Transatlantische Bankenkrise 9783110508321, 9783828204591

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Transatlantische Bankenkrise
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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einführung
2. Finanzmarktentwicklungen: Innovation, Internationalisierung
3. Bankenkrise in Deutschland und EU-Ländern
4. Probleme der Finanzmärkte und der Bankenaufsicht in Deutschland
5. Mittelfristige Effekte der Bankenkrise in der EU und der Weltwirtschaft
6. Reformpolitische Optionen rationaler Wirtschaftspolitik
Literatur
Anhang 1: IKB-Kundeninformation (IKB, 2005)
Anhang 2: Ansatzpunkte zum Aufhebeln der Eigenkapitalrendite
Anhang 3: Auszug aus einem Papier zur Bankinsolvenz Situation in der Schweiz und der internationalen Ebene (2008)
Anhang 4: Auszug aus dem Finanzmarktstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank (2007)
Anhang 5: Drei-Säulen-Ansatz der modernen Bankenaufsicht
Anhang 6: Ölpreisinflationserwartung, Ölpreis und Zinssatz
Anhang 7: Finanzwirtschaftliche Indikatoren
Anhang 8: Auszug aus dem 78. BIZ Jahresbericht
Anhang 9: Update on the Implementation of the FSF’s Recommendations - Report by the FSF Chairman to the G8 Finance Ministers
Anhang 10: Interview der Süddeutschen Zeitung mit Joseph Stiglitz (Lindauer-Nobelpreisträger-Tagung)
Anhang 11: Theoretische Perspektiven des Interbankenmarktes
Anhang 12: Quote from „The President’s Working Group on Financial Markets“ from March 2008
Anhang 13: Umfang von Finanzrettungspaketen für Banken und Versicherungen
Anhang 14: Regressionsergebnisse zur Erklärung von Bankgewinnen in ausgewählten Ländern
Anhang 15: Notenbanker verlangen den Schwur
Zusammenfassung

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Paul J. J. Weifens Transatlantische Bankenkrise

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^ * * EIIW

Europäische Integration und Digitale Weltwirtschaft Herausgegeben von Paul J. J. Weifens Europäisches Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen e.V. an der Bergischen Universität Wuppertal

Band 1: Transatlantische Bankenkrise

Transatlantische Bankenkrise von Paul J. J. Weifens

Lucius & Lucius • Stuttgart • 2009

Anschrift des Autors: Prof. Dr. Paul J.J. Weifens Europäisches Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW) Rainer-Gruenter-Straße 21 42119 Wuppertal http: / / www.eiiw.eu

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar ISSN 1868-0607 ISBN 978-3-8282-0459-1

© Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2009 Gerokstr. 51, 70184 Stuttgart www.luciu s verlag. com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Verarbeitung und Übermittlung in elektronischen Systemen.

Druck und Einband: Rosch-Buch, Scheßlitz Printed in Germany

Transatlantische Bankenkrise • v

Vorwort Die schnell sich ausbreitende US-Finanzmarktkrise — sie begann in 2007 im USSubprime-Markt - hat in 2007/08 zu einer dramatischen internationalen Bankenbzw. Finanzmarktkrise geführt. Dabei verführt das Starren vieler Beobachter auf die rasch sich ändernde Dynamik der Finanzmärkte leicht dazu, die wahren Ursachen der Bankenkrise zu übersehen; insbesondere auch die Rolle der Hedge Fonds, deren Traumrenditen in den späten 90er Jahren die Banken unter Anpassungsdruck setzten. Diese kamen dem via Finanzinnovationen nach, die in einem internationalisierten Finanzsystem zu einem sonderbaren Sinken der Risikoprämien in den Jahren 2003-06 führten. Diese unnormale Situation motivierte nur wenige Bankenaufseher zu umfassendem Nachdenken und näheren Prüfungen von Großbanken. Vielmehr gab es vor allem in den USA eine naive (und sicherlich Parteispenden von Investmentbanken und vielleicht auch Politikkarrieren von Investmentbankern förderliche) Sicht, dass man weder umfassende Regulierungen noch wirklichen Wettbewerb im Bankensektor brauchte. Die Großbanken wurden binnen 15 Jahren immer größer und waren praktisch alle too big to fail — sie waren so groß, dass man sie nicht in Konkurs gehen lassen konnte. Lehman Brothers ließ man wohl nur in Unkenntnis der internationalen Verwerfungen und der unübersichtlichen CDS-Problematik in Konkurs gehen, vor allem aber weil die meisten ungesicherten Lehman-Verbindlichkeiten Nicht-USBürger betrafen. Investmentbanken haben eine wichtige Funktion bei der Finanzierung von Beteiligungen und Zusammenschlüssen gehabt, aber ein Teil ihrer Aktivitäten war nicht nachhaltig finanziert und auch nicht wirklich durchdacht. Die USA haben sich im Zuge der Bankenrettungsaktionen in enorme ordnungspolitische Widersprüche verstrickt und stehen beim Investmentbanking vor einem Scherbenhaufen - ob die Wertschöpfung dieses Sektors im Jahrzehnt nach 1998 überhaupt positiv war (eingerechnet aller Verluste und negativen externen Effekte), ist unklar. Einen solchen Fall von sektoraler negativer Wertschöpfung dürfte es in einer modernen Marktwirtschaft eigentlich gar nicht geben. Binnen einer Dekade ist die US-Wirtschaft in ein Wirtschaftsdesaster geraten, bei dessen Entstehung die Zentralbank und eine regulierungsfeindliche US-Regierung unter Präsident Bush wesentlich mitgewirkt haben; unter ihm wurden Regulierungen für den Bankensektor noch aufgeweicht. Ein diffuses Überlegenheitsgefühl nach dem Ende des Kalten Krieges dürfte eine naive Laissez-faire-Politik noch begünstigt haben. Zum Ende der Amtszeit von Präsident Bush hat die Große Finanzmarktkrise sichtbar auf die reale Wirtschaft übergegriffen. Man kann sich nur wundern, dass ernsthaft einige Experte über Monate vermuteten, dass diese einzigartige Krise der Finanzmärkte ohne Folgen für Produktion und Beschäftigung bleiben werde. Die früher selbstverständliche Kreditvergabe von Großban-

vi • Paul J.J. Weifens

ken untereinander funktionierte in den USA seit Sommer 2007 zeitweise nicht mehr, Ende des Jahres konnten europäische Banken mit US-Niederlassungen kaum noch eine marktmäßige Dollarrefinanzierung bekommen. Das Vertrauen in den US- und EU-Bankenmärkten wurde immer weiter unterminiert, die USRegierung und die US-Zentralbank unternahmen wenig, um das Vertrauen wiederherzustellen. Vielmehr gab es sonderbare Widersprüche: etwa die Rettung der US-Investmentbank Bear Stearns im März 2008, dann im Sommer die Rettung der beiden größten US-Immobilienbanken, am 15. September 2008 dann der Konkurs der Bear Stearns an Bilanzsumme übertreffenden Bank Lehman Brothers, Tage später die Rettung der einst weltgrößten US-Versicherung AIG. Die angesichts der gewaltigen Abschreibungen und Verluste notwendigen Rekapitalisierungen von Banken gelangen marktmäßig schon Ende September nicht mehr, es war absehbar, dass nur noch Staatsbeteiligungen und Verstaatlichungen in vielen Fällen die Bankenwelt der OECD-Länder stabilisieren konnte. Da zunehmend auch Länder bzw. Banken außerhalb der OECD destabilisiert wurden, mußte man sich gar mit der Frage nach einer Weltwirtschaftskrise befassen. Wie kam dieses Chaos zustande, wer sind die Auslöser, wo die Verantwortlichen, wie sehen die Auswege aus Bankeninstabilität, Rezession, steigender Arbeitslosigkeit und drohenden Staatsbankrotten aus? Dabei dürfte die Rezession 2008/09 kaum als normaler zyklischer Abschwung eingeordnet werden, denn sie trifft in den USA, Japan und der Eurozone Volkswirtschaften, bei denen die Geldpolitik ihre Handlungsmöglichkeiten weithin ausgeschöpft hat. Die vorliegende Studie gibt den Lesern einen Einblick in eine wissenschaftliche Detektivarbeit, die sicherlich nur wichtige Teilausschnitte des Gesamtproblems widergibt. Allerdings geht die Studie nicht an der Formulierung unangenehmer Wahrheiten vorbei, die mancher sich gern erspart. Da es aber um nicht weniger geht zu verhindern, dass Soziale Marktwirtschaft und Demokratie massiv beschädigt werden und eine neue Weltwirtschaftskrise eintritt, ist eine klare Analyse notwendig. Die Studie ist so aufgebaut, dass Leserinnen und Leser auch Einzelkapitel ansteuern können, was mit einigen Redundanzen für den Teil der Leserschaft erkauft ist, der die ganze Studie in einem Zuge liest. Es ist nicht Ziel der Expertise, die letzten Aktualitäten aufzunehmen — das Manuskript wurde inhaltlich am 22. Oktober 2008 (Tag der Pressekonferenz für die Vorabversion: Hotel Steigenberger/Frankfurter Hof; siehe www.eiiw.eu) abgeschlossen —, sondern es geht um die Erfassung der wichtigen Größenordnungen und Eckpunkte sowie das Aufzeigen der unerlässlichen kurzfristigen Rettungsmaßnahmen und der mittelfristigen Strukturreformen. Wissenschaftliche Vorschläge zur Reform der Finanzsysteme können in sich durchdacht sein, ihre Realisierungschancen sind allerdings im Zweifelsfall gering, wenn es nicht gelingt, ein solches Gesamtpaket an Reformen zu schnüren, dass im Widerstreit der verschiedenen Interessen auch politische Mehrheiten zustande kommen. Hier ist

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die hohe Kunst der Politik gefordert und natürlich ist Kunst da besonders hoch entwickelt, wo durchdachte internationale Problemlösungen mit nachhaltiger Wirkung verabschiedet werden können. Das massive Eingreifen der Wirtschaftspolitik zwecks Verhinderung einer Systemkrise im Oktober 2008 war notwendig, da marktmäßige Anpassungsmechanismen nicht als tragfähig erschienen; die internationale Kooperation und auch die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Zentralbanken hat hierbei in wesentlichen Punkten funktioniert: Eine Systemkrise wurde abgewendet, Demokratien haben sich unter großem Problem- und Zeitdruck als handlungsfähig erwiesen. Das bedeutet aber keineswegs, dass jenseits eines zunächst funktionierenden Krisenmanagements ursachenadäquate Strukturreformen auf den Weg gebracht wären. Durch das große 500 Mrd.-Euro-Rettungspaket (inklusive IKBRettung gerechnet) wird Zeit für erste Strukturreformen gewonnen — das ist allerdings wichtig. Doch kann man sich fragen, ob es klug ist, dass ein so großes Paket in Gang gesetzt wird, ohne auch nur die Regeln für das Erfassen von Credit-Default-Swaps und von Derivaten zu ändern, also eine internationale Clearingstelle bzw. eine Börse für entsprechende Produkte einzurichten. Es ist wenig sinnvoll, den Großbanken mit Problemen staatliche Rettungshilfen zu geben, damit sie alsbald die alten Geschäftsmodelle mit minimalen Änderungen fortführen. Auch fehlen veränderte Anreize für mehr langfristige Bankgeschäfte, einzelne schwache Banken hier über eine Staatsbeteiligung unter selektiven Reformdruck zu setzen bringt wenig — es bedarf einer systemweiten allgemeinen Reform der Anreizsysteme. Es mangelt an Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz und Glaubwürdigkeit der Bankbilanzen. Ohne umfassende Transparenz, konsolidierte Bilanzen mit erhöhter Informationsqualität sowie veränderte Anreize für die Manager von Großbanken wird die Funktionsfähigkeit der Interbankenmärkte nicht wiederherzustellen sein; mit einer künstlichen und bis Ende der Laufzeit des Hilfspaketes befristeten Quasi-Stabilisierung der Interbankenmärkte wäre nicht viel gewonnen. Die Stabilisierung der Banken bzw. Finanzmärkte — national und international ist von großer Bedeutung, da sich Millionen Arbeitnehmer und Selbständige um ihre Alters Sicherung und ihre Spareinlagen sorgen. Die wichtige gesellschaftliche Währung Vertrauen, die Menschen bei langfristigen Investitionsentscheidungen mit leitet, ist deutlich in der Finanzkrise 2007/08 beschädigt worden. Zudem besteht die Gefahr, dass die Zentralbanken die Steuerungsmöglichkeiten bei der Geldpolitik — mit ihrem zunehmenden liquiditätsmäßigen Eingreifen in die Finanzmärkte — verlieren. Obendrein droht die US-Rezession zu neuen SubprimeProblemen und den üblichen rezessionsbedingten Abschreibungen bei Banken zu führen, die Finanzmarktdynamik mit ihren negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft könnte über die Rezession eine neue negative Dramatik erfahren. Zudem ist davon auszugehen, dass nach der internationalen Serie von (Beinahe-) Konkursen von Banken im OECD-Raum in 2008/09 nunmehr (Beinahe-)

viii • Paul J.J. W e i f e n s

Konkurse von Ländern in Osteuropa, Lateinamerika und Afrika anstehen. Während die OECD-Länder noch über Rezessionsprobleme nachdenken, beschleunigt sich die Finanzmarktinstabilität in Nicht-OECD-Ländern. In diesem Kontext besteht die Gefahr, dass die EU bzw. die EZB mit Blick auf Osteuropa zu langsam auf eine regionale Stabilisierung setzen bzw. zu lange an der Stabilisierung einzelner Problemländer — etwa Ungarn mit seiner großen Auslandsverschuldung und seinen enormen Problemen nach der 40%-Abwertung im September-Oktober 2008 — arbeitet. Mag auch ein Land wie Polen eine geringe Auslandsverschuldung haben, so ist doch im Verlauf einiger Quartale von zunehmenden RegionaüsierungsSyndromen auszugehen: Anleger etwa aus Asien und Nordamerika werden wohl nach den Problemen einiger weniger osteuropäischer Problemländer gleich für ganz Osteuropa die Devise ausgeben - Rückzug von Anlagegeldern aus Osteuropa und damit kommen dann fast alle Länder der Region in Schwierigkeiten. Die Refinanzierungsprobleme zahlreicher Banken in der EU für 2009/2010 sind in Einzelfallen sicherlich erheblich und dürften ein Zugreifen von Banken auf den Fonds der Bundesregierung mittelfristig begünstigen. Die Marktsituation im Herbst 2008 ist in Deutschland bzw. der Eurozone schwierig, da sogar ehedem als sehr sicher angesehene Pfandbriefe unter den Panikdruck der Märkte bzw. der Anleger gekommen sind; ein massives Abziehen von Kundengeldern aus Fonds zwingt Fonds zu Notverkäufen, die die Preise von Vermögensobjekten weiter nach unten ziehen. Hier droht eine wirkliche Abwärtsspirale. Es muss daher betont werden, dass die Finanzmärkte in 2008/09 in einer unnormalen Marktphase sind: Die Bedrohung der internationalen Finanzmarktstabilität ist sehr ernst. Auch wenn die Mega-Stabilisierungspakete der Bundesregierung und anderer Regierungen von EU-Ländern Mitte Oktober eine erste positive Wirkung zeigten, als die Zinssätze am Geldmarkt sich von ihren Rekordwerten zuriickbildeten, so ist eine Revitalisierung der Interbankenmärkte bislang kaum zu erkennen. Ordnungspolitische Widersprüche in der Wirtschaftspolitik in den USA, Deutschland bzw. der Eurozone und Großbritannien haben sich im Zuge der Notmaßnahmen in großer Zahl ergeben, und auch diese Entwicklung könnte das ökonomisch-politische Vertrauen weiter schmälern. Sonderbar ist in einer solch fragilen Situation, wenn führende Vertreter einiger europäischer Institutionen öffentlich über weitere Bankenkonkurse spekulieren. Die internationalen Kollateralschäden der US-Banken- bzw. US-Finanzmarktkrise sind enorm. Finanzmarktglobalisierung kann ohne vernünftige Regeln nicht fortgesetzt werden. Die von manchen Ökonomen in den vergangenen Jahren unkritisch formulierten Lobgesänge auf die Logik der Finanzmärkte ist jedenfalls durch die Realität hart widerlegt worden und überhaupt gibt es in der Ökonomie zu wenig kritische Analyse.Vermutlich mangelt es auch an unabhängiger Analyse.

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Die Finanzmarktglobalisierung ist möglicherweise strukturell nicht kompatibel mit Marktwirtschaft bei Wettbewerb; nicht wegen der eigentlichen Absichten der Akteure in der Finanzwelt der OECD- und Schwellenländer. Aber die Skalenvorteile und Netzwerkeffekte in den Banken- bzw. Finanzmärkten bringen es mit sich, dass sich im anfänglichen Wettbewerbsprozess sehr große Banken und Fonds herausbilden, so dass es ein Too-big-to-fail-Problem gibt: Die Großbanken können im Interesse der Systemstabilität nicht in Konkurs gehen und die Vorstände dieser Banken werden dies wissen und sich entsprechend verhalten bzw. auf der Jagd noch Top-Renditen einen übermäßigen Appetit für Risiken entwickeln. Damit sind Banken- und Finanzmarktkrisen fast programmiert, wobei der Nationalstaat durch Teilverstaatlichungen und Mega-Bürgschaften bzw. faktische Subventionierungen die Großbanken (und ggf. die großen Versicherungen) wird retten müssen. Davon gehen Signalwirkungen an andere politischökonomisch sensible Branchen — wie etwa wettbewerbsschwache Unternehmen im Automobilsektor — aus, ebenfalls nach verstärkter Subventionierung und nach Bürgschaften zu rufen. Da der Nationalstaat diesem Drängen wohl meist nachgeben wird, entsteht eine ordnungspolitisch bedenkliche Spirale und eine hohe Rechnung für die Steuerzahler. Ein Finanzmarktchaos wie in den USA und Teilen Europas in 2008 muss daher künftig unbedingt verhindert werden, da hier nicht nur enorme ökonomische Kosten entstehen, sondern weil hieraus eine Gefahrdung der Marktwirtschaft als solche entsteht. Kaum dass die Zentralverwaltungswirtschaften von der Erde verschwunden sind, gerät ausgerechnet die im Systemwettbewerb siegreiche Wirtschaftsordnung der Marktwirtschaft in Schwierigkeiten. Dass die Bankenaufsichtsbehörden zugelassen haben, dass zunehmende außerbilanzielle Bankaktivitäten entstanden — ohne konsolidierte Bilanzen (inklusive Zweckgesellschaften) — ist unverständlich. Banken konnten sich legal nach dem Eisbergmodell aufbauen: Oberhalb der Wasserlinie ein großes Schild mit der Aufschrift Bank, während die Hauptgeschäfte unterhalb der Wasserlinie bzw. der Beobachtungslinie durch die Aufsichtsbehörden lagen, die nur formalistisch Bankenprüfung betrieben. Dass es in einer digitalen Wissensgesellschaft möglich wurde, dass Banken große Anteile ihrer Geschäfte ohne vollständige und klare Informationsrechnungslegung für Aktionäre, Investoren, Einleger und Aufsichtsbehörden organisieren konnten, ist ein Widerspruch in sich und hat letztlich den gesellschaftlichen bzw. sektoralen Produktionsfaktor Vertrauen zerstört. Der Staat, der in der Marktwirtschaft Regeln bzw. Rahmenbedingungen setzen und für Transparenz auf Märkten sorgen soll, hat hier versagt, wobei den USA die Hauptverantwortung zukommt; bei der USSEC als Aufsichtsbehörde der Investmentbanken wurde unter der Bush-Administration Personal abgebaut, so dass diese eine Einladung zu Moral Hazard für viele Banken war. Insbesondere Patrick Artus bzw. Nouriel Roubini gehören zu den Kollegen, die schon in 2005 bzw. 2006 vor der Gefahr überzogener Renditeforderungen bei

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Banken bzw. vor den US-Immobilienmarktproblemen gewarnt haben. In einer Phase hohen Wirtschaftswachstums und allgemeiner Börseneuphorie will aber die Öffentlichkeit derlei Negativ-Perspektiven nicht hören. Hätte wenigstens die Europäische Kommission oder die EZB klare Kompetenzen in Sachen Finanzmarktregulierung — etwa dem Modell bei der Telekommunikation folgend -, dann gäbe es immerhin ein gewisses Benchmarking durch die Europäische Ebene bzw. ein periodisches Regulatory Review. Immerhin hätte man erwarten können, dass die BIZ und die Finanzmarktaufseher oder die OECD sich für kritische Argumente interessiert hätten. Das war offenbar nicht der Fall und zeigt die Sonderbarkeit eines Systems der Bankenaufsicht in den OECD-Ländern auf, bei dem es an kritischen internationalen Vergleichen und unabhängiger externer Analyse mangelt. Es gibt eindeutig zu viele von Regierungen vorab gelesene und oft korrigierte OECD-Länderberichte und es bestehen für die USA zu viele Ausnahmen — etwa beim vom IMF für große Länder eigentlich vorgesehene Financial Sector Assessment Program. Die USRegierung verweigerte sich hier jahrelang und hat erst für 2009 einer ersten Veröffentlichung zugestimmt. Darüber hinaus gibt es eine sonderbare Vorstellung über moderne oder neu zu schaffende Risikofrühwarnsysteme für den Finanzmarkt; hier werden aber komplexe Turbo-Analysen bestellt, wo schon ein einziger Indikator bzw. ein Taschenrechner auf größte Risiken hinweist: Soll es etwa normal sein, dass der CDS- Markt zwischen 2004 und Mitte 2008 von 6000 Mrd. $ auf 60 000 Mrd. $ gewachsen ist? Das sind immerhin Märkte für Kreditversicherungspolicen, wobei man vernünftigerweise erwarten darf, dass die Aufsichtsbehörden wissen, dass hier, beim Handel mit Risiken, größte Transparenz und hohes Verantwortungsbewußtsein gefordert sind. Da beruhigt es ungemein festzustellen, dass die Bankenaufseher — und damit auch die Märkte - in der Regel nicht wissen, wo beim globalen Verkaufen und Wiederverkaufen und Mixen mit anderen Finanzinnovationen die CDS-Papiere hingeraten sind. Eine mittelfreundüche Variante wäre noch ein Hedge Fonds von den Cayman Islands. Der Verkauf von CDS sollte eindeutig beschränkt werden, und zwar ggf. auf explizit lizensierte Käufer, die der Versicherungsaufsicht unterliegen müssen. Die Vorstellung, dass die Banken in den USA sich mehr oder weniger selbst regulieren sollten — eine populäre Sicht unter der Bush-Administration -, ist absurd und ungefähr so überzeugend, als hätte jemand vorgeschlagen, dass die Unternehmen selbst ihre Wettbewerbsgesetzgebung schreiben sollten. Dabei sind doch Regulierungen als sektorspezifische Wettbewerbsregeln definiert. Die transatlantische Bankenkrise und das miserable Krisenmanagement in den USA — mit dem unglaublichen Schritt in 2008, Lehman Brothers mitten in der Krise in Konkurs gehen zu lassen und weltweit über Jahrezehnte in Märkten gewachsenes Vertrauen zu zerstören — bedeutet eine Schwächung des Westens. Die alte Weltwirtschaftsordnung ist zerstört. Die Eurozone sieht im Vergleich zu den USA und Großbritannien noch relativ stabil aus, obwohl auch in der Euro-

