Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge: Band 5 Texte zur Heilkunde 9783641219918

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Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge: Band 5 Texte zur Heilkunde
 9783641219918

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
I. Texte aus Mesopotamien
Übersetzungen mesopotamischer heilkundlicher Texte: Vorbemerkung
Texte des 3. Jt. v.Chr.
Akkadische Texte des 2. und 1. Jt. v.Chr.
II. Texte der Hethiter
III. Texte aus Syrien
IV. Texte aus Ägypten
V. Griechische Texte aus Ägypten
Zeittafeln

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Texte aus der Umwelt des Alten Testaments Neue Folge

Texte aus der Umwelt des Alten Testaments Neue Folge

Begründet von Otto Kaiser Herausgegeben von Bernd Janowski und Daniel Schwemer in Verbindung mit Karl Hecker, Andrea Jördens, Jörg Klinger, Heidemarie Koch, Ingo Kottsieper, Matthias Müller, Norbert Nebes, Hans Neumann und Herbert Niehr Redaktion: Annette Krüger, Tübingen

Gütersloher Verlagshaus

Texte aus der Umwelt des Alten Testaments Neue Folge Band 5

Texte zur Heilkunde Barbara Böck, Eckart Frahm, Markham J. Geller, Rainer Hannig, Nils P. Heeßel, Friedhelm Hoffmann, Andrea Jördens, Jörg Klinger, Stefan M. Maul, Hans Neumann, Herbert Niehr, Joachim Friedrich Quack, Daniel Schwemer, Katharina Stegbauer, Wolfhart Westendorf, Orell Witthuhn

Gütersloher Verlagshaus

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2010 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen. Umschlaggestaltung: Init GmbH, Bielefeld ISBN 978-3-641-21991-8 www.gtvh.de

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII I. Texte aus Mesopotamien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Übersetzungen mesopotamischer heilkundlicher Texte – Vorbemerkung Daniel Schwemer

1

Texte des 3. Jt. v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Neumann 1. Ein pharmazeutisch-therapeutischer Text aus Ebla . . . . . . 2. Zwei pharmazeutisch-therapeutische Anweisungen . . . . . . 3. Eine Behandlungsvorschrift mit Krankheitsangabe . . . . . . 4. Auszug aus einer Sammlung von therapeutischen Anweisungen

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3

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Akkadische Texte des 2. und 1. Jt. v. Chr. . . . . . . . . . . 1. Diagnostische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nils P. Heeßel 1.1 Ein altbabylonischer diagnostischer Text . . . . . . 1.2 Mittelbabylonische diagnostische Texte aus Nippur 1.2.1 Symptome mit fatalem Ausgang . . . . . . 1.2.2 Das Einwirken des ›Lauerer‹-Dämons . . . 1.3 Aus dem älteren diagnostischen Handbuch . . . . 1.3.1 Die zweite Tafel . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Aus der 24.? Tafel . . . . . . . . . . . . . 1.4 Aus dem diagnostischen Handbuch . . . . . . . . 1.4.1 Aus der ersten Tafel . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Aus der vierten Tafel . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Aus der neunten Tafel . . . . . . . . . . . 1.4.4 Aus der 13. Tafel . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5 Aus der 16. Tafel . . . . . . . . . . . . . . 1.4.6 Aus der 26. Tafel . . . . . . . . . . . . . . 1.4.7 Aus der 33. Tafel . . . . . . . . . . . . . . 1.4.8 Aus der 36. Tafel . . . . . . . . . . . . . . 1.4.9 Aus der 40. Tafel . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Ein später diagnostischer Text . . . . . . . . . . . 2. Therapeutische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung zu Struktur und Entwicklung des Corpus der therapeutischen Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nils P. Heeßel 2.1 Altbabylonische therapeutische Texte . . . . . . . Daniel Schwemer

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9 10 10 11 12 12 14 16 17 18 20 21 23 25 26 28 28 30 31

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35

V

Inhalt

2.1.1 Eine Rezeptsammlung aus Ur . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Eine Rezeptsammlung aus Nippur . . . . . . . . . . . 2.2 Therapeutische Texte aus Hattusˇa und Emar . . . . . . . . . ˘ Daniel Schwemer 2.2.1 Eine Sammlung von Therapien für Behexung aus Hattusˇa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ˘ Sammlung von Rezepten und Beschwörungen 2.2.2 Eine gegen Fieber und Aussatz aus Emar . . . . . . . . . . 2.3 Erkrankungen des Kopfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nils P. Heeßel 2.3.1 Ein mittelbabylonischer Text zu Kopfschmerzen . . . . 2.3.2 Aus der ersten Tafel der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Aus der zweiten Tafel der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Erkrankungen der Ohren, der Nase und Atemwege, des Mundes, der Zunge und der Zähne . . . . . . . . . . . . Nils P. Heeßel 2.4.1 Aus einer Serientafel zu Erkrankungen der Ohren . . . 2.4.2 Aus einem neuassyrischen Text zu Erkrankungen der Ohren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Aus der neunten Abteilung der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« . . . . . . . . . . . 2.4.4 Aus einem neuassyrischen Text gegen Zähneknirschen . 2.4.5 Die zehnte Abteilung der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Aus der fünften Tafel der Serie »Wenn einem Mann das Atmen durch die Nase schwerfällt« . . . . . . . . . . 2.5 Augenkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markham J. Geller 2.6 Nieren-, Darm- und Afterkrankheiten . . . . . . . . . . . . . Markham J. Geller 2.6.1 Aus einer mittelbabylonischen Sammlung von Rezepten gegen Harnweg-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Eine Beschwörung gegen Durchfall . . . . . . . . . . 2.6.3 Ein Rezept mit umfassender Symptombeschreibung . . 2.6.4 Rezepte gegen Afterkrankheiten in verschiedenen Überlieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Innere Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barbara Böck 2.7.1 Erste Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an Verschleimung leidet, diese aber in Koliken umschlägt« . . . . 2.7.2 »Wenn ein Mensch leibeskrank ist«: Zweite Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an Verschleimung leidet, diese aber in Koliken umschlägt« . . . . . . . . . . . VI

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Inhalt

2.7.3

»Wenn einem Menschen sein Epigastrium schmerzt, …«: Dritte Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an 75 Verschleimung leidet, diese aber in Koliken umschlägt« 2.8 Fieberkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Barbara Böck 80 2.8.1 Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2 Salbe bei Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.8.3 se¯tu- und li 3bu-Fieberkrankheit . . . . . . . . . . . . 82 2.8.4 ˙li 3bu-Fieberkrankheit, starkes Fieber, lang anhaltendes 83 Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Hautkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Barbara Böck 85 2.9.1 s¯ıtu-Abszeß und iba¯ru-Hautveränderung . . . . . . . 2.9.2 ˙Hautwunden, die wie iba¯ru aussehen – ›Rindertalg‹ . . 86 2.9.3 Hautwunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2.9.4 Läuse, ekke¯tu, risˇûtu, sama¯nu, girgisˇsˇu und kura¯ru . . . 87 2.9.5 kura¯ru, kissatu und kibsˇu . . . . . . . . . . . . . . . 89 ˙˙¯ ru, risˇiktu, ekke¯tu und risˇûtu . . . . . . . 2.9.6 ra¯sˇa¯nu, kura 89 2.9.7 sama¯nu, birdu, hara¯su und risˇûtu . . . . . . . . . . . 90 ˘ 2.10 Epilepsie, Schlaganfall und Lähmung . . . . . . . . . . . . . 90 Barbara Böck 92 2.10.1 an.ta.sˇub.ba: Essen von Schildkrötenfleisch . . . . . 2.10.2 an.ta.sˇub.ba, ›Herr des Daches‹ : Amulett und 92 magische Zeremonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.3 an.ta.sˇub.ba, ›Herr des Daches‹ : Herstellung eines 92 Pazuzu-Kopfes zu apotropäischen Zwecken . . . . . . 2.10.4 an.ta.sˇub.ba: Räucherwerk . . . . . . . . . . . . . . 93 2.10.5 an.ta.sˇub.ba: Arzneitrank . . . . . . . . . . . . . . . 94 2.10.6 an.ta.sˇub.ba: Salbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2.10.7 ›Herr des Daches‹, bennu und an.ta.sˇub.ba: 94 Phylakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.8 an.ta.sˇub.ba und bennu: Amulettsteinketten . . . . . 95 2.10.9 Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.10.10 Schlaganfall: Phylakterien . . . . . . . . . . . . . . . 96 2.10.11 Schlaganfall und Lähmung: Breiumschläge, 96 Waschungen, Einreibungen und Arzneitrank . . . . . 2.10.12 Lähmung: Amulettsteinkette, Räucherungen . . . . . 98 2.10.13 Lähmung, hervorgerufen durch einen Skorpionstich . 98 2.11 Krankheiten der Extremitäten und unteren Körperhälfte . . . 99 Barbara Böck 2.11.1 Fußleiden: so daß ein Mensch weder aufstehen noch stehen kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2.11.2 Fußleiden: kabbartu-Krankheit . . . . . . . . . . . . 101 2.11.3 Verband bei Brüchen, Zerrungen, Versteifungen und Sehnenrissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 VII

Inhalt

2.11.4 Lähmung und Muskelschwäche der Arme . . . . . . 2.11.5 munû-Krankheit an den Füßen . . . . . . . . . . . . 2.11.6 Lähmung der Füße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.7 Erschlaffte Schenkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.8 Muskelzucken in Händen und Füßen . . . . . . . . . 2.11.9 sagallu-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.10 Schwitzkur und Umschläge . . . . . . . . . . . . . . 2.12 Konzeption, Kontrazeption, Geburt, Frauenkrankheiten . . . Barbara Böck 2.12.1 Um Fruchtbarkeit herbeizuführen . . . . . . . . . . 2.12.2 Um den vorzeitigen Abgang des Samens zu verhindern 2.12.3 Schwangerschaftstests . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.12.4 Kontrazeption durch Herbeiführen der Menstruation . 2.12.5 Schwangerschaftsabbruch . . . . . . . . . . . . . . . 2.12.6 Komplikationen während der Schwangerschaft: Abgang des Embryos . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.12.7 Komplikationen während der Schwangerschaft: Blutungen, ni.ne-Krankheit . . . . . . . . . . . . . 2.12.8 Komplikationen während der Schwangerschaft: Schmerzen im Unterleib, Blähungen . . . . . . . . . 2.12.9 Heilmittel zur Erleichterung der Geburt . . . . . . . 2.12.10 Komplikationen und Krankheiten nach der Geburt . 2.12.11 Fruchtbarkeit in der Menopause . . . . . . . . . . . 2.13 Therapien gegen Impotenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Schwemer 2.13.1 Aus einer umfassenden Sammlung von Rezepten und Beschwörungsritualen gegen Impotenz . . . . . . . . 2.13.2 Beschwörungen und Öle gegen Impotenz . . . . . . . 2.14 Therapien gegen Geistern oder von Hexerei verursachte Leiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Schwemer 2.14.1 Beschwörungsrituale und Rezepte gegen von Totengeistern und anderen Unheilsgeistern verursachte Leiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.14.2 Eine Salbe gegen ›Bann‹, Totengeist und Fieber . . . . 2.14.3 Rezepte zur Lösung von Schadenzauber . . . . . . . 2.14.4 Ein Beschwörungsritual zur Heilung einer schadenzauberinduzierten Erkrankung . . . . . . . . . . . . 2.14.5 Eine Halskordel gegen drohende Behexung . . . . . . 2.15 Rituale zur Lösung des ›Banns‹ . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan M. Maul 2.15.1 Eine Beschreibung des nam-érim-búr-ru-da-Rituals . 2.15.2 Dicenda aus dem nam-érim-búr-ru-da-Ritual: eine sogenannte lipsˇur-Litanei . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

2.15.3 Rezepte zur Heilung einer durch ›Bann‹ verursachten Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.16 Musˇsˇu3u-Beschwörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barbara Böck 2.16.1 Die Beschwörung »Mensch, Sohn seines Gottes ist er« . 2.16.2 Die Beschwörung »Marduk, hehrer Herr« . . . . . . . 2.16.3 Die Beschwörung »Enki, Herr der lebensspendenden Beschwörungsformel« . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.16.4 Die Beschwörung »Lähmung, Lähmung!« . . . . . . . 2.16.5 Die Beschwörung »Um den bösen Muskel zu lösen« . 2.16.6 Die Beschwörung »Sˇû ist sein Name« . . . . . . . . . 2.16.7 Die Beschwörung »Möge Gibil erlöschen« . . . . . . . 2.17 Diverse Therapien, gemischte Texte und Sammeltafeln . . . . Nils P. Heeßel 2.17.1 Eine neubabylonische Tafel mit Rezepten zur Berauschung und Ausnüchterung . . . . . . . . . . . 2.17.2 Aus einer neuassyrischen Tafel mit Rezepten gegen Schlangenbisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.17.3 Aus einer neubabylonischen Tafel aus Sippar mit sehr verschiedenen Rezepten . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebinde mit Amulettsteinen und anderen therapeutischen Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nils P. Heeßel 3.1 Eine neuassyrische Amulettsteinliste gegen Augenflimmern . . 3.2 Amulettsteine gegen Haarausfall . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Eine neuassyrische Amulettsteinliste . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Eine neubabylonische Amulettsteinliste . . . . . . . . . . . . 4. Pharmakologische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barbara Böck 4.1 Aus Uruanna Tafel I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Aus Uruanna Tafel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Aus Uruanna Tafel III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Aus Sˇammu sˇikinsˇu (Heilpflanzenbeschreibungen) . . . . . . 4.5 Aus dem Verzeichnis der Simplicia (zweispaltige Rezension) . 4.6 Aus dem Verzeichnis der Simplicia (dreispaltige Rezension) . . 5. Medizinisch-astrologische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nils P. Heeßel 5.1 Korrelationen von Sternen und Sternbildern mit Krankheiten . 5.2 Behandlungsanweisungen nach dem System ›Stein, Pflanze und Holz‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kommentare zu medizinischen Texten . . . . . . . . . . . . . . . Eckart Frahm 6.1 Kommentar zum 10. Abschnitt der therapeutischen Serie . . . 6.2 Kommentar zu einem Text über Fumigationen gegen Epilepsie.

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IX

Inhalt

6.3

Kommentar zu einem Text zur Behandlung eines gestörten Geburtsverlaufs (Dystokie) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

II. Texte der Hethiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Jörg Klinger Hethitische Texte zur Medizin – Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Aus einer Tafel mit medizinisch-therapeutischen Texten (KUB 44.63 + 8.83) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das hethitische Geburtshilferitual KUB 30.29 . . . . . . . . . . . 3. Das Geburtshilferitual KBo 17.62+63 . . . . . . . . . . . . . . . 4. KBo 17.65 + 39.45 – ein Ritual gegen Probleme in der Schwangerschaft und nach der Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Texte aus Syrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Herbert Niehr Beiträge zur Heilung von Mensch und Tier in Ugarit . . . . . . . . . . 1. Protokoll einer Befragung zur Heilung von einer Krankheit (KTU 1.124 = RS 24.272) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anweisungen zur Heilung von Pferdekrankheiten (KTU 1.85 = RS 17.120) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Texte aus Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Die altägyptische Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfhart Westendorf 1.1 Die Geschichte der Erforschung der ägyptischen Medizin 1.2 Die Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Die primären Quellen . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Sonstige Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zum inhaltlichen und formalen Aufbau der Texte . . . . 1.3.1 Klassifizierung der Texte . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Die Fachsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Der kranke Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Die Körperteile (Pathologie, Anatomie, Physiologie) . . 1.6 Die Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.1 Krankheiten von Mann und Frau . . . . . . . . 1.6.2 Krankheiten der Frauen . . . . . . . . . . . . . 1.6.3 Krankheiten der Kinder . . . . . . . . . . . . . 1.6.4 Archäologische Quellen . . . . . . . . . . . . . 1.6.5 Verschiedenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6.6 Tierheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Der Arzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.1 Der Arzt in der ägyptischen Gesellschaft . . . . 1.7.2 Die Heilmethoden . . . . . . . . . . . . . . . .

X

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Inhalt

1.7.3 Der Arzt als Apotheker . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ägyptische medizinische Texte des 2. Jt. v. Chr. . . . . . . . . . . Rainer Hannig / Orell Witthuhn 2.1 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Pathophysiologie und Nosologie . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Schmerzstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Krankheiten in allen Körperteilen . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Gefäßsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Haut und Fleisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3 Kopf, Hinterkopf, Scheitel, Stirn und Schläfe sowie die Haare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.4 Gesicht, Ohr, Auge, Nase, Mund, Zähne und Zunge sowie das Kinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.5 Nacken, Vorderhals, Schultergürtel . . . . . . . . . 2.2.2.6 Rücken und Brustkorb . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.7 Bauch und Unterleib . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.8 Organe in Brust und Bauch: Herz, Magen, Lungen, Leber, Milz, Gedärm . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.9 Gesäß, After und Harnblase . . . . . . . . . . . . 2.2.2.10 Bein und Fuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.11 Hautkrankheiten und Ähnliches . . . . . . . . . . 2.2.2.12 Besondere Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.13 Besondere Heilmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Gynäkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Allgemeine therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . 2.6 Pharmakologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Brooklyner Schlangenbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katharina Stegbauer 3.1 Aufbau des Schlangenbuches . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Teil I des Papyrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Inhalt und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die ägyptischen Schlangennamen und ihre Identifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Teil II des Papyrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Das Verhältnis von »Zauber« und »Heilmittel« . . . 3.3.2 Katalog der Schlangen (pBrooklyn 47.218.48+85 i,14-ii,16) . . . . . . . . . 3.3.3 Katalog der Behandlung der Patienten (pBrooklyn 47.218.48+85 ii,17-vi,29) . . . . . . . . 4. Demotische Texte zur Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Vorstellungen vom göttlichen Heilen (Thotbuch) . . . . . .

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215 216 217

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217 218 219 221 222 222

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222

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224 232 232 232

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234 236 237 237 243 245 247 266 271 273 274

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275 276 276

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277 278 279

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281

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285 298

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298 299 XI

Inhalt

4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11

4.12 4.13 4.14

Rezepte aus einer medizinischen Sammelhandschrift (pWien D 6257) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflanzen- und Steinbeschreibungen sowie Rezepte vom Verso des magischen Papyrus von London und Leiden . . . . . . Eine Anweisung zum Zähneziehen (pWien D 12287 vs.) . . Zahngesundheit bis ins hohe Alter (Stele Kairo CG 22074) . Medizinische Kommunikation per Brief (Rezept per Brief) . Ausleihe medizinischer Bücher (pCarlsberg 21) . . . . . . . Vorschriften für kranke Priester (Rückseite der Demotischen Chronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Unfall (pBerlin P 15513) . . . . . . . . . . . . . . . . . Juristische Aufarbeitung von gewaltsamen Übergriffen (Tempeleide) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1 Tempeleid Nr. 210 (oBritish Museum 21344) . . . . 4.11.2 Tempeleid Nr. 211 (oStrasbourg 282) . . . . . . . . Suche nach Heilung durch Orakelanfrage (pKairo CG 50114) Ein Gelübde (tMichaelides) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebet um Gesundheit (oBrooklyn Inv. No. 37.1821 E) . . .

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300

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305 309 309 310 311

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312 312

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313 313 313 314 315 315

V. Griechische Texte aus Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Andrea Jördens 1. Sog. Aretalogie des Imuthes-Asklepios . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwei Weihungen an Amenhotep . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Danksagung des Polyaratos . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Danksagung des Athenodoros . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Orakelanfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Ausbildung der Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Entwurf eines Lehrlingsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Glückwünsche zur Anstellung bei einem Klistierarzt . . . . 5. Texte zur Beschneidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Beschneidung der Nephoris . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Zwei Einladungen zu den Therapeuteria . . . . . . . . . . . 5.3 Zur Beschneidung von Priestersöhnen . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Erklärung der Mitpriester zur Beschneidung eines Priestersohnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Erklärung der Dorfbehörden zur Beschneidung eines Priestersohnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Bericht über die Beschneidung eines Priestersohnes . 6. Anzeigen und Berichte von Verletzungen . . . . . . . . . . . . . 6.1 Prügelei in einem Isisheiligtum . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Antrag auf Überprüfung des Gesundheitszustandes . . . . . 6.3 Ärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand . . . . . 7. Krankheit in den Steinbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Spezifizierte Krankenlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Nachrichten und Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII

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318 321 322 323 323 324 325 325 326 326 327 328

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328

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328 329 330 330 331 332 332 333 334

Inhalt

8. Briefe aus dem ärztlichen Milieu . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Korrespondenz über Rezepte . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Bitte um Übersendung eines Medizinbehälters . . . . . . 8.3 Zwei Briefe an die Mutter Antonia . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Sorge des Markos um seine medizinischen Bücher 8.3.2 Trostbrief des Serenos . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Import von Heil- und Gewürzpflanzen aus dem Orient . 8.5 Bestellung von Heilpflanzen für ein Rezept . . . . . . . . 9. Rezepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Bruchstück eines gynäkologischen Werks . . . . . . . . . 9.2 Rezept gegen Nervosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Private Zusammenstellung von Rezepten . . . . . . . . . 9.4 Anweisung zur Zubereitung von Rindertalg . . . . . . . 9.5 Einzeln überlieferte Rezepte . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Magische Heilmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Neue Scherze nach Demokritos . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Zwei erotische Rezepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Zwei Texte aus einem Formelbuch . . . . . . . . . . . . 10.4 Fieberamulette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Erwähnungen von Erkrankungen in Privatbriefen . . . . . . . 11.1 Bitte um attischen Honig für ein Augenleiden . . . . . . 11.2 Sorge um ein todkrankes Kind . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Eine schwere Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Eine ansteckende Bindehautentzündung . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

335 335 336 336 336 337 338 339 339 339 340 341 342 343 344 345 345 346 346 348 348 349 349 350

Zeittafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

XIII

Vorwort

Wer sich heute mit den Phänomenen »Krankheit« und »Heilung« beschäftigt und dies unter Berücksichtigung ihrer medizinischen (Diagnostik und Therapeutik), sozialen (Erfahrung der Einsamkeit) und religiösen Aspekte (Sinn des Leidens) tut, stößt schnell auf die Schwierigkeit einer angemessenen Verwendung des Krankheitsbegriffs. »Denn dasselbe Wort Krankheit sollte nicht unterschiedslos gebraucht werden zur Kennzeichnung des Krankseins, der Erscheinungsweise von Krankheit, zur Abgrenzung von Gesundheit und Krankheit im ›Krankheits-Begriff‹ und nicht bedeutungsgleich mit Krankheits-›Vorstellung‹. Ferner kann ›Krankheit‹ den Aspekt des Kranken (sein Befinden), den Aspekt des Arztes (den Befund) und den Aspekt der Gesellschaft (die Notlage und Hilfsbedürftigkeit des Kranken) meinen, und das beinhaltet jedesmal eine andere Seite des Phänomens mit anderen Merkmalen. Schließlich tritt der Ausdruck ›Krankheit‹ in anderen geistigen Bezügen (in Theologie, Philosophie usw.) auf, in denen mit ihm nichts Medizinisches gemeint ist.« (K. E. Rothschuh, Art. Krankheit, HWP 4 [1976] 1184-1190, hier: 1186). Zur Begriffsklärung wurden deshalb Unterscheidungen vorgeschlagen, die den pathologischen Befund, das subjektive Befinden des Kranken und das klinische Krankheits-Bild in Rechnung stellen. Als krank gilt danach der Mensch, »der wegen eines Verlustes des abgestimmten Zusammenwirkens der leiblichen, seelischen oder leibseelischen Funktionsglieder der Organismus subjektiv oder klinisch hilfsbedürftig wird« (ders., aaO 1187). Die sich daran anschließende Frage betrifft den Sinn der Krankheit, der ihr vom Leidenden beigelegt wird. Da wir nur das als »sinnvoll« bezeichnen, was innerhalb eines bestimmten Zusammenhangs als bedeutsam für etwas anderes betrachtet werden kann, kommt es darauf an, wie dieser Zusammenhang gesehen wird: als ein religiöser, philosophischer, psychoanalytischer, medizinischer oder psychosomatischer. Deutlich ist dabei, daß Krankheit und Heilung bzw. Gesundheit letztlich nicht ein rein biologischer Tatbestand, sondern eine gesellschaftliche Konstruktion sind, deren Plausibilität auf dem Zusammenspiel deskriptiver und normativer Aspekte bzw. von Seins- und Werturteilen beruht, und zwar für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Was für den heutigen Umgang mit Krankheit und Heilung gilt, das gilt mutatis mutandis auch für die Kulturen der Antike und ihren vormodernen Krankheits- und Heilungsbegriff. Das Problem beginnt schon bei der Übersetzung bestimmter Termini und setzt sich bei der Beschreibung diverser Krankheitssymptome fort. Selbst bei einem so überschaubaren Textkorpus wie dem Alten Testament ist eine Vielzahl diagnostischer, pharmazeutisch-therapeutischer, magischer-mantischer, sozialer und theologischer Aspekte zu berücksichtigen und für die Interpretation in Rechnung zu stellen (s. dazu St. Beyerle, »Medizin« – Phänomene im Alten Israel und im antiken Judentum, in: M. Roth / J. Schmidt [Hg.], Gesundheit. Humanwissenschaftliche, historische und theologische Aspekte, Leipzig 2008, 45-78). Diese Komplexität findet sich in hohem Maß in den zahlreichen Texten zur Heilkunde aus der Umwelt des Alten Testaments, wie der vorliegende Band eindrücklich vor Augen führt. Viele dieser Texte werden hier überhaupt zum ersten Mal in Übersetzung vorgelegt. Den XV

Vorwort

größten Umfang nehmen dabei einmal mehr die heilkundlichen Texte aus Mesopotamien und Ägypten (einschließlich der griechischen Texte) ein. Aber auch Kleinasien und Syrien sind repräsentativ vertreten. Auch dieses Mal haben wir wieder vielfach zu danken: Frau T. Scheifele und Herrn D. Steen vom Gütersloher Verlagshaus für die verlegerische Betreuung, Herrn Dr. J.-U. Andres für die Erstellung der Druckvorlage, Frau Dr. A. Krüger, Tübingen, für die aufwendigen Redaktions- und Herrn Stud. theol. Niko Zaft, Tübingen, für die Korrekturarbeiten. Last but least sei erwähnt, daß sich Herr Kollege G. Wilhelm mit dem Erscheinen von Band 4 wegen zahlreicher anderer Verpflichtungen von der Hauptherausgeberschaft zurückgezogen hat und Herr Kollege D. Schwemer mit Band 5 an seine Stelle getreten ist. Im Namen aller am Projekt beteiligten Kollegen und Kolleginnen danken wir G. Wilhelm sehr herzlich für seine Arbeit, die für die innere wie äußere Gestalt der TUAT.NF-Bände entscheidend gewesen ist. Tübingen und London, im Dezember 2009

XVI

Bernd Janowski / Daniel Schwemer

Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen entsprechen dem Verzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie, zusammengestellt von S. M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, 2., überarb. und erw. Aufl., Berlin; New York 1992. Darüber hinaus werden verwendet: AAHL ABD ABoT AC ADD AE Äg Urk AfK AfO AG AGS AGM AHR AHw AJ AKT ALASP AlT AMD AMT AoF AP APA APE APOE ARET ARI ASJ ATTM

J. M. Lindenberger: Ancient Aramaic and Hebrew Letters, SBL.WAW 14, Atlanta 2. Aufl. 2003 The Anchor Bible Dictionary I-VI, (ed. by) D. N. Freedman, New York / NJ u. a. 1992 Ankara Arkeoloji Müzesinde bulunan Bog˘azköy Tabletleri, Istanbul 1948 J. J. Koopmans: Aramäische Chrestomathie, Leiden 1962 C. H. Johns: Assyrian Deeds and Documents, Cambridge 1898-1923 B. Porten: Archives from Elephantine. The Life of an Ancient Jewish Military Colony, Berkeley / CA; Los Angeles / CA 1968 Urkunden des ägyptischen Altertums, (hg. von) G. Steindorff u. a., Leipzig u. a. 1903 ff. Archiv für Keilschriftforschung, Berlin 1923-1925 Archiv für Orientforschung, Wien R. Degen: Altaramäische Grammatik der Inschriften des 10.-8. Jh. v. Chr., AKM XXXVIII, 3, Wiesbaden 1969 S. Segert: Altaramäische Grammatik mit Bibliographie, Chrestomathie und Glossar, Leipzig 1975 (Sudhoffs) Archiv für die Geschichte der Medizin, Leipzig / Wiesbaden An Aramaic Handbook, (hg. von) F. Rosenthal, Wiesbaden 1967 = Porta linguarum orientalium, Neue Serie X W. von Soden, Akkadisches Handwörterbruch, Wiesbaden 1965-81, 1985 Antiquaries Journal, London; Oxford 1921 ff. Ankara Kültepe Tabletleri / Ankaraner Kültepe-Tafeln bzw. Texte I-II, Ankara 1990-1995; III: FAOS Beih. 3, 1995 Abhandlungen zur Literatur Alt-Syrien-Palästinas, Münster 1988 ff. D. J. Wiseman: The Alalakh Tablets, London 1953 Ancient Magic and Divination, Groningen 1999 ff. R. Campbell Thompson, Assyrian Medical Texts, London 1923 Altorientalische Forschungen, Berlin 1974 ff. Aramaic Papyri of the Fifth Century B.C., (ed. by) A. Cowley, Oxford 1923 Aramaic Papyri Discovered at Assuan, (ed. by) A. H. Sayce (assist. A. E. Cowley), London 1906 A. Ungnad: Aramäische Papyrus aus Elephantine, Leipzig 1911 Aramäische Papyrus und Ostraka aus einer jüdischen Militärkolonie zu Elephantine, (hg. von) Ed. Sachau, Leipzig 1911 Archivi reali di Ebla. Testi, Rom 1981 ff. A. K. Grayson: Assyrian Royal Inscriptions, Records of the Ancient Near East I–II, Wiesbaden 1972 ff. Acta Sumerologica, Hiroshima 1979 ff. K. Beyer: Die aramäischen Texte vom Toten Meer, Göttingen 1984

XVII

Abkürzungsverzeichnis

ATTM.E AulaOr. BaF BAM I-VI BAM VII BAR BBR BBVO BdE BE BGU BiMes. BIN BKBM BL BMAP BMECCJ BoSt BRM BSA BSOAS BWL CAD CANE CAT

CDLB CDLJ CDOG CE CHANE CHD CM

XVIII

ATTM Ergänzungsband, Göttingen 1994 Aula Orientalis, Barcelona 1983 ff. Baghdader Forschungen, Mainz 1979 ff. F. Köcher, Die babylonisch-assyrische Medizin in Texten und Untersuchungen I-VI, Berlin (/ New York) 1963-80 M. J. Geller, Renal and Rectal Disease Texts, Die babylonisch-assyrische Medizin in Texten und Untersuchungen VII, Berlin / New York 2005 J. H. Breasted: Ancient Records of Egypt I-V, Chicago / IL 1906 H. Zimmern, Beiträge zur Kenntnis der babylonisch-assyrischen Religion I-II, Leipzig 1901 Berliner Beiträge zum Vorderen Orient, Berlin 1982 ff. Bibliothèque d’Études, Institut Français d’Archéologie Orientale, Kairo 1908 ff. The Babylonian Expedition of the University of Pennsylvania, Pennsylvania / PA 1893 ff.; Series A: Cuneiform Texts (für Einzelbände s. HKL II, xv) Ägyptische Papyri aus den Königlichen (später: Staatlichen) Museen zu Berlin, Griechische Urkunden, (hg. von) U. Wilcken u. a., Berlin 1895 ff. Bibliotheca Mesopotamica, Malibu / CA 1975 ff. Babylonian Inscriptions in the Collection of J. B. Nies, New Haven / CT 1917 ff. F. Küchler, Beiträge zur Kenntnis der assyrisch-babylonischen Medizin, Assyriologische Bibliothek 18, Leipzig 1904 Berichtigungsliste der Griechichen Papyrusurkunden aus Ägypten, (hg. von) F. Preisigke u. a., Berlin, Leipzig 1922 ff. E. G. Kraeling: The Brooklyn Museum Aramaic Papyri, New Haven / CT 1953 Bulletin of the Middle Eastern Culture Center in Japan, Wiesbaden 1984 ff. Boghazköi – Studien, (hg. von) O. Weber, Leipzig 1916 ff. Babylonian Records in the Library of J. P. Morgan, New Haven / CT 1917 ff. (für Einzelbände s. HKL II, xvi) Bulletin on Sumerian Agriculture, Cambridge 1984 ff. Bulletin of the School of Oriental and African Studies W. G. Lambert: Babylonian Wisdom Literature, Oxford 1960 The Assyrian Dictionary of the University of Chicago, Chicago (/ Glückstadt) 1956 ff. Civilizations of the Ancient Near East, (ed. by) J. M. Sasson, New York 1995 M. Dietrich / O. Loretz / J. Sanmartín: The Cuneiform Alphabetic Texts from Ugarit, Ras Ibn Hani and Other Places (KTU: Second, enlarged edition), Münster 1995 Cuneiform Digital Library Bulletin, Los Angeles Cuneiform Digital Library Journal, Los Angeles Colloquien der Deutschen Orient-Gesellschaft, Saarbrücken 1997 ff. Chronique d’Égypte, Brussel 1925 ff. Culture and History of the Ancient Near East, Leiden; Boston / MA; Köln 2000 ff. The Chicago Hittite Dictionary, Chicago 1975 ff. Cuneiform Monographs, Groningen 1992 ff.

Abkürzungsverzeichnis

CPR CSF CST CT CTH CTN CTN IV DAE DAFI DAI DaM DARI DCS DDD

DLU DNWSI ElW ESE GMP HAE HAHL HANE/M HANE/S HdO HKL HPBM HSAO IFP IH ILAP IRSA ITT

Corpus Papyrorum Raineri (Archiducis Austriae), (hg. von) C. Wessely u. a., Wien 1895 ff. Collezione di studi fenici, Roma 1973 ff. T. Fish: Catalogue of Sumerian Tablets in the John Rylands Library, Manchester 1932 Cuneiform Texts from Babylonian Tablets in the British Museum, London 1896 ff. (für Einzelbände s. HKL II, xvii) E. Laroche: Catalogue des textes hittites, Paris 1971 Cuneiform Texts from Nimrud, London 1972 ff. D. J. Wiseman / J. A. Black, Literary Texts from the Temple of Nabû, Cuneiform Texts from Nimrud IV, London 1996 P. Grelot: Documents araméens d’Égypte, LAPO 5, Paris 1972 Cahiers de la Délégation Archéologique Française en Iran, Paris 1971 ff. Deutsches Archäologisches Institut, Berlin Damaszener Mitteilungen, Mainz 1983 ff. Die alt- und reichsaramäischen Inschriften, FoSub 2m, hg. von D. Schwiderski, Berlin, New York 2004 Cybernetica Mesopotamica, Data Sets: Cuneiform Texts, Malibu / CA 1979 ff. Dictionary of Deities and Demons in the Bible, (ed. by) K. van der Toorn / B. Becking / P. W. van der Horst, Leiden 1995; 2. überarbeitete Aufl., Leiden 1999 G. del Olmo Lete / J. Sanmartín: Diccionario de la lengua ugarítica I-II, AulaOr. Suppl. 7-8, Barcelona 1996-2000 J. Hoftijzer / K. Jongeling: Dictionary of the North-West Semitic Inscriptions, HdO I/21,1-2, Leiden u. a. 1995 W. Hinz / H. Koch, Elamisches Wörterbuch, Berlin 1987 M. Lidzbarski: Ephemeris für semitische Epigraphik I-III, Gießen 19021915 The Greek Magical Papyri in Translation: Including the Demotic Spells, hg. H. D. Betz, Chicago, Ill. u. a. 1986 J. Renz / W. Röllig: Handbuch der althebräischen Epigraphik I-III, Darmstadt 1995-2003 D. Pardee: Handbook of Ancient Hebrew Letters, BL.SBS 15, Chicago / IL 1982 History of the Ancient Near East. Monographs, Padova 1996 ff. History of the Ancient Near East. Studies, Padova 1990 ff. Handbuch der Orientalistik, Leiden 1948 ff. R. Borger: Handbuch der Keilschriftliteratur I-III, Berlin 1967-1975 Hieratic papyri in the British Museum Heidelberger Studien zum Alten Orient I (FS A. Falkenstein), Wiesbaden 1967; IIff.: Heidelberg 1988 ff. M. G. G. Amadasi: Le iscrizioni fenicie e puniche delle colonie in occidente, StudSem 28, Rom 1967 A. Lemaire: Inscriptions Hébraiques I. Les Ostraca, LAPO 9, Paris 1977 R. Yaron: Introduction to the Law of the Aramaic Papyri, Oxford 1961 E. Sollberger / J. R. Kupper: Inscriptions royales sumériennes et akkadiennes, LAPO 3, Paris 1971 Inventaire des tablettes de Tello I-V, Paris 1910-1921 XIX

Abkürzungsverzeichnis

JARCE JEAS

JEN

JEOL JMC KADP

KAL II

KAR KBo KTU2

LD LEM LKA LSS MBAH MesCiv. MesWi

Mesopotamia MHE

MIO MPAT MPER

MRE MVN NABU

XX

Journal of the American Research Center in Egypt, New York 1962 ff. B. Porton (collab. J. C. Greenfield): Jews of Elephantine and Arameans of Syene (Fifth Century B.C.E.). Fifty Aramaic Texts with Hebrew and English Translations, Jerusalem 1974 Joint Expedition with the Iraq Museum at Nuzi, Publications of the Baghdad School. Texts I-VI, Paris; Philadelphia / PA 1927-1939; VII: SCCNH 3, Winona Lake / IN 1989; VIII: SCCNH 14, Bethesda / MD 2003 Jaarbericht van het Vooraziatisch-Egyptisch Genootschap Ex Oriente Lux, Leiden 1933 ff. Le Journal des médecines cunéiformes, Saint-Germain-en-Laye F. Köcher, Keilschrifttexte zur assyrisch-babylonischen Drogen- und Pflanzenkunde. Texte der Serien uru.an.na : maltakal, HAR.ra : hubullu ˘ ˘ und Ú GAR-sˇú, Berlin 1955 D. Schwemer, Rituale und Beschwörungen gegen Schadenzauber, Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur E (Inschriften), IX. (Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts) 2, WVDOG 117, Wiesbaden 2007 E. Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts I-II, WVDOG 28 und 34, Leipzig (1915-)1919 und (1920-)1923 Keilschrifttexte aus Boghazköi M. Dietrich / O. Loretz / J. Sanmartín: Die keilalphabetischen Texte aus Ugarit einschließlich der keilalphabetischen Texte außerhalb Ugarits I, ALASP 8, Münster 1995 C. R. Lepsius: Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien, Berlin 1849-1859 P. Michalowski: Letters from Early Mesopotamia, SBL Writings from the Ancient World 3, Atlanta 1993. E. Ebeling / F. Köcher (unter Mitarbeit von L. Rost), Literarische Keilschrifttexte aus Assur, Berlin 1953 Leipziger Semitistische Studien, Leipzig 1904-1932 Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte, St. Katharinen 1980 ff. Mesopotamian Civilizations, Winona Lake / IN 1989 ff. T. Abusch, Mesopotamian Witchcraft. Toward a History and Understanding of Babylonian Witchcraft Beliefs and Literature, AMD 5, Leiden u. a. 2002 Mesopotamia. Rivista di Archeologia, Turin 1966 ff. Mesopotamian History and Environment (Series 1: NAPR, 1991 ff.; Series 2: MHEM-Mémoirs, 1989 ff.; Series 3: MHET-Texts, 1991 ff.; MHEO-Occasional Publications, 1991 ff.) Mitteilungen des Instituts für Orientforschung, Berlin 1953 ff. J. A. Fitzmyer / D. J. Harrington: A Manual of Palestinian Aramaic Texts, Biblica et Orientalia 34, Rom 1978 Mitteilungen aus der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Papyrus Erzherzog Rainer), hg. von d. Generaldirektion d. Österr. Nationalbibliothek, Wien; München; Leipzig 1932 ff. Monographies Reine Elisabeth, Brüssel 1970 ff. Materiali per il vocabulario Neosumerico, Rom 1974 ff. Nouvelles Assyriologiques Brèves et Utilitaires, Paris 1987 ff.

Abkürzungsverzeichnis

NATN Nbn.

NE NG NRVN OBC O. Bodl. OECT O. Edfu OMRO OPBF OPBIA OPSNKF OrNS OSP O. Wilcken Pap. Flor. PAT PBS P. Cair. Zenon PdÄ PGM P. Gurob P. Hamb. P. Harrauer P. Heid. P. IFAO PIHANS

D. I. Owen: Neo-Sumerian Archival Texts primarily from Nippur, Winona Lake / IN 1982 J. N. Strassmaier: Inschriften von Nabonidus, König von Babylon (555538 v. Chr.), von den Thontafeln des Britischen Museums copiert und autographiert (= Babylonische Texte I-IV), Leipzig 1889 M. Lidzbarski: Handbuch der Nordsemitischen Epigraphik, Weimar 1898 A. Falkenstein: Die neusumerischen Gerichtsurkunden I-III, München 1956-1957 M. Çıg˘ / H. Kızılyay: Neusumerische Rechts- und Verwaltungsurkunden aus Nippur, Ankara 1965 Orientalia biblica et christiana, Glückstadt u. a. 1991 ff. Greek Ostraca in the Bodleian Library at Oxford and Various Other Collections I-III, (ed. by) J. G. Tait u. a., London 1930-1964 Oxford Editions of Cuneiform Texts, Oxford; Paris 1923 ff. Fouilles franco-polonaises Tell Edfou 1937-1939, (pub. par) B. Bruyère e. a., 3 Bde., Le Caire 1937-1950 Oudheidkundige mededelingen uit het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden, 1907-1999 Occasional publications of the Babylonian Fund, Philadelphia / PA 1976 ff. Occasional Publications of the British Institute of Archaeology at Ankara, London 1949 ff. Occasional Publications of the Samuel Noah Kramer Fund, Philadelphia / PA 1988 (I-VIII: OPBF) Orientalia. Nova Series, Rom 1932 ff. A. Westenholz, Old Sumerian and Old Akkadian Texts in Philadelphia Chiefly from Nippur (1 = BiMes. 1, Malibu) Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien I-II, (hg. von) U. Wilcken, Leipzig; Berlin 1899 Papyrologica Florentina, Firenze 1976 ff. D. R. Hillers / E. Cussini: Palmyrene Aramaic Texts, Baltimore / MD; London 1996 University of Pennsylvania, the Museum: Publications of the Babylonian Section (für Einzelbände s. HKL II, xxv) Zenon Papyri I-V, (ed. by) C. C. Edgar, Cairo 1925-1940 Probleme der Ägyptologie, Leiden 1953 ff. Papyri graecae magicae. Die griechischen Zauberpapyri, hg. und übers. K. Preisendanz, Leipzig 1927, 1931, 1941 Greek Papyri from Gurob, (ed. by) J. G. Smyly, Dublin 1921 Griechische Papyri der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek, (hg. von) P. M. Meyer u. a., Leipzig; Berlin 1911 ff. Wiener Papyri als Festgabe zum 60. Geburtstag von Hermann Harrauer, (hg. von) B. Palme, Wien 2001. Veröffentlichungen aus der Heidelberger Papyrussammlung, (hg. von) E. Siegmann u. a., Heidelberg 1956 ff. Papyrus grecs de l’Institut Français d’Archéologie Orientale, (pub. par) J. Schwartz / G. Wagner, 3 Bde., Le Caire 1971-1975. Publications de l’Institut historique archéologique néerlandais de Stamboul, Leiden 1956 ff. XXI

Abkürzungsverzeichnis

P. Köln P. L. Bat. P. Polit. Iud. P. Ryl. PRSM PSAS PSBA PSD PSI P. Tebt. QdS QGN II R

RA RlA RES RGPAE RGTC RHA RIME RSOu. RT RTAT

RTC SAA SAAB SAAS SAB

SAHG SAIO

XXII

Kölner Papyri, (ed. by) B. Kramer u. a., Opladen 1976 ff. Papyrologica Lugduno-Batava, Leiden 1941 ff. Urkunden des Politeuma der Juden von Herakleopolis (144/3-133/2 v. Chr.), (hg. von) J. M. S. Cowey / K. Maresch, Wiesbaden 2001 Catalogue of the Greek and Latin Papyri in the John Rylands Library I-IV, (ed. by) A. S. Hunt u. a., Manchester 1911-1952 Proceedings of the Royal Society of Medicine, London Proceedings of the Seminar for Arabian Studies, London 1970 ff. Proceedings of the Society of Biblical Archaeology, London The Sumerian Dictionary of the University Museum of the University of Pennsylvania, Philadelphia / PA 1984 ff. Papiri greci e latini della Società Italiana, (ed. by) G. Vitelli u. a., Firenze 1912 ff. The Tebtunis Papyri I-IV, (ed. by) B. P. Grenfell u. a., London 1902-1976 Quaderni di Semitistica, Firenze 1971 ff. U. Hackle / H. Jenni / Chr. Schneider: Quellen zur Geschichte der Nabatäer, NTOA 51, Fribourg; Göttingen 2003 Norris, E. (/ Rawlinson, H. C.), The Cuneiform Inscriptions of Western Asia II: A Selection from the Miscellaneous Inscriptions of Assyria, London 1866 Revue d’assyriologie et d’archéologie orientale, Paris Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie, Berlin (/ New York) 1928 ff. Répertoire d’Epigraphie Sémitique, Paris 1900 ff. A. Verger: Ricerche giuridiche sui papiri aramici di Elefantina, StudSem 16, Rom 1965 Répertoire Géographique des Textes Cunéiformes, BTAVO, Reihe B 7, 1 ff., Wiesbaden 1974 ff. Revue Hittite et Asianique, Paris 1930 ff. The Royal Inscriptions of Mesopotamia. Early Periods, Toronto / Ontario 1990 ff. Ras Shamra-Ougarit. Publications de la Mission Française Archéologique de Ras Shamra-Ougarit, Paris 1983 ff. Recueil des Travaux relatifs à la Philologie et à l’Archéologie Égyptiennes et Assyriennes, Paris 1870-1923 Religionsgeschichtliches Textbuch zum Alten Testament, (hg. von) W. Beyerlin, Grundrisse zum Alten Testament, ATD Ergänzungsreihe 1, Göttingen 1975 F. Thureau-Dangin: Recueil des tablettes chaldéennes, Paris 1903 State Archives of Assyria, Helsinki 1987 ff.; State Archives of Assyria. Bulletin, Padua 1987 ff. State Archives of Assyria. Studies, Helsinki 1992 ff. B. Kienast / K. Volk: Die sumerischen und akkadischen Briefe des III. Jahrtausends aus der Zeit vor der III. Dynastie von Ur, FAOS 19, Stuttgart 1995 A. Falkenstein / W. von Soden: Sumerische und akkadische Hymnen und Gebete, BAW.AO, Zürich; Stuttgart 1953 E. Lipin´ski: Studies in Aramaic Inscriptions and Onomastics I, Orientalia Lovaniensia Analecta I, Leuven 1975

Abkürzungsverzeichnis

SALPE SANTAG SARI SB SCCNH SEL SHCANE SKIZ SMEA SPP SpTU I SpTU II SpTU III SpTU IV SpTU V SR SSA StAT StBoT StEbl. STT I-II StudSem TADAE TAPA TCL TDP TDT THeth TLB TMH TOu

Y. Muffs: Studies in the Aramaic Legal Papyri from Elephantine, Studia et documenta ad iura orientis antiqui pertinentia, vol. VIII, Leiden 1969 K. Hecker / H. Neumann / W. Sommerfeld, Arbeiten und Untersuchungen zur Keilschriftkunde, Wiesbaden 1990 ff. Sumerian and Akkadian Royal Inscriptions, New Haven / CT 1986 Sammelbuch griechischer Urkunden aus Ägypten, (hg. von) F. Preisigke u. a., Straßburg; Berlin 1913 ff. Studies on the Civilization and Culture of Nuzi and the Hurrians I-V, Winona Lake / IN 1981 ff.; VIff.: Bethesda / MD 1994 ff. Studi Epigrafici e Linguistici sul Vicino Oriente antico, Verona, 1984 ff. Studies in the History and Culture of the Ancient Near East, Leiden u. a. 1996 ff. W. H. Ph. Römer: Sumerische ›Königshymnen‹ der Isin-Zeit, Leiden 1965 Studi Micenei ed Egeo-Anatolici, Rom 1966 ff. Studien zur Paläographie und Papyruskunde, (hg. von) C. Wessely, 23 Bde., Leipzig 1901-1924. H. Hunger, Spätbabylonische Texte aus Uruk I, ADFU 9, Berlin 1976 E. von Weiher, Spätbabylonische Texte aus Uruk II, ADFU 10, Berlin 1983 E. von Weiher, Spätbabylonische Texte aus Uruk III, ADFU 12, Berlin 1988 E. von Weiher, Uruk. Spätbabylonische Texte aus dem Planquadrat U 18 IV, AUWE 12, Mainz 1993 E. von Weiher, Uruk. Spätbabylonische Texte aus dem Planquadrat U 18 V, AUWE 13, Mainz 1998 D. O. Edzard: Sumerische Rechtsurkunden des III. Jahrtausends aus der Zeit vor der III. Dynastie von Ur, München 1968 J. van Dijk: La sagesse suméro-accadienne, Leiden 1953 Studien zu den Assur-Texten, Saarbrücken 1999 ff. Studien zu den Bog˘azköy-Texten, Wiesbaden 1965 ff. Studi Eblaiti, Rom 1979 ff. O. Gurney (Bd. I mit J. J. Finkelstein, Bd. II mit P. Hulin), The Sultantepe Tablets I-II, London 1957 und 1964 Studi Semitici, Rom 1958 ff. B. Porten / A. Yardeni: Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt I-IV, Jerusalem 1986-1999 Transactions of the American Philological Association, Baltimore, Md. 1869 ff. Musée du Louvre, Département des Antiquités Orientales: Textes cunéiformes (für Einzelbände s. HKL II, xvii-xviii) R. Labat, Traité akkadien de diagnostics et pronostics médicaux I-II, Paris 1951 A. Yardeni: Textbook of Aramaic, Hebrew and Nabataean Documentary Texts from the Judaean Desert and Related Material I-II, Jerusalem 2000 Texte der Hethiter, (hg. von) Annelies Kammenhuber, München 1971 ff. Tabulae cuneiformes a F. M. Th. de Liagre Böhl collectae, Leiden 1954 ff. (für Einzelbände s. HKL II, xxix) Texte und Materialien der Frau Professor Hilprecht Collection Jena, Leipzig 1932-1934; NF: Leipzig 1937, Berlin 1961 ff. A. Caquot / M. Sznycer / Andrée Herdner: Textes ougaritiques I. Mythes et légendes, LAPO 7, Paris 1974 XXIII

Abkürzungsverzeichnis

TRU TSS UAVA UET UET VI/3 UVB VBoT VO VS WAF WZKM ZA ZPE

XXIV

P. Xella: I testi rituali di Ugarit – I: Testi, Rom 1981 J. C. L. Gibson: Textbook of Syrian Semitic Inscriptions Iff., Oxford 1971 ff. Untersuchungen zur Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1960 ff. Ur Excavation Texts, London 1928 ff. (für Einzelbände s. HKL II, xxix A. Shaffer, with a Contribution by M.-Ch. Ludwig, Literary and Religious Texts, 3rd Part, London 2006 Vorläufiger Bericht über die … Ausgrabungen in Uruk-Warka (1-11 in: AbhBerlin, 1930-1940; 12 ff. in ADOG, Berlin 1956 ff.) Verstreute Boghazköi-Texte, (hg. von) A. Götze, Marburg 1930 Vicino Oriente. Annuario dell’Istituto di Studi del Vicino Oriente dell’Università di Roma, Rom 1978 ff. Vorderasiatische Schriftdenkmäler der (Königlichen) Staatlichen Museen zu Berlin, Berlin 1907 ff. J. A. Fitzmyer: A Wandering Aramean. Collected Aramaic Essays, Society of Biblical Literature. Monograph Series 25, Missoula / MT 1979 Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes, Wien 1887 ff. Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie, Berlin / New York Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, Köln 1967 ff.

