Troja - Metamorphosen eines Mythos: Französische, englische und italienische Überlieferungen des 12. Jahrhunderts im Vergleich 9783050048666, 9783050045801

Troja zählt zu den bekanntesten Mythen Europas. Die Autorin hinterfragt exemplarisch und vergleichend den in der histori

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Troja - Metamorphosen eines Mythos: Französische, englische und italienische Überlieferungen des 12. Jahrhunderts im Vergleich
 9783050048666, 9783050045801

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Kordula Wolf

Troja Metamorphosen eines Mythos -

Europa

im

Mittelalter

Band 13

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Herausgegeben von Michael Borgolte

Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik

Kordula Wolf

Troja Metamorphosen eines Mythos -

Französische, englische

und italienische Überlieferungen des 12. Jahrhunderts im Vergleich

% WR£ Akademie

Verlag

Bibliografische

Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-05-004580-1

© Akademie Das

Verlag GmbH, Berlin 2009

eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. -

-

Einbandgestaltung: Jochen Baltzer, Berlin Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal

Republic of Germany

Inhalt

Dank. Formalia

9

.

10

I. Einleitung.

11

1.

Troja im Mittelalter

ein

Forschungsüberblick.

14

23

1.2

Grundlagen und Tradierung. Hintergründe und Motive

2.

Methodische Überlegungen. 40

2.1

Mythos

.

41

.

48

2.2

Odyssee einer Begriffsfindung 2.1.2 Troja-Mythos und Troja(ner)-Mythen 2.1.3 Offene Mythentheorien. 2.1.4 Mythos und kulturelles Gedächtnis Der Vergleich als Methode.

3.

Eingrenzungen des Themas.

58

II. Metamorphosen eines Mythos.

63

4.

63

1.1

-

.

.

2.1.1

.

Variabilität

.

34

40

50 54 56

Inhalt

6

4.1 Drei Versionen eines

Herkunftsmythos.

64

4.1.1 Aeneas

.

66

4.1.2 Francio

.

69

4.1.3 Brutus. 74

Vergleichende Betrachtungen. Spektren des Mythenstoffes. 4.2.1 Vorfahren und Städtegründer.

4.1.4 4.2

England

90 91

.

91

.

95

4.2.1.1 Frankreich

4.2.1.2

80

4.2.1.3 Italien.110

Tragik und Triumph.123 4.2.2.1 Kriege und Kreuzzüge.124

4.2.2

4.2.2.2 Helden und 4.2.2.3 So wie 4.2.3

es

,Antihelden'. 129

Dares und

Dictys berichten.131

Chronologie und Komputistik.136

4.2.4 Moral.139 4.2.5 Antike

Spielereien und stilistische Übungen.141

4.3 Fazit .146

5.

Transformationen.149

5.3

Lokalgeschichte in heilsgeschichtlicher Perspektive .149 Paris und die Genealogie des französischen Königshauses. 162 London und die mythischen Ursprünge des Königtums in England.171

5.4

Vergleichende Beobachtungen.187

6.

Relevanz .195

6.1

Geoffreys ,Revival'

5.1 Cremona

-

5.2

6.1.1 Reich und

des

Troja-Mythos .197

Dynastie.199

6.1.2 Zwischen den Fronten.205

Inhalt_7 6.1.2.1 Autor.206

Auftraggeber .209 6.1.2.3 Widmungsempfánger.210 6.1.2.4 Legitimation und Identitätsstiftung? .220 6.1.3 Gegenwärtige Vergangenheit .224 6.1.3.1 Im Spiegel der Zeit.224 6.1.2.2

6.1.3.2 Geschichte im Aufwind.229 6.1.4 Offenes Finale.237 6.2

Rigord und die Verteidigung eines alten Privilegs

.238

Trojanern zu Philipp II.240 6.2.2 Dynastische Geschichtsschreibung in Saint-Denis.244 6.2.1 Von den

6.2.2.1 Autor.246 6.2.2.2

Motive.250

Widmungen.257 6.2.2.4 Zeitgenössische Wirkung.260 6.2.2.3

6.2.3 Leere Hülle

neuer

Inhalt.261

-

6.3 Sicards

trojanische ,Eintagsfliege'

6.3.1 Cremonas

.264

mythische Anfange.264

6.3.1.1 Der Autor in seiner Zeit .265 6.3.1.2 Motive.270 6.3.1.3

Wirkung(slos).274

6.3.2 Tradition und

Innovation.276

6.4 Weshalb und wozu Troja? .278

III. Schlussbetrachtung.285 Anhang.294

Abkürzungen.295 Siglen.296

8_Inhalt Quellen.298 1. Handschriften.298 2. Drucke.298 3. Editionen.299

Literatur.308 Verzeichnis der Personen und

Toponyme .335

Dank Diese im Dezember 2006 als Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin eingereichte Untersuchung wäre nicht ohne die inspirierenden Gedanken und die intensiven Gespräche mit Prof. Dr. Michael Borgolte entstanden, der das Unternehmen auch über weite räumliche Distanzen hinweg betreut und eine Aufnahme in diese Reihe ermöglicht hat. Ihm gilt mein tiefster Dank. Mit zahlreichen Anregungen begleiteten meine „Arbeit am Mythos" auch der Zweitgutachter Prof. Dr. Johannes Helmrath, der Mitarbeiterkreis des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte I an der Humboldt-Universität sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Rom. Ein finanziell sorgloses Recherchieren und Schreiben ermöglichte mir ein zweijähriges NaFöG-Stipendium der Humboldt-Universität zu Berlin und ein sechsmonatiges Stipendium zur Ausbildung wissenschaftlicher Nachwuchskräfte am DHI in Rom. Ein besonderer Dank geht in diesem Zusammenhang an den Direktor des DHI, Prof. Dr. Michael Matheus. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Manuskript habe ich femer Tillmann Lohse, Susanne Pickert, Dr. Karsten Jedlitschka, Dr. Gritje Hartmann und Michael Brauer herzlich zu danken. Katja Klee war so freundlich, dem Text vor der Drucklegung den letzten Schliff zu geben. Neben allen, die hier nicht namentlich genannt wurden, möchte ich schließlich meinem Mann Leonardo und meiner Familie für die emotionale Unterstützung danken, ohne die mir die jahrelange Beschäftigung mit dem Thema sicherlich schwer gefallen wäre. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern, denen ich mich mehr verbunden fühle, als sich hier in Worte fassen ließe. -

-

Rom, im Dezember 2007

Formalia Diphthonge

und Akzente in den Editionen lateinischer Texte wurden bei der Zitation nicht übernommen, sondern entsprechend aufgelöst bzw. weggelassen. Vereinheitlicht wurde, mit Ausnahme von Quellen- und Literaturtiteln, desweiteren die Groß- und Kleinschreibung innerhalb lateinischer Werktitel. In den Fußnoten verweisen mit einem Punkt getrennte Zahlenangaben hinter einer Seitenzahl auf die Zeilen in der verwendeten Werkausgabe. Autorennamen sind, sofern sie im Lexikon des Mittelalters Erwähnung finden, in der dort üblichen Schreibweise wiedergegeben. Wird bei Übersetzungen ins Deutsche nicht auf eine entsprechende Ausgabe verwiesen, handelt es sich um eigene Übersetzungen.

I.

Einleitung

Viel wird gegenwärtig über Mythen gesprochen, geschrieben, geforscht. Der schillernde Begriff des Mythos vereint die drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, verkörpert Identitäten und Kontinuitäten, verweist auf die sich verwischenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Troja ist der wohl bekannteste und am meisten untersuchte mittelalterliche Geschichtsmythos. Zugleich gehören der zehnjährige Trojanische Krieg, die Kämpfe der Heroen und die Wanderungen trojanischer Flüchtlinge nach dem Fall liions zu den historiographisch, literarisch und künstlerisch am häufigsten verarbeiteten antiken Erzählstoffen in der europäischen Kulturgeschichte. Dass die Geschehnisse um Trojas Untergang allgemein bekannt seien, stand nicht nur in der «Aeneis» zu lesen, sondern noch bei Augustinus (354-430) und Orosius (ca. 380/385 bis nach 418).' Doch was die Zeiten überdauerte, war nicht die gesamte Geschichte Trojas, wie sie sich bei Homer oder Vergil überliefert findet. Das Fortleben eines Mythos ist ein ständiger Transformationsprozess. Immer wieder neu, immer wieder anders regten einzelne Episoden und Gestalten die Phantasie späterer Zeitgenossen an und bargen Möglichkeiten für Adaptionen in verschiedenen Regionen Europas. Auch in unseund wissenschaftlich noch immer umstritten. ren Tagen ist Trojas alte Größe präsent Man denke nur an die heftige Debatte zwischen dem Althistoriker Frank Kolb und dem Archäologen Manfred Korfmann um das einstige Aussehen und die historische Bedeutung der Stadt, die nicht zuletzt durch die laufende Ausstellung „Troia Traum und Wirklichkeit" (2001/2002) eine breite Öffentlichkeit erreichte.2 -

-

1

2

Quis genus Aeneadum, quis Troiae nesciat urbem/virtutesque virosque aut tanti incendia belli? Vergib Aeneis, ed. Ianell, 1939, Buch 1, 16, v. 565f. Nach Augustinus sei der Trojanische Krieg sowohl wegen seiner Größe als auch durch das Werk hervorragender Schriftsteller weit bekannt gewesen: Troia uero euersa excidio Mo usquequaque cantato pueris notissimo, quod et magnitudine sui et scriptorum excellentlbus linguis insigniter diffamatum atque uulgatum est [...]. Augustini De Civitate Dei, ed. Dombart/Kalb, 41955, Buch 18, Kap. 16, 520.1-3. Orosius spricht in diesem Zusammenhang vom „berühmten Untergang Trojas" (famosum Troiae excidium), der durch Homer Bekanntheit erlangt habe. Pauli Orosii Historiarum adversum paganos libri VII, ed. Zangemeister, 1882, Buch 1, Kap. 17, 69.3-10. Siehe auch den Verweis bei Graus, Troja, 1989, 26f. Zur Problematik der Lebensdaten des Orosius: Vilella, Orosio, 2000. Die Ausstellung wurde in Stuttgart, Braunschweig und Bonn gezeigt und war ein Publikumserfolg. Zur Troja-Debatte Zimmermann, Troia, 2006, 19-24; Weber, Streit in den Medien, 2006;

12

/.

Einleitung

Setzen sich Mittelalterhistoriker mit der Mythosproblematik auseinander, so beschäftigen sie sich in erster Linie mit Herkunfts- und Gründungsgeschichten im Bereich der Prosageschichtsschreibung. Dieses Interesse ist eng mit Fragen nach der Kohärenz sozialer Gruppen und der Herausbildung vormoderner Staatlichkeit verknüpft. Gerade wegen seiner europäischen Dimension ist der Troja-Mythos im Kontext der aktuellen Diskussion um Europas „Mythendefizit"3 ein reizvolles Studienobjekt. Es kann und soll aber nicht um die Suche nach einem einenden europäischen Mythos gehen, sondern um eine Reflexion über den als selbstverständlich vorausgesetzten Zusammenhang zwischen Mythos und Identitätsstiftung bzw. Herrschaftslegitimation. Unter der Leitfrage, warum der im Grunde heidnische Troja-Mythos die gesamte Zeit des Mittelalters hindurch tradiert wurde, gilt es, die historischen Bedingungen für seinen Wandel und sein Fortleben exemplarisch zu analysieren. Neben den herrschaftslegitimierenden und identifikationsstiftenden Funktionen, welche vor allem aus mediävistischer Perspektive einen zentralen Erklärungsansatz für die Persistenz mittelalterlicher Troja-Geschichten bieten, wurden in der Forschungsliteratur zur Troja-Thematik weitere Bedeutungsebenen angesprochen, aber aus historischer Sicht kaum vertiefend untersucht. Bislang ist auf inhaltliche Details und Argumentationsstrategien nicht-literarischer Trojaner-Erzählungen aus geschichtswissenschaftlicher Sicht wenig geachtet worden. Und während Literaturwissenschaftler Bearbeitungen des Troja-Stoffs überwiegend im Kontext der höfischen Welt verorteten, ging es Historikern vornehmlich um Aufschlüsse über Herrschafts- und Identitätsbildungsprozesse. Hier wie da wurden die Biographien der Autoren und ihre sozialen Netzwerke nur selten angemessen berücksichtigt. Eine Zusammenführung quellenkritisch-werkgeschichtlicher Untersuchungen mit den Studien zur mittelalterlichen Troja-Thematik kann hier zu profunderen Erkenntnissen über die konkreten Hintergründe bei den Bezugnahmen fuhren. Kaum vertiefend behandelt wurde der enge Konnex zwischen Rückführungen auf trojanische Ursprünge, wie sie in der mittelalterlichen Historiographie häufig anzutreffen sind, und anderen zeitgenössischen Thematisierungen des Troja-Stoffs. Desweiteren wirft die in der Forschung vorherrschende Orientierung an nationalen Grenzen sowie bestimmten Texttypen, Überlieferungstraditionen, Motiven und Zeiträumen das Problem der Übertragbarkeit der erzielten Erkenntnisse auf. Zumal der Bedeutungsgehalt dessen, was als Troja-Mythos bezeichnet wird, variiert. Der in den vergangenen Jahren stark in Gebrauch gekommene Mythosbegriff ist nicht nur im Alltagsgebrauch, sondern auch als wissenschaftlicher Terminus

nur

unscharf umrissen.

Ders., Kontroverse, 2006; [///"(Hrsg.), Streit um Troia, 2003. Vgl. auch den Ausstellungskatalog: 3

Troia, 2001. Schmale, Europa ohne Mythos, 1998, v. a. 153, 155; ähnlich Passerini, Figure d'Europe, 2003, 15-17, 19, sowie Dies., Dimensions, 2003. Zur Kritik siehe Kirsch, Mythos, 1998, 108, 118f. Allgemein zur Problematik historisierender Identitätsarbeit Kohli, Entstehung einer europäischen Identität, 2002, 116-120.

/.

Einleitung

13

Obwohl sich die vorliegende Untersuchung in weiten Teilen mit der Idee trojanischer Ursprünge in der mittelalterlichen Historiographie auseinandersetzt, wagt sie zugleich einen ,Blick über den Tellerrand' auf das breite Spektrum anderer Troja-Referenzen, die in gleicher Weise als mythisch aufgefasst werden. Allerdings wird im Folgenden kein Kompendium oder Überblickswerk geboten. Vielmehr soll in vergleichender und Disziplingrenzen überschreitender Perspektive ein Beitrag zur historischen Mythenforschung auf der Grundlage moderner Mythentheorien geleistet werden.

14

1.

/.

Troja im Mittelalter

-

Einleitung

ein Forschungsüberblick

Wer sich über den Stand der Untersuchungen zum mittelalterlichen Troja-Mythos informieren will, wird mit einem schier undurchdringlichen Dickicht an Publikationen konfrontiert. Erschwerend kommt hinzu, dass der wissenschaftlich gebrauchte Mythosbegriff in den vergangenen Jahren äußerst dehnbar geworden ist. Zu berücksichtigen sind deshalb über mediävistische Studien zu trojanischen Herkunfts- und Gründungserzählungen hinaus ebenso Schwerpunkte und Zugänge, die traditionell der historischen Literatur- und Sprachwissenschaft zuzuordnen sind. Erst in einer solchen Perspektive wird deutlich, dass die Geschichtswissenschaft seit den Anfangen ihrer Beschäftigung mit der Thematik eine spezifische Optik entwickelt hat, die Methodik und Fragestellungen noch heute entscheidend prägt. Sprach- und Literaturwissenschaftler gingen auf die Troja-Thematik im Rahmen ihrer Beschäftigung mit mittelalterlicher Dichtung und Literatur ein und befassten sich in erster Linie mit Hermeneutik, Motiven, textlichen Abhängigkeiten und Traditionen. Dagegen lenkten Mediävisten ihre Aufmerksamkeit auf eine Sonderform der Troja-Bezüge: die in der mittelalterlichen Historiographie begegnenden Herkunfts- und Gründungserzählungen. Trotz der Fülle an Literatur zur Troja-Thematik mangelt es noch immer an einer umfassenden monographischen Studie zur Idee der trojanischen Abstammung sowie zu einzelnen oder gar mehreren ,National-

literaturen'.1 1

Hinweise auf dieses Defizit bei Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 2; Frenzel, Stammbaum der Este, 1963, 190. Zwei Monographien, die in den letzten Jahren zur Thematik publiziert wurden, beschäftigten sich vorrangig mit rezeptionsgeschichtlichen Aspekten. Christopher Baswell (Virgil in Medieval England, 1995) ging in erster Linie auf Abschriften von Vergils «Aeneis» und deren Verwendungen im England des 12./13. Jahrhunderts ein, behandelte aber trojanische Herkunftsvorstellungen äußerst marginal. Die Arbeit von Marc-René Jung (Légende de Troie, 1996) ist der mittelalterlichen „Trojalegende" in Frankreich gewidmet, konzentriert sich jedoch auf die Handschriftenüberlieferung des von Benoît de Sainte-Maure verfassten «Roman de Troie», auf französische Übertragungen der «Historia De Excidio Troie» des Dares Phrygius sowie auf französische Prosa-Adaptionen von Benoîts «Troja-Roman» und der «Historia Destructionis Troie» des Guido délie Colonne. Ebenso sind auch ältere monographische Studien bestimmten Ausschnitten des komplexen Phänomens gewidmet: Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876 (zur Idee trojanischer Ursprünge bei den Franken); Greif, Trojanersage, 1886 (zur mittelalterlichen Rezeption von Dares und Dictys und der Überlieferungsform ihrer Werke); Gorra, Leggenda troiana, 1887 (zur Kontinuität der italienischen Troja-Tradition von der Antike bis zum Ende des Mittelalters); Klippel, Trojanersage, 1936 (zur fränkischen Trojasage vom Mittelalter bis zur Renaissance); Grau, Trojasage, 1938 (zu den Herkunftserzählungen in der deutschen Geschichtsschreibung mit Schwerpunkt auf der Trojasage); Cohen, Visie op Troie, 1941 (besonders zu Herkunftserzählungen in der Weltchronistik sowie in der französischen und englischen Historiographie); Scherer, Legends of Troy, 1963 (Verarbeitungen des Troja-Stoffs in Kunst, Musik und Literatur vom Altertum bis in die Gegenwart); Benson, History of Troy, 1980 (zur Rezeption der «Historia Destructionis Troie» im spätmittelalterlichen England); Schneider, Der Trojanische Krieg, 1968 (deutsche Versionen der «Historia Destructionis Troie», spätmittelalterliche Troja-

/.

Troja im Mittelalter

ein

15

Forschungsüberblick

-

Aus der Zeit des Mittelalters sind Troja-Bezüge nicht allein in schriftlichen Quellen historiographischen und poetisch-literarischen Zuschnitts überliefert, sondern auch wenngleich relativ selten in visualisierter Form.2 Werner Eisenhut konstatierte einmal,

-

-

Romane in deutscher Sprache). Neuere Untersuchungen über Herkunftserzählungen in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung beschäftigen sich mit einzelnen Zeitabschnitten oder Überlieferungstraditionen. Der von Horst Brunner herausgegebene Sammelband (Deutsche Trojaliteratur, 1990) sowie die dort publizierte Quellenaufstellung (Alfen/Fochler/Lienert, Deutsche Trojatexte, 1990, 8-10) bieten einen fundierten Überblick über die deutsche Troja-Literatur. Eine nützliche Zusammenstellung ,literarischer' Troja-Bearbeitungen für Frankreich findet man bei Jung, Légende de Troie, 1996. Visualisierungen des Troja-Stoffs im Mittelalter wurden mit Ausnahme des im Zusammenhang mit der Troja-Ausstellung herausgegebenen Sammelbandes (vgl. Troia, 2001) nur sehr marginal behandelt, was wohl nicht zuletzt auf die spärliche Überlieferungslage zurückzuführen ist. Margaret R. Scherer wies daraufhin, dass mittelalterliche Troja-Darstellungen vornehmlich als Illustrationen in kunstvollen Manuskripten oder in Gestalt historischer Wandteppiche in königlichen und fürstlichen Palästen begegnen; in der Bildhauerei und Malerei sollten sie erst während der Renaissance zum Motiv werden (Scherer, Legends of Troy, 1963, IXf. u. die Übersicht im Appendix B, 238-247). Zu einzelnen mittelalterlichen Miniaturen vgl. Reichert, Spuren Homers, 2006, 261f.; Baswell, Virgil in Medieval England, 1995, 21-30; Scherer, Legends of Troy, 1963, Appendix B, 238-240, 243f.; Buchthal, Historia Troiana, 1971; Brückte, Noblesse oblige, 2000, 64; De Clercq. Anténor, 2002 (ohne S.); Cecchini, Troia, 2000, 357f. (über italienische Illustrationen, bes. der Troja-Romane). Über die Darstellung der Stadt Troja in der mittelalterlichen Kartographie: Reichert, Spuren Homers, 2006, bes. 260, 269-275 (Abbildungen); Kammerer-Grothaus, Levante- und Troasreisen, 2005, 252f., 259 (Karten, Miniatur); Kugler, Troianer allerorten, 2001. Überblicke zu erhaltenen und erwähnten Wandteppichen des 14.-18. Jahrhunderts bei Franke, Troia in der Monumentalkunst, 2001, und Scherer, Legends of Troy, 1963, Appendix B, 239, 241-243, 245, 248-250; italienische Wandteppiche erwähnt bei Cecchini, Troia, 2000, 358f.; Hinweise auf einen spätestens seit 1494 bezeugten Wandteppich im Palast des französischen Königs Karl VIII. bei Linder, Troyan Ancestry, 1978, 501. Zu italienischen Troja-Fresken in Adelspalästen Cecchini, Troia, 2000, 358. Wie für den Augsburger Peter Egen bezeugt ist, gab es auch Troja-Darstellungen in Fresken an Häuserfassaden (Hiestand, Civis Romanus, 1994, 99). Die Trojaner gingen ebenfalls in den berühmten genealogischen Bilderzyklus ein, den Kaiser Karl IV. in der Burg Karlstein malen ließ; vgl. Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 130. Über bildliche Darstellungen des Troja-Stoffs in der Renaissance- und Barock-Kunst siehe Luckhardt, Trojanische Mythen in der Kunst der Renaissance, 2001; Büttner, Troia in der Kunst, 2001. Wie der Sammelband zur Troja-Ausstellung verdeutlicht, datiert die überwiegende Zahl mittelalterlicher Visualisierungen des Troja-Stoffs in das Spätmittelalter (vgl. Troia, 2001, passim); siehe auch Cecchini, Troia, 2000, 356-358. Exzeptionelle Zeugnisse stellen in diesem Zusammenhang das Grab Antenors (siehe dazu S. 161 f.) und die 1278 vollendete Fontana Maggiore mit einer Figuration des Troianers Eulistes in Perugia (vgl. Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 131) dar. Im weiteren Sinne begegnen mittelalterliche Visualisierungen auch in Form von „Bildzitaten", das heißt als Erwähnungen und Beschreibungen von Wandgemälden, Wandbehängen oder (höfischen) Gebrauchsgegenständen in literarischen Werken. Elisabeth Lienert untersuchte sie in der deutschen Troja-Literatur des Mittelalters und betonte dabei, dass es sich hier nicht um einen direkten Reflex von Bildwerken in der Dichtung, sondern um eine rein literarische Tradition handelt. Dazu Lienert, Troja-Anspielungen, 1990, 210-212. -

-

-

-

-

-

-

-

-

-

/.

16

Einleitung

Troja-Stoff im Mittelalter, neben der Geschichte Alexanders des Großen, zu denjenigen antiken Themen gehörte, welche die Phantasie der Gelehrten am meisten beflügelten.3 Im Laufe des Mittelalters sind viele Orte, Regionen und Länder in weiten Teilen des Abendlandes4 und im byzantinischen Bereich5 mit trojanischen Ursprüngen dass der

3

4

Vgl. Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 1; ähnlich Kugler, Herkunftssagen, 1995, 189. Bereits Aristide Joly hatte 1870 im Zusammenhang mit der Troja-Thematik auch auf die große Bedeutung des Alexander-Stoffs im mittelalterlichen Frankreich aufmerksam gemacht; vgl. Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 112f. Die hier zusammengestellten und nach heutigen Länderbezeichnungen geordneten Angaben sollen eine erste Orientierung bieten. An einigen Stellen wurden Hinweise auf einzelne Werke oder Überlieferungstraditionen aufgenommen, wenn diese in Überblicksdarstellungen nicht erfasst wurden oder wenn für bestimmte Regionen keine entsprechenden Überblicke zugänglich waren. Der zum byzantischen Einflussbereich zählende (süd)osteuropäische Raum wird gesondert behandelt (siehe nächste Fußnote). Nordeuropa: Zu Island vgl. die Angaben bei Borgolte, Troia, Cultural Davis, Assimilation, 1992, 23; Luisielli, II mito dell'origine troiana, 1978, 2001, 194; 116-121; Greif, Trojanersage, 1886, 147-158; Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 126f., 468f. Zu Dänemark den Hinweis bei Borgolte, Troia, 2001, 194. Zu Schweden vgl. Borgolte, Troia, 2001, 199f. Zentraleuropa: Zu Deutschland vgl. Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 129-131; Garber, Abstammungstheorien, 1989, 134-144, 154-163; Graus, Troja, 1989, 35, Anm. 35 u. 36f; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 110-115; Dies., Helena und der trojanische Krieg, 1977, 104-111 ; Schneider, Der Trojanische Krieg, 1968; Grau, Trojasage, 1938; Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 125f Zu Österreich siehe Clemens, Genealogische Mythen, 2001; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 112, 114; Linder, Troyan Ancestry, 1978, 497, Anm. 8. Zur Schweiz vgl. Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Genève" (ohne S.) u. den Hinweis bei Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 98. Zu Belgien vgl. Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Le Hainaut" (ohne S.). Zu Polen vgl. Graus, Troja, 1989, 27, Anm. 8; Schlauch, Geoffrey and Polish History, 1969; Cohen, Visie op Troie, 1941, 153f. Südeuropa: Zu Italien vgl. Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 13lf, Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 95-98; Dies., Helena und der trojanische Krieg, 1977, 100-103; Buchthal, Historia Troiana, 1971, bes. 59-61; Frenzel, Stammbaum der Este, 1963; Cohen, Visie op Troie, 1941, 152 u. 158; Schiaffini, Istorietta trojana, 1926; Morf Légende de Troie en Italie, 1895; Morf, Légende de Troie en Italie et en Espagne, 1892; Gorra, Leggenda troiana, 1887. Zu Spanien vgl. Coumert, Mémoire de Troie, 2006, 332 (Mozarabische Chronik von 754); Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 116; Dies., Helena und der trojanische Krieg, 1977, 103f; Morf Légende de Troie en Italie et en Espagne, 1892. Zu Ungarn vgl. Eckhardt, De Sicambria à Sans-Souci, -

-

-

1943; Cohen, Visie op Troie, 1941, 152; Eckhardt, Sicambria, 1928; siehe auch den Hinweis bei 194. Westeuropa: Zu Frankreich vgl. Coumert, Origines des peuples, 2007, 267-380; Görich, Troia im Mittelalter, 2006, bes. 127-129; Rio, Mythes fondateurs, 2000, 27-32, 93-105; Jung, Légende de Troie, 1996; Garber, Abstammungstheorien, 1989, 125-135, 144; Graus, Troja, 1989, 33, Anm. 41 u. 35f; Beaune, L'utilisation politique, 1985; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 98-104; Linder, Troyan Ancestry, 1978; Homeyer, Helena und der trojanische Krieg, 1977, 95-100; Cohen, Visie op Troie, 1941, bes. 141-145; Klippel, Trojanersage, 1936; Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 120-125. Zu England vgl. Görich, Troia im Mittelalter, 2006, bes. 126f; Rio, Mythes fondateurs, 2000, 32-70, 91-93, 105125, 142-163; Paradisi, Etnogenesi e leggenda troiana, 1998; Graus, Troja, 1989, 34, Anm. 49-

Borgolte, Troia, 2001,

-

/.

Troja im Mittelalter

ein

17

Forschungsüberblick

-

Verbindung gebracht worden. Bei den sozialen Gruppen, die von den Trojanern hergeleitet wurden, konnte es sich um die Angehörigen eines Herrschaftsbereiches, um ein Volk, um Dynastien und Fürstenhäuser oder um Städte und ihre Bewohner handeln.6 Angesichts der weiten Verbreitung des Troja-Mythos im Okzident hat man nicht nur seine europäische Dimension unterstrichen sondern in ihm auch eine Art europäische Einheitsidee erkannt. Aristide Joly sah in den mittelalterlichen Herkunftsbehauptungen „ein gemeinsames Erbe Europas".8 Für Herbert Frenzel war der Troja-Mythos Ausdruck der „Vorstellung vom genealogischen Zusammenhang Europas".9 Nach Horst in

,

52; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 104-110; Dies., Helena und der trojanische Krieg, 1977, 111-113; Cohen, Visie op Troie, 1941, bes. 145-150; Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 126-145. Zu Irland siehe Diane-Myrick, A Medieval Irish Adaptation of Dares, 1993; Hinweise auch bei Borgolte, Troia, 2001, 194; Rio, Mythes fondateurs, 2000, 45. Zu Belgien vgl. Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Tongres" (ohne S.); Linder, Troyan Ancestry, 1978, 502; Doutrepont, Jean Lemaire de Beiges, 1934, 36f.; siehe auch den Hinweis bei Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 98. Osteuropa: Vgl. Greif, Trojanersage, 1886, 96-103, 268-278 („slavische Version"). Dazu allgemein Murray, William of Tyre and the Origin of the Turks, 2001, 223f; Frenzel, Stoffe, 1983, 765; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 117; Dies., Helena und der trojanische Krieg, 1977, 113-124. Zur Rezeption von Homers «Ilias» in Byzanz West, Homer durch Jahrtausende, 2001, 111. Zu den Erwähnungen des Trojanischen Krieges bei -

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byzantinischen Chronisten Johannes Malalas (um 490 bis nach 570) und dessen Bearbeitern vgl. Greif, Trojanersage, 1886, 4, 173-268. Im weiteren Sinne fällt in diesen Bereich auch die Thematisierung trojanischer Ursprünge der Osmanen bzw. Türken, vgl. dazu Coumert, Origines des peuples, 2007, 311-316; Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 132-134; Gehrke, Troja, 2004, 32-35; Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Les Turcs et l'Occident" (ohne S.); Zimmermann, Der Trojanische Krieg, 2003, 404; Borgolte, Troia, 2001, 190, 192, 194, 199-201, 203; Murray, William of Tyre and the Origin of the Turks, 2001, hier 222-224, 228; Kreiser, Troia und die homerischen Epen, 2001; Ewig, Trojamythos, 1998, 7-9, 27f.; Linder, Troyan Ancestry, 1978, bes. 499f., 510f.; Spencer, Turks and Trojans, 1952; Greif, Trojanersage, 1886, lf.; Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 526-528, bes. 526f., Anm. 1. Eindrucksvolle Versuche, diese Vielfalt überblicksartig zu erfassen, fehlen nicht; sie können jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Stellvertretend genannt seien Coumert, Mémoire de Troie, 2006; Zimmermann, Der Trojanische Krieg, 2003; Borgolte, Troia, 2001, bes. 192-195, 197-203; Graus, Troja, 1989; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982; Linder, Troyan Ancestry, 1978, 497-500; Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 81-89; Grau, Trojasage, 1938, bes. 26, Anm. 108; Graf Roma, Bd. 1, 1882, 22-25; Joly, Benoît, dem

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8 9

Bd. 1, 1870, 109-146,397-616. Neben den im Folgenden genannten Arbeiten finden sich Hinweise auf die europäische Dimension etwa bei Müller, Das höfische Troia, 2004, 120f.; Kugler, Herkunftssagen, 1995, 183; Beaune, L'utilisation politique, 1985, 331; Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 2; Frenzel. Stoffe, 1983, 764; Huppert, Trojan Franks, 1965, 227; Frenzel, Stammbaum der Este, 1963, 197Í; Hay, Europe, 1957, 48-50; Spencer, Turks and Trojans, 1952, 330. Ces inventions étaient si bien devenues le patrimoine commun de l'Europe que nous les voyons gagner jusqu'à l'extrême Nord [...]. Joly. Benoît, Bd. 1, 1870, 126. Vgl. Frenzel, Stammbaum der Este, 1963, 198.

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Einleitung

Brunner erschien er den Zeitgenossen als „Ursprung der europäischen Geschichte" soUnd Nicole Dentzien konstatierte: „To trace one's wie als „Wurzel der line back to Aeneas seems to have been the chief goal of every ruling house in Eu'' rope". In ähnlicher Weise hatte bereits Maria Klippel geschrieben: „Die Tatsache steht fest, daß das Mittelalter fest an eine Abstammung der Franken von den Trojanern glaubte. [...] Da nun trojanische Fürsten nach Trojas Vernichtung ausgewandert waren, so wie Vergil berichtet, wurde Troja als Wiege fast aller europäischen Staaten angesehen."12 Unter veränderten Prämissen fand die Wiegen-Metapher ein halbes Jahrhundert später bei Gert Melville im Titel eines Sammelband-Artikels („Troja: Die integrative Wiege europäischer Mächte im ausgehenden Mittelalter")13 erneut Aufnahme, wobei einschränkend hinzugefügt werden muss, dass sich die Ausführungen hier vorrangig auf englische und französische Geschichtstraditionen des Spätmittelalters bezogen. Schließlich begegnet die Europa-Wiegen-Metaphorik auch in den literaturwissenschaftlichen Arbeiten von Elisabeth Lienert und Jan-Dirk Müller. Bei alledem bleibt einzuschränken, dass Studien zur mittelalterlichen Troja-Thematik, wenn sie mehrere Regionen bzw. Länder berücksichtigen, nur selten mehr als summarische Auflistungen entsprechender Überlieferungen oder Querverweise bieten.15 Wo aber eine transregionale bzw. -nationale Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erscheinungsformen des Troja-Mythos intensiver erfolgte, gelangte man zu neuen Einsichten. So hatte Herbert Frenzel ein Blick auf Byzanz zu dem Schluss veranlasst, die Bemühungen um den Nachweis trojanischer Abstammung im Okzident seien dem Bedürfnis entsprungen, „sich gegenüber dem griechischen Osten ein eigenes und selbständiges Wertgefühl zu geben, indem man sich auf die ältesten und edelsten Widersacher der Hellenen berief und zurückführte".16 Michael Borgolte konnte wiederum zeigen, dass die Türken, denen im Mittelalter trojanische Wurzeln zugeschrieben wurden, erst

Gegenwart".10

10 Brunner, Vorwort, in: Ders. (Hrsg.), Deutsche Trojaliteratur, 1990, 3. Dieses Zitat auch bei Kellner, Ursprung und Kontinuität, 2004, 131. 11 Dentzien, Arthurian Tradition, 2004, 20. 12 Klippel, Trojanersage, 1936, 2f. 13 Melville, Troja, 1987. Ebenso bei Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „En guise de conclusion" (ohne S.). 14 Beide Autoren verwendeten diese Metaphorik, um die gesellschaftspolitische Relevanz der TrojaThematik im Mittelalter zu unterstreichen. Mit Blick auf die historiographische Troja-Überlieferung des Mittelalters maß Lienert Troja „national- bzw. dynastiegeschichtlich als Wiege der europäischen Völker, Städte und Dynastien von den Franken und Briten bis hin zu den Habsburgern" Bedeutung zu (Lienert, Troja-Anspielungen, 1990, 200). Müller konstatierte besonders für das Spätmittelalter: „Troia ist die Wiege des europäischen Hochadels; die europäischen Dynastien verstehen sich bis ins 16. Jahrhundert als Nachfahren des troianischen Königshauses [...]." (Müller, Das höfische Troia, 2004, 121). 15 Von den jüngeren Publikationen seien hier stellvertretend genannt: Kellner, Genealogie, 2004, 47; Zimmermann, Der Trojanische Krieg, 2003, 403; Garber, Abstammungstheorien, 1989, 132; Kugler, Herkunftssagen, 1995, 183f., Frenzel, Stoffe, 1983, 764-766. 16 Vgl. Frenzel, Stammbaum der Este, 1963, 191.

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Troja im Mittelalter

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Forschungsüberblick

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in der humanistischen Geschichtsschreibung als nicht mehr zur europäischen Christenheit zugehörig dargestellt wurden. Erst dieses Ausschlussverfahren habe dazu geführt, Auf signifikante UnterschieEuropa mit dem christlichen Abendland de in deutschen und französischen Herleitungen von Troja machte ferner Jörn Garber aufmerksam, als er sich mit „,nationalen' Abstammungstheorien" im Vorfeld der Nationalstaatsbildung auseinandersetzte. In Frankreich habe, wie er betonte, die „Franken-Francia-Tradition" bis in die frühe Neuzeit hinein einen „Kern der Nationaltheorie" gebildet, während in Deutschland „solche zum Nationalbegriff aufsteigenden dominanten Stammeskonstruktionen" wegen des „universalistischen Charakters der Reichskonstruktion" zurückgetreten seien.18 Mehr als vereinzelte Hinweise auf regional- und zeitspezifische Unterschiede bei den Troja-Rekursen liegen jedoch, insgesamt gesehen, bislang nicht vor. Sowohl für die trojanischen Herkunftserzählungen im Mittelalter als auch für Bezugnahmen auf den antiken Mythenstoff im weitesten Sinne sind systematische Analysen und vergleichende Arbeiten ein Desiderat.

gleichzusetzen.17

17

Vgl. Borgolte, Troia, 2001, bes. 203. Dass sich im 15./16. Jahrhundert infolge der osmanischen Expansionspolitik und der Einnahme Konstantinopels (1453) die Wahrnehmung der bis dahin positiv besetzten Idee trojanischer Ursprünge bei den Zeitgenossen wandelte, hatte in ähnlicher Weise bereits Terence Spencer festgestellt (Turks and Trojans, 1952, 330-332): Einerseits seien die türkischen Eroberungen auf byzantinischem Gebiet als eine Revanche für die griechische Eroberung Trojas gedeutet worden, andererseits habe sich Mehmet II. in einem Brief an Papst Nikolaus V. auf noch ältere trojanische Ursprünge, nämlich Priamus, berufen und Rache am Blut Hektors gefordert. Die von Spencer zitierten Quellen stammen allerdings alle aus der Feder französischer Autoren.

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Vgl. Garber, Abstammungstheorien, 1989, 114. Diese Beobachtung stützt sich auf weitere Details, die Garber mit komparatistischem Blick herausarbeitet (so bes. 114, 137f„ 144), auch wenn der gesamte Aufsatz nicht als vergleichende Studie angelegt ist. Zwar verglich Frantisek Graus deutsche, französische und böhmische Traditionsbildungen unter strukturgeschichtlichen Kriterien Territorium, Königtum, Dynastie miteinander, behandelte aber die „Trojanersage" nur marginal (vgl. Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 81-89). Ebenfalls vergleichend angelegt war eine Studie von Evemarie Clemens über genealogische Mythen, die in diachroner Perspektive Inhalt, Tradition und Kontinuität von verschiedenen Abstammungserzählungen gegenüberstellte; Erwähnung fanden die Trojaner im Zusammenhang mit den Luxemburgern, Habsburgern und Witteisbachern (vgl. Clemens, Genealogische Mythen, 2001, zusammenfassend 110, 204, 304-306, 311). An komparatistischen Studien, die sich ausschließlich mit der Troja-Thematik beschäftigen, können lediglich zwei Arbeiten der klassischen Philologin Helene Homeyer genannt werden. Beide waren nicht systematisch angelegt. Homeyers erste Studie galt dem Helena-Motiv in der europäischen Literatur. Das dem Mittelalter gewidmete Kapitel, welches lateinische und volkssprachliche Bearbeitungen des Troja-Stoffs in der französischen, italienischen, spanischen, deutschen, englischen und byzantinischen Literatur und Geschichtsschreibung einbezog, verdeutlicht nicht nur den großen Einfluss spätantiker Vorlagen und die prägende Rolle der lateinischen Literatur auf volkssprachliche Troja-Bearbeitungen, sondern auch den wichtigen Stellenwert französischer Werke (insbesondere Benoîts) in der Literatur der anderen untersuchten Großregionen mit Ausnahme von Byzanz (Homeyer, Helena und der trojanische -

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Einleitung

Eine Vielzahl an Arbeiten zum mittelalterlichen Troja-Stoff blickt über Fächergrenbzw. einzelne nationale Überlieferungstraditionen hinaus. Hinweise auf die gegenseitige Durchdringung von Geschichtsschreibung und Literatur20 sowie die Fragwürdigkeit einer Grenzziehung zwischen beiden Bereichen fehlen nicht, aber weiterreichenzen

Krieg, 1977, 124f; zum Einfluss der französischen Literatur ebd., 100, 103f, 111). Besonders erhellend ist der Vergleich mit dem byzantinischen Osten, wo zwar ab dem 12. Jahrhundert Reminiszenzen und Motive aus dem Westen übernommen, aber im Gegensatz zu ihm keine mythologisch begründeten Abstammungssagen hervorgebracht worden seien. Dass ,,[d]ie Spannung zwischen heidnisch-antiker Tradition und christlichem Glauben, die sich auf die literarische Produktion des Westens im Mittelalter und danach so häufig fruchtbar auswirkte, [...] im Osten, wo sich die Gegensätze im Bildungswesen dank der sprachlichen Tradition früh versöhnten, kaum [bestand]", begründete die Autorin mit den andersartigen innen- und außenpolitischen Verhältnissen sowie dem Einfluss der orthodoxen Kirche auf das geistige Leben (ebd., 113-124, bes. 121 f.). Homeyers zweite Arbeit über die trojanischen Herkunftserzählungen war Paradigmen der älteren Forschung verhaftet. Ihr ging es beispielsweise darum zu zeigen, „wie stark sie [die trojanischen Ursprungssagen] durch die völkische Eigenart [!] ihrer Entstehung und Weiterentwicklung geprägt worden sind" (Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 93). Die Abschnitte zu den Ländern Italien, Frankreich, England und Deutschland mit Ausblicken nach Spanien und Byzanz besitzen im Wesentlichen Überblickscharakter. In der vergleichenden Perspektive führen die überwiegend aus früheren Forschungsarbeiten übernommenen Schlussfolgerungen dennoch zu manch anregender Beobachtung hinsichtlich der unterschiedlichen Verwendung von Stammbäumen in europäischen Adelshäusern oder zeitlicher Verschiebungen bei der Bezugnahme auf die Idee trojanischer Herkunft und der Kritik an ihr (ebd., 101-104, 109f, 112117). Leider bietet die Zusammenfassung am Ende wenig mehr als einige oberflächlich skizzierte Gemeinsamkeiten (Wahrheitsanspruch der Autoren, herrschaftslegitimierende Funktion, Gestaltung nach römischem literarischen Vorbild) und kehrt schließlich zum eingangs als Leitthese formulierten, fast banalen Hinweis zurück, dass sich in Hinblick auf „die Entstehung und das Weiterleben der trojanischen Abstammungs- und Gründungssagen in den [...] genannten Ländern [...] ein für das jeweilige Volk und für die zur Zeit der Abfassung eines Werks vorherrschenden politischen, religiösen und kulturellen Strömungen charakteristisches Bild" biete, „das noch aus weiteren Quellen ergänzt werden könnte" (ebd., 115). 20 Siehe Goetz, Geschichtsschreiber, 2006, passim; Coumert, Mémoire de Troie, 2006, passim; Jung, Trojanerkrieg, 2001, bes. 32f; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 117. Weil Geoffreys romanhafte «Historia Regum Britannie» für die Historiographie und die höfische Literatur ein wichtiges Referenzwerk war, kam das Ineinandergreifen von Geschichte und Literatur im anglonormannisch-englischen Bereich bisweilen zur Sprache. Helene Homeyer stellte in diesem Zusammenhang fest, dass das „Stammesbewusstsein" und der Glaube an eine trojanische Herkunft in England weitaus stärker als in anderen Großregionen nicht allein in „historischen und quasi-historischen Darstellungen", sondern auch in „poetisierenden und poetischen Bearbeitungen" des Troja-Stoffs zum Ausdruck gekommen sei (vgl. Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 106, ähnlich auch 107). Weitere Hinweise auf diese englische .Sonderstellung' bei Busse, Brutus in Albion, 1994, 207, 214-221. 21 Dazu explizit Knut Görich (Troia im Mittelalter, 2006, 122), der in der Trennung der Bereiche Geschichtsschreibung und Literatur eine „Folge der traditionellen universitären Fachzuständigkeiten" sieht und in diesem Zusammenhang den Einwand erhebt, dass diese Grenzziehung nicht der Stellung gerecht werde, welche die Texte ursprünglich hatten. -

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Troja im Mittelalter

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Forschungsüberblick

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de Überlegungen zur Wechselwirkung der verschiedenen Genera begegnen nur vereinzelt. Als sich der Mediävist Frantisek Graus im Zuge des Vordringens sozialgeschichtlicher Forschungen und der mit ihr einhergehenden Neubewertung mancher Quellengattungen in der Geschichtswissenschaft Ende der 1980er Jahre der Herausforderung stellte, „Troja und die trojanische Herkunftssage im Mittelalter" unter neuen Prämissen zu betrachten und unter Einbeziehung literarischer Troja-Reminiszenzen Anstöße für ein neues Gesamtbild zu geben22, blieb er damit in seiner Zunft isoliert. Für Graus gingen „literarische Überlieferung" und „Tradition" Hand in Hand: Die eine habe die Kenntnisse wirklicher oder vermeintlicher Ereignisse vermittelt, in der anderen sei eine sinngebende Identifizierung mit einem Geschehen bzw. einer Person oder einer Gruppe in der Vergangenheit erfolgt. Entsprechend multikausal erklärte Graus, „warum überhaupt die mit Troja verbundenen Erzählungen immer wieder ihr Publikum fanden und es faszinierten": Auf der einen Seite habe Troja im Mittelalter als Eckdatum der Weltgeschichte, als moralisches Exempel, als Musterbeispiel für Helden- und Rittertaten gegolten; auf der anderen Seite zähle die Suche nach dem eigenen Herkommen gewissermaßen zu einer Grundkonstante menschlichen Denkens.24 Ein Disziplingrenzen überschreitender Blick in umgekehrter Richtung veranlasste die Germanistin Elisabeth Lienert, die Hauptfünktionen mittelalterlicher Troja-Reminiszenzen anders zu akzentuieren. Sie unterschied eine „realhistorische" Funktion, die vornehmlich in der (pseudo-)historiographischen Literatur anzutreffen sei, und eine „ideologiegeschichtliche" Funktion, die stärker in fiktiven, vor allem höfischen Texttypen zum Tragen komme. Diese Unterscheidung erscheint für einen Historiker um so erals der staunlicher, ideologische Aspekt doch gerade für die Ursprungsbehauptungen in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung unterstrichen wird. Nach Lienert zeigt sich die Omnipräsenz des Troja-Stoffs sowohl in längeren Erzählungen als auch in kurzen Anspielungen. Zugleich betonte sie die Vielgestaltigkeit und Polyfunktionalität der Re22 23

Vgl. Graus, Troja, 1989, 25f. Vgl. ebd.. Was die verwendeten Begrifflichkeiten angeht, so hatte Graus im Vorfeld (ebd., 26) „Traditionen" als sinngebende (begründende) Verbindungen der jeweiligen Gegenwart mit der Vergangenheit definiert und als ein Arbeitsfeld ausgewiesen, auf dem sich Geschichts- und Literaturwissenschaft eng berühren. Im Gegensatz zur literarischen Rezeptionsforschung beziehe die historische Traditionsforschung neben den schriftlichen auch andere Quellen Bilder,

Denkmäler, Feste, Orts- und Personennamen ein. 24 Siehe ebd., 29f, 33. 25 Vgl. Lienert, Troja-Anspielungen, 1990, bes. 199-202. Mit der „realhistorischen" Funktion zielt -

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die Autorin auf die mittelalterliche Wahrnehmung Trojas als wirkliches incidens der Weltgeschichte, welche Voraussetzung dafür war, dass es reichs-, national- und dynastiegeschichtlich Bedeutung gewinnen konnte (ebd., 200). Die „ideologische" Funktion sah sie darin, dass Troja zum Ursprung von Ritterschaft und Minne wurde (ebd., 201), dass der Trojanische Krieg „als idealer Ursprung der ritterlichen Gegenwart oder ideales Gegenbild verderbter Gegenwart und Ursprung eines auch für die Gegenwart verbindlichen Ideals" war und somit eine „eminente aitiologische Funktion" besaß (ebd., 202).

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Einleitung

miniszenzen. Ideologische Selbstvergewisserung, Bereitstellung von Exempla, literarisches Spiel sie alle seien Ausdruck für das Eingehen historischer Fakten in nicht-hisund die Funktionalisierung von Geschichte für spezifische toriographische Gattungen 6 Rezipienteninteressen. Angesichts der vor allem im 12./13. Jahrhundert anzutreffenden Verschiedenheit zwischen der „gewaltigen Erweiterung des Trojanerkriegs in den französischen Texten" und der ,,massive[n] Reduktion in den lateinischen Chroniken" stellte der Romanist Marc-René Jung vor einigen Jahren weiterführende Überlegungen zur Wirksamkeit und gegenseitigen Durchdringung der verschiedenen Überlieferungen an. Demnach hätten Romanliteratur und lateinische Chronistik zunächst „zwei verschiedene[n] Welten" angehört; erst die Romanliteratur und die später von ihr durchdrungenen Geschichtswerke vermochten es, ein breiteres Laienpublikum zu erreichen.27 Konsequent zu Ende gedacht, würde diese These herkömmliche Annahmen über die identitätsstiftende und herrschaftslegitimierende Rolle trojanischer Herkunftserzählungen in der Historiographie vor dem 12. Jahrhundert radikal in Frage stellen. Allein, auch hier fehlen Untersuchungen, die eine solche Ansicht untermauern könnten. Nur allzu berechtigt ist daher Jungs Forderung gegenüber den Historikern, auch auf volkssprachliche Texte einzugehen und die Vermittlungswege bei den Bezugnahmen auf den TrojaStoff genauer zu betrachten.28 Ein grundsätzliches Problem bei der Beschäftigung mit der mittelalterlichen TrojaThematik betrifft die Uneinheitlichkeit und Ungenauigkeit der verwendeten Begrifflichkeiten. Zwei Beispiele aus der älteren Literatur sollen das zunächst verdeutlichen: Als Wilhelm Greif 1886 der Trojaner-Sage eine Studie widmete, ging er nicht wie Lüthgen, Klippel oder Grau auf Herkunftserzählungen ein29, sondern ausschließlich auf literarische Troja-Rekurse, in denen der Ursprungsgedanke keine Rolle spielte; dabei kam er Ähnlizu gänzlich anderen Schlussfolgerungen hinsichtlich der che Unscharfen zeigen sich bei der Verwendung des Begriffs Legende: Faral bezog ihn auf Erzählungen von trojanischen Ursprüngen, Gorra auf Herkunftserzählungen in der Historiographie und Bearbeitungen des Troja-Stoffs in der Literatur, Morf dagegen lediglich auf von Benoîts «Troja-Roman» ausgehende Rezeptionsstränge, die nichts mit der Herkunftsproblematik zu tun hatten.31 Diese seit den Anfangen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem mittelalterlichen Troja-Stoff bestehenden Begriffs-

Quellengrundlagen.30

26 Vgl. ebd., 213. 27 Siehe Jung, Trojanerkrieg, 2001, hier 17, 26, 31f 28 Vgl. ebd., 32. 29 Vgl. Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876; Klippel, Trojanersage, 1936; Grau, Trojasage, 1938. 30 Wilhelm Greif (Trojanersage, 1886, 2) ging davon aus, dass die vermeintlichen Augenzeugenberichte von Dares und Dictys für das Mittelalter wesentlich gewesen seien, dagegen werden in den anderen drei genannten Arbeiten Dares und Dictys überhaupt nicht erwähnt. 31 Vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 1, 1929, Appendice I, 262-288; Gorra, Leggenda troiana, 1887; Morf Légende de Troie en Italie, 1895; Ders., Légende de Troie en Italie et en Espagne, 1892.

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Troja im Mittelalter

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Forschungsüberblick

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Schwierigkeiten, welche nur bedingt auf facherspezifische Zugangsweisen zurückzufühsind, setzen sich bis in die heutige Zeit fort, ja viel mehr noch: sie werden komplizierter durch einen allmählichen Bedeutungswandel der Termini und den in den vergangenen Jahren immer häufiger gebrauchten Ausdruck Mythos. Trotz des verwirrenden Nebeneinanders an Bezeichnungen für mittelalterliche Troja-Bezüge scheint der Mythosbegriff gegenwärtig den komplexen Phänomenbereich am besten zu erfassen. Eine umfassende theoretische Reflexion steht hier jedoch noch aus. Die für die vorliegende Studie zentrale Frage, wie das große Interesse an dem antiken Mythenstoff in vielen europäischen Regionen während des Mittelalters zu erklären ist, zielt zugespitzt formuliert auf das Woher (bzw. in umgekehrter Richtung Wohin) und das Warum mittelalterlicher Troja-Reminiszenzen, das heißt auf die Anfänge bestimmter Überlieferungstraditionen, deren Grundlagen und Weiterwirken einerseits sowie auf die Motivationen der Autoren und die Funktionen der Erzählungen andererseits. Anhand beider Fragenkomplexe werden im Folgenden sowohl ,nationale' Forschungstraditionen als auch disziplinenspezifische Zugangsweisen herausgearbeitet. ren

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Grundlagen und Tradierung

Bekanntlich sind die frühesten mittelalterlichen Adaptionen trojanischer Herkunftserzählungen in der fränkischen Historiographie überliefert, und es lag in der Natur der Sache, dass sich bereits die ersten quellenkritischen Untersuchungen mit dem Woher dieser Versionen beschäftigten. Breit diskutiert wurde diese Frage zuerst in der deutschsprachigen Forschung. Ein wichtiger Impuls war 1856 von Karl Ludwig Roth ausgegangen, der die mittelalterlichen Herleitungen von den Trojanern nicht mehr als bloße Fabeleien abtat, sondern nach ihrem historischen Gehalt und ihrem Quellenfundament befragte. Diese Herangehensweise ließ ihn die aus römischer Tradition übernommene Herkunftserzählung der Franken als eine im Kern „gallische und germanische Stammessage" deuten und davon ausgehen, es habe sich bei den ersten Verschriftlichungen um „einen historisierenden Commentar zu einem Götter- und Heroenmythus" gehandelt.33 Roths Thesen blieben nicht unwidersprochen. Mit einer Quellenstudie entkräftete Friedrich Zarncke 1866 Roths Annahme von den „volkstümlichen" bzw. „mythischen" und fand damit breite Grundlagen der fränkischen Es wur-

Trojasage34

Zustimmung.35

32

Vgl. Roth, Trojasage, 1856. Diese Zugangsweise war an sich nicht neu, wurde hier jedoch erstmals durch Quellenbelege untermauert. Siehe dazu den Überblick über den Stand der Forschungen zu fränkischen Erzählungen über eine trojanische Herkunft: Lüthgen, Fränkische Trojasage,

33

Vgl. Roth, Trojasage, 1856, 34, 47. Mit diesen Hypothesen steht Roth in der Tradition der älteren Forschung, vgl. Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876, 9f. Vgl. Zarncke, Trojanersage, 1866, bes. 257, 284f.

1876, 1-3.

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Einleitung

den sogar generelle Zweifel geäußert, „ob die Sage zu irgend einer Zeit im ganzen Mittelalter volksthümlich in dem Sinne je gewesen ist, dass außer den Historikern das ganze Volk sich mit derselben beschäftigte, dieselbe treu bewahrte und den Nachkom6 Vor diesem Hintergrund sprach man künftig meist von gelehrten men überlieferte". Konstruktionen bzw. Traditionen. Basierend auf diesen Quellenstudien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, konnte alsbald gezeigt werden, dass weder der sogenannte «Fredegar» (um 660) noch der Autor des «Liber Historiae Francorum» (727, erste Redaktion) als die eigentlichen Erfinder der fränkischen „Trojanersage" anzusehen sind. Es war vor allem Edmund Lüthgen, dem wir neben dem Verweis auf Gregor von Tours die wichtige Einsicht verdanken, dass Vergils «Aeneis» nur indirekt eine Quellengrundlage dargestellt hat. Die Thematisierung des trojanischen Mythenstoffs resultiere stattdessen aus der Beschäftigung mit Hieronymus, der im Mittelalter große Autorität genoss.38 Die von Bruno Krusch besorgte Edition des «Liber Historiae Francorum»39 wirkte schließlich als erneutes Movens, sich mit den fränkischen Trojaner-Erzählungen auseinanderzusetzen40 und hier zu weiteren Differenzierungen zu gelangen. So öffnete Oskar Dippe nicht nur den Blick für eine Reihe weiterer (spät)antiker und frühmittelalterlicher Quellen41, sondern vertrat ähnlich wie bereits Roth vierzig Jahre zuvor die Ansicht, die «FredegarChronik» enthalte zum Teil Einflüsse einer älteren „gallo-romanischen Trojanersage". Die Frage nach den gallorömischen Anfangen wurde 1956 von Hildebrecht Hommel vertieft4 der auf die Hypothese zurückgriff, es habe sich hier um eine herrschaftspoli-

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36 37 38

39 40 41

42 43

Vgl. Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876, 10-12; Heeger, Trojanersagen, 1890, 7; Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, bes. If, XVIII. Auf die genannten Arbeiten wird in der Regel auch in späteren Untersuchungen verwiesen. Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876, 12. Zuletzt Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 124f. Vgl. Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876, bes. 8, 47f Daran anknüpfend vertrat Heeger die Ansicht, dass «Fredegar 1» aus den „verschiedenen dem Hieronymus entnommenen Namen und Nachrichten" eine „Stammessage der Franken" habe schmieden wollen, und zwar „indem er das Beispiel der Römer nachahmtfe] und den Ursprung des fränkischen Volkes an die sagenberühmte Zerstörung Trojas knüpftfe]" (Heeger, Trojanersagen, 1890, 18). Oskar Dippe (Fränkische Trojanersagen, 1896, II, IV) warf Heeger später vor, erneut von einer „Erfindung" der fränkischen Trojaner-Sage durch den ersten Autor der Fredegar zugeschriebenen Chronik zu sprechen. Liber Historiae Francorum, ed. Krusch, 1888. Vgl. dazu auch Grau, Trojasage, 1938, 7. Bei der Untersuchung der Troja-Passagen im «Liber Historiae Francorum» und im «Fredegar» konnte Oskar Dippe als Quellenvorlagen neben Gregor von Tours und Isidor von Sevilla auch Sidonius Appolinaris und Ammianus Marcellinus identifizieren, während er für «Fredegar» die Auffassung bestätigte, dass hier Hieronymus, Hydatius und Orosius verarbeitet worden waren. Vgl. Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, IV-XIV. Siehe ebd., IV-VI. Vgl. Hommel, Trojanische Herkunft, 1956, bes. 337-339, 441. Zu den antiken Ursprüngen der trojanischen Herkunftsidee siehe auch Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungs-

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Troja im Mittelalter

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Forschungsüberblick

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tisch motivierte Verschriftlichung populärer Traditionen gehandelt. Als Jonathan Barlow sich 1995 ein weiteres Mal den römisch-gallischen Traditionen der fränkischen Troja-Erzählungen zuwendete, vermutete er und Eugen Ewig wies dies wenig später als schlüssig nach -, dass der Gedanke, die Ursprünge der Franken bei den Trojanern zu suchen, wohl bereits im sechsten Jahrhundert aufkam.45 Ein vorläufiges Ende der Diskussion um die Entstehungszeit der fränkischen Versionen markiert die Studie von Hans Hubert Anton, der die Existenz eines fränkischen Königsmythos, in dem sich biblische und mythische Elemente zur Entstehung und Wanderung der gens Francorum mit gelehrter Herleitung der fränkischen Herrschaftsordnung verknüpfen, nicht vor dem 7. Jahrhundert wahrscheinlich machte. Auch auf französischer Seite erfolgte eine Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Troja-Thematik bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Anders jedoch als in der deutschen Forschung stand hier zunächst nicht die fränkische Historiographie im Mittelpunkt, sondern ein literarisches Werk: der «Roman de Troie» des Benoît de SainteMaure. Seit der grundlegenden Untersuchung von Aristide Joly aus dem Jahr 187047 fehlt in kaum einer Untersuchung zur Troja-Thematik ein Hinweis auf dieses in der europäischen Literatur des Mittelalters einflussreiche Werk.48 Benoît gilt als der „eigentliche Vater der mittelalterlichen Trojadichtung" sein «Troja-Roman» als „texte -

,

sagen, 1982, 98; Alföldi, Trojanische Urahnen, 1957; Frenzel, Stammbaum der Este, 1963, 190, Anm. 4. 44 „Denn die Franken hatten an sich allen Grund, zur Befestigung ihrer am Ende des 5. Jhdts. erworbenen Machtstellung in Gallien die bedeutenden keltoromanischen Überlieferungen zu übernehmen, wie es ja auch für Sprache und Kultur die weitere Entwicklung deutlich zeigt." (Hommel, Trojanische Herkunft, 1956, 339). Hommel betonte in diesem Zusammenhang die wichtige Rolle der Gelehrten „beim Überdenken, Umbilden und Neuprägen der Tradition ihres Volkes" zur „Hebung des nationalen Ansehens" und wies auf die Durchdringung von „Sage, kultureller[r] Propaganda, politische[n] Bündnissen und Ehrungen, gelehrte[r] Spekulation, nationale[n] Geschichtstendenzen" hin (ebd., 341). 45 Wie Barlow (Gregory of Tours, 1995, 93) nahm auch Ewig (Troja, 1998, 4-6; Trojamythos, 1998, 25) an, Fredegars on'go-Version sei im Reich des merowingischen Königs Theudebert I. (gest. 547) konzipiert und im Laufe des 6. Jahrhunderts mit Zusätzen versehen worden. Metz fungierte wohl als wichtiges Verbreitungszentrum für die „fränkische Trojamär" (Ewig, Trojamythos, 1998,

16).

46 47 48

Vgl. Anton, Troja-Herkunft, 2000, bes. 30. Siehe zuletzt Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Les Francs, les Français et la France" (ohne S.). Vgl. Joly, Benoît, Bd. 1, 1870. An neueren Forschungen seien stellvertretend genannt CroizyNaquet, Pyrrhus, 1997; Gnädiger, Benoît, 1980 (dort mit Literaturangaben). Hinsichtlich der Rezeption des «Roman de Troie» im europäischen Kontext können die Ausführungen von Aristide Joly als wegweisend gelten; vgl. Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 397-524. In der Folge sind diese durch vielfältige Studien vertieft und ergänzt worden, die hier nicht im Einzelnen

49

genannt werden können.

Greif Trojanersage, 1886, 6. Benoîts als „Ausgangspunkt 765).

In vergleichbarer Weise hob Elisabeth Frenzel den «Troja-Roman» der mittelalterlichen Trojaromane" hervor (Frenzel, Stoffe, 1983,

26

/.

Einleitung

fondateur", der so Marc-René Jung die „mittelalterliche Trojalegende" sowohl in lateinischen wie in französischen Texten im 12. Jahrhundert in Frankreich begründet habe50. Da der «Troja-Roman» keinen Herkunftsmythos expressis verbis enthält51, dominierten bei der Beschäftigung mit ihm neben dem Konnex zu anderen antikisierenden Romanen in französischer Sprache52 motiv- und vor allem rezeptionsgeschichtliche53 Ansätze. Wie quellenkritische Untersuchungen zeigen konnten, war auch Benoît kein Mythenerfinder im eigentlichen Sinne, sondern schöpfte aus (spät)antiken Schriften, insbesondere aus den vermeintlichen Augenzeugenberichten des Dares Phrygius und Dictys Cretensis.5 Als nationales Thema wurden trojanische Ursprungsbehauptungen von der französischen Forschung erst weit nach Ende des Zweiten Weltkriegs entdeckt. Einflussreich waren hier vor allem die Arbeiten von Colette Beaune, die den Troja-Mythos als essentiellen Bestandteil der sich im Mittelalter formierenden französischen Nation deutete. Untersuchungen zu mittelalterlichen Troja-Reminiszenzen in England nahmen von der Beschäftigung mit ,deutschen' und fränkisch-französischen Troja-Traditionen ihren Ausgang. Bereits Aristide Joly kam in seinen Studien zu Benoîts «Roman de Troie» auf verschiedene anglonormannisch-englische Überlieferungen zu sprechen56 und machte auf den Entstehungszusammenhang der «Historia Regum Britannie» (bzw. ihrer Bearbeitungen) und dem «Troja-Roman» aufmerksam.57 Richtungweisend waren sodann die Untersuchungen von Hans Matter und Edmond Faral aus den 1920er-Jahren. Auch wenn sich beide nicht ausschließlich der Troja-Thematik widmeten, befassten sie sich -

-

-

-

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53

54

55 56 57

Jung, Trojanerkrieg, 2001, 10. Explizit dazu ebd., 12f. Siehe beispielsweise Thompson, Trojan War, 2004, 138-145; Croizy-Naquet, Thèbes, Troie et Carthage, 1994; Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991; Scherer, Legends of Troy, 1963.XII-XVII. Zur Rezeption in der französischen, italienischen und englischen Literatur siehe Graus, Troja, 1989, 31; Williams, Mistaken Identity, 1984; Buchthal, Historia Troiana, 1971, 3f; Scherer, Legends of Troy, 1963, XIII; Woledge, Légende de Troie, 1953. Zur rumänischen und bulgarischen Literatur vgl. Braccesi, Leggenda di Antenore, 1984, 140. Zu böhmischen Verarbeitungen vgl. Graus, Troja, 1989,27. Der «Roman de Troie» spielte offenbar eine Schlüsselrolle innerhalb der mittelalterlichen Rezeption von Dares und Dictys; hierzu u. a. Thompson, Trojan War, 2004, 126, 130-137; Jung, Trojanerkrieg, 2001, 10-15; Merkle, Dictys und Dares, 1990; Graus, Troja, 1989, 28f, 31; Buchthal, Historia Troiana, 1971, 2; Reinhold, Unhero Aeneas, 1966, 195-202. Allgemein über die Quellengrundlagen (darunter auch Ovid, Hygin, Servius, Vergil) siehe Graus, Troja, 1989, 27f; Homeyer, Helena und der trojanische Krieg, 1977; Reinhold, Unhero Aeneas, 1966, 202-207. Siehe Beaune, Naissance, 1993 (1985), bes. 25-39; Beaune, L'utilisation politique, 1985. Ähnlich auch Barrera-Vidal, Mythes de fondation de la France, 1990, zu Troja 15 u. 17f. Vgl. Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 126-145. Vgl. ebd., 132.

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ein

Troja im Mittelalter

27

Forschungsüberblick

-

doch erstmals eingehend mit dem Herkunftsmythos Geoffreyscher Prägung. Geoffrey von Monmouth (ca. 1090/1100 bis um 1151/55) gilt gemeinhin als „Begründer der englischen Troja-Tradition" weil er durch seine Darstellung das konkurrierende Nebeneinander englischer und keltischer Gründungssagen beendet und den anglonormannischen Königen erstmals eine eigenständige historische Legitimation verliehen habe.60 Aus einer anderen Perspektive, und zwar vor dem Hintergrund sozialer und institutioneller Veränderungen, wertete Francis Ingledew Geoffreys «Historia» als Exempel für die sich im 11./12. Jahrhundert herausbildenden „neuen Texte".61 Während die Quellenbasis und das Fortwirken der Geoffreyschen Ursprungserzählung verschiedentlich untersucht wurden galt der Historiographie in der Zeit davor insgesamt recht wenig Aufmerksamkeit. Ein 1998 publizierter Aufsatz befasste sich zwar mit dem Gedanken ,

,

58

war 1922 einer der ersten, der sich mit Geoffreys Brutus-Geschichte und ihrer Rezeption eingehender beschäftigte und sie als eine von mehreren englischen „Reichsgründungssagen" analysierte (vgl. Matter, Englische Gründungssagen, 1922). Die ersten beiden Teile dieser Monographie entsprechen im Wesentlichen der im Jahr zuvor veröffentlichen Dissertation des Autors (vgl. Matter, Englische Gründungssagen 1921). Neu hinzugefügt wurden der dritte Teil über die Städtegründungen, der vierte Teil über „Sage und Politik" und der fünfte Teil über die Bedeutung der Gründungssagen bis zur Renaissance. Als „Reichsgründungssagen" definierte

Hans Matter

Matter „solche, die erzählen, wie die verschiedenen Rassen und Völker in den Besitz der Insel gelangt sind, wie sie den englischen Boden erworben und erobert haben" (vgl. ebd., 46). Neben der „Sage von Brutus und seinen Söhnen" (50-119) behandelte er die „Sage von Hengist und Vortigern" (119-241), die „Sage von Havelok und Buern" (241-299), die „Sage von Maiden Inge oder Königin Angela" (299-304) sowie die „Sage von Albina und den Riesen" (304-326). In seiner umfangreichen Studie über die „Artus-Legende" kam Edmond Faral mehrfach auf die trojanischen Ursprünge zu sprechen, ohne ihnen sein Hauptaugenmerk zu widmen. Vgl. Faral, Légende arthurienne 1929, bes. Bd. 1, 170-185, 192-198 (zur «Historia Brittonum»); Bd. 2, 68-92 (zur «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth). So Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, am Anfang des Kap. „La Grande-Bretagne et la Bretagne armoricaine" (ohne S.). Vgl. Busse, Brutus in Albion, 1994, 209-213. Francis Ingledew meinte mit dem Begriff der „new texts" diejenigen Werke, in denen sich ein neues historisches Bewusstsein spiegelte, welches sich im Umfeld aristokratisch-laikaler Kultur herausgebildet hatte. Er stellte diese „neuen Texte" Werken gegenüber, die sich an biblischen Paradigmata in der Tradition spätantiker Autoren orientierten. Vgl. Ingledew, Troy, 1994, bes. 666669; zum Begriff der „new texts" ebd., 669. Eine umfangreiche neuere Studie zur Thematik liegt nicht vor. Verweise zu einschlägigen Untersuchungen werden weiter unten im Kap. 5.3 gegeben. Abgesehen von dem Überblick bei Aristide Joly (vgl. Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 126-145) wurde die Troja-Thematik in Zusammenhang mit der anglonormannischen Historiographie nur peripher, oftmals auch gar nicht behandelt. Stellvertretend genannt sei an dieser Stelle eine 1996 erschienene Untersuchung von Claude Carozzi (vgl. Carozzi, Des Daces aux Normands, 1996) über den Rollo-Mythos und die Daker-Dänen-Herleitung bei Dudo von St. Quentin. Daneben wurden die anglonormannischen Versionen des Öfteren im Zusammenhang mit den fränkischen Herkunftserzählungen behandelt, so Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Les Daces, les Scandinaves et les Normands" (ohne S.); Heeger, Trojanersagen, 1890, 25-35; Faral, Légende arthuri-

59 60 61

62 63

28

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Einleitung

der trojanischen Herkunft in der frühen anglonormannischen Geschichtsschreibung, bot aber wenig mehr als eine Synthese älterer Teiluntersuchungen und vermochte über bestehende Erkenntnisse nicht hinauszuweisen.6 Was die Anfange des trojanischen Herkunftsmythos in England betrifft, so sind in der Forschungsliteratur zwei weitere Überlieferungen als wichtig hervorgehoben worden: das Geschichtswerk «De Moribus Et Actis Primorum Normanniae Ducum» des Dudo von St. Quentin (um 960-1026) und die «Historia Brittonum» (um 830), welche nach herkömmlicher Ansicht Nennius zugeschrieben wird.65 Dudo ist als „Entdecker bezeichnet worden, wohingegen der englisch-anglonormannischen die «Britengeschichte» der Überlieferung nach die erste trojanische Herkunftsversion aus der Großregion England darstellt. Weil die Aufmerksamkeit verstärkt der späten anglonormannischen Historiographie galt, erfolgte eine eingehendere Beschäftigung mit der Troja-Thematik in der «Historia Brittonum» erst in den vergangenen Jahren.67 Den

Troja-Tradition"66

1, 1929, Appendice I, 288-293; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 102. 64 Die Autorin, Gioia Paradisi, ging hier auf die entsprechenden Passagen bei Dudo von St. Quentin enne, Bd.

und in den «Gesta Normannorum Ducum» Wilhelms von Jumièges ein und setzte damit ähnliche Schwerpunkte wie Adolf Emile Cohen (Visie op Troie, 1941, 149f.) und Aristide Joly (Benoît, Bd. 1, 1870, 127-129). Im Wesentlichen die Forschungsergebnisse zur Quellenproblematik dieser Werke zusammenfassend bestätigte sie einmal mehr, dass wichtige Einflüsse u. a. auf den «Liber Historiae Francorum» zurückgingen (Paradisi, Etnogenesi e leggenda troiana, 1998, 61 f. u. Anm. 12); von Heegers Ausführungen über die „Trojanersage der Normannen (Gothen)" scheint die Autorin keine Notiz genommen zu haben (Heeger, Trojanersagen, 1890, 25-35). Das eigentliche Anliegen der Untersuchung, die Lücke zwischen den ersten normannischen Autoren und späteren französischsprachigen Werken (Wace, Benoît) zu schließen (Paradisi, Etnogenesi e leggenda troiana, 1998, 59), erfüllt Paradisi jedoch nur insofern, als sie die Fortdauer der normannischen Troja-Version bis ins 12. Jahrhundert aufzeigt. In welcher Form diese Ideen schließlich in den von ihr genannten Werken später adaptiert werden, bleibt eine unbeantwortete Frage. 65 Vgl. Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898. Zur Datierung mit weiteren Hinweisen Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 126 einschließlich Anm. 2. Das im Kontext der britischen Frühgeschichte häufig genannte Werk des Gildas (vgl. Gildae De excidio et conquestu Britanniae, ed. Mommsen, 1898) erwähnt die Trojaner nicht. 66 Oldoni, Storiografia normanna, 1975, 139. Ähnlich auch Faral, Légende arthurienne, Bd. 1, 1929, Appendice I, 289; Heeger, Trojanersagen, 1890, 34f. („Nach all dem sehen wir, dass Saxo Grammaticus recht hat, wenn er am Anfange seiner Historia Daniae [Gesta Danorum] Dudo als den Urheber der normannischen Trojanersage bezeichnet." Ebd., 35). Als am Anfang einer eigenständigen Tradition stehend wird Dudo auch erwähnt bei Coumert, Mémoire de Troie, 2006, 333f, 337. 67 Siehe z. B. bei Coumert, Mémoire de Troie, 2006, 333, 336; Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „La Grande-Bretagne et la Bretagne armoricaine" (ohne S.); Borgolte, Troia, 2001, 197; Rio, Mythes fondateurs, 2000, 45-54. Obwohl in quellenkritischen Untersuchungen schon früh darauf hingewiesen wurde, dass die «Historia Brittonum» die wichtigste Vorlage für Geoffreys Darstellung der britischen Vorgeschichte bildete, fand sie in Studien zur trojanischen Herkunftsidee lange keine gebührende Beachtung.

1.

Troja im Mittelalter

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Forschungsüberblick

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britisch-englischen Troja-Erzählungen insgesamt widmete sich Joseph Rio in einer Arbeit zu den Gründungsmythen in der Bretagne.68 Sah man den anglonormannisch-englischen Herkunftsmythos als eine Nachahmung französischer Versionen oder in Konkurrenz zu ihnen6 so wurden .deutsche' Rückführungen auf liions Flüchtlinge weitgehend als bloße Fortschreibungen der fränkischen „Trojasage" betrachtet.70 Für andere aus dem Reichsgebiet überlieferte Troja-Rekurse, vor allem im Bereich der höfischen Literatur71, verwies man dagegen auf Einflüsse aus den antikisierenden französischsprachigen Romanen, insbesondere Benoîts «TrojaRoman».72 Ein mittelalterliches Werk, dessen Version ähnlich innovativ und von nachhaltiger Wirkung gewesen wäre wie der «Fredegar» oder die «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth, lässt sich in diesem Zusammenhang anscheinend ,

ebenso schwer benennen wie im Gebiet Italiens. Über italienische Trojaüberlieferungen fehlen Überblicksdarstellungen neueren Datums73, weshalb nach wie vor auf eine Studie Egidio Gorras von 1887 zurückzugreifen ist. Anhand verschiedener Bearbeitungen des Troja-Stoffs, vor allem Herkunftserzählungen, zeichnete der Autor eine lange Kontinuitätslinie von der Antike bis zum ausgehenden Mittelalter und postulierte eine pagane Tradition, die im gesamten europäischen

68

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70 71 72

73

Vgl. Rio, Mythes fondateurs, 2000. Joseph Rio behandelt in erster Linie Identitätsaspekte und geht dabei der Frage nach, warum es erst im 16. Jahrhundert dazu kam, dass Vorstellungen von gallisch-keltischen Ursprüngen trojanische Herkunftskonstruktionen in den erzählenden Texten Britanniens bzw. der Bretagne (das französische „Bretagne" meint beides) ablösten. Er bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf Troja-Texte, sondern auch auf die Erzählung von Conan Mériadec. Rios Arbeit ist nicht immer stringent in der Argumentation und lässt den Leser mit einer Fülle unbeantworteter Fragen allein. Durch einen Seitenblick auf französische Überlieferungen stellte Rio u. a. die These auf, die Brutus-Geschichte sei eine „bretonische Legende" („légende armoricaine") und ihr Erfolg beruhe nicht auf dem Bezug zur trojanischen, sondern zur römischen Vergangenheit. Ebd., 52, 62. Siehe dazu u. a. Van Eickels, Die englisch-französischen Beziehungen, 2002, 282f; Borgolte, Troia, 2001, 199; Short, Language and Literature, 2003, 211; Rio, Mythes fondateurs, 2000, 33, 45, 65; Faral, Légende arthurienne, Bd. 1, 1929, Appendice I, 292. Zu den Einflüssen der fränkischen Troja-Herleitungen in englischen Überlieferungen siehe auch Paradisi, Etnogenesi e leggenda troiana, 1998, 61 f. u. Anm. 12. Siehe dazu weiter unten die Ausführungen über die Hintergründe der ersten wissenschaftlichen Beschäftigungen mit den trojanischen Herkunftserzählungen. Zur deutschen Troja-Literatur bzw. -Dichtung vgl. Brunner, Deutsche Troialiteratur, 2001; Lienert, Deutsche Troiadichtungen, 2001; Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 7-10. Unter die Rezipienten des «Roman de Troie» des Benoît de Sainte-Maure zählen Herbort von Fritzlar («Liet von Troye») und Konrad von Würzburg («Trojanerkrieg»). Vgl. Lienert, Deutsche Troiadichtungen, 2001, 206-209. Als „Wegbereiter der deutschen Troja-Dichtung" gilt wiederum Heinrich von Veldeke; auch sein Hauptwerk «Eneit» schloss sich eng an Benoît und seine Fortsetzer an. Vgl. Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 7; Schneider, Der Trojanische Krieg, 1968,7. So auch Melville, Troja, 1987, 419, Anm. 14.

30

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Einleitung

Mittelalter und insbesondere in Italien weitergelebt habe. Da den Troja-Bezügen in italienischen Quellen fortan nur geringes Interesse entgegengebracht wurde, ist man ohne eigenes zeitaufwendiges Quellenstudium noch immer auf Gorras materialreiche Arbeit angewiesen, trotz ihrer bisweilen unhaltbaren Thesen und problematischen Methodik.75 Wenig ergiebig ist der kürzlich von Michael Papio publizierte Artikel zur „Trojalegende" in Italien. Er konzentriert sich auf einige dem literarischen Bereich zuzuordnende Troja-Referenzen des Spätmittelalters (die «Historia Destructionis Troie» des Guido délie Colonne und ihre Übersetzungen, daneben Brunetto Latini, Giovanni Fiorentino, Dante Alighieri, Giovanni Boccaccio), während die italienische Chronistik abgesehen von der Nennung der Florentiner Historiographen Ricordano Malaspina und Giovanni Villani vollständig übergangen wird.76 Einmal mehr verdeutlichen die von Papio im Anhang gegebenen Literaturhinweise, dass sich die Forschung zur italienischen Troja-Thematik bisher weitgehend auf die Rezeptionsgeschichte von Guidos «Historia» beschränkte. Auf die Bedeutung trojanischer Ursprungsbehauptungen für die ober- und mittelitalienische Städtelandschaft ist verschiedentlich hingewiesen worden. Die Zahl der sich im Mittelalter auf Troja zurückführenden Städte wurde auf ungefähr einhundert geschätzt.77 Wenngleich im Kontext einzelner städtischer Überlieferungen die Troja-Thematik des Öfteren berührt wurde78, fehlen vertiefende Analysen zu diesem Problembereich. Neben der Suche nach den Anfangen mittelalterlicher Troja-Traditionen stand die Frage, wann diese infolge kritischer Widerlegung ihr Ende fanden ein Aspekt, der von Historikern teleologisch als Indikator für zunehmende Rationalität und Modernität ge-

-

-

74 75

Vgl. Gorra, Leggenda troiana, 1887, bes. 60-62. Egidio Gorra untermauert seine Behauptung, die „Trojanerlegende" sei seit der Antike das gesam-

hindurch nicht nur in schriftlichen Überlieferungen, sondern auch in mündlichen Traditionen lebendig gewesen, indem er sich auf antike, spätantike sowie hoch- und spätmittelalterliche Werke bezieht, ohne das zwischenzeitliche, mehrere Jahrhunderte andauernde Schweigen der Quellen zu erklären. Ebenso überträgt er die aus einer sehr dürftigen Überlieferung abgeleiteten Beobachtungen auf ganz Italien, nimmt hier aber keine territorialen oder zeitlichen Eingrenzungen vor, was zu unhaltsamen Pauschalierungen führt. 76 Vgl. Papio, Troy, 2004. 77 Siehe Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 81, Anm. 38; Reichert, Spuren Homers, 2006, 263; Buck, Italienisches Selbstverständnis, 1963, 68; Graf, Roma, Bd. 1, 1882, 25. Erst jüngst wieder verwies Knut Görich (Troia im Mittelalter, 2006, 131f.) auf die sehr große Anzahl italienischer Städte mit angeblich trojanischen Ursprüngen und sah in den bei Galvano Fiamma (1283 bis nach 1344) aufgeführten Etymologien einen Höhepunkt erreicht. 78 Wo Untersuchungen die Zeit des 12. Jahrhunderts und davor betreffen, werden sie an entsprechender Stelle in die vorliegende Studie einbezogen. Eine systematische Zusammenstellung der Forschungsliteratur zu spätmittelalterlichen Troja-Referenzen im städtischen ,Ambiente' Italiens kann hier nicht gegeben werden, da diese bisher kein zentrales Untersuchungsfeld der Geschichtsforschung bildeten. Die Zusammenstellung und Auswertung der relevanten Informationen böte Stoff für ein eigenständiges Projekt. te Mittelalter

1.

31

Troja im Mittelalter- ein Forschungsüberblick

deutet wurde. Gemeinhin wird das 15./16. Jahrhundert als eine Hochphase angesehen, nach der es zu einem merklichen Abflauen trojanischer Ursprungsbehauptungen gekommen sei.80 Zumindest für England und Frankreich haben jedoch jüngere Studien zeigen können, dass nach dieser ersten Phase der Kritik ein erneuter Rückgriff auf mittelalterliche Troja-Herleitungen während des 17. Jahrhunderts erfolgte, der erst im 18. Jahrhundert ein für alle Mal zum Erliegen kam.81 Dem Versiegen bestimmter nichthistoriographischer Troja-Traditionen wurde bisher keine größere Aufmerksamkeit geschenkt, da es vor allem darum ging, die Wirkungsmächtigkeit des Troja-Stoffs anhand von Kontinuitätslinien aufzuzeigen. Nachhaltige Veränderungen bei der Verwendung des Troja-Stoffs sahen die Literaturwissenschaftler Elisabeth Lienert und Horst Brunner infolge humanistischer Einflüsse. Diese hätten dazu geführt, dass der Trojanische Krieg ab dem 16. Jahrhundert in der Literatur als „antike Dichtung" und „nicht mehr als historisches Ereignis und ,Spielwiese' für mittelalterlich-höfische Konzeptualisierungen"

galt.82

Weil sich sowohl der Blick zurück auf die Anfange bestimmter Traditionen als auch nach vorn auf die Rezeption von Werken und Ideen in den meisten Fällen auf Kontinuitäten richtete bzw. diese implizierte, kam nur vereinzelt zur Sprache, dass die Oberfläche dieses scheinbar endlosen Troja-Flusses nicht immer glatt war. In mehreren Großregionen zeichnet sich ab dem 12. Jahrhundert eine Phase verstärkter Troja-Rekurse ab, und zwar in England und Frankreich in Form dynastischer Herkunftskonstruktionen und verschiedener literarischer Bearbeitungen des sowie in Italien

Mythenstoffs83

79 So u. a. bei Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 87. 80 Vgl. Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 126; Borgolte, Troia, 2001, 201-203; Brückte, Noblesse oblige, 2000, 39-41 (mit Hinweisen auf frühere Kritiker); Rio, Mythes fondateurs, 2000, 34, 155163, 223; Tanner, Last Descendant of Aeneas, 1993, 52-66; Melville, Troja, 1987, 420, 431f; Beaune, Naissance, 1993 (1985), 25-74 u. Dies., L'utilisation politique, 1985. 81 Wie Georg Huppert (Trojan Franks, 1965, bes. 229 u. 241) für Frankreich zeigte, avancierte die Idee trojanischer Ursprünge, nachdem sie im Verlauf des 16. Jahrhunderts nicht nur aus gelehrten Zirkeln, sondern auch aus dem Herrscherhof und der französischen Öffentlichkeit verdrängt worden war, nach 1600 erneut zu einer offiziellen Geschichtsversion und wurde dann erst im 18. Jahrhundert endgültig ad acta gelegt ein Befund, den der Autor geistesgeschichtlich und soziologisch deutet. In England beobachtete Helene Homeyer (Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 107-110) ein ähnliches Phänomen: Obwohl der „englische Frühhumanismus" mit seinen Bedenken an der geschichtlichen Wahrheit der Brutus-Überlieferung einen wichtigen Einschnitt innerhalb des Tradierungsprozesses markierte, hätten sich parallel dazu zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert immer wieder Stimmen erhoben, die die alte Legende verteidigten. 82 Vgl. Lienert, Deutsche Troiadichtungen, 2001, 211; Brunner, Deutsche Troialiteratur, 2001, 220f. 83 Explizit Rio, Mythes fondateurs, 2000, bes. 91-96, 99-103, 105f; Ingledew, Troy, 1994, bes. 666, Anm. 6 u. 675. Des Weiteren wäre aufzahlreiche Einzeluntersuchungen zu den Überlieferungen des 12./13. Jahrhunderts zu verweisen, die hier nicht alle aufgelistet werden können. -

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32

Einleitung

vornehmlich in Gestalt städtischer Gründungsgeschichten. Was die vorangegangenen und nachfolgenden Jahrhunderte anbelangt, so ließe sich mit dem 6. bis 8. Jahrhundert eine weitere Phase verstärkter Bezugnahmen ausmachen, zumindest im Hinblick auf die trojanische Herkunftsidee in Frankreich und England. Eine ähnliche Dynamik beobachtete bereits Joseph Rio, der für die britische Troja-Überlieferung das 9., 12. und 15. Jahrhundert als Phasen sich häufender Referenzen identifizierte.85 Inwieweit diese Periodisierungen auch auf andere Länder oder Großregionen Europas übertragbar sind, wäre erst noch im Einzelnen zu untersuchen. Die Herkunft der Informationen und die Formen des Wissenstransfers der trojanischen Ursprungsidee im Mittelalter berühren ebenfalls die Frage des Woher. Auf der Basis quellenkritischer Studien konnte eine Reihe von Werken identifiziert werden, auf denen die Troja-Erzählungen jeweils beruhten. Dabei wurde unterschiedlich beurteilt, welche als die wichtigsten Schriften bei der Vermittlung des mittelalterlichen Wissens von Troja anzusehen sind. Waren es die vorgeblichen Augenzeugenberichte des Dares Phrygius und Dictys Cretensis? 6 Oder die Werke der Kirchenväter Augustinus und 84 Arno Borst konstatierte nach dem Ende der staufischen Präsenz in Italien bzw. v. a. seit der «Historia Destructionis Troie» des Guido délie Colonne ein Aufleben trojanischer Herkunftserzählungen „im Dienst der Stadtpolitik" in Oberitalien, nachdem im 10. bis 12. Jahrhundert das „östliche, trojanisch-griechische Element" stark zurückgedrängt gewesen sei (vgl. Borst, Turmbau, Bd. 2.1, 1958, 565 u. Bd. 2.2, 1959, 863). Helene Homeyer setzte diese Aufschwungsphase bereits etwas früher an, indem sie behauptete, dass sich zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert kaum eine italische Provinzhauptstadt nicht auf eine in die Frühzeit zurückreichende trojanische Ursprungsgeschichte berief (Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 97 u. 119, Anm. 22). In diesem Zusammenhang liest man: „E. Gorra zitiert eine ganze Liste von Städten, sie sich noch [sie!] nach dem 13. Jahrhundert rühmten, von trojanischen Flüchtlingen gegründet worden zu sein; sie reicht von den oberitalienischen Städten bis nach Palermo und schließt auch Städte wie Toulouse und Narbonne mit ein" (ebd., 97). Für Susan Reynolds (Medieval Origines gentium, 1983, 377) war das 12. Jahrhundert gar die Zeit trojanischer Stadtgründungsmythen in Italien, wobei anzumerken bleibt, dass die Autorin in dem kurzen Abschnitt über Italien eine eigentümliche Synthese der Ansätze von Egidio Gorra und Arno Borst herstellte und Teilergebnisse aus deren Arbeiten vermengte (die Studie von John Clark [Trinovantum 1981], welche Reynolds fälschlicherweise in der Fußnote 16 [377] im Zusammenhang mit den italienischen Trojaner-Mythen ebenfalls anführt, beschäftigt sich nicht mit Italien, sondern mit der trojanischen Gründungslegende Londons). Ähnlich ging Roberto Bizzocchi in seinem Buch „Genealogie incredibili" davon aus, dass die Vorstellung von einer trojanischen Herkunft bereits seit dem 12. Jahrhundert eine „weit verbreitete Modeerscheinung" war (vgl. Bizzocchi, Genealogie incredibili, 1995, 160f). 85 Siehe Rio, Mythes fondateurs, 2000, 21, 32-42, 45-60, 105-112. 86 In der Regel werden Dares und Dictys im Zusammenhang mit der höfischen Trojaliteratur, insbesondere Benoîts «Troj aroman», dessen vielfältigen Bearbeitungen und den wiederum hiervon be-

hervorgehoben. Vgl. Baumgartner, Légendaire troyen, 2006; Thompson, Trojan War, 2004, 126, 130-137; Müller, Das höfische Troia, 2004, 122; Papio, Troy, 2004, 1098; Lienert, Deutsche Troiadichtungen, 2001, 204f; Cecchini, Troia, 2000; Merkle, Dictys und Dares, 1990; Graus, Troja, 1989, 28f, 31; Mertens/Müller (Hrsg.), Epische Stoffe, 1984, 256; Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 2, 11-28; Buchthal, Historia Troiana, 1971, 2; einflussten Versionen,

1.

Troja im Mittelalter

ein

Forschungsüberblick

33

-

Hieronymus?

War es der römische Dichter Vergil? Oder gar Homer? Und welcher Stellenwert ist den fränkischen Überlieferungen beizumessen? Überblickt man die Vielzahl an Studien zur mittelalterlichen Troja-Thematik, so fallen die Antworten hierauf aufgrund der komplexen Überlieferungsrealität äußerst unterschiedlich aus. Kontroverse Ansichten bestehen des Weiteren darüber, wie die Weitergabe des Wissens über Troja und die Trojaner erfolgte. War der Troja-Mythos ein rein gelehrter Mythos? Oder beruhte er doch (auch) auf volkstümlichen Traditionen? In welchem Ver-

Reinhold, Unhero Aeneas, 1966, 195-202. Daneben sind beide (spät)antiken Autoren auch als

87 88

89

wichtiger Ausgangspunkt für die Troja-Bezüge in der Geschichtsschreibung angeführt worden, allerdings nicht infolge umfassender Quellenstudien, sondern offenbar in Referenz auf die Forschungen zu literarischen Bearbeitungen; vgl. Coumert, Mémoire de Troie, 2006, 330f; Kellner, Genealogie, 2004, 47; Barlow, Gregory of Tours, 1995, 88; Garber, Abstammungstheorien, 1989; Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 81, Anm. 39. Die nachhaltige Wirkung beider Autoren auf die trojanischen Herkunftserzählungen in der mittelalterlichen Historiographie wird u. a. betont bei Garber, Abstammungstheorien, 1989, bes. 124f Lorenzo Braccesi (Leggenda di Antenore, 1984, 140) bezeichnete Vergils «Aeneis» als „heiliges Buch" für mittelalterliche Autoren, die die „Trojanerlegende" politisch ideologisierten. Als zentral hervorgehoben wurde der Einfluss der «Aeneis» auch bei Roeck, Trojaner, Goten und Etrusker, 2003, 62f; Zimmermann, Der Trojanische Krieg, 2003, 403; Rio, Mythes fondateurs, 2000, 23, 27f; Ingledew, Troy, 1994; Mertens/Müller (Hrsg.), Epische Stoffe, 1984, 253; Frenzel, Stoffe, 1983, 764; Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 81 („[...] und schließlich gestaltete Vergil die alte römische Tradition von einer Urverwandtschaft der Trojaner und Römer in seiner Aeneis in einer Form, die für alle Folgezeiten die .klassische' bleiben sollte") oder Gorra, Leggenda troiana, 1887. Im Gegensatz dazu hatte Eugen Ewig festgestellt, dass sich die merowingischen Versionen der fränkischen „Trojalegende" nicht mit der «Aeneis» berührten; die Nennung Vergils im «Fredegar» sei nur deshalb erfolgt, weil der Dichter für den Autor einen großen Namen darstellte (Ewig, Trojamythos, 1998, 12). So kürzlich Reichert, Spuren Homers, 2006, 257f, allerdings unter sehr selektivem Bezug auf die mittelalterliche Quellenüberlieferung. Reichert illustrierte, „was das gesamte Mittelalter in der Nachfolge der antiken Literaturgeschichte von dem griechischen Dichter dachte", anhand einer (nicht näher genannten) Quelle des 8. Jahrhunderts und an drei Autoren des ausgehenden 13. bzw. 14. Jahrhunderts (Dante, Petrarca, Geoffrey Chaucer). Den Widerspruch zwischen der „überschwenglichen Wertschätzung des gesamten Mittelalters für den Dichter Homer" und der „völligen Unkenntnis der ihm zugeschriebenen Werke" glaubte er durch indirekte Überlieferungen, das heißt Vergil, Dares, Dictys und die «Ilias Latina», überbrücken zu können. An anderer

Stelle räumte er hinwieder ein, dass Homer wegen seiner „heidnischen fabulae" moralisch verurteilt worden sei. Aber die sich daraus ergebende Spannung zur „Verehrung des gefeierten Dichters" habe „das Homerbild des Mittelalters" ausgehalten. Vgl. Reichert, Spuren Homers, 2006, 257-259. 90 Annelise Grau formulierte einmal zugespitzt: „Von der Bedeutung der origines im geschichtlichen Denken des Mittelalters sprechen heißt fast, nur nach der Bedeutung der Trojasage der Franken fragen, denn neben ihr treten die übrigen origines fast völlig zurück." (Grau, Trojasage, 1938, 26). Nach Eugen Ewig bildeten die Berichte in der «Fredegar-Chronik» und im «Liber Historiae Francorum» „einen Grundstock, von dem die späteren Versionen ausgehen" (Ewig, Troja-

mythos, 1998, 1).

34

/.

Einleitung

hältnis standen mündliche und schriftliche Überlieferungen zueinander?91 In der Forschung wurde das zeitlich versetzte Auftauchen ähnlicher Versionen in bestimmten Gegenden oft als ein Beweis dafür angesehen, dass Vorstellungen ununterbrochen fortbestanden. Den Abstand zwischen räumlich und/oder chronologisch auseinander liegenden Überlieferungen überbrückte man in der Regel mit gelehrten und wo diese nicht gefunden werden konnten mit populären Traditionen. So steht für die Großregion Italien nach wie vor unüberprüft die Behauptung im Raum, die „italienische Trojanerlegende" sei vom Altertum bis zum Ausgang des Mittelalters auch im „italienischen Volk" weitertradiert worden.92 Ungeachtet der Ergebnisse älterer Untersuchungen wird auch für Frankreich bisweilen behauptet, die Franken hätten an die Trojaner als Ahnherren ihrer „Nation" bzw. ihrer gens geglaubt.93 Zu diesen Pauschalierungen verleiteten offenbar (neben modernen Vorstellungen) die spätmittelalterlichen Herkunftsbehauptungen, bei denen man davon ausging, dass sie weit über gelehrte Kreise hinaus bekannt waren und Verwendung fanden.94 Welcher Wissenshorizont bei den Zeitgenossen bzw. den Rezipienten im Früh- und Hochmittelalter vorausgesetzt werden darf, ist bisher kaum untersucht worden. Dabei ist diese Problematik wichtig für die Beurteilung der Relevanz des mittelalterlichen Troja-Mythos. -

-

1.2

Hintergründe und Motive

im Mittelalter immer wieder auf den Troja-Stoff zurückgegriffen auf Funktionen die der Erzählungen und ist eng verknüpft mit deren Verorwurde, zielt

Die

Frage,

warum

Zur Problematik der Mündlichkeit und der Verbreitung mittelalterlicher Mythen (im Sinne von Herkunftserzählungen) siehe beispielsweise Althoff, Mythen im Mittelalter, 1996, 32f. 92 Diese Hypothese wurde zuletzt von Helene Homeyer (Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 95) vertreten und geht unmittelbar auf Gorras ca. einhundert Jahre zuvor veröffentlichte Arbeit zurück (Leggenda troiana, 1887, bes. 60-62). Ähnlich auch Alberto Del Monte (Storiografia florentina, 1949, 179f.) im Kontext der Anfange der florentinischen Historiographie, wo er jedoch viel stärker als Gorra auf die literarischen Grundlagen der „Trojalegende" und ihre Ausarbeitung durch gelehrte Schreiber hinwies. Ausgehend von antik-heidnischen Reminiszenzen nahm auch Ludwig Traube an, dass bei den Italienern die Erinnerung an die Vergangenheit lebendiger geblieben sei als anderswo (Traube, Roma nobilis, 1891, 304f, dort u. a. ein Beispiel Troja91

Modena). So bei Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 100 („beide Völker [erg. Römer und Franken] rühmten sich nunmehr der gleichen Abkunft") oder Huppert, Trojan Franks, 1965, 227 („The heroes of the Trojan war who figured so prominently in the pedigrees of ancient nations continued to perform the function of mythical sires for the new nations of medieval Europe. The Franks especially [...] filled the darkest recess of their forgotten past with elaborate fictions of ancient Trojan splendor."). Ähnlich Beaune, L'utilisation politique, 1985; Barrera-Vidal, Mythes de fondation de la France, 1990, bes. 15 u. 17f. 94 Für das spätmittelalterliche Frankreich vgl. Bossuat, Origines troyennes, 1958, bes. 191f, 197;

93

Beaune, L'utilisation politique, 1985.

1.

ein

Troja im Mittelalter

35

Forschungsüberblick

-

Kontext. Wesentliche Grundlinien konnte Annelise Grau bereits 1938 in einer Arbeit über die on'go-Erzählungen in der deutschen Geschichtsschreibung herausarbeiten. Mit dem Ziel, die „Geisteshaltung", aus der heraus die mittelalterlichen Herkunftserzählungen entstanden waren, zu verstehen95, ging die Autorin erstmals in dieser Komplexität auf ein ganzes Bündel von Faktoren ein, die für das Fortleben der „Trojasage" wichtig waren. Benannt wurden besonders zwei Funktionen: eine identifikatorische und eine herrschaftslegitimierende. Erstere zeige sich in dem Bedürfnis, die eigene Herkunft und Vergangenheit zu verstehen (deutlich sowie in eivor allem bei der universalgeschichtlichen Verankerung der den nem „völkisch-staatlichen" Wertebewusstsein, das Erzählungen zu Grunde gelegen habe und vom „Erwachen einer national gefärbten geschichtlichen Besinnung" Die zweite komme dadurch zum Ausdruck, dass es in den Herleitungen von den Trojanern immer auch um Begründungen der Rechtmäßigkeit von Herrschaftsansprüchen einzelner Dynastien (Merowinger, Karolinger, deutsche Könige und Kaiser) Daneben stellte Grau andere für die Mythendynamik wichtige Überlegungen an. Sie betonte, dass der Glaube an den Wahrheitsgehalt der Erzählungen und Etymologien eine Grundvoraussetzung für die Bezugnahme gewesen sei, wobei das wiederholte Rekurrieren auf sie glaubwürdigkeitssteigernd gewirkt habe.99 Darüber hinaus forderte sie, man solle nicht nur nach der Kontinuität bestimmter Erzählmuster und signifikanten Unterschieden in den Darstellungen Ausschau halten, sondern auch nach den kleinen Einzelheiten, den Kürzungen und Auslassungen, die ebenfalls etwas über die Tendenz des Autors verrieten.100 Schließlich waren für Annelise Grau die mittelalterlichen Herkunftserzählungen Ausdruck christlichen Denkens.101 Alle diese Elemente wurden in der späteren Forschung mit unterschiedlicher Akzentsetzung vertiefend analysiert und durch weitere Aspekte ergänzt. Spätestens seit der Arbeit von Annelise Grau gehört es zur opinio communis, dass die Rückführung auf alte und ehrwürdige Ursprünge der Untermauerung des Gemeinschaftsbewusstseins102 und der Legitimierung von Herrschaft103 gedient habe, also vordergründig herrschaftspolitirung im

gesellschaftspolitisch-kulturellen

-

-

Erzählungen)96

zeuge.97

gehe.98

95 96 97 98 99 100 101 102

Grau, Trojasage, 1938, 2, 26. Vgl. ebd., bes. 10, 31-35, 58, 60, 64. Vgl. ebd., 10, ähnlich auch 36, 38, 52f, 57, 63. Siehe ebd., bes. 28-31,36. Vgl. ebd., 25. Vgl. ebd., 27. Diesen Anspruch setzte die Autorin selbst jedoch kaum um. Hierzu ebd., 64. Die Hervorhebung dieser identitätsstiftenden Funktion

explizit bei Roeck, Trojaner, Goten und Etrusker, 2003, 62; Borgolte, Troia, 2001, 197; Rio, Mythes fondateurs, 2000, passim; Busse, Brutus in Albion, 1994, 209, 221; Barrera-Vidal, Mythes de fondation de la France, 1990, passim, bes. 15, 17f; Garber, Abstammungstheorien, 1989, bes. Ulf, 115, 118; Melville, Troja, 1987, 417, 428-431; Beaune, L'utilisation politique, 1985, passim. 103 Zu diesem Aspekt vgl. u. a. Coumert, Mémoire de Troie, 2006, passim; Roeck, Trojaner, Goten und Etrusker, 2003, 66; Zimmermann, Der Trojanische Krieg, 2003; Borgolte, Troia, 2001, 192;

36

/.

Einleitung

sehen Zielen gefolgt sei.104 Analysiert und bestätigt wurde diese doppelte Funktion anhand expressiver Formen der Herleitung: origo gentis-Erzählungen 5, Genealogien106, Stadtgründungsgeschichten107. In nicht wenigen Fällen wurden die den Erzählungen zuRio, Mythes fondateurs, 2000, passim; Busse, Brutus in Albion, 1994, 207-214; Garber, Abstammungstheorien, 1989, 115-117; Graus, Troja, 1989, 43; Melville, Troja, 1987, bes. 416f., 426f; Beaune, L'utilisation politique, 1985, passim; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 96, 97, 116; Linder, Troyan Ancestry, 1978, 500; Huppert, Trojan Franks, 1965, 227; Bossuat, Origines troyennes, 1958, bes. 191f.

104 Diese

politischen Implikationen wurden

für verschiedene

Überlieferungstraditionen und Zeiträu-

konstatiert, die hier im Einzelnen nicht alle genannt werden können. Vgl. hierzu Görich, Troia im Mittelalter, 2006; Siebler, Troia, 2001, 47-51; Paradisi, Etnogenesi e leggenda troiana, 1998, 59; Klippel, Trojanersage, 1936, 3f. Wie Studien zu den französischen (Klippel, Trojanersage, 1936), deutschen (Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 110-115; Grau, Trojasage, 1938) englischen (Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 104-110) und italienischen Überlieferungen (Gorra, Leggenda troiana, 1887), nahelegen, scheinen diese jedoch zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert stark zuzunehmen. Hinweise darauf, dass es sich hier offenbar um eine allgemeine Tendenz handelt, bei Tanner, Last Descendant of Aeneas, 1993, 52-66; Melville, Troja, 1987, bes. 420, 43If. 105 Vgl. Kellner, Ursprung und Kontinuität, 2004, bes. 131, 137; Borgolte, Troia, 2001, 193-195; Ewig, Trojamythos, 1998, 6, und Angenendt, Origo gentis, 1994, 40 (fränkische Troja-Erzählung als origo gentis); Reynolds, Medieval Origines gentium, 1983; bes. 376f, 385-387. Umfassend zur origo gentis jüngst Plassmann, Origo gentis, 2006. 106 Vgl. Kellner, Ursprung und Kontinuität, 2004, passim (Analytisch unterscheidet die Autorin zwime

-

schen der „Genealogie" als Modell der Verwandtschaftsgliederung und dem „genealogischen Prinzip" in Etymologien [13-46]); Dies., Genealogie, 2004, hier 46-58; Müller, Das höfische Troia, 2004, bes. 120 (Troja im Zusammenhang einer Genealogie der Ritterschaft, die durch andere genealogisch-dynastische Konstruktionen ergänzt wird); Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Le Hainaut", „La Flandre", „Le Brabant" u. „La Maison d'Autriche et les Habsbourgs" (ohne S.); Borgolte, Troia, 2001, 192 (Auflistung von Adelsgeschlechtern mit zugeschriebener trojanischer Abstammung); Rio, Mythes fondateurs, 2000, passim, bes. 16, 35-38; Tanner, Last Descendant of Aeneas, 1993, ab 67 (zum „Kaisermythos" und der Rolle „mythischer Genealogien"); Bizzocchi, Genealogie incredibili, 1995, hier 160f; Ingledew, Troy, 1994; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, bes. 93-95. 107 Allgemein zu angeblich von den Trojanern gegründeten Städten vgl. Coumert, Mémoire de Troie, 2006, 338-340; Roeck, Trojaner, Goten und Etrusker, 2003, bes. 63f; Borgolte, Troia, 2001, 192, 200. Italienische Städte: Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 13lf; Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, bes. Kap. „Le cas particulier de la Vénétie, de Padoue et de Venise" (ohne S.); Ders., Fondation troyenne de Venise 2003 (ohne S.); Ders., Anténor et Venise, 2003 (ohne S.); Reynolds, Medieval Origines gentium, 1983, 377; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 97, 119, Anm. 22; Borst, Turmbau, Bd. 2.1, 1958, 564-566 u. Bd. 2.2, 1959, 704, 863f; Gorra, Leggenda troiana, 1887, 65. Die bei Frantisek Graus (Lebendige Vergangenheit, 1975, 81, Anm. 38) und in Anlehnung an ihn bei Volker Reichert (Spuren Homers, 2006, 263) zu lesende Behauptung, nach der im Mittelalter rund einhundert Städte trojanische Ursprünge proklamierten, führt über August Buck (Italienisches Selbstverständnis, 1963, 68) zu Arturo Graf (Roma, Bd. 1, 1882, 25), der seine Aussagen auf lediglich zwei um 1500 verfasste italienische Chroniken stützt. Deutsche Städte: Graus, Troja, 1989, 41; speziell zu Xanten: Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 130f; Runde, Troia sive Xantum, 2005. Französische Städte: -

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1.

Troja im Mittelalter

ein

37

Forschungsüberblick

-

geschriebenen Funktionen eins zu eins in die historische Wirklichkeit projiziert. So behauptete Colette Beaune, dass im 13. Jahrhundert in Frankreich vermehrt trojanische Städtegründungsmythen entstanden seien und sich neben den Parisern auch die Städte Nîmes, Narbonne, Troyes, Toulouse oder Clermont auf die Trojaner berufen hätten.108 Und wenn André Bossuat die Beständigkeit vieler früh- und hochmittelalterlicher Troja-Elemente in der französischen Geschichtsschreibung des 15. Jahrhunderts als Verkörperung des „kollektiven Stolzes der Franzosen" und „Fundament nationaler Einheit", als eine Form des Ausdrucks „offizieller Wahrheit" deutet, die man in polemischer Weise gegenüber den Engländern propagierte109, dann wird auch hier ein verbreitetes trojanisches Abstammungsbewusstsein vorausgesetzt, ohne dass dies eingehender untersucht worden wäre. Es gilt als selbstverständlich, dass die fränkischen Versionen trojanischer Herkunft das Traditionsbewusstsein der in der Nachfolge des Karolingerreichs stehenden Völker, Länder und Herrscherhäuser bis ins 16. Jahrhundert wesentlich bestimmt hätten.110 Inwieweit die gelehrten Herkunftskonstruktionen nicht nur Zuschreibungen von außen waren, sondern in irgendeiner Weise tatsächlich von bestimmten sozialen Gruppen politisch instrumentalisiert wurden, lässt sich auf der Grundlage bestehender Studien nur schwer einschätzen.111 Einige wenige Negativbefunde stimmen immerhin nachdenklich. Schon Oskar Dippe vermutete für die Bearbeitungen der fränkischen „Trojasage" in der deutschen wie französischen Literatur und Historiographie, dass es trotz des im Spätmittelalter zu beobachtenden Vordringens der „Sage" in die teils volkstümliche Dichtung nur vereinzelt Versuche gegeben habe, diese politisch auszunutzen; dem Volk seien sie sogar gänzlich unverständlich geblieben.112 Skeptisch äußerte sich auch Frantisek Graus über das spätmittelalterliche Frankreich. Dort habe die Idee trojanischer Herkunft in der politischen Propaganda nur eine untergeordnete Rolle gespielt, weil der Schwerpunkt der Argumentation in anderen Bereichen gelegen habe.113 Im Hinblick auf Poucet, Mythe de

l'origine troyenne, 2003, Kap. Reims (ohne S.); Barroux, Origines légendaires Paris, 1955. Englische Städte: Clark, Trinovantum, 1981 (London). Schweiz: Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Genève" (ohne S.). Belgien: Poucet, Mythe de l'origine troyenne, 2003, Kap. „Tongres" (ohne S.). Beaune, L'utilisation politique, 1985, 352 (Hervorhebungen K.W.) „Cette histoire [...] devenait pour eux une vérité historique certaine, susceptible de cimenter l'unité nationale, capable, en tous cas, d'exciter la fierté collective des Français. [...] au XVe siècle, la légende, devenue vérité officielle, fournissait aux polémistes un moyen d'accabler les Anglais, nos adversaires, sous la masse d'arguments historiques jugés irréfutables." Bossuat, Origines troyennes, 1958, 191f, ähnlich auch 197. Exemplarisch Clemens, Genealogische Mythen, 2001, 6; Ewig, Trojamythos, 1998, 1. Für das Geschlecht der Kapetinger im spätmittelalterlichen Frankreich ist eine ideologisierende Vereinnahmung trojanischer Ursprünge immerhin wahrscheinlich. Vgl. Brückte, Noblesse oblige, de

-

-

-

108 109

110 111

2000.

112 113

Vgl. Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, XXIX. Vgl. Graus, Troja, 1989, 38f.

38

/.

Einleitung

Habsburger114

die gern als illustres Beispiel genannten gab Graus ferner zu bedenken, dass diese zwar ähnlich wie die Weifen und die Herzöge von Brabant die Trojaner in ihren genealogischen Stammbaum eingefügt, dem aber insgesamt nur wenig Bedeutung zugemessen hätten; einzig die Luxemburger bildeten hiervon eine Ausnahme.115 Ähnliche Skepsis formulierte Helene Homeyer für England, wo ,,[z]um Unterschied von der betont dynastisch orientierten Einstellung in Frankreich [...] die trojanische Ursprungssage in den Stemmata der englischen, schottischen und walisischen Herrscher- und Adelsfamilien keine oder nur eine allegorische Rolle [spielte]"116. Derartige Einwände sind auch für die fränkische Zeit und die staufischen Ansippungsversuche an die köformuliert worden. Fundierte Untersunigliche stirps der Mero winger und chungen zu dieser Problematik fehlen jedoch noch immer. Dass die Relevanz und das Wirkungspotential trojanischer Ursprungsbehauptungen so unterschiedlich bewertet wurden, hängt nicht unwesentlich mit den Ansätzen der älteren Forschung zusammen und führt zu der Frage, warum man sich überhaupt wissenschaftlich mit der Thematik beschäftigte. Das Interesse der Historiker an der mittelalterlichen Verbreitung und Verwendung der Idee trojanischer Herkunft reicht zurück in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auffälligerweise bildeten trojanische Ursprungsgeschichten zunächst eine Domäne der deutschen Forschung. Nationalistische, bisweilen auch rassistische Attitüden wurden dabei oft unverhohlen zum Ausdruck gebracht. Erzählungen von der fränkischen Frühgeschichte galten als ,deutsch' und wurden unter weitgehender Ausklammerung französischer Überlieferungstraditionen in ihrer direkten Beziehung zu späteren Überlieferungen im Reich analysiert. Auf englische und fran-

Karolinger118

u.a. Tanner, Last Descendant of Aeneas, 1993; Garber, Abstammungstheorien, 1989, 155f; Melville, Troja, 1987, 418; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 112f, 115. 115 Vgl. Graus, Troja, 1989, 36f 116 Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 110. 117 Nach Eugen Ewig ist die fränkische Troja-Version nicht ad maiorem gloriam der Merowinger

114 Siehe

entstanden. Die Königsreihe Priamus-Frigas-Francio sei keine Genealogie und münde auch nicht in eine merowingische Genealogie ein. Vielmehr gehe es um die Einordnung der gens Francorum in das antike Geschichtsbild. Vgl. Ewig, Trojamythos, 1998, 6; Ders., Troja, 1998, 6. 118 Siehe Althoff, Mythen im Mittelalter, 1996, bes. 32. 119 Umfassend zur und in kritischer Auseinandersetzung mit der deutschen Mediävistik bis 1945 jüngst Oexle, Deutsche Mittelalterhistoriker, 2005; Schieffer, Weltgeltung und nationale Verführung, 2005. 120 Die dezidierte Betonung der Zugehörigkeit der Franken zum „deutschen Volk" sei hier an drei Beispielen demonstriert. K. L. Roth war 1856 in einer Studie über die „Trojasage" bei den Franken „aufgefallen", dass unter den „germanischen Stämmen [...] außer den Franken kein deutsches Volk eine Trojasage aufzuweisen hat". (Roth, Trojasage, 1856, 46) Edmund Lüthgen (Fränkische Trojasage, 1876, 3fi) konstatierte, dass ,,[d]er Widerspruch der Sage gegen unsere gewichtigsten Quellen über das altdeutsche Volksleben auch hier so offenbar und unlöslich [ist], dass wir uns leicht davon überzeugen, dass die Nachricht nicht in etwas wirklich Geschehenem ihren Grund haben kann [...]. Und sehen wir weiter davon ab, dass die Franken [...] nach dem Berichte Frede-

1.

Troja im Mittelalter

ein

39

Forschungsüberblick

-

zösische Versionen lenkte man die Aufmerksamkeit zunächst nur, wenn es um die Rezeptionsgeschichte einzelner Werke oder der trojanischen Herkunftsidee allgemein ging. Ähnlich politisch motiviert war die Troja-Studie von Egidio Gorra, der im Geiste des Risorgimento behauptete, dass die Italiener niemals vergessen hätten, Brüder der Römer zu sein, und dass die Erinnerung an das antike Rom und die trojanischen Wurzeln immer ein Teil der „Nationalgeschichte" geblieben sei.121 Aus solchen Ansätzen speist sich nicht nur die verbreitete Vorstellung, eine gens habe sich im Mittelalter aus Prestigegründen und in Abgrenzung von anderen Völkern auf die Trojaner berufen. Auch die Untersuchung mittelalterlicher Troja-Herleitungen im Kontext der Entstehung der modernen Nationalstaaten als ,protonationale' Herkunftserzählungen bzw. als Vorstufen neuzeitlicher Nationalmythen geht, wenn auch unter mittlerweile veränderten Prämissen, auf diese Forschungstradition zurück.122 Sie führte zu der nach wie vor gängigen Annahme, die Rückführung auf trojanische Wurzeln habe für die betreffenden Personen, Gruppen und Gemeinschaften in erster Linie identitätsstiftende und herrschaftslegitimierende Bedeutung gehabt. Für andere wichtige Implikationen mittelalterlicher Troja-Reminiszenzen verstellte sie den Historikern damit weitgehend den Blick. -

-

[...] als staatengründendes Volk an sich ungefähr auf derselben Stufe wie die Abenteurerschaaren [sie!] des Romulus stehen, so widerspricht die Darstellung des fränkisch-trojanischen Volkes als eines aus der Heimath vertriebenen, planlos umherziehenden Haufens sowohl dem, was wir über die Sesshaftigkeit der Deutschen in der Mitte des dritten Jahrhunderts wissen, als dem [sie!], was deutsche Forscher über die ältesten staatlichen Einrichtungen der Deutschen sicher ermittelt haben". Auch als Annelise Grau sich mit der Trojasage bei den Franken auseinandersetzte, tat sie dies unter der Prämisse, sich „mit den Berichten mittelalterlicher Geschichtsschreiber [zu beschäftigen], die von der Abstammung und der Urheimat eines der deutschen Stämme, der Bewohner einer deutschen Landschaft oder der Gründung einer deutschen Stadt handeln" (ebd., 1). 121 „[...] ma è anche vero che gli Italiani non dimenticarono mai di essere fratelli dei Romani, e che le memorie dell'antichità Roma consideravano come memorie proprie, facendo le tradizioni troiane argomento di storia nazionale." Gorra, Leggenda troiana, 1887, 64. 122 Neuere Untersuchungen trojanischer Herkunftserzählungen aus dieser Perspektive, unter gleichzeitiger Auseinandersetzung mit der nationes-Problematik, liegen mit den Studien von BarreraVidal, Mythes de fondation de la France, 1990, Garber, Abstammungstheorien, 1989, und Melgars

ville, Troja, 1987

vor.

/.

40

Einleitung

2. Methodische Überlegungen 2.1

Mythos

Troja und Mythos die Kombination beider Begriffe begegnet häufig für die Zeit des Mittelalters. Doch was sie konkret meint, ist vom Blickwinkel abhängig und meist nur diffus umrissen. Wenn sie hier ein weiteres Mal in zusammengesetzter Form als TrojaMythos bzw. Troja(ner)-Mythen gebraucht wird, so soll dies nicht ohne eine Reflexion über die Anwendbarkeit und den Bedeutungsgehalt des Mythosbegriffs erfolgen. Vorausgeschickt sei, dass es sich bei dem Terminus Mythos um keine zeitgenössische Terminologie handelt. Von mittelalterlichen Autoren und Rezipienten wurden der Trojanische Krieg und die durch ihn ausgelösten Wanderungen trojanischer Flüchtlinge als Geschichte, als vergangenes Geschehen, als factum angesehen. Allenfalls wurden einzelne Bestandteile der antiken Erzählungen, wie zum Beispiel der Eingriff der Götter in das Kampfgeschehen, von gelehrten Schreibern als fabula, als dichterische Erfindungen, als unhistorisches Geschehen zurückgewiesen. Das Ereignis des Trojanischen Krieges, das wohl um 1200 v. Chr. tatsächlich stattgefunden hat, ist in den Überlieferungen erst seit etwa 700 v. Chr. bezeugt. Georg Danek hat wie zahlreiche andere Gelehrte zu Recht die Frage nach der Möglichkeit aufgeworfen, Historisches von „mythischem Zuwachs" zu trennen, und gab zu bedenken, dass die konsumtiven Bestandteile der Geschichte vom Trojanischen Krieg aus modemer ' Sicht kaum Anspruch erheben können, auf historischen Fakten zu beruhen. Das gilt ebenso für die Wandererzählungen, wie sie spätestens seit der in römischer Zeit entstan-

denen «Aeneis» bis in die Neuzeit hinein im Umlauf waren. Weil es in einer Untersuchung über die Wandelbarkeit und Transformationsbedingungen des Troja-Mythos im Mittelalter um Vorstellungen und geschichtliche Deutongskonzepte sowie deren gesellschaftliche Relevanz geht, ist die Diskussion um den historischen Kern der Troja-Geschichte hier nicht von Bedeutung und wird daher den Althistorikern, Archäologen und Altphilologen überlassen. Mythen sind ein fächerübergreifendes Schnittpunktthema. Zu einer rein sammelndphilologischen oder mythenkritischen Behandlung der Thematik, wie sie in der Altphilologie, Orientalistik und Ethnologie dominierte, kamen im vergangenen Jahrhundert in steigendem Maße neue Impulse aus der Geschichtswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Kultur-, Politik- und Literaturwissenschaft und führten auch in der Ethnologie, 1

Konzepte vertiefend einzugehen, beschrieb der Autor den Mythos Trojanischen Krieg „insgesamt als ein dichtes Gewebe von Märchenmotiven". Allerdings bleibe noch zu klären, warum der Troja-Mythos bei den Griechen eine so zeitlose Bedeutung hatte. Vgl. Danek, Troja und Kosovo, 2004, 330f, 340. Ohne auf mythentheoretische vom

2. Methodische

Überlegungen

41

Theologie, Philosophie und Religionswissenschaft zu einem deutlichen Wandel des Erkenntnisinteresses.2 Allerdings sorgte und sorgt eine uneinheitliche Bestimmung des Begriffs Mythos in den verschiedenen Disziplinen für Verwirrung und schränkt eine Übertragung von Theorien und Forschungsansätzen auf andere Fächer ein.3 Während der vergangenen Jahrzehnte wurden daher mehrfach Versuche unternommen, Mythostheorien zu konzipieren, die auf eine Begriffsdefinition im eigentlichen Sinne verzichten und sich stattdessen aspektiv, auf den historischen Phänomenbereich der Mythen Bezug nehmend, dem theoretischen Phänomen des Mythos nähern. Bevor eine eingehendere Auseinandersetzung mit einigen dieser modernen Mythostheorien erfolgt, sei die terminologische Problematik umrissen, welche bisherige Forschungen zur TrojaThematik im Mittelalter kennzeichnet.

Odyssee einer Begriffsfindung Mythos? Oder Sage, Fabel, Legende, Märchen? Oder einfach nur Erzählung? Auf diese lakonischen Fragen kann das Begriffsdilemma bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit mittelalterlichen und neuzeitlichen Herkunfts- und Ursprangserzählungen zugespitzt werden.4 Wirft man einen Blick auf die Arbeiten zur Idee trojanischer Ursprünge im Mittelalter, so zeigt sich, dass das angesprochene Dilemma verhältnismäßig jung ist und noch nicht bestand, als vormoderne Gründungserzählungen erstes Interesse 2.1.1

auf sich zogen. Aus positivistischer Perspektive war zunächst klar, dass den Vorstellungen trojanischer Herkunft keine objektiven historischen Informationen abgewonnen werden konnten. Diese Be- bzw. Abwertung kam durch die voneinander kaum abgegrenzten Bezeichnungen wie Sage, Fabel, Mär(chen) und Legende bzw. entsprechende Begrifflichkeiten in anderen modernen Sprachen (tale, fable, legend, légende, leggenda etc.) zum Ausdruck. Sie kennzeichneten die jeweilige Troja-Passage, auf die sie Bezug nahmen, als fiktional, erfunden und unhistorisch.5 So erklärte beispielsweise Annelise Grau in ihrer Arbeit von 1938, dass der „Begriff ,Sage' nur als Gegensatz zur .geschichtlichen 2 3 4

5

Hierzu Mohn, Mythostheorien, 1998, 83. Vgl. ebd., 82-84. Das Nebeneinander und Durcheinander der Begriffe zeigt sich deutlich, um nur ein Beispiel zu nennen, in der Einleitung des von Peter Wunderli 1994 herausgegebenen Sammelbandes „Herkunft und Ursprung". Hier liest man, ohne dass der Versuch einer Differenzierung dieser Termini vorgenommen würde, von Abstammungslegenden, ongo-Legenden, mythischen Legenden, Gründungssagen, der Trojasage, Herkunftsmythos, literarisch-ideologischen Erfindungen, mythischen Legitimationen, Mythologisierung, Legitimationsmythen etc. Vgl. Wunderli, Herkunft und Ursprung, 1994. Diese ,alte', allein auf das fiktive Element ausgerichtete und in Abgrenzung von den antiken Göttermythen verwendete Terminologie begegnet in Bezug auf den Troja-Stoff auch später noch vereinzelt, so bei Seznec, Survival of the Pagan Gods, 91995 (1940), bes. 19f, oder Hertel, Troia, 2001, 118f

42

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Einleitung

Wirklichkeit' zu verstehen ist [...], im Gegensatz [...] zu Berichten über Ereignisse, die als wirklich geschehen oder doch als wahrscheinlich anzusehen sind", gewissermaßen als „Ungeschichte".6 Leidenschaftliche Verständnislosigkeit für mittelalterliche Herkunftserzählungen brachte Wilhelm Greif zum Ausdruck, indem er schrieb: „Dass bei alle dem oft in der abenteuerlichsten Weise zu Werke gegangen wurde, kann uns bei der gänzlichen Kritiklosigkeit des Mittelalters nicht Wunder nehmen. Wir erinnern uns nur an die phantastischen Berichte eines Fredegarius [...]".7 Ebenso sah auch Oskar Dippe in der bei «Fredegar» überlieferten „Trojasage" eine „kindische und sinnlose Erzählung". In vergleichbarer Weise äußerte sich Edmond Faral, als er die ,Erfindung' der normannischen „Troja-Legende" durch Dudo von Saint-Quentin zu Beginn des 11. Jahrhunderts als eine „Absurdität" und als Ausdruck für die „Dummheit" des Autors

bezeichnete.9

Bald schon wurde jedoch erkannt, dass mittelalterliche Autoren nicht etwa spontane Phantastereien und Hirngespinste aufgeschrieben hatten, sondern dass diese in einer ' Tradition standen, deren Rekonstruktion man nun in Angriff nahm. Obwohl bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Rückführung auf trojanische Ursprünge als gelehrte Erfindung ausgewiesen wurde", blieb auch später mit dem Terminus Sage in manchen literaturwissenschaftlich-philologisch ausgerichteten Studien die Annahme von einer im Volk verbreiteten, populären Erzähltradition verbunden.12 Einhergehend mit der Öffnung für neue Fragestellungen und der Einsicht in die Grenzen historischer Erkenntnis vollzog sich schließlich ein Wandel in der Anwendung der Begrifflichkeiten. Drei terminologische Herangehensweisen, die in den jeweiligen Arbeiten jedoch selten separat erscheinen, lassen sich hierbei unterscheiden: erstens eine Übernahme herkömmlicher Begriffe wie Sage, Legende etc. unter veränderten Prämissen ; zweitens eine Verwendung ,neutraler' Bezeichnungen wie Ursprungsdarstel-

6 7 8 9

Grau, Trojasage, 1938, lf, 19. Vgl. Greif, Trojanersage, 1886, 1.

Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, IV. „[...] la légende est non seulement entachée d'erreur, mais d'absurdité. Expliquer le nom de Dani

par celui de Danai pour faire ensuite d'Anténor l'ancêtre des ces même Dani, c'est, on l'a vu, la sottise de Dudon." Faral, Légende arthurienne, Bd. 1, 1929, Appendice I: „Comment s'est formée la légende de l'origine troyenne des Francs", 293. 10 Vgl. u. a. Matter, Englische Gründungssagen, 1922. 11 Zuerst Zarncke, Trojanersage, 1866, 284; Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876, 5. 12 Vgl. Gorra, Leggenda troiana, 1887, bes. 61f; ebenso noch Bollnow, Herkunftssagen, 1968, 14; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 95. Ähnlich wie Karl Voretzsch (Old French Literature, 1931, 65) erkannte Hildebrecht Hommel (Trojanische Herkunft, 1956, 331, 340f) zwar die fränkische Trojaner-Abstammung als eine Konstruktion gelehrter Schreiber an, ging jedoch von einer alten, populären (nach Hommel keltischen) Tradition aus, die ihre Wurzeln in der Antike habe. 13 So beispielsweise Runde, Troia sive Xantum, 2005; Papio, Troy, 2004; Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975; Linder, Troyan Ancestry, 1978; Clark, Trinovantum, 1981; Busse, Brutus in

2. Methodische

Überlegungen

43

lungen, Herkunftsableitungen, Abstammungsgeschichten oder Gründungserzählungen14; drittens ein Gebrauch des Begriffs Mythos, den es nun eingehender zu betrachten

gilt.15

In älteren

Forschungsarbeiten zu den trojanischen Herkunftsableitungen wurden die Begriffe Mythos, Mythe und Mythologie noch nicht auf mittelalterliche Erzählungen bezogen, sondern in Anlehnung an die ursprüngliche Wortbedeutung im Griechischen zur Kennzeichnung paganer Göttergeschichten verwendet.16 Obwohl sich im Laufe der Zeit der Terminus Mythos auch für fiktive Herkunfts- und Gründungsgeschichten durchsetzte und als Synonym zu anderen herkömmlichen und ,neutralen' Bezeichnungen verwendet wurde17, thematisierte Jane Chance noch 1994 in ihrer umfangreichen Monographie zur „Medieval Mythography" ausschließlich antike Götter(geschichten) in mittelalterlichen Texten.18 Insgesamt ist erst seit den 1990er-Jahren ein stark ansteigender Gebrauch des Mythenbegriffs für mittelalterliche Erzählungen über trojanische Ursprünge zu beobachten ohne dass damit andere Bezeichnungen gänzlich ersetzt wor,

Albion, 1994; Kugler, Herkunftssagen, 1995; Ewig, Trojamythos, 1998 (Der Begriff Trojamythos erscheint hier nur im Titel); Ders., Troja, 1998. 14 Besonders bei Luisielli, II mito delPorigine troiana, 1978; Melville, Troja, 1987, 417, 431 f.; Schreiner, Legitimation, 1997, 408-418 passim. 15 Berücksichtigt werden hierbei lediglich Arbeiten, die sich mit der Troja-Thematik beschäftigen

und über die Verwendung des Mythos-Begriffs Überlegungen anstellen. Vgl. Roth, Trojasage, 1856, bes. 47-49, 52; Greif, Trojanersage, 1886, 1, 6; Lüthgen, Fränkische Trojasage, 1876, 2, 4, 9. Vereinzelt zeigt sich dieser Begriffsgebrauch auch in neueren Arbeiten: Jean-Pierre Bodmer bezog den Mythosbegriff nur auf Vorstellungen vom Gottesgnadentum in Frankreich, während er die trojanische Herkunftsidee begrifflich nicht fasste (vgl. Bodmer, Französische Historiographie, 1963, 91Í, 112). Derselbe Denkansatz führte Marie Tanner (Last Descendant of Aeneas, 1993) dazu, Begriffe wie Mythos und mythisch nur auf Kaisergenealogien zu beziehen, ansonsten aber von der „Trojanerlegende" zu sprechen. Auch Graig R. Davis verstand unter einem Mythos nach wie vor einen göttlichen Gründungsmythos in paganen Kulturen und grenzte ihn von Legenden, d. h. Heldengeschichten, ab (vgl. Davis, Cultural Assimilation, 1992, bes. 23 u. 36). Ähnlich meinte Catherine Croizy-Naquet (Description de Troie, 1996, 318f) mit der „mythischen" Stadt Troja nur das antike Troja, bezeichnete ansonsten aber mittelalterliche Herkunftsgeschichten als Legenden. 17 Einige frühe Beispiele mögen hier zur Erläuterung genügen: Jacques Barzun (French Race, 1932) benutzte in einer Überschrift die Bezeichnung „Trojan myth", griff diese jedoch in seiner Darstellung nicht mehr auf; gleichfalls vermied er die Begriffe Sage, Fabel etc. und sprach lediglich von „Trojan origin". André Bossuat schrieb größtenteils von „origines troyennes", verwendete aber synonym auch „mythe" und „légende" (Bossuat, Origines troyennes, 1958, 191 f., 197, mythe: 191). Ähnlich gebrauchte George Huppert die Bezeichnung „Trojan myth" als Synonym neben „Trojan legend", „Trojan origin" und „Trojan story" (Huppert, Trojan Franks, 1965, Mythosbegriff: ebd., 227f). Das gleichberechtigte Nebeneinander der Begrifflichkeiten „Mythos", „Legende" und „Fabel" zuletzt bei Görig, Troia im Mittelalter, 2006, passim. 18 Vgl. Chance, Medieval Mythography, 1994. 19 Stellvertretend erwähnt seien hier Goetz, Geschichtsschreiber, 2006, 8; Wertheimer, Mythen, 2004; Pistorius, Troja, 2003, 615-624; Althoff Mythen im Mittelalter, 1996; Carozzi, Des Daces aux Normands, 1996; Baumgartner/Harf-Lancner (Hrsg.), Entre Fiction et Histoire, 1997; Anton, 16

44

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Einleitung

den wären. Nur vereinzelt aber fand dieser Prozess sich wandelnder Terminologien theoretisch reflektiert statt. Ein erster Ansatz bewusster Auseinandersetzung mit dem Mythos-Begriff lässt sich bereits bei Maria Klippel erkennen. Auch wenn sie in ihrer Darstellung überwiegend von Trojaner-Sage, -Legende oder -Fabel sprach, hielt sie die Bezeichnung Mythos dann für angebracht, wenn eine Abstammungserzählung sich auf eine ganze Nation bezog: „Aber sie [die Sagen] bleiben auch noch in einem anderen Sinne bei den Dichtem lebendig; als nationaler Mythos. Mythos ist etwas, was nicht als geschichtlich wahr beweisbar ist, wohl auch faktisch nicht wahr ist, auch als nicht wahr bekannt ist was aber eine Art innere, höhere Wahrheit hat, weil es den Genius einer Nation darstellt."20 An anderer Stelle erklärte sie: „Wo sich das Interesse der Gegenwart auf die Vergangenheit richtet, da bildet sich der Mythos aus."21 Ein Mythos liege mit anderen Worten dann vor, wenn ein nicht-historisches Ereignis gewissermaßen historische Wahrheit' bekommt, indem es für eine gesellschaftliche Institution Aktualität gewinnt und sinnstiftend wirkt. Allerdings siedelte Klippel diese Möglichkeit nur auf nationaler Ebene an. Konsequent zu Ende gedacht, existierten im Mittelalter noch keine Mythen, sondern allenfalls Vorstufen, die auf spätere Tendenzen hinweisen. Dass das Mittelalter kein Zeitalter der Mythen gewesen sei, konstatierte auch Frantisek Graus. Ganz einer an die antike Mythologie angelehnten Terminologie verhaftet, unterschied er zwischen Abstammungsmythen und Herkunftssagen. Unter den einen verstand er Ableitungen der Völker von Gottheiten, die im Mittelalter aber bis auf wenige Ausnahmen nicht bezeugt seien. Mit den anderen meinte er „Begründungen eines Eigenwesens durch Erzählungen von der gemeinsamen Herkunft."23 In beiden komme um zu dieser Begriffsunterscheidung Graus' einleitende Ausführungen in Bezug zu setein „einfaches Bewusstsein der Vergangenheit" zum Ausdruck. Dieses sei älter zen als alle chronikalische bzw. gelehrte Geschichtsschreibung, verbinde die Mitglieder einer Gemeinschaft und könne verschiedene Formen annehmen, darunter „mythische", die vom Anfang der Zeiten berichten, oder andere, die nur auf eine Generation beschränkt seien.24 Abstammungsmythen sind in diesem Sinne quasi archaische, Welt konstituierende Schöpfungsberichte, während Herkunftssagen keine universale Ausrichtung besitzen, aber ebenfalls einfache (wohl hier gemeint: nicht-rationale) Vergan-

,

-

-

20 21 22

Troja-Herkunft, 2000; Borgolte, Troia, 2001; Roeck, Trojaner, Goten und Etrusker, 2003; Anton, Herrschaft und Staat, 2004, 75, 91, 93. Klippel, Trojanersage, 1936, 49; der Mythosbegriff in diesem Sinne auch ebd., 1, 3f, 69f Ebd., 3. Mythische

Elemente seien im Gegenteil geradezu konsequent aus der historisierenden Tradition eliminiert worden, so dass Mythen lediglich im Bereich der Folklore weitergelebt hätten. Vgl. Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 17-20, 76. 23 Ebd., 77. 24 Vgl. ebd., 1. Es ging Graus allerdings nicht darum, zwischen einfacher Geschichtserinnerung und Mythos zu unterscheiden, wie Althoff an dieser Stelle bemerkte, vielmehr war der Mythos bei ihm eine Ausdrucksform derselben. Siehe dazu Althoff, Mythen im Mittelalter, 1996, 12.