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zone bzw. der EU wenig Grund zur Selbstzufriedenheit ist. Das gilt auch für Deutschland. Man betrachte hier etwa die unglaublichen Zustände in der Anlageberatung: Wenn etwa zahlreiche Banken Lehman-Zertifikate — also InhaberSchuldverschreibungen - offenbar als einziges Anlageobjekt (oder eines von wenigen) an Kunden verkauft haben, so widerspricht das den Anfänger-Regeln zur Portfoliodiversifizierung. Dass Bankberater bzw. Banken derlei vornehmen können, ohne Schadensersatz und Strafen zu gewärtigen, ist unglaublich und zeigt enorme Defizite der Gesetzgebung. Bankberater sollten sich zudem periodisch externen Prüfungen stellen müssen. Ohne massive Änderungen in diesem Bereich ist eine auf Kapitalmärkte aufbauende Alterssicherung — sie ist unverändert wegen demographischer Gründe nötig — nicht zu verantworten. Die Bankenkrise erschüttert das Vertrauen der Menschen weltweit. Banken und Versicherungen bringt man seit jeher in modernen Marktwirtschaften ein besonderes Vertrauen entgegen. In der Krise aber verschärfen sich dem Finanzsektor eigene Probleme wie asymmetrische Information und Moral Hazard; fast jeder Bankvorstand einer Bank mit Problemen leugnet bis kurz vor dem Konkurs, dass es überhaupt Probleme gebe. Viele Bankberater, die Kunden bei der Vermögensanlage vernünftig beim Umgang mit Ersparnissen informieren sollten, sind spätestens nach dem Konkurs von Lehman Brothers, in Konflikt mit betreuten Kunden gekommen — diese haben Vermögen verloren, die entsprechende Bank an Glaubwürdigkeit. Man unterschätze nicht die große Bedeutung von Banken und Versicherungen in einer Marktwirtschaft, die nicht umsonst capitalism genannt wird: In einer Geldwirtschaft mit Investitionen und einer notwendigen Alterssicherung über Kapitalmärkte kann man Glaubwürdigkeits- und schwere Funktionsprobleme im Finanzmarkt ungefähr so gut brauchen wie ständige Störungen im Telekommunikationsnetz bzw. bei digitalen Informationsdiensten. Zu den Sonderbarkeiten der Finanzmarktkrise gehört es, dass man in der digitalen Wissensgesellschaft miserabel über die wahren Risiken im globalen Finanzsystem informiert ist. Bei den Reformanstrengungen auf internationaler Ebene kann man nur davon abraten, einen langen Katalog von vielen Einzelreformen anzugehen, wo es in Wahrheit entscheidend auf nur fünf bis sechs Kernreformen — die aber unverzichtbar sind — ankommt. Eine lange Reformagenda wird wohl die freudige Zustimmung vieler Großbanken finden, die hoffen können, dass im Wirrwar einer Vielzahl von Reformpunkten Prioritäten verloren gehen und am Ende auf der Zeitachse unbequeme, aber gesellschaftlich nütztliche Regulierungen ausbleiben. Jenseits der dringlichen Systemstabilisierung und eines vernünftigen Krisenmanagements ist zu fragen, ob und inwieweit ein regulierter Bankensektor stabil und zugleich wettbewerbsintensiv sein kann. Effizienz im Bankensystem stellt sich aber langfristig bei einem zu Wenig an Wettbewerb und Defiziten bei Haftungsprinzipien von Großbanken nur teilweise ein. Finanzmarktglobalisierung im Kontext mit Großbanken und beschränktem Wettbewerb verlangt nach Regulie-

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rung bzw. effektiver Finanzmarktaufsicht; von letzterer ist man in der EU und in den USA seit Jahren weit entfernt und die Rating-Agenturen liefern nicht die notwendige Qualitätsarbeit beim Rating von Finanzprodukten und von Banken, die im Rahmen der Basel-II-Regeln eigentlich erforderlich ist. Sofern man Regulierungen bei Banken für notwendig hält, so stellen sich durchaus ähnliche Aufgaben wie bei der Regulierung anderer Sektoren, wobei man in den OECDLändern seit den späten 90er Jahren mit der Regulierung des Telekommunikationssektors recht gute Erfahrungen gemacht hat. Während hier in der EU das Zusammenspiel von supranationaler Regulierung und nationaler Regulierung bereits seit Jahren recht gut funktioniert, gibt es eine ähnlich gute Arbeisteilung im Bereich der Finanzmarktregulierung in der EU nicht (die BNetzA als Regulierungsbehörde bei Telekom/Strom/Bahn etc. ist in ihrer Struktur und ihrer wissenschaftlichen Verankerung deutlich besser aufgestellt als die BaFin). In den USA, wo die USSEC bei der Regulierung der Investmentbanken versagte und die FED die Regulierung der Geschäftsbanken (Bank Holdings) ohnehin über Jahre als vernachlässigbare Aufgabenstellung ansah, ist im Zuge sinkender Immobilienpreise eine Bankenkrise ausgebrochen, die eine hohe Eigendynamik in den USA und darüber hinaus ausgelöst hat. Viele Banken aus der EU — allen voran Banken aus Großbritannien - waren in den USA im SubprimeHypothekenmarkt investiert bzw. auf verschiedene Weise in die Verzerrungen auf den Finanzmärkten bzw. die negative Wirtschaftsentwicklung in den USA in 2007/08 involviert. Die Wachstumsrate der US-Investitionen wurde in 2007/08 negativ und damit war eine US-Rezession absehbar, wobei der US-Boom in der Dekade zuvor wohl auch durch teilweise fragwürdige bzw. verzerrte USMarktsignale geprägt war: Anlagen in den USA schienen hohe Renditen zu erbringen, zugleich waren die Risikoprämien in 2003-06 merkwürdig niedrig — eigentlich floss, gemessen an korrekten Marktsignalen, über Jahre zuviel Kapital in die USA; in der Bankenkrise wurden dann wiederum erhebliche negative internationale externe Effekte sichtbar, die etwa von den USA auf Europa und andere Weltregionen übergingen. Bislang hat man in der Wissenschaft die Frage negativer externer Effekte von (bestimmten) Bankgeschäften bzw. von internationalen Kapitalströmen praktisch ignoriert. Soweit negative externe Effekte des internationalen Kapitalverkehrs zu beobachten sind — solche Effekte sind jedenfalls in der US-Krise im Kontext eines von Anreizverzerrungen geprägten US-Banken- und Aufsichtssystems doch massiv sichtbar geworden - , ergeben sich natürlich auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit des internationalen vollständig liberalisierten Kapitalverkehrs. Es entspricht wiederum herkömmlichen ökonomischen Lehrbuchweisheiten, dass negative externe Effekte durch eine Pigou-Steuer internalisiert werden können. Auf solche oder äquivalente Eingriffe könnte man verzichten, wenn die USA und andere Länder für die Internaüsierung externer Effekte durch vernünftige Ordnungspolitik bzw. Anreizsysteme (auch in der Finanzmarktaufsicht) Sorge trügen.

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Selten hat man in der Realität den Eindruck, dass die Führungsakteure in Finanzwelt und Politik das eigene System nicht richtig verstehen und Panik das Handeln prägt. Einen solchen Eindruck konnte man im September/Oktober 2008 in den USA, Großbritannien und der Eurozone bekommen. Die hohe Finanzmarktdynamik bzw. zeitweise Panik auf den Märkten kann Staaten — wie etwa Island oder Ungarn im Oktober 2008 - gefährden, sie kann auch das Auseinanderbrechen von Integrationsräumen zur Folge haben. Sollten sich die hohen Risikoprämien bei Italien-Bonds bzw. Spanien-Bonds und GriechenlandBonds längere Zeit zeigen, so kann dies in der Eurozone durchaus zu ökonomisch-politischen Spannungen führen. Dabei ist eigentlich die Eurozone dank vernünftiger Bankenregulierung in Spanien und auch in Italien noch in einer relativ günstigen Lage — verglichen mit den USA und Großbritannien. Wieso die Regierungschefs der Eurozone sich auf dem Pariser Gipfel vom 12. Oktober, an dem auch Großbritannien teilnahm, ausgerechnet von den britischen Verstaatlichungskonzepten im Bankenmarkt beeindrucken ließen, bleibt einstweilen schwer verständlich. Es ergibt sich ein fragwürdiges Signal an die Märkte, dass nämlich die Krise in der Eurozone ähnlich schlimm wie in Großbritannien sei, wovon indes zunächst keine Rede sein kann. Wenn allerdings Politikpanik in der Eurozone sich multiplikativ mit der zeitweisen Aktienmarktpanik verbinden wollte, kann die Eurozone am Ende der Bankenkrise auch als Verlierer dastehen. Nachdem schon Hundertausende Arbeitnehmer erhebliche Vermögensverluste erlitten haben, kommt nun im Gefolge der Finanzmarktkrise auch eine Rezession in der EU und den OECD-Ländern — damit aber drohen Realeinkommensrückgänge und Jobverluste und ein potenziertes Unsicherheitsgefühl bei vielen Menschen; natürlich auch bei Unternehmern und Aktionären. Hier droht nun der realwirtschaftliche Abwärtsprozess die möglichen Stabilisierungsgewinne aus den Krisenpaketen vom Oktober 2008 mittelfristig aufzufressen. Man darf gespannt sein, ob einem 500 Mrd. Euro schweren Rettungspaket aus 2008 dann in Folgejahren 1000 Mrd. Euro-Rettungspakete folgen sollen. Da in der zweiten Jahreshälfte 2008 und im Jahresverlauf 2009 eine Rezession für die USA, die EU und Japan von einer Rezession auszugehen ist, werden auch zahlreiche Unternehmen mit Refinanzierungsproblemen konfrontiert sein: allen voran die USAutofirmen und andere Firmen in OECD-Ländern, deren Schuldverschreibungen mit schwachen Ratings laufen. Die US-Autofirmen haben bereits im Oktober nach Hilfskrediten der US-Regierung verlangt und es ist nur eine Frage der Zeit, bis General Motors mit seinen Tochterfirmen in vier Kontinenten — GMAnleihen laufen schon einige Jahre unter der Überschrift Junk Bonds — nach Hilfskrediten und Subventionen ruft. Von einem solchen Szenario ist es nur ein kleiner Schritt, bis die Autoindustrien der EU Subventionen fordern; andere Industrien mit Problemen werden folgen. Ordnungspolitische Konflikte sind programmiert.

xiv • Paul J.J. Weifens

Während aus Peking bekannt ist, dass man sich dort regierungsseitig bei USPräsident Bush vehement für die Rettung von Fannie Mae und Freddie Mac eingesetzt hat — hier drohten China im Konkursfall der beiden Immobilienbanken große Verluste -, haben weder Japan noch die EU bzw. einzelne EU-Länder sich bei der US-Regierung vernehmlich für eine Rettung von Lehman Brothers eingesetzt. Dabei wäre es im Interesse aller OECD-Länder gewesen, einen Konkurs von Lehman Brothers und damit die Zerstörung des Vertrauens an den Interbankenmärkten zu verhindern. Es bleibt abzuwarten, ob die EU zu vernünftigen gemeinsamen Positionen in der globalen Reformdebatte findet und mit der neuen US-Administration bzw. dem Nachfolger von US-Präsident Bush sinnvoll zusammenarbeiten kann. Transadantische Kooperation bei der Überwindung der Bankenkrise ist wünschenswert, zudem wird die Frage einer koordinierten expansiven Fiskalpolitik auf die Agenda kommen. Neben einer durchdachten Konjunkturpolitik und kurzfristigem Krisenmanagement bei Banken und Versicherungen wird eine Strukturreform bei der Banken- bzw. Finanzmarktaufsicht in den meisten OECD-Ländern zu leisten sein. Darüber hinaus werden Veränderungen der internationalen Finanzmarktordnung inhaltlich, aber auch prozedural erforderlich werden. Letzteres bezieht sich u.a. auf die Notwendigkeit, jenseits der G7-Gruppe weitere Länder einzubeziehen, wobei China wohl eine besondere Rolle spielen dürfte. In Peking gibt es durchaus ein Bewußtsein dafür, dass das Land — ähnlich wie in der Asien-Krise 1997/98 — durch eine stabilitätsbewußte Politik Ansehen und Einfluss in Asien und darüber hinaus gewinnen kann. US-Finanzmarktstrategien von der Wall Street werden im Übrigen verstärkt in Asien, Lateinamerika und vielen arabischen Ländern durch das globale Personalkarussel an Bedeutung gewinnen, trotz neuer Regulierungen: An der Wall Street entlassene Bank-Manager sowie Banker ohne Job aus London haben schon neue Jobs in anderen Teilen der Welt gefunden. Hedge Fonds in Steueroasen dürfen ihre Produkte unverändert in OECD-Ländern verkaufen, obwohl diese unregulierten Fonds krisenförderlich in vieler Weise sind. Meinen Mitarbeitern Martin Keim, Christian Schröder, Thomas Domeratzki, Olga Sieben und Jens Perret sowie Michael Vogelsang gilt mein Dank für technische Unterstützung und Anregungen ebenso wie Lothar Kamp und Frank Gerlach von der Hans Böckler Stiftung. Danken möchte ich auch für die Einsichten meiner Gespräche bzw. Diskussionen mit Holger Wolf, Washington DC, mit dem ich im Januar 2006 schon einen Gedankenaustausch zu US-Immobilienmarktfragen hatte; sowie für kritische Hinweise von Volker Clausen, Universität Duisburg-Essen. Schließlich möchte ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen — u.a. aus Großbritannien, Spanien und Ungarn — im Jean MonnetForschungsprojekt Finanäal Market Integration, Structural Cbange, Foreign Direct Investment and Economic Growth in the EU25 bedanken, das ich in 2007/08 geleitet habe und dem ich eine Reihe von Einsichten verdanke. Die Verantwortung für die Expertise liegt allein beim Autor. Diese Expertise ist den Bürgerinnen und

Transatlantische Bankenkrise - xv

Bürgern gewidmet, deren Sorgen um ihre Ersparnisse bzw. ihre Alterssicherung in der Krise enorm wuchsen und die im Herbst 2008 den sonderbaren Eindruck gewinnen mussten, dass führende Repräsentanten der Wirtschaftspolitik der Abwärtsdynamik der Finanzmärkte immer wieder hinterherliefen. Immerhin haben die EU-Länder Mitte Oktober 2008 zu einer gewissen Kooperation bei der Krisenbekämpfung gefunden. Die Politik ist offenbar entschlossen, systemrelevante Banken — also Großbanken — zu schützen bzw. zu retten. Der Hinweis auf die Systemrelevanz einer Großbank als Rettungskriterium ist aber insofern problematisch, als hieraus eine politische Geringschätzung inhabergefiihrter mittelständischer Banken herrühren könnte: also gerade jener Banken, wo Manager bzw. Inhaber mit persönlicher Haftung aktiv sind, die sich typischerweise aus besonders risikobehafteten Subprime-Krediten herausgehalten haben. Als ich vor einigen Jahren bei einem Basel-II-Hearing im Europäischen Parlament mitwirkte, wandte ich mich schon gegen Simulationen, die von unveränderten Verhaltensweisen im Kontext von Regulierungsänderungen ausgingen — die Simulationen zeigten ein problemloses Ubergangsszenario. Was die Szenarios indes ohnehin nicht in Betracht zogen, war die reale Situation des frühen 21. Jahrhunderts, als nämlich die EU-Länder Basel II-Regeln umsetzten, die USA indes nicht. Von einem level playing field konnte man daher nicht ausgehen und US-Banken konnten mit einem Weniger an Regulierung als ihre EUKonkurrenten politisch verzerrte Wettbewerbsvorteile realisieren. Die USZentralbank unter Alan Greenspan unterstützte diesen Kurs der US-Regierung und aus unklaren Gründen nahm der US-Zentralbankpräsident an, dass rationale Eigeninteressen der Bankmanager für vernünftiges Verhalten im Bankensektor sorgen könnten. Top-Manager haben aber nur einen Zeithorizont von wenigen Jahren — bis zur Pensionierung oder zur nächsten Übernahme — und es ist zweifelhaft, ob Aktionärsstrukturen effektive Kontrollen des Managements erlauben. Dass ein breites Versagen der Bankenaufseher — und auch der Gesetzgeber, die passiv über Jahre verharrten — für die Krise eine komplementäre Negativrolle spielte, sei betont. Es ist an der Zeit, über eine neue internationale Finanzarchitektur nachzudenken, wobei man im Interesse demokratischer Verantwortlichkeit in einer globalisierten Welt die Parlamente endlich einbinden sollte, wenn es um die Kontrolle wichtiger globaler Institutionen geht. Die Kontrolle vieler internationaler Organisationen ist schwach, denn allzu oft sind einfach die Regierungen von Mitgliedsländern allein aktiv, was wenig Transparenz bedeutet und letztlich auch die Diskussionen über wichtigen Themen aus der politischen Öffentlichkeit der Länder herausnimmt. Schon in Europa hört man doch von Regierungsseite allzu oft, dass man auf der nationalen Ebene bestimmte Politikthemen nicht diskutieren könne, da sie in das supranationale Kompetenzfeld fielen — solche Argumente aber wollen letztlich nur eine Sachdiskussion per se aus Bequemlichkeitsgründen unterdrücken und verhindern, dass man in der EU verantwortliche rationale Regierungsstrukturen für die Völker bekommt. Die

xvi • Paul J.J. Weifens

Finanzmarktkrise ist ein willkommener Anlass, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ihre Souveränität wieder zurückholen; nach dem Krisenmanagement als Zeit der Selbstdarstellung der Exekutive ist der parlamentarische-öffentliche Diskurs gefordert. Wann will man diesen denn führen, wenn nicht bei Themen wie Anlageberatung für private Lebensersparnisse, Sicherheit von Kreditversicherungspolicen, Sorgfalt der Bankenaufsicht und Transparenz und Vollständigkeit von Bilanzierungen von Banken bzw. Unternehmen. Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bzw. einer Group of International Supervisors (GIS; kann als Teil einer neuen BIZ organisiert werden) sollte ein internationale parlamentarische Versammlung zur Seite gestellt werden, die unmittelbar auf globale Verantwortlichkeit abstellt und ggf. internationale Untersuchungsausschüsse einberufen sollte. Globalisierung ohne neue demokratische Strukturen wird nicht von Dauer sein, die Große Finanzkrise 2007/08 ist ein Schritt zur Unterminierung der Globalisierung bzw. zeigt, dass politisch vernünftig gestaltete Globalisierung notwendig ist. Stabilität in global integrierten Finanzmärkten ist ein globales öffentliches Gut und dessen Sicherung ist auch eine politische Aufgabe. Während ich einen Teil der Bankenkrise 2006/07 antizipierte und in meinen Vorlesungen am Sciences Po, Paris, und an der Bergischen Universität Wuppertal und in einigen Aufsätzen thematisierte, hat die Negativdynamik in 2008 meine skeptischen Erwartungen deutlich übertroffen. Es besteht bei einer ungeordneten Reformpolitik durchaus das Risiko, dass man zwar einige Probleme löst, zugleich aber Teilprobleme verschärft oder auch über das Ziel hinausschießt. Zweifelsohne sind grundlegende Reformen — letztlich auch eine Basel-IIIAgenda — nötig, allerdings sollte man Kreditverbriefungen, CDOs und Credit Default Swaps nicht per se abschaffen wollen. Aber ein deutliches Mehr an Transparenz auf den entsprechenden Märkten bzw. klare „Leitplanken" als ordnungspolitische Rahmenbedingungen, neue Anreizsysteme für langfristige Managemententscheidungen und bessere Risikosteuerung sowie umfassende Reformen bei Rating-Agenturen und bei den Bankenaufsehern sind unterlässlich. Neben institutionellen Reformvorschlägen finden die Leser auch einige neue theoretische Überlegungen zur Finanzmarktkrise, wo die Ökonomik Lücken zeigt. Die vorgelegte EHW-Studie soll ein Beitrag zu mehr Rationalität in der Debatte sein. Dabei wird eine Reihe von institutionellen Innovationen vorgeschlagen inklusive einer zu mehr Stabilität bzw. langfristigerer Entscheidungsfindung anreizenden Besteuerung der Renditevarianz von Banken. Finanzmarktglobalisierung muss sinnvoll gestaltet werden, mit einer unkontrollierten Eigendynamik ist niemanden gedient. Wuppertal und Paris, im Oktober 2008 Prof. Dr. Paul J.J. Weifens (Jean Monnet Chair for European Economic Integration und Ijehrstuhl MakroÖkonomik an der herrschen Universität/ Schumpeter School for Business and Economics; und Alfred Grosser Professorship 2007/08, Sciences Po, Paris; Research Fellow am IZA, Bonn; Non-resident Senior Fellow amAICGS/Johns Hopkins University)

Transatlantische Bankenkrise - xvii

Inhaltsverzeichnis Vorwort

v

Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis

xix xx

1.

Einführung

2.

Finanzmarktentwicklungen: Innovation, Internationalisierung 2.1 Grundlegende Überlegungen zur Rolle von Banken 2.2 US-Finanzmarktdynamik

22 28 45

3.

Bankenkrise in Deutschland und EU-Ländern

72

4.

Probleme der Finanzmärkte und der Bankenaufsicht in Deutschland

85

Mittelfristige Effekte der Bankenkrise in der EU und der Weltwirtschaft

92

Reformpolitische Optionen rationaler Wirtschaftspolitik 6.1 Ansatzpunkte auf nationaler und internationaler Ebene 6.2 Wohlfahrtskosten 6.3 Neues Steuersystem 6.4 Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise 6.5 Konjunkturpolitik und Krisenmanagement

98 98 121 124 152 162

5. 6.

1

Literatur

170

Anhang 1: IKB-Kundeninformation (IKB, 2005)

178

Anhang 2: Ansatzpunkte zum Aufhebeln der Eigenkapitalrendite

180

Anhang 3: Auszug aus einem Papier zur Bankinsolvenz Situation in der Schweiz und der internationalen Ebene (2008)

182

Anhang 4: Auszug aus dem Finanzmarktstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank (2007)

187

Anhang 5: Drei-Säulen-Ansatz der modernen Bankenaufsicht

191

Anhang 6: Ölpreisinflationserwartung, Ölpreis und Zinssatz

193

Anhang 7: Finanzwirtschaftliche Indikatoren

196

Anhang 8: Auszug aus dem 78. BIZ Jahresbericht

206

xviü • Paul J.J. Welfens

Anhang 9: Update on the Implementation of the FSF's Recommendations - Report by the FSF Chairman to the G8 Finance Ministers 209 Anhang 10: Interview der Süddeutschen Zeitung mit Joseph Stiglitz (Lindauer-Nobelpreisträger-Tagung) Anhang 11: Theoretische Perspektiven des Interbankenmarktes

213 214

Anhang 12: Quote from „The President's Working Group on Financial Markets" from March 2008 216 Anhang 13: U m f a n g von Finanzrettungspaketen für Banken und Versicherungen

224

Anhang 14: Regressionsergebnisse zur Erklärung von Bankgewinnen in ausgewählten Ländern

225

Anhang 15: Notenbanker verlangen den Schwur

228

Zusammenfassung

229

Transatlantische Bankenkrise • xix

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Verbriefungsarten und Risiko

8

Abbildung 2:

Hauptreformvorschläge der Expertise

19

Abbildung 3:

Dynamik der Bankenkrise

20

Abbildung 4:

Bankensektor und Wirtschaftswachstum

29

Abbildung 5:

Branson-Modell und expansive Offenmarktpolitik

36

Abbildung 6:

Senkung des Auslands2inssatzes im Branson-Modell

37

Abbildung 7:

Erhöhte Finanzmarktintegration a) und Rolle der Risikoprämie b)

39

Abbildung 8:

USA: Hypothekenzins, Inflationsrate, Realzins, (M, Q, Y)

54

Abbildung 9:

Struktur von Asset-Backed Securities (forderungsbesicherte Wertpapiere)

82

Abbildung 10: Übersicht: Bisherige Reformvorschläge zur Bankenaufsicht.... 101 Abbildung 11: Kernpunkte zur Überwindung der Bankenkrise

149

Abbildung 12: Ölpreisbildung, Zinssatz und Ölinflationserwartung

194

Abbildung 13: zone Stock (M, market and bond market development in the euro Q, Y)

196

Abbildung 14: Stock market and bond market development in the US (M, Q, Y)

196

Abbildung 15: Bond market development in the US and the euro zone (M, Q, Y)

197

Abbildung 16: 3 Month Interest Rates in the US (in %) (M, Q, Y)

197

Abbildung 17: Global Currency Reserves in Billions US f (Y/Q/M)

198

Abbildung 18: Netzwerkeffekt und Skaleneffekte am Interbankenmarkt

215

xx • Paul J.J. Welfens

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Home Bias in ausgewählten Ländern/Währungsräumen

Tabelle 2:

Verlustliga der Banken, Stand Mitte August 2008 (gegenüber

22

dem 9.8.2007)

55

Tabelle 3:

Kosten einer Bankenkrise in ausgewählten OECD-Ländern

94

Tabelle 4:

Bruttowertschöpfung in % des BIP des Banken und Versicherungssektors

199

Tabelle 5:

Bedeutung des Finanzsektors gemessen an der Bruttowertschöpfung und der Anzahl der Arbeitnehmer in Ländern der Europäischen Union

200

Tabelle 6:

Marktanteil ausländischer Banken in der EU im Jahr 2006

201

Tabelle 7:

Die größten Banken weltweit

202

Tabelle 8:

Strukturdaten des Bankensektors in den Ländern der

Tabelle 9:

Europäischen Union im Jahr 2006

203

Banken in Ländern der Europäischen Union (EU-15)