I. Texte aus Mesopotamien

Übersetzungen mesopotamischer heilkundlicher Texte: Vorbemerkung Daniel Schwemer In vorliegendem Band wird zum ersten Mal überhaupt ein umfangreiches, in Hinsicht auf das Gesamtüberlieferungsbild repräsentatives Kompendium von mesopotamischen medizinischen Texten in Übersetzung vorgelegt. Ist die Assyriologie überhaupt ein junges Fach, so befindet sich die Erforschung der babylonisch-assyrischen Heilkunde, obwohl erste Beiträge zu diesem Teilbereich der mesopotamischen Kultur schon um 1900 publiziert wurden, immer noch in einem Anfangsstadium, in dem die Rekonstruktion größerer Textzusammenhänge aus einzelnen Fragmenten und die wissenschaftliche Edition der einschlägigen Texte im Vordergrund stehen müssen. Es verdankt sich daher nicht dem Zufall, daß viele Texte in diesem Band überhaupt zum ersten Mal der Öffentlichkeit übersetzt vorgelegt werden. In der babylonisch-assyrischen Heilkunde werden zur Therapie von Erkrankungen Heilmittel (Arzneien, Amulette) ebenso eingesetzt wie symbolische Akte (Rituale und Beschwörungen). Einerseits war eine Unterscheidung zwischen diesen beiden therapeutischen Strategien, die aus unserer modernen Perspektive gerne mit den – irreführenden – Etiketten (religiöse) ›Magie‹ und (wissenschaftliche) ›Medizin‹ versehen werden, den Babyloniern und Assyrern nicht fremd; abhängig von Krankheitsbild, Diagnose und Krankheitsverlauf konnten beide Strategien zum Einsatz kommen. Andererseits sind beide therapeutischen Methoden oft miteinander verquickt: Die Herstellung von Heilmitteln kann die Rezitation von Beschwörungen einschließen, so wie umgekehrt innerhalb feierlicher Beschwörungsrituale Heilmittel verwendet werden können. Unter der Überschrift »Texte zur Heilkunde« wurde für diesen Band der Rahmen weit gezogen, so daß die verschiedenen Traditionsstränge und Aspekte der mesopotamischen Heilkunde, Medizin und Beschwörungskunst, adäquat vertreten sind. Heilkundliche Texte in akkadischer und sumerischer Sprache, insbesondere die medizinischen Texte im engeren Sinne, stellen den Übersetzer vor manche Probleme, die hier vorab kurz angesprochen werden sollen: 1. Oft läßt sich die Bedeutung des in den Beschreibungen der Krankheitssymptome verwendeten Vokabulars nur vage bestimmen; inwieweit einzelne akkadische Wendungen unmittelbar mit von der modernen Medizin beobachteten Erscheinungen 1

oder von modernen Patienten beschriebenen Empfindungen gleichgesetzt werden können, wird innerhalb der Assyriologie unterschiedlich eingeschätzt. Dasselbe gilt für die Frage, inwieweit es uns möglich ist, die mesopotamischen Krankheitsbezeichnungen einem modernen Äquivalent zuzuordnen. 2. Die meisten der in den therapeutischen Texten begegnenden Drogennamen lassen sich nicht oder nicht mit Gewißheit identifizieren und so übersetzen. Bedeutungshinweisende Zusatzzeichen in der Keilschrift, sogenannte ›Determinative‹, geben Auskunft über die grundsätzliche Klassifikation der in Frage stehenden Substanz. Unterschieden wurden (weitgehend konsistent): Bäume und Sträucher (gisˇ); Pflanzen und Kräuter (ú); manche davon als Gartenkräuter spezifiziert (sar); Gewürz- und Duftpflanzen (sˇim); verschiedene Getreide (sˇe); Steine und Mineralien (na4). Kompliziert wird der Befund dadurch, daß bestimmte Drogen – wie in der modernen Botanik und Mineralogie auch – unter verschiedenen Namen bekannt sind; teilweise werden auch sogenannte ›Decknamen‹ oder ›beschreibende Namen‹ verwendet (etwa ›Menschenknochen‹ für die sonst ›Hirtenstab‹ genannte Medizinalpflanze oder ›Schlangenfett‹ für die sikillu-Pflanze); nicht immer lassen sich ›Decknamen‹ sicher als solche identifizieren. In vorliegendem Band werden unidentifizierte Drogen mit ihrem akkadischen Namen übersetzt (etwa kamkadu-Pflanze oder musˇsˇaru-Stein); Pflanzennamen, die von den Babyloniern sicher als ›sprechend‹ gehört wurden, werden meist in Übersetzung gegeben, ohne daß die Übersetzung eine Identifikation mit einer gleichnamigen modernen Pflanze impliziert (›Hirtenstab‹, ›Hundezunge‹, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze etc.). Wo (grobe) Identifikationen möglich sind, werden diese in der Übersetzung umgesetzt, wobei Unsicherheit wie auch sonst in den Übersetzungen durch Kursivsatz angedeutet wird (Wacholder, Tamariske, Sagapenum etc.). Einige Texte fügen den Drogennamen Maßangaben bei oder spezifizieren den zu verwendenden Pflanzenteil (Wurzel, Blätter, Frucht, Triebe, Harz, Extrakt etc.); oft fehlen solche Angaben jedoch, weil sie für den entsprechend ausgebildeten Benutzer der Texte selbstverständlich waren. 3. Alle heilkundlichen Texte, soweit sie nicht spezifischen Frauenleiden gewidmet sind, gehen in ihrer Formulierung von einem männlichen Patienten aus, der als awı¯lum (ame¯lu) »Mann« bezeichnet wird. Das akkadische awı¯lum wird freilich – im Gegensatz zu dem auf das Geschlecht fokussierenden Wort zikarum »Mann« – auch für »Mensch« im allgemeinen verwendet (genauso wie maskulines sehrum »(Klein)˙ ˘ Ärzten und kind«), und aus Briefen wissen wir, daß Frauen von mesopotamischen Beschwörern ebenso behandelt wurden wie Männer. In heilkundlichen Texten wird das Wort daher von jenen Übersetzern, die die innerhalb einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft wenig überraschende androzentrische Konzeption der babylonisch-assyrischen Heilkunde auch im übersetzten Text reflektiert sehen möchten, als »Mann« übersetzt, während diejenigen, die von einer grundsätzlichen Übertragbarkeit der nicht klar geschlechtsspezifischen Texte auf beide Geschlechter ausgehen, einer Übersetzung als »Mensch« den Vorzug geben.

2

Texte des 3. Jt. v. Chr. Hans Neumann Wie generell im alten Vorderen Orient waren auch im 3. Jt. v. Chr. die Praktiken der Krankenheilung und Wundbehandlung eng mit der Durchführung von magischen Ritualen verknüpft. Diagnostik und Therapie verbanden sich mit magisch-religiösen Vorstellungen und fanden ihren Ausdruck in entsprechenden Texten der Beschwörungs- und Ritualüberlieferung (vgl. TUAT.NF 3 [2008] 1-15). Allerdings lassen bereits die frühen Schriftzeugnisse auch systematische Studien im Bereich der Heilmittelherstellung und ihrer Anwendung erkennen. Pharmazeutisch-therapeutische Anweisungen aus dem nordsyrischen Ebla (ca. 24. Jh. v. Chr.) und aus der Zeit der III. Dynastie von Ur (21. Jh. v. Chr.) zeigen ein rationales und sachliches Herangehen der Gelehrten an die Krankenheilung ohne begleitende magische Rituale. Diese, allerdings nicht sehr zahlreichen Texte sowie Zusammenstellungen von materia medica 1) machen deutlich, daß naturkundliche und pharmakologische Studien in Mesopotamien bereits im 3. Jt. v. Chr. zu einem beachtlichen medizinischen Wissen und zu entsprechenden sachgerechten Anwendungen geführt haben dürften. 2) Die sumerische Berufsbezeichnung für den »Heiler« bzw. »Arzt« a-zu (akk. asû) läßt sich (in verschiedenen Schreibungen) bis in die Zeit der ersten Hälfte des 3. Jt. v. Chr. zurückverfolgen. 3) Die Überlieferung aus dem Bereich der Wirtschaftsverwaltung von Ebla belegt darüber hinaus die Herstellung und damit auch die Nutzung fein gearbeiteter medizinischer Instrumente für entsprechende ärztliche Eingriffe. 4)

1. 2.

3. 4.

Vgl. J. Petersohn, An Early sˇa3-zi-ga Prescription from Nippur, ZA 98 (2008) 196 mit Anm. 4 (Literatur). Vgl. dazu auch den instruktiven Überblick bei S. M. Maul, Die Heilkunst des Alten Orients, in: A. Karenberg / Chr. Leitz (Hg.), Heilkunde und Hochkultur II. ›Magie und Medizin‹ und ›Der alte Mensch‹ in den antiken Zivilisationen des Mittelmeerraumes, Münster 2002, 5-7 und P. Attinger, La médecine mésopotamienne, JMC 11/12 (2008) 9-12. Vgl. PSD A1 205-208; J. C. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen. Untersuchungen zur altorientalischen Medizin, Würzburger medizinhistorische Forschungen 70, Würzburg 2000, 6 mit Anm. 29-31. Vgl. A. Archi, List of Tools, in: M. Dietrich / O. Loretz (Hg.), Vom Alten Orient Zum Alten Testament, Fs W. von Soden, AOAT 240, Kevelaer / Neukirchen-Vluyn 1995, 7-10; dazu auch H. Waetzoldt, DUB.NAGAR in Ebla: »Meißel, Stemmeisen, Beitel«, nicht »Hammer«, NABU 1995/117.

3

Hans Neumann

1. Ein pharmazeutisch-therapeutischer Text aus Ebla Aufzeichnung von Heilverordnungen auf einer mehrkolumnigen Keilschrifttafel (TM.75.G.1623) aus Ebla (Tell Mardih) in der für Ebla typischen semitischen Sprache 5) (ca. ˘ 24. Jh. v. Chr.). – Edition und Bearbeitung: P. Fronzaroli, A Pharmaceutical Text at Ebla (TM.75.G.1623), ZA 88 (1998) 225-239 (Photo, Umschrift, Übersetzung, Kommentar); M. Bonechi, The Second Prescription in the Pharmaceutical Text TM.75.G.1623 (III Millennium Ebla), NABU 2003/24 (Bearbeitung von II 5-III 7). – Übersetzung: P. Attinger, La médecine mésopotamienne, JMC 11/12 (2008) 9; S. M. Maul, Die Heilkunst des Alten Orients, in: A. Karenberg / Chr. Leitz (Hg.), Heilkunde und Hochkultur II. ›Magie und Medizin‹ und ›Der alte Mensch‹ in den antiken Zivilisationen des Mittelmeerraumes, Münster 2002, 6 (Übersetzung von III 8-V 6).

Bei dem vorliegenden Text aus dem nordsyrischen Ebla handelt es sich um die bislang älteste medizinische Aufzeichnung im Rahmen der keilschriftlichen Überlieferung. Sie enthält Behandlungsvorschriften im Zusammenhang mit therapeutisch einsetzbaren Pflanzen, in einem Falle vielleicht als Mixtur angewandt. Die jeweiligen Krankheiten bzw. Krankheitsbilder sind nicht immer eindeutig zu identifizieren. Neben offensichtlichen Hautkrankheiten bzw. -verletzungen scheinen auch Gallenblasenerkrankungen und gastroenterische Probleme Gegenstand der Behandlungen zu sein. (I 1-II 4) (Ihr = der Pflanze) Name (ist) »Schlangenkraut« 6): Medikation für Schwellung, und für die Gallenblase 7) und Inkontinenz 8), und für die »Hand des Gottes« 9). (II 5-III 7) (Ihr = der Pflanze) Name (ist) »…-Kraut: … 10) 1⁄3 (davon), 2⁄3 Most, und trage es auf die Wunde durch Verschmieren auf. (III 8-V 6) (Ihr = der Pflanze) Name (ist) »Gallenkraut« 11): rolle sie auf und gib sie der (kranken) Person zu essen, und (verwende sie außerdem) bei einer aufgeplatzten Blase als Umschlag, und sie (= die Pflanze) wird sie (= die Blase) heilen, und (sie ist auch) für eine Verletzung Medizin.

5. Zum sog. Eblaitischen vgl. bereits H. Neumann, TUAT.NF 2 (2005) 2 Anm. 6. 6. Wohl identisch mit Cynoglossum (Hundszunge); vgl. die Diskussion bei P. Fronzaroli, ZA 88 (1998) 228 f. und 237. 7. Vgl. P. Fronzaroli, aaO 229: »One could here be led to think that a form of jaundice caused by retention of bile is indicated.« 8. Nach P. Fronzaroli, aaO 230 könnte gu-bù-ù-tum »refer to faecal incontinence«. 9. Zur sumerischen Krankheitsbezeichnung sˇu-digˆir = akk. qa¯t ili »Hand des Gottes« vgl. N. P. Heeßel, Babylonisch-assyrische Diagnostik, AOAT 43, Münster 2000, 49-51; ders., The Hands of the Gods: Disease Names, and Divine Anger, in: I. L. Finkel / M. J. Geller (Hg.), Disease in Babylonia, CM 36, Leiden / Boston 2007, 120-130. 10. II 5-8 ist unklar und wird unterschiedlich gelesen und interpretiert: P. Fronzaroli, ZA 88 (1998) 228 (mit Kommentar ebd. 230 f.) mu ú nag sa-bur-bù »herb for a potion for inflammation«; M. Bonechi, NABU 2003/24 mu ú zú-ku5!(A) sa-sˇa!(BUR)-bù »›salve (lit.: herb) for a bite‹ : vegetable latex (or: milk)«; P. Attinger, JMC 11/12 (2008) 9 Anm. 12 »la chose est épigraphiquement à peine crédible«. 11. P. Fronzaroli, ZA 88 (1998) 238 f. bringt das vorliegende Gewächs mit Aloe in Verbindung.

4

Texte aus Mesopotamien

2. Zwei pharmazeutisch-therapeutische Anweisungen Keilschrifttafel aus Nippur aus der Zeit der III. Dynastie von Ur (21. Jh. v. Chr.). – Aufbewahrungsort: Frau Professor Hilprecht Collection of Babylonian Antiquities im Eigentum der Friedrich Schiller-Universität Jena (HS 1357) – Edition: A. Pohl, TMH.NF 1/2 Nr. 357; H. Waetzoldt, Kollationen zu A. Pohl, Rechts- und Verwaltungsurkunden der III. Dynastie von Ur = TMH NF 1/2, OrAnt. 15 (1976) 324 (Kollation). – Bearbeitung: M. Civil, Une nouvelle prescription médicale sumérienne, RA 55 (1961) 94 (Teilumschrift mit Übersetzung); J. J. A. van Dijk / M. J. Geller, Ur III Incantations from the Frau Professor HilprechtCollection, Jena, TMH 6, Wiesbaden 2003, 75 Nr. 2 (Umschrift nach Kollation); J. Bauer, BiOr. 64 (2007) 179 (Teilübersetzung).

Der vorliegende Text in sumerischer Sprache enthält zwei Rezepturen für die Herstellung von Salben mit jeweiliger Anwendungsvorschrift. Im ersten Fall scheint es um die Herstellung und Anwendung einer Augensalbe zu gehen, 12) während die zweite Vorschrift das zu behandelnde Leiden nicht klar erkennen läßt. man Butter mit AH-usˇ vermischt hat (3) und dies(e Salbe) auf das kranke Auge aufgetragen hat, reibt man˘ (es damit) ein. 13) (4) Nachdem man Wacholder(harz) erster Qualität mit AH-usˇ vermischt hat, (5) reibt man das AH-husˇ 14) (damit) ein. ˘ ˘ ˘

(1-2) Nachdem

3. Eine Behandlungsvorschrift mit Krankheitsangabe Keilschrifttafel aus Nippur aus der Zeit der III. Dynastie von Ur (21. Jh. v. Chr.). – Aufbewahrungsort: Frau Professor Hilprecht Collection of Babylonian Antiquities im Eigentum der Friedrich Schiller-Universität Jena (HS 1359) – Edition: A. Pohl, TMH.NF 1/2 Nr. 359; H. Waetzoldt, Kollationen zu A. Pohl, Rechts- und Verwaltungsurkunden der III. Dynastie von Ur = TMH NF 1/2, OrAnt. 15 (1976) 324 (Kollation). – Bearbeitung: M. Civil, Une nouvelle prescription médicale sumérienne, RA 55 (1961) 91-93 (Umschrift, Übersetzung, Kommentar); S. N. Kramer, The Sumerians. Their History, Culture and Character, Chicago / London 1963, 99 (Übersetzung); J. J. A. van Dijk / M. J. Geller, Ur III Incantations from the Frau Professor Hilprecht-Collection, Jena, TMH 6, Wiesbaden 2003, 76 Nr. 4 (Umschrift nach Kollation).

Der sumerischsprachige Text enthält eine Behandlungsvorschrift, in der neben calciniertem und zerstoßenem Schildpatt auch Öl, Bier, Wasser und zerstoßenes Tannenholz zur Anwendung kommen. Die therapeutische Anweisung wird mit einer Angabe über die damit zu behandelnde Krankheit abgeschlossen.

12. 13. 14.

Vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch J. C. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, 6. Zur Übersetzung von Z. 1-3 vgl. J. Bauer, BiOr. 64 (2007) 179. Nach J. Bauer, aaO 179 könnte es sich bei der Krankheit »um etwas Entzündetes (husˇ ›rot‹) handeln. Der Gleichklang von Salbingredienz und Krankheit springt ins Auge, also ein Akt iminativer Magie?«; auch für P. Attinger, Le Journal des Médecines 11/12 (2008) 12 läßt sich die Krankheit nicht klar identifizieren (»littéralement peut-être ›vermine rouge‹«).

5

Hans Neumann (1-3) Nachdem

man Schildpatt calciniert (und) zerstoßen 15) (4) (und) mit Öl die Öffnung (der Wunde) abge[tupft] hat, (5) reibst du die (kranke) Person (damit) ein, (6) nachdem man (sie) eingerieben hat, (7) reibst du (die Wunde) mit Bier von guter Qualität ein, (8) nachdem man (sie) mit Bier von guter Qualität eingerieben hat, (9) wäschst du (die Wunde) mit Wasser aus, (10) nachdem man (sie) mit Wasser ausgewaschen hat, (11) füllst du (die Wunde) mit zerstoßenem Tannenholz. (12) Dies ist (die Behandlung) für eine Person, die von einer ù-nu-Krankheit befallen ist. 16)

4. Auszug aus einer Sammlung von therapeutischen Anweisungen Sechskolumnige Keilschrifttafel aus Nippur aus der Zeit der III. Dynastie von Ur (21. Jh. v. Chr.). – Aufbewahrungsort: Tontafelsammlung des University Museum der University of Pennsylvania, Philadelphia (CBS 14221). – Edition und Bearbeitung: M. Civil, Prescriptions médicales sumériennes, RA 54 (1960) 57-72 (Photos, Umschrift, Übersetzung, Kommentar). 17) – Übersetzung: S. N. Kramer, The Sumerians. Their History, Culture and Character, Chicago / London 1963, 95-97; P. Attinger, La médecine mésopotamienne, JMC 11/12 (2008) 10 (Z. 100-126); S. M. Maul, Die Heilkunst des Alten Orients, in: A. Karenberg / Chr. Leitz (Hg.), Heilkunde und Hochkultur II. ›Magie und Medizin‹ und ›Der alte Mensch‹ in den antiken Zivilisationen des Mittelmeerraumes, Münster 2002, 6 f. (Z. 69-75; 102-114).

Der insgesamt 145 Zeilen enthaltende Text 18) stellt eine Sammlung von therapeutischen Anweisungen dar, von denen 15 mehr oder weniger klar nachzuvollziehen sind. Während die Rückseite des Textes – von ein paar fehlenden Zeichen abgesehen – sehr gut erhalten ist, bereitet die Vorderseite nicht zuletzt auf Grund ihres schlechten Erhaltungszustandes eine ganze Reihe von Lesungs- und Interpretationsproblemen. Den Anfang des Textes könnte eine Liste von materia medica gebildet haben (Z. 1-21), an die sich die einzelnen therapeutischen Anweisungen anschließen. Diese sind in drei Gruppen unterteilt, abhängig von der jeweiligen Verwendung der Pharmaka: Herstellung und Anwendung von Breiumschlägen (Kataplasmen) (Z. 22-82), von (innerlich anzuwendenden) Arzneien (Z. 83-99) und von (äußerlich anzuwendenden) Salben (Z. 100-145). Die Anweisungen sind frei von jeglicher Art magischer Rituale. Im Unterschied zu der unter 3. übersetzten Heilanweisung enthält der vorliegende Text keine Angaben zur Art der zu behandelnden Krankheiten. Im folgenden werden Auszüge aus dem Text geboten, die beispielhaft die erwähnten drei Gruppen von Anweisungen illustrieren sollen.

15. 16. 17.

18.

6

Vgl. auch PSD B 152b. lú-ùlu ù-nu-gig sˇub-ba-kam (vgl. J. J. A. van Dijk / M. J. Geller, TMH 6, 76) m. E. nur so zu verstehen. Was sich hinter ù-nu-gig genau verbirgt, bleibt unklar. Zur früheren Edition durch L. Legrain vgl. P. Gerardi, A Bibliography of the Tablet Collections of the University Museum, OPBF 8, Philadelphia 1984, 183; vgl auch die Angaben zur älteren Literatur bei M. Civil, RA 54 (1960) 57 Anm. 3. Das Photo der Tafelrückseite auch in J. Aruz / R. Wallenfels (Hg.), Art of the First Cities, New York / New Haven / London 2003, 466 und in P. Attinger, JMC 11/12 (2008) 11. Zeilenzählung nach M. Civil, RA 54 (1960) 61 f.

Texte aus Mesopotamien

man Weinh[efe] getrocknet (und) Wacholder (sowie) sˇennur-Früchte 19) zermahlen (und) Bier (darüber) gegossen hat, tupfst [du] (die Wunde) mit Ö[l ab] und legst einen Umschlag an. 20) (76-82) [Nachdem] man [ … -]Baum[w]urzeln [ … ] (und) ›Flußschlick‹ ? 21) getrocknet (und) zermahlen (und) Bier (darüber) gegossen hat, [tupfst du] (die Wunde) mit Öl [a]b und [legst] einen Umschlag an. (83-88) Nachdem man über die … -Essenz Bier gegossen (und) sie im Feuer [erhitzt] (und) diese Flüssigkeit in ›Flußschlick‹ ? eingebracht hat, wird die (kranke) Person (die Arznei) langsam trinken. 22) (89-93) Nachdem man die … -Frucht 23) (und) die Wurzel des … -Baumes 24) zermahlen (und dies) in Bier eingebracht hat, wird die (kranke) Person (die Arznei) langsam trinken. (100-114) Nachdem man Schildpatt, Salicornia, Salz (und) Senf durch ein Sieb passiert (und) vermischt (sowie die Wunde) mit Bier von guter Qualität (und) heißem Wasser ausgewaschen hat, reibst du (die Wunde) mit all diesem ein. Nachdem (die Wunde) eingerieben (und) mit Öl abgetupft ist, legst du zerstoßenes Tannenholz (auf die Wunde). 25) (69-75) Nachdem

19. 20. 21. 22.

23. 24. 25.

Zu sˇennur = akk. ˇsalluru vgl. AHw 1149a »Mispel?«; CAD Sˇ1 253b »(a fruit tree and its fruit)«. Zur Übersetzung vgl. auch S. M. Maul, in: A. Karenberg / Chr. Leitz (Hg.), Heilkunde und Hochkultur II, Münster 2002, 6. Die Bedeutung von ì-gˆar-ra-i7-da (Z. 78 und 86) ist nicht klar; M. Civil, RA 54 (1960) 68 vermutet darin eine »substance huileuse que a quelque relation avec la rivière« bzw. »substances bitumineuses«. Zur Bedeutung der Form al-na8-na8 (Z. 88) im vorliegenden Zusammenhang vgl. D. O. Edzard, Zum sumerischen Verbalpräfix a(l)-, in: W. Sallaberger / K. Volk / A. Zgoll (Hg.), Literatur, Politik und Recht in Mesopotamien, Fs C. Wilcke, OBC 14, Wiesbaden 2003, 95 »Er/Sie wird (es) langsam, nach und nach, trinken (schlürfen)«. Zu gˆisˇhasˇhur-UD vgl. CAD S 300a s. v. sippirû »(a fruit tree)«; vgl. auch AHw 1049a. ú ˘ ˘ vielleicht identisch mit úki-dnanna = akk. asusimtu (AHw 77b »eine Art Mangˆisˇ-nanna ˙ ˙ na?«; CAD A2 385b »[a medicinal plant]«; vgl. die Diskussion bei M. Civil, RA 54 (1960) 67 f. Zur Übersetzung vgl. S. M. Maul, in: A. Karenberg / Chr. Leitz (Hg.), Heilkunde und Hochkultur II, Münster 2002, 6 f.; vgl. auch P. Attinger, JMC 11/12 (2008) 10.

7

Akkadische Texte des 2. und 1. Jt. v. Chr. 1. Diagnostische Texte

Nils P. Heeßel Die altorientalische Diagnostik zielte darauf ab, anhand der am Körper des Kranken zu beobachtenden Symptome die Krankheit zu benennen, ihren Verlauf und die Genesungschancen des Patienten einzuschätzen und besonders den Verursacher der Krankheit zu bestimmen. Nach babylonisch-assyrischen Vorstellungen zeigten Krankheiten eine Störung des sonst guten Verhältnisses des betroffenen Menschen mit den Göttern an. Damit jemand jedoch erkrankte, bedurfte es einer göttlichen Entscheidung, sei es, daß der persönliche Gott des Menschen sich abwendete und so Angriffe von Dämonen ermöglichte, sei es, daß eine Gottheit direkt den Menschen erkranken ließ. Daher war es ein wichtiges Ziel der diagnostischen Untersuchung, den Krankheitsverursacher zu bestimmen, der die Krankheit durch Kontakt auf den betroffenen Menschen übertragen hatte. Die Gottheit oder die Dämonen, die als Krankheitsverursacher in Erscheinung traten, plazierten durch einen physischen Kontakt einen ›Krankheitsherd‹ im Körper des Menschen, wodurch dieser erkrankte. Erst wenn der Krankheitsverursacher namentlich bekannt und mittels Ritualen und Beschwörungen wieder mit dem Patienten versöhnt war, konnte man darauf hoffen, daß der Krankheitsherd aus dem Körper entfernt wurde und der Patient vollständig gesundete. Die diagnostischen Texte verweisen in ihren Diagnosen sehr häufig auf die Infizierung des Kranken durch die Sphäre des Göttlichen, entweder durch zahlreiche Verben, die das Berühren ausdrücken, oder einfach durch die ubiquitäre Wendung (Berührung durch die) »Hand der Gottheit N.N.«. Ein diagnostischer Eintrag besteht in der Regel aus mindestens einer, häufiger aus mehreren Symptombeobachtungen, der eine oder mehrere Prognosen und/oder Diagnosen folgen. Nur sehr selten folgen darauf noch Handlungsanweisungen oder weitere Erklärungen. Wie Gesetze, Omina und therapeutische Traktate verwenden auch die diagnostischen Texte zur Darstellung der Zusammenhänge von Symptomgefügen und ihrer Prognose und Diagnose das Format von Bedingungssatz mit sˇumma und nachfolgendem Hauptsatz. Dieses für die Omina so typische Format hat auch dazu geführt, daß die diagnostischen Texte in der Altorientalistik lange Zeit als Omina bezeichnet wurden. Erst in jüngster Zeit werden diese Texte aufgrund ihres deutlich von der Vorzeichenkunde verschiedenen Charakters wieder verstärkt zu den medizinischen Texten gerechnet. Die ältesten diagnostischen Texte stammen aus der altbabylonischen Zeit (Nr. 1.1). In der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends finden sich diagnostische Texte neben Babylonien (Nr. 1.2.1 und 1.2.2) dann auch in Assur, Emar, Susa und Hattusˇa. In ˘ zu einer Babylonien wurden die verschiedenen Texte in der mittelbabylonischen Zeit Serie zusammengestellt, die den Titel »Wenn du dich dem Kranken näherst« trug. Hiervon haben sich Abschriften aus Nippur und dem neuassyrischen Huzı¯rı¯na (Sultantepe) erhalten (Nr. 1.3.1 und 1.3.2). Während der Herrschaft des ˘Königs Adad8

Texte aus Mesopotamien

apla-iddina (1068-47 v. Chr.) schuf dann der borsippäische Gelehrte Esagil-kı¯n-apli eine neue diagnostische Serie mit dem Titel sakikkû(sa.gig) »Symptome«, die heute zumeist als das babylonische Diagnosehandbuch bezeichnet wird (Nr. 1.4.1-1.4.9). Dieses neue Diagnosehandbuch setzte sich in Babylonien und Assyrien durch und wurde bis zum Ende der Keilschriftkultur in zahlreichen Abschriften tradiert. Erst in der Spätzeit wurden dann neue diagnostische Ansätze insbesondere zur Krankheitsätiologie entwickelt; eine kleine Tafel aus Uruk (Nr. 5.1) zeugt von dem Bemühen, die Entstehung von Krankheiten nicht mehr über die göttliche Sphäre zu begründen, sondern die Pathogenese anhand von Funktionsstörungen der Organe zu erklären. Die grundlegende Edition des Diagnosehandbuchs ist René Labat, Traité de diagnostics et pronostics médicaux (Paris 1951; im folgenden: TDP). Durch zahlreiche neue Textfunde und auch einen neu aufgefundenen Katalog, der den Aufbau der Serie vollständig erschließt, ist Labats editio princeps mittlerweile veraltet. Für den Aufbau der Serie und die kulturhistorische Einordnung der Diagnostik s. Nils P. Heeßel, Babylonisch-assyrische Diagnostik, AOAT 43, Münster 2000, der auch die Kapitel 3-5 (Tafeln 15-35) neu bearbeitet hat (im folgenden: Heeßel, Diagnostik). JoAnn Scurlock / Burton R. Andersen, Diagnoses in Assyrian and Babylonian Medicine, Urbana / Chicago 2005 (im folgenden: Scurlock / Andersen, Diagnoses), haben eine medizinische Auswertung der diagnostischen Texte vorgelegt.

1.1 Ein altbabylonischer diagnostischer Text

Auf der heute im Rijksmuseum zu Leiden aufbewahrten Tafel LB 2126 befindet sich einer von nur zwei bekannten altbabylonischen diagnostischen Texten, der andere befindet sich in der Schøyen-Sammlung, Oslo, und ist bislang noch nicht ediert worden. LB 2126 wurde von F. M. Th. de Liagre Böhl als TLB II 21 erstmals ediert und von Heeßel, Diagnostik, 97-99 bearbeitet und übersetzt. M. J. Geller, West Meets East: Early Greek and Babylonian Diagnosis, AfO 48-49 (2001-2) 50-75 (hier 73 f.) hat die Tafel neu kopiert, bearbeitet und übersetzt. Leider ist von der Tafel nur der untere Teil erhalten, so daß unklar bleibt, wie viel am Anfang und Ende verloren ist. Der Text bietet diagnostische Einträge zu den verschiedensten Themen ohne erkennbare Ordnung. (Vs. 3’-6’) [Wenn

ein Mann 1) … ] nicht hat, sein(e) [ … ], seine Hände und Füße kalt sind [ohne] Unterlaß: Seine Krankheit wird sich in die Länge ziehen, er ist nicht gesund, der Mann wird (aber) genesen. (7’-10’) Wenn ein Mann die Steppe durchquert und er dabei an seinen Schläfen betroffen 2) ist und sich wieder davon erholt hat: (Es ist) der Einbrecher der Steppe(-Dämon), ein Mörder.

1. 2.

Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. Das hier vorliegende Verbum maha¯su mit der Grundbedeutung »schlagen« wird in medizi˘ ˙

9

Nils P. Heeßel (11’-13’) Wenn

die Augen des Kranken voll Blut sind, sein Herz schnell pocht und er die Hand wegstößt: Dieser Kranke wird nicht genesen. (14’-16’) Wenn der Blick des Kranken schreckhaft ist, sein Gesicht (jedoch) besser als in gesundem Zustand aussieht: Dieser Kranke ist nicht gesund. (17’-Rs. 2) Wenn die Hände und Füße einen Kranken schmerzen, er nicht aufhört, beständig zu schreien, sein Körper (jedoch) überhaupt nicht heiß ist: Hand der Zauberei. (3-5) Wenn diesen Kranken (dazu noch) die … schmerzen: Der Kranke (leidet) an Fieber durch ›Sonnenglut‹ 3). (15-17) [Wenn] der Bauch [den Kranken] schmerzt, und er immer wieder »[Mein Bauch], mein [Bauch]!« schreit: Dieser Kranke (leidet an) der Krätze.

1.2 Mittelbabylonische diagnostische Texte aus Nippur

In Nippur wurden mehrere medizinisch-diagnostische Texte gefunden, die in die mittelbabylonische Zeit datieren. Neben den hier vorgestellten Texten gehört dazu auch die unten als 1.3.1 bearbeitete Tafel 2 NB 336, die die zweite Tafel des älteren Diagnosehandbuchs darstellt. In den mittelbabylonischen diagnostischen Texten läßt sich ein Anordnungsschema ausmachen, das die Einträge nach gleichartigen Diagnosen oder Prognosen zusammenstellt. So weist der erste Text, CBS 3424, fast durchgängig die Prognose »er wird sterben« auf, während der zweite Text, Ni. 470, Symptombeobachtungen zusammenstellt, die auf das Einwirken des ›Lauerer‹ genannten Dämons zurückgeführt werden.

1.2.1 Symptome mit fatalem Ausgang Die kleine, fast vollständig erhaltene Tontafel CBS 3424 versammelt elf verschiedene Symptombeobachtungen, denen fast allen die Prognose »er wird sterben« gemeinsam ist. Erst im siebten Eintrag wird eine Diagnose gegeben und es bleibt unklar, ob auch die restlichen Einträge eine solche fatale Prognose aufweisen. Die heute im University Museum, Philadelphia, aufbewahrte Tontafel wurde von A. T. Clay als PBS II/2, 104 in Keilschriftkopie publiziert und von N. P. Heeßel, Diagnostik, 99-101 bearbeitet und übersetzt. (Vs. 1) [Wenn

e]r sich erbricht, aber eine Fliege sich seinem Erbrochenen nicht nähert: Er wird sterben. (2) [Wenn] seine [Krankheit] sich löst, er aber nicht aufhört, sich zu übergeben: Er wird sterben. (3) [Wenn] während [ … ] auf ihn werfen, seine Brust und sein Epigastrium zittern: Er wird sterben. (4) Wenn er seine Lippe nach oben zieht: Er wird sterben.

3.

10

nisch-diagnostischen Texten zur Bezeichnung des von der Krankheit betroffenen Bereichs gebraucht. Der Abschnitt Rs. 6-14 ist zu fragmentarisch erhalten, um ihn übersetzen zu können.

Texte aus Mesopotamien (5) Wenn

sein Darm rumort: Er wird sterben. sein Darm schlaff ist und er zwei Tage, drei Tage, vier Tage, fünf Tage nicht schlafen kann: Er [wird sterben]. (7) Wenn er sich, wo immer er geht, immer wieder beklagt: Er leidet an einer Lungenkrankheit [( … )]. (8) Wenn er seinen Bauchnabel anfaßt und schwarze Galle(nflüssigkeit) aus seinem Mund ausgestoßen wird: [ … ]. (9) Wenn … , Luft in seinem After eingeschlossen ist: [ … ]. (10) Wenn er voll mit schwarzen Pusteln ist, er … andauernd beißt: [ … ]. (11) Wenn er seine gerötete Haut abschält und die gerötete Haut [ … ]. (6) Wenn

1.2.2 Das Einwirken des ›Lauerer‹-Dämons Die Tontafel Ni. 470 hat F. R. Kraus, Verstreute Omentexte aus Nippur im Istanbuler Museum, ZA 77 (1987) 196-202 in Umschrift und Übersetzung publiziert. Eine Kopie der heute in den Istanbul Arkeoloji Müzeleri aufbewahrten Tafel ist bislang nicht publiziert worden. Von der kleinen Tafel, deren Rückseite nur zwei Zeilen aufweist und sonst unbeschrieben ist, ist nur die linke Seite erhalten, so daß die Diagnosen weitgehend abgebrochen sind. Drei Einträge lassen sich jedoch durch Parallelen im Diagnosehandbuch ergänzen. Der Text stellt Symptombeobachtungen zusammen, die auf das Wirken des ›Lauerer‹-Dämons zurückzuführen sind. (Vs. 1) Wenn

der Puls seiner Schläfenadern erhöht ist: [ … ]. seine Hände schwarz sind und sein Körper 4) [ … ]. (3-4) 5)Wenn das Haar an seiner rechten Schläfe 6) schütter ist, [seine Adern auf der linken (Körper)seite stark pulsieren, er ein Leiden des Bauchbereichs bekommt und] sein Epigastrium hochsteht: Schlag des ›Lauerer‹-Dämons, [er wird sterben]. (5-6) 7)Wenn die Adern seiner rechten und linken Schläfe gleichzeitig stark pulsieren und [sein] Epi[gastrium ihm immer wieder zusetzt: Schlag des ›Lauerer‹-Dämons], die Behandlung führst du an ihm durch und [er wird genesen]. (7) 8)Wenn die Adern seiner rechten und linken Schläfe gleichzeitig stark pulsieren und er [selbst sehr launisch ist: Schlag des ›Lauerer‹-Dämons, er wird sterben]. (8) Wenn seine rechte Schläfe hervorsteht und seine linke zurückweicht … [ … ]. (9-10) Wenn ihm beim Baden beim Heraussteigen aus dem Fluß schwindelig wird [ … ], wird der ›Lauerer‹-Dämon des Flusses [ … ]. (11) Wenn beim Heraussteigen aus dem Wasser sein Körper sich mit einer Gänsehaut überzieht und [ … ]. (2) Wenn

4. 5. 6.

7. 8.

S. die Bemerkungen von Kraus, ZA 77 (1987) 199 zu Z. 2. Dieser Eintrag ist parallel zu TDP 44/41-42. Der Text bietet fehlerhaft ˇser3a¯n(sa) nakkaptisˇu(sag.ki-sˇú) »seine Schläfenader«. Wie schon Kraus, ZA 77 (1987) 197 und 199 gezeigt hat, ist das Zeichen sa hier zu tilgen. Interessanterweise erscheint dieses sa auch in einem der drei Textvertreter, in denen die Parallelstelle erhalten ist (SpTU III 88 Rs. IV 4). Dieser Eintrag ist parallel zu TDP 40/26-27. Dieser Eintrag ist parallel zu TDP 42/28.

11

Nils P. Heeßel (12) Wenn seine Krankheit ihn immer während der Nacht befällt: Ein ›Lauerer‹-Dämon des Flus[ses … ]. (13) Wenn seine Krankheit ihn immer während der Nachtzeit befällt … [ … ]. (Rs. 1) Wenn sein After … affiziert ist: [ … ].

1.3 Aus dem älteren diagnostischen Handbuch

Den mittelbabylonischen Text 2 NB 336 (1.3.1) aus Nippur unterscheidet auf den ersten Blick nichts von anderen mittelbabylonischen Texten aus dieser Stadt (s. 1.2.1-1.2.2). Doch ist der Kolophon dieser Tafel sehr bedeutend für die Frage der Kanonisierung der diagnostischen Texte, da er zeigt, daß es bereits vor der von Esagil-kı¯n-apli edierten Serie sakikkû aus dem 11. Jh. v. Chr. ein älteres Diagnosehandbuch gegeben hat. Dieses ältere diagnostische Handbuch trägt wie das zweite Kapitel des jüngeren Diagnosehandbuchs den Titel »Wenn du dich dem Kranken näherst«. Weder der Inhalt noch der Aufbau der Tafeln gleichen sich jedoch; dies zeigt, daß sowohl der mittelbabylonische Text 2 NB 336, als auch der neuassyrische Text STT I 89 (Nr. 1.3.2) nicht der Serie sakikkû Esagil-kı¯n-aplis zugehörig sind, sondern zu einem älteren, bereits bestehenden diagnostischen Handbuch gehören. Die Tatsache, daß Esagil-kı¯n-apli den Titel des älteren Diagnosehandbuchs als Titel seines zweiten Kapitels verwendet, zeugt von seinem Anspruch, das ältere Werk zu ersetzen.

1.3.1 Die zweite Tafel Das bei den Grabungen 1949-50 gefundene Tontafelfragment 2 NB 336 hat René Labat, Une nouvelle tablette de pronostics médicaux, Syria 33 (1956) 119-30 publiziert. Das erhaltene Fragment stammt vom linken Rand, der Anfang und das Ende der Tafel sind weggebrochen, jedoch lassen sich fast alle Einträge dieser Tontafel nach Parallelen im Diagnosehandbuch ergänzen9). Auf dem linken Rand hat sich ein Kolophon erhalten, der die Anzahl der Einträge auf der Tafel mit 169 angibt und den Text als zweite Tafel der Serie »Wenn du dich dem Kranken näherst« ausweist. Von den 169 Einträgen sind jedoch nur 42 fragmentarisch erhalten geblieben und die Ergänzungen zeigen, daß von den einzelnen Zeilen jeweils weniger als die Hälfte erhalten ist. (Vs. 1’-4’) (In

diesen Zeilen jeweils nur erhalten:) [Wenn der Kranke] fünf [Tage] krank ist und a[m … ]. (5’) Wenn der Kranke am fünften Tag gesund ist und am [ … ]. (6’) Wenn [dem Kranken] beim Sprechen der Speichel lä[uft … ]. (7’) Wenn dito (= dem Kranken beim Sprechen der Speichel läuft) … [ … ]. (8’) Wenn dito, Blut … [ … ]. (9’) Wenn dito, er verschwitzt ist: [ … ]. (10’-12’) Wenn der Kranke vom Morgen an krank ist, am späten Nachmittag seine Krank9.

12

Zur Auflistung der Ergänzungen s. bereits Labat, Syria 33 (1956) 126.