2. Methodische

Überlegungen

45

genheitswahrnehmungen darstellen. Auch wenn Graus den Aspekt des Göttlichen zum maßgeblichen Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Erzählformen machte, so gaben doch gerade deren offensichtliche Gemeinsamkeiten, das heißt die Ausrichtung auf Ursprünge, welche für eine Gruppe von Personen als konstituierend wahrgenommen wurden, in der Folgezeit vermehrt Anlass, mittelalterliche Herkunfts- und Gründungserzählungen mit dem Epitheton mythisch zu versehen. Mythisch waren für Gabrielle M. Spiegel speziell mittelalterliche Genealogien, erzählten diese doch von einem in der Vergangenheit liegenden Ursprung, der nicht an sich bedeutsam war, sondern erst durch seine identitätsstiftende und herrschaftslegitimierende Funktion gegenwartsbezogene Bedeutung erlangte.25 Spiegel gebrauchte den Begriff „historical mythos" und meinte damit eine durch ein narratives und symbolisches Element gekennzeichnete Wahrnehmungsform der Vergangenheit. Wenn sich also eine Gruppe von Personen von den Trojanern herleitete, so handele es sich um einen „historischen Mythos", um einen „Geschichtsmythos". Eingehend mit der Mythenproblematik setzte sich vor allem Gerd Althoff auseinander. Daran, dass es Mythen im Mittelalter gegeben habe, hegte er keinen Zweifel. Allerdings sei es „durchaus nicht unstrittig, was man unter Mythen für die Zeit des Mittelalters eigentlich zu verstehen hat." Mit den theoretischen Überlegungen bei Frantisek Graus und Jan Assmann führte er zwei konträre Ansätze vor und prüfte sie auf ihre Übertragbarkeit in die Zeit des Mittelalters. Althoff kam zum Ergebnis, der von Graus konstatierte Zusammenhang zwischen Mythos und Religion lasse sich kaum auf das Mittelalter anwenden, wenn man nicht die ganze christliche Lehre und Exegese als eine einzige umfassende Mythologie begreifen wollte. Zugleich nehme die christliche Offenbarungsreligion mit ihren heiligen Texten einen Großteil des Erklärangspotenzials, das antiken Mythen eigen ist, für sich in Anspruch27, sodass gerade die Einbeziehung hagiographischer Texte „ein Problem für das Thema Mythos in den Zeiten des Mittelalters" darstelle. Assmann habe hingegen einen „zumindest diskussionswürdigen Zugang zur Eigenart mittelalterlicher Geschichtserinnerang" möglich gemacht, indem er den Mythos als eine „zur fundierenden Geschichte verdichtete Vergangenheit" bezeichnete und auf diese Weise die strikte Trennung der Bereiche Geschichte und Mythos auf29 hob. Die Ubertragbarkeit des Assmannschen Ansatzes legte Althoff für die Herkunftsund Gründungserzählungen von Adelsfamilien, Völkern bzw. Stämmen, geistlichen In25 26 27

28 29

Vgl. Spiegel, Genealogy, 1983, 47f, 50. Derselbe terminologische Ansatz wird auch in der Untersuchung von Evemarie Clemens über „genealogische Mythen" (2001) deutlich. Althoff, Mythen im Mittelalter, 1996, 11. Diese Beobachtung bereits bei György Györffy (Erfundene Stammesgründer, 1988, bes. 443f), der mittelalterliche Herkunftsmythen gewissermaßen als „pseudo-göttlich" auffasste, weil diese Parallelen zur Bibel, insbesondere zur Genesis, aufwiesen. Vgl. Althoff, Mythen im Mittelalter, 1996, 12f. Ebd., 14f. unter Bezugnahme auf die entsprechende Stelle

42002(1992), 78.

bei Assmann, Kulturelles Gedächtnis,

46

/.

Einleitung

stitutionen und Städten dar, wobei er zu Recht auf einige Unterschiede gegenüber fundierenden Geschichtserinnemngen in der Neuzeit hinwies.30 Ebenfalls an das Erinnerungsparadigma (Assmann, Hobsbawm) anknüpfend, betonte auch Hans-Joachim Gehrke den Zusammenhang von Vergangenheitsvorstellungen und kollektiver Identität und bezog den Mythosbegriff auf „fundierende Geschichten", wobei er formal zwischen vormodernen und modernen Gründungsmythen unterschied.31 Troja bezeichnete er in diesem Zusammenhang als das „Herzstück fundierender Karl-Siegbert Rehberg ging indessen auf einen anderen Aspekt mythischer Ursprungserzählungen als Erinnerungskonstruktionen ein. Er betonte die unablässigen Veränderungen, denen ein Mythos ausgesetzt sei; zugleich aber erzeuge dieser Bilder von „Dauer" und schaffe damit eine Grundbedingung für die Herausbildung von Identitäten und Institutionen.33 Allerdings sei der Mythos nur eine und bei Weitem nicht die einzige Form historischer Selbstlegitimierung, die auf das Aufzeigen von Kontinuitäten bedacht ist.34 Einen anderen methodischen Zugriff auf das komplexe Phänomen mittelalterlicher Mythen wählte Michael Borgolte, indem er sich den trojanischen Ursprungserzählungen in einem aspektiven Zugang näherte. Vier Aspekte lassen sich aus seinen Überlegungen extrahieren: erstens das genealogische Element, denn bereits in der ureigensten Form erzähle der Mythos die Göttergeschichte und setze auf diese Weise eine Gruppe von Menschen in Bezug zu Ursprungsmächten; implizit damit zweitens die temporäre Bindung des Mythos an eine bestimmte soziale Trägergruppe; drittens die Möglichkeit unendlichen Weitererzählens des Mythos, welche viertens durch die Variabilität seiner Erscheinungsformen möglich war.35 Borgolte richtete mit diesem Ansatz seine Aufmerksamkeit nicht allein auf die fundierende Funktion des Mythos, sondern suchte auch nach mythentheoretischen Erklärungsansätzen für die in Mittelalter und Neuzeit anzutreffende Variationsbreite bei den Bearbeitungen des Troja-Stoffs. Die Zurückführung ,,diese[r] Eigenart des Mythos, seinefr] amorphe[n] Erscheinung" auf die Herkunft und Verwurzelung im Polytheismus und die Betonung des scharfen Gegensatzes zur Orthodoxie und Dogmatik monotheistischer Religionen nimmt Grundgedanken aus Odo Marquards „Lob des Polytheismus" auf.36

Mythen".32

Althoff Mythen im Mittelalter, 1996, 22f: „Erst am Ende des Mittelalters ist zum ersten Mal feststellbar, daß mit einem bewußtseinsbestimmenden Mythos so etwas wie Propaganda gemacht,

30 So

31 32 33 34 35 36

seine Inhalte bewußt und weit verbreitet wurden: Dies ist der Fall bei der Herkunftstheorie der Habsburger, die über die Merowinger und die fränkische Trojanersage bis zu Priamus von Troja geführt und zu der hochpolitischen Aussage verdichtet wurde, im Hause Habsburg habe sich alles edle Blut Europas vereinigt und diesem Hause gebühre deshalb ein Vorrang vor allen anderen.". Siehe Gehrke, Geschichtsbilder und Gründungsmythen, 2001, 9-11; Ders., Troja, 2004, 23-26. Gehrke, Troja, 2004, 35. Vgl. Rehberg, Eigengeschichte, 2004, 3-7. Siehe ebd., 7f. Vgl. Borgolte, Troia, 2001, 195f. Hierzu ebd., 196. Zum Bezug auf Odo Marquard explizit Borgolte, Historie und Mythos, 2000, 844f. Ausführlicher zu Odo Marquards Mythostheorie auf S. 51 f.

2. Methodische

Überlegungen

47

Die Vielfalt und Veränderbarkeit von Mythen nahm auch Bernd Roeck in einer Studie über Städtegründungsmythen in der Renaissance in den Blick. Darin setzte er sich mit dem Verhältnis von Mythos und Geschichte auseinander, betonte, dass Mythen gepflegt, revitalisiert und umgedeutet, weitergeschrieben und fortgedichtet werden könnten und so als Formen „intentionaler Geschichte" ihrerseits Geschichtsmächtigkeit gewännen. Sowohl historische als auch mythologische Erzählungen seien sinnhaftig, handlungsanleitend sowie auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bezogen. Der „Mythos des Anfangs" bzw. „Gründungsmythos" ersetze dabei, um hier eine Metapher Roecks aufzugreifen, ein im Dunkeln verschwundenes, frühes Glied einer endlosen Kette historischer Begebenheiten. In dieser symbolischen, sinnstiftenden Funktion sah Roeck aber nur eine, wenngleich die wichtigste Funktion. Der Mythos könne darüber hinaus auch zum ästhetischen Ereignis werden, zum literarischen Spiel.37 Von Seiten der Literaturwissenschaft hob jüngst Jürgen Wertheimer am Beispiel Trojas den Aspekt der „unendlichen Reproduktion" als grundlegende Charakteristik eines Mythos hervor. Diesen fasste er als „Wort-Wiederholung, begriffliche Andeutung von Vorkommnissen, die Verwandlung einer beliebigen Geschichte in ein Stück bedeutsamer Geschichte" auf. Wertheimer ging davon aus, dass „das Erzählen des Erzählten, das Variieren und Wiederholen des bereits hundertfach Wiederholten" vielleicht darauf aus dem Einzelwort ein Kultursystem, das heißt hinauslaufe, dass bei diesem Prozess 8 bzw. entstehe. nimmt der funktionale Aspekt bei Wertheimer Zwar Macht, Ideologie abermals einen zentralen Stellenwert ein, doch wird er zugleich erweitert um psychologische' Komponenten wie die Fähigkeit des Mythos, Vergleichsreflexe auszulösen oder ungelöste gesellschaftliche Konflikte zu verkörpern.39 Wie unterschiedlich auch die hier vorgestellten Ansätze jüngeren Datums sein mögen, was sie verbindet, ist eine Betonung der narrativen Natur des Mythos. Dadurch kommen die Metamorphosen, welche der Troja-Mythos vielfach durchlief, stärker in den Blick. Variabilität, Wiederholung und ständige Transformation sind Eigenschaften, auf die in Verbindung mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit des Erzählten bzw. Sinnstiftung durch das Erzählte sowohl von historischer als auch literaturwissenschaftlicher Seite eingegangen wurde. Unterschiedlich sind dagegen die anvisierten Quellen. Während Wertheimers Ausführungen grundsätzlich keine Einschränkungen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Quellen für eine Mythos-Analyse erkennen lassen, basieren die Überlegungen der Historiker zur Narrativität des Mythos auf Erzählungen über trojanische Ursprünge.

37 38 39

Vgl. Roeck, Trojaner, Goten und Etrasker, 2003, 55-58. Vgl. Wertheimer, Mythen, 2004, 191. Hierzu

ebd., 192f

48

/.

2.1.2

Einleitung

Troja-Mythos und Troja(ner)-Mythen

Übertragbarkeit des Mythenbegriffs auf mittelalterliche Verhältnisse scheint sich insgesamt ein Konsens hinsichtlich seiner Anwendung auf den Bereich der Herkunfts- und Gründungserzählungen herauskristallisiert zu haben. Der Bezug zum Ursprünglichen, zum Anfang, zum Vorgeschichtlichen blieb das zentrale Kriterium auch nach der Loslösung von der griechischen Etymologie, in der pûÛoçErzählung, Überlieferung, Götter- und Heldengeschichte bedeutet.40 Dieses terminologische Verständnis führte dazu, dass die fundierende Funktion im Mittelpunkt stand. Sie bildete zugleich eine Art Definition, unter der sich ein bestimmter Typ historischer Erzählungen subsumieren ließ. Das so umrissene Phänomen Mythos wurde hinsichtlich seiner zeitlichen und geographischen Verbreitung unter jeweils unterschiedlichen In der Diskussion über die

Schwerpunktsetzungen analysiert. In methodischer Hinsicht ist jedoch eine

solche Auffassung des Mythos problematisch. Denn die ftindierend-konstitoierende Funktion des Mythos wurde nur in seiner expressiven Form der Ursprungserzählung analysiert. Weiteren Troja-Bezügen wurden damit von vornherein andere Funktionen zugewiesen. Hinzu kommt die Gefahr eines Zirkelschlusses, der sich aus der Anwendung einer rein funktionalen Mythendefinition auf die zu erforschende Vergangenheit und der gleichzeitigen Ableitung von Mythenfunktionen aus den Herkunfts- und Gründungserzählungen ergibt. Zumal die Frage nach dem tatsächlichen Funktionieren der benannten Funktionen entweder gar nicht gestellt oder nur ungenügend beantwortet wurde. Wenn sich angesichts der zahlreichen überlieferten Troja-Versionen in den letzten Jahren das Interesse der Forschung bisweilen stärker auf den Aspekt der Variabilität richtete, so ging es nun nicht mehr allein dämm zu untersuchen, welche Versionen überliefert sind und welche Funktionen diese besaßen, sondern warum diese entstehen und überdauern konnten. Damit richtet sich das Erkenntnisinteresse nicht mehr auf die einzelnen Mythen, das heißt auf die jeweiligen fundierenden Geschichtserzählungen, sondern auf den Mythos als übergeordnete Kategorie, welche einen komplexeren Phänomenbereich zu erfassen versucht. Einerseits stellt der Troja-Mythos in einer solchen Perspektive nur einen neben vielen Mythen wie zum Beispiel dem Hermanns- oder dem Karlsmythos dar. Alle diese Mythen wären dann Konkretisierungen dessen, was man allgemein als Mythos auffasst. Andererseits lassen sich einzelne Troja-Traditionen, die jeweils durch bestimmte Merkmale voneinander unterscheidbar sind, denen aber der Bezug auf den Troja-Stoff gemeinsam ist, als Troja(ner)-Mythen bezeichnen und unter dem Terminus Troja-Mythos zusammenfassen. Dabei gehören die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Troja(ner)-Erzählungen zum Phänomenbereich des Troja-Mythos. Der Troja-Mythos repräsentiert also nicht eine ganz bestimmte überlieferte Erzählung, sondern existiert an sich erst durch die Summe seiner Einzelteile und bleibt daher immer ein Stück weit gedankliches Konstrukt. -

40

Zum antiken

-

Mythenbegriff exemplarisch Nesselrath, Mythos-Begriff der Griechen,

1999.

2. Methodische

Überlegungen

49

An diesem Punkt anknüpfend, stellt sich die Frage, welche Einzelteile denn zum Ganzen hinzuzuzählen seien. Es liegt nahe, einen gemeinsamen Nenner, einen Erzählkern, als Auswahlkriterium festzulegen. Vier chronologisch und logisch eng miteinander verknüpfte Elemente ließen sich hierbei bündeln: der Trojanische Krieg (1), der Untergang der Stadt (2), die Flucht trojanischer Helden (3) und die Gründung neuer Herrschaften durch die Trojaner (4). Die Präsenz dieses Erzählkerns geht aber nicht notwendigerweise mit der gleichzeitigen Nennung aller vier Elemente einher. So wurde in der «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth, welche in den 1130er-Jahren entstanden war, vom Trojanischen Krieg (1) und der Zerstörung Trojas (2) berichtet, die zur Flucht des Aeneas und seines Sohnes Ascanius nach Italien geführt habe (3), wo sie sich schließlich niederließen und ihre Herrschaft etablierten (4). Doch das Schicksal habe Aeneas' Urenkel Brutus erneut in die Flucht getrieben (3), bis dieser nach langer Reise auf einer einst von Giganten bewohnten Insel landete, die er nach sich selbst Britannia benannte (4). Diese Erzählung findet sich in ähnlicher Weise in einer Passage der «Antiocheis» des Joseph Iscanus gegen Ende des 12. Jahrhunderts: „Brutus, der großelterlicherseits aus trojanischem Blute war, hatte die Küsten Latiums verlassen und ließ sich, nachdem er das verheißene Land erreicht hatte, nach verschiedenen Wechselfallen in diesem Gebiet nieder; und er war Sieger über die Giganten. Und als Sieger gab er dem Land seinen Namen [erg. Die Parallelen zwischen beiden Versionen sind offensichtlich, denn sie lassen sich einer gemeinsamen Erzähltradition zuordnen, in der es darum geht, das vorgeschichtliche Dunkel der Insel durch eine aus heutiger Sicht fiktive Geschichte ihrer Landnahme zu erhellen. Bei beiden würde man sich in der neueren Forschung nicht scheuen, sie als mythisch zu bezeichnen. Schaut man genauer hin, so fällt auf, dass die Elemente 1 und 2, das heißt der Untergang Trojas infolge des Trojanischen Krieges, bei Joseph Iscanus mit keinem Wort erwähnt wurden. Durch den unmittelbaren Bezug auf Geoffreys Darstellung ist aber vorauszusetzen, dass der Autor die ausführliche Geschichte kannte. Angesichts der enormen Verbreitung und Rezeption von Geoffreys «Historia» liegt es sogar nahe anzunehmen, dass auch der Leser bzw. Zuhörer den ersten Teil der Geschichte präsent hatte und entsprechend assoziierte. Das Beispiel soll noch erweitert werden: Mitte der 1150er-Jahre brachte Wace mit seinem «Roman de Brat» eine volkssprachliche Versifikation jener «Historia» des Geoffrey von Monmouth in Umlauf.43 Benoît de Sainte-Maure, der nach Wace in der Gunst des englischen Königs stand, hatte mit seinem «Roman de Troie», in welchem er eine ausführliche Beschreibung des Trojanischen Krieges bot, durchschlagenden Er-

Britannia]."42

entsprechend den ersten Teil der Chronik: Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 1-22, 1-15. Mit Geoffreys «Historia» beschäftigt sich der Hauptteil der Studie

41

Siehe

42

His Brutus, avito/Sanguine Troianus, Latiis egressus ab oris/Post varios casus consedtt finlbus, orbem/Fatalem nactus, debellatorque gigantum/Et terre victor nomen dedit. Joseph Iscanus, Antiocheis, ed. Gompf, 1970, 212, w. 1-5. Zu Autor und Werk siehe S. 107f. Hierzu S. 102-104.

ausführlich.

43

50

/.

Einleitung

folg. Brutus' Landnahme wurde darin allerdings nicht thematisiert. Und doch: Auch wenn Benoîts «Troja-Roman» keine Gründungsgeschichte darstellt, ist ein Werk solchen Inhalts wohl nicht durch Zufall im unmittelbaren Umkreis des englischen Herrscherhofes entstanden und fand ein so breites Echo. Benoît, Wace, Geoffrey und Joseph sie alle stehen in einem engen zeitlichen und literarisch-historischen Zusammenhang, sie alle thematisieren den Troja-Stoff, sie alle greifen Elemente des Erzählkems auf. Mit Elisabeth Lienert können diese und andere vielfältige Thematisierungen des Troja-Stoffs als „Indizien sowohl für die allgemeine Kenntnis als auch für die fraglose ,Wahrheit' Trojas" aufgefasst werden. Auch wenn derartige Reminiszenzen nicht das Wissen um die ,ganze' Geschichte von Troja vermittelten, setzten sie es aber voraus.45 Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird im Folgenden eine ausschließlich funktionale Mythendefinition aufgegeben. Da alle Referenzen auf den Troja-Stoff in unterschiedlicher Form und Intensität durch die Reaktivierung bestimmter Erzählelemente am Mythos arbeiten und auf diese Weise zu seinem Fortbestehen beitragen46, sollen neben den Herkunfts- und Gründungsmythen auch andere Bezugnahmen auf den TrojaStoff Berücksichtigung finden. -

2.1.3 Offene Mythentheorien

Theoretische Grundlagen für ein derart weit gefasstes Mythenverständnis lassen sich in den Ausführungen des Philosophen Hans Blumenberg finden. „Mythen", so schrieb er, „sind Geschichten von hochgradiger Beständigkeit ihres narrativen Kerns und ebenso ausgeprägter marginaler Variationsfähigkeit. Diese beiden Eigenschaften machen Mythen traditionsgängig: ihre Beständigkeit ergibt den Reiz, sie auch in bildnerischer oder ritueller Darstellung wiederzuerkennen, ihre Veränderbarkeit den Reiz der Erprobung neuer und eigener Mittel der Darbietung. [...] Mythen sind daher nicht so etwas wie ,heilige Texte', an denen jedes Jota unberührbar ist."47 Von diesen Eigenschaften unterschied Blumenberg die zentrale Funktion des Mythos, die für ihn darin bestand, „Distanz zur Unheimlichkeit zu schaffen". In symbolischer Form vermittelten Mythen zwischen dem Menschen und der ihn bedrängenden Wirklichkeit. Schöpfungsmythen seien daher nicht darauf ausgerichtet, Licht ins Dunkel zu bringen und Ursprünge zu erklären; vielmehr werde der mythische Anfang der Gegenwart ferngerückt und dadurch selbst unbefragbar. Eine bestimmte Vergangenheitserzählung kann nach Blumenberg also 44 Siehe auch S. 106f. 45 Vgl. Lienert, Troja-Anspielungen, 1990, 201, 206. 46 In ähnlicher Weise hatte bereits Helene Homeyer (Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 117) festgestellt, dass ,,[d]ie trojanischen Abstammungssagen [...] nur zu einem bescheidenen Teil dazu beigetragen [haben], die Erinnerung an ein kostbares Erbe, an die Wurzeln der westlichen Kultur zu bewahren". 47 Blumenberg, Arbeit am Mythos, 2003 (1979), 194. 48 Ebd., 201. 49 Vgl. ebd., 214f

2. Methodische

Überlegungen

51

nicht per se oder nur aufgrund ihrer fundierenden Funktion mit dem Attribut mythisch versehen werden, sondern erst unter Berücksichtigung der zeitlichen Dimension und in der Zusammenschau mit anderen symbolischen Geschichten, die sich um denselben Erzählkern herum gruppieren. Dieser Ansatz ist auch für eine Untersuchung der mittelalterlichen Troja(ner)-Mythen fruchtbar und hilft, den drohenden Zirkelschluss bei einer rein funktionalen Mythendefinition zu vermeiden. Für Blumenberg sind die Persistenz des Erzählkerns und die Variabilität der Erzählung grundlegend für einen Mythos. Diese Dichotomie bietet Erklärungsansätze für die Existenz und die Tradierang unzähliger Troja-Reminiszenzen im Mittelalter, und zwar auch solchen, die bisher aus mediävistischer Perspektive kaum oder gar keine Beachtung fanden. Bestehende Untersuchungen zu den Gründungserzählungen verlieren damit keineswegs an Gültigkeit, sondern es kann ohne Weiteres auf ihnen aufgebaut werden. Ohne Blumenbergs prinzipielle Unterscheidung zwischen dem Mythos und seiner Rezeption im literarischen Zusammenhang aufzunehmen, weil sich der mittelalterliche Troja-Mythos nicht losgelöst von Literatur bzw. Historiographie betrachten lässt, so kann doch ein entscheidender Gedanke aufgenommen werden: dass die „Arbeit am Mythos" und zwar nicht nur in seinen archaischen, sondern auch in seinen späteren Ausdracksformen bis hin zu seiner endgültigen Reduktion wesentliches Merkmal der „Arbeit des Mythos" sei.50 Von der essentiellen Bedeutung des Aspekts der Narrativität war bereits weiter oben die Rede. Er wird bei Odo Marquard, dessen Erkenntnisinteresse an Mythen in deutlicher Nähe des Mythenverständnisses von Hans Blumenberg stand, in den Mittelpunkt gerückt.51 Marquard setzte dem totalisierenden Monomythos der modernen Emanzipationsgeschichte einen aufgeklärten Polytheismus entgegen und sah in der Polymythie, das heißt in der Geschichtenvielfalt, den nötigen Freiheitsspielraum, den der Mensch zu seiner Entfaltung benötige. Die Formel „Mythen sind Geschichten" bildete bei ihm den Ausgangspunkt für einen sehr weit gefassten Mythenbegriff, in dessen Zentrum der narrative Aspekt (narrare necesse est) gerückt wurde.52 Marquard knüpfte damit an einen Grundgedanken Wilhelm Schapps das Verstricktsein-in-Geschichten53 an und setzte diesen erstmals mit dem Mythosbegriff in Verbindung, um seine These von der Mythenpflichtigkeit der Menschen zu begründen.54 Zu Recht wurde jedoch der Einwand vorgebracht, dass Marquard unbeantwortet ließ, „welche Art von Geschichten die Mythen sind, deren Erzählen so notwendig für den Menschen ist, und was das Unumgäng-

-

-

-

50 Siehe ebd., 203. 51 Siehe hierzu die Ausführungen bei Wesche, Einleitung Marquard, 2003, 219. 52 Vgl. Marquard, Lob des Polytheismus, 1981 (1979), Zitate ebd., 93f, 95. 53 Vgl. Schapp, Geschichten, ^2004 ( 1953). 54 „Wir können die Geschichten die Mythen nicht loswerden; wer es trotzdem glaubt, betrügt sich selber. Menschen sind mythenpflichtig; ein mythisch nacktes Leben ohne Geschichten ist nicht möglich. Die Mythen abzuschaffen: das ist aussichtslos." Marquard, Lob des Polytheismus, 1981 (1979), 97. -

-

52

/.

Einleitung

liehe dieser ,Geschichtenpflichtigkeit' der Menschen ist." Auch wenn also Narrativität allein noch keinen Mythos ausmacht, so kann sie doch als eines seiner konstitotiven Merkmale gelten. Für Mediävisten leitet sich hieraus die dringliche Fordemng ab, auch diese Seite bei der Untersuchung des Troja-Mythos zu berücksichtigen und textimmanente Gesichtspunkte nicht allein den Literatorwissenschaftlern zu überlassen. Neben Ansätzen wie denen von Blumenberg oder Marquard sind auch mythentheoretische Konzepte weiterführend, wie sie in der interdisziplinären Forschergruppe um den Anthropologen Gilbert Durand entwickelt wurden, die sich mit der Erforschung des Imaginären und dessen Verhältnis zum Mythos befasst. Anknüpfend an frankophone Mythentheoretiker wie Claude Lévi-Strauss und Marcel Détienne56 wurde auch hier eine Verengung des Mythosbegriffes auf seine fundierende Funktion vermieden. Mythen seien vielmehr als „produktive Entäußerungen des Imaginären im kollektiven Raum" aufzufassen. Das „Überleben" eines bestimmten Mythos werde dabei erst durch seine ständige Abwandlung ermöglicht, welche aus der Einbindung in die Gesellschaft resultiere. Bei der Untersuchung der Erscheinungsformen des Mythos differenzierte Durand zwischen „Mythenkritik" und „Mythenanalyse", das heißt zwischen einer sprachlichen Ebene, bei der es um den Kern und die Formen von Mythen in mündlichen und schriftlichen Überlieferungen geht, und einer außersprachlichen Ebene, die gesellschaftliche Praktiken, Institutionen und die Kontexte der Texte in den Blick rückt.57 Jean-Jacques Wunenburger, Repräsentant dieser Forschungsgruppe und Gründungsmitglied der Vereinigung der europäischen Zentren zur Erforschung des fühlte sich diesem Ansatz verpflichtet. Ihn interessierte besonders die „mythische Poiesis" („poïétique mythique") die unbegrenzte Wandlungsfähigkeit des Mythos. Unter einem Mythos verstand er eine symbolische Aneignungsform menschlicher Erfahrung, die nicht objektivierbar ist, die also keine statischen semiotischen und symbolischen Strukturen besitzt und in ihrem Wesen selbst-bildend und kreativ ist.59 Der Mythos sei demnach eine Art unendlich „offener" Text, der in einem produktiven Spannungsverhältnis zur Gesellschaft stehe und ständiger Bewegung ausgesetzt sei. Für eine historische Mythenanalyse ist nicht nur die Rückbindung der Erzählungen an die Akteure und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bedeutsam, sondern auch die betonte Dichotomie zwischen „Entmythifizierung" und „Neu-Mythifizierung". Der Gedanke, dass die Beschäftigung mit einem Mythenstoff zwar notwendigerweise eine gewisse Distanz zu ihm voraussetze, aber durch Adaption und Anpassung in neue Kontexte weitere Impulse zu seiner Wiederbelebung geschaffen werden, liefert erklärende Anhaltspunkte für Mythen-Revivals und Phasen weniger intensiver Bezugnahmen auf den Troja-Stoff. Mit Wunenburger wird man grundsätzlich darin übereinstimmen, dass

Imaginären58,

-

55 Mohn, Mythostheorien, 1998, 138. 56 Zu diesen Ansätzen auch Degn, Mythes et théories, 1993, 23, 25f 57 Vgl. Fischer, Einleitung Wunenburger, 2003, 287. 58 Ebd. 59 Vgl. Wunenburger, Mytho-phorie, 2003 (1994), 290.

2. Methodische

Überlegungen

53

Verschriftlichung von Mythenstoffen eine wichtige Bedingung für ihre Reaktivierang und ein entscheidendes Moment für das Weiterleben eines Mythos liegt. Ferner kann durch die von Wunenburger hervorgehobene unbegrenzte Wandlungsfähigkeit des Mythos die vorzufindende Variabilität mittelalterlicher Troja-Rekurse erklärt werden, die eben nicht nur als Gründungserzählungen begegneten, sondern auch andere Formen der symbolischen Aneignung menschlicher Erfahrung annehmen konnten. In Anlehnung an den Religionswissenschaftler Jürgen Mohn lassen sich die dargelegten Mythenkonzepte als „offene" Theorien bezeichnen. Um den Begriff des Mythos von anderen Terminologien zu unterscheiden, arbeitete Mohn um einen definitorischen Kern herum verschiedene Aspekte heraus, die mit dem Phänomen Mythos mehr oder weniger verbunden erscheinen. Anstatt von „offener Theorie" ließe sich daher auch von einer „aspektiven Theorie des Mythos" sprechen. Einschränkend fügte Mohn hinzu, „daß ein komplexes Phänomen wie der Mythos in geschichtlicher Hinsicht schon allein aufgrund der oft dürftigen Quellenlage kaum in all seinen Dimensionen im zureichenden Maße erfaßt werden kann, so daß eine systematische' Theorie nicht im Rahmen der Möglichkeiten liegt."61 In Abgrenzung von Sagen, Legenden und ähnlichen Begriffen besitzen Mythen, so Mohn, eine „weltsetzende Orientierungsfünktion" für eine Gruppe oder einzelne Personen, sie sind mit anderen Worten „wahre", gelebte Geschichte.62 Ausgehend von den hier in ihrem Potential kurz vorgestellten mythentheoretischen Überlegungen soll der Troja-Mythos auf der Grundlage eines „offenen" bzw. „aspektiven" Zugangs untersucht werden. Das bedeutet, einen funktionalen und an göttliche Ursprünge gebundenen Mythosbegriff aufzugeben. Durch diese Distanzierung von einer Gleichsetzung des Mythos mit fundierenden Geschichten wird es möglich, in die Analyse alle Formen der den Troja-Mythos konstituierenden „Mytheme" (Wunenburger) einzubeziehen und die Aufmerksamkeit nicht allein auf Herkunftserzählungen zu richten. Ohne den Versuch einer festen Definition zu unternehmen, impliziert der hier verwendete Terminus Troja-Mythos eine im Kern beständige und symbolhafte Erzählung über eine vorgestellte Vergangenheit, die eine variable narrative Struktur besitzt. Mohn folgend, wird Narration hierbei nicht allein auf das sprachliche Medium (Schrift oder mündliche Rede) bezogen, sondern auch auf Visualisierungen, die ebenfalls Geschichten erzählen und in gewissem Sinne „Aufschreibsysteme"63 sind. Die Geschichtenpluralität, welche sich in den unterschiedlichen Erscheinungsformen der Troja-Rekurse äußert, wird als wesentliches Kennzeichen des Mythos angesehen.64 Bedingung für die in der

-

-

60 61 62 63 64

Vgl. ebd., 290-293. Siehe Mohn, Mythostheorien, 1998, 43f. Vgl. ebd., 62. Zur Problematik des Verhältnisses von Mythos und Ideologie ebd., 64-68. Vgl. ebd., 136. In dieser „Pluralform der Geschichten" und dem narrativen Element sah Jürgen Mohn (ebd.) ein wesentliches Merkmal, um Mythen gegen diskursive Formen des Weltverstehens (Metaphysik, Philosophie, Wissenschaft) abzugrenzen.

/.

54

Einleitung

Wandelbarkeit des Troja-Mythos wiedemm ist, dass er für Personen oder Gruppen Bedeutsamkeit besitzt, dass er für diejenigen, die aus ihm heraus ,Welt' wahrnehmen und konstituieren, von paradigmatischer und exemplarischer Bedeutung ist.65

Mythos und kulturelles Gedächtnis Die seit ungefähr eineinhalb Jahrzehnten zunehmende Verwendung des Mythenbegriffs für mittelalterliche Herkunfts- und Gründungserzählungen hängt nicht nur von einem Wandel des Mythosbegriffs in der Alltags- und Wissenschaftssprache, sondern auch mit 2.1.4

dem Einfluss kultorwissenschaftlicher Theorien in der Geschichts- und Literaturwissenschaft zusammen. Schon Gerd Althoff, Hans-Joachim Gehrke und Karl-Siegbert Rehberg hatten auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, Mythen in Anknüpfung an gedächtnistheoretische Konzepte zu untersuchen. Als Referenzpunkt diente vor allem Jan Assmanns Theorie des kulturellen Gedächtnisses und die darin formulierte Definition Dieser An„Mythos ist die zur fundierenden Geschichte verdichtete und weil sich Assmanns nicht wird hier satz übernommen, erinnerungstheoretimythensche Überlegungen weitaus komplexer gestalten und nicht auf den oben zitierten griffigen Satz beschränken lassen, durch den eine Gleichsetzung von Mythos und Ursprungsgeschichte gerechtfertigt wird. Ausgehend von der grundlegenden Einsicht, nach der für das kulturelle Gedächtnis nicht die faktische, sondern nur die erinnerte Geschichte Bedeutung besitzt67, fasst Assmann Mythen als erinnerte Geschichten auf. Diese werden durch den Prozess des Erinnems nicht unwirklich, sondern erlangen im Gegenteil durch ihn erst Wirklichkeit im Sinne einer fortdauernden normativen und formativen Kraft.68 Daher ließen sich Mythen auch als „Erinnerungsfiguren" bezeichnen, als „zu symbolischen Figuren geronnene Vergangenheit, an die sich die Erinnerung heftet" 9. Assmann unterscheidet zwei scheinbar entgegengesetzte Funktionen des mythischen Vergangenheitsbezugs: erstens Die eine Funktion stelle Geeine fundierende und zweitens eine diese Weise sinnvoll, gottgeauf Geschichte und lasse es Licht einer in das genwärtiges Funktion gehe von DefrziDie andere wollt, notwendig und unabänderlich erscheinen. enzerfahrungen der Gegenwart aus, beschwöre eine idealisierte, heroische Vergangenheit und mache somit den Bruch zwischen dem „Einst" und dem „Jetzt" bewusst.71 Doch nicht allein diese beiden Funktionen seien zur Kennzeichnung eines Mythos hin-

Vergangenheit".66

kontrapräsentische.70

65 Vgl. ebd., 80. 66 Assmann, Kulturelles Gedächtnis, 42002 (1992), 78. Zu den genannten drei Autoren S. 45f. 67 „Nur bedeutsame Vergangenheit wird erinnert, nur erinnerte Vergangenheit wird bedeutsam." Ebd., 77. 68 Ebd., 52; ähnlich noch einmal 75-78. 69 Ebd., 52. 70 Diese Bifunktionalität des Mythos widerspricht in gewisser Weise der von Assmann an anderer Stelle (ebd., 52, 76-78) formulierten Definition, nach der Mythen fundierende Geschichten seien. 71 Siehe ebd., 78f

2. Methodische

Überlegungen

55

reichend. Hinzu komme eine Kraft, die Assmann „Mythomotorik" nennt und als selbstbildformend, handlungsleitend, auf die Gegenwart ausgerichtet, sozial gebunden und

situativ charakterisiert.72 Wie Wunenburger in der Verschriftlichung von Mythenstoffen eine wichtige Bedingung für deren Reaktivierung und ein entscheidendes Moment für das Weiterleben eines Mythos sieht73, so misst auch Assmann dem Schriftlichwerden von Überlieferungen, das heißt der Externalisierung des Gedächtnisses, eine große Bedeutung für eine dauerhafte Verankerung von Vergangenheitswissen innerhalb des kulturellen Gedächtnisses bei.74 Mit den meisten Historikern, die sich der Erforschung von Mythen widmen, ist Assmann ein grundsätzlich funktionales Mythenverständnis gemeinsam. In der Theorie des kulturellen Gedächtnisses erfahrt dieses jedoch durch die mehrere Aspekte umfassende „mythomotorische Kraft" eine Erweiterung. Ein Mythos besitze demnach neben bestimmten Funktionen immer auch die Möglichkeit, aus eigener Kraft heraus „Motor seiner Entwicklung"75 zu werden. Ohne dass darauf ausdrücklich eingegangen wird, impliziert der Gebrauch des Wortes „Entwicklung" ebenso eine zeitliche Dimension sowie Veränderbarkeit. Wenn Assmann anschließend die fundierende bzw. kontrapräsentische Mythomotorik an einzelnen, unverbundenen Beispielen aus unterschiedlichen Kulturen darlegt, so gibt er auf die Frage nach der Wandelbarkeit und Adaptionsfähigkeit einzelner Mythentraditionen allerdings keine Antwort. Die Stärke des Assmannschen Ansatzes für die Erforschung mittelalterlicher Mythen liegt weniger in der etwas widersprüchlichen Begriffsbestimmung des Mythos als vielmehr in den Anwendungsmöglichkeiten und Erkenntnischancen, die sich durch die Einbettung des Phänomens Mythos in die Theorie des kulturellen Gedächtnisses ergeben. Assmann fasste den Begriff des „kulturellen Gedächtnisses" als einen Oberbegriff für den mit den Stichworten „Traditionsbildung", „Vergangenheitsbezug" und „politische Identität bzw. Imagination" umrissenen Funktionsrahmen auf76 und eröffnete mit seiner

Gedächtnistheorie

neue

Möglichkeiten zur Erforschung von Vergangenheitsvorstellun-

welchen eine Gruppe oder Gesellschaft ihre Kultur und Identität herleitete, verund stetigte weitergab. Die traditionsbildend wirkende, fortwährende Weitergabe von Mythenstoffen als bedeutsamem „Wissen" über eine bestimmte Vergangenheit kann als ein Element innerhalb der konnektiven Struktur einer Kultur angesehen werden. Neben der sozialen und zeitlichen Dimension wird nicht zuletzt auch der Stellenwert betont, den Wiederholung und Vergegenwärtigung beim Knüpfen und Erhalten konnektiver Strukturen des kulturellen Gedächtnisses einnehmen.77 Ähnlich wie Jan Assmann, doch unter Einbeziehung von Erkenntnissen aus dem Bereich der Neurophysiologie, setzte gen,

aus

72 Siehe ebd., 79f, und die mit Beispielen versehenen Ausführungen 80-83. 73 Vgl. Wunenburger, Mytho-phorie, 2003 (1994), 293. Ausführlicher hierzu oben S. 52f. 74 Vgl. Assmann, Kulturelles Gedächtnis, 42002 (1992), bes. 23. 75 Diese Umschreibung wählt Assmann hier (ebd., 78) in Bezugnahme auf Claude Lévi-Strauss. 76 Vgl. ebd., 24. 77 Ebd., 16f.

56

/.

Einleitung

sich unlängst auch Johannes Fried mit dem kulturellen Gedächtnis auseinander. Er machte das Wissen über den individuellen Akt der Memorierung bestimmter „Erinnerungen" für die Theorie des „kollektiven Gedächtnis" fruchtbar.78 Das kulturelle Gedächtnis beschrieb Fried als eine Art dynamisches Netzwerk aus Wissen, Können, Glauben, Normen und Verhaltensweisen, das ständig variiere und der Gedächtnismodulation ausgeliefert sei.79 Ohne diese und andere erinnerungstheoretische Ansätze im Folgenden zu applizieren, lohnte es, sich in einem anderen Rahmen mit dem Verhältnis von Mythos und Gedächtnis intensiver auseinanderzusetzen. Denn mit Assmann, Fried und anderen Theoretikern des kollektiven Gedächtnisses ließen sich Mythen sowohl im engeren Sinne als Herkunfts- und Gründungserzählungen als auch in einem erweiterten Verständnis, wie es in dieser Studie zu Grunde gelegt wird, als eine Form kultureller Erinnerung auffassen. In der beschriebenen selektiven, repetetiven und sinndeutenden Gedächtnistätigkeit können Erklämngsfaktoren für Mythenvariabilität und -transformation gefunden werden, die im Prinzip den Ansätzen offener Mythostheorien gleichen. Gerade für quellenarme und noch weitgehend oral geprägte Epochen wie das Mittelalter wäre es möglich, den Troja-Mythos als Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses unserer abendländischen Gesellschaft zu sehen, ohne dass dies eine bewusste Kenntnis bestimmter „Erinnerungen" bei jedem einzelnen Individuum voraussetzt.

2.2 Der Vergleich als Methode

Angesichts der Unmöglichkeit, alle Einzelheiten des Phänomens mittelalterlicher TrojaBezüge zu erkennen und die Bedingungen für das Handeln sozialer Wesen vollständig zu durchschauen, kann ein komparatives Vorgehen die Erkenntnischancen erhöhen und differenzierte Antworten aufgestellte Fragen ermöglichen.80 Auch wenn ein subjektives Moment durch die Auswahl der zu untersuchenden Einzelheiten nicht vermieden werden kann, bietet ein Vergleich doch die Möglichkeit eines „Gleichgewichts" zwischen der „Erkenntnis des Ganzen durch maßvolle Verallgemeinerung" und der „Einsicht ins Besondere durch behutsame

Annäherung".81

Im Rahmen der mythentheoretischen Reflexion musste hier darauf verzichtet werden, auf die Konsequenzen, die sich aus Frieds Ansatz nicht nur für die Erforschung der historischen Memorik, sondern für die Quellenanalyse allgemein ergeben, näher einzugehen. 79 Vgl. Fried, Schleier der Erinnerung, 2004, 85f 80 Zu Methoden und Aufgaben des europäischen Vergleichs siehe zuletzt: Borgolte, Mediävistik als vergleichende Geschichte, 2003; Ders., Europa, 2002, 357-378; Ders. (Hrsg.), Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, 2001, 13-27. Vgl. auch Kaelble, Vergleich, 1999; Haupt/Kocka (Hrsg.), Geschichte und Vergleich, 1996. 81 Vgl. Borgolte, Mediävistik als vergleichende Geschichte, 2003, 313f. 78

2. Methodische

57

Überlegungen

trojanische Herkunftserzählungen noch andere Erscheinungsformen des Troja-Mythos sind bisher stringent miteinander verglichen worden. Wie also könnte ein solches komparatistisches Vorhaben aussehen? Marc Bloch bevorzugte einen Vergleich von Nachbarländern, bei denen eine gemeinsame Herkunft und intensive Wechselwirkungen erkennbar seien, und stand einem universalen Vergleich unverbundener Kulturen skeptisch gegenüber.83 Dagegen hielt Michael Borgolte Vergleiche von distanten Kulturen und ihrer Einzelphänomene für „anspruchsvoller".84 Wenn hier die Entscheidung zugunsten einer Gegenüberstellung ungefähr zeitgleich entstandener Überlieferungen in benachbarten Regionen ausfiel, so hat dies erstens seinen Grand darin, dass ein Vergleich mehrerer Länder den bisher in der Forschung dominierenden nationalen Blickwinkel und die starke Orientierung auf Stoff-, motiv- und traditionsgeschichtliche Entwicklungslinien umgehen kann. Den Blick einmal parallel auf einzelne Gesichtspunkte innerhalb ähnlicher Rahmenbedingungen zu lenken, verspricht daher neue Einsichten. Zweitens waren die Trojaner-Mythen im gewählten Untersuchungszeitraum weniger verbreitet als im Spätmittelalter oder in der Neuzeit, so dass die Auswahl von vornherein begrenzt war. Bezeichnenderweise spielten sie damals vor allem in solchen Regionen eine Rolle, die in einem engen kulturellen Austausch miteinander standen. Durch den komparatistischen Ansatz sollen Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede der Troja-Überlieferungen prägnanter herausgearbeitet werden, um so Aspekte der „Mythomotorik" (Assmann) in den Blickpunkt zu rücken, die bei einer nationalen' Perspektive kaum zur Geltung kommen würden. Die Anlage des Vergleichs, die Festlegung der Vergleichskriterien, die wesentlich von dem verwendeten Mythoskonzept abhängige Auswahl der zu untersuchenden Quellen, ja die leitenden Fragestellungen selbst haben unvermeidbar subjektive Züge. Der Vergleich wird prinzipiell synchron angelegt sein, doch soll auch die im Hinblick auf den Wandel des Mythos wichtige diachrone Perspektive nicht gänzlich aus den Augen verloren werden. Ein exemplarisches Vorgehen durch eine Beschränkung auf bestimmte Troja(ner)-Überlieferangen erschien mit Blick auf die praktische Durchführbarkeit des Vergleichs unumgänglich. Weder

82 83 84

Siehe S. 19, Anm. 19.

Vgl. Bloch, Société féodale, 1939/40; Ders., Histoire comparée, 1928; pa, 2002, 358, 364. Vgl. Borgolte, Mediävistik als vergleichende Geschichte, 2003, 321 f.

dazu auch

Borgolte,

Euro-

/.

58

3.

Einleitung

Eingrenzungen des Themas

großen Variabilität und Verbreitung mittelalterlicher Rekurse auf den Troja-Stoff ist eine Eingrenzung des Themas erforderlich. Das spannungsreiche Wechselverhältnis zwischen Mythenvariabilität und gesellschaftlichen Bedingungen lässt sich hierbei am besten unter Einbeziehung mehrerer Länder bzw. Großregionen, wie sie hier In Anbetracht der

genannt werden sollen, untersuchen. Die Chancen eines solchen transnationalen Ansat-

liegen darin, die bisher vorwiegend aus einem nationalen Blickwinkel erzielten Erkenntnisse zur Relevanz der Trojaner-Mythen auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen und über grundsätzliche Formen und Mechanismen mittelalterlicher Mythen(re)produktion nachzudenken. Sowohl der Untersuchungsgegenstand selbst als auch die aktuelle Forschungslage machen eine Fokussierung auf die drei Großregionen England, Frankreich zes

und Italien sowie die Zeit des 12. Jahrhunderts lohnend. Ohne moderne nationalstaatliche Kategorien anachronistisch auf das Mittelalter übertragen zu wollen, bilden die heutigen Ländergrenzen mit einigen Einschränkungen einen geografischen Orientierungsrahmen. Unter Berücksichtigung zeitgenössischer politischer Konstellationen, die sich das sei hier betont auch im Verlauf des 12. Jahrhunderts ständig veränderten, wird als Großregion England das anglonormannische und Wales2 seit Herrschaftsgebiet bezeichnet, das neben dem Königreich 1066 auch das vom französischen König lehnsabhängige Herzogtum Normandie3, ab 1154 das Herzogtum Aquitanien nebst der Grafschaft Auvergne, das Herzogtum Gascogne, ,le Grand Anjou' (die Grafschaften Anjou, Maine, Touraine) sowie die Grafschaft Poitou, ab 1177 dann die Grafschaft Marche und seit ca. 1181 das Herzogtum -

-

England1

1

im späten 12. Jahrhundert von den Anglonormannen erobert wurde, spielte es in Hinsicht auf die Troja-Literatur im Untersuchungszeitraum offenbar keine Rolle ebenso wenig das Königreich Schottland, das (mit Ausnahme einer Periode lehnsrechtlicher Abhängigkeit von England nach dem Tod des schottischen Königs Malcolm III. bis zum Tode des englischen Königs Heinrich I. 1135) einen eigenen Herrschaftsbereich bildete. Vgl. hierzu den Überblick bei Barrow, Schottland, 1995, 1146f. Wales gehörte ehemals zum römischen Britannien (Britannia). Die nur ein Teilgebiet von Wales umfassende Grenzregion der Walisischen Mark (1067-1284), in der die in mehreren Etappen eroberten walisischen Königreiche und Fürstentümer die Grundlage neuer Herrschaften („marcher lordships") bildeten, blieb politisch, sprachlich und kulturell sehr heterogen, während der Norden und Westen von Wales weitgehend eine eigene, von der englischen Herrschaft unabhängige Entwicklung nahm. Im literarischen Bereich blieb das britische Erbe in Gildas' «De Excidio Et Conquestu Britanniae» (6. Jh.), in der «Historia Brittonum» (9. Jh.) und «Armes Prydein» (Anfang 10. Jh.) sowie in der «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth präsent. Vgl. Richter, Wales, 1997, bes. 1961 f. Diese literarische Tradition sollte auch die trojanische Herkunftsidee bei den Briten/Engländern nachhaltig beeinflussen und prägen. Seit Wilhelm dem Eroberer stand das Herzogtum Normandie unter anglonormannischer Herrschaft (1066). Es wurde 1203/04 von den Kapetingern erobert.

Wenngleich Irland

-

2

3

3.

59

Eingrenzungen des Themas

umfasste. Mit Frankreich ist das Königreich Frankreich gemeint, das heißt die Krondomäne und die vom französischen König abhängigen Lehnsgebiete, entsprechend unter Ausklammerang der den englischen Königen verliehenen Lehen. Aufgrund der territorialen Zergliederung des Gebietes, welches das heutige Italien bildet, werden in die Großregion Italien die Territorien des zum Reich gehörigen Regnum Italiae, des Kirchenstaates (einschließlich Benevent), der unter byzantinischer Oberhoheit stehenden Küstengebiete um Venedig sowie des normannischen Königreiches Sizilien, das ab 1194 an die Staufer überging, einbezogen. In den drei Untersuchungsgebieten nahm im 12. Jahrhundert nicht nur die Quantität der Überlieferungen, in denen Troja und die Trojaner thematisiert wurden, spürbar zu, obgleich sie ihren Höhepunkt längst noch nicht erreichte. Es kam auch und das ist ein entscheidender Punkt zu neuen Impulsen innerhalb bestehender literarischer Traditionen, welche die Rezeption des Mythenstoffs in den darauf folgenden Jahrhunderten nachhaltig beeinflussen sollten. Dabei sind die unterschiedlichen Formen der Bezugnahme auf das Troja-Motiv eine gute Voraussetzung dafür, die historischen Bedingungen, den Wandel und das Fortleben des Mythos zu analysieren, und das nicht nur beim Vergleich der jeweiligen Großregionen untereinander, sondern auch innerhalb einer jeden von ihnen. Grob vereinfachend, lässt sich im 12. Jahrhundert folgendes beobachten: In Frankreich erfuhr die bis in das 7. Jahrhundert zurückreichende Berufung der Franken auf die Trojaner eine spürbare Reaktivierang, und zwar nicht nur in der auf das französische Königshaus ausgerichteten Historiographie, sondern auch in der Kreuzzugsliteratur. Während sich die französischen Herkunftserzählungen inhaltlich im Vergleich zu früheren Versionen kaum veränderten, kamen in der Geschichtsschreibung des anglonormannischen Herrschaftsbereichs neue Mythosvarianten auf, von denen eine die Abstammung von dem Trojaner Brutus besondere Beliebtheit erlangte. In England ist daneben vor allem die französischsprachige Romanliteratur hervorzuheben, die an der Verbreitung des antiken Troja-Stoffs starken Anteil hatte und sich an eben jenen Rezipientenkreis richtete, auf den auch viele Geschichtswerke orientiert waren. In Italien wiede-

Bretagne

-

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-

4

Plantagenêt hatte seit dem Tod seines Vaters Gottfried Plantagenêt (1151) ,le Grand Anjou' (Anjou, Maine und Touraine) und seit 1152 durch die Heirat mit der Erbtochter Eleonore von Aquitanien das Herzogtum Aquitanien (dessen unmittelbarer Einflussbereich sich zeitweise auf das Herzogtum Gascogne und die Grafschaft Auvergne erstreckte) und die Grafschaft Poitou in seinem Besitz. Mit der Thronbesteigung Heinrichs II. fielen die Territorien ab 1154 in den Herrschaftsbereich des englischen Königs. Die Grafschaft Marche wurde kurz vor dem Aussterben der Familie Montgomery von Graf Audebert IV. 1177 an Heinrich II. verkauft, und schließlich gelangte durch die wohl 1181 geschlossene Eheverbindung zwischen Heinrichs Sohn, Gottfried, und Constanze, der Tochter Herzog Conans IV., das Herzogtum Bretagne in den Einflussbereich der Plantagenêts. Für die Festlandsbesitzungen blieb die Lehnsabhängigkeit von Frankreich formal weiterhin bestehen. Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Johann Ohneland und Philipp II. Augustus wurde ein Großteil der Gebiete ab 1204 in die französische Krondomäne eingegliedert. Heinrich II.

60

/.

Einleitung

Bezüge auf den Troja-Stoff zunächst verhalten und kamen in Form von Herkunftserzählungen erst ab der Wende zum 13. Jahrhundert in den oberitalienischen Kommunen allmählich zu stärkerer Geltung. Trotz dieser skizzierten regionalen Unterschiede sind in den Untersuchungsregionen dennoch ähnliche Tendenzen greifbar, die mit allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen in Zusammenhang zu bringen sind. Wie es also unter teils ähnlichen, teils unterschiedlichen Voraussetzungen zur gleichen Zeit in mehreren Regionen Europas zu (Re-)Aktivierungen des Troja-Mythos kam, wird Gegenstand der Analyse sein. Die Schwerpunktsetzung im 12. Jahrhundert liegt darüber hinaus in dem gegenwärtigen Stand der Forschung begründet. Weil es überwiegend die Herkunfts- und Gründungserzählungen waren, die als frühe Ausdrucksformen nationaler Identitätsbildung die Aufmerksamkeit der Geschichtswissenschaft auf sich lenkten, sind die englischen und französischen Versionen des Troja-Mythos (neben den deutschen) relativ intensiv, die italienischen dagegen kaum untersucht worden. Wegen des erst ab dem 13. Jahrhundert stark zunehmenden und sich auch in einer dichteren Quellenüberlieferung manifestierenden Interesses an Herrschaftslegitimationen durch geschichtlich weit zurückreichende Ursprünge sind früh- und hochmittelalterliche Erscheinungsformen des TrojaMythos vergleichsweise weniger in den Blick gekommen und fordern umso mehr zu einer intensiveren Beschäftigung heraus. Was die praktische Durchführung der angestrebten komparativen Untersuchung betrifft, so erschien eine gleichwertige Einbeziehung einer großen Anzahl an Überlieferungen aus den einzelnen Untersuchungsgebieten wenig sinnvoll, da sie die Vergleichsoperation unnötig verkomplizieren und ihr damit vieles von ihrem Erkenntnispotenzial nehmen würde. Ein exemplarisches Vorgehen war also auch hier geboten. Die Analyse wird deshalb auf jeweils einem zentralen Beispiel aus jeder Großregion aufbauen, ohne dass dies einen Ausschluss anderer Troja-Mytheme bedeutete. Mit Blick auf die leitenden Fragestellungen bestand bei der Auswahl der Quellen das primäre Auswahlkriterium in der Integration entscheidender und nach Möglichkeit traditionsbildender Neuerungen in eine Troja-Erzählung. Weil konkrete Einblicke in die gesellschaftliche Bedingtheit von Mythosmetamorphosen nur durch eine umfassende Kontextualisierung der Quelle gewonnen werden können, kamen die Überlieferungslage und der aktuelle Forschungsstand als weitere wichtige Auswahlkriterien hinzu. Unter diesen Prämissen fiel die Wahl auf drei Geschichtswerke. Als Beispiel für die italienische Großregion wird die «Crónica» Sicards von Cremona (1185-1201/1213) herangezogen. Sie stellt eines der wenigen italienischen Werke des 12. Jahrhunderts dar, in denen auf den Troja-Mythos in Form einer Herkunftserzählung in ,positiver' Weise, das heißt zur Darstellung der eigenen Vorgeschichte, Bezug genommen wurde und für das sich zugleich die Autorschaft und der Entstehungszeitraum bestimmen lassen. Des Weiteren repräsentiert Sicards Chronik eine der frühesten Formen der Rückführung auf trojanische Ursprünge in den oberitalienischen Kommunen und markiert damit den Beginn einer Erscheinung, die in den darauf folgenden Jahrhunderten weite Verbrei-

mm waren

die

3.

Eingrenzungen des

61

Themas

rung finden sollte. Exemplarisch für den englisch-anglonormannischen Bereich soll die «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth (1136-1138) stehen. Seine Mythosversion stieß zwar bereits bei Zeitgenossen vereinzelt auf Skepsis, wurde aber dennoch über mehrere Jahrhunderte hinweg stark rezipiert. Im 12. Jahrhundert konkurrierte sie mit französischen Versionen, von denen Rigords «Gesta Philippi Augusti» (um 1200) als zentrales Fallbeispiel herangezogen werden. Die «Gesta» stehen für einen Rückgriff auf Ursprangserzählungen in fränkischer Tradition unter veränderten Prämissen. Die als Fallstudie angelegte historische Mythenanalyse integriert textimmanente und intertextuelle Aspekte ebenso wie Entstehungs-, Vermittlungs- und Wirkungszusammenhänge. Wenngleich der Schwerpunkt der Arbeit durch die ausgewählten Fälle unweigerlich auf dem Bereich der mittelalterlichen Historiographie liegt, werden auch andere Erscheinungsformen des Mythos in die Untersuchung einbezogen und zu den zentralen Fallbeispielen in Beziehung gesetzt. Der analytische Teil der Studie widmet sich der Variabilität, der Transformation5 sowie der Relevanz des Troja-Mythos, drei Aspekten also, die sowohl in modernen Mythostheorien als auch in literatur- und geschichtswissenschaftlichen Studien zur TrojaThematik als wesentlich hervorgehoben wurden. Aufgrund der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes wird dieser systematische Ansatz mit chronologischen und (groß)regionalen Längs- und Querschnittsuntersuchungen verzahnt. Der erste Teil des dem Aspekt der Variabilität gewidmeten Kapitels folgt einem hermeneutischen Zugang, durch welchen Texte, Motive und literarische Traditionen in den Mittelpunkt gerückt werden. Dadurch soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich geschichtswissenschaftliche Untersuchungen zum Troja-Mythos bislang nicht mit der literarischen Seite mittelalterlicher Historiographie beschäftigten. Mit Blick auf die drei Fallbeispiele, auf denen die Studie aufbaut, wird vor allem der Historiker zunächst die für die Quellenkritik relevanten Informationen zu Autor und Werkgenese vermissen.6 Das ist gewollt und soll dazu anregen, den geschichtswissenschaftlichen Blick einmal stärker auf die jeweiligen Eigenheiten der Überlieferungen sowie auf narrative Strategien und textuelle Interdependenzen zu richten. Dem zweiten Teil des Variabilitäts-Kapitels liegt ein diskursiver Ansatz zugrunde, um die drei Herkunftserzählungen in den weiteren literarisch-historiographischen Kontext des 12. Jahrhunderts einzuordnen. Dadurch können Spezifika von Troja-Bezügen in der Geschichtsschreibung herausgearbeitet und synchrone Tendenzen deutlich gemacht werden. Stärker rezeptionsgeschichtlich ausgerichtet ist das Kapitel „Transformationen". Es setzt sich mit dem Einfluss bestehender Erzähltraditionen in den drei Hauptquellentex5

Begriff Transformation wird hier auf die Grundbedeutung des lateinischen Verbs transformaumformen, umgestalten zurückgeführt und nicht in einem erweiterten Sinne verwendet, wie er beispielsweise dem Konzept des Sonderforschungsbereichs 644 „Transformationen der Antike" zugrunde liegt. Umfangreich hierzu weiter unten in den einzelnen Kapiteln zur Relevanz des Troja-Mythos. Der re

-

6

-

62

/.

Einleitung

auseinander, geht der Frage nach zeitbedingten Erzählmustem und Motiven nach und fragt, wie diese künftig weiterwirkten. Auch dieser Zugriff hat das Ziel, zu einem tieferen Verständnis darüber zu gelangen, warum Herkunftsmythen zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gestalt erzählt wurden. Mit der Relevanz der Troja-Erzählungen beschäftigt sich das letzte große Kapitel. Unter einem Verzicht auf funktionalistische Grundannahmen wird hier auf der Basis einer umfassenden Kontextaalisierung der drei Fallbeispiele analysiert, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen das sprachlich Vermittelte außerhalb des Gelehrtendiskurses wirklichkeitskonstitoierend und handlungsleitend werden konnte. ten

IL

Metamorphosen eines Mythos

Nicht von in neue Gestalten verwandelten Wesen gilt es nun zu erzählen sondern im Sinne der griechischen perapopfcoatc die „Umgestaltung" des Troja-Mythos im 12. Jahrhundert zu analysieren. Nicht um Verwandlungsgeschichten im Ovidschen Sinne geht es also, sondern um sich verändernde Geschichten und Geschichtensplitter, um den Troja-Mythos im Wandel sowie seine Wandlungsfähigkeit zwischen den Polen individueller Kreativität, traditioneller Gebundenheit und kollektiven Rückbezugs. ,

4. Variabilität Mythos erzählt etwas und wird, falls die Erzählung oder einzelne ihrer Elemente Signifikanz besitzen, weitererzählt. Das Erzählen kann in ganz unterschiedlicher Weise geschehen, nicht nur in Form einer mündlichen oder schriftlich fixierten Narration, sondern auch durch ein Bild, ein Monument, ein Zeremoniell, ein Wappen, einen Stammbaum oder ähnliches.2 Wie durch „Stille-Post"-Effekte3 verändert sich die Erzählung dabei ständig, wobei man sich diese permanenten Verändemngen zeitgleich und zeitEin

Überlieferungslage nach sind es für das 12. Jahrhundert überwiegend schriftliche Erzählungen, in denen der Troja-Mythos thematisiert wurde. Wo es vereinzelte Hinweise auf mündliche Traditionen oder andere Darstellungsmedien visueller Art gibt, werden diese nach Möglichkeit in die Untersuchung einbezogen. Rückschlüsse auf mündlich weitergegebene Erzählungen sind versetzt an verschiedenen Orten vorstellen muss. Der

1

2

3 4

In nova fieri animus mulatas dicere formas/corpora [...]. So der Beginn der «Metamorphosen» des Publius Ovidio Naso. Zur Narrativität des Mythos sowie einem Verständnis von Narrativität, das über das sprachliche Medium hinausgreift und an die Auffassung des Husserl-Schülers Wilhelm Schapp anknüpft: Mohn, Mythostheorien, 1998, 136f. Siehe auch oben S. 51. Rehberg, Eigengeschichte, 2004, 6. Im 12. Jahrhundert sind ,sichtbare' Troja-Bezüge nur vereinzelt bezeugt und weniger noch erhalten. Erst seit der Schwelle zum 13. Jahrhundert werden diese häufiger. Zu Italien: Noch heute zu betrachten ist eine Inschrift auf dem Sarkophag des Erbauers des Doms von Pisa, Buscheto, die

64

II.

indessen

Metamorphosen eines Mythos

Zeugnissen zu erhalten, sodass sich die Analyse des Variabilitätsaspekts notwendigerweise auf diese Form der Überlieferung stützen muss. Greifbar wird die Wandlungsfähigkeit des mythischen Troja-Stoffs zuallererst anhand der äußeren Gestalt und der Art des Bezugs auf ihn. Darüber hinaus zeugen auch die dargestellten Details von der Variabilität. Beschreibungen von Ereignissen, Wanderungen, Orten und involvierten Personen geben Auskunft darüber, welche Informationen vom Autor als signifikant empfunden oder zumindest als notwendige Erzählbausteine angesehen wurden. Die niedergeschriebenen Einzelheiten rekurrierten auf vorhandene Schriften, Gehörtes oder Gesehenes und spiegeln einen Selektionsprozess wider, den es vertiefend in den Werken des Sicard von Cremona, Rigord und Geoffrey von Monmouth zu untersuchen gilt. Bei der Analyse des Variabilitätsaspekts liegt der Schwerpunkt auf der textlichen Ebene. Zunächst werden die einzelnen Informationen über Troja und die Trojaner bei den drei als exemplarisch ausgewählten Autoren referiert und miteinander verglichen. Zu achten wird auch auf die Stellung der entsprechenden Passagen innerhalb des Gesamtwerks sein, weil sich hieraus weitere Hinweise auf die dem Mythos jeweils beigemessene Bedeutung ergeben. Schließlich werden Sicards, Geoffreys und Rigords TrojaErzählungen in den zeitgenössischen Troja-Diskurs eingeordnet, indem versucht wird, ein dichtes Netz an Mythemen zu rekonstruieren. nur aus

schriftlichen

4.1 Drei Versionen eines

Herkunftsmythos

Überlebende Trojaner wandern nach dem Fall Trojas in andere Gebiete, es entstehen neue soziale Gruppen und Verbände, Herrschaften und Siedlungen werden gegründet, kulturelle Neuerungen eingeführt. Nach diesem Prinzip sind die Erzählungen bei Sicard von Cremona, Rigord und Geoffrey von Monmouth aufgebaut. Man könnte auf den ersten Blick meinen, nur die Hauptfigur ändere sich, und was hier Aeneas vollbringe, das leiste da Francio oder Brutus. Dem ist jedoch nicht so. Schaut man genauer hin, dann begegnen bisweilen überraschende Details, die mehr darüber verraten, mit welch subtilen Waffen gelehrte Schreiber ihre eigenen Interessen oder diejenigen ihrer Auftraggeber bzw. des angedachten Publikums in Worte zu hüllen suchten. Dasselbe Erzähldetail wahrscheinlich ins 12. Jahrhundert zu datieren ist und in einem Vergleich mit dem antiken Helden Odysseus auch Troja erwähnt (siehe S. 124f). In Neapel soll zu Zeiten des Guido délie Colonne ein von Vergil gebautes trojanisches Bronzepferd gestanden haben; vgl. Comparetti, Virgilio nel Medio Evo, 1955 (1937), 24. In Padua hingegen wurde Ende des 13. Jahrhunderts der (angebliche) Sarkophag Antenors nach Padua transferiert (vgl. S. 160). Zu England/Frankeich: Im Palast der Gräfin Adela von Blois-Chartres soll nach der Beschreibung des Balderich von Bourgueil ein Wandteppich gehangen haben, auf dem Szenen über den Troja-Krieg dargestellt gewesen seien (siehe S. 143f). Die meisten Handschriften-Illustrationen datieren erst ab dem 13. Jahrhundert. Zu den ältesten gehört ein Pariser Manuskript (um 1200) mit einer Sequenz an Miniaturen, welche die «Aeneis» illustrieren. Vgl. Baswell, Virgil in Medieval England, 1995, 23. -

4. Variabilität

65

dient dem einem zum Angriff und dem anderen zur Verteidigung, dem einen gibt es Anlass zur Profilierung im Kampf, während der andere ihm auf ein Feld ausweicht, das der Feind noch nicht erreicht hat. Teils bedient man sich dabei aus dem gleichen Waffenlager, teils poliert man alte Streitäxte neu auf, teils konstruiert man neue, schärfere Schwerter. Gerade weil Mythen durch ihren symbolisch verdichteten Bedeutungsgehalt, der sich mit dem gesellschaftlichen Leben aufs Engste verquickt, ein beliebtes Feld für Wortgefechte sind und dies einen Motor für ihre stetige Veränderbarkeit darstellt, lohnt es zu fragen: Wie gestalten die Autoren ihre Erzählungen über die Trojaner im Einzelnen? Wie argumentieren sie? Mit welchen Versatzstücken arbeiten sie und wie setzen sie diese zusammen? Zur Beantwortung dieser Fragen werden die Trojaner-Erzählungen, wie sie in der «Crónica»5, in den «Gesta Philippi Augusti»6 und in der «Historia Regum Britannie»7 5

6

7

In den drei Editionen der «Crónica» Sicards von Cremona fehlen die aetates 1-5 vollständig (Sicardi Chronicon, ed. Muratori, 1725; Sicardi Chronicon, ed. Migne, 1855) bzw. sind äußerst lückenhaft abgedruckt (Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903). Für die Zitation der Troja-Passagen werden die Ausgabe Holder-Eggers und eine eigene Transkription (siehe Anhang) herangezogen. Muratoris Edition ist sehr unzulänglich, da er den Text aus dem zweiten Teil der Doppelchronik («Crónica Imperatorum») des Albert Milioli und der „schlechten" (so Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 188) Wiener Handschrift kompilierte. Die dabei auftretenden textlichen Differenzen versuchte Muratori durch die Existenz von zwei Sicard-Chroniken, einer größeren und einer kleineren, zu erklären. Erst durch die Forschungen Doves über Miliolis Chronik und die Quellen Salimbenes konnte diese Auffassung widerlegt werden (vgl. ebd.). Eine Übersetzung der Chronik in moderner Sprache liegt bisher nicht vor. Für die Zitation wird hier die neue kritische Ausgabe von Elisabeth Carpentier, Georges Pon und Yves Chauvin benutzt, die auch mit einem Kommentar, einer französischen Übersetzung und einem Index versehen ist (Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006). Sie ersetzt die zuvor maßgebliche Edition von Delaborde (Gesta Philippi Rigordi, ed. Delaborde, 1882). Zu älteren Editionen vgl. Rigordus, De Gestis Philippi, ed. Brial/Delisle, 1878, Praefatio, II. Geoffreys «Historia Regum Britannie» liegt in mehreren Ausgaben vor, wobei eine jede von ihnen auf nur einem Teil der mehr als 200 erhaltenen Manuskripte basiert. Jacob Hammer gab 1951 die sogenannte „First Variant Version" heraus, konnte jedoch das immense Vorhaben, eine auf allen Handschriften basierende kritische Ausgabe zu erstellen, aufgrund seines vorzeitigen Todes nicht abschließen. Dazu und zu den älteren Editionen: Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Editor's Preface, VII u. Introduction, XLVI-LIX; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 31-33. Derzeit ist ein Projekt zur Erstellung einer neuen, heutigen Standards genügenden kritischen Ausgabe in Arbeit. Um in der Zwischenzeit tur Studienzwecke eine Edition zur Verfügung zu stellen, publizierte Neil Wright die in einem Berner Codex aus dem späten 12. Jahrhundert überlieferte Version (Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985). Diese wird hier als für die Zitation maßgeblich herangezogen. Die Abschnittseinteilung in Wrights Ausgabe entspricht derjenigen Farals (Faral, Légende arthurienne, Bd. 3, 1929, 71-303), während Thorpe (Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966) sich an Griscom (Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 [1929]) orientiert hatte. Die von Jacob Hammer und später erneut von Neil Wright besorgte kritische Ausgabe der „First Variant Version" zeugt von der raschen Rezeption der «Historia», weicht aber vom Original an vielen Stellen ab (vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey First Variant Version, ed. Wright, 1988, Preface, Vllf). Wright

66

II.

Metamorphosen eines Mythos

überliefert sind, zunächst als Einheit betrachtet, bevor auf einzelne Gesichtspunkte im Vergleich eingegangen wird. Die schematischen Übersichten über die Erzähl- und Argumentationsstraktur (Abb. 1, Abb. 3, Abb. 4) sind nicht nur als Orientierungshilfe gedacht, sondern stellen gleichzeitig eine ausschnittsweise visuelle Umsetzung des Wahrnehmungshorizonts der Autoren dar. Festgehalten sind hier die wichtigsten Personen (eingekreist), Orte und Gegenden (eckiger Rahmen), Wanderungen (Pfeile), verwandtschaftlichen Verbindungen (durchgehende Linien für Sohnesfolge, gepunktete Linien für andere Formen der Herkunft/Abstammung) und die hergeleiteten ,Völker' oder Dynastien (eingekreist und fett). 4.1.1 Aeneas

Sicard

von Cremona nahm in zwei unterschiedlichen Kapiteln auf die Troja-Thematik und führte darin mehrere Traditionen zusammen (Abb. 1). Das erste begegnet inBezug nerhalb der Darstellung des dritten Weltzeitalters.8 Dort erklärt Sicard von Cremona seinen Lesern in knapper Form, dass der von Venus und Anchises abstammende Aeneas nach einer langen Schiffsreise zusammen mit seinem Sohn Ascanius und seinen Männern von Troja nach Italien gelangt sei. Nach dem Sieg über den Rutulerkönig habe er dessen Frau Lavinia geheiratet, die von ihm erbaute Stadt nach ihr Lavinium benannt und einen Sohn, Silvius Posthumus, Anschließend setzt die Erzählung neu an, und es wird berichtet, wie Aeneas nach seiner Ankunft in Italien die Stadt Adres gebaut habe, nach der die Adria benannt worden sei. Von den Trojanern seien auch Aquileia,

gezeugt.9

Concordia, Antinopolis, Padua, Verona, Gardisana10, Oderzo, Altino, Iesolo, Treviso, Mantua, Cremona, Piacenza, Parma, Freyna, Modena, Vercelli und „viele andere Sied-

lungen" gegründet worden.

Die Einwohner dieser oberitalienischen Städte hätten ihren

distanzierte sich ausdrücklich von früheren Hypothesen, nach der die „Variant Version" eine Quelle Geoffreys gewesen sei und nicht auf dessen Autorschaft beruhe; siehe dazu Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 16. Ausführlicher zur Textgeschichte Crick, Dissemination and Reception, 1991, 13f. Englische Übersetzung: Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966 (zu älteren englischen Übersetzungen ebd., 33f); Auszugsweise französische Übersetzung in Verbindung mit einem Kommentar zu den einzelnen Abschnitten: Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 68-340. 8 In der Edition von Holder-Egger sind aus den ersten fünf aetates nur wenige Ausschnitte berücksichtigt worden, ohne dass eindeutig ersichtlich wäre, welchem Zeitalter die jeweiligen Passagen zuzuordnen sind. Ediert ist immerhin die Erzählung über den Exodus der Trojaner, die aber bei der Regierungszeit des Ascanius bereits wieder abbricht. Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 79.20-30. Die Zuordnung zum dritten Weltalter ergibt sich aus dem Münchener Codex (CLM 314), wo es auf fol. 13r bis fol. 19v behandelt wird (fol. 19r enthält die Troja-Passage). 9 Siehe Transkription im Anhang. 10 Gardisana war die geographische Bezeichnung für das Gebiet am Ostufer des Gardasees von Peschiera im Süden bis wahrscheinlich Torbole und Riva im Norden. In der Gardisana lag der comttatus Gardae von Lazise im Süden bis Torri del Benaco im Norden. Vgl. Scheffer-Boichorst, Geschichte 1897, 34 (einschließlich Anm. 3) u. 42f.

67

4. Variabilität

Namen von Aeneas abgeleitet und hießen deshalb Enetici bzw. Venetici. Kurz blendet die Erzählung dann noch einmal zurück und hält bei den Sirenen inne, bevor sie fortfährt mit Ascanius, der seinem Vater Aeneas in der Herrschaft nachgefolgt sei und die Stadt Alba gegründet habe. Trojanische Ursprünge besitze neben den oberitalienischen Städten auch die Familie der Julier, aus der die ersten römischen Imperatoren hervorgehen sollten. Sie habe in Julius, dem Sohn des Ascanius und Enkel des Aeneas, ihren Ahnherrn und sei nach ihm benannt worden. Da Julius aber noch zu jung gewesen sei, um die Herrschaft zu übernehmen, habe sein Bmder Silvius, der sich durch große pietas In aller Kürze wird an späterer Stelle, auszeichnete, das Erbe des Reiches auf diese Abstammung Bezug genoch einmal mit Kaiser im Zusammenhang Augustus,

angetreten.12

nommen.

'

Innerhalb des sechsten Weltalters kommt Sicard in einem Exkurs über die Ursprünge der Franken bis in die Zeit der Herrschaft Karls des Großen ein weiteres Mal auf die Vorstellung trojanischer Herkunft zurück. Er berichtet in diesem Zusammenhang, dass mehrere tausend Trojaner nach der Zerstörung ihrer Stadt unter der Führung von Priamus und Antenor nach Ravenna gelangt seien und Padua erbaut hätten, wo auch Antenor begraben sei. Später hätten sie in Sithia (gemeint ist Skythien) die Stadt Sicambria errichtet und seien dann nach Germanien gezogen, das sie besetzten und nach dem sie den Namen Germani erhielten. Die Bezeichnung Franci hingegen bedeute feroces „die Tapferen", „die Kampflustigen", „die Unbändigen" und gehe auf Kaiser Valentinian zurück, in dessen Auftrag die ,Germanen-Trojaner' die Alanen besiegt hätten.14 Die Franken seien dann unter Markomir und Symon nach Thüringen gezogen, hätten nach Symons Tod Markomirs Sohn Faramund als König eingesetzt und damals bereits

-

-

Socii quoque Enee de Troia exeuntes et in Italiam venientes edificaverunt Adres civitatem, a qua dicitur sinus Adriaticus, et Aquilegiam et Concordiam et Antinopolim, Paduam, Veronam a quadam nobili domina sic nominatam, Gardisanam, Odevercum, Altinam, quod et Equilum nominatur, Auxolum, Tarvisium, Mantuam, Cremonam, Placentiam, Crisopoli, Freynam, Mantuam, Veclo Vercelli et alias civitates et municipio multa, quorum cives ab Enea died sunt Enetici. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 79.20-25. Die Gleichsetzung der Bezeichnungen Enetici und Venetici im Index der Edition (vgl. ebd., 726). Nicht identifizierte Ortsnamen sind in der Übersetzung oben kursiv gekennzeichnet. 12 Enee successit Ascanius filius eius, qui secundo vel tercio anno Samsonis condidit Albam civitatem. Hie genuit Iulium, a quo orta est familia luliorum. Qui quia needum regimini propter etatem ydoneus erat, Silvium fratrem suum, quem summa edueaverat pietate, regni reliquit heredem.

11

Ebd., 79.27-30.

natus patre Octavio senatore, maternum genus trahens ab Enea per Iuliam nepos Iulii Caesaris [...]. Ebd., 82.3-8. Siehe auch Komorowski, Bischof von Cremona 1881, Anhang, 57.6f. Der Passus ist in der fünften aetas eingebettet. 14 Hie regni Francorum originem a longis retro temporibus intueamur. Post Troie destruetionem multa milia Troianorum sub Priamo et Antenore Ravennam applicuerunt et Paduam edificaverunt, ubi sepultus est Antenor. Posteave in Sithia regione civitatem Sicambriam construxerunt. Deinde oecupavere Germaniam et died sunt Germani. Sed qui tempore Valentini imperatoris eius mandato vicerunt Alanos, voeavit eos Francos, id est feroces. Ebd., 151.5-10.

13

[...] Octavianus [...], familiam,

68

II.

Metamorphosen eines Mythos

TROJANER

Troja

(Antenor)

Priamus) 4> Italien, Gründung von Adres

+

multa milia Troianorum Ravenna

Gründung von Aquileia, Concordia, Antinopolis,

Padua, Verona, Gardisana, Oderzo, Altino, Iesolo, Treviso, Mantua, Cremona, Piacenza, Parma, Freyna, Modena, Vercelli u. a.

M/

Gründung Paduas \J/

Skythien/ Gründung von Sicambria

Köln, Tournai, Cambrai, Reims, Trier, Soissons, Orléans M/

fast ganz Gallien und Germanien Abb. 1

4. Variabilität

69

die lex Sálica in Gebrauch gehabt. Nach der Überschreitung des Rheins hätten sie schließlich die Römer in die Flucht geschlagen und Köln, Tournai, Cambrai, Reims, Trier, Soissons, Orléans, ja fast ganz Gallien und Germanien von Aquitanien bis nach Baigueria (wohl Bayern) unter ihre Herrschaft gestellt.15 Schließlich, als Sicard von Cremona wenig später auf die Teilung des Reiches unter den Söhnen Chlodwigs zu sprechen kommt, erwähnt er als einen der späteren Reichsverwalter (administrator) einen gewissen Anchisus, der seinen Namen auf den Trojaner Anchises zurückführe. Nach Sicards Version sind sowohl Veneter als auch Germanen und Franken trojanischer Herkunft. Allerdings ist der Troja-Veneter-Bezug dadurch stärker, dass der Name für die Region Venetien und ihre Bewohner unmittelbar von einem trojanischen heros eponymos hergeleitet wird, wohingegen die Bezeichnung Franci nicht direkt auf einen Trojaner zurückgeht. Außerdem wird behauptet, Venetien sei die erste von den Trojanern besiedelte Gegend gewesen. 4.1.2 Francio Bei dem französischen Geschichtsschreiber Rigord bildet die Erzählung über den Exodus aus Troja den Ausgangspunkt für eine detaillierte Auflistung fränkischer und französischer Herrscher. Eng angelehnt an den Stil der biblischen Genesis, wird in den «Gesta Philippi» eine direkte Linie von den Trojanern über die Mero winger und Karolinger bis zu den Kapetingern in die Zeit Philipps II. Augustus (1180-1223) Faramund sei der erste rex Francorum gewesen und habe seine Ahnenreihe über Markomir, König Priamus von Austrien und Francio bis zu Hektar und König Priamus von Troja zurückgeführt.18 Zur Veranschaulichung fügte der Autor bzw. Schreiber des Ma-

gezogen.17

15 Post transierunt in Turingiam sub principibus Marcomede et Symone. Sed Symone defuncto Marcomedis filium Faramundum regem fecerunt, et leges per quendam sapientem nomine Salagustum habere ceperunt; a quo lex Sálica dicta est, qua Franci utuntur. Hinc Roma decrevit, et Francia crevit. Nam transito Reno ceperunt etfugavere Romanos, qui habitabant ibi, et cepere Agrippinam, que nunc Colonia dicitur a novo incolatu eorum, et Tornacum et Cameracum et Remis et Treverim et Suesonam, Aurelianis et pene totam Galliam et Germaniam ab Equitania usque Baigueriam vendicaverunt. Ebd., 151.10-15. 16 Sed ad tantam imbecillitatem reges devenere Francorum, quod regibus adhuc nomine solo manentibus qui maior erat in domo regia, regni erat administrator [...], et post Anchisus filius eius [se. Sichiperti], ab Anchise Troiano denominatus. Ebd., 151.26-29. 17 Faramundus genuit Clodium. Clodlus genuit Meroveum [...]. [...] post Henricum regem regnavit Philippus. Qui genuit Ludovicum Grossum. Qui Philippum a porco interfedum. Qui successit frater ejus Ludovicus Pius rex. Qui genuit Philippum Augustum. Der Text beschränkt sich indessen nicht allein auf die Bestimmung der Herrscher- und Sohnesfolge, sondern gibt zu einzelnen Regenten auch kurze Zusatzinformationen. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 198.6-Kap. 41, 210.3; Zitate: Kap. 40, 202.7, Kap. 41, 208.15-210.3. 18 [...] primus omnium regum Francorum qui apud illos more regio regnavit, fuit Pharamundusfilius Marcomiri, filii scilicet Priami regis Austrie. Iste Priamus rex Austrie non fuit Me magnus rex

70

//.

Metamorphosen eines Mythos

sogar eine schematische Darstellung ein (siehe Abb. 2).1 Dieses Schema ist mehr als eine bloße Illustration. Es bildet gewissermaßen einen Stammbaum ab, in welchem eine direkte Sohnesfolge leitendes Prinzip ist. Darüber hinaus visualisiert es die lückenlose Anbindung der französischen Herrscher an die Trojaner, und zwar durch direkte verwandtschaftliche Bande. Dass es offenbar einige Zeitgenossen gab, die daran Zweifel hegten, legt Rigord selbst nahe, wenn er schreibt, genau dies sei der Grund, weshalb er die Trojaner-Abstammung der reges Francorum ausführlicher darlegen und sich dabei auf die Autorität der «Historia» des Gregor von Tours, der Chroniken des Eusebius von Caesarea und Hydatius und „vieler anderer Schriften" berufen wolle.21

nuskripts

Priamus, Rex Trojae

fratres

Hector

Troilus

I

I

Francio, filius Hectoris.

Turchus, filius Tro'ili.

Priamus, Rex Austriae.

Marcomirus, filius ejus. Pharamundus, filius, primus Rex in Gallia, regnavit

annis XT.

Clodius, filius ipsius,

annis XX.

Meroveus, de genere ipsius,

annis XVII.

Ch ildericus, filius ejus,

annis XX.

Abb. 2

Troje sed ab 19 20

21

192.17-21. Siehe Ebd.,

Hectore filio

Kap. 38,

suo

per

Francionem, filium Hectoris, descendit [...]. Ebd., Kap. 38,

194. im Schema die Angabe filius eius nicht hinter jedem Königsnamen aufgeführt ist, reWenngleich sultiert diese aus dem Text. Die Zeichnung des Stammbaums findet sich nicht in allen überlieferten Manuskripten und fehlt etwa im Codex BAV, Reg. lat. 88. Et quoniam multi soient dubitare de origine regni Francorum, quomodo et qualiter reges Francorum ab ipsis Trojanis descendisse dicantur; ideo sollicicius, prout potuimus colligere ex historia Gregorii Turonensis et ex cronicis Eusebii et cronicis Hidacii et ex aliorum multorum scriptis in hac nostra historia satis lucide determinavimus. Rigord, Histoire, éd. Carpentier/ Pon/ Chauvin, 2006, Kap. 38, 194.1-5.

71

4. Variabilität

Rigords Troja-Erzählung präsentiert sich kompakter und zusammenhängender als diejenige Sicards (vgl. Abb. 3). Die Darstellung beginnt mit der Zerstörung Trojas, in deren Anschluss eine große Schar an Trojanern abgewandert sei und sich später in zwei populi, die Franken und die Türken, aufgegliedert habe. Ein Teil der Flüchtlinge sei Francio, dem Enkel des Trojanerkönigs Priamus bzw. Sohn Hektars, gefolgt und habe ihn zu ihrem König gemacht. Ein anderer Teil habe sich Turchus, einem weiteren Enkel des Priamus bzw. Sohn des Troilus, angeschlossen. Weil beide Völker deren Namen angenommen hatten, würden sie bis heute Franzosen (Franci) und Türken (Turchi) genannt. So zumindest überlieferten es einige, wie Rigord einschränkend hinzufügt.22 Bis zur Donau seien die Trojaner noch gemeinsam gezogen, dann aber habe sich Turchus mit seiner Schar nach „Unter-Skythien" (Scythia inferior) abgesetzt und dort geherrscht. Ost- und Westgoten, Wandalen und Normannen seien die Nachfahren der Turchi gewesen. Die Franci hingegen hätten in Donau-Nähe eine Stadt namens Sicambria errichtet, in der Francio bis zu seinem Tod als König geherrscht habe. Wegen verweigerter Tributzahlungen seien sie jedoch von Kaiser Valentinian aus der Stadt vertrieben worden und unter der Führung Markomirs, des Antenor-Sohnes Sunno sowie des Genebaudus an den Rhein in das Gebiet von Austrien in confinio Germaniae et Alemanniae gelangt. Von dort habe sie der Kaiser nicht mehr vertreiben können und die Trojaner deshalb Franci genannt, was so viel bedeute wie feroces24 Ab diesem Zeitpunkt sei der Ruhm der Franzosen gewachsen und in ganz Gallien und Germanien bis zu den Pyrenäen und über sie hinaus bekannt geworden. Sunno und Genebaudus seien als duces in Austrien geblieben, wo sich fortan eine Königsherrschaft etabliert habe, die bis in die Zeit von Chlodwigs Sohn Childerich reichte und dann erneut durch die Herrschaft von Herzögen (duces) abgelöst worden sei.25 Markomir dagegen sei mit seinen Leuten weiter nach Gallien gezogen und dort auf andere Nachfolger der Trojaner gestoßen, die, so hebt Rigord hervor, in einfachen Verhältnissen gelebt hätten (homines simpliciter viventes). Dieser Zweig der Trojaner sei einst gemeinsam mit Francio nach Sicambria in die Nähe der Mäotischen Sümpfe gelangt und habe sich dort niedergelassen. Infolge von Bevölkerungswachstum und auf der Suche nach angenehmeren Wohngegenden habe sich diese Gruppe von Trojanern nach 235 Jahren erneut auf den Weg gemacht und sei unter der Führung des Ibor über Alemannien, Germanien und Austrien nach Gallien gekommen, wo sie 895 v. Chr. Troje multitudo magna inde fugiens ac deinde in duos populos se dividens, alia Francionem, quendam Priami regis Troje nepotem, videlicet Hedoris filium, super se regem levavit. Alia Turchum nomine, filium Troilifilii Priami, secuta sit, atque ex eo quidam tradunt, duos populos sumpto nomine Francos et Turchos usque hodie vocari. Ebd., Kap. 39, 194.6-10. 23 Vgl. ebd., Kap. 39, 194.6-196.11. 24 Quos, cum multis postmodum idem Valentinianus preltis attemptasset nee vincere potuisset, proprio eos nomine árctica lingua Francos, quasi ferancos, id est feroces appellavit. Ebd., Kap. 39, 22 Post eversionem

196.11-14.

25

Vgl. ebd., Kap. 39,

196.14-17.

72

IL

Metamorphosen eines Mythos

ihren Sitz in der Stadt Paris bzw. Lutetia aufschlug. Als die Pariser von der Ankunft Markomirs in Gallien und von seiner trojanischen Abstammung hörten, hätten sie ihn als ihresgleichen ehrenvoll empfangen und in Anbetracht der ständigen, von Dieben ausgeübten Überfalle zum „Verteidiger ganz Galliens" (defendor totius Galliae) eingesetzt. Markomir seinerseits habe die Stadt mit Mauern befestigen lassen und den Parisem den Heeresdienst gelehrt.26 Markomirs Sohn Faramund sei es dann gewesen, der die Stadt zu Ehren des berühmten Trojaners Paris Alexander in Parisius umbenannt habe. Neben dieser im Zusammenhang mit der Trojaner-Erzählung mehrfach erwähnten Etymologie des Stadtnamens28 gäbe es, wie Rigord ausführt, andere Leute, die eine zweite Interpretation verträten, nach der die Bezeichnung Paris auf das griechische Wort Parisia zurückgehe, was audacia, „Wagemut", bedeute.29 Auch wenn Rigord nicht ausdrücklich Stellung bezieht, welche Etymologie er für richtig hält, scheinen die mehrfachen Bezüge dennoch nahezulegen, dass er Paris Alexander als eponymer Gründergestalt den Vorrag einräumte. Folgt man Rigord, so sind die zukünftigen Franken nicht die einzigen gewesen, die nach liions Untergang geflohen waren. Helenus, ein Sohn des Priamus, sei nach Griechenland zu König Pandrasus geflüchtet, während sich Antenor in der Nähe des Tyrrhenischen Meeres niedergelassen habe und Aeneas nach Italien gekommen sei. Brutus wiedemm, von dem alle englischen Könige abstammten, sei mit seinen Männern nach Anglia übergesetzt. Er sei, so liest man in den «Gesta», ein unehelicher Sohn des Ascanius-Sohnes Silvius gewesen, hervorgegangen aus einer inzestähnlichen Verbindung. Nachdem Brutus eine Zeitlang bei den in Griechenland ansässigen Trojanern verbracht hatte, sei er zusammen mit ihnen und mit Corineus, einem Nachfahren Antenors, auf die Insel Albion gelangt, die nach ihm Britannia genannt worden sei. Nach dem Vorbild der antiken Stadt Troja habe Brutus auf der Insel die civitas Londoniarum errichtet, die Trinovantum, also nova Troja, geheißen habe.32 Diese britische Variante des Troja-Mythos wird bei Geoffrey von Monmouth eingehend thematisiert.

26 Vgl. ebd., Kap. 39, 196.17-19 u. 200.1-Kap. 40, 202.22. 27 Hie [i. e. Marcomirus] Faramundum fdium suum mildem strenuum, primum regem Francorum, diademate insignavit. Qui ob honorem Paridis, filii Priami regis Troje, a quo ipsi populi denominad fuerant, et ut magis ipsis placeret, civitatem Parisiorum que tune Lutetia vocabatur de nomine Paridis Parisius voluit vocari. Ebd., Kap. 40, 200.22-202.5. 28 Siehe auch ebd., Kap. 38, 192.13-17 u. Kap. 39, 200.10-12. 29 Et a Paride Alexandro, filio Priami, sibi nomen imponentes, Parisios se voeaverunt; satis simplicem vitam ibidem longo tempore ducentes; vel seeundum alios, dicti sunt Parisii ab hoc Greco nomine Parisia, quod interpretatum sonat audacia. Ebd., Kap. 39.10-13. 30 Vgl. ebd., Kap. 39, 196.19-198.2. 31 Eneas cum Ascanio filio suo navigio Italiam venit ubi Ascanius Laviniam filiam Latini regis in uxorem duxit, de qua fdium nomine Silfvijum [Erg. d. Hrsg.] suseepit; hie, furtive veneri indulgens, de nepte matris sue Brutum suseepit. Ebd., Kap. 39, 198.6-9. 32 Vgl. ebd., Kap. 39, 198.9-15.

73

4. Variabilität

TROJANER

Troja

Philipp II. Augustas) Abb. 3

74

II.

Metamorphosen eines Mythos

4.1.3 Brutus

Geoffrey von Monmouth schildert in seiner Erzählung ausführlich und beinahe romanhaft die Wanderungen der Trojaner, die erst mit der Besiedlung der Insel Albion ihr Ziel erreichten. Da die Wiedergabe aller Einzelheiten der Erzählung den Rahmen sprengen würde, werden die wesentlichen Handlungslinien skizziert (vgl. Abb. 4) und einige ausgewählte Passagen ausführlich erläutert. Die «Historia Regum Britannie» beginnt mit einer geographischen Beschreibung der Insel Britannia und einem Lob auf ihre Schönheit33, woran sich die Vorgeschichte der Briten und der von ihnen bewohnten Insel anschließt. Nach dem Fall Trojas seien Aeneas und sein Sohn per Schiff nach Italien geflohen. Dort hätten sie sich gegen den Rutulerkönig Turnus behauptet und das Wohlwollen des Königs Latinus erlangt, dessen Tochter Lavinia Aeneas zur Frau genommen habe. Ascanius habe nach dem Tod seines Vaters die Regentschaft übernommen und die Stadt Alba nahe des Tibers gegründet. Sein Sohn Silvius habe während einer heimlichen Liebschaft mit einer Nichte oder Enkelin (neptis) seiner Mutter den Brutus gezeugt. Vor dessen Geburt hätten Magier prophezeit, er würde eines Tages seine Eltern töten, ins Exil gehen und nach langer Wanderung zu höchsten Ehren kommen.34 Die Erfüllung dieses Vatiziniums zieht sich als roter Faden durch den gesamten ersten Teil der «Historia». Nachdem Brutus' Mutter noch im Wochenbett gestorben war und Brutus später seinen Vater versehentlich während der Jagd getötet hatte, sei er von

den Verwandten verstoßen und vertrieben worden. Er sei dann zunächst nach Griechenland gekommen, wo er Nachkommen des Helenus, Verwandte seiner eigenen Vorfahren, getroffen habe. Diese hätten dort als Sklaven unter dem griechischen König Pandrasus gelebt, denn aus Rache für den Tod Achills habe Pyrrhus einst den Helenus und die übrigen überlebenden Trojaner versklavt.35 Durch seine Fähigkeiten und Tugenden habe Brutus Geoffrey beschreibt ihn als sapiens und bellicosus sowie als mustergültigen Feldherrn große Beliebtheit erlangt. Sein Ruf habe sich bald bei anderen Völkern herumgesprochen, und die Trojaner hätten begonnen, zu ihm zu strömen, um sich mit seiner Hilfe aus der Sklaverei zu befreien.36 Im Vorfeld der Auseinandersetzungen zwischen den Griechen und Trojanern, auf deren Seite auch der adlige griechische Jüngling Assaracus stand, habe Brutus an Pandrasus einen Brief geschrieben. Darin habe er, der Führer der überlebenden Trojaner, erklärt, die Trojaner seien adligen Geschlechts und daher der Sklaverei unwürdig. Deshalb bitte er darum, den Trojanern, die wie wilde Tiere in Waldschluchten hausten, nur um sich Pandrasus' Unterjochung zu entziehen, -

-

33 Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 5, 2. 34 Siehe ebd., Kap. 6, 2f. 35 Vgl. ebd., Kap. 6f, 3. 36 In tantum autem milicia et probitate uigere cepit ita ut regibus et principibus pre omni iuuentute patrie amaretur. Erat enim inter sapientes sapiens, inter bellicosos bellicosus, et quidquid auri uel argenti siue ornamentum adquirebat totum militibus erogabat. Diuulgata itaque per uniuersos nationes ipsius fama Troiani ceperunt ad eum confluere orantes ut ipso duce a seruitute Grecorum liberarentur. Ebd., Kap. 7, 3.

75

4. Variabilität

die Freiheit zu gewähren oder doch zumindest auswandern zu lassen. Pandrasus habe auf dieses Schreiben mit Empörung reagiert und beschlossen, gegen die Trojaner Krieg zu führen. Nach wechselndem Kriegsglück und aus Sorge über eine mögliche Niederlage durch Versorgungsnot oder in offener Feldschlacht habe sich Brutus mit seinen Männern zu einem nächtlichen Überfall entschlossen, der in einem blutigen Gemetzel und mit der Gefangennahme des Pandrasus sowie der Aushändigung des königlichen Schatzes geendet sei. Der Ältestenrat der Trojaner habe anschließend über die an Pandrasus zu stellenden Forderungen beraten und dabei erwogen, entweder einen Teil des Reiches oder die Erlaubnis zur Auswanderung mit der notwendigen Reiseausstattong zu verlangen. Nach einer Rede des Membritius hätten die Trojaner für ein Verlassen Griechenlands und eine Vermählung des Brutus mit Pandrasus' Tochter Innoge Pandrasus habe die Forderungen akzeptiert und erklärt, dass Brutus ein würdiger Mann für seine Tochter sei, weil er von Adel sei und von Priamus und Anchises abstamme.39 Auf 324 reich beladenen Schiffen seien die Trojaner schließlich mit Rückenwind davongesegelt, während Innoge bei der Abfahrt geweint und Brutus sie liebevoll getröstet ha-

gestimmt.38

be.40

Nach zweieinhalb Tagen Fahrt seien die Trojaner auf der unbewohnten Insel Leogegelandet, wo sie im Tempel einer verfallenen Stadt auf eine orakelnde Statue der Göttin Diana stießen. In aller Ausführlichkeit beschreibt Geoffrey von Monmouth nun tia

37 Deinde litteras suas regi in hec uerba direxit: .Pandraso regi Grecorum Brutus dux reliquiarum Troie salutem. Quia indignum fuerat gentem preclaro genere Dardani ortam aliter in regno tuo tractari quam serenitas nobilitatis eius expeteret, sese infra abdita nemorum recepit. Preferebat namque ferino ritu, carnibus uidelicet et herbis, uitam cum libértate sustentare quam uniuersis refocillata diuitiis sub iugo seruitutis tue permanere. Quod si celsitudinem potencie tue offendit, non est ei imputandum sed uenia adhibenda cum cuiusque captiui communis sit intencio uelle ad pristinam dignitatem redire. Misericordia igitur super earn motus amissam libertatem largiri digneris et saltus nemorum quos ut seruitutem diffugeret occupauit earn habitare permutas. Sin autem concede ut ad aliarum terrarum naílones cum diligeníia fuá abscedant. Ebd., Kap. 8, 3f. 38 Vgl. ebd., Kap. 9-15,4-8. 39 Quamquam tarnen inuiíus, precepíis uesíris obediam. Solatium habere uideor quodfiliam meam íaníe probiíaíis adolesceníi daíurus sum. Quem ex genere Priami et Anchise creatum et nobilitas que in ipso pullulât et fama nobis cognita déclarât. Quis etenim alter exules Troie in seruitutem tot et tantorum principum pósitos eorumdem uinculis eriperet? Quis cum Ulis regi Grecorum resisteret aut cum tarn paucis tantam armatorum copiam prelio prouocaret initoque congressu regem eorum uinctum duceret? Quia ergo tantus iuuenis tanta probitate mihi resistere potuit, do ei filiam meam Innogen. Ebd., Kap. 15, 8. Nach der zu Beginn des Troja-Kapitels von Geoffrey beschriebenen Genealogie stammte Brutus von Aeneas ab. Anchises, der nur in der eben zitierten Passage Erwähnung findet, war in der römischen Mythologie Vater des Aeneas. Diese Information geht jedoch nicht aus Geoffreys Erzählung hervor. Priamus wiederum, der als König von Troja bekannt war, weist an anderer Stelle in der «Historia Regum Britannie» nicht mit Brutus, sondern mit Helenus verwandtschaftliche Bindungen auf (vgl. ebd., Kap. 7, 3). Der Autor vermischte demnach in der obigen Passage mehrere, sich teils widersprechende Informationen miteinander und stellte Brutus nachdrücklich in die direkte Nachfolge der trojanischen Könige. 40 Vgl. ebd., Kap. 15, 8. '

-

76

II.

Metamorphosen eines Mythos

den heidnischen Opferritus, der in wörtlicher Übersetzung wiedergegeben werden soll, weil er eine Prophezeiung ins Spiel bringt, die fortan den Handlungsverlauf der «Historia» bestimmen wird und überdies einen Eindruck vom literarischen Stil des Autors vermittelt:

Zustimmung aller nahm Brutus den Auguren Gero und zwölf Ältere mit sich und ging Tempel mit all dem, was für eine Opferhandlung notwendig war. Sobald sie angekommen waren, umgaben sie ihre Schläfen mit Bändern [und] stellten nach uraltem Brauch den drei Göttern Jupiter, Merkur und Diana vor dem Eingang zum Tempel drei Feuer auf. In jedes gaben sie ein Opfer. In der rechten Hand eine Opferschale mit Wein und Blut eines weißen HirUnter zum

sches, das Gesicht

zum Bildnis der Gottheit erhoben, brach Brutus vor dem Altar der Göttin Worte das Schweigen: „O mächtige Göttin der Wälder, Schrecken der Wildschweine, du, die du durch die Kreisbahnen des Äthers und die Behausungen der Unterwelt gehen kannst, entbinde von irdischem Recht, sag, welche Gebiete wir nach deinem Willen bewohnen sollen, nenne mir einen sicheren Ort, wo ich dich für alle Zeit verehren werde, wo ich dir einen Tempel weihen werde mit jungfräulichem Reigen." Als er das neun Mal gesagt hatte, umschritt er vier Mal den Altar, goß den Wein, den er [in der Hand] hielt, ins Feuer und warf sich dann zu Boden auf das Hirschfell, das er vor dem Altar ausgebreitet hatte. Schließlich überkam ihn angenehmer Schlaf. Es war inzwischen beinahe die dritte Stunde zur Nacht, als die Sterblichen in süßen Schlummer sanken. Da hatte er [Brutus] ein Traumbild, dass die Göttin vor ihm stehe und in folgender Weise zu ihm spreche: „Brutus, im Westen, jenseits der gallischen Reiche liegt eine Insel im Ozean, die überall umgeben ist vom Meer, liegt eine Insel im Ozean, die einst bewohnt war von Giganten. Jetzt freilich ist sie verlassen und geeignet für deine Leute. Suche nach ihr, denn jener Ort wird für immer dir gehören. Hier wird deinen Söhnen ein zweites Troja entstehen. Hier werden aus deiner Nachkommenschaft Könige hervorgehen, und ihnen wird der ganze Erdkreis Untertan sein." Von einer derartigen Vision erwacht, hatte der dux [Brutus] Zweifel, ob es ein Traum gewesen war, den er sah, oder ob die Göttin mit lebendiger Stimme vorhergesagt hatte, in welches Heimatland er ziehen sollte.

durch

41

folgende

Communicatoque omnium assensu assumpsit Brutus secum Geronem augurem et duodecim mainatu petiuitque templum cum omnibus que ad sacrificium necessaria erant. Quo ubi uentum est, circumdat timpora uittis ante aditum ueterrimo ritu tribus dus, Ioui uidelicet et Mercurio necnon et Diane, tres focos statuerunt. Singulis singula libamina dederunt. Ipse Brutus ante aram dee uas sacrificii plenum uino et sanguine candide cerue dextra tenens erecto uultu ad effiores

numinis Silentium in hec uerba dissoluit: ,Diva potens nemorum, terror süuestribus ap,/Cui licet amfractus ire per ethereos/Infernasque domos, terrestria [iura] resolueJEt die quas terras nos habitare uelis./Dic certam sedem, qua te uenerabor in euumJQua tibi uirgineis templa dicabo choris. Hec ubi nouies dixit, cireuiuit aram quater fuditque uinum quod tenebat in foco atque proeubuit super pellem cerue quam ante aram extenderat. Inuitato sompno tandem obdormiuit. Erat tune quasi tercia noctis hora qua dulciore sopore mortales premuntur. Tune uisum est Uli deam astare ante ipsum et sese in hunc modum affari: Brute, sub occasu solis trans Galilea regna/Insula in occeano est , habitata gigantibus olimJNunc deserta quidem, gentibus apta tuis./Hanc pete: namque tibi sedes erit illa perennlsJHicfiet natis altera Troia tuis./Hic de prole tua reges nascentur, et ipsis/Totius terre subditus orbis erit. Tali uisione expergefactus dux in dubio mansit an sompnus fuerat quem uidit an dea uiua uocepredixerat patriam quam aditurus erat. Ebd., Kap. 16, hier 9. Anstelle der Lesart iure, die sich in der Edition von Wright findet, wurde hier iura bevorzugt, denn diese Form

giem

'

,

'

11

4. Variabilität

Erfreut über diese göttliche Verheißung, hätten die Trojaner wieder ihre Schiffe bestiegen und seien mit günstigen Winden nach Westen gesegelt, wo sie nach dreißig Tagen Afrika erreichten. Von da seien sie vorbei an den Altären der Philister, dem Salzsee, der Russicada und den Bergen von Zara weiter über den Fluss Malva nach Mauretanien gelangt. Wegen einer drohenden Hungersnot hätten sie dort angelegt und das Land verwüstet. Danach seien sie weiter zu den Säulen des Herkules gesegelt und nur knapp Meeresungeheuern entkommen, die Sirenen genannt würden.42 Schließlich im Tyrrhenischen Meer angekommen, seien sie an der Küste auf vier Geschlechter trojanischen Ursprungs getroffen, die einst mit Antenor geflüchtet waren. Ihr Anführer Corineus ein bescheidener, besonnener, togendvoller und mutiger Mann, der ohne große Mühe einen Giganten besiegen konnte und nach dem später Cornwall benannt werden sollte sei, als er von der Herkunft der Ankömmlinge erführ, mit ihnen gemeinsam nach Aquitanien bis zur Loire weitergezogen. Dort sei es zu Auseinandersetzungen mit dem Piktenherrscher Goffar gekommen, die zur Flucht der Aquitanier und ihres Königs nach Gallien führte. Bei den zwölf Königen, die damals Gallien unter sich aufgeteilt hatten, hätten diese Unterstützung gefunden. Die Trojaner seien unterdessen plündernd durch ganz Aquitanien gezogen, bis Brutus aus Angst vor einem Gegenangriff Goffars ein festes Lager errichtet und damit die Grundsteine der Stadt Tours gelegt habe. Zwei Tage später sei es zur Schlacht gekommen, die große Verluste unter den Trojanern angerichtet habe. Auch Turnus, ein Neffe des Brutus und ein tapferer Kämpfer, sei gefallen. Nach ihm habe die Stadt den Namen civitas Turonis, Tours, erhalten. Dank eines geschickten Planes des Corineus hätten die Trojaner am Ende gesiegt, doch Brutus habe sich um die kleiner werdende Zahl seiner Männer gesorgt und deshalb beschlossen weiterzuse-

-

geln.44

Günstige Winde hätten die reichbeladenen Schiffe zur verheißenen Insel Albion geführt, die mit Ausnahme einiger Giganten von niemandem bewohnt gewesen sei.45 Ganz einer inneren Eingebung folgend, hätten sich Brutus und seine Begleiter an diesem

42 43

44 45

erscheint grammatikalisch sinnvoller und findet sich auch in einer frühen Rezeptionsvariante von Geoffreys Werk. Siehe Historia Regum Britannie of Geoffrey First Variant Version, ed. Wright, 1988, Kap. 16, 10; Geoffrey, Historia Regum Britanniae Variant Version, ed. Hammer, 1951, Buch l.Kap. 14,33.264. Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 17, 10. [...] uenerunt ad Tyrrenum equor. Ibi iuxta littora inuenerunt .iiii. generationes de exullbus Troie ortas que Antenoris fugam comitate erant. Erat eorum dux Corineus, uir modestus, consilio optimus, magne uirtutis et audacie. Qui si cum aliquo gigante congressum faceret, illico obruebat eum acsi cum puero contenderet. Agnita itaque ueteris originis prosapia associauerunt illum sibi necnon et populum cui presidebat. Hie de nomine ducis Cornubiensis postmodo uoeatus est; Bruto in omni decertatione pre ceteris auxilium prestabat. Deinde uenerunt ad Equitaniam et ostum Ligeris ingressi anchoras fixerunt. Ebd., Kap. 17, 10. Vgl. ebd., Kap. 18-20, 10-13. Diese Darstellung steht im Widerspruch zum oben zitierten Mirakelspruch der Diana, demzufolge die Insel einst (olim) von Giganten bevölkert war. Siehe ebd., Kap. 16, 9 u. Kap. 21, 13.

78

//.

Abb. 4

Metamorphosen eines Mythos

4. Variabilität

79

Ort zurückgezogen, und die Insel sei binnen kurzer Zeit durch Acker- und Häuserbau bewohnbar gemacht worden.46 Brutus habe sie schließlich in Anlehnung an seinen eigenen Namen Britonia und ihre Bewohner Britones genannt, weil er durch diese Herleitong ewige Erinnerung an sich bewahren wollte. Entsprechend sei auch die trojanische Sprache, die ein Ableger des Griechischen sei, in loquela Britannica umbenannt worden.47 Nach Corineus wiedemm, der einen Teil des von Brutus begründeten Königreiches erhalten habe, sei Corinea (Cornwall) benannt worden. Diese Gegend habe zu Geoffreys Zeiten Cornubia geheißen, und zwar entweder durch eine Korruption des früheren Namens oder aber da sie das Hom Britanniens sei.48 Mehr als anderswo auf der Insel habe es in Cornwall Giganten gegeben. Als die Giganten die Trojaner während eines Festes zu Ehren der Götter, das wegen der glücklichen Ankunft auf der Insel gefeiert wurde, überfielen, seien sie alle getötet worden. Nur Goemagog, der größte und gefährlichste unter ihnen, sei am Leben gelassen worden, weil Brutus einen Ringkampf zwischen ihm und Corineus habe sehen wollen. Aus diesem spektakulären Kampf sei Corineus als Sieger hervorgegangen; er habe Goemagog eine Klippe hinuntergeschleudert, sodass der Gigant in tausend Stücke zerschellte. Der Ort heiße daher bis heute saltus

Goemagog.

Nach der Aufteilung des Reiches habe Brutus die Insel lange Zeit auf der Suche nach einem geeigneten Ort für die Errichtung einer Hauptstadt durchstreift und am Ende an der Themse eine civitas erbaut, die er Troia nova nannte und die später durch eine Abwandlung des Namens Trinovantum geheißen habe.50 Brutus habe gemäß dem Recht des Siegers (iure victuris) die Stadt den Einwohnern gewidmet und ihr zur Wahrung des Friedens Gesetze gegeben. Zu jener Zeit hätten Hektors Söhne, nachdem Antenors Nachfahren vertrieben worden waren, in Troja regiert, während in Italien als dritter Latinerkönig Aeneas Silvius, Sohn des Aeneas und Onkel des Brutus mütterlicherseits, geherrscht habe.52 Zu Caesars Zeiten dann habe König Lud die von Brutus gegründete 46 47

Vgl. ebd., Kap. 21, 13. Denique Brutus de nomine

suo insulam Britoniam appellat sociosque suos Britones. Uolebat deriuatione nominis memoriam habere perpetuam. Unde postmodum loquela gentis que prius Troiana siue curuum Grecum nuncupabatur dicta fuit Britannia. Ebd., Kap. 21, 13f. 48 At Corineus portionem regni que sorti sue cesserai ab appellatione sui nominis Corineam uocat populumque suum Corineiensem exemplum ducis insecutus. Qui cum pre omnibus qui aduenerant electionem prouinciarum posset habere, maluit regionem illam que nunc uel a cornu Britannie uelper corruptionem predicti nominis Cornubia appellatur. Ebd., Kap. 21, 14.

enim

49 50

ex

Vgl. ebd., Kap. 21, 14. Condidit itaque ciuitatem ibidem eamque Troiam Nouam uocauit. Ex hoc nomine multis postmodum temporibus appellata tandem per corruptionem uocabuli Trinouantum dicta fuit. Ebd., Kap. 22, 14f.

51 52

Ebd., Kap. 22,

15. Die Bezeichnung des Aeneas Silvius als dritten Latinerkönig weist auf einen Einfluss der «Historia Brittonum» hin. Im Unterschied zu Geoffreys Darstellung ist Britto dort ein Sohn des Silvius Aeneas und Bruder des Postumus Silvius. In der von Nennius erweiterten Version wurde die Figur des Aeneas Silvius übergangen, sodass Britus zu einem Sohn des Ascanius und Bruder des

80

II.

Metamorphosen eines Mythos

mit Mauern und Türmen befestigt und sie Kaerlud, id est civitas Lud, Ludstadt, genannt. Weil jedoch Luds Bruder, Nennius, gegen die Abschaffung des trojanischen Namens der Stadt war, sei zwischen beiden ein heftiger Streit entbrannt, den Geoffrey übergeht, weil ihn Gildas ausführlich geschildert habe, dessen historische Ausführungen er nicht durch eine mindere ersetzen wollte.53 Wie aus dem Stadtnamen Kaerlud der Name London entstand, wird an erst späterer Stelle erklärt: Aus Kaerlud sei durch Abwandlung Kaerlundein, dann Lundene und später Lundres geworden.

Siedlung

Vergleichende Betrachtungen In allen drei Beispielen bieten die Wanderungen der trojanischen Flüchtlinge einen Anknüpfungspunkt, um die Existenz von Städten, Regionen, Herrschaften, Völkern und kulturellen Errungenschaften oder Bräuchen zu erklären. Jede Etappe, jedes Sich-Niederlassen, jede Abspaltung einzelner Gruppen hat den Darstellungen zufolge Spuren hinterlassen, die bis in die Gegenwart führen. Protagonisten, Routen und Zielpunkte sind jedoch durchaus verschieden und lassen bereits auf der rein textlichen Ebene ein spezifisches Darstellungsinteresse des jeweiligen Geschichtsschreibers erkennen. Aeneas, Ascanius, Antenor und Priamus sind bei den drei Autoren zentrale Figuren der ersten Flüchtlingsgenerationen. Sicard führt auf diese vier sämtliche trojanische Nachfahren zurück: die Veneter, die römischen Imperatoren, die Germanen und die 4.1.4

Franken. In vielen Elementen ähneln sich die italienische «Crónica» und die französischen «Gesta», wenngleich letzteres Werk eine Fülle weiterer Informationen liefert. Neben den genannten vier Trojanern bekommen in ihm zusätzlich Hektor, Francio, Troilus, Turchus, Helenus und Brutus wichtige Bedeutung als Urahnen der fränkisch-französischen und englischen Könige, der Herrscher Austriens, der Türken, Goten, Wandalen und Normannen. Über die Ursprünge der Veneter und der Kaiser des Imperium Romanum verlautet indes kein Wort. Die englische «Historia» wiederum weiß zwar von Aeneas, Ascanius, Antenor, Priamus und Hektor, aber nichts von Francio, Troilus und Turchus. Über die Troja-Herkunft der Franken und Germanen schweigt sie, das Herkommen der römischen Cäsaren wird erst im späteren Verlauf des Werks ein Thema, Postumus Silvius wurde. Siehe Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 153.3-9 (1. Sp.) u. 153.11-22 (r. Sp.). 53 Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 22, 15. 54 Quorum primogenitus, uidelicet Lud, regnum post obitum patris suscepit. Exin gloriosus edificator urbium existens renouauit muros urbis Trinouantum et innumerabilibus turribus earn circumcinxit. [...] Unde nominata fuit postmodum Kaerlud et deinde per corruptionem nominis Kaerlundein. Succedente quoque tempore per commutationem linguarum dicta fuit Lundene et postea Lundres aplicantibus alienigenis qui patriam sibi submittebant. Ebd., Kap. 53, 34. In der «Historia» spricht Geoffrey von Monmouth stets von Lundonie, Londonie oder Londonia: vgl. ebd.,

Kap. 72, 46; Kap. 76, 49; Kap. 80, 52; Kap. 82, 54; Kap. 88, 57; Kap. 90, 59; Kap. 94, 62; Kap. 105, 71; Kap. 112 (3) u. (4), 74f; Kap. 115 (24) u. (27), 77f; Kap. 116 (30), (33), (37) u. (45), 78-80; Kap. 127, 89; Kap. 137, 96; Kap. 144, 102; Kap. 179, 132; Kap. 180, 132; Kap. 201, 144.

81

4. Variabilität

und wie die französischen «Gesta» berichtet auch sie von den trojanischen Wurzeln der Venezianer nichts. Lässt man einmal die über das Werk verteilten Einzelinformationen über die Trojaner außer Acht und berücksichtigt nur die ausführliche Troja-Erzählung am Beginn des Werks, dann wird bei Geoffrey im Prinzip auf nur eine neue Herrschaftsbildung nach dem Untergang Trojas eingegangen: die britische. Der Handlungsverlauf ist so angelegt, dass die nach England wandernde Gruppe zu einer Art Sammelbecken wird, in dem die anderen verstreut lebenden Trojaner nach und nach zusammenfließen. In diesem Punkt gleicht die Darstellung derjenigen Rigords, denn auch ihm kommt es, obwohl eine Vielzahl an eigenständigen trojanischen Herrschaftsbildungen angeführt wird, letztendlich auf die Zusammenführung aller Trojaner-Gründungen im diesmal französischen Einflussbereich an.

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Was die Routen der Flüchtlinge aus Troja anbelangt, so lässt Sicard von Cremona als einziger der drei Geschichtsschreiber die Trojaner sich nicht sofort gleichzeitig in mehrere Richtungen verstreuen, sondern geradewegs nach Italien kommen. Für den einen Teil der Gruppe ist hier der Endpunkt der Reise erreicht, für den anderen beginnt eine erneute Wanderung quer durch Europa. Von Norditalien aus wenden sie sich zuerst gen Osten nach Skythien, dann nordwestlich nach Germanien und von da weiter entgegen dem Uhrzeigersinn Richtung West-Südwest nach Gallien. Bei Geoffrey flüchten die Trojaner nach Trojas Fall in zwei entgegengesetzte Richtungen: nach Italien und nach Griechenland. Um diese wieder zu verbinden, lässt der Autor den Haupthelden Brutus, einem kreisförmigen Kurs folgend, im Uhrzeigersinn von Italien über Griechenland nach Afrika ziehen, von dort an Italien vorbei in fränkisches Gebiet segeln und schließlich zur Insel Albion, dem späteren Britannien, gelangen. Rigord knüpft an diese von Geoffrey vorgezeichnete Route an, erwähnt aber als dritte Wanderungsrichtong die Donaugegend. Von dort aus sollen einige Trojaner in westlicher Richtung nach Skythien, einige in östlicher Richtung nach Gallien gelangt sein. Genau unterscheidend zwischen Briten und Normannen, lässt Rigord anders als Geoffrey die Vorfahren seiner nordfranzösischen und englischen Zeitgenossen aus Skythien kommen. In Abweichung wiedemm zur italienischen Chronik erreichen die fränkischen Trojaner bei Rigord ihr Ziel nicht über Italien, sondern ausschließlich auf dem Landweg über eine Zwischenstation nahe der Donau. Ist also bei Sicard mehr von Bedeutung, wer zuerst wohin gelangte, scheint Geoffrey nach einer Wanderroute gesucht zu haben, welche die fränkischfranzösische zu Land weiträumig umgeht. Bei Rigord dagegen liegt der Auswahl der Stationen ein stärkeres Werturteil zu Grunde, denn um es stark vereinfachend auszudrücken die ,Guten' sind die in den Westen gewanderten Trojaner, die ,Bösen' die aus dem Osten kommenden. -

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-

Auf welche Weise aber stellen die Autoren eine Verbindung zwischen ihrer Gegenwart und der mythischen Vergangenheit her? An welchen Erzählelementen knüpfen sie an, um trojanische Ursprünge aufzuzeigen? In allen drei Erzählungen bildet der römische Gründungsmythos, demzufolge Aeneas in Italien eine neue und sich bis zu den späteren römischen Kaisem fortsetzende Herrschaft errichtete, einen wichtigen Bezugs-

82

II.

Metamorphosen eines Mythos

punkt. Freilich zielen die damit verbundenen Ansprüche in ganz unterschiedliche Richtungen. Sicard kam

nicht darauf an, die trojanische Linie der römischen Kaiser als Anfür die Herleitang einer politisch einflussreichen Familie oder eines knüpfungspunkt Volkes' in Italien zu verwenden. Ihm ging es vielmehr darum, für die oberitalienischen Städte ein älteres Gründungsdatum als dasjenige Roms und anderer Metropolen außerhalb Italiens nachzuweisen. Wie römische und mittelalterliche Autoren berichteten, wurde die Hauptstadt des Imperium Romanum, die ihren ersten Keim in Alba Longa hatte, lange Zeit nach der Landung des Aeneas in Italien von Romulus gegründet. Sicard nutzt dieses Faktum, um gleich die ersten an den Küsten der Apenninenhalbinsel gelandeten Flüchtlinge Siedlungen gründen zu lassen. Nicht nur Aeneas, Priamus und Antenor sind unter ihnen, sondern viele tausend Trojaner, die nicht einzeln mit Namen genannt sind. Dadurch werden die norditalienischen Städte zu den ältesten trojanischen Gründungen überhaupt. Es geht hier um mehr als ein Wetteifern mit Roms Ruhm, dessen antiker Glanz in Sicards Zeiten bereits verblichen war. Vielleicht noch wichtiger ist der Verweis auf die Städtegründungen durch ,trojanische' Germanen und Franken, welche in der Chronik auffälligerweise weitaus später verortet werden als die venetischen. In der Erzählung des Geoffrey von Monmouth handelt es sich bei der Hauptgestalt um einen Urenkel des Aeneas. Aeneas' Flucht nach Italien bildet den Ausgangspunkt für einen abenteuerlichen Bericht über die schicksalhafte Odyssee des Brutus durch fast die gesamte Mittelmeergegend bis nach England, in deren Verlauf dieser Nachfahre des Aeneas die übrigen Trojaner vereinte. Die das Werk einleitende Darstellung über die britische Frühgeschichte ist auf nur dieses eine Ziel hin ausgerichtet, keine anderen Herrschaftsgründungen der Trojaner werden im Anfangsteil erwähnt, keine Bewohner und Siedlungen außerhalb der britischen Insel (mit Ausnahme von Tours) werden etymologisch mit den Trojanern in Verbindung gebracht. In dieses Gesamtbild fügt sich ebenfalls ein, dass nur die Herrscher Britanniens lückenlos und durch direkte verwandtschaftliche Bande bis zu Aeneas zurückgeführt werden. Dem kundigen Leser fiel sicherlich auf, dass Geoffrey auf diese Weise zunächst die Genealogie der römischen Kaiser stillschweigend zu einer der britisch-anglonormannischen Herrscher machte. Erst an späterer Stelle wird die fehlende Information durch den Hinweis auf die gemeinsamen Wurzeln der Römer und Briten nachgeliefert und szenisch in einen Monolog Caesars und einen anschließenden Briefwechsel desselben mit dem Britenkönig Cassibellanus eingebettet. Wie es in der «Historia» heißt, habe Caesar, als er erfuhr, die Insel sei von den Briten bewohnt, ausgerufen: „Beim Herkules! Aus demselben Geschlecht sind wir Römer und die Briten hervorgegangen, denn wir stammen von den Trojanern ab. Nach der Zerstörung Trojas war Aeneas unser erster Vater; ihrer aber war Brutus, den Silvius, ein Sohn des Aeneas-Sohnes Ascanius, gezeugt hatte. Aber sie sind, wenn ich nicht irre, ganz anderer Art als wir und kennen das Kriegswesen nicht, denn sie wohnen mitten im Ozean außerhalb des Erdkreises. Leicht werden sie dazu zu bringen sein, uns Tribute zu zahlen und dem würdevollen Rom ständigen Gehorsam zu leisten. ,

es

4. Variabilität

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Lieber sollen sie dem römischen Volk unverzüglich und ohne Abstriche die Steuer bezahlen und die übrigen Völker dem Senat unterwürfig machen, damit wir nicht durch das Vergießen von Blut unserer eigenen Verwandten das alte Ansehen unseres Vaters Priamus verletzen."5 Nachdem Caesar diese Gedanken dem Cassibellanus in einem Brief kundgetan hatte, um die Briten ohne bewaffneten Konflikt zu unterwerfen, habe dieser entrüstet entgegnet: „Wunderlich ist, Caesar, der gierige Durst der Römer nach allem, was Gold und Silber ist. Er vermag aber nicht, dass wir, die wir mitten in den Gefahren des Ozeans außerhalb des Erdkreises wohnen, erdulden, dass er sich anmaßt, sich unsere Einkünfte einzuverleiben, die wir bisher in Ruhe besaßen. Denn das geht freilich nicht, ohne die Freiheit hintan zu stellen und sich zu unterwerfen, sodass wir ewige Sklaverei erleiden. Etwas Verwerfliches nämlich wünschst du dir, Caesar, weil eine gemeinsame adlige Ader von Aeneas zu den Briten und Römern fließt und ein und dieselbe Kette derselben Verwandtschaft hervorleuchtet, durch die sie in fester Freundschaft verbunden werden müssten. Jene Versklavung ist für uns nicht erstrebenswert, weil wir gelernt haben, diese lieber [anderen] aufzuerlegen als das Joch der Sklaverei zu ertragen. Denn wir sind es gewohnt, die Freiheit in einem solchen Maße zu besitzen, dass wir geradezu nicht wissen, was der Sklaverei zu gehorchen bedeutet."56 Trojanische Wurzeln und die den Briten eigene Freiheit und Unabhängigkeit dienen hier also als Argumente gegen eine Unterwerfung der Briten unter die Römer. Trotz Bezugnahme auf den imperialen Gründungsmythos wird zugleich eine deutliche Distanziemng von demselben zum Ausdruck gebracht. Auch in Rigords Erzählung wird auf Italien als einer der Stationen der trojanischen Flüchtlinge und auf die von Aeneas abstammenden Nachfahren Bezug genommen, je55

Interea

contigit, ut in Romanis repperitur historiis, Iulium Cesarem subiugata Gallia ad litus Rutenorum uenisse. Et cum illinc Britannie insulam aspexisset, quesiuit a circumstantibus que patria esset et que gens inhabitasset, dum ad occeanum intueretur. Cumque nomen regni didicisset et populi, dixit: Herde! Ex eadem prosapia nos Romani et Britones orti sumus quia ex Troiana ,

processimus gente. Nobis Eneas post destructionem Troie primus pater fuit; Ulis autem Brutus quem Siluius Ascaniifilii Enee filius progenuit. Sed, nisifallor, ualde degenerad sunt a nobis nee

quid sit militia nouerunt cum infra occeanum extra orbem commaneant; leuiter cogendi erunt tributum nobis dare et continuum obsequium Romane dignitati prestare. Prius tarnen mandandum est eis ut inaccessi a Romano populo et intacti uectigal reddant et ut ceteri etiam gentes subiectionem senatui faciant ne nos ipsorum cognatorum nostrorum sanguinem fundentes antiquam nobilitatempatris nostri Priami offendamus. Ebd., Kap. 54, 35. Cassibellanus rex Britonum Gaio Iulio Cesari. Miranda est, Cesar, Romani populi cupiditas quicquid est auri uel argenti sitiens; nequit nos infra pericula occeani extra orbem pósitos pad quin etiam census nostros appetere présumât quos hadenus quiete possidemus. Nee hoc quidem sufficit nisi postposita libértate subiectionem ei faciamus perpetuam seruitutem subituri. Obpro'

56

prium itaque tibi petiuisti, Cesar, cum communis nobilitatis uena Britonibus et Romanis ab Enea defluat et eiusdem cognationis una et eadem catena prefulgeat qua infirmam amiticiam coniungi deberent. Illa a nobis petenda esset non seruitus, quia earn potius largiri didicimus quam seruitutis iugum déferre. Libertatem namque in tantum consueuimus habere quod prorsus ignoramus quid sil seruituti obedire. Ebd., Kap. 55, 35.

84

//.

Metamorphosen eines Mythos

doch nicht in direktem Zusammenhang mit der fränkischen Frühgeschichte, sondern wie bei Geoffrey im Kontext der britischen Trojaner-Herkunft. Die in die Donaugegend und die Francia, nach Skythien, Gallien und Austrien gelangten Trojaner hätten dagegen keinen Zwischenhalt in Italien gemacht, sondern seien auf dem Landweg unterwegs gewesen. Nach dieser Darstellung waren die Herrscher Frankreichs keine unmittelbaren Nachfolger der römischen Imperatoren. Vielmehr etablierten sie eine eigenständige Herrschaft in Europa. Gemeinsames Moment in allen drei Varianten des Troja-Mythos ist der Unabhängigkeitstopos, der sei es in Form von Herrschergenealogien, sei es in Form von Städtegründungen Vorrang und Legitimität unterstreicht. Enge Familienbande, in den meisten Fällen sogar Blutsverwandtschaft, sind für Rigord und Geoffrey von Monmouth grundlegend für die Auffassung von rechtmäßiger Herrschaftsnachfolge, die es ihnen lückenlos aufzuzeigen gilt. Sowohl in der britisch-anglonormannischen als auch fränkisch-französischen Genealogie ist Aeneas jedoch nicht mehr die Hauptfigur, als die ihn antike römische Autoren in der mythischen Abstammungslinie des julisch-claudischen Hauses und der römischen Kaiser dargestellt hatten. Stattdessen werden Brutus und Francio zu den zentralen Gestalten, um die herum die Vorgeschichtserzählungen aufgebaut sind. Beide, Geoffrey und Rigord, legitimieren die Herrschaft ihrer Protagonisten, indem sie Ansprüche anderer Dynastien ungültig machen oder auf ein externes Feld verweisen. Geoffrey gelingt dies durch das gänzliche Verschweigen der französischen Trojaner-Herkunft. Er lässt den Eindruck entstehen, es habe in der Überlieferung neben den Briten und Anglonormannen zu keiner Zeit andere Herrscher oder Adelsfamilien gegeben, für die eine ähnliche Herkunft behauptet wurde. Um Brutus als Ahnherrn in die vorhandene Reihe der Aeneas-Nachfahren einordnen zu können, bediente sich Geoffrey des Kunstgriffs, ihn als einen unehelichen Sohn des Aeneas-Enkels Silvius einzuführen. Dessen herrschaftliche Legitimität wird durch Blutsverwandtschaft auf väterlicher und mütterlicher Seite hervorgehoben. Deshalb das Techtelmechtel des Silvius mit einer „gewissen Nichte (oder Enkelin) der Lavinia"57, die sich erst bei einem genaueren Blick auf die Verwandtschaftsverhältnisse als Brutus' Cousine, wenn nicht gar Schwester, herausstellt, denn Lavinia war Aeneas' Gattin und damit auch Großmutter des Brutus. Rigord spürte dieses Detail bei Geoffrey als eine Schwachstelle auf. Auffälligerweise nimmt er, als er die ausführliche Schilderung der «Historia Regum Britannie» in wenigen Sätzen zusammenfasst, gerade die Information, Brutus sei ein unehelich gezeugter Sohn, noch einmal nahezu wörtlich auf.58 Angesichts dessen, dass die lückenlos bis zu Hektor geführte fränkisch-französische Herrscherfolge keine ,Bastarde' kennt, muss die aus der Liebschaft des Filinus hervorgehende Geburt des Ahnherrn der Briten als ein -

-

57

Hie furtiue ueneri 2.

58

Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39,

indulgens nupsit cuidam nepte Lauinie eamque fecit pregantem. Ebd., Kap. 6, 198.8-10.

4. Variabilität

85

Schandfleck gelten, zumal da Rigord die Linie von den Trojanern über die Merowinger und Karolinger bis zu den Kapetingern als einzige von allen Herrschergeschlechtern vollständig bis in die Gegenwart zieht und durch das Übergehen der trojanisch-römischen Tradition zusätzlich in ihrer Exklusivität unterstreicht. Geschickt nimmt der französische Autor auf die damals seit mehreren Jahrzehnten behaupteten trojanischen Ursprünge der Briten-Engländer Bezug und verwandelt sie in Pfeile, die er mit giftiger Spitze vom Festland auf die Insel zurückschießt. Über die Ungereimtheit in der Abstammungslinie der englischen Könige hinaus werden die trojanischen Vorfahren der Normannen in eine Reihe mit Goten und Wandalen gestellt und in Skythien verortet, woher nach herkömmlicher Sicht die barbarischen Völker stammten, mit deren Einfällen endzeitliche Vorstellungen verbunden waren.59 Obgleich Rigord in seiner Darstellung die in den Machtbereich der fränkischen und später französischen Könige integrierten Teilherrschaften auf gemeinsame Wurzeln zurückführt und für „alle Trojaner, die aus der Zerstörung Trojas hervorgingen", das gleiche Bestreben konstatiert, „ihren Namen über den ganzen Erdkreis hinweg weit und breit bekannt zu machen"60, entpuppt sich dieses einigende Moment angesichts der offenbar abwertend gemeinten historischen Verortung der Normannen gleichzeitig als ein trennendes. Auch bei Sicard von Cremona ist eine Weitergabe der Herrschaft vom Vater an den Sohn für die Regenten des Römischen Reichs das bestimmende Prinzip. Die in der «Crónica» beschriebene Herrscherfolge hat jedoch mehr die Funktion eines chronologischen Gerüstes, an dem sich die Darstellung orientiert, und ist nicht darauf ausgerichtet, Kontinuität für eine der europäischen Dynastien bis in die Gegenwart nachzuweisen. Der Bezug auf die verwandtschaftliche Linie von Aeneas bis zu den römischen Imperatoren erlangt im Kontext der trojanischen Städtegründungen dennoch insofern eine Bedeutung, als damit noch einmal unterstrichen wird, dass die Eigenständigkeit der oberitalienischen Kommunen in eine Zeit zurückreicht, in der es jene noch gar nicht gegeben hatte. Der Rückbezug eines Herrschergeschlechts, einer Adelsfamilie, einer Gemeinschaft auf eine berühmte historische Gestalt oder eine quasi zeitlose Gründerfigur ermöglicht den Nachweis von hohem Alter, Ansehen und dementsprechend großem politischen Gewicht. Dasselbe gilt auch für Stadtgründungsgeschichten. Es ist an erster Stelle Sicard von Cremona, der die Entstehung von Städten und Siedlungen im Zusammenhang mit den trojanischen Wanderungen thematisiert. Es geht ihm hierbei vorrangig um die Ursprünge der Region Venetiens bzw. der Lombardei. Auffälligerweise benennt Sicard nicht für jede oberitalienische Stadt einen eigenen Heros, sondern bietet mit der Rückführung der Bezeichnung Enetici auf Aeneas gewissermaßen eine kollektive Etymologie für die Gesamtheit der Bewohner der venetischen Städte. Aeneas steht im Mittel59 60

Vgl. Schmolinsky, Gog und Magog, 1989; Anderson, Alexander's Gate, 1932, bes. 12-14. Affectabant enim omnes Trojani qui de excidio Troje descenderant quod nomen eorum per Universum orbem longe lateque diffunderdur. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 40, 202.5f.

86

II.

Metamorphosen eines Mythos

punkt dieser Mythosversion mit der Folge, dass er aus dem römisch-imperialen Kontext herausgelöst wird, in den ihn Vergil und andere Autoren der Republiks- und Kaiserzeit gestellt hatten und der auch bei mittelalterlichen Autoren nicht in Vergessenheit geraten war. Weitere wichtige Städte außerhalb Italiens, die der Verfasser der «Crónica» ebenfalls als Trojaner-Gründungen ausweist, scheinen die Überlegenheit der ober-

italienischen Kommunen noch zusätzlich zu untermauern. Denn Padua, Ravenna, Cremona, Venedig, Mantua etc. sind der Darstellung zufolge nicht nur wesentlich älter als Köln, Trier, Reims, Tournai, Cambrai, Soissons und Orléans, die damals zu den wichtigsten Städten im Reich und in Frankreich zählten, sondern auch älter als Rom selbst. Eine zusätzlich verstärkende, wenn auch nur indirekte Verbindung zwischen den Trojanern und der Stadt, in welcher Sicard selbst lebte und sich politisch betätigte, wird durch die Behauptung aufgezeigt, dass Vergil in Cremona studiert habe.61 Gründungen trojanischer Siedler bleiben auch bei Geoffrey und Rigord nicht unerwähnt. Sicambria und Alba, auf deren Namengebung wie bei Sicard62 nicht eingeganAm Beigen wird, gehören hier wie da zu den frühen Niederlassungen der spiel von London und Tours bzw. London und Paris befassen sich beide Autoren dann mit trojanischen Etymologien. In der «Historia Regum Britannie» wird dem Leser mittels eines komplizierten sprachlichen Wandlungsprozesses erklärt, wie aus der ursprünglichen Bezeichnung Troia nova nach und nach der Name London geworden sei. Daneben wird das außerhalb der britischen Insel gelegene Tours explizit mit dem Etikett „trojanisch" versehen, denn sein Name gehe auf den tapferen Turnus zurück, der ruhmvoll in einer Schlacht gegen die Aquitanier und Gallier gefallen sei.64 Auf diese Weise wird die Entstehung beider Metropolen in das trojanische Vorgeschichtskapitel der Inselbesiedlung eingefügt. Dass die civitas Londoniarum als Ebenbild des versunkenen Troja erbaut worden sei und deshalb Trinovantum „neues Troja" geheißen habe65, steht ebenfalls bei Rigord zu lesen. Auf die Ableitung des Stadtnamens Parisius von dem Trojaner Paris Alexander aber, die bei Geoffrey und Sicard nicht zur Sprache kommt, weist er gleich mehrfach hin und lenkt dadurch das Interesse des Lesers nachdrücklich auf die Ursprünge der Hauptstadt des französischen Königreiches. Eine das Trojaner-Kapitel einleitende Episode aus dem Leben König Philipps II. dient dabei als Aufhänger und ist mit einer

Trojaner.63

-

61

Eisdem

temporibus Virgilius in pago qui dicitur Andes iuxta Mantuam nascitur, qui postea Créstuduit, Mediolani togam induit et inde Romam venit. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903,80.31-33. Vgl. ebd., 79.28 u. 151.7f. Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 196.4. (nur Sicambria); Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 6, 2 (nur Alba). Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 20, 13; Kap. 22, 14f; Kap. 53,34. Et videns insule amenitatem, civitatem Londoniarum ad similitudinem Troje fundavit et Trinovantum vocavit, id est novam Trojam. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 198.12f. mone

62 63 64 65

-

4. Variabilität

87

Laudatio auf dessen städtebauliche Maßnahmen verbunden: Während eines kurzen Aufenthaltes in Paris im Jahr 1186 sei der König eines Tages an die Fenster des Königspalastes getreten. Gewöhnlich habe er von dort die Seine betrachtet und seinen Geist dabei entspannt. Diesmal jedoch sei der durch vorüberfahrende Fuhrwerke verursachte Gestank des Pferdekots unerträglich gewesen. Da habe er ein schwieriges, aber notwendiges Werk erdacht, das alle seine Vorgänger wegen der allzu großen Schwierigkeit und der Kosten nicht in Angriff genommen hätten. Nach der Einberufung der Bürger und des Stadtpräfekten habe er nämlich kraft seiner königlichen Autorität verordnet, dass alle Strassen und Wege der Stadt Paris mit Steinen befestigt werden sollten.66 Auf diese Weise habe Philipp II. gleichzeitig den Versuch unternommen, die Stadt von ihrem antiken Namen Lutetia za befreien, der sich von lutea („schmutzig") herleite und auf den Gestank des Unrates zurückzuführen sei. Die Heiden allerdings, so heißt es in der Erzählung weiter, seien vor einer derartigen Etymologie zurückgeschreckt und hätten die Stadt deshalb nach dem Sohn des trojanischen Königs Priamus, Paris Alexander, Parisius genannt. Mythenvariabilität drückt sich nicht allein in der Erzählstraktar und einzelnen Erzählelementen aus, sondern äußert sich auch durch den Stellenwert der Trojaner-Erzählung innerhalb des gesamten Werks und die Einbettung in den Darstellungszusammenhang. Als ein erstes Indiz für die den Trojanern zugemessene Bedeutung kann die Länge der Passagen gelten. Ein Vergleich der drei Beispiele zeigt, dass die Erzählung in der italienischen «Crónica» am kürzesten ist, während ihr in der englischen «Historia» am meisten Platz gewidmet ist; und zwar sowohl absolut, wenn man allein die Troja-Erzählungen betrachtet, als auch relativ, wenn man diese im Verhältnis zum Gesamtamfang des Werks sieht. Aufschlussreich ist daneben, wie oft innerhalb des Werks auf die trojanischen Vorfahren eingegangen wird. Rigord kommt auf sie an nur einem einzigen Punkt zu sprechen, erwähnt hier aber die von Paris Alexander hergeleitete Etymologie des Stadtnamens von Paris drei Mal. Sicard geht in insgesamt drei Passagen auf die Trojaner ein. Über die trojanischen Ursprünge der oberitalienischen Städte berichtet er nicht nur am Beginn der Chronik, sondern kommt auf sie in einem Exkurs über die Herkunft der Franken an späterer Stelle ein weiteres Mal zurück. Ferner weist er auf die eingangs erwähnte Abstammung der Julier von den Trojanern nochmals im Zusammen-

66 Vgl. ebd., Kap. 38, 192.3-13. 67 Ad hoc enim christianissimus rex conabatur quod nomen antiquum auferret civitati: Lutecia enim a luti fetore prius dicta fuerat. Sed gentiles quondam hujusmodi nomen propter fetorem abhorrentes, a Paride Alexandro, filio Priami regis Troje, Parisius vocaverunt. Ebd., Kap. 38, 192.1317. 68 Zur Verdeutlichung: Troja und die Trojaner nehmen bei Sicard von Cremona circa eine von insgesamt 100 Seiten in der Edition ein, bei Rigord dagegen knapp 6 von 167 und bei Geoffrey mehr als 15 von ungefähr 147 Druckseiten.

