Theologische Wissenschaft und pfarramtliche Praxis: Der heutige Stand alttestamentlichen Wissenschaft 9783111574011, 9783111201955

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Theologische Wissenschaft und pfarramtliche Praxis: Der heutige Stand alttestamentlichen Wissenschaft
 9783111574011, 9783111201955

Table of contents :
Vorbericht
Thesen und einleitender Vortrag
Vorbemerkung
Hochgeehrte Herrn!
Der heutige Stand der Alttestamentlichen Wissenschaft
Hochgeehrte Herren!

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Theologische Wissenschaft und

pfarrarnttiche H*raris von Director D. G. Diegel zu Friedberg.

Der Heutige Stand der

alttrstamentlichen Wissenschaft von Professor D. W. Graf von Baudissin zu Marburg.

Vorträge gehalten auf der Theologischen Lonferenz zu Gießen am 12. Juni 1884.

Gieße«, 3. Ricker'sche Buchhandlung.

1884.

Borbericht. Am 12. Juni d. I. ist zu Gießen eine Theologische Conferenz für die Provinz Hessen-Nassau, daS Großherzogthum Hessen und den Kreis Wetzlar begründet worden,

nachdem der Wunsch

Jahren

mehrfach laut

nach einer solchen in den letzten geworden

war.

Die Conferenz,

welche keiner der bereits bestehenden Vereinigungen und Conferenzen hindernd in den Weg treten will, soll vor

allem den wissenschaftlichen Bestrebungen der Pfarrer und theologischen Lehrer dienen, auf Grund von Vorträgen

über wichtige Probleme einen fruchtbaren Gedankenaus­

tausch schaffen und durch Referate über den Stand der

Forschung

in

den

einzelnen

Wiffenschaft orientiren.

Zweigen der

theologischen

Die Einladung zu der Conferenz,

welche ein provisorisches Comite erlassen hatte, fand er­

freulicher Weise die günstigste Aufnahme.

Zahlreich waren

die Pfarrer beider Hessen, Naffau'S, Franffurt's und des

Kreises Wetzlar, sowie die Professoren der Theologie zu

Marburg und Gießen, zu Friedberg und Herborn er­ schienen.

Die Präsenzliste ergab mehr als 160 Theil-

nehmer.

Als besonder« dankenSwerth muß es bezeichnet

werden, daß auch die Mitglieder der Consistorien in großer

Zahl anwesend waren.

Die Verhandlungen begannen nach

IV einem gemeinsamen Gebet mit der Feststellung einer GeschiiftSordnung.

Allerseits war man darüber einig, daß

die Aufstellung

detaillirter Statuten

noch Wünschenswerth sei.

weder nothwendig

Die Versammlung genehmigte

nach kurzer Debatte folgende Vorschläge und constituirte

sich auf Grund derselben : 1) Jährlich wird eine theologische Conferenz für die

Provinz Hessen-Nassau, das Großherzogthum Hessen und den Kreis Wetzlar

zu

abgehalten,

welcher

sämmtliche

Pfarrer, Professoren der Theologie und Religionslehrer dieser Gebiete aufgefordert werden,

2) Die Conferenz wird vorbereitet, angekündigt und

geleitet von einem geschäftsführenden Ausschuß von 9 Mit­ gliedern (5 aus der Provinz Hessen-Nassau, 3 aus dem

Großherzogthum Hessen, 1 aus dem Kreis Wetzlar); die Theilung

der Geschäfte

bleibt

diesem

überlassen,

auch

hat derselbe das Recht, einen engeren Ausschuß aus seiner

Mitte zu bilden,

3) Die Kosten

der Vorbereitung

werden jedesmal

durch eine Sammlung gedeckt, über welche der geschäfts­ führende Ausschuß in dem je folgenden Jahre der Con­

ferenz Rechnung ablegt, 4) Der Ort der nächsten Conferenz wird jedesmal von der Versammlung bestimmt, die Zeit von dem geschästssührenden Ausschuß,

5) Der

geschäftsführende Ausschuß

wird

von

der

Versammlung auf die Zeit von drei Jahren gewählt und

hat innerhalb dieser Zeit das Recht, sich zu coopttren, falls ein Mitglied ausscheidet.

Außer dieser Geschäftsordnung wurde auf der ersten

Conferenz

weiter

beschlossen,

der

Vorstand solle

dafür

Serge tragen, daß jedesmal ein Referat über den gegen­

Stand

wärtigen

einer

theologischen

Disciplin erstattet

Als Ort der nächstjährigen Versammlung wurde

werde.

Gießen ausersehen;

sämmtliche unterzeichnete Mitglieder

des provisorischen Comites wurden in den Vorstand ge­ wählt und mit der Wahl der noch fehlenden drei Mit­

glieder betraut. Director

D.

Nach Erledigung dieser Punkte hielt Herr

Diegel

den

einleitenden

Vortrag

über

„Theologische Wissenschaft und pfarramtliche Praxis", an den sich eine lebhafte, aber von dem Geiste des Vortrags bestimmte Debatte knüpfte.

Nach kurzer Pause erstattete

Herr Professor D. Graf von Baudissin das freund­

lichst übernommene Referat über „den heutigen Stand der

alttestamentlichen Wissenschaft".

Jener Vortrag und dieses

Referat erscheinen nachstehend auf Wunsch der Versamm­ lung, dem die Herrn Redner bereitwillig entsprochen haben,

im Druck.

Ter unterzeichnete Vorstand hofft, daß die­

selben unter unseren heimischen Pfarrern der Conferenz neue Freunde gewinnen und den schon gewonnenen eine Erinnerung an den schönen Tag zu Gießen sein werden.

Zugleich aber möchte er durch diese Gabe Borurtheile zer­

streuen, die

jedem neuen Unternehmen,

die Kräfte der

evangelischen Kirche zu vereinigen, entgegenstehen.

Die

Theologische Conferenz will nicht einer bestimmten Rich­ tung

und Partei in der Kirche oder in der Theologie

dienen, sondern einen brüderlichen Gedankenaustausch er­

möglichen.

Die Gegensätze

innerhalb

der evangelischen

Kirche und ihrer Theologie lassen sich weder todtschweigen

VI noch

kurzer Hand

wegschaffen.

Aber wo immer Ernst

gemacht wird mit dem Grundsatz, daß das Evangelium nach dem reinen Verstand das Fundament aller Theologie

sein müsse, da fordert die Pflicht, einander anzuhören und das apostolische „dty&evecv lv dyday“ zu üben. In

der evangelischen Kirche bestehen keine conservativen und keine liberalen

„Ideen"

zu Recht,

sondern

allein

das

Evangelium, welches die conservativste Macht auf Erden

ist und zugleich jenen allein werthvollen Liberalismus zu

schaffen

vermag,

nämlich

die

Weitherzigkeit

Grundes gewissen Liebe (I Cor. 9, 19 ff.).

der

ihres

Möge unsere

theologische Conferenz unter Gottes Segen den Beweis

liefern, daß in unseren Landen die heiligen Güter, die

als gemeinsame geschenkt sind, auch als gemeinsame noch festgehalten werden, und möge sie selbst ein Band des Friedens

werden,

welches die Einigkeit

im Geiste

stärkt und erhält!

Im October 1884.

Dr. Diegel.

Dr. Ehlers.

Dr. Harnack.

Dr. Hemriri. Oberpfarrer Koebenacke. Dr. Sachsse.

Thesen und einleitender Vortrag über

theologische Wissenschaft und

pfarramtliche Praxis von

Director Dr. theol. Diegel zu Friedberg.

Vorbemerkung. Man hat freundlich aufgefordert, daß nachfolgend« „Einleitung zu einer DiScussion" gedruckt werde.

So sehr

mich natürlich diese Aufforderung einerseits gefreut hat, so lebhaft fühle ich doch

andererseits die Schwierigkeit,

etwas einigermaßen Befriedigendes herzustellen. Nicht blos

in der Weite des Themas, dessen Erledigung sehr wohl ein umfangreiches Buch in Anspruch nehmen könnte, liegt

diese Schwierigkeit, sondern namentlich auch darin, daß meine Arbeit absichtlich und in immer steigendem Maße Lücken ließ, welche die DiScussion ausfüllen sollte.

gedruckte Abhandlung

soll

ein irgendwie

Eine

befriedigendes

Ganze bieten; hier aber war Alles so eingerichtet, daß die

Hörer zum Ergänzen gereizt wurden. Als ich dem Drucke zustimmte, war meine Absicht, das Gesprochene mit einer sogleich zu nennenden Ausnahme

unverändert wiederzugeben, weil diese Schrift im Namen

unserer Conferenz und als eine Art Programm derselben

erscheint, und weil ich kein Recht habe, die meinem Vor­ trage im Ganzen gewordene Zustimmung auf Aenderungen

und Zusätze zu übertragen.

Die zur Ausfüllung der für

die DiScussion gelassenen Lücken unbedingt nöthigen Zusätze

1*

4 wollte ich, um sie als solche zu bezeichnen, in Klammern schließen, dagegen im Bortrage selbst Alles hinweglassen, waS auf die nachfolgende DiScussion hinwies.

Dieser Plan erwies sich als nicht durchführbar.

Die

Zusätze, welche der gebotenen Raumersparniß wegen ganz

knapp gehalten werden müssen, paßten nicht zur übrigen Darstellung und führten trotz ihrer Kürze zu Wieder­

holungen.

Der Vortrag selbst verläßt nämlich nach Er­

örterung der ersten These den Wortlaut der nachfolgenden

Thesen, um in allgemeiner Weise auf dieselben vorzube­

reiten, während ich die unmittelbare Erklärung ihres Wort­ lautes der jemaligen DiScussion vorausschicken wollte. Ein­ fügungen

dieser

genaueren

Thesenerklärungen

brachten

demnach in anderer Fassung und Reihenfolge Gedanken des Vortrages

wieder.

Alle Weglasiungen in letzterem

aber ließen ihn noch mehr als unverständlichen Rumpf

erscheinen. Deshalb weiß ich keinen besseren Rath, als den Vor­ trag ganz

unverändert

zu

geben

und

möglichst kurzen Anmerkungen beizufügen. halten

zumeist

dasjenige,

was

ich

alle Zusätze in Dieselben ent­

der DiScussion

der

einzelnen Thesen vorausschicken wollte. Einige Ergänzungen

auS der wirklichen DiScussion einzuflechten, unterlasse ich zumeist, weil mein schlechtes Gedächtniß dieß nicht treu

und gleichmäßig genug vermag.

Dazu kommt die Rück­

sicht auf den Raum und auf die einheitliche Anschauung.

Daß ich insbesondere da, wo eine humoristische Ein­ kleidung der Gedanken vorliegt,

nicht zu ändern suchte,

obwohl sich dergleichen weniger gut liest als anhvrt, wird

man schon allein deshalb leicht begreifen und billigen, weil

5 jene Einkleidung gerade als Hülle für ernste und bittere Wahrheiten gewählt wurde.

Nur einen einzigen mir für

den Druck allzuderben Ausdruck habe ich geändert, obwohl

ich ihn zur Bezeichnung der Sache auch jetzt noch keines­

wegs für zu stark halte. Diese ganz zum Sprechen für den Augenblick berech­

neten, absichtlich unvollständigen und an sehr verschieden­ artigen Thüren anllopfenden Andeutungen in den Druck zu geben, ist ein großes Wagniß, dem ich nur zugestimmt

habe in dem Vertrauen,

daß sie wohlwollend auch als

blose Andeutungen ausgenommen werden, und in der Hoff­ nung, daß sie als solche auch bei dem Lesen einige heilsame

Anregung bewirken.

Hochgeehrte Herrn! Mein Thema ist ein sehr weite-.

Ich muß dasselbe

wenigstens etwas enger zu begrenzen suchen.

Dies soll

namentlich dadurch geschehen, daß ich auf die bestimmten Ziele meine- Vorträge- Hinweise.

E- gilt mir nicht um

eine wissenschaftliche Erörterung;

eine

zweite

heutige Vortrag

bringen.

solche

wird

der

Als meine Aufgabe

betrachte ich, Anlaß und Anregung zu gegenseitigem AuSsprechen und Kennen-Lernen zu geben.

Ich möchte deshalb

wie ein Franzose des vorigen Jahrhunderts zu Ihnen

reden.

Man hat nämlich gesagt: Die alte französische

Höflichkeit bestand nicht darin, immer selbst zu sprechen, sondern Andere zum Sprechen zu bringen.

Man wird

zugeben, daß in diesem Stücke keineswegs alle deutschen

Theologen alte Franzosen sind. Meine Thesenstellung hat also einen ganz bestimmten praktischen Zweck.

Daß mir die Ehre zu Theil ge­

worden ist, bei dem ersten Versuche unserer Conferenz die

Discussion einzuleiten, legte mir besondere Rücksichten auf.

Wir wußten nicht, welche Männer und wie viele kommen würden; wir suchen Fühlung miteinander; die ersten Ver­

anstalter möchten ihre Gäste für das Wiederkommen ge­ winnen.

Da gilt es gemeinsame Grundlagen, gleichsam

7 gewisse Umzäunungen herzustellen, innerhalb deren man

sich bewegen kann. gesteckt werden.

Diese Umzäunungen müssen sehr weit

Später werden engere Themata die besseren

Ich habe mein Thema rein formal zu behandeln

sein.

Später wird man lieber genau in die Stoffe

gesucht.

selbst eingehen.

Aber die Gabe uneinig zu werden pflegt

sowohl bei mehr wiffenschaftlichen als bei mehr praktischen Theologen eine sehr entwickelte zu sein. wir

feste

gemeinsame Wurzeln

haben,

Später, wenn wird

lebhaftes

Streiten in feinen Formen der Gesundheit förderlich sein, aber vorerst müssen wir diese festen gemeinsamen Wurzeln zu gewinnen suchen.

Deshalb also ein sehr weites Thema in

rein formaler Behandlung.

Gerade dieses Thema

lag sehr nahe zur Einleitung einer Zusammenkunft, bei welcher Männer, welche mehr der theologischen Wissen­ schaft und solche, welche mehr der theologischen Praxis

angehören, mit einander verkehren sollen.