Texte aus Mesopotamien

heit [ihn verläßt, doch plötzlich zu ihm zurückkehrt: Minderung seiner Krankheit, am zweiten Tag bis zum Mittag, am dritten bis zum späten Nachmittag, am vierten] bis zum Abend, am fünften Tag bis zu seinem Termin, am se[chsten Tag bis zur ersten Nachtwache, am siebten Tag bis zur mittleren Nachtwache], am achten Tag bis frühmorgens, am neunten Tag b[is zum Hellwerden, am zehnten Tag wird sie (= die Krankheit) sich hinwegheben und er wird genesen]. (13’-14’) Wenn die Haut des Kranken sich beständig gelb verfärbt (und) sein Kopf [ … ]: Dieser Mann (leidet an Problemen infolge von) Sonnenglut. Sobald es an ihm vorübergegangen sein wird – wenn du ihn (dann) Bier trinken läßt, [ … ]. (15’) Wenn der Kranke während seiner Krankheit wie einer, der gesund ist, mit seiner Frau, [seinem] Sohn [oder seiner Tochter angenehm spricht, aber nichts ißt: di3u-Krankheit, er wird genesen]. (16’) Wenn den Kranken seine rechte Niere beständig schmerzt: [Er ist in einem kritischen Zustand, (alternativ:) Berührung der Hand des Nergal]. (17’) Wenn den Kranken seine linke Niere beständig schmerzt: [Er wird genesen, (alternativ:) Hand der Zwillingsgötter]. (18’) 10)Wenn dem Kranken an dem Tag, an dem er erkrankt, [ … ]. (19’) Wenn der Kranke dito (= an dem Tag, an dem er erkrankt), seinen Mund immer wieder öffnet: [Eintreten der Krankheit]. (20’) Wenn der Kranke an dem Tag, an dem er erkrankt, taub wird und sein Körper [ihn] schmerzt [ … ]. (21’) [Wenn der Kranke] dito (= an dem Tag, an dem er erkrankt,) immer wieder schreit, … . (22’) [Wenn den Kranken] dito eine Benommenheit ergreift: [Seine Krankheit wird lange andauern]. (23’) [Wenn] der Verstand [des Kranken] sich ihm immer wieder verändert: [Hand des Sˇamasˇ, er hat ein Tabu verletzt]. (24’) [Wenn der Kranke dito (= sein Verstand sich ihm immer wieder verändert)], aber sein Verstand (dabei) nicht affiziert ist: [ … ]. (Rs. 1’) [Wenn] das Haupthaar des [Kranken] schütter ist: [ … ]. (2’) [Wenn] das Kopfhaar des [Kranken] rot ist: [ … ]. (3’) [Wenn] dito (= das Kopfhaar) [des Kranken] verdreht und rot ist: [ … ]. (4’) [Wenn] dito [des Kranken] wie eine Löwenmähne hochsteht: [ … ]. (5’) [Wenn] dito [des Kranken] und sein Körper(haar) aufrecht stehen: [In der Steppe wurde er berührt, er wird sterben]. (6’) [Wenn] die Schädelkalotte des [Krank]en deformiert ist: [Er wird sterben]. (7’) [Wenn] die Adern an den Augen des [Krank]en di[ck] wie ein Finger 11) sind: [ … ]. (8’) Wenn die Adern an den Augen des Kranken stark pulsieren und an seinen Schläfen [(der Puls) langsam ist: … ]. (9’) Wenn die Adern an den Augen des Kranken ganz schlaff sind: [ … ]. 10. 11.

Labat, Syria 33 (1956) 126 hat diesen Eintrag mit sa.gig 17/71 (Heeßel, Diagnostik, S. 202, 17/71) verglichen, doch ist in der Zeile zu wenig erhalten, um diesen Eintrag sicher mit einem der Einträge von sa.gig 17/67-73 zu verbinden. Der Text hat eigentlich sˇu.gur für unqu »Ring«, doch mit der Parallelstelle in TDP 50 iv 9 sollte man zu sˇu.si emendieren. Dazu auch Labat, Syria 33 (1956) 125 Anm. 11a.

13

Nils P. Heeßel (10’) Wenn

die Schläfenadern des Kranken … 12) : [ … ]. die Schläfenadern des Kranken verfallen sind: [ … ]. (12’) Wenn die Schläfenadern des Kranken (viel) Blut aufnehmen: [ … ]. (13’) Wenn die Schläfenadern des Kranken rechts und links andauernd stark pulsieren: [ … ]. (14’) Wenn die Schläfenadern des Kranken rechts und links stark pulsieren: [ … ]. (15’) Wenn die Schläfenadern des Kranken rechts und links … [ … ]. (16’-20’) (In diesen Zeilen jeweils nur erhalten:) Wenn die Schläfenadern des Kranken … [ … ]. (lk. Rd.) Summe: 169 Einträge. Zweite Tafel (von) »Wenn du dich dem Kranken näherst«. (11’) Wenn

1.3.2 Aus der 24.? Tafel Bei den britisch-türkischen Ausgrabungen in Sultantepe (Türkei) wurde die assyrische Provinzstadt Huzı¯rı¯na freigelegt und eine umfangreiche Bibliothek der örtli˘ chen Gelehrten gefunden. Unter den in Huzı¯rı¯na kopierten Texten fand sich mit ˘ der Tontafel SU 51/73 + 194, die von O. R. Gurney als STT I 89 publiziert wurde, auch die Abschrift zweier Tafeln des älteren diagnostischen Handbuchs. Die linke obere Ecke der insgesamt vier Kolumnen und 217 Zeilen aufweisenden Tafel ist abgebrochen und die rechte Seite sehr beschädigt, so daß der Text nicht vollständig wiedergewonnen werden kann. Auch im erhaltenen Text sind viele Passagen durch Abrieb unverständlich. In Zeile 102 weist der Text die Unterschrift »23.(?). Tafel von ›Wenn du dich dem Kranken näherst‹« auf und zeigt damit seine Zugehörigkeit zum älteren Diagnosehandbuch. Die Zahl ist beschädigt, so daß eventuell von einer höheren Tafelnummer (24.-26. Tafel) ausgegangen werden muß. In der zum folgenden Text gehörigen Unterschrift in Z. 215 ist die Tafelnummer abgebrochen. Der Text bietet so unterschiedliche Einträge, daß Marten Stol sie als »diverse, if not ›wild‹« beschrieben hat 13). Der mit Z. 103 einsetzende Text, den M. Stol, Epilepsy in Babylonia, CM 2, Groningen 1993, 91-98 bearbeitet und übersetzt hat, behandelt epileptische Erkrankungen, die auf verschiedene transzendente Mächte wie Lugalirra oder Sˇulpaea zurückgeführt werden. Hier werden einige besser erhaltene Abschnitte vom Anfang und aus der Mitte des Textes übersetzt. (103-8) Wenn,

sobald es ihn überwältigt, sein rechtes Auge wie eine Spindel kreist, sein linkes Auge voll Blut ist, er seinen Mund immer wieder öffnet (und auf) [seine] Zunge beißt: Lugalirra 14) hat ihn gepackt. Wenn, sobald [es ihn überwältigt], sein Drang, Was12. 13. 14.

14

Die hier erscheinende Verbalform ib/p-ru-nim ist unklar. Der sehr fragmentarische Eintrag in TDP 40/9 ist wahrscheinlich eine Parallele, da er die Form i]p-te-ru-nim [ bietet und innerhalb des Abschnittes über die Schläfenadern erscheint. M. Stol, Diagnosis and Therapy in Babylonian Medicine, JEOL 32 (1991-92) 42-65, hier 44. Die Erwähnung des Gottes Lugalirra, der oft aber nicht immer mit seinem ›Zwilling‹ Meslamtaea erscheint, überrascht in diesem Text. Stol, Epilepsy, 91 möchte daher in der hier erscheinenden Schreibung lugal-ir9.ra eine ungewöhnliche Schreibung für lugal-ùr.ra, den »Dämon des Daches« sehen, der häufig für epileptische Erkrankungen verantwortlich gemacht wird.

Texte aus Mesopotamien

ser zu lassen, zum Erliegen kommt: Es wird sich bis zur Nacht hinziehen und [ … ]. Wenn sein Drang, Wasser zu lassen, nicht zum Erliegen kommt: [ … ], seine Krankheit wird lange andauern und … [ … ]. (109-12) Wenn, sobald es ihn überwältigt, sein linkes Auge wie eine Spindel [kreist], sein rechtes Auge voll Blut ist, er seinen Mund [immer wieder öffnet (und auf) seine Zunge] beißt: Lugalirra hat ihn gepackt, [ … ] es wird sich hin[ziehen … ]. (133-40) Wenn, sobald es ihn überwältigt, seine linke Hand (und) sein [ … ] Auge [ … ], er wie ein Hund knurrt, seine Zähne [ … ], seine Augen erschrocken sind: Lugalirra hat ihn gepackt, für seine Genesung sollst du keine Prognose geben. Wenn, sobald es ihn überwältigt, seine Augen dunkel sind, er Geräusche von sich gibt (und) Speichel aus seinem Mund fließt: ›Vom Himmel gefallen‹(-Epilepsie) hat ihn gepackt. Wenn, sobald es ihn überwältigt, Tränen aus seinen Augen laufen (und) er … 15) ergreift: Du darfst nicht nachlässig sein. (187-91) [Wenn] sein Kopf (und) sein Körper sich heftig bewegen, er seinen Nacken nach rechts und links wirft, seine Zunge sehr angeschwollen ist, seine Zunge sehr ›gebunden‹ ist, sein Mund [ … ] … , seine Gliedmaßen herunterhängen, er beim Gehen … : ›Sperma‹ des (Gottes) Sˇulpaea. Für einen einfachen Mann (bedeutet es) Packen durch das Böse, eine bedeutende Person (hingegen) wird sehr leiden und vor ihrer Zeit hsterbeni. (192-95) Wenn sein Brust(bereich) ihn andauernd schmerzt, er viel ißt (und) viel trinkt, er dann (damit) aufhört (und) er sehr schweigsam 16) ist, er andauernd zittert und aufgeregt ist: Diesen Mann hat bennu-Epilepsie gepackt, diesen Mann hat es entweder im Tor, oder in der Viehhürde oder im Fluß gepackt. (196-204) Wenn seine Krankheit mit Kälteschauern begann und auf nüchternen Magen, noch bevor er Brot gegessen oder Wasser getrunken hat, Schweiß auf seinem Leib erscheint: Beginn der Heilung, dieser Kranke wird genesen. Wenn er sich während seiner Krankheit immer wieder erhebt: Er leidet an einer Krankheit der Gliedmaßen. Wenn er (während) seines Anfalls weint, … und Speichel aus seinem Mund fließt: Ein Tabu, das nicht seines ist 17), hat ihn gepackt. Wenn er weiß wird und (wieder) schwarz wird: … hat ihn gepackt, … . Wenn seine Augen angeschwollen sind: Ein Fluch hat ihn gepackt, es wird gelöst werden und er wird genesen; für einen Mann und eine Frau ist es das gleiche 18).

15.

16.

17. 18.

Das hier erscheinende Wort ist unklar. Stol, Epilepsy, 93 f., gefolgt von J. C. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, Würzburger medizinhistorische Forschungen 70, Würzburg 2000, 109 liest túg dugud(?) par-si (i-sa-bat) und übersetzt »The heavy cloth«. ˙ ˙ ku-bu-ut-ta (i-sa-bat) »(he is about to Scurlock / Andersen, Diagnoses, 319 lesen hingegen ˙ enter) a difficult (phase)«. Die Verbalform iq-ta-na-al wurde von CAD K 102b zu it!-ta-na-al emendiert und dem sind F. Köcher, Spätbabylonische medizinische Texte aus Uruk, in: Ch. Habrich u. a. (Hg.), Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart, Festschrift H. Goerke, 17-29, hier 35 Anm. 57, Stol, Epilepsy, 97 und Scurlock / Andersen, Diagnoses, 294, Nr. 13.66 gefolgt. Mit CAD Q 75b ist die Form jedoch problemlos ohne Emendation von qâlu »schweigen« im Gtn-Stamm abzuleiten. Das heißt, der Kranke selbst hat keine Verfehlung begangen, sondern er erleidet die Folgen eines Tabubruchs durch einen Dritten, eventuell einen Verwandten. Diese Wendung besagt, daß die Deutung sowohl auf einen Mann, als auch auf eine Frau

15

Nils P. Heeßel

1.4 Aus dem diagnostischen Handbuch

Unter der Herrschaft des Königs Adad-apla-iddina (1068-47 v. Chr.) sichtete der Gelehrte Esagil-kı¯n-apli die diagnostischen Texte und schuf eine neue, aus 40 Tafeln bestehende diagnostische Serie. Ihr Titel lautete sakikkû(sa.gig), was mit »Symptome« übersetzt wird, doch die altorientalischen Gelehrten zitierten sie auch häufig nach ihrer ersten Zeile »Wenn der Beschwörer zum Haus des Kranken geht.« Heute wird die Serie sakikkû meist als das babylonische Diagnosehandbuch bezeichnet. In einem Text, der einem Katalog zur Serie sakikkû folgt, berichtet Esagil-kı¯n-apli ausführlich über seine Titel und Qualifikationen zur Schaffung der neuen Serie sowie über seine Methodik und Vorgehensweise. Besonders betont er die neue logische Anordnung der Serie »vom Kopf zu den Füßen« (akkad. isˇtu muhhi adi ˇse¯pı¯). Hierin ˘˘ ist auch der wesentliche Unterschied der Serie sakikkû zum älteren diagnostischen Handbuch zu sehen, das die Einträge nach gleichartigen Diagnosen oder Prognosen zusammenstellt. Dieser ungewöhnliche Text diente mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dazu, den ungewöhnlichen Fall einer ›Gegenserialisierung‹ zu legitimieren und dem neuen Diagnosehandbuch seinen Platz in der Überlieferung zu sichern. Dies dürfte weitgehend gelungen sein, denn Abschriften des Diagnosehandbuchs fanden sich in allen größeren Bibliotheken Babyloniens und Assyriens; es gehört zu den am längsten tradierten medizinischen Texten. Nur in der assyrischen Hauptstadt Assur scheint das neue Werk des Esagil-kı¯n-apli auf Widerstand gestoßen zu sein, denn aus dieser Stadt ist bislang kein einziges Manuskript der Serie bekannt geworden. Der Katalog zur Serie sakikkû erlaubt uns, den Umfang und den Aufbau des Diagnosehandbuchs sehr genau zu bestimmen. Die 40 Tafeln der Serie waren in sechs unterschiedlich langen Kapiteln zusammengefaßt, die jeweils einen eigenen aussagekräftigen Titel aufwiesen: Kapitel 1 2 3

Tafeln 1-2 3-14 15-25

4 5 6

26-30 31-35 36-40

Titel des Kapitels Wenn zum Haus des Kranken der Beschwörer geht Wenn du dich dem Kranken näherst Wenn er einen Tag krank ist und die Art der (göttlichen) Berührung Wenn ein Anfall ihn befällt und Symptome der Epilepsie Wenn Sonnenglut ihn überhitzt Wenn eine gebärfähige Frau schwanger ist

Im ersten Kapitel werden keine diagnostischen Beobachtungen, sondern Vorzeichen aufgelistet, die der Beschwörer auf dem Weg zum Haus des Kranken auffielen, oder die an seinem Lager beobachtet werden konnten, und die ebenso wie die Krankheitssymptome am Körper des Patienten Aufschluß über die Krankheit, den Krankheitsverursacher und den Verlauf der Krankheit geben konnten. Mit der dritten Tafel begann das umfangreichste zweite Kapitel mit der Auflistung der Symptome vom Kopf zutrifft. Im Umkehrschluß folgt daraus, daß die Diagnose und Prognose immer auch vom Geschlecht abhängig war.

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Texte aus Mesopotamien

zu den Füßen. Das dritte Kapitel betrachtet vor allem Zeitpunkt und Dauer der Erkrankung sowie am ganzen Körper auftretende Symptome. Den verschiedenen Formen der Epilepsie ist das vierte Kapitel gewidmet und das leider nur sehr fragmentarisch erhaltene fünfte Kapitel behandelt unter anderem Voraussagen über die Dauer der Krankheit. Das letzte Kapitel behandelt Probleme bei der Schwangerschaft und Krankheiten von Kleinkindern.

1.4.1 Aus der ersten Tafel Die Tafel ist in zahlreichen Abschriften aus verschiedenen babylonischen Städten sowie aus der assyrischen Stadt Du¯r-Sˇarrukı¯n erhalten. Interessanterweise lassen sich zwei verschiedene Versionen der Tafel nachweisen: Eine speziell in Uruk tradierte Version und eine zweite in mehreren Städten belegte Standardversion, die dieselben Omina in einer logischeren Reihenfolge bietet. Die Omina der Tafel waren Gegenstand hermeneutischer Auslegung in zahlreichen Kommentaren, wobei insbesondere eine Verbindung zwischen den ominösen Beobachtungen und den Deutungen gesucht wurde. Die maßgebliche Edition der Tafel sowie der zugehörigen Kommentare stammt von A. R. George, Babylonian Texts from the Folios of Sidney Smith, Part Two: Prognostic and Diagnostic Omens, Tablet I, RA 85 (1991) 137-67. Einige zusätzliche Fragmente finden sich bei N. P. Heeßel, »Wenn ein Mann zum Haus des Kranken geht«, AfO 48-49 (2001-2) 24-49 (hier 46). Hier werden die ersten 25 der insgesamt 51 Omina der Standardversion nach dem vollständigsten Manuskript BM 38362 übersetzt, das wahrscheinlich aus Babylon stammt und heute im British Museum in London aufbewahrt wird. In der ersten Tafel werden Vorzeichen aufgeführt, die dem Beschwörer auf dem Weg zum Patienten auffielen und die ebenso wie die Untersuchung des Patienten Aufschluß über den Verursacher und den Verlauf der Krankheit geben konnten. (1) Wenn

zum Haus des Kranken der Beschwörer geht: er auf der Straße eine Topfscherbe aufrecht stehend sieht: Dieser Kranke ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern. (3) Wenn er einen … sieht: Diesen Kranken hat ein Fluch gepackt, es wird sich hinziehen und er wird sterben. (4) Wenn er einen gebrannten Lehmziegel sieht: Dieser Kranke wird sterben. (5) Wenn er entweder einen schwarzen Hund oder ein schwarzes Schwein sieht: Dieser Kranke wird sterben. (6) Wenn er ein schwarzes Schwein sieht: Dieser Kranke wird sterben, (oder) er wird eine Krise durchmachen und genesen. (7) Wenn er ein weißes Schwein sieht: Dieser Kranke wird genesen, (oder) Not wird ihn ergreifen. (8) Wenn er ein rotes Schwein sieht: Dieser Kranke wird innerhalb von drei Monaten, (oder) drei Tagen sterben. (9) Wenn er ein buntes Schwein sieht: Dieser Kranke leidet an Wassersucht, dieser Kranke ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern. (2) Wenn

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Nils P. Heeßel (10) Wenn er Schweine sieht, die ihre Schwänze hin- und herbewegen: Dieser Kranke ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern. (11) Wenn er Schweine einander besteigen sieht: Dieser Kranke wird sterben. (12) Wenn er einen schwarzen Ochsen sieht: Dieser Kranke wird innerhalb von fünf Tagen, (oder) zehn Tagen sterben. (13) Wenn er einen weißen Ochsen sieht: Dieser Kranke (ist krank wegen) der Hand seines (persönlichen) Gottes, (oder) der Hand des Ninurta, (oder) der Hand der Zwillingsgötter, er ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern. (14) Wenn er einen roten Ochsen sieht: Dieser Kranke wird genesen. (15) Wenn er einen scheckigen Ochsen sieht: Diesen Kranken hat die (Dämonin) Lamasˇtu gepackt, (oder) ein Fluch gepackt, er wird schnell sterben. (16) Wenn er einen Ochsen sein Horn stoßen sieht: Dieser Kranke wird schnell sterben. (17) Wenn ein Ochse ihn anstarrt: Dieser Kranke ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern. (18) Wenn ein Ochse ihn stößt: Dieser Kranke ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern. (19) Wenn er ein Ochsenhorn sieht: Dieser Kranke wird sterben. (20) Wenn ein Esel an seiner rechten Seite vorbeigeht: Dieser Kranke wird genesen, aber innerhalb eines Jahres wird er sterben. (21) Wenn ein Esel an seiner rechten Seite vorbeigeht: Dieser Kranke wird erkranken und sterben, (oder) genesen. (22) Wenn er einen Esel eine Eselin besteigen sieht: Dieser Kranke – der Tod und er sind miteinander verbunden, er ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern. (23) Wenn er einen weißen Esel sieht: Dieser Kranke (ist krank wegen) der Hand der Ehefrau eines Mannes, er wird sterben. (24) Wenn er einen roten Esel sieht: Dieser Kranke (ist krank wegen) der Hand seines (persönlichen) Gottes, er wird sterben. (25) Wenn er einen bunten Esel sieht: Dieser Kranke ist in einem kritischen Zustand, man soll sich ihm nicht nähern.

1.4.2 Aus der vierten Tafel Zahlreiche Manuskripte der vierten Tafel sind aus Ninive, Nimrud, Uruk und einer weiteren babylonischen Stadt bekannt, s. hierzu Heeßel, Diagnostik, 141. Die Tafel wurde von Labat, TDP 32-45 bearbeitet. Hier werden die ersten 27 Zeilen nach dem vollständigsten Textvertreter AO 6682 aus dem Louvre, Paris, übersetzt. Die vierte Tafel behandelt die Schläfe. (1) Wenn

die Schläfe gepreßt 19) und heiß ist, (oder) kalt ist: [Hand] des Ku¯bu. die Schläfe gepreßt ist und seine Eingeweide rumoren: Hand des Ku¯bu. (3) Wenn die Schläfe gepreßt ist und seine Eingeweide sehr stark anschwellen: Hand des Ku¯bu. (2) Wenn

19.

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Gepreßte (hesû) Schläfen bezeichnen in diesem Zusammenhang sicher eine Form von Kopfschmerzen,˘ bei denen ein starker Druck in den Schläfen zu spüren ist.

Texte aus Mesopotamien (4) Wenn

die Schläfe gepreßt ist und seine Ohren nichts hören können: Die Hand seines (persönlichen) Gottes liegt auf ihm, er wird sterben. (5) Wenn seine Schläfe unversehrt ist: Er wird genesen. Wenn seine Schläfe eingefallen ist: Er wird sterben. (6) Wenn seine Schläfe eingefallen ist und seine Augen tränen: Er wird sterben. (7) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und er immer wieder schreit, Blut aus seiner Nase läuft: Hand eines Totengeistes. (8) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und dito (= er immer wieder schreit), seine Schläfenadern sehr schnell pulsieren und der obere Teil seines Kopfes sehr schlaff ist: Hand eines Totengeistes, er wird sterben. (9) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und dito, seine Schläfenadern sehr schnell pulsieren (und) der obere Teil seines Kopfes sehr hart ist: Er wird sterben. (10) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und er immer wieder »mein Bauch, mein Bauch« ruft: Hand eines Totengeistes, ein Stellvertreter der Isˇtar 20), er wird sterben, (oder) Hand eines Totengeistes, es wird lange dauern, und dann wird er sterben. (11) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und dito (= er immer wieder »mein Bauch, mein Bauch« ruft), er sich oft übergibt und sich von seinem Lager nicht erheben kann: Hand eines Totengeistes, er wird sterben. (12) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und es sich vom Sonnenuntergang bis zum Morgengrauen hinzieht (oder) er (so lange) wach liegt: Er wird sterben. (13) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und es ihn von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schmerzt, es sich nicht löst: Hand eines Totengeistes. (14) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und aus seiner Nase Blut läuft: Hand eines Totengeistes. (15) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und seine Nackenmuskeln beständig schmerzen: Hand eines Totengeistes. (16) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und seine Augenmuskeln beständig schmerzen: Hand eines Totengeistes. (17) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und er heiß und kalt ist und seine Augen geschwollen sind: Hand eines Totengeistes. (18) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und ihm schwindelt, er aufsteht und hinfällt: Hand eines Totengeistes. (19) Wenn seine Schläfe ihm zu schaffen macht und sein Leib voll s ˇimmatu 21) ist, er aber keine Schweißausbrüche hat: Hand eines Totengeistes. (20-21) Wenn seine Schläfe, sein Epigastrium (und) sein Nackenwirbel ihm zu schaffen machen und er mäßig hohes Fieber, aber keine Schweißausbrüche bekommt, über einen längeren Zeitraum hinweg das Haar an seiner Leistengegend ausfällt: Hand der (Dämonin) Ardat-lilî, li3bu-Fieber. (22) Wenn seine rechte Schläfe kalt, seine linke (dagegen) heiß ist: Hand eines Totengeistes.

20. 21.

Die Wendung »Stellvertreter« eines Gottes bezeichnet dämonische Kräfte, die nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Weisung größerer Götter handeln. Bei sˇimmatu handelt es sich um eine Krankheit, bei der Lähmungserscheinungen auftreten.

19

Nils P. Heeßel (23) Wenn seine rechte Schläfe stark zittert, seine linke heiß ist: Er ist in die Fußspur eines ›Lauerer‹-Dämons getreten, er wird genesen. (24) Wenn seine linke Schläfe ihn schmerzt und ihm immer wieder schwindelig wird: Fünf Tage, Hand des Sîn. ˇ amasˇ, er wird genesen. (25) Wenn seine rechte Schläfe ihn schmerzt: Hand des S (26) Wenn seine linke Schläfe ihn schmerzt: Hand der Is ˇtar, er wird genesen. (27) Wenn seine rechte Schläfe ihn schmerzt und sein rechtes Auge einen Schatten bildet: Er soll ein Gebet zum Gott seiner Stadt sprechen, es wird gelöst werden und dann wird er genesen.

1.4.3 Aus der neunten Tafel Die neunte Tafel des Diagnosehandbuchs ist in zwei fast vollständigen Manuskripten und einem kleinen Fragment erhalten. Das eine (AO 6681) stammt aus Babylonien und wird im Louvre, Paris, aufbewahrt, das andere stammt aus Ninive (K 261) und ist heute im British Museum, London. Beide Manuskripte sind von Labat, TDP 70-79, Taf. XIII-XVII, publiziert und bearbeitet worden. Die neunte Tafel ist dem Gesicht gewidmet, das insbesondere auf Verfärbungen untersucht wird, und hier werden die ersten 25 der insgesamt 73 Einträge übersetzt. Die Zeilenzählung richtet sich nach AO 6681. (1-2) [Wenn das Gesicht des Kranken] verschwitzt ist und er immer wieder (davon) überwältigt wird: Hand der Zwillingsgötter, seine [Behan]dlung führst du durch und du wischst ihn immer wieder ab, und dann wird er genesen. (3) [Wenn] das Gesicht [des Kranken] rot ist: Er wird sterben. (4) [Wenn sein Gesicht] rot ist und anschwillt: Er wird sterben. (5) Wenn sein Gesicht rot ist und er dann erbleicht: Er wird aufstehen, aber dann wird es sich ändern und er wird wieder erkranken. (6) Wenn sein Gesicht rot ist und dann schwarz wird: Er wird sterben und nach ihm wird noch eine weitere Person sterben. (7) Wenn sein Gesicht weiß ist: Er wird genesen. (8-9) Wenn sein Gesicht weiß ist und dann bleich wird, sein Mund, seine Lippen mit einem feinen Häutchen (bedeckt sind), er sein linkes Auge zukneift: Er wird sterben. (10) Wenn sein Gesicht (nacheinander) weiß, schwarz, rot und bleich wird: Seine Krankheit wird lange andauern, aber er wird genesen. (11) Wenn sein Gesicht bleich ist: Die (Dämonin) Lamas ˇtu hat ihn gepackt. (12) Wenn sein Gesicht bleich ist und seine Augen tief liegen: Er wird sterben. (13) Wenn sein Gesicht gelb ist, das Innere seiner Augen gelb ist (und) seine Zungenwurzel schwarz ist: Gelbsucht. (14) Wenn sein Gesicht gelb und schwarz ist: Er wird sterben. (15) Wenn sein Gesicht schwarz ist: Seine Krankheit wird lange andauern und er wird sterben. (16) Wenn sein Gesicht schwarz, seine Zunge (hingegen) rot ist: Seine Krankheit wird lange andauern und er wird sterben. (17) Wenn sein Gesicht schwarz und weiß ist: Er wird sterben.

20

Texte aus Mesopotamien (18) Wenn sein Gesicht schwarz ist und seine Eingeweide geschwollen sind: Er wird sterben. (19) Wenn sein Gesicht schwarz ist, er Brot verlangt und es dann (auch) ißt: Er wird sterben. (20) Wenn sein Gesicht schwarz ist und er dann Blut erbricht: An der Vorderseite wurde er geschlagen, er wird sterben. (21-24) Wenn sein Gesicht schwarz und wie bei einem Leichnam ist, sein Gesicht geschwollen ist, seine Lippen sehr dick werden, sein Gesicht sich immer wieder verändert, (so daß) ein Bekannter sagt »Ist er nicht krank?!«: Tod durch (göttliche) Wut, er wird sterben, sein Nachlaß wird gefährdet sein, sein Haus(halt) wird zerstreut werden. (25) Wenn sein Gesicht dunkel ist: Er wird schnell sterben. (26) Wenn sein Gesicht dunkel ist, er Datteln verlangt und sie dann (auch) ißt: Er wird sterben. (27) Wenn sein Gesicht angeschwollen ist, (oder alternativ) hervorsteht: Er wird genesen, (oder alternativ) sterben. (28) Wenn sein Gesicht gerötet ist und leuchtet: Hand des Adad, er wird genesen (Variante: sterben). (29) Wenn sein Gesicht sich gelblich wie die kalû-Paste färbt, seine Lippen mit einem feinen roten Häutchen bedeckt sind, seine Augen gelb werden und er sein rechtes Auge zukneift: Er wird sterben. (30) Wenn sein Gesicht sehr ungesund aussieht: Er wird sterben.

1.4.4 Aus der 13. Tafel Die sehr umfangreiche 13. Tafel läßt sich durch zahlreiche Fragmente aus Uruk und Ninive zum großen Teil, leider aber noch nicht vollständig wiederherstellen. Zu den Manuskripten s. Heeßel, Diagnostik, 144, zu denen sich jetzt das unpublizierte Fragment BM 40857 + BM 41180 hinzufügen läßt. Die Tafel wurde von Labat, TDP 110129 bearbeitet und übersetzt. Der Bereich des Rumpfes zwischen Brust und Becken, zu dem das Epigastrium, der Abdomen, die Eingeweide und der Darm gehören, ist das Thema dieser Tafel. Hier werden zwanzig Symptombeobachtungen am Bauch übersetzt, die in der zweiten Kolumne des Haupttextvertreters A 3506, nach dem sich auch die Zeilenzählung richtet, erscheinen. (Vs. II 9) Wenn

sein Bauch heiß ist, Schweiß wie bei der luba¯tu-Krankheit 22) ihm immer ˙ (wird es dauern), Hand wieder ausbricht und er (dann wiederum) kalt wird: 31 Tage des Sˇamasˇ. (10) Wenn sein Bauch heiß ist, Schweiß ihm immer wieder ausbricht: Entweder Hand des Sˇamasˇ oder Hand des (Dämons) Sˇulak, an der Vorderseite wurde er geschlagen. (11) Wenn sein Bauch heiß ist und (dann wieder) kalt, er sehr nach Wasser verlangt und es (auch) trinkt: Hand der (Dämonin) Lamasˇtu.

22.

Zu dieser wenig bekannten Krankheit s. P. Herrero, Tablette médicale assyrienne inédite, RA 69 (1975) 41-53, hier 48.

21

Nils P. Heeßel (12) Wenn sein Bauch heiß ist und (dann wieder) kalt, er immer wieder sehr nach Wasser zum Waschen verlangt: Hand der (Dämonin) Lamasˇtu. (13-14) Wenn sein Bauch weich ist, er sehr oft nach Wasser verlangt, sein Fieber gleichbleibend ist, vom Anfang (der Krankheit) bis zum Beginn der Nacht seine Krankheit (ihn) wach hält: Schlag des ›Lauerer‹-Dämons, (oder alternativ) des Totengeistes, er wird sterben. (15-16) Wenn sein Bauch fortwährend zittert, sein Epigastrium beständig zuckt, er seine Augen immer wieder zur Dunkelheit ausrichtet 23): Hand des Totengeistes. (17-18) Wenn er an seinem Bauch betroffen ist: (Am) neunten Tag (ist es die) Hand der Zwillingsgötter, am zweiten die Hand des Adad 24), am dritten die Hand des Ea, am vierten die Hand von Be¯let-ilı¯, am fünften Hand von Papsukkal. (19a) Wenn er an seinem Bauch betroffen ist, er aufgetrieben und aufgebläht ist: Er wird sterben. (19b) Wenn er an seinem Bauch betroffen und andauernd betrübt ist: Hand der Zwillingsgötter, er wird sterben. (20) Wenn er an seinem Bauch betroffen ist und dunkles Blut auswirft: Packen der Zwillingsgötter, er wird sterben. (21) Wenn er an seinem Bauch und an seiner linken Leistenbeuge betroffen ist und er Blut erbricht: Am 31. Tag Hand des Nergal, er wird sterben. (22) Wenn in seinem Bauch, auf seiner rechten Seite, ein durchdringender Schmerz sitzt und er sich erbricht: Hand der Isˇtar, er wird genesen. (23) Wenn in seinem Bauch, auf seiner linken Seite, ein durchdringender Schmerz sitzt und er sich nicht erbricht: Hand der Isˇtar, er wird sterben. (24) Wenn in seinem Bauch, auf seiner rechten Seite, ein brennender 25) Schmerz sitzt und er sich erbricht: Hand der Isˇtar, er wird sterben. (25) Wenn in seinem Bauch, auf seiner linken Seite, ein brennender Schmerz sitzt und er sich erbricht: Hand der Isˇtar, er wird sterben. (26) Wenn in seinem Bauch, auf seiner rechten Seite, ein brennender Schmerz sitzt und er Blut erbricht: Hand der Isˇtar, er wird sterben. (27) Wenn in seinem Bauch, auf seiner linken Seite, ein brennender Schmerz sitzt und er Blut erbricht: Hand der Isˇtar, er wird sterben. (28) Wenn in seinem Bauch, auf seiner linken Seite, ein brennender Schmerz sitzt und Blut (aus seinem Mund) fließt: (Variante: Hand des Adad), er wird sterben. (29-30) Wenn in seinem Bauch, auf seiner linken Seite, ein brennender Schmerz sitzt und seine Augen voller gelber Fäden sind: Hand der Isˇtar, er wird sterben. (31) Wenn in seinem Bauch, auf seiner linken Seite, dito (= ein brennender Schmerz

23.

24. 25.

22

Die Beobachtung, daß der Kranke seine Augen auf die Dunkelheit ausrichtet, ist als Beschreibung der Photophobie (Lichtscheu) gedeutet worden, s. J. C. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, Würzburger medizinhistorische Forschungen 70, Würzburg 2000, 103 f. Es ist nur schwer zu erklären, warum hier zuerst der neunte Tag und dann davorliegende Tage genannt werden. Labat, TDP 118 Anm. 212 hat deshalb diese Zahlen als Tage, die auf den neunten Tag folgen, gedeutet. S. auch Scurlock / Andersen, Diagnoses, 467 f. zu 19.146. Das Wort hattu »Szepter« wird hier mit CAD D 137b und Scurlock / Andersen, Diagnoses, 700, Anm.˘83˙˙ als Schreibung für ein von hama¯tu »brennen« abzuleitendes Nomen angese˘ ˙ hen.

Texte aus Mesopotamien

sitzt) und an seinen Lippen ein Ekzem auftritt: Hand des Sîn oder Hand der Isˇtar, er wird sterben.

1.4.5 Aus der 16. Tafel Dank zahlreicher Abschriften der 16. Tafel aus Babylonien, vor allem aus Uruk, läßt sich die Tafel bis auf eine Lücke unklarer Länge nach dem 30. Eintrag vollständig rekonstruieren. Zu den Textvertretern s. Heeßel, Diagnostik, 171, zu denen jetzt das noch unpublizierte Fragment BM 46541 gestellt werden kann. Die Tafel ist von Labat, TDP 148-57 und Heeßel, Diagnostik, 171-93 bearbeitet und übersetzt worden. In der Tafel wird die bisherige Dauer der Erkrankung berücksichtigt, die sich von einem Tag bis zu mehreren Monaten hinziehen kann. In dem hier übersetzten Teil aus der Mitte der Tafel werden Symptomgefüge nach drei-, vier-, fünf- und sechstägiger Krankheit beschrieben. Die Zeilenzählung richtet sich nach der Edition in Heeßel, Diagnostik, 171-93. (41’) Wenn

er drei Tage krank ist, aber seine Haut gesund aussieht: Er wird rückfällig werden und sterben. (42’) Wenn er drei Tage (lang) immer wieder »mein Bauch, mein Bauch« ruft und seine Eingeweide geschwollen sind: Er wird sterben. (43’) Wenn er vier Tage krank ist und seine Hände immer wieder auf seinen Bauch legt, sein Gesicht bleich wird: Er wird sterben. (44’) Wenn er vier Tage, fünf Tage krank ist und ihm immer wieder Schweiß ausbricht: Lösung der Krankheit. (45’) Wenn er vier Tage, fünf Tage krank wird: Hand des ahha ¯ zu-Dämons. ˘ ˘ aus seiner Nase läuft: Seine (46’) Wenn er fünf Tage krank ist und am sechsten Tag Blut Krankheit wird sich lösen, Überhitzung durch Sonnenglut. (47’) Wenn er fünf Tage krank ist und seine Haut bleich wird, seine Augen voll Blut sind: Er wird sterben. (48’) Wenn er fünf Tage, sechs Tage krank ist, sie (= die Krankheit) weiterhin anhält und er (den Ausruf) »Au, au« nicht zurückhalten kann: Er wird sterben. (49’) Wenn er fünf Tage, zehn Tage an einer schweren Krankheit leidet, sie weiterhin anhält und er andauernd das Todesröcheln hat: Er wird sterben. (50’-51’) Wenn er fünf Tage, zehn Tage an einer schweren Krankheit leidet, sie weiterhin anhält und Blut ständig fünf Tage (lang) aus seiner Nase läuft, dann aber zum Stillstand kommt: Seine Krankheit wird gelöst werden, durch Sonnenglut ist er überhitzt, er wird gesund werden, eine Verfehlung (seinerseits gegen eine Gottheit) liegt nicht vor. (52’) Wenn er fünf Tage, zehn Tage an einer schweren Krankheit leidet, sie weiterhin anhält und die schwere Krankheit ihm fünf Tage ständig zusetzt: Er wird gesund werden, eine Verfehlung (seinerseits gegen eine Gottheit) liegt nicht vor. (53’-54’) Wenn er fünf Tage, zehn Tage an einer schweren Krankheit leidet, sie weiterhin anhält und seine Pupillen sich bewegen, zwei Tage lang das Todesröcheln ihm immer wieder zusetzt: Am dritten Tag wird er sterben. (55’) Wenn er fünf Tage, zehn Tage krank ist und danach rotes Blut aus seiner Nase läuft: Er wird genesen.

23

Nils P. Heeßel (56’) Wenn

er fünf Tage, zehn Tage krank ist, er heiß ist, aber keine Schweißausbrüche hat: Hand des Sîn, er wird sterben. (57’) Wenn er fünf Tage, zehn Tage, fünfzehn Tage krank ist und das Todesröcheln ihm immer wieder zusetzt und nachläßt: Er wird eine Krise durchmachen und sterben. (58’) Wenn dito (= er fünf Tage, zehn Tage, fünfzehn Tage krank ist) und seine Pupillen hervortreten und das Todesröcheln ihm immer wieder zusetzt: Innerhalb von drei Tagen wird er sterben. (59’-60’) Wenn fünf Tage, zehn Tage, fünfzehn Tage, zwanzig Tage seine Finger und seine Zehen zusammengezogen und steif 26) sind und er (sie weder) öffnen noch offen halten kann: Die Hand der Isˇtar wird loslassen, (oder) in Ordnung kommen und dann wird er genesen. (61’) Wenn er sechs Tage krank war und, (obwohl) sein Leib gesund ist, wieder rückfällig wird und in eine Krise gerät, sein Bauch ihm immer wieder zusetzt: Er wird sterben. (62’) Wenn (er) sechs Tage, zehn Tage (krank war und) sie (= die Krankheit) ihm in eine Rückkehr gerät und sein Epigastrium ihm zusetzt: Er wird sterben. (63’-64’) Wenn er sechs Tage erkrankt ist und am siebten Tag nicht frei atmen kann: Sie spritzen Wasser in sein Gesicht, und wenn er dann seine Augen nicht öffnet, wird er sterben, wenn er seine Augen öffnet und schließt, (und) wegen des Wassers, mit dem sie ihn bespritzten, weint, so wird er gesunden 27). (65’-66’) Wenn er sechs Tage krank ist und am siebten Tag Kälteschauer ihn immer wieder befallen, nach den Kälteschauern Schweiß auf seinem Kopf bis zu seinem After … 28) vorhanden ist: Seine Krankheit wird gelöst werden und er wird gesunden. (67’-68’) [Wenn … ] Schweiß von seinem Kopf [bis zu seinem … ]: Er wird sterben. (69’) [Wenn er sechs Tage] krank und am siebten Tag gesund ist, er von der Krankheit gesundet und, einmal gesund, wieder erkrankt, sein Epigastrium ihm zusetzt: Er wird sterben. (70’) Wenn [er sechs Tage] krank und am siebten Tag gesund ist [ … sch]warz ist, er Galle durch seinen After ausscheidet: Er wird sterben. (71’) Wenn er sechs Tage kr[ank ist … ] … , er Galle durch seinen After dito (= ausscheidet): Er wird sterben. (72’) Wenn er sechs Tage krank und am siebten Tag [gesund ist ( … ) ], seine [Augen] ganz voll Eiter sind, Blut aus seiner Nase läuft: Er wird genesen. (73’-74’) Wenn er sechs Tage krank ist und am siebten Tag gesundet, am achten Tag wieder krank ist und am neunten Tag gesundet, er am zehnten Tag (wiederum) krank ist und am elften Tag gesundet: Seine Krankheit ist in eine Krise geraten, der Beschwörer soll für seine Genesung keine Diagnose geben.

26. 27.

28.

24

Lies asˇ-ta-a-ma! Korrigiere Heeßel, Diagnostik, 177 nach M. Stol bei M. J. Geller, AfO 48-49 ˙ 69. (2001-2) Dieser Reaktionstest zur Ermittlung der Prognose ist (bislang) einzigartig im Diagnosehandbuch. Reaktionstests während der Untersuchung des Patienten sind dagegen häufiger belegt, s. Heeßel, Diagnostik, 63 mit Anm. 101 sowie unten zur 40. Tafel des Diagnosehandbuchs, Vs. 3. Das hier erscheinende zé-sˇú »seine Galle(nblase)« paßt nicht in den Kontext, es könnte sich um einen Schreiberfehler handeln.

Texte aus Mesopotamien

1.4.6 Aus der 26. Tafel Die 26. Tafel der Serie, die gleichzeitig die erste Tafel des vierten, der Epilepsie gewidmeten Kapitels darstellt, ist in zwei fast vollständigen Manuskripten erhalten. Ein in neuassyrischer Schrift geschriebenes Manuskript stammt aus Sultantepe und wurde von O. R. Gurney in Keilschriftkopie als STT I 91 und II 287 publiziert. Ein neubabylonisches Manuskript, das sich heute im British Museum, London, befindet (BM 47753), hat M. Stol nach einer Kopie von M. J. Geller publiziert. Die beiden Manuskripte wurden von M. Stol, Epilepsy in Babylonia, CM 2, 56-74 und von Heeßel, Diagnostik, 278-96 ediert und übersetzt. Eine Übersetzung der Tafel mit medizinischer Einordnung der Symptombeschreibungen findet sich auch bei J. V. Kinnier Wilson / E. H. Reynolds, Translation and Analysis of a Cuneiform Text Forming Part of a Babylonian Treatise on Epilepsy, Medical History 34 (1990) 189-97. Hier wird der zweite Abschnitt der Tafel übersetzt, der Symptombeobachtungen während eines epileptischen Anfalls enthält. Die Zeilenzählung richtet sich nach dem neubabylonischen Manuskript. (12’) Wenn

sein Anfall ihn überwältigt und aus seinem Mund Speichel läuft: ›Vom Himmel gefallen‹-Epilepsie. (13’) Wenn sein Anfall ihn überwältigt und seine Hände und Füße sich zu seinem Nacken biegen: ›Vom Himmel gefallen‹-Epilepsie. (14’) Wenn, sobald es ihn überwältigt, Trübsal ihm zu schaffen macht, Speichel aus seinem Mund läuft: Ein (unerfülltes) Gebet(sversprechen) seines Vaters hat ihn gepackt, er wird sterben. (15’) Wenn, sobald es ihn überwältigt, nachdem es ihm zusetzte, Speichel aus seinem Mund läuft: Hand des lilû-Dämons. (16’) Wenn, sobald es ihn überwältigt, seine Gliedmaßen schwinden, sein Bauch ihm immer wieder zusetzt, seine Eingeweide sich ihm entleeren: Hand eines Totengeistes. (17’-18’) Wenn, sobald es ihn überwältigt, seine Gliedmaßen ihn lähmen, sein Gesicht andauernd zuckt, sein Bauch schwindet und er alles, was in seinen Mund gelegt wurde, immer am gleichen Tag aus seinem After ausstößt: Hand eines Totengeistes, der durch Mord starb. (19’-22’) Wenn, sobald es ihn überwältigt, seine Gliedmaßen ihn lähmen, es sich über ihn ergießt und er sich selbst vergißt, sobald es sich über ihn ergossen hat, seine Augen … 29), sein Gesicht rot bzw. ›verdreht‹ ist, seine Adern hervortreten und er stöhnt, die Spitzen seiner Finger und seiner Zehen kalt sind – wenn der Heiler diesen Kranken (etwas) sprechen läßt und dieser das, was er (= der Heiler) ihm gesagt hat, wiederholt (und) sobald er ihn in Ruhe läßt das, was er gesagt hat, nicht (mehr) weiß: Hand des lilû-Dämons des li3bu-Fiebers. (23’) Wenn, sobald es ihn überwältigt, sein Rumpf ihm schwer ist und ihn stechend schmerzt, es ihn danach überwältigt und er sich selbst vergißt: ›Vom Himmel gefallen‹-Epilepsie, am Mittag wird es ihm schwer sein. 29.

Die hier erscheinenden Zeichen sar da sind noch nicht überzeugend gedeutet worden, s. die Diskussion bei J. C. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, Würzburger medizinhistorische Forschungen 70, Würzburg 2000, 187.

25

Nils P. Heeßel (24’-25’) Wenn,

sobald es ihn überwältigt, seine Schläfen ihn schmerzen, sein Herz ihm fortwährend gebrochen ist, er danach seine Hände und Füße abwischt, sich hin- und herwirft, Speichel(fluß) nicht bekommt bzw. er immer wieder gekrümmt wird: Fall bzw. (die) hamı¯tu (genannte) Krankheit, die Hand der Isˇtar wird sich hinwegheben. ˘ (26’) Wenn er, sobald es ihn überwältigt, seine Hände ansieht, seine Sklera sich verdreht und Blut aus seiner Nase läuft: Für eine Frau ist es der lilû-Dämon, für einen Mann ist es die lilı¯tu-Dämonin.

