, 409 (410); ders. in DB 2001, 831; Kreienbaum und Vellen in: Steuern und E1ectronic Commerce, S. 8 und S. 206; OFD Münster, Vfg. v. 7.12.1999, UR 2000, 128; Europäische Kommission, GD XXI, Arbeitsgruppe 1, Dok. XXI/98/0359 V. 3.4.1998, S. 6.

5

Grundlegung

die vom Wortsinn des Begriffs "Handel" nicht unmittelbarerfaßt werden4• Nachfolgend wird daher der Begriff Electronic Commerce I E-Commerce im Sinne von "elektronischer Geschäftsverkehr" verwendet.

2.

Erscheinungsformen

a)

Offiine-Umsätze

Die wirtschaftlichen Transaktionen im Internet lassen sich in mehrere Kategorien unterteilen. Mit "Oftline-Umsätzen" werden dabei die Vorgänge bezeichnet, bei denen das Internet lediglich zur Vertragsanbahnung und/oder zum Vertragsschluß genutzt wird, der eigentliche Leistungsaustausch jedoch auf traditionellem Weg erfolgt. Das Internet wird lediglich als Werbemittel oder Angebotsplatz fiir Produkte eingesetzt. Beispiele hierfür sind die Bestellung eines Buches oder einer Musik-CD über das Internet (z.B. bei den Anbietern www.amazon.de oder www.buch.de) und die anschließende körperliche Lieferung dieser Waren in Form der Versendung. In der Literatur umstritten ist die Zuordnung der sog. "abgeleiteten Umsätze". Unter abgeleiteten Umsätzen werden diejenigen Transaktionen verstanden, bei denen die Geschäftsanbahnung über das Internet erfolgt, die eigentliche Leistungserbringung aber auf traditionellem Weg als Dienstleistung (und nicht wie in den vorgenannten Beispielen als körperliche Lieferung) vollzogen wird (also z.B. Buchung einer Reise oder Bestellung von Eintrittskarten über das Internet). Teilweise werden diese Umsätze mit der Begründung, daß ansonsten eine Differenzierung hinsichtlich der ggf. zu entrichtenden Einfuhrumsatzsteuer erfolgen müsse, nicht den Offiine-Umsätzen, sondern den Online-Umsätzen zugeordnet5• Die Gegenauffassung ordnet dahingegen sämtliche Umsätze, unabhängig von der Frage, ob es sich um Lieferungen oder sonstige (Dienst)Leistungen handelt, den Offiine-Umsätzen zu, wenn das elektronische Medium lediglich zur Vertragsanbahnung genutzt wird und die eigentliche Leistungserbringung auf konventionellem Wege erfolgt6 • Es handelt sich hierbei jedoch eher um eine Definitions- oder Geschmacksfrage7, da beide Auffassungen inhaltlich zu denselben Ergebnissen kommen8 • Für eine Zuordnung dieser Transaktionen zu den OftlineUmsätzen spricht jedoch, daß die eigentliche Leistungserbringung eben 4 5 6 7 8

6

Vgl. Buschens, INF 2000,737. V gl. Vel/en in: Steuern und Electronic Commerce, S. 209; ihm folgend: Buschens, UVR 2000, 365; Slapio, IWB, Nr. 5 v. 14.3.2001, Fach 3, Gruppe 7, S. 663 (664). Vgl. Lange, DB 2001, 831; Kreienbaum in: Steuern und Electronic Commerce, S. 8. So selbst Vel/en in: Steuern und Electronic Commerce, S. 209. Unstreitig handelt es sich nach beiden Auffassungen bei den abgeleiteten Umsätzen um sonstige Leistungen bzw. Dienstleistungen.

Begriffsbestimmungen und technischer Hintergrund

nicht online, sondern auf traditionellem Wege, also oftline erfolgt. Dies ist aber gerade das charakteristische Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Umsatzkategorien. Nachfolgend werden daher alle Arten von Transaktionen, unabhängig von ihrem Inhalt, den Oftline-Umsätzen zugeordnet, wenn die eigentliche Leistungserbringung aufklassischem Wege erfolgt9 •

b)

Online-Umsätze

Die zweite Erscheinungsform des elektronischen Geschäftsverkehrs sind die sog. Online-Umsätze. Bei diesen Transaktionen wird das Internet nicht nur zur Vertragsanbahnung genutzt, sondern darüber hinaus auch zur vollständigen Abwicklung und Leistungserbringung. Leistungsinhalt können Dienstleistungen wie beispielsweise das Abrufen von Informationen aus Datenbanken, aber auch sog. virtuelle Güter sein. Als Beispiel für diese besondere Form der Online-Umsätze soll wiederum die Bestellung eines Buches oder einer Musik-CD über das Internet dienen, wobei die Leistungserbringung im Rahmen eines Online-Umsatzes derart erfolgt, daß das Buch/die CD elektronisch direkt auf die Festplatte des Kunden als virtuelles Gut (auch Cyberoder Softgood genannt) übertragen wird (sog. Download = Runterladen). Es erfolgt also im Gegensatz zu den Oftline-Umsätzen und dem traditionellen Geschäftsverkehr keine Leistungserbringung in körperlicher, sondern ausschließlich in elektronischer oder auch "virtueller" Form.

3.

Abgrenzung zu Telekommunikationsdienstleistungen

Vom E-Commerce zu unterscheiden sind die sog. Telekommunikationsdienstleistungen. Nach der durch die Richtlinie 1999/59/EG eingefilhrten Legaldefinition gelten als Telekommunikationsdienstleistungen "solche Dienstleistungen, mit denen die Übertragung, die Ausstrahlung oder der Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien ermöglicht werden ( ... ). Zu den Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift gehört auch die Bereitstellung des Zugangs zu globalen Informationsnetzen" 10 • Telekommunikationsdienstleistungen stellen also Leistungen dar, die den technischen Zugang zu Informationsnetzen wie dem Internet betreffen, wohingegen der Begriff E-Commerce die Transaktionen selbst bezeichnet, also denjeweiligen Inhalt.

9 So nun auch Vellen, UR 2003, 53 (57), der zuvor noch von "unechten Online-Umsätzen" gesprochen hatte. 10 Abi. EG Nr. L 162 v. 26.6.1999, S. 63.

7

Grundlegung

Dieses Abgrenzungsergebnis ergibt sich auch bei Anwendung des Telekommunikationsgesetzes (TK.G) und des Teledienstegesetzes (TDG). In § 3 Nr. 16 TKG wird Telekommunikation als der technische Vorgang des Aussendens, Übermitteins und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art, in § 3 Nr. 18 TKG die Telekommunikationsdienstleistungen als das gewerbliche Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen definiert11 • Teledienste im Sinne von § 2 TDG sind dagegen die Angebote im Bereich der Individualkommunikation (zum Beispiel Telebanking, Datenaustausch), der Information (zum Beispiel Wetter- und Börsendaten) oder Angebote von Waren. und Dienstleistungen 12 • In § 2 Abs. 4 TDG wird ausdrücklich bestimmt, daß das TDG nicht für Telekommunikationsdienstleistungen iSv. § 3 TKG gilt. Dies bedeutet im Umkehrschluß, das Teledienste keine Telekommunikationsdienstleistungen sind13 • Eine scharfe Trennung der Zugangs- von den Inhaltsleistungen ist jedoch nicht immer möglich. Diese Problematik stellt sich insbesondere bei den sog. ,,Mischanbietern", wie beispielsweise den Onlinediensten AOL oder T-Online, deren Leistungsangebot sowohl in der technischen Ermöglichung des Zugangs zum Internet als auch in der Erbringung inhaltlicher Leistungen wie Börsen-, Wetter- und Verkehrsinformationen liegt 14•

II.

Internet und world wide web

Das Internet ist eine Verbindung (Vernetzung) mehrerer voneinander unabhängiger Computernetze. Die Verwendung einer gemeinsamen "Computersprache", dem sog. Internet-Protokoll TCPIIP 15, ermöglicht es, daß alle an 11 Vgl. auchAbschn. 39aAbs. 1, 2 UStR. 12 Vgl. hierzuAbschn. 39aAbs. 2, 4 UStR. 13 Vgl. BMF-Schreiben v. 26.2.1999 zur umsatzsteuerliehen Behandlung von sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, ND 2- S 7117 b- 15/99, UR 1999, 179. 14 In diesem Zusammenhang kann sich insbesondere die Frage der Einheitlichkeit der Leistung stellen, vgl. hierzu im einzelnen S. 127. 15 Transmission Contro1 Protocoi/Internet-Protocol. Dieses Protokoll organisiert den Datenfluß zwischen Absender und Empfiinger. Diesen wird eine sog. Internet-ProtocolNummer (IP-Nummer, auch IP-Adresse genannt) zugeordnet, anhand derer eine Identifizierung der Computer im Internet möglich ist. Die Zuordnung dieser IP-Nummern erfolgt entweder statisch oder dynamisch, in aller Regel wird wegen der begrenzten Anzahl der zu vergebenden Nummern privaten Benutzern (Usern) lediglich temporär für die Dauer ihrer Online-Sitzung eine IP-Nummer zugeordnet. Die Zuteilung der IPAdressen erfolgt in Adressbereichen, d.h. jeder Provider erhält nach Ländern unterteilt einen bestimmten Zahlenbereich. In näherer Zukunft soll jedoch verstärkt der neue IPStandard 1Pv6 (Internet Protocol Version 6) eingefiihrt werden, der es technisch er-

8

Begriffsbestimmungen und technischer Hintergrund

dem Netzwerk beteiligten Computer miteinander kommunizieren und Daten austauschen können. Innerhalb dieses weltweiten "Netzwerk der Netzwerke" gibt es aufgrund des militärischen Ursprungs 16 dieser Technologie keinen hierarchischen Aufbau mit zentralen Knotenpunkten, so daß bei einem teilweisen Ausfall des Computernetzes das restliche Netzwerk weiterhin funktionsfähig ist. Das sog. world wide web (www) ist entgegen dem allgemeinem Sprachgebrauch nicht gleichbedeutend mit dem Internet, sondern stellt vielmehr einen von mehreren Online- bzw. Internetdiensten dar, die auf der Infrastruktur des Internet basieren 17 • Das world wide web, das heute zum wichtigsten Onlinedienst des Internet geworden ist, wurde Anfang der 90er Jahre entwickelt. Die Besonderheit dieses Dienstes liegt darin, daß mit Hilfe spezieller Computerprogramme, sog. Browser 18 , die Computerdaten mit Graphik-, Musik- und Videoelementen angereichert und benutzerfreundlich abgerufen werden können. Die multimediale Darstellung dieser Dateien erfolgt über sog. Websites. Die individuellen Websites einzelner Teilnehmer werden als Homepages bezeichnet. Durch diese Erweiterungen massenbzw. verbraucherkompatibel gemacht, begann der Siegeszug des Internet.

111.

Server und Provider

Sämtliche Daten, die über das Internet abgerufen werden können, werden auf Computern abgespeichert, die an das Internet angeschlossen sind. Diese

möglicht, jedem Internetbenutzer eine feste IP-Nummer zuzuordnen. Vgl. hierzu z.B. Schmitz, StBp 1998, 197 (200); ders. in: Steuern und E-Commerce, S. 353 m.w.N. und ausfUhrlieh S. 195 ff. 16 Der Vorgänger des Internet wurde in den 60er Jahren in den USA im Forschungsauftrag des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums unter der Prämisse entwickelt, daß dieses Computernetzwerk im Falle eines Atomkrieges etwaig zerstörte Verbindungswege selbständig umgehen können und damit weiterhin nutzbar sein sollte. In den Jahrzehnten danach wurde das Internet überwiegend von Universitäten und Forschungseinrichtungen zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt; vgl. zu der Entwicklung des Internet ausfuhrlieh z.B. Koch/Loewenheim, Praxis des Online-Rechts, S. I ff. 17 Andere Internetdienste sind z.B. der Datendienst FTP (File Transfer Protocol) oder der E-Mail-Versand; vgl. ausfuhrlieh z.B. Koch/Loewenheim, (Fn. 16), S. I ff. 18 Als weitverbreitete Programme seien exemplarisch der Internet Explorer von Microsoft und der Netscape Navigator genannt.

9

Grundlegung

Computer werden als Server 19 bezeichnet20 • Um als Benutzer Zugang zum Internet zu erhalten, bedarf es eines "Einwählens" in dieses Netzwerk. Dieser Zugang wird im Regelfall gegen Gebühr von Firmen oder Institutionen eingeräumt, sog. Zugangsanbietern (auch Internet Service Provider (ISP) oder Internet Access Provider (ASP) genannt), und ermöglicht dem Benutzer das Bewegen (sog. surfen) im Internet2 1• Neben den Zugangsanbietern gibt es sog. Inhaltsanbieter, die auch als (Internet) Content Provider bezeichnet werden. Diese Firmen oder Institutionen bieten Informationen und Inhalte jeglicher Art im Online-Bereich an, wie z.B. Börseninformationen o.ä. Häufig kommen Mischformen der Allbieter vor, nämlich dann, wenn neben dem reinen Zugang zum Internet auch Inhalte "aus einer Hand" angeboten werden22 •

B.

System und Telos der Umsatzsteuer

Grundlegend ist weiterhin das System vorzustellen, in welches die elektronischen Geschäftsvorfälle sodann im weiteren Verlauf dieser Arbeit einzuordnen sind. Die Umsatzsteuer erfaßt in ihrem Grundtatbestand23 im Inland gegen Entgelt ausgeführte Unternehmerische Leistungen. Äußerer Anknüpfungspunkt der Umsatzsteuer sind mithin die Umsätze der Unternehme~4 • Die Umsatzsteuer wird dabei auf jeder Handelsstufe erhoben, durch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf unternehmerischer Ebene wird sie jedoch wirtschaftlich auf die Verbraucher abgewälzt, bei denen sie als Belastung des privaten Verbrauchs verbleibt. Die Umsatzsteuer ist daher eine allgemeine Verbrauchsteuer, die zwar gesetzestechnisch an Verkehrsakte der Unternehmer anknüpft, letztendlich jedoch die im privaten Konsum zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der Endverbraucher besteuert25 • Die Besteuerung 19 Ein Server besteht aus Hardwarekomponenten (technische Einrichtungen wie z.B. ein Speichermedium) und der sog. Serversoftware (Computerprogramme, die den Zugriff auf die gespeicherten Daten ermöglichen und diese graphisch darstellen). Soweit nachfolgend der Begriff Server verwendet wird, ist hiermit mangels abweichender Bestimmung stets die Verbindung der Hard- und Softwarekomponenten gemeint. 20 Der abrufende Computer, der auf die Daten des Servers zugreift, wird dahingegen als Client bezeichnet. 21 V gl. Leonard in: Bunjes/Geist, § 3a, Rz. 54. 22 Vgl. hierzu Abschn. 39a UStR; Leonard in: Bunjes/Geist, § 3a, Rz. 55 f. Vgl. zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Misebanbieter im einzelnen S. 127 ff. 23 Vgl. § I Abs. 1 Nr. I S. I UStG. 24 Zum Begriff des Unternehmers vgl. § 2 UStG. 25 Vgl. z.B. Stadie in: Rau/Dürrwächter, Einf., Anm. 85 ff.; Streng, Zuschüsse und Subventionen im Umsatzsteuerrecht, S. 108 ff.

10

System und Telos der Umsatzsteuer

des Letztverbrauchs ist der systemtragende Grundgedanke der Umsatzsteuer, der bei Anwendung und Auslegung des Gesetzes stets zu berücksichtigen ist2 6 • Der EG-Vertrag enthält in Art. 93 den Auftrag und die Verpflichtung, die nationalen Umsatzsteuergesetze zu harmonisieren. Diese Verpflichtung wurde durch mehrere Richtlinien, insbesondere der 6. EG-MwSt-Richtlinie27 umgesetzt. Die Bindungswirkung der auf Grundlage von Art. 93 EGV erlassenen Richtlinien fiihrt dazu, daß die nationalen Umsatzsteuergesetze maßgeblich von den europarechtlichen Vorgaben geprägt und weitgehend vereinheitlicht sind28 • Als Gemeinschaftsrecht genießen die Richtlinien Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem innerstaatlichen Recht29 • Weiterhin sind nationale Vorschriften richtlinienkonform auszulegen, d.h. von mehreren möglichen Interpretationen ist derjenigen Vorzug zu geben, die dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht unter Berücksichtigung dessen Wortlauts und Zwecks am besten entspricht30 • Zielvorstellung der Europäischen Union ist die Verwirklichung eines einheitlichen Binnenmarktes. In Art. 281 6. EG-MwSt-Richtlinie heißt es daher, daß das endgültige Mehrwertsteuerrecht in der EU nach dem sog. Ursprungslandprinzip zu gestalten sei. Das Ursprungslandprinzip ist dadurch gekennzeichnet, daß die Umsatzsteuer im Ansässigkeitsstaat des leistenden Unternehmers erhoben wird. Dieses Postulat ist insofern mißverständlich, als daß international unbestritten die Umsatzbesteuerung am Ort des Verbrauches, also dem Bestimmungsland erfolgen soll 31 • Nur durch eine Besteuerung am Verbrauchsort kann erreicht werden, daß Wettbewerber aus verschiedenen Staaten unter gleichen Bedingungen auf einem Markt miteinander konkurrieren können.

26 Vgl. Stadie in: Rau/Dürrwächter, Einf.,Anm. 92 ff. 27 Sechste Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern v. 17.5.1977, Abi. EG Nr. L 145 v. 13.6.1977, S. I. 28 Vgl. zu der Bindungswirkung der Mehrwertsteuer-Richtlinien insgesamt Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU, S. 22 ff. 29 Vgl. EuGH v. 3.6.1964, Rs. 6/64 Costa, NJW 1964, 2371; BVerfG v. 29.5.1974, BVerfGE 37, 271 {"Solange I"); BVerfG v. 22.10.1986, BVerfGE 73, 339 ("Solange II"); hierzu ausführlich Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU, S. 29 ff. 30 Vgl. EuGH v. 26.9.1996, Rs. C-168/95 Arcaro, EuZW 1997, 319; BVerfG v. 8.4.1987, BVerfGE 75, 223; vgl. hierzu insgesamt Stadie in: Rau/Dürrwächter, Einf., Anm. 240 ff.; Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU, S. 35 f.; Heidner, UR 2003, 69 (72 fl). 31 Vgl. Stadie in: Rau/Dürrwächter, Einf., Anm. 273.

11

Grundlegung

Beispiel: Sowohl Hersteller A mit Sitz im Staat A (Umsatzsteuersatz 20%), als auch HerstellerB mit Sitz im Staat B (Umsatzsteuersatz 10%) bieten ihre Produkte Privatkunden im Staat C (Umsatzsteuersatz 15%) an. Nur durch eine Umsatzbesteuerung im Staat C ist sichergestellt, daß beide Hersteller wettbewerbsneutral miteinander auf dem Markt C konkurrieren können, da anderenfalls B seine Produkte den Kunden in C auf Grund "seines" niedrigeren Steuersatzes deutlich günstiger anbieten könnte. Eine derart wettbewerbsverzerrende Wirkung der Umsatzsteuer soll zurecht weitestgehend vermieden werden. Das Gebot der Wettbewerbsneutralität wird daher vom EuGH in ständiger Rechtsprechung32 als entscheidendes Grundprinzip der Mehrwertsteuer hervorgehoben, welches insbesondere verbietet, daß gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden33 • Aus dem Charakter der Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer folgt, daß für die somit gebotene Gleichbehandlung der Blickwinkel des Endverbrauchers maßgeblich istl4• Art. 281 6. EGMwSt-Richtlinie steht diesem Gebot und dem internationalen Konsens einer Besteuerung am Verbrauchsort jedoch nicht entgegen, sondern setzt vielmehr das Bestehen eines einheitlichen Binnenmarktes voraus35 • Existiert ein solcher, befinden sich der Ort des Ursprunges einer Leistung und deren Verbrauch in demselben Markt, sind mit anderen Worten insofern deckungsgleich. Die Differenzierung zwischen einer Besteuerung im Ursprungs- oder Bestimmungsland wirft jedoch darüber hinaus eine weitere Frage auf, die im Rahmen dieser Grundlegung nur kurz skizziert werden soll36 : Wieviel Sicherung braucht eine Steuer? Aspekte der Wettbewerbsneutralität sprechen wie angedeutet für eine Umsatzbesteuerung am Ort des Verbrauches. Ebenso ist ersichtlich, daß das Umsatzsteueraufkommen dem Staat zustehen soll(te), in dem die wirtschaftliche Leistungsfiihigkeit in Form der Vermögensverwen32 Vgl. z.B. EuGH v. 8.6.2000, Rs. C-400/98, UR 2000, 329; EuGH v. 8.6.2000, Rs. C-396/98, UR 2000, 336; EuGH v. 19.9.2000, Rs. C-454/98, UR 2000,470. 33 Vgl. Stadie in: Rau/Dürrwächter, Einf., Anm. 197; EuGH v. 7.9.1999, Rs. C-216/97, UR 1999,419. 34 Vgl. Nieskens, UR 2004,37. 35 Vgl. Tipke/Lang, § 14, Rz. 15; Stadie in: Rau/Dürrwächter, Einf., Anm. 274. 36 Vgl. hierzu ausfilhrlich S. 97 ff.

12

System und Telos der Umsatzsteuer

dung durch Konsum zum Ausdruck kommt3 7 • Diese Argumente fiir sich genommen ftlhren zu der Frage, warum die Umsatzsteuer nicht als direkte Steuer beim privaten Leistungsempfänger erhoben wird. Neben "gerechten" Ergebnissen hinsichtlich der Wettbewerbsneutralität und des Steueraufkommens würden weiterhin Unternehmer von verwaltungs- und kostenintensiven Pflichten als "Steuereinsammler"38 entlastet und gleichzeitig das Risiko des Umsatzsteuerbetruges minimiert39• Die Antwort folgt auf dem Fuße: Weil die Steuererhebung und damit letztlich das Steueraufkommen selbst sichergestellt sein muß40 • Eine Besteuerung des (buchftlhrenden) Unternehmers eröffuet Kontrollmöglichkeiten wie beispielsweise der Außenprüfung und Umsatzverprobung und erleichtert aufgrund der geringeren Anzahl von Steuerpflichtigen das Erhebungsverfahren auf seiten der Finanzverwaltung. Im Fall von grenzüberschreitenden Sachverhalten eröffuet die Besteuerung des inländischen Unternehmers darüber hinaus zuverlässigere "Zugriffsmöglichkeiten". Aus diesem Grunde sprechen gewichtige Argumente fiir eine Steuererhebung beim leistenden Unternehmer; bei internationalen Leistungsbeziehungen vieles fiir das Ursprungslandprinzip. Aufgabe des Umsatzsteuerrechtes ist es, dieses Spannungsverhältnis einem interessengerechten Ausgleich zuzuftlhren. Ob hinsichtlich des elektronischen Geschäftsverkehrs die geltende Rechtslage den Grundsätzen der Einfachheit, Klarheit, Gerechtigkeit und Sicherheit der Umsatzbesteuerung entspricht, wird daher insbesondere im Hinblick auf die Frage einer praktischen Konkordanz im vorbezeichneten Sinne nachzugehen sein.

37 Vgl. fiir viele Stadie in: Rau/Dürrwächter, Eint:, Anm. 273 m.w.N. 38 Zu der (verfassungsrechtlichen) Zulässigkeit der lndienstnahme von Unternehmern insgesamt Stadie in: Rau/Dürrwächter, Einf., Anm. 172 ff. 39 Zur Verringerung der Betrugsanfiilligkeit der Umsatzsteuer - Stichwort: Karussellgeschäft - werden seit geraumer Zeit verschiedene Modelle diskutiert. Diese Modelle sehen im Ergebnis zwar keine Steuererhebung beim privaten Leistungsempfiinger, jedoch eine Umstellung der Allphasenbesteuerung auf eine "veredelte" Einphasenbesteuerung vor, vgl. Reiß, UR 2002, 561 (575). So sollen beispielsweise nach den Vorstellungen des rheinland-pfälzischen Finanzministers Mittler (sog. Mainzer Vorschlägen zur Umsatzsteuer vom 8.8.2001, UR 2001, 385) Umsätze zwischen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern als Umsatz auf der Vorstufe von der USt befreit werden. Steuerpflichtig sollen hiernach lediglich Umsätze auf der letzten Umsatzstufe an Endverbraucher sein. Vgl. zu diesen und weiteren Reformvorschlägen z.B. Ammann, UR 2002, 258; Himsel, UR 2002, 593; Mittler, UR 2004, I; Widmann, UR 2002, 14 und 588. 40 Zur grundlegenden Bedeutung des Gesetzesvollzuges im Steuerrecht: ,,Zinsurteil" des BVerfG v. 27.6.1991, BVerfGE 84, 239. Vgl. zur Problematik der Sicherstellung der Besteuerung im Vollzug insgesamt S. 188 ff.

13

Grundlegung

C.

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

Die Behandlung des elektronischen Geschäftsverkehrs ist seit einigen Jahren Gegenstand einer international gefiihrten Diskussion: Auf EU-Ebene und innerhalb der OECD werden steuerrechtliche Implikationen dieser Geschäftsform erörtert, die WT041 beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den zollrechtliehen Aspekten des E-Commerce. Nachdem zunächst allgemein gehaltene Maximen fiir die Besteuerung des neuaufgekommenen Phänomens E-Commerce formuliert wurden, folgten in jüngerer Vergangenheit auf europäischer Ebene konkrete Lösungsansätze und erste rechtliche Novellierungen. Die nachfolgende Zusammenfassung gibt einen Überblick über den Diskussionsverlauf und schließt mit den zum 1. 7.2003 in Kraft getretenen Änderungen des deutschen UStG. Hinsichtlich der Entwicklung der politischen Diskussion im Detail wird auf diesbezügliche Beiträge der letzten Jahre in der Literatur verwiesen42 •

I.