88

//.

Metamorphosen eines Mythos

hang mit der Herkunft Kaiser Oktavians hin. Geoffrey hingegen rekurriert auf die Trojaner in einem halben Dutzend Passagen und weiß über das Werk hinweg verstreut im-

wieder Neues über deren Einfluss auf die britische Geschichte und Kultur zu erzählen. Neben den abenteuerlichen Wanderungen der Trojaner, wie sie zu Beginn in ausführlicher Form berichtet werden, informiert der Autor über weitere Einzelheiten, die in der oben gegebenen Zusammenfassung der Erzählung nicht aufgenommen wurden, weil diese nicht zum umfangreichen Anfangsteil der «Historia» gehören. Geoffrey weiß zu berichten, dass Brutus in der von ihm gegründeten Stadt London begraben worden sei. Außerdem sei Polygynie bei den noch ungetauften Trojaner-Briten durchaus üblich gewesen, wie das Beispiel des Ebraucus, Sohn des britischen Königs Menpricius, zeigt. Dieser habe zwanzig Söhne von zwanzig verschiedenen Frauen gehabt und überdies dreißig Töchter, die er allesamt zu König Silvius nach Alba in Italien geschickt habe, wo sie mit angesehenen Trojanern, deren Schlafgemächer Latinerinnen und Sabinerinnen verlassen hatten, verheiratet worden seien.71 Ebenso seien das Primogenitorprinzip bei der Herrschaftsnachfolge und die Gewohnheit, Festtage nach Geschlechtem getrennt zu begehen73, auf trojanische Gepflogenheiten zurückzuführen. An Umfang und Häufigkeit übertrifft der englische Geschichtsschreiber seine Kollegen' mit Abstand. Geoffrey scheint in gewisser Weise alles betonen und seinen Leser möglichst umfassend über die Nachhaltigkeit trojanischer Einflüsse unterrichten zu wollen. Insbesondere die Ausführlichkeit und Lebendigkeit der Erzählung erwecken den Eindruck, als habe Brutus tatsächlich existiert und seine Mission die Fundamente der britischen Geschichte gebildet. Waren dagegen die Trojaner für Sicard und Rigord nur nebensächlich? Keineswegs. Beide räumen ihnen zwar vergleichsweise weniger Platz innerhalb der Gesamtdarstellung ein, lassen es sich aber nicht nehmen, bestimmte Gesichtspunkte hervorzuheben und zu wiederholen. Diese Rekurse sind ein Hinweis darauf, was den Autoren als besonders wichtig erschien. Wiederholungen gleicher Angaben legen femer die Vermutung nahe, dass hier der Versuch unternommen wurde, eine in der Überliefemngstradition noch nicht etablierte, neue Ansicht im Gedächtnis der Leser zu verankern. Unter Berücksichtigung der genannten Aspekte kristallisieren sich als wichtige Themen bei Rigord die Etymologie des Stadtnamens von Paris, die Diffamierung der mer

69

[...]

Odavianus adolescens XVI annorum, natus patre Octavio senatore, maternum genus trahens ab Enea per Iuliam familiam, nepos Iulii Cesaris. Cui Cesar suum dedit nomen et hereditatem testamento reliquit [...]. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 82.6-8. 70 Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 23, 15. 71 Ebd., Kap. 27, 17f. Siehe hierzu auch Tatlock, Legendary History, 1950, 353. 72 Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 35, 24: Loegria atque Kambria necnon et Cornubia possideret; erat enim primogenitus patebatque Troiana consuetudo ut dignitas hereditatis ei proueniret. 12> Ebd., Kap. 157, 111: Antiquam nanque [sic] consuetudinem Troie sentantes Britones consueuerant mares cum maribus, mulleres cum mulieribus festiuos dies separatim celebrare. Dazu auch Tatlock, Legendary History, 1950, 112, 274.

89

4. Variabilität

britisch-anglonormannischen Trojaner-Herkunft und das Aufzeigen einer durchgehenden Linie der fränkisch-französischen Herrscher von den ersten trojanischen Regenten bis zur Gegenwart heraus. Der Cremonenser Autor legt indessen den Akzent darauf, dass die venetischen Städte bereits während der ersten Flüchtlingsgeneration gegründet worden seien, und lässt diese somit in Konkurrenz zu anderen trojanischen Gründungen treten. Von einer Indifferenz beider Autoren hinsichtlich des Troja-Stoffes kann also trotz des vergleichsweise geringen Umfangs der Erzählungen nicht die Rede sein. Wieviel Raum den

Trojanern innerhalb der Gesamtdarstellung eingeräumt werden konnte, maßgeblich davon bestimmt, mit welchem Gegenstand und mit welcher Geschichte sich die Autoren auseinanderzusetzen gedachten. Rigord schreibt, Form von modern gesprochen, Zeitgeschichte. Seine Ausführungen über die trojanischen Vorfahren besitzen reinen Exkurs-Charakter und sind eingefügt in einen überwiegend zeitgenössischen Bericht über die Regierangszeit des französischen Königs Philipp II. Augustas. Durch den Einschub der Passage bewirkt Rigord freilich, dass der Bezug zwischen Gegenwart und mythischer Vergangenheit sehr unmittelbar wirkt. Dagegen scheinen die Trojaner in der italienischen «Crónica» in weite Ferne entrückt, denn Sicard von Cremona schreibt Weltgeschichte, die er in chronologischer Reihenfolge darstellt, sodass die Trojaner abgesehen vom Frankenexkurs nur im Anfangsteil erscheinen. Geoffrey dagegen konzentriert sich von vornherein auf die Frühgeschichte der Insel Britannia bis zu König Cadwalion Lawhir von Gwynedd in der ersten Hälfte des 7. Jahrhundert und hat deshalb insgesamt, zumal in der gewählten romanhaften Erzählweise, mehr Raum für detailliertere Beschreibungen über die Trojaner zur Verfügung. Bei allen drei Autoren sind die Trojaner Bestandteil der heidnischen Vorgeschichte. Als solcher werden sie durch den gewählten Darstellungsrahmen jedoch verschieden gewertet. In dem als Universalchronik angelegten Werk des oberitalienischen Geschichtsschreibers sind die Trojaner Figuren auf dem Schachbrett des göttlichen Heilsplans. Hier wird Geschichte vom Bestehen der Menschheit an bis in die Gegenwart erzählt und dabei einer langen universalchronistischen Tradition folgend74 in sechs Weltaltern abgehandelt. Der Untergang Trojas und die Flucht ihrer Bewohner sind in der weit vor der Geburt Christi liegenden dritten aetas verortet. Gerade in Anbetracht dessen, dass die überlieferten Informationen über die ersten Weltalter recht spärlich und zugleich innerhalb der Universalchronistik quasi kanonisiert sind, ist Sicards Modifikation, die Vorgeschichte Venetiens noch weit vor der Entstehung Roms und anderer Mewar

-

-

74

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Siehe exemplarisch das Kapitel De descriptione temporum in den «Etymologien» Isidors von Sevilla und die dort vorgenommene Einordnung Trojas: Tertia aetas. [...] Ericthonius in Trola [primus) quadrigam iunxit. [IIIMDCCLVJ. [...] Priamus regnavit in Troia. [IIIMDCCCCLXXXI]. [...] Hercules flammis se iniecit. [IVMIXj. Abessa ann. VII. Alexander Helenam rapuit. [IVMXVIJ. Abdon ann. VIII. Troia capta est. [IVMXXIVJ. Samson ann. XX. Ascanius Albam condidit. Isidori Etymologiarum Libri, ed. Lindsay, 1911, Buch 5, Kap. 39, hier 8-12.

90

11.

tropolen zu verorten und sie

Metamorphosen eines Mythos

weltgeschichtlichen Rahmen als gottgewollt Geoffrey wird das Heidentum der ausführlicher zum Trojaner Gegenstand Beschreibungen, wie um nur zwei Beispiele die Ausführungen über den Opferritos zu Ehren der Diana oder die zu nennen Vielweiberei des Ebraucus zeigen. Göttliche Vorsehung spielt auch hier eine zentrale Rolle, denn Prophezeiungen und das Wirken des Schicksals sind Zeichen für die Beeinflussung des Menschen durch den göttlichen Willen, auch wenn dieser sich durch den Mund einer antiken Götterstatue offenbart. Der heilsgeschichtliche Rahmen, der bei Sicard von Cremona das wichtigste Ordnungs- und Deutongsprinzip für das irdische Weltgeschehen darstellte, dominiert jedoch die Erzählung nicht. Rigord hinwieder malt das Heidentum der Trojaner und das göttliche Wirken auf den Geschichtsverlauf nicht aus, sondern beschränkt sich darauf, innerhalb der Abfolge der Frankenherrscher auf die Taufe Chlodwigs hinzuweisen, mit der das bis in die Gegenwart reichende christliche Kapitel der fränkischen Geschichte eröffnet wird. Im Gottesgnadentom der französischen Herrscher75 schwingt aber ebenfalls etwas von der Vorherbestimmtheit erscheinen

zu

lassen,

umso

so

durch den

bemerkenswerter. Bei

-

-

des Geschichtsverlaufs mit.

Insgesamt gesehen, zeigen die drei Trojaner-Erzählungen im Vergleich mehrere verbindende Gmndmotive: Wanderungen, Städte- und Herrschaftsgründungen, Unabhängigkeitstopos, Heidentum. In signifikanter Weise sind dabei die trojanischen Herkunftsableitongen vom Wahmehmungshorizont des Autors beeinflusst. Gebiete und gentes, die außerhalb desselben lagen, fanden nur insofern Eingang in die Erzählungen, als sie ein femes Echo früherer Zeiten darstellten. Im Jetzt und Heute der Geschichtsschreiber zählte zu allererst der Herrschaftsbereich bzw. das Territorium, dem sie sich selbst zugehörig fühlten. Diese Eigenperspektive kann als ein bestimmendes Movens der „mythischen Poiesis" (Wunenburger) gelten. Trotz der genannten Gemeinsamkeiten sind unterschiedliche Akzentsetzungen in den Darstellungen unübersehbar. Es gibt Motive, die nur bei einem Autor begegnen, andere hingegen, die auf ähnliche Weise beschrieben werden. An manchen Stellen lassen sich gemeinsame Quellen vermuten, auch wenn die erzählten Versionen teils in einem gänzlich anderen Zusammenhang stehen. Gleiche Elemente können verschieden gewichtet und durch Zusatzinformationen ergänzt sein, sodass die Darstellung eine andere Wendung bekommt. Auch ihr Umfang und Stellenwert variiert und ist durch das Genre des Werks mit geprägt. Jede Erzählung besitzt daher eine Einzigartigkeit, in der sich Individuelles und Konventionelles vermischen. 4.2

Spektren des Mythenstoffes

Was Sicard von Cremona, Rigord und Geoffrey von Monmouth über die Trojaner schrieben, lässt sich einordnen in eine lange Reihe historiographischer Werke, die durch 75 Zu

Herrschaftsideologie der Plantagenêt siehe die knappen Ausführungen auf S. 262.

91

4. Variabilität

Genealogien, Herkunftserzählungen oder Stadtgründungsgeschichten auf die Trojaner Bezug nahmen. Allein alle in Italien, Frankreich und England vom Frühmittelalter bis zur Neuzeit tradierten Versionen aufzulisten, wäre ein Vorhaben, das aufgrund der Überlieferungsbreite (insbesondere im Spätmittelalter) und der stellenweise unzureichenden Forschungslage im Rahmen dieser Studie nicht zu leisten ist. Hinzu kommen Rekurse auf den Troja-Stoff, in denen der Herkunftsgedanke nicht im Vordergund steht. Auch sie stellen Erscheinungsformen des Mythos dar, die es zu berücksichtigen gilt. Um die drei ausgewählten Exempel innerhalb des Troja-Diskurses in der zeitgenössischen Literatur besser zu verorten, folgt nun ohne Ansprach auf Vollständigkeit ein Überblick über andere Versionen des Troja-Mythos in den drei Großregionen. Dieser stellt eine Art Momentaufnahme des 12. Jahrhunderts dar, in der auch textliche

Quer-

verbindungen und historische Kontexte angedeutet werden. Ein Vorgehen, das Italien, Frankreich und England jeweils als eigene Bereiche zu berücksichtigen versucht, kann auf Verbindendes und auf Eigenheiten in der literarischen Produktion dieser Großregionen aufmerksam machen. Für die Bewertung der Relevanz des Troja-Mythos und hinsichtlich der Mechanismen der Mythenproduktion und -weitergäbe können so einige erste Anhaltspunkte geliefert werden. Um einzelne Nuancierungen bei den Bezugnahmen systematisch herausarbeiten zu können, werden bisweilen Passagen aus demselben Werk in unterschiedlichen Unterkapiteln behandelt. 4.2.1 Vorfahren und

Städtegründer

4.2.1.1 Frankreich

Rückführung auf mythische Vorfahren aus Troja in einer langen Tradition. Bereits in der als Universalgeschichte angelegten Chrohistoriographischen nik des sogenannten Fredegar (um 660) wird überlieferungsgeschichtlich das erste Mal von der trojanischen Herkunft der gens Francorum und ihrer Herrscher erzählt. Diese und der nur bedingt von ihr beeinflusste «Liber Historiae Francorum» (um 726/727) prägten die fränkisch-französische Geschichtsschreibung der darauf folgenden Jahrhunderte In der Darstellung des «Fredegar» sind die Trojaner nach dem Ende des zehnjährigen Krieges, der durch den Raub der Helena ausgelöst worden war, in verschiedene Richtungen gewandert. Als erste Könige seien Priamus und Frigas gewählt worden. Ein Teil der Trojaner sei nach Makedonien gezogen und habe fortan nach der Region und dem dortigen Volk Makedonier geheißen. Die anderen seien von Phrygien aus durch verschiedene Gegenden geirrt, hätten unter der Führung ihres namengebenden König Francio gegen viele Völker gekämpft, Asien teilweise verwüstet, sich dann in Richtung Europa gewandt und schließlich zwischen Rhein und Donau niedergelassen. Dort sei es zu ständigen Auseinandersetzungen mit den Galliern und Römern gekommen, doch „bis In Frankreich steht die

maßgeblich.7

76

Allgemein dazu Anton, Troja-Herkunft, 2000; Ewig, Trojamythos, 1998; Ders., Troja,

1998.

92

//.

Metamorphosen eines Mythos

heutigen Tag

hat kein Volk die Franken überwinden können". Noch eine dritte den Trojanern ab: die Türken. Ein Teil von ihnen habe jenseits des Donauufers zwischen dem Ozean und Thrakien gesiedelt und Torquotos zu ihrem König gewählt, von dem sie ihren Namen erhielten. An diese Ausführungen schließt dann im «Fredegar» eine Passage an, in der über die Trojaner als Ahnen der Römer in Anlehnung an Paulus Diaconus' «Historia Romana» berichtet wird.77 Im «Liber Historiae Francorum» ist die Troja-Erzählung anders gewichtet. Als charakteristische Elemente erscheinen hier: Antenor als Anführer der trojanischen Flüchtlinge neben Priamus; die Mäotischen Sümpfe und der Bau Sicambrias; der Kampf mit den Alanen und die Auseinandersetzungen mit Valentinian, der den Franken auch ihren Namen verliehen habe; der Zug der Trojaner von Sicambria an den Rhein zu den Germanen, wo sie von den Fürsten Markomir, einem Sohn des Priamus, und Sunno, einem Sohn des Antenor, regiert worden seien. 78 Beide fränkischen Überlieferungen führen vor Augen, dass man sich die politische Ordnung zunächst nicht anders als in Begriffen von origo und Stammesverband vorzustellen vermochte. Erst später verband sich der Gedanke trojanischer Herkunft allmählich mit Kategorien wie imperium und Blutsverwandtschaft. Noch im 12. Jahrhundert sind die Einflüsse «Fredegars» und des «Liber» zu spüren. Gleichzeitig aber verstärkte sich die Tendenz zu lückenlosen genealogischen Konstmktionen, die bis weit in die Vergangenheit zurückreichen. Das wird nicht nur bei Rigord deutlich, sondern auch in den Universalchroniken des Benediktinermönches Sigebert von Gembloux79 und des Petrus von Tours in den in Saint-Denis entstandenen Werken «Gesta Gentis Francozum

gens stamme

von

,

77

78 79

80

Vgl. Chronicarum Fredegarii libri IV, ed. Krusch, 1888, hier Kap. 4-6 u. 8f, 45.15-46.27 u. 47.729. Das Zitat ebd., Kap. 6, 46.17: [...] nulla gens usque in presentem diem Francos potuit superare [..f. Vgl. Liber Historiae Francorum, ed. Krusch, 1888, Kap. 1-5, 241-244. Eine erste Version der Chronik des Sigebert von Gembloux war wohl bereits 1082 fertiggestellt; der Darstellungszeitraum der zweiten Version reicht bis zum Jahr 1111. Edition: Chronica Sigeberti, ed. Bethmann, 1844, 300-374; zu Biographie und Œuvre Sigeberts sowie der Überlieferung der «Chronica» und ihren Fortsetzungen vgl. ebd., 268-299; George, Sigebert von Gembloux, 1995; Licht, Werk Sigeberts von Gembloux, 2005. Die nach 1138 im annalistischen Stil geschriebene «Chronik» des Petrus von Tours geht auf die Wanderungen der Trojaner zwar nicht ein, erwähnt aber kurz, dass die in Pannonien sesshaften Trojaner wegen ihres rauhen und wagemutigen Charakters von Kaiser Valentinian „Franken" genannt worden seien und sich von römischen Tributzahlungen befreit hätten. Vgl. Chronicon Petri Bechini, ed. Salmon, 1854, 11: ^4 Valentiniano Trojani, intra Pannoniam habitantes propter Celsos Hálanos, Franci, a duritia vel audacia coráis, attica lingua, sunt vocati. Hi a tributo Romanorum se liberaverunt. Über Biographie und Werk des Autors: ebd., Notices sur les chroniques de Touraine, V-XV; Ex Petri Bechini Chronico, éd. Holder-Egger, 1882, 477; Von den Brincken, Weltchronistik, 1957, 202f Der in der Edition von Holder-Egger (477) gegebene Verweis auf eine Teiledition des Werks in „Duchesne, Hist. Franc. SS III, p. 365 sqq." ist nicht korrekt, da dieser zu Gervasius' von Tilbury «Otia Imperaba» führt. Die unvollständige Edition von Holder-Egger umfasst lediglich den Zeitraum von 1103 bis 1138, diejenige Salmons die Jahre

4. Variabilität

93

ram»81

und «Historia Regum Francorum» bzw. «Abbreviatio Gestoram Franciae Regum»8 oder in den «Genealogiae Regum Francorum Comitumque Flandriae».83 Da die Troja betreffenden Passagen bei Petras von Tours und in den «Gesta Gentis Francorum» nach wie vor unediert sind, kann an dieser Stelle lediglich auf die anderen genannten Versionen kurz eingegangen werden. Ihnen gemeinsam ist die Darstellung einer durchgängigen Herrscherfolge und Verwandtschaftslinie von den Trojanern über Markomir, den ersten fränkischen König Faramund und die Merowinger bis zu den Karolingern. In der «Chronik» des Sigebert von Gembloux und der «Historia Regum Francorum» führt die Linie weiter bis zu den Kapetingern, während in den «Genealogien» die Grafen von Flandern den Karolingern angesippt werden, und zwar über Judith, eine Tochter Karls des Kahlen.84 Einzig Sigebert wusste darüber hinaus auch von Aeneas' Ankunft in Italien und den trojanischen Fundamenten des Imperium Romanum zu be-

richten.85

250 bis 1137 n. Chr. Eine vollständige, mit dem Schöpfüngsbericht beginnende Version ist in einem Manuskript der Vatikanischen Bibliothek (BAV, Reg. lat. 609) überliefert. Aufgrund des schlechten Erhaltungszustands ist es jedoch in weiten Teilen unleserlich. Eine weitere Handschrift mit dem vollständigen Text und Ergänzungen bis 1199 liegt in Paris (Bibliothèque Impériale, Nr. 4999). Um die Troja-Version entsprechend einordnen zu können, bedürfte es einer eingehenden Beschäftigung mit diesen Codices. Die zwischen 1114 und 1131 entstandenen «Gesta Gentis Francorum» sind bis heute in weiten Teilen unediert. Das von Du Chesne 1636 herausgegebene «Fragmentum Historiae Francicae A Morte Ludovici Pii Ad Ludovicum II Dictum Balbum Ex Ms. Codice Bibliothecae Thuanae» (vgl. Fragmenttim Historiae Francicae, ed. Du Chesne, 1636) ist mit einem Teil der «Gesta Gentis Francorum» gleichzusetzen (vgl. Gesta gentis Francorum, Repfont, Bd. 4, 1976). Nach Gabrielle Spiegel stellen sie eine Art Weltchronik dar, welche bei Christi Geburt beginnt und die Geschichte Frankreichs von den trojanischen Ursprüngen bis zur Thronbesteigung Ludwigs VI. im Jahr 1108 erzählt. Die «Gesta» können als erster Versuch einer „nationalen Geschichtsschreibung" gewertet werden. Weit verbreitet scheinen sie nicht gewesen zu sein. Erhalten sind jedoch zwei Abschriften, die nach 1163 bzw. nach 1180 angefertigt wurden; auf der zweiten basieren die «Nova Gesta Francorum». Siehe dazu Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 40-42. Das Werk, dessen Darstellung bis in das Jahr 1137 reicht, ist unter zwei verschiedenen Titeln bekannt: als «Gesta Franciae Regum» (ed. Brial/Delisle, 1878) oder «Historia Regum Francorum» (ed. Waitz, 1851). Die entprechende Troja-Passage in der Edition von Waitz, Kap. 1, 395.30-45. Wie die «Nuova Gesta Francorum» und die «Gesta Gentis Francorum» gibt die «Abbreviatio» einen Abriss der französischen Geschichte von den Trojanern bis zum Jahr 1108, mit Ergänzungen bis 1137 und weiteren späteren Zusätzen. Siehe dazu Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 42-44; weiterhin auch Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, XXVII; Kuppel, Trojanersage, 1936, 28. Die «Genealogiae» entstanden wohl im Jahr 1120. Edition: Genealogiae Comitum Flandriae, ed. Bethmann, 1851. Vgl. dazu Chronica Sigeberti, ed. Bethmann, 1844, bes. 300.28-46, 303.16-18, 307.2f u. 307.51 (bis Ludwig VI.); Historia Regum Francorum, ed. Waitz, 1851, 395.30-45 (bis Ludwig VII. 1137); Genealogiae Comitum Flandriae, ed. Bethmann, 1851, bes. 308.17-25 (bis König Knut IV. von Dänemark, Sohn des flandrischen Grafen Robert I.). Vgl. Chronica Sigeberti, ed. Bethmann, 1844, bes. 300.26-28. von

81

82

83 84

85

94

//

Metamorphosen eines Mythos

Losgelöst von dieser monastisch geprägten Tradition thematisierte Fulco die trojaUrsprünge der Franzosen. Seine «Historia Gestomm Viae Nostri Temporis Jerosolymitanae» erzählt in hexametrischem Versmaß von den wichtigsten Teilnehmern des ersten Kreuzzugs und dem Itinerar der Kreuzfahrerheere, wobei Historisches und Sagenhaftes an vielen Stellen ineinander übergehen. Fulco sah nicht nur in den Taten seiner Landsmänner das alte Troja wieder auferstehen. Auch im Kontext der über das Schicksal des Gottfried der mit Bouillon durch Grievon Erzählung Zuges, chenland und über den Hellespont nach Phrygien gelangte, kam er darauf zu sprechen, wie sich einst die Trojaner in vielen Regionen verstreut hätten und infolgedessen Padua, Salamis, Capua, Alba, Rom, Ostia, Sicambria, das apulische Troia und die Städte entlang des Flusses Timavo89 entstanden seien. In der Union der Trojaner-Franken mit den Galliern, so der Autor weiter, hätten diese einst den Höhepunkt ihrer Herrschaft ernischen

reicht.90

Auch der Benediktinermönch Hugo aus Fleury (gest. zwischen 1118 und 1135) ließ die Trojaner nicht unerwähnt. Im sechsten Buch seiner «Historia Ecclesiastica» behauptete er, Ansegisel, Vater Pippins des Mittleren, sei in Anlehnung an den gleichnamigen Trojanerfürsten Anchisus genannt worden.91 In den von Waitz edierten Auszügen von Hugos «Kirchengeschichte» und den «Modernorum Regum Francorum Actos» (bis 1108) werden die fränkisch-französischen Könige allerdings nicht explizit mit trojanischen Vorfahren in Verbindung gebracht. Eine Erklärung hierfür böte, dass die «Actos» der Kaiserin Mathilde, Gemahlin Heinrichs V. und Tochter des englischen Königs Heinrich I., gewidmet war. Eine Berufung auf die trojanische Herkunft der französischen Herrscher wäre wohl unangemessen gewesen. Das gilt auch für Hugos weitere Werke, die gleichfalls Mitgliedern der englischen Königsfamilie dediziert waren. Hervorzuheben bleibt, dass der Autor an keiner Stelle in umgekehrter Richtung den Versuch unternahm, die Erben Wilhelms des Eroberers in eine trojanische Nachfolge einzu-

ordnen.92

86 Über die Identität des Autors, der wohl noch im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts schrieb, ist nichts Näheres bekannt. Dazu Manitius, Lateinische Literatur des Mittelalters, Bd. 3, 1931, 667f 87 Das Werk war einem Gedicht des Gilo vorangestellt; siehe die Edition: Fulco, Historia Gestorum, ed. RHC, 1895. Allgemein auch Manitius, Lateinische Literatur des Mittelalters, Bd. 3, 1931, 668-670. 88 Inque suis Francis antiqua resurgere Troia/Coepit et edomuit Christo contraria régna. Fulco, Historia Gestorum, ed. RHC, 1895, Buch 1, 697, w. 1 lf. 89 Nahe Triest, im heutigen Slowenien. 90 Vgl. Fulco, Historia Gestorum, ed. RHC, 1895, Buch 3, 715, w. 199-216. 91 Porro iste Ansegiselus Anchises de nomine Anchisae quondam Troianiprincipis est dictus. Historia ecclesiastica, ed. Waitz, 1851, 358.1 lf. 92 Hierzu Hugonis Liber Regum Francorum, ed. Waitz, 1851; Hugonis Compendium, ed. RHC, 1895, Préface, XC\V;Jedin, Widmungsepistel, 1965, 560.

95

4. Variabilität

4.2.1.2

England

Ähnlich wie in Frankreich ist die Rückführung der Briten auf die Trojaner kein neues Phänomen des Hochmittelalters, sondern reicht zurück bis zur «Historia Brittonum»,

die wohl um 829/830 in Wales entstand und in neun Rezensionen überliefert ist.93 Nach dieser Version war BritusIBruto ein Sohn des Aeneas-Enkels Silvius, der einer Weissagung zufolge seine italienische Heimat verlassen musste, zu Inseln im Tyrrhenischen Meer gelangte, von dort wegen der Tötung des Turnus durch die Griechen vertrieben wurde, dann nach Gallien kam, Tours gründete und schließlich auf einer Insel landete, die nach ihm den Namen Britannia erhielt.94 Anders als in der fränkisch-französischen Historiographie scheint diese Vorgeschichtskonstruktion zunächst weitgehend in Vergessenheit geraten und erst mit Geoffrey von Monmouth unter Ergänzung weiterer Elemente zu neuem Leben erweckt worden zu sein. Offenbar unabhängig davon entstand in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts neben dieser britischen eine anglonormannische Version, die bis zum Erscheinen von Geoffreys «Historia Regum Britannie» relativ unverändert tradiert wurde. Dudo von St. Quentin hatte in seinem um 1020 verfassten Geschichtswerk «De Moribus Et Actis Primoram Normanniae Ducum» die Landnahme der Normannen („Dänen") mit einem an sich griechisch-trojanischen Ursprung in Verbindung gebracht und der Idee der trojanischen Herkunft vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses der Herzöge von der Normandie neue Aktualität verliehen. Auf Jordanes' Gotengeschichte und etymologische Deutungen zurückgreifend, beschrieb er Dakien als ein von Barbarenvölkern bewohntes Gebiet96 und erklärte: „Die Daker (Daci) freilich werden bzw. Dänen (Dani) genannt und rühmen sich als Nachfahren AnteDanaer

widersprüchlichen95

-

-

(Danaif1

93

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97

Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 147, 149-153. Nennius, der als angeblicher Bearbeiter der «Historia Brittonum» galt (dazu u. a. die Ausführungen Mommsens in der Edition von 1898), ist dieses Werk aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zuzuschreiben. Der Prolog, in dem ein Ninnius als Autor genannt wird, ist unecht. Seit dem 12. Jahrhundert war die «Historia Brittonum» meist mit dem Namen Gildas' verbunden. Vgl. Prelog, Nennius, 1993. Vgl. Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 149.4-153.2. Mittels der Genealogie Aeneas-Ascanius-Silvius-Britus/Bruto wird die britische Vorgeschichte in der «Historia Brittonum» an den römischen Gründungsmythos angebunden und zugleich durch die Rückführung auf Noah in die biblische Heilsgeschichte eingefügt. Ungereimtheiten in der Darstellung fielen bereits Edmond Faral auf, der sie mit der Unwissenheit des Autors erklärte. Vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 1, 1929, Appendice I: Comment s'est formée la légende de l'origine troyenne des Francs, 291-293. Neben der Dada gehörten auch die Getia und die Alania zu den von den Barbaren bevölkerten Gegenden zwischen der Donau und Skythien. Die Barbaren wiederum hätten ihren Ursprung auf der Insel Scanzia. Vgl. Dudonis De moribus et actis, ed. Migne, 1880, Buch 1, 619f. B u. C. Bei den antiken Autoren Bezeichnung für die Griechen, vorzugsweise für diejenigen vor Troja. Vgl. Georges, Bd. 1, 1995 (1913), 1881, dort unter dem Stichwort ,,C) Danaus".

Vgl.

96

//.

Metamorphosen eines Mythos

dem verwüsteten Gebiet Trojas inmitten der Griechen entkam und sich dann mit seinen Leuten nach Illyrien Fortgeschrieben wurde diese Mythosversion in den Redaktionen der «Gesta Normanteils anonym (A, B, D), teils deren erhaltene Rezensionen norum Ducum» unter konkretem Namen Wilhelm von Jumièges (C), Ordericus Vitalis101 (E) und Ro102 bert von Torigny (F) bekannt sind. Wie bei Dudo von St. Quentin sind die Trojaner bzw. „Dänen" Nachfahren der von der Insel Scanza stammenden Goten.103 Neu hingegen ist die wohl auf Wilhelm von Jumièges zurückgehende Identifizierung der Dada mit der Danamarcha. Dadurch wird bewirkt, dass die Trojaner zu den ersten geschichtlich bezeugten' Königen in Dänemark werden.104 Der spätere «Gesta»-Redaktor Ordericus Vitalis übernahm diese Version des anglonormannischen Ursprungsmythos nors, der einst

aus

begab."98

(A-F)100

,

-

-

98

Igitur Daci nuncupantur a sujijs Danai, vel Dani, glorianturque se ex Antenore progenitos; qui quae Trojae finibus depopulatis, mediis elapsus Achivis, Illyricos fines penetravit cum suis. Dudonis De moribus et actis, ed. Migne, 1880, Buch 1, 621 C.

99

für die Erforschung der «Gesta Normannorum Ducum» und ihre verschiedenen Redaktionen sind die Arbeiten von Elisabeth M. C. van Houts, die in einer mit ausführlichen Kommentaren versehenen, kritischen Edition des Textes ihren vorläufigen Abschluss fanden und seitdem maßgeblich für weitere Untersuchungen sind. Vgl. Van Houts, Gesta Normannorum Ducum, 1981; Gesta Normannorum Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992/Bd. 2, 1995. In ihrer Edition geht Elizabeth van Houts zusätzlich von einer Redaktion a aus, die als hypothetisches Bindeglied zwischen den Redaktionen C und A/B fungierte. Vgl. Gesta Normannorum Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, XX u. CXXII. Einer Familie aus dem Haushalt Rogers II. von Montgomery entstammend, trat Ordericus im Alter von zehn Jahren in das nordfranzösische Benediktinerkloster Saint-Evroult ein, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte, seine Ausbildung und die Weihen zum Subdiakon ( 1091 ), Diakon (1093) und Priester (1107) erhielt. Im Kloster war er vor allem als Schreiber und Chronist tätig. Zur Biographie und zu den Werken vgl. ebd., Bd. 1, 1992, LXVII; Schmale, Ordericus, 1993. Während der Amtszeit des Abtes Boso (1124-1136) trat Robert von Torigny als Mönch in das Kloster Le Bec ein (1128) und wurde 1149 dessen Prior. Als Hauptwerk gilt seine Fortsetzung der Weltchronik Sigeberts von Gembloux. Zu Biographie und Œuvre vgl. Schnith, Robert von Torigny, 1995; Gransden, Historical Writing, 1974, 199f. u. 261f; Gesta Normannorum Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, LXXVII-LXXIX. Siehe u. a. Gesta Normannorum Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, Buch 1, Kap. 3(4), 15, Anm. 6. Igitur alter Gothorum cuneus ex Scanza Ínsula, que eral quasi officina gentium auí uelud uagina nationum [...]. Meoíidas occupauerunl paludes [...]. Quarum in secunda sede Dada, que et Danamarcha, sistens reges habuit mullos [...]. Iadant enim Troianos ex sua stirpe processisse, Antenoremque ab urbis exterminio cum duobus milibus militum et quingentis uiris ob proditionem illius ab eo perpetratam euasisse, ac per multimodos ponti anfradus Germaniam appulisse, atque postmodum in Dada regnasse, eamque a quodam Danao, sue stirpis rege, Danamarcham nuncupasse. [...] originem tarnen a Gothis noscuntur ducere Dani. Vgl. ebd., Bd. 1, 1992, Buch 1, Kap. 3(4), 14, 16 sowie 15, Anm. 5.

100

101

102

103 104

Maßgeblich

97

4. Variabilität

1120 verfasste «Histórica Ecclesiastica» während erst der letzte Bearbeiter, Robert von Torigny, eine Erklärung dafür bot, warum die Dänen auch Normannen genannt würden.106 Die «Gesta» gehören zu den zentralen historiographischen Überlieferungen der anglonormannischen Zeit, stellen die früheste überlieferte Prosaerzählung über die normannische Eroberung Englands dar und bilden zugleich eine Art Dynastiegeschichte der Herzöge der Normandie107. Blickt man auf die breite Überliefeund die mehrfachen Bearbeitungen und Erweiterungen während des 11. und 12. Jahrhunderts, so sprechen diese für das große Interesse, welches dieses Werk in bestimmten zeitgenössischen Kreisen weckte. Verbreitung erfuhr der Text vor allem in Benediktinerklöstern der Normandie und Englands.109 Auch wenn über die Entstehungshintergründe der «Gesta» nur wenige Einzelheiten bekannt sind, so gilt Wilhelm, ein Mönch aus der reformierten Benediktinerabtei SaintPierre de Jumièges, als ihr Verfasser110, auf den auch der heute noch gebräuchliche Titel des Werks zurückgeht. Seine Version (C) entstand wohl in zwei Phasen zwischen auch in seine

um

,

rung108

105 Nach der Flucht aus Troja hätten sich die Trojaner geteilt. Die einen seien unter der Führung des Aeneas nach Italien gezogen, die anderen seien mit Antenor in die Dada gekommen, woher die Normannen stammten. Von Antenors Sohn Danus habe die gens Normannorum den Namen Dani erhalten. Vgl. Orderici Vitalis Historia, ed. Chibnall, Bd. 2, 1969, Buch 3 (ii.l), 2 u. (ii.6), 6; Buch 4 (ii.229), 274/Bd. 5, 1975, Buch 9 (iii.474), 24. Dazu auch ebd., Bd. 1, 1980, General Introduction, Sources, 58. 106 Robert von Torigny schob folgende Passage ein: Hac igitur de causa Daci nuncupantur a suis Danai uel Dani. Nortmanni autem dicuntur, quia lingua eorum Boreas North uocatur, homo uero man; inde Northmanni, id est homines boreales per denominationem nuncupantur. Gesta Normannoram Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, Buch 1, Kap. 4(5), 16. 107 Das bestimmende Prinzip bei der Weitergabe der Herrschaft im Herzogtum der Normandie ist die Sohnesfolge. Es zieht sich in der Erzählung von Rollo (Robertus) über Wilhelm (I.), Richard. (I.), Richard (IL), dessen Söhne Richard (III.) und Robert bis zu Roberts Sohn Wilhelm (dem Eroberer). Vgl. ebd., Bd. 1, 1992, Buch 3, Kap. 1, 76 u. Buch 4, Kap. 1, 98; Bd. 2, 1995, Buch 5, Kap. 1, 6; Buch 6, Kap. If, 44 u. Buch 7, Kap. 1, 90. Weite Teile des Werks gehen auf die „Taten" (besonders die militärischen Unternehmungen) der einzelnen normannischen Herzöge ein. 108 Überliefert sind 47 Handschriften. Vgl. ebd., Bd. 1, 1992, XXI, XCV-CXXVIII. 109 Vgl. Guenée, Histoire, 1980, 287; Gransden, Historical Writing, 1974, 96f; Shopkow, History and Community, 1997, bes. 235-239. 110 Die Identifizierung des Verfassers der «Gesta» mit Wilhelm von Jumièges basiert auf der Namensangabe in der Epístola am Anfang des Werks (Gesta Normannoram Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, Epístola, 4). Über den Autor lassen sich kaum sichere biographische Daten zusammentragen. Ein Anhaltspunkt für den Zeitraum seiner Geburt (wohl um 1000) lässt sich aus der Angabe in den «Gesta» gewinnen, derzufolge der Verfasser die Zeit Herzog Richards III. noch selbst erlebt habe. Vermutlich trat er im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts in das Kloster von Jumièges ein und erhielt seine Ausbildung von Thierry de Mathonville. Die Bedeutung des Beinamens Calculus, wie er in der «Historia ecclesiastica» des Ordericus Vitalis überliefert wird, ist unbekannt. Sein Todesjahr ist ebenfalls nicht sicher bestimmbar und lässt sich lediglich auf die Zeit nach 1070, dem Ende des Berichtzeitraumes der «Gesta», festlegen. Siehe Gesta Normannoram Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, XXXI; Dies., Calculus, 1979. 111 Vgl. Wilhelm von Jumièges, Gesta Normannoram Ducum, ed. Marx, 1914, Introduction, XV. -

98

//.

Metamorphosen eines Mythos

1050 und 1070."2 Die weiteren Rezensionen vom Ende des 11. Jahrhunderts (et) aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts (A, B, D, E, F)11 bewahren einerseits für gewisse Zeit die Gültigkeit eines Geschichtsbildes, wie es in Benediktinerklöstern Nordfrankreichs vor dem Hintergmnd des zunehmenden Einflusses der Herzöge aus der Normandie entwickelt worden war. Andererseits bezeugen sie die kurz nach der Fertigstellung von Wilhelms Fassung einsetzenden Bemühungen, die «Gesta» durch entsprechende Ergänzungen an aktuelle Gegebenheiten anzupassen. Voraussetzung dafür war, dass Abschriften des Werks in den anglonormannischen Klöstern zirkulierten und vervielfältigt wurden. Den Ausgangspunkt für eine Reaktiviemng der britischen Version ab dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts bildete die «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth. Sie drängte den Einfluss der «Gesta Normannorum Ducum» zurück, auch wenn einzelne Elemente wie die Normannen-Etymologie weiterhin parallel tradiert wurden. Zu den frühesten Zeugnissen für das große Interesse, auf das Geoffreys Werk sofort nach seinem Erscheinen bei zeitgenössischen Autoren stieß, zählt der sogenannte «Warinus-Brief»115, den Heinrich von Huntingdon wohl um 1140 oder später in einer ca.

und

112 Dazu Gesta Normannorum Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, XXXII-XXXV. Damit revidierte van Houts die traditionelle Datierung um 1070/71. Siehe dazu Wilhelm von Jumièges, Gesta Normannorum Ducum, ed. Marx, 1914, Introduction, XV. 113 Die hypothetische cc-Redaktion, wohl aus der Zeit um 1096-1100, ist vermutlich einem Mönch aus Saint-Ouen in Rouen zuzuschreiben. Version A muss nach a entstanden sein, die näheren Umstände sind jedoch unbekannt. Der terminus post quem non für B kann auf ca. 1125 angesetzt werden; ob der Kanzler und spätere Bischof von Hereford, Gerard (1096-1100), als deren Autor in Frage kommt, muss eine Vermutung bleiben. D basiert unmittelbar auf dem Text Wilhelms von Jumièges (C), die Datierung bleibt jedoch auch hier unsicher (zwischen 1106 und 1134). Die Redaktion des Orderic Vitalis (E) entstand in der Zeit zwischen 1109 und 1113 mit einem Schwerpunkt im Jahr 1109. Robert von Torigny arbeitete wohl um 1138/39 an einer ersten Version, unterzog diese zwischen 1147 und 1159 aber weiteren Korrekturen (F). Vgl. Gesta Normannorum Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, bes. LXI, LXV, LXVI, LXVIII, LXXIXf Die von van Houts vorgenommene Unterscheidung zwischen einer ersten Generation anonymer «Gesta»-Bearbeiter, die nur geringfügige Änderungen im Text vornahmen, und Bearbeitern des frühen 12. Jahrhunderts, repräsentiert durch Ordericus Vitalis und Robert von Torigny (XXf), ist angesichts der Datierungen wenig sinnvoll. 114 Einige der überlieferten Editionen der «Gesta» weisen nur geringfügige Änderungen und Hinzufügungen auf, welche im Wesentlichen die Zeit des Herzogs Robert Kurzhose betreffen (a, A, B, D). Vgl. ebd., Bd. 1, 1992, XXf. Die elaborierten Versionen E und F sind zugleich die einzigen, die sich einem Autor namentlich zuschreiben lassen. Beide Male handelt es sich sozusagen um Vorübungen zu umfangreicheren historiographischen Werken. „By revising an existing text they acquired the skills which enabled them to compose their own works later on [...]". Ebd., XXI. 115 Vgl. Wright, Epístola ad Warinum, 1991, bes. 71; Greenway, Henry of Huntingdon, 1987, 1 lOf; Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 188. Neueditionen der «Epístola» mit englischer Übersetzung: Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Epístola Warino Britoni, 558-583; Wright, Epístola ad Warinum, 1991 (lat. Text ebd., 92-106, engl. Übers. 106-113). Der Brief wurde zuvor ediert in: Cronicle of Robert of Torigni, ed. Howlett, 1889, Epístola Henrici

99

4. Variabilität

Anglorum»116

dritten Version seiner «Historia einfügte. Dieser Brief an einen gewissen Bretonen Warinus"7 liefert eine kurze Zusammenfassung der «Historia Regum Britannie», in der die Trojaner-Erzählung in ihren wesentlichen Linien wiedergegeben ist. Sehr prägnant beginnt sie mit der Genealogie Eneas igitur Romani generis auctor genuit Ascanium. Ascanius genuit Siluium, Siluius Brutum und nimmt auf die Erbauung Londons durch den Trojaner Brutus Dass der Autor seiner Vorlage aber nicht in jedem Detail bedingungslos folgte, sondern auf der Suche nach vertrauenswürdigeren Quellen manche Angaben leicht modifizierte120, wird beispielsweise bei der Schilderung der Gründung von Tours deutlich.121 Die in Heinrichs «Warinus-Brief» genannten Herleitangen begegnen in ähnlicher Weise auch in der Vorgeschichtserzählung am Beginn der «Historia Anglorum». Allerdings folgte Heinrich von Huntingdon in der ersten Fassung von 1129 noch allein den Angaben in der «Historia Brittonum» und ergänzte sie erst in späteren Bearbeitungen mit Elementen aus Geoffreys «Historia».122 In der

Bezug.119

116

Archidiaconi ad Warinum de regibus Britonum, 65-75. Zu den Einflüssen von Geoffreys «Historia» auf die «Historia Anglorum» vgl. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Introduction, Clf. Vgl. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Introduction, bes. LXXLXXII. Seit Greenways textgeschichtlichen Untersuchungen ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Stadien der Textkomposition 1129 (Version 1 und 2), 1138 (Version 3), 1146 (Version 4), 1149 (Version 5) und 1154 (Version 6) abgeschlossen waren. Vgl. ebd., Introduction, LXVILXXVII. Diese Chronologie der Werkentstehung variiert leicht gegenüber Greenways früheren Datierungsversuchen und verdeutlicht ein weiteres Mal, dass die von Arnold vermuteten Abfassungsphasen (fünf Versionen in den Jahren 1129/30, 1135, 1139, 1145 und 1154) in jedem Fall zu revidieren sind. Vgl. Greenway, Henry of Huntingdon, 1987, bes. 104, 106 u. Appendix 2, 125; Henrici Historia Anglorum, ed. Arnold, 1879, XI-XVI. Weiterführend zur Biographie Heinrichs von Huntingdon und seinem historiographischen Schaffen: Partner, Serious Entertainments, 1977, 11-48; Gransden, Historical Writing, 1974, 193-201. Über die Identität des Warinus Brito ist nichts bekannt. Vgl. Wright, Epístola ad Warinum, 1991, 74. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Epístola Warino Britoni, Kap. 2, 558. Edificauit proinde Trinouantum in memoriale sempiternum, id est Troiam nouam, quam nunc Lundoniam uocamus. Ebd., Epístola Warino Britoni, Kap. 2, 560. Die Abweichungen gegenüber Geoffreys Version sind wohl zurückzuführen auf den Versuch Heinrichs von Huntingdon, dessen Informationen mit der «Historia Brittonum», Bedas «Historia Ecclesiastica» und seiner eigenen «Historia Anglorum» abzugleichen. Siehe dazu Wright, Epístola ad Warinum, 1991,90. Heinrich von Hundingdon geht nicht wie Geoffrey auf die Etymologie der Stadt ein; vgl. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Epístola Warino Britoni, Kap. 2, 558. Der Autor scheint hier der «Historia Brittonum» oder einer ihrer Bearbeitungen zu folgen, denn Geoffrey hatte die Stadt auf einen gewissen Trojaner namens Turnus zurückgeführt (siehe S. 77). Diese Sukzessivität bei der Bearbeitung wird erst in der von Greenway 1996 besorgten Neuedition ersichtlich. Vgl. ebd., bes. 25, Anm. 40. In der Ausgabe von Arnold findet sich an der entsprechenden Stelle lediglich der Hinweis auf Nennius, dem die Autorschaft für die «Historia Britto-

117 118 119 120

121

122

100

77.

Metamorphosen eines Mythos

«Geschichte der Engländer» sind die trojanischen Ursprünge aber nicht exklusiv auf die Briten bezogen. In Anlehnung an Bedas «Chronica Maiora» stellte der Autor die Folge der trojanisch-römischen Herrscher von Priamus über Romulus bis zu den römischen Kaisem dar123 und kam innerhalb seiner Erzählung über die Auseinandersetzungen zwischen Heinrich I. und Ludwig VI. um die Grafschaft Flandern auch auf den Herkunftsmythos der Herrscher Frankreichs zu sprechen. Als König Heinrich, so schreibt Heinrich von Huntingdon, nach dem Urspmng und der Herkunft des fränkischen Königreiches gefragt habe, habe ihm einer, der recht gelehrt war, folgendermaßen geantwortet: „Mächtigster aller Könige! Wie die meisten Völker Europas, so haben auch die Franken ihren Urspmng von den Trojanern hergeleitet. Denn nachdem Antenor mit seinen Leuten aus dem untergegangenen Troja geflüchtet war, baute er im Gebiet Pannoniens eine Stadt mit Namen Sicambria. Nach dem Tod Antenors aber übertrugen sie die Führung Torgotos und Franctio, nach dem die Franken benannt sind."124 Es ist ein Bewusstsein gemeinsamer, über Reichsgrenzen hinweg und in die feme Vergangenheit reichender Bande, das hier zum Ausdmck gebracht wird. Robert von Torigny, letzter Redaktor der «Gesta Normannorum Ducum», erwähnte den «Warinus-Brief» dann in seiner zwischen 1147 und 1150 interpolierten und erweiterten Fassung der Chronik Sigeberts von Gembloux.125 Im Prolog zu seinem Werk weist der Autor auf die Auslassungen bei Sigebert hin, hebt hierbei explizit hervor, dass auf die trojanischen Ursprünge der englischen Könige nicht eingegangen worden sei,

lange Zeit zugeschrieben wurde. l,Kap. 9, 13.

num»

Siehe Henrici Historia

Anglorum, ed. Arnold, 1879, Buch

123 Hier besonders der Abschnitt von Priamus bis Romulus: Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Epístola Regi Henrico, Kap. 25-42, 512-516. Heinrichs Periodisierung orientierte sich im Wesentlichen an der traditionellen christlichen Historiographie, die in der Geschichte Gottes Wirken erkannte und suchte. Dazu Gransden, Prologues, 1990, 77f. 124 Regum potentissime, sicut plereque gentes Europe, ita Franci a Troianis duxerunt originem. Antenor namque cum suis profugus ab excidio Troie, in finibus Pannonie ciuitatem Siccambriam nomine edificauit. Verum post mortem Antenoris, constituerunt sui duces super se, Torgotum et Franctionem, a quo Franci sunt appellati. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Buch 7, Kap. 38, 478. Anschließend wird die Herrscherfolge von Markomir über die Merowinger und Karolinger bis zu den Kapetingern Philipp I. und Ludwig VI. beschrieben. Die entsprechenden Angaben basieren auf dem «Liber Historiae Francorum». Wilhelm von Malmesbury stellte die Abfolge der Könige Frankreichs in ähnlicher Weise dar, wies aber einen Rekurs auf den Troja-Mythos zurück: [...] volo de linea regum Francorum, de qua multa fabulatur antiquitas, veritatem subtexere. Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, ed. Mynors/ Thomson/ Winterbottom, Bd. 1, 1998, Buch 1, Kap. 67f, 98 u. 100/Buch 2, Kap. 110, 158-162, das Zitat: ebd., Buch 1, Kap. 67, 98. 125 Vgl. Cronicle of Robert of Torigni, ed. Howlett, 1889, 65-75. Robert von Toringy benutzte wohl die 1146 fertiggestellte vierte Version der «Historia Anglorum» des Heinrich von Huntingdon, die er auch an anderen Stellen vielfach exzerpierte. Es handelt sich dabei wohl nicht um die erste, nach Le Bec gelangte Version der «Gesta Normannorum Ducum». Siehe dazu Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Introduction, LXXIII.

101

4. Variabilität

und stellt deshalb die in dem Brief wiedergegebenen Exzerpte Heinrichs von Huntingdon an den Anfang. Als erster volkssprachlicher Chronist schrieb der Anglonormanne Geffrei Gaimar vermutlich um 1136/37 für Konstanze, Frau des Ralph FitzGilbert in Lincolnshire, eine ,National'-Geschichte.127 Allerdings fanden die Trojaner in dessen «Estoire des Engleis» keine Erwähnung. Im Epilog verwies der Autor jedoch auf eine heute verlorene «Estoire des Bretuns», die einen Troja-Bezug vermuten lässt.128 Weil die «BretonenGeschichte» wohl nur unter Benutzung von Geoffreys «Historia» entstanden sein konnte, nahm Marc-René Jung an, der Troja-Mythos sei dort ausführlich dargestellt gewesen.129 Über diese Vermutungen gelangt man jedoch nicht hinaus. Dass die erhaltene «Estoire des Bretuns» keine nachhaltige Wirkung zeitigen konnte und bald nach ihrem Entstehen in Vergessenheit geriet, ist wahrscheinlich dem Erfolg von Robert Waces «Roman de Brut» zuzuschreiben. Wenige Jahre nach Gaimars «Estoire» und noch zu Lebzeiten Heinrichs von Huntingdon (gest. um 1155) nahm Alfred, ein Kanoniker am Münster von Beverley nahe York, eine weitere Gesamtdarstellung der englischen Geschichte von der Besiedlung Britanniens bis zur Normannenzeit in Vielleicht aufgrund mangelnder Vor-

Angriff.131

[...]

et de regibus Anglorum, de quibus nullam mentionem facit, mefadurum non despero. Quod de Britonum regibus proposueram faceré, si tantummodo infra chronica Sigisberti competenter illos valerem comprehendere. Sed quia Brutus pronepos Aeneae, a quo et ínsula Britannia vocata est, primus ibi regnavit, si vellem omnes reges sibi succedentes ordine congruo poneré, necesse esset mihi non solum per librum Sigisberti, verum etiam per totum corpus chronicorum Jeronimi, et per magnam partem chronographiae Eusebii, eadem nomina spargere. Verum quoniam indecens est scriptis virorum tantae auctoritatis, Eusebii et Jeronimi dico, aliquid extraneum addere, ut satisfaciam curiosis, huic prologo subjiciam unam epistolam Henrici archidiaconi, in qua brevlter enumerat omnes reges Britonum, a Bruto usque ad Cadwallonem, qui fuit ultimus potentum regum Britonum [...]. Cronicle of Robert of Torigni, ed. Howlett, 1889, Prologus, 64. 127 Allgemein zu Autor und Werk: Gaimar, Estoire des Engleis, ed. Bell, 1960, Introduction, IX-XV; Tatlock, Legendary History, 1950, 452-456; Gransden, Historical Writing, 1974, 209-212. Zur Datierung zuletzt Short, Gaimar's Epilogue, 1994, bes. 338, 340. 128 Vgl. Gaimar, Estoire des Engleis, ed. Bell, 1960, 206, w. 6522-6525: Treske ci dit Gaimar de TroieJIl començat la u Jasun/Ala conquere la tuisun./Si Tad define ci endreit. Bell vermutete in diesem Zusammenhang, dass die «Histoire des Engleis» nur fragmentarisch erhalten ist und ursprünglich mit der Argonautenfahrt begann. Da Gaimars Werk nur in Verbindung mit Waces «Roman de Brut» überliefert ist, kann davon ausgegangen werden, dass der erste Teil später unberücksichtigt blieb oder verloren ging. Vgl. ebd., Introduction, XII. Eine literarische Analyse des Epilogs bietet Short, Gaimar's Epilogue, 1994. Der Text des Epilogs ist ebd., 325, nach dem Wortlaut der Edition von Bell abgedruckt. 129 Vgl. Jung, Geffrei Gaimar, 1989. 130 Waces «Brat» ist in allen vier Handschriften der «Estoire» vorangestellt. Ausführlich hierzu Short, Gaimar's Epilogue, 1994, 324; Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 201. 131 Umfangreiche Angaben zu diesem in der Mediävistik wenig beachteten Werk bei Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 205-212. Bisher liegen die «Annalen» nur in einer unzulänglichen und schwer zugänglichen Edition von 1716 vor: Aluredi Beverlacensis Annales, ed. Hearne, 1716.

126

et

102

77.

Metamorphosen eines Mythos

brechen seine «Annalen» im neunten Buch nach den Ereignissen im Jahr 1129 ab.132 In den ersten beiden Büchern beschreibt der Autor ausführlich die Insel Britannia, die Ankunft des Trojaners Brutus und die Zeit unter dem sagenhaften ersten christlichen König Lucius, um dann in chronologischer Reihenfolge fortzufahren mit der Erzählung über die römische Herrschaft auf der Insel (Buch 3), die Einfalle fremder Völker und den Verfall des Christentums (Buch 4), die Heroenzeit und König Artus (Buch 5), die Herrschaftstranslation von den Briten zu den Angelsachsen und die sieben Königreiche bis zur Zeit Eduards des Älteren von Wessex Anfang des 9. Jahrhunderts (Buch 6) sowie der Wikingerzeit (Buch 7). Es folgen die Periode zwischen 926-1066 (Buch 8) und die Anfange der Normannenherrschaft (Buch 9). Alfreds Geschichtsdarstellung bezeugt die rasche Aufnahme der erst wenige Jahre zuvor entstandenen «Historia Anglomm» des Heinrich von Huntingdon und der «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth, die unter anderem durch Angaben aus der «Historia Regum» aus Durham, der «Historia Brittonum» und Bedas «Kirchengeschichte» ergänzt wurden. Anders als Wilhelm von Newburgh schienen Alfred von Beverley keine Zweifel an der Geoffreyschen Vorgeschichtskonzeption Der Autor berichtet soerrötet sei seiner er Unwissenheit und habe sich an der angesichts diesbezüglichen gar, Lektüre erfreut. Die «Annalen» sind überlieferungsgeschichtlich „das erste Werk der lateinischen Geschichtsschreibung [...], das Geoffreys Vorgeschichtserzählungen in eine Gesamtdarstellung der englischen Geschichte zu integrieren versuchte."136 Im Unterschied zu den benutzten Quellen stellte Alfred die englische Geschichte als eine Geschichte mehrerer Reiche dar, in welche das einstige Einheitsreich infolge der Einfalle der Angelsachsen zerfallen sei. Das regnum Britanniae, welches bereits vor dem regnum Romanae bestanden habe, sei nie untergegangen, sondern von den Briten zu den 7 Engländern transferiert worden.1 Eines der ersten Werke, die während der Herrschaftszeit des englischen Königs Heinrich II. entstanden, war der 1155 von Robert Wace vollendete «Brutus-Roman».138

lagen

angebracht.134

Vgl. Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 207. Vgl. ebd., 208f. Quas ego hystoricae fidei derogare non audens, studio brevitatis ista de Britonum hystoria excerpere curavi, ut quae incredibilia a quibusdam viderenturpraemitterem, & tarnen virtud nichil detraherem. Aluredi Beverlacensis Annales, ed. Hearne, 1716, Buch 5, 76 (zitiert nach Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 209, Anm. 354). 135 Fateor tarnen propter antiquitatis reverenciam, quae mihi semper veneracioni fuerat, tarnen propter narrandi urbanitatem, quae mihi minime, junioribus vero memoriter &jocunde tune aderat, inter tales confabulatores saepe erubescebam, quod praefatam hystoriam needum attigeram. Aluredi Beverlacensis Annales, ed. Hearne, 1716, Buch 1, 2 (zitiert nach Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 206, Anm. 327). 136 Vgl. Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 210. 137 Über den ,Reichsgedanken' bei Alfred von Beverley vgl. ebd., 21 lf. 138 Zur Datierung siehe Roman de Brut de Wace, ed. Arnold, Bd. 1, 1938, Introduction, LXXVIII. Allgemein zum Autor und dem «Brutus-Roman» Tatlock, Legendary History, 1950, 466-482; Ro132 133 134

103

4. Variabilität

Er stellt eine altfranzösische Versifikation der britischen Frühgeschichte dar, die sich weitgehend nach Geoffrey von Monmouth richtet, aber inhaltlich bisweilen leicht von ihm abweicht.1 Wie in der «Geschichte der Könige Britanniens» sind die Trojaner wichtiger Bestandteil der Erzählung über die Besiedlungsgeschichte der britischen Insel.140 Waren bereits Geoffreys Schilderungen sehr lebendig und ausführlich, so gelingt es Robert Wace, diesen in seinen Versen eine noch größere Dramatik, mehr Anschaulichkeit und poetische Schönheit zu verleihen.141 Der Autor schildert beispielsweise auf sehr lebendige Weise den Kampf zwischen dem Giganten Goemagog und den kürzlich auf der Insel gelandeten hält sich viel ausführlicher bei den Begebenheiten in Italien während der Herrschaft des Aeneas, Ascanius und Silvius (hier konkret des Silvius Postamus) auf oder stellt die Begriffsmutation von Troia Nova bis London mit einer Klarheit dar, wie man sie bei Geoffrey vermisst.144 Wie wir von Layamon, der zwischen 1190 bis 1215 eine mittelenglische Übersetzung des «Brutus-Romans» anfer-

Trojanern142,

de Brat de Wace, ed. Arnold, Bd. 1, 1938, Introduction, VII-C; Du Méril, Wace, 1859. Das Werk basierte wohl nicht nur auf der sogenannten „Vulgate Version", die der von Griscom und Faral edierten Version entspricht, sondern auch auf der „Variant Version"; dazu Caldwell, Roman de Brut, 1956. 139 Abweichungen gegenüber Geoffreys Werk treten u. a. durch Auslassungen oder aus anderen Quellen übernommene Ergänzungen auf, wobei die König Artus betreffenden Hinzufügungen besonders signifikant sind. Neben der «Historia Regum Britannie» verwendete Wace Passagen aus der Bibel, einigen Heiligenviten, Vergils «Aeneis», der «Historia Romana» des Landolfus Sagax, daneben vielleicht auch aus der «Historia Brittonum», den «Gesta» des Wilhelm von Malmesbury sowie Gaimars «Estoire des Engleis». Bei anderen Ergänzungen handelt es sich möglicherweise um keltische oder andere Sagentraditionen bzw. um eigene Erfindungen. Vgl. Roman de Brat de Wace, ed. Arnold, Bd. 1, 1938, Introduction, LXXIX-LXXXVI. Zum Vergleich des «Roman de Brut» mit Geoffreys «Historia» siehe auch D 'Alessandro, Historia et Brut, 1994. 140 Vgl. Roman de Brut de Wace, ed. Arnold, Bd. 1, 1938, 5-71, w. 1-1260. 141 Vgl. ebd., Introduction, LXXXVIIf; zur Stilistik und Sprache des Wace ebd., LXXXIX-XCI. Als Beispiel für eine gelungene und nahezu wörtliche Übertragung Geoffreys in volkssprachliche Oktosyllabi sei die Passage über die Prophezeiung der Göttin Diana genannt: Ultre France, luinz dedenz mer/Vers Occident, purras trover/Une Me bone e abitable/E a maneir muh delitable./Bone est la terre a cultiverJGaiant i soelent abiter./Albion ad non, cele avrasJUne Trole nove i feras./ De tei vendra reial llgniede/Kipar le mund iert esalciede. Ebd., 40, w. 681-690. 142 Vgl. ebd., 61-66, w. 1085-1168. 143 Vgl. ebd., 5-11, w. 9-116. 144 Pur ses anceisors remembrer/La fist Troie Nove apelerJPuis ala li nuns corumpant./Si Tápela l'om TrinovanfJMais qui le non guarde, si trove/Que Trinovant est Troie NoveJQue bien pert par corruptiun/Faite la compositiun./Por Lud, un rei ki mult l'ama/E longement i conversa,/Fu puis numee Kaerlu./Puts unt cest nun Lud corumpu/Si dtstrent pur Lud LodoïnJPur Lodoïn a la parfin/Londenë en engleis dist l'um/E nus or Lundres Tapelum. Ebd., 69f, w. 1223-1238. Geoffrey dagegen hatte erst an späterer Stelle innerhalb seines Werks die Erklärung nachgeschoben, wie es zur zeitgenössischen Bezeichnung London gekommen sei. Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 22, 14f. u. Kap. 53, 34. Eingehend hierzu S. 79f. u. 173f. man

104

77.

Metamorphosen eines Mythos

tigte, erfahren, war das Werk für Eleonore von Aquitanien bestimmt. Ob es in königlichem Auftrag entstanden war, muss offen bleiben146, allerdings ist es wahrscheinlich, dass der Autor zu den ,Hofliteraten' der Plantagenêt gehörte.147 Holden bezeichnete den «Roman de Bmt» als „une immense œuvre de propagande en faveur des Plantagenêts", als „un appui et une justification sur le plan historique" und als „une démonstration irrécusable de la continuité du pouvoir légitime depuis Brutus jusqu'à Henri II."148 Stefano Maria Cingolani zufolge wirkten Literaten jedoch nur bedingt als Propagandisten' königlicher Politik, denn am Hof Heinrichs II. Plantagenêt habe es weder einen Künstlerzirkel mit deutlich politischem Auftrag gegeben, noch habe die Literatur propagandistische Funktionen besessen. Das Ende von Robert Waces Karriere markiert der 1160 begonnene «Roman de Rou», denn infolge des Entzugs königlicher Fördemng blieb der «Brutus-Roman» heterogen und unvollendet.150 Ob dieser Wandel mit den Geschicken Eleonores von Aquita145

Vgl. Layamons Brut, ed. Madden, 1967 (1847), 3, w. 3-8. Edition mit englischer Übersetzung: Layamon, Brut, ed. u. transi. Barron/Weinberg, 1995, Incipit Hystoria Brutonum, 2, w. 19-23

bzw. Proem, 3. Siehe auch Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, 16. 146 Vgl. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, 16. 147 Siehe die Ausführungen von Holden ebd., Introduction, 15-17; kritisch dazu Cingolani, Filología e miti storiografici, 1991, 825Í Allgemein zur Biographie vgl. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, 15-17; Roman de Brut de Wace, ed. Arnold, Bd. 1, 1938, Introduction, LXXIV-LXXIX; Paris, Aimeri de Narbonne, 1880, bes. 526f.; Du Méril, Wace, 1859, 33; Poètes françois depuis le Xlle siècle, 1824, hier 88. 148 Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, 16. 149 Vgl. Cingolani, Filología e miti storiografici, 1991, bes. 821. 150 Vgl. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, 16. Der «Roman de Rou» ist in der heutigen Form wahrscheinlich in mehreren Phasen verfasst worden. Folgt man dem ersten Vers des Prologs, wurde das Werk 1160 begonnen, während der dritte und umfangreichste Teil wohl in der Zeit zwischen 1170 und 1174 entstanden ist. In das Jahr 1174 fällt auch die letzte urkundliche Erwähnung des Autors. Die genauen Gründe für die lange Unterbrechung während der Komposition des Werks sind nicht bekannt. Die heute überlieferte Version des Prologs in Form der sogenannten „Chronique Ascendante" stellt nach Holden eine spätere, durch Interpolationen versehene Umarbeitung dar und datiert in die Zeit nach der Fertigstellung der Teile 2 und 3. Da im Hauptteil (=Teil 3) von dem ältesten Sohn König Heinrichs II. als „drittem Heinrich" gesprochen wird, ist anzunehmen, dass dieser nach der Krönung Heinrichs (III.) des Jüngeren 1170 begonnen wurde. Wie der Appendix in diesen Zusammenhang einzuordnen ist, bleibt jedoch unklar, da sich Holden über diesen Teil des «Roman de Rou» kaum äußert. Angaben zur Datierung: Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 1, 1970, Teil 1, 3, w.1-7; Teil 3, 168, v. 179; Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, bes. 13, 18. Aufgrund der Überlieferungssituation ist schwer bestimmbar, welche Passagen zur ursprünglichen Version von Wace gehörten und wann Interpolationen hinzukamen. Umstritten sind vor allem die Reihenfolge der einzelnen Abschnitte und deren Datierung sowie die Authentizität der ersten Teile des Romans (siehe Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, 9-14). Zum Quellenwert für die Geschichte der Normannischen Eroberung Englands Bennett, Roman de Rou as a Source, 1983. Seit Kurzem liegt der «Rollo-Roman» in englischer Übersetzung vor: History of the Norman People, transi. Burgess, 2004.

4. Variabilität

105

Zusammenhang zu bringen ist, lässt sich nicht eindeutig klären.151 Dem Autor ging es im «Rollo-Roman» nach eigener Aussage darum, die Taten des ersten Normannenherzogs Rollo und der Normannen insgesamt darzustellen.152 Bietet der erste Teil eine Art Zusammenfassung des gesamten Werks in umgekehrter Reihenfolge des eigentlichen Gedichtes, so widmet sich der zweite Teil der Gründung des Herzogtums der Normandie durch Rollo und der Geschichte seiner ersten Herzöge bis zum Vertrag von Jeufosse im Jahr 965. Die Erzählung fährt im dritten Teil fort bis zur Schlacht von Tinchebray 1106, mit der das Werk abbricht153, und wird ergänzt durch eine umfangreiche Schilderung der Karriere des skandinavischen Piraten Hasting.154 Im Gegensatz zum «Roman de Brat» spielt die trojanische Vergangenheit der Briten im «Roman de Rou» eine nebensächliche Rolle. Eingebettet in die Erzählung über Hasting und die Zerstörungen beim Einfall der Wikinger in Frankreich kommt Wace erst spät in seiner Darstellung auf die britische Vorgeschichte zu sprechen. Er erwähnt, dass London einst Troia Nova geheißen habe155, widmet aber Brutus und den Trojanern keiStattdessen leitet er, ausgehend von der englischen Redensart „Nach Nornen Vers. den gehen wir, aus dem Norden kommen wir,/im Norden wurden wir geboren, im Norden bleiben wir"157, zur Etymologie der Nor-Mannen („Männer aus dem Norden") und der Normandie über.158 Diese und andere Ausführungen des Autors begegnen in nahezu wörtlicher Form ein weiteres Mal im Appendix der Edition. In diesem wird darüber hinaus und zwar nur hier auf die Wanderungen und Siedlungen der Trojaner eingegangen. Man erfahrt, nach Trojas Zerstörung habe sich ein Teil der Flüchtlinge in Dänemark niedergelassen und sich nach Danas, der lange Zeit ihr König gewesen sei, Dänien in

-

151

Vgl.

-

Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973,

littéraire, 1954,26.

Introduction, 17, Anm. 1; Lejeune, Rôle

152 La geste voit de Rou et dez Normanz conter,/lors faiz et lor proësce doije bien recorder. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 1, 1970, Teil 1, 4, w. 43 f. 153 Vgl. ebd., Bd. 3, 1973, Introduction, 17. 154 Dieser 751 Octosyllabi umfassende Appendix bildete in der Edition von Andresen den ersten Teil (siehe Wace's Roman, ed. Andresen, Bd. 1, 1877, 11-36) entsprechend der Reihenfolge in den überlieferten Manuskripten. Dagegen setzte Holden aus inhaltlichen Gesichtspunkten die sogenannte „Chronique Ascendante des Ducs de Normandie" als Prolog an den Anfang (vgl. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 3, 1973, Introduction, 10) und edierte den vormals ersten Teil als Appendix am Ende des gesamten Roman de Rou (vgl. ebd., 10-13). 155 Engleterre Bretainne out nun/e primes out nun Albiunje Lundres out nun Trinovant/e Troie Nove out nun avant. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 1, 1970, Teil 3, 161, w. 15-18. 156 Gleiches gilt für Teil 1 und Teil 2. 157 Engleis dient en lur languageja la guise de lur usage:/, En north alum, de north venum,/north fumes nez, en north manum. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 1, 1970, Teil 3, 163, w. 53-56. 158 Siehe ebd., Teil 3, 163f., w. 47-80. 159 Den ersten 142 Versen im dritten Teil entsprechen die 144 Verse, mit denen der Appendix beginnt. Vgl. ebd., Teil 3, 161-166, w. 1-142 u. ebd., Bd. 2, Appendice, 309-313, w. 1-144. '

106

77.

Metamorphosen eines Mythos

(Danoiz) genannt, um damit an ihre Herkunft zu erinnern.16 Ähnlich wie Dudo von St. Quentin bzw. die «Gesta Normannorum Ducum»161 berichtet Wace von den unterschiedlichen Bezeichnungen der Dänen als Dani und Daci sowie ihrem Urspmng auf der Insel Scanza, von der auch andere Barbarenvölker wie die Skythen, Goten, Alanen, Türken oder Sarmaten stammten. Sein «Roman de Rou» blieb allerdings rezeptionsgeschichtlich ohne nennenswerten Einfluss. An Waces Stelle genoss fortan Benoît de Sainte-Maure, ein aus der Gegend von Tours stammender Kleriker, die Gunst Heinrichs II.164 In der «Chronique des ducs de Normandie», die der englische König bei ihm anscheinend parallel zu Waces «RolloRoman» in Auftrag gegeben hatte165, werden ein weiteres Mal die Ursprünge der anglonormannischen Herrschaft thematisiert, nun aber explizit in eine universal- bzw. heilsgeschichtliche Perspektive eingeordnet. Nur wenige Worte streifen hier die trojanische

nen

-

-

Abkunft der Daker-Dänen, wobei ähnlich wie im «Roman de Rou» des Robert Wace Brutus gar nicht genannt, die Bezeichnung „Nordmänner" aber umfangreich erklärt wird.166 Erwähnt ist in dieser Passage dagegen eine andere Herkunftsversion, nach der die nach Dänemark ausgewanderten Goten Nachfahren des Kriegsgottes Mars gewesen

seien.167

Wie Waces «Roman de Rou» blieb auch Benoîts «Normannen-Chronik» unvollendet. Sie wurde wohl ab 1170, also wenige Jahre nach dem «Troja-Roman», begonnen.169 Ebenso wie dieser gehörte auch jener zur höfischen Literatur und zeigte roman160 Une genz de Troie

eschapperentjqui en Danemarche assenèrent./Por Danas, un ancesseor/qu'il lognes seignor,/'sefirent Danoiz apelerjpor lor lignage remembrer. Ebd., Bd. 2, 1971, Appendice, 314, w. 165-170. orent

161 Hierzu ausführlich oben S. 96-98. 162 Vgl. Roman de Rou de Wace, ed. Holden, Bd. 2, 1971, Appendice, 314f, w. 171-196. 163 Der Hauptteil (d. h. der 11440 Octosyllabi umfassende Teil 3) ist in drei Handschriften aus dem 13. und 14. Jahrhundert (A-C) sowie in einer im 17. Jahrhundert angefertigten Kopie von einem heute nicht mehr erhaltenen Textzeugen aus dem 13. Jahrhundert (D) überliefert, während der Prolog (bzw. die „Chronique Ascendante"), der Teil 2 und der Appendix nur in der Abschrift D enthalten sind. Vgl. ebd., Bd. 3, 1973, Introduction, 9f. (Beschreibung und Klassifikation der Ma-

nuskripte ebd., 19-34, 73).

164 Zum Verfasser vgl. Roman de Troie par Benoît, ed. Constans, Bd. 6, 1912, Introduction III, bes. 165-167; Roman de Troie par Benoît, trad. Baumgartner, 1987, Repères, 25f 165 Vgl. Beckmann, Trojaroman und Normannenchronik, 1965, 70. 166 Siehe Chronique par Benoît, ed. Fahlin, Bd. 1, 1951, 19f, w. 645-676. Wace benutzte in seiner normannischen «Chronik» ausgiebig Dudo von St. Quentin und Wilhelm von Jumièges, daneben wohl auch Wace. Dazu ausführlich Andresen, Benoît Quellen, 1883. 167 Vgl. Chronique par Benoît, ed. Fahlin, Bd. 1, 1951, 15, w. 477-488. 168 Die «Chronique» bricht nach ca. 44.000 Versen bei den Ereignissen um 1135 ab. Vgl. Gnädiger, Benoît, 1980, 1919. 169 Vgl. ebd., 1919; abweichend Beckmann, Trojaroman und Normannenchronik, 1965, 70 (zwischen 1173 und 1189). Zur Datierung des «Troja-Romans» siehe S. 134, Anm. 322. Grundlegend zur Identität des Autors der «Chronique des ducs de Normandie» und des «Roman de Troie» Beckmann, Trojaroman und Normannenchronik, 1965.

107

4. Variabilität

hafte Züge.170 Dass Benoît ein „mittelalterlicher wurde, ist indessen Dessen Handlung beginnt bei vor allem auf den «Roman de Troie» zurückzuführen. der ersten Zerstörung Trojas und endet mit dem Untergang der Stadt nach ihrer zweiten Zerstörung. Was mit den überlebenden Trojanern geschah, wird nur marginal thematisiert: Vier Verse sind der Flucht des Aeneas in die Lombardei gewidmet.173 Dennoch streift Benoît immer wieder den Gedanken der Herkunft und Abstammung174, dabei allerdings nur in einer Passage mit indirektem Bezug auf die Franzosen.175 Auf die Idee trojanischer Herkunft rekurrierte ferner Joseph Iscanus (Joseph von Exeter), aber dieses Mal nicht innerhalb eines Romans oder einer Chronik, sondern in einem Kreuzzugsgedicht. Wie der bedeutende Schriftsteller Giraldus Cambrensis (Girart/Giraud de Barri) überliefert, sollte Joseph im Auftrag seines Onkels Erzbischof Balduin von Canterbury ein Epos über den sogenannten dritten Kreuzzug (1189/90) schreiben und zu diesem Zweck den Erzbischof nach Palästina begleiten. Ob dieser Auftrag ausgeführt wurde, ist unklar, denn wenige Wochen nach der Ankunft in Palästina starb Balduin. Ein überliefertes Fragment der «Antiocheis» lässt zumindest vermuten, dass Joseph Iscanus einen Bericht über den Kreuzzug gegen Saladin tatsächlich in Angriff genommen hatte.177 Die erhaltenen und wohl einst zum Proömium gehörigen Verse

Erfolgsautor"171

170 Einschlägig hierzu Eley, History and Romance, 1999. 171 Trojaroman des Benoît, ed. Reichenberger, 1963, Vorwort, VI. 172 Das spiegelt sich sowohl in der Handschriften-Überlieferung als auch in den zahlreichen Prosabearbeitungen und Übersetzungen wider. 173 E Eneas s 'en fu alezJEnsi com vos oï avezJPar mainte mer o sa navieJTant qu 'il remest en Lombardie. Roman de Troie par Benoît, ed. Constans, Bd. 4, 1908, 277f, w. 28253-28256. 174 Siehe unter anderem den Gebrauch der Begriffe ancessor und lignage, ligniee; vgl. ebd., Bd. 1, 1904, 1, v. 6; 23, v. 426; 163, v. 3214; 256, v. 4974; 303, v. 5735; 432, v. 7992/Bd. 2, 1906, 77, v. 9659; 151, v. 10989; 369, v. 14538/Bd. 3, 1907, 25, v. 15341; 136, v. 17384; 173, v. 18053; 205, v. 18618; 226, v. 19023; 243, v. 19360; 376, v. 21898; 405, v. 22456/Bd. 4, 1908, 76, v. 24523; 103f, w. 25028-25033; 218, v. 27134; 226, v. 27292; 360, v. 29797. Daneben erscheint Antenor als einer der Vorfahren des Hauses Oenidus; vgl. ebd., Bd. 4, 1908, 238, w. 2750927525. 175 O le fil Hector ot amor:/Rien o autre n'ot one greignor./Sacheiz de veir bien resemblerent/La franche orine dont il erent./Des bons peres, des ancessors. Ebd., Bd. 4, 1908, 359, w. 2978129785. 176 Allgemein zu Biographie und Autor vgl. Joseph Iscanus, Werke, ed. Gompfi 1970, 61-67; Raby, Secular Latin Poetry, Bd. 2,21957 (1934), 132-137, zur «Antiocheis» 132f; Joseph Iscanus, Werke, ed. Gompfi 1970, 61 f. 177 Das Werk oder Teile von ihm sind nicht eigenständig überliefert. Der Titel «Antiocheis» und der Verfasser Joseph Iscanus werden Mitte des 16. Jahrhunderts in Lelands «Assertio Inclytissimi Arturii» und «Commentarii In Cygneam Cantionem» genannt, während in den «Commentarii De Scriptoribus Britannicis» und den «Collectanea» desselben Autors auch die Herkunft des Manuskripts angegeben und mit «Bellum Antiochenum» bzw. «De Bello Antiocheno» betitelt wird. Gompf vermutete aufgrund der sprachlichen Übereinstimmungen mit dem Troja-Gedicht des Joseph Iscanus, dass der bei Leland überlieferte Passus das Proöm des Kreuzzugsgedichtes darstell-

108

77.

Metamorphosen eines Mythos

preisen die Herrscher Britanniens17 und rühmen in Anlehnung an die Version bei Geoffrey von Monmouth deren trojanische Wurzeln.179 In besonderer Weise wird Artus hervorgehoben, während die Insel Britannia, die ihren Namen von dem Trojaner Brutus herleite, als Dreh- und Angelpunkt des Weltgeschehens erscheint: „Von hier aus bekam Konstantin das Imperium, hielt dann Rom [unter seiner Herrschaft] und ließ Byzanz wachsen. Von hier aus bezwang der Gallierführer Brennius bei der Erobemng der Urbs die Festungen des Romulus durch siegreiche Flammen. [...] Von hier aus erwuchs durch glorreiches Schicksal und glücklichen Urspmng Artus, [der] die Blüte der Könige [war], weil seine Taten Staunen erregten und nicht weniger glänzten als Gold eine Freude und ein Honigkuchen, während das Volk applaudiert. Wirf einen Blick auf das, was früher da war: Das Gerücht erwähnt einen in Fell gehüllten Tyrannen; eine berühmte Seite spricht von Caesars Triumphen; Ruhm kam dem Herkules wegen der gezähmten Bestien zu. Diese sind jedoch mit jenen [Taten des Artus] genausowenig zu verglei-

chen wie ein Pinienhain mit einem Haselstrauch oder die Gestirne mit der Sonne. Schlag die lateinischen und griechischen Annalen auf: Kein vergangener Tag weiß von Derartigem; kein späterer, noch kommender Tag weiß Gleichartiges. Er allein überragt alle Könige, besser und größer [ist er] als [alle] früheren und Den zweiten Teil der Legende, dem zufolge König Artus nach seinem Verschwinden auf der legendären Insel Avalon eines Tages wiederkehren würde, bedachte Joseph Iscanus an anderer Stelle, in seiner «Frigii Daretis Ylias», mit beißendem Spott. Inmitten der Erzählung über den Raub der Helena stolpert der Leser dort plötzlich über folgenden Kommentar: „[Und] so wartet die lächerliche Gutgläubigkeit und der leichtgläubige Irrtum der Briten auf Artus und wird auch noch ewig auf ihn warten."181 Ein und derselbe Autor

künftigen."180

-

te. Es ist

jedoch umstritten, ob die «Antiocheis» mit dem bei Giraldus Cambrensis genannten Kreuzzugsgedicht identisch ist. Hierzu Joseph Iscanus, Werke, ed. Gompf, 1970, bes. 62f, 65f 178 Nach einer Hypothese des Herausgebers Gompf kann davon ausgegangen werden, dass Joseph Iscanus im Proöm auch Richard Löwenherz' Anteil am Kreuzzug hervorgehoben hat, weil sich ein solcher Passus gut an die erhaltenen Verse über die Preisung der großen Fürsten Britanniens anschließen würde. Vgl. ebd., 63. 179 [...] His Brutus, avito/Sanguine Troianus, Latiis egressus ab oris/Post varios casus consedit finibus, orbem/Fatalem nadus, debellatorque gigantum/Et terre victor nomen dedit. Ínclita fulsit/Posteritas ducibus tantis, tot dives alumpnisJTot fecunda viris, premerent qui viribus orbem/Etfama veteres. [...]. Joseph Iscanus, Antiocheis, ed. Gompf, 1970, 212, w. 1-8. 180 [...] Hinc Constantinus adeptus/Imperium Romam tenuit, Byzantion auxit./Hinc Senonum ductor captiva Brennius urbe/Romuleas domuitfiammis vidricibus arces./ f.. J /Hinc celebri fato felici floruit ortu/Flos regum Arturus; cuius cumfada stupori./Non micuere minus, totus quod in aure, voluptas/Et populo plaudente favus. Quecumque priorum/Inspice: Pelleum commendat fama tirannum,/Pagina Cesáreos loquitur famosa triumphosJAlciden domitis attollit gloria monstris/Sed nee pinetum corili nee sidera solem/Equant. Annales Latios Graiosque revolve:/Frisca parem nescit, equalem postera nullum/Exhibitura dies. Reges supereminet omnes/Solus, preteritis melior maiorque futuris. Joseph ebd., 212, w. 8-26. 181 Sie Britonum ridenda fides et credulus error/Arturum exspedat exspedabitque perenne. Joseph Iscanus, Frigii Daretis Yliados, ed. Gompf, 1970, Buch 3, 137, w. 472f. Zur Überlieferung und

4. Variabilität

109

konnte sich demnach in unterschiedlichen Kontexten ganz verschieden mit der Trojaund der damit in Verbindung stehenden Artus-Thematik auseinandersetzen, je nachdem, für wen die Zeilen bestimmt waren. Ebenfalls beeinflusst von Geoffreys Erzählungen, schreibt Stephan von Rouen nach dem Tod der Kaiserin Mathilde um 1170 den «Draco Normannicus».182 Er stellt ein Loblied auf die Taten der Normannenherrscher dar, in dem die Figur König Artus' im Mittelpunkt steht.183 Mit der Herkunftsproblematik setzt sich der Autor an mehreren Stellen auseinander, doch bemerkenswerterweise gibt er nur bei den Franci trojanische Wurzeln an und beschreibt die Normannen als „aus dem Norden kommend". Dass sich Adel und Durchsetzungsfähigkeit nicht an dem Kriterium trojanischer Herkunft bemeser in einem Streitgespräch zwischen einem Francus und einem sen184, veranschaulicht 5 Auf den Vorwurf des Franken hin, dass alle Behauptungen einer VorNormannus. rangstellung der Normannen weder Hand noch Fuß hätten, entgegnet der Normanne scharf: „Dieser Flüchtling da aus Troja, vor dem sogar Helena selbst floh, soll ihm doch, ha!, sein Geschlecht und dessen Tapferkeit mehr wert sein!"186 Über die Zweckbestimmung des «Draco Normannicus» ist wenig bekannt. Er scheint kaum oder gar nicht gelesen worden zu sein.187 Die große Variationsbreite bei der Bezugnahme auf den Gedanken trojanischer Abstammung in der Großregion England zeigt deutlicher als in Frankreich, dass die Adaption bestimmter Erzählversionen im Ermessensspielraum des jeweiligen Verfassers lag. Wichtig bleibt hierbei festzustellen, dass es bei ein und demelben Autor von Werk zu Werk signifikante Abweichungen geben konnte, die auf ein unterschiedliches Publikum schließen lassen. Eine verbindliche Version, auf die ein Autor in England zurückzugreifen hatte, existierte nicht.

der «Ylias» vgl. Joseph Iscanus, Werke, ed. Gompfi 1970, 5-67. Die maßgebliche kritische Edition: Joseph Iscanus, Frigii Daretis Yliados, ed. Gompfi 1970. Eine Textausgabe ohne kritischen Anmerkungsapparat, aber mit Kommentar und englischer Übersetzung bei Joseph of Exeter, Trojan War, ed. Bate, 1986. Edition: Stephani Draco Normannicus, ed. Howlett, 1885. Große Aufmerksamkeit zog in der Forschung der vom Autor fingierte Briefwechsel zwischen Artus und König Heinrich II. auf sich, weil dieser in besonderer Weise die politische Aussage des «Draco Normannicus» zum Ausdruck bringt. Hierzu Day, Letter from King Arthur, 1985. Dagegen Shopkow. History and Community, 1997, 112. Vgl. Stephani Draco Normannicus, ed. Howlett, 1885, Buch 2, Kap. 16, Altercatio inter Normannum et Francum pro Andeleio burgo Rothomagensis archiepiscopi a toto Francorum exercitu combusto, et Calmonte nobili Francorum castello, muris et aqua cincto. uno Normannorum et

Werkgenese

182 183

184 185

regis Ímpetu destrudo, 690-695, w. 831-940. 186 Francus: Quidquid praetendat Normannus, quidquid anheletJAt Francis minor est nobilitate, manu./Normannus: Exul Is a Troja quern Tyndaris [i. e. Helena] ipsa fugavit./Praeferet ha! Danis et genus atque manum. Ebd., Buch 2, Kap. 16, 693, w. 891-894. 187 Vgl. Shopkow, History and Community, 1997, 239.

110

77.

Metamorphosen eines Mythos

4.2.1.3 Italien

Überlieferungsspektrum

In der Großregion Italien ist das ebenfalls recht breit gefächert. Unter den Autoren, die man als italienisch bezeichnen kann zieht sich das Motiv ei,

trojanischen Abstammung

offenbar nur bei Gottfried von Viterbo als roter Faden durch die Geschichtsdarstellungen. Diesen Autor kann man zwar mit Einschränkung zu den italienischen zählen189, seine Sichtweise ist aber insofern eine externe, als sie maßgeblich von den jahrelangen Erfahrungen unmittelbaren Kontaktes mit dem staufischen Herrscherhof beeinflusst war. Darüber hinaus steht ein wichtiger Teil des Gottfriedschen Gedankenguts den Schriften Ottos von Freising sehr nahe.190 Im «Speculum Regum» von 1183 wandte sich der Autor an den künftigen Kaiser Heinrich VI., um ihn in seinen Versen über die Herkunft des Königsgeschlechts, das Wesen der Herrschaft und die trojanischen Zeiten zu unterrichten. Zentrale Figur und Vorbild ist Karl der Große, als dessen „Blutes und Verdienstes Spross" Heinrich bezeichnet wird, der „wie eine Blüte aus der Blüte" emporwachsen werde zu höchstem Weltruhm.191 Seinem Anliegen die Köentsprechend, beschrieb der Autor in dieser lehrhaften der Sintflut bis von Karl dem Großen. ersten Wird im zu Buch von nigsherrschaften Nimrod ausgehend ein weiter Bogen über Saturn und Jupiter hin zu Aeneas und dessen Nachfahren, den Latinerkönigen, geschlagen, so werden dann im zweiten Buch sowohl die deutschen als auch die fränkischen Könige auf römisch-trojanische Ursprünge zurückgeführt. In der Person Karls des Großen seien schließlich beide dynastischen Stränge verschmolzen.193 Die im «Speculum Regum» greifbare gedankliche Fortführung der ner

Geschichtsdichtong192

188 Unter italienischen Autoren werden hier alle Autoren zusammengefasst, die in der Großregion Italien lebten und schrieben. In diese Kategorisierung werden auch Grenzfalle einbezogen, und zwar insofern, als auch Autoren Berücksichtigung finden, für die nur ein zeitweiliges Literaturschaffen im Untersuchungsgebiet nachgewiesen werden kann. 189 Die Werke Gottfrieds von Viterbo werden im Allgemeinen zu den deutschen Geschichtsquellen gezählt (siehe Wattenbach/Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1, 1976, 77-92). Ihre Einbeziehung in die vorliegende Untersuchung geschieht vor dem Hintergrund, dass Gottfried wohl gebürtiger Viterbese war und seinen Lebensabend auf dem Allodialbesitz der Familie in Viterbo verbrachte, wo er einen Großteil seiner Schriften verfasste. Vgl. ebd., 77, Anm. 76, 78f. 190 Vgl. Langosch, Gottfried von Viterbo, 1981, hier 173f, 178. 191 Principium regum, quo descendisse viderisJEt genus imperii Troianaque témpora queris:/Hec si metra geris, certiorandus eris. sowie Karulus in medio summo honore tonat./Karulus in reliquis meruit premaior haberiJSanguinis et meriti cuius tu planta videris.VTu sua sceptra geris, tu quoque summus eris./En Iovis et Troie monstratur in ordine proles,/Que tibi tarn veteres, Heinrice, désignât honores,/Ut flos ex flore summus in orbe fores./Linea Troiana patet hic satis et Ioviana./Regnaque Troiana satis hoc sunt carmine clara./Climata nunc Latia fistula nostra canat. Gotifredi Viterbiensis Speculum regum, ed. Waitz, 1872, 31, w. 25-27 u. 48, w. 417-426. 192 Ob Gottfried von Viterbo Lehrer und Erzieher Heinrichs VI. war, ist umstritten. Vom Anspruch her aber lässt sich das «Speculum Regum» in die Tradition der Fürstenspiegel literatur einorden. Zuletzt Dorninger, Gottfried von Viterbo, 1997, 62, v. a. Anm. 10. 193 Gens Troiana sibi Germánica nomina querit/ [...] /Nam quos Troia suos olim retinebat alumpnos./Hos dominos fortuna facit per sécula summosJEt quasi consocios Roma tenebit eos./Roma-

4. Variabilität

111

Herrschaftsfolge von Jupiter über die Trojaner und die Karolinger in direkter Linie hin zu den Staufern194 begegnet später in elaborierterer Form im «Pantheon». Diese 1190 vollendete Aus- und Umarbeitung des wenige Jahre zuvor entstandenen «Liber Universalis»195 berichtet in universalgeschichtlicher Perspektive von der Sintflut bis zu Heinrich VI. und entwirft wenn auch nicht in allen Einzelheiten stringent eine umfassende, bis auf die biblische Völkertafel zurückgehende Genealogie der Staufer.196 Als Erklärangsgrandlage für die Weitergabe der Herrschaft gelten hier weniger die traditionellen, universalhistorischen Konzepte wie die Weltreichslehre oder die translatio imperii, sondern vielmehr die Vorstellung von einem einzigen Kaisergeschlecht, welches seit dem Beginn der Weltordnung die gesamte Geschichte gelenkt habe.197 Dadurch wurde -

-

das staufische Kaisertum durch Jahrhunderte alte blutsverwandtschaftliche Bande erbrechtlich Daneben bietet Gottfried von Viterbo eine bissige Parodie des britischen Mythos, allerdings ohne direkten Troja-Bezug, und fällt damit aus dem Rahmen der ,positiven' Rezeption Geoffreys von Monmouth in der lateinischen HistorioGottfried von Viterbo ist im Untersuchungszeitraum in Italien der einzige

begründet.198

graphie.199

Troianum natura fatetur,/Germanus patriota suus fraterque videtur,/Troia suis populis utrique fuit./[..J Pace simul coeunt, publica iura petunt. Gotifredi Viterbiensis Speculum regum, ed. Waitz, 1872, 63f., w. 762-779. In leicht veränderter Version auch im «Pantheon»: Gotifredi Viterbiensis Pantheon, ed. Waitz, 1872, Part. XVI, Kap. 23, 144, w. 40-48. Im «Speculum Regum» explizit durch den als Inhaltsverzeichnis gedachten Kaiserkatalog am Anfang des Werks (Vgl. Gotifredi Viterbiensis Speculum regum, ed. Waitz, 1872, 22.25-24.54) und num

fore

mater

194

die

Bezeichnung Heinrichs VI.

ebd., Anm. 30).

als

Spross des Karolingers Karl (sanguinis et meriti cuius planta;

195 Wie der «Liber Universalis» basierten wahrscheinlich auch die «Memoria Seculoram» und das «Pantheon» auf dem «Speculum Regum». Zusammenfassend Baaken, Gottfried von Viterbo, 1989, 1608. Zur Genese der Werke grundlegend: Schulz, Entstehungsgeschichte, 1926. Gegen Schulz stellte Schmale die These auf, dass das «Speculum» kein abgeschlossenes Werk darstellte, sondern nur eine Werkstufe; vgl. Wattenbach/Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1,

1976,81.

196 197 198

Vgl. Gotifredi Viterbiensis Pantheon, ed. Waitz, 1872, bes. Part. XIV, Kap. 18 u. 21, 139f; Part. XVI, Kap. 23, 144; Part. XXII, Kap. 48, 206f; Part. XXXII, Kap. 4 u. 9, 301f. Vgl. Engels, Stauferstudien, 1996, 273; Wattenbach/Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1, 1976, 80f Bei der Weitergabe der Herrschaft sei, wie Odilo Engels es formulierte, „genealogische Vererbung" ein „grundlegendes Raster für das Geschichtsbild Gottfrieds" gewesen. Vgl. Engels, Stau-

ferstudien, 1996, 273f. 199 Gottfrieds Invektive zielt in die Richtung, dass Englands Könige nicht einer gemeinsamen Linie entstammten und es wegen der wechselnden Dynastien kaum zu etwas gebracht hätten: Anglorum reges aliquando Britones, aliquando Saxones, altquando Romani fuisse leguntur, quorum gentes licet virtute, pulcritudine et sapientia clareant, propter varietates eorum regum et temporum gesta eorum principaba non tenemus, quamvis a diebus Merlini prophète Anglorum multa de ipsis scripta in Anglia reperiantur. Gotifredi Viterbiensis Memoria Seculoram, ed. Waitz, 1872, 102.25-28. Siehe auch Brugger-Hackett, Merlin, 1991, 83. Der Hinweis auf die «Prophezeiungen

112

77.

Metamorphosen eines Mythos

Autor, der eine auf trojanischer Abstammung beruhende Herrschergenealogie entwirft, die sich mit den fränkisch-französischen und britisch-anglonormannischen Herkunftsversionen vergleichen ließe und die sogar noch schlüssiger als jene durchkonstruiert

ist.200

Obwohl Sicard von Cremona Gottfrieds «Pantheon» wahrscheinlich kannte war ihm nicht daran gelegen, von den Trojanern über die (ost)römischen Kaiser eine ununterbrochene Herrscherfolge bis in die Gegenwart aufzuzeigen. Vielmehr bemhen die in der Cremonenser Chronik genannte Vielzahl an oberitalienischen Städten trojanischen Urspmngs und die Etymologie der Veneter auf Angaben in der venezianisch geprägten Geschichtskompilation «Origo Civitatum Italie Seu Venetiarum»202, die an einer Stelle entscheidend von Sicards Version abweicht. Die Textgenese der verschiedenen überlieferten «Origo»-Versionen ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass viele Bestandteile in das 11./12. Jahrhundert datieren.204 ,

200

201

202

203 204

Merlins» legt hier eine zumindest oberflächliche Kenntnis der Werke Geoffreys von Monmouth nahe. Die trojanische Abstammung ist bei Gottfried von Viterbo ein zentrales Argument, auf das er häufig in seinen Werken zu sprechen kommt. Blutsverwandtschaftliche Bindungen werden hier bei der Rekonstruktion der Herrscherfolgen stark hervorgehoben. Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De Crónica Sicardi, 61; Holder-Egger, Quellenkritik, 1901, 474. Brocchieri vermutete ferner eine persönliche Bekanntschaft Gottfrieds mit Sicard; vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 90. Vgl. Origo civitatum, ed. Cessi, 1933. Für die Zitation wurde hier die Edition von Cessi verwendet. Der Herausgeber wies mit Recht darauf hin, dass Simonsfeld (Chronicon Venetum, ed. Simonsfeld, 1883), indem er vor allem die Lesart des Cod. Vat. lat. 5273 grundlegend machte, die sprachlich am wenigsten korrekte Version abdruckte. Vgl. Origo civitatum, ed. Cessi, 1933, Prefazione, XV. Anstelle von Cremona steht in der «Origo Civitatum» Cormona (heute Cormôns). Ausführlich hierzu S. 151. Die Überlieferungslage gestaltet sich bei dieser Kompilation schwierig. Cessi gab 1933 eine Edition heraus, in welcher er nicht, wie Simonsfeld, das sogenannte «Chronicon Altinate» separat abdruckte, sondern dieses als Teil einer umfassenderen Kompilation betrachtete, die auch das sogenannte «Chronicon Grádense» umfasst habe. Unter dem Titel «Origo Civitatum Italie Seu Venetiarum» druckte der Herausgeber drei editiones des Gesamtwerks ab, anhand derer dem Benutzer ermöglicht werden soll, die verschiedenen Stadien der Textgenese nachzuvollziehen. Obwohl Cessi damit viele Probleme umgangen hat, die mit der Edition Simonsfelds verbunden waren, vermochte auch er in vielen Punkten nur unzureichend Licht in das Dunkel der komplizierten Überlieferungssituation zu bringen. Das Familienverzeichnis, in welchem von den trojanischen Ursprüngen berichtet wird, sowie die Auflistung der frommen Stiftungen jener Familien gehörten wohl, so die Hypothese von Simonsfeld, zum ursprünglichen Kern der «Chronik von Altino», der in das 10. Jahrhundert datiere. Die Entstehung der unter dem Titel «Origo Civitatum Italie Seu Venetiarum» bekannten Kompilation verortete Cessi in der Zeitspanne zwischen 1081 und um 1180. Vgl. Simonsfeld, Chronicon Altinate, 1878, 14-53, bes. 14, 23 u. zusammenfassend 53; Origo civitatum, ed. Cessi, 1933, Prefazione, XXIII-XXVI, XXX.

4. Variabilität

113

Anders akzentuiert ist die Berufung auf die trojanische Vergangenheit in der «Graphia Urbis Romae» (1155), als deren Autor wohl der Benediktinermönch Petras Diaconus aus Montecassino in Betracht kommt. Troja und die Trojaner werden vor allem im ersten Teil der «Graphia» thematisiert, einem Abriss der römischen Vorgeschichte von Noah bis Romulus206, dessen Entstehungszeit sich auf die Zeit zwischen 1128/29 und 1153207 festlegen lässt. Abweichend von der bekannten Gründungsgeschichte Roms wird hier berichtet208, es sei nicht Aeneas gewesen, der mit seinen Mannen an der italischen Küste landete, sondern eine namentlich nicht genannte Tochter von ihm. Die von ihr und den mit ihr nach Italien gelangten Trojanern gebaute Siedlung neben dem Palatium urbis habe aber nicht die ersten und einzigen Fundamente Roms gebildet, denn schon zuvor hätten Janus, Saturn, Glaukus, Euander, Herkules, Tibris und andere

205 Nach Jürgen Strothmann ist Petrus Diaconus als Kompilator der gesamten «Graphia» anzusehen. Herbert Bloch hatte 1984 erstmals die These aufgestellt, Petras Diaconus sei als Verfasser des ersten und dritten Teils der «Graphia» (der „Historia Romana" und des „Libellus") anzusehen. In zwei seiner „Autobiographien" hatte der Mönch aus Montecassino neben einer Reihe anderer eigener Schriften eine heute als eigenständiges Werk verlorene «Ystoria» erwähnt. Ihr Anfang, so Bloch, sei mit den ersten 12 Kapiteln der «Graphia» identisch gewesen und gehe auf den «Catalogus Regum, Consulum, Dictatoram, Tribunorum, Patriciorum Ac Imperatoram Gentis Troiane» am Anfang des Cod. Cas. 257 (Druck: Biblioteca Casinensis 5,1, Florilegium Casinense [1894], 34-45) zurück, welcher wiederum mit der genannten «Chronica Consulum» (MGH SS 34, 531.1 Of.) gleichzusetzen sei. Die «Ystoria» und die «Chronica Consulum» sind jedoch nicht identisch. Vgl. Chronik von Montecassino, ed. Hoffmann, 1980, 531, Anm. 72; Bloch, Graphia, 1984, 66f, 80, 86, sowie zu den drei Autobiographien des Petrus Diaconus ebd., 60f, Anm. 20. Zur alleinigen Autorschaft des Petras Diaconus: Strothmann, Kaiser und Senat, 1998, 28-31. 206 Percy Ernst Schramm betitelte diesen Abschnitt, der den Kapiteln 1-12 der «Graphia» entspricht, als „Historia Romana a Noe usque ad Romulum". Vgl. Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, Teil 1, 193. Edition: Graphia, ed. Valentini/Zucchetti, 1946; Sachkommentar zu diesen Kapiteln: Miedema, Mirabilia Romae, 1996, 368-371. 207 Vgl. Chronik von Montecassino, ed. Hoffmann, 1980, 531.19-22; Hoffmann, Petrus Diaconus, 1971, 36; Di Carpegna Falconieri, Grafen von Tuskulum, 1997, 1123.-Für eine Eingrenzung auf die 1130er-Jahre, wie sie Strothmann vornahm, fehlen entsprechende Belege. Strothmann bezog sich in seiner Datierung auf den «Catalogus», den er ohne Rekurs auf die Forschungsdiskussion mit der «Ystoria», das heißt mit dem Anfang der «Graphia», gleichsetzte und nicht wie Bloch mit deren Vorlage. Vgl. Strothmann, Kaiser und Senat, 1998, 85. 208 Die Erzählung beruht auf den Werken des Macrobius, Servius, Varro und Livius. Zu den Quellen am Anfang der «Graphia» vgl. den kritischen Apparat der Ausgabe Graphia, ed. Valentini/Zucchetti, 1946, 67-70, sowie die Ausführungen zur sogenannten „Historia Romana a Noe usque ad Romulum" der «Graphia» bei Bloch, Graphia, 1984, 60-87. Die Rückführung des Phrygiums und der Tiara auf die Trojaner lässt sich durch den Aeneas-Kommentar des Servius erklären. Vgl. Graphia, ed. Valentini/Zucchetti, 1946, 99, Anm. 5; Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, Teil 2, 94, Anm. 3 u. 6. 209 Post quem [erg. Glaucum] veniens Romae filia Eneae, cum multitudine Troianorum, civitatem in Palatio urbis construxit. Graphia, ed. Valentini/Zucchetti, 1946, Kap. 10, 79.7f. Mit der Tochter des Aeneas ist hier wohl die bei Servius erwähnte Ilia gemeint. Vgl. ebd., Anm. 4.

114

77.

Metamorphosen eines Mythos

Herrscher Siedlungen (civitates) errichtet. Durch den „aus dem Blute des Trojanerkönigs Priamus" stammenden Romulus seien alle civitates mit einer Mauer umgeben worden, sodass eine Stadt (urbs) entstanden sei, die man dann Roma nannte. In ihr hätten sich alle nobiles des gesamten Erdkreises und viele italische Völker, von denen einige (wie die Tusculaner) namentlich erwähnt werden, gemeinsam mit Frauen und Kindern Auf diese Weise wird Rom zum Quell allen Adels, wobei Romulus nicht mehr als eigentlicher Gründer, sondern Vollender der Stadt dargestellt ist. Über den Brudermord, welcher nach der antiken Gründungsversion am Anfang der Stadtgeschichte stand, verlautet kein Wort, ebenso wenig über die herkömmliche Abfolge der Albaner- und Latinerkönige nach der Landung des Aeneas in Italien. Dadurch, dass in der «Graphia» Roms Geschichte nicht erst bei Romulus oder mit Alba Longa beginnt, sondern bei den ersten Gmndsteinen während der Herrschaft des Noah-Enkels Janus, wird die römische Nobilität sowohl auf eine trojanische als auch auf eine biblische Vergangenheit zurückgeführt. Obwohl die «Graphia» zeitlich in den Kontext der römischen ,Kommunebewegung' einzuordnen ist, stellte sie keinen Versuch dar, die Institution des römischen Senats historisch einzuordnen. Ebensowenig findet sich von dynastischem Denken in linearen, genealogischen Herrscherfolgen eine Spur. Vielmehr werden innerhalb der harmonisierten Vorgeschichte der Urbs Elemente wie hohes Alter, großes Ansehen und die nobiles zu Kennzeichen der Stadt. In der «Graphia» sind die Trojaner an zwei weiteren Stellen im Zusammenhang mit Herrschaftsansprüchen oder -insignien erwähnt. Diese Passagen verdeutlichen abermals, dass die Berufung auf eine trojanische Vergangenheit zwar mit dem Anliegen verbunden war, Alter, Größe und Nobilität Roms hervorzuheben, aber nicht darauf abzielte, dem auf dem Kapitol neu errichteten oder noch zu errichtenden Senat eine Legitimationsgrundlage zu bieten. Gezeichnet wird hier im Gegenteil ein hierarchisches Modell unter der Fühmng des Kaisers und der Adelsfamilien, besonders der Grafen von Tusculum.212 Das Kapitol der Ort, an dem der erneuerte Senat Roms Mitte des 12. Jahrhun-

niedergelassen.2"

-

210 Vgl. ebd., Kap. 1-9, 77.2-79.6. 211 Anno autem .CCCXXX.III. destructions Troianae urbis expido, Romulus, Priami, Troianorum regis, sanguine natus, .XXII. anno aetatis suae, .XV. kal. maias omnes civitates iam dictas muro cinxit, et ex suo nomine Romam vocavit. Et in ea Etrurienses, Sabinenses, Albanenses, Tusculanenses, Politanenses, Telenenses, Ficanes, Ianiculenses, Camerinenses, Capenati, Falisci, Lucani, Ytali, et omnes fere nobiles de toto orbe terrarum cum uxoribus etfdiis habitaturi conveniunt.

Ebd., Kap. 12,79.11-18.

212 Die Grafen von Tusculum standen in engem Kontakt mit dem Benediktinerkloster in Montecassino, in dem Petrus Diaconus, wohl selbst Angehöriger dieser Adelsfamilie, seit den 30er-Jahren des 12. Jahrhunderts beschäftigt war, einer mit der Institution des Königtums verbundenen Romidee durch seine Schriften Anregungen zu geben. Vgl. Hoffmann, Petrus Diaconus, 1971, bes. 10f, 60-64, sowie die Edition von vier Schenkungsurkunden der Tusculaner an das Kloster, 105109; Strothmann, Kaiser und Senat, 1998, 84, 87. Zur politischen Romidee vgl. ebd., 38-40. Nach Strothmann könne das Kloster Montecassino, welches trotz der räumlichen Entfernung mit

115

4. Variabilität

derts seinen Sitz hatte wird im „Mirabilia-Abschnitt" der «Graphia» als einstiges caput mundi beschrieben. Von hier aus hätten die Konsuln und Senatoren den Erdkreis regiert, hier seien die Bilder aller trojanischen Könige und Kaiser aufgestellt gewesen. Jetziges „Haupt der Welt" sei hingegen ein angeblich von Janus errichteter Palast auf dem Palatin, den Petras Diaconus als palatium caesarianum und palatium magnum monarchiae orbis bezeichnet.213 Schließlich werden in einem Kapitel des «Graphia»-Libellus, das sich der Geschichte und dem Gebrauch von repräsentativen Kopfbedeckungen widmet, zehn verschiedene Kronen genannt, von denen einige mit im ersten Teil der «Graphia» genannten Gründern Roms in Verbindung gebracht sind: die erste mit Herkules, die vierte mit Romulus, die sechste und siebte mit Janus und den Trojanerkönigen. Die Trojaner werden hier nicht, wie man zunächst erwarten könnte, bei der Beschreibung der Kaiserkrone erwähnt, sondern in den Ausführungen über die Mitra und das Die Mitra, welche einst Janus und die Trojaner getragen hätten, sei Kennzeichen des monocrator, womit Petras Diaconus den Kaiser meinte.215 Wie die Mitra sei auch das Phrygium die Nachahmung einer Kopfbedeckung, welche ursprünglich den reges Troianorum eigen gewesen sei womit implizit die Vorstellung zum Ausdruck kommt, dass die Trojaner einst aus Phrygien stammten. In die Zeit der römischen Kommunebildung wurden neben der «Graphia Aurae Urbis» auch die «Multe Ystorie Et Troiane Et Romane» Es spricht allerdings einiges dafür, diese Datierung zu revidieren und auf das Ende des 13. Jahrhunderts anzusetzen. Unter Verweis darauf, dass der Datierangsproblematik eine eigen-

Phrygium.214

,

eingeordnet.217

der Stadt Rom über Kirchenbesitz verbunden war, als ein „Ort der Antikenrezeption im Rahmen der allgemeinen Renovatio Romae" bezeichnet werden. Siehe ebd., 84. 213 Zum Kapitol: In Capitolio fuerunt imagines fusiles omnium regum Troianorum et imperatorum. Capitolium erat caput mundi, ubi cónsules et senatores morabantur ad gubernandum orbem. Graphia, ed. Valentini/Zucchetti, 1946, Kap. 31, 89.1-3. Zum Palatinspalast ebd., Kap. 17, 81.17f. : Palatium magnum monarchiae orbis in quo sedes et caput totius mundi est, et palatium Caesarianum in Pallanteo. Die Verortung dieses Palastes auch an anderer Stelle, ebd., Kap. 2, 78.7-9: Ipse [i. e. Ianus] vero in palatio, a se in Palatino monte construdo, regni sedem habebat; in quo omnes postea imperatores et Caesares féliciter habitaverunt. 214 Die ursprünglich kaum von Tiara bzw. Phrygium unterschiedene Mitra war ein spezifisch römisches Ornatsstück, welches vom Papst als besondere Auszeichnung nicht nur an ranghohe Geistliche, sondern vereinzelt auch an weltliche Fürsten verliehen wurde. Weiterführend zur Geschichte dieser Kopfbedeckungen: Paravicini Bagliani, Chiavi e Tiara, 1998, 66f; Eichmann, Mitra, 215 216 217

1922, 83-93; Braun, Liturgische Gewandung, 1907, bes. 432, 449-451, 455-457, 495-498. Vgl. Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, Teil 2, 37. Vgl. Graphia, ed. Valentini/Zucchetti, 1946, Kap. 43, 99.14-19. Vgl. Storie de Troja et de Roma, ed. Monaci, 1920. Ernesto Monaci edierte den lateinischen Text der «Multe Ystorie» in Synopse mit zwei Romanesco-Versionen, dem «Liber Ystoriarum Romanoram» und den «Storie de Troia & de Roma». Auszugsweise Edition: Monaci/Arese, Crestomazia, 1955,56-70.

218 Ernesto Monaci hat die Entstehung des lateinischen Textes der «Multe Ystorie» während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts angenommen und diesen als Vorlage für die vulgarisierten Versi-

77.

116

Metamorphosen eines Mythos

ständige Studie gewidmet werden müsste, sei auf diese universalhistorisch angelegte Kompilation über die Frühgeschichte Roms-unter Vorbehalt-in diesem Überblick über italienische Versionen des Troja-Mythos aus dem 12. Jahrhundert dennoch kurz eingegangen. Wie bereits dem Titel zu entnehmen ist, spielen Rom und Troja, die durch die Einbettung in das Schema der sechs Weltreiche219 wichtige Fixpunkte auf der historischen Achse der Weltgeschichte sind, in den «Multe Ystorie» eine zentrale Rolle. Über die Gründung Roms wird in vier verschiedenen Versionen berichtet, wovon drei mit den Trojanern in Verbindung gebracht werden.220 Neben den aus der «Historia RoRomanorum», angesehen (vgl. Storie de Troja et de Roma, ed. Monaci, 1920, Sul Liber ystoriarum Romanorum, prime ricerche, bes. XV, XXVIXXVII, XXXVI). Die «Multe Ystorie» würden sich nach dieser Datierung gut in den Kontext der

onen, insbesondere den «Liber Ystoriarum

Wiederbelebung der Antike und der ,Kommunebewegung' in Rom während der Zeit Arnolds von Brescia einordnen lassen. Bis heute ist an Monacis Datierung kein grundlegender Zweifel angemeldet worden (siehe u. a. Del Monte, Storiografia florentina, 1949, 215f; Liber Ystoriarum Romanorum, Repfont, Bd. 7, 1997 und zuletzt Miglio, Cultura nobilare a Roma, 2006, 371), obwohl oder vielleicht gerade weil die von Monaci genannten Anhaltspunkte für die Textdatierung nicht stichhaltig sind und der Text selbst inhaltlich keine sicheren Hinweise für eine zeitliche Einordnung gibt. Indessen scheint das lateinische Manuskript (Cod. Laur.-Strozz. 85) aus -

-

dem 13. Jahrhundert zu Studienzwecken verwendet worden zu sein, worauf nicht zuletzt die Marginalien und Zusätze schließen lassen. Billanovich vermutete, dass dieses Manuskript von der Schrift her nach der im Hamburger Codex überlieferten Vulgarisierung (1252-1258) im späten 13. Jahrhundert entstanden sei (vgl. Billanovich, II testo di Livio, 1989, 74). Zu den Datierungen der beiden Romanesco-Versionen unlängst zusammenfassend Miglio, Cultura nobilare a Roma 2006, 372f, dort (373f) auch zur Frage der Widmung des bebilderten Hamburger Codex. Es wäre demnach möglich, dass die «Multe Ystorie» auch eine latinisierte Form einer zuvor volkssprachlichen Version sein könnten, ähnlich der «Historia Destructionis Troie» des Guido delle Colonne aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts. Um diese These zu belegen, bedürfte es jedoch einer detaillierteren Analyse der drei Rezensionen, ihrer Abhängigkeiten und Entstehungs-

bedingungen.

219 Die Aufeinanderfolge der einzelnen aetates ist allerdings nicht durchgehend das bestimmende Kriterium für die Ordnung des universalgeschichtlichen Stoffes, denn nach dem Beginn des dritten Weltzeitalters findet der Leser der «Vielen trojanischen und römischen Geschichten» erst wieder mit dem Kaisertum Oktavians den Beginn des sechsten und letzten Zeitalters markiert. 220 Der Kompilator räumte hierbei der gängigen Version von der Grundsteinlegung Roms durch den Aeneas-Nachfahren Romulus den Vorrang ein, da diese zuerst genannt wird, als einzige im Perfekt steht und nicht durch fertur, dicitur bzw. alii dicunt eingeleitet ist. Einer zweiten Version zufolge habe Rom von dem Griechen Euander seinen Namen erhalten, der einer Prophezeiung der Carmen gemäß ein castrum gebaut habe, das dann in der Sprache der Griechen Rom genannt worden sei. In einer dritten Variante sei Rom nach einer hochadligen Frau benannt worden, die nach dem Untergang Trojas dort mit ihrem Schiff gelandet sei, wo sich heute Rom befinde. Andere wiederum hätten berichtet, Julius Ascanius habe eine Tochter namens Roma gehabt, die Namengeberin der Stadt gewesen sei. Die Römer hätten diese letztgenannte Version später verschwiegen, da sie die Gründung des caput mundi nicht mit einer Frau in Verbindung bringen wollten. Vgl. Storie de Troja et de Roma, ed. Monaci, 1920, 71.11-72.8, 81.9-83.12 (1. Version), 73.3-14 (2. Version), 81.3-6 (3. Version), 81.6-9 (4. Version).

117

4. Variabilität

des Paulus Diaconus bekannten Rückführungen geographischer Bezeichnungen auf die trojanischen Silvierkönige werden als weitere Trojaner-Gründungen Benevent und die Britannia angegeben. Brutus, einer der vielen mit Aeneas von Troja über das Meer gesegelten Männer, sei in einer Provinz gelandet, die nach ihm Britannien genannt worden sei. Die Etymologie Benevents hingegen mutet geradezu kurios an, denn bei der Landung der Trojaner habe die Stadt die Bezeichnung Beneventum, „Herzlich willkommen", erhalten. Ohne eine durchgehende Genealogie von den ersten in Italiaufen gelandeten Trojanern bis zu den (ost)römischen Kaisern des 7. Jahrhunderts zuzeigen, wird in den «Multe Ystorie» ebenso wie zum Beispiel bei Sicard von Cremona und im sogenannten «Chronicon Romualdi Salernitani»224 lediglich im Zusamauf die trojaniund dessen Oktavian in direkter Form mit Caesar Adoptivsohn menhang schen Ursprünge der Julier und des ersten römischen Kaisers eingegangen, was auf ähnliche Quellengrandlagen schließen lässt.225 In der normannischen Geschichtsschreibung Unteritaliens und Siziliens scheint die Idee trojanischer Ursprünge nicht zur herrschaftlichen Legitimierung herangezogen 2 worden zu sein. Das «Chronicon Romualdi Salernitani» ist in diesem Zusammenhang mana»

-

-

Vgl. ebd., 68.5-6 (Ascanius als Gründer von Alba Longa), 69.6-7 (Capis als Gründer der Stadt Campania, nach der auch die Provinz Kampanien benannt worden sei), 69.10-12 (Tiberinus als Namengeber des Tiberflusses), 69.14-16 (Benennung des Aventinhügels nach Aventinus). Siehe entsprechend Pauli Diaconi Historia Romana, ed. Crivellucci, 1914, Buch 1, Kap. 1, 7.11-9.10. Die in den «Geschichten von Rom und Troja» erwähnte Herleitung des Palatins von Palatinus (vgl. Storie de Troja et de Roma, ed. Monaci, 1920, 70.3-4) findet sich nicht bei Paulus Diaconus. Dort wird lediglich berichtet, wie Romulus die Stadt Rom auf dem mons Palatinus errichtet habe (vgl. Pauli Diaconi Historia Romana, ed. Crivellucci, 1914, Buch 1, Kap. 1, 10.10-12. 222 Vgl. Storie de Troja et de Roma, ed. Monaci, 1920, 65.8-66.1 u. 137.2-8. Die oberitalienischen Städte Pavia, Mailand, Bergamo, Brescia und Verona seien hingegen von dem Gallierfürsten Brennus gegründet worden, während Tusculanum als eine Gründung des Odysseus-Sohnes Telegonus ausgewiesen wird. Vgl. ebd., 111.9-10 u. 115.5-116.11. 223 Mit diesen endet die Darstellung der «Multe Ystorie». 224 Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 82.6-8; Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 42.1-4. Hinsichtlich der Herkunft des späteren Kaisers Augustus

221

wird hier mütterlicherseits auf die Familie der Julier

225 226

verwiesen, die von Aeneas abstamme.

Vgl. Storie de Troja et de Roma, ed. Monaci, 1920, 66.4-6 u. 269.5-7. Vgl. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935. Trotz vieler Mängel ist diese kritische Ausgabe von Garufi die einzige, in welcher der gesamte Text ediert wird. Seit der Studie von Matthew (Chronicle of Romuald of Salerno, 1981) ist die Ansicht, die gesamte Chronik sei dem Erzbischof Romuald II. von Salerno zuzuschreiben (siehe die Edition Garafis und frühere Ausgaben, daneben u. a. Hoffmann, Hugo Falcandus und Romuald von Salerno, 1967, bes. 141-170), grundlegend zu revidieren. Das Werk gilt nun als eine von mehreren Autoren verfasste Kompilation, die aus zwei Teilen-einem ,historischen' (bis 1126) und einem .zeitgeschichtlichen' (bis 1178) besteht. Die Autorschaft Romualds von Salerno beschränkt sich wohl einzig auf den Abschnitt über die Verhandlungen zum Frieden von Venedig. Vielleicht ist der ,historische' Teil in der apulischen Bistumsstadt Troia während des frühen 12. Jahrhunderts entstanden. Vgl. Matthew, Chronicle of Romuald of Salerno, 1981, 239f, 253-256, 270-272. -

118

77.

Metamorphosen eines Mythos

das einzige Werk, dessen Erzählung nicht erst bei der Ankunft der Normannen auf der Halbinsel beginnt, sondern die ,gesamte' Menschheitsgeschichte von der Schöpfung bis zur Gegenwart darstellt und die Normannen auf diese Weise erstmals in „eine Art histo27 rische Perspektive" rückt. Der ,historische' Teil der Chronik, dessen Entstehungsbeenthält innerhalb der Darstellung des dritdingungen weitgehend im Dunkeln ten Weltalters einen ausführlichen Abschnitt über den Trojanischen Krieg und das Schicksal seiner Protagonisten. Hier wird erzählt, es sei durch den „berühmten Unterzu einem Bruch in der Abfolge der italischen und trojanischen Könige gang und zur Etabliemng einer neuen Herrschaft im Mittelmeerraum gekommen. Nach Aeneas hätten zunächst vierzehn reges Latinorum regiert, bis mit Romulus der erste rex RoErwähnt werden auch etymologische Erklärunmanorum die Herrschaft übernahm. für wie sie bereits bei Paulus Diaconus Neben textlichen Ortsnamen, gen Anleihen aus der «Historia Romana» werden vor allem aus Bedas «De Ratione Temporum» und «Chronicon De Sex Aetatibus Mundi» sowie der «Historia Adversum Paganos» des Paulus Orosius Passagen weitgehend wörtlich übernommen, sodass der Tenor gegenüber den Vorlagen kaum verändert ist232: Die Landung des Aeneas erscheint in wenig glanzvollem Licht, habe er doch viele Völker ins Verderben geführt und so ihren Hass geschürt. Die Anfange Roms werden als blutig und infam wobei

liegen228,

Trojas"229

begegnen.231

dargestellt234,

227

„The chronicle of Romuald of Salerno is the first attempt made in Italy since antiquity to write a universal history. It is also the only one of several histories written in Norman Italy which puts the Normans into some kind of historical perspective." Matthew, Chronicle of Romuald of Salerno,

1981,239.

228 Dazu ebd., 251-254. 229 Famosum Troje excidium. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 14.23. 230 Vgl. ebd., 14-18. 231 Vgl. ebd., 15.12, 15.15-17, 16.28-29, 17.1-3, 17.27-30, 17.32-34 u. 21.21-23. 232 Garufi verweist anstelle der «Historia Romana» auf die «Historia Miscella» des Landolfus Sagax (Ende lO./Anfang 11. Jh.), der das Werk des Paulus Diaconus bis zum Jahr 813 ergänzt hatte (vgl. Landulphus Sagax, Repfont, Bd. 7, 1997). Übernahmen aus Iustinus und Hieronymus, die von Garufi als direkte Quellen angegeben werden, sind allenfalls auf mittelbarem Wege in die Chronik gelangt. Der Bezug auf Homer (vgl. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/ Carducci/Fiorini, 1935, 14.25) erklärt sich als Abschrift aus den «Historiae Adversum Paganos» des Paulus Orosius (Buch 1, Kap. 17). Der Hinweis auf die Troja-Geschichte des Dares Phrygius (vgl. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 14.26-28) hingegen geht auf die «Etymologien» Isidors von Sevilla zurück (Buch 1, Kap. 42). Zur Tro(u)s-Troja-Etymologie siehe die Versionen bei Isidorus Hispalensis, Etymologiae IX, ed. Reydellet, 1984, Kap. 2.67, 77; Isidori Etymologiarum Libri, ed. Lindsay, 1911, Buch 14, Kap. 3.41 (ohne S.); Honorius Augustodunensis, Imago Mundi, ed. Flint, 1982, Buch 3, Kap. 12, 132 (Huic [i. e. Dardano] successit filius Eridonius, huic filius Trous a quo Troia.). 233 Vgl. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 15.1-4. 234 Thematisiert werden insbesondere die Schändung der jungfräulichen Vestapriesterin Rhea Silvia, die frevelhafte Zwangsheirat der geraubten Sabinerinnen und der Verwandtenmord an Numitor und Remus, durch den Romulus die Herrschaft an sich riss. Vgl. ebd., 14.22-25 u. 19.30-35, unter

4. Variabilität

119

derjenige gewesen sei, der die Urbs auf dem Aventin gegründet habe, wohingegen Romulus diese ,nur' ausbaute. Über die Herkunft von Romulus und Remus liest man in zwei Versionen, von denen jedoch nur eine die Verwandtschaft mit den trojanisch-latinischen Königen aufzeigt. Alles in allem wurde in der kompilierten Vorgeschichtserzählung des sogenannten «Chronicon Romualdi Salernitani» dem Troja-Mythos keine herrschaftslegitimierende Bedeutung eingeräumt. Vielmehr behielten die aus verschiedenen Quellen entnommenen Abschnitte ihre Konnotation bei, was bewirkte, dass der entstandene Text argumentativ wenig Stringenz besitzt. Im Vergleich zu den beiden anderen Großregionen ist die bewusste Nicht-Aneignung trojanischer Wurzeln bei Donizo, Alexander von Télese und Johannes Codagnellus bemerkenswert. Alle drei Autoren besaßen durch ihr Stadium früherer Geschichtswerke Kenntnis von den trojanischen Ursprüngen bestimmter Städte oder Dynastien. Sie erwähnen diese auch, fühlen sich aber nicht dazu veranlasst, eine ähnliche Vergangenheitskonstruktion auf ihre ,eigene' Geschichte zu übertragen. Das von Donizo 1111-1115 verfasste Geschichtsepos «De Principibus Canusinis» stellt eine der frühesten sicher datierbaren Überlieferungen in der Großregion Italien dar, in denen die Idee der trojanischen Herkunft aufgegriffen wird.237 Der Benediktinerabt Donizo hatte der Markgräfin Mathilde von Tuszien ein Geschichtsepos über die Geschichte der Familie der Canossa gewidmet, um darin die Taten dieser nicht-königlichen Adelsfamilie zu preisen, ihr Andenken in Zukunft zu bewahren und sie mit den „Denn", so schreibt er wörtlich, „des Priaranghöchsten Dynastien mus' Nachkommen sind wohl nicht nobler; kein anderer wird jemals geboren werden,

Remus

gleichzustellen.238

235 236

Bezug auf Pauli Orosii Historiaran! adversum paganos libri VII, ed. Zangemeister, 1882, Buch 1, Kap. 17, 69, wo der Brudermord als Exempel für die Rohheit der Menschen vor der Bekehrung durch Christus galt. Roma in Italia condita in monte Palatino a Remo [...]. Romulus [...] urbemque constitit. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 19.28-30 u. 19.33-34. Einer ersten Version zufolge stammten Romulus und Remus von Mars und Ilia ab und waren demnach nicht mit den Trojanern verwandt. In einer zweiten Version liest man, die Nichte des letzten Latinerkönigs, Rhea Silvia, habe die Zwillingsbrüder geboren und so eine familiäre Verbindung zwischen beiden Herrscherhäusern hergestellt. Ohne sich eindeutig für eine der beiden Versionen zu positionieren, geht die Erzählung unmittelbar über zur Gründung Roms. Vgl. ebd., 19.5

u.

19.29-30.

Vgl. Donizo, Vita Mathildis, ed. Simeoni, 1930. Was den Titel des Werks anbelangt, so hat sich «Vita Mathildis» seit der Erstedition Tengnagels (1735) durchgesetzt. Seit Langem jedoch wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die bei Donizo überlieferte Bezeichnung am Anfang des ersten Buches «De Principibus Canusinis» viel treffender sei, da nur das zweite Buch Mathilde von Canossa gewidmet ist, während der Titel «Über die Herrscher von Canossa» sowohl Mathilde als auch ihre Vorfahren, das heißt beide Bücher, einschlösse. Dazu bereits Simeoni, Vita Mathildis, 1927, 25. 238 Vgl. Donizo, Vita Mathildis, ed. Simeoni, 1930, Buch 1, 9.1-9, w. 60-68. 237

120

77.

Metamorphosen eines Mythos

der ihnen [den Canossa] gleicht". Dass die Canossa kein hohes Alter und keine lange Ahnenreihe vorweisen konnten, wird von Donizo als kein Nachteil dargestellt. Nicht trojanische Herkunft, sondern andere Eigenschaften die Tugenden prudentia, temperando, pietas und iustitia berechtigten zu königlichen Würden. Selbstbewusst verzichtet der Autor darauf, die principes canusini in einer mythischen Vorzeit zu verwurzeln. Prägnanter noch spiegelt sich dieses Bewusstsein in der Stilisiemng der Burg Canossa zu einem „neuen Rom" wider. Insgesamt diente der Trojaner-Mythos bei Donizo als Negativ-Schablone: Eine Bezugnahme auf ihn fand durch Ablehnung statt. Die «Ystoria Rogerii Regis» des Alexander von Télese242 war dagegen eine zeitgeschichtliche Darstellung (1127-1135/36) bis zu den ersten Regierungsjahren des normannischen Königs Roger II. Obwohl hier die weiter zurückliegende Vergangenheit nicht behandelt wird, kommt der Autor in der Erzählung über die Belagemng Neapels im Jahre 1135 auf Aeneas244 zu sprechen. Er berichtet in diesem Zusammenhang, dass -

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239 Nam Priami proles his non sint nobiliores;/Ulterius nemo par his nascetur in aevo. Ebd., Buch 1, 9.10Í, w. 69f. Es handelt sich hier um den einzigen Passus im gesamten Werk, in welchem die Trojaner als mythische Vorfahren Erwähnung finden. 240 Alta regens iustos régit hanc prudencia cundos:/Discrete vadit, sua tempérât acta ducatrix.VExercet valdepietatem iusticiamque:/[...]. Ebd., Buch 1, Prologus, 8.20-22, w. 43-45. 241 Innerhalb der Darstellung des Investiturstreites heißt es: „In Begleitung der Gräfin Mathilde stand auch dicht daneben eine große Schar König Heinrichs [IV.]. Während solch großer Ereignisse entsteht aus mir [erg. Canossa] ein neues Rom. Du Stadt [Rom], schau, deine ,Ehre' (honor) König und Papst sind gleichzeitig bei mir, und ebenso die Edlen aus Italien, aus Gallien, von jenseits der Alpen, aus Rom, leuchtend durch ihre päpstliche Ahnengalerie. Auch mehrere Gelehrte sind anwesend, darunter Abt Hugo von Cluny, welcher Pate bei seiner [erg. Heinrichs] heiligen Taufe gewesen war." (Regis Henrici domina comitante Mathildi./Affuit et iuxta presentía turbaque multa;/Ex mefitque nova dumfiunt talia Roma./Urbs honor ecce tuus, mecum rex papa simul sunl./Ac Itali proceres, nee non Galli proceresqueJUltramontani, Romani, pontificali/Stematefulgenti, adsunt plures sapientes,/Inter quos abbas Hugo Clunicensis hic astat,/Qui pater in lavacro regis fuerat sacrosando.) Ebd., Buch 2, 58.17-25, w. 76-84. 242 Vgl. Alexandri Telesini Ystoria, ed. De Nava/Clementi, 1991. 243 Die «Ystoria» ist unvollständig überliefert, denn ihre Darstellung bricht mitten im Bericht über die Belagerung Neapels 1135 durch Roger II. nach dem fünften Kapitel in Buch vier ab. Trotz der Auffindung der Kapitel sechs bis zehn des vierten Buches kann die Frage nicht eindeutig entschieden werden, ob die Fertigstellung des Werks aus welchen Gründen auch immer verhindert wurde (Clementi) oder ob die «Ystoria» in der heutigen Version abgeschlossen war (Chalandon, De Nava). Die jüngste Edition geht davon aus, dass zwischen IV.5 und IV.6 und ebenso nach IV. 10 ursprünglich einige Kapitel gestanden haben, die heute verloren sind. Vgl. Clementi, Alexandri Telesini Ystoria, 1965, 119; Chalandon, Histoire de la domination normande, 1907, Bd. 1, 1907, XLVII-XLVIII; Alexandri Telesini Ystoria, ed. De Nava/Clementi, 1991, XXVII. 244 An keiner Stelle der «Ystoria» machte der Autor Angaben über Aeneas' Herkunft und Schicksal, sodass ihn nur der kundige Leser in den historischen Zusammenhang einzuordnen und mit den Trojanern in Verbindung zu bringen wusste. Troia hingegen fand mehrfache Erwähnung, meinte hier jedoch ausschließlich die apulische Bistumsstadt. Dementsprechend bezog sich auch der Na-

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-

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4. Variabilität

121

Neapel

sehr alt sei, weil Aeneas es als erster gegründet habe. Die Mächtigkeit und Uneinnehmbarkeit Neapels wird dabei durch eine ausführliche Beschreibung der städtischen Physiognomie unterstrichen. Alexander von Télese fügte hinzu, Kaiser Augustas habe einst Vergil zum Herrn über die Stadt gemacht 47. Obgleich der Trojaner-Mythos an dieser Stelle für Neapel eine antike Vergangenheit aufzeigte, erschien er dem Autor nicht für eine Adaption zugunsten der Protagonisten der «Ystoria» geeignet. Er war nicht dazu gedacht, den in Süditalien gelandeten Normannen eine historische Legitimation zu verschaffen, sondern grenzte diese im Gegenteil in indirekter Weise von anderen europäischen Dynastien ab, denen eine Verbindung mit den Trojanern nachgesagt wurde. Mit der Eroberung der alten Festungsstadt Neapel durch König Roger II. sollte stattdessen die Überlegenheit des neu entstandenen Königtums unterstrichen werden. Sicard von Cremona und der «Origo Civitatum Italie Seu Venetiaram» vergleichbar, berichtete auch der Notar Johannes Codagnellus aus Piacenza von einer großen Zahl an trojanischen Städtegründungen. Anders aber als diese berief er sich für die Ursprünge seiner eigenen Stadt auf eine andere Mythosversion. Im sogenannten «Liber Reram Gestarum», der zwischen 1219 und 1222 verfasst wurde und wohl Teil einer größeren Geschichtskompilation war 48, behandelte der Piacentiner Historiograph ausführlich die Zerstörung Trojas und das Schicksal seiner Flüchtlinge. Nach der Eroberung Trojas sei eine große Anzahl von adligen und mächtigen Männern unter der Führung des trojanischen Königs Paris und des dux Troianorum Aeneas geflüchtet und für eine Reihe bekannter Städte und Regionen namengebend geworden. Teils finden sich hierbei Bezüge auf Paulus Diaconus und Isidor von Sevilla249, teils lässt sich die literarische Herkunft anderer Versionen heute kaum mehr ermitteln. Als Begleiter des Paris werden Palermus, Miscis, Blandius, Salernus, Capus, Tarantas, Tram, Venegus, Aquilegius, Pentame

Troiani allein auf die Einwohner von Troia in

Trojanern auf.