1.4.7 Aus der 33. Tafel Egbert von Weiher machte mit der Publikation der spätbabylonischen Tontafel W 23292 aus Uruk als SpTU IV 152 die 33. Tafel des Diagnosehandbuchs erstmals bekannt. Zusammen mit einem kleinen Fragment aus Ninive wurde die Tafel auch von Heeßel, Diagnostik, 353-74 bearbeitet und übersetzt. Die 33. Tafel zerfällt in vier recht verschiedene Teile. Der erste, mit 70 Zeilen längste Abschnitt, weist bestimmten Symptomgefügen eine spezifische Krankheit zu. Die Einträge werden zumeist mit sˇumma mursu sˇikinsˇu »Wenn der Befund der Krankheit ˙ und enden durchgängig mit Krankheits(bzw. der betroffenen Stelle)« eingeleitet namen und sˇumsˇu » … ist ihr (= der Krankheit) Name.« Damit ähneln diese Einträge anderen Texten wie sˇammu sˇikinsˇu, abnu sˇikinsˇu oder serru sˇikinsˇu, die ›Hand˙ bücher‹ zur Bestimmung von Pflanzen, Steinen oder Schlangen darstellen30). Der zweite, nur fragmentarisch erhaltene Abschnitt (Z. 71-86) ordnet den Symptomen Krankheitsverursacher zu, während der dritte Abschnitt (Z. 87-102) dem ersten ähnelt, allerdings ohne eine standardisierte Einleitungsformel. Dieser dritte Abschnitt ist eine Sammlung von Einträgen, die verstreut in den anderen Kapiteln des Diagnosehandbuchs erscheinen. Der letzte Abschnitt setzt dann in den Zeilen 103-23 die Krankheiten mit den Krankheitsverursachern in Verbindung und ermöglicht damit einen direkten Schluß von der Krankheit auf die sie verursachende Gottheit. Hier werden Teile aus dem ersten (19-26), dritten (97-102) und vierten Abschnitt (103-8) übersetzt. (19) Wenn

der Befund der betroffenen Stelle rot und weiß ist, es ihn schmerzt und (außerdem) wäßrig ist: rutibtu ist [ihr (= der Krankheit)] Name. (20) Wenn der Befund der˙ betroffenen Stelle schwarz ist: hara ¯ su ist [ihr] Name. (21) Wenn der Leib des Menschen voller Hautmale ˘ist, sein Fleisch ihn stechend schmerzt und die Schuppenflechte ihn immer wieder befällt: hara¯su ist [ihr] Name. ˘ (22) Wenn die Krankheit in den Fuß oder in die Hoden des Betroffenen hinabsteigt und ihm rot wird und er kratzt: rutibtu ist [ihr] Name. ˙ (23) Wenn der Befund der betroffenen Stelle rot, heiß (und) geschwollen ist und umherwandert: sa¯ma¯nu [ist ihr Name]. (24) Wenn der Befund der betroffenen Stelle rot ist, der Betroffene immer wieder fiebrig wird und sich immer wieder übergibt: sa¯ma¯nu [ist ihr Name]. (25) Wenn der Befund der betroffenen Stelle hart ist, Fieber [ … ] und er vor dir (= dem Beschwörer) nicht zurückweicht, er Blut auswirft, dito: sa¯ma¯nu [ist ihr Name]. 30.

26

S. hierzu E. Reiner, Astral Magic in Babylonia, Philadelphia 1995, 29.

Texte aus Mesopotamien (26) Wenn der Befund der betroffenen Stelle wie bei der b[ubu3]tu-Krankheit ist (und) sein Körper rot ist: sˇibit sˇa¯ri [ist ihr Name]. (27) Wenn der Befund˙ der betroffenen Stelle wie … rot ist, [ … ] alle ihre … affiziert sind: pentu [ist ihr] N[ame]. (28) Wenn der Befund der betroffenen Stelle wie eine Obsidianklinge ist (und) er seinen Nacken andauernd verdreht: sˇadânu [ist ihr] N[ame]. (29) Wenn der Befund der betroffenen Stelle beim Berühren hart (und) voll mit roten Tupfen ist: sˇadânu [ist ihr] N[ame]. (30) Wenn der Befund der betroffenen Stelle beim Berühren hart (und) brennend heiß ist, sein Magen sehr aufgetrieben ist (und) er keinen Appetit auf Brot und Bier verspürt: sˇadânu ist ihr Name, Berührung der Hand der/s [ … ]. (31) Wenn der Befund der betroffenen Stelle hart wie Stein ist, sei es, daß sie im Inneren größer wird, sei es, daß sie im Inneren umherwandert, er aufgetrieben ist und sich (weder) erheben (noch) umherge[hen (noch) stehen] kann: sˇadânu ist ihr Name, Berührung von Marduk und [Ninurta]. (32) Wenn der Befund der betroffenen Stelle hart wie Stein ist (und) sie sich entweder an seinem Hals oder in seiner Achselhöhle oder in seiner Leiste befindet: Innerhalb von drei Tagen [wird er sterben, … ist ihr] Name. (97) [Wenn von] seinen Na[ckensträngen 31)] bis zu seiner Ferse seine Stränge steif, seine Augenlider verhärtet (und) sei[ne Kinn]backen gepreßt sind: [sˇasˇsˇatu ist ihr Name]. ˙ (98) [Wenn die Stränge] seines Oberschenkels ihn gleichzeitig schmerzen und er nicht aufstehen und umherlaufen kann: sagallu [ist ihr Name]. (99) [Wenn] sein Oberschenkel von seinem Hüftknochen bis zu seinem Knöchel ihn schmerzt, er (aber) aufstehen und umherlaufen kann: masˇkad[u ist ihr Name]. (100) [Wenn von] seinem Becken bis zu seinen Zehen seine Stränge ihn schmerzen: mas ˇkad[u ist ihr Name]. (101) [Wenn] seine [Hüft]knochen ihn bis zur Ablösung seines Knöchels schmerzen: Eine Verfehlung (seinerseits gegen eine Gottheit) liegt nicht vor, kissat[u ist ihr Name]. ˙˙ Stränge ihn immer wie(102) Wenn von seinem Hüftknochen bis zu seinen Zehen seine der lähmen: kissat se¯ti [ist ihr Name]. ˙˙ ˙ sa¯ma¯nu (geht zurück auf die) [Hand] der Gula. asˇû : Hand der (103) (Die Krankheit) [Gula]. (104) s¯tu ı : Hand der Gula. … [ …] : Hand [der Gula]. (105)˙sarris ˇu : Hand der Gula. sˇ[adân]u : Hand der G[ula]. (106)˙sinnahtiri : Hand der Gula und sˇ[adân]u : Hand der G[ula]. ˘ : Hand des Ninurta. ahh[a¯z]u : Hand des/der [ … ]. (107)˙ta ¯ kaltu ˘ ˘ [ … ] … [ … ]. (108) diks ˇu : Hand des Marduk und

31.

Das Nomen sˇer3a¯nu bezeichnet sowohl die blutführenden Adern und Venen, als auch Muskeln, Sehnen und Nerven. S. M. Maul, Die babylonische Heilkunst. Medizinische Keilschrifttexte auf Tontafeln, in: H. Schott (Hg.), Meilensteine der Medizin, Dortmund 1996, 34 hat deshalb vorgeschlagen, sˇer3a¯nu als »Strang« zu übersetzen. Diese Übersetzung ist insbesondere dann angebracht, wenn wie hier nicht entschieden werden kann, welche genauere Bedeutung vorliegt.

27

Nils P. Heeßel

1.4.8 Aus der 36. Tafel Die 36. Tafel, gleichzeitig die erste Tafel des sechsten und letzten Kapitels des Diagnosehandbuchs, ist durch ein vollständiges Manuskript und mehrere Textfragmente aus Uruk, Ninive und einer weiteren babylonischen Stadt bekannt. Sie wurde von Labat, TDP 200-13 ediert und übersetzt; zu den danach bekannt gewordenen Textvertretern s. Heeßel, Diagnostik, 145 f. Eine neuere Übersetzung stammt von M. Stol, Birth in Babylonia and the Bible, CM 14, Groningen 2000, 194-202. In der Tafel werden anhand von schwangerschaftsbedingten Veränderungen des Körpers der werdenden Mutter das Geschlecht, die Gesundheit und die soziale Stellung des noch ungeborenen Kindes, aber auch die Geburtsrisiken für die Mutter bestimmt. Der Text, von dem hier der Anfang übersetzt wird, kann daher auch als altorientalische Form der Pränataldiagnostik bezeichnet werden. (1) Wenn

eine gebärfähige Frau schwanger ist und ihre Stirnoberseite gelblich ist: Ihre Leibesfrucht ist männlich, er wird ›abgekniffen‹ 32) werden. (2) Wenn die Stirnoberseite einer gebärfähigen Frau hell mit einem weißen Fleck ist: Ihre Leibesfrucht ist weiblich, (alternativ:) sie wird reich werden. (3) Wenn sie (= die Stirnoberseite) schwarz ist: Ihre Leibesfrucht ist weiblich, (alternativ:) es wird ihr gut ergehen. (4) Wenn sie rot ist: Ihre Leibesfrucht ist männlich, (alternativ:) wird sterben. (5) Wenn sie vielfarbig ist: Ihre Leibesfrucht schläft. (6) Wenn sie voll mit uttetu-Malen ist: Ihre Leibesfrucht ist männlich, (alternativ:) Reich˙˙ tum. (7) Wenn sie voll mit roten uttetu-Malen ist: Ihre Leibesfrucht wird reich werden. ˙˙ (8) Wenn sie (= die Stirn) vielfarbig ist: Ihre Leibesfrucht ist männlich. (9) Wenn die Schläfenadern einer gebärfähigen Frau rot sind: Ihre Leibesfrucht ist männlich. (10) Wenn sie weiß sind: Ihre Leibesfrucht ist weiblich. (11) Wenn bei der unteren rechten (Schläfenader) der Puls erhöht ist: Ihre Leibesfrucht ist weiblich. (12) Wenn bei der unteren linken (Schläfenader) der Puls erhöht ist: Ihre Leibesfrucht ist männlich.

1.4.9 Aus der 40. Tafel Die 40. und letzte Tafel des Diagnosehandbuchs ist durch zwei fast vollständige Manuskripte sowie zwei weitere Fragmente bekannt, die alle aus Babylonien (Borsippa und Uruk) stammen. Die Tafel wurde von Labat, TDP 216-31 bearbeitet und übersetzt; neue Manuskripte sind seither nicht bekannt geworden. Die besonderen Symptome von Säuglingen sind das Thema dieser Tafel. K. Volk, Kinderkrankheiten nach der Darstellung babylonisch-assyrischer Keilschrifttexte, 32.

28

Die Form i-kar-ri-is kann mit Stol, Birth, 194 als N-Stamm von kara¯su »abkneifen, abbre˙ chen« angesehen werden. In diesem Kontext ist nicht zu entscheiden,˙ob hier ein gewollter oder ungewollter Schwangerschaftsabbruch gemeint ist. Das Nomen kirsu bezeichnet die ˙ »Fehlgeburt« und eventuell auch einen abgetriebenen Fetus.

Texte aus Mesopotamien

OrNS 68 (1999) 1-30 und D. Cadelli, Lorsque l’enfant paraît … malade, Ktèma 22 (1997) 11-33 haben unabhängig voneinander die beobachteten Symptome medizinisch ausgewertet. Hier wird der Anfang der Tafel übersetzt. (Vs. 1-2) Wenn

ein Säugling, sobald er geboren ist, an der Brust saugt (und) sein Bauch (die Milch) nicht abstößt, sein Körper (jedoch) abmagert: ›Erreichen des Staubes‹. (3) Wenn du einen Säugling zu beiden Seiten seines Nackens ›hängen‹ läßt und er (dabei) nicht zuckt und seine Arme nicht ausstreckt: ›Erreichen des Staubes‹ 33). (4) Wenn ein Säugling drei Monate gestillt ist, aber sein Körper (dennoch) abmagert (und) sich seine Hände und Füße immer mehr verdrehen: ›Erreichen des Staubes‹. (5) Wenn der Körper eines Säuglings gelblich wird, er nicht fiebrig ist, seine Schläfen eingefallen sind, seine Nase sehr reibt, aber keinen Schleim hat: Die bu3sˇa¯nu-Krankheit hält ihn gepackt. (6-7) Wenn der Körper eines Säuglings, während er gesund ist, wohlgenährt ist, (aber sobald) eine Krankheit ihm zusetzt, sein Körper einfällt, er drei Tage (Variante fügt hinzu: vier Tage) Fieber hat, sein Bauch angeschwollen ist, sein Darm sich entleert: Widriges hat ihn gepackt 34). (8-9) Wenn einem ein, zwei, (oder) drei Monate alten Säugling eine Krankheit so zusetzt, daß er Tag und Nacht wach bleibt, sein Körper einfällt, sein Bauch angeschwollen ist, sein Darm sich entleert und er ganz ›zerschlagen‹ wird: Widriges hat ihn gepackt. (10-12) Wenn der Kopf eines Säuglings fiebrig ist, sein Körper (jedoch) keine erhöhte Temperatur hat (und) er nicht schwitzt, seine Hände und Füße sehr heiß sind, sein Speichel fließt und er sabbert, alles, was er ißt, in seinem Magen nicht ruhig bleibt, sondern er (es) erbricht: Dieser Säugling zahnt; 15 oder 20 Tage lang wird er Not leiden, dann aber wird es sich zerstreuen. (13) Wenn ein Säugling immer wieder ganz aufgeregt wird und du Wasser auf seinen Bauch schüttest und sein Bauch sich nicht … 35) : Sein Bauch ist ›gebrochen‹. (14) Wenn ein Säugling an der Brust trinkt, aber nicht satt wird und sehr sabbert: Sein Bauch ist ›gebrochen‹. (15) Wenn die Eingeweide eines Säuglings sehr geschwollen sind, man ihm die Brust darreicht, er aber nicht trinkt: Diesen Säugling hat sich eine Hexe erwählt. (16) Wenn ein Säugling sich beim Schlafen umdreht, dito (= wenn ein Säugling beim Schlafen) nicht ruhig ist und sich immer wieder erschreckt: Im Arm seiner Mutter wurde ihm das sˇulhu-Leiden durch Zauber angeheftet. (17) Wenn ein ˘Säugling sich beim Schlafen immer wieder erschreckt und andauernd weint: Im Arm seiner Mutter wurde ihm das sˇulhu-Leiden durch Zauber angeheftet. ˘ 33.

34. 35.

Sowohl Volk, OrNS 68 (1999) 14 f. als auch Cadelli, Ktèma 22 (1997) 18 f. haben diesen Eintrag überzeugend als Beleg dafür gedeutet, daß hier eine Beschreibung des ›Moro-Reflexes‹ vorliegt. Bei dem der heutigen Schulmedizin unter diesem Begriff bekannten Umklammerungsreflextest entzieht man dem Baby, während es ausgestreckt auf dem Unterarm liegt, kurzzeitig die Unterstützung des Kopfes, um zu sehen, ob es dann die Arme bei gespreizten Fingern ausbreiten und vor der Brust zusammenführen kann. Der Kommentar SpTU I 41 Vs. 6 erklärt die Deutung »Widriges hat ihn gepackt« mit »die (Dämonin) Lamasˇtu wird ihn erwählen«. ú-sˇel-la-a, ein anderes Manuskript hat i-sˇel-la-a. Scurlock / Andersen, Diagnoses, 416 (17.164) mit Anm. 132 haben hier ein – sonst nicht belegtes – von ˇs¯ılu »Loch« denominiertes Verbum angenommen, das sie mit »to pool« übersetzen.

29

Nils P. Heeßel (18-19) Wenn

ein Säugling drei Monate lang an der Brust saugt und seine Hände und seine Füße dauerhaft verdreht sind, sein Fleisch abnimmt: (Schon) vom Mutterleib her wurde ihm das sˇulhu-Leiden durch Zauber angeheftet. ˘ (20) Wenn ein Säugling an der Brust seiner Mutter beständig aufgeregt ist und er immer wieder krank wird, dito (= Wenn ein Säugling an der Brust seiner Mutter) weint und Fieber ihm beständig zu schaffen macht: Ein (unerfülltes) Gebet(sversprechen) hat ihn gepackt.

1.5 Ein später diagnostischer Text

Die kleine, fast vollständig erhaltene Tafel W 22307/11 enthält eine Liste von Krankheiten, die den Organen, aus denen sie stammen, zugeordnet werden. Die im Iraq Museum, Bagdad aufbewahrte Tafel ist von H. Hunger als SpTU I 43 in Keilschriftkopie, Transliteration und Übersetzung publiziert worden. Neue Bearbeitungen haben dann F. Köcher, Spätbabylonische medizinische Texte aus Uruk, in: Ch. Habrich u. a. (Hg.), Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart, Festschrift H. Goerke, 24 f. und M. J. Geller, West Meets East: Early Greek and Babylonian Diagnosis, AfO 48-49 (2001-2) 61 vorgelegt. Köcher hat ebd. 22 f. erstmals auf die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung des Textes hingewiesen, da hier ein gegenüber den älteren diagnostischen Texten völlig neuer Ansatz vorliegt, bei dem die Entstehung von Krankheiten in vier Organen des Körpers vermutet wird 36). (1-6) Aus dem Herzen: Dito (= aus dem Herzen): Dito: Dito: Dito: Dito: (7-19) Aus dem Magen: Dito, Mund 37): Dito, dito 38): Dito, dito: Dito, dito: Dito (= aus dem Magen): Dito: Dito: Dito: Dito: Dito:

36. 37. 38. 39.

30

Depression. ›Vom Himmel gefallen‹-Epilepsie. ›Hand des Gottes‹-Krankheit. ›Hand der Isˇtar‹-Krankheit. bennu-Epilepsie. Gelbsucht. Kopf- und Mundkrankheit. Zahn-bu3sˇa¯nu. …. … 39). Gallensaft, Gallenblase(nkrankheit). Wassersucht. ›Hand des Totengeistes‹-Krankheit. masˇkadu-Krankheit. Schlaganfall. asˇû-Krankheit. gissatu-Krankheit. ˙˙

Hierzu auch N. P. Heeßel, »Stein, Pflanze und Holz«. Ein neuer Text zur ›medizinischen Astrologie‹, OrNS 74 (2005) 1-22. D. h. aus dem Mund des Magens. = aus dem Mund des Magens. S. Geller, AfO 48-49 (2001-2) 61 Anm. 107.

Texte aus Mesopotamien

Dito:

Überhitzung durch Sonnenglut und alle Krankheiten. der Lunge: Blutgerinnsel. Dito (= aus der Lunge): Ekzem. Dito: Blähungen. Dito: ezezu-Krankheit. Dito: bu3sˇa¯nu-Krankheit. Dito: sinnahtiru-Krankheit. ˘ ˙(Harnleiter)verengung. (26-32) Aus den Nieren: Dito (= aus den Nieren): Potenzprobleme. Dito: Anale Erkrankungen. Dito: sagallu-Krankheit. Dito: Unfruchtbarkeit. Dito: Gebärmutter-Fehlbildung. Dito: Darmverstopfung. Kolophon: (33-36) Wie seine Vorlage geschrieben und kollationiert. Langtafel des Rimu¯t-Ani, des Sohnes des Sˇamasˇ-iddin, des Nachkommens des Sˇangî-Ninurta, des Beschwörers. Hand des Be¯l-ka¯sir, des Sohnes des Bala¯tu. ˙ ˙ (20-25) Aus

2. Therapeutische Texte Einleitung zu Struktur und Entwicklung des Corpus der therapeutischen Texte

Nils P. Heeßel Während es aus der altbabylonischen Zeit nur sehr wenige medizinische Texte gibt, nimmt ihre Zahl in der zweiten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends zu. Dabei sind bislang nur wenige Tontafeln medizinischen Inhalts aus Babylonien publiziert worden, die Mehrzahl stammt aus Assyrien und Anatolien (Hattusˇa), daneben ˘ wurden medizinisch-therapeutische Texte auch in Emar und Susa gefunden. Diese Texte weisen in vielem schon auf die späteren Textserien voraus. Dies gilt zum einen für die formale Seite, da diese Texte im Gegensatz zu den altbabylonischen bereits zahlreiche Charakteristika der Texte des 1. Jt. v. Chr. aufweisen, wie etwa das von den früheren Texten deutlich unterschiedene Syllabar und die häufige Verwendung von Logogrammen. Andererseits finden sich in den mittelbabylonischen therapeutischen Texten bereits einige Rezepte, die direkte Parallelen zu den Textserien des 1. Jt. v. Chr. aufweisen, manchmal sogar in sehr ähnlicher Reihenfolge. Und schließlich gibt es zu dieser Zeit erstmals Anzeichen für eine Serialisierung der Texte 40). Unter den Texten der aus dem 7. Jh. v. Chr. stammenden Bibliotheken auf der Zitadelle von Ninive (sog. ›Assurbanipal-Bibliothek‹) ist dann erstmals eine umfassende Bearbeitung und Serialisierung der therapeutischen Texte nachzuweisen 41). Hier gab 40. 41.

S. u. 2.3.1 und vgl. weiterhin den mittelassyrischen Text BAM I 36 Rs. 5’: g]isˇ.gàr mur.mesˇ »[S]erie (zu) Lungen(krankheiten)«. Hierzu und zur therapeutischen Serie sˇumma ame¯lu muhhasˇu sˇumma uka¯l im allgemeinen s. ˘˘

31

Nils P. Heeßel

es verschiedene medizinische Textserien, die jeweils einem Körperteil oder Symptomkomplex gewidmet waren. So behandelt beispielsweise eine zumindest aus fünf Tafeln bestehende Serie mit dem Titel ˇsumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l »Wenn ˘˘ der Schädel eines Mannes 42) fiebrig ist« Therapien für Kopferkrankungen. In den großen, jeweils zwei Kolumnen aufweisenden Tafeln werden Erkrankungen und Probleme wie Fieber, Sonnenstich, Flüssigkeiten im Schädel, Haarausfall, Kopf- und Ohrenschmerzen, Nasenbeschwerden und das Auftreten von Läusen abgehandelt. Leider sind wir über den Aufbau der therapeutischen Serien nicht annähernd so gut informiert wie über die diagnostische Serie sakikkû(sa.gig), da bislang kein Katalog zu den therapeutischen Serien gefunden wurde. Die Kenntnis dieser Serien beruht daher ausschließlich auf den Incipits, Stichzeilen und Kolophonen von Serientafeln. Die folgenden Serien sind bekannt: Titel

Anzahl der Tafeln

ˇsumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l ˘˘ »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist«

Mindestens 5

sˇumma ame¯lu ¯ına¯ˇsu marsa¯ ˙ Mannes krank sind« »Wenn die Augen eines

Mindestens 3

sˇumma ame¯lu sˇinnı¯sˇu marsa¯ »Wenn die Zähne eines˙Mannes krank sind«

2

sˇumma ame¯lu napı¯sˇ appisˇu kabit »Wenn einem Mann das Atmen durch die Nase schwerfällt«

Mindestens 6

sˇumma ame¯lu sua¯la marus ana kı¯s libbi itâr ˙ sua¯lu-Krankheit leidet (und) es sich »Wenn ein Mann an der zur kı¯s-libbi-Krankheit entwickelt«

Mindestens 5 43)

sˇumma ame¯lu sˇer3a¯n kisˇa¯disˇu ikkalsˇu sˇugidimmakkû »Wenn einen Mann die Nackenstränge schmerzen: ›Hand des Totengeistes‹-Krankheit«

Mindestens 4 44)

ˇsumma ame¯lu kalı¯ssu ikkalsˇu »Wenn einen Mann die Niere schmerzt« sˇumma ame¯lu ina la¯ sima¯nisˇu qablı¯sˇu ikkala¯ˇsu »Wenn einen Mann zur Unzeit die Hüften schmerzen«

42. 43. 44.

32

3 Mindestens 5

die grundlegenden Ausführungen von F. Köcher, Spätbabylonische medizinische Texte aus Uruk, in: Ch. Habrich u. a. (Hg.), Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift H. Goerke, 17-39, bes. 18-20. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. Es ist unklar, ob die Stichzeile von BAM VI 579, der fünften Tafel der Serie, auf die sechste Tafel oder auf die erste Tafel einer folgenden Serie zu beziehen ist. Zu dieser Serie s. Köcher, BAM III, xii Anm. 10.

Texte aus Mesopotamien

Es dürfte sehr wahrscheinlich sein, daß es neben diesen acht bekannten therapeutischen Serien und den 33 sicher zugehörigen Tafeln weitere Serien gab. So kann man vermuten, daß auch Texte zu den unteren Extremitäten sowie, analog zur diagnostischen Serie, zu Schwangerschaftserkrankungen und Geburtskomplikationen eine eigene Serie bildeten. Aus den Stichzeilen einiger Serientafeln geht hervor, daß die einzelnen therapeutischen Serien nicht verbindungslos nebeneinander standen, sondern in einer festen Abfolge geordnet waren. So verweist die Stichzeile von BAM VI 543, der zweiten Tafel der Serie »Wenn die Zähne eines Mannes krank sind« auf die erste Tafel der Serie »Wenn einem Mann das Atmen durch die Nase schwerfällt« und zeigt damit, daß diese Serie auf die Serie zu Zahnerkrankungen folgt. Auch die Stichzeile der dritten Tafel der Serie »Wenn einen Mann die Niere schmerzt«, die in BAM VII 9J erhalten ist, verweist auf die erste Zeile der folgenden Serie »Wenn einen Mann zur Unzeit die Hüften schmerzen«. Diese beiden Verbindungen zwischen verschiedenen Serien zeigen, daß die einzelnen Serien tatsächlich als Kapitel oder Unterserien einer großen umfassenden Serie aufzufassen sind, wie dies ganz ähnlich auch bei anderen Texten, etwa dem diagnostischen Handbuch oder den Opferschau-Texten belegt ist. Auch wenn noch mehr solcher Verbindungen zwischen den einzelnen Unterserien gefunden werden müssen, bevor der Aufbau dieser großen therapeutischen Serie zweifelsfrei klar wird, so kann bereits jetzt eine Anordnung der Serie analog zum Diagnosehandbuch oder zur lexikalischen Serie Ugu-mu ›vom Kopf zu den Füßen‹ vermutet werden. Franz Köcher ging davon aus, daß die therapeutische Serie tatsächlich in Ninive zusammengestellt und kanonisiert wurde; weiterhin hat er ihre genaue Entstehungszeit während der Herrschaft des Königs Assurbanipal (668-ca. 630 v. Chr.) vermutet 45). Allerdings gibt es für diese Annahme keine direkten Belege und bisher unpublizierte, jedoch jünger zu datierende Manuskripte der Serie aus babylonischen Städten 46) weisen auf eine mögliche Serialisierung der therapeutischen Texte in Babylonien hin 47). Eine therapeutische Serie findet sich auch unter den aus dem Ende des 5. Jh. v. Chr. stammenden Texten der Gelehrtenfamilie Sˇangî-Ninurta in Uruk. Sie trägt dort den Titel ˇsumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ˘˘ ist« und hat einen Umfang von 45 Tafeln48). Da der Titel dieser Serie identisch ist 45.

46. 47.

48.

Köcher, Festschrift Goerke, 20 mit Anm. 32. Köcher weist auf die Edition der pharmakologischen Serie Uruanna hin, die aufgrund des Assurbanipal-Kolophons Typ »g«, der ausführlich die Redaktionsarbeit dieses Königs schildert, sicher der Zeit Assurbanipals zuzuschreiben ist. Jedoch könnte man fragen, warum dann die – noch bedeutendere – Schaffung einer therapeutischen Serie nicht auch mit einem eigenen Kolophon gewürdigt wurde. Freundlicher Hinweis von I. L. Finkel. Aus der Tatsache, daß die ersten Textbelege für eine kanonische Serie aus den Bibliotheken von Ninive stammen, darf nicht ohne weiteres abgeleitet werden, daß sie zu dieser Zeit geschaffen wurden. Neben vielen anderen Belegen hierfür ist das beste Gegenbeispiel das diagnostische Handbuch sakikkû (s. o. 1.4), das von dem babylonischen Gelehrten Esagil-kı¯n-apli im 11. Jh. v. Chr. in Nordbabylonien zusammengestellt wurde, von dem wir bislang aber keine Manuskripte kennen, die denjenigen aus Ninive vorangehen. Daß die 45. Tafel auch die letzte Tafel der Serie darstellt, wird nicht nur aus dem Fehlen einer

33

Nils P. Heeßel

mit dem Titel des ersten Kapitels der Serie aus Ninive, kann man vermuten, daß es sich um dieselbe Serie handelt, die in Uruk unter diesem Titel tradiert wurde und deren Tafeln nicht nach Kapiteln numeriert, sondern durchgezählt waren49). Leider lassen sich bislang keine Übereinstimmungen der beiden Serien feststellen, da in Uruk nur die 41. und 45. Tafel fragmentarisch erhalten sind, deren Text sich nicht auf Ninive-Tafeln wiederfindet. Andererseits sind auch keine Unterschiede zwischen der Serie in Uruk und der Serie in Ninive nachzuweisen50). Neben den Serientafeln ist in Uruk auch eine Exzerptserie belegt, deren einzelne Tafeln als pirsu »Abteilung« der Serie ˇsumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l bezeichnet wurden51). ˘˘ Die zahlreichen medizinisch-therapeutischen Texte aus Assur unterscheiden sich sehr von den Texten in Ninive und Babylonien, obwohl sie oft dieselben Symptomgefüge und Krankheiten behandeln52). Ein ausführlicher Katalog zu den therapeutischen Texten aus Assur zeigt zwar einige Ähnlichkeiten zur therapeutischen Serie aus Ninive, ist jedoch sicher kein Katalog dieser Serie 53). Fraglich bleibt, ob in diesem Katalog eine tatsächlich fixierte Textserie aus Assur verzeichnet ist, oder ob die aufgelisteten Tafeln nur die Anfangszeilen von verschiedenen, nicht serialisierten Texten darstellen54). Daß die in Ninive tradierte therapeutische Serie sˇumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l in Assur bekannt war, zeigt der Text von BAM III 209, der als ˘˘ dritte Tafel der Unterserie sˇumma ame¯lu sˇer 3a¯n kisˇa¯disˇu ikkalsˇu ˇsugidimmakku be-

49.

50.

51. 52. 53.

54.

34

Stichzeile deutlich, sondern auch aus dem Vermerk zag.ti.la.bi.[sˇè] im Kolophon, der den Abschluß einer Serie ausdrückt. Ähnliches läßt sich auch an anderen Textserien wie z. B. den Opferschau-Serien belegen. Auch die Opferschau-Serien werden wie die medizinisch-therapeutischen Serien in Ninive in den Stichzeilen aufeinander bezogen und in eine Reihenfolge gestellt, ohne daß die gesamte Serie einen Namen hat oder die Tafeln nach der ganzen Serie durchgezählt werden. In Uruk wird dann dieselbe Opferschau-Serie tradiert, die jetzt ba¯rûtu(nam.azu) genannt wird und deren Tafeln doppelt numeriert werden, einmal nach ihrer Stellung im Kapitel und einmal in der gesamten Serie. Die Ausführungen von Köcher, Festschrift Goerke, 20 mit Anm. 33 beziehen sich nicht auf die therapeutische Serie von 45 Tafeln, sondern auf die pirsu-Serie und können daher nicht als Beleg für einen Unterschied zwischen Uruk und Ninive bei der Serie ˇsumma ame¯lu muhhasˇu ˘˘ umma uka¯l herangezogen werden. SpTU I 44 (9. pirsu) und 46 (10. pirsu). Dazu jüngst Geller, BAM VII, S. 9. Der Katalog wurde von G. Beckman und B. R. Foster, Assyrian Scholarly Texts in the Yale Babylonian Collection, in: E. Leichty u. a. (Hg.), A Scientific Humanist, Studies in Memory of A. Sachs, Occasional Publications of the Samuel Noah Kramer Fund, Philadelphia 1988, 11-14, Nr. 9 publiziert. Der von Geller, BAM VII als Nr. 48 bearbeitete Teil des Katalogs zu Nieren- und Abdominalerkrankungen zeigt in Z. 8’-10’ bemerkenswerte Parallelen zum Kapitel »Wenn einen Mann die Niere schmerzt«. So finden sich einige Einträge des Katalogs in therapeutischen Texten eng nebeneinander auf der gleichen Tafel. Vergleiche z. B. die beiden Einträge in Fragment B 16’-17’ mit BAM VI 575 Rs. III 42 und 49; die drei Einträge von Fragment D 22’-24’ finden sich alle auf der kleinen Tafel BM 108872 (unpubl.), s. N. P. Heeßel, Warzen, Beulen und Narben – Eine Sammlung medizinischer Rezepte und physiognomischer Beobachtungen aus Assur gegen Gesichtsmale, in: R. J. van der Spek (Hg.), Studies in Ancient Near Eastern World View and Society Presented to M. Stol on the Occasion of his 65th Birthday, Bethesda 2008, 161-71.

Texte aus Mesopotamien

zeichnet wird 55). Weiterhin ist in Assur-Texten aus dem 7. Jh. v. Chr. relativ häufig eine Auszugsserie (nishu) nachzuweisen 56). ˘ Eine umfassende Bearbeitung der therapeutischen Serie ˇsumma ame¯lu muhhasˇu ˘˘ sˇumma uka¯l liegt bislang nicht vor. Die meisten, aber längst noch nicht alle bekannten medizinisch-therapeutischen Texte sind in Keilschriftkopie in R. Campbell Thompsons Assyrian Medical Texts (London 1923, AMT) und in dem sechs Bände umfassenden Werk Die babylonisch-assyrische Medizin (Berlin 1963-80, BAM) von Franz Köcher vorgelegt worden. R. C. Thompson hat dann die meisten von ihm publizierten Texte in einer Serie von Artikeln in den Jahren 1924-37 übersetzt und viele auch bearbeitet 57). Erst in letzter Zeit ist die Arbeit an der Serie wieder aufgenommen worden, einerseits durch die Bearbeitung einzelner Serientafeln 58) und andererseits durch die Edition der bekannten Texte der Serien »Wenn einen Mann die Niere schmerzt« und »Wenn einen Mann zur Unzeit die Hüften schmerzen« in M. J. Gellers Fortführung von Köchers Serie Die babylonisch-assyrische Medizin 59).

2.1 Altbabylonische therapeutische Texte

Daniel Schwemer Nur wenige Handschriften akkadischer medizinischer Texte aus altbabylonischer Zeit (erste Hälfte des 2. Jt. v. Chr.) sind bisher bekannt geworden. Die wenigen einschlägigen Texte bieten Sammlungen von knapp formulierten Rezepten zur Herstellung von Heilmitteln gegen diverse Leiden, in deren Arrangement sich teilweise schon das später für die medizinischen Texte typische Schema ›vom Kopf zu den Füßen‹ erkennen läßt. Beschwörungen lassen sich innerhalb dieser Textgruppe bisher nicht nachweisen. Oft lassen sich zu einzelnen Rezepten Parallelen in Handschriften des 1. Jt. nachweisen; wo dies der Fall ist, stellt sich der spätere Paralleltext meist als eine erweiterte 55.

56. 57. 58.

59.

Obwohl sowohl die Stichzeile als auch der Kolophon den Text BAM III 209 als dritte Tafel der Serie ˇsumma ame¯lu sˇer 3a¯n kisˇa¯disˇu ikkalsˇu sˇugidimmakku ausweisen, ist mit Köcher, BAM III, xii, Anm. 10 zu beachten, daß BAM III 209 nicht den gesamten Text der dritten Tafel, wie er in der Ninive-Tafel BAM V 473 vorliegt, duplizieren kann. Auch dies deutet auf Unterschiede in den Traditionen von Assur und Ninive hin. S. BAM I 52 (nach einer Vorlage aus Uruk geschrieben!), 99, 106, V. Scheil, Quelques remèdes pour les yeux, RA 15 (1918) 75-79, R. Labat, Le premier chapitre d’un précis médical inédit, RA 53 (1959) 1-18. S. dazu die praktische Auflistung in HKL I 528-36. Vgl. die Editionen der ersten und zweiten Tafel der Serie »Wenn der Kopf eines Mannes fiebrig ist«: A. Attia / G. Buisson, Si le crâne d’un homme contient de la chaleur, deuxième tablette, JMC 1 (2003) 1-24; M. Worthington, Edition of UGU 1 (= BAM 480 etc.), JMC 5 (2005) 643. M. J. Geller, Renal and Rectal Disease Texts, BAM VII, Berlin / New York 2005. Weiterhin hat D. Cadelli in ihrer unpublizierten Dissertation die Serie »Wenn ein Mann an der sua¯luKrankheit leidet (und) es sich zur kı¯s-libbi-Krankheit entwickelt« neu bearbeitet, die bereits Gegenstand der mittlerweile veralteten, aber für die damalige Zeit ganz ausgezeichneten Arbeit von F. Küchler, Beiträge zur Kenntnis der Assyrisch-Babylonischen Medizin, AB 18, Leipzig 1904 war (s. in vorliegendem Band Abschnitt 2.7 von B. Böck).

35

Daniel Schwemer

Form des altbabylonischen Rezepts dar. Letzteres mag zum Teil auch der äußerst prägnanten Formulierungsweise der altbabylonischen Texte geschuldet sein.

2.1.1 Eine Rezeptsammlung aus Ur Die vollständig erhaltene altbabylonische Tafel U 16856 wurde bei den britischen Ausgrabungen in Ur (1922-34) gefunden, befindet sich heute im British Museum, London, und wurde von A. Shaffer im Jahr 2006 als UET VI/3, 895 in Keilschriftkopie vorgelegt. Eine Bearbeitung des Textes wurde bisher anderweitig nicht vorgelegt. Der Text bietet kurze Rezepte für Erkrankungen der Haut und offene Wunden. (Vs. 1-2) Für

ein kura¯rum-Karbunkel ›des Kleinviehs‹ 60): ›Wasser‹ vom dı¯ktum-Mehl der Dattelpalme und qudrum-Pflanze ›des Hauses‹ 61). (5-9) Für garas ˇtum-Krankheit 62) des Kopfes: kalba¯num-Pflanze ›der Steppe‹ 63). Er verbrennt (sie) und reibt sein … (und) seinen Kopf (damit) ein. (10-13) Für einen verbrühten Mund: Du f[ül]lst deinen Mund mit Asche vom ›Herz‹ der [Datt]elpalme; er wird genesen. (14-16) Für s ˇagba¯num-Krankheit: Du legst Asche vom ›Herz‹ der Dattelpalme auf, dann (wird er genesen). (17-18) Für s ˇagba¯num-Krankheit: Stroh[häckse]l. (19-Rs. 21) [Für s ˇ]agba¯num-Krankheit: [ … ] … legst du auf, dann wird er genesen. (22-26) Für eine En[tzün]dung des zabrum-Körperteils 64): Schwefel und Sperma eines Mannes legst du auf, dann wird er genesen. (27-30) Für die gergis ˇsˇum-Hautkrankheit: ›Graues Haar‹ und ›Staub von … ‹. 65) 66) Du … (es) , dann wird er genesen. … (35-38) Für gar[as ˇtum]-Krankheit des Kopfes: Du verbrennst alte Tamariskenrinde und salbst (ihn damit), dann wird er genesen. (39-41) Für eine Wunde am Fußgelenk: Schale eines Granatapfels. Du streust (sie auf die Wunde), dann wird er genesen.

2.1.2 Eine Rezeptsammlung aus Nippur Die nahezu vollständig erhaltene, in einer eleganten, frühaltbabylonischen Schrift beschriebene Tafel HS 1883 (Hilprecht-Sammlung, Jena) wurde von F. Köcher als BAM IV 393 in Kopie vorgelegt. Der Text wurde zuerst von M. Haussperger, Ein kleines medizinisches Kompendium aus altbabylonischer Zeit, Würzburger medizinhistori60. 61. 62. 63. 64. 65. 66.

36

Akkad. ˇsa se-e-ni. Es ist wohl dennoch eine Humankrankheit gemeint; kura¯ru-Karbunkel wurden oft˙am Kopf diagnostiziert. D. h. wohl im häuslichen Garten gezogen und nicht die wild wachsende Variante. Sonst als gurasˇtu-Krankheit bekannt. D. h. die wild wachsende kalba¯num-Pflanze. Akkad. a-na s[i??-r]i??-ih-tim ˇsa za-ab-ri-im; letzteres vielleicht zu zabru CAD Z 9b zu stellen ˘ supru »Nagel«? ˙ – oder etwa Variante für Akkad. is ?-ku-ba-tim; ist˙ dies etwa eine Nebenform für askuppatu »Türschwelle«? Akkad. ta-ba-asˇ-sˇa- ad -ma; vielleicht korrupt für tapasˇsˇasˇ »du salbst« (vgl. aber ta-pa-asˇˇsa-asˇ-ma in Rs. 38) oder eher tabasˇsˇal »du kochst« (zu erwarten tusˇabsˇal, aber vgl. ta-ba-asˇˇsa-al-sˇu-nu-ti im unpubl. altbabylonischen medizinischen Text Schøyen Collection 3277 Vs. 1 [frdl. Mitt. A. R. George]).

Texte aus Mesopotamien

sche Mitteilungen 16 (1997) 131-49, und in jüngster Zeit von M. J. Geller, Les maladies et leurs causes, selon un texte médical paléobabylonien, JMC 8 (2006) 7-12 umschrieben, übersetzt und kommentiert (vgl. auch M. Haussperger, Einige medizinische Anmerkungen zum Text BAM IV 393, in: H. Gasche / B. Hrouda (Hg.), Collectanea Orientalia. Histoire, Arts de l’Espace et Industrie de la Terre. Etudes offertes en hommage à Agnès Spycket, Civilisations du Proche-Orient, Serie I: Archaeologie et Environnement 3, Neuchâtel-Paris 1996, 129-32). Der Text ist offenbar aus verschiedenen Quellen zusammengestellt worden, ohne daß eine übergreifende Ordnung etabliert worden wäre. (Vs. 1) Wenn

ein Mann 67) behext ist, dörrst du armannum-Rübe, kupad-Salz, (2) die Niere eines Lammes, das noch kein Gras gefressen hat, sowie (3) ernı¯num-(Pflanzen). Er ißt es und wird sich (von der Krankheit) erholen. (4) Wenn ein Mann an awurriqa ¯ num-Gelbsucht erkrankt ist, (5) weichst du Süßholzwurzel in Milch ein und (6) läßt es über Nacht unter den Stern(en) stehen. Dann mischst du es in gefiltertem Öl. (7) Du läßt es ihn trinken, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (8) Wenn der Zahn eines Mannes von einem Wurm befallen ist, (9) zerstößt du ›Schifferkot‹ in gefiltertem Öl. (10) Wenn ein Zahn auf der rechten Seite (seines Kiefers) krank ist, (11) gießt du es auf seine Zähne auf der linken Seite, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (12) Wenn ein Zahn auf der linken Seite (seines Kiefers) krank ist, (13) gießt du es auf seine Zähne auf der rechten Seite, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (14) Wenn ein Mann (überall) von gergis ˇsˇum-Hautkrankheit bedeckt ist, mischst du Malzmehl (15) zu gleichen Teilen unter gefiltertes Öl (16) und legst es auf, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (17) Wenn sich (dadurch) sein Zustand nicht gebessert hat, le[gst] du heiße sˇimtum-Farbe auf, dann wird er sich (von der Krankheit) erho[len]. (18) Wenn sich (dadurch) sein Zustand nicht gebessert hat, legst du heiße Kleie auf, dann [wird er sich (von der Krankheit) erholen]. (19) Wenn ein Skorpion einen Mann gesto[chen hat], (20) legst du Rinderspeichel auf, dann [wird er sich (von der Krankheit) erholen]. (21) Wenn die Augen eines Mannes krank sind, (22) preßt du eine hartı¯t[um]-Blume aus und legst es auf, dann wird er sich (von der Krankheit) erhol[en]. ˘ (23) Wenn ein Mann an einem Hitzschlag leidet, vermischst du tillaq[urdum]-Pflanze, (24) Asche, grobes isqu ¯ qu-Mehl, masˇtak[al]-Seifenkraut (und) (25) ›alten Ziegel‹ in Sesam(26) er trinkt es, dann [wird] er [sich (von der Krankheit) erholen] 68). öl; (27) Wenn ein Mann [ … ] (28) [ … ]. (Rs. 29) Wenn das Fuß[gelenk] 69) eines Mannes [ … ], (30) le[gst] du lipir-Pflanze ›der Hitze‹ auf, [dann wird er sich (von der Krankheit) erholen].

67. 68. 69.

Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. Nach Kollation ist in Vs. 26 wohl zu lesen: i-sˇa-ti-ma i -[né-a-asˇ]. Nach Kollation erscheint eine Lesung ka- ba -a[r-ta-sˇu … ] plausibel; eine Lesung kasˇip »ist behext« (so fragend Geller, JMC 8 [2006] 9) kann ausgeschlossen werden.

37

Daniel Schwemer (31) Wenn

die Stirn eines Mannes ›schwer‹ [ist] 70), (32) legst du Tamariskensamen auf, dann [wird er sich (von der Krankheit) erholen]. (33) Wenn ein Mann von einem Hund gebissen worden ist, – damit keine [Welpen] geschaf[fen werden] 71) – (34) zerstößt du masˇtakal-Seifenkraut (und) Bilsenkraut in Butterschmalz; (35) er ißt es, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (36) Wenn der Zahn eines Mannes von einem Wurm befallen ist, dörrst du [Tamarisken]rinde (37) und legst es auf, dann wird er sich (von der Krankheit) erhol[en]. (38) Wenn der Bauch eines Mannes gebläht ist, trinkt er zibibia ¯ num-Gewürz (39) in Öl bester Qualität, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (40) Wenn ein Mann behext ist, trinkt er nuhurtum-Wurzel (41) in Sesamöl, dann wird er ˘ sich (von der Krankheit) erholen. (42) Wenn ein Mann am After erkrankt ist, (43) dörrst du Kehlfleisch und mischst es mit Sesamöl; du kühlst (damit), dann wird er genesen. (44) Wenn ihn, nachdem (du ihn behandelt hast), ein Abszeß sticht, läßt du (ihn) {sˇimtum-Wolle}(?) upûm-Farbe 72) (45) trin˙ ken, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (46) Wenn die Füße eines Mannes den Erdboden ›lecken‹ 73), (47) erhitzt du Wasser in einer Schüssel und badest (sie darin). (48) Nachdem sie … haben 74), kühlst du (sie) mit Öl ab, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (49) Wenn der Kopf eines Mannes von einem Hitzschlag betroffen ist, (50) massierst du seinen Kopf mit Puder und (51) übergießt (ihn) mit Öl, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (52) Wenn er heiß bleibt, läßt du weiteres Öl folgen, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen. (53) Wenn der Bauch eines Mannes ständig gebläht ist, (54) trinkt er nı¯nûm-Pflanze in Bier, dann wird er sich (von der Krankheit) erholen.

2.2 Therapeutische Texte aus Hattusˇa und Emar ˘

Daniel Schwemer Texte der babylonisch-assyrischen Heilkunde wurden in der Spätbronzezeit im gesamten Vorderen Orient rezipiert – sei es daß lokale Schreiber sich die Texte mit anderen Teilen der babylonisch-assyrischen Traditionsliteratur aneigneten, sei es daß babylonische und assyrische Experten fern der Heimat ihre Kunst ausübten und ihr Wissen weitergaben. Für die Geschichte der babylonisch-assyrischen Heilkunst sind 70. 71.

72. 73. 74.