204

Tabelle 10: Eigenkapitalrentabilität nach wichtigen Bankengruppen in Deutschland

205

Tabelle 11 : Umfang von Finanzrettungspaketen für Banken und Versicherungen

224

Transatlantische Bankenkrise • 1

1. Einführung Die US-Subprime-Krise von 2007 ist zum Auslöser einer mehrjährigen Bankenund Finanzmarktkrise in den USA geworden, wobei deren Ausläufer auch andere OECD-Länder und letztlich die Weltwirtschaft insgesamt negativ getroffen haben. Es herrscht unter Experten, Branchenvertretern und Wissenschaftlern sowie in der Öffentlichkeit ein verbreitetes Unbehagen über die internationale Banken- und Finanzmarktkrise, aber es liegt bislang keine umfassende Analyse dieser Krise vor und damit fehlen auch für eine ursachenadäquate Reformpolitik die Grundlagen. Es gibt zwar wichtige Analysebausteine, die etwa vom IMF, der BIZ, der EZB, nationalen EU-Zentralbanken und einzelnen Wissenschaftlern oder Expertengruppen vorgelegt worden sind, doch ist eine konsistente Behandlung der Problematik erst in Ansätzen zu erkennen. Dabei ist es für die Zentralbanken grundsätzlich schwierig, sich in einer instabilen Situation der Finanzmärkte — mit erkennbarem Marktversagen der Interbankenmärkte (zu diesem haben Banken wesentlich mit beigetragen, wie im weiteren zu zeigen sein wird) — mit öffentlicher Kritik bzw. weit reichenden Vorschlägen in der öffentlichen Debatte zu positionieren und damit zur Aufklärung der teilweise komplizierten Sachverhalte beizutragen; zu groß ist vielfach die Befürchtung, dass kritische Zentralbank-Analysen die schon bestehende Unruhe an den Finanzmärkten weiter vergrößern und damit auch die Handlungszwänge in der Geldpolitik erhöhen. Ein kritische Diskussion wird im Übrigen dadurch erschwert, dass die Bush-Regierung in den USA — dem Epizentrum der Finanzkrise - keine Strukturreformen im Bankensektor durchgeführt hat und jenseits von Reformpapieren diverser Experten keine wirklichen ursachenadäquate Reformschritte durchgeführt wurden. Im Sommer 2008 hat die US-Krise massiv auf Großbritannien und die Eurozone übergegriffen. Die Regierungen von Belgien, Luxemburg und Niederlande haben faktisch die belgisch-niederländische Bank Fortis am 28. September (teil-) verstaatlicht; ähnliches geschah unter Beteiligung der belgischen, französischen und luxemburgischen Regierung am 29. September im Fall der belgisch-französischen Dexia — sie hat auch eine Niederlassung in Luxemburg. Die Bundesregierung und private Banken mussten am 28. September ein Rettungspaket für die Hypo Real Estate, eines der Dax-Unternehmen, schnüren: Der private Finanzsektor wird etwa 8,5 Mrd. € und der Bund maximal 26,5 Mrd. € in eine Zweckgesellschaft einbringen, die einen 15 Mrd. €-Kredit an die Hypo Real Estate geben wird; diese wiederum überträgt Vermögenswerte im Wert von 42 Mrd. € an die Zweckgesellschaft; dieses erste Rettungspaket zerfiel vorübergehend, da weitere Finanzierungslücken geschlossen werden mussten, allerdings gelang es am 05. Oktober 2008 durch Erhöhung des Kreditrahmens der privaten Banken (Gesamtabschirmung nunmehr 50 Mrd. €) zu stabilisieren - dies gilt mindestens

2 • Paul J.J. Weifens

vorläufig, wobei schon kurz- und mittelfristig weitere Stabilisierungsmaßnahmen notwendig sein dürften. Der Hypo Real Estate gelang eine anstehende Refinanzierung nicht mehr, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil nach dem Lehmann-Konkurs, der größten Bankenpleite der USA, das Vertrauen von Banken und Investoren gegenüber dem Finanz- bzw. Immobiliensektor weiter eingebrochen ist. Keineswegs kann man ausschließen, dass die Finanzmärkte der OECD-Länder binnen weniger Monate bzw. im Zuge neuer Destabilisierungen einer Kernschmelze unterliegen, da das Marktvertrauen immer weiter schrumpft. Irland, dessen Banken unter erheblichem Druck stehen, hat die Unruhe in seinem Bankensektor gemildert, indem die irische Regierung zunächst für zwei Jahre eine Garantie auf Aktiva und Passiva (bis zu 400 Mrd. €) der sechs größten Banken ausgesprochen hat; die Garantie wurde alsbald noch ausgeweitet. Das schafft natürlich im EU-Finanzbinnenmarkt bzw. in der Eurozone eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung. Es ist sicherlich im Interesse einer Marktstabilisierung und auch einer Beruhigung der Anleger, wenn die Mitgliedsländer-Regierungen der Eurozone bzw. der EU dem Beispiel Irlands im Grundsatz zügig folgten. Hierbei ergeben sich durchaus problematische Anreizeffekte, aber die kurzfristig notwendigen Rettungsmaßnahmen für das Bankensystem lassen hier keine vernünftige Alternative. Mittelfristig wird man indes sicher gut beraten sein, zu einem differenzierten veränderten Einlagensicherungssystem zurückzukehren und darüber hinaus durch Untersuchungskommissionen die Verantwortlichkeiten für das Desaster in den USA und in einigen EU-Ländern zu identifizieren. In einer Demokratie muss es jedenfalls eine sichtbare Verantwortung für Fehlentwicklungen geben. Die Finanzkrise hat das Potential, das Vertrauen der Menschen in soziale Marktwirtschaft und Demokratie zu schwächen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass in Teilen der Bankenwelt und der Politik Ratlosigkeit und Unkenntnis erkennbar sind. Im Übrigen besteht die Gefahr, dass bei den kurzfristigen Maßnahmen zur Rettung des Finanzsystems Strukturen in der Bankenwelt geschaffen werden, die gerade nicht förderlich sind einer nachhaltigen und effizienzförderlichen Struktur von innovationsfähigen Banken im Rahmen eines international effektiven Wettbewerbs. Ende September 2008 konnten nur noch wenige Banken der Eurozone — gegen Sicherheiten — kurzfristige Kredite von anderen Banken erhalten. Anstehende Refinanzierungen bei vielen Banken werden immer schwieriger. Die Spreads in den Kreditmärkten sind im September 2008 so enorm angestiegen, dass Banken anstehende Refinanzierungen nur noch zu sehr hohen Zinssätzen realisieren können, was jedoch das Banken-Geschäftsmodell zerstört. Es basiert ja im Kern darauf, dass niedrigverzinsliche kurz- und mittelfristige Einlagen im Rahmen der Fristen- und Losgrößentransformation zu mittel- und langfristigen höher verzinslichen Bilanzpositionen umgewandelt werden. Während viele europäische Beobachter noch im Sommer 2008 darauf setzten, dass die US-Bankenkrise nur

Transatlantische Bankenkrise • 3

schwach auf Europa übergreifen werde, ist nach dem Lehman-Konkurs und der am 29.9.08 zunächst erfolgten Ablehnung des 700 Mrd.-Rettungspaketvorschlags der US-Regierung im US-Parlament deutlich geworden, dass die Vertrauenskrise an den US-Finanzmärkten immer schneller nach Europa übergreift und auch Banken in der Eurozone akut gefährdet sind. Kaum war etwa die belgischniederländische Forüs durch gemeinsamen Einsatz der Regierungen Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs verstaatlicht worden, da richtete sich das Marktmisstrauen gegen die belgisch-französische Bank Dexia, deren Aktienkurs an einem Tag über 30% fiel. Am 30. September 2008 verkündete Irlands Regierung eine Garantie für die Bankeinlagen und es ist nicht überraschend zu sehen, dass binnen 10 Tagen praktisch alle EU-Staaten ihre Einlagengarantien deutlich erhöht hatten. Dazu gehörte auch Deutschland, wo man zunächst am 5. Oktober per TV-Erklärung der Kanzlerin von einer Garantie der Spareinlagen hört, ehe dann einige Tage später noch die Geldmarktfonds hinzukamen. Positiv zu vermerken ist allerdings, dass die Special Investment Vehicles (SIV) der Banken ihre Portfoliobestände weitgehend in die Bilanzen der Banken zurückverlagert haben, was eine gewisse Transparenzverbesserung geschaffen hat. Mit Blick auf das US-Investmentbankensystem, das in den 80er und 90er Jahre zeitweise sehr hohe Renditen realisieren konnte, ist festzustellen, dass dieses in 2008 durch Konkurse, Bankenzusammenschlüsse und Umwandlung von Investmentbanken in normale Banken — sie unterliegen stärkeren Regulierungen als die Investmentbanken — von der Bildfläche faktisch verschwunden ist. US-Großbanken und z.T. auch US-Versicherungen sind im Jahresverlauf 2008 in eine schwierige Situation geraten, obwohl doch die FED die Zinssätze massiv zwischen Herbst 2007 und Ende Frühjahr 2008 gesenkt hatte. Schwindendes Marktvertrauen bzw. massiv sinkende Bankaktienkurse markierten einen Teil der Megaprobleme der US-Finanzmärkte in 2007/08. Dabei wurden hohe Hebelquoten notwendigerweise in vielen Banken abgebaut, was nur durch Verkauf von Aktiva ging, die Bankaktien und insgesamt die Kurse von Aktien und Bonds und Immobilien im Kurs nach unten drückten. Die Dominanz der US-Aktienmärkte im OECD-Raum drückte dann auch die Aktienkurse in vielen Ländern Europas und Asiens und Lateinamerikas. Zwar behaupteten sich die Länder der Eurozone bis in den Herbst 2008 hinein noch relativ gut in der internationalen Bankenkrisen, wobei ihnen die qualitativ besseren Regulierungen in der EU — verglichen mit den USA - wohl zugute kamen; immerhin hatten die Länder der Eurozone ebenso wie Großbritannien, Dänemark und Schweden sowie die EU-Beitrittsländer Osteuropas im Zuge einer EU-Richtlinie die Basel-II-Regeln für Banken umgesetzt (diese Regeln treten z.T. erst in 2009 in Kraft), womit die EU-Länder einer in jedem Fall strikteren Regulierung unterworfen sind als die USA, wo man sich gegen die Übernahme der Basel-II-Regeln gesperrt hatte. In den relativ unregulierten US-Märkten — geprägt von einer Fülle von Finanzinnovationen und geringer Präsenz der staatlichen Bankenaufsicht — hat sich der

4 • Paul J.J. Weifens

Kapitalmarkt als relativ blind im Vorfeld bzw. während der Bankenkrise erwiesen. Offenbar verstanden nicht nur Bankvorstände gar nicht, welche Art risikobehafteter Finanzgeschäfte sie da über Jahre trieben, sondern Aufsichtsräte und Aktionäre vermochten ihrerseits nicht zu erkennen, welche Uberrisiken die TopManager und Haupthändler eingingen. Von daher wirkt nicht nur keine Marktdisziplinierung gegen die schwache Unternehmensführung vieler Banken und Versicherungen, sondern auch die Aktionäre haben in der Anfangsphase — als manche Bank auf Betreiben ihrer Aktionäre noch neu hätte ausgerichtet werden können — ihre ökonomischen Überwachungsfunktionen offenbar nicht vernünftig realisiert. Mehr kompetenter unabhängiger Sachverstand gehört daher künftig in die Aufsichtsgremien von Banken und Versicherungen, damit eine Wiederholung der aus letztlich durchsichtigen Gründen entstandenen Krise verhindert wird. Dabei wird man bei Reformmaßnahmen zwischen kurzfristigen Notmaßnahmen zur Rettung des Banken- bzw. Wirtschaftssystems einerseits und langfristigen Strukturreformen andererseits unterscheiden müssen. Die nachfolgende Analyse ist ein Beitrag zur Aufklärung der Banken- und Finanzmarktkrise. Dabei ist nicht beabsichtigt, alle Details von Teilmärkten aufzuarbeiten und zu diskutieren. Vielmehr sollen die Hauptentwicklungen und -probleme der US- und EU-Finanzmärkte beleuchtet und begründete Schlussfolgerungen für die Reformdiskussion vorgelegt werden. Da im Zuge der Herausbildung der Finanzmarktglobalisierung auch Entwicklungs- und Schwellenländer von der Banken- und Finanzmarktkrise betroffen sind, gilt es bei wichtigen Kernaspekten, den Blick auch über den Tellerrand der OECD-Länder hinaus zu richten. Von der Umsetzung der hier vorgeschlagenen Reformeckpunkte kann eine mittelfristige Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Interbankenmärkte und eine Überwindung der Banken- und Finanzmarktkrise erwartet werden. Dabei ist realistischerweise jetzt davon auszugehen, dass die nächste Welle an Finanzinnovationen in den Banken und Fonds bereits jetzt angeschoben wird und daher ist ohnehin zu befürchten, dass ein langsamer international koordinierter Reformprozess zu spät kommen könnte, um eine Quasi-Wiederholung der Finanzkrise in dann vermutlich noch größerer Dimension zu verhindern: Denn infolge der Expansion der Informations- und Kommunikationstechnologie und wegen des allgemeinen Globalisierungsprozesses schreitet auch die Finanzglobalisierung fort, so dass mehr und mehr Länder von einer USBankenkrise negativ betroffen sein dürften. Es besteht unter allen verantwortlichen Akteuren dabei sicherlich Einigkeit, dass eine neue Weltwirtschaftskrise verhindert werden muss. Zwar haben große staatliche Rettungspakete der Bundesregierung in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und anderen EU-Ländern sowie den USA im Oktober 2008 eine gewisse Stabilisierung der Bankensysteme erreicht, wobei die USA und indirekt auch Großbritannien Banken zur Akzeptanz einer Teilverstaatlichung gezwungen haben. In Deutschland sieht das Rettungspaket 80 Mrd.

Transatlantische Bankenkrise • 5

€ an staatlichen Eigenkapitalbeteiligungen bei Banken vor, wobei die BayernLB am 22.10.2008 als erste Bank gut 5 Mrd. € aus dem Rettungsfonds des Bundes in Anspruch nahm. Weitere Landesbanken werden folgen, zumal anstehende Refinanzierungen von diversen Landesbanken in 2009/2010 nur schwer zu realisieren sein dürften. Die Obergrenze von 10 Mrd. € pro Bank bei der Kapitalbeteiligung erscheint als unnötigerweise unterdimensioniert, die Möglichkeit pro Bank, dass der Staat mit bis zu 5 Mrd. € „toxische Wertpapiere" ankauft, ist ebenfalls eine recht restriktive Begrenzung. Zugleich stellt sich die Frage, ob die privaten Banken in Deutschland in einer offensichtlichen Krisensituation - geprägt durch die faktische Unmöglichkeit, Bankschuldverschreibungen im Kapitalmarkt unterzubringen — gut beraten sind, wenn sie sich nicht zu einer Art solidarischen Nutzung der staatlichen Kapitalbeteiligung einsetzen. Indes, die Problematik einer Revitalisierung des Interbankenmarktes bleibt bestehen. Das Vertrauensproblem der Banken untereinander konnte durch die Mega-Rettungspakete nur ansatzweise angegangen werden, es fehlen bislang ökonomische Mechanismen zur Herausbildung von neuem Vertrauen. Bürgschaften für Interbankengeschäfte - Teil des Rettungspaketes in Deutschland — wird man als Instrument wohl unter dem Druck einer negativen Fortentwicklung am Bankenmarkt mittelfristig erproben. Eine weitere Negativdynamik droht den Märkten in Deutschland bzw. der EU durch das Versiegen der Märkte für Bankschuldverschreibungen, insbesondere seit Oktober 2008. Nachdem Island im Oktober 2008 vor der Situation eines Staatsbankrotts — im Gefolge der Instabilitäten der drei großen isländischen Banken bzw. deren Verstaatlichung, und zwar mit nachfolgender Währungsabwertung von etwa 80% — stand und nur mit IWF-Hilfe gerettet werden konnte, scheint ein neues Gefahrenszenario nicht länger unrealistisch zu sein; zumal auch Ungarn im Oktober 2008 vor einem Staatsbankrott nur durch einen Kredit der Europäischen Zentralbank gerettet werden konnte. Viele Ungarn hatten in den fünf Jahren nach 2001 als Privatpersonen etwa PKW-Käufe - oder als Unternehmer auch Investitionen — zunehmend auf Basis von Krediten in Euro oder Schweizer Franken finanziert: Niedrige Zinssätze ließen diese Verschuldungsstrategien zunächst als rational erscheinen, aber mit einer Abwertung des Forint um 40% gegenüber dem Euro im September/Oktober 2008 hat sich das Kalkül als problematisch bzw. falsch erwiesen. Ungarn als ein Land mit hohen Auslandsschulden steht vor z.T. ähnlichen Problemen wie einige ASEAN-Länder in der Asienkrise 1997/ 1998: Die hohe Abwertungsrate erhöht - in inländischer Währung gerechnet die Gesamdast der Auslandsverschuldung. Einer drohenden AbwertungsSpekulation versuchen Zentralbanken üblicherweise durch eine Hochzinspolitik zu begegnen, aber eine solche Politik bei niedrigem Wirtschaftswachstum bzw. in einer Übergangsphase zur Rezession wird kaum durchsetzbar sein. Wenn aber mehrere Länder Osteuropas — etwa Ungarn, Baltische Länder und die Ukraine — in ökonomische Schwierigkeiten geraten, dann werden Anleger in Nordamerika

6 • Paul J.J. Weifens

und Asien ihr Kapital aus der ganzen osteuropäischen Region abziehen. Hier droht ein Regionalisierungssyndrom, das ganz Osteuropa, inklusive Russland, in wirtschaftliche Schwierigkeiten stoßen könnte. Die EU bzw. die EZB sowie große Mitgliedsstaaten der EU sollten daher (wenn sie denn die Lehren der Asien-Krise aufgenommen haben) eigentlich frühzeitig versuchen, in Kooperation mit der EBRD und dem IMF sowie der BIZ einer regionalen Krise Osteuropas entgegenzuwirken. In Lateinamerika ist Argentinien — zum wiederholten Male — wohl der Ausgangspunkt einer regionalen Finanzkrise. Bei sinkenden Ölpreisen könnten im Übrigen die Währungen von Öl- und Gasproduzenten in Asien unter Abwertungsdruck kommen; die Destabilisierung einiger ASEAN-Länder ist nur eine Frage der Zeit. Auch hier gilt mit Blick auf die Unnormalität der Lage auf den Weltfinanzmärkten in 2008/09, dass regionale multilaterale Institutionen (in Asien etwa die Asiatische Entwicklungsbank) oder der IMF nicht versuchen sollten, primär einzelne Länder zu stabilisieren. Vielmehr kommt es darauf an, gleich ein Konzept für eine ganze Region zu entwickeln und umzusetzen. Zu groß ist das Risiko, dass ein drohender Staatsbankrott in einem einzelnen Land oder in zwei Ländern zum Fanal wird, dass Investoren aus der ganzen Welt ihre Gelder aus der betreffenden Weltregion rasch zurückziehen. Die Weltwirtschaft steht mit Blick auf ein solches Szenario vermutlich auch in 2009/2010 noch am Abgrund. Denn die destabilisierenden Rezessionskräfte in den USA und Europa werden in 2009 den Stabilisierungsimpulsen der staatlichen Rettungspakete entgegenwirken und wenn zugleich durch Finanzkrisen — ggf. gefolgt von politischen Krisen — in Asien oder Lateinamerika die Exportdynamik der OECD-Länder geschwächt wird, so wird die Weltwirtschaft unter großen Anpassungsdruck kommen. Selbst wenn man davon ausgehen kann, dass eine naive Wiederholung der mitten in der Großen US-Depression 1929-32 kontraktiven US-Geldpolitik nicht stattfinden wird, so ist doch zugleich zu bedenken, dass das ökonomische Gewicht der USA in der Weltwirtschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts viel größer als 1929 ist und dass im Fall eines vom IMF näherungsweise in 2008 ermittelten Abschreibungsbedarfs von 1000 Mrd. $ bei Banken und Fonds mit einem erheblichen US-Wachstumsverlust und einer gravierenden US-Rezession zu rechnen wäre (es ist durchaus denkbar, dass dieser Abschreibungsbedarf langfristig nicht erreicht wird bzw. auf eine Phase von weiter erhöhten Abschreibungen auf Wertpapiere auch eine Phase der Zuschreibungen folgt, sofern die Papiere bis Endfälligkeit gehalten werden und nur ein kleiner Prozentsatz ausfallt). Bemerkenswert ist im Übrigen auch, dass die US-Zentralbank in der Weltwirtschaftskrise ja den Notenbankzins von 6% auf 1,5% senkte, aber die Geschäftsbanken gaben die Zinssenkungen nicht weiter; vielmehr verharrte der Zinssatz der Banken bei über 12%, so dass die Expansionsimpulse der Zentralbank im Zinsbereich nicht an den Markt weitergegeben wurden. Da auch das Preisniveau zu fallen begann, erhöhte sich im Zuge einer Deflation auch noch der Realzinssatz.

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Blendet man Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise aus, dann fragt man sich unmittelbar, wie es in den USA zu einer solchen Banken- und Finanzmarktkrise kommen konnte, welches die internationalen Übertragungsmechanismen und -effekte sind, wer die Kosten der Bankenkrise trägt (dies sind nicht in erster Linie die USA, die nämlich einen Teil der Kosten externalisieren) und welche Reformmaßnahmen adäquat sind. Höchst problematisch ist auch, dass die Bankenkrise in 2008 auch auf Teile der Versicherungswirtschaft in den USA, Japan und der EU überzugreifen schien. Die Verbriefung von Krediten ist ein wichtiges Teilproblem der Bankenkrise, wobei nicht Verbriefungen per se ein Problem darstellen. Kreditverbriefungen sind nun allerdings zunehmend — seit Mitte der 90er Jahre — in teilweise intransparenter Weise erfolgt, zumal Kreditpakete über mehrere Stufen immer neu verpackte und im Markt platziert wurden. Nehmen wir als Beispiel eine Bank, die Kredit I und Kredit II in der Bilanz fuhrt, wobei der Kreditvertrag Tilgungszahlungen und einen Zins vorsieht; letzterer besteht aus einem Standardzins (für ein risikofreies Produkt) und einer Risikoprämie. Indem nun die Bank Kredit I und Kredit II in ein forderungsbesichertes Papier packt (genannt Asset Backed Security: ABS) werden die Kredite aus der Bilanz hinausmanövriert; das ABS wird im Kapitalmarkt verkauft, wo wiederum der Käufer gegebenenfalls das erworbene ABS1 mit einem anderen ABS2 zusammenpackt und als CDO-Papier verkauft; ein CDO-Papier kann auch als Mischung aus bestimmten Tranchen von ABS1 und ABS2 konstruiert sein. In Deutschland hat man mit der True Sale International Initiative versucht, eine gewisse Transparenz bei den Verbriefungen zu sichern, und zwar mit Blick auf die ursprünglichen Kredite und Risiken. Bei Mehrfach-Verbriefungen bzw. kettenartigen-Verbriefungen ist indes die Transparenz kaum wirklich herzustellen. Hier sind offenbar bei den ABS-Titeln und den CDO-Titeln von Rating-Agenturen im Jahrzehnt nach 1996 z.T. fragwürdig gute Ratings vergeben worden. Enorme Wachstumsraten erzielte im Übrigen die Variante b) in der nachfolgenden Abbildung, wobei quasi die Risikoprämie verkauft wurde, indem nämlich die Bank einen Credit Default Swap erwarb (CDS), der eine Versicherungspolice zum Kredit sein sollte (z.B. für Kredit II). Diese CDS wurde nun wiederum im Markt weiterverkauft, wofür eigentlich ein Regelwerk notwendig gewesen wäre, denn Versicherungspolicen sollte natürlich nur von sehr solventen und registrierten Anbietern transparent aufgekauft werden dürfen. Die CDS aber wurden unreguliert in intransparenten Over-the-Counter-Märkten gehandelt, ohne durchlaufende Registrierung und die Welt kann dank Untätigkeit von Bankenaufsehern nur raten, wo denn gerade CDS-X oder CDS-Y abgeblieben ist. Wenn dann ein Finanzcrash bzw. ein Bankenkonkurs sich einstellt, ist es so, als hätten bei einem Autounfall die beiden Unfallbeteiligten nun ein Ratespiel anzustellen, wer auf der Welt denn eigentlich die Versicherungspolicen hat — eine Situation, die man bei Autohaftpflichtversi-

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cherungen sicherlich für absurd hielte und zur weitgehenden Erstellung des Autoverkehrs führen könnte. Abbildung 1: Verbriefungsarten und Risiko

Solche Kreditverbriefungen sind nicht neu und verursachen auch nicht notwendigerweise Instabilitäten. Man hat aber neben den Verbriefungen mit Verkauf der ABS-Papiere im Kapitalmarkt auch synthetische Verbriefungen entwickelt, bei dem man die Forderungen in der Bilanz behielt und dann das Kreditrisiko per Credit Default Swap handelbar machte. Indem man eine Art Adressenausfallpolice mit Namen CDS bei einer Versicherung wie etwa AIG oder Allianz kaufte, konnte man sich als Bankmanager in der schönen Illusion wiegen, dass man erstens keine Risiken mehr in der Bilanz (im Kreditbereich) hatte und dass der Markt auch für eine effiziente Allokation von Risiken sorgen werde. Das ist aber eine Illusion, da die Bankenaufseher in den USA über Jahre nicht aufpaßten und erlaubten, dass CDS nicht nur von der Bank a gekauft werden konnten — dies ist vertretbar —, sondern dass Bank a nun die CDS bzw. entsprechende De-