Apulien und wies keinen Bezug zu den antiken

245 Erat autem civitas ipsa antiquissima, quam Eneas, cum Mue navigio transvedus applieuisset, primus fertur condidisse. Alexandri Telesini Ystoria, ed. De Nava/Clementi, 1991, Buch 3, Kap. 19, 69. 246 Ungeheuer groß sei diese Stadt, auf allen Seiten von hochaufragenden Mauern umgeben und im Süden zudem durch das Tyrrhenische Meer befestigt. Diese uneinnehmbare Festung sei nur auf eine einzige Weise zu besiegen, nämlich durch das Abschneiden der Lebensmittelzufuhr (famis periculo). Siehe Ebd., Buch 3, Kap. 19, 69. 247 Vgl. ebd., Buch 3, Kap. 19, 69f. 248 Zum Titel «Liber Rerum Gestarum» vgl. Busch, Mailänder Geschichtsschreibung, 1997, 88-90. Holder-Egger bezeichnete das Werk als „historische Sammlung" und grenzte sich damit von der inhaltlich unzutreffenden Betitelung als «Chronicon De Sex Aetatibus Mundi» (Pertz) ab. Die von Johannes Codagnellus verfasste Kompilation beinhaltete wohl auch die «Annales Piacentini», sodass ihr Darstellungszeitraum insgesamt von der Schöpfung der Welt bis in die Gegenwart (1235) reichte. Vgl. Holder-Egger, Werke des Johannes Codagnellus, 1891, 253, 31 Of; darin auch Edition großer Teile des «Liber» (ebd., 312-346 u. 475-509). 249 Vgl. Busch, Mailänder Geschichtsschreibung, 1997, 90; Holder-Egger, Werke des Johannes Co-

dagnellus, 1891,323.

122

77.

Metamorphosen eines Mythos

polus, Magancius, Collonius, Siculus, Feromanus, Perusius und Zusammen mit Aeneas seien sein Sohn Ascanius sowie

Francus

aufgezählt.

Pisius, Marsigius, Narbosus,

Tholosius, Catolus, Leridus, Barcus, Saragosius, Segodius, Elamancus und Toletos von Troja fortgesegelt und nach Europa, genauer: in das Gebiet des heutigen Spanien, gekommen. Die Namen sprechen für sich, ihr etymologischer Deutongsgehalt ist unverkennbar und lässt sich in den meisten Fällen ohne Weiteres assoziieren. Codagnellus' Erzählung fährt damit fort, dass sich Aeneas in dem von ihm erbauten Karthago niedergelassen habe.251 Asculfius, ein weiterer Sohn des Aeneas, habe dann zuerst Kampanien und Tuszien, später ganz Italien erobert und die Herrschaft an seinen Sohn Julius weitergegeben. Einer göttlichen Weissagung gemäß hätten Romulus und Remus schließlich vierzig Jahre nach Trojas Untergang auf dem Palatin eine Stadt gebaut, die nach Romulus Roma genannt werde.252 Auffälligerweise ordnete Johannes Codagnellus jedoch nicht die Kommunen Piacenza, Mailand und Mantua in die lange Reihe trojanischer Städtegründungen ein. Erst an späterer Stelle kam er im Kontext der Galliereinfalle in Italien auf deren Gründung zu sprechen: Aus den Etymologien Isidors von Sevilla schöpfend, brachte der Autor einen togendvollen Adligen namens Peucentius mit Piacenza in Verbindung. Dieser habe sich in der Stadt niedergelassen und als dominus et rector gewirkt. Eigens betont wird in diesem Zusammenhang das friedliche und einträchtige Zusammenleben der viri maiores et minores?51. Die Bezeichnung Mailands (Mediolanum) leite sich dagegen von einer vor Ort gefundenen, „halbwolligen" Sau (sus mediolanea) ab, während eine Thebanerin mit Namen Manto für Mantua als Städtegründerin angegeben wird.254 Dass für die genannten drei Städte ausdrücklich kein trojanischer Einfluss aufgezeigt wurde, lässt die Absicht deutlich werden, deren Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bereits vom Urspmng her zu erklären.255 Johannes Codagnellus spielte und zwar nicht nur an dieser Stelle offenbar auf die aktuellen Vorgänge in der Piacentiner Kommune zwischen 1219 und 1223 an, besonders den Parteienkampf zwischen den milites und populares, den Zusammenschluss zu dem unter Mailänder Führung stehenden Lombardenbund sowie die Zwistigkeiten zwischen den lombardischen Städten.256 Um die Ausführungen zum 12. bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts in einem kurzen Ausblick zu profilieren, sei abschließend auf Iacopo Doria (Iacobus Auria) eingegangen. Wie aus den einleitenden Zeilen der von ihm für die Zeitspanne von 1280 bis 1294 fortgesetzten «Annales Ianuenses» deutlich wird, gab es auch in Genua spätestens ge-

-

250 Vgl. Holder-Egger, Werke des Johannes Codagnellus, 1891, 319-321. 251 Siehe ebd., 321 f. 252 Vgl. ebd., 322f. 253 Hierzu Holder-Egger, Werke des Johannes Codagnellus, 1891, 325f Siehe auch Busch, Mailänder Geschichtsschreibung, 1997, 90. 254 Vgl. Holder-Egger, Werke des Johannes Codagnellus, 1891, 325. 255 Vgl. Busch, Mailänder Geschichtsschreibung, 1997, 89. 256 Dazu ebd., 88-97.

123

4. Variabilität

gen Ende des 13. Jahrhunderts Bemühungen, die Stadt als Trojaner-Gründung auszuweisen. Iacopo bemängelte zunächst, dass in den «Annalen» bisher nichts über die Frühgeschichte und die Erbauung Genuas geschrieben stehe, musste aber gleichzeitig zugeben, auch selbst bei den alten Autoren diesbezüglich nichts gefunden zu haben, wohl wie er zu erklären versucht wegen des hohen Alters der Stadt. Indes sei man in Genua allgemein der Ansicht, ein adeliger Trojaner namens Ianus sei nach der Zerstörung Trojas in die Gegend von Sarzanum bzw. saltus Iani gekommen, habe dort eine Castellum genannte Burg gebaut, in der sich nun das Haus des Erzbischofs befinde, und 257 die Stadt schließlich in Anlehnung an seinen Namen Genua (Ianua) genannt. Diese Äußerungen lassen vermuten, dass in Genua gegen Ende des 13. Jahrhunderts trotz nicht vorhandener Schriftquellen ein Gründungsmythos wohl auf mündlichem Wege entstanden war. Er kann nur als Reaktion auf Behauptungen trojanischer Ursprünge in anderen Städten gedeutet werden und verweist darauf, dass die Trojaner im Verlauf des 13. Jahrhunderts in einigen italienischen Städten zu prestigeträchtigen ,historischen' Bezugspersonen geworden waren. Wie andere Erzähler mythischer Stadtgründungsgeschichten gehörte auch Iacopo Doria zu Vertretern der städtischen Oberschicht, die sich intensiv mit der Geschichte ihrer Stadt auseinandersetzten und die aktuellen Geschehnisse historisch einzuordnen versuchten.258 -

4.2.2

-

Tragik und Triumph

Troja-Mythos bot nicht nur einen rot-goldenen Faden, aus dem Genealogien und Gründungsgeschichten gewebt werden konnten. Er war und blieb auch eine Heldengeschichte, eine Erzählung über einen Krieg, der in der literarischen Überlieferung als einer der gewaltigsten seit Menschengedenken dargestellt wurde. In diesem Sinne konnten Der

257 Nam cum non invenirem aliquid scriptum ante tempus Caphari nobilis civis Ianue, qui opus presentís cronice incepit anno Domini 1097, prout in principio huius cronice invenitur, nee construction, huius civitatis in libris aliquibus reperirem, cum tarnen de multis aliis civitatibus Ytalie et aliarum partium mundi per Ysidorum et Solinum et alios ystoriographos edificatores ipsarum scriptum inveniatur, admiratione motus cepi tacita ac vigili mente pensare, quallter ab antiquo tempore possem aliquid invenire; set construdorem ipsius in libris aliquibus autenticis non potui usque nunc invenire, forte propter antiquitatem ipsius. Set vulgaris opinio in civitate Ianue, quod post destructionem urbis Troiane quidam nobilis Troianus nomine Ianus applicuit ad has partes, et in loco ubi nunc dicitur Sarzanum, id est saltus Iani, descendit, castrumque in loco ubi nunc Castellum dicitur, ubi est domus archiepiscopalis modo, hedificavit, et civitatem Ianue a suo nomine scilicet Iano denominavit. Iacobi Aurie Annales, ed. Pertz, 1863, 288.30-289.4. Ein Hinweis auf diese Überlieferung findet sich bei Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 119, Anm. 22. 258 Iacopo Doria entstammte einer einflussreichen Genueser Familie und betätigte sich in Genua auf verschiedene Weise im militärischen, wirtschaftlichen und politischen Bereich. Im Jahr 1293, das heißt wenige Jahre vor seinem Tod (zwischen 1294 und 1305), beendete er seine Fortsetzung der «Annales Ianuenses». Umfangreiche Literatur zum Autor: Nuti, Iacopo Doria, 1992.

124

77.

Metamorphosen eines Mythos

die Trojaner und der Trojanische Krieg im Mittelalter bei der Beschreibung von Mut und Tapferkeit, entbehrungsreichen Belagemngen und verlustreichen Schlachten einen Vergleichsmaßstab oder ein Exempel bieten. 4.2.2.1

Kriege und Kreuzzüge

Bereits Jan-Dirk Müller hob im Zusammenhang mit der deutschen Troja-Literator hervor, dass „der Kampf um Troia als Anspielungshintergrund für unzählige andere Kriege jederzeit abrufbar [war]".259 Das gilt im Untersuchungszeitraum auch für die Großregionen Frankreich, England und Italien. Mitunter konnte diese Form der Fortschreibung des Mythos in ein und demselben Werk unverbunden neben dem Herkunftsgedanken stehen. Sicard von Cremona assoziierte beispielsweise den von Kaiser Nero verursachten Brand Roms mit dem in Flammen stehendem In Donizos «De Principibus Canusinis» ist es das belagerte Mantua, welches dem Autor das antike Ilion in Erinnerung ruft: „Wer weiß, Mantua, wieviel Ruhm mit dir wäre/wenn du nur klug hättest geschlossen gehalten die Tore/vor dem König. Denn dein Name und deine Zierde hatte begonnen,/sich in aller Munde fast auf dem gesamten Erdkreis auszubreiten./Sie sagten wahrhaftig, du seist stark und reich/und dass du wie Troia seist, lobten sie, als du die lange/Belagerung ertrugst, wie auch jene [Trojaner] es taten./Auch deine Bürger, durchflössen von tapferem Blute,/erwähnten gar alle Städte Italiens./Wie einst die Phrygier die griechischen Festungen, so freilich/waren es deine Bürger gewohnt, diejenigen der Alemannen zu schleifen./Obwohl Troia selbst zehn Jahre umstellt war, hätte es niemals/ die Griechen hereingelassen, wenn es nicht verraten worden wäre in nächtlichem

Troja.260

Brand."261

In einem gänzlich anderen Kontext fand Troja als Kriegsgeschichte im mittelalterlichen Pisa Verwendung. Vor dem Hintergrund der gegen die Muslime errungenen Siege im 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts hatten Pisas Bürger ein großes Selbstbewusstsein entwickelt, das sich nicht nur in den Schriften jener Zeit widerspiegelte, sondern auch im städtischen Dom visualisiert und erinnert wurde. Noch heute ist dort auf dem Sarkophag des Erbauers Buscheto eine Inschrift zu lesen, deren Anfang den Verstorbenen mit Odysseus vergleicht. Beide, Buscheto und Odysseus, seien listig gewesen, doch während dieser Charakterzug bei dem einen zerstörerisch gewesen sei und 259 Müller, Das höfische Troia, 2004, 119. 260 Et civitatem incendit, ut similitudinem ardentis Troie videret. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 103.22. 261 Gloria quanta foret tecum, quis Mantua noscetJPrudenter portas tenuisses si modo clausas/Regi? Iam nomen decus atque tuum procul ore/Multorum volvifere cundo caeperat orbi;/Te fortem vere ferebant et locupletemJAc veluti Troiam laudabant te fore, longam/Cum iuxta morem fers illius obsidionem;/Cives atque tuos, forti de sanguine fusos./Italiae cunctae dicebant funditus urbes./Graeca Phryges castra ceu quondam, sic Alemanna/Castra tui cives soldi sunt cederé quippe;/Annis ipsa decem circumdata Troia, pateret/Argolicis nunquam, nisi tradita, node perusta. Donizo, Vita Mathildis, ed. Simeoni, 1930, Buch 2, 72.18-30, w. 491-503.

4. Variabilität

125

den Untergang Trojas verursacht habe, habe er bei dem anderen wohltätige Züge gehabt und zum Bau der Dommauern Der Sarkophag stammt wohl aus dem 12. Jahrhundert, die Inschrift selbst aber bezieht sich auf militärische Unternehmungen der Pisaner gegen die Muslime während der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts.263 In diesen geschichtlichen Zusammenhang ist auch der «Liber Maiolichinus» einzuordnen, der über die siegreichen Unternehmungen der pisanischen Flotte bei den Balearen in den Jahren 1113 bis 1115 berichtet. Er lässt sich Heinrich von Pisa zuschreiben und entstand wohl nicht lange nach der Rückkehr der Pisaner.264 In einer Passage wird das Ausmaß der Kämpfe beschrieben, aus dem keiner unverletzt wieder heimgekehrt sei. „Wie das Griechenvolk wiederkehrte von den Mauern des Ida [i. e. Troja],/und wie die Trojaner in den Schlachten gekämpft hatten,/während der gute Hektor und Priamus unverletzt blieben,/[so] kommen sie aus dem Kampf zurück; aber dass die Horde der Barbaren/bei verschiedenen Bestattungen viele Klagen erhoben hatte/glaubt man, und dass sie noch mehr Schmerzen An anderer Stelle innerhalb des gleichen Werks wird das Auslaufen der pisanischen Flotte in Richtung Balearen mit dem der griechischen Flotte auf dem Weg nach Troja verglichen. Hierbei fängt der Autor den Abschiedsschmerz der auf dem Festland Zurückbleibenden in mitreißenden Versen ein: „Während die Schiffe ablegen, weinen an der Küste die Mütter,/gesättigt wird der durstige Sand mit den Tränen der Klagenden,/[...]. Die eine bangt um ihren Vater; für ihre Brüder und Ehemänner/gießen andere gewaltige Seufzer ins Meer,/nicht anders als die griechischen Achiver geweint haben sollen,/als die Schiffe der Danaer gewaltsam zum Pergamon [d. h. der Burg von Troja] aufbrachen./Und sie lassen nicht ab, ihre Klagen mit Gebeten zu mischen,/bis der Wind, angetrieben von äolischem Lufthauch,/die den Blicken Entrissenen durch weite Wasser trägt." In einer anderen Passage vergleicht

geführt.2

gehabt."265

262

263 264 265

266

BUSKET[US] JACE[T] HIC [QUI MOT1BUS] INGENIORU[M]/DULICHIO [FERTURJ PREVALUISSE DUCI/MENIB[US] JLIACIS CAUTUS DEDIT ILLE RUINA[M]/HUJUS AB ARTE VIRIMENIA MIRA VIDES./CALLIDITATE SUA NOCUITDUXINGENIOS/UTILIS 1STE FUIT CALLIDITATE SUA. [...] Der Beginn der Inschrift ist heute aufgrund von Verwitterungen in einigen Teilen schwer zu entziffern. Die Transkription und die Textergänzungen orientieren sich an der Version von Alessandro da Morrona. Siehe Da Morrona, Pisa illustrata, 21812, Bd. 1, 15lf; die Transkription ebd., 152 (einschließlich Anm. 2). Allg. hierzu Banti, Giustizia, 2001; Scalia, Epigraphica Pisana, 1963. Vgl. mit weiteren Literaturhinweisen: Liber Maiorichinus, Repfont, Bd. 7, 1997. Qualis ab Ideis populus remeabat Achivus/Menibus, et quales fuerant per prelia Troes/Dum bonus incólumes Hedor Priamusque manebant/Protinus a pugna redeunt; sed barbara turba/Funeribus variis plures habuisse querelas/Creditur, et multo plures habulsse dolores. Liber Maiolichinus, ed. Calisse, 1904, 92, w. 2380-2385. Dumque rates abeunt, plorant in litore maires,/Plorantum lacrimis bibule satiantur arene,/[...] Hec pro patre rogat, profratribus atque maritis/Immensos aliefundunt in litore questus./Non aliter Graios flevisse feruntur Achive./Pergama quando rates Danae violente petebant./Et non desistunt precibus miscere querelas,/Eolia ventus doñee progressus ab au[r]a/Visibus arreptos spatiosa per equora vexit. Ebd., 13f, w. 173-183. Statt der in der Edition angegebenen Lesart aula (14, v. 182) müsste es sinnvollerweise aura heißen.

126

77.

Metamorphosen eines Mythos

der Autor die kämpferischen Fähigkeiten eines gewissen Robert mit denjenigen Hektars.267 Signifikanterweise integrierte Guido von Pisa in der gleichen Zeitspanne (um 1118/1119) in einer unter dem Titel «Liber Guidonis Compositus De Variis Historiis» bekannten Kompilation eine Fassung des «Excidium Troie», in der er selbst, teils mit Zitaten aus Vergils «Aeneis», interpolierte. Ihm war aber nicht daran gelegen, der Stadt trojanische Ursprünge zuzuschreiben. Die Gründung Pisas durch den Tantalussohn Pelops ist in die römisch-trojanische Vorzeit verlegt und gibt Gelegenheit, Pisa als Rom ebenbürtig, als an der Seite Roms im Kampf gegen die Muslime darzustellen.269 Nicht nur in italienischen Überliefemngen finden sich Troja-Bezüge im Kontext kreuzfahrerischer Unternehmungen. Die Kreuzzüge gehörten auch in England und Frankreich zu denjenigen militärisch-spirituellen Aktionen, die das 12. Jahrhundert tief beeindruckt haben und oft zum unmittelbaren Erfahmngsbereich der Autoren und/oder ihrer Auftraggeber gehörten. In Frankreich war es besonders der erste Kreuzzug, der die überlieferten Geschehnisse um den Fall Trojas in Erinnerung rief. Es wurde bereits erwähnt, wie Fulco in seinem Kreuzzugsgedicht den Taten französischer Kreuzfahrer dadurch besonderen Glanz verlieh, dass er sie in die Nachfolge der Trojaner stellte.270 Ohne einen solchen Herkunftsbezug nahmen die Benediktinermönche Balderich von Bourgueil (um 1045/46-1130)271 und Guibert I. von Nogent (1055?-uml 125)272 im selben er267 77/c clippeo iaculoque prius, mucrone deinceps/Pugnat, et Hedoreo decertans robore consul/Sustinet innúmeros ruinosis iactibus idus [...]. Ebd., 85, w. 2164-2166. 268 Vgl. Campopiano, Origini mitiche di Pisa, 2005, 153-155. 269 Hierzu ebd., 163. 270 Siehe oben S. 94. 271 Balderich, geboren in Meung-sur-Loire und gestorben in Préaux, wurde zu einem heute unbekannten Zeitpunkt Benediktinermönch. Seine Wahl zum Abt von Saint-Pierre de Bourgueil erfolgte 1089. Auf dem Konzil von Troyes (1107) wurde er zum Erzbischof der bretonischen Stadt Dol gewählt. Er unternahm u. a. Reisen nach Rom, England (Worcester) und in die Normandie (Bec und Fecamp). In seinen Gedichten erwähnte Balderich Rainaud, Marbode, Frodo und Hubertus von Meung als seine Lehrer, zu denen vielleicht auch der französische Theologe Berengar von Tours hinzuzuzählen ist. In Balderichs umfangreichem dichterischen Œuvre sind zahlreiche literarische Gattungen wie Lehrgedicht, Titulus, Epitaphium, Planctus, Rotelgedicht, Hymnus, Rätsel, Satire und Heroidenbrief vertreten. Eine profunde Einführung in das Werk und das Leben Balderichs auf dem neuesten Stand und mit umfangreichen Literaturhinweisen bei Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 1, 1998, Introduction, V-LXV. Zur Biographie Balderichs vgl. auch Œuvres poétiques de Baudri de Bourgueil, ed. Abrahams, 1926, Introduction, XXIf; Hubert, Baldericus Carmina, 1979, 303-305. 272 Der aus einer hochadligen Familie stammende Benediktinermönch Guibert von Nogent trat im Alter von zwölf Jahren in das Kloster Saint-Germer-de-Fly (Diözese Beauvais) ein und hatte u. a. Anselm, Prior von Le Bec, zum Lehrer. Im Jahr 1104 wurde er zum Abt von Nogent gewählt. Dieses Amt wurde Ausgangspunkt für vielfältige Reisen und eine umfangreiche literarische Tätigkeit. Zu seinen Schriften zählen historische und theologische, insbesondere exegetische Werke, die jedoch nur teilweise vollständig erhalten sind. Als für die historische Forschung wichtigstes Werk gelten die 1114/1115 entstandenen «De Vita Sua Monodiarum Libri Tres». Hierzu und mit weiterführenden Literaturhinweisen Bulst, Guibert, 1989.

127

4. Variabilität

eignisgeschichtlichen Zusammenhang auf den Troja-Stoff 74Bezug.273 Guibert fühlte sich angesichts des von Herzog Robert II. von der Normandie geführten Heeres zu einem Vergleich mit der Zahl der Männer, die vor Troja zusammengeströmt waren, veranlasst.275 Daneben assoziierte der Autor auch die langwierige Belagerung Antiochias 1097/98 durch die Kreuzfahrer mit dem Trojanischen Krieg, der hier als historisches Beispiel für eine lange Belagerung stand, während der es, wie es heißt, Waffenstillstände und Ruhepausen gegeben haben muss, in denen Nachschub an Proviant und anderen erforderlichen Mitteln besorgt werden konnte.276 Balderich von Bourgueil wiederum, 7

verder sich wie Guibert durch eine gute Kenntnis klassischer Autoren auszeichnete deutlichte in seiner «Historia Jerosolimitana» die Bewunderung angesichts des Anblicks des Kreuzfahrerheeres und dessen Unternehmungen durch eine Gegenüberstellung mit dem Trojanischen Krieg: „O ansehnliche Festungen! O gebieterische Feldherrenzelte! Wer hat jemals ähnliche Unterkünfte gesehen? Dagegen weicht die schmeichlerische Erzählung über Troja zurück. Wertlos würden jene Feldherrenzelte der Pelasger; doch viel mehr noch stünden die Taten und Namen ihrer Vornehmsten im Schatten. Jener Odysseus da hat seine Listigkeit angewendet; Ajax hat seinen Wagemut gezeigt; Achill hat seine Härte an den Tag gelegt. Diese Christen hier zogen die Einfachheit von Tauben vor, und in Waffen übten sie echten und ruhmvollen Wenngleich die «Historia Jerosolimitana» eine Bearbeitung der «Gesta Francorum Et Alioram Hie,

Kriegsdienst."278

273 Siehe auch Beaune, L'utilisation politique 1985, 345f. 274 Robert II. .Kurzhose' zählte neben dem niederlothringischen Herzog Gottfried von Bouillon, Graf Raimund IV. von Toulouse und Bohemund von Tarent zu den Hauptteilnehmern des ersten Kreuzzugs und hatte an den militärischen Erfolgen maßgeblichen Anteil (v. a. Schlacht von Dorylaion, Eroberung Jerusalems, Sieg von Askalon). Dazu mit weiterführender Literatur Schnith, Robert IL, 1995. 275 Unius enim, duum, trium seu quatuor oppidorum dominos quis numeret, quorum tanta fuerit copia, ut vix totidem coegisse putetur obsidio Trojana? Gesta dei per Francos edita a Guiberto, ed. RHC, 1879, 149 E. 276 Plane si Trojana decennio suo illustris objiciatur obsidio, datas profecto vicariae securitatis saepenumero hinc indeque profitemur inducías, in quibus et hebetatarum virium reficiebantur acumina, et stipendiorum affluentia terrae ac pelagi cooperatione sucessit. Ebd., 199 D. 277 Guiberts historische und theologische Schriften sind stark geprägt von der Lektüre klassischer Autoren, insbesondere Vergils und Ovids. Vgl. Bulst, Guibert, 1989, 1769. Zur Kenntnis der antiken Literatur bei Balderich von Bourgueil siehe Schuelper, Ovid aus der Sicht des Balderich, 1979; Manitius, Lateinische Literatur des Mittelalters, Bd. 3, 1931, 883-898, bes. 891-895. Abrahams hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass Balderich die gewöhnliche literarische Ausbildung seiner Zeit erhalten habe und nichts auf einen Besuch der Schulen von Angers hinweise. Vgl. Œuvres poétiques de Baudri de Bourgueil, ed. Abrahams, 1926, Introduction, XXVII. 278 O castra speciosa! o tentoria imperiosa! quis unquam similia vidit tabernacula? Cesset illa adulabills fabula de Troja; vilescant Ma Pelasgorum tentoria; obscurentur ulterius procerum illorum actus et nomina. Illic Ulixes suam exercuit astutiam; Ajax suam ostentavit audaciam; Achilles suam manlfestavit duritiam. Hie Christiani columbinam praetendebant simplicitatem, et in armis mundam et gloriosam exercebant militiam [...]. Balderici Historia, ed. RHC, 1879, 28 B/C.

128

II.

Metamorphosen eines Mythos

rosolimitanomm» darstellt, ist davon auszugehen, dass es sich bei der Troja-Passage um einen Zusatz Balderichs handelt. Mit der Schlacht von Hastings (1066) brachte Balderich ein weiteres zeitgeschichtliches Ereignis in Verbindung mit der antiken Kriegsgeschichte. Bei der Beschreibung der Wandteppiche im Palast der Gräfin Adela von Blois-Chartres280 fasste er das Ausmaß der Schlacht poetisch in folgende Worte: „Weder Mann noch Frau halten die Träwie es den Grienen zurück. Priamus' Troja, Hauptstadt Asiens, Zentmm des Reiches chen unterworfen wurde, darüber gab es Lieder [,..]".281 Die Kreuzzüge gaben auch Autoren in England Anlass, sich an den Trojanischen Krieg zu erinnern. Einer von ihnen war der normannische Geschichtsschreiber Radulf von Caen in seinen «Gesta Tancredi In Expeditione Hierosolymitana», einer auf den Erzählungen des Tankred von Tarent282 bemhenden Beschreibung des ersten Kreuzzuges im Stile eines Heldenepos'. Das Werk entstand zwischen 1112 und 1118, blieb aber ohne Nachwirkung.283 Was den Autor an Troja gemahnte, war nicht das Schlachtengetümmel. Vielmehr zog Radulf von Caen, als er auf einen Streit zwischen Tankred und Raimund [IV. von Saint-Gille?] zu sprechen kam, einen ziemlich makabren Vergleich: „Nachdem sich Tankred rechtmäßig an Raimund gerächt hatte der Listigere an dem Mächtigeren -, gab er den abgeschnittenen Kopf dem Körper zurück, während er Bohemund [I. von Tarent] das Ilium seines Trojas zurückgab."284 Auch im Fragment der «Antiocheis» des Joseph Iscanus, das sich mit dem sogenannten dritten Kreuzzug befasst, waren es nicht die Waffenhandlungen oder einzelne Kämpfer, die einen Rückgriff auf Troja evozierten. Dass der in Anlehnung an Geoffreys «Historia» erfolgte Bezug auf die trojanische Herkunft und die Taten des Artus285 dennoch gelegen kam, um die Prävalenz der Engländer zu unterstreichen, ist vor dem Hintergmnd der Auseinandersetzungen zwischen Philipp II. Augustos und Richard Löwenherz sowie ihrer Teilnahme am dritten Kreuzzug anzunehmen. -

-

279 Die «Gesta Francorum Et Aliorum Hierosolimitanorum» berichten über den Zeitraum 1095-1099 und sind von einem unbekannten Augenzeugen vor 1101 verfasst worden. Edition: Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum, ed. 77///, 1962. Über Autorschaft, Werk und den historischen Kontext vgl. u. a. die Einführungen von Rosalind Hill am Anfang ihrer Edition, ebd., IX-XLII; Witzel, Gesta Francorum, 1955; Oehler, Gesta Francorum, 1970. 280 Siehe S. 143. 281 Nee uir nee mulier abstinet a lacrimis./Urbs Asiae regni capul, Priameia Troia,/Carmina quam Grecis subiaeuisse fuerunt,/[...j. Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 2, 2002, Nr. 134, 2-43 «Adelae Comitissae», hier 13, w. 364-366. 282 Vgl. Schein, Tankred von Tarent, 1997. 283 Vgl. Pabst, Radulf von Caen, 1995. 284 Ultus itaque qua lieuit Raimundum Tancredus, potentiorem astutior, corpori caput abscissum restituit, dum Trojae suae Ilium Boamundo reddit. Gesta Tancredi auetore Radulfo Cadomensi, ed. RHC, 1866, Kap. 98, 675. 285 Vgl. S. 107-109.

129

4. Variabilität

Im weiteren Kontext der Kreuzzüge ist schließlich ein Bericht des Angelsachsen Saewulf über eine Pilgerreise in das Heilige Land (1102/1103) zu erwähnen. Selbst in seiner fragmentarischen Form stellt dieses Werk die beste Beschreibung über Reisen im Mittelmeerraum dar, welche im lateinischen Westen aus dem 12. Jahrhundert überliefert ist.287 Im letzten Satz, mit dem der Bericht abbricht, schreibt der sich bereits auf der Rückreise in der Nähe von Konstantinopel befindende Autor: „[...] wir kamen in das berühmte Marmara-Eregli (civitas Raclea), wo Helena von Paris Alexander geraubt wurde, was die Griechen bezeugen können".288 Saewulfs Reisebericht ist im Untersuchungszeitraum ein einzigartiges Zeugnis dafür, dass der antike Mythenstoff bei Reisen in den Orient thematisiert wurde und man sich durchaus über die Lokalisierung der historischen Stätten des Trojanischen Krieges Gedanken machte. Im Untersuchungs(zeit)raum sind keine weiteren Überliefemngen bekannt, die Anhaltspunkte dafür liefern könnten, ob und, wenn ja, wo man das historische Troja lokalisierte. Immerhin lässt Saewulfs Zeugnis vermuten, dass man die Geschehnisse des Trojanischen Krieges im byzantischen Reich, genauer in der Küstenregion um Byzanz, ansiedelte. In spätmittelalterlichen Reiseberichten trifft man dann häufiger auf Versuche, Troja und andere Orte des antiken Mythos zu lokalisieren.289 4.2.2.2 Helden und

,Antihelden'

Dass die Protagonisten des Trojanischen Krieges beliebte Vergleichsfiguren waren, mit denen Eigenschaften wie Schönheit oder Tapferkeit gepriesen werden konnten, ist vor allem von literatorwissenschaftlicher Seite mehrfach betont worden.290 Die antikisierenden Romane sind wohl das bekannteste Beispiel, an dem sich diese Art von Troja-Bezug veranschaulichen lässt.291 Daneben ist Balderich von Bourgueil zu nennen, ein Kenner und Nachahmer klassischer Literatur, der gezielt Vergleiche zu antiken Helden zog, um zeitgenössische Persönlichkeiten zu lobpreisen. Wie in einigen seiner Epitaphien deutlich wird, waren die Antagonisten Hektor und Achill bevorzugte Vergleichsfigu-

wenige, was über Saewulf und seinen Pilgerbericht bekannt ist, nebst Angaben über frühere Editionen: Saewulf, Peregrinationes, ed. Huygens, 1994, Preface, 7f. Ausführlicher zur Reiseroute mit Karte Pryor, Saewulf, 1994, 36-57.

286 Das

287 288

289

Vgl. ebd., 57. [...] postea inde remoti venimus ad Racleam civitatem egregiam, unde Helena rapta fuit a Paridi Alexandro testantibus Grecis. Saewulf, Peregrinationes, ed. Huygens, 1994, 77.620-622. Zur Identifizierung der civitas Raclea: Pryor, Saewulf, 1994, 56. Ein Hinweis auf den Troja-Bezug bei Saewulf (ohne Stellenangabe) findet sich bei Jung, Trojanerkrieg, 2001, 20. Wie Volker Reichert zeigte, wurden im Mittelalter die Orte der Epen nicht zielgerichtet aufgesucht, zumal die genaue Lage Trojas unbekannt war. Anders als in der Antike habe es keinen „ausgesprochenen Troia-Tourismus" gegeben. Vgl. Reichert, Spuren Homers, 2006, hier 266. Siehe auch die Ausführungen bei Kammerer-Grothaus, Levante- und Troasreisen, 2005. Vgl. exemplarisch Müller, Das höfische Troia, 2004, 119.

290 291 Siehe den «Roman de Troie» und den «Roman d'Enéas», auf die hier Detail eingegangen wird und für die reiche Literatur zugänglich ist.

aus

Platzgründen

nicht im

130

II.

Metamorphosen eines Mythos

An ihnen maß er Bouchard de Montrésor, einen jungen Ritter namens Raherius und eine weitere unbekannte Persönlichkeit, um deren kriegerische Leistungen gebührend hervorzuheben.292 Auf das Heldenpaar Hektor-Achill nahm Balderich ein weiteres Mal Bezug, als er die auf einem Wandbehang im Palast der Gräfin Adela von Blois-Chartres293 dargestellte Eroberung Englands beschrieb, ohne dabei jedoch eine direkte Verbindung zu einer bestimmten Persönlichkeit herzustellen. Eine Gegenüberstellung mit den mythischen Gestalten des Trojanischen Krieges konnte indes nicht nur zum Vorteil der genannten Person ausfallen, sondern sich in das Gegenteil verkehren. So gibt Hektars Tod in der «Ylias» des Joseph Iscanus295 nicht etwa Anlass für einen pathetischen Vergleich, sondern für eine bissige Bemerkung über den Tod des englischen Thronfolgers Heinrich des Jüngeren „Es fiel, o weh!, die einzige Hoffnung der Phrygier, der kriegerische Hektar/fiel. Hätte ihm die Natur unsterbliche/Glieder gegeben, dann hätte Jupiter ihn mit seinen abzufeuernden Blitzen,/die er gerade losschleudern wollte, nicht getroffen. Aber/die Parzen merkten, dass er ihrer Macht widerstand,/merkten es und zerschnitten den abrollenden Faden der blühenden Jugend./[...] Genauso war in Hektorschem Zorn entbrannt/unser wagemutiger Heinrich III. ein König, über den der ältere/Brite lachte; ein Herzog, über den der Norman97 ne lachte; ein Zögling, über den der Franzose/lachte." Auffälligerweise wurden die antiken trojanischen Heroen in der Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts und davor kaum als Helden wahrgenommen, die Inbegriff kriegerischer bzw. ritterlicher Tugenden gewesen wären. Die trojanischen duces und re-

ren.

(1183)296:

-

292 Prouidus in uerbis, robustus et acer in armisJCausidicus Cicero, belliger Hector eras. (Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 1, 1998, Nr. 58, 60f, hier 60, w. 7f); Raherius, miles fiortis uelut alter Achilles, /Dispar in nullo laudibus Hectoreis,/[...]. (ebd., Nr. 61, 62, w. If); Pads amator eras et eras sic pads amator,/Hector ut ipse tarnen belliger extiterls. (ebd., Bd. 2, 2002, Nr. 212, 144, w. 2f). Zur Identifizierung des Burchardus mit Bouchard de Montrésor (de Monthesauro) ebd., Bd. 1, 1998, 183, Nr. 56, Anm. 1. Mit Raherius war wohl nicht, wie früher angenommen, Raherius de Mabillon gemeint, sondern ein heute nicht näher bekannter junger Ritter; vgl. ebd., 184, Nr. 59, Anm. 1. Der Adressat des Gedichts Nr. 212 ist unbekannt. 293 Ausführlicher hierzu S. 143. 294 Non Hector tantus Grecos, nee tantus Achilles/Strauit Troianos, fiortis uterque tarnen. Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 2, 2002, Nr. 134 «Adelae Comitissae», 15, w. 445f 295 Siehe S. 135f. 296 Heinrich (III.) ,der Jüngere' war einjährig als Thronerbe anerkannt worden und wurde im Alter von fünf Jahren mit Margaret, Tochter des französischen Königs Ludwig VIL, verheiratet. Eine (zweite) Rebellion gegen seinen Vater Heinrich II., der ihn von der faktischen Macht fernhielt, kostete ihn das Leben. Vgl. Critchley, Heinrich der Jüngere, 1989. 297 Occidit, heu, spes una Frigum, Mavortius Hector/Occidit; eternos cui si natura dedisset/Artus, ipse suos iaculandos Iupiter ignes/Ocia tradurus ultro mandasset. At Mum/Imperiis sensere suis obsistere Parce./Sensere et viridis crescentia fila iuvente/[..J Tantus in Hedoreas audax exereverat iras/Tercius Henricus noster, quo rege Britannus/Maior, quo duce Normannus, quo Francus alumpno/Risit; [...]. Joseph Iscanus, Frigii Daretis Yliados, ed. Gompfi 1970, Buch 5, 176f, w. 525-536.

131

4. Variabilität

ges scheinen vielmehr historisiert, sind Handelnde und Wandelnde in weit zurückliegenden Zeiten der Menschheitsgeschichte, verkörpern in erster Linie Herrscherfiguren und Heerführer. Erst durch den Einfluss höfischer Elemente wurden sie gewissermaßen ,re-heroisiert'. Diese Beobachtung gilt nicht nur für die Flüchtlinge aus Troja, sondern auch für ihre Nachfahren. Noch bei Geoffrey von Monmouth ist Brutus mehr ein mustergültiger Feldherr und Anführer als ein Kämpfer mit ritterlichen Tugenden. Als der erste ,wirkliche' Held im Bereich der Historiographie betritt ebenfalls bei Geoffrey der entfernte, aber als solcher nicht mehr wahrgenommene Trojaner-Abkömmling Artus die Bühne. -

4.2.2.3 So wie

es

Dares und

-

Dictys berichten ...298

große griechische Dichter Homer wurde im Mittelalter oft als unglaubwürdiger Augebrandmarkt.299 Die mittelalterlichen Vorbehalte gegenüber der «Ilias» und «Odyssee» und ihre ablehnende Charakterisierung als ficta bzw. fabula lassen sich als ein Echo erklären, das ausgehend von Piaton über Cicero, Augustinus und christliche Apologeten bis in das hohe Mittelalter nachhallte.300 Größere Glaubwürdigkeit schienen zeitgenössische Autoren dem Phrygier Dares und dem Kreter Dictys zuzumessen. Deren Werke «Historia De Excidio Trojae» bzw. «Ephemeris Belli Trojani» wurden als Augenzeugenberichte wahrgenommen und boten nach damaliger Auffassung verlässliche Angaben darüber, was sich wirklich während des zehnjährigen Trojanischen Krie' ges zugetragen hatte. Die dem Dares zugeschriebene, in recht trockenem Stil302 gehaltene Erzählung «Über den Untergang Trojas» beinhaltet vor allem die Fahrt der Der tor

com dit Daires e Dids. Roman de Troie par Benoît, ed. Constans, Bd. 4, 1908, 156, v. 25988. Ähnlich an anderen Stellen: ebd., 69, v. 24395; 164, v. 26144; 386, v. 30303. 299 Dieser Hinweis beispielsweise bei Lienert, Deutsche Troiadichtungen, 2001, 204. Gegenteilig konstatierte Volker Reichert in einem jüngst veröffentlichten Aufsatz, dass man Homer im Mittelalter „über die Maßen geschätzt habe", und zwar ohne dass mittelalterliche Autoren dessen Werke direkt gekannt hätten und trotz vielfacher moralischer Verurteilungen des Dichters. Vgl. Reichert, Spuren Homers, 2006, 257-259, Zitat 257. 300 Vgl. Roman de Troie par Benoît, trad. Baumgartner, 1987, Repères, 14. Eingehender dazu auch Anonimi Historia Troyana Daretis Frigii, ed. Stohlmann, 1968, 12-14; Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, llf. Einer der Autoren, die Homer deshalb als unglaubwürdig ablehnten, weil er kein Augenzeuge gewesen sei, war Benoît de Sainte-Maure: Omers, quifu ders merveillos/E sages e esciëntos,/Escrist de la destrucionJDel grant siege e de l 'acheison/Por quei Troie fu désertée, /Que one puis ne fu rabitee./Mais ne disipas sis livres veirJQuar bien savons senz nul espeir/Qu'il ne fu puis de cent anz nez/Que H granz oz fu assemblez:/N'est merveille s'il i faillit/Quar one n'ifu ne rien n'en vit. Roman de Troie par Benoît, éd. Constans, Bd. 1, 1904, Prologue, 3f, w. 45-56. 301 Vgl. Roman de Troie par Benoît, trad. Baumgartner, 1987, Repères, 14; Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983; Roman de Troie par Benoît, éd. Constans, Bd. 6, 1912, Introduction

298 Si

IV, 192-234.

302 So Roman de Troie par

Benoît, trad. Baumgartner, 1987, Repères, 14.

132

//.

Metamorphosen eines Mythos

auf der Suche nach dem Goldenen Vlies viele Abenteuer bestehen dieser nur schwer zwischen dem 475. und 6./7. Jahrhundert datier3 baren lateinischen Prosaerzählung ist unbekannt. Bei dem sich im Prolog als Cornelius Nepos bezeichnenden Übersetzer des vermeintlichen Augenzeugenberichts des Dares handelt es sich um einen spätantiken Autor, der das Werk angeblich dem römischen Historiker Sallust widmete.304 Erstmals in der Fortsetzung der «Fredegar-Chronik» fassbar, erfreute sich die «Historia De Excidio Trojae» im Mittelalter großer Beliebtheit, und das wohl nicht allein aus inhaltlichen Gründen (ähnlich wie bei Dictys greifen die Götter nicht handelnd in die Geschehnisse um Troja ein)305 oder wegen ihrer Verwendung im Grammatik-Unterricht306, sondern sicherlich auch wegen des Stellenwerts, der ihr in den «Etymologien» Isidors von Sevilla zugedacht wurde, wo Dares Phrygius als erster „Historiker" neben Moses und Herodot genannt wird.307 Ist die «Geschichte über Trojas Untergang» aus trojanischer Perspektive geschrieben, so werden die Ereignisse um Troja in dem mit dem Namen Dictys verbundenen Werk aus griechischer Sicht geschildert. Die griechische Fassung datiert wohl in das Jahr 66 n. Chr., wohingegen die lateinische Übersetzung frühestens im 4., vielleicht auch im 5. Jahrhundert angefertigt wurde.308 Berichtet wird vom Raub der Helena und von der Rückkehr der Griechen nach dem Troja-Krieg, ihren Abenteuern und dem Tod des Odysseus. In der Epistel am Anfang der «Ephemeris Belli Troiani» gibt sich Lucius Septimus als lateinischer Übersetzer des griechischen Originals aus. Dieses in einem Papyrus aus dem 3. Jahrhundert überlieferte Werk erwies sich in der byzantinischen Literatur als einflussreich. Dagegen blieb die Rezeption der lateinischen Version im Okzident weit hinter derjenigen des Dares-Textes zurück.309

Argonauten, die

mussten. Der Autor

303 Sichere

Anhaltspunkte Erzählungen 1983,28.

für eine

Datierung sind nicht überliefert. Vgl. Eisenhut, Spätantike Troja-

304 Umstritten ist in diesem Zusammenhang auch, ob von der Existenz einer griechischen Vorlage auszugehen ist. Siehe Heyse, Dares, 1986, 571. 305 Vgl. ebd., 57If 306 Siehe Faivre D 'Arder, Circulation des manuscrits de Darès, 2000, T. 2, Kap. 2. 307 De primis auctoribus hisioriarum. Historiam autem apud nos primus Moyses de initio mundi conscripsit. Apud gentiles vero primus Dares Phrygius de Graecis et Troianis historiam edidit, quam in foltis palmarum ab eo conscriptam esseferunt. Post Daretem autem in Graecia Herodotus historiam primus habitus est. Isidori Etymologiaram Libri, ed. Lindsay, 1911, Buch 1, Kap. 42 (ohne S.). Auf diesem Wege hat der Verweis auf Dares beispielsweise Eingang gefunden in die sogenannte «Chronik Romualds von Salerno». Vgl. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 14.26-28. 308 Vgl. Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 22-24 u. 28. Mit der Datierung der griechischen «Ephemeris» des Dictys in das Jahr 66 n. Chr. weicht Eisenhut von der communis opinio ab, die bis dahin von einer Entstehung im 4. Jahrhundert ausging. 309 Vgl. Heyse, Dictys, 1986. Dagegen Werner Eisenhut, der die Dictys-Rezeption als „glänzenden Siegeszug [...] im Osten wie im Westen" bezeichnete. Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 14.

4. Variabilität

133

Die mittelalterliche Überlieferung beider Werke steht in engem Zusammenhang mit der «Ilias Latina» des Baebius Italicus aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert. Bereits im 576. Jahrhundert wurde die «Ilias» vermutlich durch Dictys ergänzt. In einem für die spätere Überlieferung wichtigen Codex des 8./9. Jahrhunderts aus Saint-Riquier (Nordost-Frankreich) waren neben einem Werk mit dem Titel «Historia Homeri Ubi Dicit [i. e. Dictys] Et Dares Phrygius» Texte zahlreicher weiterer Autoren wie Eusebius von Caesarea, Hieronymus oder Plinius integriert. Nimmt man die Handschriftenüberlieferung als Maßstab, so fand die «Ilias Latina» noch vor der Jahrtausendwende ihre größte Verbreitung, und zwar zusammen mit den ebenfalls der Troja-Thematik gewidmeten «Historia De Excidio Trojae» und «Ephemeris Belli Troiani» des Dares und ' Dictys. Aus der Aufnahme der drei Texte in Sammelhandschriften und Florilegien während des 10. bis 12. Jahrhunderts ist abzuleiten, dass diese (und natürlich andere) Werke zu Unterrichtszwecken verwendet wurden.312 Ein zunehmendes Interesse an den ,Augenzeugenberichten' des Dares und Dictys lässt sich gegen Ende des 11. Jahrhunderts besonders in Frankreich und England erkennen.313 In Italien wurden beide Autoren während des Hochmittelalters kaum Ausgehend von Frechulf von Lisieux, dessen später zu einem Werk zusammengefügte Chroniken in den 820er- Jahren entstanden 15, lassen sich gewisse Einflüsse der «Historia» des Phrygiers Dares auch in der späteren (Welt-)Chronistik annehmen316, wenngleich sich die intertextuellen Verbindungen heute als derart komplex darstellen, dass mit Blick auf den Troja-Mythos kaum nachvollziehbar ist, ob Frechulfs Geschichtskompilation oder die von ihm zugrunde gelegten Quellen in direkter oder indirekter Weise weitergewirkt haben. Ähnlich verworren sind die Abhängigkeitsverhältnisse bei einer Reihe von Dichtungen aus dem 12. Jahrhundert, namentlich dem Gedicht «Viribus arte minis» des Pierre de Saintes (Petms Sanctonensis), den Versen «Divitiis regno specie» des Simon Aurea Capra, dem anonym überlieferten «De Excidio Troiae» (1140), der ebenfalls anonymen «Historia Troyana Daretis Frigi» (um 1150) sowie dem «Liber Maiolichinus». Bei den genannten Werken ist es heute kaum mehr möglich zu emieren, ob die «Ilias Latina» oder ein Kompendium, das auch Texte von Dares und Dictys vereinte, die Inspirations-

rezipiert.314

quelle bildeten.317

Zu Autor und Überliegerungsfragen: Baebii Ilias Latina, ed. Scaffai, 1982, Introduzione, 11-57. Vgl. ebd., 29-32. Hierzu ebd., 31-33. Siehe Faivre D Arcier, Circulation des manuscrits de Darès, 2000, T. 2, Kap. 1 (ohne S.). Erst im 14. Jahrhundert setzte eine Rezeption bei Autoren wie beispielsweise Petrarca und Benzo d'Alessandria ein. Vgl. ebd. 315 Zu Frechulf von Lisieux grundlegend und mit weiterführenden Angaben: Frechulphus, Repfont, Bd. 4, 1976; Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur, Bd. 1, 1975, 396-399; C7oez, Weltchronik des Frechulf von Lisieux, 1961; Schelle, Frechulf von Lisieux, 1952. 316 Siehe Goez, Weltchronik des Frechulf von Lisieux, 1961. 317 Marco Scaffai erwähnt die genannten Dichtungen im Zusammenhang mit der Rezeptionsgeschichte der «Ilias Latina» (vgl. Baebii Ilias Latina, ed. Scaffai, 1982, Introduzione, 33f; dort 310 311 312 313 314

134

//.

Metamorphosen eines Mythos

Unter denjenigen Überlieferungen, die sich im 12. Jahrhundert in die Tradition der Dares und Dictys zugeschriebenen Werke einordnen lassen, war der «Roman de Troie» des Benoît de Sainte-Maure wohl der Die Thematisierung der Argonauten bei Geffrei Gaimar319 legt allerdings nahe, dass Dares Phrygius das literarische Schaffen im England des 12. Jahrhunderts bereits inspirierte, bevor Benoît seinen «Troja-Roman» verfasste.320 Benoîts «Roman» kann als eine in der Nähe zu den normannischen Reimchroniken stehende Frühstafe des höfischen Romans gelten und war Eleonore von Aquitanien gewidmet. Entstanden war es vermutlich um 1165 nach dem Beispiel des «Roman d'Alexandre», des «Roman de Thèbes» und des «Roman d'Enéas».322 In den «Troja-Roman» wurde neben dem Troja-Stoff, für den sich der Autor überwiegend auf Dares und (weniger oft) auf Dictys beruft historisches, geographi-

erfolgreichste.318

,

318

319 320 321 322

323

auch weiterführende Literaturhinweise). Gerade ein Werk wie die «Historia Troyana Daretis Frigii», die in expliziter Weise auf Dares Bezug nimmt, verdeutlicht die Problematik bei dem Versuch einer eindeutigen Bestimmung der Quellengrandlagen. Zu Pierre de Saintes und Simon Áurea Capra siehe auch S. 141 f. u. 145; zum «Liber Maiolichinus» S. 125f. Die anonyme «Historia Troyana Daretis Frigii» wird hier nicht eingehender behandelt, weil ihr Entstehungsort und -kontext nach wie vor ungeklärt ist und sie sich keiner der drei Großregionen eindeutig zuordnen lässt. Vgl. Anonimi Historia Troyana Daretis Frigii, ed. Stohlmann, 1968, 139. Er ist in mehr als dreißig Handschriften vollständig überliefert und wurde seiner Beliebtheit wegen im Mittelalter mehrfach umgearbeitet. Als exponierte Beispiele seien an dieser Stelle genannt: der Prosaroman «La Destruction de Troyes la Grant» des Jacques Milet (15. Jh.), die deutsche Übersetzung im «Liet von Troye» bei Herbort von Fritzlar (zwischen 1190 und 1217) sowie das «Buch von Troye» des Konrad von Würzburg (1287). Siehe Gnädiger, Benoît, 1980, 1918. Grundlegend zur Verwendung des Dares und Dictys im «Roman de Troie»: Roman de Troie par Benoît, ed. Constans, Bd. 6, 1912, Introduction IV, 192-263. Siehe auch oben S. 101. Vgl. Jung, Geffrei Gaimar, 1989. Vgl. Gnädiger, Benoît, 1980, 1918. Nicht nur die Datierung des «Roman de Troie» (so Gnädiger, Benoît, 1980, 1918 [um 1165]; Beckmann, Trojaroman und Normannenchronik, 1965, 70 [vor 1173]; Joseph Iscanus, Werke, ed. Gompfi 1970, 7 [im Jahr 1184]), sondern auch die relative Chronologie der antikisierenden Romane waren Gegenstand zahlreicher Debatten. Ohne dass diese Fragen endgültig geklärt wären, hat sich seit Faral und Langlois die folgende Reihenfolge durchgesetzt: «Roman de Thèbes» ca. 1150-«Roman d'Enéas» ca. 1160-«Roman de Troie» ca. 1165. Vgl. Schöning, ThebenromanEneasroman-Trojaroman, 1991, 7 (unter Verweis auf Faral, Recherches, 1967); Langlois, Chronologie, 1905. Dares (Daire, Daires, Darès): Roman de Troie par Benoît, ed. Constans, Bd. 1, 1904, 6f, w. 91-

116; 29, v. 538; 104, v. 2064; 158, v. 3119; 159, v. 3145; 270, v. 5201; 284, v. 5442; 288, v. 5510; 345, v. 6527/Bd. 2, 1906, 31, v. 8839; 236, v. 12440; 253, v. 12720; 340, v. 14094/Bd. 3, 1907, 16, v. 15200; 76, v. 16262; 223, v. 18970; 228, v. 19082; 279, v. 20034; 286, v. 20151; 339, v. 21187; 351, v. 21419/Bd. 4, 1908, 38, v. 23810; 69, v. 24395; 70, v. 24400; 156, v. 25988; 164, v. 26144; 386, v. 30303; in indirekter Weise: Bd.l, 1904, 47, v. 914 u. 920; 103, v. 2035; 105, v. 2078; 204, v. 3990/Bd. 2, 1906, 371, v. 14571; 373, v. 14602/Bd. 3, 1907, 133, v. 17348; 218, v. 18877; 397, w. 22302-22305/Bd. 4, 1908, 31, v. 23680; 71, v. 24422. Dictys (Ditis): Bd.l, 1904, 34, v. 649/Bd. 4, 1908, 69, v. 24395; 70, v. 24.397 u. 24.405; 71, v. 24418; -

135

4. Variabilität

sches und kosmologisches Wissen aus anderen Quellen eingearbeitet. Benoît selbst betonte im Prolog seinen Anspruch auf eine objektive und wahrheitsgetreue Darstellung des Trojanischen Krieges und zog dabei vor allem die antiken ,Augenzeugenberichte' als Gmndlage heran.325 Ihm lag daran, mit seinem Historien-Roman dem Leser die Begebenheiten vom Untergang Trojas als Bestandteil der eigenen Vorgeschichte verständlich, das heißt nicht in Latein, zu vermitteln.326 Die Erzählung dreht sich um die Fahrt der Argonauten, von der Ausfahrt zur Erobemng des Goldenen Vlieses bis zum Tod des Odysseus, wobei Kampfszenen, Liebesabenteuer (Medea-Jason, Briseis-Tro'r'lus, Briseis-Diomedes, Polyxene-Achill), Objektbeschreibungen und Bildung zentrale Motive sind. Besonders stark typisiert erscheinen bei Benoît die Allenthalben begegnen Anachronismen, denn die Personen des Romans leben, handeln und kämpfen wie im Mittelalter. So wird die Stadt Troja beispielsweise als ideale mittelalterliche Stadt und Modell eines königlichen Machtzentrums beschrieben, als uneinnehmbare Festung, in der es Reichtum, Vergnügungen und alle anderen „agréments du monde" im Überfluss gibt. Wie Troja ist auch die zentrale Heldenfigur Hektor dem Untergang geweiht, der sich jedoch aufbäumt gegen das von den Göttern beschlossene Schicksal. Eine poetische Ausgestaltung des ,Augenzeugenberichts' des Dares Phrygius ist mit der «Ylias» des Joseph Iscanus aus dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts überlie-

Frauengestalten.327

97, v. 24907; 121, v. 25338; 136, v. 25614; 156, v. 25988; 164, v. 26144; 173, v. 26306; 187, v. 26567; 214, v. 27047; 225, v. 27273; 263, v. 27985; 206, v. 28043; 276, v. 28230; 279, v. 28277; 286, v. 28424; 346, v. 29537; 358, v. 29764; 386, v. 30303. 324 Die Ausführungen bei Dares und Dictys sind ergänzt durch Passagen von antiken Autoren wie Ovid, Statius oder Hygin. Vermutlich kannte (und benutzte) Benoît auch die anonyme «Historia Troyana». Vgl. Anonimi Historia Troyana Daretis Frigii, ed. Stohlmann, 1968, bes. 166 u. 172; Roman de Troie par Benoît, ed. Constans, Bd. 6, 1912, Introduction IV, 234-263. 325 En maint sen avra l'om retraitJSaveir com Troie fit periefMais la verte est poi oïe. Roman de Troie par Benoît, ed. Constans, Bd. 1, 1904, Prologue, 3, w. 42-44; ähnlich an anderer Stelle im Prolog: Si voust les faiz metre en mémoire: /En grezeis en escrist l'estoire./Chascun jor ensi l'e-

326

327 328 329

scriveit/Come il o ses ieuz le veeit./Tot quant qu'ilfaiseient lejor/O en bataille o en estor./Tot escriveit la nuit après/Icist queje vos di Darès: /One por amor ne s'en voust taire/De la verte dire e retaire./Por ço, s'il ert des TroïensJNe s'en pendié plus vers les suensJNe mais que vers les Grezeis fist: /De l'estoire le veir escrist. Ebd., 7, w. 103-116. Siehe dazu auch Roman de Troie par Benoît, trad. Baumgartner, 1987, Repères, 13 u. 15. [...] demostrer/Que l'om i ait pro e honorJQu'ensi firent U ancessor./[...]/Que de latin, oujo la truis./Sej 'ai le sen e sejo puisJLa voudrai si en romanz metre/Que cil qui n 'entendent la letre/Se puissent déduire el romanz: /Moût est l'estoire riche e granz/E de grant uevre et de grant fait./ [...J/Le latin sivrai e la letreJNule autre rien n'i voudrai metreJS'ensi non com jol truis escrit./Ne di mie qu 'aucun bon dit/N'i mete, se faire le saiJMais la matire en ensivrai. Roman de Troie par Benoît, éd. Constans, Bd. 1, 1904, Prologue, hier 1, w. 4-6; 2, w. 35-41 u. 9, w. 139144. Vgl. bes. De Florio-Hansen, Zwischen Epos und höfischem Roman, 1971. Siehe Roman de Troie par Benoît, trad. Baumgartner, 1987, Repères, 16f. Vgl. ebd., 20.

136

II.

Metamorphosen eines Mythos

fert. Dem Autor lag am Herzen, die Wahrheit über Troja zu schreiben, weshalb er sich in seinem Epos explizit von den scheinbaren Lügenmärchen Homers oder Vergils distanzierte und stattdessen auf den ,authentischen' Bericht des Dares bezog.331 Die Erzählung beginnt bei der ersten Zerstörung Trojas (Buch 1), fährt fort mit dem Urteil des Paris (Buch 2) und dem Raub der Helena (Buch 3), beschreibt die involvierten Helden und Frauengestalten (Buch 4) und berichtet schließlich vom Ende des Trojanischen Krieges (Buch 5) und dem Untergang Trojas (Buch 6). Briseis' Erwähnung in Buch 433" deutet darauf hin, dass Joseph Iscanus den «Roman de Troie» kannte, geht doch die Briseis-Diomedes-Passage auf Benoîts kreative Schreibfeder zurück.333 Auffälligerweise stellen alle hier im Zusammenhang mit der Dares- und Dictys-Rezeption genannten Beispiele versifizierte Adaptionen dar. Die dichterische Form bedeutete jedoch nicht, dass es sich hierbei in den Augen der Zeitgenossen um fiktionale Literatur handelte. Im Gegenteil unterstrichen die Autoren durch den Bezug auf die als echt wahrgenommenen Augenzeugenberichte ausdrücklich den Tatsachengehalt ihrer Erzählungen und stellten sich auf diese Weise in die Tradition der Historiographie. 4.2.3

Chronologie und Komputistik

Wann immer sich mittelalterliche Gelehrte im christlichen Abendland mit vergangenem Geschehen auseinandersetzten, taten sie dies auf zwei Ebenen: einer faktischen und einer transzendentalen. Dass bestimmte Ereignisse stattgefunden hatten oder ein bestimmter Herrscher gelebt hatte, daran ließen Geschichtsschreiber erkennbar an Wahrheitspostulaten und Berufungen auf Autoritäten keinen Zweifel aufkommen. Mit dem vermittelten Vergangenheitswissen öffnete sich gleichzeitig der Blick für eine weitaus größere Dimension, diejenige des zeit- und raumübergreifenden Walten Gottes. Diese christlich-mittelalterliche Wahrnehmung der Geschichte spiegelt sich auch in den TrojaBezügen. Dabei steht die faktische Dimension, also das Wissen um die zehnjährige Belagerung Trojas, in antiker Tradition. Mehr noch: Der Trojanische Krieg war der Überund dazu ein äußerst folgenlieferung nach der erste Krieg seit reicher. Als solcher konnte er nicht allein zu Vergleichen herausfordern, sondern auch -

-

Menschengedenken334

330 Zur Datierung siehe Joseph Iscanus, Werke, ed. Gompfi 1970, 19-21. Bate zufolge wurde die «Ylias» Anfang der 1180er-Jahre begonnen und später mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Vgl. Joseph of Exeter, Trojan War, ed. Bate, 1986, 5. 331 Vgl. Joseph Iscanus, Frigii Daretis Yliados, ed. Gompfi 1970, Buch 1, 78, w. 24-32 sowie Joseph Iscanus, Werke, ed. Gompfi 1970, 16. 332 Vgl. ebd., Buch 4, 145, w. 156-162. 333 Vgl. Anonimi Historia Troyana Daretis Frigii, ed. Stohlmann, 1968, 166; Roman de Troie par Benoît, trad. Baumgartner, 1987, Repères, 22. 334 Vgl. Zimmermann, Der Trojanische Krieg, 2003, bes. 399; Brunner, Deutsche Troialiteratur,

2001,212.

4. Variabilität

137

einem chronologischen Eckdatom werden und welthistorische Bedeutung erlangen336. Nicht die Bibel legte dafür die Gmndlagen, sondern die Kirchenväter Augustinus und Hieronymus, bei denen antike Traditionen mit christlichen Deutongsschemata verschmolzen. Troja wurde auf diese Weise als Teil der Profangeschichte in die Heilsgeschichte integriert.337 Besonders deutlich wird diese Dialektik der historischen Dimensionen in universalgeschichtlichen Werken, wo Zeitberechnungen in Kombination biblischer und profanhistorischer Ereignisse erfolgen konnten. Zählungen nach Regierungsjahren eines Herrschers, Generationenfolgen oder in Synchronismen (Aneinanderbindung zweier bzw. mehrerer Ereignisse zwecks Fixiemng in der Zeit) waren bereits bei Eusebius von Caesarea anzutreffen, der für die mittelalterliche Universalchronistik prägend war. Eusebius hatte den Christen ein „neues Zeitbewusstsein" verschafft, wobei die Ursprünge der von ihm verwendeten Zählweisen unterschiedlich alt waren. Als das wohl wichtigste und zugleich einschneidendste Geschehnis des Trojanischen Krieges nahmen mittelalterliche Historiographen die Einnahme liions wahr. Um genaue Aussagen darüber treffen zu können, wann diese stattgefunden hatte, zogen sie zum Beispiel Regiemngszeiten von anderen (nicht-trojanischen) Herrschern hinzu. So schrieb Heinrich von Huntingdon, dass Troja im fünfzehnten Herrschaftsjahr des mykenischen Königs Agamemnon bzw. im dritten Jahr des jüdischen Richters Abdon erobert wurde.339 Der ,historische' Teil dieser Datiemng begegnet in ähnlicher Weise in der sogenannten «Chronik Romualds von Salemo». Hier erfahrt der Leser, Troja sei im fünfzehnten Jahr, nachdem Agamemnon bei den Mykenem zu herrschen begonnen hatte, besiegt worden.340 Den biblischen Teil der Datiemng findet man dagegen beispielsweise bei Rigord, wo neben der Information, Troja sei im dritten Jahr des jüdischen Richters Abdon eingenommen worden, hinzugefügt ist, dass dasselbe Ereignis im zwölften Jahre, nachdem Josua die Führung der Israeliten übernommen hatte, stattgefunden habe. Darüber hinaus schreibt Rigord, Troja sei in der Zeit des vierten jüdischen Rich-

zu

335 Dazu auch Brunner (Hrsg.), Deutsche Trojaliteratur, 1990, Vorwort, 3: „Die Zerstörung Trojas markierte wie die aus ihr folgende Gründung Roms ein Eckdatum der Zeitrechnung, einen Fixpunkt der Weltgeschichte.". Ähnlich Graus, Troja, 1989, 29f. 336 Exemplarisch Müller, Das höfische Troia, 2004, 123; Brunner, Deutsche Troialiteratur, 2001, 212. 337 Der wichtige Einfluss der beiden Kirchenväter Augustinus und Hieronymus auf die Ausprägung der verschiedenen Versionen des Troja-Mythos in der mittelalterlichen Chronistik ist wiederholt betont worden. Zuletzt Coumert, Mémoire de Troie, 2006, 328f, 332. 338 Vgl. Bodmann, Jahreszahlen und Weltalter, 1992, 54-82. 339 Tune Agammennon Micenis regnauit annis triginta quinqué. Cuius anno quinto décimo, Troia capitur. [...] Huius [i. e. Labdoni] imperii anno tercio, Troia capta est. Henrici Historia Anglorum, ed. Arnold, 1879, Epístola Regi Henrico, Buch 8, Kap. 22, 510; Kap. 24, 512. 340 [...] Agamenón Micenis imperat annos XXXVcujus anno XV Troja capitur. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 14.15f. 341 [...] Tertio Xe anno, Abdon, judiéis Israel, qui duodecimus fuit a Josué capta est Troja. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 43, 210.18f.

138

//.

Metamorphosen eines Mythos

ters, der hier Aiot genannt wird, erbaut worden und habe 185 Jahre lang gestanden. Alle genannten Autoren benutzten für ihre Datierungen die kurze Wendung Troia capta est bzw. Troia capitur. Sie erinnert an die von Hieronymus fortgeführte Weltchronik des Eusebius von Caesarea, wo mit den zwei Worten Troia capta auch optisch durch die Verwendung größerer Lettern eine sehr deutliche Zäsur innerhalb des weltgeschichtlichen Ablaufes markiert wird.343 Neben der chronologischen Verbindung relativ dicht beieinander liegender Ereignisse, wie sie soeben an einigen Beispielen demonstriert wurde, begegnet man, wenn auch selten, absoluten Datierangsversuchen. Das Attribut „absolut" meint hier einen chronologischen Bezugspunkt, auf den hin die Datierung aller Ereignisse ausgerichtet ist, wie zum Beispiel das für unsere Zeitrechnung übliche Jahr Null (Christi Geburt). Überliefert ist ein solcher Ansatz bei Rigord, der an einer Stelle innerhalb seiner Chronik den Fall Trojas zu einem festen Fixpunkt machte, indem er berechnete, dass Christas 1176 Jahre nach Trojas Untergang geboren sei, während bis zum Beginn von Chlodwigs Herrschaft insgesamt 1660 Jahre verstrichen seien.344 In den Kontext dieser chronologischen bzw. datierenden Troja-Bezüge gehören auch Rekurse auf die Regenten Trojas. Als Beispiel mag ein kurzer Passus bei Heinrich von

Huntingdon genügen,

in dem auf die

Abfolge zweier trojanischer Könige eingegangen

wird: „Priamus herrschte nämlich anschließend nach Laomedon in Troja".345 Mitunter konnten dem Leser dabei weitere Informationen nahegebracht werden. So weiß etwa die sogenannte «Chronik Romualds von Salerno» zu berichten, dass „in jener Zeit [d. h. zum Zeitpunkt von Josuas Tod] Troja voller Viergespanne [ergo mächtig] war und Trous dort als erster König

regierte".346

Die von mittelalterlichen Geschichtsschreibern gebrauchten formelhaften Wendungen wie „x Jahre nach dem Untergang Trojas" oder „während der Regierangszeit des trojanischen Königs [...] geschah [...]" sind im Grande nichts anderes als relative Zeitberechnungen, wie wir sie heute auch gebrauchen, wenn wir ein Ereignis „fünfzig Jahre nach Kriegsende" oder „achtzehn Jahre nach dem Mauerfall" zeitlich zu verorten suchen. Obwohl in den datierenden Troja-Referenzen, wie sie in erster Linie in Ge342

Tempore Aiot, judicis Israel quarti, edificata fuit Troja

210.17f. 343 Vgl. Chronik des

344

345 346

et stetit

CLXXXV annis. Ebd.,

Kap. 43,

Hieronymus, ed. Helm, 31984, 60a.23, 60b.24, 61a.l, 61b.l. Abbildungen der entsprechenden Passagen sind publiziert bei Canclk, Der Troianische Krieg, 2001, 176-178. Allgemein hierzu Jung, Trojanerkrieg, 2001, 14. Zur griechischen und römischen Chronographie, auf der die Chronik des Eusebius-Hieronymus aufbaut, Cancik, Der Troianische Krieg, 2001. Et a captivitate Troje usque ad incarnationem Domini nostri Jhesu Christi fluxerunt anni Mille C septuaginta VI. [...] Et a captivitate Troje usque ad initium regni Clodovei, fluxerunt anni Mille DCLX. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 43, 210.19f. u. 212.2f. Tune etiam in Troia post Laomedontem regnauit Priamus. Henrici Historia Anglorum, ed. Arnold, 1879, Epistola Regi Henrico, Buch 8, Kap. 19, 510. losue CX annorum mortuus est. Eo tempore Troja in quadrigis uigebat, in qua Trous prius regnauit. Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, 13.13f.

4. Variabilität

139

schichtswerken mit universalgeschichtlichen Ansätzen anzutreffen sind, nur ein minimaler Ausschnitt des reichen Erzählrepertoires zur Sprache kommt, verdeutlichen diese, dass die Geschichte und das Nachleben Trojas integraler Bestandteil eines universal aufgefassten christlich-abendländischen Vergangenheitsbildes war. 4.2.4 Moral Kaum zu trennen von anderen Nuanciemngen innerhalb des Spektrums möglicher Troja-Bezüge ist der moralische Aspekt. Christlich eingefärbt, durchdrang er zur damaligen

Zeit die meisten Werke abendländischer Autoren und Künstler. Moralische Implikationen schwangen in nahezu allen überlieferten Troja-Mythemen mit, allerdings weniger häufig in expliziter Form. Moralisierende Urteile im Zusammenhang mit dem Troja-Stoff begegnen in der Literatur unter anderem bei der Suche nach den Ursachen für den Untergang Trojas. Hugo Primas von Orléans ( 1093/94-um 1160?) erklärte zum Beispiel die Tatsache, dass die flehenden Bitten der trojanischen Fürsten während der Belagerung durch die Griechen von den Göttern nicht erhört wurden, mit deren Gottlosigkeit und Unkeuschheit.348 Der Dichter wusste um die Vielgötterei bei den antiken Trojanern, führte aber nicht die falsche' Religion als Gmnd ihres Scheiterns an, sondern setzte voraus, dass die antiken Götter das Handeln der Menschen nach christlichen Wertmaßstäben beurteilten. Stark moralisierend ist in diesem Sinne auch ein Vergleich des Falls von Troja mit der Zerstömng Mailands durch die kaiserlichen Truppen im Frühjahr 1162, wie er sich beim Archipoeta findet. Indem der Dichter das Scheitern der Trojaner auf mangelnden Respekt gegenüber den Göttern zurückführte349, begründete er indirekt das Vorgehen gegen die Mailänder nicht allein mit deren Widerstand gegen die Ansprüche Friedrichs L, sondern stellte es als eine Folge ungenügenden Respekts gegenüber religiösen Glaubensgrundsätzen dar. Auf diese Weise wird Barbarossa zu einem gottgewollten Dichter und Magister Hugo von Orléans erlangte wegen seiner Verse den EhrennaPrimas und war in gewissen Kreisen des Weltklerus sehr geschätzt. Er war vor allem in Nordfrankreich, teils auch in England unterwegs und hielt sich für längere Zeit in Reims, Beauvais und Paris auf. Seit dem 13. Jahrhundert fließen in der Rezeption Gestalt bzw. Name des Primas mit denen des Archipoeta, Walter Map, Walter von Châtillon u. a. zusammen oder gehen in dem Sammelnamen „Golias" auf. Vgl. Schaller, Primas, 1991, 174; Langosch, Hymnen und Vagantenlieder, 31961, 294f; Oxforder Gedichte des Primas, ed. Meyer, 1970 (1907), 1-9 (75-83). 348 Vgl. Oxforder Gedichte des Primas, ed. Meyer, 1970 (1907), Nr. 9, 62 (137), w. 38-55. Siehe auch Kommentar 63 (138). 349 De tributo Cesaris nemo cogitabatjomnes erant cesares, nemo censum dabat;/civitas Ambrosii [i. e. Mailand] velud Troia stabatjdeos parum, homines minus formidabat. Gedichte des Archipoeta, ed. Watenphul/Krefeld, 1958, Text IX, 68-73, hier 69, Strophe 12. Zu diesem als „Kaiserhymnus" bekannten Gedicht, das wohl in Italien entstand, vgl. Archipoeta, ed. u. übers. Krefeld, 1992, 17 u. 109f. Näheres zum Autor und seinen Dichtungen ebd., 11-24; Gedichte des Archipoeta, ed. Watenphul/Krefeld, 1958, Einführung, 19-45. 347 Der

men

gelehrte

140

//.

Metamorphosen eines Mythos

Herrscher stilisiert, der als Werkzeug in der Hand Gottes die Mailänder für ihren Ungehorsam bestraft. Zu einem weiteren negativen Exempel gab der Troja-Stoff bei Heinrich von Huntingdon Anlass. In einem Hymnus auf die Kaiserin Mathilde ließ er die Protagonistin als Braut Christi in Erscheinung treten und stellte Irdisches und Himmlisches antithetisch gegenüber. Vergils Kriege bilden hier den Gegenpart zum göttlichen Frieden, während der Raub Helenas und der Luxus mit der Keuschheit von Heinrichs eigenen Liedern kontrastiert werden. Der Trojanische Krieg verkörpert hier kein leuchtendes Beispiel für große Schlachten oder heroische Kämpfe. Der Autor zog es dagegen vor, „lieber von himmlischen Gütern als von den Schlachten des elenden Troja" zu In ähnlicher Weise auf das Liebesmotiv Bezug nehmend, urteilte auch Balderich von Bourgueil moralisierend. Der Götterstreit, dem erst der Trojaner Paris ein Ende setzte, sei ein Beispiel, das veranschauliche, zu welchen Folgen kopflose Liebe führen -

-

sprechen.350

könne.351

Mit wieder anderer Konnotierung findet sich in der Hugo von Folieto zugeschriebeSchrift «De Claustro Animae» ein Bezug auf die Trojaner. Ausgehend von dem biblischen Psalm „Gräber sind ihr Haus für setzte er sich kritisch mit den Prankbauten der Menschen, insbesondere mit denjenigen der Könige und Bischöfe, auseinander und beklagte die miserable Situation der Armen: „Oh wunderbare, aber verwerfliche Ergötzung! Eine bemalte Wand trägt die mit Purpur und Gold bekleideten Trojaner, während den Christen alte Lumpen verwehrt werden. Waffen werden dem Heer der Griechen, dem Hektor ein goldglänzendes Schild gegeben, aber dem Armen, der vor der Tür bettelt, wird kein Brot gereicht, und, um die Wahrheit zu sagen, oft werden die Armen ausgezogen und mit Steinen und Holz bekleidet."354 Wie sich an diesen wenigen Beispielen zeigt, konnten ganz unterschiedliche Motive und Gestalten aus dem reichen Repertoire des Troja-Mythos Ausgangspunkt für Wertungen und Urteile werden. Gemäß dem christlichen Verständnis, nach welchem das nen

ewig"353

nos pads dona canamus;/Muñera nos Christi, bella Maro resonet./Carmina michi, fede non raptus HeleneJLuxus erit lubricis, carmina casta michi./Dona superna loquar, misère non prelia TroieJTerra quibus gaudet, dona superna loquar. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, De miraculis Anglorum, Buch 9, Kap. 34, 664.

350 Bella Maro resonet, casta

exemplum nobis lis ipsa dearum/Cui finem statuit Troicus ille Paris. Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 2, 2002, Nr. 154 (sogenanntes Mythologie-Fragment), 61-97, hier

351 Ponitur

71, w. 359-362. 352 Eine Autorschaft

Hugos von St. Viktor, wie sie von Migne postulierte wurde, gilt inzwischen als widerlegt. Grundlegend Peltier, Hugues de Fouilloy, 1946. Ps. 49 (48), 12: domos illorum sepulchra eorum in aeternum.

353 354 O mira, sed perversa deledatio! Trojanos gestat paries pidus purpura, et auro vestitos, Christianis panni negantur veteres. Graecorum exercitui dantur arma, Hectori clypeus, datur auro splendens, pauperi vero adjanuam clamanti non porrigitur pañis, et, ut verum jatear, pauperes spoliantur saepe, et vestiuntur lapides, et ligna. Hugonis De Claustro Animae, ed. Migne, 1854, Buch 1, 1019 D(li. Sp.).

4. Variabilität

141

Übel durch Sünden vemrsacht werde, versuchte man, den Untergang Trojas durch Fehl-

tritte und maßloses Handeln der Protagonisten zu erklären und dieses mit anderen Ereignissen bzw. Personen in Bezug zu setzen. Daneben beruhte die erwähnte Textstelle bei Hugo von Folieto auf einer Assoziation, welche die Trojaner bzw. ihre Nachfahren mit mächtigen Herrschern in Verbindung brachte und auf diese Weise zur Verkörperung des Luxus werden ließ.

Spielereien und stilistische Übungen Neben den bereits genannten Bedeutongsebenen bleibt an dieser Stelle ein letzter Aspekt zu vertiefen, der für die Rezeption und Verbreitung des Troja-Mythos im 12. Jahrhundert wichtig war. Er betrifft die sprachliche Ebene und zielt besonders auf die Rolle 4.2.5 Antike

antiker Autoren im mittelalterlichen Grammatik- und Rhetorikunterricht. So mancher überlieferter Geschichtensplitter gerade aus dem Bereich der Dichtung dürfte vordergründig auf das Bestreben zurückgehen, sich an antiken Autoren zu schulen und sich mit ihnen zu messen. Über eine Vervollkommnung von Syntax und Semantik, von Versmaß und Reim hinaus hatten mittelalterliche Poeten die Möglichkeit, phantasievoll die antiken Stoffe zu handhaben, mit ihnen zu spielen, sie umzudeuten. Anders als Homers Verse wurden diejenigen Vergils in der Regel nicht als Erfindungen abgetan. Der römische Dichter genoss während des Mittelalters den Ruf eines Propheten, wurde seine vierte Ekloge doch als Weissagung gedeutet, welche die Geburt Christi verkündete.355 Lehnten sich mittelalterliche Werke an die «Aeneis» an, so hatte das weniger mit ihrem Quellencharakter zu ton als vielmehr damit, dass Vergil als auctoritas, als stilistisches Vorbild, galt, an dem Lateinkenntnisse geübt und vollendet werden konnten. Nach einem ersten Rezeptionsschub während der Karolingerzeit bei den irischen und angelsächsischen Mönchen357 lässt sich erst seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wieder eine wachsende Anzahl von Abschriften und Bearbeitungen der Werke Vergils feststellen.358 In diese zweite Rezeptionsphase ist die um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstandene «Ylias» des Priors der Pariser Augustinerchorherrenabtei St. Viktor, Simon Aurea Capra (Chèvre d'Or), einzuordnen.359 Sie erzählt in mittelalterlichem Coleur von der 355 Siehe Holtz,

Virgile aux Ville et IXe siècles, 1985, bes. 9f. u. 17. 356 Vgl. Baswell, Virgil in Medieval England, 1995; Tilliette, ínsula me genuit, 1985, bes. 139-142. 357 Hierzu Holtz, Virgile aux Ville et IXe siècles, 1985, bes. 11-13. 358 Siehe Baswell, Virgil in Medieval England 1995, bes. 30-33. 359 Simon (um 1114 bis nach 1160) war wohl mit dem Hof des Grafen Heinrich ,1e Libéral' von der Champagne (um 1160 bis 1170) verbunden. Zur Biographie Cormier, Simon Chèvre d'Or's Ylias, 1985, 129. Zur «Ylias» ebd.; Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 4; Raby, Secular Latin Poetry, Bd. 2, 21957 (1934), 70f. Die aus zwei Teilen bestehende «Ylias» ist in drei Redaktionen überliefert, wobei die letzte den doppelten Umfang im Vergleich zur früheren Redaktion aufweist. Eine genaue Datierung ist bisher nicht gelungen; man verortet sie ungefähr in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Zu den Editionen nebst umfangreichen Literaturhinweisen: Simon Aurea

142

II.

Metamorphosen eines Mythos

Geschichte Trojas und ihres Haupthelden Aeneas, wobei letzterer wohl den Adressaten Zunächst als eider Dichtung, Heinrich ,1e Libéral' von der Champagne, ne Umgestaltung der Vergilschen «Aeneis» angelegt, fand in der letzten Fassung der ' «Ylias» auch Dares' «Historia De Excidio Trojae» Verwendung. Mit welchen Maßstäben auch immer man diese an antiken Vorbildern orientierte Versdichtang beurteilen die «Ylias» hatte auf die Gestaltung späterer Troja-Dichtangen, insbesondere der Roman-Literatur, großen Einfluss.363 Sie war mit den Worten Cormiers ein „greatly admired compendium of medieval rhetorical devices" und fand in Florilegien ebenso Aufnahme wie in anderen Exempelsammlungen rhetorischer Prosa und Poesie oder in Grammatiken.364 Von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der «Ylias» und volkssprachlicher Troja-Literatar ist dagegen nicht auszugehen. Neben Vergil muss auch Ovid unter denjenigen antiken Dichtern genannt werden, die für mittelalterliche Verarbeitungen des Troja-Stoffs bedeutsam waren. In England und Frankreich wurde Ovid seit dem 11./12. Jahrhundert zu einem der am meisten abgeschriebenen, gelesenen und nachgeahmten antiken Dichter. Zur umfangreichen Literatur der «Pseudo-Ovidiana»367 zählt der fiktive Briefwechsel zwischen Paris und Helena aus der Feder des Balderich von Bourgueil.368 Diese in Anlehnung an Ovids «Heroiden-Briefe» Nr. 16 und 17 verfassten Gedichte datieren in die Zeit zwischen 1060

verkörpert.360

mag362,

Capra, Ylias, Repfont, Bd. 10, 2005; Cormier, Simon Chèvre d'Or's Ylias, 1985, 129. Kritische Edition der langen Version: Ylias of Simon Aurea Capra, ed. Parrott, 1975. Die «Ylias» ist nicht

verwechseln mit der im ersten nachchristlichen Jahrhundert entstandenen «Ilias Latina» des Baebius Italicus, einer Kurzfassung der «Ilias», die im Mittelalter Homer und Pindar zugeschrieben wurde (Baebii Ilias Latina, ed. Scaffai, 1982; siehe auch S. 133). Hierzu Cormier, Simon Chèvre d'Or's Ylias, 1985, 136. Vgl. Stohlmann, Simon Aurea Capra, 1976, 346; Cormier, Simon Chèvre d'Or's Ylias, 1985, 131. Stellvertretend für die ältere Forschung das vernichtende Urteil von Monteverdi, Simone Capradoro, 1932, bes. 267, 271. Dagegen bezeichnete Raby die «Ylias» als ein wenngleich bisweilen schwer verständliches „Meisterstück" („masterpiece"). Raby, Secular Latin Poetry, Bd. 2, 21957 (1934), 70f. Vgl. Raby, Secular Latin Poetry, 21957 (1934), Bd. 1, 326. Deutlich wird der wegweisende Impetus des Werks vor allem anhand der Geschichte von Dido und Aeneas, welche u. a. die Darstellungen bei Chaucer und Konrad von Würzburg anregte. Hierzu Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, 1983, 4; Baswell, Virgil in Medieval England, 1995, 396 (Anm. 45 u. 47), 402 (Anm. 102), 403 (Anm. 109 u. 112), 404 (Anm. 122). Vgl. Cormier, Simon Chèvre d'Or's Ylias, 1985, 131; Eisenhut, Spätantike Troja-Erzählungen, zu

360 361 362

-

-

363

364

1983,4. 365 Dazu Cormier, Simon Chèvre d'Or's Ylias, 1985, 135f. 366 Vgl. Lehmann, Pseudo-antike Literatur des Mittelalters, 1927, 2. 367 Allgemein zu den Pseudo-Ovidiana vgl. Holtz, Virgile aux Ville et IXe siècles, 1985, 18. 368 Vgl. Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 1, 1998, Nr. 7 («Paris Helene»), 14-23; Nr. 8 («Helena Paridi»), 23-34. Ein Kommentar zu beiden Gedichten vgl. ebd., 155-166. Zu weiteren Werken Balderichs mit Troja-Bezug siehe S. 126-130, 140.

4. Variabilität

143

und widmen sich zwei Figuren, die der antiken Tradition gemäß Schlüsselgestalten für den Ausbmch des Trojanischen Krieges darstellten. Im ersten der beiden Briefe wird unter anderem eine längere Beschreibung Trojas als „Blüte Asiens"370 geboten. In einem weiteren von Balderich verfassten Briefwechsel versucht Floras371 den im Exil befindlichen Ovid zu trösten, indem er ihm die Größe seines dichterischen Schaffens mit folgenden Worten vor Augen führt: „Argus wird durch deine Verse getäuscht, durch deine Verse werden die Mauern Trojas zerstört, Venus weiß zu lieben durch deine Verse."3 Des Weiteren berichtet derselbe Dichter in einem elegischen Gedicht, welches um und 1079-1102

das Jahr 1100 für Adela von Blois-Chartres entstand, über Visualisierungen antiker Themen.373 Balderich erzählt hier von einem Besuch im Palast Adelas. Dieser gibt Anlass zu einer ausführlichen Beschreibung eines mit Teppichen behangenen Gemachs, in welchem sich das Bett der Gräfin befunden habe. Eine Wand sei mit einem gewebten Behang ausgekleidet gewesen, welcher die Eroberung Englands thematisierte. Auf den anderen drei Seiten hätten Teppiche Szenen aus der biblischen und profanen Vorgeschichte abgebildet: auf der ersten Wand die Schöpfung, das irdische Paradies und die Sintflut, auf der zweiten die Heilsgeschichte von Noah bis Judas und auf der dritten die griechische Mythologie, den Trojanischen Krieg und die römische Geschichte. „Nicht war die Seite des geschwungenen Tuchs [i. e. des Wandbehangs] ohne Paris", schreibt Balderich, „nicht fehlte der lange Zeit zurückliegende Untergang Trojas. Das antike Alba wird gegründet, Keim des römischen Reichs [...]." 74 Es ist umstritten, ob es sich bei den hier beschriebenen Teppichen um den berühmten, mit Wollfaden bestickten Leinenstreifen von Bayeux handelt.375 Berücksichtigt man, dass die dargestellten Szenen auf dem Wandbehang von Bayeux mit dem Jahr 1064 beginnen und keinerlei heilsge-

369 Als weitere mögliche Quellen nennt der Herausgeber auch die Gedichte «De Raptu Helenae» des Dracontius und «De Excidio Trojae» des Dares. Vgl. Œuvres poétiques de Baudri de Bourgueil, ed. Abrahams, 1926, 37. 370 Troia flos Asiae [...]. Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 1, 1998, Nr. 7, 18, v. 142. 371 L. Anneus Floras oder Julius Floras gilt als Verfasser der «Epitoma De Tito Livio». Aus stilistischen Gründen ist er auch mit dem Dichter P. Anneus Floras identifiziert worden, auf den vielleicht der fragmentarisch erhaltene Dialog «Vergilius Orator An Poeta» zurückggeht. Siehe dazu Pasoli, Floras, 1995 (1990); Schetter, Floras, 1995. 372 Argus decipitur uersibus absque tuisJVersibus absque tuis delentur moenia TroiaeJNouit amare Venus uersibus absque tuis. Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 1, 1998, Nr. 97 («Floras Ovidio»), 96-99, hier 97, w. 48-50. 373 Vgl. ebd., Bd. 2, 2002, Nr. 134 («Adelae Comitissae»), 2-43. Zur Datierung des Gedichts vgl. Œuvres poétiques de Baudri de Bourgueil, ed. Abrahams, 1926, 232. 374 Vgl. Nee uacat a Paride sinuosipagina ueli/Nec Troiae antiquum defuit excidium./Conditur Alba uetus, Romani semina regni,/[...j. Baudri de Bourgueil, Poèmes, ed. Tilliette, Bd. 2, 2002, Nr. 134 («Adele Comitissae»), 8, w. 201-203. 375 Zur Diskussion Ratkowitsch, Descriptio picturae, 1991, 62-64; Grape, Teppich von Bayeux, 1994, 61; Œuvres poétiques de Baudri de Bourgueil, ed. Abrahams, 1926, 244.

144

II.

schichtliche

Metamorphosen eines Mythos

Anspielungen enthalten und nimmt hinzu, dass nach herrschender Forschungsmeinung das Ende des Teppichs von Bayeux nicht erhalten ist7 so ist eine Identität mit der von Balderich beschriebenen Tapisserie nicht wahrscheinlich. Dennoch ist davon auszugehen, dass der Dichter den Teppich von Bayeux vor Augen hatte und trotz oder gerade wegen der Kenntnis von ihm in seiner poetischen Beschreibung Änderungen vornahm.379 Viele Motive auf dem Wandbehang der Adela von Blois können demnach als dichterischer Zusatz zu einem reellen Vorbild gedeutet werden. Aus einer gänzlich anderen Perspektive beschäftigte sich „der größte Vagantendichter Frankreichs"380 Hugo Primas von Orléans in zwei der insgesamt 23 bzw. 27 ihm zuschreibbaren Gedichte mit der Troja-Thematik. Er jongliert hier mit Szenen, ver,

,

versetzt sich in die Situation einzelner Gestalten, lenkt den Beauf das trachtungswinkel persönliche Empfinden. Wie Wilhelm Meyer und Karl Lanstellten die beiden trojanischen Hexametergedichte Hugos vielleicht gosch vermuteten, Stücke aus einem größerem Epos über die Heimkehr des Odysseus dar, das entweder nur bruchstückhaft überliefert oder vom Autor nicht weiter ausgeführt wurde. Überdies sei das Odysseus-Theiresias-Gedicht wegen der fehlenden Antwort des Theiresias wahrscheinlich unvollendet.382 „Berühmt war die Stadt..." (Urbs erat illustris) so beginnt das erste der beiden Gedichte, in welchem Hugo den Leser bzw. Zuhörer in die Lage eines Griechen versetzt, der das zerstörte Troja bedauert. Dieser klagt am Ende: „Entsinn ich dessen mich, denk, Troia, ich an dich,/Muß ich den Tränen wehren, will

tauscht die

Blickwinkel,

-

376 Hierzu Kuder, Teppich von Bayeux, 1994, 58. Ausführlich zu Datierung, Entstehung, Überlieferung, Inhalt und Bedeutung des Teppichs von Bayeux ebd.; Clermont-Ferrand, Anglo-Saxon Propaganda in the Bayeux Tapestry, 2004; Lewis, Rhetoric of Power in the Bayeux Tapestry, 1999; Grape, Teppich von Bayeux, 1994. 377 Vgl. Grape, Teppich von Bayeux, 1994, 23. Fehlte dagegen der Anfang, so ließe sich eine Identifizierung des von Balderich beschriebenen Wandbehangs schon eher plausibel machen, denn die heilsgeschichtlichen und antiken Szenen müßten chronologisch am Anfang der Darstellung platziert sein. 378 So deutete Wolfgang Grape die Zeilen Balderichs von Bourgueil als eine „Bildinterpretation des Teppichs vor dem Original" und ging davon aus, „daß Baudri den Teppich [von Bayeux, K. W.] selbst sah und sich von ihm zu seinem Gedicht anregen ließ. [...] Gerade seine allerdings nur zu vermutende Einzigartigkeit scheint den Teppich berühmt gemacht zu haben und die Phantasie des Dichters beflügelt zu haben." Grape, Teppich von Bayeux, 1994, 61. 379 Über die bei Balderich beschriebenen Wandteppiche eingehend bei Ratkowitsch, Descriptio picturae, 1991, 29-83, hier 63; zur Troja-Passage ebd., 51 f. 380 Langosch, Hymnen und Vagantenlieder, 31961, 292. Über Hugo Primas von Orléans siehe auch obenS. 139. 381 Karl Langosch übernahm von Wilhelm Meyer nicht die Untergliederung (A, B, C) einiger carmina und kam so auf die Zahl 27. Vgl. Oxforder Gedichte des Primas, ed. Meyer, 1970 (1907), 9f. (83f); Langosch, Hymnen und Vagantenlieder, 31961, 148-217. 382 Vgl. Langosch, Hymnen und Vagantenlieder 31961, 295f, 305; Oxforder Gedichte des Primas, ed. Meyer, 1970 (1907), 63 (138) u. 69 (144). -

-

4. Variabilität

145

mich der Schmerz verzehren." In «Post rabiem rixe» wird man zum Zeugen eines Gesprächs zwischen dem Seher Theiresias und dem Griechen Odysseus, der seiner verlorenen Schätze wieder habhaft werden möchte. Wenn man aus dem Mund der berühmten Heldengestalt der griechischen Mythologie vernimmt: „[...] Armselig klopf ich dort um Bissen an die Pfort;/Brach einst im wilden Lauf des Kampfes Tore auf/Jetzt springen Hunde los, bitt ich um Kramen bloß/Auf dessen Stormeszug einst Troja Lärmen schlug/wenn ich zur Mauer lief. Als Hektor lebte, rief/So oft die Stadt zur Wehr gen mich ihr sterbend Heer [,..]"384, dann ist sie hier auf ein gänzlich menschliches Maß herabgesetzt. Unsterblicher Ruhm und irdische Armut sind als Motive antithetisch gegen-

übergestellt. Durch textgeschichtliche Analysen kam André Boutemy zum Ergebnis, dass das Gedicht «Urbs erat illustris» des Hugo Primas von Orléans eine Adaption des in der Sammlung der «Carmina Burana» überlieferten «Pergama flere volo» darstellt.385 Aus dem 12. Jahrhundert sind weitere Bearbeitungen dieses berühmten Gedichtes überliefert.386 Für zwei von ihnen lassen sich die Autoren nicht mehr benennen.387 Eine wei383 Talia

cum memorem, nequeo cohibere doloremjquin de te plorem, cum de te, Troia, perorem. Oxforder Gedichte des Primas, ed. Meyer, 1970 (1907), Nr. 9, 62 (137), w. 56f. Die deutsche Übersetzung wurde zitiert nach Langosch, Hymnen und Vagantenlieder, 31961, Nr. 26, 211. Kommentar: Oxforder Gedichte des Primas, ed. Meyer, 1970 (1907), 62f. (137f). 384 [...] cum pro morsello miserabilis hostia pello,/qui férus in bello castrorum claustra revello,/ assiliuntque canes, dum quero per hostia panesjcuius ad assultum tollebat Troia tumultumjdum quaterem muros, totiens in me perituros/excivit cives urbs Hectore sospite dives! Oxforder Gedichte des Primas, ed. Meyer, 1970 (1907), Nr. 10, 66 (141), w. 89-94. In deutscher Übersetzung bei Langosch, Hymnen und Vagantenlieder, 31961, Nr. 27, 213-217, hier 217. Kommentar: ebd., 305, sowie in der Edition von Meyer, 66-70 (141-145). 385 Boutemy, Pergama flere volo, 1946, 234f Das Gedicht «Pergama flere volo» wurde zunächst fälschlicherweise Hildebert zugeschrieben; seine Autorschaft ist nach wie vor unbekannt (vgl. ebd., 234). Im Corpus der «Carmina Burana» sind weitere Troja-Gedichte überliefert, die sich jedoch nicht eindeutig zuordnen und lokalisieren lassen; vgl. Carmina Burana, Bd. 1.2, ed. Schumann, 1941, Nr. 98, 128-130 («Troie post excidum»); Nr. 99, 130-134 («Superbi Paridis»); 99a u. 99b, 134 («Amat amor Paridem» und «Prebuit Eneas»); Nr. 100, 135-138 («O decus»); Nr. 101, 139-160 («Pergama flere volo»). In deutscher Übersetzung: Carmina Burana, ed. u. übers. Fischer/ Berndt, 1974, Nr. 98, 340-345; Nr. 99, 344-347; Nr. 99a u. 99b, 346f; Nr. 100, 346-

353; Nr. 101,354-359. 386 Es ist davon auszugehen, dass das anonyme Gedicht «Pergama flere volo» während des 12. Jahrhunderts zumindest in Frankreich einen gewissen Einfluss hatte. Diese Vermutung äußerte Boutemy mit Blick auf die Adaptionen des Gedichts, die dessen großen Stellenwert aufzeigten. Vgl. Boutemy, Pergama flere volo, 1946, bes. 244. 387 Vgl. ebd., 234f u. 243f Das erste, ebenfalls zur Sammlung der «Carmina Burana» gehörende Gedicht «Fervet amore Paris» schildert in gereimten Distichen Ursache und Ausgang des Trojanischen Krieges. Die Verse erschöpfen sich bei Weitem nicht in einer Darstellung der Geschehnisse, sondern sind allenthalben durchwoben von emotionalen Ausdrücken, um die Beweggründe der kämpfenden Griechen und Trojaner hervorzuheben. Edition: Carmina Burana, Bd. 1.2, ed. Schumann, 1941, Nr. 102, 160-165; deutsche Übersetzung: Carmina Burana, ed. u. übers. Fi-

146

II.

Metamorphosen eines Mythos

«Viribus arte minis» stammt aus der Feder des bekannten Dichters Pierre de der wohl unter anderem als Erzieher des jungen HeinSaintes (Petrus rich II. wirkte.389 Pierres Zeilen, die voller gelehrter Anspielungen über Trojas Fall und Roms Gründung berichten, waren wohl für ein Experten-Publikum Moralisch-Didaktisches fehlte auch hier nicht, wurde doch durch die Stilisierung des Aeneas zu einem tagendvollen und kämpferischen Helden die impériale und genealogische Komponente des Troja-Mythos hervorgehoben. Wie die sich an klassischen Stilidealen orientierenden Dichtungen zeigen, war eine Adaption und Nachahmung antiker Vorbilder immer auch verknüpft mit christlichen Wertvorstellungen. Dabei verlieh jeder Autor seinen Versen eine persönliche Note, fügte neue Gedanken hinzu und stellte den Troja-Stoff in ein verändertes Licht. Gleichzeitig brachten die mittelalterliche Verse Hochachtung gegenüber den antiken Dichtern zum Ausdruck, galten sie doch als nachzuahmende Vorbilder. Obgleich sich die Poeten des fiktionalen Charakters der antiken Dichtungen durchaus bewusst waren, schwangen in ihren Worten gerade bei der Thematisierung dessen, was nach dem Untergang Trojas geschah auch andere Bedeutungsebenen mit, die aus der Historiographie bekannt gewesen sein dürften. tere

Sanctonensis)388,

-

-

gedacht.390

-

-

4.3 Fazit Das Spektrum an Varianten sowohl innerhalb der historiographischen Überlieferungen als auch durch die Einbeziehung von nicht-historiographischen Quellen ist erheblich breiter als dasjenige, auf welches die Geschichtsforschung bisher ihre Aufmerksamkeit richtete. Die anhand des gegebenen Überblicks betrachteten Bezugnahmen auf den Troja-Stoff in der italienischen, englischen und französischen Literatur des 12. Jahrhunderts führen vor Augen, dass die Idee trojanischer Ursprünge in historiographischen Werken nur eine unter mehreren Erscheinungsformen des Mythos war. Umgekehrt wurde der Gedanke trojanischer Herkunft auch in stärker literarisch geprägten Genera zum Thema. Besonders bei den anglonormannischen Reimchroniken, den antikisierenden Romanen oder den Dichtungen geschichtlichen Inhalts kann eine eindeutige Zuordnung zu den Kategorien Geschichtsschreibung bzw. Literatur, wie wir sie heute definieren,

scher/Berndt, 1974, Nr. 102, 358-361. Das zweite anonyme Gedicht aus 100 leoninischen Versen stellt nach Wilhelm Meyer keine Adaption des «Pergama flere volo», sondern eine gereimte Um-

arbeitung «Ilias Latina» dar. Ausführlicher dazu und zu dieser Dichtung: Meyer, Umarbeitung der

Ilias Latina, 1907. 388 Siehe Boutemy, Pergama flere volo, 1946, passim. Das Gedicht findet sich bei Migne als eine ununterbrochene Fortsetzung des von Simon Aurea Capra verfassten Troja-Gedichtes; vgl. Versus de excidio Trojae, ed. Migne, 1893, hier 1451 A-1454 A. 389 Dazu Baswell, Virgil in Medieval England, 1995, 46 u. 178. 390 Vgl. ebd., 178. 391 Ausführlicher zu diesen Aspekten ebd., 178-180.

4. Variabilität

147

nicht vorgenommen werden, ohne den Quellen Gewalt anzuton. Offensichtlich entsprach diese auch nicht dem zeitgenössischen Verständnis.392 Nimmt man historische Prosa und Poesie zu einem Komplex zusammen, dann ließe sich der Troja-Mythos im Sinne von Ur sprung s mythos im Wesentlichen als eine Domäne der Geschichtsschreibung bezeichnen, zumal für literarische Rekurse auf die Herkunftsidee Einflüsse aus der Historiographie anzunehmen sind. Allerdings wird eine Konzentration auf chronikale Überlieferangen, wie sie in der Geschichtswissenschaft üblich ist, der mittelalterlichen Praxis nur zum Teil gerecht. Fragt man nach der den Mythen innewohnenden Dynamik und Wandelbarkeit innerhalb eines konkreten historischen Kontextes und richtet dabei sein Augenmerk ausschließlich auf die Prosa-Geschichtsschreibung, bedeutet dies eine Verengung eines weitaus komplexeren Phänomens auf nur einen kleinen Ausschnitt. Konstraktionen trojanischer Herkunft stammten überwiegend aus der Feder klösterlich-klerikaler Geschichtsschreiber. Laien waren an der Produktion und Verbreitung von Herkunftserzählungen kaum beteiligt. Obschon die Erzählungen bisweilen auf den gleichen Quellengrandlagen beruhten, zeichnen sich sehr wohl regionalspezifische Charakteristika ab. In Frankreich überwiegen bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts Einflüsse aus dem «Fredegar» und dem «Liber Historiae Francorum», in England aus der britischen Version der «Historia Brittonum» und der anglonormannischen des Dudo von St. Quentin. Die italienische Geschichtsschreibung hatte dagegen in der «Historia Romana» des Paulus Diaconus einen wichtigen Referenztext, zeigte sich aber ansonsten recht uneinheitlich. In begrenztem Umfang sind die Ursprangserzählungen aus der Chronistik auch in die Kreuzfahrer- und Roman-Literatur eingegangen. Starke Bewegung bei der Arbeit am Mythos ist in erster Linie für England zu konstatieren, ausgelöst durch Geoffreys «Historia» und das große Interesse an antiken Themen in englischen Hofkreisen. Sich gegenseitig durchdrangen und aufeinander Bezug genommen haben besonders die französische und die anglonormannisch-englische Historiographie, selten jedoch mit dem Ziel, die überlieferten Traditionen zu harmonisieren und gemeinsame Ursprünge zu proklamieren. Meist ging es im Gegenteil vor allem darum, sich in der einen oder anderen Weise voneinander zu distanzieren. Die selbsterlebten oder berichteten Erfahrungen während der Kreuzzüge haben in zeitgenössischen Quellen nachhaltigen Niederschlag gefunden und häufig Assoziationen mit dem Trojanischen Krieg evoziert, durch welche die Autoren ihren Erzählungen Nachdruck und Anschaulichkeit verliehen, zugleich aber auch ihre Gelehrsamkeit präsentierten. Diese Formen der Bezugnahme sind verstärkt in Frankreich überliefert, lassen sich aber ebenso in den lyrischen Beschreibungen über die ,Sarazenenkriege' der pisanischen Flotte greifen. Daneben konnten Ereignisse und militärische Auseinandersetzungen, die wie der Trojanische Krieg von den Zeitgenossen als geschichtliche Einschnitte wahrgenommen wurden, zu Vergleichen animieren, so zum Beispiel der Brand 392 Siehe zuletzt Görich, Troia im Mittelalter, 2006, 122.

148

II.

Metamorphosen eines Mythos

Roms, die Schlacht

von Hastings oder die Belagerung Mantaas. Wollte ein Autor den Heldenmut und die kämpferischen Fähigkeiten zeitgenössischer Persönlichkeiten darstellen, konnte ihn das ebenso zu einer Berufung auf Elemente des trojanischen Mythenstoffs anregen. Manchmal implizierte ein solcher Bezug auch Kritik oder Skepsis an diesem Kapitel heidnischer Geschichte. Daneben vermochten antike Dichtungen über den Trojanischen Krieg und seine Helden (besonders Vergil und Ovid) oder als ,Augenzeugenberichte' wahrgenommene Troja-Erzählungen (Dictys und Dares) die Phantasie mittelalterlicher Literaten zu beflügeln. Durch die wenn auch nur ansatzweise erfolgte Kontextaaliserang der genannten Werke konnte deutlich gemacht werden, dass viele Troja-Erzählungen und -Bezüge aus klösterlichen Traditionen stammten, wobei den Benediktinerkonventen eine bedeutende Rolle zukam. Während sich, insgesamt gesehen, in England ein Großteil der erwähnten Schriften als hofnah charakterisieren lässt, zeichnet sich in Frankreich und viel mehr noch in Italien eine größere Dezentralität ab. Im Unterschied zu England und Frankreich besitzt die städtische Geschichtsschreibung in Italien einen wichtigen Stellenwert. Obwohl besonders die ursprangsmythischen Erzählungen innerhalb einzelner Untersuchungsregionen viele Ähnlichkeiten aufweisen, existierte zu keiner Zeit eine kanonisierte Geschichte des Trojanischen Krieges und seiner Folgen. Die individuellen Züge eines jeden Autors wirkten entscheidend an den Metamorphosen des Troja-Mythos mit und verliehen jeder Referenz auf den Stoff Einzigartigkeit. Bemerkenswert ist, dass ein Autor von Werk zu Werk in ganz unterschiedlicher Weise auf den trojanischen Mythenstoff Bezug nehmen konnte. Die Vielfalt und Vielzahl an Referenzen, wie sie hier kaleidoskopartig veranschaulicht wurden, spiegelt die „textinhärente" und „intertextaelle Offenheit" (Dentzien) von Mythen. Sie verweist sowohl auf den interpretatorischen und kreativen Raum innerhalb eines Textes als auch auf den Kreativitätsspielraum, der sich aus den unterschiedlichen Erzählvarianten ergibt.393 Kaum aber ist damit etwas darüber ausgesagt, welche gesellschaftliche Relevanz bzw. welches Wirkungspotential der Troja-Mythos im 12. Jahrhundert hatte. Denn der Gesichtspunkt, dass nicht alle Mytheme gleichermaßen relevant waren und fortwirkten, konnte nur gestreift werden. Es lässt sich an dieser Stelle zunächst festhalten, dass bestimmte intellektuelle Kreise ein zum Teil von antiken, zum Teil von mittelalterlichen Schreibern geprägtes Wissen um den Trojanischen Krieg und seine Folgen hatten und dieses Wissen unterschiedlich verarbeiteten.

393 Für Nicole Dentzien stellen die „text-inherent openness" und die „inter-textual openness" neben der „cultural openness" und der „historical openness" wesentliche Merkmale des Mythos dar. Vgl. Dentzien, Arthurian Tradition, 2004, bes. 19f, 24, 27, 30.

149

5. Transformationen Beschäftigung mit Quellengrandlagen, dem Freilegen von Erzählschichten1 und rezeptionsgeschichtlichen Fragen bündelt die Untersuchung des Aspekts mythischer Transformationen mehrere analytische Verfahren. Dauer und Wandel eines Mythos beIn der

ruhen auf dem Erzählen und Immer-Wieder-Neu-Erzählen eines bestimmten Stoffes. Die Arbeit am Mythos in Gestalt von Geschichten und Geschichtensplittern verändert zwar beständig die mythische Oberflächenstruktur, lässt den Kern aber insgesamt intakt. Für mittelalterliche Troja-Mytheme können in den meisten Fällen intertextuelle Bezüge nachgewiesen werden. Als Glieder in einer langen und oft verknoteten Kette von Überlieferungen stehen sie zwischen Tradition und individuellem Spielraum ein Spannungsverhältnis, welches nicht nur im Hinblick auf das dialektische Verhältnis von Konstruktion und Dekonstraktion eines Mythos von Interesse ist, sondern auch Rückschlüsse auf zeitgenössische Wahrnehmungen erlaubt. Besonders dort, wo vorgefundene Versionen Auslassungen oder Änderungen erfuhren, die fortwirkten, liegen Hinweise für sich wandelnde Verhältnisse und Bedürfnisse. -

5.1 Cremona -

Lokalgeschichte in heilsgeschichtlicher Perspektive

Als der Bischof Sicard von Cremona seiner Stadt trojanische Ursprünge zuschrieb, scheint er sich auf keine bestehende lokale Überlieferung gestützt zu haben. Zumindest kann auf der Basis der Quellenüberlieferang aus der Zeit vor Sicard kein weiterer Autor ausfindig gemacht werden, der mit Bezug auf Cremona eine vergleichbare Vergangenheitskonstraktion entworfen hätte. Einflüsse aus oralen Traditionen sind auszuschließen, da die Erzählung über die Frühgeschichte der Stadt und Region das Ergebnis eines kompilierenden Vorgehens war. In den beiden Troja-Passagen der «Crónica» sind vermutlich Informationen aus fünf verschiedenen Überlieferungen eingeflossen: der «Chronik» des Hieronymus, der «Origo Civitatum Italie Seu Venetiarum», der «Historia Langobardorum» und der «Historia Romana» des Paulus Diaconus sowie dem «Pantheon» Gottfrieds von Viterbo. Mit Ausnahme des «Pantheon», dessen direkte Benutzung 1

Dieses Vorgehen, Erzählschichten freizulegen, um so zu zeitgenössischen Deutungs- und Legitimationsstrategien vorzudringen, forderte in direktem Bezug auf den Troja-Mythos bereits Nicholas Birns, als er anmahnte, den Troja-Mythos nicht in erster Linie als „ideologische Mystifikation", sondern gleichermaßen vor dem Hintergrand historischer Usancen während anderer Epochen zu betrachten. Vgl. Birns, Trojan Myth, 1993, bes. 77f. Allgemein sei in diesem Zusammenhang auf die von Herwig Wolfram und Walther Pohl initiierten Forschungen über frühmittelalterliche origo-gentis-Erzählungen verwiesen, in denen häufig ein ähnliches ,Schicht-Verfahren' praktiziert wird. Im Hinblick auf die Quellengrandlagen gibt Oswald Holder-Egger in den Anmerkungen am Rand seiner kritischen Ausgabe wichtige Hinweise (Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 79 -

-

2

u.

151).

Korrekt ist der Verweis auf das «Chronicon Venetum

Quod Vulgo

Dicunt Altinate»

(ed.

150

II.

Metamorphosen eines Mythos

der Zeitnähe recht wahrscheinlich ist, lässt sich für die übrigen Werke nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie direkten oder indirekten Einfluss ausgeübt haben. Wie Oswald Holder-Egger herausgearbeitet hat, war Sicard bestrebt, den vorhandenen Quellenstoff geistig zu durchdringen und sich anzueignen. Deshalb erscheinen aus anderen Werken übernommene Passagen nicht im Wortlaut, sondern oft stark verkürzt und in einer veränderten Form. Diese Feststellung gilt auch für die Abschnitte, in denen der Troja-Stoff thematisiert wird. Die erste der beiden Troja-Passagen ist in die Erzählung vom dritten Weltzeitalter und während der Zeit Samsons5 noch vor der Herrschaft König Davids verortet6. Man spürt ihren kompilatorischen Charakter, denn der Erzählfluss ist nicht linear, sondern bricht mehrfach ab, um dann an einer chronologisch früheren Stelle noch einmal einzusetzen. Der unedierte, im Anhang transkribierte Passus7, in welchem Aeneas' Herkunft, Reisen und Herrschaft in Italien thematisiert werden, lehnt sich inhaltlich stark an die «Historia Romana» des Paulus Diaconus an.8 Was die anschließenden Passagen betrifft, so geht der Part über den Aeneas in der Herrschaft nachfolgenden Ascanius und die weiteren Latinerkönige offenbar auf die «Chronik des Hieronymus» zu-

aufgrund

eingebettet4

3 4

5 6 7 8

Simonsfeld, 1883) für die Aufzählung der angeblich von den Trojanern gegründeten Städte (79.20-25), die nach Roberto Cessi Teil einer umfangreicheren Kompilation, der sogenannten «Origo Civitatum Italie Seu Venetiarum», war (ausführlicher zu dieser Überlieferung S. 112). Neben Hieronymus werden für den Abschnitt Hisque temporibus [...] navigantes (79.25-27) die «Historia Scholastica» des Petras Comestor und für den Abschnitt Enee successit [...] XXXVIII annis (79.27-30) die «Historia Romana» des Paulus Diaconus genannt. Ob Sicard die «Hieronymus-Chronik» oder die weiteren angegebenen bzw. noch andere Werke direkt benutzte, ist ungewiss. Festzuhalten bleibt, dass sich der gesamte Passus (79.25-30) mit der «HieronymusChronik» belegen lässt und die anderen genannten Werke aus ihr die Informationen schöpften (siehe auch unten Anm. 9). Die Angabe, nach der Gottfrieds «Pantheon» in den Abschnitten 151.5-10 und 151.26-29 zugrunde lag, besitzt gewisse Plausibilität (vgl. Gotifredi Viterbiensis Pantheon, ed. Waitz, 1872, Part. XIV, Kap. 45, 140.24fr u.140.46; Part. XV, Kap. 25, 141.25fr; Part. XXII, Kap. 34, 199fr u. Kap. 40, 201 f.). Ebensogut aber könnte ein anderes Werk die Quelle gewesen sein, weil Gottfried in den genannten Passagen auf eine etablierte Version zurückgreift und die Troja-Etymologie nicht erwähnt. Auch die «Historia Langobardorum», auf die der Herausgeber der Sicardschen «Chronik» für die Passage hinweist (171.26-29), könnte als Vorlage gedient haben. Vgl. Pauli Historia Langobardorum, ed. Bethmann/Waitz, 1878, Buch 6, Kap. 16, 170.5-10 u. Kap. 23, 172.15-17. Vgl. Holder-Egger, Quellenkritik, 1901, 473; Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 21 Of. Siehe Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 79.20-30. Der hier edierte Abschnitt ist ein Auszug aus einem längeren Passus (CLM 314, fol. 19v, li. Sp., Z. 37- re. Sp., Z. 22; davon ediert re. Sp., Z. 3-22). Vgl. Ri. 16-18. Mit David beginnt die vierte aetas; vgl. CLM 314, fol. 20r. Vgl. S. 294. Siehe Anhang und vgl. Pauli Diaconi Historia Romana, ed. Crivellucci, 1914, Buch 1, Kap. 1, 7.3-14 u. 8.3-5.

5.

151

Transformationen

rück. Sicard übernimmt also überwiegend frühere Darstellungen, ohne deren Inhalt wesentlich abzuwandeln. Das gilt auch für die eingeschobene Erzählung über trojanische Städtegründungen in Venetien und der Lombardei. Durch ihre geschickte Platzierung veränderte sich aber der Aussagegehalt des gesamten Passus' entscheidend. Ganz als ob dem Autor beim Abschreiben der hinzugezogenen venezianischen Chronik ein kleiner Flüchtigkeitsfehler unterlaufen wäre, wurde aus Cormona Cremona:

Sicard, «Crónica» Socii quoque Enee de Troia exeuntes et in Italiam venientes edificaverunt

Adres civitatem, et

a

qua dicitur sinus Adriaticus,

Aquilegiam et Concordiam et Antinopolim,

Paduam, Veronam a quadam nobili domina sic nominatam, Gardisanam, Odevercum, Altinam, quod et Equilum nominatur, Auxolum, Tarvisium, Mantuam, Cremonam, Placentiam,

Crisopoli, Freynam, Mantuam [sie],

Veclo

Vercelli et alias civitates et municipio multa,

«Origo Civitatum» Vylliareni Mastalici, qui de Troia magna civitate cum sua uxore venit, Verona nomine, [...] fecit permultis argumentis mirabilia edificia subtus velut supra; instruxerunt in omni hornatione magna et precelsa civitate; a nomine uxoris sue Verona appellata est. [...] deinde vero recollegerunt se in antiqua Venecia ex diversis provinciis; edifficantes castra, manserunt ibi. Prima extitit Adres, qua hune mare ab illa civitate nomen accepit, quod Adriático sinum nominatur; deinde Aquilegia, nobilissima et precipua, et

Concordia, Antinopoli, Padua, Mantua, Verona, Gardisana, Ovederço et Altinensepulcherrima civitate et Auxolum, castellum pulcherrimum, qui a

terra usque

ad culmen mellorum

a

gradibus

ascendebat, Tarvisana, Cor mona LFreyna, Modena, vegla Vercellis, Plasencia, Crisopula, que Parma

appellata

est. tote iste, quas supra diximus, civitates et cetere alie, que innumerande sunt, et eum castellum Auxolum mirabile

edificaverunt ipsi Troiani, qui cum Enea, illorum princeps, quos antea gentilesfuerunt, venientes de illa antiqua magna quorum cives ab Enea died sunt Enetici.

Troia, que modo ab Enea nomine Andreati Enetici nuneupantur. Enetici namque laudabiles '' dieuntur.

Bei Sicard sind die entsprechenden Passagen umgestellt und nicht wörtlich wiedergegeben. Vgl. Chronik des Hieronymus, ed. Helm, 31984, 62b.21-26 (entspricht Sicardi Crónica, ed. HolderEgger, 1903, 79.25-27), 62b.l9f. (entspricht 79.27f), 64b.5-12 (entspricht 79.28-30) u. 62.b.l4f (entspricht 79.30). Die «Chronik des Hieronymus» bildete in weiten Teilen die Grundlage für die «Chronica» des Beda Venerabilis, welcher einer Einteilung in sechs Weltzeitalter gemäß Augustinus (De civ. Dei, Buch 22, Kap. 30) folgte. Hieronymus wiederum hatte die Chronik des Eusebius von Caesarea vom Griechischen ins Lateinische übertragen, bis zum Jahr 378 fortgeführt und im Rekurs auf die Traumbilder im alttestamentlichen Buch Daniel (Dan. 2,29-45 und Dan. 7,1 27) heilsgeschichtlich verankert. Dazu mit weiteren Literaturhinweisen: Gerwing, Weltende, 1997, 2168; Frank, Hieronymus, 1991, 3. 10 Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 79.20-25. Beim zweiten Mantuam handelt es sich wohl um ein Versehen, denn es müsste an dieser Stelle Modenam heißen. Vgl. auch den Hinweis ebd., Anm. 3. -

152

II.

Metamorphosen eines Mythos

In der gesamten interpolierten Passage erscheinen die genannten Orte neben dem nicht weiter lokalisierten Lavinium12 als die ältesten trojanischen Städte Italiens, ja als die ersten Gründungen der Trojaner nach liions Untergang überhaupt. Übernahm Sicard hier weitgehend den Tenor der Vorlage, so war doch die explizite Zugehörigkeit Cremonas zu diesen Städten neu.13 Nur schwer lässt sich indes beurteilen, zu welchem Zeitpunkt die herangezogene venezianische Tradition entstanden war. Früheste Notiz von ihr besitzen wir mit der zitierten «Origo Civitatam Italie Seu Venetiarum». Ob die Troja-Erzählung bereits Bestandteil ihrer ältesten Fassungen aus dem 10./11. Jahrhundert war oder vielleicht erst im 12. Jahrhundert hinzugefügt wurde, lässt sich nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht bestimmen.14 Sicards Troja-Exkurs über die Anfange der fränkisch-französischen Herrschaft innerhalb der Ausführungen über das sechste Weltalter enthält dagegen eine Reihe von Erzählelementen Priamus und Antenor, Skythien und Sicambria, Kaiser Valentinian und der Kampf gegen die Alanen, die Etymologie der Franci, der Zug nach Germanien und Thüringen, Markomir und Symone (i. e. Sunno) -, die auf Einflüsse aus dem «Liber Historiae Francorum» hinweisen.15 Dass auch die Städte Ravenna und Padua von den Trojanern gebaut worden seien, davon weiß das fränkische Werk allerdings nichts. Sicards Darstellung geht hier nicht auf den «Liber», sondern vielleicht auf ein Kapitel im «Pantheon» Gottfrieds von Viterbo zurück, wo sowohl über die trojanischen Ursprünge des französischen Königtums als auch über die Gründung der Stadt Padua durch Antenor und dessen dortige Bestattung berichtet wird.16 Gottfried wiederum hatte sich an der «Historia» Ottos von Freising orientiert, in der unter anderem Vergil als Beleg dafür zitiert wurde dass Antenor die Stadt Padua gegründet habe; über Antenors Grab steht dort jedoch nichts.18 Offenbar beruhte Gottfrieds Feststellung, „Antenor selbst [sei] eh-

,

11 12 13 14 15

Origo civitatum, ed. Cessi, 1933, Editio tertia, Vgl. Sicard, Crónica, im Anhang Zeile 7.

153.12-154.15.

Hierzu auch S. 66-69. Zur Textgenese der «Origo»-Überlieferangen siehe die Ausführungen in S. 112. Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 151.5-13, und entsprechend Liber Historiae Francorum, ed. Krusch, 1888, Kap. 1-5, 241-245. 16 Der Verweis auf Gottfried von Viterbo findet sich als Randbemerkung in der kritischen Edition Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, 151.5. Die relevante Stelle: Gotifredi Viterbiensis Pantheon, ed. Waitz, 1872, Part. 22, Kap. 40, bes. 201.11-42; weitere Erwähnungen der Gründung Paduas durch Antenor vgl. ebd., Part. XIV, Kap. 45, 140.24f. u. Part. XV, Kap. 25, 141.25f Ercole Brocchieri vermutete eine persönliche Bekanntschaft Gottfrieds mit Sicard, denn Gottfried sei auf einer seiner Reisen auch nach Cremona gekommen und habe dort Sicard mit seinem Werk bekannt gemacht. Diese Annahme lässt sich jedoch nicht durch Quellenzeugnisse untermauern. Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 90. 17 Vergil, Aeneis, 1, 242-247. 18 Vgl. Ottonis Historia de duabus civitatibus, ed. Hofmeister, 1912, Buch 1, Kap. 25, 56.17-58.6; zu Padua (ohne Referenz auf das Grab) ebd., 57.17-28.

5.

153

Transformationen

renvoll nach königlicher Sitte bestattet" in Padua „zu finden" (invenitur)19, auf einer erneuten Lektüre der schon von Otto herangezogenen Stelle in der «Aeneis», wo es heißt: „Hier hat er [Antenor] dennoch die Stadt Patavium [d. h. Padua] [gebaut] und die Teukrer [i. e. Trojaner] angesiedelt, hat dem Volk einen Namen gegeben und trojanische Waffen aufgestellt; jetzt liegt er [dort] zur Ruhe gebettet in stillem Frieden."20 Die behaupteten trojanischen Ursprünge Paduas und das in Padua vermutete Grab Antenors stellen demnach ein aus der römischen Dichtung reaktiviertes Mythenfragment dar. Nichtsdestotrotz wirft Gottfrieds Feststellung, Antenors Gebeine seien „heute" in der Stadt zu sehen bzw. befanden sich dort (hodie [...] die Frage auf, ob in Padua bereits vor der Überführung und Zurschaustellung des Sarkophags mit den vermeintlichen Gebeinen Antenors 1283/84 ein Grab des mythischen Gründers sichtbar existierte. In lokalen Überlieferungen sind keine diesbezüglichen Hinweise bezeugt. Auch die Möglichkeit, es könnte sich hier um eine spätere Interpolation in den Handschriften handeln, ist auszuschließen, denn die kritische Edition des «Pantheon» liefert keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Was schließlich die weder im «Pantheon» noch im «Liber Historiae Francorum» erwähnten trojanischen Ursprünge der Stadt Ravenna angeht, so handelt es sich um einen Zusatz, der wohl erst Anfang des 13. Jahrhunderts in einer später nicht weiter verwendeten Abschrift des Originals der «Crónica» eingefügt wurde.23 Es wäre lohnenswert zu wissen, wo genau diese Rezension entstand und wer ein Interesse daran hatte, auch Ravenna den Trojaner-Gründungen hinzuzugesellen. Leider fehlen aber die notwendigen Informationen, um in diesem Punkt zu weiterführenden Aussagen zu kommen. Anders als Sicards Exkurs über die trojanische Herkunft der Franken, welcher eine weitere Möglichkeit für eine Erwähnung trojanischer Städtegründungen in Oberitalien bot, besaß die ebenfalls in diesem Troja-Passus zu lesende Information, Arnulf von Metz habe seinem Sohn den trojanischen Namen Anchisus gegeben, für die Argumentation keine nennenswerte Bedeutung. Sie scheint auf die «Historia Langobardorum»

invenitur)21

Vermutung.22

19 20

Ibique Paduam civitatem edificantes, in qua hodie ipse Antenor honorifice sepultus more regio invenitur [..f. Gotifredi Viterbiensis Pantheon, ed. Waitz, 1872, Part. 22, Kap. 40, 201.18f. Hie tarnen die urbem Patavi sedesque locavit/Teucrorum et genti nomen dedit armaque fixit/Troia, nunc placida compostus pace quiescit. Vergil, Aeneis, 1, 247-49.

Siehe das Zitat oben in Anm. 19. Im kritischen Apparat werden keine anderen Lesarten vermerkt. Es gibt keinen Grund, hier Ungenauigkeiten anzunehmen, denn der Herausgeber Georg Waitz kennzeichnete an anderen Stellen akribisch kleinste Abweichungen in den Manuskripten. 23 In der Anmerkung i (ebd., 151.35) findet sich der Verweis auf den Münchener Codex (Nr. 1, CLM 314); die Interpolation datiert also in das 13. Jahrhundert (vgl. dazu die Ausführungen ebd., De Crónica Sicardi, 64f). Bei dem Münchener Manuskript handelt es sich um eine Abschrift (A) von der Urfassung (a); spätere Bearbeitungen gehen indes alle auf die Fassung B zurück (vgl. 21 22

=

ebd., 71).

154

//.

des Paulus Diaconus

Metamorphosen eines Mythos

und der kompilatorischen Arbeitsweise des Audieser Stelle auf eine möglichst vollständige Darstellung

zurückzugehen

geschuldet zu sein, der an bedacht war. Festzuhalten bleibt, dass sowohl Sicard von Cremona als auch ein uns unbekannter Bearbeiter der «Crónica» kleine, aber bemerkenswerte Veränderungen innerhalb ihrer Erzählungen vornahmen. Sie betrafen Städte in Oberitalien, die angeblich von den Trojanern erbaut wurden, und zeugen von dem Bemühen, die Geschichte einer Stadt bzw. einer Region in einen größeren Sinnzusammenhang einzuordnen. Sieht man von den staufernahen Autoren Otto von Freising und Gottfried von Viterbo einmal ab, dann ist Sicards trojanischer Stadtgründungsmythos der erste in Italien, der sich einigermaßen exakt datieren und damit in einem ganz konkreten historischen Kontext verorten lässt. Es ließe sich an diesem Punkt zwar einwenden, dass nicht mehr nachvollziehbar ist, auf welchem Wege der Autor zu seinen Informationen gelangte, ob er gar eine ältere Cremonenser Geschichtskompilation zur Hand hatte, in der bereits in ähnlicher Form von der trojanischen Gründung Cremonas die Rede war.25 Ein Blick auf Sicards Bildung und beeindruckendes Literaturschaffen26 legt aber nahe, dass er selbst es war, der den so umfangreichen Stoff universalgeschichtlich bearbeitete und dabei die oben beschriebenen Zusätze anbrachte. Der erste Italiener, der eine Weltchronik verfasste, war er entgegen mehrfacher Behauptungen nicht, denn das sogenannte «Chronicon Romualdi Salernitani» (Darstellungszeitraum bis 1178)28 sowie das «Speculum Regum» und das «Pantheon» Gotttors

24

Vgl.

Sicardi Crónica, ed.

Holder-Egger, 1903, 151.26-29;

Pauli Historia

Langobardorum,

ed.

Bethmann/Waitz, 1878, Buch 6, Kap. 16, 170.5-7 u. Kap. 23, 172.15-17. Arnulfs Sohn Anchisus ist mit dem Vater Pippins IL, Ansegisel, zu identifizieren. Hierzu und zur Konstruktion verwandtschaftlicher Verbindungen der Familie der Metzer Bischöfe mit den Karolingern siehe Reimitz, Konkurrenz der Ursprünge, 2004, 207f; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 100. Sowohl der Herausgeber Holder-Egger als auch Ercole Brocchieri halten es für möglich, dass Sicard zumindest teilweise auf frühere Sammlungen oder Florilegien zurückgegriffen hat (Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De Crónica Sicardi, 61; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 86). Allgemein zu den Quellen vgl. Holder-Egger, Quellenkritik, 1901; Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De Crónica Sicardi, 60-64; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 8690; Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1009. 26 Umfassend zu Biographie und Œuvre Sicards von Cremona im S. 265-270. 27 Diese Behauptung bei Aris, Sicard, 1995; Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1009; Manser, Sicard von Cremona, 1937, 529, und in der Einleitung zur kritischen Edition (Sicardi Crónica, ed. 25

Holder-Egger, 1903, 60).

28

Das Romuald von Salerno zugeschriebene «Chronicon», welches in weiten Teilen eine Kompilation mehrerer anonymer Autoren zu sein scheint, behandelt die Weltgeschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Jahr 1178 und folgt dabei dem sechs-aefaies-Schema. Das Werk ist damit das erste überlieferte Beispiel einer Weltchronik in Italien (siehe Romualdi Salernitani Chronicon, ed. Garufi/Carducci/Fiorini, 1935, Prefazione, V; Hoffmann, Hugo Falcandus und Romuald von Salerno, 1967, 143; D'Alessandro. Romuald von Salerno, 1995).

5.

155

Transformationen

frieds von Viterbo (gest. 1192) folgten bereits zuvor universalgeschichtlichen Ansätzen. Der Tenor in den jeweiligen Troja-Passagen ist dort jedoch gänzlich verschieden. Für den unbekannten Kompilator des «Chronicon» hatte die Ankunft des Aeneas nichts Positives. Scheinbar pflichtgemäß ging er auf die in älteren Werken verbrieften trojanischen Latinerkönige und deren kulturelle Neuschöpfüngen ein. Für keinen zeitgenössischen Regenten wurde eine bis in die Antike oder in biblische Zeit zurückreichende Herrschaftstradition aufgezeigt, ebenso wenig wie für eine bestimmte Stadt der Nachweis mythisch-trojanischer Ursprünge angestrebt wurde.30 Bei Gottfried von Viterbo durchzieht dagegen eine lückenlose, auf Verwandtschaft beruhende Linie von den trojanischen Königen bis zu den staufischen Kaisem die gesamte Darstellung. Rekurse auf die Trojaner sind deshalb nicht wie bei Sicard und im «Chronicon» ausschließlich auf diejenigen Teile des Werks beschränkt, in denen die Vorgeschichte thematisiert wird.31 Keineswegs kann davon ausgegangen werden, dass die in den Troja-Erzählungen vermittelten Aussagen durch das literarische Genus der Universalchronik vorgeprägt waren. Im Gegenteil: Es blieb viel Raum für Interpretationen, den jeder Autor auf seine Weise ausfüllte. Wie nachhaltig aber war Sicards Versuch, die Stadt Cremona auf trojanische Fundamente zu stellen? Nimmt man die Handschriftenüberlieferang als Indikator, so scheint die «Crónica» kaum verbreitet gewesen zu sein. Neben der Münchner Handschrift, die vom Anfang des 13. Jahrhunderts datiert, existierte vermutlich ein weiteres, heute verlorenes Manuskript aus jener Zeit, auf das die übrigen erhaltenen Codices des 14. und vor allem des 15. Jahrhunderts Oswald Holder-Egger vermutete, Sicard habe im Vorfeld seiner Teilnahme am Kreuzzug (1202-1205) ein oder zwei Abschriften des Originals in Cremona zurückgelassen, von denen dann ohne sein Wissen weitere Kopien angefertigt worden seien.33 Wie auch immer man sich die Zirkulation von Sicards Manuskripten vorzustellen hat, die um 1185 begonnene «Chronik» scheint im Jahr 1201 im Großen und Ganzen fertiggestellt und nach der Rückkehr des Autors aus dem Orient nur noch um einige Zusätze ergänzt worden zu sein.34 -

-

zurückgehen.32

29

30 31 32 33 34

Sowohl das 1183 verfasste «Speculum Regum» als auch das «Pantheon» (mehrere Rezensionen 1187-1190) beginnen bei den Anfangen der Weltgeschichte und führen die Erzählung fort bis zu Heinrich VI. Beiden Werken liegen keine adates als chronologisch-heilsgeschichtliches Gliederangsprinzip zugrunde. Das «Speculum Regum» besteht aus zwei Büchern, während das «Pantheon» in dreiunddreißig partícula eingeteilt ist. Ausführlicher dazu S. 117-119. Hierzu insbesondere S. 110-112. Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 93-96; Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 179f Vgl. Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 184. Dass Sicard wohl 1185 mit der Abfassung der «Chronik» begonnen hatte, legen die vielen Details aus der Geschichte Cremonas nahe, welche der Autor wahrscheinlich erst nach der Rückkehr von seinen Studien und im Zusammenhang mit der Übernahme des Bischofsamtes in Cremona einfügte. Für die Abfassung einer Chronik mit stadtgeschichtlichen Details hätte es wohl zuvor kaum ei-

156

II.

Metamorphosen eines Mythos

Eine über das nördliche Italien hinausgehende Rezeption erfuhr Sicards «Crónica» aber nicht.35 Auszugsweise verwendet wurde sie bei Johannes de Deo aus Bologna (gest. 1253), dem Genuesen Iacopo de Vorágine (gest. 1298), dem Florentiner Dogen und Chronisten Andrea Dándolo (gest. 1354) und dem Mailänder Dominikaner GalvaKeiner dieser Autoren erwähnte jedoch die trojanischen no Fiamma (gest. nach Ursprünge Cremonas. Starke Einflüsse aus Sicards Werk lassen sich darüber hinaus in der «Crónica» des Franziskaners Salimbene de Adam (1221-1288/89) nachweisen. Allerdings ist diese nur als unvollständiges Autograph erhalten, dessen gesamter Anfangsteil fehlt, so dass offenbleiben muss, ob Salimbene Sicards Troja-Passage ausließ, übernahm oder abwandelte.37 Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde Sicards Geschichtswerk auch in der Universalchronik des Abtes Albert de Bezanis (Albertus Milioli) aus dem Kloster San Lorenzo in Cremona ausgeschrieben. Zwar werden die Trojaner hier innerhalb der dritten aetas behandelt, doch der von Sicard einge-

1344).36

Anlass gegeben, zumal Sicard in den Jahren davor an der «Summa» und dem «Mitrale» gearbeitet hatte. Wenn man die Entstehungszeit des Mitrale in die Zeit um 1195/1200 datiert (dazu unterschiedlich: Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1009; Stohlmann, Sicard, 2000, 557; Aris, Sicard, 1995; Picasso, Sicard, 1990, 811), so ist es gut möglich, dass Sicard die «Crónica» bzw. die Vorarbeiten zu ihr eine Zeit lang parallel dazu geschrieben hat. Er ergänzte sie nach der Rückkehr aus dem Orient (1205) um einige Kapitel bis zum 2. Juni 1213. Nach Sicards Tod (1215) finden sich Einträge bis zum Jahr 1220 von einem anderen Autor, die mit einem in Versen verfassten Erdbebenbericht aus dem Jahr 1222 enden. Vgl. dazu Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 180-185. 35 Zwar befinden sich heute alle erhaltenen Codices der «Crónica» Sicards außerhalb Italiens (einer vom Anfang des 13. Jahrhunderts in München, die anderen neun aus dem 14. und überwiegend 15. Jahrhundert in Deventer, Wien, Erfurt, Breslau, Prag), doch lassen sich keine genauen Aussagen darüber treffen, wann und auf welchem Wege die einzelnen Manuskripte an ihren heutigen Standort gelangt sind. Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 93-96. 36 Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De Crónica Sicardi, 72; Brocchieri, Sicardo di nen

Cremona, 1958,94-96. 37

Grundlegend zur Verwendung der «Crónica» Sicards von Cremona bei Salimbene: Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 188-245. Auf welcher Fassung Salimbenes Informationen beruhten, ist umstritten. Anselm Manser (Sicard von Cremona, 1937) vermutete, dass Salimbene eine sonst nicht überlieferte, erste Fassung der Sicard-«Chronik» vorgelegen haben könnte, deren Bericht bis 1201 ging und nach 1205 bis 1213 ergänzt wurde. Nach Ercole Brocchieri, der Holder-Eggers quellengeschichtliche Forschungen unverändert übernimmt, scheinen Salimbene sowohl der Münchener Codex als auch die verlorene Fassung, auf welche die übrigen Codices zurückgehen, vorgelegen zu haben (vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 96). Wie HolderEgger im Vorwort zur kritischen Ausgabe (Crónica Salimbene, ed. Holder-Egger, 1905-1913, XX) schreibt, fehlen von dem Autograph die ersten 207 Blätter. Die Edition beginnt daher mit -

fol. 208 im Jahr 1171. Neuere Literatur zu Salimbene bei Koller, Salimbene, 1995. 38 Dazu Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 186-188; Alberti de Bezanis Crónica, ed. Holder-Egger, 1908, IX; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 96. Alberts Chronik ist unter dem Titel «Crónica Pontificum Et Imperatoram» bekannt; ihr Darstellungszeitraum reicht bis 1370.

5.