Denn daß es

sich hier nicht um ein Entweder-Oder, sondern nur um

ein Mehr oder Minder handelt, darf ich als allgemein zugestanden voraussetzen.

In weitester Fassung war mir

von Herrn Professor Dr. Harnack unter Zustimmung

der

übrigen Herrn Begründer unserer Conferenz mein

Thema gegeben worden.

Eine engere Begrenzung wurde

mir erlaubt.

Inwieweit eine solche hier vorliegt, werde zuerst dar­ gethan.

absichtige

Dabei und überhaupt in dieser Einleitung be­

ich

gelegentlich

auch

engeren Thematen zu geben.

Stellung

Anregung zu

künftigen

Wir reden nicht von der

der Theologie zu den übrigen Wissenschaften,

8 auch nicht von deren Stellung zu der kirchlichen Praxis

überhaupt.



dieser

wirken auch viele Laien.

Man

könnte nun zwar meinen, mit Laien habe die theologische Wissenschaft wenig zu thun, aber sie muß sich doch sicher

mit dem zum Thelle von Laien geführten Kirchenregimente beschäftigen und dieses auch mit ihr, fteilich nicht allzu­

sehr ; wir aber reden nur von ihrer Stellung zur pfarr­

amtlichen Praxis, und zwar während der Ausübung dieser letzteren, nicht während der Vorbildung zu derselben. Natürlich wird die theologische Wissenschaft vorzugs­

weise durch die Universitätsprofessoren und die pfarramt­

liche Praxis vorzugsweise durch die im Pfarramte Stehenden vertreten.

Es werden sich daher manchmal unwillkürlich

statt meiner Ueberschriften die Bezeichnungen Professor und

Pfarrer einstellen.

Das schadet um so weniger, da diese

Bezeichnungen kürzer sind als die an die Spitze gestellten.

Für richtiger aber muß ich letztere halten, denn auch der

Pfarrer soll theologische Wissenschaft haben, und auch der Professor kann pfarramtliche Praxis oder etwas davon üben

und er soll Verständniß für dieselbe besitzen.

Mcht um

die richtige Stellung zweier geschiedenen Heerlager zu ein­

ander also handelt es sich, sondern gleichzeitig ganz in denselben Personen nehmen theologische Wissenschaft und

pfarramtliche Praxis keineswegs immer die rechte Stellung zu einander ein, und diese rechte Stellung wird oft nur

mit großer Anstrengung gefunden. Bei den Studirenden der Theologie darf Neigung

sowohl zur theologischen Wissenschaft als zur pfarramtlichen Praxis vorausgesetzt werden.

Die Begeisterung für die

9 theologische Wissenschaft liegt denselben am nächsten, aber

diese Begeisterung soll doch nicht die Liebe und Tüchtigkeit zur pfarramtlichen Praxis tödten, sondern aus sich hervorwachsen lassen, wie eine gesunde Blüte eine kräftige Frucht.

Die Ausbildung zur theologischen Praxis habe ich aber, wie schon gesagt, heute bei dieser nicht eigentlich im Auge, sondern Leute, welche in deren Ausübung begriffen sind. Hier liegt es auch nahe, von der gerade in Bezug

auf mein Thema eigenthümlichen Stellung der Seminar­

professoren und Kandidaten zu reden, denen ja vornehmlich obliegt, die Wege von der theologischen Wissenschaft zur

Praxis hinüber aufzusuchen und zu wandeln.

Ein engeres

Thema dieser Art wäre ja auch wohl zu seiner Zeit ein­ mal neben andern am Platze.

Aber heute bei der Eröff­

nung scheint eS mir sowohl der Höflichkeit als dem Zwecke

gemäß,

uns zur Beherzigung meines Themas

ohnehin

schon besonders verpflichtete Seminarprofessoren und Kan­

didaten ganz

zurücktreten zu

lassen.

Unter Umständen

könnte ich auch einmal so etwas zu hören bekommen, wie die Naturgeschichte, aus der ich als Knabe lernte, das arme Schnabelthier bezeichnete, nämlich : Unseliges Mittel­

ding zwischen Bogel und Säugethier.

Nur dadurch will

ich etwa einmal von meiner amtlichen Stellung Gebrauch

machen, daß ich bei dem Reden von Gebrechen der Pro­ fessoren sage : wir Professoren, bei dem Reden von Ge­

brechen der Pfarrer dagegen : wir Pfarrer.

Ich glaube,

daß mir der letztere Ausdruck besser zu Gesicht steht.

Eigenthümlich ist

endlich

auch

Religionslehrer zu unserem Thema.

die

Stellung

der

Dieselben sind auch

Leute der Praxis, nicht aber der eigentlich pfarramtlichen.

10 Wir werden uns daher dieselben heute zumeist auf Seiten

der theologischen Wissenschaft zn denken haben.

Aber die

Neigung und Heranziehung zu pfarramtlicher Praxis pflegt

ihnen und ihrem Amte recht heilsam zu sein.

Die Zeit

dagegen, in welcher durch Glaubensschwäche hervorgerufne

Flucht vor dem Pfarramte zum Religions-Lehrer tüchtig zn machen schien, sollte weit hinter uns liegen. Indem ich nunmehr meiner Thesenstellung näher trete,

weise ich darauf hin, daß dieselbe nach der sehr einfachen

Ordnung : Nothwendigkeit, Schwierigkeit, Mög­

Mein Wunsch wäre, daß sich die

lichkeit — verläuft.

Besprechung an die einzelnen Thesen etwa in der Form

einer umgekehrten Pyramide anschließen möchte, d. h. daß man über die ersten Thesen rasch hinwegginge, um den letzten um so mehr Aufmerksamkeit zuwenden zu können.

Das würde meinem gleich anfangs angedeuteten praktischen Zwecke entsprechen.

Unserer deutschen Art entspricht eS

freilich mehr, uns mit principiellen Zurechtstellungen zu beschäftigen, wozu gleich die erste These reichlich Gelegen­ heit gibt.

Inwieweit man dieselbe benützen will, geziemt

nicht mir zu bestimmen.

Um nicht meineStheilS in den Fehler Hineinzugerathen,

daß ich dasjenige, was jetzt meine allgemeine Einleitung bildet,

nachher vor den

einzelnen Thesen noch

einmal

wiederhole, will ich nur über die ersten derselben zusammen­ hängend etwas vollständiger reden, aber dann auch nachher

nur noch ganz weniges bemerken.

Bei ihrer Besprechung

darf ja diese Einleitung als noch frisch in der Erinnerung vorausgesetzt werden.

Die letzten Thesen dagegen streife

ich jetzt nur flüchtig, um später einer jeden derselben daS

11 Nöthigste vorauszuschicken.

Ebenso hat mir zweckdienlich

geschienen, auch jetzt bei meiner ersten größeren Einleitung dasjenige,

was ich zur Besprechung besonders geeignet

halte, nur kurz zu berühren, dasjenige aber etwas weiter auszuführen,

wovon ich spätere Erörterung nickt mehr

erwarte oder wünsche. These 1

lautet:

Theologische Wissenschaft

und pfarramtliche Praxis gehören in der ev. Kirche nothwendig zueinander, aber jede muß ihre eigenthümlichen Rechte behaupten.

Die Worte: in der ev. Kirche stehen mit be­ sonderem Nachdrucke da.

Sekten haben zum öftern theo­

logisch ungebildete Redner, und in der katholischen Kirche nimmt die Wissenschaft eine andere Stellung ein als in der evangelischen.

Wie die Reformation im Zusammen­

hänge mit einem wissenschaftlichen Aufschwünge entstand,

so wird unsere Kirche ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn

sie sich auf gleicher Höhe mit unserer gesammten CulturEntwicklung erhält.

In manchen Stücken, insbesondere

bezüglich der religiös-sittlichen Ziele und Wege, muß sie dieser Cultur-Entwicklung sogar immer voraus bleiben.

Dazu bedarf sie durchaus der theologischen Wissenschaft. Indem wir die Seligkeit allein auf die Gnade Gottes in

Christo gründen, bleibt im Uebrigen Freiheit und Raum für alle Wahrheit. Zur echt evangelischen Frömmigkeit gehört auch das Streben nach klarer Erkenntniß, also nach Wissenschaft.

Der ev. Geistliche insbesondere

muß mit klarer Erkenntniß der Principien, Wege und Ziele

seines Amtes wirken, also auf Grund theologischer Wissen­ schaft.

Letztere hat die Heranbildung von Pfarrern zu

12 einem Hauptzwecke in der praktischen Theologie unmittelbar, in ihren übrigen Fächern mittelbar.

Theologische Wissen­

schaft und pfarramtliche Praxis liefern einander vielfach

Inhalt und Form; die theologische Mssenschaft verhilft

der pfarramtlichen Praxis zum Selbstbewußtsein, zum Be­ griffe; letztere muß erstere immer wieder mit bestimmten

Anschauungen und Vorstellungen erfüllen.

Beide dienen

dem Reiche Gottes; sie haben Einen Herrn, Einen Geist,

Ein Ziel, Ein Arbeitsfeld, gemeinsame Aufgaben, Gefahren

und Kämpfe; sie sollen niemals gegeneinander sein, auch

nicht ohneeinander, aber zuweilen nebeneinander. Ueber das eben zur Sprache Gebrachte habe ich nur

flüchtige Andeutungen gegeben, weil gewiß die nachfolgende

DiScussion

diese

ebenso

schwierige als wichttge Grund­

stellung der theologischen Wissenschaft und pfarramtlichen

Praxis zu einander gern näher beleuchtet.

sehr

verschiedenarttge

und

Hier sind ja

feinunterschiedene Fassungen

Ueber die Stellung der prakttschen Theologie zu

möglich.

den übrigen Hauptfächern derselben ließe sich allein lange reden.

Ist die praktische Theologie nach dem bekannten

Ausspruche Schleiermacher'S deren Krone, oder, wie ungefähr Andere meinen, deren nicht ganz ebenbürtige

Ist die Theologie in dem Sinne Schleier-

Schwester?

macher'S

überhaupt eine positive, d. i. eine praktische

Wissenschaft?

Schwerlich werden alle Professoren ihrem

Collegen Fr. Delitzsch in dem zustimmen, was er vor

nicht langer Zeit geschrieben hat (vgl. Halte was du hast, Jahrg. 7, Heft 5, S. 217) :

„Ich

bin

so

fest

durch­

drungen von dem praktischen Endzwecke aller wissenschaft­ lichen Arbeiten, daß ich eine gute Predigt und Katechese

13 für den Gipfel aller theologischen Leistungen halte; denn jene, so weit sie gelehrter Art sind, sind doch nur Vor­

arbeiten,

die

eines

VereinfachungS -

nnd

BerklärungS-

prozesses bedürfen, um der Gemeinde Jesu Christi zu gute

zu kommen." Groß würde die Gefahr werden in der ersten These

völlig stecken zu bleiben, wenn wir uns auf genaue Defi­

nitionen über Wissenschaft und Praxis einlassen wollten. Auf Untersuchungen z. B. über Wesen und Werth exacter Wissenschaft einerseits, spekulativer andrerseits.

Neuer­

dings hat man (der Titel der Schrift ist mir nicht genau

erinnerlich) Vorschläge über die Erhebung der GeschichtSkunde

zur

Wissenschaft

Universitätsprofessoren

gelesen,

während

der Geschichte auch

Männer der Wissenschaft zu sein dachten.

doch

unsere

bisher

schon

Für unseren

Zweck wird das Beste sein, nur einmal kurz an daS Ein­

fachste,

Sicherste,

allgemein Zugestandene zu erinnern.

Die Wissenschaft will erkennen, die Praxis will wirken;

Wissenschaft ist eine auf gründlicher Kenntniß eines Faches beruhende principielle, systematische Erkenntniß desselben; Praxis vollzieht einzelne Handlungen, um bestimmte Zwecke

im thätigen Leben zu erreichen.

Recht mannigfaltige und

auch wohl spitzige Bemerkungen würden kaum ausbleiben,

wenn wir von der verschiedenen Stellung der theologischen

Wissenschaft und der pfarramtlichen Praxis zur Frömmig­

keit reden wollten.

Würden mir Alle zustimmen, wenn

ich für beide die Frömmigkeit

ebensowohl als die beste

Grundlage wie als das beste Ergebniß bezeichnete?

Wie

erklärt sich, daß dagegen sowohl die theologische Wissenschaft als die pfarramtliche Praxis die wahre Frömmigkeit schä-

14 feigen, ja vernichten können? Wie beseitigt man diese Gefahr? Macht man nicht auf beiden Seiten die Er­ fahrung, daß der Geist entflieht, während man sich zu viel mit der Form beschäftigt, sei's mit allzu scharfen, sei's mit stumpfen Messern? Pocht nicht die theologische Wissen­ schaft manchmal zu sehr darauf, daß sie der Frömmigkeit nicht bedürfe, und meint nicht die pfarramtliche Praxis manchmal zu sehr, die Frömmigkeit sicher in Besitz und Verwaltung zu haben? Hätte man nicht zuwellen Anlaß, beide an den Spruch zu erinnern (2 Mos. 3, 5): „Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, da du auf stehest, ist ein heiliges Land." Doch diese mir persönlich sehr wichttge Frage nach der Stellung zur Frömmigkeit schien eine zu zarte, um sie an einem Tage erster Bekanntschaften zu verhandeln. Vielleicht empfiehlt sie sich zu einem künfttgen Thema.

Wenn ich die Absicht hätte, nicht friedliches AuSsprechen zu veranlassen, sondern scharfes Aufeinanderplatzen der Geister, dann könnte ich meine erste These etwa so fassen: Die theologische Wissenschaft hat die pfarramtliche Praxis zum einzigen Zwecke; letztere hat erstere zu ehren, wie eine unmündige Tochter ihre Mutter.

Eine solche These würde lebhaft zum Widerspruche reizen. DaS Falsche in derselben zurückzuweisen, gibt feie zweite Hälfte meiner wirklichen These reichlich Gelegenheit: jede muß ihre eigenthümlichen Rechte be­ haupten.