Bit-Tax

Entfacht wurde die Diskussion über die Besteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs mit dem Vorschlag der Einfiihrung einer sog. Bit-Tax43 • Die Befiirworter dieser Steuer44 gingen davon aus, daß die vorhandenen nationalen Umsatzsteuersysteme aufgrund des globalen Charakters des Internets und der besonderen Eigenart der digitalen Transaktionen auf diese Leistungsbeziehungen weder anwendbar seien noch angepaßt werden könnten. Da es fiir die Fisci nicht (ohne weiteres) feststellbar sei, welche Inhalte die digitalen Transaktionen im Internet hätten, sollte statt des Inhaltes die ohne größeren Aufwand feststellbare Menge der übertragenen Daten als Anknüpfungspunkt fiir deren Besteuerung dienen.

41 World Trade Organization, dt.: Welthandelsorganisation. 42 Z.B. Korf/Sovinz, CR 1999, 314 u. 371; Korf, IStR 2000, 14; Vellen, UR 1998, 336 u. UR 1999, 53; Vellen in: Steuern und Electronic Cornrnerce, S. 219 ff; Steimel, IStR 2000, 490; Fetzer, (Fn. 1), S. 33 ff. 43 eng!. Binary Digit Tax. 44 Der Vorschlag beruht auf der Grundlage eines Modells der kanadischen Wissenschaftler Cordeil und Ide (Cordell, New Taxes for a New Economy, Government Information in Canada, Vol. 2, No. 4.2) und wurde von der sog. Kommission hochrangiger Experten der Europäischen Gemeinschaft, namentlich von dem Niederländer Soete im Jahre 1996 in die Diskussion eingeführt.

14

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

Die Bit-Tax ist trotz ihres "Charmes auf den ersten Blick" zurecht von Beginn an auf eine breite internationale Ablehnung gestoßen45 . Denn anders als bei dem von den Befiirwortem der Bit-Tax bemühten Vergleich mit der Mineralölsteuer sagt die Übertragung einer bestimmten Datenmenge (Einheit: Byte bzw. Bit) nichts über die zugrundeliegende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus. Eine private E-Mail, versehen mit einem Urlaubsfoto, kann von dem zu übertragenden Datenumfang her durchaus identisch sein mit speziell erstellter Untemehmenssoftware. Der "Wert" dieser Transaktionen, bzw. die darin zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf seiten der Beteiligten, weicht indes ersichtlich in erheblicher Weise voneinander ab 46 . Verschärft wird dieses Problem darüber hinaus durch den Einsatz sog. Komprimierungssoftware wie z.B. dem Computerprogramm "Winzip", das den Speicherbedarf einer digitalen Transaktion bei gleichbleibendem Inhalt deutlich verringern kann47 . So wäre derjenige steuerlich begünstigt, der die effizienteste Komprimierungssoftware benutzt48. Dies kann aber unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kein maßgebliches Kriterium für die Besteuerung sein. Die Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer besteuert den "Konsum" von Gütern jedweder Art49 • Rechtfertigender Belastungsgrund der Umsatzsteuer ist die typisiert vermutete Leistungsfähigkeit des Konsumenten, die sich in dessen Einkommensverwendung zeigt50, weswegen das international anerkannte Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit51 auch im Rahmen der Umsatzsteuer zu beachten ist52 . Die Menge der übertragenen Daten als alleiniger steuerlicher Anknüpfungspunkt sagt jedoch nichts über den "Wert" der Leistung bzw. die Leistungs-/Zahlungsfähigkeit des Empfängers aus. Die 45 Europäische Kommission, Dok. KOM (1997) 157 v. 15.4.1997, S. 19; White House Paper der US-Regierung "A Framework for Global Electronic Commerce" v. 1.7.1997; sog. Sacher-Report, OECD (Hrsg.), Electronic Commerce: Opportunities and Challenges for Government, 12.6.1997, S. 53. 46 Vgl. hierzu auch die Beispiele von Leibrandt, MMR 2000, 579 (583). 47 Komprimierungsprogramme "packen" den Inhalt einer elektronischen Datei enger zusammen und verringern dadurch den physikalischen Speicherplatzbedarf dieser Daten. 48 Leibrandt, (Fn. 46), S. 584. 49 (Fn. 25). 50 Tipke/Lang, § 14, Rdn. I m.w.N. 51 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip: Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuemormen; Tipke/Lang, § 4, Rdn. 80 ff. m.w.N.; st. Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 6, 55, 67. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts AT, S. 51 m.w.N. lehnt dahingegen das Leistungsfahigkeitsprinzip als normativ geltenden Rechtssatz ab, da es sich lediglich um ein finanzwissenschaftliches Postulat handele. 52 Ausführlich hierzu Streng, (Fn. 25), S. 94 ff.; Kirchhof, UR 2002, 541.

15

Grundlegung

Bit-Tax kollidiert folglich mit dem Leistungsfahigkeitsprinzip. Als allenfalls "roh" zu bezeichnende Verbrauchsteuer läßt sich die Bit-Tax nicht in das System einer Umsatzsteuer iSe. Mehrwertsteuer einordnen53 und ist daher insgesamt abzulehnen54 • Auch die EU-Kommission hat der Bit-Tax in ihrer im April 1997 unter dem Titel ,,A European Initiative in Electronic Commerce"55 veröffentlichten Mitteilung an die übrigen Organe der Europäischen Union eine klare Absage erteilt56 • Die EU-Kommission äußert in dieser ersten offiziellen Stellungnahme zu steuerrechtliehen Fragen des elektronischen Geschäftsverkehrs die Auffassung, daß es erstrebenswert sei, die Besteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs auf Grundlage der bestehenden Steuergesetze durchzuführen und diese lediglich im Bedarfsfalle an die besonderen Merkmale dieserneuen Geschäftsform anzupassen57 • Pläne zur Einführung einer internetspezifischen neuen Steuerart werden abgelehnt. Die EU-Kommission führt weiterhin aus, daß die Steuersysteme rechtliche Sicherheit und insbesondere steuerliche Neutralität sicherstellen müssen, um die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs zu gewährleisten58 • Steuerliche Neutralität bedeutet in diesem Zusammenhang, daß der elektronische Geschäftsverkehr im Vergleich zum traditionellen Handel weder privilegiert noch zusätzlich belastet werden darf.

II.

US-Regierung "A Framework for Global Electronic Commerce" vom 1.7.1997

Am 1. Juli 1997 veröffentlichten der damalige amerikanische Präsident William J. Clinton und dessen Vizepräsident Albert Gore das sog. White House Paper "A Framework for Global Electronic Commerce". Dieser Text behandelt neben anderen Aspekten auch Grundsätze der steuerlichen Behandlung des elektronischen Geschäftsverkehrs59 • Als solche werden Einfachheit, Transparenz und Nichtdiskriminierung genannt. Der Internethandel solle weiterhin nicht mit neuen Steuern belegt, sondern es solle wenn immer 53 So auch Käbisch, Internet und Umsatzsteuer, S. 253. 54 So auch: Kreienbaum in: Steuern und Electronic Commerce, S. 20; Fetzer, (Fn. 1), S. 45; Fischer in: Steuerliche Aspekte des Electronic Commerce, S. 12; Leibrandt, (Fn. 46) S. 583; Köhler!Arndt, Recht des Internet, Rdn. 184. 55 Dok. KOM (1997) 157. 56 (Fn. 55). 57 (Fn. 55). 58 (Fn. 55), S. 29. 59 V gl. hierzu und zu der verbrauchsteuerliehen Rechtslage in den USA allgemein: Vellen in: Steuern und Electronic Commerce, S. 221 ff.; Käbisch, (Fn. 53), S. 243 f.

16

Politische Diskussion und Vorgaben flir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

möglich an die vorhandenen Besteuerungskonzepte angeknüpft werden. Bevor weitere (einzelstaatliche) Maßnahmen ergriffen würden, solle ein internationaler Ansatz zur einheitlichen und einfachen Besteuerung des E-Commerce entwickelt werden (Stillhalteklausel). Ausführungen zu konkreten Fragen wie denen der Leistungsqualifikation enthält das Papier nicht.

111.

Turko-Konferenz 1997

Im November 1997 rief die OECD interessierte Parteien- wie Regierungen, Vertreter der Industrie und Internetbenutzer - zu einer Konferenz unter dem Motto "Dismantling the barriers to Global Electronic Commerce"60 in Turku, Finnland, zusammen. Im Vorfeld dieser Konferenz veröffentlichte die OECD mehrere Arbeitspapiere, darunter den sog. Sacher Report61 und das Diskussionspapier "The challenges to tax authorities and taxpayers"62 • Im Rahmen der Turku-Konferenz wurden erstmals Fragen der steuerlichen Behandlung des elektronischen Geschäftsverkehrs auf breiter internationaler Ebene diskutiert63 • Neben Problemen des Electronic Commerce im Hinblick auf das OECD-Musterabkommen zur Doppelbesteuerung, und hier insbesondere der Betriebsstättenbegründung im Internet, wurden ebenfalls verbrauchsteuerliche und am Rande auch verfahrensrechtliche Aspekte thematisiert. Diskutiert wurde sowohl die Differenzierung zwischen ,,Lieferung" und "sonstiger Leistung" als auch die Bestimmung des Leistungsortes bei grenzüberschreitenden Transaktionen im Internet. Es wurden zwar keine konkreten Ergebnisse erzielt, jedoch wurde ein ehrgeiziger Arbeitsplan erstellt, erste Ergebnisse auf der nachfolgenden Ministerkonferenz in Ottawa präsentieren zu wollen.

IY.

Vorschläge der deutschen Finanzverwaltung

1.

Modell eines transaktionsbezogenen Abzugsteuersystems

Bereits frühzeitig wurde erkannt, daß neben den materiell-rechtlichen Fragen der umsatzsteuerliehen Behandlung des elektronischen Geschäftsverkehrs insbesondere die Steuererhebung und Steuerkontrolle einen wesentlichen Problembereich des E-Commerce darstellen. Zur Bewältigung dieses 60 Dt.: "Beseitigung der Hindernisse des weltweiten elektronischen Handels". 61 OECD (Hrsg.), Electronic Commerce: Opportunities and Challenges for Government, 12.6.1997. 62 Dt.: "Die Herausforderungen an Steuerverwaltungen und Steuerzahler'', im Internet abrufbar unter: http://www.oecd.org. 63 Vgl. im einzelnen: Steimel, (Fn. 42), S. 491; Fetzer, (Fn. 1), S. 68 ff.

17

Grundlegung

verfahrensrechtlichen Problems wurde aus Reihen der deutschen Finanzverwaltung im März 1998 ein alternatives Modell der Steuererhebung vorgestellt64. Dieses Modell eines transaktionsbezogenen Abzugsteuersystems, auch als Quellensteuermodell bezeichnet65 , geht davon aus, daß sämtliche Leistungen, die über das Internet erbracht werden, stets zu einem realen Geldfluß führen. Zur Abwicklung dieses Zahlungsverkehrs (per Kreditkarte) bedürfe es zwangsläufig eines Zahlungssystems eines Geldinstitutes. Die anfallende Umsatzsteuer soll nach diesem Vorschlag direkt bei den Anbietern der Zahlungssysteme abgeschöpft werden, indem die Geldinstitute zur Ernbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer auf Rechnung der Leistungserbringer an die Finanzbehörden des Verbrauchsstaates verpflichtet werden66. Dieses System biete darüber hinaus den Vorteil, daß sich weder Leistungserbringer noch Leistungsempfanger um die Abführung der Umsatzsteuer kümmern müßten und außerdem die Anonymität im elektronischen Handel gewahrt bleibe67 . Ähnlich wie der Vorschlag der Einführung einer Bit-Steuer68 erscheint auch dieses Modell auf den ersten Blick bestechend einfach69 und überzeugend. Bei den Geldinstituten liefen - die Richtigkeit der Annahme eines realen Geldflusses mittels Kreditkarte unterstellt - sämtliche für die Umsatzbesteuerung des Leistungsaustausches erforderlichen Informationen zusammen: Den Geldinstituten wären nicht nur die Leistungserbringung als solche und deren Entgelt bekannt, sondern sie hätten über die beteiligten Konten bzw. Kreditkarte auch Kenntnis von den beteiligten Leistungserbringern und -empfangern. Für die Finanzverwaltung böte es zudem die Möglichkeit, das Steueraufkommen ohne größeren Verwaltungsaufwand weitgehend zu sichern, da mit den Geldinstituten solvente Haftungsschuldner zur Verfügung stünden. Trotz dieser Vorzüge ist das Modell einer transaktionsbezogenen Abzugsteuer überwiegend auf ablehnende Kritik gestoßen70 . Zunächst einmal ist die Grundannahme, daß die im Internet abgewickelten Geschäfte stets zu einem realen Geldfluß führen, als zweifelhaft zu beurteilen. In den Fällen, in 64 65 66 67

Selling/Dittmar, Intertax 1998, 88. Vgl. ausführlich hierzu: Korf/Sovinz, (Fn. 42), S. 372 ff. Selling/Dittmar, (Fn. 64), S. 89 ff. Vgl. Vellen, K&R 1998, 273 (281), der sich dem Vorschlag anschloß und anderweitige Lösungen als lediglich "second best" bezeichnet. 68 Siehe S. 14 ff. 69 So auch: Koif/Sovinz, (Fn. 42), S. 373. 70 Vgl. EU-Kommission, Dok. XXI/99/1201-DE, S. II, Korf/Sovinz, (Fn. 42), S. 373 ff.; Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rdn. 183; Fetzer, (Fn. 1), S. 42.

18

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

denen der Kunde mit virtuellem Geld 71 bezahlt, kommt es im Rahmen des Leistungsaustausches zu keinem unmittelbaren und nachvollziehbaren realen Geldfluß zwischen Leistungsempfänger und dem leistungserbringenden Unternehmer. Bei diesen nicht kontenbasierten (auch als münzbasiert bezeichneten) Geldsystemen wird mit "elektronischem Bargeld" bezahlt: Der Kunde tauscht bei seinem Kreditinstitut reales in virtuelles Geld, d.h. er erhält eine verschlüsselte elektronische Zahlenkombination, die einen bestimmten Gegenwert darstellt. Bezahlt nun der Kunde mit diesen "Münzen", so überträgt er die Zahlenkombination an den Leistungserbringer, welcher die "Münzen" anband des verwendeten Schlüssels auf ihre Echtheit hin überprüft. Wie beim Einsatz eines herkömmlichen Gerätes zur optischen Verifizierung von Banknoten erhält der Leistungserbringer jedoch lediglich die Bestätigung, daß es sich um eine "echte" Zahlenkombination - also echtes (virtuelles) Geld -handelt. Die Herkunft des Zahlungsmittels bzw. der Leistungsempfänger bleibt bei diesem Verfahren wie beim traditionellen Barkauf anonym. Dem Leistungserbringer ist somit - selbst bei Einschaltung eines Kreditinstitutes zur Verifizierung der "Münzen" - allein anband des verwendeten Zahlungsmittels nicht bekannt, wem gegenüber er Leistungen erbracht hat. Ein Geldfluß, der diesen Leistungsaustausch nachvollziehbar macht, existiert mithin in diesen Fällen nicht. Ein realer Geldfluß erfolgt weiterhin nicht beim Einsatz von virtuellen Verrechnungskonten zwischen Unternehmern oder bei im Internet üblichen Tauschgeschäften72 • Ungeachtet des - wie aufgezeigt - oftmals nicht vorliegenden Erfordernisses eines realen Geldflusses erscheint das vorgeschlagene Modell aber auch wegen der Eigenart einer Quellenbesteuerung als ungeeignet. Eine Quellenbesteuerung, die im übrigen einen Fremdkörper im System der Umsatzsteuer darstellen würde73 , kann lediglich dann ein taugliches Mittel der Steuererhebung darstellen, wenn der Steuertatbestand bzw. die Besteuerungsgrundlage im wesentlichen unabänderlich ist, wie z.B. bei der Zahlung von Löhnen und Gehältern, Zinserträgen oder Dividenden74 • Diese Voraussetzung ist bei der Umsatzsteuer jedoch nicht erfiillt. Wandelt beispielsweise der Empfanger eines Softwareprogramms den zugrundeliegenden Vertrag wegen Mangelbartigkeit der Ware oder macht er von einem Widerrufsrecht Gebrauch und sendet die Ware zurück, liegt eine Rückgängigmachung der 71 Z.B. Digicash oder Cybercash. Zur Funktionsweise dieser Zahlungsmittel: Korf/Sovinz (Fn. 42), S. 372 f.; Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rdn. 166. 72 Z.B. gegenseitige Werbung durch Verweis ("link") auf die Website des Vertragspartners. 73 Vgl. Fetzer, (Fn. 1), S. 42. 74 Vgl. Kor:f/Sovinz, (Fn. 42), S. 373; Hey in: FS Kruse, S. 269 (284 f).

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Grundlegung

Leistung vor. In diesem Fall existiert umsatzsteuerrechtlich weder ein Umsatz noch eine Umsatzsteuerschuld75 • Ebenso verringert sich die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer, falls der Kunde anstelle der Wandlung Minderung des Entgelts verlangt76 • Diese Beispiele verdeutlichen, daß es ein Rückzahlungsverfahren geben muß, wenn die Umsatzsteuer als Quellensteuer erhoben wird. Ein solches Verfahren in das Abzugsmodell zu implementieren, bedeutete einen enormen zusätzlichen administrativen Aufwand, den die Geldinstitute realistischerweise kaum freiwillig übernehmen würden. Damit das vorgeschlagene Modell aber den Anforderungen eines gleichmäßigen Besteuerungsverfahrens genügt, müßten sämtliche Geldinstitute in die Regelung miteinbezogen und zu deren Einhaltung verpflichtet werden77 • Dies gilt selbstverständlich auch für im Drittland ansässige Institute, über die elektronische Transaktionen abgerechnet werden. Für eine Verpflichtung und Kontrolle dieser ausländischen Banken und sonstigen Geldinstitute - geschweige denn für Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen existiert jedoch keinerlei rechtliche Ermächtigungsgrundlage. Innerhalb der Europäischen Union wäre eine solche Regelung zumindest theoretisch noch denkbar. Um dieses Modell indes weltweit einfUhren zu können, bedürfte es eines umfassenden internationalen Konsenses und entsprechender Abkommen, Amtshilfevereinbarungen usw. Die Erzielung eines derartigen globalen Konsenses und dessen Umsetzung in rechtlich verbindliche Regelungen ist jedoch selbst auf lange Sicht nicht absehbar und muß wohl als unwahrscheinlich beurteilt werden. Unabhängig von der "wenig begeisterten Reaktion des Finanzsektors"78 auf das transaktionsbezogene Abzugsmodell ist dieses demnach sowohl aus praktischen als auch juristischen Gründen zurecht überwiegend abgelehnt worden und wird zur Zeit nicht mehr verfolgt79 •

75 Vgl. Busmann in: Rau/Dürrwächter, § I, Anm. 162; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 430 Stichwort: Rückgängigmachung der Leistung; Abschn. 1 Abs. 4 S. 1 UStR. 76 Bei bereits abgefiihrter Steuer bedarf es sodann einer Berichtigung, vgl. §§ 17 Abs. 2 Nr. 3 iVm.Abs. 1 UStG 77 Vgl. zu den Grenzen der Einbeziehung Dritter zur Erfiillung von Abzugspflichten Hey, (Fn. 74), S. 286 f. 78 So die EU-Kommission in Dok. XXI/99/1201-DE, S. 10. 79 Vgl. Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rdn. 184; Fetzer, (Fn. 1), S. 43.

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Politische Diskussion und Vorgaben fiir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

2.

OTP-Modell

Vermutlich anläßlich der Kritik modifizierte Dittmar, ein Vertreter des Bundesfmanzministeriums, das transaktionsbezogene Abzugsteuer-Modell und brachte den Vorschlag eines Besteuerungsverfahrens auf Grundlage des sog. OTP-Modells in die Diskussion ein. Dieses Modell unterscheidet sich dadurch vom Quellensteuermodell, daß die Umsatzsteuer nicht beim zwischengeschalteten Geldinstitut, sondern beim Leistungserbringer mittels eines einheitlichen Softwareprotokolls, dem Open Trading Protocol (OTP), abgeschöpft wird80 • Bei diesem Protokoll handelt es sich um Software, die von einem Konsortium von im Internet agierenden Unternehmen81 entwickelt wird undLiefer-und Zahlungsvorgänge standardisieren soll82 • Werden nun Transaktionen mit Hilfe dieser Software über das Internet abgewickelt, soll das OTP automatisch die anfallende Umsatzsteuer berechnen und einbehalten. Die auf diese Weise vereinnahmten Beträge sollen dann periodisch an das :filr den Unternehmer zuständige Finanzamt überwiesen werden. Per internationalem Clearingverfahren soll anschließend das Umsatzsteueraufkommen auf Grundlage des Verbrauchsortprinzips verteilt werden. Die Idee einer softwaregestützten, vollautomatischen Steuererhebung bietet zunächst den Vorteil, daß hierdurch der administrative und fmanzielle Aufwand des Besteuerungsverfahrens deutlich verringert werden könnte. Darüber hinaus könnte durch die vorherige Lizensierung der elektronischen Systeme durch die Finanzverwaltung das Risiko der Umsatzsteuerhinterziehung minimiert werden. Jedoch leidet auch dieser modifizierte Vorschlag an dem Mangel einer fragwürdigen Umsetzbarkeit. Zwar erscheint es technisch möglich, die steuerlichen Optionen in die Software mit einzubeziehen, problematisch ist indes, diesen Softwarestandard weltweit durchzusetzen. So sind beispielsweise zwei der wichtigsten Softwareentwickler, die Firmen SAP und Microsoft, in dem Konsortium nicht vertreten, sondern entwickeln eigene Systeme83 • Aufgrund der marktfUhrenden Stellung dieser Unternehmen ist davon auszugehen, daß sich zumindest neben dem Open Trading Protocol weitere Systeme etablieren, wenn nicht sogar am Markt durchsetzen werden. Folglich müßten auch diese Softwareentwickler dazu verpflich-

80 Vgl. Korf/Sovinz, (Fn. 42), S. 378. 81 Beteiligt sind u.a. Unternehmen wie Hewlett Packard, IBM, Oracle, NTI, Master Card International und weitere. 82 Vgl. zur Funktionsweise des weiterentwickelten Internet Open Trading Protocol (IOTP) im einzelnen: http://www.ietf.org/html.charters/trade-charter.html. 83 Vgl. ausführlich hierzu: Fetzer, (Fn. I), S. 248.

21

Grundlegung

tet werden, entsprechende Steueroptionen in ihre Programme zu integrieren. Selbst wenn eine solche Implementierung erfolgen sollte, ist dadurch jedoch noch nicht sichergestellt, daß sämtliche Allbieter elektronischer Leistungen derartige Software auch zur Abwicklung ihres Geschäftsverkehrs einsetzen. Eine zwangsweise Verpflichtung der beteiligten Unternehmen zum Einsatz von bestimmter Software, welche darüber hinaus auf globaler Ebene stattfinden müßte, ist nicht zu erreichen. Kann aber nicht verbindlich geregelt werden, daß diese Software weltweit eingesetzt wird, verliert das OTPModell, welches einen einheitlichen Softwarestandard zwingend voraussetzt, seine Grundlage und damit auch seine Wirksamkeit84 • Darüber hinaus muß die Einrichtung eines internationalen Clearingverfahrens als zumindest politisch problematisch beurteilt werden 85 • Insgesamt betrachtet mögen softwaregestützte Systeme zwar durchaus eine Erleichterung der steuerlichen Pflichten und sinnvolle Ergänzung der Buchhaltung/Buchfiihrung einzelner Internetaubieter darstellen; ein Besteuerungsverfahren, das einzig und allein auf dem Einsatz solcher Software basiert, ist jedoch aus den aufgezeigten Gründen abzulehnen.

V.

Mitteilung der EU-Kommission "Elektronischer Handel und indirekte Steuern" vom 17.6.1998 I Beschluß des ECOFINRates vom 6.7.1998

Im Hinblick auf die im Herbst 1998 anstehende OECD-Konferenz in Ottawa unterbreitete die EU-Kommission in ihrer Mitteilung "Elektronischer Handel und indirekte Steuern"86 vom 17.6.1998 Vorschläge fiir erste allgemeine Leitlinien zur Umsatzbesteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs 87 • Diese Anregungen sollten zum einen die Grundlage fiir die weiteren Arbeiten auf europäischer Ebene bilden, zum anderen dienten sie jedoch insbesondere der Festlegung eines gemeinsamen europäischen Standpunktes im Rahmen der Ottawa-Konferenz88 • Die von der Kommission vorgeschlagenen Leitlinien lauten:

84 85 86 87 88

22

So auch: Fetzer, (Fn. 1), S. 249. Vgl. Korf/Sovinz, (Fn. 42), S. 380. Dok. KOM (1998) 374. Vgl. hierzu ausfiihrlich: Vellen, UR 1998, 336 (337). (Fn. 86), S. 4.

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

1.

2. 3. 4. 5. 6.