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rivate an Hedge Fonds b verkaufte (oder Bank c), der wiederum zur Finanzierung des Kaufs von Tausenden CDS Kredite aufnahm; möglicherweise gar bei Bank a, was die Bankenaufseher wohl selten beanstandeten, obwohl damit das Risiko effektiv wieder in die Bilanz der Bank a zurückgekehrt war und eigentlich Anlass gewesen wäre, die regulatorische Eigenkapitalquote anzuheben. Da die Bankenaufseher einen ungeregelten Over-the-counter-Markt bei CDS erlaubten, wurden die CDS bzw. entsprechende Derivate nun über viele Stufen immer weiter verkauft — also etwa von Hedge Fonds b an Hedge Fonds c und von dort weiter an d, e, f. Nach einigen Transaktionen wußte man bzw. die Finanz aufsieht nicht mehr, wo die Risiken in der Weltwirtschaft überhaupt angekommen waren. Das ist problematisch, denn das bedeutet auch, dass die internationalen Kapitalströme auf unklare Weise durch toxische Risiken verdunkelt waren, was absolut unakzeptabel ist. Denn die Rationalität etwa der Preisbildung auf Devisenmärkten ist massiv gestört, wenn solche für Risikoanalysen relevanten Informationen fehlen. Die Explosion der CDS-Märkte in einem diffusen Schattenreich hat international verzerrte Kapitalströme produziert und den globalen Allokationsprozess überhaupt verzerrt. Auch der Internationale Währungsfonds und die BIZ haben hier jahrelang nur zugesehen. In einem hochgradig vernetzten internationalen Finanzsystem kann man nicht einmal die früher als plausibel geltende Aussage mehr unterschreiben, dass man wohlhabenden Anlegern bei Hedge Fonds nicht ins Geschäft reden sollte, da es ihre Sache sei, welche Risiken sie eingingen bzw. welche Verluste sie ggf. realisierten. Vielmehr ist es so, dass die Situation eintreten kann, dass Hedge Fonds — oft mit starken Kredithebeln agierend — bei Problemen in größerem Ausmaß das Finanzsystem eines Landes destabilisieren und damit negative externe Kosten für viele im In- und Ausland erzeugen können. Die Krönung des Handels mit CDS waren die CDO squared (und weitere höherstufige Kettenverbriefungen), wobei ein CDO für ein Paket von ABS-Papieren steht; CDO squared ist ein sonderbares Hybridprodukt, bei dem CDOs — true sale securitization widerspiegelnd — mit CDS (synthetische Verbriefung des Risikos) kombiniert wurden; eine CDO squared kann z.B. einen CDO und einen CDS enthalten, wobei den Finanzaufsichtsbehörden die regionale bzw. internationale Allokation der CDS insgesamt verborgen bleibt; dies gilt auch für den Markt insgesamt, so dass von daher überhaupt keine Informationseffizient etwa bei der Devisenkursbildung erwartet werden kann. Erst durch Einrichtung von Börsen und Clearingstellen bei CDS kann hier Besserung geschaffen werden. Die Banken waren über ein solches Produkt gewissermaßen aller Risiken ledig, das Problem war nur, dass es für die Bewertung solcher meist komplexen Kombiprodukte keine standardisierten Berechnungsmöglichkeiten gab — natürlich deshalb nicht, weil das Kombiprodukt selbst so komplex war. Das hätte ja nun den Bankenaufsehern als Problem auffallen müssen, aber sie prüften in den USA, Großbritannien, Deutschland und einigen anderen Ländern weiter brav die Einhaltung von Paragraphen und

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traktierten im Zweifelsfall kleine Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Versicherungen mit umfassenden Prüfungen, statt auf die großen Systemrisiken bzw. neu entstehenden Unsicherheiten zu achten. Diese unprofessionelle Arbeit der Bankenaufsicht ging in einer konjunkturellen Schönwetterperiode mit steigenden Immobilienpreisen in den USA und Großbritannien auch eine Reihe von Jahren unbemerkt durch. Man kann hier vermerken, dass z.B. in Deutschland die BaFin sinnigerweise vom Finanzminister und dem Wirtschaftsminister sowie einigen Abgeordneten plus Vertretern der Kreditwirtschaft in einem Verwaltungsrat beaufsichtigt wird; von Experten aus der Wissenschaft hat man aber offenbar noch wenig gehört. CDOs mit ihren tranchierten Zusammenpackungen von ABS-Papieren, die bestimmte Risikoprofile von Anlegern ansprechen sollen, sind ein Problem für die Markteffizienz, solang kaum Standardisierungen erfolgen und solange CDOs mit immer neuen Elementkombinationen entstehen, deren Bewertung komplex und deren Liquiditätsrisiko hoch ist. Mangels Finanzprodukt-Standardisierungen, Finanz-TÜVs und Clearing-Stellen hat die Welle der Finanzinnovationen zu einer Risikominderungsillusion geführt, wobei die CDS-Papiere bzw. Kreditderivate — inklusive CDO squared (sie enthalten CDS plus CDOs, die wiederum verpackte ABS-Pakete darstellen) — unsichtbar im Schatten-Bankensystem der Weltwirtschaft vagabundieren. Solange diese CDS nicht lokalisiert, eingesammelt und neu transparent alloziiert werden, schwebt das Damoklesschwert einer globalen Bankenkrise und fortgesetzten Interbankenmarktversagens weiter über Europa bzw. der Welt. Wenn dann eine Bank wie Lehman Brothers in Konkurs geht, kann man zunächst nur rätseln, wer die relevanten CDS-Papiere bzw. entsprechende Kreditderivate hat, also letztlich auch Gläubiger von Lehman entschädigen müßte. Wiederum gilt, dass es unglaublich ist, was für ein intransparentes System die Bankenaufseher entstehen ließen. Dass die Bankenaufseher in Basel oder London wirklich durchdacht in Europa zusammenarbeiten, ist von daher wohl nur eine Hypothese (Im Übrigen könnte man fragen, was eigentlich diverse Finanzminister als Aufsichtschefs der nationalen Bankenaufseher gemacht haben; im Fall Deutschland erinnert man sich wohl auch daran, dass vor einigen Jahren ein Finanzminister sich regelmäßig Rat von US-Investmentbankern holte, die auch am Wochenende offenbar sonderbar selbstlos zur Beratung des Finanzministers nach Frankfurt oder Berlin einflogen; jedenfalls ist die zunehmend komplizierte Wirtschaftspolitik in Berlin durch eine deutliche fachliche Unterbesetzung in einigen Ministerien geprägt, wobei die Defizite im Bereich Volkswirtschaftslehre offenkundig und am Ende für die Gesellschaft kostspielig sind). Auf Finanzmärkten geht es um Ertragssätze, Risiken und Liquidität. Seit etwa 2003 funktioniert die Preisbildung beim Risiko nicht mehr: Die Risikoprämien in den US-Anleihemärkten sind im Vorfeld der Krise 2007/08 praktisch auf nahe Null gesunken, was eine gefährliche Anomalität darstellt. Dies kann man nur so interpretieren, dass in den USA die Märkte für Risiken nicht funktionsfähig wa-

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ren. Auch diese Fehlentwicklung gilt es zu reflektieren, denn sie impliziert, dass eine erhebliche Fehlallokation der Ressourcen stattgefunden hat. Nun sind auch noch in den OECD-Ländern gravierende Liquiditätsprobleme entstanden und damit leisten Finanzmärkte jenseits glänzender Fassade von vielen Großbanken in den USA (und der EU) nicht mehr, was sie eigentlich sollen, nämlich Investitions- und Innovationsprojekte zu finanzieren und den Risiken angemessene Ertragssätze für Anleger zu generieren. Zu den Verzerrungen in Sachen Risikobepreisung haben die großen US-Rating-Agenturen wesentlich beigetragen, die nachweislich — hierauf wird noch einzugehen sein — seit Jahren nicht vernünftig arbeiteten und in ihrer Analysemethodik oftmals schwach waren. Dass in den USA im Finanzsektor hingegen Rating-Agenturen und Finanzberater und Anlageberater hohe Rechnungen stellten und zeitweise zu glänzenden Renditen im Finanzsektor beitrugen, ist ein weiteres Element einer teilweise potjemkinschen Wall Street. In der Finanzkrise 2007/08, die die Wall Street-Investmentbanker und die Hedge Fonds und Großbanken der USA wesentlich verursacht haben, ist nun obendrein eine große Unklarheit entstanden, welche Banken nur illiquide, aber solvent sind und welche Banken eigentlich insolvent sind. Im Übrigen ist die Logik der US-Wirtschaftspolitik bzw. beim Krisenmanagement kaum zu verstehen: Die Investmentbank Bear Stearns wurde gerettet, die größere Lehman Brothers hingegen ließ die US-Zentralbank bzw. der US-Staat in Konkurs gegen; nur um einen Tag später die größte US-Versicherung, nämlich AIG, zu retten. Eine Bank mit über 600 Mrd. $ Bilanzsumme mitten in einer Finanzkrise in Konkurs gegen zu lassen, erscheint sehr riskant — die internationalen Auswirkungen wurden offenbar nicht durchdacht und merkwürdigerweise gab es auch keine lautstarken Proteste der stark betroffenen Länder Japan und EU. Im US-System mit seinen mächtigen Großbanken ist aber eigentlich wegen des too big to fail-Problems ohnehin jede Bank quasi-solvent, da der Staat eine Art heimliche Garantie gegeben hat, die notfalls auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gezogen wird. Der Konkurs von Lehman Brothers ist vermutlich nur eine Art Betriebsunfall an der Wall Street, der der regionalen Forderungsstruktur ungesicherter Lehman-Passiva geschuldet ist — eine Bank, bei der hier kaum 10% der ungesicherten Passiva der Bank auf US-Bürger entfallen, kann man aus politisch-ökonomischer Sicht wohl in Konkurs gehen lassen (man könnte hier kritisch von einem politischen moral hazard sprechen; das internationale Ansehen der USA leidet). Das Chaos des Lehman-Konkurses mit der absurden Situation, dass man die für den Konkursfall relevanten Versicherungspolicen CDS — mit Lehman BrothersBezug — kaum lokalisieren kann, da die CDS bzw. entsprechende Derivate in intransparenten Märkten über Jahre unter den Augen der Finanzaufseher und Zentralbanken gehandelt wurden, zeigt nur die Gefährlichkeit des CDS- und Derivate-Problems. Alle Bankenrettungspakete bis Mitte Oktober haben dieses Problem der CDS bzw. entsprechender Derivate ignoriert, tatsächlich kann nur

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eine konzertierte internationale Aktion der OECD-Länder das CDS- und Derivate-Problem aufräumen. Grundsätzlich sind Kreditversicherungspolicen als Produktidee durchaus vernünftig, aber wieso Bankenaufseher zulassen konnten, dass die CDS-Papiere bzw. Derivate mehrstufig international ohne ein Clearingbzw. Registrierungssystem gehandelt werden konnten, ist unerfindlich: Es ist so, als hätten viele Banken eine Kreditausfallversicherung, aber die zugehörige Police sei nach dem Zufallsprinzip in Kellern irgendwelcher Banken vergraben worden. Damit ist der Handel mit CDS bzw. entsprechenden Derivaten zu einem Risiko für Großbanken in der Finanzkrise geworden und da kaum eine Bank weiß, wie viel Kredite bei denkbaren Partnerbanken wirklich effektiv versichert sind (und ob der unbekannte „Vagabund-Versicherer" im Konkursfall auch zahlungsfähig ist), besteht die Vertrauenskrise am Interbankenmarkt fort; jenseits aller Bewertungsunsicherheiten bei einigen Portfolios — hier lassen sich Lösungen finden — eben solange, bis der globale CDS- und Derivat-Markt aufgeräumt wurde. Vermutlich kann dies eine Aufgabe für den IMF sein und hier könnte dann indirekt auch der Sinn für ein Rufen nach einem neuen Bretton-WoodsSystem liegen, bei dem es dann auch um international sinnvolle neue Regulierungen gehen könnte. Hierzu ist natürlich eine Abstimmung mit der BIZ notwendig. In der Fachliteratur ist unstrittig, dass eine Regulierung von Banken notwendig ist, da es am Finanzmarkt besondere Informationsasymmetrien und MoralHazard-Probleme gibt: Die Bankkunden mit ihren Einlagen bei Banken können die Liquidität bzw. Solvenz der jeweiligen Bank nicht ermessen und zudem gibt es bei einem Konkurs einer größeren Bank (oder Versicherung oder Hedge Fonds) ein Systemrisiko, das zu einer scharfen Rezession führen kann (DEWATRIPONT/TIROLE, 1995; DIAMOND/DYBVIG, 1983). Da unzureichende Risikosteuerung einen Bank-Run bei der betreffenden Bank verursachen kann und weitergehend Bank-Runs auch bei anderen Banken — hier werden negative externe Effekte erzeugt — sind ein Monitoring der Banken durch Bankenaufsichtsbehörden und eine besondere sektorale Wettbewerbsgesetzgebung bzw. eine Regulierung notwendig (DE BANDT/HARTMANN, 2000). Mit Blick auf die EU bzw. die Eurozone gibt es eine breite Diskussion, inwieweit eine zentralisierte Banken- bzw. Finanzmarktaufsicht sinnvoll und notwendig ist; hierbei argumentieren z.B. HOLTHAUSEN/RONDE (2005) und MAKAJA-JARTBY/ OLAFSSON (2005), dass nationale Finanzmarktaufsichtsbehörden bei regional integrierten Bankenmärkten tendenziell zu wenig zur Kooperation neigen und dass die zunehmende Finanzmarktintegration im EU-Binnenmarkt in der Tat auch ein erhöhtes EU-Systemrisiko im Fall einer national unzureichenden Finanzmarktaufsicht bedeutet (SCHOENMAKER/OOSTERLOO, 2005). Diese Überlegung kann man auch auf die Finanzmarktglobalisierung bzw. die zunehmende Integration der Banken- bzw. Finanzmärkte im OECD-Raum und weltweit anwenden (WELFENS, 2008d), während EGGERT/SCHINDLER (2004) argumentieren, dass Finanzmarktglobalisierung einen schärferen Bankenwettbe-

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werb bedeutet, der daher eher ein Weniger an Regulierung insgesamt erforderlich mache. Es besteht im Übrigen kein Zweifel, dass die globalen Bankenmärkte von US-Banken sowie Banken aus Asien und Europa dominiert werden. Eine USBankenkrise - wie die in 2007/08 - betrifft wegen der Finanzmarktglobalisierung nicht nur die USA; wegen der Effekte der Krise bzw. der USKrisenbekämpfung etwa durch expansive Geld- und Fiskalpolitik sind auch über Zins-, Wechselkurs-, Liquiditäts- und Erwartungseffekte auch sehr viele andere Länder in der Weltwirtschaft betroffen. In der Volkswirtschaftslehre gibt es eine Reihe von Ökonomen (z.B. KEYNES, 1936; MINSKY, 1982), die das Banken- bzw. Finanzsystem von Marktwirtschaften für relativ instabil hielten — nicht zuletzt weil immer wieder Wellen von Optimismus und Pessimismus durch die Märkte laufen. Auch sich selbst erfüllende Prophezeiungen können etwa bei Währungs- und Bankenkrisen eine Rolle spielen (Überblick: ASCHINGER, 2001). Leistungsfähige langfristig handelnde Banken, die finanzierungsmäßig effizient die Kapitalbildung und den Innovationsprozess in Sozialen Marktwirtschaften wesentlich — auch über sinnvolle Finanzinnovationen - finanzieren, sind unerlässlich für ein hohes Wirtschaftswachstum. Die Europäische Kommission hat im Financial Services Action Plan (1999-2005) Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des Finanzmarktbinnenmarktes entwickelt und mit der LissabonAgenda ein auf 2010 gerichtetes langfristiges Programm zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union beschlossen, das aus europäischer Sicht als sinnvoller Teil einer EU-Globalisierungsstrategie verstanden werden kann. Die EU-Mitgliedsstaaten und die Europäische Kommission haben seitens der Wirtschaftspolitik wesentliche Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik zur Erhöhung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung vorgenommen. Darüber hinaus haben einzelne EU-Mitgliedsstaaten, so auch Deutschland, durch umfangreiche Reformen der Sozialversicherungs- und Arbeitsmarktpolitik Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung zu geben. Die Schaffung der Eurozone zum 1. Januar 1999 bzw. der Europäischen Zentralbank zum 1. Juli 1998 haben innerhalb der EU eine Zone relativer monetärer Stabilität geschaffen, wobei man für die Eurozone eine erfolgreiche 10-JahresBilanz ziehen kann (ECB, 2008) - mit erheblichem Vorlauf bei der Kapitalverkehrsliberalisierung, die in der EU zum 1. Juli 1990 umgesetzt wurde. Für die wirtschaftliche Entwicklung von Volkswirtschaften spielen Banken bzw. Finanzmärkte eine große Rolle, da ein erheblicher Teil der volkswirtschaftlichen Ersparnis über die Banken und Finanzmärkte für die Finanzierung von Investitionsprozessen in der Wirtschaft verwendet wird. Neben dem Interbankenmarkt spielen für die Banken die Großhandelsmärkte und die Endkundenmärkte eine wesentliche Rolle, wobei auf dem Kredit- bzw. Wertpapiermarkt der Nominalzins gebildet wird; und auf spezialisierten Finanzmärkten auch der Preis für das

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Risiko, wobei Adressenausfallrisiken im Kreditgeschäft eine Standardherausforderung für Banken bzw. Wertpapieranleger sind. Wenn man vereinfachend Staatsanleihen von OECD-Ländern als risikoloses Wertpapier — Ausfallwahrscheinlichkeit bezüglich Zinszahlung und Rückzahlung sei Null — betrachtet, dann muss eine Unternehmensanleihe demgegenüber eine entsprechende Risikoprämie erbringen. Der typischerweise höhere Zinscoupon einer Unternehmensanleihe gegenüber einer Staatsanleihe bringt diese Risikounterschiede von Emittenten zum Ausdruck. Finanzmärkte sind allerdings aus verschiedenen Gründen immer wieder durch Phasen großer Volatilität geprägt, wobei auch unterschiedliche Anpassungsgeschwindigkeiten der Güter- und Finanzmärkte zu Verspannungen bzw. Overshooting (wie im Dornbusch-Wechselkursmodell) führen können. Mit Blick auf die reformpolitischen Optionen gilt es eine Reihe kritischer Aspekte zu beleuchten: Wie kann eine konsistente neue Arbeitsteilung — bei erhöhter Transparenz und Effizienz — der Banken- bzw. Finanzmarktaufsicht in den OECD-Ländern und weltweit (Rolle der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und des IWF) aussehen? Inwieweit besteht eine Notwendigkeit zur Einbeziehung von Hedge Fonds in eine bessere Regulierung. Wie kann die Funktionsfähigkeit der Interbankenmärkte dauerhaft wiederhergestellt werden? Welche europäische Optionen zur Stabilisierung des Bankensektors und welche mögliche Rollendefinition von EZB und nationalen Zentralbanken in der Eurozone sind empfehlenswert? Welche steuerpolitischen Reformoptionen zur Verbesserung der Anreizsysteme im Bankensektor bestehen? Wie kann eine sinnvolle Neuordnung der Bankenaufsicht bzw. der BaFin in Deutschland erfolgen? Schließlich stellt sich insgesamt die Frage nach stabilitätspolitisch unerlässlichem ordnungspolitischen Reformbedarf; entwickelt werden auch Reflexionen zur Frage, weshalb von offizieller Politikseite in Europa bislang kaum Reformvorschläge entwickelt und debattiert wurden. Diese Studie dient daher auch einer Stärkung der öffentlichen Reformdebatte. Wem an einer rationalen Reformdebatte gelegen ist, der wird jedenfalls um die Diskussion der hier angeschnittenen Hauptprobleme und eine Stellungnahme zu den Kernelementen der Reformvorschläge nicht umhin können. Dabei gehen die präsentierten Reformelemente, die als Minimum zur Überwindung der Finanzmarktkrise anzusehen sind, deutlich über bisherige Vorschläge etwa des Financial Market Stability Forums hinaus. Für Deutschland bzw. die Eurozone und die EU steht bei der Überwindung der US-Banken- und Finanzmarktkrise viel auf dem Spiel: •

da das kurzfristige, sonderbare bzw. nicht nachhaltige Gewinnmaximierungsverhalten von US-Banken und US-Fonds mit ihren krisenförderlichen Verhaltensweise die traditionell eher langfristig ausgerichteten eu-

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ropäischen Finanzmärkte - mit z.B. deutlich längeren durchschnittlichen Laufzeiten bei Hypotheken als in den USA - destabilisiert; •

da der in der deutschen und europäischen Reformdebatte vielfach beschworene Gedanke der Nachhaltigkeit durch ein US-dominiertes kurzfristig orientiertes und dabei zeitweise instabiles Finanzsystem unterminiert wird: Weder auf dem für alternde Gesellschaften so wichtigen Politikfeld der Sozialversicherungsreform — mit einer künftig größeren Rolle der Eigenvorsorge bzw. von Kapitalmärkten - noch bei der globalen Umweltpolitik mit der aus marktwirtschaftlicher Sicht eigentlich vernünftigen Maßnahme einer Einführung von handelbaren Emissionszertifikaten wird man in Europa und weltweit vorankommen, wenn das internationale Banken- bzw. Finanzmarktsystem zunehmend kurzfristig, kurzatmig und instabil werden sollte (oder will man sich ernsthaft künftig bei überschüssigen Emissionszertifikaten, die in Unternehmensbilanzen eingestellt werden bzw. aktiviert werden können, mit ähnlichen Bewertungsunsicherheiten konfrontiert sehen wie bei ABS-Papieren in 2007/08?);



da die Interbankenmärkte in der Eurozone - und insgesamt in der EU seit 2007/08 wegen negativer US-Spillovereffekte nicht mehr funktionsfähig sind, was die EZB wiederholt zu massiven Sonder-Liquiditätsspritzen veranlasst hat, und zwar ohne dass die Funktionsfähigkeit dieses für die Kapital- bzw. Risikoallokation gewichtigen Marktes hätte wiederhergestellt werden können;



da die Eurozonen-Geldmärkte und — trotz flexibler Wechselkurs — sogar die Geldpolitik der EZB ins Schlepptau der US-Zentralbank kommen könnte, die zur Mitte 2008 immerhin fast 6% Inflationsrate in den USA zugelassen hat (ein Rekordwert nach dem zweiten Ölpreisschock zu Ende der 70er Jahre) und im Übrigen auch in den vielen an den Dollar angekoppelten Schwellen- und Entwicklungsländern für deutlich steigende Inflationsraten und entsprechende Wohlfahrtsverluste gesorgt hat.