38

Entgegen Köchers Kopie steht auf der Tafel tatsächlich ka-ab-ta-[at]. Die Ergänzung asˇ-sˇum [mı¯ra¯nı¯] la ba-ni-[im] folgt Geller. Die Vorstellung, daß ein Hundebiß Welpen erschafft, ist aus Beschwörungen gegen Hundebiß gut bekannt; es handelt sich um ein Bild dafür, daß der Hundebiß im Körper des Patienten die Krankheit erschafft und verbreitet. Akkad. sˇi-im-tam sˇi-im-tam ú-pí-tam. Die Übersetzung oben geht davon aus, daß das Ne˙ sˇimtum »gezupfte Wolle« und sˇimtum »Farbe« auf einen Fehler des Schreibeneinander von bers zurückgeht. Das˙Adjektiv upûm läßt sich nicht sicher deuten. Von Haussperger plausibel als Beschreibung von exzessivem Fußschweiß gedeutet. Akkad. ib-ta-ri-a bleibt unklar; Subjekt der Verbalform sind sicher die Füße, weder barû »sehen« noch parû »sich erbrechen« (meist u-Klasse) ergeben einen überzeugenden Sinn.

Texte aus Mesopotamien

diese Texte aber nicht nur in Hinsicht auf die Verbreitung babylonischer Gelehrsamkeit von Interesse, sondern stellen auch eine wichtige Ergänzung zu den nicht allzu zahlreichen mittelbabylonischen und -assyrischen Handschriften medizinischer Texte dar, die dem umfänglichen Corpus der Texte des 1. Jt. v. Chr. unmittelbar vorausliegen; zudem zeugt ein Teil der Texte von babylonischen und assyrischen Schreibertraditionen, die nach Texten aus babylonischen und assyrischen Bibliotheken selbst bisher unbekannt sind.

2.2.1 Eine Sammlung von Therapien für Behexung aus Hattusˇa ˘ Die in Bog˘azköy (Hattusˇa) gefundene und heute im Anadolu Medeniyetleri Müzesi, ˘ Ankara, befindliche Tafel 373/b+ bietet eine Sammlung von Rezepten zur Therapie von Behexung in akkadischer Sprache; neben knappen Anweisungen zur Herstellung von Heilmitteln enthält der Text auch Vorschriften für zumindest ein Beschwörungsritual gegen Behexung. Die Tafel wurde zuerst von F. Köcher als KUB 37, 55 in Keilschriftkopie vorgelegt, und zwischenzeitlich von Verf. durch den Zusammenschluß mit 323/c (KBo 36, 32) vermehrt 75). Große Teile von Vs. I und II sind nur sehr fragmentarisch erhalten, Vs. III und Rs. IV ganz verloren. Bei der Wiederherstellung des Textes helfen einige Duplikattexte; neben einem Fragment aus Hattusˇa handelt es ˘ sich dabei durchweg um Handschriften aus assyrischen Bibliotheken des 1. Jt. v. Chr. (KUB 37, 9; LKA 160 = BAM II 140 = KAL II 46; KAL II 43 und 44; KAR 189 = BAM III 208; AMT 85/1 (+) 86/1; unpubl. BM 98586; CTN IV 124). Eine Edition des Textes werden T. Abusch und Verf. demnächst in Corpus of Mesopotamian Antiwitchcraft Rituals, Bd. 1, vorlegen. (Vs. I 9’-11’) Wenn

die [ … ] eines Mannes 76) [ … ] bekommen, seine Hüftgelenke sich immer wieder verrenken, (12’) seine Zehen sich mehr und mehr verkrampfen 77), (13’) ist er in (schmutziges) Waschwasser getreten. (14’-18’) Du erhitzt sikillu-Pflanze, has ˇû˘ Pflanze, Tamariskenholz, ›Süßrohr‹, Palmenholz, [ … ] (und) e¯ru-Holz in Wasser. (19’) [Du li]nderst (die Beschwerden an) seine(n) Füßen 78). (20’) tarmus ˇ-Pflanze, ›[Sie-trat]-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-20-entgegen‹-Pflanze, … (22’-24’) … [ … ]. Rest von Vs. I sehr fragmentarisch; Text zu Beginn von Vs. II nach Duplikat. Wenn der Körper eines Mannes von Lähmung befallen ist, er ständig fiebert, sein Leib verfällt und er mit einer Frau keinen Geschlechtsverkehr haben kann, sind F[iguren von ihm] aus Ton beerdigt worden. (Vs. II 1’) Du gehst zur Tongrube. (2’-4’) Dann legst du ein Gran Silber (und) ein Gran Gold in die Tongrube und kaufst Ton. (5’-8’) Eine Figur des Hexers und der Hexe fertigst du an und schreibst ihre Namen auf ihre Seiten. Du bin75. 76. 77. 78.

Beachte, daß das zu Rs. V gehörige Fragment 2693/c von Köcher irrtümlich als zu Vs. I gehörig kopiert wurde; für eine Neukopie s. D. Schwemer, Abwehrzauber und Behexung. Studien zu Schadenzauberglauben im alten Mesopotamien, Wiesbaden 2007, 31. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. Variante: gelähmt werden. Wohl durch ein Fußbad in dem warmen, mit Drogen versetzten Wasser.

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Daniel Schwemer

dest ihre Arme mit einem Strick auf ihren Rücken79). (9’) Du umwickelst sie mit ausgekämmter Wolle. (10’-12’) Mit ranzigem Öl übergießt du sie. In einer ungebrannten Schale hebst du sie empor. (12’-13’) Vor Sˇamasˇ richtest du sie. (13’-15’) Mit Wasser vom Weihwassergefäß wäschst du deine Hände und deine Füße über ihnen. (16’-17’) Mit einem Teig aus Weizenmehl und Ei reibst du sein Epigastrium ab; (18’) dann legst du (den Teig) auf sie. (19’) Vor Sˇamasˇ läßt du ihn wie folgt sprechen: (20’-21’) »Sˇamasˇ, König des Himmels und der Erde, Richter der Götter und Menschen bist du! (22’-24’) Sˇamasˇ, derjenige, der gegen mich Hexereien, Zaubereien, magische Manipulationen (und) gar nicht gute Machenschaften durchführte, sich (ihnen) zuwendete, (sie) suchte: (25’-27’) Von dem Ta[g] an, da ich vor dir spreche, mögen sie von mir abgelöst sein, mögen sie (an sie) gebunden sein, (28’) dann will ich deinen Lobpreis sing[en]!« (29’) Siebenmal spr[ich]t er es, dann ist es gelöst. (30’-31’) Damit Hexereien, Zaubereien, magische Manipulationen (und) Machenschaften einem Mann nicht nahekommen: (31’ff.) 80)Du läßt ihn vor Sˇamasˇ einen halben Sekel urnû-Pflanze, einen Sekel nuhurtu-Pflanze, einen drittel Sekel hasˇû-Pflanze, […] Sekel ˘ sagt:) »Wer auch imBerghonig in 10 Sekel (frisch)˘ gepreßtem Traubensaft trinken. (Er mer (es ist), der sich (mit Hexereien) gegen mich gewandt hat, (Hexereien) gegen mich suchte [ … ] … [ Vs. III und Rs. IV verloren; Rs. V zu Beginn fragmentarisch. (Rs. V 14’) Wenn

ein Mann beh[ext ist, … ], (15’) se[in] Epigastrium [ … ] (16’) und Brot und Wasser [ … ], (18’-19’) dann zerstößt du nı¯nû-Pflanze, [ … ], (19’-20’) [ … ]. [Du legst es in Öl und gießt es] in [seinen] After. (21’-27’) Am selben Tag zerkleinerst du [ … ], urnû-Pflanze, […-Pflanze], nuhurtu-Pflanze, […-Pflanze], ›[Sü]ßrohr‹, […-Pflanze], Kräuter [ … ] … [ … ].˘ (28’) Zusammen [ … ], (29’) dreimal [ … ]. (30’-31’) … D[u gießt] (es) [in] seinen After (und) [er] purgiert. (32’-34’) Dann gießt er es am sel[ben Tag] [mi]t Wein (in seinen After). (34’-36’) Dann [gießt er] (es) am selben Tag [mi]t süßer Milch (in seinen After). Er purgiert, (37’) [dann] wird seine Krankheit wegge[hen]. (38’-39’) Am [selb]en [Tag] [gi]eßt [er] gefil[tertes] Öl (in seinen After) und [ … ] … (17’) [er]

Ende von Rs. V und Anfang von Rs. VI abgebrochen. (Rs. VI 4’) Wenn

ein Mann behext ist [( … )], (5’-8’) weichst du Datteln, Äpfel, Feigen, liba¯ru-Frucht, Rosinen, huluppu-Baum-Samen zusammen in Wasser ein. (9’) [Du] läßt es über Nacht unter den ˘Sternen stehen. (10’-13’) Am Morg[en drückst du] dieses [Was]ser [(durch einen Seiher)]. [Du zerkleinerst …-Pflanze] (und) merrutu-Pflanze, [misch]st (sie) hinein (und) läßt es ihn trinken. (14’-16’) Und die Früchte zerkleinerst du genauso wie diese (Kräuter); du verquirlst es in Bier bester Qualität, läßt es unter den Sternen stehen. (17’-18’) Am Morgen drückst du das Bier (durch einen Seiher), läßt (es) ihn auf nüchternen Magen trinken, dann wird er genesen. (19’-21’) Wenn ein Mann behext ist, weichst du sua ¯ du-Pflanze, hasˇû-Pflanze, nuhurtu˘ ˘ 79. 80.

40

Dieser Satz findet sich nur in den Duplikaten zum Haupttext. Ergänzungen nach Vs. II 32’ folgen CTN IV 124.

Texte aus Mesopotamien

Pflanze (und) Salz in Wasser ein. Unter den Sternen läßt du es über Nacht stehen. (22’-23’) Am Morgen drückst du (es durch einen Seiher), läßt es ihn auf nüchternen Magen trinken, dann wird er genesen. (24’-26’) Wenn ein Mann behext ist, dörrst du das Horn einer Gazelle, zerstößt es, wäschst ihn (damit) mit Wasser wie mit Pottasche; (27’-29’) und danach wäscht er sich mit Soda und salbt sich mit Öl, dann wird er genesen. (30’-31’) Wenn ein Mann behext ist, trocknest (und) zerkleinerst du ein burrisa ¯ nu-Insekt. ˙ wie mit (32’-34’) Nachdem er mit Wasser und Soda [geb]adet hat, salbst du ihn (damit) Öl; (35’) [und] er salbt sich (damit) [w]ie mit Öl. (36’-37’) [Solange er le]bt, werden Hexereien ihm nicht nahekommen. (38’-40’) Wenn ein Mann behext ist, wickelst du den mahirtu-Knochen eines Toten, [vom ˘ Du beräucherst (ihn) mittels linken (Fuß)], in […]haar ein. (41’-42’) Du tränkst es mit Öl. 81) ›Feuer‹ , dann wird er ge[nesen]. Text bricht ab.

2.2.2 Eine Sammlung von Rezepten und Beschwörungen gegen Fieber und Aussatz aus Emar Die in einer japanischen Privatsammlung befindliche Keilschrifttafel, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem spätbronzezeitlichen Emar (Meskene), sicher jedoch aus der Region des Mittleren Euphrat, stammt, wurde von A. Tsukimoto in Kopie, Umschrift und Übersetzung vorgelegt (»By the Hand of Madi-Dagan, the Scribe and Apkallu-Priest« – A Medical Text from the Middle Euphrates Region, in: K. Watanabe [Hg.], Priests and Officials in the Ancient Near East, Heidelberg 1999, 187-200). Zum Verständnis der Beschwörungen in Vs. 25 f. und 27 ff. hat I. L. Finkel, Magic and Medicine at Meskene, NABU 1999/30, Wichtiges beigetragen. Der Text bietet in Vs. 1-35 Therapien für Fieber. Fast der gesamte Rest des Textes widmet sich verschiedenen Formen der Lepra 82). Hervorzuheben ist eine ausführliche Therapieanweisung, die auf eine Behandlung mit Verbänden ein Ritual vor dem Sonnengott folgen läßt, innerhalb dessen der ›genesene‹ Patient Opfer darbringt und sein Leid dem Gott im Gebet vorträgt. Der Text schreibt eigens vor, daß alle vom Kranken verwendeten Verbände verbrannt und die im Ritual verwendeten Materialien im Fluß entsorgt werden sollen (Rs. 72-93); diese Maßnahmen sollten sicher einer möglichen Verbreitung der Krankheit vorbeugen. Die Furcht vor einer möglichen Ansteckung tritt auch darin zutage, daß der Therapeut eine spezielle Beschwörung zu sprechen hatte, bevor er sich einem Leprakranken näherte (s. Vs. 37-42). (Vs. 1) Drogen gegen Fieber: si.si.nun.na-Pflanze, Wurzel der bu ¯ sˇa¯nu-Pflanze und ihre Blätter, ata¯3isˇu-Pflanze, Wurzel des sˇasˇsˇu¯gu-Baumes, (2) Wurzel der schwarzen ›Vulva‹-Pflanze, Keuschbaumwurzel und sein Samen, Tamariskensamen, qudratu-Samen,

81. 82.

Akkad. syllabisch ina isˇa¯ti. Die entsprechende Wendung wird sonst immer logographisch ina ne geschrieben, wofür man ina pe¯nti »mittels Holzkohle« oder ina qutri »mit Rauch« erwartet (s. CAD P 325b mit Lit.), wofür man aber auch ina isˇa¯ti lesen könnte. Zur Lepra in Mesopotamien s. generell M. Stol, Leprosy: New Light from Greek and Babylonian Sources, JEOL 30 (1987-88) 22-31.

41

Daniel Schwemer (3) Flachssamen,

kanaktu-Baum-Samen, Sagapenum, ›Töpferkot‹, ›Ofenscherben‹ 83), Alaun, Röstkornmehl, sˇimtu-Farbe des Salzes, Erde vom Ameisenhaufen, (5) die von sieben Orten stammt, Erde von tuhallu-Körben, kukuru-Samen, Wacholdersamen, (6) me¯su-Baum-Samen, murra¯nu-Pflanze,˘ Schafseuter, ›Taubenkot‹, Rinderfett und Bierwürze. (7) [Die]s (alles) zu[sammen] zerkleinerst du in hamru-Wein; du verbindest ˘ ihn wiederholt (damit), dann wird er genesen. (8) [We]nn [ein Mann] hohes Fieber bekommt, gräbst du (im) Boden (eine Grube) entsprechend der Größe des Mannes, (9) du breitest darin …-Pflanze, ›Königskraut‹ (und) bu¯sˇa¯nu-Pflanze aus und läßt den Mann darin (10) liegen und deckst ihn zu. Wenn du (ihn) wiederum daraus aufstehen läßt, (11) setzt du ihn in eine Badewanne. Er badet sieben Tage lang wiederholt in Wasser, (das) mit Weinrebenwurzel, Apfelbaumwurzel, Aprikosenbaumwurzel, (12) Pflaumenbaumwurzel, sˇasˇsˇu¯gu-Baum-Wurzel, Keuschbaumwurzel, (13) Brombeerwurzel, tublu-Wurzel, s ˇurhu-Wurzel, 84) Süßholzwurzel, (14) kalba¯nu-Strauch, ˘ (15) ata ¯ 3isˇu-Pflanze, bu¯sˇa¯nu-Pflanze (und) sı¯hu-Baum, arga¯nu-Baum, markussu-Baum, ˘ ˙ ˙ barı¯ra¯tu-Pflanze (versetzt ist). (16) Wenn (das Fieber) wiederkehrt, badet er sieben Tage lang wiederholt in Dünnbier, (das) mit den (genannten) Dufthölzern (versetzt ist), dann wird er genesen. (17) kukuruPflanze (und) Wacholder verquirlst du in Bier, er trinkt es und erbricht. Bis er genesen ist, trinkt er es regelmäßig. (18) kukuru-Pflanze erhitzt du in Öl und salbst ihn damit wiederholt, dann wird er genesen. (19) Du zerreibst has ˇû-Pflanze, nı¯nû-Pflanze (und) sahlû-Pflanze. Er trinkt es wiederholt ˘ sich; er wird genesen. ˘ in Bier und erbricht (20) Du beräucherst ihn mit kukuru-Pflanze, Wacholder (und) as ˇû-Pflanze mittels Holz85) 86) kohle , bis er genesen ist; mit Lehm … ihn . (21) Rotes Kupfer, Eisen, Lapislazuli, hula ¯ lu-Achat, musˇsˇaru-Stein, Alabaster, sˇubû-Stein, ˘ (22) ˇ ˇ männlicher sû-Stein, weiblicher sû-Stein, ru3tı¯tu-Mineral, nirpappardilû-Stein, hasˇtu(23) Diese Steine bindest du an seine Hände (und) seine Füße.˘ Und Stein, zala¯qu-Stein: die Beschwörung »Kattarı¯tu (24) kattarı¯tu« und die Beschwörung des ›Feuers‹ 87) rezitierst du 88), dann wird er genesen. (25) »Kattarı¯tu, kattarı¯tu des unterirdischen Ozeans, kattarı¯tu, Speise des unterirdischen Ozeans, kattarı¯tu, (26) Staub des unterirdischen Ozeans, kattarı¯tu, kattarı¯tu, [kattarı¯t]u.« Beschwörung. (27) »An dem Tag, da im Himmel … [ … ] 89) erschaffen wurde, st[ieg … ] vo[m Himmel herab]. (28) Es fraß den weit sich erstreckenden Wald, es fraß den … Röhrricht. Es suchte sich einen Ochsen unter den Rindern aus, (29) es suchte sich ein Schaf in der Hürde aus, es suchte sich einen Jungen unter seinen Brüdern aus, (4) s ˇimtu-Farbe,

83. 84. 85. 86. 87. 88. 89.

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Text bar imsˇu.rin, wohl ein Fehler für zu erwartendes hasab(la) tinu¯ri. ˘ ˙ tublu und ˇsurhu sind sonst unbekannte Pflanzennamen. ˘ vgl. Anm. 81. Akkad. ina ne, Lies bad-sˇu? »Feuer« bezeichnet hier das Fieber; der Wortlaut der Beschwörung findet sich in Vs. 27-35. sum.sum-ma; nada¯nu (sum) »geben« wird sonst nicht in diesem Sinne verwendet – liegt etwa eine Verwechslung mit nadû (sˇub) »werfen« vor, das oft in Verbindung mit der Rezitation von Beschwörungen begegnet? Man erwartet in der Lücke »Feuer« oder »Fieber«; die vor der Abbruchkante kopierten Spuren lassen sich damit jedoch nicht leicht vereinbaren.

Texte aus Mesopotamien

es suchte sich ein Mädchen (30) von ihrer 90) Brust weg aus. Du 91) hast ihn gebunden, ihn wieder gebunden, packst seine Arme. Du hast sein Fleisch gefressen, (31) seine Knochen abgenagt! Warum packst du seine Arme, warum hast du sein Fleisch gefressen, (32) warum hast du seine Knochen abgenagt? Steig hinab in den Röhrricht und friß Linse(n) (33) und Kümmel, steig hinauf ins Gebirge, friß Mandel(n) und Pistazie(n), (34) friß eine Euphrat-Pappel samt ihren Zweigen. Das ›Feuer‹ soll sich wie Wasser in einer Regenrinne nicht zurückwenden, (35) das ›Feuer‹ soll wie eine Schwalbe 92) nicht zu seinem Nest zurückkehren!« (36) (Markierung, die das Ende eines größeren Textabschnittes bezeichnet). (37) »Wohin hat es sich entfernt? In die Erde ist es geflohen. Wohin ist es gestellt? Vor mich ist es nicht gestellt. (38) Sieben(mal) ›Himmel‹, sieben(mal) ›Erde‹, sieben(mal) ›barta igi‹. (39) Der böse udug-Dämon, der böse ala-Dämon, der böse Totengeist, der böse galla-Dämon, der böse Gott, der böse masˇkim-Dämon, die böse Zunge (40) mögen abseits stehen. Beim Himmel sei es beschworen, bei der Erde sei es beschworen!« 93) (41-42) Bevor du dich (einem mit) Aussatz (Befallenen) näherst, rezitierst du die Beschwörung »Wohin hat es sich entfernt?« dreimal über ihm. (43) Wenn ein Mann von Aussatz befallen ist, nimmst du Gerstenmehl geringer Qualität, kochst (es) mit einer Plazenta wie für (44) einen Absud, verbindest (ihn damit) und löst (den Verband), nachdem er erkaltet ist. Die erkrankte Hautpartie [ … du] mit Staub. (45) Du salbst die Oberfläche der erkrankten Hautpartie mit Sirup (und) Öl, dann (wird er genesen). (46) Wenn es duglu-Aussatz ist, Mandragora-Wurzel, die beim Ausgraben das Sonnenlicht nicht erblickt hat, (47) zerstößt du, mischst es zusammen hin …i, verbindest ihn wiederholt in kurzen Abständen (damit). Du kochst eine Plazenta, (48) legst tubru-Frucht hinein, wäschst die erkrankte Hautpartie; nachdem die erkrankte Hautpartie (49) getrocknet ist, reibst du (ihn damit) ein. (Rs. 50) Wenn ein Mann (an) Aussatz (leidet), zerstößt du Kümmel (und) imhur-as ˇnan˘ Pflanze 94), mischst es zusammen und (51) streust (es) auf die erkrankte Hautpartie. Ein Leinentuch legst du darauf, machst einen Verband mit diesen Drogen. (52) Am Morgen streust du Mandragora-Wurzel und Mandragora-Blätter, machst einen Verband (damit); er wird sich (von der Krankheit) erholen. (53) Wenn ein Mann (an) Aussatz (leidet und) auf seinem Körper weiße (Hautpartien) vorhanden sind, trocknest (und) zerkleinerst du asˇa¯gu-Dorn, Salz, Gerstenmehl, (54) männliche und weibliche Königskerze, du salbst (ihn damit), dann wird er genesen. (55) Dito 95) (und) auf seinem Körper grün-gelbe (Hautpartien) vorhanden sind, salbst du (ihn) sieben Tage lang mit Fett von Wildtieren. 90. 91. 92. 93.

94. 95.

Der Mutterbrust. Das Fieber. Text korrupt: »wie das Nest einer Schwalbe«. Zu dieser sumerischen Beschwörung, die auf der Emar-Tafel in teilweise korrupter Form erscheint und hier nach den jüngeren Paralleltexten übersetzt wird, s. Finkel, NABU 1999/30 sowie B. Böck, Das Handbuch Musˇsˇu 3u »Einreibung«. Eine Serie sumerischer und akkadischer Beschwörungen aus dem 1. Jt. vor Chr., Madrid 2007, 64 f. mit weiterer Lit. imhur-asˇnan ist eine Variantenform des Pflanzennamens imhur-esˇra¯ (›Sie-trat-20-ent˘ ˘ gegen‹-Pflanze), die typischerweise in mittelassyrischen Texten begegnet. = Wenn ein Mann (an) Aussatz (leidet).

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Daniel Schwemer (56) Dito (und) auf seinem Körper rote (und) schwarze (Hautpartien) vorhanden sind: Schlangenfett 96), Fischöl, ›Schurke‹ 97) (57) von einem Grab, Geckofett (und) h…i einer Schlange 98) legst du sieben Tage lang als Verband an. (58) Dito (und) auf seinem Körper rote (und) weiße (Hautpartien) vorhanden sind, kochst du asˇa¯gu-Dorn, Salz, Gerstenmehl, (59) männliche und weibliche Königskerze, salbst ihn (damit), dann wird er genesen. (60) Dito (und) der Aussatz grün-gelb (und) rot ist: Hand des Sîn. Um es zu beseitigen: Du salbst ihn sieben Tage lang mit dem Sperma eines Mannes. (61) Dito (und) der Aussatz rot, weiß (und) schwarz ist: Hand des persönlichen Gottes. Um es zu beseitigen: Mit Löwenfett (und) (62) Fett des ›Steppendrachens‹ 99) salbst du ihn, dann wird er genesen. (63) Dito (und) er ganz mit Aussatz bedeckt 100) ist, zerstößt du Granatapfelschale, mischt (es) in Butterschmalz; es steht für dich (64) bereit. Den Mann, der voll von epqe¯nu-Aussatz ist, läßt du auf der Schwelle des Außentores stehen; (65) dann bestreichst du ihn, um die erkrankten Hautpartien herum, mit der Granatapfelschale; (66) und mit Staub von der Schwelle in Speichel reibst du ihn sieben- und siebenmal ab. Noch am selben Tag (67) wird der [ep]qe¯nu-Aussatz abklingen; er wird genesen. Wenn er ihr Jammern 101) bekommt, machst du Öl über Feuer heiß, (68) verbrennst (ihn damit). Du kehrst regelmäßig zu ihm zurück, aber fügst nichts weiter hinzu; (69) dieser Mann wird genesen. (70) Dito (und) der Aussatz rot, weiß (und) schwarz ist: Hand des persönlichen Gottes. Um es zu beseitigen: Mit Schlangenfett, … asˇa¯gu-Dorn, (71) Löwenfett (und) Fett des ›Steppendrachens‹ salbst du ihn regelmäßig sieben Tage lang, dann wird er genesen. (72) Die Drogen des epqannu-Aussatzes verrührt er in einem Feigenblatt, zerkleinert dann Feigen (73) und Rosinen und legt sie als Verband an; am zweiten Tag, nachts, löst er sie ab. (74) Wenn sie weiß sind, legt er sie noch einmal als Verband an; am dritten Tag löst er sie ab. (75) Wenn sie weiß sind, legt er sie noch einmal als Verband an. Wenn sie weiß sind (und) verschwinden (76) oder wenn ihr Weißes (noch) nicht ganz beseitigt ist, schabt er sie mit einer Obsidianklinge ab. (77) Dann zerstößt du Alaun, kalakuttuLehm 102), lurpânu-Mineral (und) Alkali zusammen (78) in Essig; du verbindest (ihn damit) regelmäßig für sieben Tage. Zwei Tage lockert er (es) nachts, (79) bindet (es) am zweiten Tag; zwei Tage lockert er (es), am zweiten Tag bindet er (es) 103). Wenn die Oberflächen (80) seiner erkrankten Hautpartien einander gleich (und) rot sind, zerkleinert er … s ˇigusˇu-Getreide (und) sˇarmidu-Pflanze (81) miteinander und streut (es darauf), dann wird er

96. ›Schlangenfett‹ wird in Uruanna III als sikillu-Pflanze erklärt (KADP 22 Rs. III 23’). 97. Akkad. lúha-ah-ha-rù, hier versuchsweise zu harharu »Schurke« gestellt; es liegt wohl ein ˘ belegter) ˘ ˘ ˘ ˘ (sonst nicht ›Deckname‹ für eine Heilpflanze vor. 98. Akkad. ì musˇ.dím.gal sˇa musˇ; der obige Übersetzungsversuch geht davon aus, daß es sich bei musˇ.dím.gal um eine (sonst nicht belegte) Variante für musˇ.dím.gurun.na, musˇ.dím.kur.ra = pizalluru »Gecko« handelt. 99. musˇ.gal.edin.na »große Schlange des unbebauten Landes«; genaue zoologische Identifikation unklar. 100. Wörtlich: gefüllt. 101. Akkad. rigimsˇa. Es ist nicht ganz klar, worauf sich fem. -sˇa bezieht, wahrscheinlich jedoch auf die Erkrankung. 102. Beachte die sonst nicht bezeugte logographische Schreibung imkal.kud. 103. Das genaue Regime der Verbandswechsel wird aus dem schwer verständlichen Wortlaut des Textes nicht recht deutlich.

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Texte aus Mesopotamien

genesen. Wenn er nicht genest, (82) mischst du Blut einer pahha¯nu-Eidechse, Blut eines ˘˘ ›Höhlen-Vogels‹ (und) Blut eines Frosches (83) mit Alaun, kalakuttu-Lehm, lurpânu-Mineral und mit Alkali, (84) verbindest ihn (damit) wiederholt; er wird genesen. (85) Wenn er genesen ist, verbrennt er alle Binden, mit denen er Verbände gemacht hat, ˇ amasˇ her. (87) Ein Räuchergefäß mit Wa(86) im Feuer. Er richtet einen Opfertisch vor S cholder stellt er auf. mirsu-Getreidebrei mit Sirup (und) Butterschmalz legst du hin. Der betreffende Patient (88) stellt sich vor Sˇamasˇ hin. Du verbrennst einen ›Höhlen-Vogel‹ und einen Krebs vor Sˇamasˇ. (89) Mit einem (anderen) ›Höhlen-Vogel‹ wischt er 104) sich selbst ab und läßt (ihn) frei. Und wenn du den Patienten (90) vor Sˇamasˇ stehen läßt, umbindest du seinen Kopf und seine Hüften mit blauer Wolle des Gartens 105). (91) Sobald er von (dem Ritualarrangement) vor Sˇamasˇ weggetreten ist, wirfst du die blaue Wolle seines Kopfes und seiner Hüften (92) [sowie] die ganzen Ritualmaterialien, die vor Sˇamasˇ liegen, in den Fluß. Der Fluß wird sein Übel davontragen. (93) Und der Patient soll vor Sˇamasˇ seinen Kummer vortragen. (94) Wenn ein Mann nicht urinieren kann, zerstößt du Sirup, Feigen, Rosinen, (95) Datteln, Straußenei, elkulla-Pflanze, sˇuliliannu-Pflanze, Silberblume (und) (96) Goldblume miteinander. Er trinkt es in Wein, dann wird er genesen. (97) Die Beschwörung, die alle Krankheiten vertreibt, rezitierst du dreimal über dem Patienten. Kolophon: (98) Geschrieben von Madi-Dagan, dem Sohn des Abı¯-ka¯pı¯, dem Schreiber, dem Nachkommen eines Weisen 106).

2.3 Erkrankungen des Kopfes

Nils P. Heeßel Für die altorientalischen Heiler spielte der Kopf nicht nur als Sitz der Sinnesorgane eine bedeutende Rolle. Denn während in der Altorientalistik lange Zeit betont wurde, daß das Herz und nicht der Kopf der Ort des Willens, des Denkens und der Gefühle war, zeigen neuere Forschungen 107), daß in der altorientalischen Welt der Kopf durchaus als Sitz der Erkenntnis wahrgenommen wurde 108). Speziell den Erkrankungen des Kopfes gewidmete Texte finden sich bereits in der mittelbabylonischen Zeit 104. Text korrupt: du. 105. »des Gartens« bezieht sich wohl auf die Herkunft der Pflanzen, die zum Färben der Wolle verwendet wurden. 106. Der Text bietet a(.)abgal, was Tsukimoto als eine – sonst unbelegte – Variante für einfaches abgal = apkallu »Weiser« deutet. Da apkallu als Schreibertitel ungewöhnlich ist – der Titel bezieht sich in der Regel auf mehr oder minder sagenhafte Weise der Vergangenheit –, liegt wohl eher eine Filiation vor: ma¯r(a) apkalli(abgal) »Nachkomme eines Weisen«. 107. M. Worthington, A discussion of aspects of the UGU series, JMC 2 (2003) 2-13 und zuletzt J. G. Westenholz / M. Sigrist, The Brain, the Marrow and the Seat of Cognition in Mesopotamian Tradition, JMC 7 (2006) 1-17. 108. Damit spiegelt die in mesopotamischen medizinischen und anatomischen Werken grundsätzlich befolgte Anordnung ›vom Kopf zu den Füßen‹ nicht nur eine praktische Auflistung wider, sondern zeugt auch von der Bedeutung des Kopfes in der Medizin. Für die Bedeutung des Kopfes in der medizinischen Diagnostik, s. N. P. Heeßel, Babylonisch-assyrische Diagnostik, AOAT 43, Münster 2000, 24.

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Nils P. Heeßel

(hier Nr. 1). In der aus mindestens fünf Tafeln bestehenden therapeutischen Serie sˇumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l »Wenn der Schädel eines Mannes 109) fiebrig ist« ˘˘ werden in der ersten Tafel (hier Nr. 2) insbesondere der Schädel und allgemeine Symptome am ganzen Kopf wie Fieber oder Sonnenstich behandelt 110). Die zweite Tafel (hier Nr. 3) ist den Schläfen gewidmet, die auch als Sitz der Kopfschmerzen (sag.ki.dab.ba »Schläfenpacken«) galten (s. bes. Nr. 1). In der dritten Tafel werden zahlreiche Beschwörungen zur Linderung von Kopfschmerzen aufgelistet, bevor auf Ohrenschmerzen eingegangen wird, und die nur sehr fragmentarisch erhaltene vierte Tafel verzeichnet Hauterkrankungen am Kopf. Besonders bemerkenswert ist die Beschreibung einer Trepanation in der ersten Tafel, die dazu diente, Flüssigkeiten unter der Hirnschale herauszuziehen (hier Nr. 2 Rs. III 57-64). Auffallend ist auch die Beachtung, die dem Haar in diesen Texten geschenkt wurde. Neben Läusebefall gilt dies besonders für den Haarausfall, der nicht nur als medizinisches, sondern auch als ästhetisches Problem wahrgenommen wurde.

2.3.1 Ein mittelbabylonischer Text zu Kopfschmerzen Die Tafel VAT 10267, die im Vorderasiatischen Museum, Berlin aufbewahrt wird, ist ein repräsentatives Beispiel für die wenigen erhaltenen medizinischen Texte aus der mittelbabylonischen Zeit. Die Tafel, deren rechte untere Ecke heute weggebrochen ist, wurde wohl in Babylon von einem auch aus anderen Quellen bekannten Arzt namens Rabâ-sˇa-Marduk um das Jahr 1300 v. Chr. geschrieben. Später, wahrscheinlich zu Zeiten der Eroberung Nordbabyloniens durch den assyrischen Herrscher Tukultı¯-Ninurta I. (1233-1197 v. Chr.) gelangte die Tafel nach Assur, wo sie in der Bibliothek im Asˇsˇur-Tempel aufbewahrt wurde. Im Kolophon (Rs. 36-38) wird der Text als erste Tafel einer Serie bezeichnet. Zahlreiche Rezepte der Tafel erscheinen in veränderter Anordnung auch in der zweiten Tafel der Serie sˇumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l. ˘˘ Keilschriftkopie: KAR 188, BAM I 11; – Bearbeitung: N. P. Heeßel, The Babylonian Physician Rabâ-sˇa-Marduk. Another look at Physicians and Exorcists in the Ancient Near East, in: A. Attia / G. Buisson, Advances in Mesopotamian Medicine from Hammurabi to Hippocrates, Cuneiform Monographs 37, Leiden 2009. (Vs. 1-3) Wenn

ein Mann beständig Kopfschmerzen 111) bekommt, dann zerstößt du zusammen errû-Samen, tigilû-Samen, ›Hundezunge‹-Samen, Samen der e¯du-Pflanze, Gartensamen (und) Samen von kisˇsˇa¯nu-Erbsen, du siebst es, zu gleichen Teilen vermischst du, mit Essig verrührst du es zu einer Paste 112), Röstkornmehl (und) Emmermehl streust 109. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. 110. Zum Aufbau dieses Kapitels der therapeutischen Serie s. auch M. Worthington, JMC 2 (2003) 2 f. 111. Wörtlich: Schläfenpacken. 112. Das Verb raba¯ku wird nach einem Vorschlag B. Landsbergers allgemein als »einen Absud (med.: Dekokt) herstellen« übersetzt (so auch jüngst CAD R 8a). Gegen diese Deutung hat sich überzeugend D. Goltz, Studien zu altorientalischen und griechischen Heilkunde. Therapie – Arzneibereitung – Rezeptstruktur, Sudhoffs Archiv. Beihefte 16, Wiesbaden 1974, 47 f. ausgesprochen. Goltz weist nach, daß »einen Absud herstellen« an vielen, so auch an der hier vorliegenden Stelle unsinnig ist.

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Texte aus Mesopotamien

du darauf, auf ein Leder streichst du es, seinen Kopf rasierst du, bindest es darauf und er wird genesen. (4-6) Wenn dito, dann zerstößt du zusammen Zedernholz, Zypressenholz, Myrte, Süßrohr, Wacholder, kukru-Pflanze, Zedernharz, ballukku-Pflanze, sˇimsˇalû-Pflanze, sua¯duPflanze, Opopanax (und) Harz der baluhhu-Pflanze, [du siebst es], mit Most verrührst du es zu einer Paste, Röstkornmehl (und)˘ ˘Emmermehl streust du darauf, … [ … ]. (7-8) Wenn dito, [dann zerstößt du zusammen] Samen von ildakku-Holz, aktam-Pflanze, kammantu-Samen, amharu-Pflanze, kasû-Kraut, Samen von Gerb[er-Sumach … … ], mit Most verrührst du ˘es zu einer Paste, [bindest es darauf und er wird genesen]. (9) Wenn dito, dann [ … ], hasˇû-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze, aktam-Pflanze, kammantuSamen, Weizenmehl, billatu-Bier˘ von guter Qualität, [ … mit Bier verrührst du es zu einer Paste, bindest es darauf und er wird genesen]. (10-11) Wenn dito, dann [ … ] kukru-Pflanze, Wacholder, Ninurta-Pflanze, Weizenmehl, in Bier verknetest du es zu einem Teig, du erhitzt es, [seinen] Kopf [rasierst du, bindest es darauf und er wird genesen]. (12-13) Wenn dito, dann zerstößt du zusammen kukru-Pflanze, Wacholder, Ninurta-Pflanze, kammantu-Samen, imbu¯ tâmtim-Mineral, ballukku-Pflanze, du siebst es, mit Bier [verrührst du es zu einer Paste, seinen Kopf rasierst du, bindest es darauf und er wird genesen]. (14-15) Wenn dito, dann nimmst du den Zweig einer Dattelpalme, die rauscht, du [ … ], mit dem Extrakt von kasû-Kraut 113) verknetest du es zu einem Teig, binde[st es darauf und er wird genesen]. (16-17) Wenn ein Mann Kopfschmerzen bekommt, dann [ … ] den Zweig einer Dattel[palme … ], du bindest es mit roter Wolle [ … ]. (18) Wenn dito, dann [ … ] Sehne einer Gazelle, rote Wolle, … [ … ]. (Rs. 19-20) Um das starke Pulsieren der Schläfenader zu beruhigen, [zerstößt du] Sesam[trester, … ] mit isqu¯qu-Mehl, billatu-Bier und [gekochtem] Bier [verrührst du es zu einer Paste, bindest es darauf und er wird genesen]. (21-22) Wenn einem Mann ein Totengeist so zusetzt, daß er beständig Kopfschmerzen bekommt, dann erhitzt du [ … ], noch warm [ … ]. (23-24) Wenn einem Mann ein Totengeist so zusetzt, daß er beständig Kopfschmerzen bekommt, dann verknetest du ›[Fuchs]wein‹-Pflanze mit Extrakt von kasû-Kraut zu einem Teig, [bindest es darauf und er wird genesen]. (25-26) Wenn dito, dann [nimmst du] altes Fett vom Torflügel des Stadttores, der, wenn du herausgehst, auf deiner rechten Seite [steht], (diese) Nacht (und) diesen Tag zwirnst du ein Band, du wickelst (das Fett) in ein Vlies un[d bindest es auf seine Schläfe]. (27) Wenn dito, dann bedeckst 114) du eine Kameldornwurzel, reißt sie aus, du zwirnst sie zusammen mit roter Wolle [ … ]. (28-29) Wenn dito, dann zerstößt du zusammen ›Feldklumpen‹-Pflanze, supa ¯ lu-Holz, Röstkornmehl, Sesamtrester, [ … ] (und) Wacholder, du siebst es, je ein drittel Liter in Bier … [ … ]. 113. Wörtlich: »Wasser des kasû-Krautes«. 114. Zur Bedeckung von Pflanzen(teilen) vor ihrem Ausreißen, so daß die Pflanze nicht weiß, wer sie herausgerissen hat und die Wurzel nicht dem Sonnen- oder Mondlicht ausgesetzt wird, s. E. Reiner, Astral Magic in Babylonia, Philadelphia 1995, 36-38.

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Nils P. Heeßel (30-31) Wenn

ein Mann Schläfenpochen bekommt und sein Körper ihn schmerzt, dann zer[stößt du] getrocknete Blätter vom musukannu-Baum, [hallu¯ru-Erbsenmehl], kakkû˘ Erbsenmehl (und) inninu-Mehl in Bierbodensatz, du verbindest ihn wiederholt damit und er wird gen[esen]. (32-33) Wenn ein Mann Schläfenpochen bekommt und (außerdem) die rimûtu-Krankheit bekommt, dann zerstößt du getrocknete Blätter vom supa¯lu-Baum, du siebst (sie), du vermischst es zusammen mit [sˇigu¯sˇu-Me]hl, gemahlener sahlû-Pflanze (und) Röstkornmehl, mit dem Extrakt von kasû-Kraut verrührst du es zu˘ einer Paste, du verbindest (ihn) wiederh[olt damit und er wird genesen]. (34-35) Wenn ein Mann Schläfenpochen bekommt und (außerdem) die s ˇimmatu-Krankheit bekommt, dann zerstößt du getrocknete Blätter vom e3ru-Baum, mit Weizenmehl, sahlû-Pflanze, hasˇû-Pflanze (und) mit Bier eines Schankwirts verrührst du es zu einer ˘ du verbindest ˘ Paste, ihn wiederholt damit und er wird genesen. (36-38) 18 Rezepte für Kopfschmerzen. Erste Tafel. Von der Hand des Kolophon: Rabâ-sˇa-Marduk.

2.3.2 Aus der ersten Tafel der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« Die erste Tafel der therapeutischen Serie ist in zwei Abschriften erhalten. Eine aus zahlreichen Bruchstücken rekonstruierte, vier Kolumnen umfassende Tafel (K 2354+) wurde in Ninive gefunden und befindet sich heute im British Museum, London (Keilschriftkopie: BAM V 480; zuvor CT 23, 23-38, diverse Nummern in AMT). Ein Fragment ungeklärter Herkunft, das wohl ebenfalls zu einer mehrere Kolumnen aufweisenden Tafel gehört, befindet sich in den Istanbul Arkeoloji Müzeleri (Div 158); es kann vermutet werden, das dieses Fragment auch aus der ›Bibliothek Assurbanipals‹ in Ninive stammt (Keilschriftkopie: BAM I 4). Die Tafel wurde zuerst von R. Campbell Thompson, Assyrian Prescriptions for Diseases of the Head, AJSL 24 (1907-8) 16, 323-27, 337-45 sowie nochmals in Assyrian Prescriptions for the Head, AJSL 53 (1937) 218-38 bearbeitet und übersetzt. Eine neue, ausführliche Edition unter Berücksichtigung der Parallelstellen hat M. Worthington, Edition of UGU 1 (= BAM 480 etc.), JMC 5 (2005) 6-43 vorgelegt (s. auch ders., Addenda and Corrigenda to »Edition of UGU 1 (= BAM 480 etc.)« and »Edition of BAM 3«, JMC 9 [2007] 43-46). Hier werden zwei Abschnitte aus der Mitte der Tafel übersetzt; zum einen ein Abschnitt über Fiebererkrankungen am Kopf und Haarausfall und zum anderen eine längere Anweisung zur Entfernung von Wasser im Schädel vermittels Trepanation samt Beschwörung und Ritual. Die Zeilenzählung richtet sich nach dem vollständigsten Textvertreter BAM V 480. (Rs. III 8-9) Wenn

ein Mann durch Sonnenglut überhitzt ist und sein Kopfhaar ausfällt, er beständig Schläfenpochen bekommt, dann rasierst du seinen Kopf, einen Sekel ›Fledermausdreck‹ zerstößt du in Öl, seinen Kopf kühlst du (und) du verbindest, drei Tage löst du es nicht. (10-13) Wenn dito 115), dann vermischst du zusammen [ … , zehn Sekel] Zypressenholz115. = ein Mann durch Sonnenglut überhitzt ist und sein Kopfhaar ausfällt, er beständig Schläfenpochen bekommt.

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Texte aus Mesopotamien

pulver, zehn Sekel sua¯du-Pulver, zehn Sekel Wacholderpulver, zehn Sekel kukru-Pulver, zehn Sekel kasû-Pulver, zehn Sekel hallu¯ru-Erbsenmehl, zehn Sekel kakkû-Erbsenmehl, ˘ lû-Pflanze, zehn Sekel gutes billatu-Bier, zehn Sekel zehn Sekel Dattelhaut, zehn Sekel sah Malzrückstand, in Bier verknetest du˘es zu einem Teig, du trocknest es wieder, zerstößt und siebst es, du hältst (das Medikament) bereit, ein drittel Liter nimmst du davon, in Extrakt von kasû-Kraut verknetest du es zu einem Teig, du rasierst, verbindest und dito (drei Tage löst du es nicht). (14) [Wenn d]ito, dann zerstößt du zusammen zermahlene sahlû-Pflanze, kukru-Pflanze ˘ (und) Salicornia, in Bier verknetest du es zu einem Teig, du rasierst (ihn), dito 116). (15) [Wenn d]ito, dann zerstößt du zusammen kukru-Pflanze, Wacholder, Ninurta-Pflanze, kamantu-Samen, Algen (und) murru-Pflanze, in Bier verknetest du es zu einem Teig, du rasierst, dito. (16) [Wenn dito], dann zerstößt du zusammen kukru-Pflanze, Wacholder, baluhhu-Harz, Dattel(n und) Schafsnieren-Talg, auf ein Leder streichst du es, du rasierst, dito. ˘ ˘ (17-18) Wenn der Kopf eines Mannes durch Sonnenglut überhitzt ist und sein Körper ihn schmerzt, sein Kopf geschwollen ist, dann zerstößt und siebst du getrocknete Blätter vom musukannu-Baum, zusammen mit hallu¯ru-Erbsenmehl, kakkû-Erbsenmehl (und) in˘ ninu-Mehl verknetest du es in Bierbodensatz zu einem Teig, du rasierst, dito. (19) Wenn dito 117), dann verknetest du getrockneten Sesamtrester, kukru-Pflanze, Wacholder, isqu¯qu-Mehl, in Bierbodensatz zu einem Teig, du rasierst, dito. (20) Wenn dito, dann verknetest du has ˇû-Pflanze, kukru-Pflanze, Wacholder, isqu¯qu-Mehl, in Bierbodensatz zu einem Teig, du ˘rasier[st, dito]. (21) Wenn dito, dann verknetest du getrocknete as ˇqula¯lu-Pflanze in kaltem Wasser zu einem Teig, du rasier[st, dito]. (22-25) Wenn der Kopf eines Mannes heiß ist, sein Haupthaar ausfällt, dann – um das Fieber [seines] Kopfes [herauszuziehen] und das ausgehende Haar fest zu halten – zerstößt du zusammen aktam-Pflanze, sˇimahu-Pflanze (und) ›Weiße Pflanze‹, mit (war˘ mem) Wasser vermischst du es, seinen Kopf schmierst du damit ein, am zweiten Tag … seinen Kopf, du wäschst seinen Kopf, Tamariskensamen, kamkadu-(Samen), egemgiru-(Samen), ›(Hirten)stab‹-Pflanze (und) Schale eines Straußeneis zerstößt du zusammen, in Öl vermischst du es, du salbst seinen Kopf damit (und das Haar wird erhalten bleiben). (57-64) Wenn die Schädeldecke eines Mannes voll Wasser ist, dann palpierst du mit deinem großen Finger die Stelle, die voll Wasser ist, (und) wenn sein Ohr (daraufhin) schlecht riecht, dann ist [das Wasser] seines Schädels hinuntergestiegen; du öffnest (die Stelle), indem du seinen Schädel abschabst, das Wasser seines Schädels [läßt] d[u abfließen, ein dünnes Tuch] wäschst du [mit Wasser], Öl sprenkelst du darauf, auf die Wunde legst du es, dann zerstößt du kisˇkanû-Pulver (und) ›Töpferkot‹, auf die Wunde [legst du es, verbinde es für … Tage, löse es u]nd dann wäschst du (wiederum) ein dünnes Tuch mit Wasser, sprenkelst Öl darauf, auf die Wunde legst du es, mit einer Binde verbinde [ … für] 2+[x] Tage, löse es und dann wäschst du (wiederum) ein dünnes Tuch mit 116. = du verbindest ihn damit und drei Tage löst du es nicht. 117. = der Kopf eines Mannes durch Sonnenglut überhitzt ist und sein Körper ihn schmerzt, sein Kopf geschwollen ist.