Die theologische Wissenschaft hat noch andere Zwecke

15 als das Pfarramt, sie ist sich auch Selbstzweck*).

Sie ist

schon an und für sich, auch abgesehen also vom Pfarramte,

eine Säule im Gottesreiche.

Sie darf bei ihren Arbeiten

keineswegs immer auf das Pfarramt herüberschauen.

Da­

durch würde sich ein übles Schielen herausbilden, denn streng wissenschaftliche Arbeit duldet kein Hinwegwenden

des geistigen Auges.

Niemals wird sich deshalb die theo­

logische Wissenschaft die Stelle einer Magd des Pfarramtes

zuweisen lassen.

Aber sie soll dieses anch nicht als eine

Stieftochter betrachten, welche sie am liebsten gern aus

dem Hause hätte.

Auch nicht die Stellung einer unmün­

digen Tochter darf sich die pfarramtliche Praxis gegenüber

der theologischen Wissenschaft anweisen lassen.

Praxis nährt sich,

Denn diese

um mit einem bekannten Ausspruche

zu reden, nicht allein von dem Brode, das ihr die Ge­ lehrten einbrocken, sondern auch von eigenen Erfahrungen, ethischen Eigenschaften, von der GebetStteue und der gesammten persönlichen Frömmigkeit.

Theologische Wissenschaft

und

pfarramtliche Praxis

werden in den Stellungen von Mutter und Tochter wech­

seln, d. h. nicht nur die Wissenschaft wird der Praxis oft

voraus sein, sondern auch die Praxis der Wissenschaft. Denn zuweilen wird sich auch hier der Schillerische VerS anwenden lassen :

*) Daß so bedeutende, scharffinnige MHnner, wie Schleier­ macher u. A. die Theologie in noch engere Beziehung zum Pfarr­ amte setzen, al« oben geschehen, sei kurz erwähnt. ES handelt fich jedoch wohl nur um theoretische Unterschiede.

16 Und hat Genie und Herz vollbracht Was Locke und DeScarteS nie gedacht,

Sogleich wird auch von diesen Die Möglichkeit bewiesen. Also ihre eigenthümlichen Rechte muß sowohl die

theologische Wissenschaft als die pfarramtliche Praxis be­ haupten; aber trotzdem gehören beide nothwendig zu ein­

ander. Wir wünschen eine theologische Wissen­ schaft, welche für das Pfarramt begeistert, und eine pfarramtliche Praxis, welche das Ver­

ständniß für

die

theologische

Wissenschaft

schärft und sich auch auf Grund fortgesetzter wissenschaftlicher Arbeit vervollkommnet. DaS Auge der Wissenschaft wird ohne den öfteren Blick auf die Praxis weitsichtig,

das der Praxis ohne ständige

Schärfung durch die Wissenschaft kurzsichtig.

Wenn, wie

daS einst Professor Holtzmann geschildert*) hat und wie meines Erinnerns in Holland Ansätze oder doch Neigungen

vorliegen, die einzelnen Fächer der Theologie sich von ein­ ander lösen und in die entsprechenden andern FgcultätSwiffenschaften übergehen würden, dann wäre ihnen wohl

der eigentliche Lebensnerv durchschnitten.

Eine Theologie,

welche ihre Beziehung zur Kirche fahren ließe, würde den festen Boden unter ihren Füßen verlieren; ein Pfarrer

aber, welcher seine amtlichen Thätigkeiten mehr und mehr von der wissenschaftlichen Erkenntniß löste, würde damit auf dem Wege vom Künstler zum Handwerker oder Fabrik­

arbeiter wandeln.

Er könnte noch ein sehr ehrenwerther.

*) Nicht aber gewünscht oder gebilligt.

17 auch ein vielwirkender Mann sein, aber als Theologe wäre

er im Ruhestande.

Daß wir nun gar bei der Ausbildung

unserer jungen Theologen von der Wissenschaft zur Ab­ richtung oder Dressur herabsänken, diese Besorgniß wird

unter uns niemand hegen, und ich würde dieselbe gar nicht

erwähnen, wenn nicht vor etwa 20 Jahren ein Dr. philos. in vollem Ernste vorgeschlagen hätte, künftig die jungen

Volksschullehrer auf die Universität zu schicken, dagegen die Theologen von derselben Hinwegzulassen.

Für die innige Zusammengehörigkeit von theologischer Wissenschaft und pfarramtlicher Praxis spricht auch die

Thatsache, daß sich die größten Männer im Gottesreiche zugleich wissenschaftlich und praktisch ausgezeichnet haben.

Man denke, unter der Voraussetzung, daß man einmal den Ausdruck Wissenschaft auf ältere Zeiten übertragen

darf, an Paulus, Augustin, Luther, Schleier­ macher.

Bei Bielen wird fteilich die Begabung für

eines

beiden Gebiete

der

vorherrschen,

wie z. B.

bei

Melanchthon für die wissenschaftliche, bei El. Harms für die praktische Thätigkeit.

Manchen weisen sein Bildungs­

gang und überhaupt sein Schicksal auf eines von beiden

Gebieten, während er auf dem andern grade so viel oder noch mehr leisten könnte.

Ob Ludwig Harms z. B. auch

auf wissenschaftlichem Gebiete große Bedeutung hätte er­ langen können, darüber ließe sich lebhaft streiten. weise

Gleicher­

werden oft die Mängel eines Mannes auf dem

einen Gebiete auch seine Mängel auf dem andern sein,

eben weil diese Mängel in dem ganzen Menschen stecken.

Bei Gregor von Nhssa z. B., dessen wissenschaftliche Be­ gabung ja offenbar seine praktische weit überragte, werden

18 doch, wenn ich mich nicht sehr täusche, die Mängel seiner

Praxis auch in seiner Mssenschaft bemerklich.

Arg irren

nicht selten solche Eltern, welche ihre Kinder wegen ihres praktischen Ungeschickes zur Mssenschaft, oder wegen ihrer

wissenschaftlichen Unfähigkeit zu ausgezeichneten praktischen Leistungen berufen meinen.

Also oftmaliges Vorherrschen

der Begabung für Wissenschaft oder Praxi- geben wir zu, aber im Ganzen

gehören

theologische Mssenschaft und

pfarramtliche Praxis nothwendig zusammen. Doch ich darf voraussetzen, daß die Nothwendig­ keit dieser Verbindung unter uns allgemein zugestanden wird.

Andersmeinende könnte man kurz mit der Frage

zurückweisen : Soll der Praktiker nicht verstehen, waS er

thut und der Theoretiker keinen Erfolg von dem wünschen, was

er

durchdenkt?

Immer

neues Hervorheben

jener

Nothwendigkeit rechtfertigt sich nur durch die Schwierig­

keiten und Kämpfe, welche sich erheben.

bei

dieser Verbindung

In der Hitze solcher Kämpfe wird dann manch­

mal gegenseitig ein übereiltes, ärgerliches, heftiges Wort

gesprochen, welches weit mehr eine vorübergehende Stim­ mung als eine dauernde Ueberzeugung ausdrückt und des­

halb nicht allzu ernsthaft genommen werden darf. dieser

zuweilen

allerdings

recht

Um

hochgradigen Misstim-

mungen willen kann man das Wechselverhältniß auch so

ausdrücken: Theologische Wissenschaft und pfarramtliche Praxis leben gleichsam in einer nicht immer friedlichen,

aber

unauflösbaren

lichen Ehe.

und

keineswegs

.unglück­

19 These 2—4*) beschäftigen sich mit den tauchenden Schwierigkeiten und Kämpfen.

hier auf­

Wenn ich nicht

bei unserer heutigen ersten Zusammenkunft schwierige, zum

*) These 2 lautet: Der Zwiespalt zwischen beiden, welcher zuweilen an einzelnen Punkten heftig wird, darf nicht allzu ängstlich machen; denn er ist nicht blos Folge menschlicher Sünde, sondern auch lebensvoller Entwicke­

lung des Gottesreiches. „Allzu ängstlich" heißt es sehr mit Absicht; denn etwas ängst­ lich soll allerdings der wissenschaftliche Theologe werden, wenn er seine Ausstellungen in argem Widerstreite mit der Praxis sieht, und ebenso der Praktiker, wenn sein Thun der Theorie scharf widerspricht. „Folge menschlicher Sünde" ist obiger Zwiespalt, wenn er durch Mangel an Gewissenhaftigkeit, Demuth, Fleiß und gutem Willen des gegenseitigen Verständnisses veranlaßt wird. Auf jedem Gebiete soll man insbesondere volles Verständniß für die Schwierig­ keiten auf dem andern haben. Aber auch als eine „Folge lebens­ voller Entwickelung des Gottesreiches" erscheint dieser Zwiespalt; denn die Wissenschaft wird oft der Praxis voraus sein, indem sie für deren Verfahren und Erfolge dermalen noch unerreichte oder gar unerreichbare Ideale aufstellt; ebenso wird die Praxis oft der Wissenschaft voraus sein, indem sie neues Verfahren auffindet, für welches erst später der volle Begriff und namentlich die systema­ tische Einordnung gesucht werden muß.

These 3.

Eine bestimmte Gestalt oder Abtheilung

der theologischen Wissenschaft ist ebensowenig die theologische Wissenschaft, als eine bestimmte Gestalt

psarramtlicher Praxis die vollkommene. Diese These weist in genauem Anschlüsse an die zweite auf die Nothwendigkeit wechselseitiger Kämpfe hin. Die Wissenschaft soll immer Vieles an der Praxis ungenügend finden und zu verbessern suchen, aber nicht die Praxis überhaupt gering schätzen. Diese wird gegen manche Ausstellungen und Gestaltungen der Wissenschaft bedenk­ lich sein, andere scharf bekämpfen. Letzteres hat mit ehrlichen und namentlich auch mit wissenschaftlichen Waffen zu geschehen. Zu un-

2*

20 Zorne reizende Thesen hätte meiden wollen, dann würde

ich eine solche darüber aufgestellt haben, daß namentlich der erste Uebergang von der theologischen Wissenschaft zur

pfarramtlichen Praxis

Mancher

leidet

Wahrhaftigkeit,

dabei

nicht

selten

großen

Freudigkeit

recht

Schaden

und

schwer

an

Tüchttgkeit.

fällt.

persönlicher Was

er

wissenschaftlich erworben hat und mit Lust aussprechen würde, findet er nicht zur Mittheilung geeignet, was ihn

dagegen Recht und Sitte

der Kirche

mitzutheilen ver­

anlaßt, geht nicht mit voller Wahrhafttgkeit, Lust und

Kraft aus ihm hervor.

Wird dieser Zwiespalt nicht in

der rechten Weise ausgeglichen, dann leben Wissenschaft und Praxis auch im späteren Pfarramte nebeneinander wie

zwei Ehegatten, die keine Tisch- und Güter-Gemeinschaft

geziemenden^Waffen rechne ich CharakterverdLchtigungen, sowie Masseuerttärungen mit Unterschriften solcher, welche die betreffenden Schriften nicht studirt, vielleicht sogar nicht einmal gelesen, jedenfalls nicht ver­ standen haben.

These 4. Schwere Conflicte werden nicht durch Ab­ leugnen oder Verschleiern gelöst, sondern durch vermehrte Anstrengung, welche auf einen höheren Standpunkt erhebt, also hier durch Vertiefung der Wissenschaft oder der Praxis oder beider. Bezüglich solcher Conflicte wird hier natürlich nicht an das Ver­ halten gegenüber den Gemeinden gedacht, welches gänzlich außerhalb meines Themas liegt, sondern an das Verhalten der Theologen sowohl untereinander als innerhalb des Seelenlebens der Einzelnen, also bezüglich der eignen geistigen Entwickelung. Besonders hüte man sich vor solchen falschen „Entweder-Oder", durch welcke sich schwache Köpfe und Herzen von mehr kühnen und dispntaüonSgewandten, als genau und scharf auffaffenden Leuten zum Lftern er­ schrecken lassen.

21 haben.

Solche zwiespältigen Gemüther

sind

keine Be­

hausungen, über welchen der Segen Gottes schwebt.

Da, wie wir vorhin sahen, die theologische Wissen­ schaft keineswegs blos und noch weniger immer unmittelbar für die pfarramtliche Praxis arbeitet, so wird sich auch

nicht Alles aus ihr unmittelbar auf diese Praxis über­ tragen lassen.

Indem die Wissenschaft auf den Wegen der

Erkenntniß vorwärts dringt, verirrt sie sich nicht selten,

und die Hypothesen, deren sie nicht entbehren kann, dürfen

nicht sogleich als ausgemachte Wahrheiten betrachtet und vor die zu ihrer Würdigung unfähige Gemeinde gebracht

werden.

Daß hier kirchliches Recht, kirchliche Ordnung

und Sitte entgegenwirken, wird zwar von wissenschaftlich begeisterten

jungen

Leuten

manchmal

unangenehm

em­

pfunden, aber doch bei gründlicher Ueberlegung von allen Verständigen als heilsam erkannt.

Die theologische Wissen­

schaft bedarf der freien Bewegung auf einem weiten Bersuchsfelde

für

allerlei

Neubildungen;

die

pfarramtliche

Praxis dagegen hat solches Experimentiren zu unterlassen

und sich als eine vielfach gebundene zu betrachten, nicht

blos durch die schon erwähnten kirchlichen Rechte, Ord­ nungen und Sitten, sondern auch durch kirchlichen Takt

und christliche Liebe.

Hier stehen wir an einem Punkte,

an dem theologische Wissenschaft und pfarramtliche Praxis allerdings zeitweilig auseinandergehen.

Ich weiß die Sache

nicht besser zu verdeutlichen, als an einem Ausspruche des

Herrn Professor Holtzmann in Straßburg, den ich aber

nur aus dem Gedächtnisse citire.

Derselbe lautete un­

gefähr : „Soll uns eine alte Waschfrau in kritische Fragen hereinsprechen?"

Auf diesem Gebiete würde eine derartige

22 Mitarbeiterin mit vollem Rechte zurückgewiesen; aber ein

Pfarrer kann mit ebenso gutem Rechte auf eine alte Wasch­ frau große Rücksicht nehmen. Hier will ich denn auch mit einem Angriffe auf eine

bestimmte theologische Richtung bett Anfang machen.