157

Transformationen

schobene Abschnitt über die Städtegründungen wurde nicht übernommen. Es gibt demnach keinerlei Hinweise darauf, dass die Version von den trojanischen Ursprüngen Cremonas in späterer Zeit von den Gelehrten bewusst wieder aufgenommen und ausgebaut worden wäre. Auch andere stadtgeschichtliche Quellen liefern in dieser Richtung keinerlei Hinweise. Um diesen Befund zu kontrastieren, sei ein kleiner Exkurs in das spätmittelalterliche Venedig und Padua angebracht, wo aufbauend auf hochmittelalterlichen Überlieferungen eine intensive Beschäftigung mit der mythisch-trojanischen Vergangenheit erfolgte.40 Am Beispiel Paduas kann überdies gezeigt werden, dass der Troja-Mythos nicht nur in Werken, die sich mit der Stadtgeschichte beschäftigten, von Bedeutung war, sondern weit über gelehrte Kreise hinaus auch die Stadtbevölkerung involvierte. Bleibt man zunächst im spätmittelalterlichen Venedig, so fallt auf, dass die mythischtrojanische Vergangenheit im Umkreis der Dogen oder sogar von den Dogen selbst thematisiert und instrumentalisiert wurde. „Am Anfang waren die Trojaner", so beginnt der venezianische Geschichtsschreiber Martin da Canal41 nach einer ausführlichen Invocado seine «Geschichten Venedigs», in denen er die Zeit von den Ursprüngen der Stadt bis zum September 1275 behandelte. Sich wie Sicard von Cremona auf die «Origo Civitatum Italie Seu Venetiarum» stützend42, berichtete der Autor, die Trojaner hätten nicht allein Venedig, sondern alle auf dem Festland befindlichen Ortschaften zwischen dem Fluss Adda und Ungarn erbaut. Doch der ungläubige Attila habe ihr glückliches Leben beendet und alle Städte angefangen von Aquileia bis einschließlich Mailand -

-

39 Der gesamte Anfangsteil des Werks von der Erschaffung der Welt bis zur Inkarnation (fol. 1-35) ist nicht ediert (siehe Alberti de Bezanis Crónica, ed. Holder-Egger, 1908). Aus dem TrojanerPassus (BAV, Urb. lat. 394, fol. 14v) erfahrt man in etwas ausführlicherer Form als bei Sicard von den Reisen des Aeneas, dem Zusammentreffen mit Dido und schließlich der Ankunft in Italien an der Tibermündung. Einzig die Latinerkönige sind nach dieser Darstellung trojanische Erben (fol. 14v-18r). Gänzlich neu ist eine Weissagung, welche die Kämpfe gegen König Latinus und die spätere Etablierung einer Herrschaft nahe Rom vorwegnimmt (fol. 14v). Daneben wird bereits im Kontext des zweiten Weltalters auf die Gründung Roms nach Aeneas' Ankunft hingewiesen

(fol. llr).

40 Mit Blick auf die Frage nach einer legitimatorischen Vereinnahmung des Troja-Mythos wird an dieser Stelle lediglich die lokale Geschichtsschreibung berücksichtigt, was jedoch nicht bedeutet, dass man nicht auch anderswo die trojanischen Ursprünge Venedigs und Paduas thematisierte. Beide Städte werden hier als Beispiele behandelt. Auch für andere italienische Städte wurden im Spätmittelalter trojanische Fundamente behauptet. Eine systematische Analyse steht hier jedoch noch aus. 41 Über die Biographie des Autors ist kaum etwas bekannt; vgl. Limentani, Canal Martino, 1974, 659f. 42 Der Autor nahm hier jedoch nicht auf die bei Sicard zu Grande gelegte Passage Bezug, in welcher die von den Trojanern gegründeten venetischen Städte einzeln aufgezählt wurden. Siehe Martin da Canal, Estoires de Venise, ed. Limentani, 1972, Introduzione, XXXIIIf.

158

II.

Metamorphosen eines Mythos

vernichtet. Das in französischer Sprache abgefasste Werk ist im Umkreis der frankoitalienischen Kultur des 13. Jahrhunderts anzusiedeln und gehört zu der vom Doganat geprägten venezianischen Chronistik. Martin da Canal ging es darum, die Vorzüge und die Suprematie Venedigs hervorzuheben und damit zugleich ein möglichst großes Publikum innerhalb der venezianischen Einflusssphäre zu erreichen. Noch ausgefeilter gestaltete sich die Erzählung in der um 1292 entstandenen Geschichtskompilation des Marco.45 Nach Trojas Untergang habe sich eine erste Schar von Trojanern auf einer der zu Venedig gehörenden Inseln niedergelassen, ohne dort ein herrschaftliches Joch erdulden zu müssen. Eines Tages sei ein unbekanntes Schiff gesichtet worden, die trojanischen Venezianer hätten sich schon zum Kampf gerüstet, als sich nach dem Hissen der Flaggen auf beiden Seiten herausstellte, dass sie Landsmänner waren: Antenor war mit 2.500 Trojanern eingetroffen, einschließlich Frauen und Kindern. Fortan hätten sie gemeinsam frei (liberi) auf der Insel gewohnt und Antenor zu ihrem König gewählt. Bald seien von den Trojanern auch auf dem Festland Siedlungen errichtet worden, die in ähnlicher Weise wie in der «Origo Civitatam» aufgezählt werden. Roms Gründung habe dagegen, so wird eigens betont, erst viel später stattgefunden.46 Auch wenn über den Autor der Chronik nichts Näheres bekannt ist, so ist doch der Versuch, Venedigs Unabhängigkeit und Ansprüche auf eine VorrangstelDie Lagunenstadt wird nun nicht mehr als lung historisch zu untermauern, eine gleichrangige Trojaner-Gründung unter vielen dargestellt, sondern als der Ausgangspunkt trojanischer Siedlungstätigkeit in Italien, ja sogar als Sammelbecken bzw. Keimzelle des trojanischen Adels.48

eindeutig.47

43

Que

diroie je? Premièrement furent il Troians, et de Troie vindrent et se herbergerent entre Ongrie ce est a dire que U firent les viles qui sont en sèche terre da Millain jusque en Ongrie et furent ileuc mult a aise, dou tens que Troie fu essiltee jusque au tens que un paien nasqui au siècle et que ilfiu en aage deporter armes. Celui paien estoit apelés Atille; celui Atille vint en Itaire encontre les crestiens, et aveuc lui cine cent mil homes, et prist premièrement une noble cité que l'en apele Aulee et la mist a destruction: et saches que cele Aulee fu estoree premièrement por li Troians. Et quant Atille fu en saisine de Aulee, U s'en ala avant et mist a destruction totes les viles que firent li Troians en sèche terre jusque a Millan. Martin da Canal, Estoires de Venise, ed. Limentani, 1972, Kap. III. 1-4, 6. Siehe dazu auch Poucet, Anténor et Vevos

Ades et

-

-

nise, 2003, Kap. 44

45 46

47 48

3.2

(ohne S.).

Hierzu mit weiterführenden Literaturangaben: Arnaldi, Martin da Canal, 1983, 1427. Zur Datierung vgl. Carile, Cronachistica veneziana, 1970, 77; Edition ebd., Appendice, 121-126. Vgl. Marco, ed. Carile, 1970, hier 121.1-123.69. Siehe auch Poucet, Anténor et Venise, 2003, Kap. 4 (ohne S.); Ders., Fondation troyenne de Venise, 2003, Kap. 5 u. Kap. 6.3 (ohne S.). Die Edition von Antonio Carile berücksichtigt lediglich den Anfang der Kompilation Marcos. Inwieweit die Idee trojanischer Herkunft an späterer Stelle in der Darstellung Berücksichtigung findet, muss daher offen bleiben. Dazu auch Carile, Cronachistica veneziana, 1970, 92f Et quidem diversa nobilium genera effugientium conveniebant illuc et in tantum civitas ipsa crevit, quod Troiani circumstantem regionem etiam habitarunt. Marco, ed. Carile, 1970, 122.38-40.

5.

159

Transformationen

Ebenso legitimatorisch ausgerichtet waren die Chroniken des Prokurators von San Marco und späteren Dogen Andrea Dándolo.49 Die bis zum Jahr 1342 reichende «Chronica Brevis» war als kurzes Kompendium über die Anfange der Provinz Venetien, ihren Es beginnt mit der „ersten Machtzuwachs und die nobilia facta der Dogen Fall worden die nach Antenor von sei, bald das Gebiet Venetia", gegründet Trojas zwischen Pannonien und Adda umfasste und Aquileia als Hauptstadt hatte. Mit dem heiligen Markus beginnt dann die Geschichte der „zweiten Venetia", das heißt die Geschichte der Lagunenstadt und der Ausdehnung ihres Einflussbereichs auf das Festland.51 Ob sich auch die zwischen 1342 und 1352 entstandene «Chronica Per Extensum Descripta» den trojanischen Anfangen Venedigs ausführlicher widmete, lässt sich nicht mehr in Erfahrung bringen, weil die ersten drei Bücher nicht überliefert sind.52 In dem erhaltenen vierten Buch, dessen Darstellungszeitraum von 46 bis 1280 n. Chr. reicht, bleiben sie dennoch nicht unerwähnt. Im Zusammenhang mit den Hunneneinfällen in Norditalien berichtete Andrea Dándolo von der Vertreibung der Trojaner, die sich dort unter Antenors Führung niedergelassen hätten. Darüber hinaus erwähnt er, dass Olivólo (Castrum Olivólos) einst Troja geheißen habe. Der aufmerksame Leser erfahrt schließlich auch, dass sich die Franken unter den Söhnen von Priamus und Antenor am Rhein niedergelassen hätten und die Türken Nachfahren des Priamus-Enkels Turchus

gedacht.50

seien.

54

Wie diese Beispiele zeigen, wurde der venezianische Gründungsmythos im 13. und 14. Jahrhundert nicht nur beständig fortgeschrieben, sondern dem Erzählen von den Anfangen der mächtigen Lagunenstadt kam ein wachsender Stellenwert im städtischen Geschichtsdiskurs zu. Auch dass gerade in Venedig einige illustrierte Abschriften der «Historia Destructions Troie» des Guido délie Colonne angefertigt wurden, war kein Zufall. Hugo Buchthal zufolge besaßen die Miniaturen in diesen Manuskripten wie die Mosaiken in der Markus-Kirche „patriotischen Charakter".55 Anders als durch diesen Vergleich nahegelegt wird, thematisiert aber keines der Mosaiken in der Markus-

-

49 Umfassend zu Biographie und historischem Schaffen: Ravegnani, Dándolo, 1986; Arnaldi, Dándolo Doge-Cronista, 1970. Zu den Trojanerpassagen vgl. auch Poucet, Anténor et Venise, 2003, Kap. 5.2 (ohne S.). 50 Vgl. Andreae Danduli Chronica brevis, ed. Pastorello, 1958, 351.7-9. 51 Vgl. ebd., 351.13-21. 52 Siehe dazu Ravegnani, Andrea Dándolo, 1986, 43 7f. 53 Vgl. Andreae Danduli Chronica per extensum, ed. Pastorello, 1958, 60.4-7. 54 Vgl. ebd., 41.11-13 u. 87.2-4. 55 „But the Guido illustrations are not a simply case of the adornment of a text which had gained national importance and thereby invited illustration. In accordance with that century-old Venetian custom of manipulating essential evidence, visual or written, of a patriotic character, the illustrations were .authenticated' by a procedure strongly recalling that employed for the mosaics of the atrium and elsewhere in San Marco." Buchthal, Historia Troiana, 1971, 61.

160

II.

Metamorphosen eines Mythos

trojanischen Anfange Venedigs.56 Überhaupt scheint den mythischen Gründergestalten trotz ihrer großen Bedeutung in der Literatur eine Integration in öffentliche Räume verwehrt geblieben zu sein. Ganz anders verhielt es sich in Padua, wo die Behauptung trojanischer Ursprünge weit über die Geschichtsschreibung hinauswirkte. Auf Initiative des Frühhumanisten Kirche die

Lovato de Lovati hatten die beiden Podestà Vieri de' Cerchi und Fantone de' Rossi 1283/84 vor dem Palazzo Sala (Lovatos Wohnhaus) in der Nähe der Kirche San Lorenzo ein Grabmal errichten lassen, das man noch heute bei einem Spazierung durch Paduas Zentrum bewundern kann. Es birgt den im Umland Paduas aufgefundenen Sarkophag mit den angeblichen Gebeinen Antenors.57 Die Translation der sterblichen Überreste des mythischen Stadtgründers in das Stadtzentrum schuf Fakten, machte Geschichte erfahrbar und ermöglichte durch wiederholtes Konfrontieren mit der ,eigenen' Vergangenheit eine Verinnerlichung derselben von Seiten der Bürger Paduas sowie ein Bekanntwerden über die Stadtmauern hinaus durch die Besucher. Sie gab den knappen und verstreuten Informationen über die Frühgeschichte der Stadt in nicht-paduanischen Überlieferungen einen Sitz im öffentlichen Leben der Kommune. Wie bereits im Zusammenhang mit der Quellenproblematik in Sicards «Chronik» begegneten spätestens seit dem Ende des 12. Jahrhunderts in der Historioauf das in Padua befindliche Grab des mythischen Stadtgründers AnHinweise graphie tenor. Da sein Sarkophag erst Ende des 13. Jahrhunderts ,entdeckt' wurde, ist anzuneh-

ausgeführt59,

56 Die Mosaiken in der Markus-Kirche sind biblischen Themen und Heiligen, insbesondere dem heiligen Markus, gewidmet. Die Existenz eines den Troja-Mythos darstellenden Mosaiks war nicht zu verifizieren. Gedankt sei an dieser Stelle den Auskünften von Frau Dottoressa Maria Da Villa Urbani in der Procuratia di San Marco in Venedig und den Bemühungen von PD Dr. Uwe Israel, Dr. Heike Kammerer-Grothaus und Petra Morsbach. 57 Siehe dazu Braccesi, Leggenda di Antenore, 1984, 141f; Fabris, Cronache e Cronisti padovani, Bd. 2, 1977, 315-339 u. 525-528; Simioni, Storiadi Padova, 1968, 5f; Galimberti, Padova, 1968, 141 u. 144 (dort mit Abbildung). Folgende von Lovato de Lovati verfasste Inschrift in Hexametern steht darauf zu lesen: Inclitus Antenor patriam vox nisa quietemjtranstulit hue Enetum Dardanidumquefugas./Expulit Euganios, Pataviam condidit urbem./quem tenet hic humilis marmore casa domus. Bei Simioni [6] werden zwei abweichende Lesarten -patriae statt patriam, Henetum statt Enetum angegeben, die aber nicht mit der heute noch lesbaren Version übereinstimmen. Der Beginn dieser Inschrift scheint einen Anklang an das erste Kapitel von Livius' «Ab Urbe Condita» darzustellen: [...] casibus deinde variis Antenorem cum multitudine Enetum [...] venisse in intumum maris Hadriatici sinum, Euganeisque, qui inter mare Alpesque incolebant, pulsis Enetos Troianosque eas tenuisse terras. Titi Livi Ab Urbe Condita, ed. Weissenborn, 61875, Kap. 1, 77f. Hierzu auch Jacks, Myth of Antiquity, 1993, 41. Helene Homeyers Behauptung, der Sarkophag sei „noch im" 13. Jahrhundert fest im Stadtbild verankert gewesen (Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, 96), ist unkorrekt, denn erst seit dieser Zeit stand er in Padua. 58 So beispielsweise bei Otto von Freising, Gottfried von Viterbo und Sicard von Cremona, auf die weiter oben in diesem Kapitel eingegangen wurde. 59 Siehe oben S. 149-155. -

-

5.

161

Transformationen

men, dass das

von

Gottfried

von

Viterbo erwähnte

„königliche Grab" noch keinen be-

stimmten, örtlich fixierten Bezugspunkt hatte. Umgekehrt lassen die intensiven Bemühungen des Lovato de Lovati darauf schließen, dass zumindest in gebildeten Kreisen Gerüchte über das Antenor-Grab in Padua schon vorher im Umlauf gewesen sein müssen. Bald regte die mythische Grundsteinlegung Paduas auch anderweitig die Phantasie der Paduaner an, denn spätestens seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts kam eine Legende vom goldenen Schwert Antenors auf, die verschiedentlich überliefert ist. Signifikanterweise begann sich die städtische Historiographie in Padua erst ungefähr zeitgleich zur Errichtung des Antenor-Grabmals intensiv mit der Troja-Thematik auseinanderzusetzen.61 Giovanni da Nono, ein Zeitgenosse des Lovato de Lovati, verfasste Anfang des 14. Jahrhunderts eine Chronik bzw. eine Art Reiseführer in Form einer visio des Königs Egidio von Padua.62 Bei der Beschreibung der Stadttore erwähnte er im Zusammenhang mit der Porta pontis Altinati, dass die Stadt Altino gebaut wurde, bevor Antenor Padua errichtet hatte.63 Von Antenors Grabmal liest man hier (noch) nichts. Erst in späterer Zeit wurde es in der städtischen Geschichtsschreibung erwähnt und erlangte darüber hinaus auch überlokale Bekanntheit, wie die «Annales Patavini» (Darstellungszeitraum bis 1325), ein anonymes lateinisches Gedicht anlässlich des Todes von Cangrande délia Sala (1329), die «Chronik» des Giovanni Villani (gest. 1348) oder Der aus der Feder des Notars AntoGuglielmo di Paolo Ongarello (15. Jh.) nio Monterosso stammende Stadtführer' oder die von dem gelehrten Philologen und Antiquar Lorenzo Pignoria verfassten Werke «Le Origini di Padova» und «L'Antenore» belegen, dass die mythische Stadtgründungsgeschichte Paduas noch bis in das 17. Jahrhundert tradiert wurde.65 Dass gerade im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts in Padua ein verstärkter Rückgriff auf die trojanische Vorgeschichte einsetzte, kann mit einem gesteigerten Selbstbewusstsein der städtischen Eliten erklärt werden. Im Jahr 1256 war das Stadtregiment

belegen.64

,

60 Siehe dazu Fabris, Cronache e Cronisti padovani, Bd. 1, 1977, 276Í u. 309-313. 61 Diesen Schluss legen die intensiven Forschungen Giovanni Fabris' zur Paduaner Chronistik nahe; vgl. ebd. Ein ähnliches Ineinander von Monumentalkunst und Geschichtsschreibung im Kontext der Troja-Thematik ist ungefähr zeitgleich in Perugia zu beobachten. Der mythische Stadtgründer Eulistes, ein vermeintlicher Bruder des Aeneas, wurde dort als Bronzestatue auf der 1278 errichteten Fontana Maggiore visualisiert. Ungefähr zwei Jahrzehnte später verfasste Bonifacio da Verona ein entsprechendes Epos über die Ursprünge der Kommune. Wie in Padua, so scheint auch in diesem Fall die Thematisierung trojanischer Ursprünge im kommunalen Umfeld nicht der „Monumentalisierang" vorausgangen, sondern ihr umgekehrt erst gefolgt zu sein. 62 Vgl. Visio Egidij Regis Patavie, ed. Fabris, 1977. Zum Werk vgl. Fabris, Cronache e Cronisti padovani, Bd. 1, 1977, 67-72; Fabris, Cronaca di Giovanni da Nono, 1932-1939. Italienische Übersetzung Fabris, Cronache e Cronisti padovani, Bd. 1, 1977, 403-444. Zur romanhaften Gestalt König Egidios vgl. ebd., 281, und Bd. 2, 1977, 37-43. 63 Vgl. Visio Egidij Regis Patavie, ed. Fabris, 1977, 142.27Í. 64 Diese Hinweise bei Fabris, Cronache e Cronisti padovani, Bd. 2, 1977, 320f. u. 323f 65 Vgl. Antonii Montisrabei de situ urbis Patavij, ed. Fabris, 1977, hier 237.1 lf, 252.2f u. 256.6-8. Der Hinweis auf Lorenzo Pignora bei Fabris, Cronache e Cronisti padovani, Bd. 2, 1977, 320.

162

//.

Metamorphosen eines Mythos

wiedererrichtet worden, und Padua hatte bald darauf- wenn auch nur zeitweilig die Führungsrolle in der Trevisanischen Mark übernommen.66 Wendet man sich nach diesem Exkurs in das spätmittelalterliche Venedig und Padua wieder dem Fall Cremona zu, dann drängt sich förmlich die Frage auf, warum die Trojaner in der einen Stadt so präsent werden konnten und in der anderen nicht. Die angeführten Beispiele legen die Vermutung nahe, dass mythische Stadtgründungserzählungen erst in Symbiose mit einem längere Zeit anhaltenden Interesse weltlicher Potentaten überlebensfähig waren. Wo dieser politische Anreiz für eine Ausgestaltung des Stoffes fehlte, verliefen ambitionierte Versuche wie die eines Sicard von Cremona recht schnell im Sande. Der Wille der städtischen Führungsschichten, ihre durch die Geschichte legitimatorisch untermauerte Macht nach außen hin zu repräsentieren, scheint dabei ein wichtiges, wenn nicht sogar das ausschlaggebende Moment für eine Popularisierung des Troja-Mythos gewesen zu sein. -

5.2 Paris und die

Genealogie des französischen Königshauses

Wie schon viele Geschichtsschreiber vor ihm zeigte der französische Historiograph Rigord in den «Gesta Philippi» nicht nur eine ununterbrochene Folge der fränkisch-französischen Herrscher, sondern auch eine durchgehende Verwandtschaftslinie von der trojanischen Vorzeit bis in die Gegenwart auf. Was der Autor über die Trojaner und ihre Nachfahren zu berichten wusste, ging im Wesentlichen auf den Einfluss dreier Überlieferungen zurück: die «Fredegar-Chronik», den «Liber Historiae Francorum» und die «Historia» des Geoffrey von Monmouth. Was die fränkischen Quellen betrifft, so ist es wahrscheinlich, dass Rigord seine Informationen aus einer späteren Kompilation bezog. Ob Geoffreys «Historia» auf direktem oder indirektem Wege in die «Gesta» eingeflossen ist, lässt sich nicht entscheiden.67 66 Ein Überblick über Paduas Geschichte im Mittelalter einschließlich umfangreicher Literaturhinweise bei Gaffiiri, Padua, 1993, bes. 1618f. (13. Jahrhundert). 67 In der Neuedition der «Gesta Philippi» findet sich ein ausführlicher Abschnitt, der auf die Quellenproblematik der Troja-Passage eingeht (vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 87-92). Die Herausgeber heben den «Liber Historiae Francorum» als Hauptquelle hervor (vgl. ebd., 88, sowie im Kommentar der Textedition 192-203, passim) und halten es in diesem Zusammenhang für wahrscheinlich, dass Rigord eine heute noch erhaltene Kompilation «De Gestis Francorum» aus Paris (BN, Nr. 2013, fol. 136ff) benutzte, welche Auszüge aus dem «Liber Historiae Francorum» sowie den Werken des sogenannten Fredegar und Aimoins von Fleury enthält (vgl. ebd., 89fr). Rigords Rekurs auf die englische Version geht auf die «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth zurück, ohne dass die genaue Vorlage bekannt wäre (vgl. ebd., 91; Gesta Philippi Rigordi, ed. Delaborde, 1882, 55, Anm. 3). Hinsichtlich der fränkischen Elemente im Trojaner-Abschnitt äußerten sich ferner Henri-François Delaborde und François-Olivier Touati über mögliche Quellen. Nach Delaborde schöpfte Rigord vor allem aus Hugo von St. Viktor (der Herausgeber verwies in diesem Zusammenhang aber nicht auf ein bestimmtes Werk Hugos, sondern auf eine Handschrift, die sich für einen Nicht-Spezialisten nicht -

5.

163

Transformationen

Die Erwähnung von Skythien, Sicambria, Kaiser Valentinian, Antenor, Sunno, Markomir und der frühen fränkischen Herrscher Faramund, Chlodio, Merowech etc. deutet daraufhin, dass der überwiegende Teil der Troja-Erzählung bei Rigord vom «Liber Historiae Francorum» beeinflusst ist. Das gilt auch und insbesondere für die Herrschergenealogie, die von Priamus bis zum salfränkischen König Chlodio auf dem Prinzip der Sohnesfolge basiert und die Verbindung zwischen Chlodio und Merowech durch ein de genere eius herstellt. Eingeschoben sind in den Troja-Abschnitt zwei Passagen aus anderen Quellen: eine über die trojanische Herkunft der Türken, welche an die Version bei «Fredegar» anschließt69, und eine über die Etymologie Britanniens und die Abstammung der englischen Könige von Brutus, welche auf der «Historia» Geoffreys von Monmouth beruht.70 Was letztere betrifft, so filterte Rigord vor allem Details über die Verwandtschaftsverhältnisse der englisch-trojanischen Dynastie heraus. Selbst einem oberflächlichen Leser musste hierbei sofort deutlich werden, dass diese längst nicht so klar zu Tage lagen wie bei den französischen Königen: Denn Brutus sei nicht nur aus einer ille-

ohne weiteres zuordnen lässt); daneben seien Einflüsse aus den Werken des Aimoin von Fleury und den «Gesta Regum Francorum» erkennbar (vgl. Gesta Philippi Rigordi, ed. Delaborde, 1882, 55, Anm. 3). Da sich in Rigords Version keine wörtlichen Übereinstimmungen mit Passagen aus einem dieser genannten Werke feststellen lassen und die Erzählungen bei Hugo von St. Viktor und Aimoin von Fleury auf den «Liber Historiae Francorum» und den «Fredegar» zurückgehen (vgl. Hugonis Excerptionum Allegoricaram libri, ed. Migne, 1854, Buch 10, Kap. 1 De origine Francorum, 275f; Aimoini Historiae Francorum, ed. Migne, 1880, Buch 1, Kap. lf, 637-639), kann nicht eindeutig entschieden werden, ob es diese oder andere in der fränkischen Tradition stehende Werke waren, auf denen der Autor hier aufbaute. Gerade vor diesem Hintergrund überzeugt der in der Neuedition gemachte Vorschlag, die Kompilation «De Gestis Francorum» sei Rigords Vorlage gewesen. Rigord selbst verwies auf die «Gesta Francorum» (d. h. den «Liber Historiae Francorum») sowie auf Gregor von Tours, Eusebius von Caesarea, den Fortsetzer der «Hieronymus-Chronik» Hydatius und aliorum multorum scripta (Rigord, Histoire, ed. Carpentier/ Pon/Chauvin, 2006, Kap. 38, 194.3f). Den «Liber Historiae Francorum» ausgenommen, sind die von Rigord namentlich genannten Autoren mit Blick auf die Troja-Thematik jedoch nicht relevant. Touvati hielt Rigords Angaben für völlig willkürlich und schloss eine Lektüre der von ihm genannten Autoren aus (vgl. Touati, Rigord, 2003, 254). Allgemein zu den Quellen der «Gesta» und in Zusammenfassung des Forschungsstandes vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/ Pon/ Chauvin, 2006, Introduction, 86-93; Touati, Rigord, 2003, 252-255. 68 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 38, 192.18f.-Kap. 39, 196.19. Die entsprechenden Passagen: Liber Historiae Francorum, ed. Krusch, 1888, Kap. 1-5, 241-247. 69 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 194.8-10; entsprechend: Chronicarum Fredegarii libri IV, ed. Krusch, 1888, Buch 2, Kap. 6, 46. Dass der Trojaner Turchus ein Sohn des Troilus gewesen sei, wird im «Fredegar» jedoch nicht berichtet. 70 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 196.19-198.15. 71 Siehe ebd., Kap. 39, 198.6-9. -

164

//.

Metamorphosen eines Mythos

gitimen Verbindung hervorgegangen sondern die von Brutus ausgehende Linie der britischen bzw. englischen Könige sei von den Normannen, die nun herrschten, ausgelöscht worden.73 Die Argumentation läuft darauf hinaus, dass die einzigen noch lebenden legitimen Nachfolger der Trojaner die Angehörigen des Kapetingergeschlechts seien. Gänzlich neu dagegen ist bei Rigord die Behauptung, die Stadt Paris sei von dem Priamus-Sohn Paris Alexander gegründet worden. Sie ist wohl in erster Linie als eine Reaktion auf die behaupteten trojanischen Ursprünge Londons zu verstehen, auf deren Erwähnung der Autor offenbar nicht verzichten und denen er zugleich etwas Adäquates ,

entgegensetzen wollte.75

Rigord kann mit seinen «Gesta» zu den herrschernahen Geschichtsschreibern Frankreichs gezählt werden. Auch die Erzählungen vieler anderer Autoren fußten in weiten Teilen auf dem «Fredegar» bzw. dem «Liber Historiae Francorum».76 Zumindest für den Troja-Mythos in der französischen Historiographie können beide Werke als Standardwerke bezeichnet werden, selbst wenn in den meisten Fällen eine Benutzung nur indirekt stattfand. Als in dieser Tradition stehend können allein von den in Frankreich entstandenen Schriften aus der Zeit vor Rigord folgende Werke genannt werden: eine Chronik aus der Benediktinerabtei Moissac (Darstellungszeitraum bis 818)77, die Universalchronik des Erzbischofs Ado von Vienne (Darstellungszeitraum bis 875)78, die «Historia Francorum» des Benediktiners Aimoin von Fleury (um 1100)79, die «Historia» 72 Vater des unehelichen Brutus ist sowohl bei Geoffrey als auch bei Rigord Silvius, ein Sohn des Ascanius. Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 6, 2; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 198.8. 73 Deinde multis revolutis annis, Guillelmus qui didus est Nothus, dux Normannie, Angliam conquisivit et tune defecerunt reges qui a Bruto descenderant. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/ Pon/ Chauvin, 2006, Kap. 41, 204.19-206.2. 74 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 38, 192.13-17; Kap. 39, 200.10fr u. Kap. 40, 202.2-5. 75 Vgl. ebd., Kap. 39, 198.12fr; die entsprechende Stelle: Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 22, 14fr Marius Barroux konnte zeigen, dass vor Rigord andere Gründungserzählungen für Paris überliefert waren, die jedoch nicht als unmittelbare Vorläufer in Betracht kommen. Eine Erklärung für die Entstehung von Rigords Version liefert er indes nicht. Siehe Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955, 8fr 76 Ausführlich zur Troja-Thematik im «Fredegar» und im «Liber Historiae Francorum» Ewig, Trojamythos, 1998, bes. 2-12; Ders., Trojamythos, 2-9, 12-23. 77 Vgl. Chronicon Moissiacense, ed. Pertz, 1826, 282f Dazu auch Dippe, Fränkische Trojanersa-

78

79

gen, 1896, XXVII; Klippel, Trojanersage, 1936, 15fr; Folz, Légende d'origine, 1983-1984, 194; Ewig, Trojamythos, 1998, 14fr; zuletzt Coumert, Origines des peuples, 2007, 362. In der von Pertz besorgten kritischen Ausgabe (MGH SS 2, 315-323) fehlt der Anfangsteil und dementsprechend die Troja-Erzählung. Zur Thematisierung der trojanischen Herkunft in diesem Werk vgl. Folz, Légende d'origine, 1983-1984, 193f Vgl. Aimoini Historiae Francorum, ed. Migne, 1880, 637-639. Vgl. dazu Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, XXVII; Klippel, Trojanersage, 1936, 19fr; Folz, Légende d'origine, 1983-1984, 194; zuletzt Coumert, Origines des peuples, 2007, 362.

5.

165

Transformationen

des Mönches Ademar von Chabannes (Darstellungszeitraum bis 1028) die «Gesta Francorum» des Rorico von Moissac (11. die «Chronica Universalis» des Benediktinermönches Sigebert von Gembloux (Anfang 12. Jh.) die zwei im Kloster Saintund «HisDenis verfassten Geschichtswerke «Gesta Gentis Francorum» Franciae toria Regum Francorum» bzw. «Abbreviatio Gestorum Regum» (Darstellungssowie die «Genealogia Regum Francorum Comitomque Flandriae» zeitraum bis (1120) Ähnlich wie bei Rigord wird in all diesen Werken eine von den Trojanern bis in die damalige Gegenwart reichende herrschaftliche Kontinuität behauptet, die sich über ein enges Parentelsystem definierte.86 Wie die obige Auflistung weiterhin veranschaulicht, war Rigord im 12. Jahrhundert nicht der einzige, der sich mit den trojanischen Ursprüngen der Franci und ihrer reges beschäftigte. Versuche, auf der Basis der fränkischen Überlieferungen eine alternative Herkunftsversion zu entwerfen, hat es damals scheinbar nicht gegeben. Fortgeschrieben wurde die herkömmliche Tradition. Was Rigord dennoch von allen Autoren früherer Zeit unterschied, war die vehemente AuseiSie deutet darauf hin, nandersetzung mit der englischen Version des dass gegen Ende des 12. Jahrhundert in Frankreich das Bedürfnis gewachsen war, sich gegenüber den konkurrierenden Behauptungen abzugrenzen. Vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen und zunehmend komplexer werdenden Tradition, die sukzessive immer weitere Rezeptionsstränge hervorbrachte88, ergibt sich die Schwierigkeit, anhand welcher Kriterien sich die Wirkung von Rigords Troja-Version nachvollziehen ließe. Ein Blick auf die fortwährende Präsenz von Erzählsegmenten, die auf den «Fredegar» bzw. den «Liber Historiae Francorum» verweisen, wäre ,

Jh.)81,

,

(1114-1131)83

1137)84

.

Troja-Mythos.87

In der kritischen Edition (Ademari Historiaram, ed. Waitz, 1841) sind zwar die Anfangspassagen nicht gedruckt, aber der Herausgeber verwies an ihrer Stelle auf die ersten Kapitel der «Gesta Francorum», d. h. des «Liber Historiae Francorum» (vgl. ebd., 113.16). Es ist davon auszugehen, dass auch der Trojaner-Passus dem «Liber» entnommen ist. Vgl. Folz, Légende d'origine, 19831984, 194. 81 Vgl. Gesta Francorum auctore Roricone, ed. Bouquet/Delisle, 1869, Buch 1, bes. 2 B-4 A. Weiteres dazu bei Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, XXVII; Klippel, Trojanersage, 1936, 23f.; Folz, Légende d'origine, 1983-1984, 197. 82 Vgl. Chronica Sigeberti, ed. Bethmann, 1844, 300.26-46. Siehe dazu ebenfalls Dippe, Fränkische Trojanersagen, 1896, XXVII; Klippel, Trojanersage, 1936, 25f; Folz, Légende d'origine, 19831984, 194. 83 Zum Werk oben S. 93, Anm. 81. 84 Vgl. Historia Regum Francorum, ed. Waitz, 1851, bes. 395.30-34. Hierzu auch Spiegel, Chronicle

80

Tradition, 1978,41-44.

85 86 87 88

Vgl. Genealogiae Comitum Flandriae, Klippel, Trojanersage, 1936, 26f.

ed. Bethmann, 1851, bes. 308.17-20. Siehe ebenfalls

Zu den hier genannten Werken aus dem 12. Jahrhundert siehe S. 92f. Dazu oben S. 72. Siehe insbesondere die umfangreichen Ausführungen zur den „Troja-Traditionen" nach Benoît de Sainte-Maure bei Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, bes. 524-616, die in weiten Teilen auf Herkunftser-

zählungen eingeht.

166

II

Metamorphosen eines Mythos

nicht weiterführend, weil die genaue Herkunft der Informationen in den Überlieferungen im Einzelnen kaum mehr verifiziert werden kann. Es bleibt daher vor allem ein Indiz, dessen Untersuchung lohnenswert ist: die erstmals bei Rigord erwähnte trojanische Gründung von Paris.89 Dieses Motiv ist bisher noch nicht systematisch untersucht worden. Die folgende Skizze versucht daher einen (wenn auch nur unvollständigen) Überblick über die Rezeption dieses Rigordschen Stadtgründungsmythos zu Um 1200 tritt Paris vergleichsweise spät als trojanische Gründung in Erscheinung. Trotz ihrer recht großen Beliebtheit blieb diese Ursprangsversion nicht die einzige, auf die man rekurrierte. Einen Ausschließlichkeitsanspruch erlangte sie nicht.91 Frühester Beleg für eine Fortschreibung der Rigordschen Version von den trojanischen Fundamenten der Stadt Paris sind die «Gesta Philippi Augusti» Wilhelms des Bretonen (gest. nach 1226). Der Autor gehörte zwar nicht wie Rigord zu den Benediktinern von SaintDenis, aber als Erzieher des illegitimen Sohnes König Philipps II. stand er der curia regis sehr nahe. Wohl dadurch und weil Wilhelm der Bretone Rigords Werk redigierte Teil und fortsetzte, fanden die «Gesta» Eingang in die dionysianische der offiziösen Geschichtsschreibung wurde die Erzählung über die mythischen Ursprünge von Paris, nachdem sie in die «Grandes Chroniques de France» eingeflossen war. Die erste von insgesamt vier Redaktionen der «Großen Chroniken Frankreichs» entstand Mitte des 13. Jahrhunderts, ist mit dem Namen des Mönches Primat aus SaintDenis verbunden und war dem Kapetinger Philipp III. dem Kühnen (1270-1284) gewidmet. In weiten Teilen stellt sie eine in den folgenden Jahrhunderten sukzessiv erweiterte Kompilation mehrerer lateinischer Chroniken dar, die ins Französische übersetzt worden waren. Die späteren Redaktionen (um 1350, um 1377/78 und 15. Jh.) bauen jeweils auf den früheren auf und wurden vor allem durch Viten und gesta der aktuellen französischen Herrscher erweitert. Für die zweite Redaktion lässt sich sogar nachweisen, dass

geben.90

Historiographie.92

89 Dazu Beaune, Naissance, 1993 (1985), 20; Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955, 7f. Barroux erwähnt in diesem Zusammenhang (ebd., 11) eine ebenfalls von Rigord verfasste kurze Chronik, in der wesentliche Elemente der Erzählung von den trojanischen Ursprüngen der Franken und Lutetias begegnen, wenngleich in weniger expliziter Form als in den «Gesta». 90 So mancher Quellenhinweis geht auf eine Studie von Marius Barroux über die legendären Ursprünge von Paris zurück. Vgl. Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955. 91 Siehe Beaune, Naissance, 1993 (1985), 20fr 92 Dazu ausführlicher Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 63-68; Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955, 11. Zur Gründung von Paris durch die Trojaner: „Revolutis autem ducentis et triginta annis, recesserunt ab eis viginti tria millia sub duce Hybor, locum regnandi commodiorem querentes, et transeúntes per Alemanniam, Germaniam et Austriam venerunt in Galliam, et edificaverunt ibi civitatem, [nacti locum amenissimum et commodissimum super fluvium Sequanam, quamj Lutetiam [a lutositate loci vocaverunt;] sibi autem a Paride, filio Priami, nomen Parisios imposuerunt, DCCCXCV anno ante incarnationem Domini, vel [...] Parisia graeco, quod sonat audacia, vocati sunt Parisii; fueruntque ibi ex quo a Sicambria recesserunt annis mille ducentis septuaginta, antequam Franci venissent, et longo tempore satis simplicem vitam ducentes; nee habebant regem [...]. Gesta Philippi Guillelmi, ed. Delaborde, 1882, Kap. 3, 170fr "

5.

167

Transformationen

sich ein

Exemplar

im Besitz

König

Johanns des Guten

(1350-1364) befunden hat.

Ähnlich wie Rigord und Wilhelm der Bretone berichten die «Grandes Chroniques», dass der erste Frankenkönig Faramund die Stadt Lutetia nach Paris, dem Sohn des trojanischen Königs Priamus, benannt habe, aus dessen Linie er und sein Vater Markomir stammten. Faramund habe auf diese Weise den Ruhm der

Trojaner erneuern und in die hinaustragen wollen.95 Infolge der großen Bedeutung, die den «Grandes Chroniques» in der französischen Geschichtsschreibung des Spätmittelalters zukam, war der Pariser Stadtgründungsmythos bis zum ausgehenden Mittelalter präsent. In welchem Umfang ist jedoch schwierig zu beurteilen. In jedem Fall wurde Rigords Paris-Mythos auch über die «Grandes Chroniques» hinaus rezipiert und modifiziert, wie die Chronik des Belgiers Jean d'Outremeuse (Ende 14. Jh.) das «Supplementom Chronicarum» des italienischen AugustiWelt

,

93 Siehe mit weiterführenden Literaturangaben Vernet, Chroniques, 1983. 94 Maria Klippel kannte offensichtlich die entsprechenden Stellen bei diesen beiden Autoren nicht, denn sie hielt die trojanische Gründung von Paris für eine Neuerung in den «Grandes Chroniques». Vgl. Klippel, Trojanersage, 1936, 37f Marius Barroux (Origines légendaires de Paris, 1955, 12) nahm hingegen an, dass Rigord die unmittelbare Vorlage für die «Grandes Chroniques» lieferte, ohne die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass die Fortsetzung Wilhelms des Bretonen eine Vermittlerrolle gespielt haben könnte. 95 Cil Pharamonzfu li premiers rois de France [...]. Pour ce que Marchomires voloit acquerre lor grace et leur amor, mua le non de la cité, qui devant estoit apelée Leuthece, qui vaut autant comme vile pleine de boue, et li mist non Paris, pour Paris l'ainzné fil u grant roi Priant de Troie, de cui lignie il estoit descendu. Car tuit cil qui de cele generation estoient, en quelque terre que il fussent, desirroient moult que leur noms et leur renommée fust espandue et monteplié par tout le monde. Grandes Chroniques de France, ed. Viard, Bd. 1, 1920, Buch 1, Kap. IV, 19f. Siehe dazu auch Klippel, Trojanersage, 1936, 33-39. Das reich illustrierte MS Nr. 6465 in der Pariser Nationalbibliothek enthält keine Abbildungen, die sich auf Troja oder die Trojaner beziehen. Vgl. Guenée, Grandes Chroniques, 1987. Dagegen stand dem für Karl V. angefertigten Exemplar der «Grandes Chroniques» eine Miniatur voran, die im Kontext des Trojanischen Krieges und des Exils der Trojaner die französische Unabhängigkeit vom römischen Reich hervorzuheben suchte. Vgl. Brückte, Noblesse oblige, 2000, 64. 96 Der Stadtgründungsmythos begegnet hier in abgewandelter Version: Es sei König Paris gewesen, der Lutetia wieder aufgebaut habe und um den für eine Königsstadt unangemessenen Namen Lutetia zu tilgen nach sich selbst Paris benannt habe. Außerdem sei die Stadt zu Chilperichs Zeiten wegen ihres Namens und ihres Reichtums Troia genannt worden. (Item, quant li mois fut passeis de repouse que les barons faisoient à Lutesse, si s'avisât Paris qu 'ilh voloit redifiier Lutesse plus belle, fort et plus grant qu 'elle n 'estoit devant; si mandat mult d'ovriers et le fist commenchier. Et quant li promier pire fut prise por asseioir en fondement, ilhprist la coronne le roy Cilperis, qui estoit d'oir et de pires prescieux mult riche, si lejettat en fondement, et dest que elle seroit citeit royal et seroit nommée Troie, en restauration de la grant citeit de Troie; mains tous les roys qui estoient là, et Cilperis meismes et Sigibers, li dessent que ilh seroit melheur que, puisque la citeit perdoit son nom le Lutesse et elle estoit fondée par luy et sus la coronne le roy, ilh devoit porteir son propre nom. Chronique de Jean d'Outremeuse, ed. Borgnet, Bd. 2, 1869, Buch 1, 209). Auf die Etymologie der Stadt Paris wird auch an späterer Stelle (ebd., 212) noch einmal kurz eingegangen, und zwar im Kontext weiterer Städte, die nach ihrem Gründer benannt -

-

168

II.

Metamorphosen eines Mythos

Jh.) oder die «Franciade» des Pierre de Ronsard mit der Rezeption der Rigordschen Gründungser(1572) zeigen. Zusammenhang die anohistoires» des Jean Mansel (um sind weiterhin die «Fleur des zählung nyme «Chronique d'Adam à Charles VII» (15. Jh.) sowie die «Chroniques de France

nermönches Jacopo Foresti

(Ende

15.

Im

1450)99,

worden seien. Zu den Trojanern auch ebd., Bd. 1, Buch 1, passim, bes. 20-32. Ausführlich zu Werk und Biographie Kurth, Jean d'Outremeuse, 1910; Bormans, Chronique, 1887, Introduction, I-CCVI; Tyssens, Jean d'Outremeuse, 1985. Speziell zum Einfluss Vergils bei Jean d'Outremeuse siehe Desonay, Virgile, 1932. 97 Iacopo Foresti erwähnt in seinem «Supplementum Chronicarum» verschiedene Troja-Mythosversionen für die Römer, Franken und Briten sowie für Gaeta, die Campania, Alba und Padua (vgl. Foresti, Supplementum Chronicarum, 1510, Buch 4, 40v-53r). Auf die Gründung von Paris, die ebenfalls mit den Trojanern in Zusammenhang gebracht wird, kommt der Autor in seiner Darstellung erst sehr viel später zu sprechen: Parisius regia & inclyta Galliarum urbs, in Senonensi provincia post Troianum excidium, ut Carinus in chronicis habet, initium sumpsit. Nam quidam Parides cum Aenea et Troia secedens, una cum Francione Hectoris filio in Galliam proficiscens iuxta Sequanae fluvium consedit, & ibi populum constituens, a se Parisios nominavit, qui bello vatts Seno(n)ibus attributi Lutetiam oppidum postea condiderunt, & ab ipsis Parisiensibus conditortbus Parisios appellaverunt, qui per témpora a regibus habitatam in maximam & potentissimam evasit civitatem. (Foresti, Supplementum Chronicarum, 1510, Buch 6, 92v). Grundlegend zu Iacopo Foresti und seinem literarischen Œuvre, insbesondere der Bilderchronik «Supplementum Chronicarum» Krümmel, Supplementum Chronicarum, 1992 (dort auch zahlreiche Abbildungen). In der von Krümmel aufgestellten Übersicht über die Auflagen des Werks (vgl. ebd., 76-78) ist die hier für die Zitation zugrunde gelegte Fassung nicht erwähnt. 98 Pierre de Ronsard begann seine «Franciade» mit einem ausführlichen Abschnitt über die trojanische Vergangenheit, der beinahe das gesamte erste Buch umfasst und die Erbauung von Paris durch den Trojaner Francio mehrfach erwähnt. Die Gründungsgeschichte wird hier explizit mit dem Gedanken verbunden, dass in Paris ein neues Troja wiedererstehen sollte. Vgl. Pierre de Ronsard Franciade, ed. Laumonier, 21983, Buch 1, 29-91, w. 1-1248; zu Paris 30, w. 11fr; 39, w. 201-205; 43, w. 302; 47, w. 359-368; die Bezeichnung nuovelle Troye ebd., 43, v. 302 u. 47, v. 366. 99 Dieser Hinweis bei Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955, 19. Die bisher unedierte «Fleur des Histoires» (Brüssel, Bibliothèque Royal Albert 1er, Codex Braxellensis, Nr. 9231 u. 9232) stellt ein umfangreiches Kompendium universalgeschichtlichen Zuschnitts dar, deren Darstellungszeitraum bis zur'Herrschaft des französischen Königs Karl VI. (1380-1422) reicht. Zum Werk, seinen Illustrationen, die u. a. auch den trojanischen Herkunftsmythos thematisieren, und insbesondere zur Behauptung einer trojanischen Gründung Venedigs vgl. De Clercq, Anténor, 2002, Kap. 2 „Jean Mansel et la Fleur des Histoires" (ohne S.); Poucet, Fondation troyenne de Venise, 2003. Zu Inhalt und Textüberlieferung auch Jung, Légende de Troie, 1996, 634-637. Nur wenige Zeit vor der «Fleur» hatte Jean Mansel die «Histoires Romaines» vollendet (1354). Wie der Titel zum Ausdruck bringt, behandelt der Autor hier keine französische Geschichte. Dessen ungeachtet werden Aeneas und die Zerstörung Trojas zu Beginn des ebenfalls sehr schön illustrierten Werks mit einem Verweis auf Livius kurz erwähnt, allerdings ohne Rekurs auf die französische Variante. Vgl. Histoires Romaines de Jean Mansel, ed. Martin, 1912,1. 100 Dazu Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955, 20fr Barroux stützte sich bei seinen Angaben auf die Manuskripte Paris, BN, MS. fr. 694 u. 695. -

5.

169

Transformationen

Jh.)101 zu nennen. Die von Barroux ebenfalls in diesem Zusammenhang erwähnte Universalchronik «Fasciculus Temporam» (Ende 14. Jh.) und die «Mer des histoires et croniques de France» 1488) nehmen zwar auf den Troja-Mythos Bezug, von einer Gründung der Stadt Paris durch die Trojaner wissen sie jedoch nichts zu berichten.102 Wie anhand der zum Lobpreis des französischen Königs Franzi. (1515-1547) verfassten Reimchronik des Guillaume Cretin deutlich wird 3, wurde trotz zunehmender Kritik104 noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf die mythische Erzählung von der Pariser Grundsteinlegung durch die Trojaner-Franken rekurriert. Ungeachtet der Langlebigkeit des hauptstädtischen Gründungsmythos war Rigords «Gesta» als Gesamtwerk nur wenig Erfolg beschieden. Neben einem Fragment ist lediglich eine vollständige, um 1250 angefertigte Abschrift erhalten, die im lateinischen Corpus Dionysianum Aufnahme fand.105 Auf diesem Wege bekam Rigords Werk posthum abrégées» (15.

101

Vgl. ebd., 3).

23. Aus welcher

Ausgabe

Barroux hier

zitierte, ist nicht eindeutig (vgl. 23, Anm. 2

u.

102 Zum «Fasciculus Temporum» ebd., 15f. u. 19. In dieser Schrift, die in einem Manuskript des 14. Jahrhunderts überliefert ist, wird lediglich auf die ,römische' Troja-Version eingegangen und die Gründung Venedigs und Paduas kurz erwähnt (vgl. Fasciculus temporam, [1512], fol. 12r13v. Zur «Mer des histoires» siehe Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955, 21-23. Das

anonym überlieferte Werk kommt ebenfalls auf mehrere trojanische Herkunftserzählungen zu sprechen, so in Bezug auf Italien, Frankreich, England, die Deutschen, die Türken und das ist neu Belgien und Ungarn. Obwohl der Figur des Paris Alexander breiter Raum gewidmet ist (fol. 59v-62v), wurde keine Verbindung zur Stadt Paris hergestellt; vgl. Mer des histoires, [1517], Prolog u. Buch 1, bes. fol. 57r-73ru. 132r, 135v-136v, 142v. 103 [...] arriverent/Jusques en Gaule, ou ung fluve trouvèrent/Auquel prenons leur delectation,/ Esleurent place et habitation./Quant le pays eurent considerèJLa grand doulceur de I 'aer si moderé, /Vignobles, bleds, boys, prez, terres fertillesJMontzfructueux, valées très utilles,/Arbres fruictiers, doulces amendez,/Fruidz delicatz, franches humanitezJMarescz, vergiers, veines vifres, carrières,/Fontaines, puiz et commodes plastrieres,/Lors, environ ce beau fluve de Seine,/Prinderent advis et oppinion saine/Ville bastir qu 'Hz nommèrent LutesseJDicte a luto. Aussi celle part esse [est ce]/Fange en tout temps, si petit qu 'il y pleuve. Chronique de Guillaume Crétin, ed. Guy, 1970 (1904), 394f Siehe dazu auch Klippel, Trojanersage, 1936, 55. 104 Beispielsweise bezweifelte der französische Geschichtsschreiber Robert Gaguin um 1500, dass die Trojaner-Franken nach ihrer Vertreibung aus Sicambria durch Kaiser Valentinian die Stadt Lutetia an der Seine erbaut hätten und führte zur Widerlegung dieser Version die Chronologie ins Spiel. Vgl. Gaguin, Compendium, ca. 1510, Buch 1, fol. 3v. Die Datierung des hier zitierten Druckes auf ca. 1510 und der Rückschluss auf den Druckort Paris erfolgte nach einem handschriftlichen Eintrag auf der ersten, durch spätere Bindung des Buches eingefügten Seite. Die frahesten Drucke von Gaguins «Compendium» entstanden Ende des 14. Jahrhunderts. Zu den frühen Drucken vgl. Bodmer, Französische Historiographie, 1963, 93f, Anm. 8. Ausführlicher über das «Compendium» ebd., 111-118. Allgemein zur Kritik am trojanisch-fränkischen Gründungsmythos: Barroux, Origines légendaires de Paris, 1955, 24-40; Huppert, Trojan Franks, 1965; Homeyer, Trojanische Abstammungs-und Gründungssagen, 1982, 103. 105 Vgl. Carpentier, Histoire et informatique, 1982, 10. Die auf dem einzigen vollständigen Manuskript (Paris, BN 5925) basierende Edition von Michel-Jean-Joseph Brial und M. Leopold Delisle (1878) lehnte sich an diejenige André Du Chesnes an (vgl. Rigordus, De Gestis Philippi, ed. -

-

-

170

II

Metamorphosen eines Mythos

einen wesentlich größeren Einfluss, als zunächst anhand der geringen Anzahl von Abschriften vermutet werden könnte.106 Direkte Verwendung fanden die «Gesta Philippi» wahrscheinlich im «Speculum Historiale» und im «Memoriale Omnium Temporum» des Vincent von Beauvais sowie in einer Kompilation, die als «Livre de l'abbé Gilles» bekannt ist.107 Ganz sicher hatte nur Wilhelm der Bretone Rigords (vielleicht bereits leicht erweitertes) Werk in Händen. Als dieser seiner zweiten Redaktion der «Gesta Philippi Augusti» eine gekürzte und leicht bearbeitete Version von Rigords «Gesta» voranstellte108, tat er das nach eigenen Aussagen, um dem nur wenig bekannten und verbreiteten Werk größere Aufmerksamkeit zu verschaffen.109 Erst durch Wilhelms Vermittlung, so scheint es, erlangten die «Taten König Philipps» eine gewisse Bekanntheit und fanden schließlich als eines unter vielen anderen Werken Eingang in die «Grandes Chroniques de France»110, wo sie jahrhundertelang weiterwirkten.111 Charakteristisch für die hier im zeitlichen Längsschnitt eingehender beleuchtete fränkisch-französische Herkunftsversion war und blieb die enge Bindung an die jeweilige königliche Dynastie. Ihre in den Jahrhunderten vor und nach Rigord zu beobachtende anhaltende Tradierung sowie die geringe Variabilität in der Grundstruktur der Frankreich beteffenden Troja-Passagen spiegelt die lange herrschaftliche Kontinuität des Kapetingergeschlechts, das vom Ende des 10. Jahrhunderts bis zum ersten Drittel des 14. Jahrhunderts an der Macht war. Dem nahe Paris gelegenen Benediktinerkloster

Brial/Delisle, 1878, Praefatio, II). Henri-François Delaborde zog in seiner wenige Jahre später erschienenen Ausgabe der «Gesta» eine weitere Handschrift aus dem Vatikan (BAV, Reg. lat. 88) hinzu; sie datiert ebenfalls in die Mitte des 13. Jahrhunderts, ist am Ende jedoch unvollständig (dazu auch Gesta Philippi Rigordi, ed. Delaborde, 1882, 1, Anm. 1; Delaborde, Notice, 1884, 13). Die im Jahr 2006 erschienene Ausgabe berücksichtigt des Weiteren moderne Abschriften; vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 20-51. 106 Vgl. Bourgain, Rigord, 1995, 849fr 107 Dieser Schluss liegt nahe, weil die genannten Werke Informationen aus den «Gesta Philippi» für die Zeit bis 1209 enthalten. Dazu Delaborde, Notice, 1884, 13. 108 Diese zweite, nicht überlieferte Redaktion bildete nach Henri-François Delaborde die Grundlage für eine weitere Bearbeitung der «Gesta», die Wilhelm der Bretone um den sogenannten «Libellus Guillelmi» ergänzte. Zur Textgenese vgl. Delaborde, Notice, 1884, 3-9; außerdem: Rigordus, De Gestis Philippi, ed. Brial/Delisle, 1878, Praefatio III-V; Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 65f. Über einzelne, den Text Rigords betreffende Interpolationen vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 367, 372 u. 375-382, passim. 109 Et quoniam libellus Ule magistri Riguoti a paucis habetur, et adhuc multitudini non communicatur, omnia que in eo plenarie continetur summatim tetigi, et prout oculis vidi et intellexi, huic libello meo preposui, quedam adjiciens breviter pretermissa ab ipso, et ita precedentia et subsequentia virtuosi régis opera sub uno breviloquo libello conclus! Gesta Philippi Guillelmi, ed. Delaborde, 1882, 168.19-169.7. Hierzu auch Delaborde, Notice, 1884, 11. 110 M%1. Delaborde, Notice, 1884, 13f. 111 Zu diesem Schluss gelangten auch Bourgain, Rigord, 1995, 849f; Touati, Rigord, 2003, 261, 263.

5.

171

Transformationen

Saint-Denis kam bei der Fortschreibung des weg eine wichtige Rolle zu.

5.3 London und die

Mythos

über einen

großen

Zeitraum hin-

mythischen Ursprünge des Königtums in England

Weil sich in der «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth um die historischen Fakten fantasievolle und lebendige Erzählungen ranken, ist sie von modernen Historikern um nur einige Charakterisierungen zu nennen als „Roman"1 „pseudohistory"113, „in Literatur verbogene Geschichte"114 oder „prosaisch-episches Werk""5 bezeichnet worden. Gerade die aus quellenkritischer Sicht geringe Glaubwürdigkeit der «Historia» erschwerte eindeutige Aussagen über die Quellenbasis für Geoffreys Erzählung von der Frühgeschichte Britanniens. Eigenen Angaben nach kannte der Autor Gildas und Beda, konnte aber in deren Werken nichts über die reges Britanniae vor Christi Geburt erfahren.116 Stattdessen habe er einen volkssprachlichen liber vetustissimus benutzt, der über die Zeit des ersten Britenkönigs Brutus bis zu Cadwallon, dem Herrscher von Gwynedd, im 7. Jahrhundert berichte. Das Buch, welches Geoffrey selbst ins Lateinische übertragen habe, sei über Walter von Oxford in seinen Besitz gekommen.117 Mehrere, nach wie vor unbeantwortete Fragen sind in diesem Zusammenhang aufgeworfen worden: Existierte dieses „sehr alte Buch" tatsächlich? Wenn ja, ist dieses gänzlich verschwunden oder kann seine Benutzung in anderen überlieferten Werken nachgewiesen werden? War es vielleicht nur eine Erfindung, um vielen anderweitig nicht verbürgten Passagen der Erzählung über die Besiedlung der britischen Insel den Anschein von Glaubwürdigkeit zu verleihen? Oder stand der Ausdruck liber vetustissimus symbolisch für das mündlich vermittelte Geschichtswissen des Archidiakons Walter, mit dem Geoffrey gut bekannt war?118 ,

-

-

112 Dunn, History, 1958, Introduction, XXIII. 113 Vgl. Crick, Dissemination and Reception, 1991, 196; Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Editor's Preface, VII. 114 Vgl. Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 19, hier in Bezug auf ein Zitat von Acton Griscom. Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, \911 (1929), 101: „[...] Geoffrey was bent on turning chronicle history into literature." 115 Vgl. Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 28. 116 Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 1,1. 117 Talia michi et de talibus multociens cogitanti optulit Walterus Oxinefordensis archidiaconus [...] quendam Britannici sermonis librum uetustissimum qui a Bruto primo rege Britonum usque ad Cadualadrum filium Caduallonis adus omnium continue et ex ordine perpulchris orationibus proponebat. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 2, 1. Walter von Oxford wird daneben an zwei weiteren Stellen explizit genannt: vgl. ebd., Kap. 177, 129 u. Kap. 208, 147. 118 Zur Diskussion über den liber vetustissimus siehe Curley, Geoffrey, 1994, 10-13; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 11, 14-17 u. 39 (Anm. 4); Hanning, Vision of History, 1966, 122; Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 102-109.

172

//.

Metamorphosen eines Mythos

Auch als Ian Short 1995 den Epilog von Geffrei Gaimars «Estoire des Engleis» analysierte, welcher hinsichtlich der Quellenangaben auffällige Parallelen zur «Historia Regum Britannie» aufweist, lichtete sich der Nebel um dieses mysteriöse Buch nicht.119 Darüber hinaus kann die Hypothese, nach der die sogenannte „Variant Version" eine unmittelbare Vorlage für die «Geschichte der Könige Britanniens» gewesen sei, weil sie weder Widmungen enthielt noch Walter von Oxford und das „sehr alte Buch" erwähnte, inzwischen als widerlegt Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, Geoffreys Darstellung als rein fiktional und erfunden zu bezeichnen. Zu Recht wurde hervorgehoben, dass sich viele der in der «Historia» verwendeten Orts- und Personennamen historisch verorten lassen und daneben eine Reihe von Anspielungen, Querverweisen und Zitaten begegnen, die eine Kenntnis nicht nur des Alten und Neuen Testaments, sondern auch antiker und mittelalterlicher Autoren verraten. Die «Historia Ecclesiastica» des Beda Venerabilis, Gildas' «De Excidio Et Conquesta Britanniae» (6. Jh.) und die dem Nennius zugeschriebene «Historia Brittonum» (9. Jh.) können dabei als Hauptquellen Vor allem auf das zuletzt genannte Werk122 bzw. eine seiner Bearbeitungen gehen viele Elemente in dem ausführlichen Troja-Abschnitt zu Beginn der «Historia Regum Britannie» zurück. Ein Textvergleich mit den von Theodor Mommsen edierten drei Re123 führt zum «Historia Brittonum», «Nennius», «Nennius interpretatus» zensionen «Nennius dem dass Schluss, interpretatus» am sogenannten Geoffreys Darstellung nächsten kommt. Denn nur bei diesem findet sich die auch in der «Historia Regum Britannie» stehende Version, wonach Brutus (Britus) ein Urenkel des Aeneas, das heißt ein Sohn des Aeneas-Enkels Silvius, sei und die Erwähnung der Weissagung, derzufolge Brutus seine Eltern töten werde.124 Im Unterschied zur «Historia Brittonum» ließ

gelten.120

gelten.1

-

-

119 Vgl. Short, Gaimar's Epilogue, 1994, bes. 340. 120 Die „Variante" wurde erstmals von Jacob Hammer ediert (Geoffrey, Historia Regum Britanniae Variant Version, ed. Hammer, 1951). Ausführlicher zur Forschungskontroverse über deren Datierung und Verhältnis zur «Historia Regum Britannie»: Historia Regum Britannie of Geoffrey First Variant Version, ed. Wright, 1988, Introduction, XI-LXXVIII. Die „Variante" bildete wohl zud. h. der von Faral und Griscom edierten Version eine sammen mit der „vulgate version" Grundlage für Waces «Brutus-Roman»; dazu Caldwell, Roman de Brut, 1956. 121 Über die von Geoffrey hinzugezogenen Quellen: Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 17-19; Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 99-113; Dunn, History, 1958, Introduction, XVIIf. 122 Vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 69f Zur «Historia Brittonum» jüngst Coumert, Origines des peuples, 2007, 446-470. 123 Siehe Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898; die drei Versionen sind hier synoptisch ediert. 124 Zur Genealogie vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 6, 2f; dementsprechend Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 151.1-152.2 («Nennius») u. 151.11-39 («Nennius interpretatus»). Daneben sind im Zusammenhang mit der Einbindung des Brutus in die Linie des Aeneas andere Varianten überliefert, die teils neben den bereits erwähnten stehen: Bei «Nennius» ist Britus einer zweiten Version zufolge auch Enkel des Aeneas und Bruder des Silvius Postumus gewesen (vgl. ebd., 153.21f); in der «Historia Brittonum» ist Bratus/Britto einmal -

-

5.

173

Transformationen

Geoffrey aber keine Zweifel mehr an der schwieg die Möglichkeit, dass Brutus auch

Identität des Brutus aufkommen. Er verein römischer Konsul gewesen sein könnte125, und entschied sich von vornherein für die Version, nach der Brutus zum Stammbaum des Aeneas gehöre. Allen Rezensionen der «Historia Brittonum» gemeinsam ist die Erzählung von einer ersten Vertreibung des Brutus aus Italien, infolge derer er nach Griechenland kommt, und einer zweiten Vertreibung, die ihn nach Gallien führt, die Stadt Tours gründen lässt und schließlich bis zur Insel Britannia bringt. Geoffrey knüpfte daran an, malte vor allem die Ereignisse nach dem Verlassen der Apenninenhalbinsel phantasievoll aus und fügte Personen in die Szenerie ein, die er teils erfunden, teils aus anderen Schriften übernommen hatte. Helenus, Achill, Pandrasus, Pyrrhus, As1 27 saracus, Antigonus, Analectos Membritius, Innoge, Corineus, Himbert, Suchard, Turnus sie alle betreten als neue Protagonisten die Bühne, während eine abenteuerliche Odyssee den Brutus durch einen Großteil der damals bekannten Welt irren lässt, bis er endlich zur verheißenen Insel gelangt. Während das bei Geoffrey beschriebene Itinerar des Brutus der «Historia Brrttonum» entlehnt ist erinnern so manche Person und so manches Motiv an Vergils «Aeneis» andere wiederum an Dares und Dictys bzw. die fränkischen Überlieferangen Neben offenbar frei erfundenen Passagen lassen sich auch Anleihen von Statius, Hieronymus, Beda und aus der Bibel identifizieren.131 Wie in der «Historia Brittonum» wird Brutus in der «Geschichte der Könige Britanniens» als Gründer der Stadt Tours dargestellt. Neu ist, dass ihr Name sich von Turnus ableite, einem Neffen des Brutus, der dort im Kampf gefallen und neben Corineus der stärkste aller Trojaner gewesen sein soll.132 Neu ist auch der Bericht über die Errichtung Londons durch die Trojaner und die Etymologie seiner Bezeichnung, die Geoffrey als ,

-

,

,

.

125

126 127 128

129 130 131

132

Sohn, einmal Enkel und einmal Urarurenkel des Aeneas (vgl. ebd., 153.3-13 u. 161.11-15); der «Nennius interpretatus» weiß dagegen von einer zweiten Genealogie des Britus, in der die Trojaner überhaupt nicht vorkommen (vgl. ebd., 149.1-20). Zur Weissagung vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 16, 9 und entsprechend: Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 150.9-22 («Historia Brittonum») u. 150.9-18 («Nennius interpretatus»). Siehe Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 147.1-3 («Historia Brittonum») u. 147.12f. («Nennius» und «Nennius interpretatus»): Brittannia Ínsula a quodam Bruto [primo, «N.»; «N.i.»] consule Romano [dicta, «H.B.»]. Vgl. Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 152.4-153.2 («Historia Brittonum») u. 152.16153.1 («Nennius» u. «Nennius interpretatus»). Zur historischen Verortung dieses Namens vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 435. Die Reiseroute des Brutus entspricht dort derjenigen der Schotten. Siehe den Abschnitt De migrationibus Scottorum in Historia Brittonum, ed. Mommsen, bes. 156f. Dazu auch Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 81 f. Dazu auch Tilliette, Brutiade, 1996, 219, 222-226; Ingledew, Troy, 1994, bes. 670, 677; Tatlock, Legendary History, 1950, 116; Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 70f, 74-80, 84, 86, 91. Vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 71, 92. Siehe Tatlock, Legendary History, 1950, 116-170, bes. 116-119 u. 164. Zu den Quellen im TrojaBrutus-Kapitel bei Geoffrey vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 69-92, hier bes. 92. Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 20, 13.

174

II.

Metamorphosen eines Mythos

präsentierte.1

eines sprachlichen Wandlungsprozess Es ist das erste Mal, dass ein Autor die Stadt London (Trinovantum) mit dem Etikett Troia nova versieht und ihr Prestige mit Hilfe der trojanischen Vergangenheit zu untermauern versucht.134 Bereits John Clark zeigte, dass es sich auch in diesem Fall nicht um eine freie Erfindung handelte, sondern um eine Fortschreibung eines von Caesars «Bellum Gallicum» über Orosius und Beda bis in die «Historia Brittonum» gelangten und mehrfach überformten

Ergebnis

Uberlieferangsstranges.

135

Anders als in der «Historia Brittonum» und ihren Rezensionen1 6 spielte die heilsgeschichtliche Anbindung an die Noachiden in der «Historia Regum Britannie» keine Rolle mehr. An ihre Stelle trat gewissermaßen das Vatizinium der heidnischen Göttin Diana137, welche die Irrfahrt des Brutus als vorherbestimmt erscheinen lässt und damit das Schicksal der Insel Britannia zu einem göttlich gelenkten und unverrückbaren Ereignis im weltgeschichtlichen Geschehen macht. Vielleicht kann Brutus' Traumbild auch als ein Anklang an das Apollon-Orakel in der «Aeneis» verstanden werden.138 Die übrigen, über das Werk verstreuten Angaben über trojanische Spuren in der britischen Geschichte139 sind wohl, wie weite Passagen im Anfangsteil, der Kreativität des Autors zuzuschreiben. Trotz evidenter inhaltlicher Parallelen zwischen der «Historia Brittonum» und der «Historia Regum Britannie» bleibt am Ende ungewiss, auf welchem Wege Geoffrey die Bratus-Troja-Legende rezipiert und in sein Werk eingebracht hat. Möglicherweise ging der Einfluss von walisischen Traditionen aus.1

137

Vgl. ebd., Kap. 22, 14fr, Kap. 23, 15 u. Kap. 53, 34. Bei Gildas oder «Nennius», die Geoffrey oft als Vorlage galten, begegnet diese Herleitung nicht; hierzu Tatlock, Legendary History, 1950, 111. Eingehender zur Etymologie bei Geoffrey von Monmouth oben S. 79f Dazu Clark, Trinovantum, 1981, 135; Tatlock, Legendary History, 1950, 111. Vgl. Clark, Trinovantum, 1981, 135, 139-143. In der «Historia Brittonum» steht Brutus in der Linie des Noah-Sohns Japhet, im «Nennius» dagegen in derjenigen Chams; im «Nennius interpretatus» schließlich werden beide Versionen angeführt. Vgl. Historia Brittonum, ed. Mommsen, 1898, 159.13-160.3 u. 161.11-15 («Historia Brittonum»), 151.1-152.2 («Nennius»), 149.1-20 u. 151.11-39 («Nennius interpretatus»). Zu diesem Aspekt vgl. auch Hanning, Vision of History, 1966, 136, 144fr u. 171fr Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 16, 9. Ausführlich siehe oben

138

Vergil, Aeneis, 3,

133

134 135 136

S. 75fr

1950, 112fr

80-98. Dazu Clark,

Trinovantum, 1981, 144; Tatlock, Legendary History,

139 Siehe S. 88. 140

Wichtigster Referenztext ist die Erzählung «Armes Prydein» (ca. 930er). Von der trojanischen Abstammung des Britus wird im 11. Jahrhundert auch in einer irischen Überlieferung («Leabhbor Bretnach») berichtet. Vgl. Rio, Mythes fondateurs, 2000, 45. Während Rio der „Brutus-Legende" einschließlich der Idee trojanischer Abstammung bereits im 10./11. Jahrhundert eine weite Verbreitung attestierte, zeigte Pryce, dass ihr in den walisischen Überlieferungen erst ab dem späten 12. Jahrhundert/frühen 13. Jahrhundert größere Bedeutung zukam, ohne dabei die einzige verbindliche Herkunftserzählung darzustellen. Pryce, National Identity, 2001, 788-790.

5.

Transformationen

175

übertrieben, die «Historia Regum Britannie» als großen Wurf bezeichnen. Julia Crick listete insgesamt 215 Manuskripte des Werks auf, von denen 60 sicher in das 12. Jahrhundert datieren.141 Dass die «Historia» bei anderen Historiographen der Zeit durchaus scharfe Kritik hervorrief, zeigt das Beispiel Wilhelms von Newburgh (gest. 1198). Er hielt fast alles in der «Historia Regum Britannie» für erlogen und prangerte vor allem die Weissagungen des Zauberers Merlin und die Geschichte König Artus' als Geschichtsfälschungen an.142 Das tat dem Erfolg der «Historia» jedoch keinen Abbrach, zumal das Werk in der Zwischenzeit weite Verbreitung gefunden hatte. Durch die Suggestivität, mit der Geoffrey seinen Stoff darzubieten wusste143, wurde es über die Geschichtsschreibung hinaus zu einer Inspirationsquelle für Poeten und Literaten, die in der europäischen Literaturgeschichte kaum ihresgleichen findet. Über bildliche Darstellungen der Brutus-Erzählung ist dagegen so gut wie nichts bekannt, weil diese bisher von der Forschung nicht in den Blick genommen wurden. Sie müssen daher im Folgenden weitgehend ausgeklammert bleiben. Das Weiterwirken der Geoffreyschen «Historia» wurde hauptsächlich in zweierlei Hinsicht untersucht. Einerseits nahm man textliche Abhängigkeiten in den Blick und verfolgte das Fortwirken bestimmter Erzählelemente bzw. Motive. Andererseits wurde versucht, auf der Basis der Handschriftenüberlieferang das Bild der Rezeptionsgeschichte zu komplettieren und zu differenzierteren Einsichten darüber zu gelangen, wo und wann welche Textversionen rezipiert wurden sowie wer an ihrer Verbreitung mitEs ist sicherlich nicht

zu

Dissemination and Reception, 1991, „List of Manuscripts of the Historia", XI-XVI. An anderer Stelle (ebd., 216) spricht die Autorin dagegen nur von 58 Handschriften aus dem 12. Jahrhundert. Umfangreiche Beschreibungen der Manuskripte mit Informationen über Standort, Datierung, Inhalt, Überlieferangsgeschichte und Bibliographie bei Crick, Catalogue of the Manuscripts, 1989. 142 At contra quidam nostris temporibus, pro expiandis his Britonum maculis, scriptor emersit, ridicula de eisdem figmenta contexens, eosque longe supra virtutem Macedonum et Romanorum impudenti vanitate attollens. Gaufridus hic didus est, agnomen habens Arturi, pro eo quodfabulas de Arturo, ex priscis Britonum figmentis sumptas et ex proprio audas, per superductum Latini sermonis colorem honesto historiae nomine palliavit: qui etiam majori ausu cujusdam Merlini divinationes fallacissimas, quibus utique de proprio plurimum adjecit, dum eas in Latinum transfunderet, tanquam authenticas et immobili vertíate subnixas prophetias, vulgavit. [...] Praeterea in libro suo, quem Britonum historiam vocat, quam petulanter et quam impudenter fere per omnia mendatur, nemo nisi veterum historiarum ignarus, cum in librum ilium incideret, ambigere sinitur. Nam qui rerum gestarum veritatem non didicit, fabularum vanitatem indiscrete admittit. Vgl. Wilhelm von Newburgh, Historia Rerum Anglicarum, ed. Howlett, Bd. 1, 1884, Buch 1, Prooemium, 11-13. 143 Es war Edmond Faral, der explizit daraufhinwies, dass Geoffreys Erfolg nicht zuletzt auch auf die Art und Weise der Darstellung zurückzuführen sei. Klare Ausdrucksweise, übersichtliche und klar strukturierte Erzählung, gelehrte Anleihen, Aufmerksamkeit für Details und lokale Legenden, all das habe die Leser inspiriert, ihre Fantasie angeregt und sie gleichzeitig Vertrautes assoziieren lassen. Der erhobene Wahrheitsansprach, durch den sich Geoffrey als Historiograph darstellt, steigerte dabei das Ansehen bei den zeitgenössischen Literaten. Siehe Faral, Légende arthuri141

Vgl. Crick,

enne,

Bd. 2, 1929,397-401.

176

//.

Metamorphosen eines Mythos

wirkte. In Anbetracht der enormen Verbreitung und Rezeption der «Historia Regum Britannie» kann hier nicht mit der gleichen Detailliertheit wie bei Sicards «Crónica» und Rigords «Gesta» auf einzelne Handschriften, Rezeptionsstränge oder die Tradierang bestimmter Motive eingegangen werden. Das Fortleben von Geoffreys britischenglischem Herkunftsmythos wird daher überblicksartig anhand der Troja-Thematik im engeren Sinne, das heißt vor allem der Brutus-Erzählung, beleuchtet. Da die Rezeption der Artus-Figur und des Zauberers Merlin nicht unmittelbar mit ihr in Zusammenhang stand wird hier auf weitere Ausführungen dazu verzichtet.145 Einhergehend mit der raschen und anhaltenden Verbreitung der «Historia Regum Britannie» erlangte die Geschichte von der Besiedlung der Insel Britannia durch den Aeneas-Urenkel Brutus große Bekanntheit, ja mehr noch: Die «Historia» galt zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert im monastischen und säkularen Bereich als Autorität für die britische Frühgeschichte schlechthin.147 Noch zu Lebzeiten des Autors (gest. 1155) scheint eine vulgarisierte Version im Umlauf gewesen zu sein, welche wohl die Grand,

Trennung zwischen der Troja- und Artus-Erzählung ist insofern berechtigt, als im Zusammenhang mit dem um Artus entstehenden Mythos nicht mehr von Bedeutung war, dass Artus ein entfernter Nachfahre der Trojaner gewesen sei. Wie König Artus die Verkörperung der britischen Zukunftshoffhung war, so verhalfen «Merlins Prophezeiungen» König Artus gewissermaßen zu seiner Existenz. Merlins Weissagungen zirkulierten wahrscheinlich zunächst als eigenständiges Buch, bevor sie in die «Historia Regum Britannie» integriert wurden. Vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 8f. In den «Prophetiae» ist die trojanische Vorgeschichte nicht von Bedeutung. Siehe Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 112-117, 74-84; Kap.

144 Die

205, 146. 145 Zur Artus-Gestalt sei hier neben den informativen Artikeln im Lexikon des Mittelalters, die zugleich eine reiche Auswahl an weiterführender Literatur bieten (vgl. Bezzola, Artus, 1980; Lago-

rio/Bezzola, Artus, mittelenglische Literatur, 1980; Walliczek, Artus, mittelhochdeutsche Literatur, 1980), auf einige jüngst erschienene Monographien verwiesen, die sich mit der mittelalterlichen Artus-Thematik und seiner Rezeptionsgeschichte beschäftigen: Dentzien, Arthurian tradition, 2004; Gorgievski, Mythe d'Arthur, 2002; Higham, King Arthur, 2002; Padel, Arthur in Medieval Welsh Literature, 2000. Zum Artus-Mythos als einem wichtigen Faktor nationaler Identität im England des 19. Jahrhundert einschlägig Barczewski, Myth and National

2000. Der Rezeption Merlins in der europäischen Literatur widmete Silvia BruggerHackett eine umfangreiche Studie; vgl. Brugger-Hackett, Merlin, 1991. 146 Allgemein zur Rezeption der Geoffreyschen Werke vgl. Crick, Dissemination and Reception, 1991; Brugger-Hackett, Merlin, 1991, 47-80; Gransden, Historical Writing, 1974, 187fr, 200-202 u. 202, Anm. 148-152: Geoffreys «Historia» wurde zum Beispiel benutzt bei Ordericus Vitalis (ebd., 165), Heinrich von Huntingdon (200fr, 212), Gaimar (209fr), Robert von Torigny (200, 212), Alfred von Beverley (212), Ralph von Diceto (235), Gerald von Wales (246), Gervasius von Canterbury (256, 260), dem Chronisten von Abingdon (273), dem Chronisten von Waverley (273), Robert von Gloucester (434), einem Kleriker Eduards I. (443, 478), Peter Langtoft (476fr), Wace (477), Richard von Durham (495); zu frühen Kritikern ebd., 212fr (Ailred von Rievaulx), 212fr u. 264 (Wilhelm von Newburgh) u. 246 (Gerald von Wales). 147 Vgl. Gransden, Historical Writing, 1974, 202.

Identity,

5.

Transformationen

177

für die sogenannte „Variante" bildete. Femer zählt das Geschichtswerk des Kanonikers Alfred von Beverley (um 1150) zu den ersten lateinischen Prosa-Bearbei-

läge

tungen.

149

Als die wohl früheste Adaption überhaupt ist der sogenannte Warinus-Brief anzusehen, der bereits in den 1140er-Jahren zirkulierte.150 In diesem Fall lässt sich sogar recht genau rekonstruieren, auf welchem Wege die Verbreitung der Geoffreyschen Erzählung durch literarischen Austausch erfolgte. Im Jahr 1139 reiste der neue Erzbischof Theobald von Canterbury in Begleitung des Archidiakons Heinrich von Huntingdon zur Palliumübergabe nach Rom und besuchte unterwegs das nordfranzösische Benediktinerkloster Le Bec, dem er selbst zuvor als Abt vorgestanden hatte und in dem Robert von Torigny Mönch und später Prior war.151 Bei dieser Gelegenheit machte Robert Heinrich mit Geoffreys «Historia Regum Britannie» bekannt, während dieser umgekehrt jenem seine «Historia Anglorum» zeigte.152 Diese Begegnung sollte nicht ohne Folgen bleiben, denn Heinrich von Huntingdon fügte wahrscheinlich um 1140 in einer dritten Überarbeitung seiner «Historia Anglorum» den Brief an den Bretonen Warinus ein. In diesem Brief antwortete Heinrich auf Warinus' Frage, weshalb er in seiner Darstellung der Britenherrscher den Zeitraum von Brutus bis Julius Caesar ausgelassen habe, folgendermaßen: Er habe das Werk zuvor noch nicht gekannt, wolle es aber nun mit wenigen Worten zusammenfassen.155 In der Tat gibt dieser Brief wesentliche, bisweilen

Hierzu oben S. 65f., Anm. 7. Zur Troja-Passage bei Alfred von Beverley siehe S. 102. Zum Warinus-Brief oben S. 98f. Über die Biographie Roberts von Torigny vgl. oben S. 96, Anm. 102. TToc tarnen anno [R: anno qui est ab incarnatione Domini .mcxxx. nonusj, cum Romam proficiscerer [R: cum Theobaldo Cantuariensi archiepiscopi], apud Beccensem abbaciam scripta rerum predictarum stupens inuenifR: Siquidem Robertum de Torinneio eiusdem loci monachum, uirum tarn diuinorum quam secularium librorum inquisitorem et coaceruatorem studiosissimum, ibidem conueni. Qui cum de ordine hystorie de regibus Anglorum a me edite me interrogaret et id quod a me querebat libens audisset, obtulit michi librum ad legendum de regibus Britonum qui ante Anglos nostram insulam tenuerunt.J Wright, Epístola ad Warinum, 1991, Kap. 1, 93 u. Anm. 3, 4. In der Chronik Roberts von Torigny heißt es an anderer Stelle: Quam epistolam, sicut in ea reperitur, cum Romam idem Henricus pergeret, me ei praebente copiam exemplaris totius historiae Britonum, apud Beccum excerpsit. Cronicle of Robert of Torigni, ed. Howlett, 1889, Prologus, 64. Siehe dazu auch Gesta Normannoram Ducum, ed. van Houts, Bd. 1, 1992, LXXVIII, Anm. 223; Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 188f 153 SieheS. 98f. 154 Über die Identität des Warinus Brito ist nichts Näheres bekannt. 155 Queris a me, Warine Brito, uir comis et facete, cur patrie nostre gesta narrons a temporibus Iulii Cesaris inceperim et florentissima régna, que a Bruto usque ad tempus Iulii fuerunt, omiserim. Respondeo igitur tibi quod nec uoce nec scripto horum temporum noticiam, sepissime querens, inuenire potui [...]. Quorum excerpta, ut in epístola deed, breuissime scilicet, tibi, delectissime, mitto. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Epístola Warino Britoni, Kap. 1, 558.

148 149 150 151 152

178

//.

Metamorphosen eines Mythos

leicht modifizierte156 Informationen aus Geoffreys «Historia» wieder. Er beginnt mit der Genealogie Eneas igitur Romani generis auctor genuit Ascanium. Ascanius genuit Siluium, Siluius Brutum und geht auch auf die Gründung von Tours und London durch den Trojaner Brutus ein158. In ähnlicher Form tauchen diese Genealogie und die BrutusGeschichte auch an anderer Stelle in der «Historia Anglorum» auf.159 In Greenways Neuedition der «Geschichte der Angeln» wird hier jedoch nicht von einem späteren Zusatz ausgegangen. Vielmehr nimmt die Herausgeberin an, dass der Passus auf die «Historia Brittonum» zurückgeht und bereits vollendet war, bevor Heinrich von Huntingdon Kenntnis von Geoffreys «Historia» erhielt. Nachträgliche Ergänzungen seien kaum eingefügt worden.160 Dieser Ansatz wirft Fragen auf, die hier nur angedeutet werden können: Sollte der Archidiakon Heinrich etwa schon vor Geoffrey die «Historia Brittonum» benutzt und sich unabhängig von ihm ebenfalls für die Version entschieden haben, wonach der heros eponymos Brutus trojanischer Herkunft war? Hatte sich Geoffrey an Heinrichs «Historia» orientiert? Oder muss nicht eher davon ausgegangen werden, dass die frühen Versionen der «Historia Anglorum» in späterer, überarbeiteter Form auf uns gekommen sind und Einschübe aus Geoffreys Werk enthielten? Für letztere Annahme spricht, dass der Warinus-Brief und der erwähnte Passus am Anfang der «Historia Anglorum» im Aufbau auffällige Parallelen zeigen. Es kann kaum ein Zufall sein, dass Heinrich von Huntingdon an beiden Stellen gerade diejenige Version wiedergibt, nach der Brutus ein Urenkel des Aeneas gewesen sei. Denn bereits Geoffrey von Monmouth hatte sich diese Lesart zu eigen gemacht. Auffälligerweise findet sich in der Handschrift E, welche nach Greenway als einzige die erste Version bis 1129 (E1) enthält, ebenfalls die dritte Version (E2), das heißt eine Fortsetzung bis zum Jahr 1138, die auch

157

Abweichungen gegenüber Geoffreys Version sind wohl auf den Versuch Heinrichs von Huntingdon zurückzuführen, die in der «Historia Regum Britannie» vorgefundenen Informationen mit denen in der «Historia Brittonum», Bedas «Historia Ecclesiastica» und seiner eigenen «Historia Anglorum» abzugleichen. Siehe dazu Wright, Epístola ad Warinum, 1991, 90. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Epístola Warino Britoni, Kap. 2,

158

Edificauit

156 Die

558.

159 160 161 162

urbem Turonis in Gallia. [...] Edifitcauit proinde Trinouantum in memoriale id Troiam nouam, quam nunc Lundoniam uocamus. Ebd., Epístola Warino Briest sempiternum, toni, Kap. 2, 558, 560. Geoffrey dagegen führte die Gründung Tours etymologisch auf einen gewissen Trojaner namens Turnus zurück; vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 20, 13. Siehe Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Buch 1, Kap. 7, 24-26. Vgl. ebd., bes. 24 u. 25, Anm. 40. Zu den einzelnen Versionen und ihrer Überlieferung in den Handschriften ebd., Introduction, CXVII-CLVIII. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Erzählung bei Geoffrey siehe oben S. 74-80. Die Passagen bei Heinrich von Huntingdon: Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Buch 1, Kap. 9, 24-26 ([...] Anchises pater Enee, Eneas pater Ascanii, Ascanius pater Siluii. [...] natus estfilius et uocatus est Bruto.) u. ebd., Epístola Warino Britoni, 558 (Eneas igitur Romani generis auctor genuit Ascanium. Ascanius genuit Siluium, Siluium Brutum [...].) autem

5.

179

Transformationen

liegt daher nahe, den Abschnitt über die trojanische Beginn der «Historia Anglorum» als eine Interpolation zu erklären, die erst nach der Entstehung der «Historia Regum Britannie» des Geoffrey von Monmouth hinzugefügt wurde. Der erstmals bei Heinrich von Huntingdon überlieferte Warinus-Brief begegnet ferner in der von Robert von Torigny zwischen 1147 und 1150 interpolierten und erweiterten Fassung der «Chronik» Sigeberts von Gembloux. Im Prolog zu diesem Werk wies der Autor auf die Auslassungen bei Sigebert hin und hob hierbei ausdrücklich hervor, dass auf die trojanischen Ursprünge der englischen Könige bisher nicht eingegangen worden sei. Deshalb stelle er die in der epístola wiedergegebenen Exzerpte Heinrichs von Hundingdon an den Anfang. Obwohl Geoffrey von Monmouth selbst ein säkularer, im Sinne von nicht-klösterlicher, Geschichtsschreiber war, erlangte seine «Historia» und mit ihr der trojanische Gründungsmythos im Bereich der klösterlichen Historiographie große Bekanntheit.166 Wie die Erwähnung des Warinus-Briefes bei Robert von Torigny verdeutlicht, war Geoffreys Gründungsversion bereits kurze Zeit nach ihrer Entstehung auf dem Festland, genauer: im Kloster Le Bec in der Normandie, bekannt. Spätestens Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die Brutus-Geschichte auch in der wichtigen, nahe London gelegenen den Warinus-Brief enthielt.

Frühgeschichte Britanniens

Es

zu

Benediktinerabtei St. Albans thematisiert. Die berühmte «Chronica Maiora» aus der Feder des Mönches Matthaeus Paris (gest. war dort entstanden und blieb bis zu

1259)167

163 Hierzu ebd., Introduction, LXVIII-LXXII u. CXXVIIIf 164 Vgl. Cronicle of Robert of Torigni, ed. Howled, 1889, 65-75. Robert von Toringy benutzte wohl die 1146 fertiggestellte vierte Version der «Historia Anglorum» Heinrichs von Huntingdon, die er auch an anderen Stellen vielfach exzerpierte. Es handelt sich dabei wohl nicht um die erste, nach Le Bec gelangte Version der «Gesta Normannoram Ducum». Siehe dazu Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, LXXIII. 165 [...] et de regibus Anglorum, de quibus nullam mentionem facit, mefacturum non despero. Quod et de Britonum regibus proposueram faceré, si tantummodo infra chronica Sigisberti competenter illos valerem comprehendere. Sed quia Brutus pronepos Aeneae, a quo et Ínsula Britannia vocata est, primus ibi regnavit, si vellem omnes reges sibi succedentes ordine congruo poneré, necesse esset mihi non solum per librum Sigisberti, verum etiam per totum corpus chronicorum Jeronimi, et per magnam pariem chronographiae Eusebii, eadem nomina spargere. Verum quoniam indecens est scriptis virorum tantae auctoritatis, Eusebii et Jeronimi dico, aliquid extraneum addere, ut satisfaciam curiosis, huic prologo subjiciam unam epistolam Henrici archidiaconi, in qua breviter neumerat omnes reges Britonum, a Bruto usque ad Cadwallonem, qui fuit ultimus potentum regum Britonum [...]. Cronicle of Robert of Torigni, ed. Howlett, 1889, Prologus, 64. 166 Einen guten Überblick über den Einfluss von Geoffreys «Historia» in der lateinischen Chronistik (1300-1500) bietet die systematische Studie Laura Keelers von 1946; nicht immer jedoch findet man hier Angaben darüber, ob und wie die Brutus-Geschichte in den genannten Werken fortgeschrieben wird (vgl. Keeler, Late Latin Chroniclers, 1946). Umfassende (wenn auch oft verstreute) Hinweise zur Rezeption der «Historia Regum Britannie» bei Taylor, English Historical Literature, 1987, passim; Gransden, Historical Writing, 1974, passim. 167 Vgl. Ingledew, Troy, 1994, 696 u. 702. Die von Geoffrey von Monmouth übernommenen Passagen: Matthaei Parisiensis Chronica Majora, ed. Luard, Bd. 1, 1872, 16-23 (De excidio Trojae et

180

11

Metamorphosen eines Mythos

da der Benediktiner Ranulph Higden (gest. 1363/64) sein «Polychronidas in England am meisten verbreitete Werk klösterlicher Geschichtsverfasste, Die «Chronica Maiora» enthielt Wesentliches aus der Geoffreyschen Brutus-Erzählung, ordnete diese aber zugleich (erneut) in den Kontext der biblischen Geschichte ein, welchen Geoffrey ausgeklammert hatte.169 Matthaeus Paris war überdies einer der Fortsetzer der in St. Albans kompilierten «Flores Historiaram», die später in Westminster bis 1326 fortgeführt wurden.170 Francis Ingledew bemerkte, dass hier Geoffreys «Historia» als Autorität parallel zur Bibel zitiert worden sei, wobei der Figur des Brutus eine weitaus größere Aufmerksamkeit gewidmet werde als dem biblischen Gegenpart Moses.171 Das um 1327 entstandene «Polychronicon» des Ranulph Higden1 fuhr fort in der Bezugnahme auf die britisch-trojanische setzte sich jedoch zugleich eingehend und durchaus kritisch mit der römischen Troja-Version auseinander.174 Ranulph war hier der Darstellung in der Universalchronik «Historia Ab Orbe Condito» des berühmten dominikanischen Humanisten Nicholas Trevet (gest. Die britische Troja-Geschichte fand im 14. Jahrhundert außerdem im 1334)

Zeitpunkt,

dem

con»

schreibung.168

Vorgeschichte173,

gefolgt.175

nativitate Bruti De morte Bruti et successione filiorum ejus). Gründung Londons ebd., 22 (Ut Brutus Trinovantum condiderit). Näheres zur Biographie und den Werken des Matthaeus Paris bei Taylor, English Historical Literature, 1987, 41, 50fr, 54, 60, 62-70, 76-81; Merrilees, Matthew Paris, 1987; Gransden, Flores, 1974. -

168 Vgl. Ingledew, Troy, 1994, 696. 169 Siehe Hanning, Vision of History, 1966, 121. 170 Die «Flores Historiaram» eine lateinische Chronik über die englische Geschichte stammen aus der Hand mehrerer Kompilatoren. Ihr Kern geht wohl auf John de Celia (John von Wallingford) zurück, der zwischen 1195 und 1214 Abt von St. Albans gewesen war. Zu den Fortsetzern gehörte neben Matthaeus Paris u. a. Roger Wendover. Von 1306 bis 1326 wurden die «Flores» durch Robert von Reading in Westminster ergänzt. Vgl. Schnith, Chronik England, 1995, 1983fr; Gransden, Historical Writing, 1974, bes. 320Í, 359-364 u. 377-379. 171 Ausführlich zum Inhalt der Troja-Passage in den «Flores Historiaram» Ingledew, Troy, 1994, 697f Dazu auch Keeler, Late Latin Chroniclers, 1946, 8. 172 Einzelheiten über Ranulph Higden und sein «Polychronicon» bei Taylor, English Historical Literature, 1987, 8fr, 38-40, 48f, 55fr, 90, 95; Mills, Higden, 1985; Keeler, Late Latin Chroniclers, -

-

1946,29-34.

173 Die der Geoffreyschen Brutus-Troja-Geschichte entsprechende Stelle im «Polychronicon»: Polychronicon Ranulphi Higden, ed. Babington, Bd. 2, 1869, Kap. 27, 440-444 (über Brutus, die Ursprünge Britanniens und die Gründung Londons). Vorangestellt ist ein weiterer Troja-Passus, in dem die ,römische' Version wiedergegeben wird; vgl. ebd., Kap. 16, 432-440. 174 Hier wie Francis Ingledew einen Brach mit der „nationalen" Geschichtstradition sehen zu wollen, geht vielleicht zu weit. Die von Higden geäußerte Kritik betrifft Unstimmigkeiten in den Quellenüberlieferungen, berührt jedoch nicht die Frage der Abstammung. Dass der Autor wie Nicholas Trevet Aeneas als einen Verräter dargestellt habe (vgl. Ingledew, Troy, 1994, 700), lässt sich nicht verifizieren. 175 Siehe die Ausführungen bei Ingledew, Troy, 1994, 700. Zur Verwendung Geoffreys bei Trevet: Taylor, English Historical Literature, 1987, 93fr; Dean, Nicholas Trevet, 1976, 338 (dort auch eingehend zu Trevets Biographie und literarischem Schaffen, insbesondere den Geschichtswer-

5.

Transformationen

181

«Eulogium Historiaram»,

das von einem Mönch aus Malmesbury verfasst wurde, Aufweicht inhaltlich dort aber an einigen Stellen von Geoffreys Darstellung ab.176 nahme, Aus dem 14. Jahrhundert sind mindestens zwei weitere Werke zu nennen, in denen der Trojaner Brutus als erster mythischer König der Briten angeführt wird: die «Commendatio Lamentabilis In Transito Magni Regis Edwardi» (Darstellungszeitraum bis 1309)177 und die «Annales Londonienses» (Darstellungszeitraum bis 1316)178. Ungeachtet zunehmender Kritik179 wurde Geoffreys «Historia» (und mit ihr die Brutus-Geschichte) noch im 15. Jahrhundert unkritisch adaptiert. Davon zeugen Thomas Otterboumes «Chronica Regum Angliae» (Darstellungszeitraum bis 1420) und die «Historia Regum Angliae» (Darstellungszeitraum bis 1486) des John Rows (Rous, Ross) de War-

ken). Ausführlicher zum «Polychronicon» und zur «Historia Ab

Orbe Condito»: Taylor, English Historical Literature, 1987, 93-103. 176 Die Darstellung ist weitaus weniger linear als in der «Historia Regum Britannie». Zunächst werden die Weissagungen, wie sie bei Geoffrey im Zusammenhang mit der Geburt des Brutus begegnen, auf die Geburt von Romulus und Remus übertragen (Eulogium, ed. Scott Haydon, Bd. 1, 1858, Buch 3, Kap. 7, 303; die gesamte Troja-Passage ebd., Kap. 6-9, 302-306). Brutus wird dagegen erst im fünften Buch erwähnt (ebd., Bd. 2, 1860, Buch 5, Kap. 2-9, 205-226; die Gründung Londons ebd., Kap. 21, 249). Zum «Eulogium» im Kontext der Trojaerzählungen Ingledew, Troy, 1994, 700; über die Verwendung von Geoffreys «Historia» im «Eulogium» auch Keeler, Late Latin Chroniclers, 1946, 34-36. Über das «Eulogium Historiaram» und die «Continuado»: Taylor, English Historical Literature, 1987, 93-103; jüngst auch Stow, Eulogium, 2004. 177 Die eng mit dem Trojaner Brutus verbundene Vorgeschichte Englands wird hier wohl als gegeben vorausgesetzt; Brutus ist ohne Epitheton oder anderweitige Erklärungen in einem Vergleich mit Eduard I. genannt: Olim Brutus, vir pollens viribus, deletis quibusdam mostruosis gigantum et terrigenarum corporibus, inanem et supervacuam se jactitat insulam adquisisse; sed plusquam Brutus Edwardus, ut infra patebit. Commendatio Lamentabilis, ed. Stubbs, 1883, 14f. Eduard wird daneben unter anderem mit Alexander dem Großen, Artus und biblischen Gestalten verglichen. Zum Troja-Bezug in der «Commendatio» auch Keeler, Late Latin Chroniclers, 1946, 59f. Die Identifizierung des John of London, dem das Werk zugeschrieben wird, ist umstritten (vgl. Commendatio Lamentabilis, ed. Stubbs, 1883, Introduction, XI-XIV). Die «Commendatio Lamentabilis» entstand wohl nicht lange nach dem Tod des englischen Königs Eduard I. (1307); siehe ebd., XIV. 178 Als Exzerpt aus den «Flores Historiaram» begegnet die Troja-Bratus-Geschichte in den «Annales Londonienses» in sehr verdichteter Form: Sub temporibus itaque EU et Samuel prophetae, vir quidam strenuus et insignis, Brutus nomine, de genere Trojanorum, post excidium urbis Trojae, cum multibus nobilibus Trojanorum applicuit in quondam insulam, tune Albion vocatam, a gigantibus inhabitatam, quibus sua et suorum devictis potentia et occisis, earn nomine suo Britanniam, sociosque suos Bridones appellavit; et aedifieavit civitatem quam Trinovantem nuneupavit, quae nunc Londonia nominatur. Et postea regnum suum tribus filiis suis dimisit [...]. Annales Londonienses, ed. Stubbs, 1882, 113. Ausführlicher zur Verwendung der «Flores Historiaram» und der Rezeption der Brutus-Geschichte ebd.. Introduction, X. Zum Troja-Bezug in den «Annales» auch Keeler, Late Latin Chroniclers, 1946, 59f. 179 Siehe dazu Keeler, Late Latin Chroniclers, 1946, 76-85.

182

II.

Metamorphosen eines Mythos

wick zwei Werke, die bei Brutus beginnend bis in die Gegenwart berichten. Ein kurzes Comeback hatte Geoffreys «Historia» noch einmal im 16. Jahrhundert, als sich das Bedürfnis steigerte, genealogische Linien weiter in zeitlichen Tiefen zurückzuführen und mit der Anknüpfung an Noah bzw. dessen Söhne ältere Ursprünge als die trojanischen zu konstruieren. Annius von Viterbo (um 1432-1502), der in den «Antiquities» (1498) die angeblich neu entdeckten Fragmente des Berosus und dessen Fortsetzer Manetho publizierte, hatte dies für Frankreich getan181 und fand in Richard White von Basingstoke (1539-1611) einen Nachahmer für England.182 Immer stärker verdrängten dann aber gallische Ursprünge sowohl in Frankreich als auch in England die mythische Troja-Geschichte. Gelehrte Humanisten hatten eine konkurrierende Version etabliert, welche den aktuellen patriotischen Bedürfnissen und kritischen Ansprüchen besser ge-

nügte.

Die «Geschichte der

Könige Britanniens» war nicht nur in lateinischen, sondern auch

in volkssprachlichen Versionen, den sogenannten «Bruts», verbreitet.184 Bei diesen «Bruts» ihre Bezeichnung geht auf die mythische Gründerfigur Brutus in Geoffreys handelte es sich um keine wörtlichen Übersetzungen, sondern Erzählung zurück zumeist um versifizierte Die ersten unter ihnen, die «Estoire des BreGeffrei Gaimar des tuns» (ca. 1135-1138) und der «Roman de Brat» des Robert Wace (1155), entstanden zeitgleich zu den frühen lateinischen Prosa-Bearbeitungen und waDer «Münchener Brat» ren in anglonormannischem Dialekt (französisch) und der stellen weitere Brat» «Royal Bearbeitungen des 12. Jahrhunderts (nach 1138) in französischen Versen dar; beide sind nur fragmentarisch überliefert.188 Mit Layamons -

-

Adaptionen.186

abgefasst.187

180 Hierzu ebd., 16-20 u. 23-28. Vgl. Joannis Rossi Historia, ed. Hearne, 1716, bes. 14-16 u. 18-20. Die entsprechende Textstelle bei Thomas Otterbourne konnte nicht verifiziert werden, weil die 1732 im Druck erschienene «Chronica regum Angliae» schwer zugänglich ist. 181 Vgl Asher, National Myths, 1993, 45. 182 Richard White kombinierte Annius mit Geoffrey. Siehe Bietenholz, Historia and Fabula, 1994, 198. 183 Hierzu ebd.; Asher, National Myths, 1993, bes. 44fr, 47, 50fr, 78. 184 Vgl. Ingledew, Troy, 1994, 701; zu den volkssprachlichen Versionen, u. a. bei Wace und Laya-

monvgl. Tatlock, Legendary History, 1950,451-531.

185 Siehe dazu Brugger-Hackett, Merlin, 1991, 64. 186 Umfassender über diese volkssprachlichen Umsetzungen ebd., 64-80. 187 Auf beide Werke wurde oben auf S. 101-104 näher eingegangen. Wie Domenico D'Alessandro darlegte, handelte es sich bei Waces «Roman de Brat» nicht um eine bloße volkssprachliche Adaption von Geoffreys «Historia», sondern um ein Werk mit eigenen literarischen Ansprüchen. Vgl. D'Alessandro, Historia et Brut, 1994, bes. 49. 188 Edition: Münchener Brat, ed. Hofmann/Vollmöller, 1877. Einzelheiten zur Überlieferung und den Quellen des «Münchener Brut» ebd., Einleitung, I-XVIII; Tatlock, Legendary History, 1950, 456f. Die Entstehungszeit bestimmte Tatlock nur vage „some time after 1138" (vgl. ebd., 457), während Hofmann/Vollmöller sie auf den Zeitraum zwischen 1140 und 1155 festlegten (vgl. Münchener Brat, ed. Hofmann/Vollmöller, 1877, Einleitung, XVIII). Der «Royal Brut» wiederum

5.

183

Transformationen

1190-1215)189

liegt dann erstmals auch eine mittelenglische Version vor. (ca. Sie orientierte sich jedoch nicht mehr unmittelbar an Geoffreys Text, sondern an Waces romanhaften Charak«Brut».190 Ähnlich wie Geoffreys «Historia» besaßen die «Bruts» ' Auf die mittelalterliche Roter und waren auf ein höfisches Publikum Im man-Literatur und spätere Verschroniken übten sie wichtigen Einfluss aus. 14. Jahrhundert entstanden weitere mittelenglische Verschroniken, in denen die mythische Troja-Bratas-Geschichte fortgeschrieben wurde. Neben der Robert von Gloucester lassen sich hier zwei Werke des nur teilweise zuzuschreibenden Chronik (um frühen 14. Jahrhunderts nennen. Das eine wurde von dem Augustiner-Kanoniker Peter Langtoft verfasst und gehörte zu den populärsten seiner Zeit; das andere stammte aus der Feder des Gilbertiners Robert Mannyng de Brunne und schöpfte teils aus Langtofts Chronik, teils aus Wace's «Brut».194 Über die verifizierten «Bruts» hinaus war eine Fassung in Prosa, auch «The Chroim Umlauf. Ihre Bekanntheit beruhte zunächst vornehmnicles of England» lich auf englischen Übertragungen. Sie gehörte mit circa 170 englischen und 50 französischen Manuskripten zu den am meisten gelesenen Werken des 14./15. Jahrhunderts und war zugleich das erste, das in England im Druck erschien.196 John Taylor zufolge hatte dieser «Prosa-Brut» in einer Zeit, als es im Unterschied zu Frankreich in England noch keine „offizielle Geschichtsversion" gab, allmählich den Stellenwert einer „Nationalgeschichte" erlangt. Als mögliche Gründe für die auffallenden Differenzen in der englischen und französischen Historiographie nannte Taylor mit Blick auf Frankreich

«Brat»

ausgerichtet.1 1300)193

genannt195,

datiert wohl nicht in das 13. Jahrhundert, sondern in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts; siehe Damian-Grint, Royal Brut, 1996. 189 Datierung und weitere Literatur unter anderem bei Dietz, Layamon's Brut, 1991; Tatlock, Legendary History, 1950, 483-531. Textausgabe mit englischer Übersetzung: Layamon, Brut, ed. u. transi. Barron/Weinberg, 1995. 190 Zu Übereinstimmungen und Abweichungen beider Werke Brugger-Hackett, Merlin, 1991, 78-80. 191 Vgl. Brugger-Hackett, Merlin, 1991, bes. 69-76. 192 Hierzu u. a. ebd., bes. 65fr, 77-80. 193 Die Chronik wurde wohl in der Abtei von Gloucester verfasst. Vgl. Ward/Waller (Hrsg.), History of English Literature, Bd. 1, 1967 (1907), 335-338, zur Troja-Passage ebd., 336. 194 Grundlegend zu beiden Autoren: Summerfield, Pierre de Langtoft and Robert Mannyng, 1998. Zur Chronik des Peter Langtoft und ihrer Popularität ebenfalls Taylor, English Historical Literature, 1987, 10, 55, 117, 138, 151fr u. 170fr; Gransden, Historical Writing, 1974, 1, 476-486. Zur Adaption von Langtofts Chronik bei Mannyng vgl. Taylor, English Historical Literature, 1987, 112 u. 115, und in ausführlicher Form bei Summerfield, Pierre de Langtoft and Robert Mannyng, 1998, 129 u. 164-216. Im Zusammenhang mit der Troja-Thematik wurden beide Werke erwähnt bei Summerfield, Pierre de Langtoft and Robert Mannyng, 1998, 168-175, oder Ingledew, Troy, 1994, 702. 195 Siehe Taylor, English Historical Literature, 1987, 110. 196 Zu dieser «Brut»-Version und ihren Fortsetzungen sowie frühen Drucken Matheson, Printer and Scribe, 1985, bes. 593; Matheson, Prose Brat, 1998 (dort auch eine umfangreiche Bibliographie); Taylor, English Historical Literature, 1987, 110-132. -

184

77.

Metamorphosen eines Mythos

die wichtige Rolle der «Grandes Chroniques de France», welche die offiziöse Geschichtsversion repräsentiert sowie eine gewisse Standardisierung der Geschichte bewirkt hätten. In England dagegen sei das Fehlen einer offiziellen Geschichtsversion schwieriger zu erklären und habe wohl damit zusammengehangen, dass weder Westminster noch St. Albans jemals eine Bindung an das englische Königtum besaßen, die mit derjenigen des Benediktinerklosters Saint-Denis an die Kapetingerherrscher ver-

gleichbar wäre.197

Auch in späterer Zeit brach das Interesse an Geoffreys Geschichtsversion nicht ab. Wie John E. Curran darlegte, erhielt sie im Zuge der Reformation neuen Aufschwung, wurde doch die in der «Historia Regum Britannie» zum Ausdruck kommende „Konkurrenz zu Rom" symbolträchtig für die antirömische Haltung der Protestanten.198 Gleichzeitig mehrte sich im England der Renaissancezeit Kritik an der Brutus-Geschichte. Eine gänzliche Widerlegung der mythischen Troja-Vergangenheit gestaltete sich jedoch mitunter schwierig, da die antiken Autoren, auf die nun zunehmend zurückgegriffen wurde, oftmals Belege für einzelne Komponenten der trojanisch-englischen Vergangenheit lieferten.199 Vor diesem Hintergrund bedeutete auch eine skeptische Distanz zu den Erzählungen Geoffreys von Monmouth in der humanistischen Historiographie Englands kein Ende für den Troja-Mythos. Die für die nationalen Geschichtsentwürfe der Humanisten charakteristische Betonung von Autochthonie anstelle der Idee eines romvermittelten bzw. Rom/Hellas verbindenden bewirkte keine mythische Dekonstraktion, zumal Geoffreys Gründungserzählung bereits autochthone Züge besaß. Wie das Beispiel des eng in die intellektuellen Kreise am Tudor-Hof eingebundenen Polydoro Virgilio aus Urbino (1470-1555) verdeutlicht, war es bei aller Kritik an der «Historia Regum Britannie» und dem Artus-Stoff der Bezug auf ältere Texte wie Gildas, durch den der Trojaner Brutus weiterhin als britischer Ahnherr gelten konnte.201 Mit dem Bekanntwerden der «Historia Regum Britannie» fand auch die Vorstellung von den trojanischen Wurzeln Londons weit über den Bereich der Geschichtsschreibung hinaus Verbreitung. Die Erbauung der (Haupt-)Stadt zählte seit Geoffrey von Monmouth zu den Kultorschöpfüngen der ersten menschlichen Inselbewohner (die Giganten wohnten noch in Höhlen). Allerdings wurde die Erzählung im Laufe der Jahrhunderte kaum ausgebaut. Ohne die entsprechenden Stellen aus der Literatur systematisch zusammentragen zu wollen202, sei neben den oben genannten Geschichtswerken,

Indigenats200

197 198 199 200 201 202

Vgl. Taylor, English Historical Literature, 1987, 46f, 110. „competition with Rome"; hierzu Curran, Roman Invasions, 2002, bes. 19f, 87f, 108. Vgl. Curran, Roman Invasions, 2002, 87-123. Siehe Helmrath, Umprägung von Geschichtsbildern, 2003, 334. Vgl. ebd., 347-349. Es gibt nur wenige Untersuchungen, in denen die Tradierang der Geoffreyschen Etymologie

Trinovantum-Troia nova thematisiert wird. Verwiesen sei hier in erster Linie auf die Studie von John Clark, die sich mit der Rezeption des Londoner Stadtgründungsmythos eingehender auseinander-

5.

185

Transformationen

in denen zumeist auch die Anfange Londons thematisiert werden, kurz auf einige weiteHierbei wird deutlich, dass sich die spätmittelalterliche re Quellen Dichtung durchaus nicht nur von den mythischen Gestalten Artus und Merlin, sondern ebenso von der Brutus-Geschichte inspirieren ließ. Poeten wie der anonyme Verfasser der alliterierenden Versdichtong «St. Erkenwald» (1386)204 oder auch Richard von Maidstone (gest. John Gower (gest. 1408)206 und John Lydgate (gest. 1449/50)207 wussten, dass London einst „neues Troja" geheißen habe. Im «Liber Albus» des John Carpenter (1419), welches Londons Rechte und Gewohnheiten festhielt, wurde sogar behauptet, London sei wie Rom eine trojanische Gründung und habe bis heute die Freiheiten, Rechte und Gewohnheiten des antiken Troja in Gebrauch.208 Aus der Hand des weiter oben bereits erwähnten Matthaeus Paris209 besitzen wir auch eine in das 13. Jahrhundert datierende Visualisierung des Londoner Gründungsmythos. Es handelt sich um eine Illustration in einem

eingegangen.2

1396)205,

-

Autograph.210

Vgl. Clark, Trinovantum, 1981, bes. 146-148. Weitere Hinweise auf Werke aus dem 15./16. Jahrhundert bei Curran, Roman Invasions, 2002, 97-100. Die folgenden und weitere Beispiele sind aufgeführt bei Clark, Trinovantum, 1981, 146-148. St Erkenwald, ed. Morse, 1975, 55, w. 25f. (Now pat London is neuenyd hatte pe New Troie:/pe metropol & pe mayster toun hit euermore has been.) u. 60f, w. 21 lf. (I was an heire ofanoye in pe New Troie/In pe regne ofpe riche kyng pat rewlit vs pen,/ [...]). Ausführlicher zu diesem Gedicht ebd., Introduction, 7-53; St. Erkenwald, ed. Savage, 1926, Introduction, IX-LXXIX. Cum bona felici sunt, Nova Troja, tibi./Mensis ut Augusti ter séptima fulsit in orbem/Lux, tibi, Londoniae, rumor amoenus adest. Ricardi Maydiston De concordia, ed. Wright, 1838, 32, vv. 46. Das lateinische Gedicht des Karmelitermönches Richard von Maidstone thematisiert die Allianz König Richards II. mit der Stadt London im August 1392. Hierzu auch Taylor, English Historical Literature, 1987, 251 f. [...] Under the toun ofnewe TroyeJWhich tok of Brut his ferste joye, [...]. John Gower, Confessio Amantis, ed. Macaulay, Bd. 1, 1900, Prologus, 3, w. 37*f Ausführlicher über die politischen Dichtungen des John Gower: Taylor, English Historical Literature, 1987, 236-238, 246, 250f. Siehe Minor Poems of John Lydgate, ed. MacCracken, 1934, Nr. 51, 710-716, hier Strophe 1, 710.1 (Brutus wird dort ohne eine Verbindung zu den Trojanern nur kurz genannt). Der Herausgeber MacCracken reihte dieses «The Kings of England sithen William Conqueror» betitelte Gedicht unter die didaktischen Dichtungen (vgl. ebd., Index, VI). Umfangreiche Literaturhinweise bei Kersken, Geschichtsschreibung, 1995, 129f, Anm. 13. [...] ab eisdem quoqueprioribus Trojanis, haec [i. e. civitas Londoniarum] prius a Bruto in similitudinem magnae Trojae condita est quam illa [i. e. urbs Romana] a Remo et Romulo; unde adhuc ejusdem antiquae civitatis Trojae libertatibus, juribus, et consuetudinibus utitur, et gaudet institutis. Habet enim senatoriam dignitatem et magistratus minores; habet etiam annuos pro Consulibus Vicecomites. Liber Albus, ed. Riley, 1859, Kap. 19, 61. Allgemein zum «Liber Albus» bei Hudson, Liber Albus, 1991. Siehe oben S. 179. Erhalten sind zwei Autographe der sogenannten «Chronica Majora» des Matthaeus Paris. Das eine (London, British Library, Corpus library, Nr. 26) behandelt die Geschichte von der Schöpfung bis 1188, das andere (Nr. 16) den Zeitraum von 1189 bis 1253. Vgl. Chronicles of Matthew Paris, ed. Vaughan, 1993, Introduction, VII. Die reich bebilderten Ausgabe von Richard Vaugham gibt setzt.

203 204

205

206

207

208

209 210

186

II.

Metamorphosen eines Mythos

Ungeachtet einsetzender Zweifel an den mittelalterlichen Überlieferungen hielt sich die Erzählung von der trojanischen Gründung Londons bis in das 16. und 17. Jahrhundert hinein in der englischen Historiographie und politischen Öffentlichkeit. William und William sind nur einige der Warner211, John Rows212, John Autoren, die in diesem Zusammenhang genannt werden können. Was der Erzählung von der trojanischen Gründung Londons Dauer verschaffte, war weniger das panegyrische Moment, wie es im Lobpreis Londons als königlicher Residenz zum Ausdruck kam, sondern das Bestreben, die Wurzeln der eigenen Kultur unabhängig von römischen Einflüssen erscheinen zu lassen, um auf diese Weise das Genuine der Briten hervorzuheben. Dass Brutus London als urbs und nicht als civitas gegründet habe, diente dabei als zentrales Argument.216 In Auseinandersetzung mit der umfangreichen Handschriftenüberlieferang können die in text- und rezeptionsgeschichtlichen Untersuchungen erzielten Erkenntnisse über die Verbreitung und Zirkulation von Geoffreys «Historia» untermauert und weiter differenziert werden. Einschlägig ist hier besonders die monographische Studie Julia Cricks, in der erstmals alle erhaltenen Manuskripte unter ausgewählten Gesichtspunkten systematisch analysiert werden. Crick bestätigte nicht nur, dass der «Historia» vom 12. bis zum 14. Jahrhundert allgemein große Beachtung geschenkt wurde, sondern vermochte es, die Konturen dieses Interesses stärker zu umreißen. Geht man von der Anzahl der überlieferten Handschriften aus, dann rangiert das 12. Jahrhundert vorn. Im 13. und

Higgins213

211

212

213

214

215 216

Slatyer214

diese Illustration allerdings nicht wieder, da sie lediglich Ausschnitte aus dem die spätere Zeit betreffenden Manuskript berücksichtigt. Der Dichter William Warner stellte die Gründung von Trinovantum als Ergebnis einer planvollen Strategie des Brutus dar, habe dieser doch die Stadt bewusst an einer strategisch günstigen Stelle und in einer fruchtbaren Region gebaut. Vgl. Warner, Albions England, 1612, Buch 3, Kap. 14, 63fr Dazu auch Curran, Roman Invasions, 2002, 97. John Rows beschrieb die vorteilhafte Lage von Trinovantum ähnlich wie William Warner. Vgl. Rossi, Britannica, 1607, 8fr Siehe auch Curran, Roman Invasions, 2002, 97. Nach Zimmermann ist der «Mirror» ursprünglich eine Sammlung von Erzählungen über das Leben und die Schicksale hervorragender, aber unglücklicher Personen der englischen Geschichte, und zwar insbesondere aus der Zeit der Rosenkriege, gewesen (vgl. Zimmermann, Higgins' Mirror, 1902, 2). Nach dem Erscheinen der Erstausgabe des «Mirror» 1554 (vgl. ebd., 4fr) trug die vierte Edition von 1574 den Titel «The Last Part of the Mirror», während im gleichen Jahr erstmals ein von John Higgins verfasster «First Parte of the Mirour for Magistrates, containing the falles of the first infortunate Princes of this lande: From the comming of Brute to the incarnation of our saviour and redemer Iesu Christe» veröffentlicht wurde (ebd., 6 u. 10). Die Errichtung von Trinovantum deutete John Higgins in erster Linie als einen zivilisatorischen Akt. Vgl. Mirror, ed. Haslewood, 1815, 44 u. 60f (zitiert nach Curran, Roman Invasions, 2002, 97). Slatyer hob in seinem Werk «The History of Great Britain» (1621) besonders Brutus' Rolle als Kulturbringer, d.h. Gesetzgeber, Städte-, Turm- und Tempelbauer, hervor und betonte, dass AltLondon seit seiner Gründung Herrschersitz war. Vgl. Slatyer, History, 1621, 89-91. Dazu ebenfalls Curran, Roman Invasions, 2002, 98. Ausführlicher und mit weiteren Quellenangaben Curran, Roman Invasions, 2002, 98-100. Siehe ebd., bes. 97f.

5.

187

Transformationen

14. Jahrhundert sind zwar weniger Manuskripte überliefert, aber dennoch sind es kontinuierlich viele, bis ihre Zahl dann zu Beginn des 15. Jahrhunderts spürbar nachlässt. Der Schwerpunkt der Verbreitung lag zunächst im nördlichen Teil des heutigen Frankreich, das heißt in Gebieten, die damals weitgehend in den englischen Herrschaftsbereich eingegliedert waren. Auf der Insel entstanden dagegen zunächst vergleichsweise wenige Abschriften, bis sich das Verhältnis im 14. Jahrhundert dann umkehrte. Auffälligerweise zirkulierten auf dem Festland vorrangig Versionen, die keine Widmungen enthielten.217 Es steht noch aus, Cricks Einzelergebnisse mit rezeptionsgeschichtlichen Untersuchungen in Beziehung zu setzen und in den gesellschaftspolitischen Kontext einzuordnen. Um das Bild vervollständigen und die Wirkung der «Historia Regum Britannie» angemessen beurteilen zu können, müssten auch die Verbreitung und Handschriftenüberlieferang bzw. Drucke einer Reihe weiterer Adaptionen berücksichtigt werden. Schon Crick hatte bei der Frage nach dem Weiterleben der «Historia Regum Britannie» auf die Überlagerungsproblematik So ist Layamons «Brut» nur eines unter mehreren Werken, die nicht mehr direkt aus der «Historia» schöpften, sondern auf einer ihrer späteren Bearbeitungen beruhte. Ähnlich wie bei den fränkischfranzösischen Geschichtswerken kann deshalb oft nicht mehr genau bestimmt werden, ob bestimmte Passagen direkt aus Geoffreys «Historia» oder einer der späteren Bearbeitungen übernommen wurden.

hingewiesen.218

5.4

Vergleichende Beobachtungen

Die drei unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität und des Wandels des Troja-Mythos betrachteten Herkunftserzählungen Sicards von Cremona, Rigords und Geoffreys von Monmouth geben in der Zusammenschau wichtige Aufschlüsse über die Grundlagen und Mechanismen mittelalterlicher Mythentransformation. Mythen wurden im Mittelalter nicht erfunden. Auch mythische Geschichten entstanden nicht ex novo. Wohl aber konnten einzelne Erzähl-Bestandteile neu sein oder in nie zuvor dagewesener Gestalt übermittelt werden. Vor allem die Ursprungserzählungen waren in erster Linie das Ergebnis eines kompilatorischen Vorgehens. Dabei gehörten die von den Autoren verwerteten Informationen keinem einheitlichen Erzählrepertoire an, sondern stellten Anleihen aus unterschiedlichen Überlieferungstraditionen dar, welche sich im Verlauf eines jahrhundertelangen Verformungsprozesses herausgebildet hatten und nebeneinander fortbestehen konnten. Der kompilatorische Charakter und die Uneinheitlichkeit hinsichtlich der Quellengrandlagen stellen kein Spezifikum der drei untersuchten Haupttexte dar, sondern sind allgemein im Bereich der mittelalterlichen Historiographie und in Bezug auf Herkunftserzählungen zu beobachten, sowohl inner- als auch außerhalb des Untersuchungszeitraums. Zieht man die Ausführungen zum Aspekt der Variabilität hinzu, 217 Dazu und zu weiteren Einzelheiten Crick, Dissemination and 218 Vgl. ebd., Introduction, 11.

Reception, 1991, bes. 206-217.

188

77.

Metamorphosen eines Mythos

dann wird deutlich, dass es sich in anderen literarischen Bereichen ähnlich verhielt. Auch dort gab es kein einheitliches Corpus, durch das sich die Autoren zum Thema Troja inspirieren ließen. Anders als in der Historiographie im engeren Sinne kam es indessen häufiger vor, dass sich Dichter und Gelehrte von nur einem Werk anregen ließen: so beispielsweise Balderich von Bourgueil, der beim Abfassen der «Helena-Briefe» Ovids «Heroiden» zum Vorbild nahm219, oder Robert Wace, dessen «Roman de Brut» weitgehend auf Geoffreys «Historia» Die Wandelbarkeit eines Mythos war demnach nicht nur durch die Kompilation von Informationen unterschiedlicher Provenienz möglich, sondern ebenso durch Adaption eines einzelnen Werks, das man nachahmte, für veränderte Bedürfnisse umgestaltete oder in eine Volkssprache Übertrag. Die Entstehung einer neuen Mythosversion durch Zusammenfügen von Passagen aus mehreren Überlieferangen kann hierbei als eine Eigenheit der Historiographie

zurückging.220

gelten. Ginge man von diesen Überlegungen zur Quellenbasis noch einen Schritt weiter und nähme hypothetisch nur einmal alle im Variabilitätskapitel genannten Troja-Referenzen des 12. Jahrhunderts in den Blick, dann erweiterte sich die Zahl derjenigen Quellen, die für einen Rückgriff auf den Troja-Stoff relevant sein konnten, beträchtlich. -

-

Wollte man auf diese Weise die Gesamtheit mittelalterlicher Troja-Bezüge erfassen, dann ergäbe sich ein hochkomplexes Gebilde, das sich mit einem mehrdimensionalen, an den Rändern ausgefransten, teils zerlöcherten Netz vergleichen ließe, dessen Farbe, Dichte und Fadenstärke je nach Zeit und Raum variiert. Bleibt man weiter in diesem Bild, müsste man sich vorstellen, dass dieses Netz an mehreren Enden zugleich weitergeknüpft wird, an manchen stärker, an manchen schwächer, an manchen wird die Arbeit eingestellt, an manchen beginnt sie gerade erst. Jede Masche des Netzes verkörpert eine Referenz auf den Troja-Mythos, wobei es ,einfache' Maschen geben kann, die im Großen und Ganzen das Muster an einem Ende fortführen, oder ,mehrfache' Maschen, die durch die Verknüpfung mehrerer Fäden gleichzeitig entstehen und dem Netz Mehrdimensionalität und zugleich eine veränderte Form verleihen. Solche ,Mehrfach-Maschen' sind uns mit den Erzählungen Rigords, Sicards von Cremona und Geoffreys von Monmouth überliefert. Ein jeder von ihnen verknüpfte mehr als eine Erzähltradition, wählte dabei andere Enden, einen anderen Knoten und setzte so eigene Akzente. Rigord favorisierte die fränkisch-französische Troja-Version, während er gegen die englische Herkunftserzählung mit Waffen der Gelehrsamkeit zu Felde zog, ohne ihre Glaubwürdigkeit grundsätzlich in Frage zu stellen. Geoffrey von Monmouth wiederum ignorierte die französische Troja-Erzählung zugunsten der britischen, verschwieg aber nicht die römische Version, welche als kontrastierendes Muster für die insulare Geschichtskonstruktion diente. Schließlich konnte ein Geschichtsschrei219 Siehe S. 142f 220 Vgl. S. 103.

5.

Transformationen

189

zwar die in der mittelalterlichen Historiographie etablierten nicht einfach übergehen, hatte es aber in der Hand, den Fokus Überlieferungsstränge auf eine dritte, anscheinend noch relativ junge Erzählung über trojanische Städtegründungen in Venetien zu richten, um damit über einen ,historischen' Baustein für die Geschichte seiner Heimatstadt zu verfügen. Grundbedingung für diese sich überschneidenden Bezugnahmen war nicht nur das Vorhandensein unterschiedlicher Versionen, sondern auch die Kenntnis von ihnen. Die Tatsache, dass Mehrfachbezüge im 12. Jahrhundert in allen drei Großregionen begegnen, setzt eine überregionale Zirkulation von Texten, welche ja zunächst in einem eng begrenzten Umfeld entstanden waren, voraus. In allen drei Versionen bildeten der «Fredegar» und der «Liber Historiae Francorum» (wenn auch nur mittelbar) eine wichtige Referenz. Rigords Herkunftsvariante entstand in Fortsetzung einer jahrhundertelangen Tradition, die auf den genannten fränkischen Werken beruhte und noch lange danach in der französischen Historiographie zentral blieb. Wie der französische Autor widmete Sicard von Cremona dem fränkischen Herkunftsmythos ein eigenes Kapitel und machte ihn zu einem Bezugspunkt für seine Darstellung. Die Gründergestalt Francio erführ auch hier keine signifikante Transformation, denn sie stellte für ihn keine Konkurrenzfigur dar, die in ein negatives Licht zu rücken war.221 Bei Geoffrey von Monmouth findet sich dagegen gar kein Rückgriff auf die fränkisch-französische Troja-Erzählung. Aber die «Historia Brittonum», auf die Geoffreys Erzählung in den Grundzügen zurückgeht, war im 8. Jahrhundert wohl im Wettstreit zu den fränkischen Erzählungen entstanden. Zumal die starke Beeinflussung anglonormannischer Gelehrter durch die französische Kultur annehmen lässt, dass sich auch in Geoffreys «Geschichte der Könige Britanniens» eine agonale Absicht verbirgt und sie als ein Echo auf die französische Variante des trojanischen Herkunftsmythos angesehen werden kann223, auch wenn oder gerade weil diese mit Stillschweigen übergangen wurde. Umgekehrt ist Rigord der erste unter den Autoren in fränkisch-französischer Tradition, der auf die englische BrutusGeschichte rekurrierte. Circa 60 Jahre nachdem diese in Umlauf gekommen war, fühlte man sich in der dem Herrscherhof nahestehenden Abtei Saint-Denis offenbar zu einer Stellungnahme gedrängt. Und das nicht von ungefähr, schaut man auf die rasche und breite Rezeption der Geoffreyschen «Historia». Bereits im 12. Jahrhundert findet sich

ber mit Sicards

Ansprach

221 Zur Bezugnahme Sicards auf die fränkisch-französische Version vgl. S. 67-69. Donizo wiederum wollte im Gegensatz zu den in Prosa aufgezeichneten Taten der Franken und Langobarden die gesta der Canossa in Versen besingen, weil ihm diese Form für sein Vorhaben angemessener erschien: Francorum prosa sunt edita bella sonora./Italiaeque stilus quod pingit proelia scimus,/ Longobardorum vernantia facía priorumjlmpia multorum seu vilia dicta virorumjAddita sunt libris ne possint mente recidi./Malo sub exemplo tanto, depromere metro/Ardua Jacta ducum nostrorum, sim licet usus/Tantum plana sequi nudisque referre loquellsJHystorlam fingam cum carminibus tarnen istam. Donizo, Vita Mathildis, ed. Simeoni, 1930, Buch 1, Prologus, 7.3-11, w. 19. Ausführlicher über Donizos Troja-Referenzen S. 119f 222 So etwa Rio, Mythes fondateurs, 2000, 45 u. 65. 223 Dazu bereits Gerould, King Arthur, 1927, 40-45.

190

77.

Metamorphosen eines Mythos

demnach der französisch-englische Antagonismus vorgeprägt, wie er in Spätmittelalter und Neuzeit unter Gelehrten und Politikern verschiedentlich thematisiert und ausgetragen wurde. Innerhalb dieser Auseinandersetzungen spielte Troja als Argument jedoch künftig eine zunehmend geringe Rolle. Die trojanische Abstammung der Franci war unterdessen nicht der einzige Ausgangspunkt für spätere Fortschreibungen des Mythos. Viele Autoren, insbesondere diejenigen, die gleich Sicard von Cremona universalgeschichtliche Werke verfassten, folgten der römischen Tradition, wie sie in der Chronik des Eusebius-Hieronymus in Anlehnung an antike Quellen überliefert war. Vergegenwärtigt man sich die große Bekanntheit der von Hieronymus bearbeiteten «Eusebius-Chronik» im Mittelalter, so überrascht es nicht, dass auch ein Autor wie Geoffrey hierauf Bezug nahm. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass Rigord diese gerade nicht erwähnt, war doch in Frankreich seit Jahrhunderten allein die fränkische Version weitergeschrieben worden, die so etwas wie eine kanonisierte Fassung darstellte. Die Behauptungen trojanischer Ursprünge entsprachen einem Denkmuster, das während der gesamten Zeit des Mittelalters begegnet. In Übereinstimmung mit den Beobachtungen im gilt ebenfalls in diachroner Perspektive, dass die eines eines Rückführung Volkes, Herrschergeschlechts oder einer Stadt auf die Trojaner sowohl vor als auch nach dem 12. Jahrhundert überwiegend eine Domäne der Geschichtsschreibung war. Allgemeingültigkeit kann diese Feststellung aber nur dann beanspruchen, wenn man keine künstliche Trennlinie zwischen Geschichtsschreibung und Literatur zieht und auch all diejenigen Werke zum Bereich der Historiographie rechnet, die sich in dichterischer Form mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Wiederentdeckte alte Schriften spielten bei der Reaktivierung des Troja-Mythos im 12. Jahrhundert ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das Beispiel Paduas zeigte, dass die Erzählung von der trojanischen Grundsteinlegung, wie sie bei Gottfried von Viterbo und Sicard von Cremona Erwähnung fand und später in der Stadtgeschichtsschreibung sowie im städtischen Bewusstsein in durchaus wörtlichem Sinn ,ausgebaut' wurde, auf einer Stelle in Vergils «Aeneis» beruhte. Dieser Passus wurde wohl erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts durch Otto von Freising aufgespürt und weiterverwendet. Auch in England nahm die Reaktiviemng der fortan sehr erfolgreichen Version von der Besiedlung der Insel durch den Trojaner Brutus ihren Ausgang von einem Werk, das zwischenzeitlich weitgehend in Vergessenheit geraten war: der «Historia Brittonum». Der Erfolg von Geoffreys «Historia» war so groß, dass er die zeitgleich in den Benediktinerklöstern seit einem Jahrhundert fortgeschriebene anglonormannische Version quasi mit sofortiger Wirkung in den Schatten stellte. Nicht immer aber fielen reaktivierte oder neu initiierte Herkunftserzählungen auf fruchtbaren Boden. Das verdeutlicht Sicards auf lange Sicht hin gescheiterter Versuch, die Kommune Cremona unter die Trojaner-Gründungen zu reihen. Schaut man indes auf den Inhalt der

Variabilitäts-Kapitel224

-

224

Vgl. bes.

oben S. 146f.

-

5.

191

Transformationen

Darstellungen bei Sicard, Rigord und Geoffrey und beobachtet, wie dieser sich in späteBearbeitungen verändert, dann spürt man insgesamt ein wachsendes Interesse und eine zunehmende Empfänglichkeit für derartige Ursprangsmythen. Auffällig ist, dass dem Aspekt der Stadtgründung im 12. Jahrhundert besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Alle drei Autoren schrieben einer bestimmten Stadt überlieferungsgeschichtlich gesehen erstmals trojanische Ursprünge zu. Bei Rigord und Geoffrey von Monmouth waren es die Herrschaftszentren der jeweiligen Königreiche (Paris, London), die mit den Trojanern in Verbindung gebracht wurden. Sicard von Cremona war hingegen bestrebt, seine eigene Stadt, in der er als Bischof wichtige Funktionen ausübte, zu nobilitieren. Rigord und Geoffrey bezogen sich also auf den Troja-Stoff aus einer imperialen Perspektive, Sicard aus einer kommunalen. Im Gegensatz zu Cremona, von dessen trojanischem Ursprang nach Sicard keine Notiz mehr genommen wurde, war den Erzählungen über die Anfange von Paris und London eine lange Dauer beschieden, weil sie eng mit der Geschichte der Landnahme bzw. der Herausbildung der königlichen Herrschaft in beiden Großregionen verbunden blieben. Allerdings verselbständigte sich keiner der städtischen Gründungsmythen im Laufe der Zeit. Ein erneuter Blick auf den Inhalt der einzelnen Passagen führt daneben vor Augen, dass sich die Autoren unterschiedlich über den eigentlichen Gründungsakt und die Namengebung äußern. Rigord lässt die trojanischen Ursprünge von Paris weitgehend im Dunkeln; wann und von wem die Stadt gegründet worden sei, geht aus seinen Ausführungen nicht klar hervor. Der Leser erfahrt lediglich, dass Ibor sich mit einem Teil der zuvor unter Francios Führung gewanderten Trojaner in Paris niedergelassen, die Stadt jedoch nicht erbaut habe. Für Cremona ist ebenfalls keine Gründergestalt benannt. Unterdessen ist Sicards Darstellung zu entnehmen, dass die Trojaner, welche Cremona und eine lange Reihe weiterer Städte erbauten, zur ersten Generation gehörten, die mit Aeneas nach Italien gekommen war. Londons Ursprünge wiederum werden unmittelbar mit dem Namen des ersten auf die Insel gelangten Trojaners Brutus verbunden. Von den drei Beispielen ist London der einzige Ort, dessen Namengeber mit der Gründergeren

-

-

stalt identisch ist. Im Unterschied zu Sicard von Cremona, der sich über die Herkunft der Bezeichnung Cremona überhaupt nicht äußerte, spielten Etymologien für Geoffrey von Monmouth, Rigord und ihre Rezipienten eine wichtige Rolle. Bestimmten Herrschern wurde hierbei im Hinblick auf die Benennung bzw. Umbenennung der Städte eine wichtige Funktion zugesprochen. Der englischen Version zufolge war es der erste Herrscher des Inselreiches, der die von ihm gegründete Stadt Troia nova nannte. Aber erst später habe König Lud die Stadt nach seinem Namen umbenannt und damit der gebräuchlichen Bezeichnung London den Weg gebahnt.225 Die Herleitong des Namens von Paris funktionierte nicht nach dem Schema, dass ein Herrscher seinen eigenen Namen auf eine Stadt Übertrag, in der er sich durch bauliche Maßnahmen verewigt hatte. 225

Vgl. 14f

die u.

maßgebliche Version: Historia Regum Britannie of Geoffrey, Kap. 53, 34f.

ed.

Wright, 1985, Kap. 22,

192

//.