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Wasser, sprenkelst Öl darauf, auf die Wunde legst du es. [ … ] und frisches kasû-Kraut vermischst du mit Röstkornmehl, auf die betroffene Stelle streichst du es, einen Tag lang verbindest du es, löst es und dann [ … ], Wacholder zerstößt und siebst du, mit isqu¯quMehl vermischst du es, in Extrakt von kasû-Kraut knetest du es zu einem Teig, du verbindest (ihn damit), du rasierst den Bereich der betroffenen Stelle, bis er genesen ist, bandagierst du (so). Du palpierst und stellst, wenn sein Ohr (daraufhin) nicht schlecht riecht, in der Umgebung seines Kopfes heiße Steine hin 118). (65-68) Beschwörung: »Wurm, Wurm, ein roter Wurm hat sich erhoben und eine rote Wolke bedeckt. Roter Regen hat sich erhoben und die rote Erde befruchtet. Eine rote Flut hat sich erhoben und den roten Fluß gefüllt. Möge der rote Bauer den roten Spaten, den roten Tragkorb aufnehmen und das rote Wasser absperren! Die rote Tür, der rote Riegel, sagen sie, sind ihr Tor. Wer ist der Saattrichter, der euch öffnen will? Er verlangt nach einem Spaten, er verlangt nach einem Spaten.« Beschwörungsformel 119). (Rs. IV 1) Beschw[örung (damit) das Wasser des Schädels eines Mannes] nicht zurückgehalten wird. (2-4) Das zugehörige Ritual: Ein schwarzes Haarbüschel vom Bein einer Eselin wickelst du ein, auf die Bruchstelle legst du es. Die Beschwörung rezitierst du siebenmal darüber, mit einem Tuch preßt du es auf, [ … ], sieben Ritualarrangements stellst du auf, jedesmal, wenn du eines aufstellst, rezitierst du die Beschwörung darüber, auf seine Schläfe … [ … ] er wird sich erholen.

2.3.3 Aus der zweiten Tafel der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« Drei Manuskripte zur zweiten Tafel des Kapitels sˇumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l ˘˘ der therapeutischen Serie sind bekannt. Alle drei stammen aus der ›Bibliothek Assurbanipals‹ in Ninive und erlauben die weitgehende Rekonstruktion des Textes, der jedoch noch zwei Lücken von zusammen ca. 35 Zeilen aufweist. Die umfangreicheren Manuskripte K 2574+ und K 6066+ hat Thompson in CT 23, 39-48 und AMT (15/2, 19/1, 20/1) in Keilschriftkopie vorgelegt und in AJSL 24 (1907/08) 327-35 und 345-53 sowie in AJSL 54 (1938) 12-26 bearbeitet und übersetzt. Eine Neukopie von K 2574+ unter Hinzufügung des Fragments K 11744 hat Köcher als BAM V 482 publiziert. Eine umfassende Edition der Tafel mit den Parallelstellen haben A. Attia / G. Buisson, Si le crâne d’un homme contient de la chaleur, deuxième tablette, JMC 1 (2003) 1-24 publiziert. Das kleine Fragment K 19766, das den Text der beiden Manuskripte K 2574+ und K 6066+ dupliziert, stellt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine dritte Abschrift dieser Tafel aus Ninive dar 120). 118. Diese Stelle ist von M. Stol, An Assyriologist reads Hippocrates, in: H. F. J. Horstmanshoff / M. Stol (Hg.), Magic and Rationality in Ancient Near Eastern and Graeco-Roman Medicine, Studies in Ancient Medicine 27, Leiden / Boston 2004, 75 f. erstmals als Beschreibung einer Trepanation gedeutet worden. S. zuletzt J. G. Westenholz / M. Sigrist, JMC 7 (2006) 4 f. mit älterer Literatur. 119. Zu dieser Beschwörung s. neben der Diskussion bei M. Worthington, JMC 5 (2005) 31 auch die Bearbeitungen von I. L. Finkel, A Study in Scarlet: Incantations against Samana, in: S. M. Maul (Hg.), Festschrift für Rykle Borger, CM 10, Groningen 1998, 71-106, bes. 81 Anm. 10, und von T. J. Collins, Natural Illness in Babylonian Medical Incantations, Ph. D. Diss., University of Chicago 1999, 104-6. 120. Publiziert von M. Worthington (Kopie) sowie A. Attia und G. Buisson (Umschrift) in JMC 2

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Hier werden zwei Abschnitte, die aus der Mitte und dem Ende der Tafel stammen, übersetzt. Sie behandeln Erkrankungen der Schläfe im Zusammenhang mit anderen Komplikationen und weisen teilweise Parallelen zum Diagnosehandbuch auf. Die Zeilenzählung richtet sich nach dem vollständigsten Textvertreter BAM V 482. (Vs. II 22-23) Wenn

einem Mann die linke Schläfe affiziert ist und sein linkes Auge tränt, dann zerstößt (und) siebst du sahlû-Pflanze (und) hasˇû-Pflanze, in gekochtem Bier verrührst du es zu einer Paste, seine˘Schläfe verbindest˘ du (damit) und dann wird er genesen. (24-25) Wenn einem Mann die Schläfen affiziert sind und seine Augen tränen, dann verrührst du zusammen sahlû-Pflanze, hasˇû-Pflanze, kasû-Kraut, Röstkornmehl (und) Ger˘ ˘ stenmalzbrei in einem Topf mit Extrakt von kasû-Kraut zu einer Paste, seine Schläfen bandagierst du (damit) und dann er wird genesen. (26-27) Wenn einem Mann die rechte Schläfe affiziert und sein rechtes Auge blutunterlaufen ist, dann zerstößt du zusammen sahlû-Pflanze, hasˇû-Pflanze, Gips, dâda¯nu-Aka˘ ˘ es, mit Essig verrührst du es zienholz, Röstkornmehl (und) Gerstenmalzbrei, du siebst zu einer Paste, dito 121). (28-29) Wenn einem Mann die linke Schläfe affiziert und sein linkes Auge blutunterlaufen ist, dann zerstößt du zusammen lardu-Pflanze, sˇumuttu-Pflanze (und) ballukku-Pflanze, du siebst es, mit Milch und Essig verrührst du es zu einer Paste, dito. (30-31) Wenn einem Mann die Schläfen affiziert und seine Augen blutunterlaufen sind, dann zerstößt du zusammen kukru-Pflanze, Wacholder, Röstkornmehl (und) getrockneten Sesamtrester, du siebst es, mit isqu¯qu-Mehl vermischst du es, mit Bier verknetest du es zu einem Teig, du verbindest [ihn (damit) und dann wird er genesen]. … (Rs. IV 40’-41’) Wenn einem Mann die Schläfe [zusetzt und] ihm schwindelt, er sich von seinem Bett erhebt und hinfällt, dann ist es die ›Hand des Totengeistes‹-Krankheit, du zerstößt [ … ], die ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, tarmusˇ-Pflanze, in gutem Bier trinkt er es und dann wird er genesen. (42’-43’) [ … ] ihn [ … ], ›Sperma der Menschheit‹ seine Schläfe andauernd berührt, dann zerstößt du zusammen mu¯su-Stein (und) nikiptu-Pflanze, in Zedernöl vermischst ˙ wird genesen]. du es, du salbst ihn (damit) un[d er (44’-45’) Wenn einem Mann die Schläfe zusetzt und seine Nackenmuskeln ihn schmerzen, dann ist es die ›Hand des Totengeistes‹-Krankheit, du zerstößt sı¯hu-Holz, argannu-Holz, ˘ barı¯ra¯tu-Pflanze (und) Süßrohr, du siebst es, mit Extrakt von kasû-Kraut verrührst du es zu einer Paste, du verbindest ihn (damit). (46’-49’) Wenn ein Mann Kopfschmerzen 122) hat und es ihn vom Sonnenuntergang bis zum Morgengrauen schmerzt und sich hinzieht, dann wird er sterben. Wenn ein Mann Kopfschmerzen hat und er immer wieder »mein Bauch, mein Bauch« ruft, dann ist es die ›Hand des Totengeistes‹-Krankheit 123), ein Stellvertreter der Isˇtar, er wird sterben. (2003) 18. Einen weiteren Textzusammenschluß zu K 2574+ (BAM V 482) haben R. Borger u. a., K 2393, un nouveau joint pour UGU 2, JMC 9 (2007) 47 publiziert. 121. = seine Schläfe bandagierst du damit und dann er wird genesen. 122. Wörtlich: Schläfenpacken. 123. Zur Krankheit ›Hand des Totengeistes‹ (sˇu.gidim.ma) im Gegensatz zur Identifizierung des Totengeistes als Krankheitsverursacher in der Wendung »Hand des Totengeistes« (sˇu gidim) s. N. P. Heeßel, Babylonisch-assyrische Diagnostik, AOAT 43, Münster 2000, 49-52 und

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Wenn ein Mann Kopfschmerzen hat und dito 124), er sich oft übergibt und sich von seinem Lager nicht erheben kann, dann wird er sterben. Wenn ein Mann Kopfschmerzen hat und er immer wieder schreit, seine Schläfenadern sehr schnell pulsieren [und der Oberteil seines Kopfes sehr schlaff ist], dann wird er sterben 125).

2.4 Erkrankungen der Ohren, der Nase und Atemwege, des Mundes, der Zunge und der Zähne

Nils P. Heeßel Die Erkrankungen der verschiedenen Sinnesorgane sind zumeist in eigenen Kapiteln innerhalb der therapeutischen Serie zusammengefaßt. Erkrankungen der Ohren (hier Nr. 1 und 2) wurden jedoch in das Kapitel »Wenn der Schädel eines Mannes 126) fiebrig ist« integriert, während in der nur sehr fragmentarisch erhaltenen Serie »Wenn ein Mann Zahnschmerzen hat« neben Zahnschmerzen und anderen Zahnproblemen (hier Nr. 4) auch bestimmte Erkrankungen des Mundes und der Nase abgehandelt wurden (s. Nr. 3). Die Serie »Wenn einem Mann das Atmen durch die Nase schwerfällt« ist dann Problemen der Atemwege und Lungenkrankheiten gewidmet (hier Nr. 6).

2.4.1 Aus einer Serientafel zu Erkrankungen der Ohren Die aus der ›Assurbanipal-Bibliothek‹ von Ninive stammende und heute im British Museum in London aufbewahrte Tafel K 3125+ bietet auf vier fragmentarisch erhaltenen Kolumnen Rezepte zur Heilung von Ohrenerkrankungen. Die Tafel ist in drei nicht aneinander anschließende Teile (K 3215+, K 2422+ und K 6662+) zerbrochen, doch ist ziemlich sicher, daß die Teile zur selben Tafel gehören. Da sowohl das Incipit als auch der Kolophon der Tafel verloren sind, bleibt unklar, ob die Tafel Teil des Kapitels sˇumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l der therapeutischen Serie war, oder ˘˘ einer anderen Serie zugehörte 127). Die Tafel wurde von R. Campbell Thompson, Assyrian Prescriptions for Diseases of the Ears, JRAS 1931, 1-19 nach seinen Kopien der einzelnen Fragmente in AMT

124. 125.

126. 127.

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ders., The Hand of the Gods: Disease Names, and Divine Anger, in: I. L. Finkel / M. J. Geller, Disease in Babylonia, CM 36, Leiden / Boston 2007, 120-30. = er immer wieder »mein Bauch, mein Bauch« ruft. Dieser letzte Abschnitt der zweiten Tafel von ˇsumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l bietet dia˘ ˘ wirkt damit, wie ein Zitat gnostische Beobachtungen ohne therapeutische Anweisungen und aus dem Diagnosehandbuch. Tatsächlich sind diese vier Einträge parallel zur vierten Tafel der Serie sakikkû, Z. 12, 10, 11 und 8. Vgl. oben zu 1.4.2. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. Bereits R. Labat, Remèdes assyriens contre les affections de l’oreille d’après un inédit du Louvre (AO. 6774), RSO 32 (1957) 109 f. hat bemerkt, daß die therapeutischen Texte zu Ohrenerkrankungen zum Kapitel sˇumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l zu stellen sind, und ihnen ˘˘ kein eigenes Kapitel innerhalb der therapeutischen Serie gewidmet ist; vgl. auch Köcher, BAM V, xxxiii.

Texte aus Mesopotamien

übersetzt. Eine Neukopie der mittlerweile aus mehr als 20 Fragmenten zusammengesetzten Tafel hat Köcher als BAM V 503 publiziert. Eine Bearbeitung und Übersetzung der einzelnen Rezepte findet sich verstreut in J.-A. Scurlock, Magico-Medical Means of Treating Ghost-induced Illnesses in Ancient Mesopotamia, AMD 3, Leiden / Boston 2006 (s. S. 724 f.). Hier werden zwei Abschnitte aus der ersten und zweiten Kolumne der Tafel übersetzt, in denen unter anderem die bei Ohrenerkrankungen häufig eingesetzte Therapie der Beräucherung (quta¯ru) verwendet wird. (Vs. I 28’-29’) Wenn einem Mann während des Leidens an der ›Hand eines Totengeistes‹-Krankheit die Ohren dröhnen, (mit) urânu-Samen, e¯ru-Samen, männlicher und weiblicher nikiptu-Pflanze, Pferdehaar (und) einer schmutzigen Binde räucherst du dann seine Ohren vermittels Holzkohle 128). (30’) Wenn einem Mann während des Leidens an der ›Hand eines Totengeistes‹-Krankheit die Ohren dröhnen, (mit) e¯ru-Wurzel, nikiptu-Pflanze (und) einer schmutzigen Binde räucherst du dann seine Ohren vermittels Holzkohle. (31’-32’) kukru-Pflanze, Wacholder, murru-Pflanze, Zeder, Süßrohr, balukku-Pflanze, kasûKraut (und) rote Paste. Acht Pflanzen für die Räucherung der Ohren, vermittels Holzkohle räucherst du (damit) das Innere seiner Ohren. (33’-34’) mu ¯ su-Stein, ›Hirschhorn‹ 129), Menschenknochen 130), imbu¯ tâmtim-Mineral, Affenknochen, ˙nı¯nû-Pflanze, vermittels Holzkohle räucherst du (damit) das Innere seiner Ohren. (35’) Schwefel, urânu-Pflanze, e ¯ ru-Wurzel, Pferdehaar (und) eine schmutzige Binde, vermittels Akazien-Holzkohle räucherst du (damit) das Innere seiner Ohren. (36’-37’) ›Hirschhorn‹, Alaun, [nı¯n]û-Pflanze, sahlû-Pflanze, imbu ¯ tâmtim-Mineral, Schwefel ˘ (und) Menschenknochen, vermittels Akazien-Holzkohle räucherst du (damit) das Innere seiner Ohren. (38’-39’) Wenn einem Mann die Ohren dröhnen, dann wickelst du […-S]amen, aranduGras (und) kukru-Pflanze in ein Vlies, du wirfst es in Wasser (und) erhitzt es, bis es kocht, in seine Ohren applizierst du es und er wird genesen. (40’) Wenn einem Mann die Ohren dröhnen, dann vermischst du Zedernharz mit Saft des Granatapfels und in seine Ohren gießt du es und er wird genesen. … (Vs. II 58’-60’) Wenn Fieber das Innere der Ohren eines Mannes erreicht und er schwerhörig ist und sein Leiden dauerhaft wird, dann gießt du Wach[older]-Öl (und) Süßrohr-Öl auf seinen Kopf, besprengst ein Vlies, einmal, zweimal, dreimal applizierst du es in seine Ohren [und] sein Hörvermögen wird sich wieder verbessern; sahlû-Pflanze, auf die ˘ nichts getan wurde, soll er mit Emmerbrot essen [und er wird genesen]. (61’-62’) Wenn während seiner Erkrankung Fieber das Innere der Ohren eines Mannes

128. Zu der Wendung ina ne/dè tuqattarsˇu s. M. Stol, Einige kurze Wortstudien, in: S. M. Maul (Hg.), Festschrift Rykle Borger, CM 10, Groningen 1998, 350 f. 129. qaran ajjali(si dàra.masˇ) »Hirschhorn« ist eine der wichtigsten Ingredienzen für die Räucherung. ›Hirschhorn‹ darf sehr wahrscheinlich als ›Deckname‹ einer Pflanze aufgefaßt werden; zu den ›Decknamen‹ s. F. Köcher, Ein Text medizinischen Inhalts aus dem neubabylonischen Grab 405, in: R. M. Boehmer u. a., Uruk – Die Gräber, AUWE 10, Mainz 1995, 203217, bes. 204. 130. Nach der pharmakologischen Serie Uruanna III 41 (34) ist ›Menschenknochen‹ ein ›Deckname‹ für die ›Hirtenstab‹ genannte Pflanze.

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erreicht und seine Ohren schwer(hörig) sind, dann gießt du Gänseschmalz in seine Ohren und sein Hören wird wieder leicht werden; die Wurzel einer männlichen pillû-Pflanze zerstößt du, in seine Ohren gießt du es und er wird gesu[nd werden] 131). (63’-66’) Wenn die Ohren eines Mannes ihn wie bei der ›Hand des Totengeistes‹-Krankheit schmerzen oder pochend schmerzen, dann kelterst du kanaktu-Öl, Süßrohr-Öl (und) Wacholder-Öl getrennt voneinander, vermischst sie zusammen, in seine Ohren gießt du es. Einen emesallu-Salzklumpen wickelst du [in] ein Vlies in seine Ohren applizierst du es. Gutes billatu-Bier, hallu¯ru-Erbsenmehl, kakkû-Erbsenmehl, Emmermehl, ˘ du in Bier zu einer Paste, [du verbindest (ihn dakasû-Pulver, Zedernpulver verrührst mit)], er wird genesen 132). (67’-71’) Wenn die Ohren eines Mannes krank sind und das Innere seiner Ohren schlecht riecht, sie ihn andauernd pochend schmerzen (oder) stechend schmerzen [(oder) … ] … (oder) ganz allgemein schmerzen und er nicht schlafen kann, (mit) Wacholder, kukru-Pflanze, Myrte, balukku-Pflanze, […]-Kraut, gelber Paste, roter Paste (und) [kurka¯]nû-[Pflanze] räucherst du das Innere seiner Ohren vermittels Akazien-Holzkohle. [Appliziere es (gleichzeitig) in seine Ohren, drei Tage] lang führst du es so durch und am vierten Tag wischst du das Innere seine Ohren aus und [ … ] … gießt du. Alaun zerstößt du, mit einem Halm bläst du es in seine Ohren 133). (72’) [Wenn aus] den Ohren [eines Mannes] Eiter läuft, dann vermischst du zusammen Blut aus der Niere eines Ochsen und Zedernharz, in das Innere seiner Ohren tropfst du es.

2.4.2 Aus einem neuassyrischen Text zu Erkrankungen der Ohren Das große, auf jeder Seite drei Kolumnen aufweisende Fragment einer neuassyrischen Tafel aus Assur wird heute im Louvre, Paris, unter der Nr. AO 6674 aufbewahrt. Der Text bietet Rezepte und Behandlungsanweisungen gegen Krankheiten, die sich in den Ohren manifestieren. Zahlreiche Parallelen zu Texten aus Ninive zeigen, daß es sich bei dieser Tafel um einen Auszugstext handelt. Die Tafel wurde von R. Labat, Remèdes assyriens contre les affections de l’oreille d’après un inédit du Louvre (AO. 6674), RSO 32 (1957) 109-22 publiziert. (Vs. II 1’-7’) [Wenn

aus den Ohren eines Mannes Eiter tröpfelt], dann bläst du Granatapfelsaft [in seine Ohren], Zedernöl, [ … (und) K]ümmel zerstößt du, mit Butterschmalz vermischst du es, in ein Vlies wickelst du es und applizierst es in seine Ohren; murru-Pflanze, Fischöl (und) nı¯nû-Öl vermischst du zusammen, in seine Ohren tröpfelst du es hinein, Schweinegalle vermischst du mit isqu¯qu-Mehl (und) applizierst es in seine Ohren. (8’-10’) Wenn die Ohren eines Mannes eitrig sind, dann sammelst du das Blut eines ›Höhlenvogels‹ in Granatapfelhaut, ins Feuer legst du (es und) applizierst es in seine Ohren. (11’-13’) Wenn die Ohren einen Mann beständig schmerzen, sein Hörvermögen (wie) zugedrückt ist, dann besprengst du ein Vlies mit Wacholder, einmal, zweimal, dreimal applizierst du es in seine Ohren. 131. Der Eintrag hat eine Parallele in BAM I 3 Rs. III 50-52, s. die Bearbeitung von M. Worthington, JMC 7 (2006) 24. 132. Parallel zu BAM I 3 Rs. IV 12-13, s. M. Worthington, JMC 7 (2006) 25. 133. Parallel zu BAM I 3 Rs. IV 12-13, s. M. Worthington, JMC 7 (2006) 25.

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Texte aus Mesopotamien (14’-20’) Wenn

ein Mann krank ist und seine Krankheit das Innere seiner Ohren erreicht (und) er schwerhörig wird, dann besprengst du ein Vlies mit einem Sekel Granatapfelsaft (und) einem Sekel kanaktu-Pflanze, in seine Ohren applizierst du es. Drei Tage lang machst du es so, am vierten Tag läßt du den Eiter seiner Ohren abfließen und wischst (ihn) weg. Sobald der Eiter vollständig (zu fließen) aufhört 134), bläst du mit einem Röhrchen wiederholt zerstoßenen A[laun in sein Ohr]. … (III 4’-9’) Wenn die Ohren eines Mannes schwer(hörig) sind, dann wickelst du einen Sekel Granatapfelsaft (und) einen Sekel [kanaktu]-Pflanze in ein Vlies, in seine Ohren applizierst du es. Drei Tage lang machst du es so, am vierten Tag läßt du den Eiter seiner Ohren abfließen und wischst (ihn) weg. Zerstoßenen Alaun bläst du mit einem Röhrchen in sein Ohr. (10’-15’) Wenn das rechte Ohr einem Mann andauernd dröhnt, dann wird er Gefangenschaft erfahren 135). Du zerstößt [ … (und)] Wacholder, in ein Vlies wickelst du es, in seine Ohren applizierst du es. Zerstoßenen Wacholder (und) baluhhu-Harz vermischst ˘˘ du in Zedernöl, auf seinen Kopf gießt du es, sahlû-Pflanze soll er wiederholt mit Emmer˘ brot essen, neun Tage lang wiederholst du es. (16’-18’) Wenn das linke Ohr einem Mann andauernd dröhnt, dann wird er Gewinn erfahren. Einem männlichen ›Höhlenvogel‹ [schneidest] du den Kopf ab, sein (noch) warmes Blut tröpfelst du in seine Ohren.

2.4.3 Aus der neunten Abteilung der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« Die neunte ›Abteilung‹ (pirsu) der umfassenden therapeutischen Serie sˇumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l behandelt Erkrankungen der Nase und der Atemwege. Sie ist ˘˘ ein Auszug aus den Unterserien ˇsumma ame¯lu sˇinnı¯sˇu marsa¯ und sˇumma ame¯lu ˙ sind. Die daran annapı¯sˇ appisˇu kabit, die in Ninive nur fragmentarisch erhalten schließende zehnte ›Abteilung‹ (s. hier Nr. 5) behandelt dann Erkrankungen des Mundes. Dieser Text ist bislang nur durch die im Iraq Museum in Bagdad aufbewahrte, spätbabylonische Tafel W 22307/11 aus Uruk bekannt, die H. Hunger als SpTU I 44 in Keilschriftkopie, Umschrift und Übersetzung publiziert hat. Hier werden Abschnitte des Anfangs, der Mitte und des Endes der insgesamt 83 Zeilen umfassenden Tafel übersetzt. (1-4) Wenn

einem Mann das Atmen durch die Nase schwerfällt, dann (leidet er an) sin˙ nahtiri(-Krankheit und) Überhitzung durch Sonnenglut [ … ]. Am Morgen, auf nüchter˘ nen Magen, wischst du seinen Mund mit nı¯nû-Pflanze aus, Alaun applizierst du auf seine Nasenlöcher [ … ], seine Zunge … Bergsirup, mit Wasser aus Gurken, ›Hundezunge‹ (und) Tamariske übergießt du ihn [ … ], einen Tamariskenzweig, Wacholder, kukruPflanze (und) einen … zerstößt (und) siebst du zusammen, in Fett vermischst du es, auf ein Leder streichst du es, [seine … ] verbindest du (damit) und er wird genesen. (5-12) Wenn ein Mann Brot ißt (und) Bier trinkt und ihm das Atmen durch die Nase 134. it-tag-ma-ru, s. CAD Sˇ II 64a. 135. Dieser Eintrag erscheint, ebenso wie das Pendant in III 16’, verbatim in der achten Tafel des Diagnosehandbuchs, s. TDP 68/10.

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schwerfällt, dann ist er an der Luftröhre erkrankt. Mit Alaun und nı¯nû-Pflanze wischst du [seinen Mund] aus, auf seine Nasenlöcher applizierst du es, ausgepreßten Wein, die Zunge … Bergsirup, [mit … ] Gurke (und) Tamariske in heißem Wasser übergießt du ihn, Wacholder, kukru-Pflanze, sumla¯lû-Pflanze, [ … ], Opopanax, baluhhu-Harz, Zweige ˘ ˘ zusammen, [in ˙ lupa¯ru-Baum zerstößt (und) siebst du von Tamariske, Apfelbaum (und) Wasser ver]mischst du es, trocknest (alles) wieder, du zerstößt und siebst es (erneut), mit Öl vermischst du es, auf ein Leder streichst du es, seine Brust verbindest du (damit), [ … ] … sein Mund … urnû-Pflanze (und) Zedernöl applizierst du auf seine Nasenlöcher, Wacholder, kukru-Pflanze, [ … ], Opopanax … vermischst du in Wasser, trocknest (alles) wieder, du zerstößt und siebst es (erneut), mit Öl vermischst du es, auf ein Leder streichst du es, seinen Kopf verbindest du (damit) und er wird sich erholen. [ … ] schwer ist, dann saugt er weißen Sirup und er wird genesen. … (26) Wenn die bu3s ˇa¯nu-Krankheit die Nase und den Mund eines Mannes ergreift und seine Eingeweide geschwollen sind: abukkatu-Harz [zerstößt du, in Öl und Bier trinkt er es und er wird sich erholen]. (27-28) nı¯nû-Pflanze zerstößt du, in Öl und Bier trinkt er (sie) und er wird gesund werden. Rote Paste zerstößt du, in Öl und Bier trinkt er (sie) [und er wird sich erholen]. Alaun hzerstößt dui, mit Sirup, Öl und Bier trink[t er (ihn) und er wird sich erholen]. (29-30) Wenn die bu3s ˇa¯nu-Krankheit [die Nase eines Mannes] ergreift und seine Nasenlöcher ihn schmerzen, sie voller Wunden sind, dann [drückst du eine Vertiefung] in ein Leinentuch [ … ], Alaun, du läßt es absorbieren 136), mit einem Röhrchen bläst du es in seine Nasenlöcher … [ … ]. (31) Rote Paste zerstößt du, du streust (sie) und er wird sich erholen. – Schale eine Granatapfels zerstößt du, du streust (sie) und er wird sich erholen. – Wasser … [ … ], du streust (sie) und er wird sich erholen. (32-33) murru-Pflanze zerstößt du, du streust es und er wird sich erholen. – Wenn in seinen Nasenlöchern … [ … ] Schlan[genhaut] dörrst und zerkleinerst du, seine Nasenlöcher wischst du aus, einmal, zweimal, dreimal auf seine Nasenlöcher [ … ]. (34) Wenn die Nasenlöcher eines Mannes eitrige Geschwüre aufweisen, dann [ … du] zusammen, du streust es darauf [und er wird sich erholen]. (35-39) Wenn die bu3s ˇa¯nu-Krankheit die Nasenlöcher eines Mannes affiziert, dann zerstößt du zusammen nı¯nû-Pflanze, urnû-Pflanze, kasû-Pflanze, ›Weiße Pflanze‹, a[bukattu-Harz], Alaun, eine Vertiefung drückst du in ein Leinentuch, besprengst es mit Sirup, läßt es diese Kräuter absorbier[en, auf seine Nase] legst du es, [bis] er gesund wird. Du suchst Salicornia aus, zerstößt es zusammen mit nı¯nû-Pflanze, vermischst es mit Naphta (und) reibst (damit) wiederholt [das Innere seiner Nasenlöcher] ab. Heißen Granatapfelsaft applizierst du ständig in seine Nase. [Du koc]hst [Öl und hältst es warm], mit nı¯nû-Pflanze und sı¯hu-Pflanze beräucherst du ihn vermittels Holzkohle, urnû-Pflanze [ver˘ mischst du] mit [Zedern]öl [und applizierst es wiederholt] in [seine Nasenl]öcher 137). … (69-74) Beschwörung: »Die bu3s ˇa¯nu-Krankheit erscheint wie ein Löwe, über den eines 136. tu-la-am. Die Bedeutung des Verbums lummu ist nicht genau geklärt; dazu N. P. Heeßel / F. N. H. al-Rawi, Tablets from the Sippar Library XII. A Medical Therapeutic Text, Iraq 65 (2003) 238. 137. Der Eintrag hat eine Parallele in der ›Sammeltafel‹ IM 132670 Vs. II 35-47 (s. hier Text 2.17.3).

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Texte aus Mesopotamien

Löwen hinaus ist ihr Griff stark. Wie ein Wolf hat sie den Gaumen ergriffen, wie ein Tiger ergriff sie die Kinnbacken, sie schlug ihren Sitz auf in den weichen Teilen der Wange. Wen soll ich zu den himmlischen Töchtern des Gottes Anu schicken? Sie mögen ihre Eimer aus Silber erheben und ihre Töpfe aus Gold, mögen sie Wasser des Ajabba schöpfen, des weiten Meeres, an einer Stelle, an der keine schmutzige Frau ihre Hände gewaschen hat, keine unreine Frau ihre Kleider gewaschen hat, kein ›Höhlenvogel‹ seine Flügel geschlagen hat, den kein schwarzer Hund verschmutzt hat. Mögen sie es in seinen Mund fließen lassen, so daß aus seinem Mund herausgezogen wird das Fieber, sikkatu-, luba¯tu- und bu3sˇa¯nu-Krankheit.« Beschwörungsformel 138). ˙ (75) Beschwörung (gegen den Fall, daß) die bu3sˇa¯nu-Krankheit ihn gepackt hat. Du rezitierst (sie) für die Heilung aller bu3sˇa¯nu-Krankheiten. (76) Das zugehörige Ritual: Alaun (und) nı¯nû-Pflanze zerstößt du, in Sirup vermischst du es, die Beschwörung sprichst du siebenmal darüber, seinen Mund wischst du wiederholt (damit) aus (und) er wird sich erholen. (77-79) Wenn dito, dann (nimmst du) nı¯nû-Pflanze, sahlû-Pflanze, Alaun, kasû-Kraut, ˘ 139), Granatapfelschale sowie bu3sˇa¯nu-Pflanze, Staubgefäße der Dattelpalme, Froschlunge murru-Pflanze, Gazellenfleisch (und) Rosinen, diese zwölf Pflanzen trocknest du, du zerstößt und siebst sie, mit Röstkornmehl vermischst du (sie), auf die (entsprechende) Stelle seines Mundes trägst du es auf und abgebrochen 140). Eine Salbe des Mundes, ein Verband des Mundes. (80-83) Wenn die Zähne eines Mannes munû-Krankheit und bu3s ˇa¯nu-Krankheit abgebrochen, zwischen seinen Zähnen Blut hervortritt, dann zerstößt du zusammen Alaun, nı¯nû-Pflanze (und) schwarzen Kümmel, umwickelst deinen Finger mit ausgekämmtem Haar, Schweinefett, … [ … läßt du es] aufnehmen, seine Zähne reibst du (damit) bis Blut hervortritt [ … und er wird gene]sen.

2.4.4 Aus einem neuassyrischen Text gegen Zähneknirschen Unter den zahlreichen Tontafeln medizinischen Inhalts aus dem ›Haus des Beschwörerpriesters‹ in Assur fand sich auch diese Tafel mit Behandlungsanweisungen gegen Zähneknirschen, die heute im Vorderasiatischen Museum, Berlin, aufbewahrt wird (VAT 13725, Keilschriftkopien: LKA 136, BAM I 30). Der Text ist ein schönes Beispiel für die enge Verbindung von ›Medizin‹ und ›Magie‹ in der babylonisch-assyrischen Heilkunst. Neben rational anmutenden Behandlungen wie dem Abwischen der Zähne mit therapeutischen Substanzen finden sich auch zahlreiche Anweisungen zur Herstellung von mêlu-Beuteln, die mit verschiedenen Ingredienzien gefüllt um den Hals des Betroffenen gelegt werden sowie mehrere Rituale, in denen der Patient einen Totenschädel küssen oder ablecken muß. B. Böck, Babylonische Divination und Magie als Ausdruck der Denkstrukturen des altmesopotamischen Menschen, in: J. Renger 138. Diese Beschwörung wurde auch von W. Farber, Mannam Lupsˇur ana Enkidu: Some New Thoughts about an Old Motif, JNES 49 (1990) 313-16 sowie von T. J. Collins, Natural Illness in Babylonian Medical Incantations, Ph. D. Diss., University of Chicago 1999, 191-95 bearbeitet und übersetzt. 139. mur bil!(Kopie: bu).za.za. Die Stelle bedarf der Kollation. 140. Eine Markierung des Schreibers der vorliegenden Tafel, die anzeigt, daß seine Vorlage an dieser Stelle zerstört ist.

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(Hg.), Babylon: Focus mesopotamischer Geschichte, Wiege früher Gelehrsamkeit, Mythos in der Moderne, CDOG 2, Saarbrücken 1999, 409-25, bes. 417-20, hat die dem Text zugrundeliegenden magischen Praktiken untersucht und auch zahlreiche Textstellen zitiert. Da der Anfang der Tafel beschädigt ist, wird hier der nach einer Beschwörung einsetzende Text bis zum Ende der Tafel geboten. (Vs. 8’) Wortlaut

der Beschwörung (für) »Wenn die Zähne eines Mannes knirschen«. zugehörige Ritual: Staub vom Eingang eines alten Grabes nimmst du, in einen Lederbeutel nestelst du (ihn) ein, um seinen Hals legst du (den Beutel). (12’-13’) Wenn dito, dann nimmst du ama ¯ nu-Salz und Wacholder, zerstößt sie zusammen, die Oberseite seiner Zähne wischst du (damit) ab. (14’-21’) Wenn dito, dann nimmst du einen Totenschädel und auf einem Stuhl breitest du ein purpurfarbenes Tuch aus, diesen Schädel stellst du darauf. Drei Tage lang bringst du morgens und abends ein Totenopfer dar, die Beschwörung rezitierst du siebenmal über dem Schädel. Diesen Schädel läßt du ihn sieben- und siebenmal vor seinem Schlaflager küssen und dann wird er sich erholen. Diesen Schädel bringst du dorthin zurück, woher du ihn geholt hast. (22’-24’) Wenn dito, harhumbas ˇir-Pflanze, imbu¯ tâmtim-Mineral, Schwefel, Streu, kamantu˘ weibliche nikiptu-Pflanze, ame¯la¯nu-Pflanze (und) ru3tı¯tu-Mineral Pflanze, männliche˘ und (nestelst du) in ein [Leder] (ein, um seinen Hals legst du den Beutel). (25’-26’) Wenn dito, imbu ¯ tâmtim-Mineral, Streu, harhumbasˇir-Pflanze (und) nikiptu (nestelst du) in ein [Leder] (ein, um seinen Hals legst˘ du˘ den Beutel). (27’-28’) Wenn dito, Magneteisenstein, imbu ¯ tâmtim-Mineral, nikiptu-Pflanze (und) Menschenknochen (nestelst du) in ein [Leder] (ein, um seinen Hals legst du den Beutel). (29’-30’) [Wen]n dito, dann [stellst du] einen [Toten]schädel drei Tage lang vor sein Schlaflager, [ … sieben-] und siebenmal küßt er (ihn) und dann [wird er genesen]. (Rs. 31’) [Wenn dito], … Same[n von … ]. (32’) Wenn dito, einen Spindelkopf (und) me ¯ su-Holz, [(nestelst du) in ein Leder (ein, um seinen Hals legst du den Beutel)]. (33’-35’) Wenn dito, dann wäschst du mit Wasser einen Totenschädel wie einen [menschlichen] Kopf, dreimal schluckt er sein (= des Totenschädels) Wasser [und] auf seinem Schlaflager … küßt er ihn. (36’-37’) Wenn dito, Magneteisenstein, imbu ¯ tâmtim-Mineral, Samen vom haluppu-Baum (und) Menschenknochen (nestelst du) in ein Leder (ein, um seinen Hals˘ legst du den Beutel). (38’-40’) Wenn dito, Staub von einem Weg, eine schmutzige Binde, Menschenknochen (und) ›Feldharfe‹ 141) (nestelst du) in ein Leder (ein, um seinen Hals legst du den Beutel). (41’-42’) Wenn dito, ›Staub einer Maulwurfsgrille‹, eine schmutzige Binde, Totenschädel (und) ›Feldharfe‹ (nestelst du) in ein Leder (ein, um seinen Hals legst du den Beutel). (43’) Wenn dito, Schuppen eines Karpfens (nestelst du) in ein Leder (ein, um seinen Hals legst du den Beutel). (9’-11’) Das

141. tambutti eqli »Feldharfe« bezeichnet eine Grille, ist aber nach Uruanna III 11 auch ein ›Deckname‹ für ˇsá-mi eq-li »Feldpflanze«.

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Texte aus Mesopotamien (44’-46’) Wenn dito, einen Spindelkopf, me ¯ su-Holz, asˇgikû-Stein, eine siebenfarbige Muschel (und) zala¯qu-Stein (fädelst du) auf eine Schnur, um seinen Hals hängst du (sie). (47’-53’) Wenn ein Mann beim Schlafen mit seinen Zähnen knirscht, dann nimmst du einen Totenschädel, wäschst ihn mit Wasser ab, salbst (ihn) mit Öl, sieben Tage lang stellst du (ihn) ans Kopfende seines Bettes, bevor er sich schlafen legt, küßt er (den Schädel) siebenmal (und) leckt (den Schädel) siebenmal und dann wird er genesen.

2.4.5 Die zehnte Abteilung der Serie »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist« Die fast vollständig erhaltene, spätbabylonische Tafel W 22307/14 aus Uruk, die im Iraq Museum in Bagdad aufbewahrt wird, hat H. Hunger als SpTU I 46 in Keilschriftkopie, Umschrift und Übersetzung publiziert. Obwohl sie keinen Kolophon aufweist, läßt sie sich aufgrund des Incipits, das mit der Stichzeile der neunten Abteilung (s. hier Nr. 3) übereinstimmt, als zehnte Abteilung der Serie sˇumma ame¯lu muhhasˇu ˘˘ umma uka¯l bestimmen. Auf der Tafel werden Erkrankungen im Mundbereich behandelt. Ein Kommentar zu diesem Text wurde ebenfalls in Uruk gefunden (s. den Beitrag von E. Frahm in vorliegendem Band [Text 6.1]). (1-5) Wenn die Zunge eines Mannes angeschwollen ist und seinen Mund ausfüllt, dann trocknest du Tamariskenblätter, ildakku-Blätter, ›Fuchswein‹-Blätter, ›Hundezunge‹, du zerstößt und siebst (sie), mit Extrakt von kasû-Kraut verknetest du es zu einem Teig, die Oberseite seiner Zunge salbst du mit Butter, auf seine Zunge applizierst du es und er wird sich erholen. (6-15) Wenn das Gesicht, der Nacken und die Lippen eines Mannes eine Lähmung aufweisen und ihn wie bei Fieber erhitzen, dann hat diesen Mann der ›Lauerer des Bades‹ 142) gepackt. Um ihn zu heilen, zerstößt du mu¯su-Stein, anzahhu-Stein, Magneteisen˘ ˘ Paste, Keuschbaum, ˙ stein, Eisenstein, zala¯qu-Stein, lurpa¯nu-Mineral, Auripigment, rote Salicornia (und) lulu¯tu-Mineral, vermischst es mit Zedernharz, Olivenöl und ausgepreßtem Öl, morgens, mittags und abends salbst du ihn damit, du wickelst es in ein Leder ein, um seinen Hals hängst du (diesen Beutel) und er wird genesen. (16-20) Wenn ein Mann einen Schlaganfall im Gesicht hat, er auf einem Auge schielt, er Tag und Nacht wach ist (und) nie schläft, nicht aufhört, sein Gesicht mit Sirup und Butter einzureiben, dann läßt du (ihn) masˇtakal-Seifenkraut auf nüchternen Magen essen und er wird genesen. (Rs. 21-26) (Unverständliche Beschwörung). (27) Beschwörung, wenn der ›Lauerer‹-Dämon dem Mund eines Mannes andauernd zusetzt. (28-29) Das zugehörige Ritual: Staub von einer Straßenkreuzung wirfst du in Brunnenwasser und wäschst seinen Mund (damit), und (außerdem) rezitiert er wiederholt die Beschwörung. (30-32) Wenn dito, dann soll er ständig mit sahlû-Pflanze, nı¯nû-Pflanze, Alaun, aktam-Pflan˘ ze (und) ata¯3isˇu-Pflanze seinen Mund abwischen und mit Brunnenwasser seinen Mund immer wieder waschen.

142. Im Kommentar SpTU I 47 Vs. 2-4 wird der ›Lauerer des Bades‹ – oder in E. Frahms Übersetzung: der ›Klosett-Dämon‹ – als der Dämon Sˇulak identifiziert.

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Nils P. Heeßel (33-35) Gegen

die Folgen eines Schlaganfalls, der seinem Mund zusetzt, wirft er Staub von einer Straßenkreuzung in Brunnenwasser und badet ständig (darin) und er wird genesen.

2.4.6 Aus der fünften Tafel der Serie »Wenn einem Mann das Atmen durch die Nase schwerfällt« Die Krankheit sua¯lu, die eine Lungenerkrankung mit Husten und Auswurf bezeichnet, wird in der fünften Tafel der Serie sˇumma ame¯lu napı¯sˇ appisˇu kabit behandelt. Die Tafel läßt sich nicht vollständig rekonstruieren, obwohl mehrere Textvertreter bekannt sind (dazu zuletzt Köcher, BAM VI, xxi-xxiii zu Nr. 548-52). Der hier übersetzte Anfang des Textes ist auf den Tafeln K 2414 + 9969 und K 3516 erhalten, die erstmals von E. Ebeling in Keilschriftkopie vorgelegt wurden (KMI 24-26). Eine aus beiden Textvertretern kombinierte Kopie hat R. Campbell Thompson als AMT 80/1 publiziert, und K 3516 wurde nochmals von Köcher als BAM VI 548 kopiert. Die Tafel ist von Ebeling, Keilschrifttafeln medicinischen Inhalts I, Archiv für Geschichte der Medizin 13 (1921) 28 f. bearbeitet und übersetzt worden. Eine Übersetzung hat auch R. Campbell Thompson, Assyrian Prescriptions for Diseases of the Chest and Lungs, RA 31 (1934) 1-29, bes. 5-9 publiziert. (1-3) [Wenn ein Mann an Hust]en mit Auswurf leidet, dann zerstößt du – um es zu entfernen – frische ›Hundezunge‹, zerstoßenes (Glosse: geröstetes) kasû-Kraut gibst du dazu, du vermischst es, er trinkt es und [entweder durch] sein [ … ] oder durch seinen Stuhl wird er es los und wird genesen. (4) [Wenn dito], dann laß seine Zunge Wasser und Öl aufnehmen (und) es wiederholt schlucken. (5-7) [Wenn dito, dann] verrührst du zermahlene sahlû-Pflanze (und) zerstoßenes kasûKraut wie bei einem Brei, mit Öl und Sirup ißt er˘ es, Schweinefleischbrühe trinkt er. [Wenn] er [Stuhlgang hat], zündest du ein Feuer vor ihm an, durch seinen Stuhl läßt er es heraus und wird genesen. (8-9) [Wenn ein Man]n an Husten mit Auswurf leidet, dann kochst du frische ›Hundezunge‹ wie Rüben, [mit] Milch, kukru-Pflanze und ausgepreßtem Öl vermischst du es, auf nüchternen Magen trinkt er es und wird genesen. (10-11) [Wenn] dito, dann trocknest und zerstößt du Samen von Rohr (und) Datteln, mit erhitztem Extrakt von kasû-Kraut trinkt er es so heiß wie möglich auf nüchternen Magen und er wird sich erbrechen und dann genesen. (12-13) Wenn dito, dann legst du einen Klumpen wohlschmeckendes Salz in seinen Mund und er zerbeißt (ihn und) schluckt seine Flüssigkeit, fette Schweinefleischbrühe trinkt er, Bier (und) Honig trinkt er, drei Tage lang wiederholst du es und er wird genesen. (14-16) Wenn dito, dann zerstößt du ›Weiße Pflanze‹ in gutem Bier, Honig (und) ausgepreßtem Öl, auf nüchternen Magen läßt du seine Zunge es aufnehmen, Bier (und) Honig, so heiß wie möglich, läßt du ihn trinken, mit einer Feder läßt du ihn sich erbrechen, und danach ißt er eine Paste aus Honig und Butterschmalz, guten Wein trinkt er und er wird genesen. (17-18) Wenn einem Mann Husten mit Auswurf zusetzt, dann dörrst (und) zerstößt du

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Texte aus Mesopotamien

einen ›dalı¯lu-Frosch, der inmitten der Muscheln (lebt)‹, in ausgepreßtem Öl trinkt er es und er wird genesen.