Keine neuen Steuem89 ; Elektronische Übertragungen sind Dienstleistungen90 ; Gewährleistung der Neutralität9 1; Geringer Aufwand zur Einhaltung der Vorschriften92 ; Steuerkontrolle und Durchsetzung der Steuervorschriften93 ; Einfachere Verwaltung der Steuer94 •

In seiner Tagung am 6.7.1998 hat der ECOFIN-Rat95 die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Leitlinien aufgegriffen und weitestgehend über-

89 "Im Bereich der indirekten Steuern sind alle Anstrengungen auf die Anpassung der geltenden Steuern und insbesondere der MwSt an die Entwicklung im elektronischen Handel zu konzentrieren. Daher werden keine neuen oder zusätzlichen Steuern erwogen." (Fn. 86), S. 5. 90 "Eine Lieferung, bei der dem Empfänger eine Ware über ein elektronisches Netz in digitaler Form zur Verfügung gestellt wird, ist für MwSt-Zwecke als Erbringung einer Dienstleistung anzusehen." (Fn. 86), S. 6. 91 "Das MwSt-System der EU muß folgendes gewährleisten: Dienstleistungen, die auf elektronischem oder anderem Wege zum Verbrauch innerhalb der EU geliefert werden, unterliegen der MwSt in der EU, unabhängig davon, von wo aus sie erbracht werden. Dienstleistungen, die von Unternehmen in der EU zum Verbrauch außerhalb der EU geliefert werden, unterliegen in der EU nicht der MwSt, die für Eingangsumsätze im Zusammenhang mit diesen Leistungen entrichtete MwSt ist jedoch abziehbar." (Fn. 86), S. 6 f. 92 "Die Einhaltung der Vorschriften sollte allen im elektronischen Handel tätigen Wirtschaftsbeteiligten möglichst wenig Probleme bereiten." (Fn. 86), S. 8. 93 "Steuersystem und Kontrollinstrumentarium müssen so beschaffen sein, daß die Anwendung der Steuer auf Dienstleistungen, die im Wege elektronischen Handels in der EU empfangen werden, sowohl bei Unternehmen als auch bei Privatpersonen durchgesetzt werden kann." (Fn. 86), S. 8. 94 "Die elektronische Fakturierung wird ein Wesensmerkmal des elektronischen Handels sein, weshalb daftir zu sorgen ist, daß für MwSt-Zwecke in der EU papierlose elektronische Rechnungen verwendet werden können. Allerdings müssen die legitimen Interessen der Mitgliedsstaaten dadurch geschützt werden, daß bei der Festlegung der Bedingungen ftir elektronische Fakturierung auf EU-einheitlicher Grundlage ein brauchbares Instrumentarium zur Steuerkontrolle und zur Vorbeugung gegen Mißbrauch geschaffen wird. Ebenso große Bedeutung ist einem Rahmen für die Kooperation zwischen EU- und anderen Staaten beizumessen, damit gewährleistet ist, daß auch auf internationaler Ebene den EU-Verhältnissen gleichwertige Bedingungen für die elektronische Fakturierung geschaffen werden. Gestützt auf gemeinschaftsweit einheitliche Bedingungen müssen die Finanzverwaltungen dafür sorgen, daß im elektronischen Handel tätige Wirtschaftsbeteiligte ihren steuerlichen Pflichten mittels elektronischer MwSt-Erklärungen und Steuerbuchführung nachkommen können." (Fn. 86), S. 8 f. 95 Rat der Wirtschafts- und Finanzminister.

23

Grundlegung

nommen96 • Abweichungen bestehen darin, daß es im Gegensatz zur Leitlinie 1 im ersten Grundsatz des ECOFIN-Rates heißt, lediglich "zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden keine neuen oder zusätzlichen Steuern erwogen" 97 • Die Kommission hatte dagegen die Einfiihrung neuer Steuern kategorisch abgelehnt98 • Der dritte Grundsatz enthält darüber hinaus eine die Leitlinie 3 konkretisierende Ergänzung zum Besteuerungsort. Dieser soll für die elektronisch erbrachten Dienstleistungen99 - ohne Präjudiz für die innerhalb der EU anzuwendenden Regelungen - grundsätzlich am Verbrauchsort liegen. Im übrigen entspricht der Beschluß den Vorschlägen der Kommission. Die verabschiedeten Grundsätze sollen nach dem Beschluß des Rates die Grundlage für einen kohärenten Gemeinschaftsbeitrag zu der bevorstehenden OECD-Konferenz in Ottawa bilden 100 •

VI.

Ottawa-Konferenz 1998 und weitere Arbeiten der OECD

Vom 7. bis 9. Oktober 1998 fand im Anschluß an die Turku-Konferenz die OECD-Ministerkonferenz "A Borderless World: Realising the Potential of Global Electronic Commerce" 101 in Ottawa statt 102 • Auf dieser mit Spannung erwarteten Konferenz ist es nicht - wie zuvor erhofft 103 - zu einer verbindlichen Einigung über die Besteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs gekommen. In der Abschlußerklärung heißt es sinngemäß lediglich, man würde weiter daran arbeiten sicherzustellen, daß Neutralität das Leitprinzip der Besteuerung sei und keine diskriminierenden Steuern auf den elektronischen Handel erhoben werden 104 •

96 Vgl. Pressemitteilung des Rates 9928/98 (Presse 234), abgedruckt in: DB 1998, 1591; hierzu detailliert Vellen, (Fn. 87), S. 337 ff. sowie Vellen in: Steuern und Electronic Commerce, S. 235 ff. 97 Pressemitteilung des Rates 9928/98 (Presse 234), abgedruckt in: DB 1998, 1591. 98 Vgl. Fn. 89. 99 In Leitlinie 3 sieht die Kommission eine einheitliche Regelung fiir sämtliche Dienstleistungen vor; vgl. Fn. 91. I 00 Pressemitteilung des Rates 9928/98 (Presse 234), abgedruckt in: DB 1998, 1591. 101 Dt.: "Eine grenzenlose Welt- Realisierung der Möglichkeiten des weltweiten elektronischen Handels". 102 Vgl. hierzu fiir viele: Vellen, UR 1999, 53 ff.; Vellen in: Steuern und Electronic Commerce, S. 244 ff. I 03 V gl. Korj, (Fn. 42), S. 14; Korf/Sovinz, (Fn. 42), S. 316. 104 Conference Conclusions, SGIEC (98) 14/Final: "On taxation, business continues to work with OECD to ensure that neutrality is the guiding principle, and that taxes are not imposed in an discriminatory manner".

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Politische Diskussion und Vorgaben fiir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

1.

Einigung auf allgemeine Besteuerungsgrundsätze: Taxation Framework Conditions

Es konnte jedoch zumindest eine Einigung auf allgemeine Besteuerungsgrundsätze, die sog. Taxation Framework Conditions 105 , erzielt und darüber hinaus eine zukünftige Arbeitsteilung vereinbart werden 106 • Die verabschiedeten Grundsätze lauten: 1.

Neutralität 107 : Die Besteuerung von elektronischem und traditionellem Handel soll neutral und vergleichbar sein.

2.

Wirtschaftlichkeit 108 : Die Kosten der Erfiillung der steuerlichen Pflichten sowie die Kosten der Steuererhebung sollen so gering wie möglich gehalten werden.

3.

Sicherheit und Einfachheit 109 : Die Besteuerungsregelungen sollen eindeutig und einfach zu verstehen sein, so daß Steuerpflichtige bereits im Vorfeld über die steuerlichen Konsequenzen einer Transaktion, einschließlich der Kenntnis, wann, wo und wie die Steuer zu erklären ist, im klaren sind.

4.

Effektivität und Fairneß 110 : Die Besteuerung soll zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Höhe erfolgen. Möglichkeiten der Steuerumgehung und -hinterziehung sollen minimiert werden.

5.

Flexibilitätl 11 : Das Besteuerungssystem soll flexibel und dynamisch sein, damit sichergestellt ist, daß es mit der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs Schritt halten kann.

105 OECD (Hrsg.), Electronic Commerce: Taxation Framewerk Conditions Ministerial Report, 8.10.1998. 106 Presseinformation OECD vom 8.10.1998, S. 28. Die WTO soll sich denmach um die Zolltarifierung kümmern, die WCO (World Customs Organisation) um Verfahrensfragen, die OECD übernimmt die Federfiihrung hinsichtlich der direkten Steuern, wohingegen sich die EU vornehmlich auf die indirekten Steuern und hier insbesondere auf die Umsatzsteuer konzentrieren soll. I 07 (Fn. I 05), Box 2 Nr. I. l 08 (Fn. I 05), Box 2 Nr. Il. I 09 (Fn. I 05), Box 2 Nr. III. 110 (Fn. 105), Box 2 Nr. IV. !II (Fn. I 05), Box 2 Nr. V.

25

Grundlegung

Diesen Grundprinzipien ist uneingeschränkt zuzustimmen. Aufgrund der sehr allgemeinen und unscharfen Formulierung ist diese Einigung jedoch - von dem obersten Prinzip der Neutralität einmal abgesehen - bedauerlicherweise als kaum mehr als eine politische Absichtserklärung zu qualifizieren112.

2.

Schlußfolgerungen für die Verbrauchsbesteuerung

Die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze werden jedoch um konkretere und weiterreichende Schlußfolgerungen hinsichtlich der Verbrauchsbesteuerung, des Besteuerungsverfahrens und der Steuerkontrolle ergänzt: 1.

Die Besteuerung grenzüberschreitender elektronischer Transaktionen soll am Ort des Verbrauchs stattfmden 113 •

2.

Für verbrauchsteuerliche Zwecke sollen digitale Transaktionen nicht als "Lieferung" behandelt werden 114•

3.

Es müssen Mechanismen wie beispielsweise das Reverse ChargeVerfahren auf ihre Anwendbarkeit hin untersucht werden, um die Besteuerungsgrundlagen der Staaten und die Wettbewerbsflihigkeit ausländischer Anbieter zu sichern 115 •

4.

Den Steuerbehörden muß die Möglichkeit eingeräumt werden, Zugang zu zuverlässigen und überprüfbaren Informationen hinsichtlich der Identifizierung der Steuerpflichtigen zu erhalten 116 •

5.

Es müssen Systeme zur wirksamen Kontrolle und Erhebung der Steuern sowie Mechanismen fiir die internationale Hilfe zur Seitreibung der Steuern entwickelt werden117 •

Hinsichtlich der problematischen Qualifizierung elektronisch erbrachter Leistungen hat die Ottawa-Konferenz somit politisch die Weichen in Richtung Einordnung als sonstige (Dienst)Leistung gestellt.

3.

Weitere Arbeiten der OECD

Nachdem zu Beginn des Jahres 2001 durch Ergänzung des Kommentars zum OECD-Musterabkommen die strittige Frage, unter welchen Voraussetzungen (fiir ertragsteuerliche Zwecke) ein Internetserver eine Betriebsstätte 112 113 114 115 116 117

26

So auch: Fetzer, (Fn. 1), S. 71. (Fn. 105), Box 3 Nr. V. (Fn. 105), Box 3 Nr. VI. (Fn. I 05), Box 3 Nr. VII. (Fn. I 05), Box 3 Nr. II. (Fn. 105), Box 3 Nr. III. und IV.

Politische Diskussion und Vorgaben fiir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

darstellen kann, weitgehend beantwortet wurde 118 , veröffentlichte die Arbeitsgruppe Nr. 9 (für Verbrauchsteuern) der OECD im Februar 2001 den Entwurf eines Berichts zu den verbrauchsteuerliehen Aspekten des elektronischen Geschäftsverkehrs 119 • Besteuerungsort der elektronischen Transaktionen soll nach diesem Entwurf einheitlich - also sowohl im Bereich des B2B, als auch des B2C - der Ort des Verbrauches sein 120 • Da der tatsächliche Verbrauchsort oftmals nicht ohne weiteres bestimmt werden könne, solle zur Vereinfachung bei einem Unternehmerischen Ernpfarrger dessen Sitz bzw. bei einem nicht-unternehmerischen Leistungsempfänger dessen Wohnort als Verbrauchsort gelten 121 • Die Arbeitsgruppe schlägt weiterhin im Unternehmerischen Bereich die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens vor 122 , wohingegen bei Leistungen an private Endverbraucher durch Registrierungsverpflichtungen der Leistungserbringer die Steuererhebung sichergestellt werden soll 123 • Detailfragen, insbesondere hinsichtlich des Verfahrensrechts, und hier vor allem die internationale Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen und deren Kontrollmöglichkeiten, werden als dringend klärungsbedürftig erachtetl 24 • Weiterhin bestehe die Notwendigkeit, Vereinfachungsregelungen zu finden, um Unternehmern die Erfüllung ihrer steuerlichen Verpflichtungen zu erleichtern 125 •

VII. Internet Tax Freedom Act der USA im Oktober 1998 Am 21.10.1998 trat in den USA der sog. Internet Tax Freedom Act 126 in Kraft. Dieses Gesetz verwirklicht den bereits in dem White House Paper enthaltenen Gedanken einer Stillhalteklausel und verbietet die Einführung

118 OECD v. 9.1.2001, Clarification on tbe application of the permanent establishment definition in E-Commerce: Changes to the Commentary on Article 5; hierzu Strunk, IWB, Nr. 3 v. 14.2.2001, Fach 10, Gruppe 2, S. 1509; Lange, (Fn. 6), S. 834; Korj, IStR 2001, 368 (369); Amdt/Fetzer, BB 2001, 1175 (1176 f.). 119 OECD, Report from Working Party No. 9, Consumption Tax Aspects of Electronic Commerce, February 2001; hierzu Slapio, (Fn. 5), S. 670; Korj, (Fn. 118), S. 370 ff. 120 (Fn. 119), II.A.l. 121 (Fn. 119), II.A.3. 122 (Fn. 119), II.B.l. 123 (Fn. 119), II.B.2. 124 (Fn. 119), II.C. 125 (Fn. 119), II.C. 126 Omnibus Appropriations Act of 1998, approved as H.R. 4328 by Congress on October 201h, 1998, signed as public law 105-277 on October 20th, 1998, Title XI, Sec. 11 00 ff.

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Grundlegung

neuer Steuern in den USA auf den Internetzugang sowie diskriminierende Steuern auf den elektronischen Geschäftsverkehr 127 • Dieser legislative Akt ist jedoch nur unter Berücksichtigung der besonderen verbrauchsteuerliehen Rechtslage in den USA zu bewerten 128 • In den USA gibt es keine der europäischen Mehrwertsteuer vergleichbare bundeseinheitliche Verbrauchsteuer, sondern lediglich von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich ausgestaltete Sales Taxes 129 • Diese werdenjedoch überwiegend nur auf die Lieferung von Gegenständen, nicht jedoch auf Dienstleistungen erhoben. Anders als innerhalb der Europäischen Union sind demnach in den USA die verbrauchsteuerliehen Vorschriften - zumindest überwiegend nicht ohne entsprechende Modifikationen auf die elektronischen Transaktionen im Internet anwendbar. De lege lata ist der elektronische Geschäftsverkehr in den USA größtenteils verbrauchsteuerfrei, so daß es sich nicht um eine Steuerbefreiung, sondern um die Festschreibung der gegenwärtigen Rechtslage handelt 130 • Dieser Umstand wird oftmals verkannt, wenn voreilig auf die "vorbildlichen, innovativen Amerikaner" verwiesen wirdl3l. In den USA bedürfte es in der Tat der Einführung neuer Steuern, um den elektronischen Geschäftsverkehr verbrauchsteuerlich zu erfassen, innerhalb der EU ist dies indes bereits de lege lata der Fall. Das Moratorium galt zunächst für die Dauer von 3 Jahren und wurde mit dem sog. Internet Nondiscrimination Act 132 vom 18.5.2000 um weitere 5 Jahre bis Oktober 2006 verlängert 133 • Bis zu diesem Zeitpunkt soll eine Lösung für die zukünftige innerstaatliche Behandlung des E-Commerce gefunden werden. Konkrete Ergebnisse der widerstreitenden Diskussion zwischen den einzelnen Bundesstaaten und der Regierung in Washington sind derzeit noch nicht absehbar; die USA wurden jedoch bereits von der OECD dazu aufgefordert, die Praxis der Nichtbesteuerung aufzugeben 134 •

127 Vgl. hierzu Vellen in: Steuern und Electronic Commerce, S. 250. 128 Vgl. hierzu Vellen in: Steuern und Electronic Commerce, S. 221 ff.; Käbisch, (Fn. 53), S. 243 f. 129 Dieser Umstand beruht auf der fehlenden Gesetzgebungskompetenz für Verbrauchsteuern auf Bundesebene. 130 So auch Fetzer, (Fn. I), S. 35. 131 So auch Kreienbaum, Steuern und Internet, MMR Editorial Heft 7/2000, S. 385. 132 Internet Nondiscrimination Act, approved as H.R. 3709 by the House of Representatives on May 18th, 2000. I 33 CRS Report to Congress by G J. McLoughlin, 27 .6.2000. 134 Käbisch, (Fn. 53), S. 249.

28

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

VIII. Arbeitspapier der EU-Kommission "Indirekte Steuern und elektronischer Geschäftsverkehr" vom 8.6.1999 Erste konkrete Lösungsansätze wurden auf europäischer Ebene von der "Arbeitsgruppe Nr. 1 - Harmonisierung der Umsatzsteuern" der Kommission in einem Arbeitspapier unter dem Thema "Indirekte Steuern und elektronischer Geschäftsverkehr" 135 am 8.6.1999 veröffentlicht 136 • Dieses als Diskussionsgrundlage gedachte Arbeitspapier knüpft an frühere Analysen dieser Arbeitsgruppe 137 und die vom ECOFIN-Rat 138 beschlossenen Grundprinzipien an und enthält folgende Kernpunkte 139 : 1.

Gegenwärtig werden keine neuen oder zusätzlichen Steuern erwogen; insbesondere im Bereich der Mehrwertsteuer seien alle Bemühungen auf die Anpassung der Regelungen an die Entwicklung beim elektronischen Geschäftsverkehr zu konzentrieren.

2.

Digitale Transaktionen sind mehrwertsteuerlich als Dienstleistung zu behandeln.

3.

Dienstleistungen, die innerhalb der EU verbraucht werden, sollen auch dort der MwSt unterliegen, wohingegen fiir den Verbrauch außerhalb der EU erbrachte Dienstleistungen in der EU nicht mit MwSt belastet werden.

1.

Umfassende Änderung der Ortsbestimmung in Art. 9 der 6. EGMwSt-Richtlinie

Um diese Ziele zu verwirklichen schlägt die EU-Kommission eine umfassende Änderung der Ortsbestimmungen fiir Dienstleistungen in Artikel 9 der 6. EG-MwSt-Richtlinie vor. Als Grundregel fiir die Ortsbestimmung von Dienstleistungen soll zunächst Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-MwSt-Richtlinie, Sitz des leistenden Unternehmers, erhalten bleiben. Jedoch soll daneben Art. 9 Abs. 2 Buchst. e als allgemeine Vorschrift fiir diejenigen Dienstleistungen ausgestaltet werden, die zum Verbrauch innerhalb der EU oder an Leistungsempfänger im Drittland erbracht werden. Maßgeblicher Leistungsort soll in diesen Fällen der Ort des Verbrauches sein. Die EU-Kommission sieht diese Änderung ausdrücklich sowohl fiir elektronisch als auch traditionell er135 Dok. XXI/99/1201-DE. 136 Vgl. hierzu Korj, (Fn. 42), S.15; Vellen, UR 2000,401 (402). 137 Dok. XXI/98/359, Arbeitspapier: "Zwischenbericht über die Auswirkungen des elektronischen Geschäftsverkehrs aufMwSt und Z:ol1", v. 3.4.1998. 138 (Fn. 96). 139 (Fn. 135), S. 1 f.

29

Grundlegung

brachte Dienstleistungen vor. Von dem bisherigen "Listenansatz" des Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, also der Katalogisierung einzelner Dienstleistungsarten, die am Bestimmungsort steuerbar sind, nimmt die EU-Kommission Abstand. Diese Regelungstechnik berge die Gefahr, fortlaufend an neue technische Möglichkeiten zur Erbringung von Dienstleistungen angepaßt werden zu müssen und sei daher als unbrauchbar anzusehen 140 • Statt dessen sei eine einheitliche, klare Regelung anzustreben 141 • Diese Regelung soll jedoch nicht ausnahmslos gelten. So sollen neben dem neuen Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-MwSt-Richtlinie die Ortsbestimmungen fiir die in Art. 9 Abs. 2 Buchstaben a bis c genannten Dienstleistungen als vorrangig anwendbar erhalten bleiben 142 • Besondere Beachtung verdienten weiterhin die unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. c Spiegelstrich 1 aufgefiihrten Dienstleistungen (Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung und ähnliche Tätigkeiten), soweit sie elektronisch erbracht werden. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht diesbezüglich eine Differenzierung vor. Bei einer Leistungserbringung an einen privaten, nicht steuerpflichtigen Empfänger in der EU oder einen EU-Unternehmer im gleichen Mitgliedsstaat soll Art. 9 Abs. 1 gelten, mithin das Ursprungslandprinzip Anwendung finden. Wird dahingegen eine der vorgenannten Dienstleistungen auf elektronischem Wege an einen im Drittland ansässigen Leistungsempfänger oder an einen im EU-Ausland ansässigen Unternehmer erbracht, soll der neuzufassende Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, also das Bestimmungslandprinzip gelten. Über die Regelung in Art. 9 Abs. 3 Buchst. b bestünde darüber hinaus die Möglichkeit der Verlagerung des Leistungsortes hin zum Verbrauchsort, falls Drittlandsunternehmer an Privatpersonen leisteten, die in der EU ansässig sind. Im Ergebnis zielt dieser Reformansatz darauf ab, daß in den Fällen, in denen entweder der Kunde (Unternehmer oder privater Endverbraucher) oder der Leistungserbringer seinen Sitz außerhalb der EU hat, elektronisch gelieferte Dienstleistungen am Sitz des Kunden zu besteuern sind. Hat der Leistungserbringer dahingegen seinen Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat und ist der Leistungsempfänger im gleichen Mitgliedsstaat ansässig oder handelt es sich beim Leistungsempfänger um eine nicht steuerpflichtige Person in 140 (Fn. 135), S. 15. 141 (Fn. 135), S. 14. 142 Die Kommission begründet dies mit der Einschätzung, daß die dort genannten Dienstleistungen entweder nicht elektronisch erbracht werden (können), oder aber die elektronische Übermittlung an der Art dieser Dienstleistungen nichts wesentliches ändere, vgl. (Fn. 135), S. 15.

30

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

einem anderen Mitgliedsstaat, so gilt als Ort der Dienstleistung der Sitz des Leistungserbringers. Im grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen B2B-Bereich 143 wird der Leistungsort hin zum empfangenden Unternehmer verlagert. Die einzelnen Leistungsorte sind in der nachstehenden Übersicht noch einmal tabellarisch zusammengefaßt.

Leistungsorte der Online-Umsätze nach den Vorschlägen der EU-Kommission vom 8.6.1999 144

Ä

Unternehmer mit Sitz im Inland r

Unternehmer mit Unternehmer Sitz im übrigen mit Sitz im Gemeinschaftsgeh Drittland, z.B. iet, z.B. Italien USA

Unternehmer mit Sitz im Inland

Deutschland

Deutschland

Deutschland

Endverbraucher mit Wohnsitz im Inland

Deutschland

Italien

Deutschland

Unternehmer mit Sitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, z.B. Frankreich

Frankreich

Frankreich

Frankreich

Endverbraucher mit Wohnsitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, z.B. Frankreich

Deutschland

Italien

Frankreich

Unternehmer/ Endverbraucher mit (Wohn)Sitz im Drittland, z.B. Schweiz

Schweiz

Schweiz

Schweiz

143 Engl. Abkürzung für "Business to Business", dt.: (Umsatz) Unternehmer an Unternehmer. Der Begriff "B2C" steht dahingegen für engl. "Business to Consumer", also einen Umsatz von einem Unternehmer an einen Endverbraucher. 144 Arbeitspapier "Indirekte Steuern und elektronischer Geschäftsverkehr", (Fn. 135).

31

Grundlegung

2.

Verfahrensrechtliche Empfehlungen

Neben diesen Reformvorschlägen hinsichtlich der Ortsbestimmung diskutiert das Arbeitspapier alternative Besteuerungssysteme wie das QuellenAbzugsmodell145, bezeichnet diese jedoch als problematisch 146 . Darüber hinaus wird von der EU-Kommission im Bereich B2B 147 die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens empfohlen. Damit der leistende Unternehmer erkennen kann, ob es sich bei seinem Leistungsempfiinger um einen Unternehmer (dann ggfs. Umkehrung der Steuerschuldnerschaft) oder eine nicht steuerpflichtige Person handelt, sollen weiterhin die elektronischen Transaktionen in das Bestätigungsverfahren für die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern148 einbezogen werden. Dem leistenden Unternehmer soll nach Vorstellung der EU-Kommission die Möglichkeit eröffnet werden, auf elektronischem Weg und in Echtzeit den Unternehmerstatus des Leistungsempfiingers abfragen zu können 149 . Schließlich wird für Drittlands-Unternehmer die sog. Einortregistrierung für sämtliche innerhalb der EU erbrachten Umsätze an Privatkunden favorisiert 150.

IX.

Richtlinienvorschlag der EU-Kommission "Mehrwertsteuerliche Behandlung elektronisch erbrachter Dienstleistungen" vom 7.6.2000

Am 7.6.2000 legte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-MwSt-Richtlinie) bezüglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung voriSI. Dieser Vorschlag, der nach den ursprünglichen Vorstellungen der EU-Kommission bereits zum 1.1.2001 in Kraft treten sollte 152, stellt die Grundlage der im Mai 2002 verabschiedeten Richtlinienänderung dar153 .