Metamorphosen eines Mythos

Nach der französischen Version war es der noch nicht zum Christentum konvertierte erste Frankenkönig Faramund, der die Stadt nach Paris Alexander, dem Sohn des trojanischen Königs Priamus, benannt hatte. Der Name von Paris verbindet sich auf diese Weise eng mit der Entstehung des Königtums in Frankreich und in gewisser Hinsicht auch mit der Bekehrung zum Christentum, denn vor dem Hintergrund, dass Faramunds Sohn Chlodwig der erste christliche Frankenherrscher werden sollte, wird der Widerwillle gegen den negativ konnotierten Stadtnamen Lutetia zu einem ersten manifesten Ausdruck nicht-heidnischen Verhaltens. Bei keinem der drei Autoren konnten Einflüsse aus mündlichen Traditionen verifiziert werden. Diese Beobachtung ist für das 12. Jahrhundert generalisierbar. Nur in einem Fall bewahrte eine Troja-Erzählung indirekte Anklänge an volkstümliche Überlieferungen. Es handelt sich um den Bericht Alexanders von Télese über die Belagerung Neapels im Jahr 1135. Dort wird erwähnt, dass die Stadt als uneinnehmbar gelte, dass sie eine Gründung des Aeneas sei und Vergil einst im Auftrag Kaiser Augustas' ihre 227 Verwaltung übernommen habe. Nach Domenico Comparetti gehörte die Statthalterschaft Vergils in Neapel ebenso zur mittelalterlichen Vergil-Legende wie Vorstellungen von den magischen Fähigkeiten des Dichters. Es ist davon auszugehen, dass diese eine gewisse Popularität besessen haben ebenso wie das Grab Vergils, das mit dem Aufkommen der Wundergeschichten um Vergil in engem Zusammenhang stand.228 Auch wenn die von Alexander von Télese erwähnte Gründung Neapels durch Aeneas nicht zu dieser Legende gehörte, könnte es sich um eine gelehrte Assoziation des Autors vor dem Hintergrund populärer Traditionen gehandelt haben. -

226 Dazu exemplarisch Rigord: Sed gentiles quondam hujusmodi nomen propter fetorum abhorrentes, a Paride Alexandro, filio Priami regis Troje, Parisius vocaverunt. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 38, 192.15-17. In diesem Passus wird die Umbenennung von Paris noch nicht König Faramund, sondern allgemein den ,Heiden' zugeschrieben. Konkretisierungen folgen erst an späterer Stelle; vgl. ebd., Kap. 40, 202.1-5. 227 Vgl. Alexandri Telesini Ystoria, ed. De Nava/Clementi, 1991, Buch 3, Kap. 19, 69f. 228 Vergil war nach seinem Tod in Brindisi 19 v. Chr. in Neapel beigesetzt worden. Im „Parco della tomba di Virgilio" in Neapel befindet sich eine antike Krypta, an deren Eingang eine 1455 angebrachte Inschrift zum Verweilen einlädt: „Halte ein, Reisender, und lies diese wenigen Worte: Dies ist das Grab Vergils" (Siste viator pauca legito hie Vergilius tumulus est). Ob das Grab sich ursprünglich an derselben Stelle befand, ist umstritten. Domenico Comparetti ging davon aus, dass im mittelalterlichen Neapel eine volkstümliche Legende über Vergil im Umlauf war. Vergil habe sogar als „Protege Neapels" für die nicht-klerikale Bevölkerung eine ähnlich religiöse Bedeutung wie die Stadtheiligen Agrippinus und Gennaras besessen. Vgl. Comparetti, Virgilio nel Medio Evo, Bd. 2, 1955 (1937), 53-61. Einen Beleg für Comparettis Ausführungen über den „thaumaturgischen Vergil" und die Wunderheilkraft seines Grabes im 12. Jahrhundert bietet ein Brief Konrads (I.) von Querfurt (gest. 1202), Kanzler Heinrichs VI. und Bischof von Hildesheim und Würzburg. In ihm ist die Rede von einem Bronzepferd und einer Ampulle mit einem Abbild der Stadt Neapel, die durch Vergil magische Kräfte erhalten hätten. Vgl. ebd., Bd. 2, 1955 (1937), Appendice Nr. 1, 173fr (Auszug).

5.

Transformationen

193

Da im 12. Jahrhundert keine direkten Einflüsse mündlicher Erzählungen in den über-

lieferten Troja-Erzählungen zu finden sind, stellt sich die Frage, inwieweit diese für frühere Jahrhunderte des Mittelalters angenommen werden können. Auf der Basis der bisher in der Forschung angestellten Vermutungen über die Präsenz oraler Traditionen in den Herkunftserzählungen lassen sich konkret für trojanische Gründungsmythen kaum aussagekräftige Schlussfolgerangen ziehen. Weniger angesichts mangelnder Quellenbelege als vielmehr aufgrund rekonstraierbarer schriftlicher Überlieferungen erscheint es zweifelhaft, von einer (auch nur teilweisen) Verschriftlichung volkstümlicher Troja-Erzählungen in den fränkischen oder italienischen Überlieferangen auszugehen, wie bisweilen in der Forschungsliterator geschehen.229 Allenfalls können einzelne Elemente identifiziert werden, die nachträglich im Erzählrepertoire Aufnahme fanden und für die eine Übertragung aus mündlichen Überlieferangen wahrscheinlich ist. Auf der anderen Seite lässt der exemplarische Ausblick in das spätmittelalterliche Padua eine recht unerwartete Richtung der Mythostransformation von einer Verschriftlichung hin zur Vermündlichung zu Tage treten. Unerwartet insofern, als in der Mythentheorie bisher umgekehrt der Weg von mündlichen zu schriftlichen Traditionen nachgezeichnet sowie die Wichtigkeit schriftlicher Überlieferangen bei der Weitergabe eines niedergeschriebenen Mythos betont wurde. Es will nicht so recht zu unserem Bild vom Mittelalter passen, dass mit zunehmender Rationalisierang und Bildung eine ReMythisierang einherging, bei der gerade im Spätmittelalter der orale Aspekt viel größeres Gewicht besaß als im Früh- und Hochmittelalter. Indes, das auf den ersten Blick Archaische zeigt sich beim nochmaligen Hinsehen als das Moderne. Denn das gelehrte Wissen war nun nicht mehr nur in der Hand einiger weniger schriftkundiger Mönche, sondern erlangte auch in Laien-Kreisen Bekanntheit. Wie der Exkurs über Venedig und Padua nahelegt, begannen sich die Eliten unter gewandelten gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen nun tatsächlich aktiv des Troja-Mythos zu bedienen, um eigene Herrschaftsansprüche zu legitimieren. Diese Politisiemng wiederum scheint als wichtiges Movens für dessen Verbreitung und Popularisierung gewirkt zu haben. Es lohnte, diesen Prozess vergleichend anhand einiger Beispiele über mehrere Jahrhunderte hinweg bis zum Ausgang des Mittelalters intensiver zu untersuchen. Hier kann nur der Beginn dieses Prozesses näher betrachtet und das 12. Jahrhundert als Schnittstelle zwischen alter und neuer Arbeit am Mythos beleuchtet werden. Viele der spätmittelalterlichen Werke, auf die im Zusammenhang mit dem Fortwirken der drei Troja-Erzählungen eingegangen wurde, legen femer die Vermutung nahe, dass nach der (wenn auch polarisierten) Polyperspektivität des 12. Jahrhunderts alsbald eine erneute Verengung des Blickwinkels einsetzte, und zwar ähnlich wie bei Geoffrey unter bewusster Ignorierung konkurrierender Erzählungen. Stärker noch als zuvor galt 229 Zu mündlichen Einflüssen in fränkischen

Überlieferungen jüngst wieder Coumert, Origines des

peuples, 2007, bes. 338f. Über orale Troja-Traditionen in Italien zuletzt Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Grandungssagen, 1982, 95.

194

//.

Metamorphosen eines Mythos

spätmittelalterliche Interesse fortan der Eigengeschichte im Sinne eigener, unabhängiger, von außen unbeeinflusster Geschichte eine Geschichtssicht, die maßgeblich von Humanisten geprägt wurde.230 Hinsichtlich der Mechanismen der Mythenproduktion lässt sich abschließend zusammenfassen, dass Transformationsprozesse nicht nur eine notwendige Voraussetzung für die Persistenz des Mythos und die Entstehung von Variabilität waren, sondern dass die bereits bestehende Vielfalt umgekehrt weitere Veränderungen innerhalb des Erzählrepertoires begünstigte. Jeder Autor verformte durch Selektion, Kompilation und/oder Adaption das äußere Erscheinungsbild der mythischen Erzählungen und passte deren Aussagegehalt den gegenwärtigen Bedürfhissen an. Der individuelle Charakter, der in jeder Erzählvariante zum Ausdruck kommt, spiegelt dabei nicht nur die persönlichen Interessen des Autors, sondern auch die Erwartungen der Mäzene bzw. des Publikums. Diesen Verformungsprozessen waren auch die jeweils zugrunde gelegten Quellen sowie die später durch Rezeption entstandenen Versionen ausgesetzt. Theoretisch ergab sich daraus eine immer größere Vielfalt an Möglichkeiten. In der Praxis allerdings verhinderte die beschränkte Verfügbarkeit bestimmter Werke und mangelndes Interesse der Autoren bzw. Zeitgenossen ein exponentielles Wachstum an Varianten. Schließlich wird in der diachronen Perspektive stärker als im synchronen Querschnitt die Dichotomie zwischen mythischer Dekonstraktion und (Re-)Konstraktion bei der Transformation von Mythen greifbar. Besonders augenfällig ist das Zusammenwirken beider gegensätzlicher Kräfte im spätmittelalterlichen und neuzeitlichen England, wo trotz gelehrter Kritik der trojanische Gründungsmythos nicht in seiner Existenz gefährdet wurde, sondern im Gegenteil neuen Aufwind bekam. Im Falle Sicards von Cremona überlagerten sich beide Aspekte, war doch das destruktive Element bereits in der Entstehungsphase des Mythos wirksam, weil dieser zu einer Zeit kreiert wurde, als dafür kein Interesse bestand. Dadurch war der Weg frei für die Entfaltung anderer Mythen. das

-

230

Vgl. Helmrath, Umprägung von Geschichtsbildern, 2003; Ders., Probleme und Formen nationaler und regionaler Historiographie, 2005; Hirschi, Wettkampf der Nationen, 2005.

195

6. Relevanz Traditionsgängigkeit und Veränderbarkeit eines Mythos stehen in einem produktiven Spannungsverhältnis zur Gesellschaft. Wer immer sich auf einen Mythenstoff bezieht, tot dies nicht grundlos, sondern weil dieser für ihn Signifikanz hat. In dem Moment, in dem eine mythische Erzählung als irrelevant befunden würde, bestünde kein Grand mehr für eine Adaption; ein endgültiger Relevanzverlust bedeutete ihr Ende. Die anhaltenden Bezüge auf den Troja-Mythos während des gesamten Mittelalters und bis weit in die Neuzeit sind ein Zeichen dafür, dass er als Träger und Vermittler bestimmter Informationen immer wieder neue Anknüpfungsmöglichkeiten bot. Auf der Basis bisheriger Studien zur mittelalterlichen Troja-Thematik ist jedoch schwer einzuschätzen, welche Faktoren dazu beitragen, dass die antike Erzählung derart lange überleben konnte. Ebenso wenig kann mit Bestimmtheit gesagt werden, wie bekannt Troja-Erzählungen im Mittelalter waren und welches Wirkungspotenzial sie hatten. Insbesondere die Mediävistik bestimmte und bestimmt die Bedeutung des Mythos in erster Linie als eine gesellschaftlich-politische. Der opinio communis, nach welcher dieser in seiner Erscheinungsform als Herkunftserzählung herrschaftslegitimierende und identitätsstiftende Funktionen besaß, stehen nur vereinzelte Hypothesen über die begrenzte Wirkung trojanischer Ursprangsbehauptongen entgegen.1 Die große Anzahl und Variabilität der Rekurse im 12. Jahrhundert legen nahe, dass die Thematik des Kampfes um Troja sowie der späteren Wanderungen und Niederlassungen der Flüchtlinge eine recht hohe Relevanz innerhalb des zeitgenössischen Diskurses besaß. Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Attraktivität des Mythenstoffs wiederum bieten nicht nur die Unterschiede hinsichtlich des Inhalts, Umfangs und Stellenwerts der Rekurse, sondern auch die Handschriftenüberlieferang, Rezeptionsgeschichte sowie Verbreitungsgebiete und -Zeiträume. Entlang dieser Koordinaten lässt sich unter den drei Haupttexten nur der englische Autor Geoffrey von Monmouth als erfolgreich bezeichnen. Dass seine «Historia» so oft abgeschrieben und in der Chronistik ebenso wie in der Prosaliterator und Poesie weiterverarbeitet wurde, setzt ein entsprechend großes Interesse voraus, das offenbar schon im 12. Jahrhundert über den klösterlich-klerikalen Bereich hinausreichte. Sicards und Rigords Geschichtswerke fanden dagegen kaum Verbreitung weder unter den Zeitgenossen noch in späteren Jahrhunderten. Nichts spricht zunächst dafür, dass sie auf direktem Wege viele Rezipienten erreichten und mit ihren Ideen nachhaltig inspirierten. Eine eingehende Kontextualisierang der drei Herkunftserzählungen erlaubt hierbei weitere Annäherungen an die Frage nach der Relevanz während der Zeit ihrer und bezüglich ihrer Wirkkraft. -

Entstehung2

1 2

Siehe dazu die einleitenden Ausführungen bezüglich des Forschungsstandes S. 37f. zur Überlieferungsproblematik sowie den Erkenntnischancen und -grenzen des Historikers Schieffer, Erforschung narrativer Quellen, 2003. Im Zusammenhang mit der «Historia Regum Britannie» siehe ebenfalls Crick, Dissemination and Reception, 1991, 1.

Allgemein

196

//.

Metamorphosen eines Mythos

Mit der bereits eingangs skizzierten Konzentration der Geschichtswissenschaft auf das identitätsstiftende und herrschaftslegitimierende Moment des Troja-Mythos bzw. der Herkunfts- und Gründungserzählungen geht die Annahme einer kollektiven Verbindlichkeit einher. Veränderte Paradigmata in der historischen Forschung ließen Völker oder Staaten als Bezugsgrößen inzwischen in den Hintergrund geraten und an ihre Stelle kleinere Einheiten wie Adelshäuser, Herrscherdynastien oder die Bürger bzw. Eliten einer Stadt treten. Ursprangsbehauptangen für die genannten (und andere) Gemeinschaften werden in der Regel als bewusste, an diese gerichtete und von diesen rezipierte Konstruktionen wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund rücken die mittelalterlichen Autoren als Exponenten bestimmter Institutionen bzw. Personengrappen in den Blick. Gert Melville und Karl-Siegbert Rehberg konstatierten in einem vor wenigen Jahren erschienenen Sammelband zur „institutionellen Konstruktion von Kontinuität", dass der Troja-Mythos ,,[t]ief in die abendländischen Verknüpfungsphantasien eingeflochten" gewesen sei und „römischen und mittelalterlichen Oberschichtfamilien ebenso zur Rechtfertigung ihrer Geltangsansprüche diente, wie er auch den Kampf um nationale Selbstbilder (etwa der Türken) mitzubestimmen vermochte." „Entwürfe historischer Kontinuität", so heißt es weiter, „gehören zu den wichtigsten Stabilisierungsfaktoren zwischenmenschlicher Beziehungen. Von den privaten ,Eigengeschichten' in einer Zweierbeziehung bis zu den ,großen Erzählungen' über die Herkunft eines Herrschergeschlechts, einer Staatsform oder Nation, einer Religion oder Kirche geht es immer um ein Erinnern an Ausgangsbedingungen, an die Gründung und Fortsetzung eines Zusammenhandelns, an die Bewahrung institutioneller Beziehungen in Zeiten der Krise und deren Bewältigung." Herkunftserzählungen scheinen hiernach nicht nur eine aktive und wichtige Rolle innerhalb mittelalterlicher Gruppenbildungsprozesse gespielt zu haben, sondern geradezu eine ihrer grundlegenden Voraussetzungen gewesen zu sein. Ganz anders argumentiert Gert Althoff. Zwar geht auch er davon aus, dass „Mythen im Sinne von erklärenden, Ansprach begründenden oder Probleme bewältigenden Geschichten" im Mittelalter allgegenwärtig waren und die „fundierende Geschichtserinnerung" prägten. Allerdings hätten für ihre Ausbreitung und Propagierung im Mittelalter die Voraussetzungen gefehlt, weshalb sie selten oder nie Breitenwirkung erreichten und auch gar nicht auf die sogenannte „öffentliche Meinung" zielten. Am Beispiel Friedrichs I. Barbarossa und der von zeitgenössischen Historiographien behaupteten staufisch-karolingisch-merowingischen Kontinuität gab Althoff zu bedenken, dass wir nicht wissen, „welchen Stellenwert [...] diese Rühmung im Bewusstsein Barbarossas und seiner Zeitgenossen hatte, ob sie zielbewusst als Legitimationsargument verwendet wurde oder gar Anstrengungen zu einer zielgerichteten Verbreitung dieser Information unternommen wurden." Müssen wir also unsere Vorstellungen von den Funktionsweisen mittelalterlicher Herkunftserzählungen revidieren und davon ausgehen, dass sie weitge3 4

Melville/Rehberg (Hrsg.), Gründungsmythen, 2004, Vorwort, V. Althoff, Mythen im Mittelalter, 1996, 32fr

197

6. Relevanz

wirkungslos blieben? Eine fundierte Antwort hierauf ist bislang nicht möglich. Skepsis ist zuweilen auch in unmittelbarem Zusammenhang mit trojanischen Herkunftskonstraktionen geäußert worden5, ohne dass sich daran vertiefende Studien angeschloshend

hätten. Mit Blick auf diese

sen

Forschungslücke und um bestehende Annahmen über die herrschaftslegitimierende und identitätsstiftende Funktion der Herkunftserzählungen auf den Prüfstand zustellen, wird die zentrale Frage nach der Funktionalität des Troja-Mythos im Mittelalter noch einmal aufgegriffen. Bereits die textnahen Analysen in den ersten Kapiteln verdeutlichten, dass die (nicht nur) im Mittelalter anzutreffende Vielgestaltigkeit des Troja-Mythos und sein stetiger Wandel ohne die jeweiligen Akteure, die an den Metamorphosen beteiligt waren, nur schwer zu verstehen sind. Diese Akteure wiederum handelten nicht losgelöst von Raum und Zeit, sondern waren eingebunden in gesellschaftliche Strukturen und geprägt von bestimmten Denkweisen. Anhand der Relevanz-Problematik, die in der Frage nach der Bedeutsamkeit der Troja-Thematik für den Autor und seine Zeitgenossen zugespitzt wird, gilt es, den Mechanismen der Mythenproduktion weiter auf den Grand zu gehen. Hierbei ist analytisch zwischen einer intentionalen Ebene und einer Wirkungsebene zu unterscheiden. Es wird überprüft, ob von den Funktionen bestimmter Erzählelemente und der vom Autor beabsichtigten Wirkung Rückschlüsse auf deren tatsächliche Wirkung möglich sind. Um hierüber Anhaltspunkte zu gewinnen, ist es nicht allein wichtig zu wissen, welches Interesse Autor und Publikum an einer Reaktivierang und Modifizierung der Mythosversionen gehabt haben könnten. Ebenso bleibt zu untersuchen, ob es in überlieferten Quellen Hinweise für eine Vermittlung zwischen Text und Rezipient(en) gibt bzw. inwieweit die Rahmenbedingungen für eine solche gegeben waren. Das Wirkungspotenzial der Erzählungen wird sich anhand der so gewonnenen Indizien zwar nicht mit letzter Gewissheit, aber doch ungefähr einschätzen lassen. Gerade der Vergleich wird hier den Blick für ähnliche oder unterschiedliche Tendenzen schärfen und eine genauere Beurteilung des funktionalen Aspekts ermöglichen.

6.1

Geoffreys ,Revival'

des Troja-Mythos

Darüber, dass bei der Abfassung der «Geschichte der Könige Britanniens» politische Motive im Vordergrand standen, besteht in der Forschungsliterator weitgehend Konsens. Bereits Edmond Faral, seinerzeit einer der profundesten Kenner des Werks, strich heraus, hier seien die normannischen Eroberer favorisiert und deren Nachfahren sowohl in anglonormannischer als auch in angevinischer Zeit als Erben einer weit zurückreichenden Linie großer Könige dargestellt worden.6 Ausgehend von diesen Prämissen 5 6

Siehe dazu die Ausführungen S. 37f. Vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, bes. 386-388, 391. Dazu auch Rio, Mythes fondateurs, 2000, passim, bes. 46Í, 51-53; Tilliette, Brutiade, 1996, 220; Ingledew, Troy, 1994, 676;

198

//.

Metamorphosen eines Mythos

wurden die Funktionen der Geoffreyschen Herkunftserzählung in der Festigung kollektiver Identität insbesondere für die Herrscherdynastie und in der ideologischen Begründung ihrer Machtstellung gesehen. Faral wie auch andere betonten ihren nationalen Charakter.8 Dabei bezog sich der Begriff des Nationalen einerseits auf den Gedanken, die trojanisch-britischen Ursprünge hätten eine legitimatorische Grundlage für das anglonormannisch-angevinische Reich oder für Wales gebildet, anderseits auf den nachhaltigen Einfluss dieser Geschichtsversion in der englischen Nationalliteratar. Die Behauptung einer politischen Zweckbestimmung des in der «Historia» integrierten TrojanerMythos steht im Kontrast zu der schon Ende der 193 Oer-Jahre formulierten Überzeugung, derzufolge das Werk rein literarisch zu interpretieren sei und keiner ernsten politischen Absicht folgte.9 Bleibt man bei diesen Affirmationen nicht stehen und beleuchtet den Text und seine Entstehungshintergründe ein weiteres Mal, dann ist es schlichtweg unmöglich, eine präzise oder gar monokausale Antwort auf die Frage zu geben, warum und zu welchem Zweck Geoffrey den trojanischen Mythenstoff in der Form, wie sie uns überliefert ist, neu erzählte und warum dieser so schnell Verbreitung fand. Nicht allein, weil sich mehrere Motivationen überlagern und sich je nach analytischer Perspektive unterschiedliche

7

8

Tatlock, Legendary History, 1950, 422-432, bes. 426fr; Dunn, History, 1958, Introduction, XX; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 10. So Chauou, Idéologie Plantagenêt, 2001, bes. 40fr; Rio, Mythes fondateurs, 2000, passim; Faletra, Geoffrey and the Norman Colonization of Wales, 2000, passim; Crick, Dissemination and Reception, 1991, 220; Ingledew, Troy, 1994; Tatlock, Legendary History, 1950, 426; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 10. Faral (Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 394) sah in ihr „eine Art Nationalepos". Ähnlich Jones, Geoffrey and National Mythology, 1994, 237; Ingledew, Troy, 1994, 676, 703f; Tatlock, Legendary History, 1950, 428, 430; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 9fr, 19; Hanning, Vision of History, 1966, 121-172, bes. 137, 139fr, 144; Dunn, History, 1958, Introduction, XXIII; Chauou, Idéologie Plantagenêt, 2001, 35-41. Noch im Jahr 2000 schrieb Joseph Rio, Geoffrey habe für den „anglo-normannischen Staat" und seine Träger die „nationale Erinnerung an einen prestigevollen Ahnen" (d. h. Brutus) bewahren wollen (Rio, Mythes fondateurs, 2000, 51). Nach Tatlock sei sogar „rassischer Patriotismus" („racial patriotism") ein Motiv für Geoffreys Schaffen gewesen (Tatlock, Legendary History, 1950, 427f. u. 431); offenbar übernimmt

hier unkritisch eine

Auffassung,

Lloyd formulierte (Lloyd, Geoffrey, Geoffrey W. S. Barrow konstatierte, „Geoffrey was a Welshman whose object was to secure cultural respectability for his own nation", meinte er damit nicht das anglonormannisch-angevinische Reich, sondern Wales. Er sprach in diesem Zusammenhang von „kulturellem Nationalismus" (vgl. Gillingham, Context and Purer

wie sie bereits

1942, 467fr). Als John Gillingham in Anlehnung

9

an

poses, 1990, Zitate 100fr; ähnlich auch 116). Erstmals vertrat John Edward Lloyd eine solche Auffassung. Vgl. Lloyd, History of Wales, Bd. 2, 1911, 527fr Christopher Brooke und Valerie I. J. Flint entwickelten diesen Ansatz in den 1970erJahren weiter, indem sie die «Historia» als apolitisches Werk bzw. als Parodie interpretierten. Vgl. Brooke, Geoffrey as Historian, 1978 (1976); Flint, Parody and Purpose, 1979. Gegen diese Ansätze: Gillingham, Context and Purposes, 1990.

199

6. Relevanz

Deutongsmöglichkeiten ergeben sondern auch, weil die Rekonstruktion der Rahmenbedingungen, innerhalb derer die «Historia» entstand, so manche Problematik aufwirft, die eine eindeutige Einordnung und eine Beurteilung des zeitgenössischen Stellenwer,

tes des

Werks erschwert.

6.1.1 Reich und

Dynastie In der Gesamtdarstellung der britischen Frühgeschichte fungiert die Troja-Erzählung als Eröffnungs- und Grandlagenkapitel. Hier nimmt die Besiedlungsgeschichte Britanniens ihren Ausgang, hier beginnen die Samen späterer Entwicklungen zu keimen. Unter den vielen Facetten, die sich bei einer Beschäftigung mit dieser Erzählung finden lassen, ist zunächst das impériale und dynastische Element zu nennen." Beide sind auf das Engste mit der Gestalt des Trojaners Brutus verknüpft, dessen Ankunft eine neue Ära einläuteerstmals auf der Insel nieder und verstanden es, das Land urbar und bewohnbar zu machen. Die Giganten, welche bis dahin auf Albion lebten, wurden endgültig in das Reich der Vergangenheit verbannt. Dass die Trojaner weniger als Landnehmer, sondern vielmehr als Kultorbringer und zivilisatorische Schöpfer in Erscheinung treten, ist im Vergleich zu anderen Troja-Versionen eine Besonderheit. Eine Besonderheit ist dies auch im Hinblick auf die englische Geschichtsschreibung, denn bis zu Geoffrey wurde die Insel Britannia nach gängiger Ansicht erst von den Römern te: Menschen ließen sich

zivilisiert.12 In der Erzählung der «Historia Regum Britannie» war die Szenerie vor der Ankunft der Trojaner noch von Kämpfen und Abenteuern geprägt. Aber auf der von menschlicher Hand bis dahin unberührten Insel hatten sich Brutus und seine trojanischen Begleiter fortan anderen Aufgaben zuzuwenden: Nach der Vertreibung der Giganten teilten sie das Land untereinander auf, begannen mit dem Acker- und Häuserbau und kultivierten die Insel binnen kurzer Zeit.13 Abschließend „verewigte" sich Brutus nicht nur, indem er in unmittelbarer Anlehnung an seinen Namen der neuen Wohnstatt der Trojaner die Bezeichnung Britannia verlieh1 sondern auch, indem er als erster König des neuen ,

10 Treffend konstatierte John

Gillingham: „It is unlikely, to say the least, that there could ever be a single satisfying explanation of a book as extraordinary and influential as Geoffrey of Monmouth's History of the Kings of Britain. Covering almost two thousand years and the reigns of ninety-nine kings it is so full of material of different kinds that almost anyone who reads it with a particular interest in mind will be able to pick out passages which support their own interpretation. [...] The History [...] is particularly susceptible of myriad interpretations since it is shot through and through with ambiguity." Gillingham, Context and Purposes, 1990, 99. Ähnlich be-

reits Flint, Parody and Purpose, 1979, 447-449. 11 Zu beiden Aspekten umfangreich Tatlock, Legendary History, 1950, 305-320, 426. 12 Hierzu Gillingham, Context and Purposes, 1990, 109; Gransden, Historical Writing, 1974, 205. 13 Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 21, 13. 14 Geoffrey zufolge habe Brutus diese Namengebung bewusst gewählt, um ewige Erinnerung an sich selbst zu bewahren: Denique Brutus de nomine suo insulam Britoniam appellat sociosque suos

200

//.

Metamorphosen eines Mythos

einging und an dem Ort, den er zum Bau einer Hauptstadt sorgfältig ausgesucht und symbolträchtig Troia Nova/Trinovantum (London) genannt hatte, seine letzte Ruhe fand.15 Nun besaßen die neuen Inselbewohner auch eine Identität und einen politischen Ordnungsrahmen; und beides sollte sich bis zum Ende des Darstellungszeitraums, ja bis zu den Tagen Geoffreys nicht mehr grundlegend verändern. Die Selbstverständlichkeit, mit der Geoffrey die Metropole an der Themse zur wichtigsten trojanischen Stadtgründung innerhalb des Vorgeschichtskapitels machte, liegt begründet in der Entwicklung Londons zum herrschaftlichen Zentrum während der anglonormannischen Zeit. Wenn der Autor Tours als einzige Stadt außerhalb der britischen Insel explizit mit dem Etikett „trojanisch" versieht, indem er ihren Namen von dem tapregnum in die britische Geschichte

feren Turnus ableitete16, so handelte es sich auch hier um ein Politikum und unmissverständlich um eine Verfechtung englischer Ansprüche. Denn Tours war im 12. Jahrhundert ein ständiger Zankapfel der Kapetinger und der Grafen von Anjou, welche seit Heinrich II. (1154-1189) die englische Krone innehatten.17 Brutus ist in den Anfangskapiteln der «Geschichte der Könige Britanniens» die zentrale Gestalt. Wie selbstverständlich wandelte sich mit der Sesshaftigkeit der Trojaner seine frühere Führungsrolle in die Königswürde, und wie selbstverständlich blieb auch das Anrecht auf den Thron den Söhnen Locrinus, Kamber und Albanactus vorbehalten. Mit Brutus begannen zugleich eine neue Herrschaft und eine neue Dynastie.18 Ungeachtet dieser creatio ex nihilo kam die neue britische Königsfamilie nicht ohne noble Vergangenheit im Gepäck nach Albion. Denn Brutus entstammte in der dritten Generation der Linie des Aeneas, als dessen Nachfahren die römischen Kaiser galten. Anders als noch in der «Historia Brittonum» belässt Geoffrey von Monmouth über dessen Identität keinen Zweifel mehr: Wie Aeneas mit Lavinia den Ascanius gezeugt hatte, so ging Brutus aus einer (wenngleich illegitimen) Verbindung des Aeneas-Enkels Silvius und einer Nichte oder Enkelin der Lavinia hervor. Somit floss dasselbe ,blaue Blut' in den Adern der Herrscher des Imperium Romanum und der ersten britischen Regenten. Doch damit nicht genug. Brutus war gleichzeitig derjenige, der mehrere verstreute trojanische Gemeinschaften zu befreien und unter seiner Führung zu einen vermochte. Die -

15 16 17

18

19

-

Britones. Uolebat enim ex deriuatione nominis memoriam habere perpetuam. Ebd., Kap. 21, 13f. Diese Etymologie wird nochmals innerhalb der «Prophezeiungen Merlins» aufgenommen; vgl. ebd., Kap. 115(20), 77. Ebd., Kap. 22fr, 14f. Vgl. ebd., Kap. 20, 13. Tours fiel nach dem Sieg Philipps II. 1202 der französischen Krone zu, die an der Stelle des gräflichen Palastes eine königliche Burg und in Tours für den königlichen Bailli einen Amtssitz errichtete. Vgl. dazu Chevalier, Tours, 1997, 923fr Francis Ingledew brachte diesen Befund treffend auf den Punkt: „British history is thus systematically genealogized for the first time at the same moment that it is first systematically imperialized." Ingledew, Troy, 1994, 678. Dazu S. 172f.u. 178.

201

6. Relevanz

Machtverhältnisse drehten sich auf diese Weise gleichsam um, denn nun besiegten nicht mehr die Griechen die Trojaner, sondern die Trojaner die Griechen.20 Den Römern, den einzigen trojanischen Konkurrenten neben den Briten, boten Brutus' Nachfolger eben-

erfolgreich die Stim und agierten mit ihnen auf Augenhöhe ein Anspruch auf Gleichrangigkeit, der sich auch und vor allem in den trojanischen Ursprüngen manifestiert.21 Neben der Herkunft selbst begegnen in den Eingangskapiteln der «Historia» weitere Anleihen aus der römischen Troja-Mythosversion. So wirkt Brutus' lange Irrfahrt wie eine zweite Odyssee des Aeneas ; der Orakelsprach der Diana für Brutus auf der Insel Leogetia kann in Entsprechung zu demjenigen Apollons für Aeneas gesehen werden23; und wie Aeneas wird Brutus zum Gründerahn einer mächtigen Herrscherdynastie stilisiert.24 Von ihm geht eine nahtlose Folge britischer Könige aus, die zugleich das Erzählgerüst in der «Historia» bildet. Prinzipiell waren alle britischen Könige Nachfahren des Trojaners Brutus und blickt man noch weiter zurück des Aeneas. Eine Weitergabe der Herrschaft erfolgte im Wesentlichen in der männlichen Linie. Die Sohnesfolge war hier das vorherrschende Prinzip, wobei die Primogenitor, angeblich eine „trojanische Sitte", nur bisweilen explizit erwähnt wird.25 In einigen Fällen aber wird das Prinzip der Sohnesfolge durchbrochen. So konnte das regnum auch an einen nahen Verwandten26 oder sogar an weibliche Mitglieder der Familie weitergegeben werden; letzteres diente jedoch nur als Notlösung bzw. Übergangsregelung.27 falls

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20 Siehe die Helenus-Geschichte und den Sieg über Pandrasus: Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 7-15, 3-8. 21 Explizit kommt dieser Gedanke in der Rede des Cassibellanus zum Ausdruck; ebd., Kap. 54, 35. Siehe auch S. 82f. 22 Vgl. Tilliette, Brutiade, 1996. Diese Beobachtung auch bei Jones, Geoffrey and National Mythology, 1994, 237; Faletra, Geoffrey and the Norman Colonization of Wales, 2000, 65 und Ingledew, Troy, 1994, 677, der in diesem Zusammenhang von einer „mini-Aeneid" sprach. 23 Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 112f. 24 Michael A. Faletra konstatierte prägnant, dass Geoffrey mit der Figur des Brutus einen „neuen Aeneas" schuf. Siehe Faletra, Geoffrey and the Norman Colonization of Wales, 2000, 65. 25 Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 35, 24. Tatlock bemerkte in diesem Zusammenhang, dass das Erstgeborenen-Recht in Widerspruch zum walisischen „custom of gavelkind" stand; vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 111, 288-290. Eine Primogenitur als Nachfolgeprinzip wird neben der bereits zitierten Passage lediglich an folgenden Stellen innerhalb der «Historia» ausdrücklich erwähnt: Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 49, 32; Kap. 52, 34 (ergibt sich aus der Erwähnung als primogenitus frater in Kap. 50, 33); Kap. 53, 34 u. Kap. 65, 42. 26 Eine Nachfolge von Brüdern ist erwähnt in ebd., Kap. 50, 32; Kap. 52, 34 u. Kap. 53, 35. In zwei Fällen war es ein nepos, der die Thronfolge übernahm: vgl. ebd., Kap. 33, 23 u. Kap. 53, 35. 27 Guendoloena, die Tochter des dux Corineus, der an Brutus' Seite nach Britannia gekommen war, wurde mit einem Sohn des Brutus verheiratet. Nachdem dieser sie verstoßen hatte, riss sie gewaltsam die Herrschaft an sich und übergab das Zepter nach zehn Jahren an ihren inzwischen zur Herrschaft befähigten Sohn. Vgl. ebd., Kap. 24f, 16f. In einem anderen Fall entschied sich König Leir, seine drei Töchter wegen des Fehlens männlicher Nachkommen mit dem Reich zu beerben, was jedoch von den Magnaten nicht befürwortet wurde. Infolge einer Reihe an Begebenheiten ge-

202

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Metamorphosen eines Mythos

Die das Gesamtwerk strukturierende Orientierung an einzelnen britischen Herrschern und ihrer Regierangszeit entspricht ganz der von Geoffrey von Monmouth formulierten Zielstellung, ging es ihm doch darum, eine hystoria regum Britannie eine „Geschichte der Könige Britanniens", zu schreiben. In der Tat behandelt das voluminöse Werk die .gesamte' britische Geschichte von ihren aus heutiger Sicht mythischen Anfangen bis zur Herrschaftsübernahme durch die Angelsachsen. Es beginnt mit einer ausführlichen ,Biografíe' der Gründergestalt Brutus und endet mit der Herrschaft des walisischen Königs Cadwalion von Gwynedd (gest. 633/634), die einen tiefen historischen Einschnitt und eine Phase des Niedergangs markiert, weil die Briten unter Cadwalion ihre letzten militärischen Erfolge gegen die Angelsachsen zu verzeichnen hatten. Geoffrey von Monmouth gestaltete die von ihm dargestellten Könige nicht als Helden oder sakrale Figuren, im Gegenteil: Sie sind durch und durch weltliche Herrscher, die städtebaulich und gesetzgeberisch tätig werden30, das Reich nach außen gegen Fremde verteidigen, nach innen für Frieden sorgen und immer wieder neu in Thronfolgestreitigkeiten verwickelt werden. Geoffreys Könige und die in ihrem Umfeld agierenden Personen sind Menschen aus Fleisch und Blut31, die sich mit Problemen auseinanderzusetzen haben, die auch Geoffreys Zeitgenossen und wohl auch ihn selbst bewegten. Die Protagonisten der «Historia» gehörten nicht endgültig der Vergangenheit an, sie waren noch immer präsent und besaßen Eigenschaften, in denen sich die Rezipienten wiedererkennen konnten. Gleiches lässt sich über die Bedeutung so mancher Ortschaft in Geoffreys Werk sagen, die häufig in anachronistischer Weise an die Zeit erinnert, in welcher der Autor schrieb.32 ,

28 29 30 31

langte ein Teil der Herrschaft schließlich in die Hände der jüngsten Tochter Cordeilla. Die Erben der beiden anderen Schwestern duldeten es jedoch nicht, dass eine Frau die Regierungsgeschäfte führte, erhoben sich gegen sie und führten sie in Gefangenschaft, wo sie sich das Leben nahm. Vgl. ebd., Kap. 31fr, 19-22. Nach dem Tod des Königs Guithelinus übernahm seine Gattin Marcia, die als omnibus erudita artibus charakterisiert wird, das Zepter, bis ihr Sohn Sisillius im regierungsfähigen Alter war. Vgl. ebd., Kap. 47, 31. Zu diesem Aspekt auch Gillingham, Context and Purposes, 1990, 113, und Tatlock, Legendary History, 1950, 286, 434, der die von Geoffrey erwähnte Beteiligung von Frauen an der Herrschaft als beispiellos in der Geschichtstradition Englands, Wales', der Normandie und Frankreichs ansah und die Passagen als einen versteckten Hinweis darauf deutete, dass der «Historia»-Autor eine Thronfolge Mathildes unterstützte (vgl. ebd., 434f). Auf diesen Aspekt wird im Folgenden noch zurückzukommen sein. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 1, 1. Durch die Wahl des Darstellungszeitraums markierte Geoffrey zugleich eine mit Cadwallons Tod einsetzende historische Zäsur. Zum geschichtlichen Hintergrund Sarnowsky, England, 2002, 31. Zu diesem Aspekt auch Gransden, Historical Writing, 1974, 206fr Ähnlich auch Hanning (Vision of History, 1966, 139), der ausdrücklich daraufhinwies, dass Geoffreys Figuren menschliche Größe verkörpern. Auf Parallelen zu zeitgenössischen Herrschaftsvorstellungen machte Antonia Gransden aufmerksam; vgl. Gransden, Historical Writing,

1974, 206. 32 Das betrifft in erster Linie London und bestimmte Bischofsstädte. Dazu Tatlock, tory, 1950,435.

Legendary His-

203

6. Relevanz

Je nach Verdienst für die Britannia sind die einzelnen Regent(inn)en unterschiedlich umfangreich dargestellt. Neben Cassibellanus, unter dem ein Sieg gegen die Römer errangen wurde, und Artus, unter dem das regnum seine höchste Blüte erreichte, ist Brutus viel Platz innerhalb der Erzählung eingeräumt. Der Leser erhält von ihm, dem eingewanderten Trojaner, ein durchweg positives Bild. Er kämpft, eint, gründet; er verteilt, berät, tröstet; er ehrt die Götter und vertraut ihren Offenbarungen; er ist kein Einzelkrieger und selbstherrlicher Monarch, sondern verdankt vieles von seinem Erfolg der Hilfe anderer trojanischer duces, allen voran Corineus, und weiß dies zu schätzen. Robert W. Hanning erblickte in Brutus eine exemplarische Figur und bezeichnete die «Historia» als visionäres Werk.33 Vielleicht könnte man sogar so weit gehen und Brutus als eine ideale Herrschergestalt bezeichnen; allerdings mangelt es ihm an einer christlichen Aura, welche bei einer Idealisierang mittelalterlicher Könige nicht fehlen durfte.34 Anders als noch in der «Historia Brittonum» ist die trojanisch-britische Frühgeschichte nicht heilsgeschichtlich verankert.35 Prophezeiungen, die eine Vorherbestimmtheit alles Seienden und die Existenz eines überwölbenden Fatums suggerieren, spielen jedoch an mehreren Stellen der «Historia» eine wichtige Rolle36 und bilden innerhalb der Darstellung gewissermaßen heidnische Pendants zur christlichen Offenbarung. Das Orakel der Diana kündet in elegischen Distichen von glorreicher Zukunft, von einem Wiederauferstehen Trojas, von Weltherrschaft.37 Es sind impériale Ansprüche, die hier formuliert wurden. Merlins Worte sind dagegen sie kreisen um den Kampf zweier Drachen einen roten, der die Britannia symbolisiert, und einen weißen, der für die Saxones (Angelsachsen) steht39 und verheißen kein strahlendes Morgen,

apokalyptisch38,

-

-

33 Vgl. Hanning, Vision of History, 1966, 139 u. 156. 34 Dazu Raymonde Foreville (Typologie du roi, 1974, 291), der in einer Analyse anglonormannischer Geschichtswerke eine „Typologie des Königs" herausarbeitete: „Dès cette époque, la typologie du bon roi et celle du roi impie sont fixées et la fonction royale est perçue et analysée en référence à l'idéal chrétien: roi chevalier et conquérant, roi justicier et pacifique, portecteur des humbles et de l'Église, garant de la paix à l'intérieur du royaume." 35 Allenthalben sind zwar chronologische Querverweise anzutreffen, die gewöhnlich in universalgeschichtlich angelegten Werken begegnen. Im Unterschied zu diesen beginnt Geoffrey aber nicht mit dem Schöpfüngsbericht und endet auch nicht in seiner eigenen Zeit. Dazu auch Flint, Parody and Purpose, 1979,456. 36 Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 6, 3 (Prophezeiung eines Magiers anlässlich der Geburt des Brutus); Kap. 16, 9 (Prophezeiung Dianas); Kap. 112-118, 74-85 (Prophezeiungen Merlins); Kap. 179, 132 (Prophezeiung des beatus Patricius). Auf Merlins Weissagungen wird später an mehreren Stellen des Textes Bezug genommen. 37 Hie fiel natis altera Troia tuis./Hic de proie tua reges nascentur, et ipsis/Totius terre subditus orbis erit. Ebd., Kap. 16, 9. 38 Nach Michael A. Faletra ist Merlins Vatizinium frei von eschatologischen Elementen, weshalb das Apokalyptische nur eine Fassade bilde. Vgl. Faletra, Geoffrey and the Norman Colonization of Wales, 2000, 76. 39 Siehe Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 112 (1), 74.

204

II.

Metamorphosen eines Mythos

Untergang. Die Schlusskapitel der «Historia Regum Britannie» Richtigkeit dieser Vorhersage. Nach Geoffrey sei es vor allem die Zwietracht gewesen, die dazu führte, dass die Briten ihr eigenes Ende besiegelt hätten.41 Wie aus der Darstellung deutlich wird, hatte diese Zwietracht in erster Linie mit der Problematik der Herrschaftsnachfolge zu tun und kreiste um die Fragen: Welcher von mehreren Söhnen besitzt Anrechte auf den Thron? Soll das Reich geteilt werden? Dürfen Frauen das Zepter in die Hand nehmen? Sind andere Familienmitglieder erbberechtigt, wenn es keine direkten männlichen Nachkommen gibt? Der Zauberer Merlin führte mit dem prognostizierten Untergang des britischen Königtums die Gefahr, die aus solchen Fragen für das Reich erwachsen kann, vor Augen. Mit der Verdrängung der Briten durch die Angelsachsen bestätigten sich am Ende nicht nur Merlins Worte, sondern Geoffrey selbst deutete diese Entwicklung als ein Gottesurteil, „denn Gott wollte nicht, dass die Briten länger auf der Insel regierten, bevor die Zeit kommt, die Merlin dem Artus vorhergesagt hat."42 Die «Geschichte der Könige Britanniens» erzählt von keiner geradlinig nach oben oder nach unten verlaufenden Entwicklung. Aufstieg und Fall säumen zwar ihre Ufer, aber dazwischen gibt es ein ständiges Auf und Ab, mal Sturm, mal Windstille. Sie stellt daher weder eine bloße Aneinanderreihung von geschichtlichen Ereignissen und Herrscherfolgen, noch eine fortlaufende Erfolgsgeschichte des britischen Königtums dar. Wenn aber mit dem walisischen König Cadwallon, der den Untergang der britischen Herrschaft nicht aufzuhalten vermochte, das endete, was bei Brutus begonnen hatte, wenn also die britische Epoche endgültig zu Ende war, wer soll ein Interesse daran gehabt haben, sich mit ihr zu identifizieren und sie zu rühmen? Die anglonormannischen Regenten, die seit 1066 das vom mythischen Brutus geschaffene Königsamt übernommen hatten? Sahen sie und ihre Nachfolger sich als Erben des Gründers Brutus oder des Artus? Oder konnten sich die Waliser, deren König mit letzten Kräften eine unaufhaltsame Entwicklung zu verhindern suchte, angesprochen fühlen? Und schließlich: Vermochte Brutus, der zwar als Gründergestalt eine unbestrittene Rolle am Anfang der «Historia» einnimmt, aber insgesamt hinter König Artus weit im Schatten steht, überhaupt identifikatorisches Potenzial entwickeln? Der bereits im 7. Jahrhundert endende Darstellungszeitraum der «Geschichte der Könige Britanniens» lässt es nicht zu, den exakten Endpunkt der Erzählung zu bestimmen. Über die Ausrichtung des Werks sind daher lediglich vorsichtige Annäherungen möglich. Aufgrund des starken dynastischen Elements innerhalb der Erzählung ließe sich eisondern Verrat und

untermauern die

40 Vgl. ebd., bes. Kap. 112 (5), 75 u. Kap. 118, 85. 41 At Saxones sapientius agentes, pacem et concordiam inter se habentes [...] iam toti Leogriae imperauerant [...]. Degeneran autem a Britannica nobilitate Gualenses /i.e. Britones] numquam postea monarchiam insulae recuperauerunt; immo nunc sibi, interdum Saxonibus ingrati consurgentes externas ac domesticas clades incessanter agebant. Ebd., Kap. 207, 147. 42 Nolebat enim Deus Britones in Britannie diutius regnare antequam tempus illud uenisset quod Merlinus Arturo prophetauerat. Ebd., Kap. 205, 146. "

205

6. Relevanz

König und im weiteren Sinne die königliche Familie wahrscheinlich machen. Geoffreys Frühgeschichte Britanniens wäre so als eine historische Fundierang königlicher Herrschaftsrechte und vielleicht sogar der Idee eines mächtigen, unabhängigen englischen Königreiches43 zu lesen. Ruft man sich indes die an Brutus' Seite agierenden Trojaner Corineus und Turnus in Erinnerung, dann könnte Geoffrey ebenfalls intendiert haben, die wichtige Rolle mächtiger Magnaten in der englischen Geschichte hervorzuheben. Obgleich in den Anfangskapiteln noch kaum spürbar, ne

Adressierung

an

den

kommt den Frauen in der «Historia» ein bemerkenswerter Stellenwert zu, denn sie sind bisweilen als Regentinnen direkt an den Regierangsgeschäften beteiligt. Sollte das vielleicht ein versteckter Hinweis auf die Thronansprüche Mathildes, der Tochter Heinrichs I. von England, sein? All diese Interpretationen liegen bei einer Betrachtung der Aspekte Reich und Dynastie im Rahmen des Möglichen. 6.1.2 Zwischen den Fronten

Aufschlüsse über die

Ausrichtung der «Geschichte der Könige Britanniens» sind nur bedingt aus dem Text selbst zu entnehmen. Für ein Verständnis der Funktionalität der trojanischen Gründungsgeschichte ist deshalb eine Kenntnis ihrer Entstehungsbedingungen unabdingbar. Die Fertigstellung der ersten Fassung der «Historia» datiert mit großer Wahrscheinlichkeit in den Zeitraum zwischen 1136 bis 113844, das heißt in die ersten drei Jahre der Herrschaft des englischen Königs Stephan von Blois. Es war eine sehr turbulente Zeit, geprägt von anhaltenden und erbitterten Auseinandersetzungen um die rechtmäßige Nachfolge Heinrichs I. (1100-1135), die das Reich wenig später in den Bürgerkrieg führten.45 Heinrichs erbberechtigter Sohn Wilhelm war bereits 1120 verstorben, und da Robert, ein aus einer illegitimen Verbindung hervorgegangener Sohn, keinerlei Anrechte auf den Thron stellen durfte, verpflichtete Heinrich noch zu Lebzei43

Vgl. Crick, Dissemination and Reception, 1991, 9

u. 224; Gillingham, Context and Purposes, 1990, 101. In diesem Kontext wäre auch der Freiheitstopos zu sehen, auf den mehrfach in der Forschungsliteratur aufmerksam gemacht wurde. Dazu Hanning, Vision of History, 1966, 139, 141, 143, 157; Tatlock, Legendary History, 1950,445.

Ein Großteil der für die Datierungsdiskussion maßgeblichen Punkte wird im Folgenden im Zusammenhang mit den Widmungen angesprochen. Grundlegend hierzu Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 42-96; Tatlock, Legendary History, 1950, 433-437. Gillingham, der sich in einer Studie von 1990 erneut mit der Datierungsproblematik eingehend beschäftigte (vgl. Gillingham, Context and Purposes, 1990, hier 100), tendierte wegen der engen Verbindungen zwischen Lincoln und Oxford und der Bemerkung Heinrichs von Huntingdon, er habe bis zum Januar 1139 vergeblich versucht, Informationen über die Geschichte Britanniens in der vorrömischen Zeit zu bekommen, zu einer Datierung ca. 1138 (anstatt um 1136, wie beispielsweise Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 27). Wichtige Argumente in dieser Richtung lieferte bereits Tatlock (Legendary History, 1950, 433f). 45 Ausführlich zu den an dieser Stelle nur grosso modo ausgeführten ereignisgeschichtlichen Hintergründen Crouch, King Stephen, 2000, bes. „Part One: The Causes of the Civil War: Stephen as Count and King, 1113-1139", 9-103. 44

206

II.

Metamorphosen eines Mythos

Magnaten per Eid dazu, seine Tochter Mathilde dereinst zur Königin von England zu machen.46 Es sollte jedoch anders kommen, denn nicht einmal zwei Wochen nachdem Heinrich I. verstorben war, usurpierte Stephan von Blois, ein Neffe Heinrichs, den Thron, ungeachtet seines früheren Versprechens, Mathilde anzuerkennen.47 Er konnte dabei vor allem auf die Unterstützung seines Bruders, Bischof Heinrich von Wincester, zählen. Einmal gekrönt, war er in einer machtvollen Position und erhielt Zusprach nicht nur von den Londoner Bürgern, sondern auch von vielen Baronen.48 Mathilde hielt jedoch weiterhin an ihren Forderungen fest und blieb während der gesamten Regentschaft Stephans (1135-1154) eine unerbittliche Gegnerin. An ihrer Seite stand ihr in England und in der Normandie unbeliebter Gemahl Gottfried von Anjou, dessen Familie damals erbitterte Rivalin der Grafen von Blois war.49 Obwohl Mathilde nach der Schlacht bei Lincoln im Februar 1141 ihrem Ziel zum Greifen nah war, beging sie doch einige taktische Fehler, die Stephan wieder Luft verschafften. Stephans Regierangszeit war insgesamt von wechselnden politischen Fronten gekennzeichnet, denn je nach Interessenlage entschieden sich kirchliche und weltliche Große für die eine oder die andere Seite. Gerade dieser zuletzt angesprochene Aspekt macht eine Einordnung der «Historia» so

ten die

schwierig.

6.1.2.1 Autor

Geoffreys von Monmouth lässt sich eine ganze Reihe biographischer Details ermitteln.50 Der Autor selbst nannte sich in seinen Werken Galfridus Monemutensis bzw. Gaufridus de Monumeta, während er von anderen Zeitgenossen und in Urkunden als Galfridus Arturus bezeichnet wurde. Über die Herkunft Geoffreys ist kaum etwas bekannt. Vermutlich wurde er um 1090/1100 geboren und stammte, wie der Namenszusatz nahelegt, aus der Umgebung von Monmouth im Südosten von Wales. Auch zahlreiche Ortsbezeichnungen in der «Historia» verweisen auf diese Gegend. Uneinigkeit besteht indessen nach wie vor, ob Geoffrey Waliser oder Bretone war. Das Thema der «Historia» und die in einer Handschrift überlieferte Charakterisierung als pudibundus Im Falle

46 Erstmals wurde dieser Eid am 1. Januar 1127 geleistet und in der Folge zweimal wiederholt. Er erfolgte offenbar gegen den Willen der Großen, die sich dann nach Heinrichs I. Tod nicht an ihn hielten. Dazu Tatlock, Legendary History, 1950, 435; Bradbury, Reign of Stephen, 1990, 19-21. 47 Heinrich I. starb am 1. Dezember 1135, und bereits am 22. Dezember erfolgte die Salbung Stephans von Blois durch den Erzbischof von Canterbury, Wilhelm von Corbeil. Vgl. Bradbury, Reign of Stephen, 1990, 20. 48 Vgl. ebd., 20fr 49 Siehe ebd., 19, 21fr; Crouch, Robert and the Daughter of Zelophehad, 1985, 228. 50 Grundlegend zur Biographie Geoffreys von Monmouth: Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 1-38, bes. 1-8, bzw. Faral, Geoffroy de Monmouth, 1927. Gute Überblicke auf neuerem Stand liefern darüber hinaus Curley, Geoffrey, 1994, 1-6; Tatlock, Legendary History, 1950, 438-448. 51 Dazu weiterführend Tatlock, Legendary History, 1950, 43 8fr; Curley, Geoffrey, 1994, 1.

207

6. Relevanz

Brito liefern wichtige Hinweise für normannisch-bretonische Ursprünge ; sprachliche und inhaltliche Aspekte weisen dagegen in die walisische Beide Argumentationen besitzen Überzeugungskraft, ohne dass eine eindeutige Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen gefallt werden kann. Offenbleiben muss auch, ob ein in zwei Urkunden um 1125 als Prior von Monmouth bezeugter Gof(f)redus mit dem späteren Autor der «Historia» identiftzierbar ist. Immerhin scheint es durchaus möglich, dass Geoffrey einen Teil seiner Erziehung in der dortigen Abtei erhielt. Im Zeitraum zwischen 1129 bis 1151 sind sieben Urkunden aus Oxford oder der Nähe Oxfords überliefert, in denen der Autor der «Historia» als Zeuge genannt ist56; eine von ihnen hat sich als Fälschung erwiesen.57 Wie aus zwei dieser Urkunden hervorgeht, unterzeichnete Geoffrey zwischen 1139 und 1150 als Wenngleich unklar ist, inwieweit der magister-Titel auf eine Lehrtätigkeit hinweist, ist doch mehrfach die Ansicht vertreten worden, dass Geoffrey in einer der Klerikerschulen Oxfords als Lehrer tätig war. Seit Salters intensiver Beschäftigung mit den Zeugenlisten in den Oxforder Urkunden hat sich die Ansicht durchgesetzt, Geoffrey habe zu den Augustinerchorherren von St. Georg in Oxford Ihr Kolleg befand sich innerhalb des Schlosses

Richtung.54

magister.5%

gehört.60

52

53 54

Diese Bezeichnung begegnet lediglich in einer überarbeiteten Version des Prologs zu den «Prophetiae Merlini», die in einem Manuskript (Paris, Bib. naz., MS. lat. 6233) überliefert ist. Gedruckt wurde sie bei Faral, Légende arthurienne, Bd. 3, 1929, 189, Anm. zu Kap. 109. Es besteht bisher kein Anlass, daran zu zweifeln, dass diese Fassung nicht aus Geoffreys Hand stammt. Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Introduction, IX, Anm. 3. Vgl. Lloyd, Geoffrey, 1942, 466-468; Tatlock, Legendary History, 1950, 440, 443; Curley, Geoffrey, 1994, lf; Gransden, Historical Writing, 1974, 201. Dezidiert dazu unter Zusammenfassung früherer Forschungen Gillingham, Context and Purposes,

1990, 104f.

55 56

57 58 59

60

Vgl. Lloyd, Geoffrey, 1942, 461; Tatlock, Legendary History, 1950, 440f. Kurze Inhaltswiedergaben und die Zeugenlisten der Urkunden wurden 1919 publiziert von Salter, Geoffrey and Oxford, 1967 (1919). Das betrifft die zweite von Salter aufgelistete Urkunde (ebd., 383). Zur Echtheitsfrage Crick, Dissemination and Reception, 1991, 4, Anm. 25. Siehe Nr. 3 und 5 bei Salter, Geoffrey and Oxford, 1967 (1919), 383f. Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 441f; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966; 13f; Curley, Geoffrey, 1994, 2. Nach Turner weist der magister-Titel lediglich auf ein absolviertes Studium an einer Kathedralschule hin; vgl. Turner, Miles Literatus, 1978, 933. Allgemein zur Bedeutung des magister-Theh und den beschränkten Deutungsmöglichkeiten vgl. Köhn, Schulbildung und Trivium im lateinischen Hochmittelalter, 1986, 216. Vgl. Salter, Geoffrey and Oxford, 1967 (1919), 385. Sicherlich gehörte der in den Oxforder Urkunden als Zeuge auftretende Robert de Chesney, Nachfolger Alexanders im Bischofsamt von Lincoln, ebenfalls zu den Oxforder Kanonikern. An ihn sollte Geoffrey seine «Vita Merlini» dedizieren (Gaufridi Vita Merlini, ed. Clarke, 1973, 52, w. 2-12). Auch der Archidiakon Walter von Oxford, der zum Entstehen der «Historia» maßgeblich beigetragen haben dürfte, erscheint in drei der Urkunden; er war Propst des Kollegs von St. Georg. Vgl. dazu Lloyd, Geoffrey, 1942, 464; Tatlock, Legendary History, 1950, 441, 444f; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, 12; Curley, Geoffrey, 1994, 2-4; Crick, Dissemination and Reception, 1991, 4f.

208

II.

Metamorphosen eines Mythos

Oxford; die Handvoll Mitglieder wohnte jedoch außerhalb, in der Nähe des Kö-

von

nigspalastes von Beaumont. Um 1149 wurde das Kolleg aufgelöst und den nahe gelegenen Augustinermönchen von Oseney (gegründet 1129) übertragen.61 Oxford ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch als Entstehungsort der «Geschichte der Könige Britanniens»

anzusehen.

Geoffreys geistlich-politische Karriere gehörte nicht zu den erfolgreichsten ihrer Zeit. Wie aus zwei der Oxforder Urkunden hervorgeht, erlangte er erst 1151 Zugang zu höheren Ämtern, als er zum Bischof von St. Asaph, einer Diözese in Nord-Wales, gewählt wurde.63 Im Februar des Folgejahres fand dann in Westminster die Priesterweihe und acht Tage später in Lambeth durch Erzbischof Theobald die Konsekration zum Bischof statt. Der Bischofssitz von St. Asaph war lange Zeit vakant gewesen und 1143 erneuert worden, um so für die Krone einen weiteren Vorposten gegen walisische Interessen zu etablieren. St. Asaph gehörte zweifellos nicht zu den begehrten und lukrativen Bistümern.64 Und als Geoffrey um 1154/55 starb65, hatte er vermutlich noch immer keinen Fuß in sein Bistum gesetzt. Eine spätere walisische Tradition, der sogenannte «Gwentian-Brat», weiß von einigen weiteren biographischen Details zu berichten, die jedoch nur bedingt vertrauenswürdig sind. Korrekt ist wohl die Angabe, nach der Geoffrey in Llandaff starb und bis dahin seine bischöflichen Funktionen nicht wahrgenommen hatte. Ob er jedoch Ziehkind des „Erzbischofs" Uchtryd von Llandaff, seines Onkels, war und überdies in Llandaff als Archidiakon der Kirche St. Teilo und als Lehrer wirkte, ist zweifelhaft. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der «Gwentian-Brat» nicht vor dem 16. Jahrhundert 61

Kollegs von St. Georg siehe Salter, Geoffrey and Oxford, 1967 (1919); Tatlock, Legendary History, 1950, 441; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, 12; Legge, Master

Zur Geschichte des

Geoffrey, 1981,23-26. 62

63 64

65

66

Siehe Historia

Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 95; Lloyd, Geoffrey, 1942, 465; Legge, Master Geoffrey, 1981, 22; Flint, Parody and Purpose, 1979, 450; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, 13; Curley, Geoffrey, 1994, 3. Ohne sich in diesem Punkt festzulegen, wies Tatlock ferner daraufhin, dass Oxford nicht zwingend als Entstehungsort der «Historia» in Frage kommt; anderen Hypothesen zufolge sei das Werk in Le Bec verfasst worden, weil sich

Geoffrey dort vermutlich eine Zeitlang aufhielt und im Benediktinerkloster Le Bec die erste bekannte «Historia»-Fassung bezeugt ist. Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 444, Anm. 36 am Ende. Diese Vermutungen konnten sich jedoch in der Forschungsdiskussion nicht durchsetzen. Siehe die Urkunden Nr. 6 und 7 bei Salter, Geoffrey and Oxford, 1967 (1919), 384. Vgl. Lloyd, Geoffrey, 1942, 460, 465; Tatlock, Legendary History, 1950, 442; Crick, Dissemination and Reception, 1991, 5. Geoffreys einziger Vorgänger Gilbert scheint den Bischofstitel noch nicht getragen zu haben; vgl. Curley, Geoffrey, 1994, 5. Geoffreys Todesjahr ist nur in walisischen Chroniken bezeugt, und zwar für das Jahr 1155 (vgl. Lloyd, Geoffrey, 1942, 466). In dieser Form wird es in der Regel auch in anderen biographischen Abrissen angegeben. Geringfügige Abweichungen begegnen bei Crick, Dissemination and Reception, 1991, 5 (dort: 1154/55). Siehe Lloyd, Geoffrey, 1942, 465; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, 12; Curley, Geoffrey, 1994, 5.

6. Relevanz

209

entstand und deshalb einen postumen Versuch darstellt, den Autor der «Historia Regum Britannie» und der «Vita Merlini» mit lokalen Institutionen, besonders in Llandaff, in Verbindung zu bringen. Desweiteren ist unsicher, ob Geoffrey von Monmouth als Autor des «Book of Llandaff» oder von Teilen desselben anzusehen ist, da dieses größtenteils erst nach 1155 fertiggestellt wurde.68 Während seiner Oxforder Jahre kam Geoffrey von Monmouth mit einigen der einflussreichsten und gelehrtesten Männer im damaligen England in Kontakt. Oxford spielte nicht nur eine zentrale Rolle im Leben Geoffreys, sondern war zugleich wichtiger politischer Schauplatz jener Zeit. Die Stadt war ein strategischer Knotenpunkt, nicht zuletzt weil sich dort die zwei Straßen von London nach Gloucester bzw. von Northampton nach Southampton kreuzten. Hier hielt König Stephan von Blois im Sommer 1139 ein Konzil ab; hier wurden (neben anderen) Alexander von Lincoln und Roger von Salisbury gefangen gehalten; hier zwang der König Mathilde im Dezember 1142 zur Flucht aus dem Oxforder Schloss.70 „Es waren", um mit den Worten Lewis Thorpes abzuschließen, „ereignisvolle Zeiten in Oxford, und man kann sich vorstellen, dass Geoffrey hier viele hohe Besucher getroffen haben und oft bei seinen Aufgaben im StGeorg-Kolleg und bei seinen literarischen Vorhaben unterbrochen worden sein muss."

Auftraggeber Wichtige Aufschlüsse über die unmittelbaren Hintergründe für die Abfassung der «Historia Regum Britannie» können dem Prolog entnommen werden.72 Schenkt man ihm Glauben, so war der Archidiakon Walter von Oxford (gest. 115173) der geistige Vater des Werks. Er sei es gewesen, der Geoffrey von Monmouth ein „sehr altes Buch in britischer (bretonischer?7 ) Sprache" überreichte und ihn mit der Übertragung ins Lateini6.1.2.2

67 Dazu

Lloyd, Geoffrey, 1942, 461f; Tatlock, Legendary History, 1950, 446-448; Curley, Geoffrey,

1994, 5f. 68 69 70

71

72

Vgl. Curley, Geoffrey, 1994, 6. Vgl. Davis, King Stephen, 1967, 73. Vgl. Curley, Geoffrey, 1994, 3; Chibnall, Empress Matilda, 1991, 115 u. 118; Davis, King Stephen, 1967, 72f Die Situation der in den Jahren 1142/43 von Mathilde bzw. König Stephan gehaltenen „Castles" veranschaulicht eine Karte in: Davis, King Stephen, 1967, 74. „These were eventful times in Oxford and one can imagine that Geoffrey must have met many distinguished visitors there and often been interrupted in his duties in St George's Chapel and in his literary pursuits." Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, 14. Antonia Gransden befasste sich eingehend mit dem Charakter der Prologe in der Historiographie des 12. Jahrhunderts, mit Topos und Individualität, und unternahm den Versuch, diese als eigene

literarische Gattung zu etablieren. Vgl. Gransden, Prologues, 1990. 73 Vgl. Curley, Geoffrey, 1994, 3. 74 Nach Tatlock habe die Bezeichnung Britannia im zeitgenössischen Sprachgebrauch gewöhnlich nicht die Insel Britannien, sondern die Bretagne oder Wales gemeint. Dass der liber vetustissimus ein Stück bretonischer Literatur gewesen sei, weist er aus Überlieferungsgründen zurück und nimmt dagegen eine walisische Herkunft an. Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 422f. Aus-

210

II.

Metamorphosen eines Mythos

sehe beauftragte. Walters Gelehrsamkeit hebt der Autor eigens hervor, indem er ihn als einen in Rhetorik geschulten und in „ausländischen Geschichtswerken" belesenen Mann charakterisierte.7 Eine direkte Verbindung zwischen dem Archidiakon und Geoffrey von Monmouth lässt sich über die Augustinerchorherren von St. Georg in Oxford herstellen, deren Kolleg Walter vorstand und Geoffrey höchstwahrscheinlich angehörte. Beide müssen sich schon sehr lange gekannt haben, traten sie doch bereits 1129 als Zeugen in der Gründungsurkunde der Abtei Oseney in Erscheinung. In den darauf folgenden 22 Jahren tauchen beider Namen in mehreren, in und nahe Oxford ausgestellten Urkunden auf, unter anderem in einem nur ungefähr (-1135) datierbaren Diplom aus St. Georg. Es wird davon ausgegangen, dass beide Männer in einem freundschaftlichen Verhältnis zueinander standen.78 Die Initiative zur Abfassung einer «Geschichte der Könige Britanniens» scheint also von Oxford, genauer von einer dort ansässigen kleinen Gemeinschaft der Augustinerkanoniker, ausgegangen zu sein. In ihren Reihen und in ihrem Umkreis verkehrten hochrangige und hochgebildete Männer, die aufgrund ihrer Interessen und ihrer politischen Einflussmöglichkeiten eine wichtige Voraussetzung sowohl für das Entstehen als auch für die Rezeption eines Werks bildeten, das sich von den herkömmlichen Traditionen klösterlicher Geschichtsschreibung weitgehend emanzipiert hatte. 6.1.2.3

Widmungsempfänger

Ein Großteil der erhaltenen Handschriften ist an Earl Robert von Gloucester, einen illegitimen Sohn Heinrichs I., dediziert. Eine kleinere Anzahl enthält eine Doppelwidmung an Robert und Graf Waleran von Meulan, während nur ein Manuskript an Robert und den König Stephan von Blois gemeinsam adressiert ist. Daneben sind nicht wenige Handschriften ohne Widmung überliefert.79 Wann diese Widmungen im Einzelnen zu führlich zur nach wie vor ungeklärten Natur und Existenz dieses von Geoffrey als Quelle erwähnten Buches oben S. 171fr 75 Talia michi et de talibus multociens cogitanti optulit Walterus Oxinefordensis archidiaconus, uir in oratoria arte atque in exoticis historiis eruditus, quendam Britannici sermonis librum uetustissimum [...]. Rogatu itaque illius duetus, [...] codicem Mum in Latinum sermonem transferre curaui. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 2, 1. Ähnlich ebd., Kap. 177, 129Í: Nee hoc quidem, consul auguste, Galfridus Monemutensis tacebit sed, ut in prefato Britannico sermone inuenit et a Gwaltero Oxenefordensi in multis historiis peritissimo uiro audiuit, uili licet 7 stilo breuiter propalaba que prelia inclitus Me rex [Arthurus] post uidoriam istam in Britanniam reuersus cum nepote suo commiserit. 76 Dazu Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 58fr, und Lloyd, Geoffrey, 1942, 464. 77 Vgl. Salter, Geoffrey and Oxford, 1967 (1919), 383; Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 59; Curley, Geoffrey, 1994, 3. 78 So Lloyd, Geoffrey, 1942, 464f. 79 Siehe Curley, Geoffrey, 1994, 8. Ausführlich hierzu nebst einer Auflistung der vier nach Widmungen klassifizierten Handschriftengruppen bei Crick, Dissemination and Reception, 1991, -

-

211

6. Relevanz

datieren sind und ob sie mit unterschiedlichen Text-Rezensionen in Zusammenhang zu bringen sind, ist umstritten.80 Für die erste Fassung der «Historia Regum Britannie» ist zunächst von den Eckdaten Dezember 1135 (Heinrich I. starb am 1. Dezember 1135) und Anfang 1139 (Warinus-Brief des Heinrich von Huntingdon) auszugehen.81 Aufgrand der politischen Konstellationen Robert brach im Juni 1138, Waleran 1141 mit Stephan besitzen die Doppelwidmungen an Robert und Waleran bzw. an Robert und König Stephan einzig zwischen April 1136 (Roberts Treueid gegenüber Stephan) und Juni 1138 Plausibilität.82 Während die Dedizierang an Robert und Waleran derjenigen an Robert und Stephan vorangegangen zu sein scheint83, gibt es Argumente, die dafür sprechen, dass die allein an Robert von Gloucester gerichtete Fassung nach den Doppelwidmungen datiere andere85 (und überzeugendere) hingegen dafür, dass sie die erste Versron gewesen sem muss. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Dedikationen nach dem Tod Heinrichs I. datieren, kann Geoffrey mit der Abfassung der «Historia» durchaus noch zu Lebzeiten Heinrichs I. begonnen haben.8 Ian Short hielt es sogar für möglich, dass zumindest Tei-

-

,

Signifikant ist in diesem Zusammenhang Cricks Beobachtung, dass Handschriften mit Widmungen vornehmlich auf der Insel verbreitet waren, während solche ohne Widmungen überwiegend auf dem Festland entstanden. Vgl. ebd., 217. Eine Zusammenfassung der Diskussion hierüber bei Crick, Dissemination and Reception, 1991, 116-120.

80

113-120. Vgl. Historia

81

Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 42-98, bes. 42, 88f; Tatlock, Legendary History, 1950, 433-437; Curley, Geoffrey, 1994, 3. Zum Warinus-Brief vgl. S.

82

Zusammenfassungen der Diskussion um die Widmungen und die Datierung der «Historia» bei Curley, Geoffrey, 1994, 8f; Crick, Dissemination and Reception, 1991, 113f.; Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), bes. 42-96. So bereits Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 44; später u. a. auch Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 20f; Legge, Master Geoffrey, 1981, 24f; Crick, Dissemination and Reception, 1991, 6. Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 43-45, 94. Bereits 1926 hatte Griscom sich in einem Artikel dazu geäußert (Griscom, Date of Composition, 1926, bes. 156) und damit unmittelbar den Widerspruch Chambers hervorgerufen (vgl. Chambers, Date of Geoffrey's History, 1927). Nach Curley habe Geoffrey sein Werk zunächst an Robert von Gloucester allein gerichtet und erst in der Folge Waleran hinzugefügt. Später scheint er nicht nur die ursprüngliche Widmung an Robert verändert und zusätzlich an König Stephan adressiert, sondern auch die Dedikation an Waleran nochmals überarbeitet zu haben. Siehe Curley, Geoffrey, 1994, 8f, der sich hier Chambers (Chambers, Date of Geoffrey's History, 1927), Tatlock (Tatlock, Legendary History, 1950, 436) und Wright (Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, XIV-XVI) anschließt. Dezidiert hierzu auch Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 19-21. Michael J. Curley ging davon aus, die «Historia Regum Britannie» sei circa ein Jahr vor Heinrichs I. Tod entstanden, während Valerie I. J. Flint, die sich stark an die Ausführungen Christopher Brookes anlehnte, den zeitlichen Rahmen auf die 1130er allgemein ausdehnte. Vgl. Curley, Geoffrey, 1994, 8; Flint, Parody and Purpose, 1979, 450.

98f.

83

84

85

86

212

//.

Metamorphosen eines Mythos

ihr bereits um 1134/35 im Umlauf waren, nachdem sie ähnlich wie im Fall der «Prophetiae Merlini» separat herausgegeben worden waren. Eine sukzessive WerkFergenese böte nach Short auch eine Erklärung für die verschiedenen ner wurde unlängst zu bedenken gegeben, ob man überhaupt sicher sein könne, dass alle Widmungen tatsächlich aus der Feder Geoffreys stammten.89 Solange für einen solchen Einwand jedoch keine eindeutigen Indizien vorliegen, wird man nach wie vor von einer Autorschaft des späteren St. Asapher Bischofs auszugehen haben. In der alleinigen Dedikation an Robert von Gloucester wendete sich Geoffrey mit folgenden Worten an seinen Adressaten: „Meinem kleinen Werk sei, Robert, Earl von Gloucester, also gewogen, damit es korrigiert durch deine Gelehrtheit und deine Hinweise nicht als eines gelte, das dem dünnen Quell Geoffreys von Monmouth entsprang, sondern das mit dem Salz deines Verstandes gewürzt das Werk desjenigen [Autors] genannt wird, den der berühmte König Heinrich von England zeugte, den die Philosophie in den Freien Künsten ausbildete, den angeborene Tüchtigkeit vor allen Kriegern in den Kriegskünsten herausragen ließ, weshalb die Insel Britannien dir heute, in unseren Zeiten, mit inniger Zuneigung zujubelt, als ob sie einen neuen Heinrich (alter Henricus) besäße." Diese Zeilen finden sich in der Doppelwidmung an Robert und Graf Waleran von Meulan um einen Passus ergänzt, in dem Waleran als zweite Säule des Königreichs (altera regni nostri columna) bezeichnet und dazu aufgefordert wird, sich ebenfalls um das Werk zu bemühen, damit es durch die gemeinsame Unterstützung beider Adressaten ins Zentrum gerückt werde und noch schöner Im Codex der Berner Burgerbibliothek, der einzigen Version, die an Robert von Gloucester le

von

-

Widmungen.88

-

-

-

-

-

hervorglänze.91

87 Eine Version der «Prophezeiungen Merlins» scheint von Ordericus Vitalis 1135/1136 benutzt worden zu sein, weshalb davon ausgegangen wird, dass er diese als separates Werk vorliegen hatte. Vgl. Gillingham, Context and Purposes, 1990, 99, Anm. 3; Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, XI; Historia Regum Britannie of Geoffrey First Variant Version, ed. Wright, 1988, Introduction, LXVI. Julia Crick zählte daneben mehr als 70 Handschriften, welche die «Prophetiae» unabhängig von der «Historia» enthalten. Vgl. Crick, Catalogue of the Manu-

scripts, 1989,330-332.

88 Vgl. Short, Gaimar's Epilogue, 1994, 339; Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, hier 17-23. 89 Dazu Crick, Dissemination and Reception, 1991, 6. 90 Opúsculo igitur meo, Roberte dux Claudiocestrie, faueas. ut sic te doctore te monitore corrigatur, quod non ex Galfridi Monemutensis fonticulo censeatur exortum set sale Minerue tue conditum illius dicatur editio quem Henricus illustris rex Anglorum generauit, quem philosophia liberalibus artibus erudiuit, quem innata probitas in milicia militibus prefecit, unde Britannia Ínsula tibi nunc temporibus nostris ac si alterum Henricum adepta interno congratulatur affectu. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 86.36-50 (in englischer Übersetzung ebd., 43). Die von Griscom transkribierte Version, wie sie im Codex Nr. 1706 der Universitätsbibliothek in Cambridge überliefert ist, wurde hier mit kleinen Änderungen bezüglich Zeichensetzung und Großschreibung von Eigennamen zitiert. 91 Tu quoque, Galeranne consul Mellenti, altera regni nostri columpna, operam adhibeas tuam ut utriusque moderatione communicata editio in medium producía pulchrius elucescat. Ebd., 86.5055; in englischer Übersetzung ebd., 43 u. 87.

213

6. Relevanz

Stephan von Blois gerichtet ist, begegnet derselbe Wortlaut wie in der Robert-Waleran-Doppelwidmung, nur dass im ersten Widmungsteil statt Robert König Stephan genannt ist und im zweiten statt Waleran Robert. So werden diesmal König Stephan als 92 „neuer Heinrich" und Robert als „zweite Säule des Reiches" gepriesen. In beiden Doppelwidmungen schließt sich im zweiten Part ein Passus an, der die außerordentliche Bildung und militärische Fähigkeit hier Walerans von Meulan, dort Roberts von Gloucester hervorhebt93 und dann in eine poetisch formulierte Bitte um Patronage übergeht: Wie Waleran (bzw. Robert) seine Gefolgsleute mit väterlicher Umsicht beschütze, möge er auch ihn, Geoffrey, seinen Dichter, und das ihm zum Vergnügen ver-

und

-

-

fasste Buch in seinen Schutz nehmen, damit er, unter seinem Dach wie unter einer breiBaumkrone ruhend, vor Neidern und Böswilligen seine Musenflöte in sicherer Melodie spielen könne.94 Dadurch, dass im zweiten Teil der Robert-Waleran-Widmung genau jene drei Eigenschaften wieder aufgenommen sind, die dem Lob Roberts in der Einzelwidmung dienten, wird eine Gleichstellung beider Adressaten bewirkt.95 In der Version, die an Stephan von Blois und Robert gerichtet ist, führt sie jedoch zu dem merkwürdigen Effekt, dass der König und der Earl von Gloucester von der Charakterisierung her kaum zu unterscheiden sind. Er dürfte wohl einer späteren Umwidmung an König Stephan geschuldet sein und kaum das Wohlwollen des Herrschers bewirkt haben.96 Wie auch immer man die Genese der überlieferten Widmungen von Geoffreys «Historia» erklären und deuten mag, die Tatsache, dass Robert von Gloucester in allen dreien Erwähnung findet, legt nahe, er sei Geoffreys wichtigster Adressat97, vielleicht sogar auch sein Patron ten

92 Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 3f, 1. Diese Beobachtungen bereits bei Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 43f., 87f. 93 Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 4, l: Te etenim ex illo celebérrimo rege Henrico progenitum mater philosophia in gremio suo excepit scientiarumque suarum subtilitatem edocuit ac deinde ut in militaribus clareres exercitiis ad castra regum derexit [...]. Ähnlich Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 86.55-62: Te etenim ex illius celeberrtmi regis Karoli stirpe progenitum mater phylosophia in gremio suo excepit scientiarumque suarum subtilitatem edocuit. ac deinde ut in militaribus clareres exercit[ii]s ad castra regum derexit [..J. 94 [...] et protectio tuorum esse paternis auspiciis addidicisti: fidelis itaqueprotectio tuorum existens me tuum vatem codicemque ad oblectamentum tui editum sub tutela tua recipias ut sub tegmine tarn patule arboris recubans calamum muse mee coram inuidis atque improbis tuto modulamine resonare queam. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 4, lf. (Stephan-Robert-Widmung). Derselbe Passus begegnet in der Robert-Waleran-Widmung: Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 86.64-73; hierzu auch ebd., 92f. 95 Acton Griscom machte dieselbe Beobachtung, ließ aber den Herkunftsaspekt außer Acht. Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 88. 96 Für Griscom ist dies ein Hinweis darauf, dass die Robert-Waleran-Widmung früher als die Robert-Stephan-Widmung entstanden sein muss; vgl. ebd., 88, 90-93. 97 Zu diesem Schluss gelangen auch Curley, Geoffrey, 1994, 9, und Legge, Master Geoffrey, 1981, 24.

214

//.

Metamorphosen eines Mythos

gewesen. Dies veranlasste ferner zur Vermutung, die dedikationslose «Historia»-Version müsse nach Roberts Tod 1147 datieren.99 Ob Waleran und Stephan von Blois Mäzene Geoffreys waren, ist ungewiss und eher unwahrscheinlich. Bei den Adressaten der „Historia» handelt es sich zweifelsohne um drei der einflussreichsten Männer zu Geoffreys Lebzeiten. Nichtsdestotrotz gestalten sich die Kontextaalisierang des Werks und eine Einordnung der in ihm enthaltenen Informationen schwierig. Grand hierfür sind in erster Linie die sich nach dem Tod Heinrichs I. Anfang Dezember 1135 rasch wandelnden politischen Konstellationen: Nach der hastigen Thronbesteigung Stephans von Blois Ende 1135 hatten sich die politischen Fronten verhärtet, und 1139 war es zum Ausbrach eines Bürgerkriegs in England gekommen. Robert von Gloucester und Waleran von Meulan gehörten zu den wichtigsten Protagonisten dieser Auseinandersetzungen, agierten aber lange Zeit auf unterschiedlichen Seiten. Waleran (1104-1166) hatte nach dem Tod seines Vaters Robert von Beaumont (gest. 1118), eines einflussreichen Beraters und Unterstützers Heinrichs L, die Herrschaft über Beaumont-le-Roger in der Normandie und die westlich von Paris gelegene Grafschaft Meulan übernommen. Wie sein Vater scheint auch Waleran dem englischen Herrscherhof zunächst nahegestanden zu haben. Er genoss eine gute Ausbildung und soll bereits im Alter von sechzehn Jahren, als Papst Calixtas II. (1119-1124) Heinrich I. in Gisors besuchte, den Kardinälen durch seine intellektuelle Gewandtheit aufgefallen sein. Infolge einer Rebellion belegte ihn der englische König jedoch mit einer fünfjährigen Gefängnisstrafe (1124-1129, in Bridgenorth, dann Wallingford), setzte ihn anschließend aber weitgehend in seine alten Rechte und Besitzungen wieder ein.100 Wie aus einigen zwischen 1129 und 1131 ausgestellten Urkunden hervorgeht, gehörte Waleran ebenso wie Robert von Gloucester zeitweise zum Gefolge Heinrichs I. In einem Dokument wird er sogar als Patron der Benediktinerabtei Le Bec Als sich Stephan von Blois noch im Dezember 1135 zum König von England krönen ließ und auf diese Weise eine Thronnachfolge Mathildes vereitelte, gehörte Waleran zu seinen ersten und wichtigsten Ein von Stephan im Frühjahr 1136 Ehebündnis mit damals seiner noch versprochenes minderjährigen Tochter kam aller-

genannt.101

Parteigängern'.102

dings nicht zustande; Waleran heiratete später die aus normannischem Adel stammende

98

Vorausgesetzt wird dies u. a. bei Tatlock, Legendary History, 1950, 426, 429, 436; Gransden, Historical Writing, 1974, 206; Foreville, Typologie du roi, 1974, 278; Gillingham, Context and Purposes, 1990, 116; Green, Government under Henry I, 1986, 12; Faletra, Geoffrey and the

Norman Colonization of Wales, 2000, 74. 99 Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 96. 100 Ausführlich ebd., 53-55. Zu Walerans Bildung siehe auch Turner, Miles Literatus, 1978, 936. 101 In diesen und anderen Urkunden steht die Unterschrift Walerans direkt unter derjenigen Roberts von Gloucester. Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 55f. 102 Ralph H. C. Davis nannte Waleran sogar „Stephen's chief adviser"; Davis, King Stephen, 1967, 68.

215

6. Relevanz

Agnes von Montfort. Im Auftrag des Königs war der Graf von Meulan in den darauf folgenden Jahren an zahlreichen militärischen Unternehmungen in der Normandie, gegen rebellierende Große in England und gegen den König von Schottland beteiligt. Ob er dafür mit dem Titel eines Earl von Worcester belohnt wurde, ist ungeklärt. Die Übertragung Worcesters an Waleran war in jedem Fall nicht ohne politisches Kalkül erfolgt, rückte dieser doch nun in unmittelbare Nachbarschaft zum Earl von Gloucester. Nahe Worcester hatte Waleran eine Abtei (Bordesley Abbey) gegründet, auf die Mathilde später ebenfalls Ansprüche erhob.104 Bis mindestens 1139/40 scheinen Waleran und sein Zwillingsbruder Earl Robert von Leicester zu den wichtigsten Beratern König Stephans gehört zu haben. ' 5 Es ist anzunehmen, dass Waleran während der Schlacht von Lincoln im Februar 1141 die Flucht ergriff und nach der Gefangennahme Stephans von Blois zeitweilig auf die Seite Ma6 thildes überging.1 Noch während der Gefangenschaft des Königs scheint er dann erneut die Fronten gewechselt zu haben eine Vermutung, die naheliegt, weil Mathilde ihm seine Rechte in Worcester entzogen und einem Rivalen übertragen hatte.107 Mit Ausnahme seiner Teilnahme am Kreuzzug ins Heilige Land (1146/47) hielt sich Waleran von Meulan in den 1140er-Jahren überwiegend in der Normandie auf. Der Graf gehörte sicherlich nicht zu den aktiven Unterstützern der mathildischen Seite. Allerdings scheint er sich in bestimmten, seinen Einfluss gefährdenden Situationen opportunistisch verhalten zu haben, was nicht nur im Falle der Schlacht von Lincoln, sondern auch während der Belagerung von Rouen 1144108 oder angesichts der Verhandlungen mit Mathilde um 1150 naheliegt. In Anbetracht der zunehmend dominierenden Rolle des Hauses Anjou in der Normandie dürfte Waleran nach 1144 jedenfalls kein „zweiter Pfeiler des Königreiches" mehr gewesen sein.110 Trotz der in mehreren Manuskripten der «Historia» überlieferten Doppelwidmung an Robert von Gloucester und Waleran von Meulan kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich beide Männer während des Bürgerkriegs in England persönlich oder poli-

103 104 105 106 107 108

109

110

Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 56f, einschließlich Anm. 2. Dazu ebd., 57-64, 78f; Crouch, Robert and the Daughter of Zelophehad, 1985, 231. Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 66f Siehe ebd. Zur Schlacht von Lincoln vgl. Davis, King Stephen, 1967, 52-55. Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 75f, 78, 84. Waleran stand in dieser Zeit an der Spitze der normannischen Barone und leistete Mathildes Gatten Gottfried Plantagenêt, welcher die Normandie weitgehend unter seine Kontrolle gebracht hatte, Waffenhilfe. Vgl. ebd., 81 f. Griscom zufolge begann Waleran nach dem Tod Roberts von Gloucester, mit Mathilde zu verhandeln, und schloss sich ihr 1150 offen an. Stephan wiederum griff Worcester, das er einst Waleran übertragen hatte, an, konnte es jedoch erst 1152 nach einem erneuten Vorgehen vollends einnehmen. Siehe ebd., 83. Dazu Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 23.

Vgl.

216

//.

Metamorphosen eines Mythos

tisch besonders nahestanden.111 Der aus einer illegitimen Verbindung Heinrichs I. stammende Robert (um 1190-1143) war nach der Thronbesteigung seines Vaters (11001135) anerkannt und in die königliche familia aufgenommen worden. Erzogen wurde er unter anderem durch den Lincolner Bischof Robert Bloet, der als Literaturmäzen einen guten Ruf besaß. Durch eine Heiratsverbindung mit der Tochter des Robert FitzHamon, Mabel, Erbin des Honour von Gloucester und der Herrschaft von Glamorgan, gelangte er in den Besitz umfangreicher Territorien in Wales und der Normandie.112 Nicht zuletzt wegen seiner militärischen Erfolge in der Normandie wurde er 1121/1122 zum Earl von Gloucester ernannt. Durch Heinrichs I. Förderung war Robert von Gloucester neben Stephan von Blois zum mächtigsten Magnaten Englands und der Normandie geworden. Ob Robert bereits in den späteren Regierungsjahren Heinrichs I. für die Thronfolgeansprüche seiner Halbschwester Mathilde eintrat und deshalb in Konflikt mit Stephan geriet, ist fraglich. Er selbst war nie als Thronprätendent aufgetreten, wohl wissend, dass ihm seine illegitime Geburt dieses Recht versagte.115 Den «Gesta Stephani» zufolge habe es nichtsdestotrotz Versuche gegeben, Robert zu einer Übernahme der englischen Krone zu drängen."6 Weder Robert noch Waleran waren nach der Krönung Stephans zur Akklamation anwesend, weil sie neben anderen wegen der Überführung des verstorbenen Heinrich I. nach England anderweitig gebunden waren.117 Es ist wohl überzogen, in Robert von Gloucester nach dessen Huldigung an den neuen König zunächst einen königstreuen Anhänger zu sehen.118 Aber auch das Argument, Robert habe seine Huldigung gegenüber Stephan relativ lange hinausgezögert119 und sei von Beginn an Opponent des Königs gewesen, relativiert sich angesichts dessen, dass er innerhalb -

-

111 Acton Griscom schließt dies vor allem im Zusammenhang mit der Schlacht von Lincoln 1141 und für die Periode danach aus. Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 84f. 112 Vgl. Chibnall, Empress Matilda, 1991, 12fr; Hudson, Robert of Gloucester, 1995, 896. Zum Aspekt der Erziehung Turner, Miles Literatus, 1978, 936. 113 Vgl. Bradbury, Reign of Stephen, 1990, 19. 114 Diese Vermutung bei Hudson, Robert of Gloucester, 1995, 896. Nach David Crouch habe Robert von Gloucester jedoch wie viele andere auch Zweifel an einer Nachfolge durch Mathilde gehegt, weil diese eine Frau und Gottfried von Anjou ungern gesehen war. Vgl. Crouch, Robert and the Daughter of Zelophehad, 1985, 228, 231, 233; siehe auch Bradbury, Reign of Stephen, 1990, 21. 115 Vgl. Chibnall, Empress Matilda, 1991, 53. 116 Dieser Hinweis bei Chambers, Date of Geoffrey's History, 1927, 333 (unter Bezug auf die von Howlett herausgegebene Edition der «Gesta Stephani», III, 10). Mit diesem Argument datierte Chambers die erste, an Robert von Gloucester dedizierte Fassung der «Historia» in die Zeit kurz nach dem Tod Heinrichs I. Siehe ebd., 332fr 117 Vgl. Chibnall, Empress Matilda, 1991, 65fr 118 Hierzu Curley, Geoffrey, 1994, 8. Die Huldigung fand erst im April 1136 statt; vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 89. 119 Vgl. Chibnall, Empress Matilda, 1991, 115. -

-

217

6. Relevanz

weniger Monate dem neuen König akklamierte. Der Earl von Gloucester dürfte später eher aus pragmatischen Gründen bzw. wegen der in seinen Augen unzureichenden Achtung seitens des Königs zu Mathilde gewechselt haben.121 Von einer vorbehaltlosen Unterstützung der Königstochter ist demnach nicht auszugehen, zumal Robert bis 1138 Stephan gegenüber loyal blieb. In der Entscheidung, Mathilde zu unterstützen, lag sicherlich politisches Kalkül. Auf einen plötzlichen Sinneswandel dürfte sie nicht zurück122

zuführen sein. Für die gesamten achteinhalb Jahre, die sich Mathilde auf dem englischen Festland aufhielt, waren die umfangreichen, zum Earldom Gloucester gehörenden Gebiete ihre wichtigste Basis. Von 1139 bis 1141 hatte Mathilde ihre Hauptresidenz in Gloucester, 1142 dann in Oxford und bis 1148 in Devize. In Bristol, dem Sitz des Earls von GlouUnd schließlich war das Briscester, wurden in ihrem Namen sogar Münzen toler Schloß der Ort, an dem König Stephan von Blois nach der verlorenen Schlacht bei Lincoln einige Zeit in Gefangenschaft war.1 4 Als 1141 klar wurde, dass eine Krönung Mathildes nicht durchsetzbar sein würde, war es vermutlich Robert von Gloucester, der sich für eine Nachfolge von Heinrich, dem Sohn Mathildes und Gottfrieds von Anjou, einsetzte.1 Der Earl von Gloucester unterstützte den jungen Heinrich außerdem auch, indem er ihn ab 1142 in seinen household in Bristol aufnahm und ihm dort eine entsprechende Erziehung bzw. Ausbildung zuteil werden ließ.126 Mit Robert von Gloucester, der 1143 verstarb, verlor die mathildische ,Partei' einen ihrer wichtigsten und mächtigsten Befürworter. Ende 1148 verließ Mathilde dann die Insel und kehrte in die Norman127 die zurück. Im Zusammenhang mit der Widmungsproblematik darf Bischof Alexander von Lincoln (1191/93-1148) nicht übergangen werden, denn an ihn waren die «Prophetiae Merlini» gerichtet. Geoffrey hatte diese offenbar vor der Fertigstellung der «Historia Regum Britannie» separat verfasst und später dann in sie integriert. Aus den beiden einlei-

geprägt.123

120 So Crouch, Robert and the Daughter of Zelophehad, 1985, 227: „The earl accepted King Stephen's seizure of the English crown within a few months of the act." 121 Dazu ebd., 227-231. 122 Vgl. ebd., 227. Zu den Hintergrundereignissen 1136-1138 und möglichen Beweggründen für Roberts Opposition siehe ebd., 228-238; Chibnall, Empress Matilda, 1991, 73f, 77, 82. Nach Davis unterstützte Earl Robert von Gloucester von Anfang an vorbehaltlos Mathildes Interessen. Vgl. Davis, King Stephen, 1967, bes. 36f 123 Vgl. Chibnall, Empress Matilda, 1991, 82-84, 115, 118, 121, 123-125 (zum Itinerar Mathildes während der Jahre 1139-1148 ebd., 142); Davis, King Stephen, 1967, 71-73. 124 Vgl. Davis, King Stephen, 1967, 54, 56. 125 Chibnall, Empress Matilda, 1991, 115. 126 Vgl. Tyson, Patronage of French Vernacular History Writers, 1979, 191; Chibnall, Empress Matilda, 1991, 144. 127 Vgl. Chibnall, Empress Matilda, 1991, 149. 128 Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 109-117, 73-84. Die politischen Prophezeiungen werden durch den Knaben Merlinus Ambrosius, der die Britenkönige Vortigern und Uhter berät, verkündet.

218

//.

Metamorphosen eines Mythos

tenden Kapiteln, die dem Werk vorangehen , ist zu erfahren, dass Alexander von Lincoln zugleich Auftraggeber und Widmungsempfänger war. Er sei es gewesen, der eine Übersetzung der «Prophezeiungen Merlins» ins Lateinische veranlasst hatte ähnlich wie wenig später im Fall der «Historia», deren lateinische Übertragung Walter von Oxford gewünscht haben soll. Wie in den Widmungen der «Historia» stellte Geoffrey zunächst toposhaft seine eigene sprachliche Unvollkommenheit der Gelehrtheit des Alexander von Lincoln gegenüber.131 Doch die Gestalt des Widmungsempfängers erhielt auch persönliche Züge: Er sei ein „Mann größter Frömmigkeit und Umsicht" gewesen, dessen pietas und Großzügigkeit viele Adelige in seinen Dienst gezogen hätten.132 Wenn er nicht gerade anderweitigen Geschäften nachging, habe er sich der Schreiberei gewidmet133 ein Talent, mit dem er Geoffrey behilflich gewesen sei, um so manche Unkorrektheit bei der Übertragung der «Prophetiae Merlini» zu verbessern.134 Diese Worte suggerieren eine enge Bekanntschaft beider Männer, die jedoch anhand der Überlieferungen in ihren Details nicht mehr nachvollzogen werden kann. Tatlock ging davon aus, dass Alexander von Lincoln Geoffreys Förderer war eine Annahme, die weder bestätigt noch widerlegt werden kann, weil die genannte Widmung hierfür die einzige Quelle darstellt. -

-

-

129 Vgl. ebd., Kap. 109fr, 73fr 130 Nondum autem ad hunc locum historie perueneram, cum de Merlino diuulgato rumore compellebant undique contemporanei mei prophetias ipsius edere. [...] Cui [i. e. Alexander von Lincoln] cum satisfacere preelegissem, prophetias transtuli et eidem cum huiusmodi litteris direxi. Coegit me, Alexander Lincolinensis presul, nobilitatis tue dilectio prophetias Merlini de Britannico in Latinum transferre antequam historiam parassem quam de gestis regum Britannicorum inceperam. Proposueram enim prius perficere istudque opus subsequenter explicare ne, dum

uterque labor incumberet,

sensus meus

adsingula minorfieret. Ebd., Kap. 110, 73.

131 Attamen quoniam securus eram uenie quam discretio subtilis ingenii tui donaret, agrestm calamum meum labiis apposui et plebeia modulatione ignotum tibi interpretatus sum sermonem. Admodum autem ammiror quia id pauperl stilo dignatus eras committere, cum tot dodiores, tot ditiores uirga potestatis tue coerceat qui sullimioris carminis deledamento aures minerue tue mulcerent. Ebd., Kap. 109fr, 73. 132 [...] maxime autem Alexander Linconiensis episcopus, uir summe religionis et prudentie. Non erat in clero siue in populo cui tot nobiles famularentur quos mansuta pietas ipsius et benigna largitas in obsequium suum alliciebat. Ebd., Kap. 109, 73. 133 Geoffrey übertrieb hier wohl nicht, denn vermutlich ist ein Wörterbuch angelsächsischer Rechtstermini der Autorschaft Alexanders von Lincoln zuzuschreiben. Dazu Green, Government under

Henry I, 1986,

162.

134 Et ut omnes philosophos totius Britannie insule preteream, tu solus es (quem non erubesco fateri) qui pre cundís audaci lira caneres nisi te culmen honoris ad cetera negotia uocaret. Quoniam ergo placuit ut Gaufridus Monemutensis fistulam suam in hoc uaticinio sonaret, modulationibus suis fauere non diffugias et, siquid inordinate siue uiciose protulerit, ferula camenarum tuarum in rectum auertas concentum. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 110, 73f.

135 Siehe Tatlock,

Legendary History, 1950, 434.

219

6. Relevanz

Alexander von Lincoln war von seinem Onkel Roger von Salisbury, dessen Familie in der englischen Verwaltung eine Monopolstellung' innehatte1 in Laon erzogen worden und gehörte später gleich seinem Onkel zu den mächtigsten Kirchenfürsten im englischen Königreich. 1121 bekam er das Archidiakonat von Salisbury übertragen, 1123 dann das Bischofsamt in Lincoln.137 Vermutlich stand Geoffrey während seiner Tätigkeit als magister in Oxford mit Alexander in Kontakt. Nicht zuletzt gehörte Oxford zum Bistum Lincoln und Alexander behielt wahrscheinlich nach Übernahme des Bischofsamtes in Lincoln das Archidiakonat in Salisbury139, sodass er wohl mehrmals in Oxford Station machte, das auf der Route zwischen den beiden relativ weit auseinander liegenden Städten lag. Vor dem Hintergrund, dass Alexanders Onkel und dessen Gefolgsleute Mathilde zwar die Treue geschworen hatten (1126), dann aber ab 1135 Stephan von Blois unterstützten, ist von einer ähnlichen Haltung auch bei Alexander selbst auszugehen. Wohl wegen ihrer Macht und Machenschaften war die mächtige Gruppierung um Roger von Salisbury beim König jedoch bald in Misskredit geraten, was 1139 eine Einkerkerung nicht nur Rogers, sondern auch seiner Neffen Alexander und Nigel von Ely zur Folge hatte.140 Alexander schloss sich nach seiner Freilassung Mathilde an und war auch bei ihrem Einzug in Wincester 1141 dabei.141 Nach Acton Griscom gehörte er zu den offeDaneben trat Alexander von Lincoln als Förderer der Zisternen Gegnern Walerans. zienser und bedeutender Gelehrter (unter anderem des Geschichtsschreibers Heinrich ,

,

Erscheinung.143

Huntingdon) in Obwohl die Biographie des einen Adressaten mit derjenigen der anderen bisweilen unvereinbar erscheinen mag, fällt auf, dass sowohl Stephan von Blois als auch Robert von Gloucester, Waleran von Meulan und Alexander von Lincoln offenbar zu denjenigen Potentaten gehörten, die Mathilde 1126 die Treue geschworen hatten. Vor allem Robert und Waleran hatten durch Heinrichs I. Förderung wesentlich an Einfluss gewonnen und waren um 1130 in mehreren Urkunden gemeinsam als Zeugen aufgetreten. von

136 Umfassender hierzu Green, Government under Henry I, 1986, 38-50; Warren Hollister/Baldwin, Rise of Administrative Kingship, 1978, 876-881. 137 Vgl. Le Neve/Greenway, Fasti, 1991, 24; Brett, English Church, 1975, passim, bes. 90 u. 107, Anm. 5; Green, Government under Henry I, 1986, 185 u. 229, Anm. 17. 138 Wegen der Größe der Diözese war der Bischof von Lincoln viel auf Reisen. Vgl. Bennett, Lincoln, 1991, 1996. 139 Vgl. Le Neve/Greenway, Fasti, 1991, 24: „Still archdcn. ,of Salisbury' when appd. bp. of Lincoln 1123 (John Wore. p. 17)". 140 Hierzu Critchley, Roger von Salisbury, 1995, 939; Green, Government under Henry I, 1986, 273f; Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 67. 141 Vgl. Mayr-Harting, Alexander von Lincoln, 1980. Roger von Salisbury war noch im Jahr seiner Gefangennahme verstorben. 142 Vgl. Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 67. 143 Vgl. Mayr-Harting, Alexander von Lincoln, 1980.

220

II.

Metamorphosen eines Mythos

6.1.2.4 Legitimation und Identitätsstiftung? Was lässt sich aus diesen Hintergrandinformationen über die Widmungsempfänger und Auftraggeber im Hinblick auf die Ausrichtung der «Historia» und damit zugleich der trojanischen Herkunftskonstraktion schließen? Sowohl die Tatsache, dass einflussreiche Große in den Dedikationen des Werks eine wichtige Rolle spielen, als auch Geoffreys zu vermutende Zugehörigkeit zu den Augustinerchorherren von St. Georg in Oxford lassen es nicht zu, das Werk und den in ihr enthaltenen Ursprungsmythos als ein eigens für den englischen Herrscher Stephan von Blois geschaffenes Legitimations- und Identifikationsangebot zu interpretieren. Ebenso wenig erlaubt es die Teilwidmung an Robert von Gloucester, hier eine eindeutige Ausrichtung auf die Interessen der Königsgegner zu erkennen.144 Vielmehr dürfte die «Geschichte der Könige Britanniens» für Geoffrey ein Medium dargestellt haben, mit dessen Hilfe er sich auf die Suche nach Patronage, Pfründen und Posten bei einflussreichen Potentaten begab. Eben diese Vermittlerfunktion dürfte das Hauptmovens für Geoffreys literarisches Schaffen gewesen sein.145 Das Streben des Autors nach Förderung setzte nicht erst mit der Thronbesteigung Stephans ein, sondern begann wie die zwischen 1130 und 1135 entstandenen «Prophezeiungen Merlins» nahelegen bereits unter Heinrich I. Durchschlagenden Erfolg schien er dabei allerdings nicht gehabt zu haben denn erst wenige Jahre vor seinem Tod bekam er mit der Bischofswürde in St. Asaph das erste politische Amt übertragen. Allenfalls ließe sich die seit 1139 bezeugte magister-Tàtigkeit in Oxford als erste Stufe einer nicht sehr steil verlaufenden Karriere deuten. Vor diesem Hintergrund wäre es auch zu weit gegriffen, in allen Widmungsempfängern aktive Förderer zu sehen. Geoffreys Wirken in Oxford und die große Bedeutung, -

-

-

-

,

144 Edmond Faral war einer der ersten, der vehement gegen frühere Auffassungen von einer ,königstreuen' Ausrichtung der «Historia» argumentierte. Vor allem anhand der Widmungen werde deutlich, dass Geoffrey nicht das Wohlwollen König Stephans von Blois im Auge hatte (vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, bes. 386, 388, 391). Als Faral anschließend die berechtigte

warum die «Geschichte der Könige Britanniens» trotz ihres unmissverständlich gegen den amtierenden König ausgerichteten Timbres ,ungeschoren' davonkam und warum Geoffrey trotz allem zum Bischof von St. Asaph ernannt wurde, erklärte er, Stephan von Blois habe der Opposition keinen weiteren Rückenwind geben wollen (vgl. ebd., 395f). Dass eine Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Seite nicht getroffen werden kann, daraufwies Christopher Brooke schon in den 1970er-Jahren hin. Vgl. Brooke, Geoffrey as Historian, 1978 (1976), 87f. 145 So auch Lloyd, Geoffrey, 1942, 465; Crick, Dissemination and Reception, 1991, 5; Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, Introduction, 10; Gransden, Historical Writing, 1974, 204; Legge, Master Geoffrey, 1981, 26. 146 Siehe ebenso Geoffrey, History, transi. Thorpe, 1966, 12, und Legge, Master Geoffrey, 1981, 26, dort mit der treffenden Bemerkung: „Unfortunately for him [Geoffrey], he backed the wrong horses and had difficulty in changing. There is an astonishing contrast between his frustrated career and the wild posthumous influence of his writings.".

Frage stellte,

221

6. Relevanz

welche die Stadt in den 1130er- und 1140er-Jahren während der Auseinandersetzungen zwischen König Stephan und Mathilde hatte, legen immerhin die Vermutung nahe, das Werk habe seine Empfänger tatsächlich erreicht.147 Ob nun die erhoffte Unterstützung von Seiten der Adressaten willentlich oder aufgrund widriger Umstände ausblieb, lässt sich anhand der überlieferten Quellen nicht mehr rekonstruieren. In jedem Fall scheinen Wie Geoffreys Dedikationen weitgehend auf persönliche Kontakte die potenziellen (oder sich bereits als solche betätigenden?) Patrone zu Stephan bzw. Mathilde standen, war dabei offenbar unerheblich. Neben privaten und institutionellen Beziehungen freien sicherlich die politischen und kulturellen Einflussmöglichkeiten der Widmungsempfänger ins Gewicht, weil sich dadurch die Aussichten auf eine lukrative Förderung vergrößerten. Dieser Gedanke ließe sich noch weiter entwickeln und auf die These zuspitzen, Geoffrey von Monmouth habe vielleicht ganz bewusst eine Materie gewählt, die ihn nicht dazu zwang, sich auf eine bestimmte ideologische Ausrichtung bzw. auf einen teleologischen Endpunkt seiner Darstellung festzulegen. Mehr als Vermutungen sind aber in diesem Punkt nicht möglich. Wahrscheinlich aber wählte Geoffrey von Monmouth gezielt ein Thema, das noch nicht besetzt war, um sich auf diese Weise von Konkurrenten desselben Metiers abzusetzen. Dahingehende Hinweise finden sich sowohl im Prolog als auch im Epilog. In den einleitenden Zeilen der «Historia» verlieh der Autor zunächst seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass Gildas und Beda nichts über die britischen Könige geschrieben hätten, weder in der Zeit vor Christi Geburt noch danach und das, obwohl deren (insbesondere Artus') „Taten ewigen Lobes würdig" seien und „von vielen Völkern gem und auswendig, ganz als seien sie niedergeschrieben, gerühmt" würden.149 Dieses Manko und die entsprechende Nachfrage seien Beweggründe dafür gewesen, sich an die Abfassung einer Frühgeschichte der britischen Insel zu setzen. In gewissem Widersprach zu dieser konstatierten ,Marktlücke' steht dann jedoch die vom Autor behauptete Existenz eines volkssprachlichen Buches, das sich genau jenem historischen Zeit-

zurückzugehen.148

-

147 Michael J. Curley äußerte sich in diesem Punkt skeptischer. Er bezweifelte, dass Geoffrey durch seine Widmungen mit dem Tempo der wechselnden politischen Fronten schritthalten konnte. Vgl. Curley, Geoffrey, 1994, 9. Zu diesem Aspekt auch S. 231-233. 148 In fünf Urkunden ist Ralph von Monmouth, ein Kanoniker in Lincoln, erwähnt, dessen Bischof Geoffrey später die «Prophezeiungen Merlins» widmete. Der als Zeuge auftretende Robert de Chesney, Nachfolger Alexanders im Bischofsamt von Lincoln, gehörte ebenfalls zu den Oxforder Kanonikern; an ihn wird die «Vita Merlini» dediziert werden. Auch der Archidiakon Walter von Oxford, der zum Entstehen der «Historia» maßgeblich beigetragen haben soll, erscheint in drei der Urkunden. Vgl. dazu Tatlock, Legendary History, 1950, 441, 444f; Historia Regum Britanniae of Geoffrey, ed. Griscom, 1977 (1929), 58. 149 [...] in mirum contuli quod infra mendonem quam de eis Gildas et Beda luculento tradatu fecerant nichil de regibus qui ante incarnationem Christi inhabitauerunt, nichil etiam de Arturo cete-

risque compluribus qui post

incarnationem successerunt reperissem, cum et gesta eorum digna eternitate taudis constarent et a multis populis quasi inscripta iocunde et memoriter predicarent. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 1, 1.

222

//.

Metamorphosen eines Mythos

er zu behandeln gedachte. Geoffrey zufolge habe seine Eigenin einer lediglich grobschlächtigen, durch einen eigenen Stil geprägten Übertraleistung

räum

widme, den auch

Dass der Autor hier untergung des genannten Buches ins Lateinische bestanden. trieb, haben Quellenstudien hinreichend belegen können, denn aller Wahrscheinlichkeit nach stellt die «Historia» keine Übersetzung dar. Wie an anderer Stelle gezeigt

wurde, sind wesentliche Elemente der vorchristlich-trojanischen Besiedlungsgeschichte

der Britannia nicht der Phantasie des Autors entsprangen, sondern auf die «Historia Brittonum» und andere schriftliche Quellen zurückzuführen. Umgekehrt darf die Brutus-Geschichte aber auch nicht auf eine bloße Wiederaufnahme und literarische Ausmalung früherer Erzählungen reduziert werden. Vielmehr muss hier von einem eigenständigen historiographisch-literarischen Unternehmen auf hohem sprachlichen Niveau ausgegangen werden, durch das eine Reihe älterer Erzählsegmente neue Signifikanz erhielt.153 Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sich der Verfasser der «Historia» mit seinem Werk und der darin enthaltenen trojanischen Gründungsgeschichte von Konkurrenten abzusetzen versuchte, begegnet im Epilog. Selbstbewusst tritt dort Geoffrey vor seinen zeitgenössischen Kollegen Wilhelm von Malmesbury (um 1090-1143), Heinrich von Huntingdon (ca. 1180/90 bis um 1155) und Caradoc von Llancarfan (12. Jahrhundert) auf. Alle drei155 weist er in ihre Schranken, indem er Caradoc die walisischen Könige nach der Herrschaftsübernahme der Angelsachsen für ein historisches Unternehmen überlässt, Wilhelm und Heinrich dagegen die angelsächsischen Könige. Keiner von ihnen solle es sich erlauben, über die Geschichte der Könige Britanniens zu schreiben, weil sie das besagte Buch in britischer bzw. bretonischer Sprache nicht vorliegen hätten, das Geoffrey angab, übersetzt zu haben.156 Valerie I. J. Flint interpretierte diesen

[...Jagresti tarnen stilo propriisque calamis contentus codicem illum in Latinum sermonem transfierre curaui. Ebd., Kap. 2, 1. 151 Es handelt sich hier um einen Topos. Vgl. Brooke, Geoffrey as Historian, 1978 (1976), 79, 83. 152 So Hanning, Vision of History, 1966, 139: „If Geoffrey's rehandling of Bede and Gildas is revealing, equally revealing is his decision to expand certain source material without reinterpreting it." 153 Zur Quellenproblematik ausführlich im Kap. 5.3. 150

154 Über den walisischen Mönch und Geschichtsschreiber Caradoc von Llancarfan ist kaum etwas bekannt. Er war Autor einer «Gildas-Vita» und einer Geschichte von Wales. Weiterführende Literaturhinweise bei Flint, Parody and Purpose, 1979, 457, Anm. 59. 155 Flint und Gillingham bezogen den harschen Ton Geoffreys vor allem auf Wilhelm von Malmesbury und Heinrich von Huntingdon und fassten die Bemerkung gegenüber Caradoc von Llancarfan als eine Auffordung auf, sein Werk fortzusetzen. Flint, Parody and Purpose, 1979, 452; Gillingham, Context and Purposes 1990, 105. Das ausgesprochene Verbot, sich nicht mit der Materie der britischen Könige zu befassen, dürfte sich aber und zwar nicht nur grammatikalisch auf alle drei Autoren beziehen. 156 Reges autem eorum qui ab Mo tempore in Gualiis successerunt Karadoco Lancarbanensi contemporáneo meo in materia scribendi permitió, reges uero Saxonum Willelmo Malmesberiensi et Henrico Huntendonensi; quos de regibus Britonum tacere iubeo cum non habeant librum istum Britannici sermonis quem Gualterus Oxenefordensis archidiaconus ex Britannia aduexit, quem -

-

223

6. Relevanz

Parodie157 und zeigte, wie mehrere Stellen der «Historia» abgeänderte den Werken Wilhelms von Malmesbury und Heinrichs von Huntingdon Passagen darstellten. Die Art, wie Geoffrey dabei vorging, lasse auf eine „tiefe Respektlosigkeit gegenüber der zeitgenössischen Geschichtsschreibung" schließen. Beide Autoren würden, so das Fazit, nicht als Quellen benutzt, sondern als „Sündenböcke in einer hochkomplexen Übung in zeitgenössischer Kritik".158 Flints Deutung der Passage halte ich für überzogen, denn die von Geoffrey vorgenommene Absteckung des historiographischen Terrains birgt nichts Parodistisches. Sie wirkt vielmehr wie eine Verteidigungsmauer, die der Autor errichtet, um seine «Historia» und letztlich auch sich selbst vor Angriffen zu schützen. Von Heinrich von Huntingdon weiß man, dass er zur familia des Bischofs Alexander von Lincoln gehörte und in dessen Auftrag die «Historia Anglorum» verfasste. Wilhelm von Malmesbury wiedemm schrieb seine «Historia Novella», eine Fortsetzung der «Gesta Regum», für Robert von Gloucester. Bei beiden hatte sich auch Geoffrey von Monmouth um Förderung bemüht. Es ist daher nicht abwegig anzunehmen, dass sich dieser von Wilhelm und Heinrich abzugrenzen versuchte, um stärkere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zumal beide Geschichtsschreiber den Ansprach erhoben, Nachfolger Bedas zu sein.160 Eine bestimmte Person zu legitimieren oder gar eine verbindliche dynastische oder ,nationale' Geschichte zu kreieren, dürfte also nicht Geoffreys primäre Absicht gewesen sein. Stattdessen deutet alles daraufhin, dass er sich durch Originalität und Qualität, vielleicht sogar durch Schmähungen Gehör verschaffen wollte. In materieller Hinsicht war ihm dabei kein großer Erfolg beschieden. Gleichwohl trat die «Historia» kurz nach ihrer Vollendung in der englischen Geschichtsschreibung und Literatur einen Siegeszug an, der mehrere Jahrhunderte andauerte.161 Dieser lag aber zunächst jedenfalls nicht Passus als eine aus

-

de

-

hystoria eorum ueraciter editum in honore predidorum principum hoc modo in Latinum sertransferre curaui. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 208,

monem

147. 157 Die hier erwähnte Passage ist eine der Schlüsselstellen, welche Valerie Flint dazu veranlasste, die «Historia Regum Britannie» insgesamt als ein parodistisches Werk zu deuten. Vgl. Flint, Parody and Purpose, 1979, bes. 449. Für Christopher Brooke war diese Stelle (neben anderen) ein Zeichen für die unpolitischen Absichten Geoffreys. Vgl. Brooke, Geoffrey as Historian, 1978 (1976), 83, 90. 158 Vgl. 7^7/nr, Parody and Purpose, 1979, 452-456, die Zitate 456. Obwohl auch Robert W. Hanning (Vision of History, 1966, 124) betonte, dass ein Schlüssel zum Verständnis der «Historia» in der Parodierung der „neuen", das heißt zeitgenössischen, sich nationalen Geschichtsentwürfen widmenden Historiographie liege, führte er diesen Punkt nicht näher aus. 159 Vgl. Bradbury, Reign of Stephen, 1990, 17f; Gransden, Prologues, 1990, 76; Gransden, Historical Writing, 1974, 187; Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 15. 160 Vgl. Gransden, Prologues, 1990, 68, 80. Es bedürfte hier einer vertiefenden Studie, in der die Biografíe und das literarische Schaffen aller drei Autoren in Beziehung zueinander gesetzt und kontextualisiert werden. 161 Hierzu S. 175-187.

224

//.

Metamorphosen eines Mythos

in einer Gruppenidentität stiftenden oder Herrschaft legitimierenden Funktion des trojanisch-britischen Herkunftsmythos begründet. Nichts spricht dafür, dass sich der englische König, die Thronprätendentin Mathilde oder einer der Magnaten auf trojanische Wurzeln beriefen, um auf diese Weise Ansprüche geltend zu machen.

Gegenwärtige Vergangenheit 6.1.3.1 Im Spiegel der Zeit Erst ein Blick auf die gesellschaftlich-kulturellen Rahmenbedingungen macht verständlich, warum die «Historia Regum Britannie» trotz des Fehlens einer klar zu Tage tretenden Panegyrik bald nach ihrem Erscheinen eine so große Nachfrage auslöste. Die rasche und intensive Rezeption der «Geschichte der Könige Britanniens» ist ein Zeichen dafür, dass Geoffrey seine Zeitgenossen anzusprechen vermochte. Wie ihm das gelungen war, lässt sich unmöglich anhand eines ganz bestimmten Aspektes erklären. Vielmehr greifen mehrere Ebenen und Gesichtspunkte ineinander, die in ihrer Gesamtheit und Gewichtung nur schwer auszuloten sind. Mit Blick auf die Rezeption sticht zunächst der Quellencharakter des Werks ins Auge. Dadurch, dass es eine historiographische Lücke füllte, wurde es für viele zeitgenössische und spätere Autoren zu einer Fundgrube für Informationen über die vorrömische Zeit. Wer etwas über die Besiedlung der Insel und die Geschichte des britischen König6.1.3

tums erfahren und in den Briten

nicht, wie Beda, nur Barbaren sehen wollte, der konnte und allein die «Historia» zur Hand nehmen.162 einzig Zugleich bot der Autor durch die Art und Weise, in der er das historische Material aufbereitete und präsentierte, seinen Rezipienten ein Lesevergnügen. Möglichst gut zu unterhalten, darin kann man wohl eine wichtige Absicht Geoffreys sehen.163 Es ist hier nicht der Ort, auf das hohe sprachliche Niveau des Werks einzugehen. Stattdessen seien einige inhaltliche Aspekte herausgegriffen, die wohl in besonderer Weise den Leser anzusprechen vermochten, weil sie zugleich ein Spiegel der Zeit bzw. der Gesellschaft waren, in der Geoffrey schrieb. Die der Vergangenheit angehörende Welt der «Historia» ist eine imaginierte Welt. Sie besteht aus Versatzstücken gelehrter Traditionen und Vorstellungen darüber, wie es einmal gewesen sein könnte. Geoffrey rekonstruierte, und zwar ebenso gewissenhaft 162

163

Vgl. Gillingham, Context and Purposes, 1990, bes. 105fr Gillingham kontextualisierte diesen Befund mit zeitgenössischen Barbaren-Konzepten und wies unter anderem darauf hin, wie der Geschichtsschreiber Wilhelm von Malmesbury die christlichen Regionen Irland, Wales, Schottland, Dänemark und Norwegen als barbarisch abwertete (ebd., 105-110; unter Verweis auf Wilhelm von Malmesburys «De Gestis Regum», II, 399 u. II, 485). Zur «Historia» als Quelle für spätere Autoren auch Tatlock, Legendary History, 1950, 423; Gransden, Historical Writing, 1974, 202 u. 206; Hanning, Vision of History, 1966, 123; Crick, Dissemination and Reception, 1991, 11; Putter, King Arthur at Oxbridge, 2003, 68. Vgl. auch Gransden, Historical Writing, 1974, 207.

225

6. Relevanz

wie phantasievoll. Da er sich nicht mit zeitgeschichtlichen Ereignissen auseinandersetzte, konnte er bei seiner Frühgeschichte Britanniens auf keine eigenen Erlebnisse oder Berichte aus erster Hand zurückgreifen. Desweiteren habe es, wie im Prolog behauptet wird, noch keine historischen Abhandlungen zur gewählten Thematik gegeben. Das war durchaus von Vorteil, entstand doch so ein großer Spielraum bei der Darstellung, den Geoffrey frei ausnutzen und mit seinem Namen besetzen konnte. Zweifel über den Ablauf der historischen Geschehnisse ließ er an keiner Stelle aufkommen. Kein ut dicitur oder fertur deutet auf Überlieferangsschwierigkeiten hin, und dem Leser wurde keine Wahl zwischen alternativen Versionen gelassen, wie es oft bei kompilatorischen Arbeiten der Fall war. Geoffrey führte seine Leser scheinbar sicher durch die Untiefen der Vergangenheit und brachte sie an keiner Stelle zum Stolpern. Dadurch wurde die «Historia Regum Britannie» zu einem leicht verdaulichen Stück historischer Literatur. Dass er sich dabei über so manche historiographische Konvention hinwegsetzte, dürfte beabsichtigt gewesen sein. Valerie I. J. Flint war überzeugt, Geoffrey habe seine literarischen Fähigkeiten ganz bewusst genutzt, um bestimmte Trends in der damaligen Historiographie zu übertreiben und auf diese Weise zu verspotten. Ihm sei es letztlich darum gegangen, die Autorität einiger ihrer Exponenten in Frage zu stellen und ihre FäIm Anschluss an die obigen Ausführungen ist hier jehigkeiten doch einer anderen Lesart der Vorzug zu geben, nach der Geoffreys Unternehmen als ein Versuch gelten kann, sich neben anstatt über diese zu stellen. Doch ganz gleich, ob Gleichrangigkeit oder Überlegenheit zweifellos dürfte der Autor, indem er aus verschiedenen älteren und zeitgenössischen Geschichtswerken schöpfte und dabei viele Passagen in ein neues Licht stellte, den gebildeten Leser nicht allein zu Assoziationen, sondern auch zu einer Standpunktbestimmung und Stellungnahme gereizt haben. Außerdem griff Geoffrey von Monmouth, wie andere Autoren auch, bei seiner Darstellung auf Interpretationsmuster und Versatzstücke der eigenen Zeit zurück.166 Indem er Situationen und Konstellationen beschrieb, die denjenigen seiner eigenen Zeit sehr ähnelten, holte er die königlichen Ahnen ins Leben zurück und vergegenwärtigte die Geschichte der Insel Britannia. Es wurde bereits darauf eingegangen, welch großen Stellenwert die Frage der Nachfolge im Königsamt innerhalb der Darstellung und für Geoffreys Zeitgenossen besaß.167 Signifikant ist sie nicht auch zuletzt deshalb, weil bereits unter Heinrichs Vorgängern Wilhelm I. dem Eroberer (1066-87) und Wilhelm II. Rufus (1087-1100) ähnliche Unstimmigkeiten bei der Thronfolge zu beobachten sind.

herunterzuspielen.16

-

-

-

164

165 166

Prägnant hierzu Christopher Brooke: „[...] he [Geoffrey] liked to create, as it were, a mosaic pattern in which most of the pieces had some existence in his material, some of the pieces were recognisably historical, but most of the pattern was invention." Brooke, Geoffrey as Historian, 1978 (1976), 79. Vgl. Flint, Parody and Purpose, 1979, 449. So auch in den antikisierenden Romanen; vgl. Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991,226.

167 Siehe oben S. 201,204.

226

//.

Metamorphosen eines Mythos

Offensichtlich gab es für die Nachfolge im englischen Königsamt während der anglonormannischen Zeit keine klaren Regelungen.168 Weitere Anachronismen lassen sich bei den Eigenschaften, durch welche die Widmungsempfänger und Auftraggeber hervorgehoben sind, beobachten, denn sie erinnern an die Charakterisierung so mancher britischer Herrschergestalt innerhalb der Erzählung. Hier wie da waren Abkunft, militärische Tugenden und Verdienste für das Reich von Bedeutung. Ein weiterer Aspekt, der in den Charakterisierungen der britischen Könige mitschwingt, ist der Gedanke, die Briten seien keine Barbaren, sondern seit langem zivilisiert gewesen, und zwar bereits weit vor dem Zeitpunkt, als sie das erste Mal ihren Fuß auf die Insel Albion setzten. Diese Sichtweise scheint zunächst wenig spektakulär, gewinnt jedoch an Tragweite, wenn man sich vor Augen hält, wie in der Zeit, als Geoffrey die «Historia» verfasste, das klassische Barbaren-Konzept eine neue Aktualisierung in der englischen Geschichtsschreibung erführ. Historiker wie Wilhelm von Malmesbury und Ordericus Vitalis waren (ähnlich Beda) der Überzeugung, erst die Römer hätten die Zivilisation gebracht, und Städte wie Bath oder Carlisle seien von Julius Caesar gegründet worden.169 Diese Umwertung der vor-römischen Vergangenheit war nicht nur ein Novum170, sondern scheint auch mit Blick auf die Situation in Wales weiterreichende Signifikanz besessen zu haben. Relativ zu Beginn der «Historia» beschreibt Geoffrey den Rückzug eines Teils der geflüchteten (zivilisierten) Trojaner in die Wildnis: Diese hätten lieber wie wilde Tiere leben wollen, anstatt sich den Griechen zu unterwerfen.171 John Gillingham erkannte hier eine Anspielung auf die Waliser und deren Unabhängigkeitsbestrebungen während der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Unter Heinrich I. hatte die Region, die nach 1066 in das Anglonormannische Reich eingegliedert worden war, eine Vielzahl an Usancen in legislativer, wirtschaftlicher wie administrativer Hinsicht übernommen. Dennoch blieb ein Unbehangen der walisischen Fürsten gegen die anglonormannische Dominanz und der Drang, eine möglichst unabhängige Stellung zu bewahren, weil die Erinnerung an ein eigenständiges Königtum in Wales nach wie vor präsent war. 1136/1137 kam es zu einer Revolte der drei walisischen Fürstentümer (der ehemaligen Königreiche Maelienydd, Gwynedd und Deheubarth), die als ein Versuch gedeutet wurde, die alte Britannia wiederherzustellen.172 Robert von Gloucester war davon unmittelbar betroffen, grenzten doch wichtige seiner Besitzungen an walisisches Gebiet, die er nach einem vereinbarten Kompromiss teils an die „upland lords" von Ma168 Das Primogenitur-Prinzip scheint nur bedingt angewendet worden zu sein, während hinsichtlich einer weiblichen Thronfolge wohl erhebliche Vorbehalte bestanden. Vgl. Chibnall, Empress Ma-

tilda, 1991,64.

169 Ausführlicher dazu Gillingham, Context and Purposes, 1990, 109. 170 Hierzu u. a. Gransden, Historical Writing, 1974, 205. 171 Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 8, 4. 172 Vgl. Gillingham, Context and Purposes, 1990, 110-112. Zur Politik Stephans über Wales siehe Bradbury, Reign of Stephen, 1990, 26.

von

Blois gegen-

6. Relevanz

227

Gwynllwg abtreten musste.173 Auf der anderen Seite war Robert während der Auseinandersetzungen zwischen Stephan und Mathilde eine Allianz mit den Walisern eingegangen, und walisische Infanterie sollte in der Schlacht bei Lincoln und bei der Gefangennahme König Stephans involviert sein. Durch diese Details bekommt auch die Passage über Artus' Krönung in Caerleon besondere Signifikanz, denn Caerleon befand sich in Glamorgan, und während der 1130er-Jahre war der Herr von Glamorgan kein anderer als Robert von Gloucester.174 Aber selbst wenn die «Historia» lediglich in jener Version überliefert wäre, welche die Einzelwidmung an den Earl von Gloucester enthält, dann bliebe immer noch ungeklärt, warum Geoffrey keine Geschichte der walisischen Könige schrieb. So plausibel Gillinghams Argumentation für die von ihm betrachteten Bereiche ist, sie bleibt für ein Gesamtverständnis zu einseitig. Die Herkunftserzählung am Anfang der «Historia» lenkt die Aufmerksamkeit auf einen weiteren, für die Relevanz-Frage wichtigen Punkt. Es fällt auf, dass Geoffrey den Zug der Trojaner an ihren zukünftigen Bestimmungsort nicht in wenigen Zeilen abhandelte, sondern den Reisen und Abenteuern des Brutus und seiner trojanischen Gefährten mehrere Kapitel widmete. Er verweilte bei ihren heidnischen Praktiken, begleitete sie chen in

erzählerisch auf den einzelnen Stationen ihrer Wanderschaft, ließ sie immer wieder gegen fremde Unterdrücker kämpfen, Siege erringen und Verluste hinnehmen, in der Fremde auf eigene Vorfahren treffen und so lange unterwegs sein, bis sie das verheißene Land erreichten. Unverkennbar fanden in diesen175 wie auch anderen176 Passagen Kreuzzugsmotive einen Widerhall. Als Geoffrey seine Feder zur Hand nahm, war es erst knapp zehn Jahre her, dass Kreuzfahrer die wichtige Hafenstadt Tyrus erobert hatten; ein Dezennium später wiederum sollte der sogenannte zweite Kreuzzug beginnen. Nach allem, was wir über die Biographie des Verfassers wissen, ist er selbst nie im Heiligen Land gewesen. Er dürfte jedoch aus Erzählungen einiges über die strapaziösen Reisen und die Situation im Osten gehört haben. Zwar war die anglonormannische Beteiligung am ersten Kreuzzug sehr gering, doch das minderte nicht das Interesse an den Geschehnissen im Heiligen Land. Informationen erhielt man sowohl von französischen Baronen als auch von Pilgern, die in das neu gegründete Königreich Jerusalem gereist Auf der anderen Seite konnten gewiss viele Leser in der Brutus-Erzählung waren. wenn nicht eigene Erfahrungen, so doch eigene Vorstellungen wiederfinden. Diese Affinität der «Historia» zu den Kreuzzugsgeschichten beobachtete auch Julia Crick, allerdings in einem gänzlich anderen Kontext. Ihr Befund, demzufolge Geoffreys Text in überlieferten Codices häufig neben anderen Troja-Geschichten, Erzählungen über Ale173 Vgl. Crouch, Robert and the Daughter of Zelophehad, 1985, 229Í 174 Vgl. Gillingham, Context and Purposes, 1990, 115; Green, Government under Henry I, 1986, 15. 175 So schon Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 73f 176 Wie Tatlock bei einer Untersuchung geographischer Details in der «Historia Regum Britannie» konstatierte, seien Afrika und Spanien für Geoffrey muslimische Regionen gewesen. Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 113. 177 Hierzu Graboïs, Anglo-Norman England and the Holy Land, 1984, bes. 140Í

228

//.

Metamorphosen eines Mythos

xander den Großen oder Kreuzzugsmaterial abgeschrieben wurde178, führte sie zur Überlegung, hier eventuell einen Schlüssel für die breite Rezeption der «Historia» zu suchen. Gerade die Kreuzzugsthematik sei ein Thema gewesen, das speziell ein Laien-

publikum angesprochen habe.1

Nicht unerwähnt dürfen schließlich die Prophezeiungen bleiben, weil sie ein wichtiges strukturelles Element der «Historia» bilden.180 Sowohl in größeren Abschnitten als auch in kürzeren Passagen füngieren sie als Leitmotive. Die Weissagung der heidnischen Göttin Diana beispielsweise zieht sich als roter Faden durch die ersten Abschnitte, sie gibt der langen und abenteuerlichen Reise des Trojaners Brutus einen Sinn und eine Richtung. Merlins Worte hinwieder dominieren den Gang der Geschichte in den letzten Kapiteln. Der in ihnen erwähnte rote Drache evoziert Assoziationen mit dem das Gottesvolk bedrängenden Drachen in der Offenbarung des Johannes.181 Dem christlichen Mittelalter waren Visionen und Vatizinien wohl vertraut, vor allem durch die Propheten des Alten Testaments und die Apokalypse. Daneben besaßen die sibyllinischen Bücher, an die sich Anklänge in «Merlins Weissagungen» finden lassen182, das ganze Mittelalter hindurch Autorität und sollten im 12. Jahrhundert ihre stärkste Verbreitung finden. Die Lektüre antiker Autoren (besonders Vergils) verstärkte wohl dieses Interesse noch, weil auch bei ihnen Visionen und Weissagungen einen wichtigen Stellenwert besaßen. Zudem waren das Ende von Heinrichs I. Herrschaftszeit und die ersten Jahre der Regentschaft Stephans von Blois durch eine Reihe wirtschaftlicher Probleme die teils durch Tierseuchen und Dürreperioden ausgelöst worden wagekennzeichnet, 185 Sie dürften von den Zeitgenossen als Strafe Gottes aufgefasst worden sein und ren. nicht nur endzeitliche Bilder evoziert, sondern auch zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für unheilkündigende Zeichen und Erscheinungen geführt haben. Eine politische Aussage schwang zwar in der «Geschichte der Könige Britanniens» dadurch mit, dass die Vatizinien mit dem Anfang und Ende der britischen Königsherrschaft in unmittelbarer Beziehung standen. Doch diese zunächst nur latente politische Kraft drang erst ge-

178

Vgl. Crick, re

Dissemination and Reception, 1991, 1 If, 218. Aufgelistet sind ebd., 218, noch weitezusammen mit dem «Historia»-Text abgeschrieben wur-

Texte, die in Handschriften-Corpora

den. 179 Siehe ebd., 219. 180 Vgl. Gillingham, Context and Purposes, 1990, 99. 181 Der Kampf des weißen Drachens gegen den roten in den «Prophezeiungen Merlins» symbolisiert wie derjenige Michaels gegen den Drachen den Kampf zwischen Gut und Böse. Vgl. Historia Regum Britannie of Geoffrey, ed. Wright, 1985, Kap. 112 (1), 74; Apok. 12,7-12. 182 Vgl. Ingledew, Troy, 1994, 667. 183 Vgl. Potestà, Prophetische Literatur, 1995, 252. 184 Hierzu ebd., bes. 667, 670, 674, 678. 185 Siehe Bradbury, Reign of Stephen, 1990, 18fr -

-

6. Relevanz

229

gen Ende des 12. Jahrhunderts stärker an die Oberfläche.186 Geoffrey von Monmouth wurde für prophetische Texte im spätmittelalterlichen England eine überaus wichtige Referenz. Bereits bei ihm ist die Trias „König, Volk, Nation" vorgeprägt, die in den kommenden Jahrhunderten charakteristisch für politische Vatizinien in England blieb und in engem Konnex mit biblisch-moralisierenden, ritterlichen und historiographischen Diskursen stand.187 Eben dieser Gedanke der dreifachen Einheit Britannia-Bnten-Königreich, die Geoffrey zufolge die Insel seit ihrer menschlichen Besiedlung kennzeichnete, machte die «Historia» ungeachtet kritischer Vorbehalte auch zu einem Ausgangspunkt für die spätere Nationalgeschichtsschreibung. 6.1.3.2 Geschichte im Aufwind

Als Geoffrey sich an die Abfassung seines Werks setzte, lag er im Trend seiner Zeit188, denn allein in den 1120er- und 1130er-Jahren war in England eine beträchtliche Anzahl an Heiligenviten und Geschichtswerken190 entstanden. Können diese großenteils als Versuche eines „intellectual revival" in den religiösen Orden gewertet werden, so zeugt Geoffreys literarisches Schaffen bereits von einer neuartigen Tendenz, von einem wachsenden Einfluss des säkularen Klerus auf das kulturelle Leben in England und der Präsenz eines Laienpublikums mit einem ausgeprägten Interesse an historischen Stoffen.191 Was Geoffrey trotz seiner weitgehenden Loslösung von einer christlich-heilsgeschichtlichen Teleologie mit der „neuen Geschichtsschreibung"192 verband, war seine Hinwen-

186

187 188 189

190

191

192

Context and Purposes, 1990, 103. Im «Draco Normannicus» beispielsweise wurden «Merlins Prophezeiungen» ohne ideologischen Hintergrund verwendet; Siehe Faletra, Geoffrey and the Norman Colonization of Wales, 2000, 77. Dazu Coote, Prophecy and Public Affairs, 2000, bes. 1, 14-37, 41 f. So auch Tatlock, Legendary History, 1950, 423. Genannt werden können hier beispielsweise die Viten des Hl. Gildas und Hl. Cadoc aus der Feder des Caradoc von Llancarfan (nach 1120) oder die anonyme Vita des Hl. Dubricius. Weitere Literatur dazu bei Flint, Parody and Purpose, 1979, 450f Dazu zählen unter anderem ein «Leis Willelme» betiteltes Werk, das nur noch in einer französischen Version greifbar ist, die «Consiliatio Cnuti» (1130), die Werke des Wilhelm von Malmesbury (gest. 1143), John of Worcester, Hugh the Chanter und Heinrich von Huntingdon, die «Annales Regnis Et Ecclesiis» (1130er) oder die «Historia Regum» (nach 1129). Vgl. Flint, Parody and Purpose, 1979, 450f; Tyson, Patronage of French Vernacular History Writers, 1979, 182; Faletra, Geoffrey and the Norman Colonization of Wales, 2000, 61. Vgl. Gransden, Historical Writing, 1974, 186; Tyson, Patronage of French Vernacular History Wirters, 1979; Ingledew, Troy, 1994, 666. In ähnlicher Weise hatte bereits Robert W. Hanning die «Historia» in den weiteren Kontext einer „cultural expansion and renewed intellectual history" verortet und als Ausdruck sowie Weiterentwicklung einer neuartigen Historiographie im anglonormannischen Herrschaftsbereich gewertet. Vgl. Hanning, Vision of History, 1966, bes. 127, 136f. Hanning, Vision of History, 1966, 136.