Es ist bemerkenswert, dass sich auch in den USA eine Reihe von Ökonomen mit kritischer Stimme zu den Fehlentwicklungen in den US-Banken bzw. den USFinanzmärkten zu Wort gemeldet haben, wie man etwa Presseberichten zum 2008er Lindauer Treffen der Ökonomie-Nobelpreisträger entnehmen konnte; sehr pointiert hat Joseph Stiglitz sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung geäußert (siehe Anhang 10). In der nachfolgenden Analyse werden zunächst die Fakten und Krisenmechanismen identifiziert, bevor die Schlussfolgerungen präsentiert werden. Sie gehen deutlich über bislang öffentlich diskutierte Teilreformen hinaus, die nicht geeignet sind, die Bankenkrise in den USA und Europa zu lösen. Die folgende Analyse thematisiert zunächst die Finanzmarkt-

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globaüsierung und Finanzinnovationen im Kontext einer modernen Marktwirtschaft; zudem erfolgt eine Analyse der US-Finanzmarktdynamik. Der dann folgende Abschnitt ist der Bankenkrise in Deutschland bzw. EU-Ländern gewidmet. Abschnitt 4 thematisiert Probleme der Finanzmärkte und der Bankenaufsicht in Deutschland, während im folgenden Abschnitt die mittelfristigen Effekte der Banken- und Finanzmarktkrise thematisiert werden. Im Schlussabschnitt werden reformpolitische Optionen rationaler Wirtschaftspolitik betrachtet. Die Analyse fasst wichtige Fakten und Befunde aus der Literatur zusammen und nutzt dabei die vom Verfasser als Projektleiter in einem in 2008 abgeschlossenen Jean Monnet-Projekt gewonnenen Befunde und Einsichten. Im Anhang werden zudem relevante Daten und Übersichten aufgeführt. Auch wenn die mangelnde Markttransparenz impliziert, dass noch eine gewisse Unsicherheit über das Ausmaß der US-Banken- und US-Finanzmarktkrise besteht — es sei betont, dass es sich gleichermaßen um eine Banken- und Finanzmarktkrise handelt —, so muss diese Doppelkrise mit ihren internationalen Ausläufern doch in jedem Fall als gravierend betrachtet werden. Der seit der Weltwirtschaftskrise erstmalige Zusammenbruch der Interbankenmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks sollte in seiner ökonomischen Relevanz für die Allokationseffizienz nicht unterschätzt werden, auch wenn das Auftreten der USZentralbanken und der Zentralbank in Europa in ihrer Funktion als Lender of Last Resort — mit wiederholten massiven Sonderliquiditätsspritzen — ein ökonomisches Desaster fürs erste verhindert hat. Man mag zwar argumentieren, dass die USA u.a. dank der hohen Zuflüsse von Spargeldern aus Asien in der Dekade nach 1997 durch externe Impulse in eine Niedrigzinsphase geraten sind, aber die expansive US-Geldpolitik hatte hierbei auch eine wichtige Rolle. Es gab zudem in den USA auch das Problem, dass die Sparquote der privaten Haushalte immer weiter sank, während Finanzinnovationen die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen stimulierten. So monierte OTTE (2006, 112f.), dass in den USA ein Verfall der Finanzsitten eingetreten sei und wies dabei auf die im Kreditgeschäft zunehmenden Verbriefungstendenzen als Schuldenfalle hin: Zwischen 1995 und 2001 sind die US-Hypothekenkredite um mehr als 5000 Mrd. $ angestiegen, wobei nur % in den Bilanzen der Geschäftsbanken landete, während 3 A in gebündelte Anleihen transformiert wurden und bei Investmentbanken, Hedge Fonds, Pensionsfonds und anderen Anlegern landeten; der Autor vermerkt zudem kritisch, dass die Credit Suisse First Boston als Investmentbank das Kunststück schaffte, ein Kreditportfolio von 250 Mio. $ für Hedge Fonds — mit ihren häufig risikobehafteten Investmentstrategien - in eine top-geratete Anleihe zu verwandeln. Nachdem die Finanzmarktkrise der USA in 2007 im Umfeld sinkender USImmobilienpreise ihren Ausgang nahm, ist es dann binnen 18 Monaten zu einem dramatischen Absturz des US-Finanzsektors gekommen. Dabei hat der Finanzminister, ein Ex-Investmentbanker von der Wall Street, in Kooperation mit der

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FED im September eine Reihe von dramatischen Rettungsschritten unternommen. Im Übrigen wird die Art der US-Krisenbekämpfung — sie hat auch in den USA schon bei renommierten Geldtheoretikern harsche Kritik mit Blick etwa auf die drohende Unterminierung der politischen Unabhängigkeit der FED hervorgerufen — vermutlich zu einer internationalen Diskussion über die Angemessenheit der US-Reaktionen bzw. das lange Ausbleiben von Strukturreformen fuhren. Zudem sind die für Großbritannien absehbaren ungewöhnlichen Stagflationsrisiken und die relative Stabilität der Eurozone in der Krise 2007/08 sicherlich auch ein Impuls, neuerlich die Vorteile der Eurozone zu beleuchten; ohne allerdings Reformerfordernisse auch bei der Bankenaufsicht ignorieren zu wollen. Schließlich droht der Globalisierungsprozess über die Krise bei der Finanzmarktglobalisierung insgesamt in die Defensive zu geraten, so dass zügige vernünftige Reformen — auch in transatlantischer Kooperation — sicherlich sehr wünschenswert sind. Ob die Politik hinreichend schnell Reformen liefern kann und die Banken sowie andere Finanzakteure zügig und vernünftig ihre Anpassungsprozesse organisieren können, ist angesichts der enormen Marktdynamik unklar. Es gibt erhebliche Unsicherheit bzw. neue Risiken durch das starke Ausmaß der Preisbewegungen auf den Märkten und die anhaltende Welle der Verunsicherung, die von immer neuen gravierenden Meldungen aus der Banken- und Versicherungswirtschaft zur Hilfsbedürftigkeit in Sachen Eigenkapitalbedarf herrühren. Nachdem mit AIG in den USA eine große Versicherung in 2008 in größte Schwierigkeiten geriet und zudem in Japan eine Lebensversicherung Konkurs anmelden musste, prüften im Oktober 2008 diverse Versicherer in der EU, ob sie nicht auch Hilfe aus den staatlichen Rettungspaketen annehmen sollten (Aegon aus den Niederlanden ist eine der Versicherungen). Jenseits der kurzfristigen Notmaßnahmen zur Rettung der Bankensysteme sind für eine mittel- und langfristige Gesundung Signale in Richtung Strukturreformen nötig, damit u.a. die Erwartungsbildung der Märkte stabilisiert wird und Anreize zu stärker langfristigem Handeln in den Banken gegeben werden. Die vorliegende Studie kann mit ihren Hauptvorschlägen in fünf Säulen zusammengefasst werden, wie die nachfolgende Abbildung zeigt. Das Rating muss grundsätzlich neu organisiert werden, wobei Ratingqualität bzw. Vertrauen am Markt hier im Kern als öffentliches Gut betrachtet wird: Künftig sollten Wertpapieremittenten nicht länger Rating-Agenturen — inklusive ggf. einer neu zu gründenden europäischen Agentur — direkt für Ratings bezahlt werden, sondern nur noch indirekt via Finanzierungspool; erst aus diesem Pool wird dann per Ausschreibung eine Rating-Agentur bestimmt. Das gibt unmittelbar weniger Interessenkonflikte und lässt eine höhere Rating-Qualität erwarten, die wichtige Grundlage auch für Vertrauen am Interbankenmarkt ist; für den Aufbau von neuem Vertrauen auf den Finanzmärkten sind zudem bestimmte Innovationen notwendig, die u.a. auf differenzierte Notenbankzinssätze für Banken hinauslaufen -

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nämlich in Abhängigkeit von der Qualität der vorgelegten Bilanzen und der Intensität der Mitwirkung im Interbankenmarkt (zu Details siehe das Schlusskapitel). Auch müssten Banken beim Verkauf forderungsbesicherter Kreditpakete einen Selbstbehalt haben und zusätzlich garantieren, dass diese Banken die Papiere jederzeit zu mindestens 50% des Anfangsverkaufspreises zurückkaufen werden; die von einer solchen Regelung ausgehenden Informations- und Sorgfaltsanreize auf den von asymmetrischen Informationen geprägten Finanzmärkten wären außerordentlich positiv für eine nachhaltige Finanzmarktentwicklung und eliminierten auf einfache Weise zugleich Bewertungsunsicherheiten in Krisenperioden, da eine Preisuntergrenze gegeben ist. Die bislang in New York, London und vielen anderen Finanzzentren zu kurzfristigen Entscheidungshorizonte sind durch geeignete Anreize zu verlängern: Hier wird die Einführung einer Varianzsteuer — bezogen auf die Varianz der Eigenkapitalrendite der jeweiligen Bank — vorgeschlagen, wobei eine stabile Rendite im Zeitablauf eine geringe Steuerlast bedeutet, während eine hohe Variabilität eine erhöhte Steuerlast gegenüber der bisherigen alleinigen Gewinnbesteuerung bedeutet; damit ergeben sich automatisch bankinterne vernünftige Anreize für den Umbau von Entlohnungssystemen für Manager bzw. Händler. Die Bankenaufsicht muss viel stärker ökonomisch ausgerichtet werden, statt vor allem formaljuristisch vorzugehen; Systemrisiken sind explizit einzubeziehen, die übliche Valueat-risk-Methode zur Risikomessung ist unzureichend — in der EU ist die institutionelle Zersplitterung der Aufsicht zu überwinden und es ist dafür Sorge zu tragen, dass aus den von Zentralbanken geäußerten Befürchtungen zur Risikoentwicklung auf Finanzmärkten — es gab zahlreiche Zentralbankreports im Vorfeld von 2007/08, die ohne Konsequenzen bei der jeweiligen nationalen Bankenaufsicht blieben — auch bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde Ernst genommen wird. Die Transparaenz bei CDS und Derivaten ist durch Handeln via Börsen bzw. Clearing-Stellen zu erhöhen: Es muss im Aggregat allen Marktteilnehmern bekannt sein, in welchen Ländern welche CDS sich befinden, da sonst eine effiziente Devisenkurs findung unmöglich ist — wenn nur die Kontrahenten eines CDS-Kontraktes diese u.a. für den Devisenmarkt wichtige Information haben, kommt es notwendig zu Fehleinschätzungen und Fehlbepreisungen bei Risiken; die internationalen Risikoprämien sind dann verzerrt. Natürlich sollten ohnehin die Aufsichtsbehörden auf Knopfdruck alle relevanten Informationen zur Verfügung haben, was bislang wegen des vielstufigen Verpackens bzw. Weiterverkaufens von CDS/CDO-Kontrakten in intransparenter Weise nicht der Fall ist. Die CDS-Bestände sollten umgehend auch für die Vergangenheit ("rückwärts") per besondere Bestandsaufnahmen erfasst werden. Die längerfristig notwendigen Strukturreformen zugunsten von mehr Wettbewerb im Bankensektor verlangt eine Entflechtung von Großbanken — hiermit ergibt sich also längerfristig gerade das Gegenteil dessen, was sich im kurzfristigen Krisenanpassungsprozess über

Transatlantische Bankenkrise • 19

Bankenzusammenschlüsse als Strukturmuster abzeichnet. Wo eine Wettbewerbsintensivierung nicht möglich erscheint, ist umfassendere Regulierung notwendig. Abbildung 2: Hauptreformvorschläge der Expertise Rating

Volatilitätssteuer (nicht nur Gewinn als Anknüpfpunkt)

Bankenaufsicht

CDS und Derivate

Struktu reformen langfristig

2stufige Bezahlung; Ratingqualität bzw. MarktVertrauen als Öffentliches Gut ZWECK: Interbankenmarkt retten; zudem Innov.

Verlängerung des Zeithorizonts der Manager in Großbanken; unrealistische Zielmarken entfallen ZWECK: Stabilität/Ration alität

Umfassende Veränderung bzw. Etablierung von Verantwortung & mehr professioneller, auch ökonomischer Orientierung; VERTRAUEN

Clearing-Stelle bzw. Börsen etablieren; keine Milliarden für die Banken, ohne dass hier Änderung; auch rückwärts auf Zeitachse VERTRAUEN

Entflechtung von Banken bzw. Erhöhung der Wettbewerbsintensität ODER der Regulierung; Quantifizierung bzw. Berichte zu Krisenkosten Hedge Fonds...

Wenn man die nachfolgende Ursachenanalyse zusammenfassen will, dann kann dies kompakt vorab durch die folgende Abbildung geschehen (Weifens, 2008e): •

Die hohen Renditen der Hedge Fonds in den späten neunziger Jahren haben die geforderte Eigenkapitalrendite von Banken nach oben getrieben und das erhöhte zwangsweise den Risikoappetit;



Banken haben durch wachsende Aktivitäten in eigenen Hedge Fonds und außerbilanziellen Zweckgesellschaften versucht, eine Basis zur Erhöhung der Eigenkapitalrendite zu schaffen, wobei Verkauf und Handel mit forderungsbesicherten Wertpapieren eine wichtige Rolle spielten. Als die Zweifel an der Werthaltigkeit von US-Subprime-Kontrakten in 2007 anstiegen — und zunehmend auch Zweifel an den vielen sonderbar guten Ratings aufkam — platzten die bis dahin üblichen Refinanzierungen über Commercial Paper. Es kam zu massiven Abschreibungen und wegen des Zusammentreffens der Refinanzierungsprobleme mit der großen Intransparenz zur Risikoexposition der Banken — wegen der umfänglichen außerbilanziellen Aktivitäten — war der Informationswert der Bilanzkennzahlen im Zeitablauf deutlich gesunken; mit der Abschreibungswelle kam es schließlich zu einem Marktversagen auf dem Inter-

2 0 • Paul J.J. Weifens

bankenmarkt: Dieses Marktversagen haben die US-Großbanken sowie britische Banken und einige Banken in der Eurozone selbst mit ihren intransparenten Expansionsstrategien herbeigeführt. •

Von den fallenden Immobilienpreisen in den USA und dem einsetzenden Finanzmarktchaos in 2008 — mit immer größeren Interventionen der Zentralbanken — gingen Abwärtsimpulse für die Aktienmärkte aus.



Die mir von einem Aufsichtsratsvorsitzenden einer großen Bank gestellten Frage, was haben wir eigentlich falsch gemacht, beantwortet sich im Rahmen des nachfolgenden Schaubildes recht kompakt; Fehler haben in jedem Fall auch die Regulierer in den USA und Großbritannien zu verantworten, die keine Hedge Fonds-Regulierung wollten, und die systemische Wirkung der Expansion unregulierter Hedge Fonds nicht angemessen in den Blick nahmen und steigende Bilanzintransparenz zuließen.

Abbildung 3: Dynamik der Bankenkrise

Transatlantische Bankenkrise - 21

Das Intervenieren der Zentralbanken während der Bankenkrise bzw. die Rettungsaktionen von Staaten für ihre Bankensysteme — geprägt von Großbanken (nicht alle mit Problemen behaftet) läuft darauf hinaus, dass systemrelevante Großbanken nicht in Konkurs gehen können. Damit wird die effizienzförderliche Kraft des Wettbewerbs in Teilen des Bankenmarktes außer Kraft gesetzt. In Marktwirtschaften hat sich damit paradoxerweise ein Phänomen ergeben, das dem so genannten Problem des Soft Budget Constraints (KORNAI, 1980) in sozialistischen Ländern gleicht. In den sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften Osteuropas hatte die Konkursunfähigkeit der Betriebe dazu geführt, dass die Notenbank über den staatlichen Kreditplan Kostenüberschreitungen — gegenüber dem Ansatz der Zentralplanung — immer wieder monetär ratifizieren musste. Dies führte zu erheblichen Allokationsineffizienzen. Vor dem Hintergrund des langfristigen Anstieges bei der Haupreisentwicklung in den USA und dem Verfall des Immobilienpreisindex (P") — einem absoluten Rückgang — in 2007/08 fragt man sich natürlich, ob die US-Zentralbank die Blase am US-Immobilienmarkt nicht hätte erkennen können bzw. die Preisübertreibungen auf diesen Markt hätte verhindern können und sollen. Hierauf gibt es keine einfache Antwort, denn die Weisheit der US-Zentralbank ist nicht ohne weiteres größer als die der Akteure auf den Finanzmärkten; allerdings hätte die US-Zentralbank die Probleme der asymmetrischen Information und der Fehlanreize bzw. des Moral Hazards im US-Maklersystem erkennen müssen: In den USA werden die meisten Hypotheken von selbständigen Maklern vermittelt, die weder in dauerhaften Beziehung zum Hauskäufer noch zu der jeweiligen Bank stehen, deren Hypothekenkredit sie an den Mann oder die Frau bringen; im Interesse der eigenen Vermitderprämie wollen Makler möglichst hohes Geschäftsvolumen machen, wobei der Anreiz wahre Informationen über die Bonität des Kunden an die betreffende Bank weiterzugeben gering ist. Die Bank ihrerseits hat wenig Interesse an der Einholung von vernünftigen Informationen, da sie eine Verbriefung plant. Man kann argumentieren, dass die US-Zentralbank — so sie denn die Aufgabe der Stabilisierung der Wirtschaft auch vorbeugend Ernst nähme (und ähliche Argumenten könnte man mit Blick auf die Eurozone, Großbritannien etc. entwickeln) — das Entstehen von Blasen am Immobilienmarkt oder auch am Aktienmarkt durchaus auf Basis ökonometrischer Analysen erkennen kann. Der Grundgedanke hierzu ist recht einfach: Wenn man etwa durch eine Gleichung P"(Y', i, V ) einen Aktivapreis, also etwa den Immobilienpreis, erklären kann (Y' ist das nominale Sozialprodukt, i der Nominalzinssatz, V' die Bevölkerungszahl), dann liefert ein lineares Regressionsmodell in der Regel für Normalzeiten eine gute Erklärung der Immobilienpreisentwicklung im Zeitablauf. Die Residuen als Reflex der im Regressionsmodell entstehenden Erklärunglücken zu den einzelnen Zeitpunkten sind im Standardfall zufällig verteilt, wie man den üblichen Teststatistiken entnehmen kann. In einer Blasenphase aber wird der betrachtete Aktivapreisindex unnormal hoch ausfallen.

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2. Finanzmarktentwicklungen: Innovation, Internationalisierung In den 90er Jahren haben sich in erheblichem Umfang neue Ansätze zum Kreditrisikotransfer herausgebildet bzw. Finanzinnovationen haben Kreditrisiken separat handelbar gemacht, was das Wachstum von Kredit- und Wertpapiermärkten sowie Derivatmärkten — letztere werden oft für Absicherungsstrategien genutzt — begünstigt hat. Gemäß einer Zusammenstellung der DEUTSCHEN BUNDESBANK (2008) stieg die Summe der globalen Finanzaktiva (Bankaktiva, Aktien und Schuldverschreibungen) von 106 Billionen $ in 2002 auf 194 Billionen $ in 2006, zugleich hat sich die Relation von globalen Finanzaktiva zum Weltnationaleinkommen seit 2002 um über 75 Prozentpunkte erhöht und lag Ende 2006 bei über 400% - hierin dürfte neben dem verstärkten Zugang von Schwellenländern zum globalen Finanzmarkt auch eine verstärkte Arbeitsteilung innerhalb des globalen Finanzsystems zum Ausdruck kommen. Die Internationalisierung der Finanzmärkte durch grenzüberschreitende Finanzströme hat deutlich zugenommen, denn nach neuen Berechnungen erreichte die Summe der ausstehenden grenzüberschreitenden Forderungen 2004 (auf Basis von 145 Ländern) ca. 280% des Weltsozialproduktes, was deutlich über den 130% eine Dekade zuvor lag — zugleich stieg die Summe der weltweiten Exporte und Importe relativ zum Weltnationaleinkommen von 40% auf 54%. Was die Eurozone angeht, so stieg deren Anteil an den globalen grenzüberschreitenden Portfolioinvestitionen von 37,5% in 2001 auf 39,2% in 2006, wobei Intra-Euro-RaumVerbindlichkeiten im Zeitablauf relativ stark anstiegen. Der Home bias bei den Finanzinvestitionen ist im Zeitablauf zurückgegangen, wie die nachfolgende Tabelle exemplarisch für Aktien zeigt.

Tabelle 1 : Home Bias in ausgewählten Ländern/Währungsräumen Anteil inländischer Aktien an den gesamten Aktienanlagen (%) Land/Währungsraum

1995

1999

2003

2006

USA

87,8

86,7

82,3

73,9

Japan

95,4

92,2

89,1

86,0

EWU

-

68,7

39,2

34,9

77,7

69,8

45,8

45,2

darunter Deutschland

Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK (2008), S. 20

Transatlantische Bankenkrise - 23

Die DEUTSCHE BUNDESBANK (2008, 22) betont, dass sich die Handelbarkeit von Kreditrisiken durchaus günstig auf die Finanzmarkt- bzw. Wirtschaftsentwicklung auswirken kann, denn Diversifizierungen werden erleichtert, wenn das Kreditrisiko von der eigentlich ursprünglich zugrunde liegenden Kreditbeziehung abgekoppelt werden kann; und zudem können Risiken breiter gestreut und besser an die Präferenzen von Investoren angepasst werden; schließlich erleichtert die Handelbarkeit von Kreditrisiken die Risikobepreisung, zumal Finanzinvestoren nun reine Handelsstrategie verfolgen können. Aber die DEUTSCHE BUNDESBANK (2008b, 22) vermerkt auch: "Die Handelbarkeit von Kreditrisiken für sich genommen bietet jedoch keine Gewähr für eine optimale Risikoallokation. Die Gefahr einer suboptimalen Allokation dürfte insbesondere dann bestehen, wenn die Weiterreichung von Kreditrisiken mit verminderten Anreizen zur Beurteilung und Überwachung der Kreditqualität und einem unzureichenden Risikomanagement einhergeht. Die starke Expansion der Finanzmärkte in den Industrieländern ist vor allem Ausdruck einer intensiven Nutzung innovativer Risikotransferinstrumente und techniken. Im Vordergrund stehen dabei Derivate, die in standardisierter Form an Börsen gehandelt oder als kundenspezifische Verträge (Over-the-counter: OTC) individuell abgewickelt werden. Nach Angaben der BIZ belief sich der Nominalwert der ausstehenden börsengehandelten Derivate Ende 2007 auf über 80 Billionen US-$; er hat sich damit seit 1993 verzehnfacht. Der Nominalwert der ausstehenden OTC-Derivate stieg allein in den GlO-Ländern, für die regelmäßig Daten erhoben werden, seit 1998 um etwa das Achtfache und lag Ende 2007 bei 525 Billionen US-$. Zinskontrakte dominieren mit großem Abstand den Markt für Derivate, gefolgt von Devisenkontrakten und Kreditderivaten. Hauptbestandteil des Marktes für Kreditderivate in den GlO-Ländern sind sogenannte Kreditausfall-Swaps (Credit Default Swaps: CDS), deren Nominalwert sich Ende 2007 auf 58 Billionen US-$ belief, nachdem er 2001 noch unter 1 Billion US-$ gelegen hatte. Ein bis vor kurzem besonders dynamisch wachsender Teil des Kreditrisikotransfermarkts besteht aus sogenannten strukturierten Produkten. Dabei handelt es sich um komplexe Finanzinstrumente, bei denen die Ansprüche auf Zahlungsströme, die aus einem Pool von Forderungen stammen, in verschiedene Tranchen mit jeweils unterschiedlichem Ertrags-Risiko-Profil aufgeteilt werden. Wichtigste Produkte dieses Marktsegments sind Asset Backed Securities (ABS) und Collateralised Debt Obligations (CDOs). In den letzten Jahren haben synthetische CDOs, bei denen die zugrunde liegenden Vermögenswerte u.a. aus CDS bestehen, stark an Bedeutung gewonnen. Nach Angaben des IWF belief sich der Wert der ausgegebenen strukturierten Produkte in den USA und Europa im Jahr 2007 auf 2,6 Billionen US-$, verglichen mit 500 Mrd. US-$ in 2000. Der Wert der neu ausgegebenen CDOs stieg in

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diesem Zeitraum von 150 Mrd. US-$ auf 1,2 Billionen US-$. Eine besondere Rolle spielen diese Produkte im Zusammenhang mit Geschäftsmodellen, die darauf ausgerichtet sind, Kredite auszureichen, zu bündeln und mit diesen Kreditportefeuilles besicherte Wertpapiere aufzulegen und am Markt weiterzureichen („originate to distribute"). Die zunehmende Verwendung solcher Geschäftsmodelle hat dazu beigetragen, die Refinanzierungsrestriktionen der Banken bei der Kreditvergabe zu lockern. Dadurch wurde die Kreditverfügbarkeit für die Wirtschaft erhöht und gleichzeitig der Kreditzyklus verlängert. Die jüngsten Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten haben jedoch auch Schwachstellen und Risiken dieser Entwicklung deutlich gemacht." Jenseits der Betrachtung der Finanzmärkte an sich ist auch die Realwirtschaft bzw. sind die Triebkräfte des Wirtschaftswachstums zu untersuchen. Es gibt im wirtschaftlichen Geschehen zahlreiche Risiken und ein wichtiges Feld betrifft auch die für Hocheinkommensländer bzw. hohes Wachstum wichtigen Innovationsprozesse. Hierbei gibt es aus ökonomischer Sicht u.a. erhebliche Informationsasymmetrien zwischen dem Innovator, der umfassende Innovationswissen zum spezifischen Projekt in der Hand hat, während aktuell und potenziell bei der Finanzierung von Innovationsprojekten aktive Banken oder Investmentfonds zunächst einen deutlichen Informationsnachteil haben. Aktienmärkte spielen für bestehende innovationsorientierte Unternehmen eine erhebliche Rolle für die Investitions- und Innovationsfinanzierung, wobei aus theoretischer Sicht u.a. SAINT-PAUL (1992) die Verbindung von Finanz- bzw. Aktienmärkten und Wachstum dargestellt hat. Mit Blick auf Kreditmärkte ist davon auszugehen, dass hier wegen der Informationsasymmetrien zwischen Kreditgeber und -nehmer unter bestimmten Umständen auch Kreditrationierung auftreten kann (STIGLITZ/WEISS, 1981). Zu den Interessanten Ansätzen zur Verbindung von Finanzmarktinnovationen und Wirtschaftsentwicklung gehören auch SchumpeterPerspektiven (MINSKY, 1990) Ein gewichtiger Teil der Kapitalbildung betrifft technologie- bzw. innovationsstarke Sektoren, zudem erfolgt in modernen computerisierten Marktwirtschaften ein erheblicher Teil der Innovationsdynamik auch in ungebundener Form bzw. zunehmend in Gestalt von Software und Patenten. Bei der Innovationsfinanzierung spielen Großunternehmen und damit Aktiengesellschaften eine erhebliche Rolle in den OECD-Ländern, wobei eine besonders starke Rolle von Aktiengesellschaften für die USA, Großbritannien, die Schweiz und Schweden festzustellen ist. Von daher ist auch die empirische Evidenz zur Verbindung der Patentdynamik und Aktienkursentwicklung relevant (GRILICHES/HALL/PAKES, 1991). In der EU hat sich durch das Zusammenwirken von EU-Binnenmarkt — seit 1993 — und Eurozone (seit 1.1.1999) eine verstärkte Finanzmarktintegration ergeben, die grenzüberschreitende Bank-Direktinvestitionen und einen verschärften Preis- und Innovationswettbewerb mit sich brachte (WELFENS, 2008d; WELFENS, 2009).