145 146 147 148 149 150 151 152 153

32

Vgl. S. 17 ff. (Fn. 135), S. 11. Engl. Abkürzung flir ,,Business to Business", vgl. (Fn. 143). Nach der Verordnung Nr. 218/92/EWG, Abi. EG Nr. L 24 v. 1.2.1992, S. I. (Fn. 135), S. 6 ff. (Fn. 135), S. 13. Dok. KOM (2000) 349 endg. (Abi. EG Nr. C 337 E v. 28.11.2000, S. 65). Art. 2 Nr. I der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 151), S. 67. Vgl. zum Richtlinienvorschlag insgesamt z.B. Amdt!Fetzer, BB 2000, 2545; Buschens, (Fn. 4), S. 737; Lange, (Fn. 3), S. 409 ff.; Maßbaum, RIW 2000, 739; Roettger, K&R 2000, 442; Vellen, (Fn. 136), S. 401 ff.

Politische Diskussion und Vorgaben fiir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

Die vorgeschlagene Richtlinienänderung soll im Interesse eines ordnungsgemäß funktionierenden Binnenmarktes bestehende Wettbewerbsverzerrungen beseitigen und neue, harmonisierte Regelungen für die Mehrwertbesteuerung elektronisch erbrachter Leistungen einfiihren154 . Die EU-Kommission will insbesondere sicherstellen, daß elektronisch erbrachte Leistungen in der Gemeinschaft besteuert werden, wenn sie von Kunden mit Sitz in der Gemeinschaft verbraucht werden, und daß sie im Gegenzug nicht der europäischen Mehrwertbesteuerung unterliegen, wenn sie außerhalb der Gemeinschaft verbraucht werden 155 •

1.

Definition der "elektronisch erbrachten Dienstleistungen" und Ortsbestimmung dieser Leistungen

Der Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlages beschränkt sich auf Online-Umsätze sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen wie das PayTV. Offline-Umsätze werden ausdrücklich nicht umfaßt, da diesbezüglich nach Ansicht der EU-Kommission gegenwärtig kein Handlungsbedarf besteht156. Im Hinblick auf die Qualifikation der E-Commerce-Leistungen als Lieferungen oder sonstige (Dienst)Leistungen enthält der Richtlinienvorschlag die Festlegung, daß elektronisch erbrachten Leistungen als Dienstleistungen iSv. Art. 6 Abs. 1 6. EG-MwSt-Richtlinie behandelt werden. Der Begriff der elektronisch erbrachten Dienstleistung soll hierbei in einem neu einzufügenden Buchstaben f des Art. 9 Abs. 2 der 6. EG-MwSt-Richtlinie definiert werden als "eine Datenübertragung, deren Erstversand und Empfang am Bestimmungsort mittels Einrichtungen zur Verarbeitung (einschließlich digitaler Komprimierung) und Speicherung von Daten erfolgt und die vollständig per Draht, Funk, mit optischen oder anderen elektronischen Mitteln, einschließlich Fernsehsendungen im Sinne der Richtlinie 89/552/EWG und Tonrundfunk, übermittelt und empfangen wird" 157 • Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß die EU-Kommission in ihrem Vorschlag davon ausgeht, daß sich die Einordnung elektronisch erbrachter Leistungen als Dienstleistungen bereits aus der damals geltenden Fassung der 6. EG-MwStRichtlinie ergibt 158 .

154 Erwägungsgründe (I) und (2) der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 151), s. 65. 155 Erwägungsgrund (2) der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 151 ), S. 65. 156 Dok. KOM (2000) 349 endg., S. 3. 157 Art. I Nr. I der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 151 ), S. 66. 158 (Fn. 156), S. 15.

33

Grundlegung

Um das Ziel der "verbrauchsnahen" Besteuerung zu verwirklichen, soll Leistungsort dieser elektronisch erbrachten Dienstleistungen nach dem vorgeschlagenen Art. 9 Abs. 2 f der 6. EG-MwSt-Richtlinie grundsätzlich der Sitz bzw. Wohnsitz des Leistungsempfängers sein. Von diesem Grundsatz werden allerdings zwei Ausnahmen gemacht. Leistet ein EU-Unternehmer an einen EU-Verbraucher, so soll Ort der Dienstleistung der Sitz des leistenden Unternehmers sein, Art. 9 Abs. 2 Buchst. f Unterabschnitt 2. Bei einer Transaktion zwischen einem Drittlandsunternehmer und einem EU-Verbraucher soll als Ort der Dienstleistung der EU-Mitgliedsstaat gelten, in dem sich der Drittlandsunternehmer hat registrieren lassen 159, Art. 9 Abs. 2 Buchst. fUnterabschnitt 1 Spiegelstrich 3 und Unterabschnitt 2.

2.

Anzuwendender Steuersatz

In Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-MwSt-Richtlinie soll nach den Vorschlägen der EU-Kommission ein Unterabsatz 4 eingefügt werden, der "eindeutig festlegt" 160, daß- bis auf Ausnahme der in Anhang H Kategorie 7 der 6. EG-MwSt-Richtlinie aufgeführten Rundfunkdienstleistungen - für elektronisch erbrachte Dienstleistungen der allgemeine Normalsteuersatz Anwendung findet 161 • Die EU-Kommission erwägt jedoch diesbezüglich eine zukünftige Überprüfung des Anhanges H der 6. EG-MwSt-Richtlinie 162 •

3.

Bestimmung des Steuerschuldners einschließlich der Einführung einer Gutglaubensregelung

Schuldner der Mehrwertsteuer ist grundsätzlich der leistende Unternehmer, Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a der 6. EG-MwSt-Richtlinie. Als Ausnahme hiervon sieht Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b der 6. EG-MwSt-Richtlinie eine Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (sog. Reverse Charge) in den Fällen vor, in denen zwischen Unternehmern (B2B) Dienstleistungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-MwSt-Richtlinie (Katalogleistungen iSv. § 3a Abs. 4 UStG) erbracht werden oder aber ein ausländischer Unternehmer Beforderungsleistungen, Vermittlungsleistungen oder eine Begutachtung/Arbeit an beweglichen Gegenständen (Art. 28b Teile C, D, E und F der 6. EG-MwSt-Richtlinie) gegenüber einem im Inland registrierten Unternehmer erbringt. Die EU-Kommission schlägt eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des Reverse-Charge-Verfahrens auf elektronisch erbrachte

159 160 161 162

34

Vgl. zu der Registrierungspflicht im einzelnen S. 36 f. So die Zweckmäßigkeitserwägung der EU-Kommission, (Fn. 151), S. 65. Art. I Nr. 2 der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 151), S. 66. (Fn. 156), S. I 0.

Politische Diskussion und Vorgaben ftir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

Dienstleistungen vor 163 , so daß auch in diesen Fällen der unternehmerische Empfänger Schuldner der Mehrwertsteuer ist. Die Anwendung des Reverse Charge setzt voraus, daß der leistende Unternehmer unterscheiden kann, ob es sich bei dem Leistungsempfänger um einen Unternehmer (dann Umkehrung der Steuerschuldnerschaft) oder einen Endverbraucher handelt (dann unmittelbare Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers). Die für diese Differenzierung erforderlichen Informationen soll der leistende Unternehmer bei der Steuerverwaltung des Ansässigkeitsstaates des Kunden abrufen können. Als Kriterium soll nach der ebenfalls vorgeschlagenen "Verordnung des Europäischen Parlaments zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung" 164 die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dienen. Verfügt der Kunde über eine solche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, was laut Vorschlag zukünftig in "Echtzeit" elektronisch überprüfbar sein soll 165 , so soll es sich beim Kunden um einen Unternehmer handeln; mißlingt dieser Nachweis, ist dahingegen nach den Vorschlägen der Kommission von einem Endverbraucher als Kunde auszugehen 166 • Der Vorschlag der EU-Kommission sieht weiterhin vor, daß der leistende Unternehmer von seiner Steuerschuldnerschaft befreit wird, wenn er in gutem Glauben daran gehandelt hat, daß sein Leistungsempfänger ein in der EU ansässiger Unternehmer ist. Ein in die 6. EG-MwSt-Richtlinie neu einzufügender Unterabsatz in Art. 21 Abs. I Buchst. a 167 legt fest, daß in diesen Fällen die Steuer allein vom Leistungsempfänger zu entrichten ist, der leistende, gutgläubige Unternehmer also nicht einmal als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden kann. Voraussetzung für eine Gutgläubigkeit im vorgenannten Sinne sind folgende, kumulative Bedingungen: Der leistende Unternehmer muß die größtmögliche, nach dem jeweiligen Handelsbrauch übliche Sorgfalt angewandt haben, und er muß anhand eines kohärenten Datensatzes aus unabhängiger Quelle die vom Kunden genannte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer überprüft haben 168 •

163 164 165 166 167 168

Art. (Fn. Art. (Fn. Art. (Fn.

I Nr. 4b) der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. !51), S. 66. 156), S. 22 ff. 1 Nr. 3 der vorgeschlagenen Änderungsverordnung, (Fn. !51), S. 66. 156), S. 7 f. 1 Nr. 4a) der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. !51), S. 66. 167).

35

Grundlegung

4.

Einführung einer mehrwertsteuerliehen Registrierungspflicht für Drittlandsunternehmer

Der vorgeschlagene neue Art. 22 Abs. 1 Buchst. :f' 69 begründet eine Registrierungspflicht :fiir im Drittland ansässige Unternehmer, die an Endverbraucher mit Sitz in der Gemeinschaft elektronische Dienstleistungen im Gesamtwert von mehr als 100.000 Euro im Jahr zeitigen. Zur Erleichterung der steuerlichen Pflichten der Drittlandsunternehmer sollen diese sich lediglich in einem Mitgliedsstaat der Gemeinschaft registrieren lassen müssen (sog. Ein-Ort-Registrierung) 170 • Diese Registrierung soll ausdrücklich nur Zwecken der Mehrwertsteuer dienen und hat zur Folge, daß ein Unternehmer mit Sitz im Drittland so behandelt wird, als habe er eine feste Niederlassung in der Gemeinschaft, von der aus die Dienstleistungen erbracht werden 171 • Der Steuersatz des Registrierungsstaates ist :fiir sämtliche Umsätze mit Endverbrauchern innerhalb der EU anwendbar. Nach Auffassung der Kommission ist regelmäßig davon auszugehen, daß eine Registrierung in dem Mitgliedsstaat erfolgt, in welchem zuerst elektronische Leistungen vom Drittlandsanbieter erbracht werden 172 • Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß der Richtlinienvorschlag kein wie auch immer geartetes Clearing-Verfahren vorsieht, so daß das vom Registrierungsland vereinnahmte Mehrwertsteueraufkommen (aus sämtlichen innerhalb der EU getätigten Umsätzen) diesem allein zustehen würde 173 •

5.

Einführung der Möglichkeit, USt-Erklärungen und Anzeigen über die unternehmerische Tätigkeit auf elektronischem Weg abzugeben

Den Mitgliedsstaaten soll darüber hinaus die Befugnis eingeräumt werden, bestimmte Mitteilungen und Erklärungen, wie die Anzeige der Aufhahme oder Beendigung der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit 174, die Abgabe

Art. 1 Nr. Sb der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 151 ), S. 66. Erwägungsgrund (4) der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 151), S. 65. (Fn. 156), S. 18 f. (Fn. 156), S. 19. Die Einfiihrung eines solchen Erstattungsverfahrens sieht indes das Europäischen Parlament im Rahmen seiner Legislativen Entschließung v. 14.12.2000 zur Änderung des Kommissionsvorschlages vor; vgl. Abi. EG Nr. C 232 v. 17.8.2001, S. 302 und Sitzungsdokument AS-0362/2000 v. 28.11.2000. 174 Art. 1 Nr. Sa der Änderungs-Richtlinie, (Fn. 151), S. 66. 169 170 171 172 173

36

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

von Steuererklärungen oder die Abgabe einer Erklärung über sämtliche Umsätze des vorangegangenen Jahres, auf elektronischem Wege zuzulassen175 .

X.

Modifikation, Verabschiedung und Umsetzung des Vorschlages

Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vorn 7.6.2000 ist innerhalb der Europäischen Union und den USA auf geteiltes Echo, überwiegend jedoch auf ablehnende Kritik gestoßen 176 • Als Kritikpunkte wurden dabei insbesondere die Ein-Ort-Registrierung und die Schwellengrenze für Drittlandsanbieter angefiihrt177 • Gleichfalls wurden der einheitliche Normalsteuersatz auch für elektronische Medien wie Bücher und Zeitschriften (die in "herkömmlicher" Form dem begünstigten Steuersatz unterliegen) 178, die unübersichtlichen und kornplizierten Regelungen hinsichtlich des Verbrauchsortes179 sowie die fehlenden verfahrensrechtlichen Regelungen zur Absicherung der materiellen Neuregelungen 180 beanstandet. So hat beispielsweise der Deutsche Bundesrat in seiner Stellungnahme vorn 20.10.2000 die Bundesregierung aufgefordert, den Vorschlägen hinsichtlich der Ein-Ort-Registrierung für Drittlandsunternehmer nicht zuzustimmen sowie dem Schwellenwert für die Registrierungspflicht zu widersprechen. Die Bundesregierung solle sich statt dessen um eine andere Lösung bernühen 181 . Die USA betrachteten die Vorschläge der EU-Kommission mit "ernsthaften Bedenken" und sahen die Gefahr, daß durch diese einseitige, diskriminierende Maßnahme die Entwicklung des E-Cornrnerce behindert werden könne 182 • 1.

Kornpromißvorschlag der schwedischen EU-Präsidentschaft

Nachdem sich der Wirtschafts- und Sozialausschuß der EU in einer Stellungnahme vorn 29.11.2000 kritisch zu den Vorschlägen der Kornmission

175 Art. 1 Nr. Sc und d der Änderungs-Richtlinie, (Fn. 151), S. 66 f. 176 Vgl. hierzu insgesamt Korj, IStR 2001,368 (373 f.). 177 Vgl. Korj, DB 2000, 1204 (1205); Vellen, (Fn. 136), S. 407 f.; Schindhelm/Reiß, CR 2000, 757 (761 f.); Widmann, UR 2001, 14 (15 f.); Arndt/Fetzer, (Fn. 153), S. 2551; Hede!, IStR 2001, 164 (167); Buschens, (Fn. 4), S. 741. 178 Arndt/Fetzer, (Fn. 153), S. 2549; Hede/, (Fn. 177), S. 168; Maßbaum, (Fn. 153); a.A. Vellen, (Fn. 136), S. 408, Widmann, (Fn. 177), S. 17. 179 Vgl. Lange, (Fn. 3), S. 419. 180 Spatscheck, CR 2000, 485 (486); Schindhelm/Reiß, (Fn. 177), S. 762; Arndt!Fetzer, (Fn. 153), S. 2551. 181 Beschluß des Bundesrates v. 20.10.2000, BR-Drucks. 403/00. 182 Pressemitteilung (LS-687) Mr. Stuart Eizenstat (Stellvertretender US-Finanzminister) v. 7.6.2000, abrufbar im Internet unter: http://www.useu.be.

37

Grundlegung

äußerte 183 und das EU-Parlament in einer legislativen Entschließung vom 14.12.2000 die Einbeziehung von Bildungsleistungen, die Herabsetzung der Registrierungsschwelle fiir Drittlandsunternehmer auf 40.000 Euro sowie die Einfiihrung eines Clearingverfahrens forderte 18\ konzentrierten sich die Arbeiten innerhalb der zuständigen Gremien in der Folgezeit auf die Suche nach einer Lösung fiir das Problem der Behandlung von Drittlandsanbietern185. Der EU-Rat beauftragte weiterhin die Arbeitsgruppe "Steuerfragen", bis zum 30.6.2001 einen Entwurf fiir eine geänderte Richtlinie vorzulegen186. Unter maßgeblicher Beteiligung der Schwedischen EU-Präsidentschaft wurde dann in Vorbereitung auf die Tagung des ECOFIN-Rates am 5.6.2001 in Luxemburg ein Kompromißvorschlag erarbeitetl 87 . Dieser Vorschlag sah folgende Regelungen vor: 1.

Leistungsort und Steuersatz: Elektronisch erbrachte Dienstleistungen von Dritt1andsanbietern an europäische Nichtunternehmer sollen am Empfängerort mit dem dortigen Normalsteuersatz besteuert werden, wohingegen derartige Leistungen aus der EU in Drittstaaten nicht innerhalb der EU besteuert werden sollen.

2.

Wegfall der Schwellengrenze fiir Drittlandsanbieter: Die Schwellengrenze fiir Drittlandsanbieter in Höhe von 100.000 Euro wird u.a. aufgrund mangelnder Kontrollmöglichkeiten ersatzlos gestrichen.

3.

Modifizierung der Einortregistrierung: Es soll ein Entwurf erarbeitet werden, der Anbietern aus Drittländern durch Zuhilfenahme elektronischer Verfahren die Erfiillung ihrer steuer-

183 V gl. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 29.11.200 I, Abi. EG Nr. C 116 v. 20.4.2001, S. 59, in der es u.a. aufS. 63 heißt, die Ein-Ort-Registrierung sei "ganz klar eine Einladung zur Manipulation", da Drittlandsunternehmen effektiv die Wahl hätten, in welchem Mitgliedsstaat sie sich registrieren lassen und somit ebenfalls den anzuwendenden Steuersatz bestimmen können. 184 Vgl. Legislative Entschließung des EU-Parlaments v. 14.12.2000, Abi. EG Nr. C 232 V. 17.8.2001, S. 302. 185 Vgl. Pressemitteilung 13861/00 (Presse 453) und 9292/01 (Presse 214). Zum Diskussionsverlauf insgesamt Vellen, UR 2003, 53. 186 Vgl. Pressemitteilung 13861/00 (Presse 453) zur Tagung des ECOFlN-Rates am 26./27.11.2000; Handelsblatt v. 27.11.2000. 187 Mitteilung der Schwedischen EU-Präsidentschaft v. 1.6.2001, abrufbar im Internet unter: http://www.eu2001.se; Handelsblatt v. 31.5.2001. Vgl. hierzu auch Korj, (Fn. 176), S. 374.

38

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

liehen Obliegenheiten innerhalb der Europäischen Union erleichtert. Unter bestimmten Bedingungen sollen Drittlandsanbieter ihre mehrwertsteuerliehen Pflichten, die aus elektronischen Dienstleistungen an europäische Nichtunternehmer resultieren, an einem einzigen Ort erfüllen können. Damit Drittlandsanbieter dieses vereinfachte Verfahren in Anspruch nehmen können, müssen sie sowohl den Bedingungen des Entwurfes als auch den nationalen Bestimmungen der Verbrauchsstaaten nachkommen. Dieser Kompromißvorschlag wurde von 14 der 15 europäischen Mitgliedsstaaten unterstützt. Lediglich Großbritannien widersprach diesem Vorschlag mit der Begründung, daß die Ungleichbehandlung zwischen europäischen Anbietern und Drittlandsanbietern durch diesen Vorschlag noch verstärkt werde. Die Einführung eines Verteilungsverfahrens für das Mehrwertsteueraufkommen sei weiterhin kostspielig und dessen Durchführung schwer zu überwachen. Als Alternative schlug die britische Delegation ein vorübergehendes Moratorium der Mehrwertbesteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs vor 188 . Da dieser Alternativvorschlag wiederum von den übrigen Mitgliedsstaaten abgelehnt wurde, konnte auf der Ratssitzung am 5.6.2001 keine Einigung erzielt werden.

2.

Politische Einigung und Verabschiedung der Richtlinienänderung

Nachdem der ECOFIN-Rat die Arbeitsgruppe "Steuerfragen" am 13.12. 2001 beauftragte, bis Februar 2002 eine vorläufige Interimslösung zu erarbeiten189, konnte auf der Ratssitzung am 12.2.2002 eine politische Einigung zur mehrwertsteuerliehen Behandlung des E-Commerce erzielt werden190. Der ECOFIN-Rat einigte sich hierbei auffolgende Punkte 191 : 1.

Beispielhafte Aufzählung der betroffenen Leistungen 192: Anstelle der ursprünglich vorgesehenen (starren) Defmition werden in einem neuen Anhang L einige elektronisch erbrachte Dienstleistungen exemplarisch aufgeführt. Hierzu gehören u.a. die Erstellung von Internetseiten, Online-Wartungen, Fernunterricht und die Überlassung von Software, Bildern, Musikstücken und Filmen.

188 Mitteilung der Schwedischen EU-Präsidentschaft, (Fn. 187). 189 Vgl. Pressemitteilung 15139/01 (Presse 465) zur Tagung des ECOFIN-Rates v. 13.12.2001. 190 Vgl. Pressemitteilung 6108/02 (Presse 28) zur Tagung des ECOFIN-Rates v. 12.2.2002; vgl. hierzu EuZW 2002, 323 (Europa-Report) und Strunk/Käbisch, UR 2002, 163. 191 Vgl. Rats-Dokument 5954/02 FISC 35 v. 5.2.2002. 192 Vgl. Art. 1 Nr. 1 der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 191), S. 5.

39

Grundlegung

2.

Leistungsort und Steuersatz 193 : Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie (Katalogleistungen) wird um elektronisch erbrachte Dienstleistungen und Radio- und Fernsehdienste ergänzt. Elektronisch erbrachte Dienstleistungen von Drittlandsanbietern an europäische Endverbraucher werden gemäß einem neu einzufügenden Art. 9 Abs. 2 Buchst. f am Empfangsort ausgeführt; es fmdet stets der Regelsteuersatz Anwendung.

3.

Einortregistrierung!Clearingverfahren194 : Drittlandsanbieter müssen sich lediglich in einem Mitgliedsstaat registrieren lassen. Der Registrierungsstaat erhebt die Mehrwertsteuer für sämtliche innerhalb der EU ausgeführten Leistungen und verteilt das Steueraufkommen.

4.

Geltungsdauer/Umsetzung 195 : Die Änderungen sollen vorläufig für einen Zeitraum von 3 Jahren gelten und bis zum 1. 7.2003 von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

Langfristig soll ein geeignetes elektronisches System für die Erhebung, Erklärung, Einziehung und Zuweisung der Umsatzsteuern für auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen eingeführt werden, das auf der Grundlage einer Gleichbehandlung aller Unternehmer mit Besteuerung am Ort des Verbrauchs basiert 196• Am 7.5.2002 wurde nach zweijährigem Ringen um einen politischen Kompromiß die vorübergehende Änderung der 6. EG-MwSt-Richtlinie und der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden endgültig beschlossen 197 •

a)

Inhalt der Richtlinienänderung

aa)

Aufnahme elektronisch erbrachter Dienstleistungen in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e

Die Richtlinienänderung sieht zunächst die Aufuahme auf elektronischem Wege erbrachter Dienstleistungen sowie Rundfunk- und Fernsehleistungen in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie vor198 • Der Begriff der auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen wird hierbei nicht - wie V gl. Art. 1 Nr. I, 2 und 5 der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 191 ), S. 5 f. Vgl. Art. 1 Nr. 6 der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 191), S. 6 ff. V gl. Art. 1 und 3 der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie, (Fn. 191 ), S. 5, 11. Vgl. Vellen, (Fn. 185), S. 55. Richtlinie 2002/38/EG v. 7.5.2002, Abi. EG Nr. L 128 v. 15.5.2002, S. 41 und Verordnung (EG) Nr. 792/2002 v. 7.5.2002,Abl. EG Nr. L 128 v. 15.5.2002, S. 1. 198 Vgl. Art. I Nr. Ia) der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 42. 193 194 195 196 197

40

Politische Diskussion und Vorgaben fiir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

ursprünglich vorgeschlagen - abschließend definiert, sondern es erfolgt eine beispielhafte Aufzählung dieser Leistungen in einem neuen Anhang L zur 6. EG-MwSt-Richtlinie. Nach der dortigen exemplarischen Auflistung gehören zu den elektronischen Dienstleistungen die Bereitstellung von Websites, Webhosting, Fernwartungen von Programmen und Ausrüstungen 199, die Bereitstellung von Software und deren Aktualisierungen200, die Bereitstellung von Bildern, Texten, Informationen und Datenbanken201 , die Bereitstellung von Musik, Filmen und Spielen202 sowie die Erbringung von Fernunterrichtsleistungen203. Die Kommunikation über E-Mail im Rahmen der Leistungsbeziehung für sich genommen soll jedoch - wie Anhang L hinweist noch nicht dazu ftihren, daß es sich um eine auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistung in diesem Sinne handelf04 .

bb)

Ort dieser Leistungen

Die Aufnahme der Rundfunk- und Fernsehleistungen sowie der elektronischen Dienstleistungen in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie entspricht im nationalen UStG einer Qualifikation als Katalogleistung iSv. § 3a Abs. 4. Demzufolge werden diese Leistungen beim Empfänger ausgeftihrt, wenn dieser entweder ein in der EU ansässiger Unternehmer ist oder aber Leistungen ins Drittland erbracht werden. Für Endverbraucher in der EU ist Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie bzw. § 3a Abs. 4 iVm. § 3a Abs. 3 UStG dahingegen nicht anwendbar. Um elektronische Dienstleistungen von Drittlandsanbietern an EU-Endverbraucher in der EU besteuern zu können, bedurfte es daher einer gesonderten Ortsregelung. Eine solche wird in den neuen Art. 9 Abs. 2 Buchst. f 6. EG-MwSt-Richtlinie aufgenommen, wonach diese Leistungen am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der privaten Leistungsempfanger ausgefiihrt werden205 . Diese Ortsverlagerung erfolgt jedoch nur, falls die elektronischen Leistungen von Drittlandsanbietern erbracht werden. Im Falle innergemeinschaftlicher Transaktionen verbleibt es bei der Grundregel des Art. 9 Abs. 1 6. EG-MwSt-Richtlinie bzw. § 3aAbs. 1 UStG, also beim Ursprungslandprinzip.