In

späteren Conferenzen wird dergleichen vielleicht zum öftern

unvermeidlich werden.

Heute aber genügt mir vollkommen

meine eigene Richtung, die der positiven Mittelpartei, ein­ mal anzugreifen.

Eine ihrer schwächsten Seiten hat man

recht treffend bezeichnet, indem man sie „Angsttheologie" nannte.

Wenn man mir die Schattenseiten derselben in

brüderlich-wohlwollender Weise vorhält, dann gehe ich gern darauf ein; sollte man mir aber unhöflich kommen, so

würde ich auch lebhaft werden und etwa sagen : Nicht gerade an Muth fehlt es mir bezüglich der Uebertragung

wissenschaftlicher Ansichten in die Praxis, aber manchmal

hindern mich Gewissen und Liebe.

Ich schäme mich nicht

der Angst, es möchten unsere Gemeinden, es möchten ein­ fache, treue Christen an ihrem Glauben Schaden leiden,

wenn man ihnen Anstoß gibt.

Meine wirklich ängstliche

Rücksichtsnahme auf solchen Anstoß rechtfertige ich mit dem Worte unseres Herrn : Wer ärgert dieser Geringsten einen,

die an mich glauben, dem wäre besser, daß ein Mühl­ stein an seinen Hals gehängt und er ersäuft

würde im Meere, da es am tiefsten ist. UebrigenS darf auch nicht vergessen werden, daß ein zartes Gewissen

und ein kindliches Gemüth sehr wohl von einem engen, eigensinnigen, müssen.

böswilligen

Kopfe

unterschieden

werden

Deshalb sage ich in der Weise des Predigers:

Zurückhalten hat seine Zeit und Durchgreifen hat seine

23 — Diese ganze Bemerkung über die Aengstlichkeit

Zeit!

war übrigens nur eine scheinbar persönliche, denn sie wird mehr oder minder auf die Stellung der pfarramtlichen

Praxis zur

theologischen Wissenschaft

überhaupt passen.

Erstere wird die Neuerungen der letzteren zum vftern nur

mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit herübernehmen.

Aber diese Aengstlichkeit vor falschem Gebrauche der

Wissenschaft darf nimmermehr zur Angst vor der Wissen­

schaft überhaupt werden.

Wenn man einzelne Gestaltungen

der Wissenschaft verwirft oder für verdächtig erllärt, wie

ja das bei den fast immer gleichzeitig vorhandenen ver­ schiedenen Ansichten der Wissenschaft gar nicht anders sein kann, dann darf man doch nicht die Wissenschaft überhaupt

verwerfen oder für verdächtig erklären.

Auch auf Seiten

der Wissenschaft findet sich zartes Gewissen, der Gerechtigkeit wegen will ich auch auf ihrer Seite enge, eigensinnige, hochmüthige Köpfe zugeben; aber wenn freilich die kind­ lichen Gemüther nicht gerade vorwiegend einen Beruf zur

Wissenschaft haben, so doch die gescheidten, sittlich ernsten

Leute.

Deshalb darf die Wissenschaft gewiß nicht minder

als die Menge der Schwachen auf behutsame Rücksichts­ nahme

und

auf

Anspruch erheben.

das Zurückhalten vorschneller Urtheile

Zuweilen wird leider durch einzelne

Veranlassungen oder Zeitströmungen das Mißtrauen und die Verstimmung zwischen den Männern der Wissenschaft

und der Praxis recht groß.

Auf dem Frankfurter Kirchen­

tag 18H4 habe ich den seligen Professor Hundeshagen am Anfänge eines Vortrages sagen hören : Früher war es eine Ehre ein Professor zu sein, jetzt ist es

fast eine Schande.

Vorzugsweise scheint die Homiletik

24 mit unüberlegten Grobheiten bedacht zu werden.

Wenn

z. B. neulich ein namhafter Mann einen Anderen sprechen ließ: diese Predigt kann nicht correct sein, denn

sie hat Erfolg und das ist innormal; dann ist

ein kleines Fünkchen Wahrheit als Licht in eine große,

trübe Laterne von Verkehrtheit hineingesteckt worden. Die Wissenschaft geräth wie alles Menschenwerk zu­ weilen in große Verfehlungen, aber in noch weit größere doch sicher die Unwissenheit.

Die Wissenschaft sucht, ver­

sucht und irrt mannigfaltig, aber sie wird doch nimmer­

mehr durch die Unwissenheit, sondern nur durch ihre eigene

Vertiefung wieder auf den rechten Weg gebracht.

Ist der

Hochmuth auf das Wissen häßlich, so doch noch viel häß­

licher der auf die Unwissenheit.

Die echte Wissenschaft

wird auch über ihre Grenzen, über ihre festen sowie ihre zweifelhaften Bestandtheile und über ihre richtige Anwen­

dung belehren.

Eben deshalb gibt es ja auch eine prak­

tische Theologie.

ES gilt da nur die appellatio a papa

male informato ad papam melius informandum.

Dem

paulinischen Satze : das Wissen bläset auf — darf der andere an die Seite gestellt werden : echte Wissenschaft

macht bescheiden. Ebenso wird echte pfarramtliche Praxis sehr bescheiden

machen.

Ein wirllich tüchtiger, frommer Pfarrer wird

den großen Zielen und den ihm anvertrauten Schätzen des Himmelreiches

gegenüber

feine Leistungen

und

Erfolge

immer gering finden; er wird sich selber gegenüber dem Widerstände, der ihm aus der sündigen Welt entgegentritt,

immer schwach fühlen.

Das Pfarramt ist ein Amt nicht

des Experimentirens, wohl aber des unausgesetzten Suchens,

25 Betens,

Ringens und Kämpfens.

Wenn nun

da die

Wissenschaft manchmal auf ein ganz Anderes hinweist als

auf das bisher Besessene und Geübte, so wird die pfarr­ amtliche Praxis dieses Andere zwar nicht sofort und un­ geprüft

herübernehmen,

sie

wird

Manches

entschieden

zurückweisen, wenigstens vorerst, sie wird vielleicht Manchem mit lebhaftem Unwillen entgegentreten;

aber sie muß den

scharf prüfenden Blick doch auch ständig auf sich selber wenden,

um über die eigenen, oft recht argen Unvoll­

kommenheiten und Verfehlungen strenges Gericht zu halten;

sie wird nicht von dem Einen Rande einer tiefen Kluft

in die Luft springen, wenn sie auf dem andern keinen festen Boden sieht, wohl aber als richtig erwiesene neu­

entdeckte Wege vom Evangelium zu den Herzen der Menschen jubelnd willkommen heißen.

Keine Leute waren unserem

Heilande mehr zuwider als die satten, selbstzufriedenen,

selbstgerechten.

Nach alledem kann der große Zwiespalt, welcher sich zuweilen

zwischen

theologischer Wissenschaft und

pfarr­

amtlicher Praxis erhebt, nur eine Aufforderung zu ge­

steigerter, wechselseitiger Vertiefung sein. Dieser Zwiespalt hat mich deshalb auch weniger ver­ anlaßt,

die

Nothwendigkeit

einer

Verbindung

zwischen

theologischer Wissenschaft und pfarramtlicher Praxis her­ vorzuheben,

als die These 5*) erwähnte Schwierigkeit,

*) These 5. Der Mangel an ständiger voller Wechsel­ wirkung zwischen beiden wird weniger durch Verkennen des bisher Gesagten herbeigeführt, als durch die Aus­ dehnung der beiderseitigen Gebiete, deren jedes schon

26 welche aus der Ausdehnung der beiderseitigen Gebiete er­ wächst. Im Allgemeinen darf man annehmen, daß sich die Männer der theologischen Wissenschaft gern mit der allein einen ganzen Mann in Anspruch zu nehmen scheint. Deshalb hat man weniger die Nothwendigkeit als die Möglichkeit jener Wechselwirkung nachzuweisen. Wenn auf jedem der beiden Gebiete Manche meinen : „besser Eins ganz als beides ungenügend; durch solches, welches zunächst nicht befohlen ist, darf die Hauptpflicht nicht geschädigt werden" — dann hat diese Ansicht gewiß Vieles für sich. Man weiß ja von Professoren,

deren Wissenschaft durch ihre Neigung zum Praktischen und Erbau­ lichen geschädigt wurde, sowie von Pfarrern, welche um wissenschaft­ licher Studien und einträglicher Schriftstellerei willen heilige Amts­ pflichten vernachlässigten. Die auf Grund solcher Erfahrungen auf­ tauchenden wohlberechtigten Bedenken soll These 6 erledigen helfen. These 6. Richtig zusammen betrieben werden theolo­ gische Wissenschaft und psarramtlichePraxis einander nicht hindern, sondern fördern. Bei der einen erholt und stärkt man sich für die andere. Sehr Wenige werden so glücklich begabt und gestellt sein, daß sie bei der dermaligen Sachlage aus beiden Gebieten gleich Tüchtiges

leisten. Für die Meisten muß Eines die Hauptsache sein, das Andere aber so mit beigezogen werden, daß eS jener Hauptsache nicht Abtrag thut, sondern dient. „Eines hilft dem andern", sagte bekanntlich Schleiermacher mit Beziehung auf seine sehr verschiedenartigen Aemter.

Wohlberechnete Abwechselung der Arbeit ist für Manche die beste und fast die einzige Art des AuSruhens. Wohl dem Pfarrer, der eS als wahre GeisteSerfrifchung begrüßt, wenn er sich einige Stunden für wissenschaftliches Arbeiten erobern kann; und wohl dem Professor, der sich von innen heraus getrieben fühlt und dem es gelingt, zu­ weilen in praktischer Thätigkeit sein Herz zu erwärmen! Beide arbeiten nachher in ihrem Hauptsache freudiger, rascher, umsichtiger, also besser. Niemals aber darf so getheilt werden, daß auf Seiten deS Hauptfaches nur die Pflicht, das Vergnügen dagegen nur auf Seiten der Nebenbeschäftigung steht. Wohl vielmehr Allen, welche ihre Hauptarbeit mit solcher Lust vollziehen, daß sie dieselbe ungern

27 psarramtlichen Praxis und die Pfarrer gern mit der theo­

logischen Wissenschaft beschäftigen, wenn sie nur die Zeit und Kraft dafür zu finden wissen.

Es kann freilich nicht geleugnet werden, daß manche

Theologen viele Zeit verlieren, ohne daß ihre Wissenschaft

oder ihre Praxis Deutschen

sind

etwas

ein

damit

sehr

zu

schaffen

gemüthliches

Volk.

hat. In

Wir der

Familie, bei dem geselligen Verkehre, bei dem Glase Wein

oder Bier wird 'öfter ein zu großer Aufwand von Zeit gemacht, und der Pfarrer, von dem man unlängst in einer

theologischen Zeitschrift las, daß er auf die Frage, was er nach seinem so frühen Aufstehen Morgens thue, mit der

Betonung wohlberechtigter Selbstzufriedenheit geantwortet hat : Ich rauche — wird wohl nicht der Einzige seiner

Art sein.

Aber auch viele Zeitverschwendung zugestanden :

Ruhe und Erholung muß doch gerade um der Tüchtigkeit

in der Arbeit willen sein, und unsere obige Behauptung, daß die Ausdehnung der beiderseitigen Gebiete die Männer der Wissenschaft von der Praxis, ebenso die der Praxis

von der Wissenschaft abhält, bleibt vollkommen richtig und betrifft grade die Tüchtigsten.

Indem ich die weitere Aus­

führung der Besprechung überlasse,

erwähne ich nur:

immer neue Einzelfächer zweigen sich in der Theologie ab.

Das legt dem Professor die Klage nahe : ich kann kaum neben meinem Einzelfach noch die angrenzenden Fächer

beherrschen;

ich kann

mir nur

schwer eine allgemein­

theologische Bildung erhalten, noch schwerer den nöthigen und mit Gewalt unterbrechen, um leistungsfähig zu bleiben, und die sich gerade um dieser Leistungsfähigkeit für das Hauptfach willen auch

einer Nebenbeschäftigung zuwenden!

28 Zusammenhang mit der übrigen Wissenschaft; woher soll mir Zeit für pfarramtliche Praxis bleiben?

Die in letzterer

Stehenden können mit demselben Rechte klagen : es werden uns immer neue Arbeiten zugemuthet; außer dem eigent­ lichen Pfarramte, dessen Pflichten immer schwieriger werden,

nehmen das Armenwesen, die Werke der inneren Mission,

überhaupt die mannigfaltigen Vereine so viele Zeit in Anspruch, daß ich keine mehr für wissenschaftliche Beschäf­ tigung finde, so gern ich möchte.

Bielgeschäftigkeit, Zer­

splitterung einerseits und einseitige Beschränkung anderer­ seits sind jetzt wirklich sich gewaltsam aufdrängende schwere

Uebel.

Man spottet gern über faule Pfarrer und diese

species wird leider noch nicht ausgestorben sein; aber es wäre mehr Grund, von solchen zu reden, die unter schwerer

Arbeitslast sich auf das Redlichste anstrengen und frühzeitig

zusammenbrechen. Deshalb scheinen mir unsere beiden letzten Thesen,

welche die Möglichkeit eines Wechselverkehrs zwischen

theologischer Wissenschaft und pfarramtlicher Praxis nach­ weisen, die wichtigsten.

Ich überlasse und

vorzugsweise zur Besprechung.

empfehle sie

Bei dieser will ich das

Wenige, was ich noch zur Erläuterung zu sagen habe,

zufügen *).

*) Bezüglich der Mittel zu reger Wechselwirkung zwi­ schen theologischer Wissenschaft und psarramtlicher Praxibemerken wir: a) das Lesen von Kirchenzeitungen und Zeitschriften ist zwar unentbehrlich, die Art und Weise aber, wie eS gewöhnlich geschieht, gehört doch eigentlich zur siebenten Bitte;

29 Meine Einleitung aber lassen Sie mich so schließen:

Es ist natürlich, schön und recht, daß sich der wissenschaft­

liche Theologe für seine Wissenschaft und der praktische für sein Pfarramt begeistert.