Transatlantische Bankenkrise • 25

Der internationale Innovationswettbewerb hat sich im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft verstärkt, wobei eine relativ hohe Innovationsdynamik auch den von Deregulierung und Kapitalverkehrsliberalisierung in den OECD-Staaten geprägten Finanzsektor kennzeichnet — exemplarisch kann man hier Großbritannien betrachten (OECD, 2007a) oder auch die USA (ECONOMIC REPORT OF THE PRESIDENT, 2008). Deutschlands Banken können durchaus auch als relativ leistungsfähig gelten und einige namhafte deutsche Banken sind seit vielen Jahren in den USA erfolgreich aktiv. Die USA gelten als international führender Finanzplatz von großer Liquidität und Innovationskraft. In den 90er Jahren begannen Hedge Fonds einerseits und Investmentbanken andererseits eine größere Rolle zu spielen. Anders als regulierte Geschäftsbanken mit einem Einlagengeschäft von privaten Haushalten und Unternehmen, unterliegen Investmentbanken — sie handeln im wesentlichen mit anderen Banken und mit Fonds sowie spezialisierten Finanzdiensteanbietern — kaum einer Regulierung; und Hedge Fonds überhaupt nicht. Private Equity Fonds haben zudem eine erhebliche Bedeutung in börsennotierten und nichtbörsennotierten mittelständischen Unternehmen gewonnen (KAMP/KRIEGER, 2005; VAN DEN BURG/RASMUSSEN, 2006; JARASS/OBERMAIR, 2008; SCHMIDT/SPINDLER, 2008), wobei sich z.T. fragwürdige Entwicklungen durch solche Beteiligungen ergeben haben — daneben gibt es auch eine Reihe von Erfolgsgeschichten im Sinn von erfolgreicher Restrukturierung und Modernisierung. Zu den fragwürdigen Entwicklungen gehört etwa, dass nicht selten zunächst Sonderausschüttungen an die (neuen) Aktionäre vorgenommen wurden, womit die Fonds dann die zwecks Finanzierung der Übernahme aufgenommenen Kredite zurückzahlten. In der weiteren Analyse ist jedoch der Blick weniger auf Private Equity Fonds gerichtet, sondern vor allem auf die Rolle von Hedge Fonds. Hedge Fonds, die sich überwiegend an institutionelle Anleger und vermögende Privatanleger richten, haben in der Dekade nach 1996 das verwaltete Vermögen enorm erhöhen können und haben die Tiefe und Liquidität der Kapitalmärkte erhöht; VOTH (S.ll) schreibt: „Dadurch verbessert sich die Risikoallokation. Hinzu kommt die potentiell stabilisierende Wirkung einer großen Zahl von Arbitrageuren. So ist beispielsweise in den letzten Jahren eine breitere Verteilung von Risiken an den Kapitalmärkten zu beobachten, mit vorteilhaften Folgen für die Kapitalkosten....Auch scheint es so, dass sich zumindest einige Hedge-Fonds dämpfend auf Schwankungen an den Anlagemärkten wirken. Durch ihre Möglichkeiten, Leerverkäufe zu tätigen und illiquide Investments einzugehen sowie aufgrund ihres längerfristigen Anleihehorizontes.. .können Hedge-Fonds für stabilere Kurse sorgen." Die Rolle von Hedge Fonds auf den Kapitalmärkten ist allerdings nur durch umfangreiche empirische Untersuchungen näher abzuklären. Es bleibt in jedem

26 • Paul J.J. Weifens

Fall die warnende Erfahrung mit dem US Hedge Fonds LTCM, der bei 4,5 Mrd. $ Eigenkapital rund 124,5 Mrd. $ Fremdkapital aufgenommen hatte, was einer Eigenkapitalquote von 3,6% entspricht. Mit der Einstellung der russischen Zinszahlungen auf bestimmte Anleihen stiegen die Risikoprämien auf den internationalen Märkten deutlich an, wodurch LTCM unter Druck kam, da Eigenkapital abfloss, so dass die Eigenkapitalquote auf unter 1% fiel und diverse Banken von daher massiv die Rückführung von Krediten verlangten. Es kam zur Erwartung fallender Wertpapierkurse in vielen Marktsegmenten weltweit und damit entwerteten sich auch die Wertpapierbestände von LTCM, das vor der Zahlungsunfähigkeit stand; unter dem Druck der Federal Reserve Bank of New York wurde die Übernahme des Fonds durch die größten Investmentbanken mit Beteiligungen im Fonds organisiert. Im Zeitablauf hat sich der Anteil der EU an der Gesamtzahl der globalen Hedge Fonds von 13% in 1994 auf 23% in 2004 erhöht (VOTH, 2007), während der der USA von 60% auf 55% im gleichen Zeitraum zurückging. Die EU-Länder wären daher gut beraten, sich mit Hedge-Fonds-Fragen näher zu befassen und Fragen einer Regulierung sorgfaltig zu studieren. Wenn man die Entwicklung der Banken in Europa betrachtet, dann hat sich die Gesamtsituation in der EU nicht zuletzt dank der EU-Osterweiterungen mit ihren neuen Expansionsmöglichkeiten vorteilhaft verändert. Die Banken in Europa — mit Osteuropa als neuem Wachstumsfeld — sind in den 15 Jahren nach dem Start des EU-Binnenmarktes 1992 durch eine Tendenz zur Konsolidierung bzw. die Herausbildung von Großbanken gekennzeichnet, aber auch durch anhaltende Internationalisierung; denn bei oft verschärftem Wettbewerb im Heimatmarkt haben viele Banken andere europäische Länder oder auch Schwellenländer oder Nordamerika neu oder verstärkt erschlossen. Dabei gab es zeitweise eine Art Konvergenz zum angloamerikanischen Kapitalmarktmodell — mit starker Betonung von Aktienmärkten und Wertpapiermärkten (gegenüber kontinentaleuropäischen Ländern mit dem Universalbanksystem und beschränkter Bedeutung der Aktienmärkte) da viele Banken sich stärker auf provisionsabhängige Kapitalmarktgeschäft auszurichten suchten und zudem durch die Verbriefung („securitization") von Krediten auch die Wertpapiermärkte deutlich an Bedeutung gewannen. Dabei hat sich nach Steuern die durchschnittliche Eigenkapitalrendite europäischer Banken deutlich erhöht, nämlich für die acht wichtigsten westeuropäischen Märkte von 7,9% auf 16,8% - allerdings führten Ansteckungseffekte der US-Subprime-Krise in Westeuropa zu einem Rückgang von 3Prozentpunkten (DEUTSCHE BANK RESEARCH, 2008, S.3); die Zahlen basieren auf ungewichteten Durchschnitten für Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande, Schweden, Schweiz. Die Internationalisierung hat dabei, bezogen auf den Marktanteil ausländischer Banken, längerfristig zugenommen (DEUTSCHE BANK RESEARCH, 2008, S.13) - mit Ausnahme von Frankreich (von etwa 14% in 1997 Rückgang auf ca. 11% in 2006)

Transatlantische Bankenkrise • 27

und Großbritannien (dort von einem Anteil von etwa 53% auf 50%). In Deutschland ist der Marktanteil ausländischer Banken in % der Bilanzsumme auf über 10% gestiegen, aber das ist im EU25-Vergleich noch ein recht geringer Anteil. Insgesamt ist der Internationalisierungsprozess im Banken- bzw. Finanzsektor fortgeschritten, wobei die zunehmende Verbriefung von Krediten die Internationalisierung des Finanzgeschäftes verstärkt hat. Verbriefungsaspekte sind ein Teil der US-Subprime-Krise, die im Sommer 2007 ausbrach und die sich bis August 2008 zu einer ersten US-Finanzmarktkrise vertieft hatte, wobei zahlreiche EU-Länder negativ von dieser betroffen wurden. Mit der Subprime-Krise — ein Teilsegment des US-Hypothekenmarktes betreffend — ist im Sommer 2007 eine mittelfristig wirkende internationale Bankenkrise entstanden, die längerfristig erhebliche realwirtschaftliche negative Wirkungen auch auf Deutschland bzw. die EU haben dürfte. Die Entstehungs- und Ausbreitungsmechanismen der Subprime-Krise und der dann im weiteren sich entwickelnden US-Bankenkrise gilt es zu verdeutlichen und die Risiken und Anpassungserfordernisse für Deutschland und die EU zu beleuchten. Der Bankensektor, der für industrialisierte Marktwirtschaften für Investitions- und Innovationsfinanzierung eine große Bedeutung hat — vor allem im kontinentaleuropäischen Universalbankensystem — ist seit Herbst 2007 mit massiven Aktienkurseinbrüchen, zahlreichen Unsicherheiten und erkennbaren neuen Funktionsproblemen konfrontiert. Während die OECD in ihrem Frühjahresbericht 2008 bereits durchblicken ließ, dass der größere Teil der Bankenkrise überwunden sei, muss man im Sommer 2008 angesichts der neuen massiven Probleme bei den quasistaatlichen US-Immobilienbanken Freddie Mac und Fannie May sowie mit Blick auf den Zusammenbruch der IndyMac Banking Corporation in Kalifornien im August von einer Verschärfung der US-Wirtschaftskrise ausgehen. Diese hat bereits mehrere europäische Volkswirtschaften negativ beeinflusst und auch einige EU-Mitgliedsländer sind von ernsthaften Problemen in den Immobilienmärkten und im Finanzsektor betroffen. Die im August 2008 vom US-Kongress beschlossenen Notmaßnahmen zur Rettung von Freddie Mac und Fannie Mae — zwei großen halbstaatlichen USImmobilienbanken — verdeutlichen, dass die Lage in den USA als sehr ernste stabilitätspolitische Herausforderung, und zwar von internationalem Gewicht, gesehen werden muss. Letzteres gilt nicht nur wegen der internationalen Verflechtung privater Banken und der Finanzmärkte, sondern auch weil zahlreiche Zentralbanken — vor allem in Asien — traditionell Anleihen von Freddie Mac und Fannie Mae halten, die bislang als risikofreie Wertpapiere eingestuft wurden. Zahlreiche Banken in Deutschland bzw. der EU sind in die US-Bankenkrise einbezogen und zudem droht die deutsche Wirtschaft im Zuge einer USRezession, sinkender Aktienkurse und eines fortgesetzten Abzugs von USAnlagegeldern aus Europa erheblich Schaden zu nehmen; ggf. notwendige Reka-

28 • Paul J.J. Weifens

pitalisierungen von Banken sind bereits teilweise zulasten der Steuerzahler erfolgt und zudem drohen Arbeitsplatzverluste bei Banken und Versicherungen sowie in vielen Sektoren der Volkswirtschaft. Besonders zu bedenken ist, dass im Zuge von umfassenden Sozialversicherungsreformen seit 2000 in vielen EU-Ländern, so auch in Deutschland, kapitalbasierte Sozialversicherungselemente verstärkt wurden und Anreize zu einem Mehr an privatem Altersvorsorgesparen gegeben wurden. Private Elemente eines Alterssicherungssystems, als Ergänzung zur Säule des staatlichen Umlageverfahrens gedacht, können aber ihre angedachte Funkdon nur erfüllen, wenn die Kapitalmärkte nachhaltig funktionsfähig, effizient und stabil sowie transparent sind. Hiervon aber kann mit Blick auf die Bankenkrise 2007/08 in den USA, einigen EU-Ländern und der Schweiz keine Rede sein. Aus Sicht der alternden Gesellschaften der OECD-Länder sind langfristige stabile und funktionsfähige Banken bzw. Finanzmärkte unerlässüch. Die nachfolgenden Überlegungen gehen bei den Reformvorschlägen deutlich hinaus über die Empfehlungen des Financial Stability Forum vom 11. Juni 2008 (Anhang 9). Die Vorschläge des FSF an die G8-Finanzminister gehen in die richtige Richtung, da außerbilanzielle Aktivitäten bilanzmäßig besser erfasst werden sollen und die Rating-Agenturen ansatzweise in ihrer Arbeitsqualität überwacht werden sollen — die Vorschläge sind aber insgesamt zu schwach und nicht weitreichend genug, um aus der Bankenkrise herauszuführen.

2.1

Grundlegende Überlegungen zur Rolle von Banken

Für die Intermediation und viele Finanzdienstleistungen sind Banken unerlässüch, wobei diese in Deutschland als Drei-Säulen-System mit Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken dargestellt werden können. Für die kontinentaleuropäischen Länder spielen Universalbanken traditionell eine sehr gewichtige Rolle; sie nehmen Einlagen von Kunden herein, geben Kredite und sind im Eigenhandel mit Wertpapieren sowie bei speziellen Bankdienstleistungen tätig. Wie auch jeder Privatanleger, so sind auch für Banken beim Eigenhandel Liquidität, Rendite und Risiko drei Kernaspekte für den Entscheidungsprozess, wobei das Risiko meist durch externe Ratings abgeprüft wird, während der Liquiditätsstatus vom Management der Bank selbst einzuschätzen ist. Banken haben in Wirtschaftssystemen bzw. einer Volkswirtschaft wichtige Funktionen, wie man vereinfacht in nachfolgender Abbildung dargestellt sieht.

Transatlantische Bankenkrise • 29

Abbildung 4:

Bankensektor und Wirtschaftswachstum

Zentralbank

C^Primärliquidität^!?

Investitionsfinanzierung; Innovationsfinanzierung

-J^^iankenaufsichT^)

BANK Kredite (Zinshöhe; -spreads)

Eigenkapital Einlagen

Spezielle Bankdienstleistungen (z.B. Gründungsfinanzierung)

Netto-Exporte von Gütern und Dienstleistungen

) J

Quelle: WELFENS (2008b); Abb. zeigt nicht Aktiva- und Passivaseiten der Bank in Standarddarstellung

Sie unterliegen wegen der bei einem Bankenkurs denkbaren Systemrisiken zunächst einmal einer besonderen Zulassung, die gesetzlich geregelt ist, wobei die Bankenaufsicht regelmäßig einen Einblick in die Geschäftsaktivitäten der — großen — Banken nimmt und hier die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften prüft. Bei hinreichendem Eigenkapital und vernünftiger Bankenregulierung können Banken sich im Wettbewerb auf

30 • Paul J.J. Weifens

den Finanzmärkten messen und nützliche Leistungen für Wirtschaft, Bürgerschaft und Staat erbringen. Der Staat ist an einer effektiven und effizienten Bankenaufsicht materiell interessiert. Denn im Konkursfall ist immer damit zu rechnen, dass nach Ausfall aller privaten Sicherungssysteme der Staat im Interesse der Sicherung des Gesamtsystems das betreffende konkursreife Institut auf Steuerzahlerkosten übernehmen und sanieren muss. •

Banken nehmen Einlagen im Passivgeschäft an, der Kunde erhält im günstigsten Fall einen sehr geringen Zins auf seine kurzfristigen Einlagen, z.B. auf dem Girokonto. Im Aktivgeschäft geben die Banken mittel- und längerfristige Kredite zu bestimmten Zinssätzen an Unternehmen (oder auch private Haushalte oder den Staat), die ihre Investitionsbzw. Innovationsfinanzierung damit sichern. Traditionell besteht zwischen der kreditgebenden Geschäftsbank und dem investierenden Unternehmen eine enge und längerfristige Geschäftsbeziehung, die auch den Austausch von Informationen umfasst. Insbesondere will die Bank durch einen fortlaufenden Informations- bzw. Beobachtungsprozess sicherstellen, dass die Kreditmittel vertragsgemäß verwendet werden und die Bank wird sich Sicherheiten (z.B. Grundpfandrechte, Eigentumsrechte an Maschinen) abtreten lassen, um bei nicht fristgerechter Tilgung und Zinszahlung eine Art Entschädigungsoption zu haben — sie wäre auch im Fall eines Konkurses des Unternehmens wichtig. Banken sind auch für spezialisierte Dienstleistungen bekannt, etwa bei der Gründerfinanzierung. In diesem Kontext geben sie ggf. Hilfestellung bei der Eigenkapitalaufbringung und werden natürlich auch ihr umfangreiches Wissen und Netzwerk zu anderen Firmen oft in wichtiger Weise einbringen. Neue und bestehende Unternehmen investieren also und damit ergibt sich die gesamtwirtschaftliche Investition. Zusammen mit der Staatsnachfrage, dem privaten Konsum und den Nettogüterexporten bestimmen die Investitionen aus einer nachfrageorientierten makroökonomischen Sicht das Bruttoinlandsprodukt und damit auch die Beschäftigung und damit auch die Steuereinnahmen. Man beachte, dass die Investitionen im Kontext mit der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion — und der Innovations- und Beschäftigungsdynamik — auch die Angebotsseite der Wirtschaft mit bestimmen.



Wenn eine Bank zu wenig Eigenkapital hat — verglichen mit den Mindestvorschriften von Seiten der Regulierungsbehörde (Eigenkapital soll bei der Bank eine gewisse Mindesttragfahigkeit gegenüber Risiken bzw. Verlustperioden sichern) —, dann muss die Bank entweder neues Eigenkapital aufnehmen und dafür eine attraktive Rendite in Aussicht stellen; oder aber es muss das Kreditvolumen heruntergefahren werden, da re-

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gulatorischen Eigenkapitalvorschriften auf eine kritische Relation von Eigenkapital zu Gesamtkapital vorsehen: damit aber letztlich auf eine kritische Relation von Eigenkapital zu Kreditvolumen abstellen. Grundsätzlich kann eine Bank auch auf dem Interbankenmarkt Mittel aufnehmen. Alternativ kann eine Bank auch im Rahmen bestimmter Grenzen und qualitativer Anforderungen auf Primärliquidität der Zentralbank zurückgreifen: Sie stellt zu einem bestimmten Notenbankzins den Banken Zentralbankkredite zur Verfügung, je höher dieser Notenbankzins, um so höher auch der Kreditzins, den die Banken im Kreditmarkt von ihren Kunden verlangen werden. Seit dem Inkrafttreten des Basel Accord von 1992 sind die Banken gehalten, 8% als regulatorische Mindesteigenkapitalquote zu halten. In der Literatur geht man im Rahmen der Capital buffer theory davon aus, dass die Banken die Mindesteigenkapitalquote zu übertreffen trachten, wenn das Portfolio Risiko der Banken steigt. Für die USA gibt es hierzu positive empirische Evidenz von AGGARWAL/JACQUES (2001), JACQUES/NIGRO (1997), DAHL/SHRIEVES (1990) und ähnlich für die Schweiz von RIME (2001) sowie für die Sparkassen in Deutschland von HEID ET AL. (2004); für alle drei Bankgruppen in Deutschland — Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken — legen KLEFF/ WEBER (2008) entsprechende empirische Evidenz vor, wobei die Autoren allerdings auch Probleme von Sparkassen betonen, die Tier 1-Mindestanforderungen zu erreichen, da sie kaum Zugang zum Kapitalmarkt haben. Bei (Universal-)Banken bestehen aus volkswirtschaftlicher Sicht grundsätzlich vier Probleme: •

Sie sind wegen ihrer Systemrelevanz reguliert, so dass ein beschränkter Wettbewerb vor sich geht — in einer offenen Volkswirtschaft findet dabei naturgemäß eine Regulierungsarbitrage statt, d.h. dass Banken insbesondere innovative und hochrentierliche Geschäftsfelder ggf. ins Ausland bzw. weniger regulierte Märkte verlagern; allerdings gelten für alle Großbanken die Basel-I-Regeln bzw. seit 2008 die Basel-II-Regeln. Eine relativ strikte nationale Regulierung kann sich allerdings gleichwohl als nützlich erweisen, wie die restriktive Regulierung der spanischen Zentralbank in Sachen strukturierte Produkte bzw. Errichtung von Zweckgesellschaften durch Banken gezeigt hat: Durch diese Vorgaben waren spanische Banken kaum in die US-Bankenkrise bzw. die SubprimeKreditprodukte involviert und zählen im globalen Wettbewerb in 2008 zu den klaren Gewinnern. In Italien hat die Zentralbank ebenfalls eine relativ restriktive Regulierung mit Blick auf Bankgeschäfte mit forderungsbesicherten Wertpapieren in eigenen Zweckgesellschaften verfolgt. In Frankreich gab es eine pragmatische Haltung der Zentralbank, allerdings hat der Skandal bei der Société Générale gezeigt — dort konnte ein

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Händler scheinbar unbemerkt der Bank 4,8 Mrd. € Verluste durch spekulative Geschäfte einbrocken —, dass das Risikomanagement auch in Frankreich zu wünschen übrig lässt. In Deutschland ist der Kurs der BaFin und ihrer Vorgängerorganisationen eher unklar, wobei die BaFin sich die Aufsicht mit der Deutschen Bundesbank teilt — letztere hat aber bislang nur eine untergeordnete Rolle. •

Bankmanager von Großbanken können darauf spekulieren, dass sie nicht in Konkurs gehen können, da der Konkurs einer Großbank die Systemstabilität gefährden könnte. Ein solches moral hazard mit Blick auf den Problemfall „too big to fail" ist seitens der Wirtschaftspolitik ernst zu nehmen. Denn bei einer verbreiteten Einstellung dieser Art funktioniert der Wettbewerb nicht mehr — es gibt keinen Schumpeterschen schöpferischen Prozess der Zerstörung mehr, bei dem die besonders erfolgreichen und besonders innovativen Anbieter die weniger rentablen und weniger effizienten übernehmen. Dass in Deutschland bei der IKB — einer Bank, die kaum unter den Top 50 rangiert — in 2007 ein Fall auftrat, wo die Behörden Furcht hatten, die Bank in Konkurs gehen zu lassen, ist außerordentlich bedenklich. Dieser Vorfall ist ein Indiz dafür, dass Deutschland in der EU nicht zu den besonders wettbewerbsintensiven Bankmärkten gerechnet werden kann; schon im Retail-Markt mit den privaten Endkunden fällt dem europakundigen Reisenden ja immer wieder auf, dass Geldautomaten in Deutschland — von Ausnahmen abgesehen - dem Kunden nicht einmal beim Geldabheben die Option geben, eine Quittung ausgedruckt zu erhalten.



In den kontinentaleuropäischen Ländern mit ihren Universalbanken sind — trotz Ausbaus der Aktienmärkte seit den 90er Jahren — die Banken auch für die Risikokapitalfinanzierung wichtig. Auf dem Weg zu einer digitalen Wissensgesellschaft in OECD-Ländern spielt der Ausbau der Risikokapitalfinanzierung eine wichtige Rolle, wobei auch Banken in diesem Geschäftsfeld aktiv sind. Banken bzw. Sparkassen — in erster Linie — und Genossenschaftsbanken sind in Deutschland bei der Gründungsfinanzierung stark präsent. Allerdings ist die Risikokapitalfinanzierung in Deutschland unterentwickelt, wenn man internationale Vergleiche betrachtet. Der Neue Markt kollabierte mangels vernünftiger staatlicher Regulierung als spezieller Aktienmarkt für junge Unternehmen nach dem Ende des New Economy Booms. Um so wichtiger ist es, dass die in den Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken vorhandene Expertise und Finanzkraft auch für die Gründungs- bzw. Venture capital-Finanzierung sinnvoll genutzt wird. Dies wird aber durch die BaselII-Regeln zunehmend erschwert, da die Banken für Bonitätsbeurteilung auf kurzfristige standardisierte Kennziffern verwiesen werden und dis-

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kretionäre Spielräume der Bankmanager verengt werden. Die USBankenkrise und ihre europäischen Ausläufer dürfte auf Jahre hinaus die Risikobereitschaft von Banken gerade im Bereich der Risikokapitalfinanzierung mindern. •

Banken sind durch die Vielzahl von Finanzinnovationen und die große Bedeutung von Over-the-counter-Transaktionen für viele Bankkunden zunehmend intransparent geworden, was langfristig für den Wettbewerb im Bankenmarkt nicht förderlich sein dürfte. Der Sachverständigenrat (SVR, 2007, S. 120) schreibt: „Die Publizitätsangaben von Risikogebern und Risikonehmern sind wichtige Entscheidungskriterien für Anleger und Anteilseigner. Obwohl Risikotransferinstrumente das Risikoprofil von Finanzinstitutionen erheblich verändern können, zeigen Analysen publizitätspflichtiger Angaben von Banken in Nordamerika, Europa und Asien, dass es vor allem an Informationen zu den synthetischen Kreditderivaten und OTC-Geschäften fehlt, da sie nicht bilanziert werden müssen. Die Verbriefung und insbesondere die Verwendung von Kreditderivaten führten also grundsätzlich dazu, dass sich die Transparenz für die Kapitalgeber von allen an diesen Transaktionen beteiligten Banken und Finanzinstitutionen verschlechtert. So dürften die Probleme, die bei mehreren europäischen Investmentfonds aufgetreten sind, darauf zurückzuführen sein, dass viele Anleger nicht erkannten, in welche derivative Anlagen ihre Mittel investiert wurden."