199 200 201 202 203 204 205

V gl. Anhang L Nr. 1, (Fn. 197), S. 44. V gl. Anhang L Nr. 2, (Fn. 197). Vgl. Anhang L Nr. 3, (Fn. 197). V gl. Anhang L Nr. 4, (Fn. 197). Vgl. Anhang L Nr. 5, (Fn. 197). Zur Problematik dieser "Klarstellung" S. 140 ff. V gl. Art. 1 Nr. 1b der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 42.

41

Grundlegung

Eine abweichende Ortsbestimmung zur Vermeidung von Doppel- oder Nichtbesteuerungeil bzw. Wettbewerbsverzerrungen nach Art. 9 Abs. 3 6. EGMwSt-Richtlinie bzw. § 3a Abs. 5 UStG iVm. § I UStDV wird fiir Rundfunk- und Fernsehleistungen verbindlich vorgeschrieben, wohingegen die entsprechende Anwendung fiir elektronisch erbrachte Dienstleistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird 206 • Im Überblick ergibt sich somit folgendes Bild:

Leistungsorte der auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen nach der Richtlinienänderung vom 7.5.2002 Unternehmer mit Sitz im Inland

Unternehmer mit Sitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, z.B. Italien

Unternehmer mit Sitz im Drittland, z.B. USA

Unternehmer mit Sitz im Inland

Deutschland

Deutschland

Deutschland

Endverbraucher mit Wohnsitz im Inland

Deutschland

Italien

Deutschland

Unternehmer mit Sitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, z.B. Frankreich

Frankreich

Frankreich

Frankreich

Endverbraucher mit Wohnsitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, z.B. Frankreich

Deutschland

Italien

Frankreich

Unternehmer/ Endverbraucher mit (Wohn)Sitz im Drittland, z.B. Schweiz

Schweiz

Schweiz

Schweiz

L.-Erbringer

L.-Empfanger

206 Vgl. Art. I Nr. Je und ld der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 42.

42

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

cc)

Einheitliche Anwendung des Normalsteuersatzes

Die Richtlinienänderung statuiert weiterhin, daß der ermäßigte Steuersatz nicht auf elektronische Dienstleistungen anzuwenden isf 07 • Diese Leistungen unterliegen somit stets- unabhängig vom Leistungsinhalt- dem Normalsteuersatz.

dd)

Umkehrung der Steuerschuldnerschaft

Die Frage der Steuerschuldnerschaft wird in der Richtlinienänderung nicht (meru.z 08 ) ausdrücklich aufgegriffen. Die Aufuahme der elektronisch erbrachten Dienstleistungen in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie fiihrt - auch ohne daß es einer Regelung in der Änderungsrichtlinie bedurfte - dazu, daß bei B2B-Umsätzen das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung findet. Dies ergibt sich (mittelbar) aus Art. 21 Abs. 1 Buchst. b 6. EG-MwStRichtlinie, der hinsichtlich seines Anwendungsbereiches auf die in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e genannten Dienstleistungen verweisf 09 • Steuerschuldner grenzüberschreitender Online-Umsätze im vorbezeichneten Sinne ist somit stets der unternehmerische Leistungsempfänger.

ee)

Spezielles Verfahren für Drittlandsunternehmer

Während der ursprüngliche Kommissionsvorschlag fiir Dritt1andsanbieter noch eine Ein-Ort-Registrierung mit Schwellengrenze vorsah210, fiihrt die Richtlinienänderung vom 7.5.2002 ein besonderes "Misch-Verfahren" ein, das Elemente der Ein-Ort-Registrierung mit denen einer Mehrortbesteuerung verbindet211 . Die in Art. 26c 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. eingefUgte fakultative Sonderregelung212 ftir Drittlandsanbieter beinhaltet eine Verfahrenserleichterung, die von Unternehmern in Anspruch genommen werden kann, die in der EU weder den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung haben und auch nicht aus anderen Gründen verpflichtet sind, sich nach Art. 22 6. EG-MwSt-Richtlinie innerhalb der EU fiir umsatzsteuerliche Zwecke erfassen zu lassen. Machen Drittlandsanbieter von ihrem Wahlrecht Gebrauch, haben sie die Aufuahme ihrer steuerpflichtigen Tätigkeit - ohne Schwellenwert - gegenüber einem Mitgliedsstaat anzuzeigen und sich die-

207 208 209 210 211 212

Vgl. Art. 1 Nr. 2 der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 42. Anders noch der ursprüngliche Vorschlag v. 7.6.2000; vgl. S. 34. Vgl. zur Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ausführlich S. 181 ff. Vgl. S. 36 f. Zur Sonderregelung für Drittlandsunternehmer ausführlich Vellen, (Fn. 185), S. 61 ff. Vgl. insgesamt Art. 1 Nr. 3 der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 42 f.

43

Grundlegung

semMitgliedsstaatgegenüber zu "identifizieren". Im Rahmen dieser "ldentifikation"213, die auf elektronischem Weg erfolgen kann, haben Drittlandsanbieter Angaben über ihren Namen, ihre Post- und elektronische Anschrift214 sowie über von ihnen betriebene Websites zu machen. Der Mitgliedsstaat, in dem die Identifizierung erfolgt, erteilt dem Drittlandsanbieter sodann eine Identifikationsnummer und fungiert im weiteren Verfahren als Ansprechpartner des Drittlandsanbieters. Der Drittlandsanbieter ist gegenüber dem Identifikationsstaat dazu verpflichtet, vierteljährlich Mehrwertsteuererklärungen über von ihm elektronisch erbrachte Dienstleistungen an EU-Endverbraucher abzugeben und den Gesamtsteuerbetrag auf ein benanntes Bankkonto zu überweisen. In den Erklärungen, die wiederum auf elektronischem Wege abgegeben werden können, sind die Umsätze nach den jeweiligen Verbrauchsstaaten - also den Mitgliedsstaaten, in denen die privaten Leistungsempfänger ansässig sind bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben - aufzuschlüsseln und die entsprechenden Mehrwertsteuerbeträge, die sich bei Anwendung der nationalen Steuersätze ergeben, gesondert auszuweisen215 . Als "Belohnung" fiir die Einhaltung dieses Verfahrens entfiillt fiir Drittlandsanbieter die Verpflichtung, sich in jedem EU-Mitgliedsstaat registrieren zu lassen, in welchem sie auf elektronischem Wege Dienstleistungen an Endverbraucher erbringen. Unbeschadet der gemäß Art. 26c Teil B Abs. 9 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. (fort)bestehenden Prüfungsrechte der einzelnen Verbrauchsmitgliedsstaaten ist bei Anwendung der Sonderregelung somit alleiniger ,,Ansprechpartner" der Identifikationsstaat Darüber hinaus werden die Voraussetzungen des Vorsteuervergütungsverfahrens nach der 13. EG-MwSt-Richtlinie216 erleichtert. Gemäß Art. 26c Teil B Abs. 8 6. EGMwSt-Richtlinie n.F. finden Art. 2 Abs. 2 und 3 sowie Art. 4 Abs. 2 13. EGMwSt-Richtlinie fiir Vorsteuererstattungen im Zusammenhang mit elektronischen Dienstleistungen keine Anwendung, so daß es diesbezüglich keiner

213 Wenn auch die Wortwahl der Richtlinie etwas anderes suggerieren könnte, handelt es sich bei der Identifikation inhaltlich um eine (nur leicht) modifizierte Form der umsatzsteuerliehen Registrierung. 214 Gemeint dürften E-Mail-Adressen sein. 215 Vgl. Art. 1 Nr. 3 der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 43. Die anschließende Verteilung des Mehrwertsteueraufkommens durch den Identifikationsstaat - Clearingverfahren - ist in der Verordnung (EG) Nr. 792/2002 geregelt und wird im Rahmen des nachfolgenden Gliederungspunktes erörtert. 216 Richtlinie 86/560/EWG v. 17.11.1986. Das Vorsteuervergütungsverfahren ist in Deutschland in § 18 Abs. 9 UStG iVm. §§ 59 ff. UStDV geregelt.

44

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

Gegenseitigkeit2 17 oder Benennung eines Fiskalvertreters bedarf 18 . Gemäß Art. 26c Teil B Abs. 10 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. ist Art. 21 Abs. 2 Buchst. b 6. EG-MwSt-Richtlinie- Bestellung eines obligatorischen Fiskalvertreters - ebenfalls nicht anwendbar. Nimmt ein Drittlandsanbieter die Sonderregelung nicht in Anspruch oder wird er aufgrundeines in Art. 26c Teil B Abs. 4 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. genannten Falles aus dem Identifikationsregister gestrichen und damit von der Sonderregelung ausgeschlossen, fmden die allgemeinen Regelungen der 6. EG-MwSt-Richtlinie Anwendung. Dies hat zur Folge, daß sich der Drittlandsanbieter in jedem Mitgliedsstaat fiir umsatzsteuerliche Zwecke erfassen lassen muß, in welchem er gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. f 6. EG-MwStRichtlinie elektronische Dienstleistungen ausfuhrt. Die Änderungsrichtlinie regelt schließlich, daß Anzeigen über die Aufnahme oder Beendigung einer steuerpflichtigen Tätigkeit sowie die Abgabe von (Mehrwert-) Steuererklärungen auf elektronischem Wege erfolgen können. Die Bedingungen, unter denen dies erfolgen kann bzw. muß, sind von den Mitgliedsstaaten festzulegen 219 •

b)

Inhalt der Verordnungsänderung

Die zeitgleich verabschiedete Änderung der Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden ergänzt die materiell-rechtlichen Neuregelungen um zusätzliche verfahrensrechtliche Komponenten220 • Als unmittelbar geltende, verbindliche Verordnung bedarf es insoweit keiner Transformationsakte221. Die getroffenen Regelungen werden fiir den Zeitraum der Richtlinienänderung angewendet222 .

217 V gl. zum Erfordernis der Gegenseitigkeit § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG und das aktuelle Verzeichnis des BMF v. 7.4.2002, UR 2004, 262, über Drittstaaten, bei denen Gegenseitigkeit in diesem Sinne gegeben bzw. nicht gegeben ist. 218 Vgl. Art. 1 Nr. 3 der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 43. 219 Vgl. Art. 2 der Änderungsrichtlinie, (Fn. 197), S. 43. 220 Entgegen dem Kommissionsvorschlag v. 7.6.2000 hat der Rat die Änderungsverordnung nicht auf Art. 95 EGV (Verabschiedung im Rat mit qualifizierter Mehrheit und Mitentscheidungsrecht des Europäischen Parlaments nach Art. 251 EGV), sondern auf Art. 93 EGV (Einstimmige Verabschiedung mit "bloßer" Anhörung des Europäischen Parlaments) gestützt. Hiergegen hat das Europäische Parlament am 24.7.2002 Klage beim EuGH mit dem Antrag erhoben, die Änderungsverordnung für nichtig zu erklären (Rs. C-273/02, Abi. EG Nr. C 219/2002, S. 9). Zum Inhalt der Änderungsverordnung insgesamt Vellen, (Fn. 185), S. 64 ff. 221 V gl. Art. 249 S. 2 EGV. 222 Vgl. Art. 2 der Änderungsverordnung, (Fn. 197), S. 3.

45

Grundlegung

aa)

Überprüfung des umsatzsteuerliehen Empfängerstatus anband der USt-Id.Nr.

Online-Anbieter müssen zur Bestimmung der umsatzsteuerliehen lmplikationen einer digitalen Transaktion Kenntnis darüber haben, ob es sich bei ihrem Leistungsempfänger um einen Unternehmer oder Endverbraucher handelt. Bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen fmdet bei einem unternehmerischen Leistungsempfänger eine Umkehrung der Steuerschuldnerschaft statt, wohingegen bei Umsätzen mit privaten Endverbrauchern der leistungserbringende Unternehmer als Steuerschuldner (u.a.) zur Abfllhrung der Steuer verpflichtet isf23. Die somit erforderliche Information, ob es sich um einen unternehmerischen Leistungsempfänger handelt, soll der leistende Unternehmer über eine elektronische Bestätigung der Gültigkeit einer ihm vom Leistungsempfänger mitgeteilten USt-Id.Nr. erhalten. Hierzu wird das in Art. 10 VO (EWG) Nr. 218/92 geregelte Verfahren angewendef24 •

bb)

Informationsaustausch und Einführung eines ClearingVerfahrens

Die Verordnung regelt weiterhin den Informationsaustausch zwischen dem Identifikationsstaat und den Verbrauchsstaaten. So sind beispielsweise gemäß Art. 9b Abs. 2 VO (EWG) Nr. 218/92 n.F. die Identifizierungsangaben des Drittlandsanbieters sowie die erteilte Identifikationsnummer binnen zehn Tagen nach Ablauf der erfolgten Registrierung auf elektronischem Wege an die übrigen Mitgliedsstaaten weiterzuleiten225 sowie gemäß Art. 9c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 218/92 n.F. die vom Drittlandsanbieter im Identifikationsstaat abgegebenen Steuererklärungen an die jeweiligen Verbrauchsstaaten zu übermitteln226 • Kernstück der Verordnung ist jedoch die Einfllhrung eines Clearing-Verfahrens. Entgegen dem ursprünglichen Richtlinienentwurf der Kommission, der eine Verteilung des vom Registrierungsstaat erzielten Steueraufkommens nicht vorgesehen hatte227 und der deswegen zu Recht kritisiert wurde228, fungiert der Registrierungs- bzw. Identifikationsstaat nun "nur 223 Vgl. S. 116 ff. sowie zum Besteuerungsverfahren insgesamt S. 181 ff. In Abhängigkeit von der Steuerschuldnerschaft erfolgt ebenfalls eine abweichende Rechnungserteilung; vgl. hierzu S. 175 ff. 224 V gl. Art. 1 Nr. 3 der Änderungsverordnung, (Fn. 197), S. 2. 225 Vgl. Art. 1 Nr. 4 der Änderungsverordnung, (Fn. 197), S. 2. 226 V gl. Art. 1 Nr. 4 der Änderungsverordnung, (Fn. 197), S. 2. 227 Vgl. S. 36. 228 V gl. die Literaturnachweise in Fn. 177.

46

Politische Diskussion und Vorgaben fiir die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

noch" als (Mehrwert-)Steuereinsammler. Ihm steht mit anderen Worten nicht das insgesamt vereinnahmte Steueraufkommen zu, sondern lediglich der Teil, der auf elektronische Dienstleistungen entfallt, die auch im Identifikationsstaat empfangen und damit (mutmaßlich) verbraucht wurden. Das übrige Steueraufkommen ist gemäß Art. 9e VO (EWG) Nr. 218/92 n.F. auf die jeweiligen Verbrauchstaaten zu verteilen und die entsprechenden Beträge - soweit vereinnahmt - spätestens zehn Tage nach Ablauf desjenigen Monats, in dem die Zahlung eingegangen ist, zu überweisen229 • 3.

Umsetzung ins nationale UStG zum 1.7.2003

Die Umsetzung der Richtlinienänderung ins nationale UStG erfolgte durch die Artikel6 und 7 des Steuervergünstigungsabbaugesetzes (StVergAbG)230 • Das StVergAbG, zunächst SteVAG abgekürzt, wurde im Entwurf von der Bundesregierung231 und nach einer Reihe von Änderungen am 21.2.2003 in der Fassung der Empfehlung des Finanzausschusses232 vom Bundestag beschlossen233. Der Bundesrat lehnte das zustimmungspflichtige Gesetz in einer ersten Stellungnahme ab234 und verweigerte in seiner Sitzung am 14.3.2003 die Zustimmung zum gesamten Gesetz235 • Im daraufhin von der Bundesregierung angerufenen Vermittlungsausschuß 236 konnte am 9.4.2003 ein Kompromiß237 erzielt werden, der am 11.4.2003 vom Bundestag und Bundesrat238 angenommen wurde. Der hier interessierende Teil des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, der die europäischen Vorgaben hinsichtlich der Umsatzbesteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs umsetzt, blieb von den kontroversen Diskussionen ausgenommen. Die diesbezüglichen Vorschriften wurden daher in unveränderter Form in der Fassung des ursprünglichen Bundestagsbeschlusses verabschiedet. 229 V gl. Art. 1 Nr. 4 der Änderungsverordnung, (Fn. 197), S. 2. 230 StVergAbG v. 16.5.2003, BGBI. I 2003, 660. 231 BR-Drucks. 866/02. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten diesen Entwurf (um das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen) ebenfalls in den Deutschen Bundestag eingebracht, BT-Drucks. 151119. Vgl. hierzu auch Widmann, UR2003, 9. 232 Empfehlung des Finanzausschusses v. 19.2.2003, BT-Drucks. 15/480. 233 BT-Drucks. 120/03. 234 Beschluß des Bundesrates v. 20.12.2002 , BR-Drucks. 866/02 (Beschluß). Auch der federfuhrende Finanzausschuß und der Wirtschaftsausschuß empfohlen dem Bundesrat, dem Gesetz nicht zuzustimmen, vgl. BR-Drucks. 120/1/03. 235 BR-Drucks. 120/03 (Beschluß). 236 BT-Drucks. 15/612. 237 BT-Drucks. 15/841. 238 BR-Drucks. 253/03 (Beschluß).

47

Grundlegung

a)

Ortsbestimmung der auf elektronischem Wege erbrachten sonstigen Leistungen

Durch Art. 6 Nr. 1 c StVergAbG ist § 3a Abs. 4 UStG um zwei weitere Katalogleistungen ergänzt worden. Unter § 3a Abs. 4 Nr. 13 UStG n.F. fallen hiernach "Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen" und unter Nr. 14 n.F. die "auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen". Die Aufuahme dieser neuen Tatbestände in den Leistungskatalog des § 3a Abs. 4 UStG bewirkt, daß sich der Leistungsort im Falle eines Unternehmerischen Empfängers bzw. eines Empfängers im Drittland gemäß § 3a Abs. 3 UStG zum Bestimmungsort hin verlagert und entspricht damit der vorgegebenen Aufuahme dieser Leistungen in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie239 • Da sich die Regierungsbegründung zu Art. 6 Nr. 1 c StVergAbG zudem inhaltlich auf die exemplarische Auflistung des Anhangs L zu Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie bezieht, entspricht die nationale Neuregelung diesbezüglich exakt den europäischen Vorgaben. Die Ortsbestimmung des Art. 9 Abs. 2 Buchst. f 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. für auf elektronischem Wege erbrachte Leistungen von Drittlandsunternehmern an in der EU ansässige Endverbraucher40 wurde in einen neu eingefügten § 3a Abs. 3a UStG aufgenommen241 , der der systemgerechten Umsatzbesteuerung dieser Leistungen am Verbrauchsort dienen soll 242 • Hiernach werden die in§ 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG n.F. bezeichneten sonstigen Leistungen eines im Drittland ansässigen Unternehmers bzw. von einer im Drittland belegenen Betriebsstätte aus ausgeführte Leistungen243 an Empfanger, die keine Unternehmer sind und ihren Wohnsitz oder Sitz im Gemeinschaftsgebiet haben, abweichend von § 3a Abs. 1 UStG dort ausgeführt, wo der Empfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Die Regierungsbegründung stellt in diesem Zusammenhang klar, daß es insofern auf den Ort der Nutzung oder Auswertung nicht ankommt244 • Im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 Buchst. f 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. verzichtet die nationale Umsetzung darauf, für den Fall der Ermangelung eines Wohnsitzes auf den "üblichen Aufenthaltsort" zurückzugreifen; im übrigen sind die Regelungen jedoch deckungsgleich. Leistungsort der elektronisch erbrachten sonstigen Leistungen ist damit auch im Fall eines privaten Endverbrauchers nach § 3a Abs. 3a UStG

239 240 241 242 243 244

48

Vgl. S. 40 f. Vgl. S. 41 f. Art. 6 Nr. 1 b StVergAbG, (Fn. 230). Vgl. Regierungsbegründung zu§ 3aAbs. 3a n.F., BT-Drucks. 151119, S. 22 f. Im Sinne von § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG n.F. (Fn. 242).

Politische Diskussion und Vorgaben fllr die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

n.F. der Bestimmungsort, soweit der leistende Unternehmer im Drittland ansässig ist. Hinsichtlich der Bestimmung des Leistungsortes hat Art. 6 Nr. 1 d StVergAbG schließlich § 3a Abs. 5 UStG dahingehend modifiziert, daß für auf elektronischem Wege erbrachte sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG n.F. keine abweichenden Ortsbestimmungen zur Vermeidung von Doppel- oder Nichtbesteuerungen bzw. Wettbewerbsverzerrungen getroffen werden können. Der Ausschluß der Katalogleistung Nr. 14 aus dem Anwendungsbereich der Ermächtigungsgrundlage des § 3a Abs. 5 UStG beruht auf Art. 9 Abs. 3 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. und führt zu einer europaweit einheitlichen Ortsbestimmung dieser Leistungen. Im Fall der Erbringung von Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen legt Art. 9 Abs. 4 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. dahingegen zwingend eine abweichende Ortsbestimmung fest, weswegen Art. 7 Nr. 1 StVergAbG die Sonderfälle der Ortsbestimmungen sonstiger Leistungen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStDV um Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen iSv. § 3a Abs. 4 Nr. 13 UStG n.F. ergänzt hat. Die Neuregelung hat zur Folge, daß Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen eines Drittlandunternehmers als im Inland ausgeführt behandelt werden, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet werden. Im Ergebnis fi1hrt dies dazu, daß Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen entsprechend den Telekommunikationsdienstleistungen iSv. § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG besteuert werden245 •

b)

Besteuerungsverfahren f"tir Drittlandsanbieter

Die Umsetzung des in Art. 26c 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F. vorgegebenen besonderen Besteuerungsverfahrens für Drittlandunternehmer ist durch Art. 6 Nr. 3 und 4 StVergAbG erfolgt. Kernstück der diesbezüglichen Neuregelungen ist § 18 Abs. 4c UStG n.F 246, der die Möglichkeit eröffnet, daß ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, der als Steuerschuldner ausschließlich Umsätze nach § 3a Abs. 3a UStG n.F. im Gemeinschaftsgebiet erbringt und in keinem anderen Mitgliedsstaat für umsatzsteuerliche Zwecke erfaßt ist, abweichend vom regelmäßigen Verfahren nach § 18 Abs. 1 bis 4 UStG für jedes Kalendervierteljahr eine Steuererklärung auf elektronischem Weg übermitteln kann. Zuständig für das besondere Besteuerungsverfahren ist durch Ergänzung des § 1 der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung um einen neuen Absatz 2a bundeseinheitlich das Bundesamt für Finanzen247 • Diesem gegenüber ist die Ausübung des Wahl245 Vgl. S. 131 f. 246 Vgl. Art. 6 Nr. 4 a StVergAbG, (Fn. 230). 24 7 Vgl. Art. 8 StVergAbG, (Fn. 230).

49

Grundlegung

rechts auf elektronischem Wege vor Erbringung der Umsätze anzuzeigen und die Steuererklärungen bis zum 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraumes zu übermitteln. Erforderliche Aufzeichnungen sind gemäß § 22 Abs. I UStG n.F. ebenfalls auf elektronischem Weg dem Bundesamt für Finanzen zur Verfilgung zu stellen248 • Die Form der Steuererklärungen im Rahmen des besonderen Besteuerungsverfahrens nach § 18 Abs. 4c UStG n.F. ergibt sich aus einem neuen § 16 Abs. la UStG Dieser sieht- neben dem Kalendervierteljahr als Besteuerungszeitraum - vor, daß bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Umsätze nach § 3a Abs. 3a UStG n.F. auszugehen ist, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist249 • Daß die Umsätze nach den einzelnen Verbrauchsmitgliedsstaaten und den jeweiligen Steuersätzen getrennt auszuweisen sind, ergibt sich - in Abweichung von dem insoweit ausdrücklichen Art. 26c Teil B Abs. 5 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F.- nicht unmittelbar aus dieser Formulierung250 • Klarheit haben diesbezüglich erst die in§ 18 Abs. 4c UStG n.F. genannten "amtlich vorgeschriebenen Vordrucke" geschaffi. Hierbei handelt es sich um eine über die Hornepage des Bundesamtes für Finanzen erreichbare Eingabemaske251 fiir die elektronische Steuererklärung der Drittlandsunternehmer, in welche die Umsätze getrennt nach Verbrauchsmitgliedsstaaten einzugeben sind. Sodann werden automatisch die jeweiligen Steuersätze angezeigt, wobei jedoch die Möglichkeit der manuellen Korrektur besteht. Unklar bleibt nach der Umsetzung durch das StVergAbG auch, inwieweit Drittlandsunternehmer dazu verpflichtet sind, für Besteuerungszeiträume Steuererklärungen abzugeben, in denen keine Umsätze gemäß § 3a Abs. 3a UStG ausgefilhrt werden. Art. 26c Teil B Abs. 5 6. EG-MwSt-Richtlinie n.F sieht auch für diesen Fall der Nichterbringung eine Verpflichtung zur Steuererklärung vor, wohingegen eine entsprechende (ausdrückliche) Regelung im StVergAbG fehlt2 52 • In der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf heißt es jedoch, der Unternehmer habe bei Ausübung des Wahlrechts(§ 18 Abs. 4c UStG n.F.) in jedem Kalendervierteljahr eine Steuererklärung beim Bundesamt für Finanzen abzugeben. Dementsprechend verlangt das Bundesamt für Finanzen für jedes Quartal eine elektronische Steuererklärung 248 249 250 251 252

50

V gl. Art. 6 Nr. 5 StVergAbG, (Fn. 230). V gl. Art. 6 Nr. 3 a StVergAbG, (Fn. 230). Kritisch hierzu auch Widmann, (Fn. 231), S. 12; Nieskens, UR 2003, 313 (326). Http://evat.bff-online.de. Hierzu auch Nieskens, (Fn. 250), S. 325 f. Widmann, (Fn. 231), S. 12, folgert sogar hieraus, daß dementsprechend keine Verpflichtung besteht.