Wissenschaft und Pfarramt

werden glücklicherweise jedem, der sich mit voller Aufbietung

seiner besten Kräfte an sie hingibt, immer lieber und hoch­

stehender.

Aber eine

armselige Hochachtung ist

überall

diejenige, welche nur durch die Niedrigstellung eines andern,

ebenfalls Wohlberechtigten zu bestehen vermag.

In unserem

Falle aber ist dieses Andere nicht einmal ein Anderes, denn bei jedem schließt ja das vollumfaßte Eine auch schon das Andere mit ein.

Wenn nun auch selbstverständlich

Manche von uns stärker in der theologischen Wissenschaft, Manche stärker in der pfarramtlichen Praxis sind, so hoffe und wünsche ich doch uns alle reich an Verständniß und

Hochachtung für beide Gebiete, uns alle bewegt von Be­ geisterung für dieselben hohen Ziele und Güter de« Gottes­

reiches, von derselben Liebe, die unter dem Kreuze Christi sich entzündet, uns alle als demüthige, treue Diener dieses

ewigen Königes und seiner großen Gemeinde; ich wünsche auf

solchen Grundlagen

dann

persönliche Befreundung

und wechselseitige Förderung, überhaupt Gedeihen unserer

Conferenz.

Während dieser Absatz a der Conferenz in einer absichtlich zum Widersprüche

reizenden Gestalt vorgelegt wurde, wie das ja dem

eigentlichen Wesen einer These entspricht, schien angemessen, hier für die Leser meine wirkliche Meinung genau auszusprechen.

Mcht das

Lesen der kirchlichen Zeitungen und Zeitschriften an sich ist vom Uebel,

wohl aber vielfach unser Verfahren dabei, nämlich, daß man entweder nur Blätter Einer Richtung, oder planlos und ohne klares Urtheil

30 solche verschiedener Richtungen untereinander liest; besonders aber, daß man nur gedankenlos überfliegt und gerade die größeren, werth­ volleren Artikel überschlägt, anstatt sie gründlich zu studiren. Wer letzteres mit wissenschaftlichem Sinne und prakttschem Ernste thut, also

mit Anknüpfung an tüchtige- Wissen und mit der Richtung auf wichttge Ziele hin, der kann großen Gewinn haben. b) wie einerseits da- zeitweilige Studium größerer wissenschaftlicher Werke, so ist andererseits einige wirkliche praktische Thätigkeit dringend zu em­

pfehlen; Während das bunte Durcheinander flüchtig gelesener kleiner Artikel etwas Zerstreuendes, ja selbst etwas wissenschaftlich und sittlich Entnervendes hat, stählt das gründliche, scharfe Anstrengung erfor­ dernde Studium größerer wissenschaftlicher Werke die geistige Kraft. Ersteres streift nur die Oberfläche, letzteres bewegt die Tiefen des Seelenlebens. Zuweilen, d. h. alle paar Jahre einmal, soll der Pfarrer für solches Studium eines größeren Werkes Zeit zu finden

suchen; denn wer etwa nur einmal in seinem späteren Leben zu solchem Studium gelangt, gibt fich leicht ganz an dieses Eine Werk

gefangen. Als eine wirkliche wird hier die praktische Thätigkeit bezeichnet,

um dieselbe scharf von der theoretischen Beschäftigung mit dem Pfarr­ amte zu unterscheiden, welche ja vielfach bei Professoren stattfindet. Bei jener prakttschen Thätigkeit denken wir hier an die kirchlich-prak­ tische überhaupt, so daß dazu besonders auch die Theilnahme an Vereinen zur Förderung des GotteSreicheS gehört. Leider fällt ja deren Leitung so vielfach vorzugsweise den Pfarrern zu, daß man den Begriff der pfarramtlichen Praxis nicht allzusehr erweitert, wenn man daS kirchliche Vereinswesen mit Hineinrechnei.

c) man arbeite tüchtig auf Einem Felde (oder eini­ gen Feldern) des anderen Gebietes, erhalte sich aber Verständniß und Hochachtung für das Ganze; Hier wird noch ein Anderes und Mehreres angerathen als bei b, nicht blos ein Studium, ein Durchdenken und Aneignen größerer Werke, sondern selbstthätige Mitarbeit an der Wissenschaft zu deren Weilerförderung. Ebenso andererseits nicht blos passive Theilnahme, sondern wirkliche, eifrig praktische Arbeit. Beides wird in der Regel

31 nur auf engbegrenzten Gebieten möglich sein. Nicht in Vielem et­ was und nirgends etwas Rechtes; sondern in Einem tüchtig und dadurch Sinn für Alles.

d) zum Studium empfehlen sich dem praktischen Theologen (neben oder in der praktischen Theo­ logie) besonders solche Einzelfächer, welche sich mit der Bibel beschäftigen, zu praktischer Thätig­ keit dem wissenschaftlichen Theologen besondersolche Arbeiten, welche viel lebendigen Verkehr mit Menschen herbeiführen. Wir geben diesen Absatz in seiner ursprünglichen, leichter über­ sehbaren Fassung. Bei der großen Anzahl sowie mannigfachen Be­ anlagung und Stellung der praktischen Geistlichen ist es ebenso natürlich als wünschenswerth, daß sie ihre Studien den verschieden­ artigsten Seiten des wissenschaftlichen Gebietes zuwenden. Was eignet sich nicht, wenn es richtig betrieben wird? könnte man fragen. Nur die gründliche, tiefeingehende Beschäftigung mit der Bibel möchte ich besonders hervorheben, theils weil ich von dem Segen einer solchen lebhaft überzeugt bin, theils weil sie durch die Menge des sich sonst Aufdrängenden beeinträchtigt wird. Selbstverständlich habe ich dabei insbesondere auch Exegese und biblische Theologie im Auge. An die

Wissenschaft der praktischen Theologie erinnere ich, weil man behauptet hat, gerade diese werde von Geistlichen im Amte wenig studirt; ich aber muß bekennen, darüber keine Erfahrung zu haben. Zu dem unter c in das Auge gefaßten selbstthätigen Mitarbeiten an Förderung der Wiffenschaft auf engbegrenztem Felde eignet sich auch besonders die Kirchengeschichte, weniger die Dogmatik, weil bei letzterer die Be­ arbeitung eines einzelnen Punktes Beherrschung des ganzen Systemes und philosophische Durchbildung voraussetzt. Dagegen zum Studium, zum aneignenden Durchdenken, wie es vornehmlich unter d gefordert wird, sind dogmatische und ethische Werke, die Apologetik mit ein­ geschloffen, sehr zu empfehlen. Der rege Verkehr mit Menschen, der zum Theile während der

edelsten und tiefsten Bewegungen des Seelenlebens stattfindet, gehört zu den schönsten Vorzügen des Pfarramtes. In einen bedeutenden, liebenswürdigen, eigenartigen Menschen der Jetztzeit hineinzuschauen, ist mir ein Genuß, wie Andern eine neuaufgefundene Handschrift aus

32 alter Zeit. Dem Professor verschafft sein Beruf jenen regen Verkehr nicht; denn die Studirenden stehen ihm in gleichartigen Verhältnisten zumeist als Empfangende gegenüber; neben dem Predigen, bei besten Vorbereitung schon man stch die Gemeinde lebhaft zu

vergegenwärtigen hat, empfiehlt fich darum den Gelehrten namentlich die Betheiligung an dem BereinSwesen als wohlthätige Ergänzung

zur Beschäftigung mit den Büchern. Wenigstens für Manche darf auch wohl daran erinnert werden, daß Ertheilen von Religionsunter­

richt heilsam wäre. e) sehr anregend und fördernd kann zwischen Män­

nernder theologischen Wissenschaft und der pfarr­ amtlichen Praxis der persönliche Verkehr auf

Eonferenzen werden. In dieser Beziehung könnten wohl auch die Pfarrconferenzen, welche übrigens nicht genau unter den Wortlaut dieses Absatzes fallen, vielfach noch fruchtbarer gemacht werden. Man soll die Themata so auswählen und behandeln, daß praktische und wiffen-

schaftliche Förderung zugleich erreicht wird. ES könnte zum öftern mehr empfunden werden, daß eö ein wichtiger Dienst für das Gotteöreich ist, wenn man dessen Diener stärkt. Längere Beschäftigung mit einem Thema von Seiten des Bearbeiters und etwa noch eines Eorreferenten, zeitige Borausverkündigung des Themas und der et­ waigen Thesen, damit sich auch die übrigen Betheiligten gründlich vorbereiten können, würden den Gewinn sehr steigern. Obiger Absatz aber hat vorzüglich eine Conferenz, wie unsere

gegenwärtige, im Auge, welche sich die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Praxis ausdrücklich zum Ziele gesetzt hat. Der persönliche Verkehr kann in dieser Beziehung so heilsame Dienste leisten, weil daS lebendige Wort und die ganze Erscheinung

der Menschen ungleich wirksamer sind als schriftliche Be­ lehrungen. Durch jene werden leichter Borurtheile und Mißverständniffe beseitigt z die Anschauungen bereichert, Annäherungen der Gemüther herbeigesührt. Was der Verstand, das System und die Parteirichtung trennen, wird oft durch das Herz und den Eindruck der gesammten Persönlichkeit geeinigt. Wir sind als ganze Menschen meist bester und liebenswürdiger wie die Einzelnheiten, die man von unS weiß und erzählt. Bei der theologischen Wiffenschast, wie bei

33 der pfarramtlichen Praxis fragt man nicht -los : was leistet man mit ihr oder in ihr; sondern namentlich auch: was ist man durch sie geworden? Beide sollen eine Mannigfaltigkeit christlicher Charaktere und Persönlichkeiten herausbilden helfen, in denen allen wenigstens einigermaßen die Herr­ lichkeit des Einen Herrn der Kirche sich abspiegelt.

Der heutige Stand der

Alttestamentlichen Wissenschaft. Vortrag von

Professor D. W. Graf von Baudissin.

Hochgeehrte Herren!

Wer die Aufgabe hat, in dem kurzbemessenen Rahmen

eines einzigen Vortrages zu referiren über den heutigen Stand der alttestamentlichen Wissenschaft vor einem aus

Theologen bestehenden Zuhörerkreise muß von vornherein darauf verzichten, seinem Auditorium durch Neuheit des

Stoffes Interesse zu erwecken.

Was ich Ihnen, m. H., in

der mir zubestimmten Zeit mitzutheilen im Stande bin, habe ich bei Ihnen in den Einzelheiten als so ziemlich

allgemein bekannt

vorauszusetzen.

Nur

damit

darf ich

hoffen, Ihnen etwa einen Dienst zu erweisen oder wenig­

stens einige Anregung zu bieten zu selbständiger Beur­

theilung,

daß ich die

bekannten Einzelheiten zu einem

Gesammtbilde zusammenzufassen und Bedeutung wie Werth des Einzelnen zu der BehandlungS- und Auffassungsweise des gesammten Gebietes der alttestamentlichen Disciplin

hervorzuheben versuche. 1.

ES ist bekannt, daß seit einer Reihe von Jahren

pentateuchische Fragen, speciell Fragen nach der Abfassungs­

zeit des PentateucheS oder, noch genauer ausgedrückt, nach

der Abfassungözeit eines besümmten Theiles des ganzen

PentateucheS im Mittelpunkte der alttestamentlichen For­

schungen stehen.

Es scheinen dies Fragen zu sein, welche

38

der nicht zum Fache Gehörige füglich den Specialisten überlasten könne, da zunächst wenig naheliegend aussieht, daß ein so specifisch literärhistorischer Gegenstand, noch

dazu einem Gebiet

angehörend,

stehung des Christenthumes

welches

von der Ent­

auf jeden Fall durch weite

Zeiträume getrennt ist, dem Theologen als solchem, nament­ lich dem praktischen Theologen, ein aus seine theologische

Gesammtauffaffung bezügliches Interesse zu gewähren im Stande sei.

Ich glaube mir für heute die Aufgabe zu­

weisen zu dürfen. Sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Art, wie in den letzten Jahren diese literärkritische

Frage behandelt

wurde,

nicht

nur

von

dem

größten

Einflüsse geworden ist für die Auffassung des gesammten Alten Testamentes, sondern auch ein so wesentlich neues

Bild der alttestamentlichen Entwickelung erzeugt hat, daß die Verschiedenheit der Auffassung auf diesem Gebiet aller-

dingS von hoher Wichtigkeit ist für die Anschauung von der Vorbereitung des Christenthumes, somit geeignet, jedem

Theologen Interesse zu erwecken. Erst seit etwas über hundert Jahren beschäftigt man sich

überhaupt

mit Quellenkritik des Pentateuches, seit

1753, als die Conjectures von Astrüc erschienen.

Dieser

eigentliche Anfänger der Pentateuchkritik trug seine Analyse

vor in dem Sinne, daß Mose es war, welcher verschiedene Urkunden benützte.

Bon dieser Anschauung, daß Mose

sich denken lasse nach der Weise der späteren jüdischen Tradition als der eigentliche Verfasser oder doch Redactor

des Pentateuches sind aber diejenigen, welche überhaupt die Berechtigung einer kritischen Analyse zugeben, längst

zurückgekommen.

Sie geben theilweise wohl eine Mosaische

39 Grundlage der alttestamentlichen Gesetzgebung zu, verlegen aber die Quellenschriften selbst durchgehend in weit spätere

Zeiten.

Es wird allerdings die Berechtigung der Quellen­

kritik auch jetzt noch nicht von allen zugestanden.

Aber

der Vertreter des Faches sind doch nur wenige, welche wie

Hengstenberg'S Schüler Keil

dieselbe einfach ablehnen.

Heute, m. H., wo ich über den gegenwärtigen Stand der alttestamentlichen Wissenschaft zu referiren habe, muß ich

einfach die quellenkritische Untersuchung als etwas Ge­

stehendes und zwar unter den wissenschaftlichen Pflegern

des Faches fast allgemein Anerkanntes voraussetzen, ohne diese Weise der Behandlung rechtfertigen zu können.