2.5 Augenkrankheiten

Markham J. Geller Obwohl babylonische medizinische Texte meist als ›wissenschaftliche‹ Texte angesprochen werden, folgen sie doch einem bestimmten ›literarischen‹ Format, das sowohl technische als auch literarisch-poetische Textteile einschließt und medizinische Texte von Texten anderer Gattung – etwa Verwaltungstexten oder Briefen – klar abhebt. Ein akkadischer therapeutischer Text besteht aus einer Kombination von Rezepten und Beschwörungen und enthält typischerweise folgende Elemente: (a) Eine Symptombeschreibung, (b) eine Aufzählung der verschiedenen relevanten Drogen und materia medica einschließlich Anweisungen zur Herstellung des jeweiligen Medikaments und seiner Applikation – Herstellung und Applikation können die Rezitation von Beschwörungen einschließen –, sowie (c), am Ende, die durchweg optimistische Bemerkung, daß der Patient durch die jeweilige Therapie geheilt werde. Normalerweise sind die Beschwörungen innerhalb medizinischer therapeutischer Texte im Vergleich zu Beschwörungen aus dem Bereich der eigentlichen, ›magischen‹ Beschwörungskunst kurz und recht schlicht gehalten. Eine Ausnahme stellen die großen Augenkrankheiten-Kompendia der Serie »Wenn die Augen eines Menschen 143) krank sind« dar, die in der Bibliothek des Assurbanipal in Ninive gefunden und von F. Köcher als BAM VI 510, 513 und 514 in Kopie vorgelegt wurden. Bei diesen Tafeln finden sich therapeutische medizinische Rezepte im engeren Sinne auf der Vorderseite, während die Rückseite eine Reihe von Beschwörungen einschließlich der zugehörigen Ritualanweisungen bietet. Ein wichtiger Teil der den Augenkrankheiten gewidmeten therapeutischen Serie bietet also Beschwörungen mit Ritualanweisungen anstelle von Rezepten innerhalb eines im engeren Sinne medizinischen Kontextes. Die Texte geben keine Auskunft darüber, warum Beschwörungsrituale in größerem Umfang einen Teil dieser Komposition bilden; vielleicht dürfen wir vermuten, daß der Grund für die Aufnahme der Beschwörungstexte darin bestand, daß es dem babylonischen Arzt nur sehr begrenzt möglich war, die Symptome von Augenkrankheiten medikamentös zu lindern, so daß eine für diese Gruppe von Erkrankungen ›magische‹, nicht-medikamentöse Therapien eine besondere Bedeutung besaßen. Im folgenden werden Auszüge aus der von Köcher als BAM VI 510 vorgelegten Tafel K 2573+ (neuassyrisch; London, British Museum) in Übersetzung geboten (für ein Verzeichnis der Duplikathandschriften und weitere Literatur s. Köcher, BAM VI, ix-xi). Eine ältere, inzwischen überholte Übersetzung des Textes legte R. Campbell Thompson vor (Assyrian Medical Texts, PRSM 17 [1924] 22-34). Eine umfassende Studie zur Terminologie der Augenkrankheiten, die allerdings keine Edition der the143. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«.

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Markham J. Geller

rapeutischen Texte enthält, legte in jüngerer Zeit J. C. Fincke vor (Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, Würzburger medizinhistorische Forschungen 70, Würzburg 2000). (Vs. I 5’-6’) Wenn

die Augen eines Menschen krank sind, zerstößt du einen (jungen) Getreidesproß und Alkali, du verknetest es in Saft 144) der kasû-Pflanze [(und) verbindest (ihn damit)]. Du zerstößt ashar-Stein und tusˇkû-Stein, du übergießt es mit Fett, zerstößt ˘ es zu gleichen Teilen (miteinander); du mis[chst] (es) mit Butterschmalz [(und) reibst seine Augen (damit) ein]. (7’-8’) Wenn die Augen eines Menschen krank sind, gibst du regelmäßig zehn kisal-Maß Öl auf seine Schläfen; [du streichst] Grünspan des Lederarbeiters auf …-Leder [auf], bindest (es ihm) [auf] seine [Sch]läfen. Du zerstößt ›Kupferharz‹, ashar-Stein und sˇ¯pu-Farbpaste, ı du mischst (es) in Butterschmalz (und) reibst seine Augen ˘(damit) ein. (9’-10’) Wenn die Augen eines Menschen krank sind und auch brennen, zerstößt du ›Kupferharz‹ von einem kleinen Kessel in Butterschmalz; du reibst seine Augen ein. Ein bronzenes Messer wäschst du mit Wasser (und) schneidest Knoblauch; dann reibst du seine Augen einmal, zweimal, dreimal ein. Du knetest sahlû-Pflanze in Bierhefe (und) ˘ verbindest (ihn damit). (18’-20’) Wenn die Augen eines Menschen krank sind, und er (sie) viele Tage lang nicht öffnen kann, durch das Fieber seines Kopfes seine Augen voll von ›Schatten‹ sind, rasierst du seinen Kopf, am dritten Tag kühlst du Teig ab, trocknest masˇtakal-Samen, zerstößt du es mit Butterschmalz zu einer Salbe, reibst seine Augen (damit) ein; und es ist eine geprüftes Rezept. … (27’-28’) Wenn die Augen eines Menschen krank sind: nı¯nû-Pflanze, ata ¯ 3isˇu-Pflanze, kasûPflanze, sahlû-Pflanze, ma¯sˇtu-Pflanze, Fett, kanaktu-Pflanze, Wacholder-Samen, Lederarbeiter-Pilz˘ – du röstest (diese) acht Drogen über Asche als Absud für die Augen; du mischst (es) in Butter, Schafsnierenfett (und) Wachs, du reibst seine Augen (damit) ein. (29’-30’) Wenn die Augen eines Menschen krank sind, zerstößt du ›Weiße Pflanze‹ in Butterschmalz (und) reibst (seine Augen damit) ein. [Wenn] die Augen eines Menschen krank sind, zerstößt du Fledermauskot mit Butterschmalz (und) reibst (seine Augen damit) ein. Wenn die Augen eines Menschen [krank sind], zerstößt du Alaun mit Butterschmalz (und) reibst (seine Augen damit) ein. [Wenn] die Augen [eines] Menschen krank sind, kochst du sahlû-Pflanze in Milch (und) (ver)bindest (ihn damit) 145). ˘ eines Menschen mit Blut gefüllt sind, und er Tag und Nacht (31’-34’) Wenn die Augen nicht schlafen kann [(und) er nicht sehen kann], wenn das Innere seiner Augen rot ist und seine Augen bedeckt sind: du trocknest kasû-Pflanze, du verknetest (damit) Salz und Schafskot in Milch einer menstruierenden Frau, verbindest (ihn damit). Am Morgen löst du (den Verband) und zerstößt ashar-Stein mit Butterschmalz; du reibst seine Au˘ gen (damit) ein. Du schneidest rapa¯du-Pflanze mit einem bronzenen Messer, verzwirnst rote und weiße Wolle, umwindest (es damit und) bindest (es zusammen); seine beiden Schläfen [ … ]. Danach nimmst du die Wolle in der Nacht weg und rei[bst] seine Augen ein [(…)].

144. Wörtlich: Wasser. 145. Ein Variantenmanuskript bietet stattdessen: reibst du ein.

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Texte aus Mesopotamien (35’) Wenn

die Augen eines Menschen mit Blut überzogen sind, mischst du egengiru-Samen, Berghonig, und Räuchermittel-›Staub‹ [ … ]. … (40’) Wenn die Augen eines Menschen mit Blut gefüllt sind, zerstößt du ashar-Stein mit ˘ Butterschmalz, reibst (seine Augen damit) ein 146). … (Rs. IV 1-3) Beschwörung: »Das Auge eines Jungen ist krank, das Auge eines Mädchens ist krank – wer heilt das Auge des Jungens und des Mädchens? Du gibst Weisung, (so) nehmen sie für dich das reine Herz einer Dattelpalme 147) her. Du zermalmst (es) mit deinem Mund, du wickelst (es) mit deiner Hand ein. Du bindest (es) an den Schläfen des Jungens und des Mädchens fest, und das Auge des Jungens und des Mädchens wird geheilt.« Beschwörung. (4) Wortlaut (der Beschwörung) für ein krankes Auge. Die zugehörige Ritualanweisung: dito 148).

2.6 Nieren-, Darm- und Afterkrankheiten

Markham J. Geller Die mit Nieren- und Afterkrankheiten befaßten Texte folgen der für medizinische Texte typischen Struktur, die auf die Beschreibung der jeweiligen Symptome Anweisungen zur Herstellung und Applikation eines Heilmittels folgen läßt, um dann mit der optimistischen Bemerkung, dem Patienten werde es besser gehen, zu schließen. Jede Gruppe von medizinischen Texten zeichnet sich durch besondere Eigenheiten aus, zumal hinsichtlich der Auswahl der bei der Herstellung der Heilmittel verwendeten materia medica. So fällt etwa in den Nieren-Texten auf, daß die Verwendung von Mineralien im Vergleich zu anderen medizinischen Textgruppen in den Rezepten besonders oft vorgeschrieben wird; die Therapien von Afterkrankheiten verabreichen das Heilmittel naheliegenderweise sehr oft in Form von Salben und Ölen. Die medizinischen Diagnosen dieser Texte sind immer einfach und muten aus heutiger Perspektive oft naiv an. Man muß sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, daß die Babylonier keine Autopsien an Leichen durchführten und nur eine sehr beschränkte Kenntnis der inneren Anatomie hatten. Einige der in den Texten beschriebenen Symptome sind zwar recht spezifisch und lassen erkennen, daß es sich etwa um eine Therapie für einen unter Nieren- oder Gallensteinen leidenden Patienten handelt – auch Hämorrhoidalleiden lassen sich nachweisen –, aber nur allzu oft 146. Bei diesem Rezept handelt es sich um ein sogenanntes ›Simplicium‹, ein Rezept für ein Medikament, das aus nur einer Droge hergestellt wird. Rezepte dieses Typs sind auch aus anderen Bereichen der Medizingeschichte bekannt und können wichtige Aufschlüsse über die Identifikation bestimmter Drogennamen und ihre Wirkweise geben. 147. ›Herz der Dattelpalme‹ bezeichnet einen Teil der Palme, wahrscheinlich den Vegetationskegel (›Palmherz‹). 148. Der vorausgehende Text ist verloren; es bleibt deshalb unklar, welche Maßnahmen die Rezitation der Beschwörung begleiteten. Vielleicht bezieht sich »dito« auf die innerhalb der Beschwörung gegebenen Ritualanweisungen.

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sind die genannten Symptome viel zu unspezifisch und selbst wenig komplexe moderne Diagnosen lassen sich nicht leicht mit der babylonischen Terminologie überein bringen. Wie viele Krankheitsbilder etwa sind von Blutungen im Bereich des Harnweges oder der Analmündung gekennzeichnet? Immerhin werden chirurgische Eingriffe innerhalb dieser Textgruppe nicht erwähnt, und der babylonische Patient dürfte in aller Regel einer weit weniger gefährlichen Behandlung unterzogen worden sein als sein Leidensgenosse im europäischen Mittelalter.

2.6.1 Aus einer mittelbabylonischen Sammlung von Rezepten gegen HarnwegErkrankungen Keilschrifttafel: CBS 19801 (mittelbabylonisch). – Aufbewahrungsort: University of Pennsylvania Museum, Philadelphia. – Autographien: H. F. Lutz, A Contribution to the Knowledge of Assyro-Babylonian Medicine, AJSL 36 (1920) 67-83; BAM IV 396. – Bearbeitung und Übersetzung: Geller, BAM VII 1 (mit weiterer Lit. und Duplikaten). (Vs. I 10’-13’) Wenn

ein Mensch 149) an tröpfelndem Harn leidet, soll er regelmäßig einen Liter Asche von der Klaue eines Widders (und) einen Liter Asche von einer ›männlichen‹ Alraune mit Wasser auf nüchternen Magen trinken, für fünf Tage. Er soll es den ganzen Tag lang ständig trinken und er wird genesen. (14’-18’) Wenn ein Mensch mit s ˇa¯sˇituna-Krankheit darniederliegt und nachts ständig aufsteht 150), zerstößt du Tamariskensamen, ›Hundezunge‹-Samen und Myrrhe (und) legst es in erstklassiges Bier. Du läßt es draußen über Nacht stehen; morgens trinkt er es auf nüchternen Magen und wird genesen. … (23’-31’) Wenn die Nieren eines Menschen ihn schmerzen, seine Leiste ihm ständig wehtut, und sein Harn weiß wie Eselharn ist, und später sein Harn Blut zeigt, (dann) leidet dieser Man an ›Ausfluß‹-Krankheit. Du kochst zwei Sekel Myrrhe, zwei Sekel baluhhu-Harz und zwei Liter Essig, (alles) zusammen, in einem Topf; du läßt es erkalten, ˘ ˘ mischst es zu gleichen Teilen in gepreßtem Öl. Du gießt eine Hälfte durch ein kupund fernes Rohr in seinen Harnweg ein. Die (andere) Hälfte mischst du mit erstklassigem Bier, du läßt es draußen [über Nacht] stehen; er trinkt es auf nüchternen Magen und wird genesen.

2.6.2 Eine Beschwörung gegen Durchfall Keilschrifttafel: K 5416a + BM 98589 + 98589 (= Th. 1905-4-9, 90 + 95) (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Foto: L. W. King, Catalogue of the Cuneiform Tablets in the Kouyunjik Collection of the British Museum: Supplement, London 1914, Nr. 500 pl. 4 (nur BM 98589 + 98589). 151)

Diese Tafel enthält Rezepte gegen innere Krankheiten, deren Hauptsymptom wohl Durchfall war. Unter den Texten auf der Tafel befindet sich auch eine literarisch un149. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. 150. Ein Textvertreter fügt hinzu: und seine Gallenblase geschwollen ist. 151. Für eine Diskussion des Textes s. auch M. Stol, The Digestion of Food According to Babylonian Sources, in: L. Battini und P. Villard (Hg.), Médecine et médecins au Proche-Orient ancien (BAR International Series 1528), Oxford 2006, 103-119, hier 115.

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gewöhnlich anspruchsvolle Beschwörung, innerhalb derer der Darm mit einem Kanal und Damm verglichen wird. (Vs. III 4) Beschwörung:

»Der Fluß ist abgeschnitten, der Kanal strömt über, (5) durch eine ungeheure Überschwemmung ist ein Durchbruch verursacht worden. (6) Der Stöpsel ist aus dem Bierfaß gefallen. (7) Der Darm von N.N., Sohn des N.N., hat sich entleert 152), ohne Halt zu machen. (8) Marduk, der Weise der Götter, sah ihn an, (9) und hat die Sache Ea, seinem Vater, berichtet: (10) ›Mein Vater, der Fluß ist abgeschnitten, der Kanal strömt über, (11) durch eine ungeheure Überschwemmung ist ein Durchbruch verursacht worden. (12) Der Stöpsel ist aus dem Bierfaß abgefallen. (13) Der Darm von N.N., Sohn des N.N., hat sich entleert 153), ohne Halt zu machen.‹ (14) (Ea antwortete:) ›Komm (jetzt) mein Sohn Marduk, und geh! (15) [M]it dir mögen sich sieben männliche starke Götter erheben, (16) (auch) der Geist des Hauses, der Träger des Lehmziegelkorbs, (17) (und) Ningirim, die den Stöpsel zurückbringt. (18) Gula soll einen Absud aus Bierbrot, Samen der papparhû-Pflanze (und) Fett 154) über Feuer kochen. (19) Ein Rohrbündel falle in die ˘ Flusses. (19) Man möge asˇsˇultu-Gras in die Öffnung des Kanals werfen, Mündung des (20) man möge Binsen in die Öffnung des Durchbruchs schütten. (21) Ningirim möge den Stöpsel des Bierfasses zurückbringen, (22) Gula möge die Pille des Absuds rollen, (23) und sie möge sie N.N., Sohn des N.N., essen lassen, so daß sein Darm sich (überkreuz) verdreht 155). … Es folgen drei weitere, fragmentarische Zeilen bis zum Ende der Beschwörung; darauf folgen Rubrik und Ritualanweisung.

2.6.3 Ein Rezept mit umfassender Symptombeschreibung Haupttextvertreter: K 3550 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: AMT 22/2. – Bearbeitung und Übersetzung: Geller, BAM VII, Nr. 50 (dort auch zu den Duplikaten). (Vs. 1) [Wenn

einem Menschen] sein Hals und Kopf wehtun, ihm schwindelt, (2) sein [Hals]wirbel ihn immerzu schmerzt und die Adern seines Halses schmerzhaft sind, (3) seine Arme, seine Brust, sein Rücken, und seine Schultern ihm wehtun, (4) (sein Bauch) Blähung hält, seine Gedärme aufgeblasen sind, sein Darm (eine stinkende Flüssigkeit) ausscheidet, (5) …, seine Hände, sein Fuß, und sein Unterschenkel ihn ›zernagen‹, (6) er an Lähmung leidet, entweder seine Hüften krank sind oder seine Nieren ihn ständig plagen 156), (7) oder er an Verengung leidet, sei es daß er an Verengung des Afters leidet, sei es daß er an Verengung der Blase (8) leidet, oder er an einer ›Narbe‹ der Niere leidet oder er an der Galle leidet oder er an Gelbsucht leidet, (9) [oder] er an einem 152. Wörtlich: ist gefallen. 153. Wörtlich: ist gefallen. 154. Akkadisch: ra-pi-iq bappir numun nunuzsar ì!?(sˇá).udu ina izi li-sˇab-sˇi-il. Beachte, daß in der folgenden Ritualanweisung Fett von einer Schafsniere, Bierbrot und papparhû-Samen zu einem Absud verkocht werden. Auch in dem teilweise parallelen Fragment KAR 79 (vgl. besonders Z. 2’, 6’) wird offenbar Fett mit verkocht (Z. 7’). 155. Der Darm verknotet sich gleichsam, um so den Durchfall zu stoppen. 156. Wörtlich: berühren.

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Markham J. Geller

Fluch leidet, oder er an der masˇkadu-Krankheit oder an der sagallu-Krankheit oder an der ›Hand des Geistes‹ (10) [oder] daran, daß ihm (etwas Behextes) zu essen und trinken gegeben wurde, oder am ›Böser-Diener‹-Dämon leidet: um sein ›Uhrwerk‹ 157) zu heilen: Es folgt eine Aufzählung von 75 Drogen. Wie diese Drogen zu einem Heilmittel zu verarbeiten sind, ist auf einer anderen Tafel erhalten (BAM III 253, neuassyrisch, Assur): (Rs. 36) Du

hackst (die Kräuter) in gleichen Mengen, (37) legst sie in roten Menschenurin, der kasû-Pflanze und Bier, (39) du badest ihn [dar]in, dann wird alle Krankheit (40) im Körper des Menschen gelöst sein. (38) Saft 158)

2.6.4 Rezepte gegen Afterkrankheiten in verschiedenen Überlieferungen Handschriften medizinischer Texte sind meist relativ unabhängig voneinander und besitzen eine relativ freie Gesamtstruktur. Einzelne Passagen und Rezepte lassen sich in verschiedenen Handschriften nachweisen – und oft sind es nur diese Duplikate, die uns heute eine vollständige Rekonstruktion der Texte erlauben. Meistens sind die Rezepte in den einzelnen Handschriften jedoch unterschiedlich arrangiert und auch innerhalb der einzelnen Rezepte lassen sich mehr Varianten beobachten als dies in den ›magischen‹ Texten der Beschwörungskunst der Fall ist, wo ›echte‹ Duplikate, die Abschnitt für Abschnitt und Zeile für Zeile denselben Text bieten, die Regel sind. Im Vergleich zu den Texten der Beschwörungskunst sind Handschriften medizinischer Texte oft heterogen. Uniforme Texte und allgemein akzeptierte Gesamtkompositionen mit fester Struktur lassen sich seltener nachweisen. Diese für medizinische Texte typische ›literarische‹ Form gilt auch für die Rezepte gegen Nieren- und Afterkrankheiten. Ein mustergültiges Beispiel für die typischerweise divergente Überlieferungssituation ist eine Sammlung von Rezepten gegen Afterkrankheiten, die in der neuassyrischen Priesterbibliothek von Sultantepe gefunden wurde (STT I 97 = SU 51/14+(+), Archäologisches Museum, Ankara). Zwei inhaltlich sehr ähnliche Tafeln wurden in Assur gefunden (ebenfalls neuassyrisch, also etwa zeitgleich: BAM I 95 = VAT 13752+, Vorderasiatisches Museum, Berlin, sowie BAM II 168 = VAT 9138, Vorderasiatisches Museum; Bearbeitung: Geller, BAM VII 21 und 34). Das Verhältnis der drei Tafeln zueinander illustriert das für medizinische Texte typische Überlieferungsbild bestens. Die zwei Assur-Tafeln enthalten Rezepte, die sich nicht in STT I 97 finden; umgekehrt fügt die Sultantepe-Tafel zusätzliche Rezepte für dasselbe Krankheitsbild ein und bietet die Symptombeschreibung, wo der Paralleltext aus Assur nur die Therapieanweisung überliefert. Der hier gebotene Auszug behandelt Abszesse und Geschwüre am After; die auf der Keilschrifttafel durch Abschnittstriche voneinander abgesetzten Texteinheiten werden je einzeln geboten:

157. Akkadisch masˇtaktu »Wasseruhr« (CAD M I 171 f.), hier als bildhafter Ausdruck für die inneren Funktionen des Körpers verstanden (von CAD M I 393 jedoch zu masˇtaqtu gestellt). 158. Wörtlich: Wasser.

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Texte aus Mesopotamien

STT I 97 Rs. III 1-4 // BAM I 95 Vs. 10-11: Wenn die Analmündung eines Menschen von einem harten ursˇu-Abszeß eingenommen ist und (daher) seine Analmündung blockiert ist, zerstößt du ku¯ru-Samen, die über dem Ofen [gedorrt worden sind], ›gehörntes‹ Alkali und nı¯nû-Pflanze, mischst es mit Schafsnierenfett, machst ein Zäpfchen und s[teckt es] in seinem After. STT I 97 Rs. III 5-6: Fett, kanaktu(-Harz), Fein[öl], ›Schlangenfett‹, baluhhu-Harz, ›[…]fett‹, ›[Lö]wen[fett]‹ : ˘˘ zusammen gekocht. STT I 97 Rs. III 7-8: abukkatu-Harz, [ … ]-Pflanze. [ … ] über Feuer [

[

… …

], ]….

baluhhu-Pflanze, ˘˘

baluhhu-Harz ˘˘

STT I 97 Rs. III 9: ›Gehörntes‹ Alkali, Koloquinte, nı¯nû-Pflanze, [ … ] Salz [ … ] … . STT I 97 Rs. III 10-14 // BAM 95 Vs. 12-13: Um einen Abszeß zu öffnen 159), das Geschwür ›abzupflücken‹ und seine Analmündung zu weiten: Röstkorn, …, ›gehörntes‹ Alkali, nı¯nû-Pflanze, sahlû-Pflanze, ›Weiße Pflanze‹, ˘ du zusammen fein, siebst ›Fledermauskot‹ und Blocksalz, diese acht Drogen 160) zerstößt (sie und) mischst (sie) mit Fett. [Du mach]st [ein Zäpfchen] und steckst es in seinen After, dann wird er Genesung erfahren 161). STT I 97 Rs. III 15-18 // BAM 95 Vs. 14-15: Wenn der After eines Menschen verengt und sein After 162) voll von Abszessen und Geschwüren ist – um ihn zu heilen: du zerstößt in gleichen Mengen zusammen: nı¯nû-Pflanze, Wacholder, kanaktu-Pflanze, ›Pflanze des Lebens‹. Du mischst (es) in Fett und baluhhu-Harz, machst ein Zäpfchen, steckst es in seinen After und er wird genesen. ˘˘ STT I 97 Rs. III 19-22: Wenn der After eines Menschen von Geschwüren eingenommen ist und seine Mündung blockiert ist – um sein Geschwür ›abzupflücken‹ : [ … ], aktam-Pflanze, ›Sietrat-1000-entgegen‹-Pflanze, [ … ], urnû-Pflanze, nı¯nû-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze [ … ]; du machst ein Zäpfchen, steckt es in seinen After und er wird genesen. 159. Wörtlich: zu zerbrechen. 160. Der Passus »diese acht Drogen« nur in STT I 97; der Assur-Text nennt zwei Drogen weniger und zeigt auch eine etwas andere Reihenfolge. 161. Die Schlußformel findet sich nur in STT I 97. 162. Lies in BAM VII, S. 130: 14 Ms. AE (= STT I 97 Rs. III 15) ha-niq-ma dúr-sˇú ur-sˇe (statt ˘ dúr.gig).

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STT I 97 Rs. III 23-37, teilweise // BAM III 168 Vs. 40-Rs. 53 Den Anfang des Textes bietet nur STT I 97: (23) Wenn

einem Menschen [seine] Gedärme brennen und Kälte ihn (24) dauernd schmerzt, [ … ], seine Hüften (und) [seine] Unterschenkel ihn ›packen‹, (25) auf seinem Ha[ls … ], er seinen [Speichel] ausstößt, (26) … zu seinem ›Herz‹, zu dem … seines ›Herzens‹ [ … ], (und) [seinen … ] ›packt‹ : (27) dieser Mensch leidet an einem kranken After. (28) Um die ›Hand des Schicksals‹ (-Krankheit) zu erleichtern – Spü[lung] für einen kranken [After]. Die folgenden Zeilen finden sich in STT I 97 und BAM III 168:

(29) Um

die Darmverstopfung zu erleichtern 163), [um diesen Menschen] zu heilen: Dattel-Saft, Keuschbaum-Saft, … , (31) …-Saft, kasû-Saft,

(30) Wacholder-Saft 164),

Daran schließen sich einige Zeilen an, die nur BAM III 168 überliefert; dort beginnt mit der folgenden Zeile ein neues Rezept: 165) (Rs. 42) Du

zerstößt … , Öl, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, sieben Körnchen [ … ], (43) sieben Körnchen Koloquinte zusammen, verquirlst (es) in Öl (44) und Bier; er trinkt es auf nüchternen Magen, dann wird er gesunden. (45) Wenn ein Mensch an Verengung der Blase leidet: Zwei Sekel Myrrhe, zwei Sekel baluhhu-Harz, ˘˘

Ab hier findet sich der Text wieder in beiden Handschriften (Zeilenzählung nach STT I 97): (31) has ˇû-Saft,

nuhurtu-Saft, (32) Salzwasser, Saft von allen aromatischen (Drogen) – von ˘ diesen Säften nimmst du (33) jeweils einen halben Liter, verquirlst (sie) zusammen, kochst (und) filterst (sie), (34) läßt (sie) erkalten. Einen halben Liter 166) Öl mischst du mit ihnen; du zerstößt sieben Körnchen der ›Pflanze des Lebens‹ (35) (und) gibst (sie) hinein. Du teilst die Flüssigkeit in drei Teile, dann gießt du (sie) einmal, zweimal, dreimal (36) in seinen After; die Verstopfung wird erleichtert sein. Wenn die Abszesse geöffnet sind, (37) wenn die Geschwüre ›abgepflückt‹ sind, wird die Krankheit gelindert sein (38) und sein After wird sich weiten. Diese Spülung ist für die Lösung von ›Bann‹ (und) für alle Krankheiten geeignet.

163. D. h. um eine Abführung vorzunehmen. 164. »Saft« hier und im folgenden wörtlich: Wasser. 165. F. Köcher, BAM II, xvii, geht davon aus, daß dieser Passus im STT-Text fehlerhaft ausgelassen wurde. Angesichts der zahlreichen Überlieferungsvarianten zwischen beiden Texten erscheint mir diese Annahme jedoch wenig wahrscheinlich. 166. In der Umschrift in BAM VII, S. 206: 48, Ms. AE (= STT I 97 Rs. III 34) versehentlich ausgelassen.

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2.7 Innere Krankheiten

Barbara Böck Der überwiegende Teil der Heilmittelempfehlungen der keilschriftlichen Medizin – nach vorsichtiger Schätzung wird man von knapp 70 % ausgehen können – handelt von Erkrankungen des Leibesinneren. Diese umfassen die Bereiche von Brustraum, Herz, Lunge, Leber, Magen, Bauch, Lenden, Unterleib, Harnblase und After. Die große Anzahl von Rezepten reflektiert ohne Zweifel nicht nur, welche Bedeutung die altmesopotamischen Heilkundigen den Erkrankungen des Inneren zumaßen, sondern vermutlich auch die Anfälligkeit dieses Körperbereiches, wenn wir die klimatischen und hygienischen Bedingungen, aber auch die Diät und die zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel im Land zwischen Euphrat und Tigris berücksichtigen. Gegenstand dieses Kapitels bilden Heilmittelempfehlungen für Krankheiten im Magen- und Bauchbereich, der die an der Verdauung beteiligten Organe von Galle und Leber einschließt. Eine der Schwierigkeiten bei der Übersetzung dieses Textmaterials besteht in dem Verständnis und der Rekonstruktion der Krankheitssymptome, welche die altmesopotamische Vorstellung von der Funktion der einzelnen Körperorgane widerspiegeln, d. h. in der Interpretation des altmesopotamischen Konzeptes der Pathophysiologie. Unmittelbar damit verbunden ist die Vagheit einiger Bezeichnungen wie z. B. das akkadische libbu, welches für »Herz«, »Bauch«, »Leib«, »Inneres« und »Darm« stehen kann. Es ist sicherlich zu Recht immer wieder betont worden, daß die keilschriftliche Rezeptliteratur kaum etwa den griechischen medizinischen Schriften vergleichbare Theorien oder Analysen über physiologische Vorgänge im menschlichen Körper hervorgebracht oder, vielleicht treffender formuliert, schriftlich fixiert hat. Dennoch finden sich mitunter überraschend detaillierte Beschreibungen einzelner Körpervorgänge und Funktionen sowie eine sehr viel genauere Terminologie von Körperorganen in einem Textgenre, welches den Heilmittelempfehlungen untergeordnet und Teil der medizinischen Literatur bildet: den Beschwörungen. So wurde der Verdauungstrakt mit einem Kanalsystem verglichen und Störungen mit der Verstopfung der einzelnen Kanäle gleichgesetzt. 167) Im folgenden wird eine Übersetzung von Heilmittelempfehlungen geboten, die dem ›Rezepthandbuch‹ entnommen sind, welches in der Bibliothek Assurbanipals in Ninive rezipiert, kompiliert und aufbewahrt wurde. Es handelt sich dabei um ein Kapitel, das sich aus fünf Abschnitten oder Unterkapiteln zusammensetzt, welches nach altmesopotamischer Tradition mit seiner Anfangszeile »Wenn ein Mensch168) an (schwerer) Verschleimung (der Atemwege) leidet, diese aber umschlägt / übergeht in (die Krankheit, die gekennzeichnet ist durch Magen- und Darm)koliken« bezeich-

167. S. für die Übersetzung der einschlägigen Beschwörung W. Farber, Mannam lusˇpur ana Enkidu: Some Thoughts About an Old Motif, JNES 49 (1990) 319-320; vgl. auch Text 2.6.2 in vorliegendem Band. 168. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«.

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net wurde. Jedes einzelne Unterkapitel, das einer Tontafel entspricht, trägt wiederum einen eigenen Untertitel. Die insgesamt fünf Tontafeln zeigen das Standardformat des ninivitischen Rezepthandbuches: alle Tafeln weisen in etwa dieselbe Größe (Höhe: 27-28 cm, Breite: 16-17 cm) und Dicke (2,0-2,5 cm) auf und sind in jeweils zwei Kolumnen auf Vorder- und Rückseite aufgeteilt, wobei jede einzelne Kolumne 60 bis 70 Textzeilen zählt. Die meisten der Haupttextvertreter sind seit langem bekannt; erste Bearbeitungen und Editionen der Keilschriftautographien verdanken wir F. Küchler (Beiträge zur Kenntnis der assyrisch-babylonischen Medizin, Leipzig 1904 = BKBM) und R. Campbell Thompson (Assyrian Medical Texts, London 1923 = AMT; Assyrian Medical Prescriptions for Diseases of the Stomach, RA 26 [1929] 47-58, 77, 80). Systematisch wurden die Keilschrifttexte des Kapitels von F. Köcher in Babylonisch-assyrische Medizin in Texten und Untersuchungen (BAM) Bd. I, II und VI autographiert. Eine Bearbeitung des Kapitels legte D. Cadelli in ihrer unveröffentlichten Dissertation Recherche sur la médicine mésopotamienne, Paris 2000, vor. Allgemein charakteristisch für Rezeptsammlungen aus dem ausgehenden 2. Jt. und dem 1. Jt. v. Chr. ist die Themenbreite der Heilmittelempfehlungen, die nicht nur magische Heilpraktiken und natürliche Therapien, sondern auch eine ganze Reihe von Beschwörungen unterschiedlicher Länge umfaßt. Die vorgestellten Rezepte sind sicher älter als die Bibliothek Assurbanipals, was aus Parallelen zur nur wenige Jahrzehnte bis Jahrhunderte älteren Literatur aus den Städten Assur und Sultantepe hervorgeht; zumindest eine der inkorporierten Beschwörungen war bereits Ende des 3. Jt. v. Chr. im Umlauf. Die ersten drei Abschnitte oder Unterkapitel handeln von inneren Krankheiten, die folgenden zwei bieten Heilmittelempfehlungen bei Fieber und werden hier in Kapitel 2.8 »Fieberkrankheiten« behandelt. Der erste Abschnitt enthält Rezepte für Magen-Darmkoliken, Leibschmerzen und ›Wind‹, der typischen Bezeichnung für schmerzhafte Blähungen und schwere Komplikationen bei der Verdauung. Im zweiten Abschnitt sind eine Reihe von Rezepten für den Fall, ein Mensch ist »krank am Leib«, für Erkrankungen des Darmtraktes und Verdauungsstörungen aufgezeichnet. Im dritten Abschnitt wurden Heilmittelempfehlungen bei Erkrankungen des Epigastriums, der Galle und schließlich Rezepte gegen Gelbsucht aufgenommen. Stil und Format der Heilmittelempfehlungen sind sehr unterschiedlich gehalten, was wiederum darauf hinweist, daß die einzelnen Rezepte aus unterschiedlichen (schriftlichen wie mündlichen) Quellen stammen – zumindest in einem Fall wird ein paralleles Rezept zitiert. So finden sich neben der bloßen Aufzählung der Ingredienzien mit kurzen Angaben zu Zubereitung und Einnahmeform des Heilmittels detaillierte Maßangaben nicht nur für die einzelnen Drogen, sondern auch für die benötigten Trägerflüssigkeiten bei der Bereitung und Verabreichung des Medikamentes. Aus einem der Rezepte geht hervor, daß sich die altmesopotamischen Heilkundigen durchaus der Gefahr einer tödlichen Überdosis bewußt waren. Die Heilmittelempfehlungen sehen sowohl rein äußerliche Behandlungen wie das Anlegen von Breiumschlägen, kalte Übergießungen, Hockstellungen (wohl zur Verminderung der Spannung im Bauche) und Schaukel- oder Tragmanipulationen vor als auch Mittel zum Einnehmen. Hier läßt sich zwischen dem einfachen Arzneitrank, der aus einer Mischung von Droge und Trägerflüssigkeit besteht, und dem Trank, der aus vormali70

Texte aus Mesopotamien

ger Mazeration, Digestion oder Dekoktion gewonnen wurde, unterscheiden 169). Neben den Trank tritt die Verabreichung von zu essenden Drogenmischungen. Interessant sind die zahlreichen Heilmittelempfehlungen, die Klysmas und Tränke vorsehen, um den Patienten zum Purgieren und Erbrechen zu reizen.

2.7.1 Erste Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an Verschleimung leidet, diese aber in Koliken umschlägt« Keilschrifttafel: K 191+ (7. Jh. v. Chr.); Haupttextvertreter, für weitere Textexemplare vgl. Köcher, BAM VI, xxvii-xxviii. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: BAM VI 574. – Übersetzungen: Küchler, BKBM, 1-13; Thompson, RA 26 (1929) 77, 80; Cadelli, Recherche (non vidi).

(a) Magen- und Darmkoliken (Vs. I 1) Wenn

eine Mensch an (schwerer) Verschleimung (der Atemwege) leidet, diese aber umschlägt / übergeht in (die Krankheit, die gekennzeichnet ist durch Magen- und Darm)koliken: Wurzel der Mandragora, Wurzel vom Süßholz, (2) tarmusˇ-Pflanze, ›Sietrat-an-gegen-1000‹-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze, tullal-Pflanze, sˇakirû-Pflanze. Diese sieben Drogen zerstößt du zusammen, (3) fügst sie Bier zu, läßt es über Nacht unter den Sternen stehen 170); morgens soll er es wiederholt auf nüchternem Magen trinken, dann wird er genesen. … (11) Wenn ein Mensch an einer Magen- und Darmkolik leidet, sollst du ihn sich hinhokken lassen, (12) auf seine (Leibes)fläche legst du hin einem Rezipienti erhitztes, noch warmes kasû-Wasser, dann wird er genesen. 171) (13) Wenn dito, soll er sich auf seine Füße knien (und) sich hinsetzen, du träufelst/gießt kaltes Wasser auf seinen Kopf. (14) Wenn dito, richtest du seinen Kopf nach unten (und) hebst seine Füße hoch, (15) nach unten gerichtet schlägst du leicht seine Wange, nach oben gerichtet reibst du (die Wange) ab, dann sprich zum Leib »Sei gut!«. Du berührst mit deinem großen Finger 172) (16) vierzehnmal seine Pobacken, vierzehnmal seinen Kopf und vierzehnmal den Boden.

(b) Magen-Darmkolik und starke Verdauungsstörungen (26) Wenn

ein Mensch unter Magen- und Darmkolik leidet, sein Leib weder Essen noch Trinken aufnimmt, er immer wieder durch seinen Mund aufstößt, sein Magen ihm stechende Schmerzen bereitet, (27) er sich ständig erbricht, [… sein Körper] ständig erschlafft, Wind in seinem Anus rumort, seine Gedärme geschwollen sind, um ihn zu heilen: (28) ½ Liter Dattelwasser, ½ Liter kasû-Wasser, zehn kisal-Maß Essig, 24,9 Gramm gepreßtes Öl, 16,6 Gramm Sirup; 83,3 Gramm Minze (29) zerstößt du, gibst es (zu den

169. Für eine Diskussion dieser Techniken zur Herstellung von Arzneien s. mein »On Medical Technology in Ancient Mesopotamia«. A. Attia / G.Buisson, Advances in Mesopotamian Medicine from Hammurabi to Hippocrates, Leiden 2009, 105-128. 170. Um es zu mazerieren. 171. Es liegt nahe, hier eine Art Wärmebehandlung (etwa dem Auflegen einer Wärmflasche vergleichbar) anzunehmen. 172. Zeigefinger.

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Flüssigkeiten), läßt es über Nacht unter dem Sternbild der Ziege stehen; am Morgen läßt du ihn es auf nüchternem Magen trinken, (30) danach läßt du ihn ½ Liter FischWürzsoße 173) trinken, er soll durch seinen Mund und seinen After purgieren, du sollst ihn abreiben, dann wird er genesen.

(c) Leibschmerzen (Vs. II 1) Wenn

einem Menschen sein Leib schmerzt, zerstößt du ›Lungen‹-Pflanze (und) Salz, hdu fügst esi zu Wasser, Bier oder Wein, eine Beschwörung rezitierst du darüber, er soll es trinken. … (10) Wenn einem Menschen sein Leib gebunden ist, grüne Zwiebel (und) sumlalû-Pflanze ˙ zerstößt du miteinander, schlägst es in Wasser ein, läßt es ihn auf nüchternem Magen (11) Datteln soll er zusammen mit Schmalz oder Butter essen. … trinken; (15) Wenn einem Menschen sein Leib immer wieder gebunden ist, seine Gedärme sehr stark aufgebläht sind, fügst du heiner Flüssigkeiti ›Lungen‹-Pflanze, Kalmus, ballukkuPflanze (und) (16) Wacholder zu, erhitzt es, filterst es, noch warm führst du es in seinen After ein, dann wird er genesen. … (38) Wenn ein Mensch ständig ausruft »Mein Bauch, mein Bauch!«: urnû-Pflanze, ›Lungen‹-Pflanze, tijatu-Pflanze, (39) nuhurtu-Pflanze, Minze, sahlû-Pflanze, tarmusˇ-Pflanze, ˘ ˘ ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze, aktam-Pflanze, (40) masˇtakal-Pflanze, Tamariske. Diese zwölf Drogen läßt du ihn auf nüchternem Magen trinken. … ˇ amasˇ im Bergland […] (und) war krank. (Rs. III 23) Beschwörung: 174) »Der Bauch des S Die Heilpflanze für den Bauch wächst in Makkan, und Sîn […]. (24) Das Gesicht des Sˇamasˇ leuchtete auf, Sˇamasˇ brachte die Heilpflanze aus dem Bergland und (25) pflanzte sie in die Erde ein, ihre Wurzel bedeckte die Erde, ihre ›Hörner‹ stießen bis an den Himmel. (26) Nachdem sich Sˇamasˇ erhoben hatte, befielen ihn Bauchschmerzen, Sîn in den Wolken befielen Bauchschmerzen, dem Rind im Stall schmerzte der Bauch, (27) dem Schaf in der Hürde schmerzte der Bauch, dem Esel in der Herde schmerzte der Bauch, (28) dem Hund an der Kette schmerzte der Bauch, dem Schwein im Viehstall schmerzte der Bauch, (29) den jungen Mann befielen beim Spiel Bauchschmerzen, die junge Frau befielen im Bett Bauchschmerzen, (30) es befielen Bauchschmerzen den N.N., Sohn des N.N.; tumurê tugarê. (31) Bereits bei ihrer (der Heilpflanze) Aussaat, verließ (der Schmerz) seinen Körper; wann/wo auch immer er es eingesetzt hat, verschwand (der Schmerz).« Wortlaut der Beschwörung. (32) Ritualanweisung dazu: urnû-Pflanze, nuhur˘ tu-Pflanze, tijatu-Pflanze, kasû-Pflanze, Minze (33) zerstößt du miteinander, in Öl schlägst du es ein, rezitierst die Beschwörung darüber, läßt es ihn mit seiner linken Hand trinken, dann wird er genesen.

173. Entspricht dem römischen Garum. 174. Die Beschwörung wurde mehrmals bearbeitet, wobei der Terminus libbu, ohne die kontextuelle Einbettung der Komposition zu berücksichtigen, mit »Herz« wiedergegeben wurde; s. E. Reiner, Your Thwarts in Pieces, Your Mooring Rope Cut, Ann Arbor 1985, 94 ff. und N. Veldhuis, The Heart Grass and Related Matters, OLP 21 (1990) 27 ff.

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Texte aus Mesopotamien

2.7.2 »Wenn ein Mensch leibeskrank ist«: Zweite Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an Verschleimung leidet, diese aber in Koliken umschlägt« Keilschrifttafel: K 71b+ (7. Jh. v. Chr.).; Haupttextvertreter, für weitere Textexemplare vgl. Köcher, BAM VI, xxviii-xxix. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: BAM VI 575. – Übersetzungen: Küchler, BKBM, 14-41; Cadelli, Recherche (non vidi).

(a) Krank am Leib (Vs. I 2) Wenn ein Mensch leibeskrank ist, zerstößt du ›Fuchswein‹, läßt es ihn in Bier trinken. ›Sie-trat-an-gegen-[…‹-Pflanze läßt du ihn in Bier trinken], (3) milchführende Pflanze zerstößt du, in Bier läßt du ihn es trinken. – ½ Liter sahlû, ½ Liter Salicornium, (4) ½ Li˘ ter Flußschlamm, ½ Liter Keuschbaum, ½ Liter isqu¯qu-Mehl, ½ Liter Wacholder, ½ Liter kukru-Pflanze, (5) ½ Liter Bohnenmehl, ½ Liter Erbsen/Linsenmehl, ½ Liter sikilluPflanze, ½ Liter ›Hirtenstab‹-Pflanze, ½ Liter urnû-Pflanze (6) zerkleinerst du, weichst es in erstklassigem Bier in einem Ofen ein, du verteilst es auf einem Tuch, legst es vorne und an den Seiten an – drei Tage hindurch sollst du es nicht abnehmen. … (12) Wenn ein Mensch leibeskrank ist: getrocknete Blätter der Koloquinte zerkleinerst du, siebst du, mit Sirup, erstklassigem Bier und gepreßtem Öl (13) verschlägst du es, in seinen After führst du es ein, dann wird er genesen. (14) Wenn ein Mensch leibeskrank ist: sua ¯ du-Pflanze preßt du aus, weichst es in kaltem Wasser ein, läßt es ihn auf nüchternem Magen trinken. … (21) Wenn ein Mensch leibeskrank ist und die Innenseite seiner Gebeine gelblich verfärbt ist, sein Leib mit Wunden bedeckt ist, er Fieber hat: (22) das Mark der Koloquinte vermischst du mit pulverisiertem Röstkorn, vierzehn Pillen benetzt du mit Sirup, er soll sie schlucken. …

(b) Blähungen (Vs. II 17) Wenn einem Menschen die Gedärme aufgebläht sind, immer wieder an- und abschwellen, er immer wieder versucht, seinen Leib zu entleeren, um ihn zu heilen: (18) du zerstößt Knoblauch und Schwarzkümmel miteinander, gibst es ihm in erstklassigem Bier wiederholt zu trinken, dann wird er genesen. … (20) Wenn einem Menschen die Gedärme gebläht sind, immer wieder an- und abschwellen, Luft in seinem Leib bleibt (und sein Bauch) Geräusche macht, trägst du das Mark von Koloquinte auf seinen After auf, (21) zerstößt Knoblauch (und) Kümmel, gibst es ihm wiederholt in Bier zu trinken, zwei Tage hindurch führst jeweils einen ½ Liter Öl in seinen After ein, dann wird er genesen. …

(c) Starke Verdauungsstörungen (35) Wenn bei einem Menschen die Gedärme zu sehr aufgebläht sind, Essen und Trinken aus seinem Munde wieder hervortritt, sein Kopf und seine Brust ›gebunden ist‹, (36) erwärmst du einen Absud von isqu¯qu-Mehl, gibst es ihm wiederholt mit Sirup, Fett und Butter zu essen; Knoblauch, Zwiebel, (37) … sahlû-Pflanze, urnû-Pflanze darf er drei Tage lang nicht essen, in Wasser darf er nicht baden,˘ dann wird er genesen. …

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Barbara Böck (43) Wenn einem Menschen die Gedärme gebläht sind, er ständig Husten und Speichel produziert, er keinen Appetit auf Brot und Bier hat, um ihn zu heilen: Minze, sahlû˘ Pflanze zerstößt du miteinander, (44) in Bier läßt du ihn es trinken, urnû-Pflanze erhitzt du in kasû-Wasser, filterst den Dekokt, läßt es abkühlen, noch warm führst du es in seinen After ein, dann wird er genesen. … (50) Wenn einem Menschen sein Leib aufgetrieben ist, gibst du ihm zehn kisal-Maß Keuschbaumwasser und zehn kisal-Maß Salzwasser in Sirup und Bier zu trinken. (51) Wenn dito, soll er Granate essen und Granatensaft trinken. … (Rs. III 25) Wenn bei einem Menschen ständig Wind im Darm rumort, um ihn zu heilen: du trocknest Wurzel der ›Hundezunge‹, welche du beim Herausziehen nicht die Sonne hast sehen lassen, (26) zerstößt sie, gibst sie ihm in erstklassigem Bier auf nüchternem Magen zu trinken, er wird genesen. … (28) Wenn bei einem Menschen Wind seinen Leib ständig befällt wie bei einer Schwellung, 5,53 Gramm Zeder, 4,15 Gramm sˇurme¯nu-Zypresse, 2,76 Gramm Myrte, 83,3 Gramm sˇupuhru-Pflanze, (29) 83,3 Gramm Salz der emesˇallu-Art, Wacholder (und) ku˘ kru-Pflanze zerkleinerst du zusammen, zerreibst es, erhitzt es in erstklassigem Bier, seihst es ab, fügst Öl hinzu, führst es in seinen After ein, dann wird er genesen. (30) Wenn ein Mensch wegen der Luft in seinem Darm zu zittern anfängt, er Geräusche hervorbringt und sein Körper, seine Extremitäten, seine Brust und seine Hüften (31) wiederholt schmerzen, sein Körper erst taub ist, dann kribbelt, er abgenommen hat, von Geruch bedeckt ist, seine Gesichtszüge immer wieder entstellt sind, (32) er den gesamten Tag über Fieber gehabt hat, um ihn zu heilen: kukru-Pflanze, Wacholder, ata¯3isˇuPflanze, ›Lungen‹-Pflanze, sahlû-Pflanze, kasû-Pflanze, (33) ama¯nu-Salz, urnû-Pflanze, Zweige einer Tamariske. Diese˘ neun Drogen zerstößt du miteinander, weichst sie ein in gutem Wein und erstklassigem Bier, (34) am Abend stellst du es unter die Sterne, um es über Nacht stehen zu lassen, am Morgen erhitzt du es, seihst es ab, läßt es abkühlen. 0,35 Gramm Sproß der Koloquinte, (35) 0,35 Gramm Salpeter zerstößt du miteinander, schlägst es (in die Flüssigkeit) ein, gibst es ihm vor Sonnenaufgang zu trinken, (36) dann reizt du ihn mit einer Feder, damit er sich erbricht. Wenn du nicht siehst, daß er sich bessert, dann führst du es in seinen After ein, dann wird er genesen. … (Rs. IV 48) Wenn ein Mensch weder Brot noch Bier aufnehmen kann, sein Körper immer wieder erschlafft, Wind in seinem After rumort, um ihn zu heilen: ½ Liter Dattel-Wasser, ½ Liter kasû-Wasser, (49) ½ Liter Fisch-Würzsoße 175), 16,6 Gramm Minze, 24,9 Gramm gepreßtes Öl, 24,9 Gramm Berg-Sirup bringst du zusammen, verschlägst es, am Abend läßt du es über Nacht unter dem Sternbild der Ziege stehen, (50) am Morgen erhitzt du es, seihst es ab, läßt es abkühlen, du entnimmst davon mehrere gleich große Dosen, danach trinkt er diese. Du füllst Wasser und Bier (in ein Gefäß), sı¯hu-Pflanze, ˘ argannu-Pflanze, (51) barı¯ra¯tu-Pflanze, kasû-Pflanze, kasû-Zweig (und) Keuschbaumsamen fügst du hinzu, du erhitzt es, seihst es ab, gibst ihm diesen Trank zu trinken, dann (52) spülst du ihn ab, salbst seinen Körper mit Öl ein; du zerstößt ›Fuchswein‹ (und) ›Hundezunge‹, gibst es ihm in Bier zu trinken, (53) lipa¯ru-Blatt (und) Süßholz-Zweig trocknest du, zerkleinerst es miteinander, siebst es, vermischst es mit Talg, streichst es auf ein Stück Leder, legst es ihm an, dann wird er genesen.