Politische Diskussion und Vorgaben für die Umsatzbesteuerung des E-Commerce

der registrierten Drittlandsunternehme~ 53 , so daß § 18 Abs. 4c UStG n.F. insoweit lediglich unpräzise formuliert ist, ohne eine von den europarechtliehen Vorgaben abweichende Regelung zu bezwecken. Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs der Drittlandsunternehmer hat Art. 6 Nr. 4 b StVergAbG § 18 Abs. 9 UStG um einen neuen Satz 8 ergänzt, der die uneingeschränkte Geltendmachung der im Zusammenhang mit elektronischen Leistungen nach § 3a Abs. 3a UStG n.F. stehenden (deutschen) Vorsteuerbeträge im Vergütungsverfahren gemäß §§59 ff. UStDV vorsieht2 54, soweit die Unternehmer ausschließlich elektronische Leistungen nach § 3a Abs. 3a UStG n.F. im Gemeinschaftsgebiet erbringen und für diese Umsätze von § 18 Abs. 4c UStG n.F. Gebrauch gemacht haben. Die für ausländische Unternehmer geltenden Einschränkungen gemäß § 18 Abs. 9 Satz 6 u. 7 UStG (Stichwort: Gegenseitigkeit und Bezug von Kraftstoffen) gelten damit nicht. Eine Einschränkung hinsichtlich der Vergütung von Vorsteuerbeträgen bestehtjedoch insoweit, als daß die§§ 59 ff. UStDV lediglich die Vergütung inländischer Vorsteuern ermöglichen. Die Einortregistrierung gilt folglich nur für die Ausgangsumsätze der Drittlandsunternehmer, nicht jedoch für deren Geltendmachung von Vorsteuern für Eingangsumsätze 255 . Macht ein Drittlandsunternehmer, der im Inland ausschließlich elektronische Dienstleistungen nach § 3a Abs. 3a UStG n.F. erbringt, nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat von dem besonderen Besteuerungsverfahren Gebrauch, wird er gemäß § 18 Abs. 4d UStG n.F. von der Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen in Deutschland befreit, soweit er die Umsätze in diesem Mitgliedsstaat erklärt und die darauf entfallende Steuer entrichtet256 •

c)

Zusammenfassung

Die Umsetzung der Richtlinienänderung vom 7.5.2002 durch das StVergAbG entspricht den eng gesteckten europäischen Vorgaben. Einzelne Abweichungen beruhen auf sprachlichen Ungenauigkeiten. Die in Anhang L zu Art. 9 Abs. 2 Buchst. e aufgeführten Beispiele für auf elektronischem Wege 253 V gl. http://www.bff-online.de/ust/Sonderregelung_elektronische_Leistungen.html. 254 § 59 UStDV ist entsprechend durch Art. 7 Nr. 2 StVergAbG, (Fn. 230), um eine neue Nr. 4 ergänzt worden, die den Anwendungsbereich des Vorsteuervergütungsverfahrens auf Unternehmer erweitert, die im Inland als Steuerschuldner nur Umsätze im Sinne des§ 3a Abs. 3a UStG n.F. erbracht haben und von dem Wahlrecht nach § 18 Abs. 4c UStG n.F. Gebrauch gemacht haben oder diese Umsätze in einem anderen Mitgliedsstaat erklärt sowie die darauf entfallende Steuer entrichtet haben. 255 So auch Widmann, (Fn. 231 ), S. 12. 256 V gl. Art. 6 Nr. 4 a StVergAbG, (Fn. 230).

51

Grundlegung

erbrachte Dienstleistungen fmden sich in der nationalen Gesetzesbegründung wieder. Einen klarstellenden Hinweis hinsichtlich des anwendbaren Steuersatzes fiir diese Leistungen enthält die Umsetzung ins nationale UStG nicht.

XI.

Ergebnis

Seit mehreren Jahren wird auf internationaler Ebene nach einer Lösung fiir die umsatzsteuerliehen Implikationen des elektronischen Geschäftsverkehrs gesucht. In den grundsätzlichen Punkten besteht dabei Einigkeit zwischen den fiihrenden Gremien der OECD und der EU. So besteht international ein dahingehender Konsens, daß der elektronische Geschäftsverkehr wie der herkömmliche Handel - neutral - besteuert werden soll. Hierzu sollen die vorhandenen Gesetze angepaßt werden; die Einfiihrung neuer, internetspezifischer Steuern wird allgemein abgelehnt. Weiterhin besteht das gemeinsame Bestreben, E-Commerce-Leistungen als sonstige (Dienst)Leistungen am Ort des Verbrauchs zu besteuern. Als vordringliche Probleme haben sich bestehende Wettbewerbsverzerrungen und Kontrolldefizite herauskristallisiert. Trotz dieses breiten Konsens steckt der Teufel bzw. Dissens - wie so oft im Detail. So sind die ersten konkreten Vorschläge der EU-Kommission aus dem Jahre 2000 auf zum Teil harsche Kritik gestoßen. Der Richtlinienvorschlag wurde daraufhin überarbeitet und - als politisch maximal realisierbarer Kompromiß - im Mai 2002 in Form einer fiir drei Jahren geltende Übergangsregelung verabschiedet. Die Diskussion über die umsatzsteuerliehe Handhabung des nach wie vor prosperierenden Phänomens E-Commerce dürfte somit noch (lange?) nicht beendet sein. Die nachfolgenden Kapitel zeigen zunächst die gegenwärtige Rechtslage auf und untersuchen, inwieweit diese im Hinblick auf die dargestellten Vorgaben, insbesondere der Wettbewerbsneutralität, Rechtssicherheit und Effektivität der Besteuerung, zu zutreffenden Ergebnissen fiihrt. Hierbei werden vor allem grenzüberschreitende Sachverhalte analysiert, da regelmäßig gerade diese als Problemfiille bezeichnet werden müssen. Im Anschluß hieran werden alternative Vorschläge fiir die (zukünftige) umsatzsteuerliche Behandlung des elektronischen Geschäftsverkehrs unterbreitet.

52

2. Teil: Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute A.

Steuerbarkeit des E-Commerce I Erfassung vom umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbegriff

Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt ausführt. Oberbegriff fiir diese Steuerobjekte der Umsatzsteuer ist die "Leistung". Der Begriff der Leistung ist weder im UStG noch in der 6. EG-MwSt-Richtlinie definiert. Unter Berücksichtigung des Verbrauchsteuercharakters der Umsatzsteuer ist hierunter ein Konsumguttransfer zu verstehen 1• Trotz im Detail abweichender Formulierungen wird somit nach allgemeiner Auffassung unter Leistung jede willentliche Zuwendung des wirtschaftlichen Vorteils eines konkreten, verkehrsfähigen Wirtschaftsgutes an einen bestimmten Empfänger verstanden, die sich nicht in einer Entgeltentrichtung erschöp:ff. Unter Zugrundelegung dieser Definition ergibt sich - an und für sich unproblematisch - der Schluß, daß auch über das Internet abgewickelte Geschäftsvorgänge unter den umsatzsteuerliehen Leistungsbegriff zu subsumieren sind. Zu Beginn des verstärkten Aufkommens des E-Commerce in den 90er Jahren war dieser Befund indes Gegenstand intensiver Diskussionen, in der phasenweise auch die Einführung internetspezifischer Steuern erwogen wurde 3 • Vorschläge wie die BitTax sind in jüngerer Vergangenheit jedoch nicht mehr ernsthaft diskutiert worden. Mittlerweile entspricht es vielmehr einhelliger Auffassung, daß aufgrund der Erfassung vom umsatzsteuerliehen Leistungsbegriff bereits auf Grundlage der geltenden Steuersysteme eine Umsatzbesteuerung digitaler Transaktionen grundsätzlich mÖglich ist4 • Die Geschäftsvorgänge müssen weiterhin entgeltlich sein. Das Kriterium der Entgeltlichkeit fordert, daß die Leistungen um einer Gegenleistung willen iSe. "do ut des" erbracht werden 5• Ob die Gegenleistung in Geld, einer eigenständigen umsatzsteuerliehen Leistung, der Gewährung eines (sonstigen) Vorteils oder einem (Rechts)Verzicht besteht, ist unerheblich. Erforder1 Giesberts, StuW 1991, 175 (177); Nieskens in: Rau!Dürrwächter, § 3, Anm. 355. 2 Giesberts, (Fn. 1), S. 177; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 355. 3 Vgl. S. 14 ff. 4 Ob diese Leistungen auch im Einzelfall der Umsatzbesteuerungen unterliegen, hängt von den weiteren, nachfolgend erörterten Bedingungen ab. 5 Husmann in: Rau/Dürrwächter, § 1, Anm. 194.

53

Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

lieh ist lediglich, daß ein Leistungsaustausch vorliegt. In Bezug auf den elektronischen Geschäftsverkehr bedeutet dies, daß kostenlose Angebote im Internet wie beispielsweise das Versenden von Gratis-SMS-Nachrichten, das Einrichten einer kostenlosen E-Mail-Adresse oder Hornepage mangels eines Entgeltes nicht der Umsatzsteuer unterliegen, wohingegen die gegenseitige Plazierung von Werbebannern sehr wohl einen umsatzsteuerrelevanten Vorgang darstellen kann6 • Zur Begründung einer Umsatzsteuerbarkeit dieser Leistungen bedarf es überdies einer Leistungserbringung durch einen Unternehmer iSv. § 2 Abs. 1 UStG, der die Leistung im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist, wer nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen selbständig gewerblich oder beruflich tätig ist. Nur wenn es sich bei Anbietern von E-Commerce-Leistungen um Unternehmer in diesem Sinne handelt, können deren Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen. Schließlich ist erforderlich, daß die Leistungserbringung im Rahmen des Unternehmens erfolgt, mithin der Unternehmerischen Sphäre des Leistungserbringers zugeordnet werden kann7 • Soweit in den nachfolgenden Ausführungen Leistungen als "unternehmerisch" bezeichnet werden bzw. von Vorgängen "B2B"8 oder "B2C"9 gesprochen wird, sind hiermit Unternehmer als Leistungserbringer gemeint, die die vorbezeichneten Voraussetzungen (unterstellt) erfüllen. Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß entgeltliche Leistungen eines Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr der Umsatzbesteuerung unterliegen können. Eine Umsatzsteuerbarkeit setzt jedoch weiterhin voraus, daß die Leistungen im Inland iSv. § 1 Abs. 2 UStG erbracht werden. Die Bestimmung des Leistungsortes hängt wiederum maßgeblich davon ab, ob es sich um eine Lieferung oder sonstige Leistung handelt. Ob im Einzelfall eine Steuerbarkeit und Umsatzsteuerpflicht besteht, hängt demnach von weiteren, nachfolgend zu untersuchenden Voraussetzungen ab.

6 7 8 9

54

Vgl. zu dieser Problematik S. 89 ff. V gl. hierzu ausführlich Husmann in: Rau/Dürrwächter, § I, Anm. 175 ff. (Fn. 143 aufS. 31); dt. (Umsatz) Unternehmer an Unternehmer. (Fn. 143 aufS. 31); dt. (Umsatz) Unternehmer an Verbraucher.

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

B.

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen: "Lieferung" oder "sonstige Leistung"?

Nachdem im ersten Schritt festgestellt wurde, daß E-Commerce-Leistungen umsatzsteuerbare Leistungen darstellen können, ist nunmehr zu untersuchen, unter welche Art von Leistungen diese Geschäftsvorgänge fallen. Diese Frage ist nicht nur von akademischer Natur, sondern von entscheidender Bedeutung fiir die Bestimmung des Leistungsortes, da diesbezüglich in§§ 3, 3a UStG unterschiedliche Regelungen statuiert sind 10 • Die 6. EG-MwSt-Richtlinie differenziert hinsichtlich der Leistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegenden, zwischen "Lieferungen von Gegenständen" und "Dienstleistungen", Art. 2 Nr. 1 6. EG-MwSt-Richtlinie. Das deutsche UStG weicht in sprachlicher Hinsicht von diesen Termini ab und verwendet die Begriffe "Lieferung" und "sonstige Leistung", wobei hierin jedoch nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers keine inhaltliche Abweichung gesehen wird 11 und im übrigen aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechtes auch nicht liegen darf12 •

I.

Begriff der Lieferung, § 3 Abs. 1 UStG

Der Begriff der Lieferung ist in § 3 Abs. 1 UStG definiert. Hiernach sind Lieferungen Leistungen eines Unternehmers, durch die der Abnehmer befähigt wird, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfUgen. Im Klammerzusatz wird dieser Vorgang als "Verschaffung der Verfiigungsmacht" bezeichnet. Der Lieferungsbegriff ist ein dem Umsatzsteuerrecht eigentümlicher Begriff mit selbständigem Inhalt, der nach Sinn und Zweck

I 0 Die Unterscheidung ist partiell historisch bedingt. Das Warenumsatzstempelgesetz vom 26.6.1916, RGBI. 1916, 639, umfaßte lediglich Lieferungen, wohingegen die Besteuerung von sonstigen gewerblichen/beruflichen Leistungen erst durch das UStG 1918 vom 26.7.1918, RGBI. 1918, 775, eingefiihrt wurde. Weiterhin gebieten sachliche Gründe eine Differenzierung, da in praktischer Hinsicht Schwierigkeiten bestehen, eine einheitliche Regelung zur Bestimmung des Leistungsortes, der Nachweise fiir etwaige Steuerbefreiungen usw. zu finden. V gl. hierzu insgesamt Nieskens in: Rau!Dürrwächter, § 3, Anm. 286 f. II Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Dt. Bundestages v. 30.3.1967, BTDrucks. V/1581. 12 Vgl. S. 10 ff.

55

Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

des Umsatzsteuerrechts auszulegen ist13 • Im Rahmen dieser Auslegung sind die Vorgaben der 6. EG-MwSt-Richtlinie zu beachten 14 • 1.

Erfordernis eines körperlichen Gegenstandes

Gemäß § 3 Abs. 1 UStG können lediglich Gegenstände geliefert werden. Anders als das bürgerliche Recht, das den "Gegenstand" als Oberbegriff fUr Sachen und Rechte verwendet15 , umfaßt der umsatzsteuerliche Lieferungsbegriff grundsätzlich nur körperliche Gegenstände, mithin Sachen iSv. § 90 BGB. Das Erfordernis eines körperlichen Gegenstandes ergibt sich zum einen ausdrücklich aus Art. 5 Abs. 1 6. EG-MwSt-Richtlinie, ist jedoch auch dem deutschen UStG immanent. Verstünde man den Begriff des Gegenstandes im bürgerlich-rechtlichen Sinne, wären sämtliche Vorschriften bezüglich der sonstigen Leistungen im UStG obsolet, da diese Leistungen in Gestalt von Dienstleistungen, Personal- und Sachgestellungen sowie der Übertragung immaterieller Rechte stets Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts betreffen16 • Die Gesamtkonzeption des UStG mit der Differenzierung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen wäre ohne Sinn, da unter Zugrundelegung des zivilrechtliehen Gegenstandsbegriffes sämtliche Leistungen als Lieferungen zu qualifizieren wären 17 • Neben den körperlichen Gegenständen werden jedoch ausnahmsweise auch unkörperliche Leistungen erfaßt. In der 6. EG-MwSt-Richtlinie sind diese Ausnahmefälle in Art. 5 Abs. 2 aufgeftlhrt, nach dem Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und ähnliche Sachen als Gegenstand gelten und damit "lieferungsfähig" sind. Diese Ausnahmevorschrift ist nicht expressis verbis in das deutsche UStG übernommen worden. Jedoch bestehen auch nach allgemeiner nationaler Auffassung 18 Ausnahmen von dem Erfordernis eines körperlichen Gegenstandes als Voraussetzung fUr eine Lieferung. Handelt es sich um immaterielle Wirtschaftsgüter, die im Rechtsverkehr wie Sachen umgesetzt werden, sollen diese Wirtschaftsgüter ebenfalls vom Lieferbegriff

13 14 15 16

Vgl. BFH v. 18.5.1956, BStBI. 111 1956, 198. Martin in: Sölch/Ringleb, § 3, Rz. 24 u. 41 f. Heinrichs in: Palandt, Überbl. v. § 90, Rdn. 2. Martin in: Sölch/Ringleb, § 3, Rz. 45; mit weiterer historischer Interpretation Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 531 f.

17 BFH v. 16.7.1970, BStBI. n 1970, 706. 18 Vgl. Georgy in: Plückebaum/Malitzky, § 3 Abs. 1, Rz. 21; Martin in: Sölch/Ringleb, § 3, Rz. 46; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 533 f.; Abschn. 24 Abs. I S. 2 UStR.

56

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

umfaßt sein 19 • Ob und inwieweit die ungeschriebene Ausnahmeregelung im deutschen UStG mit den nominierten Vorgaben der 6. EG-MwSt-Richtlinie übereinstimmt, wird noch zu untersuchen sein20 •

2.

Verschaffung der Verfügungsmacht

An den Gegenständen im vorbezeichneten umsatzsteuerrechtlichen Sinne muß der leistende Unternehmer dem Abnehmer Verfiiguri.gsmacht verschaffen. Die alleinige Übertragung des Rechtes, über den Gegenstand verfUgen zu können, genügt insoweit nichf 1, vielmehr bedarf es des endgültigen Übergangs der wirtschaftlichen Substanz des Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsemprange~2 • Ein derartiger Übergang von Wert, Substanz und Ertrag eines Gegenstandes liegt regelmäßig dann vor, wenn Eigentum gemäß §§ 929 ff. BGB übertragen wird23 • Die wirtschaftliche Substanz an einem Gegenstand kann jedoch auch ohne Eigentumsübertragung auf den Leistungsempranger übergehen. Sofern beispielsweise Leasinggüter dem Leasingnehmer ertragsteuerlich zuzurechnen sind, stellt die Überlassung der Leasinggüter eine Lieferung d~4 •

II.

Komplementärbegriff der sonstigen Leistung, § 3 Abs. 9 UStG

Sonstige Leistungen werden gemäß § 3 Abs. 9 UStG als Leistungen definiert, die keine Lieferungen sind. Die 6. EG-MwSt-Richtlinie verwendet dahingegen den Begriff der Dienstleistung, der in Art. 6 Abs. 1 S. 1 wiederum als Leistung definiert wird, die keine Lieferung ist. Eine beispielhafte Konkretisierung, wie sie in Art. 6 Abs. 1 S. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie erfolgt, fehlt dem UStG dahingegen. Trotz der unterschiedlichen Begriftlichkeiten ergeben sich inhaltlich jedoch keine Abweichungen. Umfaßt werden nach beiden Definitionen sämtliche Leistungen mit Ausnahme derjenigen, bei denen dem Leistungsempranger ein Gegenstand zugewendet wird. Die sonstigen Leistungen bzw. Dienstleistungen sind daher positiv durch den Leistungsbegriff bestimmt und werden negativ von den Lieferungen abge19 So bereits RFH v. 24.6.1938, RStBI. 1938, 766; fortgefiihrt vom BFH in st. Rechtsprechung, z.B. BFH v. 31.1.1957, BStBI. III 1957, 93, BFH v. 16.7.1970, BStBI. li 1970,706, BFH v. 21.12.1988, BStBI. li 1989,430. 20 Vgl. S. 71 ff. 21 BFH v. 29.9.1987, BStBI. li 1988, 153. 22 Martin in: Sö1ch!Ringleb, § 3, Rz. 70; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Amn. 640; Abschn. 24 Abs. 2 S. 1 UStR. 23 Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Amn. 670 f. 24 Martin in: Sölch!Ringleb, § 3, Rz. 79 ff.

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Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

grenzt. Aufgrund des umfassenden Leistungsbegriffes 25 lassen sich die konkreten Arten der sonstigen Leistung nicht abschließend festlegen 26 . Zumeist handelt es sich jedoch um Dienstleistungen im allgemeinen Sinne, Nutzungsüberlassungen oder um die Übertragung und Einräumung von Rechten27.

111.

Abgrenzungsgrundsätze

Die Unterscheidung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung erscheint auf den ersten Blick relativ unproblematisch: Wird dem Leistungsempfänger der Substanzwert eines Gegenstandes zugewendet, handelt es sich um eine Lieferung, anderenfalls um eine sonstige Leistung. Oftmals bestehen jedoch komplexere Leistungsbeziehungen, die über die ausschließliche Zuwendung eines Gegenstandes bzw. alleinige Rechtsübertragung hinausgehen und sowohl Elemente einer Lieferung, als auch einer sonstigen Leistung enthalten. Zur Veranschaulichung dieser Problematik soll der typische Vollzug eines Kaufvertrages gemäß § 929 BGB dienen 28 : Der Verkäufer verschafft dem Käufer durch Übergabe der Sache sowohl Verfügungsmacht an dem Kaufgegenstand als auch durch Übertragung das Eigentumsrecht hieran. In Fällen wie diesem, in denen eine einheitliche Leistung Elemente beider Leistungsarten enthält, ist die Zuordnung danach vorzunehmen, welche Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragspartner und der Verkehrsauffassung den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bestimmen29. Wird die Gegenleistung in erster Linie des Sacherwerbs wegen erbracht, ist die Leistung als Lieferung zu qualifizieren, steht dahingegen der Rechtserwerb im Vordergrund, handelt es sich um eine sonstige Leistung. Im Fall des Warenkaufes gibt regelmäßig der Sacherwerb, der den Rechtserwerb absorbiert, dem Leistungsaustausch das wirtschaftliche Gepräge, so

25 Vgl. S. 53 f. 26 Giesberts in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 594. 27 Vgl. Georgy in: Plückebaurn!Malitzky, § 3 Abs. I, Rz. 60; Abschn. 24 Abs. 3 S. 2 UStR. 28 Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, also der Kaufvertrag iSv. § 433 BGB selbst, löst für sich genommen keine umsatzsteuerliehen Konsequenzen in Form einer Umsatzsteuerpflicht aus, da nicht die Begründung von rechtlichen Verpflichtungen, sondern deren Erfüllung besteuert wird, vgl. Tipke/Lang, § 14, Rz. 40. 29 BFH v. 25.11.1976, BStBI. II 1977, 270; zur Abgrenzung bei Photokopien BFH v. 26.9.1991, BStBI. II 1992, 313 und BFH v. 19.12.1991, BStBI. II 1992, 449; Abschn. 25 Abs. I S. I UStR; Georgy in: Plückebaum!Malitzky, § 3 Abs. I, Rz. 61; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 576 f.

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Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

daß es sich aus umsatzsteuerlicher Sicht um eine Lieferung handelt30 • Wird dahingegen ein Gegenstand lediglich als Verkörperung der geschuldeten geistigen Leistung übertragen, wie dies beispielsweise bei Konstruktionszeichnungen eines Ingenieurs der Fall ist, der seinem Auftraggeber auch Verfiigungsmacht an dem Papier verschafft, liegt der wirtschaftliche Gehalt vorrangig in der geistigen Leistung, so daß der Vorgang als sonstige Leistung zu qualifizieren istl 1•

IV.

Einordnung der Offline-Umsätze

Offline-Umsätze sind dadurch gekennzeichnet, daß das Internet lediglich zur Vertragsanbahnung genutzt wird, die eigentliche Leistungserbringung jedoch auf herkömmlichen Weg erfolgt32 • Als Offline-Leistungen kommen sowohl Lieferungen als auch sonstige Leistungen in Betracht, da der Leistungsinhalt unabhängig von dem entscheidenden Charakteristikum der Offline-Umsätze- Erbringung auftraditionellem Weg- zu beurteilen ist33 • Die Qualifizierung der Offline-Umsätze als Lieferung oder sonstige Leistung erfolgt somit nach den vorgenannten Grundsätzen. Ist der wirtschaftliche Gehalt des Leistungsaustausches maßgeblich durch die Verschaffung der Verfiigungsmacht an einem Gegenstand bestimmt, handelt es sich um eine Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG. Steht dahingegen eine geistige (Dienst) Leistung im Vordergrund, ist der Vorgang den sonstigen Leistungen iSv. § 3 Abs. 9 UStG zuzuordnen. Für den (momentan) wirtschaftlich bedeutendsten Teil des E-Commerce34 gelten somit aus umsatzsteuerlicher Sicht keine Besonderheiten. 1.