Nur

das möchte ich vorausgeschickt haben, daß die Kritik auf

diesem Gebiete — ich meine die Sonderung von Quellen

an und für sich, nicht die gerade jetzt herrschende Art der Kritik — mir einmal durch den Befund der überkommenen Literatur unabweisbar

geboten und dann auch für den

Charakter dieser Literatur als einer heiligen durchaus un-

bedenllich zu sein scheint.

Wir zerstören dadurch nicht ein

Selbstzeugniß dieser Literatur; denn der Pentateuch als Ganzes gibt sich keineswegs für ein Werk des Mose aus;

erst die spätere jüdische Anschauung hat ihn dazu gemacht. Mag nun dieses große Sammelwerk von Mose zusammen­ gestellt sein oder von einem weit Späteren — es gibt uns

Zeugniß von einer gottgewirkten Leitung und Erziehung

des Volkes Israel; es ist, weil von heiliger Geschichte zu uns redend und in einer solchen Weise davon redend, wie

es dienlich war, um Israel auch durch diese Schriften zu

erziehen für

die Aufnahme der Offenbarung Gottes in

40 Christo Jesu — es ist und bleibt un- deßhalb ein Bestand -

theil der heiligen Literatur. 2.

Vor zehn Jahren erschien ein Buch, von welchem,

wenn ich nicht allzuweit

von der Gegenwart mich ent­

fernen will, hier auszugehen gestattet sein mag, nicht um

wesentlicher Neuheit seines Inhaltes willen, wohl aber deßhalb,

weil

sein Erscheinen

eine

Wende

bezeichnet,

wenigstens für Deutschland, in der Beurtheilung penta-

tenchischer Fragen.

Im Jahre 1874 veröffentlichte

Straßburger Kayser seine Schrift:

der

„Das vorexilische

Buch der Urgeschichte Israels und seine Erweiterungen". Die Absicht war, als den ältesten Theil des PentateucheS

jenes Erzählungsbuch darzustellen, welches wir nach dem vorherrschenden Gebrauche des Gottesnamens Jehova oder

Jahwe als das jehovistische Buch zu bezeichnen Pflegen, jenes Buch, welchem die schönen detaillirten, culturgeschicht-

lich und psychologisch fein ausgemalten Erzählungen der Patriarchenzeit wie der Mosaischen Zeit angehören, wäh­

rend nur ein Keines gesetzliches Stück Ex. 21—23. 34

demselben zugewiesen wird.

Die nächste Erweiterung dieses

seinerseits wieder aus verschiedenen Quellenschriften zu­

sammengesetzten BucheS soll das Deuteronium sein und

eine daran anschließende, vom Deuteronomiker vollzogene Ueberarbeitung der jehovistischen Erzählungen aus der Ge­ schichte des Josua.

Erst nach dem Exil unter Esra kam

ein großes neues Buch hinzu, wesentlich gesetzlichen, speciell

ceremonialgesetzlichen Inhaltes. die

großen

B. Exodus,

gesetzlichen

Demselben sind zuzuweisen

Partieen,

vorzugsweise LeviticuS

welche

theilweise

daS

und Numeri füllen.

Eingerahmt sind diese gesetzlichen Stücke von geschichtlichen

41 Berichten, welche, mit der Weltschöpfung beginnend, durch­ aus nur das Gerüste der Gesetzgebung bilden, deßhalb dürr

und kahl sind, wo sie dieser nicht direct dienstbar sein können, ausführlich meist nur da, wo sie Cultuseinrich­

tungen, wie die Einsetzung des Sabbaths und der Be­ schneidung zu «fernen haben.

Einzelne Novellen dieses

großen Gesetzbuches sollen erst der Zeit nach Esra angehvren; im wesentlichen aber war dies Buch fertig, als Esra dasselbe für die neue jüdische Colonie als das gültige Gesetz publicirte.

Es ist dies jener Theil des Pentateuches,

um dessen Entstehung sich die Verhandlungen der neuesten Zeit gedreht haben.

Man hat verschiedene Benennungen

für dieses gesetzliche Buch vorgeschlagen.

demselben bis

Nach dem in

auf die Gottesoffenbarung an Mose ge­

brauchten GotteSnamen Elohim nennt man dasselbe wohl

das elohistische Buch.

Es gibt aber auch elohistische Be­

standtheile außerhalb desselben, welche, mit jahwistischen

enge verwoben, dem „vorexilischen" Erzählungsbuche Kayser'S angehören.

Wir ziehen vor, jenes Buch zu bezeichnen

als die priesterliche Schrift, mag man daran dabei denken,

daß dasselbe von Priestern geschrieben war oder daran,

daß eS zum größten Theil Vorschriften enthält für die Vollziehung des priesterlichen Dienstes.

Kahser's Darstellung war nicht neu.

Sie war eine

Wiederaufnahme der von Graf im 1.1866 („Die geschicht­ lichen

Bücher

Hypothese.

des

Alten Testaments")

vorgetragenen

Graf wie Kayser sind Schüler von Reuß,

welcher in seinen Vorlesungen seit 1834 (1833) hinsichtlich

des sog. Priestercodex, d. h. des in der Schrift"

„priesterlichen

enthaltenen Gesetzes, dieselbe Anschauung vor-

42 getragen hatte.

Doch hatte Reuß wie zuerst auch Graf

(in der angeführten Schrift) den Priestercodex getrennt

von den denselben einrahmenden erzählenden Bestandtheilen und hatte diese für älter gehalten.

Gleichzeittg fast mit

Reuß und unabhängig von ihm waren im 1.1835 Vatke

und George für ungefähr dieselbe Consttuction der Penta­

teuchentstehung eingetteten.

Die Anschauung der Reuß'-

schen Schule, mit welcher der Altmeister selbst bis auf

einige Andeutungen in wenig beachteten Artikeln erst allerneuestens in die Oeffentlichkeit hervorgetreten ist, würde

in Deutschland sicher um einige Jahre früher das allge­

meine Interesse in Anspruch genommen haben, wenn ein

in den Jahren 1869/70 erschienenes, auf dieser Hypothese sich auferbauendes groß angelegtes Werk nicht in der für viele unzugänglichen holländischen Sprache erschienen wäre.

Ich meine das durch seinen Scharfsinn und seine rücksichts­

lose Handhabung historischer Kritik ausgezeichnete Werk von Ku en en :

De Godsdienst van Israel.

Es blieb

bei uns zunächst wider Verdienst unbeachtet, bis zuerst die kleine Schrift von Kayser diese Fragen wieder in An­

regung brachte, worauf gleich im folgenden Jahre 1875 Duhm in seiner um ihrer geistvollen, wenn auch durch­ aus nicht immer haltbaren Bemerkungen willen bemerkenöwerthen „Theologie der Propheten" eben diese Anschauung

zu Grunde legte und bald darauf in den Jahren 1876/77

in den Jahrb. für deutsche Theologie Wellhausen'S

im allgemeinen dasselbe Resultat erzielende geistvolle Ana­ lyse des Hexateuches erschien.

Den historischen Gewinn

dieser Analyse hat Wellhausen zusammengefaßt in seinem zuerst 1878 erschienenen ersten Bande einer „Geschichte

43

Israels", welcher neuerdings (1883) in zweiter Auflage als „Prolegomena zur Geschichte Israels" unter richtigerem

Titel herausgegeben wurde;

die eigentliche Volksgeschichte

ist darin noch nicht behandelt, nur die Literatur- und

Cultusgeschichte.

Auch letztere wurde durchaus sachgemäß

zur Grundlage gewählt für den Aufbau der israelitischen

Geschichte, weil in der That die Anschauung von der Ent­

wickelung des Cultus den Ausgangspunkt der neuen Dar­ stellung bildet.

Dieses Werk hat, wie Ihnen allen bekannt,

in weiten Kreisen das größte Aufsehen erregt und bei der Mehrzahl der Vertreter des alttestamentlichen Faches eine völlige Umwandlung ihrer Anschauungen hervorgebracht.

Durfte bis dahin seit de Wette und namentlich durch den Einfluß Ewald's und seiner Schule hinsichtlich der

zeitlichen Folge

der

pentateuchischen Bestandtheile

als

herrschende Anschauung diese gelten, daß der älteste Be­ standtheil die priesterliche Schrift mit dem großen Gesetz­

buchs sei, der zweite das jehovistische Erzählungsbuch und der dritte und jüngste das unter Josia publicirte Deutero­

nomium, so verlegte man jetzt den erstgenannten Theil an das Ende der Entwickelung.

Wellhausen selbst hat ein kurz zusammenfassendes Bild der israelitischen Geschichte,

wie sie sich ihm auf dieser

Grundlage darstellt, gegeben in seinem Artikel Israel in

der Encyclopaedia Brittannica. größeren Werken ist

Von seitdem erschienenen

auf derselben Grundlage auferbaut

der Commentar von Sm end zu Ezechiel (1880) und die

erst in einigen Lieferungen erschienene „Geschichte Israels"

von Stade, woneben noch genannt werden mag Budde's „Biblische Urgeschichte" (1883), welche die Voraussetzungen

44 der genannten Werke theilt, ohne gerade bei minutiös

detaillirter Untersuchung der Quellenbestandtheile für die Gesammtanschauung Neues zu bringen.

mit

dem

Hauptwerke

Wellhausen's,

Schon gleichzeitig

also

nicht beeinflußt, hat Hermann Schultz

durch dieses sich in

der

zweiten Auflage seiner „Alttestamentlichen Theologie" (1878)

entschlossen, die gesetzliche Periode, welche früher den Aus­ gangspunkt seiner Darstellung gebildet hatte, als den Ab­

schluß

der

prophetischen Entwickelung zu charakterisiren.

Im 1.1881 trat dann auch der eigentliche Urheber dieser

Darstellung, Reuß, mit derselben hervor in seiner „Ge­ schichte der heiligen Schriften des Alten Testaments", nach­ dem er einige Jahre früher dieselbe bereits in der glän­

zenden Einleitung zum Pentateuch in seinem französischen

Bibelwerke vertreten hatte (1879). Als solche, welche in breiteren Ausführungen gegen

die neue Construction eintraten, sind hervorzuheben Dill­ mann in seinem Commentare zum Pentateuch (seit 1875)

und Delitzsch mit einer großen Reihe von Aufsätzen in der Zeitschr. f. kirchl. Wiss. u. kirchl. Leben (seit 1880). Auch ist hier noch zu erwähnen die Schrift von Breden­

kam p „Gesetz und Propheten" 1881, ferner eine ausführ­

liche, in einzelnen Punkten richtig urtheilende Kritik des Wellhausen'schen Werkes von Kittel („Die neueste Wen­ dung der pentateuchischen Frage" in : Theologische Studien aus Württemberg 1881/82).

Unter den bisher schweigen­

den Gegnern ist um seiner von allen anerkannten Un­ befangenheit sowohl als Sachverständigkeit willen einer zu

nennen, dessen Gegnerschaft Wellhausen in der Vorrede seiner neuen Auflage mit respektvollen, aber nicht minder

45 sein Bedauern bekundenden

Worten

der

Verborgenheit

entzieht : ich meine einen der ersten unter unseren Orien­

talisten, Theodor Nöldeke, welcher bei dem Stand­ punkte seiner Untersuchungen von 1869 im Gegensatze zu Graf verharrt.

3.

Es ist bekannt, mit welcher Leidenschaftlichkeit von

der einen und Empfindlichkeit von der anderen Seite über die hier skizzirte Angelegenheit ist verhandelt worden. Es

muß

aber

bemerkt

werden,

daß

die Leidenschaftlichkeit

weniger kommt auf das Conto der sachverständigen Gegner der neuen Construction, als auf dasjenige ferner Stehender, welche, nicht immer mit der genügenden Kunde ausge­

stattet,

sich

berufen fühlten,

in

anderwärts darüber zu referiren.

Kirchenzeitungen und Woher diese Erregtheit

in der Behandlung einer, wie es scheint, sehr indifferent­ literaturhistorischen Frage?

Zu einem guten Theile erklärt

sich dies Auftreten von gegnerischer Seite daraus, daß die

neue Hypothese von einigen ihrer Vertreter — durchaus nicht von allen — vorgetragen worden ist mit solchen

Nebenausführungen, welche, zum Kerne der Darstellung durchaus nicht gehörend, kaum anders als pietätlos be­

zeichnet werden können, sowohl mit Rücksicht auf die ehr­ würdige Literatur, um welche es sich handelt, als mit Rücksicht auf würdige Personen, welche auf gegnerischer'

Seite standen.

Aber die bedauerliche Form einzelner Dar­

stellungen kann zur Erklärung der Schärfe des hervor­ gerufenen Gegensatzes doch nicht genügen; diese muß in

der Sache ihren Grund haben. so bedenllich halten,

Sollte man nun das für

daß die zeitliche Ansetzung einiger

Bestandtheile der heiligen Schrift um einige Jahrhunderte

46

verschoben wird?

Aber auch auf der äußersten Rechten

— wenn ich dieses Ausdruckes mich hier bedienen darf —

der heutigen Theologie sind nur ganz vereinzelte Stimmen, welche den Pentateuch nach der Weise früherer Tradition

als

Mosaisch

Böhl

eingetreten Selbst

sich

vorstellen.

Ungefähr ist

neuerdings

(„Zum Gesetz und zum Zeugniß" 1883) und doch

auch

Bredenkamp

hierfür

er nur mit Modifikationen.

gibt bedeutende

Verschiebungen

jenes alttraditionellen Bildes der Entstehung des Pentateuches zu, und Delitzsch trägt neuerdings eine Zeitfolge der

Pentateuchbestandtheile

vor,

welche

derjenigen

der

Reuß'schen Hypothese entspricht, nur daß bei ihm etwa unter Josia fällt was dort unter Esra.

Der Leipziger

Dr. König, welcher in seinem „Offenbarungsbegriff des Alten Testamentes" (1882) eintritt für ein mit dem leib­

lichen Ohre wahrnehmbares Reden Gottes zu den Pro­

pheten und in seiner jüngst erschienenen Broschüre : „Die Hauptprobleme

der

altisraelitischen

(1884) für eine durchaus

Religionsgeschichte"

realistische Auffassung der alt-

testamentlichen Aussagen von einer Licht- und Feuernatur

Gottes, welcher also mit modern-theologischen Ideen kaum Berührungspunkte hat, erklärt sich bezüglich der literatur­

geschichtlichen Auffassung

geradezu für einen „Wellhau-

senianer".