Banken sind daran interessiert, über ein wachsendes Kreditgeschäft und expandierende Bankdienstleistungen Gewinne zu machen, wobei die 8%-Mindesteigenkapitalquote eine — von den Regulierem bzw. den OECD-Staaten - gewollte Expansionsbremse für das Kreditgeschäft ist. Viele Banken haben ihre Gewinne in der Dekade nach 1995 deutlich gesteigert, indem sie forderungsbesicherte (asset-backed securities) Wertpapiere kreierten; Papiere, die Pakete von Kreditkontrakten darstellen, wobei die ABS-Papiere in verschiedene Tranchen aufgespalten wurden: Die Top-Tranche mit dem Top-Rating wurde ggf. in den eigenen Büchern gehalten, der Rest im Kapitalmarkt platziert. Grundsätzlich gilt es echte Verbriefungen — wie ABS — einerseits und andererseits synthetische Verbriefungen zu unterscheiden (bei letzteren bleibt der Kredit in der Bilanz, nur die Adressenausfallrisiken werden durch Kauf eines CDS als Versicherung marktfähig gemacht und in der Regel werden CDS dann auch im Markt platziert — allerdings im bisherigen System in weitgehend intransparenter Weise). Viele Banker bzw. Risikomanager versuchten, unbedingt schwach geratete Papiere aus dem eigenen Bestand abzugeben, während man sich über vermeintlich risikolose A-geratete Papiere keine Gedanken machte — auch wenn deren Bestand rein quantitativ im Zeitablauf sehr groß wurde und sich speziell kaum jemand überlegte, wie es denn mit der Liquidität der Papiere bestellt war (ANO-

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NYMOUS, 2008): Ohnehin wurde von den Wertpapierhändlern und Teilen des Topmanagement die Abteilung Risikomanagement eher als Störfaktor wahrgenommen denn als notwendige und überlebenswichtige Teilinstitution rationaler Unternehmensführung. Die Liquidität vieler A-gerateter Papiere erwies sich in den USA in 2007/08 z.T. als überaus schlecht und auf dem Markt mussten Abschläge um 20% hingenommen werden. Das Hauptanliegen der New Yorker Topmanager der Großbanken war, wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer wieder erklärt, Rekord-Eigenkapitalrenditen zu realisieren. Ein bekanntes Problem auf Finanzmärkten kann sich insbesondere in Niedrigzinsphase ergeben, da Banken bzw. Investoren ihre Eigenkapitalrenditen durch Erhöhung der Fremdkapitalquote bzw. Senkung der Eigenkapitalquote aufzuhebein versuchen. Die Niedrigzinsphase in den USA unter FED-Chef Greenspan — nach 2001 - hat jedenfalls den Anreiz bei den Banken verstärkt, ihre Eigenkapitalrendite durch eine erhöhte Fremdkapitalquote aufzuhebein. Wo dies wegen der regulatorischen Eigenkapitalvorschriften an Grenzen in der Bank stieß, hat man alsbald über die Gründung von Special Investment Vehicles und Hedge Fonds — im außerbilanziellen Geschäft — Spielräume geschaffen, um faktisch die Eigenkapitalquote abzusenken. Viele der Grundprobleme, die man in der US-Bankenkrise 2007/08 feststellen konnte, sind keineswegs neu, denn natürlich sind auch Finanzinnovationen im internationalen Bankengeschäft schon seit den 80er Jahren ein bekanntes Phänomen (BIS, 1986); in diesem Jahrzehnt hat sich auch die Internationaüsierung der Finanzmärkte intensiviert. 1990 schrieb dieser Autor mit Blick auf Bonitäts-, Liquiditäts- und Solvenzrisiken in hochverschuldeten Ländern (WELFENS, 1990, S. 208): „Allerdings haben zahlreiche Finanzinnovationen (z.B. Zins- und Währungsswaps, Ausbreitung von Options- und Termingeschäften) in den 80er Jahren dazu beigetragen, die in der Weltwirtschaft vorhandenen Kapitalmarktrisiken effektiver und vermutlich auch effizienter zu alloziieren, wobei ein problematischer Trend zur „securitization" zu beobachten ist...An die Stelle von Krediten traten verstärkt handelbare verbriefte Forderungen, was jedoch den Nachteil hat, daß bei Krisensituationen eines Schuldnerlandes die bei Umschuldungsverhandlungen dann involvierte erhöhte Zahl von Kreditmarktpartnem (anders als im Fall weniger Banken) eine rasche und effiziente Problemlösung schwieriger gestaltet." In den USA hat sich seit den 90er Jahren die Verbriefung von Krediten als Geschäftsmodell deutlich intensiviert und zudem werden zahlreiche Finanzinnovationen — inklusive Derivate — auf vielen Over the Counter-Märkten gehandelt; die starke Nutzung von OTC-Märkten führt zu Intransparenz in den Finanzmärkten und schon der Ausfall eines größeren Händlers wird, anders als im Fall von organisierten Börsen, zum Problem. So musste vermutlich in den USA Bear Stearns als Investmentbank von der FED indirekt gerettet werden, weil Bear Stearns in so vielen Geschäften als Counter Party involviert war.

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Theorie der Preisbildung auf Finanzmärkten Auf Finanzmärkten erfolgt die Preisbildung in kurzfristiger Betrachtung im Rahmen von Bestandsansätzen, wie sie etwa das BRANSON-Modell in seiner Betrachtung der Märkte für kurzfristige inländische bzw. ausländische Bonds und für Geld präsentiert. Bezeichnet B den nominalen Bestand an inländischen Bonds und F den Bestand an Auslandsbonds (in ausländischer Währungseinheit) — in der Hand des hier betrachteten Inlandes — und bezeichnet weiter A' das Realvermögen, M den nominalen Geldbestand, P das Preisniveau, e den Wechselkurs (in Preisnotierung) und i bzw. i* den In- bzw. Auslandszins sowie a' die erwartete Abwertungsrate der Währung (i*':= i*+a0, q'">0), dann gilt für den Fall q">l, dass das Wirtschaftswachstum immer einen positiven Einfluss auf E" hat: (7)

E" = [l-(l/«)(l-q")]gv + [l/«]q'Z' + q'"a

Ein Geschäftsmodell, bei dem der Bankvorstand wesentlich in Aktien investieren will, deren reale Rendite (mit Q für Marktpreis des Risikos und a für Standardabweichung der Aktienkurse) sich aus Sicht des Capital Asset Pricing Models ergibt als r + Qa wird dann bei der Risikoprämie eben positiv vom Marktpreis des Risikos und von der Aktienmarktvolatilität bestimmt. Jedenfalls wären auch Aktionäre bzw. Aufsichtsräte von Banken gut beraten, nicht nur ehrfürchtig der Setzung hoher Renditeziele durch den Vorstand zu lauschen, sondern zu fragen, aus welchen Quellen sich den eine hohe Zielrendite X letztlich speisen soll.

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Anhang 3: Auszug aus einem Papier zur Bankinsolvenz Situation in der Schweiz und der internationalen Ebene

(2008)

III. Internationale Bankeninsolvenz „.. .Herausforderungen einer internationalen Bankeninsolvenz Grosse Herausforderungen stellen sich, wenn eine Bank mit internationalem Geschäft und Zweigniederlassungen im Ausland in Schwierigkeiten gerät. Die unterschiedlichen Regelungen und Zuständigkeiten sowie der territoriale Charakter von Insolvenzregeln erschwert Wert erhaltende, alle Unternehmensteile umfassende Lösungen. Eine internationale Zusammenarbeit ist nur soweit möglich, als diese nach nationalen Rechten auch zulässig ist. Unterschiedliche nationale Regelungen und Zuständigkeiten Das Spektrum der Regelungsansätze reicht von einem völlig eigenständigen Verfahren für die Abwicklung von Bankeninsolvenzen unter Ausschluss des allgemeinen Konkursrechts, wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten und der Schweiz, bis zu Rechtsordnungen, die keine Sonderregeln für Banken kennen, sondern das allgemeine Konkursrecht auch auf Banken anwenden, wie beispielsweise in Grossbritannien. Je nach der Ausgestaltung der nationalen Insolvenzregeln sind auf nationaler Ebene verschiedene Behörden zuständig. Während beispielsweise in der Schweiz in einem Sanierungsverfahren die Aufsichtsbehörde zuständig ist, hat in anderen Ländern eine Konkursbehörde oder das Gericht (z.B. Grossbritannien) oder die Einlagensicherungseinrichtung (z.B. USA) die Federführung. Diese grossen Unterschiede erschweren die sinnvolle Koordination von Massnahmen und konstruktive Zusammenarbeit unter Behörden.

Auseinanderfallen von konsolidierter Aufsicht und Insolvenzrecht — Rückwirkungen auf die Aufsichtspraxis Im Krisenfall unterliegen international tätige Banken den Bestimmungen des nationalen Insolvenzrechts. Diese sind von Land zu Land verschieden und folgen nicht oder jedenfalls nicht in konsequenter Weise dem der konsolidierten Aufsicht zugrunde liegenden Grundsatz, wonach die verschiedenen Aspekte des weltweiten Geschäfts einer international tätigen Bank als Gesamtheit zu betrachten sind. So werden bei international tätigen Banken Mindestanforderungen für

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die Eigenkapitalausstattung auf konsolidierter Basis angewendet, wobei es zunächst nicht darauf ankommt, wo die Aktiven liegen. Wenn jedoch eine Bank über eine Zweigniederlassung in einem Land verfugt, das über Zweigniederlassungen ein eigenständiges Verfahren fuhrt, so ist im Konkursfall entscheidend, welche Aktiven dieser Zweigstelle zugerechnet werden. Asymmetrie der nationalen Interessen Die verschiedenen nationalen Behörden verfolgen gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag unterschiedliche Interessen. Diese sind in der Regel auf den Schutz der heimischen Bankinsolvenz — in der Schweiz und auf internationaler Ebene 29/33 Gläubiger ausgerichtet. In einer Reihe von Ländern können Behörden dauernd oder im Vorfeld einer Insolvenz Massnahmen anordnen, um Aktiven im Umfang der gesamten oder eines Teils der Forderungen heimischer Gläubiger in der jeweiligen Rechtsordnung zu blockieren und vor dem Zugriff aus dem Ausland zu schützen ("asset maintenance"). Territorialität statt Universalität In einigen Ländern können Behörden Aktiven blockieren, um diese zur ausschliesslichen Deckung von Forderungen heimischer Gläubiger zu verwenden ("ring fencing"). So kann in manchen Ländern selbst über ausländische Zweigniederlassungen ein separates Verfahren eröffnet werden, obwohl diese mit dem Hauptsitz eine rechtliche Einheit bilden. Keine automatische Anerkennung im Ausland Massnahmen zum Schutz der Gläubiger werden nicht automatisch in allen Ländern anerkannt. Dies kann den Zugriff auf im Ausland gelegene Aktiven im Interesse der Gläubiger erschweren, insbesondere wenn Zwangsvollstreckungsmassnahmen gegenüber im Ausland gelegenen Aktiven einer insolventen Bank ergriffen werden können. Ungleichbehandlung der Gläubiger Territorial ausgerichtete Insolvenzverfahren und zahlreiche Unterschiede in materiellen Regeln (bspw. Konkursprivilegien) und Anfechtungsklagen sowie unterschiedliche Einlegerschutzbestimmungen führen dazu, dass gleichgeartete Forderungen gegenüber demselben Institut ungleich behandelt werden. Je nachdem in welchem Land Bankgläubiger mit einer Geschäftsstelle einer Bank Geschäfte tätigen, kann ihre Konkursdividende sehr unterschiedlich ausfallen.

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.. .Internationale Bemühungen Auf internationaler Ebene bestehen bisher keinerlei Vorgaben zur Abwicklung grenzüberschreitender Bankeninsolvenzen. Seit Anfang der neunziger Jahre beschäftigten sich verschiedene internationale Gremium und Institutionen mit dieser Problematik.

Basler Ausschuss Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision) ist ein internationales Gremien der Bankaufseher. Seit 1974 trägt der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht massgeblich dazu bei, dass die nationale Bankenaufsicht nach international abgestimmten Prinzipien erfolgt. Im Nachgang zum BCCI Fall, der die Problematik der verschiedenen nationalen Verfahren zutage förderte, setzte der Basler Ausschuss eine Arbeitsgruppe ein, die in ihrem Bericht (The Insolvency Liquidation of a Multinational Bank, Dezember 1992)1 zwar Handlungsbedarf erkannte, die Sache allerdings nicht weiterverfolgte. Eine vom Basler Ausschuss eingesetzte Task Force (Task Force on the Winding Down of Large and Complex Financial Institutions) beschäftigte sich im Jahr 2000/01 mit den Problemen einer Krise einer grossen internationalen Finanzgruppe. Die in einem nicht-veröffentlichten Bericht vom 5. März 2001 vorgeschlagenen Lösungsansätze beschränken sich auf eine Verstärkung des Informationsaustausches und der Kooperation. Auf Initiative des Financial Stability Forum (FSF) hin setzte der Basler Ausschuss im Juli 2001 eine weitere Task Force mit dem Mandat ein, Weisungen (guidance) zur Behandlung von Problembanken zu entwickeln. In ihrem Bericht 83 (Supervisory Guidance on Dealing with Weak Banks: Report of the Task Force on Dealing with Weak Banks, Basel Committee on Banking Supervision, March 2002) behandelt die Task Force die Massnahmen zur Früherkennung von Problembanken sowie die unterschiedlichen aufsichtsrechtlichen Instrumente zur frühzeitigen Intervention durch die Aufsichtsbehörden und Sanierung von Problembanken. Auf Initiative der US amerikanischen Bankaufsichtsbehören hin setzte der Basler Ausschuss Ende 2007 eine Arbeitsgruppe ein, um eine grundlegende Bestandsaufnahme der in den einzelnen Mitgliedsländern bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bewältigung von Finanzproblemen bei Banken vorzunehmen. Die Arbeitsgruppe unter Vorsitz der E B K und FDIC wird ihre Arbeiten im ersten Quartal 2008 aufnehmen.

1

http://www.bis.org/publ/bcbslOcde.pdf

Transatlantische Bankenkrise • 185

Group of Thirty Im Jahre 1995, im Nachgang zum Barings-Fall schuf die Group of Thirty (G30) zusammen mit INSOL (International Federation of Insolvency Practitioners) eine Arbeitsgruppe, die die regulatorischen und finanziellen Probleme analysierten, die beim Zusammenbruch eines internationalen Finanzinstituts auftreten können. Die Arbeitsgruppe formulierte 14 Empfehlungen zur Stärkung des regulatorischen Rahmens für den Umgang mit solchen Bankeninsolvenzen („Group of Thirty, International Insolvencies in the Financial Sector, A Study Group Report, 1998")2. Diese Empfehlungen legten grösstes Gewicht einerseits auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden im Inund Ausland und andererseits auf die Schaffung von klaren Rechtsgrundlagen, die die Anerkennung und rechtliche Durchsetzbarkeit von Aufrechnungsvereinbarungen (Netting) zwischen Markteilnehmern im Insolvenzfall gewährleisten. G10 Der Bericht der G10 (Insolvency Arrangements and Contract Enforceability: Report of the G10 Contact group on the legal and institutional underpinnings of the international financial system, September 2002)3. erläutert den status quo und die rechtlichen Probleme, die sich aus den bestehenden Rahmenbedingungen bei der Bewältigung von grenzüberschreitenden Insolvenzen im Finanzsektor ergeben, wobei insbesondere auch die Problematik der Aufrechnung und der Verwertung von Sicherheiten im grenzüberschreitenden Zusammenhang betrachtet werden. Europäische Union Bisher konnte nur in der EU eine zwischenstaatliche Abstimmung zur Abwicklung von Bankinsolvenzen erreicht werden. Nach der Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten4 sind für die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen ausschliesslich die Behörden oder Gerichte des Herkunftsmitgliedsstaates zuständig, in dem das betroffene Institut erstmalig zum Betreiben von Bankgeschäften zugelassen wurde. In den übrigen Mitgliedstaaten wird die Entscheidung des Herkunftsmitgliedsstaates zur Eröffnung eines Liquidationsverfahrens ipso iure

http://www.bis.org/publ/bcbs88.pdf?noframes= 1 http://www.group30.org/pubs/pub_0995.htm 4 http://eurlex.europa.eu/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!Doc Number&lg=de&type_doc=Directive&an_doc=2001 &nudoc=24 2 3

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im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung anerkannt. Die Verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen von Sanierungs- und Liquidationsverfahren richten sich nach dem Recht des Herkunftsmitgliedsstaates. Die Richtlinie harmonisiert hingegen nicht die Art und den Inhalt von Massnahmen, so dass die Verschiedenartigkeit der Regelungen der ein2elnen Mitgliedsstaaten erhalten bleibt. Im Verhältnis zur Schweiz und anderen Drittstaaten sind die Richtlinien allerdings nur sehr beschränkt anwendbar, nämlich nur, wenn eine schweizerische Bank Zweigstellen in mindestens zwei Mitgliedsstaaten betreibt. Die Vorschriften der Richtlinien beschränken sich in diesem Fall auf eine Verpflichtung der Behörden dieser Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit. Hingegen regeln die Richtlinien im Verhältnis zu Drittstaaten weder die Zuständigkeit noch die Anerkennungswirkungen. Die Europäische Kommission führte im Sommer 2007 eine öffentliche Konsultation zur Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten durch.5 Das Ziel dieser Konsultation war es, zu untersuchen, ob die Richtlinie ihren Zweck vollständig erfüllt, ob ihr Anwendungsbereich auf Tochtergesellschaften innerhalb der EU ausgedehnt werden könnte, um so auch Bankgruppen in einem einheitlichen Verfahren abzuwickeln, und wie Hindernisse in Bezug auf die Übertragung von Aktiven innerhalb solcher Konzerne abgebaut werden können. Eine Auswertung und ein Bericht über das weitere Vorgehen soll im Verlauf von 2008 vorliegen." In dieser Analyse der Eidgenössischen Bankenkommission kommt zum Ausdruck, wie kompliziert ein Konkurs einer internationalen Großbank wäre. Man müsste wegen rechtlicher Unsicherheiten und praktischer Probleme bei der Abwicklung eines solchen Konkursfalls sicherlich mit einem mehrjährigen Prozess rechnen. Quelle: EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION (2008; Auszug, S. 28ff.)

5

http://ec.europa.eu/international_market/bank/windingup/index_de.htm

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Anhang 4: Auszug aus dem Finanzmarktstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank (2007) „An den internationalen Finanzmärkten ist im Sommer dieses Jahres eine im Grundsatz seit längerem erwartete umfassende Neubewertung finanzieller Risiken in Gang gekommen. Als Katalysator fungierte eine Häufung von negativen Nachrichten im Zusammenhang mit dem US-Subprime-Hypothekenmarkt. Im Zentrum des Anpassungsprozesses steht der Verbriefungsmarkt, auf dem Kredite und isolierte Kreditrisiken gebündelt, strukturiert und als Asset Backed Securities (ABS) oder Collateralised Debt Obligations (CDOs) weiterverkauft werden. Die große Nachfrage nach derartigen überwiegend mit guten Ratings versehenen Wertpapieren hatte in den vergangenen Jahren bei abnehmenden Anforderungen an die Kreditqualität zu einem sehr lebhaften Neugeschäft mit risikoreichen Hypothekenkrediten, aber auch mit Darlehen an Schuldner mit niedriger Bonität (Leveraged Loans) beigetragen. Als jedoch deutlich steigende Ausfallraten bei US-Hypothekenkrediten umfangreiche Ratingherabstufungen von Verbriefungsinstrumenten nach sich zogen, führte dies zu einem globalen Vertrauensschock, zumal zur selben Zeit die finanzielle Schieflage von zwei namhaften Hedge Fonds bekannt wurde. In der Folge weiteten sich die Turbulenzen im Zuge einer steigenden Risikoaversion der Marktteilnehmer und von Liquiditätsanspannungen schrittweise auf weitere Marktsegmente aus. Dabei bewahrheitete sich, dass die Handelbarkeit und breitere Streuung von Kreditrisiken nur dann die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems tatsächlich verbessern, wenn die Qualitätsstandards auf allen Stufen des Transferprozesses hoch bleiben und keine neuen Risikokonzentrationen entstehen. So belastet angesichts offenkundig gewordener Schwachstellen in der komplexen Kette der Weitergabe von Kreditrisiken die dadurch entstandene Unsicherheit über die Bewertung der komplexen und überwiegend wenig liquiden Finanzinstrumente nachhaltig die Funktionsfähigkeit von Teilen des Verbriefungsmarktes. Zudem manifestierten sich nun schlagartig Risiken, die vom Bankensystem im Rahmen von Risiko- und Fristentransformationen übernommen und bilanz- und eigenkapitalschonend auf spezielle Zweckgesellschaften (wie Asset Backed Commercial Paper-Conduits und Structured Investment Vehicles) übertragen worden waren; diese Investmentvehikel refinanzieren sich günstig über mit hohen Radngs ausgestattete Geldmarktpapiere. Als die Vertrauenskrise am Verbriefungsmarkt generelle Zweifel an der Werthaltigkeit der zur Deckung dienenden Aktiva solcher Zweckgesellschaften weckte, gerieten sie in Refinanzierungsschwierigkeiten. Einige Vehikel nahmen daher unerwartet Liquiditätslinien von

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Finanzinstituten in Anspruch, sodass die daraus resultierenden Risiken wieder auf die Bankbilanzen zurückschlugen. Die Ungewissheit über potenzielle direkte und indirekte Risikopositionen von Finanzinstituten ließ die Vertrauenskrise im Laufe des August auf den Interbanken-Geldmarkt überspringen. Zu erhöhtem Liquiditätsbedarf der Banken trugen außerdem die Stockungen am Verbriefungsmarkt und bei der Weiterplatzierung von syndizierten Krediten bei. Dabei wurde offenbar, dass einzelne Marktteilnehmer das Liquiditätsrisiko und vor allem die wechselseitige Abhängigkeit von Finanzierungs- und Marktliquidität unterschätzt hatten. Seit Mitte September gab es zeitweise Anzeichen für eine gewisse Stabilisierung an den internationalen Finanzmärkten. Hierzu haben die liquiditätspolitischen Maßnahmen einer Reihe von Zentralbanken, einschließlich des Eurosystems, beigetragen. Allerdings hat sich die Lage am Geldmarkt in der Euro-Zone noch nicht normalisiert. Am Interbankenmarkt dominieren weiterhin die Liquiditätsvorsorge und die Unsicherheit über die Risikolage möglicher Geschäftspartner mit der Folge einer sehr zurückhaltenden Ausleihungspolitik, vor allem für Zeiträume von mehr als einem Monat. Eine Rückkehr des Vertrauens ist der Schlüssel zur Lösung der Geldmarktfriktionen" Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK (2007), S. 8-9

„Lehren aus dem Finanzmarktturbulenzen — ein Zwischenfazit Die Vertrauenskrise bei strukturierten Verbriefungen und Kreditderivaten hat Schwachstellen in einem Marktsegment aufgedeckt, das in den vergangenen Jahren schnell expandierte und für die Geschäftsmodelle vieler Finanzinstitute eine wachsende Bedeutung erlangte. Der nun in Gang gekommene Anpassungsprozess im Finanzsystem dürfte sowohl zyklische Übertreibungen bereinigen als auch zur weiteren strukturellen Reifung des Verbriefungsmarktes beitragen. Es wäre jedoch verfehlt, den generellen Nutzen der Verbriefungstechnik und des separaten Handels von Kreditrisiken in Frage zu stellen. Vielmehr liegt es im Interesse aller Akteure, die erweiterten Möglichkeiten einer breiteren Allokation von Kreditrisiken durch ausgereiftere Mechanismen auch künftig nutzbar zu machen. Inzwischen findet eine intensive Diskussion in Zentralbanken, auf politischer Ebene und in internationalen Aufsichtsgremien (unter anderem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Ausschuss für das globale Finanzsystem, CEBS, BSC) über Ursachen, Einflussfaktoren und Dynamik der Verwerfungen statt mit dem Ziel, Schwachstellen zu identifizieren und zu beheben. Dabei ist es zunächst Aufgabe der von den Anspannungen betroffenen Marktteilnehmer, angemessene Konsequenzen aus den Erfahrungen zu ziehen. Zugleich sind aber auch die ver-