Typische Erscheinungsformen

Die Einordnung der Offline-Umsätze wird nachfolgend anhand einiger typischer Erscheinungsformen beispielhaft dargestellt. Es werden dabei allgemeingültige Qualifikationen dieser Kategorie des elektronischen Geschäftsverkehrs erarbeitet. 30 Georgy in: Plückebaum!Malitzky, § 3 Abs. 1, Rz. 61; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 576. 31 Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 578; Martin in: Sölch/Ringleb, § 3, Rz. 52. 32 Vgl. zum Wesen der Offline-Umsätze S. 6 f. 33 Aus diesem Grunde stellen nach hier vertretener Auffassung die sog. abgeleiteten bzw. unechten Umsätze auch keine eigenständige Fallgruppe dar. Es handelt sich vielmehr um "normale" Offline-Umsätze. Vgl. hierzu ausführlich S. 6 f. 34 Detaillierte Statistiken zum E-Commerce, z.B. von Nielsen!Netratings, sind im Internet unter http://www.ihk-newsletter.de/it-kennzahlen und http://www.nielsennetratings.com abrutbar.

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Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

a)

Buchbestellung über das Internet3 5 Ein Kunde bestellt über das Internet bei einem OnlineBuchhändler das Buch "Internet für Juristen", welches ihm 2 Tage darauf per Post zugesandt wird.

Die umsatzsteuerliche Zuordnung dieses Vorgangs scheint banal, es handelt sich unstreitig um eine Lieferung. Zur Erzielung dieses "eindeutigen" Ergebnisses bedarf es indes einer umfangreicheren Würdigung. Der Umstand, daß der Kunde Verfügungsmacht an dem körperlichen Buch erhält, ist - allein betrachtet - als Begründung für die Annahme einer Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG nicht tragfähig. So läßt sich nämlich durchaus der Standpunkt vertreten, das vorrangige Leistungsinteresse des Kunden sei nicht auf das körperliche Buch gerichtet, um es in den Händen halten zu können oder (dekorativ/repräsentativ) ins Bücherregal einzureihen, sondern vielmehr auf den geistigen Inhalt des Buches, auf das Wissen, welches durch Lesen des Werkes vermittelt wird. Bei dieser Betrachtungsweise spricht viel für die Einordnung der Leistung als sonstige Leistung iSv. § 3 Abs. 9 UStG. Die im Ergebnis unstrittige Qualifizierung als Lieferung ergibt sich mithin erst aus folgender Überlegung: Entscheidend für die umsatzsteuerliche Einordnung ist der Umstand, daß es sich bei dem Buch um eine Ware handelt, die im Wirtschaftsverkehr wie ein Gegenstand umgesetzt und damit geliefert wird. Ursprünglich handelte es sich bei dem Manuskript des Buches um eine geistige und damit sonstige Leistung36 • Im Vordergrund dieser Leistungsbeziehung steht das schöpferische, geistige Werk des Autors, der somit unabhängig von der insofern unselbständigen Nebenlieferung eine sonstige Leistung gegenüber dem Verlag erbringt. Wird jedoch das Ergebnis dieser geistigen Leistung vervielfältigt und (massenweise) reproduziert, wird auf der nächsten Umsatzstufe aus der ehemals geistigen Leistung eine Ware, ein Wirtschaftsgut, das nach der Verkehrsauffassung wie ein Gegenstand geliefert wird. Der Online-Buchhändler erbringt gegenüber dem Kunden, von logisti35 Exemplarisch wird hier die Bestellung eines Buches gewählt. Die nachstehenden umsatzsteuerliehen Konsequenzen ändern sich indes nicht, wenn anstelle des Buches eine Zeitschrift o.ä. bestellt wird. 36 Daran würde sich im übrigen nichts ändern, wenn in Ergänzung zum vorgenannten Beispiel der Autor des Buches "Internet ftir Juristen" sein Manuskript auf einer Online-Auktion versteigern und anschließend dem meistbietenden Verlag das Manuskript in körperlicher, gedruckter Form überlassen würde. Unabhängig von der Form der Übermittlung des Manuskriptes stellt dieser Übertragungsvorgang lediglich eine untergeordnete Hilfsfunktion dar, die auf die umsatzsteuerliche Qualifikation der Leistung keinen Einfluß haben kann. Vgl. hierzu S. 86 ff.

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Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

sehen Nebenleistungen einmal abgesehen, keine geistige Leistung, sondern verschafft ihm vielmehr die Verfügungsmacht an der Ware ,,Buch". Hierauf ist im Leistungsverhältnis zwischen Buchhändler und Kunde das vorrangige wirtschaftliche Interesse gerichtet, hierfür entrichtet der Kunde das Entgelt. Obwohl es sich bei dem Inhalt des Buches zweifelsfrei um eine geistige Leistung handelt, liefert der Online-Buchhändler dem Kunden dieses Buch. Im Ergebnis läßt sich somit - unverändert - festhalten, daß es sich hier um eine Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG handelt, nur erschließt sich dessen Begründung erst bei eingehenderer Betrachtung37 •

b)

Warenbestellung bei einem Versandhandel Eine Kundin durchstöbert den bebilderten Internet-Katalog des ,,Paul-Versands" nach Sommermoden. Nachdem sie fündig geworden ist "legt" sie ein Kleid für 75 € in ihren "Warenkorb" und bestellt dieses sodann. Das Kleid wird ihr 3 Tage später mit beiliegender Rechnung zugesandt.

Die ,,Besonderheit" dieses Beispiels liegt darin, daß in Abweichung vom herkömmlichen Versandhandel die Auswahl und Bestellung der Ware nicht anhand eines gedruckten Kataloges/Bestellscheines, sondern in virtueller Form über das Internet erfolgt. Der eigentliche Leistungsaustausch zwischen dem ,,Paul-Versand" und der Kundin findet jedoch außerhalb des Internets statt, da Leistungsgegenstand das Kleid ist. Dieses wird der Kundin zugesandt und somit daran Verfügungsmacht verschafft. Es handelt sich deshalb wie im traditionellen Versandhandel um die Lieferung eines körperlichen Gegenstandes. Macht die Kundin von einem ihr eingeräumten oder gesetzlichen Rückgaberecht38 Gebrauch, liegt hierin eine Rückgängigmachung der Lieferung3 9 • Die gleiche umsatzsteuerliche Folge tritt ein, wenn sie vom Vertrag zurücktritt40 oder der Vertrag angefochten41 und rückabgewickelt wird42 • In diesen Fällen gibt es, unabhängig davon, ob die Bestellung über 37 Vgl. zur Begründung der "Buchlieferung": Martin in: Sölch!Ringleb, § 3, Rz. 51; Nieskens in: Rau!Dürrwächter, § 3, Anm. 579. 38 Vgl. §§ 312d, 355 ff. BGB. Zu den umsatzsteuerlichenAuswirkungen des Fernabsatzgesetzes insgesamt z.B. Gorris/Schmittmann, BB 2001, 2345. 39 Husmann in: Rau/Dürrwächter, § I, Anm. 162; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 430 Stichwort: Rückgängigmachung der Leistung. 40 Vgl. §§ 437 Nr. 2, 440,323 BGB. 41 Vgl. § 142 BGB. 42 Husmann in: Rau/Dürrwächter, § 1, Anm. 162; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 430 Stichwort: Rückgängigmachung der Leistung.

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Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

das Internet, telefonisch oder per Bestellschein erfolgte, gar keinen Umsatz, der der Besteuerung unterliegen könnte43 • Von Rückgabefällen abgesehen handelt es sich jedoch stets um eine Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG.

c)

Online-Bestellung von Eintritts-/Konzertkarten Der 17-jährige J bestellt mit Einverständnis seiner Eltern auf der Hornepage eines Konzertveranstalters eine Eintrittskarte für ein Konzert seiner Lieblings-Band. Die Abrechnung erfolgt über die Kreditkarte seines Vaters. Eine Woche später erhält J die Konzertkarte per Express-Lieferung zugesandt.

Obwohl J Verfilgungsmacht an der Eintrittskarte verschafft wird, handelt es sich bei dieser Leistung nicht um eine Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG. Grund hierfür ist, daß das vorrangige Leistungsinteresse nicht auf die gegenständliche Karte, sondern vielmehr auf die Leistung ,,Konzertbesuch" gerichtet ist. Als Inhaberpapier44 hat die Konzertkarte lediglich die Funktion; die Berechtigung zur Entgegennahme dieser Leistung zu verkörpern. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht ist diese Hilfsfunktion irrelevant, es liegt diesbezüglich keine Leistung und insbesondere keine Lieferung vor45 • Bei der Leistung "Konzertbesuch" handelt es sich um eine kulturelle und damit sonstige Leistung, die erst im Zeitpunkt des Konzertes selbst erbracht wird46 • Der Leistungsaustausch fmdet folglich außerhalb des Internets statt, weswegen sich hinsichtlich der Qualifikation als sonstige Leistung keine Abweichungen zum herkömmlichen "Ticketverkauf' ergeben. Eine hiervon abweichende Einordnung als Lieferung aufgrund des Umstandes, daß es sich bei der Leistung ,,Konzertbesuch" um einen "Massenartikel" bzw. um eine "Massenveranstaltung" handelt, kommt anders als im Fall der Buchlieferung deswegen nicht in Betracht, weil es sich beim Konzertbesuch nicht um die 43 Hat der leistende Unternehmer bereits den "geschuldeten" Umsatzsteuerbetrag abgeführt, hat gemäß §§ 17 Abs. 2 Nr. 3 iVm. Abs. I UStG eine Berichtigung zu erfolgen. Neben weiteren Gründen ist aufgrund dieser Möglichkeit der Rückgängigmachung einer Leistung auch die Erhebung der Umsatzsteuer als Quellensteuer abzulehnen; vgl. hierzu S. 17 ff. 44 ISv. § 807 BGB. 45 Vgl. Martin in: Sölch/Ringleb, § 3, Rz. 58. 46 Bei der Zahlung per Kreditkarte handelt es sich insofern um eine Entgeltvereinnahmung vor Leistungsausffihrung iSv. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG, so daß die USt mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes der Entgeltvereinnahmung entsteht.

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Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

(Massen-)Vervielniltigung des Ergebnisses einer sonstigen Leistung handelt, sondern um die kulturelle Leistung selbst. Anders zu beurteilen wäre dahingegen der Fall, wenn der Veranstalter Live-Mitschnitte des Konzertes in Form von Videobändern o.ä. veräußern würde47 • Eine derartige Leistung würde als (Massen-)Verwertung des Ergebnisses einer kulturellen, sonstigen Leistung eine Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG darstellen. Der Konzertveranstalter erbringt mit seinen über das Internet angebotenen Eintrittskarten sonstige Leistungen iSv. § 3 Abs. 9 UStG.

d)

Reisebuchung über das Internet Ein Ehepaar bucht auf der Internetseite des Reiseveranstalters "HUl" eine zweiwöchige Mittelmeerkreuzfahrt. Sämtliche Reiseunterlagen nebst Rechnung werden dem Ehepaar per Post zugeschickt, welches die Kreuzfahrt 3 Monate später antritt.

Wie in den vorgenannten Beispielen erfolgt die eigentliche Leistungserbringung - hier die Reise in ihrer Gesamtheit - außerhalb des Internets. Die Hornepage des Reiseveranstalters dient ausschließlich der Vertragsanbahnung, weswegen es sich umsatzsteuerrechtlich um den "klassischen" Fall einer Reiseleistung und damit einer sonstigen (Dienst)Leistung handelt48 •

2.

Streitpunkt Software

Seit einigen Jahren gibt es kaum noch einen Lebensbereich, in dem keine Computer eingesetzt werden. Fanden Computer zunächst überwiegend in der Forschung, im militärischen Bereich oder in industriellen Großunternehmen Einsatz, gehören diese heutzutage in den meisten Branchen und Berufszweigen zum alltäglichen Arbeitsplatz. Darüber hinaus haben die sog. Personal-Computer (PCs) nicht zuletzt aufgrund der enormen Preissenkungen in den letzten Jahren Einzug in viele Privathaushalte gehalten. Mit der Verbreiterung dieser technischen Geräte einhergehend ist der Bedarf an den Computerprogrammen (Software) gestiegen, die zum Betrieb der Computer erforderlich ist. Anhand des Beispiels von Bill Gates und dem durch ihn gegründeten Unternehmen "Microsoft" mag deutlich werden, welch wirtschaftliche Bedeutung die Entwicklung und der Verkauf von Software erreicht hat. Aus diesem Grunde nimmt auch die Besteuerung des Software47 Vgl. hierzu auch S. 111 ff. 48 § 25 Abs. I S. 2 UStG.

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Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

handels eine besondere Stellung ein. Dies nicht nur im Hinblick auf die Vielzahl der Umsätze in der Praxis und dem damit verbundenen Umsatzsteueraufkommen, sondern auch hinsichtlich der Diskussion um die zutreffende Umsatzbesteuerung dieser Programme.

a)

Definition und Erscheinungsformen

Eine umsatzsteuerliche Einordnung des Handels mit Software bedarf zunächst einer Definition dieses Begriffes. Eine verbindliche, einheitliche Begriffsbestimmung existiert zwar nicht, jedoch wird mehrheitlich unter Software die Gesamtheit der zum Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage eingesetzten Programme verstanden49 • Innerhalb dieser weit gefaßten Definition wird sodann zwischen Systemsoftware und Anwendungssoftware unterschieden. Zum Bereich der Systemsoftware gehören diejenigen maschinenorientierten Programme, durch die eine Datenverarbeitungsanlage erst funktionsfähig wird 50 • Im Bereich der Computer sind dies die Betriebssysteme wie "Windows XP", "Linux" o.a. Dahingegen werden die übrigen Programme, die auf ein vorhandenes Betriebssystem aufbauen bzw. eine funktionsfähige EDV-Anlage voraussetzen und zur Aufgabenbewältigung/Problemlösung eingesetzt werden, als Anwendersoftware bezeichnet51 • Hierunter fallen Text- und Datenverarbeitungsprogramme wie "MS Word" oder "Excel", Datensammlungen (auch Datenbänke genannt 52 ) wie Lexika, Rechtsprechungssammlungen oder "Telefonbücher" und sog. Trivialprogramme wie Computerspiele53 •

b)

Differenzierung der Erscheinungsformen für umsatzsteuerliche Zwecke

Für umsatzsteuerliche Zwecke wird zwischen Standardsoftware und Individualsoftware unterschieden 54 • Als Standardsoftware werden serienmäßig hergestellte Programme bezeichnet, die fiir eine Vielzahl von Anwendern zur Bewältigung gleichartiger

Löffler, UR 2000, 98 m.w.N.; Korfin: Steuern und Electronic Commerce, S. 263 f. Lüdemann, UR 2000, 497. Lüdemann, (Fn. 50), S. 497; Löffler, (Fn. 49), S. 99 m.w.N. Eingehend zur Differenzierung zwischen "Programmen" und "Daten" und dem gemeinsamen Oberbegriff "Software": de Weerth, IStR 1996, 257 (258). 53 BFH v. 3.7.1987, BStBI. II 1987, 728 (732); OFD München, Vfg. v. 28.5.1998, S 2303 -34/11 St 41/42, DB 1998, 1307. 54 BFH v. 24.8.2000, BFHINV 2001, 213; BFH v. 13.3.1997, VB 120/96, UR 1997, 157; BFH v. 13.3.1997, V R 13/96, UR 1997, 229; Abschn. 25 Abs. 2 Nr. 7 UStR; Lüdemann, (Fn. 50), S. 497; Löffler, (Fn. 49), S. 99.

49 50 51 52

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Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

Probleme bestimmt sind55. In die Kategorie Standardsoftware fallen somit sämtliche "gängigen" Computerprogramme wie das "Microsoft OfficePaket", die Internetprogramme (Browser) "Internet Explorer" und "Netscape Navigator", Computerspiele wie "Moorhuhn" und viele weitere Programme, da diese Programme serienmäßig fiir einen breiten Markt hergestellt und von diesem genutzt werden. Jedoch werden nicht nur diese "reinen" Standardprogramme erfaßt, sondern auch diejenigen Programme, die mehrere "Module" oder "Bausteine" enthalten und je nach Wünschen des Kunden zusammengesetzt werden 56 . Veranschaulicht werden kann diese Art von Software anband der im kommerziellen Bereich weit verbreiteten SAPProgramme57, die je nach Branche und Bedarf des Kunden aus einer Vielzahl von vorgefertigten Modulen besteht. So kann der Kunde beispielsweise bestimmen, ob "sein" Programm neben dem Modul "Finanzbuchhaltung" auch eine weitere Einheit "Materialwirtschaft", "Kostenrechnung" oder "Personalwesen" enthalten soll. Es handelt sich hierbei jedoch stets um "Lösungen von der Stange", weswegen "SAP-Software" als Standardsaftware einzuordnen ist. Wird das Computerprogramm dahingegen :fiir den speziellen Bedarf eines konkreten Allwenders erstellt, handelt es sich um sog. Individualsoftware58 . Hierunter fällt auch die Anpassung einer bereits vorhandenen Software an die individuellen Bedürfnisse eines Anwenders 59 . Unter den Begriff Individualsoftware fallen somit "Auftragsarbeiten" (regelmäßig) iSe. Werkvertra55 Lüdemann, (Fn. 50), S. 497; Löffler, (Fn. 49), S. 99 m.w.N. Die dt. Finanzverwaltung (zuerst FinMin. Brandenburg v. 21.10.1994, 31- S 7100- 12/94, DB 1994, 2267) verwendet - vermutlich in Anlehnung an eine Empfehlung des Mehrwertsteuer-Ausschusses der EU-Kommission, Dok. XXI/1600/90 add.2-DE (so auch Georgy in: Plückebaum!Malitzky, § 3 Abs. 1, Rz. 77; Korfin: Steuern und Electronic Commerce, S. 265) - die folgende Definition: "Standardsoftware sind serienmäßig hergestellte Gegenstände, die von jedem beliebigen Käufer erworben und nach ihrem Aufbau und begrenzter Ausbildung in Standardform verwendet werden können, um gleiche Anwendungen oder Aufgaben auszuführen. Sie bestehen aus einer kohärenten und unabhängigen Serie von Programmen und Datenträgermaterial und schließen oft die Dienstleistungen des Aufbaus, der Ausbildung und der Wartung mit ein." Zurecht kritisch zu dieser ftir die Praxis wenig griffigen Definition: Korf in: Steuern und Electronic Commerce, S. 266 ff. 56 Vgl. FinMin. Brandenburg, (Fn. 55): "Standardsoftware liegt auch dann vor, wenn die Software auf einen bestimmten Anwender-/Benutzerkreis zugeschnitten ist". 57 SAP ist die Kurzform der Firma Systeme Anwendungen Produkte der Datenverarbeitung. 58 Vereinzelt auch als "nicht standardisierte Software" bezeichnet; vgl. Georgy in: Plückebaum!Malitzky, § 3 Abs. 1, Rz. 77/1. 59 Abschn. 25 Abs. 2 Nr. 7 S. 1 UStR; Löffler, (Fn. 49), S. 99.

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Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

ges (§ 631 BGB)60 zwischen Programmierer und Anwender. Beauftragt beispielsweise ein Rechtsanwalt einen Informatikstudenten mit der Erstellung eines Computerprogramms zur Automatisierung seines Mahnwesens und Ausdruck von Anträgen auf Erlaß eines Mahnbescheides, handelt es sich um konkret auf die Bedürfuisse des Rechtsanwaltes zugeschnittene Software, mithin um Individualsoftware61 . Diese Einordnung als Individualsoftware erfolgt ebenfalls, wenn der Informatikstudent "lediglich" die beim Rechtsanwalt vorhandenen Computerprogramme "MS Word" und "Excel" mittels eines selbst programmierten Makros62 verknüpft und hierdurch das gewünschte Ergebnis erzielt.

c)

Qualifikation als "Lieferung" oder "sonstige Leistung"

Im Rahmen eines Offline-Umsatzes wird Software auf einem Datenträger, also beispielsweise auf einer Compact Disk (CD) oder einer Diskette überlassen63. Die Bestellung erfolgt jedoch im Gegensatz zum herkömmlichen Handel über das Internet. Die Frage, ob es sich bei der Überlassung von Software auf einem Datenträger umsatzsteuerrechtlich um eine Lieferung oder sonstige Leistung handelt, ist seit Anbeginn des vermehrten Aufkommens dieser Computerprogramme umstritten64 • Auch die Neuerungen in Art. 9 Buchst. e 6. EG-MwSt-Richtlinie bzw. § 3aAbs. 4 Nr. 14 UStG n.F.lösen die Problematik nicht, da diese Regelungen lediglich Bestimmungen für elektronisch erbrachte Leistungen, nichtjedoch für Offline-Umsätze enthalten65 . Die Entscheidung dieses Meinungsstreites ist insbesondere für die Bestimmung des Leistungsortes bei grenzüberschreitender Softwareüberlassung von Bedeutung. Vor dem Hintergrund, daß durch die Umsatzsteuer im wirtschaftlichen Ergebnis die nichtuntemehmerische Vermögensverwendung besteuert werden und diese Besteuerung - soweit es die Sicherung des Steueranspruches zuläßt - am Ort des Verbrauchs stattfinden soll, sind daher bei 60 Löffler, (Fn. 49), S. 100 m.w.N. 61 Ein derartiger Zuschnitt auf einen konkreten Anwender fehlt bei der SAP-Software, weswegen diesbezüglich eine Einordnung als Individualsoftware ausscheidet. 62 Als Makro werden Befehlsketten im Sinne kleinerer Programmabläufe (und damit Software) bezeichnet, die mittels einer speziellen Programmiersprache, z.B. "Visual Basic", zur Bewältigung wiederkehrender Aufgaben erstellt werden. 63 Beim Kauf eines neuen Computers ist mitunter die Software schon "vorinstalliert". In diesem Fall befindet sich die Software bereits auf der Festplatte des PCs. 64 Darstellung des Meinungsstandes z.B. bei Nowak, INF 1995, 449; Georgy in: Plückebaum/Malitzky, § 3 Abs. 1 Rz. 77; Lüdemann, (Fn. 50), S. 497. 65 Vgl. bereits S. 33.

66

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

der Einordnung dieser Umsätze als Lieferung oder sonstige Leistung auch die Konsequenzen dieser Qualifizierung auf die Leistungsortbestimmung mit zu berücksichtigen. Eine vorrangig ergebnisorientierte Auslegung darf diesbezüglich selbstverständlich nicht erfolgen. Soweit eine eindeutige Zuordnung der Softwareüberlassung anhand des geltenden Umsatzsteuerrechts möglich ist, sind dadurch bedingte "unerwünschte" Leistungsorte im Sinne einer Nicht- oder Doppelbesteuerung als de lege lata gegeben zu akzeptieren. In diesem Fall kann eine (gesicherte) Besteuerung am Verbrauchsoft nur im Wege einer neuerlichen Gesetzesänderung erreicht werden. Die nachstehende Übersicht faßt (vorab 66) die Konsequenzen der jeweiligen Einordnung als Lieferung bzw. sonstige Leistung hinsichtlich der Leistungsortbestimmung zusammen.

66 Vgl. ausführlich zur Bestimmung des Leistungsortes S. 97 ff.

67

Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

Leistungsorte bei Einordnung von Software als Lieferung67 bzw. sonstige Leistung68

I::S:

Unternehmer mit Sitz im Inland

Unternehmer mit Unternehmer mit Sitz im Drittland, z.B. Sitz im übrigen USA Gemeinschaftsgebiet, z.B. Italien

r

Lieferung:

Lieferung:

Lieferung:

in Italien befreite i.g. Einfuhrbesteuerung in Deutschland 71 Lieferunl9 ; Erwerbsbesteuerung in Deutschland 70

Deutschland Unternehmer mit Sitz im Inland

--

Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Endverbraucher mit Wohnsitz im Inland

Sonstige Leistung:

Deutschland

Italien

USA

Lieferung:

Lieferung:

Lieferung:

Deutschland 72

Deutschland 73

Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Deutschland

Italien

USA

Deutschland -·-

67 In aller Regel handelt es sich um eine Beförderung/Versendung iSv. § 3 Abs. 6 S. 2 u. 3 UStG. Soweit ausnahmsweise eine ruhende Lieferung iSv. § 3 Abs. 7 S. 1 UStG vorliegt, bestimmt sich der Leistungsort nach der Lokalität, an der sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfiigungsmacht befindet. 68 Die dargestellten Leistungsorte beruhen auf der Einordnung als sonstige Leistung iSv. § 3a Abs. 1 UStG. Eine Einordnung als Überlassung von Urheberrechten, § 3a Abs. 4 Nr. I UStG, liegt nur in Ausnahmefällen vor, vgl. BFH v. 27.9.2001, DStR 2002, 24. Auch die weitläufige Annahme einer Überlassung von Informationen iSv. § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG geht in aller Regel fehl; vgl. hierzu S. 122 ff. Der Subsumtion unter § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG n.F. steht der Umstand entgegen, daß es sich nicht um eine elektronische Überlassung, sondern um einen Offline-Umsatz auf einem Datenträger handelt. 69 Vgl. §§ 4 Nr. lb, 6a UStG. 70 Vgl. §§ I Abs. I Nr. 5, Ia UStG. 71 Vgl. § 1 Abs. I Nr. 4 UStG. Falls der leistende Drittlandsunternehmer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist: Leistungsort im Bestimmungsland, vgl. § 3 Abs. 8 UStG. 72 Bei Überschreiten der jeweiligen Lieferschwelle, vgl. § 3c Abs. 3 UStG; ansonsten am Ort des Beginns der Beförderung/Versendung. Zu den maßgeblichen Schwellen der EU-Mitgliedstaaten vgl. BMF-Schreiben v. 13.9.2002, BStBI. I 2002,951. 73 Vgl. § 3 Abs. 8 UStG. Falls ausnahmsweise der nichtunternehmerische Leistungsempfänger Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist: Einfuhrbesteuerung gemäß § I Abs. I Nr. 4 UStG.