4.

Darüber, m. H., darf doch wohl ein Zweifel nicht

bestehen, daß für denjenigen, welcher nicht etwa um der späteren jüdischen und christlichen Tradition willen einen Werth legt auf die Mosaische Herkunft des PentateucheS im vollen Sinne des Wortes,

daß für einen solchen es

theologisch indifferent sei, ob ein Theil des PentateucheS

47 einige Jahrhunderte

früher

oder später angesetzt wird.

Das ist unter jener Voraussetzung eine rein literatur­

geschichtliche Frage.

anders.

Aber die Sache liegt doch bei weitem

Zunächst auf Grund jener literaturgeschichtlichen

Anschauung wird das Bild der altisraelitischen Geschichte

ein vollständig anderes.

Früher stellte man an die Spitze

der specifisch israelitischen Entwickelung ein

ausgebildetes

Gesetz, Sittenlehre wie Cultuslehre umfassend.

Die Pro­

pheten wenigstens sollten ein solches Gesetz voraussetzen.

Sie sollten in Ergänzung, vielleicht auch in theilweiser

Correctur dieses Gesetzes den höheren Werth des Moral­ gebotes dem Cultusgebote gegenüber predigen.

Und jetzt?

Das Moral- wie das Cultusgesetz am Anfänge fällt weg. Die

Propheten

haben

davon

nichts

vorgefunden:

der

Dienst eines Gottes, welcher als Nationalgott in einem

physischen Zusammenhänge mit Israel steht, welcher natura­ listisch, kaum ethisch bestimmt ist und deßhalb ethische Forderungen an sein Volk nicht stellt — das ist es, was

nach Kuenen u. A. die Propheten vorgefunden haben. Nach Duhm bestand diese religiöse Auffassung ohne eine

ethische Umbildung noch bis auf Amos und Hosea; nach Kuenen's viel besonnenerem Urtheil ist eS nicht zu ver­

kennen, daß AmoS und Hosea die von ihnen gepredigte

Religion bereits voraussetzen; sie ist gebildet worden nach ihm von den Propheten des dunkeln neunten Jahrhunderts,

von welchen Sicheres Niemand weiß.

Aber wo immer

man den Anfang der specifisch alttestamentlichen Religion

ansetzen möge, vielleicht mit einziger Ausnahme des Be­ gründers der neuenConstruction, Reuß (wenn ich absehe

von dem unter den Wellhausenianern wie ein verirrter

48 Fremdling erscheinenden Dr. König), wollen wohl alle Vertreter derselben eine in mündliche oder schriftliche Ge­

bote gefaßte ethische Auffassung nicht zum vorprophetischen

Ausgangspunkte des israelitischen JahwediensteS machen, sondern erst durch die Propheten ist in allmählicher Ent­

wickelung

der

Dienst

eines

naturalistisch

bestimmten

Nationalgottes umgewandelt worden in denjenigen eines

ethisch bestimmten Gottes.

Abgesehen von unbedeutenden

Ansätzen hat die moralische wie die kultische Gesetzgebung erst begonnen, als die prophetische Predigt zu verstummen

anfing.

Moral- und CultuSgesetz sind die theils correcte,

theils mißbildete Versteinerung des im freien Propheten­

worte vorgetragenen Gehaltes. So, m. H., wird allerdings das Bild der alttestament-

lichen Entwickelung ein von dem älteren sehr wesentlich

differirendeS.

ES ist schwer, mit wenigen Worten ein

Urtheil darüber zu fällen für einen solchen, der sich für

seine Behauptungen nicht auf veröffentlichte eigene Unter­ suchungen über diesen Punkt berufen kann.

Unbestreitbar

scheint mir und — wenn ich mich nicht irre — wohl allen

wissenschaftlichen Gegnern der neuen Construction die- zu

sein, daß der Priestercodex da- allgemein giftige Gesetzbuch

Israels erst unter Eöra wurde.

Seine damalige Publi­

cation vor dem Volke ist deutlich ein Novum.

Ebenso

darf meine- Erachtens — ich kann hier nur im eigenen Namen reden — als sicher angesehen werden, daß das ganze dieses Gesetz

Schrift")

enthaltende Buch (die „priesterliche

jünger ist als das jehovistische Erzählungsbuch.

ES geht dies aus dem Charakter der Erzählung-- und

Auffassung-weise hervor.

Das jehovistische Buch schildert

49

Cultussitten, welche dem Naturdienste noch sehr nahe stehen. DaS Priesterthum ist nach ihm noch in den ersten An­

fängen

der

Entwickelung.

Ausgezeichnet hat,

um uur

einen Punkt aus dem Gebiete der eigentlich theologischen Anschauung hervorzuheben, Ku en en dargestellt, wie der

Monotheismus der priesterlichen Schrift ein ungleich ent­

wickelterer ist dem einfacheren des Jahwisten gegenüber.

Dieser weiß nur von dem Gotte Israels, von Jahwe;

da­

rüber reflectirt er nicht, in welchem Verhältnisse die Jahwe-

Vorstellung zu der Gottes-Vorstellung überhaupt stehe. Jene dagegen unterscheidet zwischen Elohim als der Be­

zeichnung

des GotteS aller Welt und Jahwe als dem

Namen des Gottes, welcher mit Israel einen Bund ge­ Indem

schlossen.

die priesterliche

Schrift

den Elohim,

welcher die Welt geschaffen und den Patriarchen unter dem

Namen El schaddaj sich offenbart hat, dem Mose sich kund thun läßt mit dem neuen Namen Jahwe, erklärt sie auf

Grund

einer

bewußten

monotheistischen

Ueberzeugung,

welche an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, daß der Begriff des Gottes Israels mit dem Begriffe der

Gottheit sich deckt, daß es einen andern Gott neben Jahwe

nicht gibt. Wenn aber die priesterliche Schrift einmal jünger ist als das jehovistische Buch und zweitens erst unter Esra ihr Gesetz als Volksgesetz publicirt wurde, so ist damit noch

durchaus nicht entschieden, daß erst in der Zeit ESra'S

diese Schrift entstanden sei.

WaS

uns

davon

abhält,

dieser jetzt herrschenden Anschauung beizustimmen,

sind

nicht einzelne Schwierigkeiten, welche entgegenzustehen scheinen, sondern ist die für unS bestehende Unmöglichkeit

4

50 der Vorstellung, daß erst die cultuslose Zeit des Exils oder

die des in der neuen jüdischen Colonie in kleinen Anfängen wieder beginnenden Cultus mit der Codificirung der Cere-

monialtradition sollte begonnen haben, und nicht nur das,

sondern — so wäre es nach der neuen Construction zu

denken — daß diese Zeiten die Cultustradition wesentlich sollten umgebildet haben.

Namentlich in der Zeit des

ESra hat eine durchgreifende Neugestaltung keine Stelle, da uns diese Zeit in den authentischen Memoiren des

Esra und des Nehemia wie in der Erinnerung der folgen­

den Generationen

von ESra'S

und

seiner

Zeitgenossen

Thätigkeit durchaus nicht als productiv entgegentritt.

Da­

gegen wäre es unbegreiflich, wenn nicht schon vor dem Exile der seit Salomo zu Jerusalem bestehende Tempelcult sich sollte feste Normen geschaffen und dieselben während

dieses langen Zeitraumes schriftlich zu fixiren begonnen haben, und wenn dies der Fall war, weiter unbegreiflich,

daß

die spätere Zeit,

welche auf Wiederherstellung des

salomonischen Tempels mit seinem Cultus ausging, wesent­ lich neue Cultussatzungen sollte an die Stelle der vor­

handenen alten gesetzt haben. Man sagt, der Cultus sei im Priestercoder entwickelter

al« im Deuteronomium, folglich der Priestercoder später als die Zeit Josia's.

Jenes ist unbedingt zuzugeben, aber

die Folgerung nicht mit Nothwendigkeit daraus zu ziehen. ES hat vor Josia keinen einheitlichen Cultus, also auch

keine einheitliche Cultussitte gegeben.

Der Cultus an dem

großen Heiligthum des jerusalemischen Tempels wird früh­ zeitig ein entwickelterer gewesen sein als derjenige an den

Heiligthümern der Landstädte.

ES kann so liegen, daß der

51 Priestercodex die Cultussitte des vorexilischen jerusalemischen Heiligthums ins Auge faßt, theils wie dieselbe wirklich war, theils wie man ihre Weiterentwickelung erstrebte,

während das Deuteronomium den einfacheren Cultus der

Landstädte mit ihren Bamoth

zu Grunde legt.

Diese

Möglichkeit wird dadurch näher gelegt, daß das deutero-

nomische Gesetz deutlich nicht specifisch im Interesse der

jerusalemischen Priesterschaft, der Zadokiden, verfaßt wurde, wie eS überhaupt ein Cultusgesetz nicht sein will, sondern als ein Volksgesetz der Gottesdienstordnung nur nebenher

und unvollständig Erwähnung thut.

Aus der angedeuteten

Beurtheilung des Priestercodex als des Gesetzbuches des jerusalemischen Tempels ergibt sich, weßhalb der Priester­

codex von der

„Gemeinde"

redet und nicht vom Volke

Israel und weßhalb er ein einziges Heiligthum als be­ stehendes voraussetzt.

Es hat sich meiner Anschauung eine vorexilische An­ sehung des Priestercodex — ich will allgemein sagen, da

derselbe nicht aus einem Gusse ist — neben dem Deu­ teronomium bisher immer mehr dadurch empfohlen, daß

ich verschiedene Schilderungen des Priestercodex auf die

nachexilische Zeit durchaus nicht passend finde, so nament­ lich die Unterscheidung nur von Leviten und Priestern

innerhalb des am Heiligthum dienenden Personals, während in der nachexilischen Zeit neben den Priestern, d. i. den

Zadofiden, die Leviten, d. i. die Nachkommen derjenigen, welche Priester gewesen waren an den durch Josia'S Reform

eingegangenen Heiligthümern, und außerdem noch nie­ dere Diener des Tempels, die Sänger und Thorhüter,

vorhanden waren, letztere in den Memoiren des Esra

52 bestimmt von den Leviten unterschieden.

der Reform Jerusalem

des Sofia

naturgemäß

dagegen nur

zwei

Für die Zeit vor am Tempel zu

kamen

Claffen

in Betracht,

eigentliche Priester und ihnen untergeordnete HeiligthumSdiener, wie uns zwei derartige Claffen in den Schilde­

rungen

der

„priesterlichen

Schrift"

als Priester und

levitische Heiligthumsdiener entgegentreten. Auch das in der Regel für die Graf'fche Construction als entscheidend entgegengehaltene ideale Gesetz des Ezechiel

ist keine unsere Ansetzung abweisende Instanz.

ES ist viel

leichter begreiflich, daß Ezechiel, bekannt mit dem Priestercoder, dessen Cultusordnung zu modificiren wagte, weil er

dieselbe, als für den untergegangenen salomonischen Tempel

bestimmt, mit diesem abrogirt dachte, Ezechiel folgender Gesetzgeber,

als daß ein auf

für das neue Jerusalem

und seinen Cultus schreibend und — das wäre bei der unbestreitbaren Verwandtschaft nothwendig anzunehmen — mit Ezechiel bekannt und dessen Cultusordnungen im all­

gemeinen billigend, sich ermächtigt befunden hätte, von

diesem prophetischen Gesetze, welches dem für Ezechiel zu­

künftigen Jerusalem, also dem unter ESra wiederhergestellten galt, willkürlich abzuweichen. gesetzte Unterscheidung

Die im Priestercodex voraus­

von Priestern

und HeiligthumS-

dienern (Leviten) hat nicht, wie man behauptet, Ezechiel

erst geschaffen.

Er weist nur solchen Leviten, welche bis

dahin Priester gewesen waren, nämlich an den Bamoth,

eine dienende Stellung statt der priesterlichen an zur Be­ strafung für die von ihnen an den Bamoth geübte Ab­

götterei.

Gab eS, wie unzweifelhaft hervorgeht aus der

Classe der aus dem Eril heimkehrenden Tempelsänger und

53 Thorhüter schon vor dem Exil einen Stand von Tempel­

dienern, so war es also die Absicht des Ezechiel, die zu Tempeldienern degradirten Höhenpriester diesem bereits bestehenden Stande einzugliedern, nicht

aber einen

solchen Stand erst zu schaffen. Ganz besonders habe ich gegen die Graf'sche Construction noch einzuwenden die Schwierigkeit, sich nach ihr

ein Bild zu machen von der Redaction des Pentateuches.

Ein im Geiste und mit der Sprache des Deuteronomiums schreibender Redactor hat vom Deuteronomium an als der

Abschiedsrede des Mose den Geschichtsbericht (für die Zeit Josuas) überarbeitet.

Nach seiner Verwandtschaft mit dem

Deuteronomium zu urtheilen, ist er nicht allzuweit von diesem abzurücken, nicht

später als im Exil anzusetzen.

Dieser „Deuteronomist" soll nach der modernen Construction nur das deuteronomische Gesetz gekannt und ausgenommen

haben.

Aber wie seltsam, daß er demselben nicht am

Sinai, sondern in Moab, am Lebensabende des Gesetz­

gebers vom Sinai eine Stelle anwies als Recapitulation des

sinaitischen

Gesetzes,

während

in

dem

durch

den

Deuteronomisten abgeschlossenen Buch ein eigentliches Sinai-

Gesetz gar nicht gestanden hätte.

Diese vom Deuterono­

misten dem Deuteronomium angewiesene Stelle finde ich

nur dann erllärlich, wenn derselbe den Priestercodex als das ältere sinaitische Gesetz bereits kannte und vor dem Deuteronomium aufnahm.