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antwortlichen öffentlichen Stellen gefordert, den aufgetretenen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Ziel ist es, das Finanzsystem zu stärken, damit es seine Funktion der Ablokation von Kapital und Risiken auch in kritischen Phasen erfüllen kann. Das Forum für Finanzstabilität (FSF) dient in dieser Hinsicht dem Informationsaustausch und der Koordination von Aktivitäten. Es wird den G7Finanzministern und Notenbankgouverneuren im Frühjahr 2008 einen in enger Zusammenarbeit mit oben genannten sowie weiteren Gremien erstellten Bericht über in der Krise aufgedeckte Schwachstellen sowie etwaigen Handlungsbedarf vorlegen" Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK (2007), S. 13

„Finanzmarktrisiken Ungeordnete Anpassung im internationalen Finanzsystem An den internationalen Finanzmärkten weiteten sich im Sommer dieses Jahres die Risikoprämien für viele Finanztitel erheblich aus und die Marktpreisschwankungen nahmen deutlich zu (siehe Schaubild 1.1.1). Als Auslöser für diesen „globalen Unsicherheitsschock" wirkte die schwelende Krise des Hypothekenmarkts in den USA. In dem Maße, wie sich die Aussichten auf Wertsteigerungen der als Sicherheit dienenden US-Wohnimmobilien eintrübten, schnellten die erwarteten Ausfallraten für Kredite an Privathaushalte mit schlechter Bonität empor. Verschärft wurde dies durch sehr lockere Vergabestandards und mangelhafte Kreditwürdigkeitsprüfungen, auch aufgrund der Beteiligung unregulierter Kreditvermittler. Im Juni reagierten große Ratingagenturen auf diese Entwicklung mit der Ankündigung, zahlreiche hypothekenbesicherte Wertpapiere auf Herabstufungsbedarf zu überprüfen. Gleichzeitig wurde bekannt, dass mehrere Hedge Fonds im Handel mit Risikohypotheken hohe Verluste erlitten hatten. Die daraufhin einsetzende allgemeine Neubewertung von Risiken griff im Juli und August schrittweise auf andere Marktsegmente über und führte auch an den europäischen Finanzmärkten zu krisenhaften Anspannungen. In einer ersten Phase stiegen vor allem die Kreditrisikoaufschläge für Forderungen, die direkte Bezüge zu den Hochrisikosegmenten des US-Hypothekenmarkts oder des Unternehmenssektors aufwiesen. Besonders betroffen waren strukturierte Verbriefungen, deren Emission und Handel weitgehend zum Erliegen kamen, sowie syndizierte Kredite an riskantere Schuldner (Leveraged Loans), deren Weiterplatzierung stockte. Die Turbulenzen an den Kreditmärkten weiteten sich im Zuge steigender Risikoaversion, eines Abbaus von gehebelten Positionen (Deleveraging) und einer Flucht in liquide, sichere Staatspapiere aus. Dies schlug sich unter anderem in größeren Kursschwankungen an den Devisenmärkten, den Aktienmärkten und in geringerem Maß bei Vermögenstiteln von Schwellenländern nieder." (Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK (2007), S. 17)

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Anspannungen an Interbankenmärkten

und

Zentralbankinterventionen

Die Inanspruchnahme von Liquiditätslinien durch Zweckgesellschaften führte zu einem hohen tatsächlichen beziehungsweise erwarteten Refinanzierungsbedarf der Banken am Interbankengeldmarkt. Die erstmals am 8. August stark angestiegene Nachfrage nach Liquidität im US-Geldmarkt griff sogleich auch auf die asiatischen und europäischen Märkte über. Die angespannte Marktlage verstärkte sich dadurch, dass die Mehrzahl der Marktteilnehmer zur Absicherung eigener Finanzierungsrisiken einen Liquiditätspuffer aufbaute. Zudem reduzierte die hohe Unsicherheit über direkte und indirekte Risikopositionen der Geschäftspartner die Bereitschaft, Geld unbesichert eine Woche oder länger zu verleihen. Dies führte zu einem nachhaltigen Austrocknen des Terminmarkts und einer Verlagerung der Refinanzierung in das Übernachtsegment. Die Geldmarktsätze, insbesondere für längere Laufzeiten stiegen daraufhin deutlich an. Um den Spannungen am Geldmarkt zu begegnen und den Tagesgeldsatz wieder in die Nähe des jeweiligen Leitzinses zu lenken, gaben einige Zentralbanken, so auch das Eurosystem, bereits zu Beginn der Anspannungen über OffenmarktOperationen zusätzliche Liquidität in den Markt. Zudem senkte die USNotenbank in einem ersten Schritt ihren Diskontsatz und erweiterte den Sicherheitenrahmen mit der Absicht, ein weiteres Liquiditätsangebot zu erzeugen und die Schwankungsbreite des Tagesgeldsatzes einzuengen." Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK (2007), S. 19

Transatlantische Bankenkrise • 191

Anhang 5: Drei-Säulen-Ansatz der modernen Bankenaufsicht

Basel II

I

II

III

Regeln zur Förderung der Mindestkapitalanforderungen

Aufsichtliches Uberprüfungsverfahren

Stärkung der Marktdisziplin durch erweiterte Offenlegungspflichten

Ziel der Bankenaufsicht sind die Begrenzung von Systemrisiken im Finanzsystem, wobei zusätzlich die Regulierung ein effizientes und wettbewerbsintensiven Bankensystem sicherstellen soll. 1974 — nach der Herstatt-Insolvenz — wurde bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich das Basle Committee on Banking Supervision gegründet (Zentralbankvertreter plus Vertreter der Bankenaufsicht, trifft mehrfach jährlich zusammen und berichtet an die Zentralbankgouverneure der G-10-Länder). Das Committee gibt Empfehlungen, etwa zur Schließung von Lücken der Bankenaufsicht und zur Verbesserung der Konsistenz — die Empfehlungen bzw. vorgeschlagenen Standards sind allerdings nicht bindend; in der Praxis allerdings weitgehend umgesetzt. In der EU wird bislang eine Minimumharmonisierung der Bankenaufsicht betrieben, Prinzip des home country based supervision für internationale Banken mit Auslandsfilialen; bei Tochtergesellschaften im Ausland erfolgt Aufsicht durch Gastland (auf konsolidierter Basis). Die EU-Harmonisierungsbemühungen erfolgen im Rahmen des sogenannten Lamfalussy-Prozesses, der 2001 vom Europäischen Rat verankert wurde; der Prozess sieht drei Ebenen vor (Level 1: Framework principles/definition of implementing powers; level 2: Implementation of Principles; level 3: Strengthening cooperation among regulators, level 4: Enforcement). Ad Level 2: Banking Supervision Committee (BSC: national central banks and supervisory authorities of all 27 Member States) under the umbrella of the ECB; European Banking Committee (EBC= responsible for Banking); European Securities Committee (ESC), European Insurance & Occupational Pension Committee (EIOPC), European Financial Conglomerates Committee (EFCC); ECB

192 • Paul J.J. Weifens

is observer in EBC, ESC and EFCC. Ad level 3: Supervisory convergence/ consistent implementation: Committee of European Banking Supervisors (CEBS) for banking, CESR for securities; CEIOPS for insurance and pensions; Interim Working Committee on Financial Conglomerates. Gemäß den Basel-II-Regeln gibt es in der EU drei Säulen zur Bankenaufsicht: Zunächst in der Säule 1 die Regeln zur Förderung der regulatorischen Mindestkapitalanforderungen, wobei Basel II gegenüber Basel I auf risikoadjustierte Eigenkapitalerfordernisse setzt. Die zweite Säule bezieht sich auf aufsichtrechtliche Überprüfungsverfahren, von denen naturgemäß Druck auf die Banken zur Einhaltung der Regeln ausgehen soll. Die Stärkung der Marktdisziplin durch erweiterte Offenlegungspflichten ist die dritte Säule und bislang jedoch nicht wirklich umfassend mit Substanz gefüllt. Banken haben eine verständliche Tendenz, sich in einzelnen Geschäfts feldern den Basel-II-Regeln zu entziehen versuchen — etwa durch außerbilanzielle Transaktionen. Die erweiterten Offenlegungspflichten sind jedenfalls bislang materiell nicht wirklich umsetzbar. Daher ist über Basel-II-Regeln nachzudenken, die die erkennbaren Defizite von Basel II aufarbeiten sollten. Da man in kritischen Feldern sinnvollerweise nicht Jahre wird warten wollen, bis ein umfassendes Basel-II-Regelbuch neu formuliert ist, sollte man die Basel II-Regeln punktuell zügig reformieren. Die Bank of International Settlements (BIS, 2008) merkt in ihrem Jahresbericht zu Recht an, dass zumindest einige Problempunkte durch den Übergang von Basel-I auf Basel-II beseitigt wurden — mit dem Hauptpunkt der außerbilanziellen Aktivitäten, die nun beim regulatorischen Eigenkapitalerfordernis mit berücksichtigt werden. Der institutionelle Aufbau zur Bankenaufsicht in der EU ist komplex und heterogen: Die Europäische Zentralbank/ESZB ist mit Beratungsfunktionen bei der Bankenaufsicht involviert; laut Maastrichter Vertrag können in einem vereinfachten Verfahren (ohne Vertragsänderung) Kompetenzen in Sachen Bankenaufsicht auf die EZB übertragen werden. Rolle der nationalen Zentralbank ist •

exklusiv für Bankenaufsicht zuständig: Italien, Portugal, Griechenland, Spanien, Litauen, Slowakei, Slowenien, Zypern, Frankreich, (Polen)



Zentralbank als Aufsichtsgremium für den Finanzmarkt insgesamt: Niederlande, Irland, Tschechische Republik



Zentralbank als Co-Aufsichtsgremium: Deutschland, Osterreich



Keine Rolle der Zentralbank bei Finanzmarktaufsicht: Belgien, Finnland, Luxemburg, Dänemark, Schweden, Malta, Estland, Lettland, Ungarn, (UK).

Transatlantische Bankenkrise • 193

Anhang 6: Ölpreisinflationserwartung, Ölpreis und Zinssatz Die in 2007/08 zu beobachtende parallele Entwicklung von US-Zinssenkung und Olpreissteigerung gehört zu den wichtigen Entwicklungen der Weltwirtschaft; denn während die US-Zinssenkung half die US-Kreditwirtschaft zu retten, unterminierte die Ölpreisexplosion das zyklische Wirtschaftswachstum in vielen Ländern der Weltwirtschaft. Ein theoretischer Erklärungsansatz wurde von WELFENS (2008c) formuliert und wird hier in knapper Zusammenfassung dargelegt. Ausgangspunkt ist zunächst das Anbieterverhalten im Markt für nichterneuerbare Ressourcen, die bei der Gewinnmaximierung letztlich vor einem intertemporalen Optimierungskalkül stehen, das fragt: Rendite bei einer Förderung jetzt vs. Rendite einer marginalen Öleinheit bei Verbleib in der Lagerstätte. Diese Überlegung — in einfachster Form in der Literatur als Hotelling-Regel bekannt — impliziert (mit i für Nominalzins, P" für Ölpreis und H für Stückkosten sowie P"E für erwarteten Ölpreis) die folgende Gleichgewichtsbedingung: (1)

i(P"-H) = dP"E/dt

Bei einer Förderung jetzt entsteht ein Cash Flow P"-H, der zum (US-)Marktzins i angelegt werden kann, während bei einer Nichtförderung der Öleinheit der Gewinn sich als dP" E /dt ergibt. Dividieren der Gleichung durch P" - mit JI"E für erwartet Ölinflationsrate und H=ß"R, wobei ß" ein positiver Parameter ist und R die periodische Ressourcenförderung bezeichnet — ergibt: (2)

i (1 - ß"R/P") = 7t"E

Zur Vereinfachung sei nun angenommen, dass ß"R/P nahe Null sei, so dass wir die Näherungslösung ln(l+x) ~x (für x nahe Null) im Fall der Logarithmierung der obigen Gleichung anwenden können (zudem Annahme: 7i"E>0): (3)

In (i/7t"E) ä ß"R/P"

(4)

P" = ß"R/ln (i/7t"E)

Es ergibt sich also für einen gegeben Zins und eine gegebene Ölinflationserwartung, dass die Angebotskurve im P"-R-Diagramm für den Ölmarkt ein Fahrstrahl mit positiver Steigung ist.

194 • Paul J.J. Weifens

Abbildung 12: Ölpreisbildung, Zinssatz und Ölinflationserwartung

Ein Sinken des Zinssatzes bedeutet ebenso wie ein Ansteigen der Ölinflationserwartung, dass sich die Angebotskurve R s nach oben dreht (Rsi statt Rso); bei kurzfristig gegebener preisinelastischer Olnachfrage wird sich also ein neues Gleichgewicht im Punkt Ei einstellen, so dass der Ölpreis von Po" auf Pi" steigt. Mittelfristig ist die Ölnachfrage natürlich preiselastisch (Kurve DDoi), so dass die mittelfristige Preissteigerung sich gemäß dem mittelfristigen Gleichgewichtspunkt E2 einstellt. Man kann weitere modellmäßige Überlegungen anstellen — es wird dann angenommen, dass die Änderung des Olpreises eine positive Funktion der Überschussnachfrage auf dem Ölmarkt ist —, die u.a. auf die Frage nach einer kritischen Höhe der Ölpreisinflationserwartung fuhren und man kann in der Tat zeigen (WELFENS, 2008c), dass es einen kritischen Wert der Ölpreisinflationserwartung gibt, der zu einem ewigen Ansteigen des Olpreises führt; unterhalb dieser kritischen Erwartung strebt hingegen der Ölpreis langfristig einem Steadystate-Wert zu. Indem die laxe US-Geldpolitik für überreichlich Liquidität in 2007/08 gesorgt hat, dürfte sie auch die Ölpreiserwartung zeitweise in kritische Größenordnungen gelenkt haben, denn Spekulanten auf den Finanzmärkten spekulieren gerade im Angesicht niedriger Zinssätze und tendenziell fallender

Transatlantische Bankenkrise • 195

Aktienkurse natürlich auch in Rohstoffmärkten. Die FED hat hier mit zur nächsten Preisblase beigetragen. Immobilienpreisbestimmung Es gibt in der Literatur verschiedene Ansätze, um aus bestimmten Arbitragebedingungen am Kapital- bzw. Immobilienmarkt der Preis eines Hauses herzuleiten. Im Ergebnis ergeben sich (INSEE, 2005, 38f) vor allem zwei Formeln für den Immobilienpreis PM: •

PM = M'/(i+R-g+8), wobei i der Zinssatz für risikolose Staatsanleihen, R die Risikoprämie, g die erwartete Wachstumsrate der Mieten und 8 die Abschreibungsrate ist. Wenn der Zinssatz sinkt, dann kann bei gegebener aktueller Jahresmiete M' der aktuelle Marktpreis sich eben erheblich erhöhen.



Alternativ kann man von den Opportunitätskosten C' eines Immobilienparks ausgehen und erhält dann folgende implizite Gleichung für den gleichgewichtigen Immobilienpreis: C' = PM Z(i+R-7tM+8), wobei für die langfristig erwartete Mietpreiserhöhungsrate steht und Z für den Immobilienbestand; im Gleichgewicht sind die Opportunitätskosten proportional zum Einkommen.

Auch hier ergibt sich, dass der Marktpreis einer Immobilie negativ vom Zinssatz abhängt. Der Immobilienwert wiederum beeinflusst makroökonomisch z.B. die Geldnachfrage oder die Konsumnachfrage.

196 • Paul J.J. Weifens

Anhang 7: Finanzwirtschaftliche Indikatoren Abbildung 13: Stock market and bond market development in the euro zone (M, Q, Y)

Abbildung 14: Stock market and bond market development in the US (M, Q, Y)

Quelle: IWF, EUROSTAT

Transatlantische Bankenkrise • 197

Abbildung 15: Bond market development in the US and the euro zone

(M- Q, V) bond market development in the US and the euro zone

(M, Q, Y) US long-term interest rate euro zone long-term interest rate

-20

-

Source: IMF, Eurostat.

Quelle: IWF, EUROSTAT

Abbildung 16: 3 Month Interest Rates in the US (in %) (M, Q, Y)

Quelle: IWF, EUROSTAT

198 • Paul J.J. Weifens

Abbildung 17: Global Currency Reserves in Billions US $ (Y/Q/M)

Source: IFS

Transatlantische Bankenkrise • 199

Tabelle 4:

Bruttowertschöpfung in % des BIP des Banken und Versicherungssektors

Land

1998

1999

Australien

6,21

6,42

Osterreich

6,58

5,99

Belgien

6,17

6,44

Kanada

7,45

7,08

Tschechische Republik

3,88

4,12

Dänemark

4,26

4,06

Finnland

3,03

3,23

Frankreich

3,89

3,94

Deutschland

4,72

4,92

Griechenland

3,30

3,18

Ungarn

2,31

Italien

5,28

Japan

5,01

Korea

5,60

5,61

19,10

17,74

Luxemburg

-

4,94 -

Mexiko

1,68

Niederlande

5,04

5,01

Norwegen

3,31

3,20

Polen

4,34

4,03

Portugal

5,46

6,34

Slowakei

3,48

2,94

Spanien

4,37

Schweden

4,36

4,22

10,28

-

Türkei

0,01

0,00

Großbritannien

5,61

5,31

USA

7,72

7,78

Schweiz

Quelle: OECD, World Development Indicators

-

-

200 • Paul J.J. Weifens

Tabelle 5: Bedeutung des Finanzsektors gemessen an der Bruttowertschöpfung und der Anzahl der Arbeitnehmer in Ländern der Europäischen Union Anteile an der Gesamtwirtschaft (vH) Nominale Bruttowertschöpfung darunter Land/ Ländergruppe Kredit und Versicherungsgewerbe Kreditgewerbe 2000 bis 2005'

Arbeitnehmer Kredit und Versicherungsgewerbe 2000 bis 20071

Belgien

5,9

3,8

3,9

Deutschland

4,6

3,2

3,7

Finnland

3,1

1,8

2,3

Frankreich

4,9

3,1

3,3

Griechenland

5,3

4,3

3,7 4,9

Irland Italien

4,7

3,4

3,5

Luxemburg

23,1

15,9

11,4

Niederlande

6,8

4,0

3,7

Österreich

5,3

3,6

4,0

Portugal

6,5

5,3

2,3

Slowenien

2,8

Spanien

4,7

Euro-Raum

5,2

Dänemark

5,1

3,8

3,4

3,6

Schweden Vereinigtes Königreich

2,7

3,4 2,2

6,4

4,7

EU-16 Angaben in jeweiligen Preisen; (1) Arithmetisches Mittel aus Jahresdaten Quelle: SVR (2008), Tabelle 7, S.84

4,8 3,6

Transatlantische Bankenkrise • 201

Tabelle 6:

Marktanteil ausländischer Banken in der EU im Jahr 2006

Marktanteil (1) ausländischer Banken (2) in der Europäischen Union im Jahr 2006 (3)

Alle Banken der Länder = 100 vH Land/Ländergruppe

2006

Land/Ländergruppe

2006

Belgien

24,9

Letdand

64,8

Deutschland

11,1

Litauen

76,7

Finnland

56,5

Malta

37,3

Frankreich

11,0

Polen

65,4

Griechenland

37,4

Slowakei

92,3

Irland

43,2

Slowenien

28,9

Italien

13,9

Tschechische Republik

96,9

Luxemburg

94,6

Niederlande

14,8

Ungarn

56,3

Österreich

19,5

Schweden

8,9

Portugal

22,3

Vereinigtes Königreich

50.3

Spanien

11,4

Zypern

30,3

Euro-Raum

17,9

Europäische Union (EU-25)

27.1

Dänemark

20,1

Bulgarien

77,2

Esdand

98,5

Rumänien

85,8

1) Gemessen an der Bilanzsumme der ausländischen Banken in vH der gesamten Bilanzsumme des jeweiligen Landes.- 2) Banken im Mehrheitsbesitz ausländischer Banken sowie Zweigstellen ausländischer Banken.- 3) Stand Jahresende; zu den weiteren Einzelheiten siehe EZB (2007b). Quelle: SVR (2008), Tabelle 8, S.87

202 • Paul J.J. Weifens

Tabelle 7:

Die größten Banken weltweit Bank

Marktkapitalisierung 2008 (1)

Rang

Mrd US-Dollar

2008

2007

ICBC (Peking)

277,5

1

4

Bank of America (Charlotte, North Carolina)

195,9

2

2

2

HSBC Holdings (London)

176,8

3

3

3

China Construction (Peking)

165,2

4

7

Bank of China (Peking)

165,1

5

6

JPMorgan Chase (New York)

159,6

6

5

9

Citigroup (New York)

140,7

7

1

1

Wells Fargo (San Francisco)

112,4

8

11

4

Banco Santander (Santander)

109,9

9

12

23

Mitsubishi UFJ Financial (Tokyo)

105,4

10

9

22

ABN AMRO (Amsterdam)

103,6

11

34

29

UniCredit (Rom)

97,6

12

15

32

Intesa SanPaolo (Turin)

89,5

13

16

46

BNP Paribas (Paris)

88,5

14

14

15

Goldman Sachs (New York)

87,6

15

18

18

UBS (Zürich und Basel)

84,9

16

8

7

BBVA (Bilbao)

78,3

17

19

25

Sberbank (Moskau)

77,7

18

31

109

Royal Bank of Scodand (Edinburgh)

76,0

19

10

6

Wachovia (Charlotte, North Carolina)

75,4

20

13

8

Deutsche Bank A G

59,8

X

X

X

Commerzbank A G

22,9

X

X

X

2003

Nachrichtlich für Deutschland (2)

(1) Jeweils zum 31. Januar.- (2) Stand: 31.März und 30.April 2008. Umgerechnet mit dem entsprechenden Euro-Wechselkurs zum US-Dollar Quelle: SVR (2008), Tabelle 11, S.87

Transatlantische Bankenkrise • 203

Tabelle 8: Strukturdaten des Bankensektors in den Ländern der Europäischen Union im Jahr 2006 Einwohner je Land/Ländergruppe

Kreditinstitute

Kreditinstitut

Bankbeschäftigten

Zweigstelle

Anzahl

Bilanzsumme je Bankbeschäftigten 1000 Euro

Euro-Raum

6130

51407

143

1744

11338

Belgien

105

100457

155

2306

16509

Deutschland

2050

40179

119

2045

10286

Finnland

361

14588

220

3296

10651

Frankreich

829

76231

145

1579

13156

Griechenland

62

179290

179

3005

5068

Irland

78

54529

109

4549

30296

Italien

807

72633

172

1813

8218

Luxemburg

154

3001

19

1975

33919

Niederlande

345

47365

140

4728

16078

Österreich

809

10237

109

1945

10348

Portugal

178

59622

182

1889

6822

Spanien

352

125194

168

1009

9605

EU-25

8441

54996

152

2183

12069

Dänemark

191

28466

117

2536

17726

Schweden

204

44515

193

4531

16438

Vereinigtes Königreich

401

150955

134

4700

21304

darunter:

Stand: Jahresende; zu den weiteren Einzelheiten siehe EZB (2007b); Alle berichteten Kreditinstitute, die unter die MFI-Definition der EZB fallen. Quelle: SVR (2008), Tabelle 12, S.95

204 • Paul J.J. Weifens

Tabelle 9:

Banken in Ländern der Europäischen Union (EU-15) Durchschnittlich jährliche Veränderung

Anzahl

Land/Ländergruppe 1997

2006 (1)

vH

Belgien

131

105

-2,4

Deutschland

3420

2050

-5,5

Finnland

348

361

0,4

Frankreich

1258

829

-4,5

Griechenland

55

62

1,3

Irland

71

78

1,1

Italien

909

807

-1,3

Luxemburg

215

154

-3,6

Niederlande

648

345

-6,8

Österreich

928

809

-1,5

Portugal

238

178

-3,2

Spanien

416

352

-1,8

Euro-Raum

8637

6130

-3,7

Dänemark

213

191

-1,2

Schweden

237

204

-1,7

Vereinigtes Königreich

537

401

-3,2

22392

17706 a)

-2,6

Nachrichtlich Vereinigte Staaten (2)

Alle berechtigten Kreditinstitute, die unter die MFI-Definition der EZB fallen. (1) Stand: Jahresende; zu den weiteren Einzelheiten siehe EZB (2007b). (2) Quelle: OECD, a) Jahr 2005. Quelle: SVR (2008), Tabelle 13, S.96

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