68

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

I.:S:

Unternehmer mit Sitz im Inland

r

Unternehmer mit Sitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, z.B. Frankreich

Lieferung: in Deutschland befreite i.g. Lieferunl9; Erwerbsbesteuerung in Frankreich 70 Sonstige Leistung:

Endverbraucher mit Wohnsitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, z.B. Frankreich Unternehmer/ Endverbraucher mit (Wohn)Sitz im Drittland, z.B. Schweiz

Unternehmer mit Unternehmer mit Sitz im Drittland, z.B. Sitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet, USA z.B. Italien Lieferung:

Lieferung:

in Italien befreite i.g. Einfuhrbesteuerung in Frankreich 71 Lieferung69 ; Erwerbsbesteuerung in Frankreich 70 Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Deutschland

Italien

USA

Lieferung:

Lieferung:

Lieferung:

Frankreich72

Frankreich 72

Frankreich73

Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Deutschland

Italien

USA

Lieferung:

Lieferung:

Lieferung:

in Italien befreite

(Einfuhr in) Schweiz

in Deutschland befreite Ausfuhrlieferung74

Ausfuhrlieferung

Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Sonstige Leistung:

Deutschland

Italien

USA

74

---~·---

------

Wie sich der vorstehenden Übersicht entnehmen läßt, ergeben sich durch die jeweilige Einordnung der Softwareumsätze grundsätzlich folgende Unterschiede: Bei Annahme einer Lieferung wird diese im Regelfall im Bestimmungsland besteuert1 5, wohingegen die Einordnung als sonstige Leistung zu einer Besteuerung im Ursprungsland führt76 • Eine Besteuerung am (mut74 Vgl. §§ 4 Nr. Ia, 6 UStG. 75 Bei Umsätzen im Bereich B2B durch innergemeinschaftlichen Erwerb bzw. Ernfuhrbesteuerung des empfangenden Unternehmers und bei B2C-Umsätzen durch Ortsverlagerung bei Überschreiten der innergemeinschaftlichen Lieferschwellen bzw. Einfuhrumsatzsteuerschuldnerschaft des leistenden Drittlandsuntemehmers. 76 Aufgrund der Ortsbestimmung des § 3a Abs. I UStG bzw. Art. 9 Abs. 1 6. EG-MwStRichtlinie.

69

Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

maßlichen) Ort des Verbrauchs 77 fmdet demzufolge nur bei Qualifikation der Softwareüberlassung als Lieferung statt. Hieran ändert im übrigen hinsichtlich der "endgültigen" Umsatzbesteuerung und des zu erzielenden Umsatzsteueraufkommens auch die hier abgelehnte Einordnung der Softwareüberlassung als Informationsüberlassung iSv. § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG nichts 78 • Selbst bei entsprechender Einordnung fiihrt dies nicht zu einer endgültigen Besteuerung am Verbrauchsort, da gemäß § 3a Abs. 3 UStG eine Verlagerung des Leistungsortes bei Vorliegen einer Katalogleistung nur bei unternehmerischen Leistungsempfangern stattfmdet. Der zur Erzielung eines endgültigen Umsatzsteueraufkommens erforderliche weitere Umsatz mit einem Nichtunternehmer wäre dennoch gemäß § 3a Abs. 1 UStG im Ursprungsland und damit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht am Ort des Verbrauchs steuerbar. Aus diesem Grunde fiihrt nach geltendem Recht die Annahme einer sonstigen Leistung unabhängig von der Einschlägigkeit einer Katalogleistung letztlich nicht zu einer Besteuerung im Bestimmungsland79 • Die aufgezeigten Konsequenzen sind bei der vorzunehmenden Einordnung im Hinterkopf zu behalten.

aa)

Verschaffung der Verfügungsmacht an einem körperlichen Datenträger nicht leistungsprägend

Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben hat eine. umsatzsteuerliche Einordnung der Überlassung von Software danach zu erfolgen, daß vorrangig zu prüfen ist, ob es sich um die Lieferung eines Gegenstandes handelt. Ist diese Frage zu verneinen, liegt - die übrigen Leistungsmerkmale vorausgesetzt zwangsläufig eine sonstige Leistung vor. Wird Software auf einem Datenträger überlassen, erhält der Leistungsernpfarrger- unbestritten- Verfiigungsmacht an der Diskette/CD-ROM und somit an einem körperlichen Gegenstand. Aus diesem Grunde ließe sich der simple Schluß ziehen, daß es sich folglich um eine Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG handeln muß 80 • Wie bereits ausgefiihrt bedarf die Annahme einer Lie77 Vgl. zu der notwendigen Fiktion, den Verbrauch im Bestimmungsland bzw. am (Wohn)Sitz des Empfängers anzunehmen S. 97 ff. 78 Vgl. S. 124 ff. 79 Unterschiede durch die Qualifikation als Katalogleistung ergeben sich jedoch hinsichtlich der Fragen der Steuerschuldnerschaft und des Vorsteuerabzugs bzw. der Vorsteuervergütung. Vgl. hierzu S. 181 ff. 80 In diesem Sinne muß wohl die OFD Hannover, Vfg. v. 23 .2.1999, S 7100 - 936 - StH 532 I S 7100-384- StO 355, DStR 1999, 675, verstanden werden, die zur Einordnung der Überlassung von Standardsoftware ausfuhrt: "Bei der Überlassung mittels Internet oder anderer Netze bzw. per Modem wird dem Leistungsempfanger lediglich

70

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

ferung jedoch nicht nur, daß im Zuge der Leistungserbringung unter anderem ein körperlicher Gegenstand dem Ernpfarrger zugewandt wird, sondern es muß sich hierbei auch um den wirtschaftlichen Gehalt der Leistungsbeziehung handeln. Eine Qualifizierung der Softwareüberlassung als Lieferung allein aufgrund der körperlichen Übertragung des Datenträgers setzt mit anderen Worten voraus, daß hierauf, auf den Datenträger, das vorrangige Leistungsinteresse der Parteien gerichtet ist. Der Leistungsempfarrger müßte folglich insbesondere des Datenträgers wegen bereit sein, das Entgelt zu entrichten. Die Annahme eines derartigen Leistungsinteresses geht jedoch ersichtlich fehl. Der Wert einer Diskette/CD-ROM beträgt weniger als einen Euro. Hierauf kann bei verständiger Würdigung das Interesse des Leistungsernpfarrgers nicht gerichtet sein81 • Bei der Softwareüberlassung steht vielmehr nicht der Datenträger als solcher, sondern das auf diesem gespeicherte Computerprogramm im Vordergrund der Leistungsbeziehung82 • Die Software selbst stellt den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung dar, fiir die Nutzungsmöglichkeit des Computerprogrammes entrichtet der Ernpfarrger das Entgelt. Bei dem Datenträger handelt es sich lediglich um ein Speichermedium, welches zum Transport der eigentlichen Leistung "Softwareüberlassung" verwendet wird83 • Der Datenträger erfiillt somit eine untergeordnete Hilfsfunktion84 • Eine Einordnung allein aufgrund des Merkmals "körperlicher Datenträger" scheidet demnach aus 85 • bb)

Ausnahmen vom grundsätzlichen Erfordernis der Körperlichkeit

Die Abgrenzung zwischen Lieferung oder sonstiger Leistung hängt folglich davon ab, wie das Computerprogramm selbst umsatzsteuerrechtlich einzuordnen ist. Nur wenn Software als solche eine Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG darstellt, ist eine entsprechende Zuordnung gerechtfertigt. Da es sich jedoch bei dem eigentlichen Computerprogramm um ein immaterielles Wirt-

81

82 83 84 85

die Möglichkeit eröffnet, die Software auf seine Anlage zu überspielen. Durch die körperliche Übergabe der Software im Rahmen einer Lieferung gemäß § 3 Abs. I UStG dagegen wird dem Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über die bewegliche Sache "Datenträger" verschafft". So auch BFH v. 3.7.1987, BStBI. II 1987, 728 (731): "Der Materialwert steht im Regelfall in keinem Verhältnis zu dem Programm und muß daher grundsätzlich außer Betracht bleiben". BFHv. 3.7.1987, (Fn. 81). In diesem Sinne auch Käbisch, Internet und Umsatzsteuer, S. 96. Vgl. BFH v. 3.7.1987, BStBI. II 1987, 787. So auch: Löffler, (Fn. 49), S. 103; Welnhofer, DStR 1998, 1539 (1540).

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Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

schaftsgut86 handelt, verbietet sich die diesbezügliche Annahme eines körperlichen Gegenstandes. Aus diesem Grunde qualifizierte die vormals herrschende Meinung die Überlassung von Software einheitlich als sonstige Leistung87. Diese Auffassung verkennt indes, daß ausnahmsweise auch die Übertragung eines unkörperlichen Gegenstandes eine Lieferung darstellen kann. So sind nach allgemeiner Auffassung auch diejenigen immateriellen Wirtschaftsgüter lieferfahig, die im Wirtschaftsverkehr wie Waren behandelt werden88• Diese Ausnahmeregelung, die bereits der RFH89 vertrat und mit einhelliger Zustimmung der Literatur9° vom BFH in ständiger Rechtsprechung91 fortgeführt wurde, ist jedoch insofern problematisch, als daß sie im deutschen UStG keine ausdrückliche Stütze fmdet92 • Allerdings sieht Art. 5 Abs. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie eine normierte Ausnahmeregelung vor, wonach Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und ähnliche Sachen als (lieferfahige) Gegenstände gelten. Hinsichtlich der Einordnung von Strom, Gas und Wasser stimmt die ungeschriebene nationale Ausnahmeregelung und die europarechtliche Vorgabe inhaltlich überein, da es sich nach der Rechtsprechung des Reichsfmanzhofes und des Bundesfinanzhofes bei den lieferflihigen immateriellen Wirtschaftsgütern neben dem Firmenwert und der Kundschaft um elektrischen Strom und Wasserkraft handelt93 • Fraglich ist indes, ob auch die Ausdehnung auf sonstige Güter, die wie Waren umgesetzt werden, von Art. 5 Abs. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie gedeckt wird. Den dort genannten Wirtschaftsgütern ist zweifelsohne gemein, daß sie (als Rohstoffe bzw. Energie) zum Verbrauch bestimmt sind94 • Die Schlußfolgerung, daß es sich demnach stets um verbrauchbare Güter handeln muß, um eine Lieferung 86 BFH v. 3.7.1987, III R 7/86, BStBI. II 1987, 728; BFH v. 3.7.1987, III R 147/86, BStBI. II 1987, 787. 87 Vgl. We/nhofer, (Fn. 85), S. 1539 und Korf in: Steuern und Electronic Commerce, S. 264 mit Hinweisen auf Abschn. 25 Abs. 2 Nr. 7 UStR 1992. Käbisch, (Fn. 83), S. 98 vertritt diese Auffassung auch heute noch, da nach seiner Auffassung im Fall der Übertragung von Standardsoftware auf Datenträgem die unkörperlichen Elemente überwiegen. 88 Vgl. Fn. 18; Fn. 19. 89 RFHv. 24.6.1938, RStBI. 1938, 766; RFHv. 21.11.1941, RStBI. 1942,285 m.w.N. 90 Vgl. Georgy in: Plückebaum!Malitzky, § 3 Abs. I, Rz. 21 f.; Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 533 f.; Martin in: Sölch!Ringleb, § 3, Rz. 46. 91 BFH v. 31.1.1957, BStBI. III 1957, 93; BFH v. 16.7.1970, BStBI. II 1970, 706; BFH v. 21.12.1988, BStBI. II 1989,430. 92 V gl. hierzu bereits S. 56 f. 93 V gl. (Fn. 89). 94 We/nhofer, (Fn. 85), S. 1540; Fetzer, Die Besteuerung des Electronic Commerce im Internet, S. 163; Käbisch, (Fn. 83), S. !54 f.

72

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

anzunehmen, geht jedoch fehl. So fällt nach einer Protokollerklärung des Rates und der Kommission zur 6. EG-MwSt-Richtlinie vom 17. Mai 1977 auch die Überlassung eines Kundenstammes unter die nach Art. 13 Teil B Buchst. c von der Steuer befreiten Tätigkeiten95 • Da Art. 13 Teil B Buchst. c 6. EG-MwSt-Richtlinie ausschließlich Lieferungen von der Steuer befreit, kann m.E. diese Erklärung in dogmatischer Hinsicht nur bedeuten, daß die Überlassung eines Kundenstammes von Rat und Kommission der EU als eine ähnliche Sache iSv. Art. 5 Abs. 2 Var. 5 6. EG-MwSt-Richtlinie eingeordnet wird. Nun kommt einer Protokollerklärung des Rates und der Kommission der EU zwar keine unmittelbare Rechtsbindungswirkung zu, jedoch wird hierdurch durchaus der Wille und das Begriffsverständnis des Richtliniengebers deutlich96 • Käbisch vertritt dagegen die Auffassung, die Einordnung des Kundenstamms bzw. Firmenwertes als Lieferung sei eine Ausnahmeregelung, die nicht auf Software oder virtuelle Güter übertragbar wäre97 • Dem ist entgegenzuhalten, daß Käbisch andererseits - trotz der von ihm gesehenen Kasuistik98 bzw. "der zur Enumeration neigenden 6. EG-MwSt-Richtlinie"99 - das Kriterium der mangelnden Verbrauchbarkeit von Software als Argument dafür heranzieht, daß Software keine ähnliche Sache im Sinne von Art. 5 Abs. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie sei 100 • Ein gemeinsames Merkmal der in Art. 5 Abs. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie aufgeführten Gegenstände kann jedoch konsequenterweise nur dann erforderlich sein, wenn es sich bei den dort genannten Tatbeständen nicht bloß um eine rein kasuistische Aneinanderreihung, sondern um eine insofern homogene Kategorie handelt.

Aus diesem Grunde ist die - im Ergebnis auch von Käbisch unbestrittene Qualifikation von Firmenwert und Kundenstamm als Lieferung m.E. in einen systematischen Zusammenhang mit den übrigen wie Sachen behandelten Gegenständen zu bringen. Da der Firmenwert/Kundenstamm nicht nur nach der ungeschriebenen nationalen Ausnahmeregelung, sondern auch nach dem europarechtlichen Begriffsverständnis einen lieferfähigen Gegenstand darstellt, kann als Vergleichsmaßstab für die Ähnlichkeit iSv. Art. 5 Abs. 2 Var. 5 6. EG-MwSt-Richtlinie bzw. als gemeinsames Merkmal der 95 Protokollerklärung über die Ratstagung am 17.5.1977, abgedruckt bei Plückebaum/ Malitzky, Bd. I, C 60, S. 111. 96 Vgl. BFH v. 21.12.1988, BStBI. II 198, 430. In diesem Sinne auch Martin in: Sölchl Ringleb, § 3, Rz. 43. 97 Käbisch, (Fn. 83), S. 156 f. 98 Käbisch, (Fn. 83), S. 153. 99 Käbisch, (Fn. 83), S. 156. 100 Käbisch, (Fn. 83), S. 155.

73

Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

dort aufgeführten Ausnahmefälle weder die Verbrauchbarkeit, noch der Aggregatzustand dienen. Ein Firmenwert mag zwar vergänglich sein, eine einmalige Verbrauchbarkeit wie Strom oder Gas besitzt er indes nicht. Die Einbeziehung des Firmenwertes in den Kreis der unkörperlichen, jedoch tieferfähigen Gegenstände verdeutlicht somit, daß die Verbrauchbarkeit nicht die entscheidende Gemeinsamkeit der in der Ausnahmeregelung genannten Güter sein kann. Wenn sich die Ähnlichkeit folglich nicht auf die in Art. 5 Abs. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie genannten Wirtschaftsgüter beziehen kann, können mit "ähnlichen Sachen" im Sinne dieser Vorschrift nur den körperlichen Gegenständen allgemein ähnliche Sachen gemeint sein. Art. 5 Abs. 2 ist demnach zu lesen als "Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und andere den körperlichen Gegenständen ähnliche Sachen". Eine Ähnlichkeit zwischen unkörperlichen und körperlichen Gegenständen besteht, wenn diese im Wirtschaftsverkehr ähnlich oder sogar gleich behandelt bzw. umgesetzt werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Vertragsparteien in erster Linie Verfügungsmacht an einer Ware verschaffen und erlangen wollen. Ist das überwiegende Leistungsinteresse der Parteien dahingegen auf eine von individuellen, vorrangig geistigen Dienstleistungselementen geprägte Leistung oder aber auf die Übertragung von Rechten gerichtet, besteht keine Ähnlichkeit im vorgenannten Sinne. Strom und Wasser werden schon rein sprachlich "geliefert" und auch der Firmenwert, der Kundenstamm wird - obgleich nicht körperlich - im Wirtschaftsverkehr als veräußerbare, "lieferbare" Ware behandelt, da das vorrangige Leistungsinteresse des Erwerbers einer Unternehmung auf Erhalt des Kundenstamms als solchem, nicht jedoch auf Empfang einer individuellen Dienstleistung bzw. Rechtsübertragung gerichtet ist. Die im UStG nicht ausdrücklich normierte Ausnahme, der teilweise auch der Rang von Gewohnheitsrecht eingeräumt wird 101 , deckt sich somit trotz abweichender sprachlicher Formulierung inhaltlich mit den europarechtlichen Vorgaben. Im Wirtschaftsverkehr wie körperliche Sachen umgesetzte immaterielle Güter sind "ähnliche Sachen" iSv. Art. 5 Abs. 2 Var. 5 6. EG-MwStRichtlinie102. Für dieses Verständnis spricht darüber hinaus auch die Gesetzesbegründung des UStG 1980, wonach der deutsche Gesetzgeber eine ausdrückliche Umsetzung des Art. 5 Abs. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie nicht für erforderlich hielt, da der Lieferungsbegriff des § 3 Abs. I UStG mit dem des

I 01 V gl. Mathiak, UR 1970, 209 (211 ). 102 So im Ergebnis Gedoch ohne nähere Begründung) auch Langer in: Reiß/Kraeusel/ Langer, Art. 5 6. EG-RL, Rdn. 7; Martin in: Sölch!Ringleb, § 3, Rz. 46; Löffler, (Fn. 49), s. 98.

74

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

Art. 5 der 6. EG-MwSt-Richtlinie übereinstimme und eine Änderung des UStG daher nicht erforderlich sei 103 . cc)

Standardsoftware

Die Qualifikation von Software als Lieferung oder sonstige Leistung hängt somit davon ab, ob Software als immaterielles Wirtschaftsgut im Wirtschaftsverkehr wie eine Ware umgesetzt wird. Diese Frage kann nicht einheitlich für sämtliche Computerprogramme entschieden werden. Vielmehr ist danach zu differenzieren, ob nach wie vor die geistige Entwicklungsleistung des Programmierers die Leistung prägt und somit im Vordergrund des Leistungsinteresses steht oder aber eine Materialisierung durch Vervielfältigung des Computerprogrammes eingetreten ist. Hinsichtlich der Kategorie Standardsoftware läßt sich eine derartige Materialisierung bejahen. Der Vertrieb von Standardsoftware ist insoweit mit dem Kaufvon Büchern oder Musik-CDs vergleichbar104 . Ein ursprünglich geistiges Produkt wird vervielfältigt und sodann an einen beliebigen Abnehmerkreis vertrieben, so daß es sich nicht mehr um eine durch den persönlichen Dienstleistungscharakter geprägte sonstige Leistung handelt 105 . Das vorrangige Leistungsinteresse des abnehmenden Anwenders ist auf die Verschaffung der Verfügungsmacht an der standardisierten Ware "Computerprogramm" gerichtet 106 . Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, das Vorliegen eines immateriellen Wirtschaftsgutes verbiete die Annahme einer Lieferung107. Der BFH hat in seinem Grundsatzurteil III R 7/86 vom 3.7. 1987 108 für Fragen der Investitionszulage entschieden, daß Computerprogramme immaterielle (nicht zulagefähige) Wirtschaftsgüter darstellen. Soweit auf dieses BFH-Urteil mit der Argumentation hingewiesen wird, der BFH habe ausdrücklich entschieden, daß die Annahme eines Wirtschaftsgutes als Massenware kein praxistaugliches Abgrenzungskriterium darstelle, werden die Ausführungen des BFH verzerrt. Der BFH hat in diesem Urteil lediglich festgestellt, daß die Qualifikation eines Gutes als Ware oder Massenware kein taugliches Abgrenzungskriterium für die Entscheidung ist, ob ein investitionszulagefähiges materielles Wirtschaftsgut oder aber ein nicht 103 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zu § 3 UStG 1980, BT-Drucks. 8/1779, S. 30; Georgy in: P1ückebaum/Malitzky, § 3 Abs. 1, Rz. 10. 104 So auch BFH v. 13.3.1997, UR 1997, 229; vgl. hierzu oben S. 60 ff. 105 Vgl. Lüdemann, (Fn. 50), S. 499. 106 Georgy in: P1ückebaum/Ma1itzky, § 3 Abs. 1, Rz. 77/3. 107 So aber Nieskens in: Rau/Dürrwächter, § 3, Anm. 590 Stichwort: Datenverarbeitung/Software; ders. in: BB 1996, 2656. 108 BStBI. li 1987,728.

75

Umsatzsteuerliche Behandlung des E-Commerce in der Rechtsentwicklung bis heute

zulagefahiges immaterielles Wirtschaftsgut vorliegt. Die hier zu erörternde Frage lautet aber nicht "materielles" oder "immaterielles Wirtschaftsgut", sondern Behandlung eines Wirtschaftsgutes als Ware. In der Tat läßt sich mit guten Argumenten die Auffassung vertreten, bei Standardsoftwareprogrammen wie Datenbanken handele es sich nicht um immaterielle, sondern um materielle Wirtschaftsgüter 109• Dies bedeutet ftir umsatzsteuerliche Zwecke aber nur, daß es sich bei dieser Art von Software erst recht um einen lieferfahigen Gegenstand handeln muß, weil eine sonstige geistige Leistung gar nicht bzw. nur marginal vorhanden ist" 0• Handelt es sich indes um komplexere Computerprogranune iSv. Befehlsketten, Anweisungen etc., die sich nicht lediglich in einem elektronischen Datenbestand erschöpfen, ist ftir die umsatzsteuerrechtliche Qualifikation als Lieferung oder sonstige Leistung nicht die Eigenschaft als immaterielles Wirtschaftsgut, sondern die Behandlung als Ware ausschlaggebend. Ein Kunde, der ein standardisiertes Computerprogranun erwirbt, ist vorrangig daran interessiert, daß ihm das begehrte Wirtschaftsgut "Computerprogranun" verschafft wird. Er empfiingt keine vorrangig durch geistige oder schöpferische Merkmale geprägte sonstige Dienstleistung, sondern den durch Verwertung!Vervielfältigung entstandenen "Massenartikel". Der wirtschaftliche Gehalt des Leistungsaustausches besteht in der Zuwendung des unkörperlichen Gegenstandes Computerprogranun. Es handelt sich somit bei Standardsoftware um Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsverkehr wie Sachen umgesetzt werden oder m.a. W. um den körperlichen Gegenständen "ähnliche Sachen" iSv. Art. 5 Abs. 2 6. EG-MwSt-Richtlinie. Folglich ist die Überlassung von Standardsoftware auf einem Datenträger als Lieferung iSv. § 3 Abs. 1 UStG zu qualifizieren 111 •

dd)

Individualsoftware

Anders als bei standardisierter Software steht bei individuell ftir die Anforderungen des Anwenders erstellte Software die sonstige geistige Leistung des Entwicklers im Vordergrund 112 • Da Individualsoftware speziell ftir den einzelnen Anwender progranuniert wird 113 , verbietet sich die Annahme eines

109 Georgy in: Plückebaum!Malitzky, § 3 Abs. 1, Rz. 77/2; BFH v. 5.2.1988, BStBI. II 1988,737. 110 Vgl. de Weerth, (Fn. 52), S. 257. 111 So im Ergebnis auch die Abschn. 25 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 und Abschn. 39 Abs. 14 S. 6 UStR 2002 (anders noch UStR 1996); a.A. Nieskens in: Rau!Dürrwächter, § 3, Amn. 590 Stichwort: Datenverarbeitung/Software; Heidner in: Bunjes/Geist, § 12 II Nr. 7, Rz. 14; offengelassen von BFH v. 13.3.1997, UR 1997,229. 112 Vgl. Lüdemann, (Fn. 50), S. 498. 113 Vgl. S. 64 ff.

76

Abgrenzung der E-Commerce-Leistungen

diesbezüglichen Warencharakters 114 • Da somit weder der Datenträger noch als Ausnahmeregelung die Behandlung im Wirtschaftsverkehr eine Einordnung von Individualsoftware als lieferungsfähigen Gegenstand rechtfertigen, handelt es sich nach allgemeiner Auffassung bei der Überlassung von Individualsoftware auf einem Datenträger um eine sonstige Leistung iSv. § 3 Abs. 9 UStG 115 • Dieses Ergebnis mag im Hinblick auf die intendierte Besteuerung am Ort des Verbrauchs zwar unerwünscht sein, ergibt sich jedoch zwingend aus der geltenden Rechtslage. Da es sich allerdings bei dem absolut überwiegenden Teil des Softwarevertriebs nicht um Individual-, sondern um Standardsoftware handelt, kommt diesem Ergebnis in wirtschaftlicher bzw. fiskalischer Hinsicht eine eher geringere Bedeutung zu. ee)

Zeitlich beschränkte Überlassung von Software

Teilweise Wt