Bei unserer zeitlichen Ansetzung des Priestercodex soll

jedoch nicht ausgeschlossen sein, daß einzelne und sogar wichtige Bestandtheile dieses Gesetzbuches, wie z. B. etwa

54 da- Gesetz des Versöhnn ngstages, erst in nachexilischer

Zeit entstanden sind. Die Differenz hinsichtlich der Zeit des Priestercodex um etwa 200 Jahre von der Ansetzung nach der Graf'schen

Hypothese ist nun nicht so bedeutend, wenn wir die großen Perioden ins Auge fassen, mit welchen wir im allgemeinen

für die alttestamentliche Geschichte zu rechnen haben.

Wohl

aber ist daS so entstehende Geschichtsbild ein von dem jetzt herrschenden wesentlich differirendeS.

Die Gesetzgebung

ist darnach nicht, wie man neuerdings will, ein Nieder­

schlag der prophetischen Entwickelung, ihr abschließendes Resultat, sondern die Bildung des Gesetzes ist in den Priesterkreisen parallel erfolgt mit der Predigt der Pro­

pheten. 5.

Wir sind damit bei einer Differenz angelangt,

welcher man eine historische Wichtigkeit nicht wird ab­ sprechen können. Welches aber ist das theologische Interesse,

welches wir mit dieser Differenz verbinden und welches

man heutzutage allgemein dem Gegensatze gegen die neue

Construction zuzusprechen pflegt.

Dieses specifisch theo­

logische Interesse hängt zusammen mit der Verschiedenheit der Methode hüben und drüben.

Sm end in seiner

Abhandlung über die Genesis des JudenthumS (Zeitschr. für die alttestamentl. Wissenschaft 1882, S. 114) hat ganz

richtig diesen methodischen Gegensatz als einen centralen

erkannt.

Die Art der modernen Methode scheint mir am

deutlichsten zu werden in der ganz konsequenten Ueber-

tragung auf das Gebiet der prophetischen Literatur, welche sie neuerdings erfahren hat.

Zunächst mußte Joel, welchen

man bis dahin als einen der ältesten Propheten angesehen

55 hatte, in späte Zeiten verlegt werden, doch wohl nicht deßwegen, weil die von ihm geschilderten politischen Ver­

hältnisse nur den späteren Zeiten entsprächen,

sondern

zunächst weil er eine Form des Cultus voraussetzt, welche nach

der neuen Pentateuchconstruction für die

Königszeit nicht paßt.

mittlere

Hierüber läßt sich streiten.

Neuer­

dings aber ist in einigen Aufsätzen der Zeitschr. f. d. alt-

ausgesprochen

testamentl. Wissenschaft

worden,

daß

die

prophetischen Schriften einer gründlichen Sichtung echter und

unechter Bestandtheile

bedürften auf Grund ihrer

biblisch-theologischen Beurtheilung. diesen

biblisch-theologischen

Woher entnimmt man

Maßstab?

Nicht

aus

den

Quellen selbst, wie sie uns überkommen sind; denn die einzigen vorhandenen Quellen sind eben zu sichten.

Viel­

mehr steht das Bild einer geradlinigen theologischen Ent­

wickelung von vornherein fest und darnach wird ausgeschieden was zu diesem Bilde nicht paßt.

Bekehrung

Assurs

oder

Jesaja redet von der

derjenigen Aegyptens.

Andere

Stellen des B. Jesaja, wo von einer Bekehrung aller Völker die Rede ist, sollen demnach als unecht ausgeschieden

werden, weil beides neben einander nicht bestehen könne. Anders ist im Grunde auch die moderne Pentateuchkritik nicht verfahren; nicht äußere Zeugnisse, nicht der Befund der Quellenkritik sind dafür entscheidend, sondern zu Grunde

liegt

die Anschauung

einer ohne Stockungen und Ab­

weichungen in einer Linie

von Religion und Cultus.

fortlaufenden Entwickelung

Wenn wir dagegen protestiren,

so ist es deßhalb, weil wir uns methodisch nur für be­

rechtigt erachten, aus den Quellen selbst die geschichtliche Entwickelung zu construiren, nicht die Quellen zu kritisiren

56

nach einer zunächst im Großen festgestellten geschichtlichen Entwickelung.

6.

Die

theologische Differenz

methodischen unabtrennbar.

ist

von

dieser

Die specifisch alttestamentliche

Religion hat sich nicht nach der Meinung aller, aber ich darf wohl sagen, nach derjenigen der Mehrzahl der An­

hänger der Graf'schen Construction allmählich entwickelt,

ohne einen einmaligen Bruch, aus der zu Grunde liegen­

den althebräischen Naturreligion.

Am unumwundesten ist

dies ausgesprochen in den hochinteressanten Hibbert-Vor­

lesungen Ku en en'S über „Volksreligion und Weltreligion".

Nun, m. H., daß die alttestamentliche Religion nicht reine Geistesreligion ist, daß sie noch viel Naturalistisches ent­

hält — denken Sie nur an Beschneidung und ReinigungSceremonien — soll nicht im mindesten bestritten werden.

DaS ist

das Durchschlagende gewesen in Schelling'S

bizarren Vorlesungen über die Philosophie der Offenbarung,

daß er das Ineinander von Naturreligion und Geistes­

religion für die alttestamentliche Periode im Gegensatz zur christlichen glänzend geltend gemacht hat.

Die Mosaische

Religion setzt voraus eine Naturreligion und sie bleibt im

Kampfe mit derselben;

Ueberwindung

der

erst das Christenthum hat mit

naturalistischen

Geistesreligion dargestellt.

Elemente

die

reine

Aber der Anfang jenes Kampfes,

den wir im Alten Testament beobachten, ist als aus der naturalistischen Grundlage heraus entstanden nicht zu be­ greifen.

Stoch Niemand ist im Stande gewesen, historisch

zu erklären, wie jener Entwickelungsproceß des ethischen

Monotheismus vermittelt zu denken sei.

Er läßt sich im

Verhältnisse zur Raturreligion nur als ein absolut Neues,

57 als ein absoluter Bruch mit jener begreifen.

Darum

protestiren wir dagegen, daß man jene Entwickelungstheorie auch auf den Zusammenhang des ethischen Monotheismus

mit der Naturreligion überträgt.

Ob man jenen neuen

Anfang dem Mose zuschreibt oder etwa dem Elia, welchem sich Gott offenbarte nicht im Sturm, Erdbeben oder Feuer,

sondern im Windesweben als dem nächstliegenden Analogon

des Geistes — das ist dabei theologisch ziemlich indifferent. Was uns veranlaßt, bei der Annahme zu bleiben, daß die alttestamentliche Religion in ihrer Eigenart durch Mose

begründet wurde, ist lediglich der Umstand, daß die hebrä­ ische Tradition von keinem anderen außer von Mose, auch nicht etwa von Samuel oder Elia, derart lautet, daß sich

vorstellen ließe, derselbe sei der Begründer der specifisch

israelitischen Religion

gewesen.

Will

man

aber

einen

irgendwann einmal erfolgten Bruch mit der Naturreligion nicht zugeben und auch hier die geradlinige Entwickelung

festhalten, dann ist nur die durchaus entsprechende Conse­ quenz diejenige, welche Ku en en in den genannten Vor­ lesungen deutlich genug zieht, daß auch die Predigt Jesu nichts anderes sei als das Facit aus der vorangehenden

israelitisch-jüdischen Entwickelung.

Der „Schlußstein" der­

selben ist jene Predigt ja gewiß, aber auch an dem Gebäude entnimmt man nicht den Schlußstein aus dem bis dahin

verarbeiteten Material.

7.

Diese theologischen Consequenzen sind aus der

sog. Graf'schen Hypothese

nicht

mit Nothwendigkeit

ziehen; sie sind nur zumeist damit verbunden.

zu

Der ehr­

würdige noch lebende unter den Urhebern dieser Hypothese hat sich in seinem erwähnten neuesten großen Werke deut­ lich

genug

gegen derartige Consequenzen ausgesprochen.

58 Tür ihn ist jene Pentateuchconstruction eine solche, welche er glaubt gewinnen zu müssen mit einem historischen Ver­

fahren, wie alle historischen Kritiker im Princip eS billigen

müssen.

Es ist wohl wenigstens zum Theil diese metho­

dische Differenz zwischen Reuß und

seinen Nachfolgern

gewesen, welche eS veranlaßt hat, daß sein Werk von diesen

so ziemlich mit Stillschweigen

übergangen wurde.

UnS

aber gibt der vereinsamte Standpunkt des Urhebers der modernen Kritik

urtheilende

die Hoffnung,

Zeiten

jene

daß kommende

historischen

historisch behandeln werden.

Fragen

ruhiger

auch

rein

Was wir gefährlich erachten

an der herrschenden Darstellungsweise

israelitischen

der

Literaturgeschichte sind nicht die erzielten historischen Resul­

tate als solche, sondern es ist die Methode, mit welcher man theilweise dazu gelangte und die Tendenz, welche sich — auch sie nur theilweise — damit verbindet.

Wie einmal von Tübingen aus eine große Umwälzung au-ging bezüglich der Beurtheilung der neutestamentlichen

Literatur, so sind wir jetzt für das Alte Testament in eine

ähnliche Bewegung

versetzt.

Analogieen

zwischen

den

Principien und dem Verfahren auf beiden Seiten fehlen

nicht.

ES ist nicht zufällig, daß einer der ersten Vertreter

der neuen Hypothese aus dem Gebiete des Alten Testa­ mentes, Vatke, seine geschichtliche Darstellung auf der

Grundlage Hegelscher Gedanken aufbaute.

Andererseits ist

nicht zu verkennen, daß die an ihn sich Anschließenden

zum großen Theile mit freierem Verständnisse für geschicht­ liche, namentlich auch für religionsgeschichtliche Entwicke­ lung aufgetreten sind.

Aber wenn wir sehen, wie auch

jetzt die Möglichkeit mannigfaltiger paralleler Bildungen verkannt wird um des Reizes willen, welchen die Con-

59 struction einer geradlinigen Entwickelung ausübt, so dürfen wir darin noch immer eine Nachwirkung der Hegelschen Die Tübingische Bewegung hat anderen

Epoche finden.

Auffassungen weichen müssen.

Aehnlich vielleicht wird eS

gehen mit der jetzigen alttestamentlichen.

Jene hat für

nachfolgende Anschauungen den Anstoß gegeben; von dieser dürfen wir zuversichtlich erwarten, daß auch positive Er­

gebnisse derselben bleibend

Nicht dasselbe

sein werden.

glauben wir von der neuerdings hie und da sich breit

machenden Uebertreibung

in

einem

Weiterspinnen

der

modernen Construction, welches Mögliches — wohl auch oft sehr Unwahrscheinliches — zu Nothwendigem erhebt

und

jeder Controle

eine

neuere

gehende gnügt

zu

sich

Leistung

überholen

in

entzieht;

sucht,

mit den einigermaßen

wie

die

denn

Ueberhast

die

man

sicher zu

Art, wie

eben sich

vorher­ nicht be­

unterscheidenden

Quellen, sondern innerhalb derselben wieder so und so viel Bearbeiter unterscheidet, welche ebenso geistlos waren

in ihren unermüdlichen Aenderungen wie sie ein geistlos-

gleichgiltiges Volk voraussetzen, welches solche Vergewal­ tigungen

seiner

doch

wenigstens

national-ehrwürdigen

Literatur sich gefallen ließ — diese Art erweckt die Ver­ muthung und bei uns wenigstens sehr lebhaft die Hoffnung,

daß ein solches Verfahren, welches nur dienen kann zur Discreditirung der historisch-kritischen Methode, allzu lange

nicht währen werde. Aber wie dem sein wird — ich habe nicht den Beruf,

ein Prophet zu sein — wir brauchen vor Vergewaltigungen

am Alten Testamente uns nicht zu fürchten.

Es ist un­

längst ausgesprochen worden von einem der Vertreter der

neuen Hypothese, daß die bisherige praktische Verwerthung

60 des Alten Testamentes in der christlichen Kirche zu weichen habe vor dem helleren Achte, welches aufgegangrn sei in

der neuen Eonstruction.

Ich weiß nun wohl, und ich

denke, wir alle geben es zu, daß manche Partiten des

Alten Testamentes, auch gerade des PentateucheS, sich auf dem christlichen Standpunkte nicht mehr direkt verwerthen

lassen und wenn man es dennoch gethan hat, verwerthet

worden sind zum Schaden christlicher Moral und Religio­

sität.

Wollten wir das nicht zngeben,

so müßten wir

konsequent überhaupt den Unterschied zwischen Altem Testa­

ment und Neuem Testament ausgeben.

Aber diese Schriften

der vorchristlichen Gemeinde Gotte- haben als Ganzes und

auch in vielen Einzelheiten nun diese achtzehn Jahrhun­

derte hindurch immer aufs neue ihre erwärmende und belebende Kraft auch auf christlichem Boden bewährt.

Sie

haben e» gethan trotz mancher Angriffsstürme, die bereit-

vor Zeiten über sie dahin gegangen sind.

ES wäre nicht

das erste Mal, wenn man jetzt da» Alte Testament als

ein nicht zugehöriges vom Neuen Testament trennen wollte. ES wird auch jetzt gehen wie vormals, und deffen dürfen

wir sicher sein, daß keine Wandlung der Anschauungen über die äußere Entstehung des Alten Testamentes seinen

erhabenen Prophetenworten, seinen innigen Psalmen, seinen poetisch-schönen Erzählungen den praktisch-erbaulichen Werth

zu nehmen vermag, welchen dieselben bis dahin behalten haben für die christliche Kirche.

Druck von Wilhelm Keller in Gießen.

Die geschichtliche Entwickelung der Kirche im i9 Jahrhundert Md die ihr dadurch gestellte Aufgabe von

Oberconsistorialrat D. K. Sell in Darmstadt.

Die Forschungen über die paulinischen Kriefe: ihr gegenwärtiger Stand und ihre Aufgaben von

Consistorialrat Prof. D. G. Heinriti in Marburg.

Vorträge gehalten auf der Theologischen Conferenz zu Gießen am 24. Juni 1886.

Gießen, 3. Ricker'sche Buchhandlung.

1887.