Vgl. Gillingham,

230

II

dung zur nationalen' Geschichte,

zur

riographie.193

Metamorphosen eines Mythos

menschlichen Dimension,

zur

klassischen Histo-

Nach Diana B. Tyson nahm die große Beliebtheit volkssprachlicher Geschichtsschreibung in England bei dem Wunsch aristokratischer und höfischer Kreise, ebenfalls in den Besitz einer Bearbeitung der spannenden «Historia Regum Britannie» zu gelanAuffälligerweise aber hatte die «Historia» trotz zahlreicher gen, ihren Ausgang. volkssprachlicher Übertragungen ihren größeren und länger anhaltenden Erfolg in lateinischen Versionen.195 Es muss also ein entsprechend lateinkundiges Publikum gegeben haben, das gewillt war, Zeit und Geld zu investieren, um in den Besitz dieses nicht-traditionellen, säkularen Geschichtswerks zu gelangen und es zu lesen. Julia Crick vermutete hier zu Recht ein aristokratisches Publikum, obwohl nach gängiger Ansicht dessen „literarische Sprache" im 12. Jahrhundert eben nicht Latein gewesen sei.196 Dass dieser sprachliche Aspekt für England nicht zutrifft, zeigte Ann Williams: Nach 1066 ersetzte das Lateinische das Englische als Schriftsprache, und in gebildeten Schichten Englands wurde Tri-Lingualität Englisch, Französisch, Latein zur Norm.197 Bereits gegen Ende des 11. Jahrhunderts setzte in England ein intellektueller Aufschwung innerhalb und jenseits der Klostermauern ein. Besonders seit der Herrschaftszeit Heinrichs I. (1100-1135) nahm die Quantität des überlieferten Materials in lateinischer Sprache spürbar zu, angefangen von Urkunden und anderem Schrifttum für den öffentlichen Gebrauch bis hin zu literarisch-historiographischen Werken.198 Schrift- und rechtskundiges Personal war nicht nur in der königlichen Verwaltung, sondern auch an den Höfen weltlicher und geistlicher Großer gefragt.199 Bildung schaffte daher neue Posten und Perspektiven, und die Aufnahme in aie familia eines Adeligen oder gar des Königs vergrößerte die Karrierechancen beträchtlich. Umgekehrt partizipierten auch die politischen Eliten an dem Wandel durch eine entsprechende Erziehung und Ausbil-

-

-

193 Siehe ebd., bes. 126-145. 194 Vgl. Tyson, Patronage of French Vernacular History Writers, 1979, 185fr Grundlegend zur französischen Literatur im mittelalterlichen England: Calin, French Tradition, 1994. 195 Vgl. Crick, Dissemination and Reception, 1991, 10. 196 Siehe ebd. 197 Vgl. Williams, English and Norman Conquest, 1972, bes. 214f; Short, Language and Literature, 2003, bes. 193f, 204fr Für welche der drei Sprachen sich ein Autor entschied, hing wohl vom intendierten Publikum und der Darstellungsform und -absieht ab. Die lange volkssprachliche Tradition in England wirkte wahrscheinlich als ein Stimulus für die Entwicklung des Französischen zur Schriftsprache. Vgl. Short, Language and Literature, 2003, 215f. Allgemein hierzu ebd., 3-16; Short, Patrons and Polyglots, 1992; speziell im Kontext des literarischen Schaffens Geffrei Gaimars: Short, Gaimar's Epilogue, 1994, 323. Zur Forschungskontroverse, inwieweit das Französische auch in breiteren Schichten der Bevölkerung gesprochen wurde, Calin, French Tradition, 1994, bes. 3-6. 198 Allgemein hierzu Williams, English and Norman Conquest, 1972, 155-219; Flint, Parody and Purpose, 1979, 450-452; Turner, Miles Literatus, 1978, passim; Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 12-14; Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 110. 199 Vgl. Turner, Miles Literatus, 1978, bes. 928, 931f

6. Relevanz

231

Familienmitglieder, durch Mäzenatentum, ja sogar durch eigenes literariSchaffen.200 Ausdruck dieser Tendenz ist das vielzitierte Statement Johannes' von Salisbury: „Ein ungebildeter König ist nichts anderes als ein gekrönter Esel"201. Spätestens seit Mitte des 12. Jahrhunderts gehörte zur Ausbildung eines Ritters nicht nur das Erlernen ritterlicher Grundregeln und des Waffenhandwerks, sondern auch des Lesens und Schreibens. Die Sprösslinge der Adligen konnten in die households der Bischöfe oder des Königs geschickt werden oder an Kloster- und Kathedralschulen, bisweilen auch am eigenen Hof, ihre Erziehung erhalten. Vor diesem Hintergrand ist Geoffreys schriftstellerisches Schaffen zu verorten. Seine Auftraggeber und Adressaten waren nicht nur einflussreiche, sondern auch gebildete und lateinkundige Männer. Man geht sogar davon aus, dass Geoffrey mit einigen von ihnen zu einem Kreis von Intellektuellen Oxforder und Lincolner Provenienz gehörte, der sich in besonderer Weise für Bücher und Geschichte interessierte.203 Auch wenn die dung

ihrer

sches

200 Hierzu Short, Patrons and

Polyglots, 1992; Turner, Miles Literatus, 1978, bes. 934f; Legge, Anglo-Norman Literature, 1963, 5; Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962. Ein illustres Beispiel dieser Tendenzen stellt Mathilde von Schottland dar. Sie, die Gattin Heinrichs I., hatte im Kloster Romsey die ars literatoria erlernt, korrespondierte mit Anselm von Canterbury und Bischof Hildebert von Le Mans und dichtete selbst (vgl. Turner, Miles Literatus, 1978, 935; Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 12-14). In jener Periode können aus Hofkreisen weiterhin Adela, die Schwester Heinrichs I. und Mutter Stephans von Blois, und Robert von Gloucester genannt werden. Beide verfügten über eine hohe Bildung und waren als literarische Mäzene tätig (vgl. Turner, Miles Literatus, 1978, 935f; Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 14f. Ausführlich zu Robert von Gloucester siehe oben S. 216f). Heinrich II. sollte alsbald sogar im Ruf stehen, einer der gebildetsten Männer Europas zu sein (vgl. Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 20; Broich, Heinrich II. als Patron, 1962, 28-32). Zu nachhaltigen Veränderungen in der literarischen Produktion im anglonormannischen Bereich kam es schließlich durch den Verlust der Normandie 1204 und der folgenden Trennung zwischen Herzogtum und Königreich. Daneben wirkten sich die Bestimmungen des vierten Laterankonzils auf die Unterrichtung der Laien aus und veränderten den Ton der „homiletic literature". Vgl. Legge, Anglo-Norman Literature, 1963, 5. Vnde et in litteris, quas regem Romanorum ad Francorum regem transmisisse recoló, quibus hortabatur ut ¡iberos suos liberalibus disciplinis instituí procuraret, hoc inter cetera eleganter adie-

201

cit, quia

rex illiteratus est quasi asinus coronatus. Ioannis Saresberiensis Policraticus, ed. Webb, 1909, Buch 4, Kap. 6, 254 (524b).21-26. 202 Vgl. Turner, Miles Literatus, 1978,941-943. 203 So Curley, Geoffrey, 1994, 2-4. In vergleichbarer Weise hatte schon Tatlock die Ansicht vertre-

ten, dass es sich bei Geoffreys Widmungsempfángern um einen Kreis von Literaturmäzenen mit einem besonderen Interesse an „nationalen Geschichten" gehandelt habe, die auch in den Jahrzehnten zuvor als Empfänger historiographischer Werke in Erscheinung getreten waren. Zu diesem „Kreis" hinzuzuzählen sei auch Mathilde, die, so Tatlock, durch die Widmung an Robert von Gloucester zumindest in indirekter Weise angesprochen war. Zwar ist Stephan von Blois bis dahin nicht als Literaturförderer in Erscheinung getreten, dafür jedoch seine Mutter Adela von Blois. Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950,428-430.

232

II.

Metamorphosen eines Mythos

Annahme eines Gelehrtenzirkels anachronistisch sein dürfte, so bildete Oxford obgleich die Universität wahrscheinlich erst unter Heinrich II. gegründet wurde bereits Anfang des 12. Jahrhunderts ein „intellectual and teaching center". Nach heutigem Kenntnisstand waren es die Augustinerchorherren, welche die besten Schulen ihrer Zeit besaßen.206 Auch dass der Oxford benachbarte Earldom Gloucester damals eines der 207 wichtigsten Zentren der Buchproduktion in England darstellte ist ein signifikantes Indiz gerade in Anbetracht dessen, dass Robert von Gloucester wichtigster Adressat der «Historia Regum Britannie» war. Obwohl sich aus den Widmungen ablesen lässt, für wen einzelne Abschriften von Geoffreys Werk bestimmt waren, wissen wir insgesamt nur sehr wenig über die Leserschaft.208 Der raschen Verbreitung und Adaption der «Geschichte der Könige Britanniens» nach muss der Kreis der Rezipienten bereits zu Geoffreys Lebzeiten weit über die in den Widmungen angesprochenen Personen hinausgereicht haben. Mit jeder Abschrift und indirekt mit jeder Verwendung der «Historia» vergrößerte sich die Zahl der Leser. Namentlich lassen sich diese nimmt man die bekannten Autoren, in deren Werken eine Verwendung des Werks nachzuweisen ist, einmal aus nur selten benennen. Aus dem Kreis der Adressaten besitzen wir nur im Fall Roberts von Gloucester sichere Hinweise dafür, dass er tatsächlich im Besitz eines Exemplars der «Historia» war. Geffrey Gaimar berichtet, es sei Robert von Gloucester gewesen, der kurz vor 1147 eine Kopie des Geschichtswerks an den normannischen Baron Walter Espec von Helmes° ley (gest. 1153) schickte, der es dann an Ralph FitzGilbert und dessen Frau Constanze210 weitergab. Über Constanze sei es schließlich zu Gaimar gelangt, der es in französische Verse Möglicherweise befand sich ein anderes Exemplar in der Hand des Bischofs Alexander von Lincoln. Diese Vermutung liegt nahe, weil an ihn die in die «Historia» inserierten «Prophezeiungen Merlins» gerichtet waren und er zudem -

-

,

-

-

übertrug.2"

beispielsweise Schirmer, der in sogenannten „Gelehrtenzirkeln" eine spezifisch englische Entwicklung erkannte, welche durch die Verlagerung des geistigen Schwerpunkts von den klösterlichen Schulen auf die weltlichen Kathedralschulen oder Bischofsschulen in Gang gesetzt worden sei. Aus diesen Zirkeln sei „eine neue Generation englischer Gelehrter, Staatsmänner, Hofleute hervorgegangen]". Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 15. Tatlock, Legendary History, 1950, 442. Dazu ebenfalls Turner, Miles Literatus, 1978, 943, und Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 15fr, der im Augustinerkolleg von St. Georg eine der Vorstufen der Oxforder Universität sah (vgl. ebd., 16). Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 442. Allgemein hierzu auch Legge, Master Geoffrey, 1981,22fr Vgl. Ker, English Manuscripts, 1960, 7. Diese Feststellung ebenfalls bei Curley, Geoffrey, 1994, 9f; Crick, Dissemination and Reception,

204 Hierzu

205

206 207 208

1991,2,219. 209 Weitere Informationen zur Person Walter Especs bei Short, Gaimar's Epilogue, 1994, 334. 210 Ausführlicher zu den FitzGilberts: Short, Gaimar's Epilogue, 1994, 336. 211 Vgl. Gaimar, Estoire des Engleis, ed. Bell, 1960, 204, w. 6441-6452. Hierzu auch Crick, Dissemination and Reception, 1991, 196; Caldwell, Roman de Brut, 1956, 682; Curley, Geoffrey, 1994, 9, in Anlehnung an Tatlock, Legendary History, 1950, 208, 452f.

233

6. Relevanz

Förderer Heinrichs

Huntingdon war, welcher in seinem Brief an Warinus eine Zusammenfassung von Geoffreys Version der britischen Frühgeschichte bot. Was das Manuskript mit der Doppelwidmung an Stephan von Blois und Waleran von Meulan anbelangt, so wurde in der Forschungsliterator mehrfach die Ansicht geäußert, es sei anlässlich eines Besuches des Königs in Oxford verfasst worden. 13 Stimmte diese Annahme, dann wäre davon auszugehen, dass die «Historia» den englischen Herrscher persönlich erreichte. David N. Dumville gab jedoch zu bedenken, dass Stephan von von

Blois kein Literatormäzen war und sich an seinem Hof auch keine Bibliothek befand. Das Manuskript mit der Doppelwidmung sei daher, wenn es überhaupt überbracht wurde, wahrscheinlich in die Hände eines der „court-officials" Möglicherweise kann dieser mit dem Bischof von Bayeux, Philipp von Harcourt, sogar namentlich benannt werden. Philipp war 1140/1141 Kanzler des Königs und ist einer der wenigen Männer, in dessen Besitz sich die «Historia» im damaligen Zeitraum nachweisen lässt.215 Eine weitere Kopie in privater Hand ist während des 12. Jahrhunderts lediglich im Fall des Grafen der Champagne, Heinrich I., bezeugt. ' Wenngleich weltliche und geistliche Magnaten eine aktive Rolle bei der Verbreitung der «Geschichte der Könige Britanniens» und ihrer Abschriften kam der curia regis aber vorerst keine besondere Bedeutung zu. Obwohl Geoffreys Werk eine säkulare Version der britischen Frühgeschichte bot218 und für ein adeliges Laienpublikum bestimmt war wurde sie auch im monastischen Bereich rezipiert. Die «Historia» zirkulierte in englischen sowie normannischen Benediktiner- und Zisterzienserklöstem. Viele der überlieferten Manuskripte entstanden dort

gelangt.214

spielten217,

,

212 Umfassender zum sogenannten Warinus-Brief S. 98f. Ein weiteres Indiz sind die engen Verbindungen der Oxforder Augustinerchorherren nach Lincoln; dazu oben S. 207-209 im Zusammenhang mit Alexander von Lincoln und Robert von Gloucester. 213 So Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 20; Tatlock, Legendary History, 1950, 437, Anm. 17. Nach David N. Dumville handelte es sich bei dem Berner Manuskript jedoch nicht um jene zu Präsentationszwecken erstellte Handschrift. Vgl. Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 22. 214 Vgl. Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 25. 215 Siehe Crick, Dissemination and Reception, 1991, 210; Dumville, Early Text of Geoffrey, 1985, 24-26. 216 Siehe Crick, Dissemination and Reception, 1991, 210. 217 Im Kontext politischer Prophezeiungen des spätmittelalterlichen England beschäftigte sich Lesley A. Coote intensiv mit der Frage der Zirkulation mittelalterlicher Manuskripte und rückte auch Geoffrey und die «Bruts» immer wieder in den Blick. Auf diese Untersuchung sei hier exemplarisch verwiesen, weil sie Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen deutlich herausarbeitet. Vgl. Coote, Prophecy and Public Affairs, 2000, bes. 7-11. 218 Vgl. Tatlock, Legendary History, 1950, 442, 446; Hanning, Vision of History, 1966, 121, 137; Gransden, Historical Writing, 1974, 207. 219 Vgl. Crick, Dissemination and Reception, 1991, 10. Diana B. Tyson ging hierbei lediglich auf die volkssprachlichen Adaptionen der «Historia» ein; vgl. Tyson, Patronage of French Vernacular History Writers, 1979, bes. 185f., 191-199.

234

//.

Metamorphosen eines Mythos

und fanden in den Klosterbibliotheken Aufnahme.220 In den Bücherbeständen der Augustinerchorherren lassen sich Exemplare dagegen erst ab dem 13. Jahrhundert nachweisen.

221

Die bereits in

Geoffreys «Historia» greifbare Symbiose aus Literatur und Geschichtssich vor allem in den volkssprachlichen Adaptionen («Bruts») und schreibung den in den 1150er- und 1160er-Jahren entstandenen antikisierenden Romanen222 fort. Die wachsende Bedeutung der Romanliteratur während der Regierangszeit Stephans 3 von Blois kann als der „signifikanteste historiographische Trend"2 in England bezeichnet werden. Auch die Romane beschäftigten sich mit antiken Stoffen, deren Historizität vorausgesetzt und nicht in Zweifel gezogen wurde. 2 Die Vergegenwärtigung historischer Szenen trag, wie es Uwe Schöning formulierte, „[...] einer historiographischen Auffassung Rechnung, weil mit literarischen Mitteln das inszeniert wird, was ein Kennzeichen mittelalterlicher Geschichtsschreibung ist: die Augenzeugenschaft." Dies ist ein wichtiger und von der historischen Forschung bislang vernachlässigter Punkt. Von Bedeutung ist er nicht zuletzt auch im Hinblick auf die durch anschauliche Darstellung erzeugte Suggestivität der «Geschichte der Könige Britanniens». Der Begriff der Augenzeugenschaft ist hier nicht im wörtlichen, sondern im übertragenen Sinne zu verstehen, als ein Sich-vor-Augen-Führen, Sich-lebhaft-Vorstellen. Die Verwendung sprachlich-rhetorischer Mittel bewirkte eine Verlebendigung der Geschichte. Diese schien den Geschmack der Zeit zu treffen, großen Unterhaltangswert besessen zu haben und sich nach dem Erscheinen der «Historia» erst richtig entfaltet zu haben.226 Treffend bemerkte Antonia Gransden: „Geoffrey of Monmouth did not create the appetite in his contemporaries for romance history: he fed and sharpened an existing appesetzte

"

tite."227

Ein recht weit verbreitetes Interesse an Geschichte und Vergangenheit kann demnach als symptomatisch für die Zeit angesehen werden, in der Stephan von Blois auf dem 8 englischen Thron saß. Auch im Umkreis der curia régis wird dieses greifbar, doch ob 220 Das

gilt sowohl für das 12. Jahrhundert als auch für die spätere Zeit. Siehe Crick, Dissemination and Reception, 1991, 197-209. Ein beredtes, aber rares Zeugnis stellt in diesem Kontext der Warinus-Brief dar, der die Präsenz der «Historia» im Kloster Le Bec im Jahr 1139 bezeugt (dazu S. 177).

221 Vgl. Crick, Dissemination and Reception, 1991, 206-209. 222 Zur Gattungsproblematik Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991, 1-5,37-52. 223 Gransden, Historical Writing, 1974, 186. 224 Für die antikisierenden Romane vgl. Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991, 119-127. 225 Ebd., 116. 226 Vgl. Gransden, Historical Writing, 1974, 186fr 227 Ebd., 201. 228 Vgl. ebd., 187. Bereits Mary Dominica Legge betonte die Kontinuität in der literarischen Produktion während Stephans Herrschaft (vgl. Legge, Anglo-Norman Literature, 1963, 27.) Schirmers Auffassung, dass die Bürgerkriegsjahre in England „einem Atemanhalten gleichen, einer Pause,

235

6. Relevanz

entsprechende Neigungen besaß,

ist ungewiss. Nachdem sich bereits Mathilde von Schottland, erste Frau Heinrichs I., als Dichter-Patronin betätigt hatte230, können erst wieder mit Heinrich II. Plantagenêt (1154-1189) und seiner Gattin Eleonore von Aquitanien königliche Mäzene benannt werden. Über ihre Rolle als Förderer literarischen Schaffens ist viel geschrieben worden, wenngleich nach jüngeren Studien davon ausgegangen werden muss, dass hier manches überbewertet wurde. Über das Publikum und die Publikumswirksamkeit der altfranzösischen Roman-Literatur ist jedenfalls nur wenig bekannt.232 Obwohl die Werke von Wace und Benoît de Sainte-Maure in unmittelbarem Umkreis Heinrichs II. Plantagenêt und Eleonores von Aquitanien zu verorten sind, geht man inzwischen davon aus, dass dem Herrscherhaus an einer trojanischen Abstammung nichts gelegen war.233 Stattdessen schien der Akzent auf einer dynastischen Verbindung mit den normannischen Herzögen und deren dänischen Vorfahren zu liegen.234 Stephan von Rouen, dessen «Draco Nomannicus» die politischen Ziele Heinrichs II. in mehrfacher Hinsicht widerspiegelt235, lehnte den Gedanken einer trojani-

Stephan

229 230 231

232

233

234 235

selbst

einem dramatisch retardierendem Moment", ist demnach zu revidieren, (vgl. Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 12). Obwohl Schirmer allgemeine Tendenzen der damaligen Zeit im Blick hatte, beruhte sein negatives Urteil der Regierungszeit Stephans von Blois auf einer Fokussierung auf den königlichen Hof und der impliziten Annahme, besonders die Umgebung des englischen Herrschers sei als treibende Kraft kultureller Entwicklungen anzusehen. Vgl. Gransden, Historical Writing, 1974, 188. Vgl. Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 12f. Siehe vor allem die kritische Studie von Cingolani, Filología e miti storiografici, 1991. In diesem Sinne auch der Hinweis, dass die meisten literarischen Werke Heinrich II. oder Eleonore angeboten, aber nicht von ihnen in Auftrag gegeben wurden, sowie dass der königliche ,Hof seinerzeit nicht das einzige Zentrum kulturellen Lebens und literarischer Patronage war, bei Mortimer, Angevin England, 1996 (1994), 212. Seit einigen Jahren rücken in diesem Zusammenhang auch andere ,Adelshöfe' in den Blick der Forschung. Siehe Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991, 18-22, 334; Cingolani, Filología e miti storiografici, 1991, 831. „Unter den zahlreichen Werken, die Heinrich II. ihr Entstehen verdanken, befindet sich jedoch keine einzige Chronik der Briten, und kein einziges Geschichtswerk führt seine Abstammung auf Arthur und die britischen Könige zurück. [...] Die Art und Weise der Darstellung Arthurs im «Draco [Normannicus]» bestätigt die Annahme, dass der englische König keinen Wert auf die Glorifizierung der britischen Herrscher und auf die Herstellung einer genealogischen Beziehung zwischen ihnen und ihn selbst legte [...]." Broich, Heinrich II. als Patron, 1962, 91. Ähnlich auch

Brugger-Hackett, Merlin, 1991, 49, und Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991, 336f. Gegen eine vordergründig ideologische Ausrichtung von Benoîts «Troja-Roman» ebd., 179f. Anders Aristide Joly, dessen Ansicht nach der Trojanische Krieg sowohl für die Gelehrten als auch für diejenigen, die von Troja nur vage Kenntnis besaßen, als ein „événement national, une page de l'histoire des ancêtres" erschien und „un thème populaire et presque patriotique" war. Joly, Benoît, Bd. 1, 1870, 110 u. 112. Vgl. Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991, 336f Ulrich Broich bezeichnete den «Draco Normannicus» als eine „politische Tendenzschrift" (Broich, Heinrich II. als Patron, 1962, 90), wies jedoch daraufhin, dass es keine Hinweise auf einen Auftrag seitens Heinrichs II. gäbe.

236

//.

Metamorphosen eines Mythos

sehen Abstammung der Normannen sogar ausdrücklich ab. Von einer Popularität des Troja-Mythos als Herkunftserzählung zur Zeit Heinrichs II. ist nicht auszugehen.23. Sicherlich, der Königshof war für die zeitgenössische höfische Bildung und Dichtung ein wichtiges Zentrum. Doch auch wenn Historiographen wie Roger von Howden und Ralph von Diceto besondere Förderung erhielten und Gerald von Wales, Walter Map, Wace oder Benoît de Sainte-Maure Unterstützung fanden, die Initiative ging wahrscheinlich zumeist von den Autoren selbst aus. Zahlreiche an die Plantagenêt adressierte Werke sind überliefert, ohne dass sich in jedem Fall ein Auftrag von königlicher SeiAn der curia régis Heinrichs II. gab es weder so etwas wie einen te nachweisen lässt. Künstlerzirkel als Zentrum politisch-literarischer Produktion noch besaß die Literatur propagandistische Funktionen. Beides sind anachronistische Sichtweisen, die moderne Situationen und Dynamiken unterstellen.239 Dessen ungeachtet dürfte der Troja-Stoff in gelehrten und höfischen Kreisen des 12. Jahrhunderts spätestens seit Geoffrey recht bekannt gewesen sein. Ebenso wie die «Historia Regum Britannie» verließen auch die antikisierenden Romane, die «Bruts» und andere, vor allem volkssprachliche Geschichtswerke, die unmittelbare Umgebung des Autors recht bald und fanden dort Verbreitung, wo man sich Bücher leisten konnte und wo es lesekundige Personen gab. 40 Nur wenig weiß man darüber, wie die Erzählungen vermittelt wurden. Mit Blick auf die Romane wird vermutet, dass diese meist von einem litteratus dem höfischen Publikum vorgetragen wurden. Wie der Umfang der Werke annehmen lässt, dauerte die Lektüre mehrere Tage.241 Sollte auch Geoffreys «Historia» einem höfischen Publikumskreis zur Kenntnis gebracht worden sein, so wird man von einem ähnlichen Vorgehen auszugehen haben. Die wechselseitige Durchdringung von Historiographie und Literatur in England wirkte sich zweifelsohne förderlich auf die Verbreitung des mythischen Troja-Stoffes aus. Zunächst in umfassende historische Darstellungen inkorporiert, verselbständigte sich dieser um die Mitte des 12. Jahrhunderts im literarischen Bereich, ohne frühere Formen dadurch zu verdrängen. Alles deutet darauf hin, dass erst der literarische Anstrich, den Geoffrey der Thematik gegeben hatte, zu einem nachhaltigen Durchbrach führte. Die anglonormannische Troja-Version, wie sie in den «Gesta Normannoram Ducum» tradiert wurde, scheint durch die «Historia Regum Britannie» eine Zeit lang zu236 Ausführlicher dazu S. 109. 237 Von einer solchen Popularität war Aristide Joly (Benoît, Bd. 1, 1870, 112) ausgegangen. Dagegen u. a. Jung, Trojanerkrieg, 2001, 17 (einschließlich Anm. 17). 238 Siehe Berg, Anjou-Plantagenets, 2003, 61fr 239 Vgl. Cingolant, Filología e miti storiografici, 1991, 821. 240 Für die antikisierenden Romane vgl. Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991, 133; für Geffrei Gaimar siehe Short, Gaimar's Epilogue, 1994, 324. 241 Individuelle Lektüre scheint erst ab dem 13./14. Jahrhundert häufiger zu werden. Vgl. Schöning, Thebenroman-Eneasroman-Trojaroman, 1991, bes. 129f, 136, 153. Zur mündlichen Vermittlung des Troja-Wissens innerhalb eines Laienpublikums durch dichterische Bearbeitungen und Romane vgl. Jung, Trojanerkrieg, 2001, 30.

237

6. Relevanz

rückgedrängt worden zu sein, unter Heinrich II. aber neue Relevanz bekommen zu haben, allerdings nur insofern, als sie Anhängsel einer Genealogie der Normannenherzöge war, an die nun angeknüpft werden sollte. Der Erfolg der «Historia» und der in ihr enthaltenen Troja-Erzählung ist nicht nur in Geoffreys Zeit, sondern noch bis zum Ende des Jahrhunderts nicht auf eine Instrumentalisierung durch die englische curia regis zurückzuführen. Stattdessen hatte die «Historia» in den households der Magnaten und in den Klöstern eine Eigendynamik entwickelt, ja es waren derart viele Abschriften, Adaptionen und Umarbeitungen in Umlauf, dass es des Herrscherhofs als mythomotorischer Kraft gar nicht bedurfte. Möglich war all dies

durch ein anhaltendes und im Verlauf des 12. Jahrhunderts zunehmendes Interesse gelehrter und höfischer Kreise an der eigenen Vergangenheit und an literarischer Erbauung. nur

6.1.4 Offenes Finale Was bleibt nun von Geoffreys Troja-Mythos nach dieser funktionalen Demontage? Zunächst einmal die banale Erkenntnis, dass die Eingangspassagen der «Historia» nicht vom Gesamtwerk zu trennen sind. Sie sind Teil eines komplexen Ganzen, das von mehreren Seiten beleuchtet werden muss, um wenigstens zu einem näherungsweisen Verständnis seiner zeitgenössischen Relevanz zu gelangen. Die Polyvalenz der «Geschichte der Könige Britanniens» gilt in gleichem Maße für die sie einleitende Herkunftserzählung. Sie in Kategorien des Politischen bzw. des Apolitschen bemessen zu wollen, scheitert an den schwer zu greifenden Intentionen sowohl des Autors als auch seiner

Rezipienten. Es entsprach nicht dem zeitgenössischen Verständnis, in der Geoffreyschen Herkunftserzählung eine Legitimation der englischen Herrscher zu sehen.242 Eine derartige Funktionalisierang erfolgte erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts, als Richard Löwenherz die Erzählung über die frühen britischen Könige ent-kontextualisierte und instrumentalisierte, indem er sich mit Artus nicht jedoch mit dem Trojaner Brutus identifizierte.243 Die an der Wende zum 13. Jahrhundert einsetzende politische Vereinnahmung -

-

242 John Gillingham sah in diesem Punkt zu Recht eine der Hauptschwierigkeiten bei der Analyse und Beurteilung der «Historia»: „One difficulty with this line of argument is that it is not easy to show that this is how contemporaries read it." Gillingham, Context and Purposes, 1990, 102. 243 Vgl. ebd., 103. Diese Beobachtung findet Bestätigung bei Silvia Brugger-Hackett und Uwe Schöning, die (unter Rekurs auf Ulrich Broich) feststellten, dass unter den Werken, die ihr Entstehen Heinrich II. verdankten, kein einziges versuchte, Artus oder die britischen Könige für die königliche Abstammung nutzbar zu machen. Scheinbar war Heinrich II. an einer britischen Abstammung nichts gelegen. Vgl. Brugger-Hackett, Merlin, 1991, 49; Schöning, Thebenroman-EneasromanTrojaroman, 1991, 336. Schon Edmond Faral war seinerzeit davon überzeugt, dass die normannischen Könige aus dem Werk keinen politischen Profit gezogen, es aber im gleichen Moment „ohne Antipathie [...] als eine Rechtfertigung ihrer Ansprüche" angenommen hätten. Vgl. Faral, Légende arthurienne, Bd. 2, 1929, 395f

238

//.

Metamorphosen eines Mythos

prägte lange Zeit auch moderne Interpretationen des Werks und des trojanisch-britischen Herkunftsmythos. Mehrere wegweisende Studien aus den 1950er- bis 1970er-Jahren, allen voran diejenigen Tatlocks, Hannings und Flints, tragen zwar zu einer differenzierten Sicht auf die «Geschichte der Könige Britanniens» bei und brachten dabei eine ganze Reihe von Aspekten zur Sprache, die in den darauf folgenden Jahrzehnten vertiefend und ergänzend analysiert wurden. Ihre Erkenntnisse wurden jedoch kaum für Untersuchungen über den Troja-Mythos fruchtbar gemacht. Verzerrt durch den Blick auf die „longue durée", waren die Entstehungsbedingungen der britisch-trojanischen Herkunftsversion in den Hintergrund getreten und oft durch rückprojizierte Ander «Historia»

nahmen ersetzt worden. Die angesprochenen Aspekte und Probleme

zeigen, dass der zeitgenössische Erfolg Geoffreys trojanisch-britischer Gründungserzählung nicht durch identitätsstiftende oder herrschaftslegitimierende Funktionen erklärbar ist. Wie das Gesamtwerk hielt die trojanische Herkunftsgeschichte ein offenes Assoziationspotenzial bereit, das in einer von

Zeit, in der Literatur und Geschichtsschreibung hoch im Kurs standen und in der sich politische Konstellationen beständig wandelten, auf unterschiedliche Weise anzuspre-

chen vermochte. Neben der hohen sprachlichen und darstellerischen Qualität war es vielleicht gerade diese Uneindeutigkeit, welche die enorme Beliebtheit der «Historia» und der Brutus-Geschichte als eines integralen Teils von ihr erklärt.

6.2

Rigord und die Verteidigung eines alten Privilegs

Über die Ausrichtung von Rigords «Gesta Philippi» ist in der Forschung weitaus weni-

ger kontrovers diskutiert worden. Objekt von Einzelstadien war die in «Philipps Taten» enthaltene Troja-Version bisher nicht, doch fand sie häufig im Zusammenhang mit Stadien zum fränkisch-französischen Troja-Mythos und den «Grandes Chroniques de France» Erwähnung. Dass Rigords Herkunftsversion der Legitimierung der Kapetinger gedient habe, steht bisher außer Zweifel.245 John W. Baldwin, der sich in einer Monographie über Philipp II. umfassend mit Rigords Troja-Erzählung auseinandersetzte, hatte vor allem den etymologischen und nationalen Aspekt im Blick, als er äußerte, die „Legende von den trojanischen Ursprüngen" habe verschiedene Bedeutangsebenen besessen und verschiedenen Zwecken Angesichts des wichtigen Quellenwertes der «Gesta» für die Herrschaftszeit Philipps II.247 wurde dem Herkunftsmythos in der Fassung Rigords insgesamt nur wenig Beachtung geschenkt, zumal er im Wesentlichen

gedient.246

244

Beispielsweise Brückle, 1995,69.

245 Siehe

Noblesse

oblige, 2000, 48; Bizière/Vayssière, Histoire

et

historiens,

u. a. Brückle, Noblesse oblige, 2000, 48; Beaune, L'utilisation politique, 1985, 334; Foreville, L'image de Philippe Auguste, 1982, 122f. (ohne ausdrücklichen Bezug auf Rigord). 246 Vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 373. 247 Siehe Delaborde, Notice, 1884, 10fr, und die umfangreichen Literaturhinweise im Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi (Rigordus, Repfont, Bd. 10, 2004, 132fr).

239

6. Relevanz

gängige fränkische Version rekurrierte und als fiktive Erzählung bei der älteren Forschung wenig Interesse weckte. Seit den grundlegenden Studien von Henri-François Delaborde wird von einer Zweiteilung des Werks und einer in beiden Teilen unterschiedlichen Grundhaltung des Autors ausgegangen. Demnach sei der anfangs vorherrschende panegyrische Ton im zweiten Teil in eine Kritik an Philipps Herrschaftsstil umgeschlagen, die durch das neue Ehebündnis des französischen Königs mit Agnes von Meran im Jahr 1196 ausgelöst worden sei.248 Nach François-Olivier Touati datiere dieser Brach bereits in das Jahr 1193, als sich Philipp II. von seiner Frau Ingeborg von Dänemark trennte und jahrelang vergeblich eine Scheidung zu erwirken versuchte.249 Die Herausgeber der neuen «Gesta»-Edition zogen mit guten Gründen schon im Jahr 1190 eine Trennung zwischen den 5 auf die

beiden Teilen des Werks. Delaborde identifizierte insgesamt drei Redaktionen: eine erste vor 1196 entstandene, welcher der Prolog vorangestellt war; eine zweite um 1200 datierende, welche entsprechende Fortsetzungen sowie einen Widmungsbrief an den Kronprinzen Ludwig enthielt; und schließlich eine dritte Ende 1206 abgeschlossene.251 Wie eine statistische Wortanalyse von Elisabeth Carpentier nahelegt, war die erste Redaktion wohl bereits 1190 abgeschlossen. 252 Auch m der neuen «Gesta»-Edition wurde der Abschluss der ersten Redaktion auf das Jahr 1190 festgelegt und zudem in den Kontext von Philipps Teilnahme am dritten Kreuzzug verortet.253 Anders als Delaborde gingen die Herausgeber von insgesamt nur zwei Redaktionen aus. Eine zweite Werkfassung sei dementsprechend nicht um 1200, sondern erst ca. 1206/1207 fertiggestellt worden.254 Alle Versionen von Rigords Werk sind nicht separat überliefert. Weder sie noch das Manuskript, auf welchem die Fortsetzungen Wilhelms des Bretonen aufbauten und das offenbar Ergänzungen bis zum Jahr 1209 enthielt, die sich keinem bestimmten Autor zuschreiben lassen255, sind erhalten. Abgesehen von den sukzessive am Anfang und Ende des Werks hinzugefügten Passagen besitzen wir keine weiteren Anhaltspunkte darüber, ob der Autor bzw. der oder die «Gesta»-Fortsetzer bis 1209 auch innerhalb des bestehenden Text-

Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 4-6. Vgl. Touati, Rigord, 2003, 246. Detailliert hierzu Baldwin, Paris, 2006, 122-125; Sivéry, Philippe Auguste, 1993, 193-224. 250 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 60, 68. 251 Siehe dazu die Ausführungen bei Delaborde, Notice, 1884, 3-9, bes. 9 sowie 28. Diese Auffassung hat sich durchsetzen können; siehe exemplarisch Carpentier, Histoire et informatique, 1982, 10; Touati, Rigord, 2003, 245. 252 Carpentier konnte beispielsweise zeigen, dass die Philipp II. zugeschriebenen Attribute christianissimus und Augustus bis auf zwei Ausnahmen nur in den ersten Kapiteln der «Gesta» bis zum Jahr 1190 verwendet wurden. Vgl. Carpentier, Histoire et informatique, 1982, 10. 253 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 61. 248 249

254 Siehe ebd., 66-71. 255 Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 9. Delaborde baute hier auf früheren

Eloy, Rigord,

1973

(1778), 74.

Forschungsarbeiten auf; dazu

240

II.

Metamorphosen eines Mythos

Corpus' interpolierten. Für Wilhelm den Bretonen hat John W. Baldwin indessen eindrücklich zeigen können, dass und wie er nicht nur Rigords Text ergänzte, sondern in diesem Veränderungen vornahm und so an vielen Stellen den Aussagegehalt der «Taten 56 Philipps» modifizierte. Basierend auf Delabordes und Carpentiers textkritischen Untersuchungen kann davon ausgegangen werden, dass die sich mit der Troja-Thematik befassenden Abschnitte ursprünglicher Bestandteil von Rigords Geschichtsdarstellung waren. Demnach gehörten sie zur ersten Version der «Gesta Philippi» und entstanden in jener Periode, als Rigord noch als „panégyriste enthousiaste"257 schrieb. Begonnen wurde diese erste Version wohl schon 1183-1186.258 Weil der Troja-Passus innerhalb der Geschehnisse des Jahres 1186 eingebettet ist, liegt eine Datierung desselben zwischen 1186 und 1190 nahe, auch wenn nicht gänzlich auszuschließen ist, dass er erst zu einem späteren Zeitpunkt eingefügt wurde. Als Rigord seine Historie zu schreiben begann, war Philipp Augustas bereits einige Jahre im Amt. Vielleicht ist es nur ein Überlieferangszufall, dass unter Philipps Vater, Ludwig VII. (1137-1180), kein einziges Geschichtswerk erhalten ist, in dem auf die trojanischen Ursprünge der französischen Königsdynastie rekurriert wird. Auffallig ist dieser Befund trotzdem, gerade weil aus der Regierangszeit von dessen Vorgänger Ludwig VI. (1108-1136) mehrere Chroniken überliefert sind, die von trojanisch-kapetingischer Kontinuität sprechen.259 Vor diesem Hintergrund gewinnt Rigords Hinweis auf zeitgenössische Zweifel an der tradierten Herkunftsversion an Gewicht, liefert er doch ein Indiz für die Vermutung, dass eine trojanische Abkunft um die Mitte des 12. Jahrhunderts kaum noch attraktiv war. Um so dringlicher bleibt zu ermitteln, was hinter Rigords Reaktivierung des Mythos gegen Ende desselben Jahrhunderts stand und wie diese

einzuordnen ist.

6.2.1 Von den

Trojanern zu Philipp II. Rigords «Gesta Philippi» berichten über die Jahre

1165 bis 1206, von Philipps Geburt bis in die Zeit eines ersten Waffenstillstandes nach der französischen Eroberung der Normandie, des Maine, des Anjou und der Touraine. Im Einklang mit der gesamten Ausrichtung des Werks bezieht sich der eingefügte Passus zu den trojanischen Ursprüngen der Franci bzw. des fränkisch-französischen Königtums unverkennbar auf die Person Philipps II. Er schließt direkt an ein Kapitel an, in dem der Herrscher für seine städ256 Vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 367, 372, 375-382 (passim). 257 Delaborde, Notice, 1884, 4. Ähnlich auch Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 75: „Car en définitive, les quarante-trois premiers chapitres de l'Histoire de Philippe

Auguste se présentent comme un panégyrique."

258 Nach Delaborde (Notice, 1884, 4 u. 6) wenige Jahre früher. 259 Siehe hierzu die Ausführungen S. 164f

ca.

1186; nach Touati (Rigord, 2003, 256) wohl bereits

241

6. Relevanz

tebaulichen Maßnahmen in Paris gepriesen wird. Hierbei kann die Äußerung, der König habe die Stadt durch die Befestigung von Straßen und Gassen von ihrem alten despektierlichen Namen261 befreit, als eine Anspielung auf den Ausbau der Straße nach Saint-Denis Anlass zu dem längeren Troja-Exkurs gab vor allem die Paris-Etymologie. Diese Herleitong wiederholt sich an zwei weiteren Stellen263 und verweist auf die besondere Rolle von Paris in der Geschichte der französischen Königsherrschaft. Bereits seit 895 v. Chr. hätten sich die bei Lutetia niedergelassenen Trojaner nach Paris Alexander „PaAuf die Stadt übertragen worden sei diese Bezeichnung jedoch erst riser" unter Faramund, dem ersten König der Franken. Er sei es auch gewesen, der die bis dahin primitiv lebenden Trojaner die Kriegskunst lehrte und die Stadt mit Befestigungsanlagen gegen feindliche Übergriffe schützte.265 In der Darstellung Rigords verbindet sich der Aufschwung von Paris unmittelbar mit der Entstehung des Königtums in Frankreich. Oder andersherum betrachtet: Seit es in Frankreich Könige gibt, befand sich ihre Residenz in Paris. Erst vor diesem Hintergrund tritt die historische Dimension von Philipps II. Urbanisierangsmaßnahmen, die der Autor hier hervorzuheben beabsichtigt, klar hervor: So wie Faramund der Stadt einst einen rahmvollen Namen und Stadtmauern verlieh, gab ihr Philipp nun ein dem Namen entsprechendes glanzvolles Aussehen. Die Aussage der Troja-Erzählung beschränkt sich indes nicht auf die positive Bewertung der königlichen Baumaßnahmen oder die historische Selbstverständlichkeit der Pariser Aufschlussreich ist auch Rigords Erklärung, dass er den Exkurs in die Vergangenheit der französischen Königsherrschaft deshalb vornehme, weil es viele gebe, welche die seit den Trojanern bestehende herrschaftliche Kontinuität für unglaubwürdig hielten. Um diesen Zweifeln den Boden zu entziehen und die Richtigkeit seiner Darstellung zu unterstreichen, berief sich der «Gesta»-Autor nicht etwa auf eine bestehende opinio communis oder mündliche Traditionen, sondern auf namhaf-

gelten.262

genannt.264

Hauptstadtfunktion.266

260 Zum Inhalt der Passage siehe S. 87. 261 Lutecia enim a luti fetore prius dicta fuerat. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 38, 192.12f. 262 Über die Baumaßnahmen Philipps II. siehe Boussard, Histoire de Paris, 1976, 317. Allgemein auch Ehlers, Kapetinger, 2000, 132f 263 Siehe Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 38, 192.13-15; Kap. 39, 200.10f.;Kap. 40, 202.2f. 264 Vgl. ebd., Kap. 39, 200.8-11. 265 Vgl. ebd., Kap. 39, 196.16-19; Kap. 39, 200.1-Kap. 40, 200.22. 266 Zur Bedeutung von Paris als Regierungszentrum in der Zeit um 1200 siehe Baldwin, Paris, 2006, 158-162; Ehlers, Kapetinger, 2000, 133 („In diesen Jahren seit 1190 wurde Paris tatsächlich Hauptstadt, Standort nicht nur des Archivs und der Finanzverwaltung, sondern auch dreimal im Jahr Versammlungsort aller prévôts und baillis der Krondomäne."). Allgemein zur wichtigen Rolle der Stadt Paris unter den Merowingem, Karolingern und Kapetingern Dubech/D 'Espezel, Histoire de Paris, 1926, 28-90; Boussard, Histoire de Paris, 1976.

242

II.

Metamorphosen eines Mythos

Geschichtsschreiber.267 Rigord wollte offenbar Überzeugungsarbeit leisten und einer als wenig glaubhaft wahrgenommenen Auffassung zu mehr Ansehen verhelfen. Schriftliche Überlieferungen bürgten seiner Ansicht nach für die Faktizität der Abstammung von den Trojanern. Rigord ließ keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass der Trojanische Krieg einst stattgefunden hatte und die Trojaner am Beginn der französischen Königsdynastie standen. Rigord versuchte wohl, durch den Troja-Mythos die mangelnde verwandtschaftliche Verbindung zwischen den Karolingern und den Kapetingern zu überdecken. John W. Baldwin zufolge sei er sich der genealogischen Lücke durchaus bewusst gewesen, habe aber nichtsdestotrotz behauptet, die französischen Könige stammten von den Trojanern ab. Daher dürfe diese Abstammungsbehauptang nur in einem symbolischen Sinne verstanden werden.268 In der Tat setzt noch in der «Historia Regum Francorum» das Prinzip der Sohnesfolge erst bei Markomir ein.269 Rigord dagegen hob durch die Benutzung des Verbs descenderé eindeutig auch an anderen Stellen die verwandtschaftliche Verbindung zwischen den trojanischen Herrschern und den fränkisch-französischen Regenten hervor und schien dies durch eine eingefügte Graphik (siehe Abb. 2) zusätzlich beweisen zu wollen. Damit ist der Ansicht von Elizabeth A. R. Brown zu widersprechen, wonach sich die Autoren im Umkreis von Philipp II. gescheut hätten, durch entsprechende Herkunftsbehauptangen in Konkurrenz zu anderen te

quoniam multi soient dubitare de origine regni Francorum, quomodo et qualiter reges Franab ipsis Trojanis descendisse dicantur, ideo sollicitius, prout potuimus colligere ex historia Gregorii Turonensis ex cronicis Eusebii et cronicis Hidacii et ex aliorum multorum scriptis in hac nostra historia satis lucide determinavimus. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 38, 194.1-5. 268 Baldwin, Philip Augustus, 1986, 373f 269 Vgl. Historia Regum Francorum, ed. Waitz, 1851, 395.30-33: Zug der Trojaner bis zur Wahl Sunnos, Genebaudus' und Markomirs zu duces. Erst im Anschluss (ebd. 395.33f) beginnt die Wei267 Et

corum

tergabe der Herrschaft vom Vater auf den Sohn: cuius filius [i. e. Marchomiri] Pharamundus apud illos [\. e. Francos] primus more regio regnavit. 270 Legimus enim in gestis Francorum quod primus omnium regum Francorum qui apud illos more regio regnavit fuit Pharamundus filius Marcomiri, filii scilicet Priami regis Austrie. Iste Priamus rex Austrie non fuit Ule magnus Priamus rex Troje sed ab Hedore filio suo per Francionem, filium Hectoris, descendit, sicut subjecta docet figura [...]. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/ Chauvin, 2006, Kap. 38, 192.17-21. Ähnlich auch ebd., Kap. 38, 194.1fr: [...] quomodo et qualiter reges Francorum ab ipsis Trojanis descendisse dicantur [...]; und Kap. 39, 196.16-19: Sed postea, Sonnone et Genebaudo ducibus in Austriam remanentibus, Marcomirus, filius Priami regis Austrie qui a Francione, nepote Priami regis Troje, per multas successorum generationes, quas hie longum esset enumerare descenderat [...]. Die Herkunft aus Troja und die Verwandtschaft mit den Trojanern wird durch dasselbe Verb descenderé auch bei den anderen Gruppen, denen die Trojaner-Franken während ihrer Wanderung begegnen, ausgedrückt: ebd., Kap. 39, 200.1fr (Marcomirus, Priami regis Austrie filius, [...] reperit homines simpliciter viventes qui de excidio Trojano descenderant [...]), Kap. 40, 200.19fr ([...] audientes Parisii quod de Trojanis descenderat [...]).

243

6. Relevanz

Adelshäusem und zum Kaiser zu treten.271 Der Versuch, eine weit zurückreichende dynastische Linie zu rekonstruieren, ist bei Rigord evident. Mit Wolfgang Brückle könnte man hier sogar die Manifestation erster Vorstellungen vom „Erbkönigtom als staatstragender Institution"272 sehen. In jeder Hinsicht ist eine legitimierende Absicht auf der textlichen Ebene greifbar. Dass Rigord in einem zeitgeschichtlichen Werk auf die Ursprünge der französischen Königsherrschaft zu sprechen kommt, ist jedoch gattungstheoretisch betrachtet nicht selbstverständlich. Noch weniger selbstverständlich ist der explizite Hinweis darauf, dass neben Aeneas „viele weitere Verwandte des Priamus nach dem Fall Trojas in verschiedenen Gegenden verstreut wurden".273 Diese Bemerkung bezieht sich in erster Linie auf die Briten, über deren trojanische Wurzeln Rigord relativ ausführlich berichtet. Anders als bei Sicard von Cremona, der durch die trojanische Vergangenheit die Gleichrangigkeit der aufgezählten oberitalienischen Städte unterstrich, erkennt der französische Geschichtsschreiber die Ebenbürtigkeit der Briten mit den Franzosen aber nicht an. Rigord argumentiert, die englische Trojaner-Linie sei seit den Anfangen mit dem Makel der Illegitimität behaftet gewesen und nach der Eroberung Englands durch -

-

die Normannen ausgestorben. 7 Dieser Auseinandersetzung mit der englischen Troja-Version ist zu entnehmen, dass Geoffreys «Historia» oder Adaptionen von ihr spätestens gegen Ende des 12. Jahrhunderts auch nahe Paris bekannt waren. Rigord nahm sie nicht gleichgültig hin, sondern reagierte mit einer Abgrenzung von der konkurrierenden Version, mit einem Rückzug auf die Tradition, mit einer Verteidigung und Aufwertung des Althergebrachten. Die Tatsache, dass er die englische Herkunftsversion nicht mit Schweigen überging, kann nur zum Teil mit der großen Bekanntheit derselben erklärt werden. Vielleicht sah er es als intellektuelle Herausforderung an, sich gelehrt argumentierend mit ihr auseinanderzusetzen. Vielleicht aber war es lediglich die Autorität der Schriften, die ihn zu einer Bezug- und Stellungnahme auf beide Mythosversionen drängte. Ob Rigords Zugehörigkeit zu den Benediktinern von Saint-Denis etwas damit zu ton hatte, dass und wie er auf Troja zu sprechen kam und eine direkte Verbindung zum amtierenden König Philipp II. Augustos herstellte, bleibt im Folgenden zu diskutieren.

271

Vgl. Brown, Légitimité et prophétie, 1982, 80f, 84. Browns spitzfindige Analyse der Rigordschen Darstellung bringt die Ungereimtheiten der entworfenen Genealogie zum Vorschein (vgl. ebd., 81, Anm. 19), die jedoch nicht das Ansinnen des «Gesta»-Autors in Frage stellen können, eine verwandtschaftliche Verbindung zu den Karolingern und Merowingem aufzuzeigen. 272 Vgl. Brückle, Noblesse oblige, 2000, 47. 273 Eneas [...] trajedus est in Italiam. Isti et muid alii de consanguinitate Priami, post excidium Troje, disseminati sunt per diversas regiones. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 198.4-6. 274 Vgl. ebd., Kap. 39, 198.6-9 und Kap. 41, 204.19-206.2. Hierzu auch die Ausführungen oben S. 72, 74, 84f, 163.

244

//.

Metamorphosen eines Mythos

Dynastische Geschichtsschreibung in Saint-Denis Als Mönch von Saint-Denis behandelte Rigord nicht nur die Ereignisse während der Herrschaftszeit Philipps IL, sondern kam im Bemühen darum, die Geschichte der Abtei in diejenige der Monarchie zu integrieren, immer wieder auf die Belange seines Klosters zu sprechen. So notierte Rigord in den «Gesta Philippi» sorgsam, wann und zu welchem Anlass der König das Kloster des Heiligen Dionysius besuchte.276 Innerhalb seines Berichts über die Krönung Elisabeths von Hennegau in Saint-Denis brachte er sogar indirekt einen Ansprach der Abtei auf das Recht der Königskrönung zum Ausdruck, welches eigentlich dem Erzbischof von Reims zustand.277 Auffälligerweise strich 6.2.2

der «Gesta»-Fortsetzer Wilhelm der Bretone, der nicht zur Gemeinschaft der schwarzen Mönche bei Paris gehörte, diese und andere Referenzen auf Saint-Denis aus seiner Fassung weitgehend wieder.278 Das in einer fruchtbaren Ebene

gelegene Benediktinerkloster Saint-Denis war bereits seit den Merowingern ein wichtiges wirtschaftliches Zentrum. Sein Prestige war nicht nur durch die Nähe zu Paris, dem Mittelpunkt des Reiches279, sondern durch seine spirituelle Anziehungskraft gewachsen. Wegen seiner Reliquien, allen voran derjenigen des heiligen Dionysius, war es im Mittelalter eine beliebte Pilgerstätte. Die Beziehungen zwischen Kloster und Herrscher waren jedoch nicht gleichbleibend intensiv. Während der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts schwächten sich die Bindungen der Abtei zu den Kapetingern wegen der Nähe der Grafen des Vexin français zum Normannenherzog Wilhelm II. ab. Einen Wendepunkt markierte erst die Herrschaftszeit Philipps I. (10601108), als der Vexin der Krondomäne eingegliedert wurde. Dadurch verbesserte sich auch das Verhältnis zu Saint-Denis nachhaltig. Angesichts seiner starken Stellung diente das Benediktinerkloster nicht nur als Stützpunkt gegen die Anglonormannen, sondern gleichzeitig gewann das Dionysiusheiligtum, und zwar bereits vor dem Abbatiat Sugers (1122-1151), für die Kapetinger herausragende Bedeutung. Auch wenn sich Philipp I. selbst in Saint-Benoît-sur-Loire bestatten ließ, wurde Saint-Denis fortan (wieder) zur wichtigsten Grablege der französischen Könige. Die Sorge der Mönche für das Seelen-

275 Dazu Baldwin, Philip Augustus, 1986, 368fr, 375-378, 390. 276 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 90, 308-310; Kap. 117, 336.1822; Kap. 136, 360.13-16; Kap. 153, 392-394. 277 Wegen des Andrangs während des Krönungszeremoniells in Saint-Denis seien, wie Rigord berichtet, drei Kronleuchter auf dem Altar zerbrochen. Das verschüttete Salböl sei ähnlich der Erzählung über die Taufe Chlodwigs in der «Vita Remigii» auf den Kopf des Königs und der Königin geflossen, was als ein Zeichen für den Segen des Heiligen Geistes zu interpretieren sei. Vgl. ebd., Kap. 9, 138-140. Hierzu auch Baldwin, Philip Augustus, 1986, 375. 278 Vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 377fr 279 Vgl. Boussard, Histoire de Paris, 1976; Ewig, Résidence et capitale, 1963, bes. 47, 50-55 (Paris als Zentrum des Reiches unter den Merowingern). -

-

245

6. Relevanz

heil der verstorbenen Herrscher ging einher mit zahlreichen Schenkungen, Stiftungen und Privilegien.280 Die Benediktiner memorierten ihre Gönner jedoch nicht nur durch Fürbitten (auch wenn das ihre wichtigste Aufgabe war), sondern ebenfalls durch Geschichtswerke. Im Verlauf des Mittelalters prägten sie den zeitgenössischen historiographischen Diskurs maßgeblich. Saint-Denis etablierte sich zu einem „erstrangigen Zentrum historischer Gelehrtheit im mittelalterlichen Frankreich", während die Konventsmitglieder, wie Gabrielle Spiegel es einmal ausdrückte, zu „offiziellen Wächtern des königlichen Mythos" avancierten.281 Die verstärkt seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts einsetzende Monopolisierung französischer Historiographie durch die Klosterbrüder von Saint-Denis sollte mit den «Grandes Chroniques de France» ihren Höhepunkt erreichen. Saint-Denis kann als das erste Kloster angesehen werden, das einen systematischen Versuch unternahm, an einem Ort sämtliches, für die Abfassung einer Geschichte der französischen Monarchie geeignetes Material zusammenzutragen.282 Dass Geschichtsschreibung und Memoria in Saint-Denis eng zusammengehörten, verdeutlicht nicht zuletzt Rigords zweites Werk: das sogenannte «Breve Chronicon Regum Francorum».283 Es ist nur fragmentarisch überliefert284 und bietet eine Kurzversion der französischen Geschichte, die aller Wahrscheinlichkeit nach ähnlich wie die des rois de France» des Wilhelm von Nangis mit Blick auf die «Chronique abrégée Besucher der königlichen Grablegen in der Abtei verfasst wurde.285 Bezeichnenderweise erwähnte das Werk ebenfalls die Trojaner.286 In dieser für die Mitbrüder Rigords bestimmten2 7 und zwischen 1192 und 1196 verfassten288 «Kurzchronik» wollte der Autor nicht nur eine klare Genealogie der reges Francorum bieten, sondern genaue Informati-

-

Vgl. Grosse, Saint-Denis vor Suger, 2002, zusammenfassend 231-233; Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 12f. 281 Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 11. 282 Vgl. ebd., 11. 283 Zum Titel: Rigordus, Repfont, Bd. 10, 2004, 132. Henri-François Delaborde bezeichnete sie als „La courte chronique des rois de France" (Delaborde, Notice, 1884, 15). Prolog, Prefatio sowie Ausschnitte dieses Werks sind ediert ebd., 16-21. Der noch in der Neuedition (vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, 64) anzutreffende Verweis auf eine Teiledition der «Kurzchronik» in den Gesta Philippi Rigordi, ed. Delaborde, 1882, XX-XXVI, ist unkorrekt, da 280

diese Ausgabe mit dem Prolog der «Gesta» beginnt und keine Einleitung enthält. 284 Die überlieferte Version bricht im Jahr 954 ab; vgl. Rigordus, Repfont, Bd. 10, 2004, 132. Zur Überlieferung Delaborde, Notice, 1884, 17. Siehe auch Touati, Rigord, 2003, 249. 285 Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 15f. Daneben Touati, Rigord, 2003, 249. 286 Dazu der Hinweis bei Baldwin, Philip Augustus, 1986, 372. 287 Venerandis patribus et amicis [...] J. venerabili priori bead Dionisii et ejusdem loci conventui [...]. Delaborde, Notice, 1884, Prologus, 16. 288 Zur Datierung: Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 65. Delaborde setzte den Entstehungszeitraum bereits um 1190 an; vgl. Delaborde, Notice, 1884, 21.

246

II.

Metamorphosen eines Mythos

über deren Namen, deren Herkunft, deren ,Taten', deren Gräber liefern. Sicherlich hat man sich nicht in anachronistischer Weise vorzustellen, dass das Büchlein dem Gast als Führer für einen individuellen Rundgang in die Hand gegeben wurde. Vielmehr dürfte es den Mönchen zur Vorbereitung und als Orientierungshilfe gedient haben, um Besucher des Klosters kundig empfangen zu können. Das «Breve Chronicon» scheint folglich für einen konkreten Gebrauchszweck bestimmt gewesen zu sein, wobei die Lage der Gräber und genaue Informationen über die verstorbenen Herrscher nicht zuletzt auch für die Memoria notwendig waren. onen

6.2.2.1 Autor

Über den Benediktinermönch Rigord, der uns ausschließlich durch seine beiden Werke näher bekannt ist, sind nur wenige biographische Einzelheiten überliefert.290 Wesentliche Informationen, die wir über das Leben des Autors besitzen, fußen auf einer kurzen

,Autobiographie' im Widmungsbrief an Ludwig [VIII.]. Der Autor stellt sich dort als „Magister Rigord, von Herkunft Gote, von Beruf Arzt, Chronograph des französischen Königs, unwichtigster der Mönche des Klosters Saint-Denis" vor. Mit Ausnahme des Zusatzes magister begegnet diese Charakterisierung wörtlich im Prolog der ebenfalls von Rigord verfassten Kurzchronik.292 Über Rigords Familie und sozialen Status ist nichts bekannt. Ein Eintrag unter dem Namen Bernardus Rigordi, eines Mannes, der 1212 als consul in Montpellier bezeugt ist, liefert möglicherweise einen Hinweis auf einen Verwandten Rigords, der in SaintDenis kommemoriert wurde.293 Ferner ist in einem Kaufvertrag aus dem Jahr 1210 ein Willelmus Rigordi erwähnt, der möglicherweise mit Rigord in verwandtschaftlicher 94 Verbindung stand. Delabordes onomastische Tiefenbohrungen haben indes ergeben, 289

[...] placuit /erg. mihi]

ut regum Francorum genealogiam, nee non et ipsorum gesta que in quibusdam voluminibus nimis confuse habeantur, sub quadam castigata brevitate brevi libellulo compilando cohortarem et actus uniuseujusque regis sub singulis capitulis compendióse concluderem. [...] Veterem voco confusionem regii sanguinis lineam in veterum voluminibus perplexam et involutam qui a ego omnimode brevitati deservlens et morem querulo lectori gerens ea vigilantia qua potui sic earn disgestam explicui ut in hoc opúsculo regum Francorum gerriarchas et eorum nomina et quis a quo originem traxerit et ubi etiam eorum quilibet mausoleum habuerit diligens lector dilucidepoterit invenire. Delaborde, Notice, 1884, Prologus, 16fr 290 Vgl. Carpentier, Histoire et informatique, 1982, 9. Grundlegend zur Biographie Rigords vgl. Delaborde, Notice, 1884, 25-30. 291 [...] magister Rigordus, natione Gothus, professione phisicus, regis Francorum cronographus, beati Dyonisii Ariopagite clericorum minimus [...]. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/ Chau-

vin, 2006,

Widmung, Kap. 01,110.5-7.

R. natione Gothus, professione phisicus, regis Francorum cronographus, beati Dyonisii ariopagitte clericorum minimus [...]. Delaborde, Notice, 1884, Epistolaris prologus, 16. 293 Siehe Touati, Rigord, 2003, 247; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 57. 294 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 57. 292

[...]

247

6. Relevanz

sich bei der Namensform

Rigord(us) um eine damals wenig gebräuchliche LatiWas Rigords Herkunft anbelangt, so weist die Behandelte.295 nisierang Rigo(u)t natione Gothus in Richtung Niederlanguedoc in die Umgebung von Ales, zeichnung dass

es

von

Arles, Nîmes oder Montpellier.296 Da sich der Autor in den «Gesta» jedoch kaum über diese Region äußert, ist es schwierig, hier Näheres zu ermitteln. Ähnliche Unsicherheiten

bestehen

,297 gen lasst.

bezüglich

des

Geburtsjahres,

das sich

nur

ungefähr um

1145-1150 festle-

,-•

Seit Delaborde hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass Rigord bereits mit dem Schreiben der «Taten Philipps» beschäftigt war, bevor er dem Benediktinerorden beitrat. Diese Vermutung basiert auf einer Angabe des Autors, derzufolge er das Werk zehn Jahre vor der ersten Fertigstellung begonnen hatte.298 Auch wenn Rigord erst seit Februar 1189 unter den Mönchen von Argenteuil, einem Priorat von Saint-Denis, nachzuweisen ist299, wird inzwischen davon ausgegangen, dass Rigord bereits 1183/1186 in Saint-Denis eintrat und sich nur vorübergehend in Argenteuil aufhielt.300 Wichtiges Indiz für die Zugehörigkeit zur dionysianischen Gemeinschaft ist neben der Bezeichnung beati Dionysii Areopagite clericorum minimus im Prolog beider Werke das Widmungsschreiben der «Kurzchronik».301 Über die Gründe, die Rigord zu einem Eintritt in den Benediktinerorden veranlassten, können lediglich Vermutungen geäußert werden. Möglicherweise waren schwierige Lebensumstände Dass es den «Gesta»-Autor gerade zum renommierten Reformkloster bei Paris gezogen hatte, erklärte

ausschlaggebend.3

295 Siehe Delaborde, Notice, 1884, 25f. Die bei Wilhelm dem Bretonen überlieferte Form Riguotus ließe sich nach François-Olivier Touati auch polemisch deuten: als „ragoteur" („Tratscher") oder in einer anderen Lesart Rignotus, also „R-ignotus" („der unbekannte R."). Dazu Touati, Rigord, 2003, 259. 296 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 52; Bourgain, Rigord, 1995, 849; Touati, Rigord, 2003, 247. Hierzu bereits Delaborde, Notice, 1884, 26f. 297 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 53f; Delaborde, Notice,

1884,27.

[...] opus decennio elaboratum habui in volúntate subprimere autpendus delere, vel certe quantum viverem, in occulto sepeliré. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Prologus, Kap. 02, 116.20-118.1. 299 Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 28; Touati, Rigord, 2003, 249, unter Bezug auf folgende Textstelle bei Rigord: Item fi. e. anno M°C0LXXX0VIII°] IIII0 idus februarii, me existente apud Argentolium [...]. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 71, 262.20-264.1. 300 So Bourgain, Rigord, 1995, 849; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 58. François-Olivier Touati vermutete, es könne sich bei der Versetzung nach Argenteuil um eine Bannung gehandelt haben, die womöglich aus Rigords fortgesetzter medizinischer Tätigkeit resultierte. Vgl. Touati, Rigord, 2003, 250. 301 Anfang 1196 vollendete Rigord seine «Kurzchronik» und dedizierte sie an den Prior Jfohannes] und die Mönche von Saint-Denis. Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 28; zur Widmung ebd., 16. 302 So Touati, Rigord, 2003, 247, unter Bezug auf folgende Passage im Prolog: [...] michi scribere gestienti, multa concurrerunt impedimenta, egestas seu rerum inopia, adquisitio vidualium [...]; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Prologus, Kap. 02, 116. 4f.

298

248

II.

Metamorphosen eines Mythos

François-Olivier Touati durch die Hypothese, Wilhelm von der Provence, Abt in SaintDenis während der Jahre 1173-1186, könnte Rigords Förderer gewesen sein. Dieser schien ebenfalls Medizin praktiziert zu haben, und vielleicht kannten sich beide noch aus Studienzeiten in Montpellier. Die in der ,Kurzvita' angegebene Tätigkeit als physicus dürfte sich theoretisch nur auf die Zeit vor dem Eintritt in den Konvent beziehen. Es könnte aber durchaus möglich gewesen sein, dass Rigord trotz bestehender Verbote auch nach Ablegen seines Gelübdes weiterhin Medizin praktizierte.304 Einen diesbezüglichen Hinweis bieten die seit dem Reimser Konzil von 1131 mehrfach und nachdrücklich wiederholten Verfügungen (so auf dem Zweiten Laterankonzil 1139, Konzil von Montpellier 1162, Konzil von Tours 1163 oder unter Papst Honorius III. Anfang des 13. Jahrhunderts), die ex negativo auf medizinische Betätigungen von Mönchen und Klerikern schließen lassen.305 Es ist in diesem Zusammenhang ohne stichhaltige Argumente darüber spekuliert worden, dass Rigord eine Art königlicher Leibarzt gewesen sei.306 In jedem Fall setzte die Profession eines physicus gute Bildung voraus.307 In erneuter Auseinandersetzung mit den Quellengrandlagen der «Gesta» und der Darstellungsweise des Autors gelangte Touati kürzlich zu dem Schluss, Rigords Ge-

-

lehrtheit habe sich sowohl im literarischen als auch im medizinischen Bereich sehr in Touati hielt Rigord nicht nur für einen gescheiterten Autor, sonGrenzen gehalten. dern auch für einen gescheiterten Arzt, weil einerseits die «Gesta» keinen Erfolg hatten und sofort dem Vergessen anheim gefallen sind,309 und andererseits ein Zeitgenosse Rigords, der berühmte Arzt Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil, gest. 1224), harsche Kritik an ihm geübt hat. „Ohne Hand und Fuß nämlich", schrieb dieser, „ist Rigords Urteil, meiner Meinung nach verwerflich, ja gänzlich verdammenswert, des Kreuztodes 303

304 305 306

307

308

309

Vgl. Touati, Rigord, 2003, 248fr

Wo Rigord seine Ausbildung erhielt, ist nicht bekannt. In Erwägung gezogen wurde die Medizinschule in Montpellier. Hierzu Rigord, Histoire, ed. Carpentier/ Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 54; Touati, Rigord, 2003, 247, 256. Zuletzt Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 56. Siehe Eloy, Rigord, 1973 (1778), 75fr Dazu der Hinweis auf nicht im Detail genannte Untersuchungen bei Eloy, Rigord, 1973 (1778), 74. Dezidiert gegen die Auffassung, Rigord habe zu den Ärzten des französischen Königs gezählt, Touati, Rigord, 2003, 245. Allerdings übersetzte Touati den Passus in Rigords ,Kurzbiographie' professione physicus, regis Francorum cronographus trotz des vom Herausgeber gesetzten Kommas uneindeutig als „médicin et chronographe du rois"; ebd., 243. So Delaborde, Notice, 1884, 29, wo in Anm. 4 daraufhingewiesen wird, dass Rigord Kenntnis über die jüdischen Monatsbezeichnungen besaß. Touati hielt dieses Argument nicht zwingend für einen Hinweis auf die hohe Bildung des Autors; vgl. Touati, Rigord, 2003, 254. Eine profunde literarische Bildung habe Rigord nicht besessen, weil sich seine Ausführungen an vielen Stellen auf Gemeinplätze beschränkten. Referenzen auf die Bibel fanden sich kaum, und die Kirchenväter seien überhaupt nicht erwähnt; siehe Touati. Rigord, 2003, 252-255. Innerhalb der «Gesta» gäbe es auch keine Hinweise darauf, dass Rigord sich besonders für das Erscheinungsbild oder den Verlauf von Krankheiten interessiert hätte. Vgl. ebd., 255-259. Vgl. ebd., bes. 259fr

249

6. Relevanz

würdig und im Namen seines Patrons anzuklagen, er, der den Mönchen mit hohem Fieber Ruhe verschreibt und diese zu Ewiger Ruhe macht, und der den finsteren Orkus, welcher nur unzureichendes Fassungsvermögen hat, mit schwarzen Mönchen anfüllt." Diese Passage bei Aegidius entstand vermutlich aus einer Konkurrenzsitoation heraus, die sowohl auf institutioneller als auch auf persönlicher Ebene ausgetragen wurde. Mit den gelehrten Medizinern seiner Zeit verkehrte Rigord aber offenbar nicht.311 Auch innerhalb des Klosters scheint Rigord keine Karriere gemacht zu haben, denn er blieb höchstwahrscheinlich einfacher Mönch und erlangte die Priesterweihe nicht.312 Er starb vermutlich nicht lange nach der Fertigstellung der letzten «Gesta»-Fassung. Nach eigenen Aussagen war er bei der Überführung von Reliquien aus Konstantinopel in das Dionysius-Kloster am 7. Juni 1205 noch persönlich anwesend.313 Die Überschwemmung im Dezember 1206, mit der die «Gesta» in der Version Rigords enden, gilt als terminius post quem für den Tod des Autors.314 Die Herausgeber der neuen kritischen Ausgabe legten sich hierbei auf die Zeitspanne zwischen 1207 und 1209 fest.315 In den Nekrologen von Saint-Denis und Argenteuil ist der 17. November als Sterbetag

vermerkt.316

310 Nam est sententia vana Rigordi/Judicio reprobando meo, damnabilis omni/Digna cruce atque sui titulo fuscanda patroni,/Qui Requiem monachis in acutis febribus offert/Et requiem facit aeternam modicumque capacem/Obscurum nigris monachis ingurgitât Orcum. Aus dem «Carmen medicum» Nr. 4, zitiert nach Touati, Rigord, 2003, 260, Anm. 66 (dort auch mit weiterführenden Li-

teraturhinweisen)

Aegidius Corboliensis lehrte in Paris in der Tradition der Medizinschule in Salemo. Sein verbaler Angriff auf Rigord zielt womöglich auf die unterschiedlichen Methoden in Montpellier. Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, 55f. 312 Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 28f; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 59. Allerdings spricht die Bezeichnung clericus (siehe Zitat S. 246, Anm. 291 u. 292) in der Widmung an Prinz Ludwig gegen eine solche Annahme. 313 Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 28; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 153, 392.8-394.14: Anno Domini M0CC°V°, Philippus rex Francorum in pignus caritatis et dilectionis ecclesie Beati Dyonisii Ariopagite contulit preciosissimas reliquias [...]. Per omnia benedidus Deus [...] michi, servo suo licet indigno etfragilipeccatore [sic], fere in senio jam existenti, divina pietajte] [Erg. d. Hrsg.] videre concessit. 314 Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 28; so auch Eloy, Rigord, 1973 (1778), 74; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 58. 315 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 59. 316 Magister Rigoldus Mjonachus] Bjeati] Djionisii] XV kal. Dec; zitiert nach Delaborde, Notice, 1884, 28, Anm. 10. Zu diesem Eintrag im Nekrolog von Saint-Denis siehe auch die Ausführungen von Touati, Rigord, 2003, 245, Anm. 6. Bezüglich Argenteuil siehe Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 59.

311

.

250

II

Metamorphosen eines Mythos

6.2.2.2 Motive Es bleibt aus heutiger Sicht ungewiss, warum sich ein in der ars medicina geschulter des amtierenden Herrschers Mann wie Rigord an die Abfassung einer setzte.318 Über die Motive, die ihn angeblich zum Schreiben und zur Bekanntmachung seines Werks bewegten, äußerte sich der Autor allerdings recht detailliert. In dem vorangestellten Widmungsbrief und im Prolog begegnen zunächst verschiedene Topoi: die Absicht, nur die Wahrheit darstellen zu wollen319, Bitten um göttlichen Beistand am Beginn des Unternehmens320 und schließlich die Hervorhebung der Unzulänglichkeit des Autors angesichts eines so großen Vorhabens.321 Dessen ungeachtet unterscheiden sich Prolog und Widmungsbrief vom Tenor her beträchtlich. Der Prolog ist an König Philipp II. und die Leser allgemein gerichtet, wobei Bescheidenheitsbeteuerungen großen Platz einnehmen.322 Rigord betont, sein Werk nicht abgefasst zu haben, um sich beim König einzuschmeicheln, und entschuldigt sich für die Unvollkommenheit seiner Zeilen, die der Anlass dafür gewesen seien, warum er sie über zehn Jahre hinweg im Verborgenen gehalten habe.323 Hinzu seien äußere Faktoren gekommen, die eine Fertigstellung der «Gesta» behinderten: Mangel am Notwendigsten, Sorge um den Lebensunterhalt und unbeständige Geschäfte. Am meisten jedoch habe er sich um das Urteil seiner Zuhörer Sorgen gemacht, „denn wenn vielen etwas Neues zu Ohren kommt, geht die Meinung der Zuhörer auseinander; der eine nämlich ist einverstanden und hält das, was er hört, für lobenswert; der andere aber macht, weil er unwissend ist oder durch den Stachel des Neides bzw. den Zündstoff des Hasses verdorben ist, sogar das Wohl-Gesagte zunichte."324 Erst auf Drängen des Abtes Hugo von

,Biographie'317

317 Bei Rigords Werk handelt es sich um keine Biographie im modernen Sinne. Treffender ist wohl die von den Herausgebern der Neuedition gewählte Bezeichnung als „Vita en forme de Gesta"; Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 75. 318 Vgl. Carpentier, Histoire et informatique, 1982, 9. 319 Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Widmung, Kap. 01, 114.9fr: [...] tarnen ex humili sermone veritatem, et in verdatepoteritis contemplan virtutem [...]. 320 Et primum a nativitate ipsius regis [i. e. Philippi] miraculosa, Deo disponente, initium sumamus, Ipso iuvante qui omnium princeps est et principium. Ebd., Prologus, Kap. 02, 118.19-21. 321 Accipite igitur [...] opusculum; quod quamvis rudi nimis et incompto stilo et indignis tante materie verbis sim persequtus /sic/, tarnen ex humili sermone veritatem [...]; oder auch: Verumptamen lectores hujus operis exoratos esse volo, ut, si quid in hoc satyra dignum invenerint considèrent altitudinem materie et simplicitatem mee littérature nee ad tarn arduum opus vires meas suppetere. Ebd., Widmung, Kap. 01, 114.6-9 und Prologus, Kap. 02, 118.5-8. 322 Marvin L. Colker konnte zeigen, dass ganze Passagen des Rigordschen Prologs mit Abschnitten des Prologs in der «Alexandreis» Walters von Chätillon übereinstimmen. Hierzu Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 62. 323 [...] opus decennio elaboratum habui in volúntate subprimere autpenitus delere, vel certe quantum viverem, in occulto sepeliré. Ebd., Prologus, Kap. 02, 116.20-118.1. 324 Librum gestorum Philippi Augusti [...], michi scribere gestienti, multa concurrerunt impedimenta, egestas seu rerum inopia, adquisitio victualium, instancia negotiorum, stili simplicitas et mens in hujusmodi minus exercitata. Et maxime quia, cum in auribus multorum aliquid novi reci-

251

6. Relevanz

Saint-Denis habe Rigord sein Werk bekannt gemacht, hoffe aber nun, dass es auf des Betreiben hin veröffentlicht werde (per manum ipsius Regis in publica veniret monumento), und ihm die Leser angesichts des Stoffümfangs und seiner einfachen Bildung Unkorrektheiten verzeihen mögen. Philipp II. Augustus, über den Rigord schreibt und an den er sich gleichzeitig wendet, wird im Prolog und an mehreren anderen Stellen, vor allem im ersten Teil der «Gesta», mit den Epitheta christianissimus Rex und Augustus bezeichnet. Auch Philipps Vater, Ludwig VIL, wird mit diesen Etiketten bedacht, femer aber auch als sanctissimus und piissimus charakterisiert. 6 Rigords Wortgebrauch scheint sich an den Briefen Papst Innozenz' III. (1198-1216) zu orientieren, der Philipp II. und dessen Vorfahren als christianissimi principes betitelte, um dem französischen König die Bedeutung und Verantwortung des von ihm ererbten Reiches immer wieder ins Bewusstsein zu rufen.327 Hingegen stellte das Epitheton Augustus wohl einen vom Autor stammenden Zu-

Königs

soient auditores in diversa scindi vota, et hunc quidem applaudere idque quod audit laude ilium vero seu ignorancia ductum seu livoris acúleo vel odiifomite perversum, etiam bene dictis detrahere. Ebd., Prologus, Kap. 02, 116.3-10. 325 [...] hoc opus in lucem protuli et christianissimo regi humiliter optuli, ut sic demum per manum ipsius regis in publica veniret mon[u]menta [Erg. d. Hrsg.]. Verumptamen lectores hujus operis exoratos esse volo, ut, si quid in hoc satyra dignum invenerint considèrent altitudinem materie et simplicitatem mee littérature nec ad tarn arduum opus vires meas suppetere. Ebd., Prologus, Kap. 02, 116.20-118.8. 326 In Bezug auf Philipp II. Augustus: Ebd., Prologus, Kap. 02, 116.3 u. 17, 118.4; Kap. 5, 132.5; Kap. 6, 134.1; Kap. 7, 136.3 u. 10; Kap. 8, 136.21 u. 138.3; Kap. 11, 146.2; Kap. 13, 148.24; tatur

dignum predicare,

Kap. 14, 152.2; Kap. 19, 158.21; Kap. 20, 162.1; Kap. 24, 166.4; Kap. 26, 170.15; Kap. 28, 174.16; Kap. 30, 178.23 u. 180.8; Kap. 34, 184.17; Kap. 36, 188.10; Kap. 37, 190.2; Kap. 38, 192.13; Kap. 45, 214.3 u. 21; Kap. 47, 216.15, Kap. 49, 220.10; Kap. 51, 222.9 u. 17f; Kap. 52, 224.13Í; Kap. 56, 232.26 u. 234.12; Kap. 67, 258.4; Kap. 70, 262.15; Kap. 75, 272.5f; Kap. 76, 272.19 u. Kap. 153, 394.2 (hier Reliquientranslation). In Bezug auf Ludwig VII.: ebd., Kap. 1, 122.9f; Kap. 2, 122.15f, 124.8f; Kap. 3, 128.4; Kap. 5, 130.8; Kap. 26, 172.4Í Die in der Neu-

edition von 2006 aufgestellte Behauptung, das Attribut chistianissimus sei während des Berichtszeitraums 1179-1189 von Rigord insgesamt vierzig Mal für Philipp. II. verwendet worden (vgl. ebd., Introduction, 70), ist nicht korrekt. Die Herausgeber haben hier offenbar auch die auf Ludwig VII. bezogenen Stellen mitgezählt. Für Ludwig VII. begegnet ebenso das Epitheton sanctissimus (ebd., Kap. 1, 120.5; Kap. 3, 126.12) sowie piissimus (ebd., Kap. 10, 142.3; Kap. 37, 190.14; Kap. 49, 220.19), während Philipp auch als a deo datus bezeichnet wurde (ebd., Kap. 1, 120.4; Kap. 2, 124.3f; Kap. 3, 126.9; Kap. 6, 134.12 u. 13). Darüber hinaus begegnet eine ähnliche Attribuierung auch in transpersonalem Gebrauch als sacra regni Francorum gubernacula (ebd., Kap. 5, 132.8). Zu diesem Aspekt siehe des Weiteren Brückle, Noblesse oblige, 2000, 48f Zu der von französischen Königen adaptierten Bezeichnung christianissmus jüngst auch: Britneil, Conflict, 2006. 327 Vgl. Baldwin, Innocent III, Philip Augustes and France, 2003, bes. 994-996, 1005. Innozenz III. knüpfte hier an seinen Vorgänger an, denn bereits Ludwig VII. war 1163 vom Papst als christianissimus angesprochen worden. Vgl. Baldwin, Paris, 2006, 127. -

252

II.

Metamorphosen eines Mythos

dar, dem angeblich die Bedeutung rem publicam

augere innewohnte. Damit waumrissen: und Darstellungsgegenstand Philipps Herrschaft und PersönAnsprach christlichen werden dem Idealbild eines lichkeit an Königs und am Wirken für das wie der Widmungsbrief noch eindringlicher Reich nicht nur bemessen, sondern als Verkörperung dieser Ideale dargestellt und aus diesem Grund aufgezeichzeigt satz

ren

-

-

net.

Widmungsbrief an den Königssohn Ludwig (geb. 1187) heißt es: „Daher kommt es, o Knabe, der Ihr von königlichen Vorfahren abstammt, dass ich, weil Ihr die Schrift kennt und liebt, mir erlaubt habe, Eurer erlauchten Klugheit meine Zeilen zu schicken, und Euch ein gewisses Werklein, das ich über die Taten Eures ruhmreichen Vaters Philipp semper Augustus so gut wie möglich zusammenschrieb, zu widmen, damit Ihr es zum ersten Mal seht und lest, und zwar aus zweifachen Beweggründen, sowohl damit Ihr meine Ergebenheit gegenüber dem französischen Königreich und Eurem ruhmvollen Vater vollends erkennt, als auch damit Ihr die vorzüglichen Handlungen eines so großen Fürsten als tugendvolles Beispiel wie ein Spiegel stets vor Augen habt. Möge nun der Nachfahr dieses starken Mannes das Antlitz der Waffen unter den Umarmungen der Mutter erkennen, und, indem er seiner Natur folgt, den Schrecken lieben lernen, aber dennoch durch vorbildhafte Beispiele (exempla) nicht weniger zur Tugend angehalten werden. Nehmt also bitte, geneigter Knabe, das kleine Werk als Verkünder väterlicher Tugend gnädig aus den Händen Eures Klerikers."330 Noch expliziter als im Prolog wird in dieser Widmung unterstrichen, dass es in den «Gesta» um die Verherrlichung des französischen Königs gehe. Philipps II. ruhmreiche Regentschaft sei für die Nachwelt, insbesondere jedoch für den Sohn Ludwig, vorbildhaft. Dem sich noch im Knabenalter befindenden Königssohn wird die virtus des Vaters Im

328 Diese Annahme, es handele sich hier um einen Namenszusatz Rigords, liegt nahe, weil der Autor die Leser auffordert, sich nicht über diese Bezeichnung zu wundern, und am Ende des Prologs ausführlich auf ihre Bedeutung eingeht: Sed forte miramini quod in prima fronte hujus operis, voco regem Augustum. Augustos enim vocare consueverunt scriptores Cesares qui rem publicam augmentabant, ab augeo, auges dictos, unde iste mérito dictus est Augustus ab aucta re publica. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Prologus, Kap. 02, 118.12-15. Spätestens seit Delaborde wird davon ausgegangen, dass Rigord der erste war, der Philipp mit dem Epitheton Augustus anredete. Vgl. Delaborde, Notice, 1884, 4, 29; zuletzt Touati, Rigord, 2003, 245. 329 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Widmung, Kap. 01, 110-114. 330 Hinc est, o puer attavis edite regibus, quia litteras discitis et diligitis, quod ego serenissime prudencie vestre litteras meas mittere presumpsi, et lucubraciunculam quandam, quam de gloriosi patris vestri Philippi semper Augusti gestis, utcumque contexui, vobis primum videndam et legendam destinavi, duplici nimirum intentione, ut et vos devotionem meam erga regnum Francorum et gloriosum patrem vestrum perfecte cognoscatis, et vos tanti principis commendabiles actus quasi speculum pre oculis semper habeatis in exemplar virtutis. Licet etenim virifortis progenies armorum fadem inter ipsos matris agnoscat amplexus, et, dum nature obsequitur, discat amare terrorem, per exempla tarnen non minimum animatur ad virtutem. Accipite igitur, queso, gratanter, puer indite, de manibus clerici vestri nuntium paterne virtutis opusculum. Ebd., Widmung, Kap. 01, 112.20-114.7.

253

6. Relevanz

nachahmenswürdiges Exempel vor Augen geführt331 und als Verkörperung guter Eigenschaften, als Beschützer des Reiches sowie als starker Herrscher dargestellt. Diese Stilisierung ist eine eindeutige Huldigung an den französischen Herrscher, bezweckt aber gegenüber dem jungen Prinzen noch etwas anderes. „Erinnert Euch also", schreibt Rigord, „und ruft Euch erneut ins Gedächtnis, königlicher Nachfahr, den Ruhm der Heroen und die Taten Eures Vaters, sowohl damit Ihr erkennt, was Tugend ist, als auch damit wir uns freuen können, in Euch, dreifacher Augustus, die Tugend heranwachsen lassen zu haben, auf dass Ihr .nachdem ein gefestigtes Alter euch zu einem Mann gemacht hat, der mit den väterlichen Tugenden den Erdkreis befriedete' rahmreich im Kuss der Gerechtigkeit und des Friedens regiert."332 Mit diesen Worten bringt der Verfasser auch ein didaktisches Anliegen zum Ausdruck. Die «Gesta Philippi» sollen Ludwig nicht nur die Erinnerung an seinen Vater bewahren, sondern ihm vor allem ein Lehrbuch und Vorbild für die zukünftige Regierang sein. In diesem Wunsch, der Sohn möge es dem Vater gleichtun, schwingt zugleich die Hoffnung auf herrschaftliche Konals ein

-

-

tinuität mit. Vor dem Hintergrund dieses angestimmten Tenors kann auch die behauptete trojanische Herkunft nur als Lobpreisung der Kapetingerfamilie aufgefasst werden. Sie birgt einen identifikatorischen Bezugspunkt, liefert eine Rechtfertigung bestehender Machtverhältnisse und betont eine sehr lange herrschaftliche Kontinuität. Nicht zuletzt äußert sich in der Auseinandersetzung mit der englischen Herkunftsvariante auch ein Exklusivitätsansprach, der allein die Franci bzw. die französischen Herrscher zu direkten Nachkommen der Trojaner stilisiert. Der Exkurscharakter der Troja-Erzählung macht aber ebenfalls deutlich, dass die trojanischen Wurzeln nicht im Zentrum der Darstellung stehen. Philipps II. Ruhm wird in erster Linie an seinen Leistungen als Herrscher, an seinen gesta bemessen. Rigord reihte sich mit seiner ,Herrscherbiographie' in eine Tradition ein, deren Anfänge sich in das erste Drittel des 12. Jahrhunderts datieren lassen. Der erste ,Dionysianer', der sich an die Abfassung eines Werks über einen regierenden König setzte, war Abt Suger mit seiner «Vita Ludovici Grossi Dass diese Form der herrscherbegerade bei Suger ihren Ausgang nahm, ist mit dessen engen zogenen

Historiographie334

331

[VI.]».333

Über diese Exempel-Rolle, die Philipp II. besonders nach seinem Tod zugeschrieben wurde,

Baldwin, Paris, 2006, 117. 332 Recognoscite igitur et recolite, regia progenies, heroum laudes

et vestri facta parentis, ut et vos possitis que sit virtus cognoscere et nos in vobis tribus auguste virtutem gaudeamus parentarejut postquam Jïrmata virum vos fecerit aetas/jamjam pacatum patriis virtutibus orbem/in justitiae et pads ósculo gloriose gubernetis. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Widmung, Kap. 01, 114.11-16. 333 Vgl. Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 35f 334 Die wachsende Königsnähe war bereits unter Philipp I. (1060-1108) spürbar und schlug sich in der nach 1108 verfassten «Historia Regum Francorum» nieder, in der die reges Francorum im Mittelpunkt standen. Über die zeitgenössischen Könige berichtete sie jedoch nur wenig. Vgl. Grosse, Saint-Denis vor Suger, 2002, 139f, 233 u. 235.

254

II.

Metamorphosen eines Mythos

Kontakten zum König in Zusammenhang zu bringen. Beide hatten im Haus de l'Estrée nahe des Klosters Saint-Denis ihre Erziehung erhalten 5 und blieben Zeit ihres Lebens freundschaftlich verbunden. Die sich hierdurch weiter intensivierenden Verbindungen zwischen der Abtei und dem Königshaus manifestierten sich nicht zuletzt in der BeraRetertätigkeit des Abtes an der curia Ludwigs VI. und der zeitweisen Übernahme der 6 gierangsgeschäfte während Ludwigs VII. Teilnahme am zweiten Kreuzzug. Auf Suger scheint neben der «Vita Ludwigs VI.» auch der erste Teil der «Historia Gloriosi Regis Ludovici Septimi» zurückzugehen. Sugers Nachfolger Odo von Deuil, der von 1151 bis 1162 den Abbatiat in Saint-Denis innehatte, betätigte sich ebenfalls als Historiograph. Er hatte Ludwig VII. auf dem zweiten Kreuzzug begleitet und darüber in «De Profectione Ludovici VII in Orientem» berichtet.338 Auch wenn sich nach Odo von Deuil im 12. und 13. Jahrhundert kein Abt von Saint-Denis mehr historiographisch bedennoch ihtätigt zu haben scheint, fand die begonnene Tradition der „royal Fortsetzer. Die verfassten re und von Wilhelm dem Bretonen weitergeführvon Rigord ten «Gesta Philippi» sollten dabei noch lange keinen Schlusspunkt bilden. Ludwig VIII. (1223-1226), Ludwig IX. (1226-1270) und Philipp III. (1270-1280) sie alle wurden von Mönchen aus dem Dionysius-Kloster in ähnlicher Form gepriesen und fanden schließlich in den «Grandes Chroniques de France» Entgegen der opinio communis, Rigords Werk sei „auf eigene Initiative"341 entstanden, muss davon ausgegangen werden, dass der Autor erst in Saint-Denis mit dem Schreiben begann. Zu sehr passen die «Gesta» in das Bild der seit den Äbten Adam und Suger gepflegten Beschäftigung mit den amtierenden französischen Herrschern und der Geschichte des französischen Die von den Herausgebern der neuen Edition zaghaft formulierte Vermutung, Rigord habe allein in Saint-Denis das Material für sein Geschichtswerk finden können ist vor dem oben dargelegten historiographiege-

history"339 -

Verewigung.340

Königtums.342 ,

335 Siehe Bur, Suger, 1991, 20; allgemein zur dortigen Ausbildung ebd., 17-24. 336 Vgl. Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 29, 35; Bur, Suger, 1991, bes. 142-171; Grosse, SaintDenis vor Suger, 2002, 233f. 337 Dazu Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 44-51; zur Vermutung über ein drittes Werk aus seiner Hand ebd., 52. Umfangreich zur «Vita Ludovici» auch Bur, Suger, 1991, 211-230. 338 Vgl. Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 53-55. 339 Ebd., 45. 340 Ausfuhrlicher ebd., bes. 96-103. 341 Bourgain, Rigord, 1995, 849. 342 Zum Abbatiat und der bereits unter ihm beginnenden herrschernahen Historiographie vgl. Grosse, Saint-Denis vor Suger, 2002, 139f, 233, 235. Mit der Geschichtsschreibung seit Suger beschäftigte sich Gabrielle Spiegel, die sich in ihren Ausführungen unter anderem auf LaCurne de SaintePalaye (1735) bezieht. Vgl. Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 39; ähnlich auch ebd., 35, 44. 343 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 57 („Le texte de Rigord indique clairement que sa vocation historique est antérieure à cette entrée [...].") u. 60 („Il n'est pas impossible que Rigord ait ébauché son œuvre avant d'entrer à Saint-Denis, mais c'est sur place, dans la bibliothèque et au contact des moines, à proximité de Paris devenu, [...] qu'il a trouvé la matière nécessaire.").

6. Relevanz

255

schichtlichen Kontext nur zu bekräftigen. Zumal die wenigen biographischen Einzelheiten, die aus dem Leben des Autors bekannt sind, nicht dagegen sprechen, dass er seit seiner Ankunft in bzw. nahe Paris zur Gemeinschaft des Heiligen Dionysius' gehörte und in deren Auftrag die «Gesta Philippi» verfasste. Diese Annahme bietet nicht zuletzt auch eine schlüssige Erklärung dafür, warum Rigord schon in einem frühen Stadium seiner Arbeit auf die Trojaner rekurrierte. In der gut ausgestatteten Bibliothek von Saint-Denis dürfte er in mehreren Manuskripten mit der seit der Merowingerzeit fortgeschriebenen Vorstellung trojanischer Herkunft konfrontiert worden sein. Noch die zwischen 1114 und 1131 entstandenen «Gesta Gentis Francorum» hatten ebenso wie zwei kurze Zeit später in Saint-Denis entstandene Geschichtswerke, die heute unter den Titeln «Nova Gesta Francorum» sowie «Historia Francorum Monasterii Sancti Dionysii» bzw. «Abbreviatio Gestorum Franciae Regum» bekannt sind344, von diesen antiken Ursprüngen berichtet und eine Kontinuität bis zur Regierung Ludwigs VI. behauptet. Vorstellbar ist, dass Rigord ein noch heute erhaltenes Corpus zur Hand hatte, welches ein unbekannter Mönch aus Saint-Denis kurz nach 1180 kompiliert hatte. Dieses enthält nicht nur die «Gesta Gentis Francorum» und die «Historia Ludovici VII», sondern auch Kapitelüberschriften (Capitulationes), welche die französische Geschichte von den Trojanern bis zur Krönung Ludwigs VI. 1108 skizzieren. Entwickelt man dieses Szenario weiter, dann kann man sich ebenso vorstellen, wie Rigord unter den Beständen der Klosterbibliothek auch auf eine Abschrift der «Historia Regum Britannie» oder einer ihrer Adaptionen stieß. Die Kenntnis der Geoffreyschen Mythosversion ließe sich damit mühelos erklären. Angesichts der Jahrhunderte alten historiographischen Tradition, welche die fränkischen bzw. französischen Herrscher mit den Trojanern in Verbindung brachte, hatte Rigord keinen Anlass, diese nicht weiterzuschreiben. Eine Infragestellung dieser etablierten Version, zumal mit der Königsfamilie als Adressatin, wäre nahezu unmöglich gewesen. Allenfalls hätte es einer adäquaten alternativen Herkunftserzählung bedurft, doch offenbar gab es keine, die Durchsetzungschancen besessen hätte.346 Im Auftrag bzw. 344 Siehe Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 41 f. Zu den genannten Werken auch weiter oben S. 92f. u. 165. 345 Zu diesem Corpus (MS Nr. 12,710) Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 41 f. 346 Die in der «Historia Francorum Senonensis» (MGH SS 9, 364-369) überlieferte Prophezeiung des Heiligen Valerius spricht von einer Herrschaftsfolge der Kapetinger von Hugo Capet bis zur siebten Generation. Wörtlich genommen wäre Philipp II. der letzte Herrscher gewesen. Ein Rekurs auf dieses Vatizinium zu legitimatorischen Zwecken war also wenig vorteilhaft. Eine weitere Grundlage für die Rechtfertigung von Herrschaftsrechten konnte in der Papst Stephan II. in den Mund gelegten Drohung gesehen werden, derzufolge jedem nicht-karolingischen Herrscher der Bann auferlegt werden sollte. Im 12. Jahrhundert rekurrierten einige hohe Adelsfamilien in Frankreich, unter anderem auch die Grafen von Hennegau, auf dieses Edikt, indem sie ihre karolingische Abkunft hervorhoben. Rigord und Gille de Paris kannten dieses päpstliche Anathema, ignorierten es aber in ihren Darstellungen. Vgl. Baldwin, Philip Augustes, 1986, 370f; Brückle, Noblesse oblige, 2000, 48f, Anm. 29.

256

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Metamorphosen eines Mythos

mit Unterstützung der beiden Äbte Hugo Foucaud und Hugo von Milan setzte Rigord deshalb im Bereich der Geschichtsschreibung das Werk seiner Vorgänger fort. Werke zu verfassen, weiterzuschreiben, zu neuen Corpora zusammenzufügen und Mitgliedern der Königsfamilie zu widmen, gehörte zur gängigen Praxis in Saint-Denis. Dass Rigord nur Karriere machen wollte und wegen der Erfolglosigkeit seiner ersten «Gesta»-Widmung nach einiger Zeit einen erneuten Versuch unternahm, sein Werk einem Mitglied der königlichen Familie zu dedizieren ist deshalb ebenso unwahrscheinlich wie die Annahme von François-Olivier Touati, wonach der nach Argenteuil verbannte Rigord mit seiner zweiten «Gesta»-Redaktion die Anerkennung seiner Mitbrüder wiederzuerlangen versuchte. Weder Anlage noch Rezeption der «Gesta Philippi» lassen den Schluss zu, Rigord sei ein gescheiterter Autor Seit Generationen wurde die trojanische Herkunftsgeschichte als ein Kapitel in der Vergangenheit des französischen Königtums wahrgenommen und in den Schriften tradiert. Die «Historia Regum Francorum», welche überlieferangsgeschichtlich die letzte Auseinandersetzung mit der Trojaner-Thematik vor Rigord darstellt, bot gleichsam eine Version im Telegrammstil, was nahelegt, dass sich der Autor nicht aktiv mit diesem Vergangenheitskapitel auseinandersetzte, sondern es als eine Selbstverständlichkeit fortschrieb. Hinsichtlich der Franken-Etymologie ließ er sogar etwas Skepsis durchschimmern. Rigords Verdienst lag darin, sich wieder aktiv mit der trojanischen Herkunft beschäftigt zu haben. Auslöser hierfür dürfte keine bestimmte Erwartungshaltung von Seiten der Herrscherfamilie, sondern das Aufeinanderprallen verschiedener Versionen in den Schriften gewesen sein. Wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen Philipps um die englischen Festlandsbesitzungen und nicht zuletzt aufgrund der Autorität, die schriftliche Überlieferungen im Mittelalter besaßen, konnte sie Rigord schwerlich ignorieren. Ob er seine Argumente zur Entwaffnung der englischen Troja-Variante durch eigene Überlegungen oder im Disput mit seinen Mitbrüdern entwickelte, wissen wir heute nicht mehr. In der Aufpolierang der fränkisch-französischen Herkunftsgeschichte kam es ihm sicherlich nicht allein auf die Trojaner an, zumal diese zunächst als homines simpliciter viventes dargestellt werden, sondern auch und vor allem auf eine Kontinuität mit den Merowingern und Karolingern. Dies war die Botschaft, welche die Genealogie in den «Gesta Philippi» vermittelte und die gleichzeitig von den königlichen Gräbern in Saint-Denis ausging. Ihre Entsprechung fand sie in den Beziehungen zwischen der Abtei und der französischen Herrscherfamilie. ,

gewesen.348

347 Diese Annahme bei Touati, Rigord, 2003, 249f 348 Zu dieser Auffassung Touatis oben S. 248. 349 Historia Regum Francorum, ed. Waitz, 1851, 395.30-32: Anthenor et alii profugi ab excidio Troie, Asia pervagata, Frigeque rege facto et cum suis inter Macedones remanente, transactis Meothidis paludibus, infinibus Pannoniae edificare civitatem nomine Sicambriam. Et constituerunt post mortem Anthenoris duos, Torgotum et Franclonem, a quo Franci, ut quibusdam placet,

appellat! Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 39, 200.2.

sunt

350

257

6. Relevanz

Widmungen Im Unterschied zu Geoffreys «Historia Regum Britannie» stehen die Dedikationen der 5 «Gesta Philippi» an den König351 und den Kronprinzen Ludwig mit dem Inhalt des gesamten Werks in enger Beziehung. Dieser Ausrichtung entspricht auch die Selbststilisierung des Autors zum „Chronographen des französischen Königs" im Prolog.353 Sie lässt allerdings in keiner Hinsicht die Schlussfolgerung zu, Rigord sei eine Art Hofchronist gewesen, zumal die Initiative für die Abfassung der «Gesta» weder auf den König noch auf eine Person aus seinem unmittelbaren Umkreis zurückgeführt werden kann.354 Auch wenn es sich ursprünglich um kein Auftragswerk handelte, wurde es doch auf Verlangen des Abtes Hugo von Saint-Denis355 vollendet. Nimmt man Rigord im Prolog beim Wort, dann war Hugo das heißt Hugo Foucaud, Abt von Saint-Denis in den Jahnicht nur an einer Fertigstellung, sondern auch an einer Veröfren 1186 bis 1197 fentlichung interessiert. Er dürfte als wichtigste treibende Kraft hinter einer Widmung des Werks an König Philipp gestanden haben. Unter Hugo Foucauds Nachfolger, Hugo von Milan, der von 1197 bis 1204 an der Spitze der dionysianischen Kongregation stand, wurde wohl ein zweiter Versuch unternommen, den Kapetingem die «Gesta» darzubieten, diesmal durch eine Adressierung an Philipps Sohn Ludwig. Nach heutigem Kenntnisstand handelte es sich bei der an Ludwig adressierten Fassung um eine zweite, chronologisch erweiterte Redaktion der ursprünglich an Philipp II. gerichteten Version. Geht man wie Delaborde davon aus, dass Ludwigs Heirat mit Bianca von Kastilien im Mai 1200 den Anlass für die Widmung gab357, so bemisst sich die Zeitspanne zwischen beiden Redaktionen auf ungefähr ein Jahrzehnt. Folgt man dagegen den Herausgebern der Neuedition, die Ludwigs zwanzigsten Geburtstag und die wohl in diesem Zusammenhang erfolgte Erhebung in den Ritterstand als möglichen Beweggrand für eine zweite «Gesta»-Fassung betrachteten358, so vergrößert sich der zeitliche Abstand noch

6.2.2.3

-

-

weiter.

351

[...]

hoc opus in lucem protuli et christianissimo regi humiliter obtuli

02, 118.3Í. 352

[...] quod ego serenissimeprudencie vestre litteras meas mitterepresumpsi, et lucubraciunculam quandam [...] vobis primum videndam et legendam destinavi [...]. Ebd., Widmung, Kap.01,

112.20-24. 353 Siehe oben S. 246. 354 So auch Baldwin, 355

356 357 358

[...]. Ebd., Prologus, Kap.

Philip Augustes, 1986, 365; zuletzt Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 62. Tandem ad preces venerabilis patris Hugonis beatissimi Dyonisii abbatis cui ista familiariter revelaveram et ad ipsius instanciam, hoc opus in lucem protuli [.f. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Prologus, Kap. 02, 118.1-3. Zuletzt ebd., Introduction, 58. Vgl. Baldwin, Philip Augustes, 1986, 364. Dieser Zusammenhang indirekt bereits bei Delaborde, Notice, 1884,7. Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 67.

258

II.

Metamorphosen eines Mythos

Gestalten sich bis zu diesem Punkt die Motive und Hintergründe noch relativ klar, so ergeben sich doch erhebliche Interpretationsschwierigkeiten durch den veränderten Ton Rigords im zweiten Teil des Werks. Erstmals wird dieser innerhalb der Darstellung des Jahres 1193 greifbar, als der Autor mit bitteren Worten den Sinneswandel Philipps II. kurz nach der Heirat mit Ingeborg von Dänemark kommentierte. Noch am Tag der Hochzeit soll der König vom Teufel verführt und, wie man raunt, von irgendwelchen Zaubermitteln beeinflusst seine so lang ersehnte Gattin zu hassen begonnen haben. Nachdem Ingeborg gegen die von Philipp eingereichte Scheidung Einsprach erhoben hatte, sei von päpstlichen Legaten in Frankreich eine Versammlung (concilium) einberufen worden, um in der Angelegenheit zu beraten. „Aber weil die Hunde zum Schweigen gebracht wurden und aus Furcht um ihre eigene Haut nicht mehr fähig waren zu bellen, beschlossen sie nichts." Ähnlich kritische Worte begegnen auch im Kontext des Jahres 1199, wo Rigord sehr deutlich das Vorgehen Philipps II. gegen die Bischöfe tadelte und die bissige Bemerkung anschloss, dass die Spitze solch großen Übels schließlich erreicht gewesen sei, als Philipp seine rechtmäßige und rechtschaffene Gattin, Königin Ingeborg, im eigenen Schloss hinter Gitter und Riegel brachte.360 Aus Rigords Sicht hatte Philipp nicht nur durch diesen Ehe-Eklat, sondern auch durch die Verwüstung der Kirchen des englischen Königs Richard Löwenherz, die Besteuerung des französischen Klerus während der schweren Auseinandersetzungen im Jahr 1194, die Befürwortung der Rückkehr der Juden nach Paris 1198 und das große Interdikt von 1200 sein Ansehen als Verteidiger der Kirche befleckt.361 Es ist daher schwer vorstellbar, dass der Verfasser der «Gesta Philippi» unter Fürsprache seines Abtes dem Königssohn eine derartig unverblümte Kritik an dessen Vater kredenzte. Sie passt auch überhaupt nicht zu dem idealisierten Bild, welches der Autor von Philipp II. im Widmungsschreiben an den Thronfolger zeichnete. François-Olivier Touati hielt es für opportunistisch und ungeschickt zugleich, dass der Autor das Werk in diesem Zustand noch einmal an den Mann zu bringen versuchte. Bei seiner Argumentation berücksichtigte er indes nicht, dass Rigord als einfacher Mönch gar nicht die Handlungskompetenz besaß, eigenmächtig über die Zweckbestimmung seiner Zeilen zu entscheiden. -

-

359 Sed mirum! eadem die [i.

e. matrimonii], instigante diabolo, ipse rex, quibusdam, ut dicitur, maleficiis per sorciarias impeditus, uxorem tarn longo tempore cupitam exosam habere cepit. [...] Qui [i. e. legati] Parisius venientes convocaverunt concilium [...] in quo tradaverunt de reformando matrimonio inter Philippum regem et uxorem ejus Ingeburgem. Sed quia fiactt sunt canes muti non valentes latrare, timentes etiam pelli sue, nichil adperfectum deduxerunt. Ebd., Kap. 99, 320.11-13 u. 322.1-5. 360 Ad cumulum vero tocius mali, Ingeburgem uxorem suam legitimam, reginam sanctam, omnibus bonis moribus et virtutibus ornatam omniumque suorum solatio destitutam apud Stampas in castro suo reclusit [...]. Ebd., Kap. 138, 362.19-22. 361 Vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 379. Dazu Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 99, 320f; Kap. 108, 328; Kap. 133, 352.18-21; Kap. 138, 362-364. 362 Vgl. Touati, Rigord, 2003, 261.

6. Relevanz

259

Allein die Annahme, Rigord habe das Widmungsschreiben um 1200 bzw. 1206/1207 nicht der neuen363, sondern der alten Fassung beigefügt, vermag die erwähnten Widersprüche aufzulösen. In der Forschung ist eine solche Möglichkeit bisher jedoch nicht in Betracht gezogen worden. Die «Gesta Philippi» stehen in einer annalistischen Tradition364, ihre Struktur bilden chronologisch geordnete Einträge zu den einzelnen Regierangsjahren, in welche lange Passagen aus Urkunden Philipps II. integriert sind. Im zweiten Teil des Werks lässt die Kontinuierlichkeit des Erzählflusses keine langen Zeitabstände zwischen der Abfassung der einzelnen Jahresabschnitte vermuten. Die Ergänzungen zur ersten Fassung scheinen also entweder mit großer Regelmäßigkeit oder im Ganzen erfolgt zu sein. Damit ergeben sich für die Dedikation an Ludwig zwei Szenarien. Erstens: Rigord hatte zum Zeitpunkt der Widmung an der früheren «Gesta»-Version noch gar nicht weitergearbeitet. Oder zweitens: Rigord hatte bereits nach und nach Passagen hinzugefügt, wählte aber für die Widmung bewusst noch einmal die erste Version, um die Königsfamilie nicht zu verärgern. Wegen mangelnder Indizien bleiben beide Varianten hypothetisch. Ebenso wie die Hintergründe für eine mögliche Widmung der zweiten Fassung liegen auch diejenigen der ersten Fassung weitgehend im Dunkeln. Stimmt die Vermutung Elisabeth Carpentiers und der Herausgeber der Neuedition, wonach die erste Fassung bereits um 1190 fertiggestellt war, dann war Philipp damals entweder gerade im Beoder schon inmitten der Unternehmungen des griff, in Richtung Orient aufzubrechen, 65 sogenannten dritten Kreuzzuges. Folgt man dagegen den Ansätzen Delabordes und Touatis, so war der König inzwischen wieder nach Frankreich zurückgekehrt. Während der Abwesenheit Philipps II. in den Jahren 1190/1191 konnte das Werk seinen Adressaten freilich kaum erreicht haben. Wie immer man sich hier positionieren mag, eine Widmung der «Gesta» vor dem Hintergrund dieses Kreuzzugsunternehmens ist gut vorstellbar, denn Philipp besuchte kurz vor seiner Abreise Saint-Denis, um sich das vexillum aushändigen zu lassen, und verrichtete dort bald nach seiner Rückkehr Dankesgebete.366 Aber selbst wenn man mit Aristide Joly so weit ginge anzunehmen, dass die bei Rigord rédaction, accompagnée de la lettre

363 „Une seconde

continuée vraisemblablement jusqu'aux environs de l'année 1200, était au prince Louis écrite vers cette année." Delaborde, Notice, 1884, 9. In der Neuedition wurde Delabordes Drei-Stefen-Modell zugunsten einer Werkgenese in zwei Etappen aufgegeben. Dass die Widmung an den Prinzen Ludwig zur späteren Fassung gehörte, wurde aber auch hier nicht in Frage gestellt. Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Introduction, 66f u. 68-71. 364 Hierzu ebd., Introduction, 76; Touati, Rigord, 2003, 250; Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 47, hier im Zusammenhang mit Suger, in dessen literarischem Schaffen sich Parallelen zu Rigord erkennen lassen. Diese Beobachtung auch bei Carpentier, Histoire et informatique, 1982, bes. 14. 365 Zum Kontext Sivéry, Philippe Auguste, 1993, 99-121; Richard, Philippe Auguste, la croisade et le royaume, 1983. 366 Vgl. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/Pon/Chauvin, 2006, Kap. 76, bes., 272. 12-17 u. Kap. 84, 294-298. Die Herausgeber zogen eine Widmung der «Gesta» lediglich kurz nach Philipps Rückkehr nach Frankreich in Betracht (vgl. ebd., Introduction, 61).

260

//.

Metamorphosen eines Mythos

beschriebene und auf «Fredegar» zurückgehende gemeinsame Herkunft der TrojanerFranken und der Türken im Kontext der Kreuzzugsunternehmen neue Aktualität bekam,367 so war Rigord doch von einer politischen Instrumentalisierung dieser Idee, wie sie in späteren Überlieferungen greifbar wird weit entfernt. Was auch immer den Anlass für das Bedürfnis in Saint-Denis gegeben haben mag, die «Gesta Philippi» dem regierenden König und später dessen Sohn zu überbringen, Rigord dachte auch in späteren Stadien seiner Arbeit nicht daran, an der althergebrachten Herkunftsversion Änderungen vorzunehmen. Der Passus über die trojanischen Ursprünge blieb weiterhin ein integrativer Bestandteil der Erzählung über die Frühgeschichte Frankreichs und sollte auch künftig zum festen Repertoire der dionysianischen Geschichtsschreiber gehören. ,

Zeitgenössische Wirkung Obwohl Rigords Troja-Bezug Tradition hatte und durch die pro-kapetingische Ausrichtung des Werks beeinflusst war, darf sein Wirkungspotenzial nicht überbewertet werden. Bereits in diachroner Perspektive wurde auf den begrenzten Rezeptionsradius der «Gesta Philippi» hingewiesen. Als Gesamtwerk sind sie nur in der Fortsetzung Wilhelms des Bretonen erhalten; erst durch ihn scheinen sie rezeptionsgeschichtlich aus ihrem Schattendasein getreten zu sein. Unter den Zeitgenossen hatten «Philipps Taten» si6.2.2.4

cherlich keine breite Resonanz. Alles deutet darauf hin, dass ihr Leserkreis auf das bei Paris gelegene Benediktinerkloster Saint-Denis beschränkt blieb.369 Die seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts wieder gefestigten und intensivierten Bindungen zwischen der Abtei und den Kapetingem prägten auch die Herrschaftszeit Philipps II. Sollte Rigords Werk tatsächlich für eine Veröffentlichung bestimmt gewesen sein, dann hätte einer der Besuche König Philipps II. in Saint-Denis eine gute Gelegenheit für die Übergabe bieten können. Ob Rigords Zeilen den König aber wirklich erreichten, ist nicht nur aufgrund mangelnder Belege äußerst fraglich. Denn selbst wenn man davon ausginge, dass die «Gesta» zu ihrem Widmungsempfänger gelangten, hätte dieser sie wohl gar nicht lesen können, weil er des Lateinischen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mächtig war.370 Dies dürfte auch einer der Gründe dafür gewesen sein, warum Philipp sich nicht als Literatarmäzen betätigte371; er soll sogar das Beschenken von Spielleuten, Troubadoren und anderen Unterhaltungskünstlern grundsätzlich abge367 Vgl. Joly. Benoît, Bd. 1, 1870, 526, Anm. 1. 368 Dazu ebenfalls Spencer, Turks and Trojans, 1952, 330-332; 369 Eingehender hierzu bes. S. 170fr 370

Vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 259. Dagegen ging Vernet (Littérature latine, 1982, 797) davon aus, dass sich der König durch die Lektüre von Rigords «Gesta» unmittelbar von der Nützlichkeit seiner Unterstützung Saint-Denis' überzeugt habe eine Behauptung, für die überzeugende Argumente fehlen. Lateinische Literatur war am ,Hof Philipps II. nicht präsent, sehr wohl aber an anderen Adelshöfen des Reiches; vgl. Vernet, Littérature latine, 1982, bes. 793. -

371

Borgolte, Troia, 2001, bes. 203.

261

6. Relevanz

lehnt haben. Unter den wenigen Geschichtsschreibern und Dichtem, die direkt für oder über den König schrieben, kann lediglich Wilhelm der Bretone im literarischen Bereich als eine Art „offizieller Sprecher" des Königs angesehen werden, allerdings erst nachdem Philipp die Eheverbindung mit Ingeborg von Dänemark anerkannt (1213) und in der Schlacht von Bouvines (Juli 1214) einen glänzenden Sieg errangen hatte. Auch im Fall der dem Thronfolger Ludwig zugedachten Fassung ist unbekannt, ob sie an ihr Ziel gelangte. Immerhin sind wir aber durch Rigord darüber unterrichtet, dass der Prinz die nötigen Kenntnisse besessen hätte, um das ihm gewidmete Werk auch zu lesen.374 Damit böte sich zumindest theoretisch ein Anhaltspunkt dafür, dass das Wissen von der mythisch-trojanischen Vergangenheit über die Mauern von Saint-Denis hinausgelangte. Aber selbst wenn die «Gesta» weder Philipp noch Ludwig erreichten, kann doch vorausgesetzt werden, dass die Mitglieder der königlichen Familie von den mythischen Ursprüngen ihres Geschlechts zumindest einmal gehört hatten. Zudem könnte das ebenfalls von Rigord verfasste «Breve Chronicon» als Indiz für eine möglicherweise breitere Bekanntheit des Mythos gelten, vorausgesetzt natürlich, es diente tatsächlich als Grandlage für die Vorbereitung von Besucherführungen in Saint-Denis und die Mönche hielten das trojanische Kapitel der dynastischen Vorgeschichte ihren Gästen gegenüber überhaupt für erwähnenswert. 6.2.3 Leere Hülle

neuer

Inhalt

-

Trotz der engen

Bindung zwischen Saint-Denis und dem Herrscherhaus während der Regentschaft Ludwigs VI., die sich unter anderem in der Etablierang einer neuartigen, königszentrierten Geschichtsschreibung manifestierte, scheint die mythische Abstammung von den Trojanern zu Beginn des 12. Jahrhunderts nur noch ein Relikt aus alten Zeiten gewesen zu sein, das man gewohnheitshalber weitertradierte. Wamm Ludwig VII. schließlich gar nicht mehr mit den Trojanern in Zusammenhang gebracht wurde, ist schwer zu sagen, dürfte aber nicht allein auf einen Überlieferangszufall zurückzuführen sein. Vielleicht ist die Ursache darin zu suchen, dass Ludwig mit dem Usus brach, sich in Saint-Denis bestatten zu lassen.375 Vielleicht mag auch das lange Warten auf einen männlichen

Thronfolger, welches fast drei Jahrzehnte lang die Regierangszeit

überschattete, ein Grand dafür gewesen sein, dass man in Saint-Denis die Ludwigs Kontinuitätsfrage des Herrschergeschlechtes nicht weiter forcierte, drohte doch das KaVII.

372 Dazu Baldwin, Philip Augustes, 1986, 358f 373 Vgl. ebd., 365, 367, 380-383, 386. 374 [...] o puer, [...] quia litteras discitis et diligitis [...]. Rigord, Histoire, ed. Carpentier/ Pon/ Chauvin, 2006, Widmung, Kap. 01, 112.20. 375 Ludwig VII. entschied sich für eine Grablege in der von ihm gegründeten Kirche Notre-Dame-de Barbeau nahe Fontainebleau. Von den kapetingischen Königen ließen sich nur Philipp I. (10601108), Ludwig VII. (1137-1180) und Ludwig XI. (1461-1483) nicht in Saint-Denis bestatten. Vgl. Spiegel, Chronicle Tradition, 1978, 27.

262

//.

Metamorphosen eines Mythos

petingergeschlecht in der männlichen Linie auszusterben. Mit der Geburt Philipps II. 1165 war diesen Ängsten der Wind aus den Segeln genommen, und in Saint-Denis dürfte sich Erleichterung breit gemacht haben, weil der Fortbestand der Herrscherfamilie das Renommee der Abtei weiterhin garantierte. Rigords panegyrischer Ton im ersten Teil der «Gesta» muss schließlich auch vor dem Hintergrund der Teilnahme Philipps II. am sogenannten dritten Kreuzzug gesehen werden, war diese doch ein eindrückliches Zeichen für die Rolle des Königs als Protektor der Kirche.377 Ein Bezug auf die alten trojanischen Ursprünge unterstrich einmal mehr das Prestige der Kapetinger ein Prestige, das realpolitisch durch die Machtansprüche der englischen Herrscher, ideell durch die seit Geoffrey proklamierte trojanische Abstammung der Briten/Engländer ständig -

bedroht war. Die Behauptung trojanischer Wurzeln stellte allenfalls eines von mehreren Elemenbei weitem nicht systematisch ausgearbeiteten Herrschaftsideologie Phiten einer lipps II. dar. Wie der «Karolinus» des Aegidius von Paris und die «Alexandreis» aus der Feder Walters von Chätillon zeigen, verstärkte sich unter Philipps Zeitgenossen der Bezug auf den karolingischen Kaiser Karl den Großen und den makedonischen Herrscher Alexander den Großen.379 Zu spüren ist diese Tendenz auch bei dem mit der curia regis eng verbundenen Wilhelm dem Bretonen.380 Die panegyrischen Klänge erreichten den französischen König jedoch nur mittelbar. Der «Karolinus» entstand ca. 1195/1196 und wurde dem Prinzen Ludwig im September 1200 wohl zu dessen 13. Geburtstag gewidmet. Das Epos über Alexander den Großen war wiederum im Auftrag des Reimser Erzbischofs Wilhelm von der Champagne, einem Onkel und Berater Philipps II., entstanden. Hinzu kommt, dass die «Philippidos» Wilhelms des Bretonen381, die eine metrische Umsetzung der von ihm redigierten «Taten Philipps» darstellten, erst nach dem Tod des Königs vollendet wurden. Auch wenn diese durchaus „the most fully articulated statement of royal ideology of Philip's reign" waren, bleibt doch einzuschränken, dass sie ihre Wirkung erst posthum entfalteten.382 -

-

-

376 Zur

Nachfolgeproblematik

unter

-

Ludwig VII. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 367fr; Ders.,

Paris, 2006, 119. 377 Vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 379. 378 Hierzu ebd., 1986,355-393. 379 Vgl. ebd., 362-367; Lefèvre, L'image du roi chez les poètes, 1982. Kritisch zur Relevanz des trojanischen Herkunftsgedankens und der von den Historiographen entworfenen „légende royale" Foreville, L'image de Philippe Auguste, 1982, bes. 123, 130, 132. 380 Wilhelm der Bretone nahm vor allem auf Alexander den Großen Bezug. Vgl. Baldwin, Philip Augustus, 1986, 366fr, 383fr 381 Edition: Guillelmi Armorici Philippidos, ed. Delaborde, 1885. 382 Vgl. Tyson, Patronage of French Vernacular History Writers, 1979, 211-214; Baldwin, Philip Au-

gustus, 1986,362.

263

6. Relevanz

Für die herrscherliche Repräsentation der Kapetinger spielte im 12. Jahrhundert über Karl den Großen hinaus der Heilige Dionysius eine wichtige Rolle.383 Bereits unter Ludwig VI. wurde er nicht nur als Patron des Klosters, sondern auch als dux et protector der französischen Könige und des Reiches verehrt.384 In dieselbe Zeit geht auch das Recht der Abtei auf die nachgelassenen Kroninsignien zurück, welches für ihre privilegierte Stellung als königliche Nekropole maßgeblich war.385 Daneben wurden in SaintDenis einige Herrscherinsignien unter Philipp II. die Krone, das Szepter und Kleidungsstücke sowie die königliche Standarte aufbewahrt. Letztere wurde zu Philipps Lebzeiten mit der Oriflamme identifiziert, die Karl dem Großen zugeschrieben wur6 de. Bestandteil der legitimatorischen Bestrebungen der Kapetinger war darüber hinaus die Betonung der göttlichen Erwähltheit ihres Geschlechts.387 Innerhalb dieser Zusammenhänge ist es fraglich, ob sich Philipp und sein Sohn Ludwig in irgendeiner Weise mit ,ihren' trojanischen Vorfahren identifizierten. Obwohl in den entsprechenden Passagen Rigords eine eindeutig politische Aussage mitschwang, spielten die Trojaner bei der herrscherlichen Selbstdarstellung offensichtlich keine Rolle. Die in Saint-Denis gegen Ende des 12. Jahrhunderts erneuerten Bezüge auf den Troja-Mythos lassen sich lediglich als ein Angebot deuten, von dem ungewiss ist, wie es aufgenommen wurde. Nichts weist aber darauf hin, dass die Behauptung trojanischer Ursprünge im Frankreich des 12. Jahrhunderts realiter herrschaftslegitimierende und identitätsstiftende Funktionen besessen hätte. Die von Rigord erwähnten Zweifel der Zeitgenossen an den trojanischen Ursprüngen des französischen Herrschergeschlechts scheinen in der Tat Hand und Fuß gehabt zu haben. Denn der Überlieferung nach begegnen nicht nur in Saint-Denis, sondern in der gesamten französischen Literatur nach dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts bis Rigord keine trojanischen Ursprangsbehauptongen mehr. Dasselbe gilt für anderweitige Bezüge auf den Troja-Stoff, die sich überwiegend im weiteren Kontext des ersten Kreuzzuges, das heißt zu Beginn des 12. Jahrhunderts, verorten lassen.388 Rigord leistete mit Blick auf die französische Troja-Tradition trotz allem insofern einen wichtigen Beitrag, als er im Bereich der Chronistik der Tendenz eines drohenden Signifikanzverlusts des Mythos entgegenwirkte. -

-

383

384 385 386 387

Vgl. Chauou, Idéologie Plantagenêt, 2001, 41; Brown, Légitimité et prophétie, 1982 (Genealogien mit Karl dem Großen während der Zeit Philipps II.); Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 86; Bodmer, Französische Historiographie, 1963, 98f Vgl. Grosse, Saint-Denis vor Suger, 2002, 234. Für die spätere Zeit: Bodmer, Französische Historiographie, 1963, 99f. Vgl. Grosse, Saint-Denis vor Suger, 2002, 234. Hierzu Baldwin, Philip Augustes, 1986, 376f Vgl. Brückle, Noblesse oblige, 2000, bes. 51; Graus, Troja, 1989, dort mit entsprechenden Verweisen auf die einschlägigen Arbeiten von Marc Bloch, Ernst H. Kantorowicz sowie Colette

Beaune. 388 Diesen Überlieferungen widmen sich insbesondere S. 126-129.

264

//.

6.3 Sicards

Metamorphosen eines Mythos

trojanische Eintagsfliege'

Die Weltchronik des Sicard von Cremona fand im Zusammenhang mit dem Troja-Mythos noch keinerlei so dass auch die Frage nach der Relevanz der städtischen Gründungserzählung Cremonas nicht gestellt worden ist. Von Interesse war bisher vor allem der (später von Salimbene fortgesetzte) zeitgenössische' Teil des Werks, weil dieser wertvolle Informationen für lokal- und regionalgeschichtliche Stadien liefert und eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte des sogenannten vierten Kreuzzuges darstellt. Auf den ersten Blick fügt sich Sicards Troja-Erzählung, in der namentlich achtzehn Ortschaften mit angeblich trojanischen Ursprüngen aufgezählt sind, in das vorherrschende Bild, demzufolge ,,[i]m Mittelalter [...] rund 100 italienische Städte ihren Ursprung auf Troja zurück[führten]"391. Diese ohne solide Quellenbasis aufgestellte und mehrfach wiederholte wirft die Frage nach der Verallgemeinerbarkeit der Verbindung zwischen Troja-Mythos und italienischen Kommunen auf. Im zeitlichen Längsschnitt stellt die Erzählung Sicards von Cremona innerhalb der Großregion Italien die erste einigermaßen sicher datierbare trojanische Herkunftsversion des Mittelalters dar. Städtisch-trojanische Gründungserzählungen scheinen zuvor einzig in einem venezianischen Geschichtswerk thematisiert worden zu sein.393 Von einer langen Tradition wie in Frankreich oder in England kann nicht die Rede sein. Vielmehr handelte es sich um ein relativ junges Phänomen.

Beachtung389,

Behauptung392

mythische Anfange innerhalb der Darstellung des dritten Weltalters

6.3.1 Cremonas

Sowohl als auch im Exkurs über die Franken versah der Cremonenser Chronist mehrere oberitalienische Städte mit dem Etikett der ersten Trojaner-Gründungen nach liions Untergang. Dank der venezianischen Überlieferung, die Sicard an der entscheidenden Stelle hinzuzog, war ihm zweierlei gelungen: Einerseits hob er Cremona auf die gleiche Stufe mit anderen wichtigen Ortschaften der Region, andererseits bestimmte er durch den Bezug auf Rom deren Alter 389 Ercole Brocchieri ging auf die Troja-Passage am Anfang des Werks nur sehr kurz ein und merkte lediglich an, dass Sicard diesen Abschnitt einfügte, um die Ursprünge seiner Stadt zu erhellen. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 83 einschließlich Anm. 10. 390 Zum Quellenwert Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 1, 30-32; Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1009; Stohlmann, Sicard, 2000. 391 Graus, Lebendige Vergangenheit, 1975, 81, Anm. 38. 392 Verfolgt man einmal forschungsgeschichtlich, woher diese Annahme rührt, gelangt man bis zu Arturo Graf, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts diese Behauptung mit Blick auf zwei (!) um das Jahr 1500 verfasste italienische Chroniken aufgestellt hatte. Frantisek Graus (vgl. vorangegangene Anm.) bezog sich auf August Buck (Italienisches Selbstverständnis, 1963, 68), der auf folgendes Zitat von Arturo Graf zurückgegriffen hatte: „In Italia, oltre Padova, cent'altre città si gloriano di trojane origini". Graf Roma, Bd. 1, 1882, 25. 393 Dieser Punkt ausführlicher S. 152.

265

6. Relevanz

und damit Prestige. Entscheidendes Kriterium war hierbei, dass die venezianischen bzw. lombardischen Siedlungen früher als Rom entstanden waren. Anders als andere Autoren stilisierte Sicard jedoch keinen bestimmten Trojaner zur zentralen Figur. Er präsentierte die Entstehung Cremonas als kleinen Ausschnitt einer weit umfassenderen

Gründungsaktion,

so dass die Version, die er hier bot, gleichsam entpersonalisiert erscheint. Nichtsdestotrotz war damit im Kern eine identifikatorische Erzählung mit politischer Aussage entstanden. Dadurch, dass die Bischofsstadt Cremona ihre trojanische Vergangenheit angeblich mit anderen Städten teilte, schuf Sicard zumindest theoretisch einen weit in die Vergangenheit zurückreichenden geschichtlichen Referenzpunkt für die städtische Gemeinschaft. Zugleich implizierte seine Version Abgrenzungen: einmal gegenüber allen Nicht-Trojanem und dann (und vor allem) gegenüber anderen trojanischen Nachfahren. Mit den ,anderen' Trojanern meinte Sicard die Römer und die Franci. Von beiden erfolgte eine Distanzierang durch chronologische Argumente, durch die Proklamierang eines höheren Alters, denn sowohl im ersten als auch im zweiten TrojaPassus landen die aus Troja kommenden Flüchtlinge als erste an der Adriaküste im Golf von Venedig, wohingegen sie die Tiber-Gegend sowie Germanien und Gallien erst später besiedelten. Sicard untermauerte auf diese Weise kommunale Unabhängigkeitsbestrebungen und behauptete eine Vorrangstellung der genannten Städte. Auf der textlichen Ebene lassen sich also den Troja-Passagen in der «Crónica» zunächst die herkömmlichen identitätsstiftenden bzw. herrschaftslegitimierenden Funktionen zuweisen. Sicard von Cremona war in seiner Weltchronik sichtlich darum bemüht, die aus älteren Schriften überlieferten Erzählungen über die Trojaner zu einem stimmigen Bild zusammenzufügen. Dennoch präsentierte er keine stringent durchdachte Version der Frühgeschichte Cremonas und seiner Umgebung. Der kompilatorische Charakter in beiden Troja-Abschnitten unterbricht den Erzählfluss an mehreren Stellen und steht einer klar straktorierten Erzählung im Wege. Zudem wird Cremona in der zweiten Passage gar nicht mehr erwähnt, obwohl es hier ein weiteres Mal eine Gelegenheit gegeben hätte, auf die trojanischen Ursprünge der Stadt hinzuweisen. Sicards Argumentation ist nicht konsequent und hinterlässt das Gefühl, ihm sei die trojanische Vergangenheit an entsprechender Stelle zwar willkommen erschienen, aber er messe ihr keine übergeordnete -

-

Bedeutung zu.

6.3.1.1 Der Autor in seiner Zeit

Neben Liutprand von Cremona war Sicard der einzige Cremonenser, der während des Mittelalters durch seine literarische Tätigkeit überlokale Bekanntheit erlangte.394 Zweifellos zählte er zu den bekannten Chronisten seiner Zeit, auch wenn sein Ruf als Kano-

394

Vgl. Komorowski,

Bischof von Cremona, 1881, 1.

266

II.

Metamorphosen eines Mythos

nist und Theologe weitaus größer gewesen sein dürfte. Obwohl sich vieles zur Person Sicards von Cremona in dessen Werken und den städtischen Überlieferungen finden lässt , besitzen wir bis zur Bischofsweihe im August 1185 nur wenige gesicherte Angaben. Über die familiäre Herkunft Sicards „de Casalaschis", der um 1155/60 geboren wurde, ist kaum etwas bekannt. Man nimmt jedoch an, dass er aus Cremona stammte, weil er sich in seiner «Summa Decretoram» als „Sohn Cremonas" bezeichnet hatte.39 395

Über die von Sicard ausgehenden Impulse auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte vgl. Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1010fr Aus Sicards Feder stammte das erste systematische Lehrbuch des Kirchenrechts («Summa Decretoram»), das im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts wahrscheinlich in Mainz entstand und große Verbreitung fand. Vgl. Kuttner, Repertorium, 1987, 150fr; Von Schulte, Quellen und Literatur des Canonischen Rechts, Bd. 1, 1875, 143-145; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 32-56; Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1009fr Darüber hinaus verfasste er das «Mitrale», ein Handbuch der Liturgie, das zu den bedeutendsten Traktaten über Liturgie im Mittelalter zählt. Vgl. Sicardi Mitrale, ed. Migne, 1855; Kuttner, Biographie des Sicardus, 1936; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 57-80. Einige weitere Schriften, so der «Liber

Mythologiarum», die «Disputationes Theologicae», die für die Heiligsprechung verfasste Lebensgeschichte des Homobonus («Acta Et Obitus S. Homoboni Cremonensis»), die «Chronicorum -

Libri Diversi» und die «Historia Romanorum Pontificum» sind nicht erhalten. Unsicher ist, ob ihm der «Tractatus De Humilitate» zuzuschreiben ist, sicher jedoch gehen weder das «Principium Deus Omnipotens» noch die «Vita Metrica» des heiligen Imerius und des Homobonus auf seine Autorschaft zurück. Siehe dazu die Zusammenstellung der Werke Sicards bei Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1008; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 101-109. Brocchieri listet ferner Werke auf, deren Existenz bisher nicht verifiziert werden konnte, und erwähnt hierbei eine auf Sicards Autorschaft zurückgehende metrische Inschrift für das Grab seines Vorgängers Offredus. 396 Grundlegend zur Vita und zum literarischen Schaffen Sicards von Cremona: Sicardi Chronicon, ed. Migne, 1855, Notitia in Sicardum cremonensem episcopum, 9-12; Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 2-10; Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De vita Sicardi, 22-59 u. De crónica Sicardi, 59-78. Die Kritik Oswald Holder-Eggers an der Publikation Komorowskis war seinerzeit vernichtend, habe „die Kläglichkeit dieser Arbeit doch wohl alles, selbst in Dissertationen, in neuerer Zeit, [überstiegen]." (Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 474). Nach den inzwischen in vielen Punkten überholten biografischen Forschungen des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich zuletzt 1958 Ercole Brocchieri ausfuhrlich mit dem Leben und Werk des norditalienischen Bischofs auseinandergesetzt. Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 1115. Brocchieris Arbeit, die so manchen strittigen Punkt aufweist, nichtsdestotrotz aber allein schon ihres Umfangs wegen durch andere biographische Skizzen nicht ersetzbar ist, wird in neueren Publikationen häufig nicht genannt, so zum Beispiel in den Artikeln im LThK (Stohlmann. Sicard, 2000) und im LexMA (Aris, Sicard, 1995). Mit Schwerpunkt auf Sicards theologischrechtshistorischen Werken siehe ferner die Beiträge von Picasso, Sicard, 1990 (dort umfangreiche Literaturhinweise); Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965; Manser, Sicard von Cremona, 1937; Kuttner; Biographie des Sicardus, 1936; Von Schulte, Quellen und Literatur des Canonischen Rechts, Bd. 1, 1875, 143-145. Weitere Literaturhinweise zum Wirken Sicards bei Filippini, Sicardo e San Giovanni del Deserto, 2001, 13, Anm. 1. 397 Sychardus Crémone filius natione et Moguntine ecclesiae filius spiritualis translatione [...]. Zitiert nach Kuttner, Biographie des Sicardus, 1936, 476. Siehe auch Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 3. Aus dem Namenszusatz Sicards (Casalaschus, de Casalaschis) folgerte man, dass Sicards Familie aus Cásale stammte; vgl. Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 3.

267

6. Relevanz

Nach einem Studium in Paris und/oder Bologna wirkte Sicard eine Zeit lang als Kanoniker und Rechtsprofessor an der Mainzer Domschule, bevor Papst Lucius III. ihn damals wohl noch in der Stellung eines Subdiakons 1183 nach Verona rief und mit einer Gesandtschaft an Kaiser Friedrich I. betraute.398 Sicard folgte Offredus nach dessen Tod im Jahr 1185 auf den Cremonenser Bischofsstohl.399 Umstritten ist in diesem Zusammenhang nicht nur, welches Amt er unmittelbar zuvor bekleidete, sondern auch von wem und wo er die Bischofsweihe erhielt.400 -

-

398 Für die Zeit vor der Bischofswahl Sicards können nach Ercole Brocchieri drei Interpretationsrichtungen unterschieden werden: diejenige Holder-Eggers (a), diejenige Kuttners (b) und die „traditionelle" (c), welcher der Autor sich selbst anschloss (vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 8). Unberücksichtigt blieb hierbei die Hypothese Komorowskis, der unter Bezugnahme auf eine Notiz in der «Summa» ein Studium in Mainz vermutete (vgl. Komorowski, Bischof von Cremona 1881, 3f). Diese These ist später jedoch nicht wieder aufgegriffen ähnlich wie diejenige Holder-Eggers (a), derzufolge es zwei Sicards aus Cremona gegeben habe. Einer von ihnen sei Bischof von Cremona und Autor der Chronik gewesen, der andere Rechtsprofessor in Mainz und Autor der «Summa» und vielleicht auch des Mitrale. Als Sicard kurz nach seiner Ernennung zum Subdiakon (1183) im Auftrag des Papstes Lucius III. zu Kaiser Friedrich I. geschickt wurde, hielt er sich wahrscheinlich nicht mehr in Mainz und auch nicht in Cremona, sondern an der päpstlichen Kurie auf (vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De vita Sicardi, 24). In Anknüpfung an Lancettis These, derzufolge Sicards Bruder Amadeo Sekretär Friedrichs I. gewesen sei, fand Brocchieri eine Erklärung, warum dem noch jungem Subdiakon eine solch wichtige Mission anvertraut worden war (vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 9). Anders als Holder-Egger vermutete Stephan Kuttner (b), Sicard sei um 1170 in Frankreich, vielleicht auch Paris, gewesen, wo er nach dem Stadium als Theologielehrer und Rechtskanoniker bis ca. 1180 gelehrt und sein Kirchenrechtslehrbuch verfasst habe. Dann habe er einen Ruf nach Mainz erhalten. Über Erzbischof Christian von Mainz, der bekannt dafür war, Lehrer aus Paris in die Dienste seiner Kirche zu nehmen, sei Sicard schließlich zur Gesandtschaft an Friedrich gekommen (vgl. Kuttner, Réflexions, 1951, 37, zitiert nach Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 11). Brocchieri hingegen schloss sich der, wie er sie nannte, „traditionellen These" (c) an und ging davon aus, Sicard habe in Bologna studiert. Obwohl die Präsenz von Cremonenser Kanonisten an der Schule Bolognas nicht bezeugt ist, könne von einem Stadium Sicards in Bologna ausgegangen werden. Es sei auch möglich, dass er dort als Lehrer gearbeitet und wohl noch vor 1180 die niederen Weihen erhalten habe. Er sei dann Kanoniker der Kathedrale von Mainz und Rechtslehrer der dortigen Domschule geworden, wo er die «Summa» verfasste. 1183 sei er in Verona zum Subdiakon geweiht und anschließend zu Friedrich I. nach Deutschland entsandt worden, um ihn zu einer Unterredung mit Papst Lucius III. einzuladen, die im darauffolgenden Jahr auch tatsächlich stattfand (Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 8, 11). Von einem Stadium Sicards in Bologna gingen ebenfalls aus: Von Schulte, Quellen und Literatur des Canonischen Rechts, Bd. 1, 1875, 143; Lefebvre, Sicard de Crémone, 1965, 1008 (mit dem Hinweis auf Einflüsse aus der „französischen Schule"; ebd., 1009f); Aris, Sicard, 1995. Die Annahme, Sicard habe in Paris und Bologna studiert, bei Stohlmann, Sicard, 2000, sowie, unter Vorbehalt, Weinzierl, Sicard, 1964; Picasso, Sicard, 1990. Auf der Basis von Werkanalysen und überlieferten Quellen ist eine eindeutige Entscheidung zugunsten von Paris oder Bologna als Stadienort nicht zu treffen. 399 Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De vita Sicardi, 24. 400 Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 6; Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De vita Sicardi, 24f; Lancetti, Biografíe cremonesi, 1822, 26. -

268

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Metamorphosen eines Mythos

Sicards Erhebung zum Bischof fiel in eine Zeit, in der die Machtansprüche Friedrichs I. die noch jungen kommunalen Freiheiten in der Lombardei immer wieder zu gefährden drohten. Cremona gehörte seit Ende des 10. Jahrhunderts zu den wichtigsten Städten Oberitaliens und war um 1200 nach Mailand die mächtigste lombardische MeIm Gegensatz zu Mailand opponierte die Bischofsstadt zunächst jedoch nicht offen gegen den Kaiser und hatte auf diese Weise mehrfach kaiserliche Privilegien erwirkt.402 Dessen ungeachtet trat Cremona 1167 der Lombardischen Liga bei, die fünf Jahre nach der Zerstörung Mailands durch Friedrich I. zum Schutz der kommunalen Autonomie gegenüber der zentralistischen Staufer-Politik gegründet worden war und sich 1169 zum Wiederaufbau Mailands verpflichtet hatte.403 Nach der entscheidenden Niederlage der kaiserlichen Truppen in Legnano (1176) und nach dem Frieden von Konstanz (1183) verstärkten sich unter einzelnen Städten, besonders zwischen Mailand und Cremona und deren jeweiligen Verbündeten, die Rivalitäten. Der Lombardenbund war nun zu einer Dauereinrichtang und durch die 30-jährige Verpflichtung seiner Mitglieder auf Barbarossa zu einer „großräumigen Zwischeninstanz faktisch im Auftrag des Kaisers, die alle Mitglieder gleichschaltete", geworden. Vor allem durch die Politik der Mailänder sah sich Cremona in seiner Stellung gefährdet und brach die guten Beziehungen zu Friedrich I. ab. Die Interessenkonflikte zwischen den Bündnispartnern ausnutzend, überließ der Staufer die lombardischen Städte bald wieder ihrem Kräftespiel und konnte als intervenierender Dritter auftreten.404 Die mehrfache Erneuerung der Liga in den Jahren 1185, 1195, 1208 und 1225 diente lediglich dem Ziel, die erlangten städtischen Freiheiten zu Erst 1226, als Friedrich II. die volle Reichsgewalt über die lombardischen Städte durchzusetzen versuchte, betraten diese wieder in einer Allianz, dem sogenannten Zweiten Lombardenbund, die politische Bühne.4 6 Als Bischof von Cremona hatte Sicard immer wieder in den Konflikten mit Mailand vermittelnd einzugreifen. Vor allem die Orte Crema, Fulcheria, Guastalla, Luzzara und die Kastelle zwischen den Flüssen Adda und Serio, welche Cremona im Konstanzer Frieden 1183 an Mailand abtreten musste, waren heftig umstritten. Im Bündnis mit Friedrich II. konnte Cremona schließlich bei Castelleone 1213 und Cortenuova 1237 Mailand empfindliche militärische Niederlagen Während seiner fast dreißig-

tropole.401

verteidigen.405

zufügen.407

u. a. Menant, Cremona al tempo di Federico II, 1999, 20; Valieran! Cremona nel quadro conflittuale délie città padane, 1999, 41f. So in den Jahren 1157, 1162, 1164 und 1176. Dazu im Überblick Soldi Rondinini, Cremona, 1986; zum Privileg von 1176 auch Vignati, Lega Lombarda, 1866, 287-290. Vgl. Fasoli, Lega Lombarda, 1968, 151-153. Siehe Engels, Staufer, 71998, 102fr Vgl. Fasoli, Lega Lombarda, 1968, 159fr Siehe Vallerani, Cremona nel quadro conflittuale délie città padane, 1999. Zu den ereignisgeschichtlichen Hintergründen vgl. Leoni/Vallerani, Cremona e le città délia regione padana, 1999; Menant, Cremona al tempo di Federico II, 1999, bes. 19-24; Vallerani, Cremona nel quadro conflittuale délie città padane, 1999; Zandía, Federico II, Cremona, le crona-

401 Dazu

402 403 404 405 406 407

269

6. Relevanz

jährigen Amtszeit wurde Sicard aber nicht nur mit der wechselnden Bündnispolitik der Mitglieder der Lombardischen Liga, sondern auch mit innerstädtischen Auseinandersetzungen konfrontiert.408 Nicht selten bedeutete das für ihn eine schwierige politische Gratwanderang. Bei seinen Entscheidungen versuchte er, zwischen den politischen Gruppierungen zu vermitteln409 und die Balance zwischen Papst und Kaiser zu halten, indem er die Loyalität gegenüber dem Papst zu seiner Maxime machte und gleichzeitig dem Kaiser Folge leistete, solange die Rechte der Kirche und der Stadt nicht verletzt wurden. Zwischen diesen Fronten stehend, vermochte es Sicard mit diplomatischem ' Geschick, seine Kirche zu stabilisieren.41 Die Prinzipien seiner Politik hatte der CreBischof bereits in der «Summa Decretoram» formuliert, wo er eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Papst und Kaiser als wesentlich für die Stabilität des Reiches ansah. Als wichtiger politischer Exponent seiner Zeit war Sicard auch unmittelbar an den Vorbereitungen und Unternehmungen des sogenannten vierten Kreuzzugs beteiligt, denn er begleitete den päpstlichen Legaten Peter von Capua (Petras Capuanus) vermutlich vom Herbst 1202 bis zum Herbst 1205413 nach Armenien, Antiochia und Wieder aus dem Osten zurückgekehrt, hatte sich Sicard erneut mit den Konflikten innerhalb seiner Stadt und den Ansprüchen Mailands auseinanderzusetzen. Ein Schiedsspruch vom März 1210 bezeugt, um hier nur ein Beispiel zu nennen, des Bischofs Ansehen und Einfluss, betitelte er sich doch als episcopus et comes sowie als „Legat des apostolischen Stuhls, um für den Frieden in der Lombardei zu beten und monenser

-

Konstantinopel.414

-

ehe, 1999; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 15-17; Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De vita Sicardi, 25-38 (passim), 52-58; Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 4-9.

408 Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts kämpften die Faktionen der mildes und populares um Einfluss und Macht in Cremona. Der alte Adel verteidigte seine Rechte in der città vecchia, während die bürgerliche Schicht der Händler und Kaufleute in der città nuova großen politischen Rückhalt hatte. In den ersten Jahrzehnten des Duecento entstanden aus ihnen die politischen ,Parteien' der societas militum und societas populi, welche die alten und neuen Eliten Cremonas repräsentierten. Vgl. dazu Menant, Cremona al tempo di Federico II, 1999, bes. 29-33. 409 Laura Baietto argumentierte unlängst gegen eine Unparteilichkeit Sicards und zeigte, wie der Cremonenser Bischof in erster Linie die Interessen der milites unterstützte. Vgl. Baietto, Papa e città, 2007, 68-70. 410 Durch seine Vermittlerrolle und in Funktion eines päpstlichen Legaten in der Lombardei agierte Sicard von Cremona ganz im Sinne der damaligen päpstlichen Politik, die unter anderem darauf ausgerichtet war, mit Hilfe einflussreicher und diplomatisch geschickter Bischöfe vor Ort die Interessen zu wahren. Vgl. ebd., 67f. 411 Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 5f; Picasso, Sicard, 1990, 810. 412 Vgl. Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 12-14. 413 Dazu Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 16-18; Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 182, 184. 414 Zur Teilnahme Sicards am Kreuzzug erstmals Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 182, 198f Ausführlicher dazu Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 21-23.

270

//.

Metamorphosen eines Mythos

In der Ostkirche scheint Sicard

gleichfalls einen hervorragenden Ruf gehabt zu haben, denn er gehörte zur engeren Auswahl derjenigen Kandidaten, die der sterbende Patriarch von Konstantinopel 1210 als seine möglichen Nachfolger benannt hatte.416 Während seiner letzten Lebensjahre zog sich Sicard nach und nach von öffentlichen Verpflichtungen zurück und verstarb nach einer schweren Krankheit am 8. Juni 1215 in Cremona.417 zu

sorgen".

6.3.1.2 Motive Es lässt sich nicht mehr eindeutig bestimmen, wann genau Sicard seine Weltchronik verfasste. Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass er sie erst nach der Übernahme des Bischofsamtes in Cremona (1185) begann.418 Die Erzählung der «Crónica» gestaltet sich bis zum Jahr 1201 kontinuierlich und wurde zwischen 1205 und 1213 durch einzelne Einträge erweitert. In der heutigen Fassung finden sich nach Sicards Tod bis zum Jahr 1220 Ergänzungen eines anonymen Autors, an die sich ein verifizierter Erdbebenbericht unbekannter Provenienz aus dem Jahr 1222 anschließt.419 Vor dem Hintergrund dieser Werkgenese können die Troja-Referenzen nur grob in die Zeitspanne zwischen 1185 und 1201 datiert werden. Angenommen, Sicard schrieb sein Werk in chronologischer Reihenfolge nieder, dann ist die in die Darstellung des dritten Weltalters integrierte Troja-Passage früher enstanden als der später im Kontext der sechsten aetas behandelte Troja-Franken-Exkurs. Sicards Weltchronik bot weder eine Stadt- noch Dynastiegeschichte, war weder ein Auftragswerk noch an eine bestimmte Person adressiert. Aufgrund seiner einflussreichen Position als Bischof stellte für den Autor eine historiographische Betätigung kein Medium dar, mit dessen Hilfe er sich auf die Suche nach Patronen und Pfründen begab. Ein Blick auf Sicards umfangreiches literarisches Schaffen legt vielmehr nahe, dass er auch auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung seine Fähigkeiten zur Systematik und zum Bearbeiten umfassenden Materials umzusetzen bemüht war. Die «Crónica» ist 415 Vgl. Andenna, Episcopate Cremonese, 1999, 163. 416 Neben Kardinal Peter von S. Marcello und Robert de Curzou aus Paris stand auch Sicard von Cremona in der engeren Auswahl. Die Wahl kam indes nicht zustande, weil Papst Innozenz III. sie für ungültig erklärte. Dazu Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 26. 417 Vgl. Andenna, Episcopate Cremonese, 1999, 168; Picasso, Sicard, 1990, 811; zur Festsetzung des Todestages Sicards vgl. Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 9f. 418 Hinweise dafür liefern die vielen Details aus der Geschichte Cremonas in der «Crónica». Sicard, der vermutlich aus Cremona stammte, war von seinen Studien wahrscheinlich erst im Zuge seiner Ernennung zum Bischof nach Cremona zurückgekehrt. Für die Abfassung einer Chronik mit stadtgeschichtlichen Details hätte es wohl zuvor kaum einen Anlass gegeben, zumal Sicard in den Jahren davor an der «Summa» und dem «Mitrale» gearbeitet hatte. Zu Sicards Œuvre siehe oben S. 266, Anm. 395. 419 Zusammenfassend zur Werkgenese Picasso, Sicard, 1990, 813; Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 85f, 92. Grundlegend hierzu Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, bes. 179186.

271

6. Relevanz

nicht in großen Dimensionen, sondern als Buch angelegt, „welches das wissenswertheste aus der politischen, Kirchen- und Literaturgeschichte in gedrängter Uebersicht mittheilte".420 Sie bildete ein weltgeschichtliches Kompendium, welches bestehendes Wissen bündelte und tradierte. Eine didaktische Absicht dürfte hier sicherlich mit im Spiel gewesen sein. Obwohl Erich Komorowski 1881 lakonisch konstatierte, dass wir über die Veranlassung und Tendenz von Sicards «Chronik» nichts wüssten, äußerte er an anderer Stelle ebenso allgemein wie zutreffend, der Autor sei nicht nur seiner politischen Gesinnung nach, sondern in seiner ganzen Denkweise „ein treuer Sohn seiner Kirche" In der Tat darf die Motivation zur Abfassung der «Crónica» nicht allein in einer intellektuellen Herausforderung gesehen werden. Das Anliegen des Autors war umfassender. Gott so liest man im Prolog sei der Schöpfer aller Dinge und habe das Menschengeschlecht geschaffen, damit es für ihn lebe und sich immer wieder auf ihn als Ursprung von allem beziehe. Diese Prämisse bildete den theologisch-moralischen Ausgangspunkt für das historiographische Schaffen des Cremonenser Bischofs422 und spiegelte sich zugleich in der Konzeption der «Crónica», die als crónica ab exordio mundi nicht einfach vom Anbeginn der Welt an über Zeiten, Personen und deren Taten berichten wollte, sondern eine Auswahl aus dem präsentierte, was aus den Überlieferungen auch gegenwärtig noch zur Erinnerung an vorbildhafte oder warnende Beispiele und zur Kenntnis der Schriften relevant sei.423 Wörtlich genommen und auf die TrojanerPassagen bezogen konnte dies zweierlei bedeuten: Die trojanischen Wanderungen und Gründungen seien zu den erinnerangswürdigen und gegenwartsrelevanten Ereignissen der Weltgeschichte zu rechnen und/oder ein Rekurs auf sie war selbstverständlich, d. h. der Leser einer Universalchronik hatte von ihr Kenntnis zu besitzen, weil sie zum Ka-

gewesen.421

-

non

-

gehörten.

Blickt man aus dieser Perspektive auf die entsprechenden Abschnitte424, dann gibt es für beide Sichtweisen Anhaltspunkte. Durch die bewusste Interpolation, infolge der 420 Holder-Egger, Verlorene grössere Chronik, 1904, 210. 421 Vgl. Komorowski, Bischof von Cremona, 1881, 28, 31. 422 Rerum creator omnium et opifex earumdem genus humanum in ea sorte locavit, ut sibi sibique vicissim vivant, id ipsum quod vivunt ad principium omnium referentes. Huius itaque servitutis condicionem huiusve crediti me debitorem attendens, inter cetera philosophandi studia, licet ipse minus philosophus, scribendi conmendabile genus elegi, quo pariter corpus exercitatur et Spiritus. Et quidem corporis exercicio iumentum nostrum temperantiae freno conpescitur et parsimoniaefeno reficitur. Spiritus vero sollicitudine mens proficit in anteriora se extendens ceterisque proficiendi materiam tribuens; si tribuit in hylaritate, sub debito fine premium nanciscitur, ut, cum scribat, in libro vitae scribatur. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, Prologus, 78.1827. 423 [...] cronicam, id est temporalem narracionem ab exordio mundi de temporibus et personis et gestis earum, non omnibus, sed que nobis et nunc ad exempli et cautele memoriam scripturarumque noticiam expediré videntur [...]. Ebd., Prologus, 79.6-9. 424 Vgl. ebd., 79.20-30, 151.5-29 und die Transkription im Anhang.

272

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Metamorphosen eines Mythos

Cremona unter die von den Trojanern gegründeten Städte gereiht wurde, machte Sicard deutlich, dass es ihm wichtig war, auch seiner Bischofsstadt alte Ursprünge zu verlei-

hen. Dabei entsprach es durchaus einer historisch-argumentativen Logik, wenn er angesichts der großen Anzahl an Orten in der näheren und weiteren Umgebung Cremonas, die laut Überlieferung trojanischen Ursprungs gewesen sein sollen, auch Cremona eine ähnliche Vergangenheit zuschrieb. Unabhängig von der Prestigeträchtigkeit trojanischer Ursprünge dürfte sich Sicard auch bewusst gewesen sein, dass die Trojaner in einer Weltchronik nicht fehlen durften. Indem er sie wie andere Universalgeschichtsschreiber im Kontext der dritten aetas erwähnte führte er ein etabliertes Darstellungsschema fort. Pflichtbewusst trag er eine große Fülle an Informationen zusammen, was erklärt, warum er auf die Trojaner auch an späterer Stelle in einem gänzlich anderen Kontext noch einmal Bezug nahm. Indessen ist es wohl nicht allein einem Streben nach Vollständigkeit zuzuschreiben, wenn innerhalb des sechsten Weltalters die trojanischen Wurzeln der Franken erwähnt werden. Denn der Franken-Exkurs bot eine weitere Möglichkeit, auf die mythische Vergangenheit oberitalienischer Städte einzugehen. Aus dieser Perspektive liegt es auf der Hand, dass Sicards Argumentation durch den Rekurs auf die Trojaner in erster Linie auf die weit zurückreichenden zivilisatorischen Wurzeln der eigenen Stadt und der Region, der sie als historisch zugehörig dargestellt wird, abhob. Anders als deutsche Universalgeschichtsschreiber jener Zeit orientierte sich Sicard von Cremona nicht an dem Schema der vier Weltreiche426, sondern teilte seine «Chronik» in sechs Weltalter ein. Es war Augustinus, der dieses Ordnungsschema in Anlehnung an Hippolytas und Eusebius von Caesarea in jener Form theoretisch fundierte. Analog zum Sechstagewerk Gottes teilte dieser die Weltgeschichte in sex aetates ein und prognostizierte, die Welt werde am Ende des letzten Zeitalters mit der Wiederankunft Christi in einen ewigen Ruhezustand übergehen. Diesem geschichtstheologischen Verständnis folgend, wurde das Weltalter-Motiv bei Autoren wie Orosius, Isidor von Sevilla (im fünften Buch der «Etymologien») und Beda Venerabilis aufgegriffen und wirkte über diese auf die spätere mittelalterliche Chronistik fort.427 Es war wohl die Kenntnis dieser und/oder anderer Geschichtsschreiber, die Sicard, der übrigens exakt ,

425 Hierzu oben S. 89 sowie Reichert,

Spuren Homers, 2006, 259; Brunner,

Deutsche Troialiteratur,

2001,220. 426 Die Vorstellung von den vier Weltaltern ging zurück auf die Exegese der Träume Daniels und Nebukadnezars (Dan. 2.29-45 u. 7.1-27). Wegen der Verknüpfung mit dem Gedanken der Translate Imperil hatte diese Idee im Mittelalter neben ihrer eschatologischen Bedeutung einen außerordentlich politischen Gehalt. Dazu u. a. Baumgartner, Zu den vier Reichen, 1945; Marsch, Biblische Prophétie und chronographische Dichtung, 1972; Kratz, Translatio Imperii, 1991. Zur Vorstellung der vier Weltreiche und der Translatio Imperii in der staufischen Geschichtsschreibung Goez, Translatio Imperii, 1958, bes. 104-137. 427 Vgl. Tristram, Sex aetates mundi, 1985, 19-30. Grundlegend Schmidt, Weltalter als Gliederungsprinzip, 1967; Von den Brincken, Weltchronistik, 1957.

273

6. Relevanz

Einteilung des Augustinus folgt428, zur Übernahme dieses chronologisch-eschatologischen Gliederungungsprinzips anregten. Dagegen wäre unter Bezug auf das Weltr e i c h s schema die Behauptung einer vom Imperium Romanum unabhängigen Entstehung der lombardischen Kommunen kaum möglich gewesen, weil die Translatio-Imperii-ldee an die Geschicke des Römischen Reichs gekoppelt war und unter Friedrich I. der

Barbarossa in der Version einer autonomen Übertragung des Kaisertums im deutschen Reich neue Signifikanz erhalten hatte.429 Treffend ist in diesem Zusammenhang eine Beobachtung Amo Borsts, derzufolge man in Italien, „wo die Vielzahl der Städte das Selbstgefühl prägte und das Nationalgefühl hinderte", der staufischen Berufung auf die Macht des alten kaiserlichen Rom als adäquate Antwort nur eine universalgeschichtliche entgegenhalten konnte. Im Vorwort der «Chronik» schrieb Sicard von Cremona, er wolle sich nun, da er im Erwachsenenalter ein reiferes Werk als seine jugendlichen Mythologien (mithologiae) zu verfassen vorhabe, der Hirngespinste der Alten (comenta veterum) entledigen und eine Chronik schreiben, in der er Altes mit Neuem verbinden und dabei Wahres oder der Wahrheit am nächsten Liegendes (vera de veris aut próxima veris) berichten wolle.431 In diesen Worten schwingt der Ansprach mit, sämtliches Material, das in das Werk einfloss, einer kritischen Prüfung unterzogen zu haben. Die Erwähnung der trojanischen Vergangenheit war durch ein solches Vorgehen nicht gefährdet, zumal ihr in universalgeschichtlichen Werken traditionell ein fester Platz zukam. Der Cremonenser Bischof suchte und fand unterdessen eine Möglichkeit, der Geschichte seiner Stadt in Anknüpfung an bestehende Traditionen eine historische Tiefendimension zu verleihen, wie es keinem zuvor gelungen war. Nicht auf mündlichem Wege weitergegebene Erzählungen, sondern seine profunden Kenntnisse der älteren Überlieferangen mussten Sicard zur Auffassung gebracht haben, eine Herkunft von den Trojanern sei etwas Erstrebenswertes und Prestigeträchtiges.432 Nur diese Grandüberzeugung liefert eine plausible Erklärung für den Versuch, auch Cremona unter die Trojanergründungen zu reihen. In der Art und Weise, wie der «Cronica»-Autor kompilierte und interpolierte, fanden zugleich zeitgenössische Konstellationen ihren Niederschlag. Hält man sich vor Augen, 428 1. aetas

Adam bis

Sintflut, 2.

aetas bis zu Abraham, 3. aetas bis zu David, 4. aetas bis und dem exilium, 5. aetas bis zur Menschwerdung Christi babylonischen Gefangenschaft bzw. bei Sicard bis zur Gründung Roms, 6. aetas seit Christi Geburt bis zum Ende der Welt bzw. bei Sicard bis zur eigenen Gegenwart. Vgl. dazu Brocchieri, Sicardo di Cremona, 1958, 83; Gerwing, Weltende, 1997, 2168. 429 Vgl. Van den Baar, Translatio Imperii Romani, 1956, 64-68. 430 Borst, Turmbau, Bd. 2.2, 1959, 704. 431 Verum cum puerilia puerorum erudimenta vanaque poetarum super verdate figmenta mitholovon

zur

zur

in

gias loquor

puerili

date

conscripserim, quia,

cum essem

parvulus, loquebar

parvulus:

-

ut

comentis evacuatis, vetustissima novis accumulons, vera de veris aut próxima veris, crónica scribo in etate virili, quiafadus vir evacuavi que erant parvuli. Sicardi Crónica, ed. 77o/der-Egger, 1903, Prologus, 78.27-31. 432 Zu den Quellen umfangreich S. 149-154. -

nunc veterum

274

//.

Metamorphosen eines Mythos

dass Sicard in seiner Funktion als Bischof das Gleichgewicht zwischen den streitenden Parteien auf lokaler wie überregionaler Ebene zu halten versuchte, so musste ihm die in der venezianischen Historiographie behauptete Unabhängigkeit der Lagunenstädte für eine Adaption geeigneter erscheinen als andere Troja-Erzählungen, ganz abgesehen davon, dass jene die einzige greifbare elaborierte Version mit regionalgeschichtlichen Bezügen lieferte. Die Behauptung, älter als Rom zu sein, machte es möglich, eine von den römischen Kaisern unabhängige Stellung historisch zu untermauern, und implizierte denselben Ansprach vielleicht auch gegenüber dem Heiligen Stahl. Dass Sicard keine eigenständige Gründungserzählung für Cremona entwarf, sondern die Ursprünge der Stadt in einem kollektiven Gründungsmythos verankerte, erhält durch die interkommunale Bündnispolitik jener Jahre Signifikanz. Dabei ließe sich die durch die trojanische Vergangenheit hergestellte Verbindung zwischen den venezianischen und lombardischen Kommunen als eine Anspielung auf realpolitische Hintergründe lesen, denn im August 1167 war die Lombardische Liga mit dem venezianischen Städtebund ein Bündnis eingegangen. Man mag die Tatsache, dass Mailand nicht unter den trojanischen Siedlungen genannt ist, der Quelle, auf die sich Sicard stützte, zuschreiben. Sicherlich kann dieses Detail aber auch als ein Seitenhieb gegen diesen mächtigen Widersacher Cremonas gedeutet werden. Auch wenn sich die Troja-Referenzen in der «Crónica» vielfältig und durchaus politisch interpretieren lassen, mit Blick auf die Gesamtkonzeption des Werks besaßen die Trojaner vor allem eine Art Brückenfünktion, die es ermöglichte, die Geschichte Cremonas und der lombardischen bzw. venezianischen Städte in die ganzheitliche Perspektive des Werks zu integrieren. Aus dieser Sicht relativiert sich jedoch der Stellenwert der trojanischen Vergangenheitskapitel. War die trojanische Vorzeit Bestandteil eines linearen, bis in die Gegenwart reichenden Zeitflusses, so verdeutlichte der in das dritte Weltzeitalter eingefügte Troja-Passus zugleich die große temporäre Distanz zwischen den Geschehnissen nach dem Untergang liions und den zeitgenössischen Ereignissen. Wäre es Sicards vorrangiges Anliegen gewesen, eine Gründungserzählung für seine Bischofsstadt zu etablieren und ihr Gewicht zu verleihen, dann hätte er seine Darstellung sicherlich anders gestaltet. Der weltgeschichtliche Maßstab verhinderte, dass den trojanischen Gründungen Exklusivitätscharakter zukam.

Wirkung(slos) Ist es ohnehin schon schwierig genug, über die Wirkung eines historiographischen bzw. literarischen Werks im 12. Jahrhundert Aussagen zu treffen, so sind im Fall der «Crónica» durch das Fehlen eines Auftraggebers oder Widmungsempfangers noch weniger Anhaltspunkte gegeben, über die eine Annäherung an diese Frage möglich wäre. Von der Konzeption her war das Werk für ein höfisches Publikum gänzlich ungeeignet. Hin6.3.1.3

433

Vgl. Fásol! Lega Lombarda, 1968,

153.

275

6. Relevanz

weise auf einen möglichen Rezipientenkreis böte eventuell Sicards Zugehörigkeit zu den Kanonikern der Kathedralkirche Cremonas, von denen er auch zum Bischof geDoch nähere Einzelheiten können hier nicht ermittelt werden. wählt worden war. Zwar wissen wir aus späterer Zeit, dass die «Chronik» von einigen Geschichtsschreibern verwendet wurde, doch ob sie bereits unter gelehrten Zeitgenossen bekannt war, ist fraglich, weil der Autor noch bis kurz vor seinem Tod an ihr weiterarbeitete und es keine Anhaltspunkte für eine Vorabpublikation früherer Redaktionen gibt. Unbekannt ist ebenfalls, ob sich Sicard mit anderen Personen über seine Version der Stadtgründung in schriftlicher oder mündlicher Form austauschte. Aus keiner Zeit, auch nicht aus dem Spätmittelalter, sind in den städtischen Überlieferungen Indizien dafür überliefert, dass der Troja-Mythos in Cremona irgendeine Rolle gespielt hätte oder gar von den städtischen Eliten adaptiert und propagiert worden wäre. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl der städtischen Gemeinschaft auf andere Weise gestärkt wurde: in spiritueller Form, durch Heiligenkulte, durch politische Grappenbildung oder militärische Aktionen.435 Sicard war der erste und gleichzeitig auch letzte Gelehrte, der versuchte, der Bischofsstadt Cremona trojanische Ursprünge zuzuschreiben.436 Kontinuität war seiner mythischen Stadtgründungsgeschichte nicht beschieden. Der Cremonenser Bischof hatte auf der Grundlage älterer Schriften einzig durch die Veränderung eines Namens ex novo eine Herkunftserzählung konstruiert, die zuvor in keiner Weise mit lokalen Traditionen weder mündlicher noch schriftlicher Art in Beziehung stand. Nimmt man noch einmal das Bild vom Mythos als einem an mehreren Enden fortgesetzten, mehrdimensionalen Netz auf, dann scheint Sicard die Fäden in seiner Hand zu einem solch merkwürdigen Knoten verknüpft zu haben, dass kein Fadenende mehr herausragte, an dem ein anderer hätte ansetzen können. Das ist umso erstaunlicher, als in anderen italienischen Städten wie Venedig oder Padua im Verlauf des Spätmittelalters trojanische Gründungserzählungen nicht nur ausgebaut und oft wiederholt, sondern sogar im Stadtbild visualisiert und geradezu popularisiert wurden. Über die Gründe hierfür kann nur gemutmaßt werden. Vielleicht war Sicards Herkunftserzählung zu wenig bekannt und zu wenig suggestiv, um nicht nur in den Köpfen weniger Gelehrter zu wirken. Eine assoziative Bezugnahme auf den Stadtgründungsmythos verhinderte sicherlich die etymologiefreie Verknüpfung des Stadtnamens mit den Trojanern. Im Vergleich zu anderen oberitalienischen Metropolen wie beispielsweise Venedig oder Florenz fällt außerdem auf, dass sich in Cremona eine städtische Historiographie, durch die dem Grün-

Andenna, Episcopate Cremonese, 1999, 162. Diese Vermutung bereits bei Holder-Egger, allerdings mit der Einschränkung, dass die Überlieferungen hierüber nichts berichteten. Vgl. Sicardi Crónica, ed. Holder-Egger, 1903, De vita Sicardi, 24. Hinweise hierfür u. a. bei Zanella, Federico II, Cremona, le cronache, 1999, 72 (Kanonisation und Kult des Homobonus) und 74 (interstädtische Allianzen als „ideologischer" Bezugspunkt); Rigon, Laici a Cremona, 1999; Zug Tucci, Costemi di guerra e cerimoniale civile, 1999. Hierzu eingehend S. 154, 156f

434 So

435

436

-

276

II.

Metamorphosen eines Mythos

dungsmythos neue Aktualität hätte verliehen werden können, weniger stark ausprägte. Nicht zuletzt müsste auch in Erwägung gezogen werden, ob nicht mit Homobonus, an dessen Kanonisierung (1199) Sicard maßgeblich mitwirkte, eine Identifikationsfigur zur stand, die anderen Erzählungen langfristig die Daseinsberechtigung streitig Verfügung 37 Die Trojaner jedenfalls konnten sich im historischen Bewusstsein der Cremachte. monenser nicht verankern. 6.3.2 Tradition und Innovation

Sicard von Cremona schuf eine bis dahin unbekannte Erzählung über die Ursprünge seiner Bischofsstadt, ohne damit die Etablierang eines neuen städtischen Ursprangsmythos anzustoßen. Die Trojaner-Passagen in der «Crónica» können wirkungsgeschichtlich kaum als erfolgreich bezeichnet werden. Nichtsdestotrotz hatte die Erzählung zumindest für den Autor Relevanz, und zwar insofern, als in dem von ihm gewählten Genre der Universalchronistik das Thema Troja traditionell fest verankert war. Die Behandlung des Troja-Stoffs muss zuallererst aus dieser Perspektive gesehen werden, zumal es ein Zeichen von Vermessenheit gewesen wäre, wenn Sicard auf die Trojaner verzichtet und damit wichtige Autoritäten wie Hieronymus und Augustinus ignoriert hätte. Sicards mytheninnovatorische Arbeit resultierte aus der Absicht, die vorgefundenen Stellen in Harmonie zum zeitgeschichtlichen Geschehen zu bringen; politische Motive dürften dagegen zweitrangig gewesen sein. Trojanische Stadtgründungsmythen, wie sie bei Sicard von Cremona und in der «Origo Civitatam Italie Seu Venetiaram»438 überliefert sind, stellten im Italien des 12. Jahrhunderts eine Ausnahme dar, und zwar nicht nur hinsichtlich ihrer kollektiven Erzählstraktar, sondern überhaupt im Bereich städtischer Gründungsgeschichten. Von der großen Anzahl der in beiden Werken erwähnten Trojaner-Siedlungen auf ein Massenphänomen zu schließen, ist gänzlich unbegründet. Denn nichts spricht dafür, dass in den aufgezählten Orten in irgendeiner Art trojanische Ursprünge behauptet wurden. Stattdessen sind die bei Sicard und in der «Origo» erwähnten Wurzeln zahlreicher Städte als Zuschreibungen von außen zu sehen. Diese Beobachtung gilt nicht nur für die lombardischen und venezianischen Kommunen, sondern ebenso für Rom. Ein Zusammenhang zwischen der Erneuerung der römischen Kommune Mitte des 12. Jahrhunderts und einem Rekurs auf die Idee trojanischer Wurzeln, wie er durchaus mit Blick auf die «Graphia Aureae Urbis Romae» und die «Multe Ystorie Et Troiane Et Romane» behauptet 437 Sicards Bemühungen im Zusammenhang mit der Heiligsprechung des Homobonus, denen wohl vor allem durch die (verschollenen) «Acta Et Obitus S. Homoboni Cremonensis» Erfolg beschieden war, scheinen das Ziel gehabt zu haben, eine einigende Bezugsperson für die streitenden Parteien zu schaffen und so nicht zuletzt Cremonas unabhängige Stellung zu bewahren. Vgl. Zanella, Federico II, Cremona, le cronache, 1999, 72; Aris, Sicard, 1995; Rigon, Laici a Cremona, 1999, 199-201. 438 Siehe oben S. 66fr, 112, 151fr

277

6. Relevanz

werden könnte lässt sich auch in diesen Werken nicht aufzeigen. Festzuhalten bleibt indessen, dass sowohl die «Graphia» als auch die «Multe Ystorie» ähnlich wie die Cremonenser «Crónica» oder das sogenannte «Chronicon Romualdi Salernitani»440 universalgeschichtlichen Traditionen verhaftet waren. Ein Rekurs auf die Trojaner war dadurch gewissermaßen vorprogrammiert, unabhängig von den Intentionen und Interessen der Verfasser. Zumindest bis zur Schwelle des 13. Jahrhunderts spielten trojanische Herkunftserzählungen für Identitäts- und Herrschaftsbildungsprozesse in Italien keine Rolle. Erst während der darauf folgenden Jahrhunderte scheint die Relevanz des trojanischen Herkunftsgedankens stark zugenommen und Städte wie Adelsfamilien als Gründungen bzw. Abkömmlinge der Trojaner involviert zu haben. Über das tatsächliche Wirkungspotenzial weiß man jedoch auch hier noch immer sehr wenig. Von einer Modeerscheinung, die nahezu alle italienischen Städte erfasst hätte441, ist aber sicherlich nicht auszugehen. Die bei Sicard und in den «Origo»-Redaktionen überlieferten Gründungsmythen können dennoch als frühe Zeugnisse einer sich ab dem 13. Jahrhundert verstärkenden Tendenz gelten, kommunale Gemeinschaften historisch zu fundieren, um auf diese Weise Ansprüche gegenüber konkurrierenden Städten bzw. dem Kaiser oder Papst geltend zu machen. Ebenso wie die trojanischen Herkunftserzählungen bewegten sich auch Troja-Referenzen ohne ursprangsmythische Ausrichtung in der Großregion Italien zwischen Tradition und Innovation. Die Wiederkehr etablierter Erzählmuster und die weitgehend voneinander unabhängige Entstehung der Troja-Bezüge verdeutlicht, dass eine Weitergabe des Mythos nicht auf mündlichen Traditionen basierte, sondern in erster Linie auf historiographische Kanones zurückging. Zeitgenössische Wahrnehmungen überformten die überlieferten Erzählungen und verliehen ihnen einen veränderten Sinn. Ein eindringliches Beispiel dafür ist Pisa442, zeigt sich hier doch, wie der Stoff durch die Konfrontation mit dem Orient im Kontext der seit dem Ende des 11. Jahrhunderts unternommenen Kreuzzüge an Bedeutung gewann. Durch das zunehmende Bedürfnis nach geschichtlicher Vergegenwärtigung und der Aufzeichnung aktueller Geschehnisse für zukünftige Generationen erlangte der Trojanische Krieg neue Relevanz. Die ihm traditionell zugemessene weltgeschichtliche Bedeutung lieferte ein passendes Paradigma, um zeitgenössische Entwicklungen, die als gewaltig, tiefgreifend und geschichtsträchtig empfunden wurden, zu beschreiben und zu vergegenwärtigen.443 ,

-

-

439 DazuS. 113-117. 440 Vgl. S. 117-119. 441 So Bizzocchi, Genealogie incredibili, 1995, 160f 442 Vgl. die Passagen im «Liber Maiolichinus» und die Grabinschrift des Buscheto. Dazu oben S. 124-126. 443 Vgl. auch den Abschnitt über die Belagerung Manteas in Donizos «De Principibus Canusinis» auf S. 124.

278

//.

6.4 Weshalb und wozu

Metamorphosen eines Mythos

Troja?

Die im Titel dieses Kapitels formulierte Frage kann alles andere als einfach und schon gar nicht eindeutig beantwortet werden. Auf der intentionalen Ebene lassen sich bei allen drei Autoren, die hier exemplarisch für Bezugnahmen auf den Troja-Stoff in Form von Herkunftserzählungen standen, Anhaltspunkte für die geläufige Annahme von einer herrschaftslegitimierenden und identitätsstiftenden Funktion von Gründungsmythen finden. Geoffrey und Rigord führten Herrscherdynastien auf mythisch-trojanische Wurzeln zurück und widmeten ihre Werke den mächtigsten Protagonisten ihrer Zeit: der eine (neben anderen) dem englischen König Stephan von Blois, der andere dem französischen König Philipp II. und dessen Sohn, dem zukünftigen König Ludwig VIII. Sicard dagegen thematisierte die Ursprünge der Stadt, in welcher er selbst lebte und als Bischof wirkte, und behauptete durch den Troja-Bezug ihre Eigenständigkeit gegenüber Rom sowie ihre gemeinsame Entstehung mit anderen lombardischen und venezianischen Kommunen. Spielte für den englischen und französischen Autor die Genealogie sowohl im Sinne von Herrscherfolgen als auch im Sinne von verwandtschaftlichen Linieine wichtige Rolle, so zählte für den italienischen Geschichtsschreiber lediglich en der Gründungsakt. Beide Ansätze implizieren jedoch gleichermaßen das Aufzeigen von Kontinuität und hohem Alter. Hinzu kommt in allen drei Fällen eine spürbar anti-imperiale Tendenz, insofern als der Rekurs auf die römische Version den Ausgangspunkt dafür bildete, die Unabhängigkeit der von anderen trojanischen Flüchtlingen gegründeten Herrschaften Diese Unabhängigkeitsbehauptungen bildeten kein Novum des 12. Jahrhunderts, sondern begegneten seit Jahrhunderten als ein Paradigma in der historiographischen Literatur.446 Geoffrey, Rigord und Sicard griffen bei der Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit unter veränderten Rahmenbedingungen auf bereits etablierte Deutangsmuster zurück. Verortet man die Troja-Passagen innerhalb des Gesamtwerks und fragt hiervon ausgehend nach der Zweckbestimmung der Texte und den Möglichkeiten der Vermittlung der in ihnen enthaltenen Informationen, so bleibt zunächst einmal festzustellen, dass sich der Aussagegehalt der einzelnen Erzählungen in Bezug zur Gesamtdarstellung ändert bzw. relativiert. In den Troja-Erzählungen verdichteten sich gewissermaßen die -

-

aufzuzeigen.445

444 Seit der Antike verband man den Untergang Trojas mit der Entstehung des Römischen Reichs und dessen Mittelpunkt Rom. Diese blieben auch im mittelalterlichen Denken ein wichtiger Bezugspunkt. Der sich mit den Stichwörtern Reichsidee, Romidee, Kaiseridee verbindende Themenkomplex sei hier nur angedeutet. Hierzu beispielsweise Tanner, Last Descendant of Aeneas, 1993; Homeyer, Trojanische Abstammungs- und Gründungssagen, 1982, bes. 95, 99fr; Scherer, Legends of Troy, 1963, XIII; Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio, 1929; Schneider, Rom und Romgedanke, 1926; Graf, Roma, 1882. Im Zusammenhang mit den fränkischen TrojaErzählungen vgl. Huppert, Trojan Franks, 1965, 227. 445 Siehe auch S. 81-84. 446 Für Rigord und dessen Fortsetzer siehe Baldwin, Philip Augustes, 1986, 381, 383fr Allgemein hierzu Beaune, L'utilisation politique, 1985, 339; Klippel, Trojanersage, 1936, 4.

279

6. Relevanz

herrschaftspolitischen Bezugsrahmen der jeweiligen Großregionen. Geoffrey und Rigord konzentrierten sich in ihren Darstellungen auf die englischen respektive französischen Könige und das von ihnen regierte Reich, wohingegen Sicard sein Augenmerk verstärkt auf kommunale Entwicklungen richtete und damit auf die Abwesenheit einer starken Zentralgewalt reagierte. Schon allein aus dieser textimmanenten Perspektive fällt der Gegenwartsbezug in den drei Herkunftserzählungen unterschiedlich stark aus. Geoffrey bot eine Geschichte der Besiedlung der Insel Britannia und ihrer ersten Herrscherdynastie, ohne unmittelbare Anknüpfungen zur Gegenwart herzustellen. Rigord dagegen schrieb für und über den damals regierenden französischen König, blickte in einem Exkurs auf die fernere Vergangenheit zurück und ließ dadurch das vergangene Geschehen in unmittelbare Nähe kommen. Sicard schließlich integrierte die trojanischen Ursprünge Cremonas in eine globale Sicht, rückte durch seine chronologisch fortlaufende Darstellung die trojanischen Wanderungen in entlegene Zeiten, betonte aber zugleich ihre weit- und regionalgeschichtliche Bedeutsamkeit. In keiner der Erzählungen bildete der Gedanke trojanischen Ursprungs ein das Werk strukturierendes Element. Im gesamten Untersuchungszeitraum bot nur Gottfried von Viterbo eine solch stringente Darstellung und verabsolutierte damit den Mythos.447 Die

Frage nach den Funktionen bzw. dem Funktionieren der Funktionen der drei

exemplarisch untersuchten Texte führt in allen drei Fällen zu der durchaus ernüchternden Erkenntnis, dass diese für die Rezipienten der damaligen Zeit keinen identifikatorischen bzw. herrschaftslegitimierenden Bezugspunkt bildeten. Zwar spiegelten die Erzählungen jede auf ihre Weise politische Konstellationen und enthielten politische Implikationen, doch die analytische Unterscheidung zwischen Intention und Wirkung lässt keine direkten Rückschlüsse allein von der Behauptung trojanischer Ursprünge auf politische Instrumentalisierungen außerhalb der Texte zu. Dieser Befund gewinnt umso mehr an Gewicht, als er für alle drei Untersuchungsregionen zutrifft und es sich überdies bei den ausgewählten Beispielen um relativ elaborierte Versionen trojanischer Herkunftserzählungen handelt. Gerade mit Blick auf die begrenzte Vermittlung zwischen Text und Publikum kann den trojanischen Herkunftskonstraktionen im 12. Jahrhundert keine nennenswerte Rolle bei Gruppen- und Herrschaftsbildungsprozessen zugeschrie-

ben werden. Wenn aber eine herrschaftslegitimierende und identitätsstiftende Wirkung der mythischen Herkunftserzählungen im Untersuchungszeitraum nicht vorauszusetzen ist, weshalb konnte der an sich heidnische Troja-Stoff im Mittelalter dennoch immer wieder aufs Neue zu einem Bezugspunkt werden? Die konstatierte Funktionsaporie erfordert andere Erklärangsansätze als die in der historischen Mittelalterforschung etablierten. Insbesondere muss eine isolierte Betrachtung der trojanischen Herkunftserzählungen aufgehoben und das Augenmerk auf die Motive des Autors, seine Darstellungsweise und die unmittelbaren Entstehungsbedingungen des Werks gerichtet werden. Auf diese 447

Vgl. dazu S.

110-112.

280

II.

Metamorphosen eines Mythos

Weise wird man in Ursprangsbehauptangen wie in anderen Troja-Reminiszenzen mit einer Fülle an Bedeutangsebenen konfrontiert, angesichts derer eine rein herrschaftspolitische Verortang und Interpretation der Herkunftserzählungen eine starke Verengung der Perspektive bedeutet. In Werken, die herkömmlich dem Bereich der Historiographie zugeordnet werden, sind die Trojaner weder als Heldengestalten noch als sakrale Figuren dargestellt. Es waren keine bestimmten persönlichen Eigenschaften, die einen Trojaner wie Aeneas, Brutus oder Francio zu einer Referenzperson werden ließen. Losgelöst von den epischen Tönen Vergils, war es vielmehr das Faktum ihrer Wanderung und der Klang ihrer NaDurchmen, die mittelalterliche Geschichtsschreiber zu einer Bezugnahme aus vergleichbar mit dem biblischen Turmbau zu Babel, mit dessen Hilfe die Entstehung der verschiedenen Sprachen und Völker erklärt werden konnte boten die Wanderungen der Flüchtlinge nach Trojas Untergang eine Möglichkeit, die Ursprünge von Herrschaften und Städten zu erhellen. Noch bei Vergil ging der Ursprangsmythos mit Heroenkämpfen und Götterstreit Hand in Hand. Die durch die «Aeneis» maßgeblich geprägte römische Variante des Troja-Mythos, in der neben der Gründung Roms auch von den trojanischen Wurzeln der Julier und Kaiser Augustus' die Rede ist, konnte vor allem deshalb im Mittelalter fortwirken, weil die Kirchenväter sie in ein christliches Weltverständnis integrierten und auf diese Weise ähnlich wie es Arnold Esch jüngst für die Verwendung antiker Spolien im mittelalterlichen Rom gezeigt hat450 durch die Zeiten retteten. Sicard, Rigord und Geoffrey, die hier stellvertretend für viele andere stehen, hegten an der Faktizität des Trojanischen Krieges und seiner weitreichenden Folgen keinen Zweifel. Sie hielten vergangenes und für wahr befundenes Geschehen im geschriebenen Wort fest und ordneten das, was sie aufschrieben, in ein bestimmtes Weltbild ein, und zwar in eines, das zuallererst ein christliches war. Die Trojaner, von denen man genau wusste, dass sie vor der christlichen Ära gelebt hatten, waren Bestandteil desselben. Wenngleich des ursprünglichen Kontextes entblößt, behielt das antike Schriftgut für mittelalterliche Gelehrte Bedeutung und Troja damit seinen Platz in der Geschichte

anregten.448 ,

-

-

-

448 Zur

wahrgenommenen

Faktizität der

Troja-Erzählungen

stellvertretend Görich, Troia im

Mittelalter, 2006, 121; ähnlich bereits Grau, Trojasage, 1938, 25. Etymologische Aspekte wurden im Zusammenhang mit dem Troja-Mythos umfangreich behandelt, so dass hier nicht noch einmal

auf einzelne Arbeiten verwiesen wird. Eingehend zu Etymologien in der lateinischen Literatur besonders des 12. Jahrhunderts: Klinck, Lateinische Etymologie, 1970. 449 Grundlegend noch immer: Borst, Turmbau, 4 Bde., 1957-1963. 450 „[...] daß aus dem Nachlaß der Antike die verschiedenen Teile nicht gleiche, sondern völlig unterschiedliche Chancen der Überlieferung hatten; daß eine Überlebens-Chance nur das hat, was spätere Zeiten sich an-eignen; und daß überhaupt alles in wechselnde, neue Kontexte eingeht oder eben untergeht." Esch, Antike im Mittelalter, 2005, hier 14. Der Autor betonte in diesem Zusammenhang ebenso die „pragmatische Art der Wiederverwendung, die mit ästhetischer Wertschätzung, interpretatio christiana und anderen vielberedeten Auswahlkriterien nicht das mindeste zu tun hat und doch auch über das Schicksal antiker Stücke entschied." Ebd., 19. -

281

6. Relevanz

wie in der Literatur. Erst die moralisierend-wertende Vermittlertätigkeit spätantiker Autoren wie Augustinus, Hieronymus und Orosius schuf die Grandlagen für mittelalterliche Adaptionen451, verbürgte sie doch einerseits die Historizität dieses Mythenstoffes, während sie andererseits einen Freibrief für dessen weitere Verwendung ausstellte. In Anlehnung an diese Autoritäten berichteten viele spätere Chronisten nicht nur von trojanischen Ursprüngen, sondern rekurrierten ebenso in Datierungen452 und wertenden Vergleichen453 auf den Mythenstoff. Von Beginn an war das Bedeutongsspektram der Troja-Referenzen nicht auf fundierende Bezüge beschränkt. Dieser schon in der Spätantike vorzufindende Facettenreichtom erklärt nicht zuletzt auch, warum so manches historiographische Werk, in dem Troja zum Thema wird, ohne fundierende Bezüge auskam. Die dichterischen Nuancen antiker Troja-Texte bewahrten sich vor allem außerhalb der mittelalterlichen Chronistik, so in Grabinschriften, Lobgesängen oder antikisierenden Dichtungen.454 Bemerkenswert ist der um die Mitte des 12. Jahrhunderts in England spürbare Rückkopplungseffekt zwischen literarischen und historiographischen Referenzen. Denn die in Geoffreys «Historia» erfolgte Reaktivierang des Troja-Stoffs strahlte auf weitere Bereiche der Literatur aus, allen voran die französischsprachigen Romane. Der Erfolg dieser und anderer literarischer Bearbeitungen wirkte dann umgekehrt verstärkend auf die Geschichtsschreibung und trug zur Permanenz des Mythos bei. Nicht unwesentlich war dieser Effekt durch die Öffnung der Historiographie für höfisch-literarische Einflüsse sowie durch den Stellenwert historischer Themen in der Dichtung bedingt. Er lässt sich zeitgleich, wenn auch nicht in dieser Intensität, in der französischen Kreuzfahrerliterator und Dichtung des 12. Jahrhunderts beobachten und deutet darauf hin, dass Geschichte bzw. geschichtliche Stoffe zunehmend hoffähig wurden. Die sich während des Untersuchungszeitraums in den Troja-Bezügen spiegelnde Sonderrolle der englischen Literatur war durch das Zusammentreffen dreier „sozialer Entwicklungen" bedingt, die maßgeblich durch Einflüsse vom Kontinent (vor allem aus Frankreich) stimuliert worden waren: intellektuelle Erneuerung, Kultorsymbiose und Volkssprachlichkeit im Bildungsbereich.456 Die nicht nur in England zu beobachtende Arbeit am Troja-Mythos im Umkreis der Höfe weltlicher und geistlicher Potentaten war durch veränderte Wahrnehmungen und ein allgemein ansteigendes Bildungsniveau möglich geworden. Sie hatte verschiedene Ursachen, die hier nur kurz und keineswegs erschöpfend angedeutet werden können. Neben gewandelten politisch-gesellschaftlichen Konstellationen, im Zuge derer insbe451 452 453 454 455 456

Vgl. Ingledew, Troy, 1994, 666; Scherer, Legends of Troy, 1963, XII. Hierzu die Ausführungen S. 136-139. Vgl. S. 124f, 129f. Siehe dazu u. a. die Beispiele S. 124-126, 129f Dazu Gnädiger, Benoît, 1980, 1919. Short, Language and Literature, 2003, 210. Dazu u. a. auch Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 9

u.

11.

282

II

Metamorphosen eines Mythos

sondere die Städte an Gewicht gewannen, hatten Kreuzzüge, Pilger- und Handelsreisen Begegnung mit anderen Kulturen und Religionen geführt und die Wahrnehmungsund Wissenshorizonte nicht nur der Gelehrten zu verändern begonnen. In der lateinischen Welt war es im Hochmittelalter zu einem unvergleichlichen Aufschwung der Wissenschaft, zu einer „Revolution des Bildungswesens" gekommen, an der vermehrt auch Laien (durchaus beiderlei Geschlechts) teilhatten.457 Zugleich löste die Konfrontation mit Unbekanntem sei es auf eigenen Reisen, sei es durch die Präsenz von Fremden Fragen nach der eigenen Identität, nach dem Woher und Warum aus. Wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, profitierten Geoffrey, Rigord und Sicard von der „abendländischen und wirkten gleichzeitig an ihr mit. Alle drei Autoren hatten eine Ausbildung an höheren Schulen erhalten und stellten sich später zeitweise in ihren Dienst. Geoffrey lehrte wohl jahrelang als magister an einer der Oxforder Kanonikerschulen. Auch Rigord, der Medizin studiert hatte, betitelte sich als magister, wenngleich nicht klar ist, was sich hinter diesem Titel verbarg. Von Sicard schließlich weiß man, dass er eine Zeit lang an der Mainzer Domschule lehrte und mehrere Lehrbücher und Kompendien auf unterschiedlichen Gebieten verfasste. Alle drei Autoren besaßen profunde Lateinkenntnisse, die sie unter anderem durch die Lektüre klassischer Texte vertieft hatten. Welche Informationen sie schließlich in ihren Troja-Passagen verarbeiteten und wie sie dabei vorgingen, hing von der Konzeption des in Angriff genommenen Werks, den zur Verfügung stehenden Manuskripten sowie den persönlichen Vorlieben und Fähigkeiten ab. Sicard und Rigord folgten am stärksten den etablierten Traditionen Sicard, indem er sich in den vorgegebenen Bahnen der Universalgeschichtsschreibung bewegte, Rigord, indem er an die in seinem Kloster gepflegte historiographische Produktion anschloss. Nur Geoffrey brach sichtlich mit der monastischen Geschichtstradition, öffnete diese für höfische Einflüsse und reagierte damit unmittelbar auf ein gewandeltes Vergangenheitsinteresse seiner Zeitgenossen. Viele Autoren des 12. Jahrhunderts hatten eine ähnliche Ausbildung wie Geoffrey, Rigord und Sicard absolviert und ihr Wissen an antiken und christlichen Autoren geschult.459 Dieses Wissen konnte in ganz unterschiedlicher Form verarbeitet werden und ebenso in gelehrten Anspielungen und dichterischen Verarbeitungen einzelner Motive bzw. Szenen seinen Ausdruck finden. Selten waren diese frei von Wertungen und moralisierenden Tendenzen. Ob mit oder ohne fundierende Ausrichtung, der Trojanische Krieg und die Trojaner statuierten Exempel, vermittelten christliche Verhaltensmuster, setzten Wertmaßstäbe. Dabei konnten sie im Positiven wie im Negativen einen Referenzpunkt bilden, konnten hier ein Ideal, dort ein abschreckendes Beispiel verkör-

zur

-

-

Bildungsrevolution"458

-

457 Umfangreich dazu Borgolte, Europa, 2002, 280-309, das Zitat 296. 458 Ebd., 296. 459 Zur Vergil-Exegese exemplarisch Baswell, Virgil in Medieval England, 1995, 41-167. 460 Hierzu bes. S. 129fr, 139-141.

283

6. Relevanz

Bei alledem bleibt zu berücksichtigen, dass wohl nur einige der aus dem 12. Jahrhundert überlieferten Werke zur Veröffentlichung für ein breiteres Publikum bestimmt wawie auch die Beispiele Rigords und Sicards verdeutlichten besonders ren. Das gilt für den Bereich der Historiographie. Geoffrey von Monmouth bildete hier ein weiteres Mal eine Ausnahme, widmete er doch seine «Historia» nicht einer bestimmten Person oder Herrscherfamilie, sondern fasste gleich mehrere, politisch unterschiedlich gesinnte Adressaten ins Auge. Entsprechend dieser offenen Zielrichtung entbehrte die «Geschichte der Könige Britanniens» eines konkreten Bezugspunktes in der Gegenwart und bot verstärkt durch eine qualitative und suggestive Darstellung viel Freiraum für Anknüpfungen, der aus den oben angesprochenen Gründen fortan auch verschiedentlich genutzt wurde. Nichtsdestotrotz muss davon ausgegangen werden, dass sich der Troja-Mythen-Diskurs auch im 12. Jahrhundert noch immer auf einen kleinen, gebildeten Ausschnitt der damaligen Gesellschaft beschränkte. Im Unterschied zu früheren Jahrhunderten war dieser literate Kreis jedoch größer geworden und begann nun verstärkt die Welt der Laien zu erfassen. Geoffrey beispielsweise wirkte als Säkularkanoniker außerhalb klösterlicher Institutionen und sollte erst gegen Ende seines Lebens ein kirchliches Amt erhalten. Und selbst Rigord, dessen Werk innerhalb des Benediktinerklosters Saint-Denis entstand, dürfte mit seiner medizinischen Ausbildung zunächst eine weltliche Karriere angestrebt haben. Während sich die Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts häufig an der Grenze zwischen klösterlichen Traditionen und weltlichen Ambitionen bewegte, waren Schriften wie die antikisierenden Romane ausdrücklich an ein gebildetes LaienPublikum gerichtet. Mit Blick auf den Wissenstransfer verdeutlicht wohl kein Werk besser als die Sammlung der «Carmina Burana»461, wie diese wohl überwiegend für lateinisch gebildete Kleriker gedachten an Schulen und Universitäten, an Höfen weltlicher und geistlicher Fürsten Verbreitung fanden und dort zur Unterhaltung und intellektuellen Erbauung dienten.463 Wie bei den Romanen erfolgte hier die durch schriftliche Texte inspirierte Vermittlung von Troja-Mythemen auf mündlichem We4 und das weit über territoriale Grenzen ge Die sich im 12. Jahrhundert verstärkenden Bezüge auf den trojanischen Mythenstoff in allen drei Großregionen müssen vor dem Hintergrand veränderter Rahmenbedingungen gesehen werden. Zunehmende Mobilität, breitere Bildung, wachsendes Geschichts-

-

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Dichtungen462

-

hinweg.465

461 Zu den für die Analyse des Troja-Mythos relevanten Stücken siehe S. 144-146 462 Vgl. Carmina Burana, ed. u. übers. Fischer/Berndt, 1974, Nachwort, 861. 463 Siehe ebd., Nachwort, 861. 464 Sie wurden wohl zumeist gesungen vorgetragen. Ein Teil der «Carmina» ist mit Noten überliefert, doch da es sich um linienlose Neumen handelt, gestaltet sich eine Rekonstruktion des exakten Musikverlaufs und der genauen Tonschritte schwierig. Vgl. Carmina Burana, ed. u. übers. Fischer/Berndt, 1974, Nachwort, 861. Angaben zu den Melodien in moderner Umschrift ebd., 979f 465 Vgl. Schirmer, Kulturelle Rolle des englischen Hofes, 1962, 21.

284

II.

Metamorphosen eines Mythos

intéresse und vermehrter Rückgriff auf gelehrte Konzepte zur Erklärung von Kriegen oder Missständen sind nur einige der Faktoren, die hier zu nennen sind. Wenn man damals auf Troja rekurrierte, so tat man das aus verschiedenen Gründen und mit verschiedenen Absichten, immer jedoch unter Bezug auf schriftliche Überlieferungen, welche seit Jahrhunderten eine facettenreiche und zugleich verchristlichte Grundlage für verschiedenste Reminiszenzen boten. Seine Langlebigkeit verdankte der Troja-Mythos vor allem der den auctoritates verhafteten mittelalterlichen Geschichtsschreibung und weniger den antiken Autoren direkt.466 Erst im 12. Jahrhundert nehmen Bearbeitungen des Troja-Stoffs außerhalb der Prosa-Geschichtsschreibung spürbar zu467, ohne dass dies immer mit einem Verlassen des historiographischen Rahmens gleichbedeutend gewesen wäre. Sehr viel seltener begegnen Visualisierungen. Sieht man von wenigen Miniaturen einmal ab, so hat sich von ihnen, mit Ausnahme der Inschrift für Buscheto am Pisaner Dom, aus dem Untersuchungs(zeit)raum nichts erhalten.469 Der Aussagegehalt der Trojaner-Erzählungen und -bezüge war entsprechend den unterschiedlichen Erscheinungsformen vielfältig und spiegelte in der Regel die jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wider. In das Bedeutangsspektrum fallen gelehrte Zitate und kanonisierte Bezugnahmen ebenso wie lehrreiche Beispiele, idealisierende Darstellungen und prestigevolle Zuschreibungen. Ohne der mittelalterlichen Dichtung und Geschichtsschreibung ihren in vielen Fällen legitimatorischen Charakter absprechen zu wollen, sind doch politische Implikationen weder eins zu eins vom Gesamtwerk auf die in ihm enthaltenen Troja-Erzählungen übertragbar, noch können diese von den Texten ohne Weiteres in die Wirklichkeit projiziert werden.

466 Zu dieser Beobachtung gelangte vor einigen Jahren auch Christopher Baswell in seiner Studie über die Rezeption der «Aeneis» während des Mittelalters. Eine direkte Beschäftigung, ablesbar an einer großen Anzahl an Abschriften der «Aeneis», nimmt erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts spürbar zu, was jedoch nicht bedeutet, dass man Vergil zuvor nicht gelesen hätte. Vgl. Baswell, Virgil in Medieval England, 1995, bes. 30-33. 467 Ein wichtiger Stellenwert kommt in diesem Zusammenhang den Florilegien zu. Die meisten von ihnen entstanden ab der späten zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, insbesondere in Frankreich. Vgl. ebd., 35. 468 Man denke hier nur beispielsweise an Reimchroniken oder Kreuzfahrtgedichte. 469 Vgl. S. 124fr Erst für das Spätmittelalter konnten sie in die Analyse einbezogen werden (so Padua, siehe S. 160-162). Ein Überblick über Visualisierungen des Troja-Mythos im Mittelalter S. 15, Anm. 2.

III. SCHLUSSBETRACHTUNG

Anwendung modemer Mythostheorien auf die historische Mythenforschung bedingt einen Verzicht auf die übliche funktionale Begriffsdefinition und macht diese für facherübergreifende Untersuchungen anschlussfahig. Nicht zuletzt geht es bei dieser theoretischen Neuverortong auch um die kulturwissenschaftliche Frage nach der Bedeutung von Sprache als Konstituente von Wirklichkeit, und zwar nicht nur in der historischen Tiefendimension, sondern auch mit Blick auf die Selbstreflexion gebräuchlicher Begriffe und Darstellungsweisen. Durch einen offenen bzw. aspektiven Zugang (Mohn) wird von vornherein auf ein Kaleidoskop an Perspektiven gezielt, das den Mythos in seiner narrativen Struktur wahrnimmt und ein breites Bedeutongsspektrum berücksichtigt. Jede Bezugnahme auf den trojanischen Erzählstoff gilt in diesem Sinne als Arbeit am Mythos (Blumenberg), wobei die den Mythos konstituierenden Mytheme (Wunenburger) ganz unterschiedlichen Bereichen wie der Historiographie, Prosaliterator, Dichtung, bildenden oder darstellenden Kunst angehören können. Durch diesen die Grenzen des eigenen Fachs überschreitenden Ansatz kann der in den Quellen vorzufindenden Geschichtenvielfalt sowie der Tatsache Rechnung getragen werden, dass mannigfaltige Erzählungen in einer Region zeitgleich existierten und dieselben Personen durchaus in ganz verschiedener Weise auf Troja Bezug nehmen konnten. Eine Gleichsetzung des Mythos mit Herkunfts- und Gründungserzählungen vermochte bislang weder hinreichend zu erklären, wie in Zeiten vormoderner Staatlichkeit und Gruppenbildung durch mythische Ursprungskonstruktionen in der Praxis Herrschaft legitimiert und Identität gestiftet wurde, noch eine der Komplexität der Thematik gerecht werdende Antwort auf die allgemeine Frage nach den Gründen für die kontinuierliche Fortdauer und die Metamorphosen des Troja-Mythos im Mittelalter zu geben. Selbstverständlich kann eine sich weitgehend auf das 12. Jahrhundert und die Großregionen Frankreich, England und Italien beschränkende Fallstodie nicht den Anspruch erheben, Ergebnisse zu präsentieren, die sich pauschal auf das gesamte Mittelalter übertragen ließen. Sie stellt vielmehr einen ersten Schneisenschlag durch den Dschungel unübersichtlicher Forschungsliterator und fachspezifischer Zugänge dar und versucht zugleich, auf einer neuen theoretischen Grundlage textimmanente, literarische und historische Aspekte zu verbinden, um bestehende Ansichten über mittelalterliche Gruppenbildungsprozesse zu hinterfragen.

Die

286

777.

Schlussbetrachtung

Auf der Grundlage der unter mehreren Aspekten vorgenommenen Analyse der «Historia Regum Britannie» Geoffreys von Monmouth, der «Crónica» Sicards von Cremona und der «Gesta Philippi Augusti» des Rigord konnte eine über die textliche Ebene hinausreichende herrschaftslegitimierende und identitätsstiftende Funktion der trojanischen Herkunftserzählungen in ihrer Zeit nicht nachgewiesen werden. Entgegen der communis opinio ist davon auszugehen, dass die trojanischen Ursprungsmythen während des 12. Jahrhunderts insofern kaum Wirkungspotenzial besaßen, als die angesprochenen Personen oder Gruppen nicht aktiv auf den Mythos rekurrierten. Unverkennbar aber spiegelten die jeweiligen Troja-Passagen ebenso wie das gesamte Werk, in welches sie eingebettet waren zeitgenössische Denkmuster. Sie verrieten dabei in erster Linie etwas über die Sicht des Autors, seine Vorstellungen, Projektionen, Ideale sowie über die vom ihm imaginierte Erwartungshaltung des potenziellen Publikums. Insgesamt scheint es, als ob die Trojaner als Gruppe wegen ihrer Inhomogenität für einen Bezug weitaus weniger geeignet waren als einzelne Heroen. Aber auch die Faszination eines Aeneas, Brutus oder Francio reichte im 12. Jahrhundert bei Weitem nicht heran an diejenige eines Artus, Alexander des Großen oder Karl des Großen. Obwohl davon auszugehen ist, dass die Darstellung dann den Interessen der Adressaten am meisten entgegengekommen sein dürfte, wenn der Autor in enger Beziehung zu ihnen stand, verdeutlichen die drei Fallbeispiele, wie innerhalb der Erzählungen andere Elemente weitaus mehr im Vordergrund standen als der Gedanke -

-

trojanischer Abstammung. Allein eine Behauptung trojanischer Ursprünge besagt also noch nichts über das Selbstverständnis der angesprochenen Personen oder Gruppen. ' Interpretationen in dieser Richtung gewinnen erst dann an Gewicht, wenn die Vergangenheitskonstruktionen

von

den betroffenen Gemeinschaften selbst entworfen bzw. instrumentalisiert werden.

Für die Idee der Trojaner-Abkunft lässt sich dies erst im Spätmittelalter beobachten, zum Beispiel im städtischen Italien. Angesichts dessen, dass Sicard von Cremona jahr-

zehntelang eine

zentrale

geistliche

und

politische Führungsrolle

in seiner Stadt

innehatte, kann die von ihm fixierte städtische Gründungsversion trotz ihres Misserfolgs

durchaus als

Beginn dieser neuartigen Tendenz gedeutet werden. Fundierte chronologische Längsschnittuntersuchungen zu einzelnen Überlieferungstraditionen, die gerade in diesem Punkt genauer differenzieren und die dem Bedeutungswandel, welchem die Geschichtsschreibung im Laufe der Jahrhunderte unterlag, stärker als bisher gerecht werden, stehen jedoch noch aus. 1

Zu unterstreichen ist in diesem Zusammenhang noch einmal Helmut Beumanns Beobachtung, „daß die mittelalterlichen Geschichtsschreiber weit mehr, als vielfach angenommen wird, mit ihren Werken aktiv in das politische Leben eingreifen wollten und durchaus nicht immer in erster Linie ad memoriam posterorum zur Feder gegriffen haben. [...] Es bleibt dabei durchaus offen, ob der Autor im einzelnen die Motive der handelnden Personen zutreffend beschrieben hat, oder, allgemeiner gesagt, ob seine Reflexion auf das Geschichtliche im konkreten Fall für uns verbindlich sein kann." Beumann, Historiographie des Mittelalters, 1982 (1955), 143.

777.

Schlussbetrachtung

287

Nach allem, was über die Komposition und Genese der Texte sowie ihr Wirkungspotenzial in synchroner wie diachroner Perspektive ermittelt werden konnte, wurde die funktional-politische Bedeutung trojanischer Ursprungserzählungen nicht nur im 12. Jahrhundert, sondern auch in der Zeit davor bisher stark überschätzt. Doch auch für die Überlieferungen des späten Mittelalters bleibt noch weitgehend zu analysieren, welche Wirksamkeit die trojanische Herkunftsidee tatsächlich besaß. Unverkennbar begann sich im ausgehenden Hochmittelalter nicht nur die Qualität der Texte, sondern auch deren Vermittlung nachhaltig zu verändern. Das 12. Jahrhundert markiert eine Übergangszeit, in der die legitimierend-identifikatorischen Samen der Chronisten und Poeten langsam auf politischem Boden zu keimen anfingen und erste Triebe zeigten. Hatte sich der Herkunftsgedanke seit der Spätantike weitgehend von der epischen Breite des Mythenstoffes separiert und in der gelehrten Geschichtsschreibung sein Retugium gefunden, so rückte nun Historisches und Literarisches wieder enger zusammen und ging bisweilen, wie das Beispiel Englands zeigt, eine symbiotische Bindung ein. Für einen Autor des 12. Jahrhunderts war in den meisten Fällen vordergründig, den Geschmack der Personen, auf die sein Werk ausgerichtet war, zu treffen, ihnen zu schmeicheln, sie zu unterhalten und womöglich das eigene Prestige zu verbessern. Entscheidenden Einfluss auf die Troja-Reminiszenzen hatten dabei bestimmte Kanones bzw. auctoritates, deren Kenntnis unter anderem im Grammatik- und Rhetorikunterricht vermittelt wurde. Außer der Patristik sind antike und mittelalterliche Autoren zu nennen, wobei Vergil, Livius, Isidor von Sevilla, Paulus Diaconus oder Dares und Dictys nur einige sind, die sich hier aufzählen ließen. Werke wie der «Fredegar», Geoffreys «Geschichte der Könige Englands» oder Benoîts «Troja-Roman» führen aber auch vor Augen, dass es so etwas wie nationale Kanones gab, das heißt Überlieferungen, die zeitweise in einer Großregion bestimmte literarische Traditionen dominierten, ohne dass sich jedoch eine verbindliche oder standardisierte Version herausgebildet hätte.3 Eine für die Troja-Bezüge einheitliche Quellengrundlage gab es zu keiner Zeit. Mehrere Versionen konnten gleichzeitig und sogar innerhalb derselben Darstellung tradiert werden. Vom Prestige des Autors, der Erzähltradition, an die er anknüpfte, und dem Interesse einflussreicher Persönlichkeiten hing schließlich ab, ob eine Mythosversion auch in Zukunft Überlebenschancen hatte. Bestes Beispiel dafür, dass allein das schriftliche Fixieren eines neuen Mythems nicht automatisch dessen Fortbestand garantierte, 2

Treffend konstatierte Elisabeth Lienert, dass Troja wie kaum ein anderer historischer oder literarischer Stoff in mittelalterlichen Dichtungen der verschiedensten Gattungen und Zeiträume als allgemein und selbstverständlich verfügbares Bildungsgut geradezu omnipräsent gewesen war. Vgl. Lienert, Troja-Anspielungen, 1990, 199. Siehe auch Clemens, Genealogische Mythen, 2001, 4;

Brückle, Noblesse oblige, 2000, 41.

3

Mit Blick auf die fränkisch-französischen Behauptungen trojanischer Herkunft beobachtete bereits Helene Homeyer, dass die trojanische Abkunft zu einer literarischen Konvention erstarrt war, die dazu gedient habe, den Adelsstolz zu befriedigen. Vgl. Homeyer, Trojanische Abstammungs-und Gründungssagen, 1982, 101.

288

III.

Schlussbetrachtung

trojanische Stadtgründungserzählung, welche Sicard von Cremona für seine Kommune zu etablieren suchte: Sie war ohne Vorbild und blieb ohne Nachahmer. Troja war demnach kein von sich aus erstrebenswerter Bezugspunkt in der Vergangenheit. Herkunftserzählungen bedurften stattdessen eines aufnahmebereiten Umfeldes und der Zusammenarbeit politischer und intellektueller Eliten, um wirksam zu werden. (Re-)Aktivierungen des Mythos und Neuerungen im Erzählrepertoire fanden in allen drei Großregionen auf der Grundlage schriftlicher Überlieferungen und im Konnex mit den jeweiligen gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen statt. Nach wie vor im Raum stehende Behauptungen, es hätten in Italien seit der Antike kontinuierlich das gesamte Mittelalter hindurch auch mündliche Traditionen existiert, konnten nicht bestätigt werden. Mit Jean-Jacques Wunenburger lassen sich die Metamorphosen des Troja-Mythos im 12. Jahrhundert als „mythische Bastelarbeit" beschreiben. Nicht die Rezeption des Mythos per se, sondern die Neuorganisation seiner erzählerischen Architektur war Voraussetzung für Veränderung und Weiterleben des Mythos. Einzelne textuelle Glieder wurden nach der Reduktion ihrer Form und nach einer „Hybridisierung", das bildete die

heißt nach der Neukombination des Verbleibenden, zu neuen Einheiten zusammengefügt und mit Sinn aufgeladen. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass sich entgegen dem in vielen Mythostheorien beschriebenen Weg von der Verschriftlichung oraler Erzählungen die Richtung der Mythentradierung im 12. Jahrhundert und viel stärker noch in der Zeit danach umkehrt und Tendenzen einer erneuten Vermündlichung zeigt, die in einigen Fällen sogar einen gewissen Grad an Popularisierung erreichten. Das 12. Jahrhundert war in England, Frankreich und Italien eine Zeit wachsender und nachhaltiger (Re-)Aktivierungen des Troja-Mythos. Trotz aller Vielfältigkeit gestaltet sich das Spektrum der Geschichten und Geschichtensplitter in den drei Großregionen prinzipiell gleich. Keine der Bedeutungsnuancen ist nicht auch in den anderen Untersuchungsregionen zu finden. Hinsichtlich der Struktur und Thematik gleichen sich viele Rekurse, doch im Detail wird neben individuellen Überformungen so mancher regionalspezifischer Unterschied sichtbar. Das betrifft im Bereich der Geschichtsschreibung vor allem etymologische Herleitungen, durch die jeweils eine andere Gründergestalt ins Zentrum gerückt wird. Neben typologischen Unterschieden, für die stellvertre4

Vgl. Wunenburger, Mytho-phorie, 2003 (1994), 296f. Wunenburger unterschied weitere zwei Transformationstypen beim Übergang des traditionalen zum literarischen Mythos: die „hermeneutische Wiederbelebung" und die „barocke Transfiguration". Dem ersten Typ nach werden mythische Erzählungen durch Exegese und Hermeneutik zu Formen symbolischen Denkens. Der Mythos sei also nicht mehr bloße mündliche Erzählung, sondern diene in einem neuen kulturellen Rezeptionszusammenhang als Narrativ bzw. Argumentativ zur Erklärung von Sinngebung. Der zweite Typ bezieht sich dagegen auf die „freie Neuschöpfung" alter oder kulturfremder Mythen als einer „Rückkehr zum Mythos mit fiktionalisierender Intention". Es geht hier um bewusste Mythenadaption, ohne dass dieser ein vorheriger Identifikationsprozess zugrunde liege. Vgl. ebd., 295f, 297f Weil es sich bei den Troja-Reminiszenzen um gelehrte Überlieferungen handelte, an deren historischem Gehalt zur damaligen Zeit noch kein Zweifel bestand, sind beide Transformationstypen nicht auf das 12. Jahrhundert übertragbar.

777.

Schlussbetrachtung

289

tend die negativen Bezugnahmen auf Herkunftsbehauptongen oder die kollektiven Stadtgründungsmythen in Italien genannt seien, gab es auch gattongsspezifische Eigenheiten, so die Romanliteratur im anglonormannischen Raum. Hinzuweisen ist schließlich auf zeitliche Verschiebungen, spürbar etwa anhand verstärkter Troja-

Referenzen in Frankreich und Italien im Kontext des ersten Kreuzzuges oder anhand der Entstehung und des Erfolgs der volkssprachlichen «Bruts» bzw. der Romanliterator in England während der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Diese Unterschiede in den Großregionen haben Struktur- und ereignisbedingte Ursachen und sind Seismographen für kulturelle und politische Veränderungen. Die zeitgleiche Intensivierung verschiedenartigster Bezugnahmen auf den Mythenstoff im 12. Jahrhundert ist vor allem in Zusammenhang mit dem ganz Europa erfassenden Bildungsaufschwung zu bringen, der nun auch zunehmend die Welt der Laien erfasste. Das Wissen von Troja wurde jetzt einem breiteren Personenkreis und damit einer Politisierung bzw. Ideologisierung zugänglich. Zu beobachten ist dabei zunächst eine teilweise Loslösung des Troja-Mythos aus dem heilsgeschichtlichen Kontext der Historiographie. Bald jedoch sollte diese durch humanistische Geschichtsschreiber im Bestreben, noch hinter die trojanische Zeit zurückreichende Ursprünge zu konstmieren, wieder rückgängig gemacht bzw. neu hergestellt werden. Femer nahm die Stringenz fundierender Erzählungen zu, wodurch ihnen nicht nur ein größerer Stellenwert in den Darstellungen zukam, sondern auch eine weniger flickenhafte Gestalt. Die noch im 12. Jahrhundert oft anzutreffende narrative Offenheit in Gestalt eines Nebeneinanders von mehr als einer Herkunftserzählung oder mehreren Deutongsmöglichkeiten innerhalb desselben Werks weicht im Spätmittelalter dann zunehmend eindimensionalen Darstellungen mit eindeutig politischen Implikationen, bis schließlich durch zunehmende Quellenkritik grundsätzliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Traditionen angemeldet wurden. Ungeachtet seines heidnischen Ursprungs bildete der Troja-Mythos im Mittelalter kein historisches Gegenkonzept zu biblisch orientierten Paradigmata.5 Ihn als Ausdruck säkularen Geschichtsdenkens zu interpretieren, greift zu kurz, weil erst die Integration der antiken Geschichte in ein christliches Weltbild Ausgangspunkt und Grundbedingung für Bezugnahmen auf den Mythenstoff war.6 Wichtig blieb hierbei der Gedanke, die Trojaner seien Vorfahren der Römer gewesen. Als nobilitierende Ursprungsidee verband er sich seit Gaius Julius Caesar und seinem Adoptivsohn, dem

5

6

Horst Brunner hingegen bezeichnete Troja als „Paradigma der nicht-biblischen Weltgeschichte" und konstatierte: „Troja und die aus seiner Zerstörung folgenden Ereignisse traten gleichsam in eine Leerstelle ein, die durch die weltgeschichtlich sonst maßgebliche Darstellung der Bibel nicht abgedeckt wurde: sie lieferten die Vorstellung von der Herkunft der adligen Laiengesellschaft des Hoch- und Spätmittelalters." Brunner (Hrsg.), Deutsche Trojaliteratur, 1990, Vorwort, 3. Francis Ingledew drückte diesen Gedanken prägnant aus, indem er schrieb: „[...] the medieval Book of Troy was an ecclesiastically mediated text." Ingledew, Troy, 1994, 669.

290

777.

Schlussbetrachtung

späteren römischen Kaiser Augustus, unzertrennlich mit der Kaiser- und Romidee. Für die Kirchenväter Augustinus und Hieronymus markierte der Trojanische Krieg außerdem einen epochalen Wendepunkt in der Weltgeschichte. Solange ihre Autorität und die Wahrhaftigkeit ihrer Texte im Mittelalter nicht angezweifelt wurden, konnte in keinem universalgeschichtlich angelegten Werk des Mittelalters auf die Erwähnung Trojas verzichtet werden. In eine dogmatisierte Form wurde dieser aus christlicher Perspektive heidnische Erzählstoff jedoch nie gegossen, weshalb er formbar und für vielfältige Interpretationen offen blieb. Gegenüber früheren Rekursen auf trojanische Ursprünge erfahrt der Troja-Mythos im 12. Jahrhundert auch einen stärkeren städtischen Bezug. Dieser wird nicht nur in Italien, sondern ebenso in England und Frankreich anhand des durchaus erfolgreich zu nennenden Versuchs greifbar, wichtige Zentren wie London und Paris trojanisch zu fundieren. Der Anstoß zur Pariser Stadtgründungsversion scheint dabei von England seinen Ausgang genommen zu haben, während das Auftauchen ähnlicher Erzählungen in Italien davon unabhängig war. In diesen und anderen Varianten trojanischer Siedlungstätigkeit haben zeitgenössische Urbanisierungsprozesse Niederschlag gefunden. Vorläufer späterer Nationendiskurse waren trojanische Erzähltraditionen auf lange Sicht nur in den stärker zentralisierten Großregionen England und Frankreich. Wie man in diesem Zusammenhang das Reich einzuordnen hat, das ähnlich wie und doch anders als Italien dezentral organisiert war, wäre angesichts dessen, dass sich auch hier seit dem ausgehenden Hochmittelalter die Bezüge auf den Troja-Stoff und den trojanischen Herkunftsgedanken spürbar mehrten, ein zukünftig noch zu vertiefender Aspekt. Die im mittelalterlichen Westeuropa betonte Kontinuität mit dem Imperium Denn das Romanum war eine wichtige Grundlage für die Adaption des Römische Reich verkörperte einen heilsgeschichtlich legitimierten Anspruch auf Weltherrschaft und gehörte zum festen Bestandteil des universal ausgerichteten Vergangenheitsbildes im christlichen Abendland.9 Vor dem Hintergrund der Erneuerung des Kaisertums durch Karl den Großen und der sich in seiner Nachfolge sehenden Kapetinger bietet sie eine plausible Erklärung für die lange und relativ kontinuierliche fränkisch-französische Troja-Tradition, allerdings mit der Einschränkung, dass die aufzuzeigende Kontinuität zugleich auch immer eine Abgrenzung von den römischen Trojanern und ihren Nachfahren bedeutete. Die starken französischen Einflüsse im mittelalterlichen England, insbesondere seit der anglonormannischen Zeit, daneben auch die durch die Kaiserkrönung Ottos des Großen erfolgte Anknüpfung an karolingische Herrschaftstraditionen im ostfränkischen Reich sowie die im Hochmittelalter zuneh-

Troja-Mythos.8

7 8

9

Über die Anfange der trojanisch-römischen Ursprungsidee und ihre Bedeutung während der römischen Kaiserzeit unlängst Walter, Troia und Rom, 2006; Simon, Rom und Troia, 2001. So auch Scherer, Legends of Troy, 1963, XIII. Wie Nicholas Birns unterstrich, erhielt der TrojaMythos, dessen Schauplatz eigentlich im Osten liegt, erst während des Mittelalters seine „westliche Ausrichtung" („Western quality"). Vgl. Birns, Trojan Myth, 1993, bes. 45, 49-55. Vgl. Mierau, Einheit des Imperium Romanum, 2006, 281 f.

777.

291

Schlussbetrachtung

mende Präsenz der deutschen Könige im Regnum Italiae scheinen die Grundkonstellationen dafür geboten zu haben, dass bis zum 12. Jahrhundert Bezüge auf den mythischen Troja-Stoff allen voran in der Form von Herkunftserzählungen so gut wie ausschließlich in diesen vier Großregionen (Frankreich, England, Italien, Reich) -

-

begegnen. War ein wichtiger Impuls für mittelalterliche Troja-Bezüge zunächst vom Frankenreich im 7./8. Jahrhundert ausgegangen, so war es um die Mitte des 12. Jahrhunderts England, das Ausgangspunkt neuer mythomotorischer Bewegungen wurde. Diese fanden alsbald in weitaus größerem Umfang in vielen europäischen Regionen Resonanz und liefen zugleich mit anderen Reaktivierungen des Mythos parallel. Der Herkunftsmythos als eine unter mehreren Konkretisationen des Troja-Mythos war zunächst eine west(mittel)europäische Erscheinung. Seine breite, europäische Dimension, für die er bekannt ist, erhielt er erst seit der Wende zum Spätmittelalter. Auch wenn ein Bewusstsein grenzüberschreitender Zusammengehörigkeit mittels trojanischer Ursprünge durch Verweise auf ähnliche Herkunftsversionen anderer ,Völker', Familien oder Städte zum Ausdruck gebracht werden konnte, so geschah dies in der Regel der Vollständigkeit halber oder in konkurrierender Absicht. Heinrich von Huntingdons Hinweis, die Franci hätten ebenso wie die meisten europäischen Völker trojanische Wurzeln besessen, stellt für das 12. Jahrhundert ein singulares Zeugnis dar.10 Besonders aber die Tatsache, dass der trojanischen Herkunftsidee jederzeit zahlreiche alternative Ursprungsmythen den Exklusivitätsanspruch streitig machten, lässt nicht den Schluss zu, der Troja-Mythos habe während des Mittelalters ein europäisches Einheitsbewusstsein verkörpert. Wohl aber kann Troja als „europäischer Erinnerungsort" gelten, und zwar nicht nur hinsichtlich seiner fundierenden Rückführungen auf trojanische Ursprünge waren kein isoliertes Phänomen. Ohne die weiteren Geschichten und Geschichtensplitter, durch die Troja gleichfalls memoriert wurde, hätten sie wohl kaum in der vorzufindenden Form und Langlebigkeit überdauert. Darüber hinaus gilt auch für andere mittelalterliche Herkunftsbehauptongen, in denen antike Herrscher oder sonstige heidnische Gestalten vorkommen, dass diese nur durch die Vermittlungsarbeit christlicher Autoren Bestand haben konnten. Die Arbeit am Mythos sei es an einem Mythos wie Troja, sei es an einem wie Alexander dem Großen, Caesar oder Attila beschränkte sich im Mittelalter nicht allein auf Genealogien oder Gründungsgeschichten, sondern war geprägt von Wunschbildern, Ängsten, Stereotypen, die zu unterschiedlichen Gelegenheiten und mit unterschiedlicher Zielrichtung in den Mythen ihre symbolische Ausdrucksform fanden. Eingebunden in ein enges Geflecht von Kommunikation und Repräsentation, waren die Troja-Referenzen mehr als ein bloßer Rekurs auf einen be-

Erscheinungsformen.11

-

-

10 11

[...] sicut plereque gentes Europe, da Franci a Troianis duxerunt originem. Henry of Huntingdon, Historia Anglorum, ed. Greenway, 1996, Buch 7, Kap. 38, 478. Siehe auch S. 100. Anders Bernd Schneidmüller, der allein die Abstammungs- und Wandererzählungen im Blick hatte, als er Troja unter die europäischen Gedächtnisorte im Mittelalter reihte. Vgl. Schneidmüller, Europäische Erinnerangsorte, 2002, 50-52.

292

777.

Schlussbetrachtung

stimmten antiken Stoff. Sie konnten bisweilen sogar Ausdruck von Begebenheiten, Vorstellungen und Konzepten werden, die in der Realwelt erst in Zukunft eine Chance auf Durchsetzung besaßen. In diesem Licht gesehen, können mittelalterliche Herkunftsmythen in Großregionen wie Frankreich und England durchaus weiterhin als proto-nationale Erzählungen bezeichnet werden. Mit Blick auf andere Länder wie Italien wird man mit einer solchen Sichtweise indes vorsichtiger sein müssen. Auch wenn der Troja-Mythos in erster Linie durch zirkulierende Manuskripte oder Kompilationen und Kompendien Verbreitung fand, konnte er, obwohl das für die Chronistik zunächst weniger zutrifft, ebenso durch mündliche Vermittlung in Vortrag und Gesang oder durch Visualisierungen weitergegeben werden. All diese Formen waren Voraussetzung dafür, dass bereits existierende Erzählungen weitertradiert sowie durch Ergänzungen, Veränderungen und Auslassungen variiert wurden. Die hierbei zugrunde liegenden Prinzipien der Selektivität, Repetition und Sinndeutung gleichen den von Johannes Fried beschriebenen Grundlagen der „historischen Memorik". In diesem Sinne lässt sich der Troja-Mythos, und zwar unabhängig von seiner fundierenden Funktion, als Erinnerungsfigur beschreiben. Die Mythomotorik (Assmann), wie sie in verschiedensten Erscheinungsformen greifbar wird, kann als Ausdruck bewusster und unbewusster Gedächtnismodulation verstanden werden. Blickt man einem mittelalterlichen Autor beim Schreiben über die Schulter und behält dabei die komplexen Bedingungen im Auge, die dessen Federkiel lenkten, dann lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie das Mit-Formen des kollektiven Gedächtnisses von individueller und kommunikativer Erinnerungstätigkeit beeinflusst war. Die wiederholten Bezugnahmen auf den Troja-Stoff im Verlauf mehrerer Jahrhunderte und an unterschiedlichen Orten prägten den Mythos dem kulturellen Gedächtnis ein, sorgten für Kontinuität, die keine gleichbleibende war, sondern eine sich stetig wandelnde. Ohne dass dies den oben vorgenommenen Differenzierungen entgegen liefe, ließe sich der mittelalterliche Troja-Mythos als inhärenter Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses des lateinisch-christlichen Okzidents charakterisieren. Nimmt man die Kenntnis der homerischen Texte im griechisch-orthodoxen Osten hinzu, deren Rezeption und Verbreitung in ihren Einzelheiten erst noch zu erforschen sind, liegt sogar der Schluss nahe, dass Troja nicht nur in der Antike eine Erinnerungsfigur des griechischlateinischen Kulturkreises war, sondern dies auch weiterhin während des Mittelalters blieb. Der Troja-Mythos kann aus dieser Perspektive für ebenso europäisch wie christlich gelten. Seine europäische Signifikanz in der oft beschriebenen Reichweite erschließt sich erst uns Heutigen, im Rückblick; zu sehr waren die Zeitgenossen Partikularinteressen verhaftet. Sein christliches Gewand hingegen büßte er seit der mit dem Humanismus einsetzenden Neubewertung der antiken Texte allmählich wieder ein. 12

13

Dieser bei Martin Warnke in Bezug auf bildliche Medien herausgearbeitete Aspekt ist auch auf textliche Medien übertragbar. Vgl. Warnke, Bildwirklichkeiten, 2005, bes. die Ausführungen zur „Bilderfüllung", 54-71. Vgl. Fried, Schleier der Erinnerung, 2004.

777.

Schlussbetrachtung

293

Neuzeitliche Mythenkritik vermochte zwar den fiktiven Charakter des Troja-Mythos zu entlarven und damit seiner politischen Vereinnahmung eine wichtige Grundlage zu entziehen, seine Existenz gefährdete sie jedoch nicht. Gerade hierin offenbart sich die mythische Kraft des Troja-Stoffs.

294

Anhang Transkription des unedierten Troja-Abschnitts in der Chronik Sicards von Cremona (CLM 314, fol. 19v, li. Sp. Z. 37 re. Sp. Z. 3) -

5

vel, ut quidam volunt, .V., alii dicunt .VII. post excidium Troje Eneas Veneris et Anchise filius cum filio suo Ascanio, quem ex Creusa filia Priami regis Trojanorum generavit in Grecia, in Italiam venit. Sed prius in Siciliam, deinde in Affricam navigavit vel aptius Kartaginem, Didonem sibi sociavit, qua[m] brevi tempore relinquens in Italiam venit et

6

interfecto Lavinie sponso rege Rutilorum Laviniam filiam Latini

1

2 3 4

Anno tercio scilicet etate secunda

11

regis uxorem accepit, a qua Lavinium opidum, quod construxerat, appellavit, de qua genuit Lavinium Silvium Posthumum, qui dictus est eius filius, quia fuit in silva nutritus et dictus est Posthumus, id est post mortem patris natos. Regnavit autem Eneas defimcto Latino .III anno[s]. Ita qui tercius Enee fuit primus Samsonis et mortus est. Ante ipsum regnaverant, de quibus praediximus, Janus, Saturnus, Picus,

12

Faunus, Latinus circiter .CL annos.

7

8 9 10

Abkürzungen Abb. Abt. Anm.

Abbildung Abteilung Anmerkung

Art.

Artikel Band Beiheft biblisch

Bd. Beih. bib. ed. / Ed. erg. / Erg. Gf. Hl.

Hzg. Hztm.

/ Hrsg.

hrsg. i. e. Jh.

.

Kap. Kg. Kl. Ks.

li. Sp. N. F. N. S. re.

Sp.

T.

transi. / Transi.

ediert, edited, edidit, edente etc. / Editor, Edition

ergänze! / Ergänzung Graf

Heiliger Herzog Herzogtum herausgegeben von / Herausgeber id est Jahrhundert

Kapitel König

Kloster Kaiser linke Spalte Neue Folge Nuova Serie

rechte Spalte Teil translated / Translation

v(v).

Vers(e)

Z.

Zeile(n)

296

Siglen Archiv für Kulturgeschichte. Bullettino dellTstiteto Storico Italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano. Cahiers de Civilisation Médiévale Xe XIIe Siècles. Corpus Christianoram Continuatio Medievalis, Series in 4°. Bisher 5 Bde. Turnhout 1994-. Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters. Dizionario Biográfico degli Italiani. Bisher 68 Bde., Roma I960-. Dictionnaire de droit canonique, hg. v. Raoul Naz. 7 Bde., Paris 1935-1965. Dictionary of the Middle Ages, hg. v. Joseph R. Strayer. 14. Bde. New York 1982-1989; 1 Suppl.-Bd. New York 2004. Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. In Verbindung mit Hubert Cancik und Helmute Schneider hrsg. v. Manfred Landfester. 16 Bde. Stuttgart/Weimar 1996-2003; 4 Suppl.-Bde. Stuttgart/Weimar 2004-2005. Dictionnaire de Spiritualité, hg. v. Marcel Viller. 16 Bde. Paris 1932-1995. Folia Electrónica Classica [http://bcs.fltr.ucl.ac.be/fe/default.htm;

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Frühmittelalterliche Studien. Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster. Fonti per la storia d'Italia, pubblicate dall' Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. 118 Bde. Roma 1887-1993. Lexikon des Mittelalters. 9 Bde. München/Zürich 1980-1998; 1 Register-Bd. Weimar 1999. Lexikon für Theologie und Kirche. 11 Bde. Freiburg im Breisgau u. a. 319932001. Monumenta Germaniae Histórica inde ab a. C. 500 usque ad a. 1500. Hannover u. a. 1826-. MGH Auetores Antiquissimi. 15 Bde. Berlin 1877-1919. MGH Scriptores Rerum Langobardorum et Italicaram. Saec. VI-IX. 1 Bd. Hannover 1878. MGH Scriptores Rerum Merovingicaram. 7 Bde. Hannover/Leipzig 18851920. MGH Scriptores. Bisher 38 Bde. Hannover 1826-. Scriptores Rerum Germanicaram in usum scholaram ex Monumentis Germaniae Historiéis separatim editi. Bisher 78 Bde. Hannover/Leipzig 1871-. Medieval Italy. An Encyclopedia, hrsg. v. Christopher Kleinhenz. 2 Bde. New York/London 2004. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Mittellateinisches Jahrbuch. Internationale Zeitschrift für Mediävistik und

Humanismusforschung. MR NA

Medioevo Romanzo. Rivista quadrimestrale. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde zur Beförderung der Gesamtausgabe der Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters.

297

Siglen

sive bibliotheca universalis, integra, uniformis, commoda, oeconomica, omnium SS. Patram, doctoram scriptorumque ecclesiasticorum qui ab aevo apostólico ad Innocentii III témpora floraerunt [...],

PL

Patrologiae cursus completes

Repfont

ed. Jacques-Paul Migne. 221 Bde. Paris 1844-1890. Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi primum ab Augusto Potthast digestem, nunc cura collegii historicorum e pluribus nationibus emendatem et

(Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Unione Internazionale degli Istituti di Archeologia, Storia e Storia deH'Arte in Roma.) 11 Bde. Rom

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1962-2007. Recueil des historiens des croisades, publié par les soins de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres. Recueil des Historiens des Gaules et de la France, ed. Martin Bouquet, Michel-Jean-Joseph Brial, Leopold Delisle. 24 Bde. Paris 1840-1904. Rerum Italicarum Scriptores ab anno aeras Christianae quingentésimo ad millesimumquingentesimum, quorum potissima pars nunc primum in lucem prodit ex Ambrosianas, Estensis, aliarumque insignium bibliothecarum codicibus [...]. Ludovicus Antonius Muratori. 28 Bde. Mailand 1723-1751 Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli Storici Italiani dal Cinquecento al millecinquecento, ordinata da Ludovico Antonio Muratori. Bisher 34 Bde., Città di Castello/Bologna 21900-. Zeitschrift für Kirchengeschichte. Vorträge und Forschungen, hrsg. v. Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, geleitet von Theodor Mayer. Bisher 67 Bde. Ostfildern u. a. 1955-.

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Nr. 85.

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2. Drucke Fasciculus temporum, [1512] plectens. Paris [1512],

Fasciculus temporum omnes

antiquorum crónicas succincte com-

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Foresd, Supplementum Chronicarum, 1510 Supplementem chronicarum ab ipso mundi exordio usque ad redemptionis nostrae annum 1510 editem, et nouissime recognitem, et castigatem a venerando pâtre Jacobo Phillippo Bergomate ordinis Heremitarum. Additis per eundem auctorem -

quibus pluribus utilissimis et necessarijs additionibus. Nec non eleganti tabula nouiter excogitata quae omnia mirifice demonstrat. Venedig? 1510. Gaguin, Compendium, ca. 1510 Gaguini Ordinis Sanctae Trinitatis de Redemptione Captivorum Generalis Ministri de Origine & Gestis Francorum Compendium eo novissime ampliatum & diligenter emendatem. Paris ca. 1510. Mer des histoires, [1517] La Mer des histoires et croniques de France. Paris [1517]. Rossi, Britannica, 1607 Iohannis Rossi Britannica, sive de regibus veteris Britanniae usque ad exitium gentis, & Saxonum imperium, historia versibus expressa. Frankfort 1607. Slatyer, History, 1621 William Slatyer, The History of Great Britanie from the First Peopling of this Hand to this Present Raigne of o[u]r Happy and Peacefoll Monarke K. James. London 1621. Warner, Albions England, 1612 Albions England. A Continued Historie of The Same Kingdome, from the Originals of the First Inhabitants thereof : With the Most Chiefe Alterations and Accidents there Hapning, unto, and in the Happie Raigne of our Now Most Soueraigne Lord King lames. Not Barren in Varietie of Inventive and Historicall Intermixtures. First Penned and Published by William Warner, and now Revised, and Newly Enlarged a Little Before his Death. Whereunto is also Newly Added an Epitome of the Whole Historie of England. (Anglistica & Americana, Bd. 131.] London 1612, Reprint 1971. -

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Literatur

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Von den

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Literatur

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Verzeichnis der Personen und Toponyme Wegen der Häufigkeit ihres Vorkommens wurden die Schlagwörter Anglonormannen, AnglonormanBritannien, England, Engländer, Frankreich, Franzosen, Geoffrey von Monmouth, Italien, Italiener, Rigord, Sicard von Cremona und Troja bzw. Trojaner nicht in das Register aufgenommen. Kursive Ziffern verweisen auf Orts- oder Personennamen, die nur im Fußnotenapparat

nisches Reich, Briten,

erwähnt sind. Abdon

(bib.) 89,

137

Abendland, siehe Okzident Abessa 89

Abingdon 176 Achill 74, 127, 129fr, 135, 173 Adam (bib.) 168, 273 Adam, Abt v. Saint-Denis 254 Adda 157, 159,268 Adela von Blois-Chartres 64, 128, 130, 143fr, 231

Ademar von Chabannes 165 Ado, Ebf. v. Vienne 164 Adres 66, 67, 151 Adria 66, 67, 151,160,265 Aegidius Corboliensis, Gilles de Corbeil 248f. Aegidius von Paris 262 Aeneas 11, 18, 49, 64, 66f, 72, 74, 75, 79-85,

88, 93, 95, 97, 99, 707, 103, 107, 110, 113f, 116, 117fr, 120-122, 729, 134, 142, 146, 150Í, 155, 757, 767, 168, 172Í, 176, 178, 179fi, 191fr, 200f, 243, 280, 286, 294 Aeneas Silvius, siehe Silvius Aeneas Afrika 77, 81,227,294

Agamemnon 137 Agnes von Meran 239 Agnes von Monfort 215 Agrippinus, Hl. 7P2 Ailred von Rievaulx / 76 Aimoin von Fleury 162f, 164 Aiot (bib.) 138 Ajax 127

Alanen 67, 92, 95, 106, 152 Alba Longa 67, 74, 82, 86; 88, 89, 94, 777, 143, 168 Albanactes 200 Albaner (Albanenses) 114 Albert de Bezanis, siehe Albert Milioli Albert Milioli 65, 156, 757 Alb ina 27 Albion (Britannia, Britonia) 27, 49, 72, 74,

77, 79, 81, 89, 95, 101, 102, 705, 108, 117, 171, 173fr, 116,179,181, 191, 199fr, 201, 203, 209fi, 212, 222, 225, 226, 229, 279 Alemannen, siehe Alemannien Alemannien 71, 124, 166 Ales 247 Alexander der Große 16, 181, 262, 286, 291 Alexander von Télese 119-121, 192 Alexander, Bf. v. Lincoln 207, 209, 217-221, 223, 232, 233 Alfred von Beverly 101fr, 776, 177 Alpen 120 Altino 66, 67, 112, 151, 161 Amadeo, Bruder Sicards von Cremona 267 Ammianus Marcellinus 24 Analectes 173 Anchises 66, 69, 75, 94,178, 294 Anchisus, Sohn Arnulfs von Metz, siehe

Ansegisel Andrea Dándolo 156, 159 Angela 27

Angelsachsen (Saxones) 102, 777, 202-204, 222

336

Verzeichnis der Personen und Toponyme

Angers 727 Anjou, Gfen. 200, 215 Anjou, Gft. 58, 59, 240 Anjou, le Grand 58, 59 Annius

von

Viterbo 182

Ansegisel (Anchisus) 69, 94, 153, 754 Anselm von Canterbury, Abt v. Le Bec 726, 231 Antenor 75, 42, 64, 67, 71fr, 77, 79fr, 82, 92, 96fi, 100, 707, 152fr, 158-161, 163 Antigonus 173 Antinopolis 66, 67, 151 Antiochia 127, 269 Antonio Monterosso 161 Apollon 174,201

Aquilegius 121 Aquileia 66, 67, 151, 157, 159 Aquitanien, Hztm. 58, 59, 69, 77, 86, 104, 134,235

Aquitanier, siehe Aquitanien Archipoeta 139 Argenteuil, Kl. 247, 249, 256 Argonauten 707, 132, 134fr Argus 143 Arles 247 Armenien 269 Arnold von Brescia 776 Arnulf, Bf. v.Metz 153,754 Artus, Arthur 27, 102,103, 108fr, 128,130,

131, 175fr, 757, 184fr, 203fr, 270, 221, 227, 235, 237, 286 Ascanius 49, 66fr, 72, 74, 79, 80, 82, 83, 89, 95, 99, 103, 77 7, 122, 150, 164, 177, 178,200,294 Asculfius 122 Asien 91, 128, 143,256 Askalon 727 Assaracus 74, 173 Attila 157,291 Audebert IV. 59

Augsburg 75

Augustinus von Hippo 11,32, 131, 137,151, 272fr, 276, 281,290

Augustes, röm. Ks. (Oktavian) 67, 88, 776, 117, 121, 192,280,290 Austrien 69, 71, 80, 84, 766, 242 Auvergne, Gft. 58, 59 Avalon 108 Aventin 777, 119 Aventinus 777 Baebius Italicus 133,142 Balderich von Bourgueil 64, 126-130, 140,

142-144, 188 Balduin, Ebf. v. Canterbury 107 Balearen 125 Barcus 122 Bath 226

Bayern 69 Bayeux 143fr 233 Beaumont-le-Roger, Gft. 214 Beauvais 126,139 Beda Venerabilis 99, 100, 102, 118, 757, 171174,178,221,223fr, 226, 272

Belgien 76/, 36,

169

Benevent 59,117 Benoît de Sainte-Maure 14, 19, 22,

25fr, 28, 29, 32, 49fr, 106fr, 757, 134-136, 765, 235fr,287

Benzo d'Alessandria 133 Berengar von Tours 126 Bergamo 117 Berosus 182 Bianca von Kastilien 257 Blandius 121 Blois, Gfen. 206 Bohemund I. von Tarent 727, 128 Böhmen 19, 26

Bologna 156,267 Bonifacio da Verona 161 Bordesley, Kl. 215 Boso, Abt von Le Bec 96 Bouchard de Montrésor 130

Verzeichnis der Personen und Toponyme

337

Bouvines 261 Brabant 28

Carmen 776

Brennius, Brennus 108, 777

Castelleone 268 Catelus 122 Cham (bib.) 174 Childerich IL, merow.

Cassibellanus 82f, 207, 203

Brescia 776/ Breslau 156

Bretagne 28, 29, 59, 209 Bridgenorth214

Chilperich,

Brindisi 792 Briseis 135f. Bristol 217

merow.

Kg. 71 Kg. 767

Brunette Latini 30

Chlodio, salfrk. Kg. 69, 163 Chlodwig II., merow. Kg. 69, 71, 90, 138, 192,244 Christian, Ebf v. Mainz 267 Christus 89, 93f, 119, 138, 140f, 171, 7*6, 221,272,275 Cicero, siehe Marcus Tullius Cicero

Brutus, Bruto, Britus, Britto 27, 29, 31, 49f, 59, 64, 72, 74-84, 88, 95, 99, 707, 102106, 108, 117, 131, 163f, 171-186, 189191, 198, 199-205, 222, 227f, 237f,

Clermont 37 Collonius 122 Conan IV., Hzg. v. Bretagne 59 Conan Mériadec 28

Britannia, Britonia, siehe Albion Britannia, röm. Provinz 58 Britonia, siehe Albion

280, 286 Buem 27

Bulgarien 26 Buscheto 63, 124f, 277, 284

Byzanz 16, 17, 18, 79/, 31, 59, 108, 129, 292 Cadoc, Hl. 229 Cadwalion Lawhir von Gwynedd 89, 707, 171,779,202,204 Caerleon 227 Calixtes II., Papst 214 Cambrai 69, 86 Camerinenses 114 Campania, Stadt 777 Campania, Region, siehe Kampanien Cangrande della Sala 161 Canossa 119f, 7*9 Capenati 774

Capharas 123 Capis 777 Capua 94, 269 Capus 121 Caradoc von Llancarfan Carlisle 226

222, 229

Concordia 66, 67, 151 Constanze, Frau des Raul FitzGilbert 232 Constanze, Tochter Conans IV. 59 Cordeilla 202 Corineus 72, 77, 79, 173, 207, 203, 205

Cormôns, Cormona 772, 151 Cornelius Nepos 132 Cornwall, Corinea, Comubia 77, 79, 88 Cortenuova 268 Crema 268 Cremona 66, 67, 86, 772, 149, 151f, 154-157,

162, 190f, 264-268, 269, 270, 272-276, 279, 286 Daker, Daci siehe Dakien Dakien (Dacia) 27, 95f, 97, 106 Danaer (Danai), siehe Griechen Dänemark 76, 27, 42, 93, 95-97, 102, 224, 235 Dänen (Dani), siehe Dänemark Daniel (bib.) 757, 272 Dante Alighieri 30, 33 Danus 97 Dardanus 75, 118

105f.,

338

Verzeichnis der Personen und

Phrygius 14, 22, 26, 32, 33, 118, 131136, 142,143, 148, 173,287 David (bib.) 750, 273

Eusebius

Deheubarth 226 Deutsches Reich 76, 19, 20, 26, 29, 35, 36,

Fantone de' Rossi 160 Faramund 67, 69, 72, 93,

Dares

von Caesarea 70, 101, 133, 137fr, 151,163,179, 190,242,212

Falisci 774

37fr, 39, 59fr, 86, 110, 124,169, 267,

Fécamp 726

273, 290fr

Feromanus 122 Ficanes 114 Flandern, Gft. 93, 100 Florenz 30, 34, 156,275

Deventer 756 Devize 217 Diana 75fr, 77, 90, 103, 174, 201, 203, 228 Dictys Cretensis 14, 22, 26, 32, 33, 131-136,

148, 173,287

Toponyme

163, 167, 192, 241

Floras 143 Fontainebleau 267

Dido 142,157 Diomedes 135fr

Dionysius, Hl. 244, 245, 247, 249, 254fr, 263

Francia, siehe Fränkisches Reich Francio, Franctio 38, 64, 69-71, 80, 84, 91, 100, 168, 189, 191, 242, 256, 280, 286

Dol 726

Francus 122

71, 81, 84, 91fr, 95 Donizo 119fr, 124,7*9,277

Franken, Franci, siehe Fränkisches Reich Fränkisches Reich (Francia) 14, 18fr, 23-26,

Donau

Dorylaion 727 Dracontius 143 Dubricius, Hl. 229 Dudo von St. Quentin 27, 28, 42, 95f, 106, 147 Durham 102 Ebraucus 88, 90 Eduard der Ältere, Kg. v. Wessex 102

27, 29, 33fr, 36, 37fr, 46, 59, 61, 67, 69, 71fr, 80-82, 84fr, 87-95, 100, 109fr, 112, 152fr 159, 162fr, 165, 766, 167, 168, 169fr, 173, 187-190, 192fr, 238fr, 240242, 253, 255fr, 260, 264fr, 270, 272, 278, 287, 290fr Franz I., Kg. v. Frankreich 169

Eduard I.,

Fredegar 24, 25, 29, 33, 38f, 42, 91fr, 132,

Kg. England 176, Egidio, myth. Kg. v. Padua 161 v.

181

Elamancus 122 Eleonore von Aquitanien 59, 104f, 134,235 Eli

(bib.) 181

Elisabeth von Hennegau 244 Erfurt 756 Ericthonius 89 Etrarier (Etrurienses) 114 Euander 113, 776 Eulistes 75, 767

Europa 11fr, 76, 17-19, 20, 23, 25, 29, 32, 34, 46, 56, 60, 81, 84fr, 91, 100, 121fr, 175, 776,237,289-292

Frechulf von Lisieux 133

147, 162-165, 189,260,287 Freyna66, 67, 151 Friedrich I. Barbarossa, Ks., dt. Kg. 139, 196, 267fr,273 Friedrich II., Ks., dt. Kg. 268 Frigas 38, 91,256 Frodo 726

Fulcheria 268 Fulco 94, 126 Gaeta 76« Gaius Julius Caesar 67, 79, 82fr, 88, 108, 117,

174, 177,226,289,291 Gaius Sallustius

Crispus

132

339

Verzeichnis der Personen und Toponyme Gallien (Gallia) 23-25, 29, 69, 71f, 76f, 81, 83, 84, 86, 91, 94f, 108, 77 7, 720, 122,

166,168, 113,178, 182,265 Gallier, siehe Gallien Galvano Fiamma 30, 156 Garda, siehe Gardisana Gardisana, Garda 66, 67, 151 Gascogne 58, 59 Geffrei Gaimar 101, 703, 134, 172, 776, 182, 230, 232, 236 Genebaudus 71, 242 Gennarus, Hl. 792 Genua 122f Geoffrey Chaucer 33,142 Geoffrey Plantagenêt, siehe Gottfried

Plantagenêt Gerald von Wales 776, 236 Gerard, Bf. von Hereford 98 Germanen, siehe Germanien Germanien (Germania) 23, 38, 67, 69, 71, 80-

82,92,96,770, 152,766,265 Gero 76 Gervasius von Canterbury 7 76 Gervasius von Tilbury 92 Gildas 28, 58, 80, 95, 171 f., 7 74, 184, 221, 222 Gildas, Hl. 229 Gille de Paris 255 Gilles de Corbeil, siehe Aegidius Corboliensis Gilo 94 Giovanni Boccaccio 30 Giovanni da Nono 161 Giovanni Fiorentino 30 Giovanni Villani 30, 161 Giraldus Cambrensis, Girart de Barri 107, 108 Gisors 214 Glamorgan 216, 227 Glaukus 113 Gloucester, Earldom 217, 232 Goemagog 79, 103 Goffar 77

Golias 739 Goten (Ost- u. Westgoten) 71, 80, 85, 95f, 106 Gottfried (Geoffrey) Plantagenêt, Hzg. v. Bretagne 59 Gottfried V. Plantagenêt, Gf. v. Anjou 59, 206, 215f, 211 Gottfried von Bouillion 94, 727

Gottfried von Viterbo 110-112, 149, 750, 152-

155,760, 161, 190,279 Gregor von Tours 24, 70, 763, 242 Griechen, siehe Griechenland Griechenland 18, 79, 31, 40, 72, 74f, 81, 9496, 776, 124f, 128f, 132, 139f, 144, 145, 173,201,226,292 Guastalla 268 Guendoloena 207 Guglielmo di Paolo Guibert I.

von

Ongarello Nogent 126f.

161

Guido délie Colonne 14, 30, 32, 64, 116, 159 Guido von Pisa 126 Guillaume Cretin 169 Guithelinus 202

Gwynedd89, 171,202,226 Gwynllwg 227 Habsburger 18f, 38, 46

Hasting 105 Hastings 128,

148

Havelok 27

Heiliges Land 129,215,227 Heinrich, Bf.

v. Wincester 206 Heinrich I. le Libéral, Gf. d. Champagne 142, 233 Heinrich I., Kg. des ostfrk.-dt. Reiches 69 Heinrich I., Kg. v. England 58, 94, 100, 205f,

210-214, 216f, 219f, 225f, 228, 230, 257, 232, 235 Heinrich II. Plantagenêt, Kg. v. England 59, 102, 104, 106, 709, 730, 146, 200, 231, 232, 235-237

340

Verzeichnis der Personen und Toponyme

Heinrich III. der Jüngere, Sohn Heinrichs II. v. England 704, 130 Heinrich IV., Ks., dt. Kg. 120. Heinrich V., Kg. v. England 94 Heinrich VI., dt. Kg., Kg. v. Sizilien 110fr, 720, 755, 792 Heinrich von Huntingdon 98-102, 137fr, 140,

776, 177-179, 205, 211, 219, 222fr, 229, 233,291 Heinrich von Pisa 125fr Heinrich von Veldeke 29 Hektor 79, 69, 70, 71, 79fr, 84,107, 125fr,

129fr, 135, 140, 145,765,242 Helena 19, 89, 91, 108fr, 129, 132, 136, 140,

142fr,188 Helenus 72, 74, 75, 80, 173, 207 Hellenen 18 Hellespont 94 Hengist 27 Hennegau, Gfen. 255 Herbort von Fritzlar 29,134 Herkules 82, 89, 108, 113, 115 Herkules, Säulen des 77 Herodot von Halikarnassos 132

Hieronymus 24, 33, 707,118, 133, 137fr, 149fr, 757,163, 173, 779, 190, 276, 281, 290

Hildebert von Lavardin, Bf.

v.

Le Mans 745,

231

Hildesheim 792 Himbert 173

Hippolytes von Rom 272 Homer 11,77, 33,118, 131, 133, 136, 141, 742, 292 Homobonus, Hl. 266, 275, 276 Honorius III., Papst 248 Hubertus von Meung 126 Hugh the Chanter 229

Hugo Capet, Kg. v. Frankreich 255 Hugo Foucaud, Abt v. Saint-Denis 250fr, 256f.

Hugo Primas von Orléans 139, 144f. Hugo, Abt v. Cluny 120 Hugo von Fleury 94 Hugo von Folieto 140f. Hugo von Milan, Abt v. Saint-Denis 256f. Hugo von St. Viktor 740, 762/ Hunnen 159

Hydatius 24,10, 163,242 Hygin 26, 135 Iacopo de Vorágine 156 Iacopo Doria, Iacobus Auria Iacopo Foresti 168

122f.

Ianiculenses 774

Ibor71, 191 Iesolo, Auxolum 66fr, 151 Ilia 773, 779

Illyrien 96 Imperium Romanum, siehe Römisches Reich Inge, Maiden 27 Ingeborg von Dänemark 239, 258, 261 Innoge 75, 173 Innozenz III., Papst 251, 270 Irland 7 7, 58, 141,174,224 Isidor von Sevilla 24, 89,118, 121fr, 723, 132, 272, 287 Island 76 Israel 138 Iustinus 775 Jacques Milet 734 Janus (Ianus) 113-115, 123, 294

Japhet(bib.)774 Jason 135 Jean d'Outremeuse 167f. Jean Mansel 168 Jerusalem 727, 227 Jeufosse 105 Johann II. der Gute, Kg. v. Frankreich 167 Johann Ohneland, Kg. v. England 59 Johannes (bib.) 228 Johannes Codagnellus 119, 12If. Johannes de Deo 156

341

Verzeichnis der Personen und Toponyme Johannes Malalas 7 7

Johannes Ross, siehe John Rows Johannes von Salisbury 231 John

Carpenter

185

John de Celia (von Wallingford) 7*0 John Gower 185 John Higgins 186 John Lydgate 185 John of London 7*7 John of Worcester 229 John Rows (Rous, Ross) de Warwick 181 f., 186 John von Wallingford, siehe John de Celia Jordanes 95

Joseph Iscanus (von Exeter) 49, 107f, 128, 130, 135f.

Josua(bib.) Judas (bib.)

137f. 143

Judith, Tochter Karls des Kahlen 93 Julier 67, 87, **, 117,280 Julius 67, 122 Julius Ascanius 776 Julius Floras 143

Jupiter 76,

11 Of, 130 Kaerlud, siehe London

Kamber 200

Kambria, siehe Wales Kampanien (Campania) 777, 122, 76* Kapetinger 37, 58, 69, 85, 93, 100, 164, 166, 170, 184, 200, 238, 241, 242, 244, 253, 255, 257, 260, 262f, 290

Karolinger 35, 37f, 69, 85, 93, 700, 111, 141, 154, 196, 241f, 243, 255, 256, 262, 290 Karthago 122 Kelten 24, 27, 28, 42,103 Kirchenstaat 59 Köln 69, 86 Konrad I. von Querfort 792 Konrad von Würzburg 29,134,142 Konstantin der Große, röm. Ks. 108

Konstantinopel 79, 129, 249, 269f. Konstanz 268

Konstanze, Frau des Ralph FitzGilbert 101 Landolfos Sagax 703, 77*

Langobarden 7*9 Laomedon 138 Laon219

Latiner 79, 110, 114, 77*, 119, 150, 155, 757 Ladnerinnen 88 Latinus 74, 157,294 Latium 49 Lavinia 66, 72, 74, 84, 200, 294 Lavinium 66, 152,294

Layamon 103, 182f, 187 Lazise 66 Le Bec, Kl. 96,100, 126, 111, 179, 208, 214, 234 Legnano 268 Leir 207 Leland 707

Leogetia 75, 201 Leogria 204

Kapitol 114f. Karl (I.) der Große, Ks., Kg. d. Franken u. Langobarden 48, 67, 110, 777, 262f,

Leridus 122 Lincoln 205,

286, 290 (II.) der Kahle, Ks., westfrk. Kg. 93 Karl IV., röm.-dt. Ks. 75 Karl V., Kg. v. Frankreich 767 Karl VI., Kg. v. Frankreich 76* Karl VIII., Kg. v. Frankreich 75

Lincolnshire 101 Liutprand von Cremona 265 Livius, siehe Titus Livius Llandaff 208f Locrinus 200 Loire 77

Karl

206, 207, 209, 215-219, 227, 223,227,231-233

Toponyme

342

Verzeichnis der Personen und

Lombardei 85, 107, 122, 151, 265, 268f, 273f, 276, 278 London 32, 37, 72, 79f, 86, 88, 99, 103, 105,

Mäotische Sümpfe 71, 92, 96, 256 Marbode 126 Marche, Gft. 58, 59 Marcia 202 Marco, venez. Chronist 158 Marcus Tullius Cicero 730, 131 Margaret, Tochter Ludwigs VII. v. Frankreich

164, 171, 173f, 178f, 7*0/, 184-186,

191,200,202,206,209,290

Pignoria 161 Lovato de Lovati 160f. Lorenzo

Lucani

114f Lucius, myth. Kg. v. England

130

Markomir 67, 69, 71f, 92f, 700, 152, 163,

102

Lucius Anneus Floras 143 Lucius III., Papst 267 Lucius Septimus 132 Lud79f, 705, 191 Ludwig (I.) der Fromme, Ks. 69, 93 Ludwig (II.) der Stammler, westfrk. Kg. 93 Ludwig VI., Kg. v. Frankreich 69, 93, 100,

240, 254f, 261,263

167,242 Markus, Hl. 159,760 Marmara

Eregli (civitas Raclea)

129

Mars 106, 779

Marsigius

122 Martin da Canal 157f. Mathilde, Ksn., dt. Kgn. 94, 109, 140, 202,

205f, 209, 214-217, 219, 221, 224, 227,

Ludwig VII., Kg. v. Frankreich 69, 93,130,

237

240,251,254,261 Ludwig VIII., Kg. v. Frankreich 239, 246, 249, 252-254, 257, 259, 261-263, 278 Ludwig IX., Kg. v. Frankreich 254 Ludwig XI., Kg. v. Frankreich 267 Lutetia, siehe Paris Luxemburger 79, 38

Mathilde von Schottland 237, 235 Mathilde von Tuszien 119, 720 Matthaeus Paris 179, 7*0, 185 Mauretanien 77 Medea 135 Mehmet II., osman. Sultan 79

Luzzara 268 Mabel von Gloucester 216 Macrobius 113 Maelienydd 226 Magancius 122 Mailand 86,117, 122, 139f, 156f, Maine, Gft. 58, 59, 240 Mainz 266, 267, 282 Makedonien 91, 775, 256, 262 Makedonier, siehe Makedonien

Merkur 76 Merlin 777/, 175f, 185, 200, 203f, 207, 209, 212, 217f, 220, 227, 228, 229, 232 Merowech, frk. Kg. 69, 163

Malcolm III.,

Kg. Malmesbury 181

v.

Membritius, Menpricius 75, 88, 173

Merowinger 25, 33, 35, 38, 46, 69, 85, 93, 268f, 274

Schottland 58

Malva 77 Manetho 182 Manto 122 Mantea 66, 67, 86, 122, 124, 148, 151, 277

700, 196, 241, 243, 244, 255, 256 Metz 25, 153,754 Meulan, Gft. 210, 212-215, 219, 233 Meung-sur-Loire 726 Michael, Erzengel 228

Miscis 121 Mittelmeer 82, 118, 129 Modena34, 66, 151 Moissac, Kl. 164f. Monmouth 206 Montecassino, Kl. 113,114

343

Verzeichnis der Personen und Toponyme

Montgomery 59, 96

Oseney, Kl. 208, 210

Montpellier 246-248, 249 Moses (bib.) 132, 180 Mykener 137

Osmanen, siehe Türken

Narbonne 32, 37 Narbosus 122

Ostia 94 Otto I. der Große 290 Otto von Freising 110, 152-154, 760, 190, 290 Ovid, siehe Publius Ovidius Naso Oxford 171fr, 205, 207-210, 217-220, 227,

Neapel 64, 120f, 192 Nebukadnezar (bib.) 272 Nennius, Bruder des Lud 80 Nennius, Ninnius 28, 79, 95, 99, 172, 173f.

Nepos, siehe Cornelius Nepos Nero, röm. Ks. 124 Nicholas Trevet 180 Nigel, Bf. v. Ely 219 Nikolaus V., Papst 79 Nîmes 37, 247 Nimrod(bib.) 110 Noah (bib.) 95, 113fr, 143, 774, 182 Nogent 126

Normandie, Hztm. 58, 95, 97fr, 105, 109, 726, 127,179, 202, 206, 214-217, 237, 237, 240, 244 Normannen 25, 55, 71, 80fr, 85, 95, 97fr, 101fr, 105, 109, 118, 121, 164,236fr, 243 fr

Northampton 209 Norwegen 224 Notre-Dame-de-Barbeau 267 Numitor 775 Oderzo (Odevercum, Ovederço) 66, 67, 151 Odo von Deuil, Abt v. Saint-Denis 254 Odysseus 64,117, 124fr, 127, 132, 135, 144fr Offredus, Bf. v. Cremona 266, 267 Oktavian, siehe Augustes Okzident 16-19, 56, 132, 136, 139, 196, 282, 290, 292 Olivólo, Castrum Olivólos 159 Ordericus Vitalis 96f, 95, 776, 272, 226 Orient 129, 155, 756, 259, 277 Orléans 69, 86, 139, 144fr Orosius, siehe Paulus Orosius

Österreich 16 Ostgoten, siehe Goten

231-233,282 Padua (Patavium) 64, 66fr, 86, 94, 151-153,

157, 160-162, 765/, 190, 193, 275, 254 Palästina 107 Palatin 115, 777, 779, 122 Palatinus 777 Palermo 32 Palermus 121 Pandrasus 72, 74fr, 173,207 Pannonien 92, 100, 159, 256 Paris, Stadt 37, 72, 86-88, 739, 141, 162, 164, 166fr 765, 169£, 191fr, 214, 241, 242,

243fr, 247, 249, 254, 255, 258, 260, 262, 267, 270, 290 Paris 121, 136, 140, 142, 745, 167 Paris Alexander 72, 86fr, 59, 129, 164, 769, 192,241 Parma (Crisopula, Crisopoli) 66, 67, 151 Parzen 130 Patricius 203 Paulus Diaconus 92, 117fr, 121, 147, 149fr,

154,287 Paulus Orosius 11, 24, 118, 174, 272, 281 Pavia77 7 Pelasger, siehe Griechenland

Pelops 126 Pentapolus

121fr 161 Perusius 122 Peschiera 66 Peter Egen 75 Peter Langtoft 776, 183

Perugia 75,

Verzeichnis der Personen und

344 Peter von Capua, Petrus Capuanus 269 Peter von S. Marcello, Kard. 270 Petrarca 33, 133 Petras Capuanus, siehe Peter von Capua Petrus Comestor 750 Petras Diaconus 113-115. Petras Sanctonensis, siehe Pierre de Saintes Petras von Tours 92f.

Peucentius 122 Philipp, Sohn Ludwigs VI. 69 Philipp I., Kg. v. Frankreich 69,100, 166,

244, 253, 267

Philipp II. Augustes, Kg. v. Frankreich 59, 69, 86f, 89, 128, 200, 238-244, 249, 250253, 255, 256-263, 278f. Philipp III. der Kühne, Kg. v. Frankreich 166, 254

Philipp von Harcourt, Bf. v. Bayeux 233 Philister 77

Phrygien 91, 94, 115, 124, 130 Phrygier, siehe Phrygien Piacenza (Placentia, Plasencia) 66, 67,

121 f., 151 Pierre de Ronsard 168 Pierre de Saintes, Petrus Sanctonensis 133, 134, 146 Pikten 77 Pindar 142 Pippin IL, frk. Hausmeier 94, 154 Pisa 63, 124-126, 147, 277, 284 Pisius 122 Plantagenêt 59, 90, 104, 215, 236 Platon 131 Plinius 133

Poitou, Gft. 58, 59 Polen 76 Politanenses 114

Polydoro Virgilio Polyxene 135 Postemus

Prag 756

184

Silvius, siehe Silvius Postemus

Toponyme

Préaux 726

Priamus, myth. frk. Kg. 38, 69, 242 Priamus, troj. Kg. 79, 46, 67, 69, 71 f., 75, 80, 82f, 87, 89, 91f, 100, 114, 119, 720, 125, 128, 138, 152, 159, 163f, 766, 167, 192,792,242,243,294 Primat von Saint-Denis 166 Publius Anneus Floras 743 Publius Ovidius Naso 26, 63, 727, 735, 142f, 148, 188 Publius Vergilius Maro 11, 74, 18, 24, 26, 33, 40, 64, 86, 703, 121, 126, 727, 136, 140-

142, 743, 148, 152f, 168, 173f, 190, 192, 228, 280, 282, 284, 287

Pyrenäen 71

Pyrrhus 74,

173

Radulf von Caen 128 Raherius 130 Raherius de Mabillon 730 Raimund IV. von Saint-Gille, Gf.

727, 128 Rainaud 726 Ralph FitzGilbert 101,232 Ralph von Diceto 7 76, 236 Ralph von Monmouth 227 Ranulph Higden 180 Ravenna 67, 86, 152f. Regnum Italiae 59, 291 Reims 37, 69, 86, 739, 244,

v.

Toulouse

248, 262

Remus77*, 119, 122,7*7,7*5 Rhea Silvia 77*/ Rhein 69, 71, 91f, 159 Richard I. Löwenherz, Kg. v. England 70*, 128, 237, 258 Richard I., Hzg. d. Normandie 97 Richard IL, Hzg. d. Normandie 97 Richard IL, Kg. v. England 7*5 Richard III., Hzg. d. Normandie 97 Richard von Durham 7 76 Richard von Maidstone 185 Richard White von Basingstoke 182

Verzeichnis der Personen und

345

Toponyme

Ricordano Malaspina 30 Riva 66 Robert 126 Robert Bloet, Bf. v. Lincoln 216 Robert de Chesney, Bf. v. Lincoln 207, 221 Robert de Curzou 270 Robert FitzHamon, Lord v. Gloucester 216 Robert Gaguin ¡69 Robert L, Hzg. d. Normandie 97 Robert L, Gf. v. Flandern 93 Robert II. Kurzhose, Hzg. der Normandie 95, 127 Robert Mannyng de Brunne 183 Robert von Reading 750 Robert von Torigny 96f, 95, 100, 176, 177, 179 Robert Wace 28, 49fr, 101-106, 772, 776,

752, 183, 188,235fr Robert, Earl v. Gloucester 7 76, 177, 183, 205, 210-217, 219-221, 223, 226fr, 231, 232, 233

Robert, Earl v. Leicester 215 Robert, Gf. v. Beaumont 214 Roger II. von Montgomery 96 Roger IL, Kg. v. Sizilien 120fr Roger von Howden 236 Roger Wendover 750 Roger, Bf. v. Salisbury 209, 219 Rollo, Hzg. d. Normandie 27, 97, 104-106 Rom 39, 82, 86, 89, 94, 108, 770, 113-116, 777, 118, 119, 120, 122, 124, 126, 737, 146, 148, 757, 158, 767, 769, 177, 184fr, 264fr, 273, 274, 276, 278, 280 Roma, Tochter des Julius Ascanius 776 Römer, siehe Römisches Reich Römisches Reich (Imperium Romanum) 23, 24, 25, 29, 33f, 39fr, 67, 69, 80-86, 9193, 95, 99, 100-102, 108, 110, 777, 112, 117fr, 125, 143, 767, 168, 775, 178, 180, 184, 188, 196, 199-201,203,226,237, 265, 273fr, 278, 289, 290

Romsey, Kl. 237 Romuald II. von Salerno 117-119, 732, 137fr, 154, 277 Romulus 39, 82, 100, 108, 113-115,776/, 775, 119, 122,181,185 Rorico von Moissac 165 Rouen 95, 215 Rumänien 26 Russicada 77 Sabiner (Sabinenses) 774 Sabinerinnen 88, 775 Saewulf 129 Saint-Benoît-sur-Loire, Kl. 244 Saint-Denis, Kl. 92, 165fr, 170fr, 184, 189,

241, 243-249, 251, 254-257, 259-263, 282fr

Saint-Évroult, Kl. 96 Saint-Germer-de-Fly, Kl.

726

Saint-Ouen, Kl. 95 Saint-Pierre de Bourgueil, Kl. 726 Saint-Pierre de Jumièges, Kl. 97 Saint-Riquier, Kl. 133 Saladin 107 Salamis 94 Salerno 777, 732, 137fr, 754, 249 Salernus 121 Salimbene de Adam 65, 156, 264 Salisbury 219 Sallust, siehe Gaius Sallustius Crispus Saltes Goemagog 79 Samson (bib.) 67, 89, 150, 294 Samuel (bib.) 75/ San Lorenzo, Cremona 156 San Lorenzo, Padua 160 San Marco, Venedig 159, 760

Saragosius

122 Sarmaten 106 Sarzanum 123 Saturn 110, 113,294 Saxo Grammaticus 25 Sachsen, siehe Angelsachsen

346

Verzeichnis der Personen und

Scanza, Scanzia 95, 96, 106 Schotten, siehe Schottland Schottland 38, 58, 773, 215, 224, 237, 235 Schweden 76 Schweiz 76, 36

Segodius

122

Seine 87, 769 Serio 268 Servius 26,113 Sicambria 67, 71, 86, 92, 94, 100, 152, 163, 766, 769, 256 Siculus 122 Sidonius Appolinaris 24 Sigebert von Gembloux 92f, 96, 100, 707, 165, 179 Silvius, Sohn des Ascanius 67, 72, 74, 82, 84,

88,95, 103,764, 172, 178,200 Silvius Aeneas 79 Silvius Posthumus 66f, 79f, 103, 772 Simon Aurea Capra, Simon Chèvre d'Or 133, 734, 14If, 746 Sirenen 67, 77 Sisillius 202 Sizilien 59, 117 Skythen, siehe Skytien Skythien 67, 71,81, 84f, 95, 106, 152, 163 Soissons 69, 86 Solinus 723 Southampton 209

Spanien 76, 79, 20, 122,227 St. Albans, Kl. 179f, 184 St. Asaph, Btm. 208, 212, 220 St. Georg, Oxford 207f, 210, 220, 232f St. Teilo, Llandaff 208 Statius 735, 173 Staufer 37, 38, 59, HOfi, 154f, 196, 268, 272, 273 Stephan II., Papst 255

Stephan von Blois, Kg. v. England 205f, 209211,213-217, 219-221, 224, 226, 221t, 231, 233-235, 278

Toponyme

Stephan von Rouen 109, 235 Suchard 173

Süditalien, siehe Unteritalien Suger, Abt v. Saint-Denis 244, 253f, 259 Sunno (Symon) 67, 69, 71, 92, 152, 163, 242 Symon, Symone, siehe Sunno Tankred von Tarent 128 Tantalus 126 Tarantes 121 Telegonus 777

Telenenses 774 Theiresias 144 f. Themse 79, 200 Theobald, Ebf. v. Canterbury 177, 208 Theudebert I., merow. Kg. 25 Thierry de Mathonville 97 Tholosius 122 Thomas Otterboumes 181, 7*2 Thrakien 92

Thüringen 67, 69,

152 Tiber 74, 777, 757, 265 Tiberinus 777 Tibris 113 Timavo 94 Tinchebray 105 Titus Livius 773, 760,168, 287 Toletes 122 Torbole 66 Torgotes, Torquotes 92, 100, 256 Torri del Benaco 66 Toulouse 32, 37 Touraine, Gft. 58, 59, 240 Tournai 69, 86 Tours 77, 82, 86, 95, 99, 106, 173, 178, 200 Tram 121 Trevisianische Mark 162 Treviso (Tarvisium, Tarvisana) 66, 67, 151 Trier 69, 86 Trinovantum, Trinovant, siehe London

Troia, Apulien 94, 117, 720/ Troilus71,80, 135,763

Verzeichnis der Personen und Trous 775, 138 Troyes 37, 726

Tudor184 Turchus 71, 80, 159,763 Türken 77, 18,79,71,80,92, 106, 159, 163,

769, 196,260 74, 77, 86, 95, 99, 173, 775, 200, 205 Tusculaner, siehe Tusculum Tusculum 114, 777 Tuszien 119, 122 Tyrrhenisches Meer 72, 77, 95, ¡21 Turnus

Tyras 227

Uchtryd, Bf. Uhter2/7

v.

Llandaff 208

Ungarn 16,157,169 Unteritalien 117, 121 Urbino 184

Valentinian, röm. Ks. 67, 71, 92, 152, 163, 769

Valerius, Hl. 255 Varro 113

Venedig 59, 81,86, 112,777, 151fr, 157-160, 162, 765/, 193, 264fr, 274-276, 278 Venegus 121 Veneter, siehe Venetien Venetien 67, 69, 80, 82, 85, 89, 112, 151, 757, 159, 189 Venus 66, 143 Vercelli 66, 67, 151

Vergil, siehe Publius Vergilius Maro Verona 66, 67, ¡17, 151,767,267 Vexin, Gft. (Vexin français) 244 Vieri de' Cerchi 160 Vincent von Beauvais 170 Viterbo 770 Vortigern 27, 217 Waleran, Gf. v. Meulan 210-216, 219-221, 233 Wales (Kambria) 38, 58, 55, 95, 174, 198,

207, 202, 204, 206-208, 209, 216, 222,

224, 226fr

347

Toponyme

Wallingford 750, 214 Walter Espec von Helmesley 232 Walter Map 739, 236 Walter von Châtillon 739, 250, 262 Walter von Oxford 171fr, 207, 209fr, 218, 227 Wandalen 71, 80, 85 Warinus 98-100, 177-179,211,233,234 Waverley 176 Weifen 38 Westgoten, siehe Goten Westminster 180, 184,208 Wien 756 Wikinger, siehe Dänen Wilhelm, Sohn Heinrichs I. 205 Wilhelm I. der Eroberer, Kg. v. England (Wilhelm IL, Hz. d. Normandie) 55, 94, 97, 225, 244 Wilhelm L, Hzg. d. Normandie 97 Wilhelm II. Rutes, Kg. v. England 225 Wilhelm der Bretone 166fr, 170, 239fr, 244, 247, 254, 260-262 Wilhelm von Corbeil, Ebf. v. Canterbury 206 Wilhelm von der Champagne, Ebf. v. Reims 262 Wilhelm von der Provence, Abt v. SaintDenis 248 Wilhelm von Jumièges 25, 96-98, 706 Wilhelm von Malmesbury 700, 703, 222fr, 224, 226, 229 Wilhelm von Nangis 245 Wilhelm von Newburgh 102, 175, 776 Willelmus Rigordi 246 William Slatyer 186 William Warner 186

Wincester206,219 Witteisbacher 79 Worcester 726, 215, 229

Würzburg 29, 134, 142, York 101

Zara, Berge von 77

¡92