175. Entspricht dem römischen Garum.

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2.7.3 »Wenn einem Menschen sein Epigastrium schmerzt, …«: Dritte Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an Verschleimung leidet, diese aber in Koliken umschlägt« Keilschrifttafel: K 61+ (7. Jh. v. Chr.).; Haupttextvertreter, für weitere Textexemplare vgl. Köcher, BAM VI, xxix-xxx. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: BAM VI 578. – Übersetzungen: Küchler, BKBM, 42-63; Cadelli, Recherche (non vidi).

(a) Gallenerkankungen (Vs. I 1) Wenn

einem Menschen sein Epigastrium schmerzt, er immer wieder Gallenflüssigkeit erbricht beim Aufstoßen, leidet dieser Mensch unter der qerbe¯nu-Krankheit. (2) Er soll weder von Knoblauch und Porree, noch von Rinderfleisch, Schweinefleisch und Bier vom Brauer etwas einnehmen. Um ihn zu heilen: (3) ½ Liter sahlû-Pflanze, ½ Liter Wacholder, ½ Liter kukru-Pflanze, ½ Liter Leinsamen, ½ Liter ˘Gerstenschrot, ½ Liter sua¯du-Pflanze, (4) ½ Liter qudra¯tu-Pflanze, ½ Liter kasû-Pflanze, ½ Liter Keuschbaum, ½ Liter kisˇsˇe¯nu-Hülsenfrucht, ½ Liter papası¯tu-Mineral, (5) ½ Liter asˇû-Pflanze, ½ Liter Minze, ½ Liter ›Taubenkot‹, 0,33 Liter kamantu-Samen, 0,33 Liter eresˇti-eqli-Pflanze, (6) zehn kisal-Maß baluhhu-Harz, zehn kisal-Maß Koralle, ein Liter Weizenmehl, ein Liter ˘ ˘ billatu-Bier (7) und ein Liter isqu¯qu-Mehl zerkleinerst du zusamDatteln, ein Liter gutes men, siebst es, stellst mit Bier einen Brei her, streichst ihn auf ein Tuch, legst es ihm drei Tage an, (8) am vierten Tag nimmst du es ab und examinierst (den Kranken). Wenn sich ein weißliches Geschwür (gebildet hat) und sein Leib sich beruhigt, (9) wenn sich ein rotes Geschwür (gebildet hat) und sein Leib Fieber hat, oder wenn sich ein gelbliches Geschwür gebildet hat (und) er Fieber hat, (10) so lege es ihm erneut an. Wenn sich ein schwarzes Geschwür gebildet hat, wird ihn (die Krankheit) weiterhin leiden lassen, und er wird nicht genesen. (11) Wenn das Geschwür verloschen ist, zerkleinerst du ›Klumpen des Feldes‹ (und) Sediment, welches von Sonnenglut getrocknet wurde, (12) filterst es, verknetest es mit kasû-Wasser, legst es ihm an. Danach gibst du ihm sahlû-Pflanze in ˘ Bier zu trinken. (13) Wann immer er trinkt, spülst du ihn mit Keuschbaum-Wasser, Tamariske, aktam-Pflanze (und) masˇtakal-Pflanze. (14) Wenn ein Mensch gallenkrank ist, zerstößt du Knoblauch, gibst es ihm auf nüchternem Magen in Wasser zu trinken. … (16) Du gibst ihm Dünnbier zu trinken, du läßt ihn sich erbrechen. … (18) abukkattu-Harz zerkleinerst du, gibst es zu Dünnbier, läßt es über Nacht unter den Sternen stehen, am nächsten Morgen fügst du Sirup, gepreßtes Öl hinzu, gibst es ihm zu trinken, er soll sich erbrechen. (20) ›Alleinstehende‹-Pflanze – eine Pflanze für die Galle – du gibst es ihm in Bier zu trinken. (21) mergira¯nu-Pflanze – eine Pflanze für die Galle – du gibst es ihm in Bier zu trinken. kasû-Pflanze – eine Pflanze für die Galle – du gibst es ihm in Bier zu trinken. (22) Wacholder – eine Pflanze für die Galle – du gibst es ihm in Bier zu trinken. nuhurtu-Pflanze – eine Pflanze für die Galle – du ˘ vom Süßholz – ein Heilmittel für die Galle – gibst es ihm in Bier zu trinken. (23) Rinde 176) du gibst es ihm in Bier zu trinken. Blatt vom alla¯nu-Baum – ein Heilmittel für die Galle – du gibst es ihm in Bier zu trinken. (24) Fledermaus-Guano – ein Heilmittel für die Galle – du gibst es ihm in Bier zu trinken. Salz-Klumpen – ein Heilmittel für die Galle – du gibst

176. Oder: Schale.

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es ihm in Bier zu trinken. (25) Knoblauch – eine Pflanze für die Galle – du gibst es ihm in Bier zu trinken. Wurzel der Mandragora in männlicher Variante – ein Heilmittel für die Galle – du zerstößt es, gibst es ihm in Bier zu trinken. (26) Süßholz-Wurzel – ein Heilmittel für die Galle – du gibst es ihm in Öl und Bier zu trinken. siba¯ru-Pflanze – eine ˙ 177) … Pflanze für die Galle – du zerstößt es, gibst es ihm in Wasser zu trinken. (Vs. II 20) Wenn einem Menschen auf nüchternem Magen sein Epigastrium nagende Schmerzen bereitet, (sein) Leib immer wieder Fieber bekommt, er beim Aufstoßen Galle erbricht, ist dieser Mensch an pa¯sˇittu- (21) und duga¯nu-Krankheit erkrankt. Um ihn zu heilen: kukru-Pflanze, Wacholder, Harz der abukkattu-Planze, aktam-Pflanze, ata¯3isˇuPflanze, Salz, Alkali – alles in frischem Zustand – (22) weichst du in erstklassigem Bier ein, läßt es über Nacht unter den Sternen stehen, am Morgen seihst du es ab, gibst es ihm auf nüchternem Magen zu trinken und läßt ihn sich erbrechen, dann wird er genesen. (29) Beschwörung: 178) »Ja, Galle durchbrach die Erde wie (grüne) Kräuter, (30) ja, einer Ziege gleich hat sie den Kopf erhoben und einem Ziegenbock gleich trägt sie Weißes. (31) Einer Wasserschlange gleich züngelt sie mit ihrer gespaltenen Zunge, einer Schlange auf verbranntem Boden gleich spuckt sie ihren galligen Geifer. (32) ›Galle, die du dich selbst erschaffen hast, einem Gefäß gleich zerbreche! (33) Dem Feuer gleich verlösche, dem Feuer von Halfa-Gras gleich verlösche wie von selbst! hDem Feuer einer Dattelpalme gleich verlösche wie von selbst!i‹ (34) Enki soll die Beschwörung Ningirims, den Zauberspruch aus Eridu, (35) (seinem) Gemach in der unterirdischen Wassertiefe, herauslassen! (36) Nimm einen Klumpen Salz in die Hand, rezitiere die Beschwörung darüber, (37) lege es in seinen Mund, dann wird sie (die Galle) wie Wind fahren gelassen! (38) Einem Rülps gleich breche sie hervor! Heraus komme sie wie ein Furz 179) aus dem After!« hBeschwörungsformel bei Gallei. (39) Beschwörung: »Galle, alles vertilgende Galle! (40) Galle schreitet einem gelbgrünen Reiher gleich im Röhrricht, (41) steht herum am Rohreszaun. (42) Es sieht der, der ißt, nur das Brot, es sieht der, der trinkt, nur das Bier. (43) Genauso wie du Brot ißt, genauso wie du Bier trinkst, (44) so will ich über euch herfallen, und du wirst aufstoßen wie ein Rind.« Beschwörung. (45) Beschwörung: »Die Ziege ist grün, grün ist ihr Junges, grün ist ihr Hirte, grün ist ihr Hüterjunge. (46) Im grünen Grunde frißt sie grüne Gräser, aus dem grünen Bach trinkt sie grünes Wasser. (47) Er warf einen Stock nach ihr, doch sie wandte ihr Gesicht nicht um – er warf einen Erdklumpen nach ihr, doch sie erhob nicht ihr Haupt. (48) Dann warf er eine Mischung aus ›Lungen‹-Pflanze und Salz nach ihr – da erhob sich die Galle wie ein Nebelschwaden dahinschwindend. (49) Die Beschwörung ist nicht meine. Es ist die Beschwörung Eas und Asalluhis, es ist die Beschwörung Damus und Gulas.« Beschwörung. ˘ (67) Wenn Galle einen Menschen gepackt hat, zerstößt du kasû-Pflanze, in Bier gibst du 177. Der vorausgehende Abschnitt ist hier ist als eine Art Vademecum zur Behandlung von Gallenproblemen eingeschoben. 178. Die sumerische Beschwörung war bereits im ausgehenden 3. Jt. v. Chr. im Umlauf und wurde mehrfach übersetzt. S. B. Alster, A Sumerian Incantation against Gall, OrNS 41 (1972) 349-58 und P. Michalowski, Carminative Magic: Towards an Understanding of Sumerian Poetics, ZA 71 (1981) 1-18. Man beachte, daß die zugehörige, ebenfalls sumerische Ritualanweisung gleichsam Teil der Beschwörung geworden ist. 179. Oder: Schleim.

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ihm es zu trinken, er soll sich erbrechen. Wenn dito, verdünntes Bier gibst du ihm zu trinken, er soll sich erbrechen. (68) Wenn dito, verdünntes Bier, starken Essig gibst du ihm zu trinken, er soll sich erbrechen. Wenn dito, Wacholder zerstößt du, in Bier gibst du ihm es zu trinken, er soll sich erbrechen. (69) Wenn dito, mergira¯nu-Pflanze zerstößt du, in Wasser gibst du ihm es zu trinken, er soll sich erbrechen. Wenn dito, ›Sie-trat-angegen-1000‹-Pflanze zerstößt du, gibst es ihm in Bier zu trinken, er soll sich erbrechen. (70) Wenn dito, Salz, sei es in Wasser, sei es in Bier, gibst du ihm zu trinken, er soll sich erbrechen. Wenn dito, Knoblauch zerstößt du, in Wasser gibst du ihm es zu trinken, er soll sich erbrechen. …

(b) Gelbsucht (Rs. III 4) Wenn

ein Mensch an Gelbsucht erkrankt ist und seine Krankheit sich auf das Innere seines Auges ausdehnt, gelbe Fäden das Innere seiner Augen bedecken, (5) seine Gedärme aufgetrieben sind, er Brot und Bier aufstößt, dann ist dieser Mensch vollständig an Wind erkrankt. Zieht sich (die Krankheit hin), wird er sterben. (6) Wenn ein Mensch an Gelbsucht erkrankt ist, sein Kopf, sein Gesicht, sein gesamter Körper und die Zungenwurzel gepackt sind, wird sich seine Behandlung hinziehen, und er wird sterben. Der asû-Heilkundige soll diesen Kranken nicht behandeln, dieser Mensch wird sterben, er wird nicht genesen. (7) Wenn bei einem Menschen der Körper gelb, sein Gesicht gelb ist, er mehr und mehr an Gewicht verliert, so ist der Name der Krankheit Gelbsucht. (8) Du zerstößt Wacholder, gibst es ihm in Bier zu trinken. Du zerstößt kikkira ¯ nu-Pflanze, gibst es ihm in Bier zu trinken. Du zerstößt ›Bitter‹-Pflanze, gibst es ihm in Bier zu trinken. (9) Du zerstößt Mandragora-Wurzel, die an der Nordseite (gewachsen ist) und noch keine Frucht getragen hat, gibst es ihm in Bier zu trinken. Du zerstößt ›Bitter‹-Pflanze des Gebirges, gibst es ihm in Bier zu trinken. (10) Du zerstößt kurka¯nu-Pflanze, gibst es ihm in Bier zu trinken. Du zerstößt ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze, gibst es ihm in Bier zu trinken. Du zerstößt namruqqu-Pflanze, gibst es ihm in Bier zu trinken. (11) Du zerstößt namruqqu-Pflanze, gibst es ihm in Wasser zu trinken. Du zerstößt Alaun, fügst es Wasser hinzu, drückst es aus, gibst es ihm zu trinken. Du zerstößt Wacholder, gibst es ihm in Milch zu trinken. (12) Du zerstößt kikkira¯nu-Pflanze, gibst es ihm in Milch zu trinken. Du zerstößt ›Bitter‹-Pflanze, gibst es ihm in Milch zu trinken. Du zerstößt namruqqu-Pflanze, gibst es ihm in Milch zu trinken. … (16) e3ru-Holz-Wurzel und Granatapfel-Wurzel schließt du in einem Ofen ein, ihr Wasser preßt du aus, läßt es abkühlen, gibst es ihm zu trinken, er wird genesen. … (19) ›Schmutz von beiden Türpfosten des großen Tores‹ nimmst du, reibst ihn wiederholt mit Öl ein. (20) Er soll auf eine verfallene Straße treten und sie instandsetzen, über eine verfallene Brücke soll er schreiten. (21) Roten ›Hirtenstab‹ zerstößt du, in Bier gibst du ihm es zu trinken. kukru-Pflanze zerstößt du, in Bier gibst du ihm es zu trinken. kaziru-Frucht zerstößt du, in Bier gibst du ihm es zu trinken. (22) ›Lungen‹-Pflanze zerstößt du, in Bier gibst du ihm es zu trinken. Granatapfel-Wurzel zerstößt, gibst es ihm in Bier zu trinken. … (Rs. IV 5) Wenn bei einem Menschen seine Augen mit Gelbsucht geschlagen sind, zerstößt du Granatapfel-Blatt, bläst es mit einem Strohröhrchen in seine Augen. …

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Barbara Böck (16) Wenn bei einem Mensch sein Körper gelb ist, zerstößt du fünf Körner Glasfritte, gibst es ihm in Öl und Bier zu trinken; gibst du ihm zuviel, so wird er sterben. … (26) Wenn bei einem Menschen der Körper gelb ist, sein Gesicht gelb und schwarz ist und auch seine Zungenwurzel schwarz ist, so ist der Name der Krankheit ahha¯zu. 180) ˘ ˘ dann (27) ›Großen Gecko aus der Steppe‹ zerstößt du, gibst es ihm in Bier zu trinken, wird der ahha¯zu seines Leibes sich davonmachen. ˘ Mensch vom ahha¯zu bedeckt ist, zerstößt du Wacholder, gibst es ihm in (28) Wenn ˘ein ˘˘ Bier zu trinken; du zerstößt weiße kikkira¯nu-Pflanze und Alaun, gibst es ihm in Öl und Bier zu trinken. (29) Du zerstößt kukru-Pflanze, gibst es ihm in Bier zu trinken. Du zerstößt ›Lungen‹-Pflanze, gibst es ihm in Bier zu trinken. Du zerstößt die Wurzel von ku¯ruPflanze, gibst es ihm in Wasser zu trinken. Du zerstößt ›Bitter‹-Pflanze, gibst es ihm in Milch zu trinken. … (31) Wenn ein Mensch von ahha ¯ zu bedeckt ist, beräucherst du ihn mit (a)susimtu-Pflanze ˘ ˘ Räucherwerk (32) und reibst ihn mit ›Blut ˙einer ˙ Eidechse‹ und anunu¯tu-Pflanze in einem ein, dann wird er genesen. (33) ›Schmutz von beiden Torpfosten des großen Tores‹ nimmst du, fügst Öl hinzu, reibst ihn wiederholt damit ein. (34) Er soll auf den verfallenen Weg hinaustreten (und) ihn instandsetzen, über eine verfallene Brücke [soll er gehen]. … (45) Wenn ein Mensch an ahha ¯ zu erkrankt ist, sein Kopf, sein Gesicht, sein gesamter Kör˘ ˘ gepackt sind, (46) soll der asû-Heilkundige diesen Kranken per und die Zungenwurzel nicht behandeln, dieser Mensch wird sterben, er wird nicht genesen. 181)

2.8 Fieberkrankheiten

Barbara Böck Nur wenig ist über Fieber oder Fieberkrankheiten in der assyriologischen Literatur geschrieben worden. Ein aufgrund des Rahmens kurz gehaltener Beitrag stammt von R. Labat (Art. Fieber, RlA III [1957-71] 61), und eine ausführliche Untersuchung verdanken wir M. Stol (Fevers in Babylonia, in: I. L. Finkel / M. J. Geller [Hg.], Disease in Babylonia, Leiden 2007, 1–39). Einleitend werden hier einige Aspekte beider Beiträge aufgenommen und andere Beobachtungen hinzugefügt. Nach moderner Lehrmeinung gilt Fieber als Symptom einer ganzen Reihe von Krankheiten; zu den häufigsten Ursachen gehören dabei allgemeine und örtliche Infektionen sowie allergische Reaktionen. Einer der Termini, der allgemein mit »Fieber« übersetzt wird, ist das akkadische ummu, welches in den Rezepttexten zu einem überwiegenden Teil logographisch mit dem sumerischen kúm wiedergegeben wird. kúm ist eine der Lesungen des sumeri180. ahha¯zu, wörtlich ›Packer‹-Dämon, ist eine Bezeichnung für eine bestimmte Form der Gelb˘˘ sucht. 181. Fast identisch sind die Heilmittelempfehlungen bei ahha¯zu- und amurriqa¯nu-Gelbsucht. ˘˘ Eine Differenzierung, daß die ahha¯zu-Form schwerwiegender sei als die amurriqa¯nu-Form, ˘˘ ist aufgrund der Behandlung abzulehnen; vgl. etwa die Diskussion beider Termini bei P. B. Adamson, An Assesssment of some Akkadian Medical Terms, RA 87 (1993) 153-59.

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schen Zeichens NE, dessen Wortfeld alles, was mit Hitze und Hitzeeinwirkung zusammenhängt, umfaßt; es steht dabei für die folgenden sumerischen Termini mit ihren entsprechenden akkadischen Deutungen: kúm (akkad. ummu »Hitze; Fieber«; akkad. eme¯mu »heiß sein«; akkad. bahru »heiß, warm«), sˇeg6 (akkad. basˇa¯lu »ko˘ chen, erhitzen«), izi (akkad. isˇa¯tu »Feuer«), dè (akkad. dikme¯nu »Asche«) und bil (akkad. qalû »rösten«). Als Umschreibungen für Körperhitze sind sowohl kÚm als auch izi bezeugt, wobei izi isˇa¯tu »Feuer« als metaphorische Beschreibung sich gewöhnlich auf Beschwörungstexte beschränkt und mit Ausnahme der Krankheitsbezeichnung isˇa¯tu ka¯sistu »nagendes Fieber« nicht als terminus technicus Eingang in die Rezepttexte gefunden hat. kÚm bzw. ummu befällt sowohl den gesamten Körper als auch nur einzelne Körperteile (belegt sind Kopf, Schädel, Ohrinneres, Bauch, Epigastrium, Bein und Penis) und kann sich bis hin zu definierten Körperbereichen ausbreiten (Kopf, Augen, Ohren, Nacken, Unterleib, Lenden, Penis und Fuß 182)); ummu scheint sich vor allem in Kopf und Bauch zu manifestieren, berücksichtigt man die Häufigkeit der Ausdrücke ummi qaqqadi »Hitze des Kopfes« und ummi libbi »Hitze des Bauches«. Es ist fraglich, ob eine Wiedergabe mit »Fieber« in jedem Falle gerechtfertigt ist; möglicherweise sollte bei der Beschränkung auf nur ein Körperteil der Übersetzung »Hitze« einer Deutung »Fieber« Vorrang gegeben werden, vor allem dann, wenn der Kontext eine Interpretation des partiellen Hitzeempfindens als Folge z. B. einer entzündeten Körperpartie erlaubt. Der Terminus ummu konnte klassifiziert werden: lazzu »lang anhaltend«; sarhu »heiß«; mitha¯risˇ in der Regel mit »gleichbleibend« wiedergegeben ˘ ˙ ˘ von gleichbleibender und im Sinne Körpertemperatur interpretiert, obgleich ein Kommentartext den Ausdruck mit »sein gesamter Körper ist in Mitleidenschaft gezogen« erklärt 183); hahhasˇ und la¯ hahhasˇ von unklarer Etymologie scheinen sich auf ˘ ˘˘ ˘ ˘˘ die Entwicklung von Fieber zu beziehen. Zusammen mit dem Adjektiv dannu »starke (Hitze) / starkes (Fieber)« wurde die Krankheit namens li3bu umschreibend bezeichnet. In Verbindung mit dem Symptom von Hitze (ummu und eme¯mu) ist als weiterer Terminus das Verbum hama¯tu »brennen, entzündet sein« belegt, das sich ˘ ˙ auch auf das individuelle Schmerzempfinden beziehen kann. Neben den Heilmittelempfehlungen, die sich gegen ummu (»Hitze, Fieber«) richten, widmen sich ein ganze Reihe von Rezepten se¯tu, einer schweren Erkrankung, die ˙ mit Fieber einhergeht, und von einigen Forschern als »Sonnenstich« oder »Hitzschlag« übersetzt wurde. Der Terminus beschreibt zunächst das Aufleuchten von aufgehender Sonne und auch Mond und wird den Wörterbüchern nach in zweiter Bedeutung mit »Hitze, Glut« und »Sonnenhitze« wiedergegeben. Es ist auffällig, daß sich se¯tu fast ausschließlich auf den Bauch beschränkt und mit starken Verdauungs˙ störungen einhergeht. Um Linderung und Genesung bei ummu und se¯tu zu erwirken, werden sowohl ˙ Breiumschlägen und das Aufrein äußerliche Behandlungen wie das Anlegen von 182. S. für die Textpassage (BAM I 3 Rs. III 42-IV 11) M. Worthington, Edition of BAM 3, JMC 7 (2006) 24, 30-31 (übersetzt mit inflammation). 183. S. den Kommentar zur ersten Tafel des prognostisch-diagnostischen Handbuches, STT II 403 Rs. 55.

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tragen von Salben empfohlen als auch Mittel zum Einnehmen verschrieben. Hier läßt sich abermals zwischen dem einfachen Arzneitrank, der aus einer Mischung von Droge und Trägerflüssigkeit besteht, und dem Trank, der aus vormaliger Mazeration, Digestion oder Dekoktion gewonnen wurde, unterscheiden. Darüber hinaus sind Klysmas und Tränke belegt, die den Patienten zum Purgieren und Erbrechen reizen sollen. Die Heilmittelempfehlungen, die sich gegen ummu richten bzw. als eines der Symptome den heißen Zustand einer Körperpartie nennen (Verbum eme¯mu), formen Teile anderer Kapitel innerhalb der Rezepthandbücher des 1. Jt. v. Chr. Am bekanntesten ist sicher der Abschnitt des ersten Kapitels des Rezepthandbuches, welches mit »Wenn der Schädel eines Menschen 184) Hitze hält« einsetzt. Weitere Beispiele liegen vor mit dem vierten Abschnitt des Kapitels »Wenn einem Menschen das Atmen durch seine Nase schwerfällt« mit der ersten Textzeile »Wenn ein Mensch heiß ist (und) hustet« 185) oder auch dem fünften Abschnitt des Kapitels »Wenn ein Mensch an Verschleimung leidet, diese aber übergeht in Magen- und Darmkoliken«, in welchem Heilmittelempfehlungen bei Fieber aufgenommen wurden (s. hier 7.). Die Rezepte zur Behandlung von se¯tu formen ebenfalls Teil des Kapitels »Wenn ein Mensch ˙ aber übergeht in Magen- und Darmkoliken«. an Verschleimung leidet, diese

2.8.1 Fieber Keilschrifttafel: Fünfte Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an (schwerer) Verschleimung (der Atemwege) leidet, diese aber umschlägt / übergeht in (die Krankheit, die gekennzeichnet ist durch Magen- und Darm)koliken« mit dem Titel »Wenn einen Menschen Hitze am Leib gepackt hat«; Haupttextvertreter: K 5834 (7. Jh. v. Chr.); für weitere Textexemplare vgl. Köcher, BAM VI, xxx-xxxi. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: BAM VI 579. – Übersetzungen: Thompson, RA 26 (1929) 47-58; Cadelli, Recherche (non vidi). (Vs. I 1) Wenn

einen Menschen Hitze am Leib gepackt hat, vermischst du Süßholz-Wurzel mit isqu¯qu-Mehl, verknetest es mit kasû-Wasser, legst es ihm an. (2) ›Fuchswein‹ trocknest du, zerkleinerst du, siebst du, verknetest es mit kasû-Wasser, legst es ihm an. … (4) Wenn bei einem Menschen sein Oberbauch heiß ist, seine Gedärme geschwollen sind, 0,33 Liter tu¯ru-Pflanze weichst du in Biersatz ein, (5) streichst es auf ein Tuch, zer˙ und baluhhu-Pflanze, sprengst und streust es darüber, legst es ihm stößt kasû-Pflanze ˘ vorne und an den Seiten an.˘… (8) Wenn bei einem Menschen sein Leib Fieber hält, er Brot und Bier nicht zu sich nimmt, zerstößt du Tamariskensamen, mit Sirup … . Wenn bei einem Menschen sein Inneres kein Brot aufnimmt, zerstößt du Tamariskensamen, vermischst es mit Sirup und Butter, gibst es ihm auf nüchternem Magen zu trinken […]. (9) Wenn dito, 0,33 Liter Dat184. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. 185. S. etwa für eine Übersetzung E. Ebeling, Keilschrifttexte medizinischen Inhalts I, AGM 13 (1921) 8,9, 16, 24, 25, 34, 35 und R. C. Thompson, Assyrian Prescriptions for Diseases of the Chest and Lungs, RA 31 (1934) 4-5.

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telwasser, 0,33 Liter kasû-Wasser, 0,33 Liter … (10) gibst du ihm auf nüchternem Magen, ein-, zwei-, dreimal zu trinken, dann gibst du ihm Garum und Essig zu trinken, durch seinen After … . … (22) Wenn bei einem Menschen sein Epigastrium Hitze ergriffen hat, um die Hitze aus seinem Epigastrium zu entfernen … (23) gibst du ihm sei es ausgepreßtes Öl oder Brühe von dem Fleisch eines fetten Schweines zu trinken … dann wird die Hitze aus seinem Leib herausgerissen werden, … (40) Wenn ein Mensch eine Entzündung des Leibes hat, sein Leib Hitze hält, seine Glieder wie ausgeschüttet sind … (41) seine Brust ihm nagende Schmerzen bereitet, dann ist dieser Mensch von se¯tu verbrannt. Um ihn zu heilen: kukru-Pflanze, Wacholder, ˙ ˇ-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen(42) ata ¯ 3isˇu-Pflanze, tarmus 20‹-Pflanze, ›Bitter‹-Pflanze, gabû-Alaun, (43) Harz der abukkattu-Pflanze, bu3sˇa¯nu-Pflanze, aktam-Pflanze, sahlû-Pflanze, Minze. Diese vierzehn Drogen (44) zerstößt du miteinander, gibst es ihm ˘ in Bier auf nüchternem Magen zu trinken, dann soll er sich erbrechen. Arzneitrank gegen Bann. … (51) Um Hitze des Leibes herauszuziehen: ›Bitter‹-Pflanze, sua ¯ du-Pflanze, Kalmus, ›Lungen‹-Pflanze, (52) abgebrochen nuhurtu-Pflanze, Dattel, kukru-Pflanze. Diese sieben Drogen ˘ sie, (53) weichst sie in Bier ein, verschließt es in einem zerkleinerst du miteinander, siebst Ofen, nimmst es heraus, seihst es ab, läßt es abkühlen, gibst Malz hinzu, stellst es bereit (zur weiteren Verwendung), (54) auf die Oberfläche … kasû-Wasser, dieses führst du in seinen After ein, dann wird er genesen. … (61) Um Hitze aus dem Leib zu entfernen: Einen Liter Malz weichst du in Bier ein, in einem Mörser zerstößt du es, (62) 8,33 Gramm Wacholder, 8,33 Gramm sˇimsˇalû-Pflanze zerstößt du in einem Mörser, du mißt ein Liter starkes Bier ab, am Morgen erhitzt du es, läßt es abkühlen, (63) diese Dosis, nämlich für fünfmal im Monat, mißt du ab, drei … Minze (65) für eine Dosis in fünf Litern Milch [mißt du ab …].

2.8.2 Salbe bei Fieber Keilschrifttafel: VAT 13934* (neuassyrisch; fragmentarisch erhalten); für weitere Textexemplare vgl. Köcher, BAM II, xix. – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM II 179. – Übersetzungen: R. Labat, RA 54 (1960) 147 (Z. 1-7). – Das Rezept bildet Teil der ersten Tafel des Handbuches Quta¯ru. (1’-2’) …

›Hundezunge‹, (3’-4’) … elpû-Pflanze, (5’) … urânu-Pflanze, Tamariske, (6’) … Koloquinte, (7’) …, asˇa¯gu-Dornpflanze, Süßholz, (8’) … abgebrochen kara¯natu-Stein, mu¯su-Stein, ˙ (9’) lulu ¯ tu-Stein, Schwefel, grün-gelber Gips, schwarzer Gips, (10’) weißer Gips, elammakku-Holz, altes Zedernholz, sˇurme¯nu-Zypresse, (11’) patra¯nu-Schwertpflanze, sua¯du-Pflanze, Wacholder, kukru-Pflanze, kanaktu-Pflanze, ›Bitter‹-Pflanze, (12’) nikiptu-Pflanze in männlicher und weiblicher Variante, Keuschbaum, ›Menschensamen‹, (13’) ›Borste eines weißen Schweines‹, ›Rinderhuf‹, ›… einer Waschschüssel‹, (14’) Zedernsaft. Insgesamt 79 Drogen für eine Salbe bei Fieber.

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2.8.3 se¯tu- und li 3bu-Fieberkrankheit ˙ a. Keilschrifttafel: Vierte Tafel des Kapitels »Wenn ein Mensch an (schwerer) Verschleimung (der Atemwege) leidet, diese aber umschlägt / übergeht in (die Krankheit, die gekennzeichnet ist durch Magen- und Darm)koliken« mit dem Titel »Wenn se¯tu einen Menschen erreicht hat, er an Pochen der Stirn leidet, und … ihm schwer ist«. ˙Der Text kann durch die folgenden Exemplare rekonstruiert werden: K 4114, Rm 250 (7. Jh. v. Chr.); VAT 9475+ (mittelassyrisch), VAT 13761 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London; Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Edition: AMT 14/7, 45/1; BAM II 66, 174. – Übersetzungen: Cadelli, Recherche (non vidi). (1) Wenn

se¯tu einen Menschen erreicht hat, er unter Pochen der Stirn leidet, … ihm schwer ist,˙ um ihn zu heilen: (2) ›Schmutz vom Torpfosten [des großen Tores‹ …]. … (5) Wenn einen Menschen se ¯ tu erreicht hat (und) er weder Brot noch Bier zu sich ˙ reibst ihn mit Öl der kukru-Pflanze ein, (6) Harz der abuknimmt, um ihn zu heilen: Du kattu-Pflanze des Berglandes zerstößt du, gibst es ihm in Dünnbier zu trinken, dann läßt du ihn sich mit einer Feder erbrechen, dann wird er genesen. (7) Wenn einen Menschen dito, ihn immer wieder Frösteln und Schüttelfrost befallen, um ihn zu heilen, du reibst ihn mit Öl der aprusˇu-Pflanze ein, (8) zum Ofen eines Handwerkers …, kukru-Pflanze gibst du ihm wiederholt zu trinken, dann wird er genesen. (9) Wenn einen Menschen dito, er Fieber hat, und ihn immer wieder Panik befällt, um ihn zu heilen: mit Öl von der kukru-Pflanze (und) Wacholder reibst du ihn ein, (10) du entfachst ein Feuer vor ihm …, dann wird er genesen. b. Keilschrifttafel: VAT 13793 (neuassyrisch); für weitere Textexemplare vgl. Köcher, BAM II, xiii. – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM II 146. – Übersetzungen: F. Köcher, in: R. M. Boehmer / F. Pedde / B. Salje (Hg.), Uruk. Die Gräber, Mainz 1995, 213-14; M. Stol, Fevers in Babylonia, 27 (Rs. 29’-42’); M. Stol, Fevers in Babylonia, 12 (Rs. 43’-46’). (Vs. 14’) Wenn

ein Mensch an seinem Leib se¯tu erfahren hat, zerstößt du Salpeter, gibst ˙ (es) ihm auf nüchternem Magen in erstklassigem Bier zu trinken, dann wird er genesen. (15’) Wenn ein Mensch von se ¯ tu entzündet ist, gibst du ihm frischen ›Fuchswein‹ (16’) zu ˙ dann wird er genesen. (17’) Wenn dito, zerstößt du Kümtrinken, läßt ihn sich erbrechen, mel, gibst es zu Öl, reibst ihn damit ein, dann wird er genesen. (Rs. 29’) Wenn ein Mensch Fieber durch se ¯ tu hat, ihm die Kopfhaare abstehen, sein Gesicht (30’) immer wieder zuckt, seine …˙ heiß sind, sein Körper (31’) immer wieder von Mattheit heimgesucht wird, er insgesamt kein sehr hohes Fieber hat, er wiederholt Hustenanfälle mit Schleim produziert (und) sehr besorgt ist, ihm Speichel (33’) läuft, sein Leib sich krümmt, er unter der Krankheit ›Abfolge der Eingeweide‹ 186) leidet und Kot entleert, seine obere Körperhälfte (34’) kalt ist, seine untere Körperhälfte bis hin zu den Knochen vor Fieber glüht, (36’) wenn er sich während des Schlafes hin- und herdreht, seine Luftröhre (37’) immer wieder verstopft ist, er hustet (und) Anfälle von hohem Fieber immer wieder den Leib heimsuchen, (38’) dann leidet dieser Mensch unter Fieber verursacht durch se¯tu. Um ihn zu heilen: (39’) Kümmel, Bergschwamm, kamantu-Pflanze, ˙ (40’) Koriander, kamkadu-Pflanze, sasuntu-Pflanze, (41’) Wacholder, ›Fuchswein‹. Diese acht ˙ ˙ 186. Eine von Durchfall begleitete Krankheit.

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Drogen zerstößt du miteinander, (42’) siebst sie, gibst es ihm in Bier zu trinken, reibst ihn mit Öl ein, dann wird er genesen. (43’) Wenn bei einem Menschen der Körper heiß, dann kalt ist, er Brot ißt (und) Bier trinkt, (44’) sich erbricht, er sehr besorgt ist, seine untere Körperhälfte kalt, (45’) die obere jedoch bis hin zu den Knochen vor Fieber glüht, dann ist es bei diesem Menschen (46’) zu se ¯ tu gekommen, er hat das li3bu-Fieber. Um ihn zu heilen, reibst du ihn ein mit ˙ (47’) kamantu-Pflanze, kamkadu-Pflanze, ›Hundezunge‹, (48’) sˇambaliltu-Pflanze Kümmel, in baluhhu-Öl, dann wird er genesen. ˘˘

2.8.4 li3bu-Fieberkrankheit, starkes Fieber, lang anhaltendes Fieber Keilschrifttafel: A 41 (neuassyrisch); K 2581 (7. Jh. v. Chr.); für weitere Textexemplare vgl. Köcher, BAM II, xiii. – Aufbewahrungsort: A 41: Arkeoloji Müzesi, Istanbul; K 2581: British Museum, London. – Autographie: A 41: LKA 162, BAM II 147; K 2581: K. van der Toorn, Sin and Sanction, Assen 1985, Tf. 1-2. (Vs. 1) Wenn

starkes Fieber einen Menschen befallen hat, zerstößt du miteinander, elikulla-Pflanze, (2) irkulla-Pflanze, amı¯lu¯tu-Pflanze, ankinu¯tu-Pflanze, (3) rote elikulla-Pflanze, Koralle, Rinderkot, (4) vermengst es mit Schwefel, gibst Öl hinzu und vermengst es, dann (5) reibst du ihn damit ein. Das li3bu-Fieber, welches ihn befallen hat, wird abfallen. (6) Wenn dito, elikulla-Pflanze, Hirschhorn, frische Tamariske, (7) Koralle, Rinderkot zerstößt du miteinander in Wasser, (8) vermengst es mit Öl, reibst ihn damit ein. (9) Wenn dito, vermengst du elikulla-Pflanze, elkulla-Pflanze, rote elikulla-Pflanze, (10) amı¯lu¯tu-Pflanze, Tamariskensamen, nikiptu-Pflanze in männlicher und weiblicher Variante, (11) Schwefel und Zedernsaft, reibst ihn wiederholt damit ein, (12) dann wird das starke Fieber, nämlich das li3bu-Fieber, welches ihn gepackt hat, abfallen. (13) Um starkes Fieber zu senken: Du zerstößt … des Lederarbeiters 187), Saft von masˇtakal-Seifenkraut, (14) nikiptu-Pflanze (und) Koralle miteinander, mit Öl (15) reibst du ihn wiederholt ein, dann wird er genesen. (16) Um dito: Du zerstößt kukru-Pflanze, Wacholder, asˇû-Pflanze (und) nikiptu-Pflanze, (17) gibst same¯du-Pflanze, ›Fuchswein‹, Kümmel, Schwefel, (18) frische azupı¯ru-Pflanze (und) ›sura¯rû-Eidechse der Wand‹ (19) dazu, erhitzt ˙ du reibst ihn wiederholt damit ein, dann es, dann sollst du es (20) über Feuer kochen; wird er genesen. (21) Um dito: ›Löse-Holz‹ umwickelst du mit dem Haar eines unbesprungenen Zickleins, legst es um seinen Nacken. (22) Um starkes Fieber zu senken: elkulla-Pflanze, (23) elikulla-Pflanze, amı¯lu ¯ tu-Pflanze (und) Haar eines Zickleins hwickelst dui in ein Vlies heini. (24) Um dito: elikulla-Pflanze in einem Vlies – sˇumuttu-Pflanze gibst du ihm in Wasser zu trinken. (Rs. 5’) Wenn dito: Du nimmst um die Mittagszeit ›Staub aus dem Schatten und aus der Sonne‹, zerstößt ›Verputz (6’) einer Türlaibung (bestimmt) für eine Türlaibung‹, ›Staub von der vorderen Türschwelle‹, ›Staub vom oberen Türpfosten‹, (7’) ›Staub von einem Grab‹ (und) same¯du-Pflanze, vermengst es mit Topföl, in einer Schale aus algame¯sˇuStein (8’) erhitzt du es über Feuer, du nimmst eine sura¯rû-Eidechse, noch lebend fügst du sie hinzu, (9’) wiederholt vergießt du es, folgendes˙ sollst du darüber sprechen: (10’) Be-

187. Es handelt sich um den beschreibenden Namen einer Pflanze. Der Pflanzenname ist jedoch unklar; belegt ist als beschreibender Name kammi asˇkapi (Gerbstoff des Lederarbeiters).

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schwörung: »Gleichwie die Sonnenhitze heiß ist, gleichwie ein Schatten sich dem lichten Tag und (11’) wie eine Türlaibung sich der anderen nicht nähern kann, soll sich die Krankheit ihm, (N.N., Sohn des N.N.), nicht nähern! (12’) Wie über eine Türschwelle mögen sie über ihn hinwegschreiten! Niemand soll es 188) bekommen! (13’) Gleichwie ein Türpfosten weder seinen Weg noch seinen Angelpunkt verlassen kann, (14’) so soll die Krankheit nicht fortgelassen werden! Gleichwie ein Toter sich nicht auf seine Seite drehen kann, (15’) so soll sich auch die Krankheit nicht herumdrehen.« Wortlaut der Beschwörung. (16’) Sieben Mal rezitierst du sie darüber, dann reibst du ihn ein. (17’) Beschwörung: »Ninazu, gelobt sei Macht und Vermögen! (18’) In ihrem reinen Himmel sind Fliegen verscheucht – dito dito! Beim Aufgehen des Jochsternes des reinen Himmels, (19’) Enlils (und) Eas.« Beschwörungsformel. (20’) Wortlaut der Beschwörung, um lang anhaltendes Fieber zu senken. (21’) Ritual dazu: Du dörrst Minze, Schwefel, ata¯3isˇu-Pflanze (und) nikiptu-Pflanze, (22’) zerstößt es, vermengst es mit Öl, rezitierst die Beschwörung dreimal, (23’) reibst ihn wiederholt damit ein, dann wird er genesen. Du nimmst einen Rohrzaun, ein sieben Finger großes Stück (24’) schneidest du heraus, eine surı¯rı¯tu-Eidechse legst du noch lebend kopfüber hinein, (25’) du verknotest ihre Körp˙eröffnung mit einem schwarzen Tuch, dann legst du es um seinen Nacken.

2.9 Hautkrankheiten

Barbara Böck Die altmesopotamischen Heilmittelempfehlungen bieten eine Vielzahl von Bezeichnungen für Erkrankungen oder Veränderungen der Haut, wobei nicht immer eindeutig zwischen Geschwulst, Geschwür, Abszeß, Schwellung, Muttermal, Verletzung und Hautkrankheit unterschieden werden kann. Als Oberbegriff für Hautwunden scheint das akkad. simmu gegolten zu haben, wie aus dem 33. Kapitel des diagnostisch-prognostischen Handbuches hervorgeht. Hier werden u. a. Veränderungen der Haut beschrieben und mit einer Krankheitsbezeichnung benannt; am Ende des Kapitels findet sich ein Abschnitt mit Angaben, auf welche Einwirkung einzelne Krankheiten zurückgeführt wurden, ausgedrückt durch »Hand der Gottheit N.N.«. Diese enge Verbindung zwischen Gottheiten und Hautkrankheiten geht auch aus Fluchformeln und Beschwörungen hervor, denen zufolge simmu-Hautveränderungen von den Göttern geschickt wurden. Ungewöhnlich viele Termini lassen sich etymologisch erklären oder sind beschreibende Namen, was für den allgemein volkstümlichen Charakter der Bezeichnungen für Hautkrankheiten spricht: ekke¯tu »Krätze« von dem Verbum eke¯ku »kratzen«; eri(m)mu ist zu der Früchte tragenden Pflanze gleichen Namens zu stellen; girgisˇsˇu »rote Beule« abgeleitet von der Bezeichnung des als Erdbeerbaum bzw. Erdbeerbaumfrucht identifizierten Gewächses gleichen Namens; halû wird erklärt durch ˘ »schwarze umsatu«; hara¯su ist das substantivierte Verbum »Kratzen«; iba¯ru ist von ˘ ˙ 188. Die Krankheit.

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dem Verbum ebe¯ru »bemalen« abgeleitet, belegt ist auch ein Stein gleichen Namens; kibsˇu »Ausschlag« ist abgeleitet von der Bezeichnung eines Pilzes oder Schwammes gleichen Namens; kirba¯nu heißt »Klumpen«; kissatu gehört zum Verbum kas/sa¯s/su ˙˙ Bezeichnung für glühende ˙Kohle ˙ »stechen, schmerzen«; kura¯ru ist zur homonymen oder Asche zu stellen; lamsa¯t hila¯ti zikari / sinnisˇti »Schwellung« hervorgerufen ˙ ˘ Schlafmücke gleichen Namens; lı¯p alpi »Ochsendurch die männliche bzw. weibliche fett, Rindertalg«; pe¯ndû »Brandmal(?), rote Hautveränderung« nach der homonymen Bezeichnung für rotglühende Kohle; risˇiktu »Abschuppung»(?) von dem Verbum rasˇa¯ku »eintrocknen«; risˇûtu »Schorf« von dem Verbum rasˇû »jucken«; rutibtu ˙ »nässende Wunde« von der homonymen Bezeichnung für »überflutetes Gebiet«; sa¯ma¯nu ist mit sa¯mu »rot« in Verbindung zu bringen, s¯ıtu »Abszeß« von dem Ver˙ bum (w)asû »heraustreten« abgeleitet; sˇadânu ist vermutlich mit dem Stein gleichen ˙ Namens in Verbindung zu bringen; sˇibit sˇa¯ri »Windpocken»(?), wörtl. »Fegen des Windes«; umsatu ist vermutlich zu der˙ Pflanze gleichen Namens zu stellen, ziqtu »Stich« von ˙dem Verbum zaqa¯tu »stechen« abgeleitet. Allein birdu und ra3sˇa¯nu / ra¯sˇa¯nu lassen sich etymologisch bisher nicht einordnen. Aufgrund der fragmentarischen Erhaltung des ninivitischen Rezepthandbuches und seiner urukäischen Version ist nicht klar, ob einige der Hautkrankheiten oder Hauterscheinungen auch unter einem eigenen Titel zu einem oder mehreren Kapiteln zusammengefaßt worden sind oder ähnlich etwa den Fiebererkrankungen je nach dem Körperteil, welches befallen ist, lediglich Eingang in den jeweiligen Abschnitt des Handbuches fanden, wie es vor allem für das Kapitel »Wenn der Schädel eines Menschen189) Hitze hält« bekannt ist. Außerhalb des Rezepthandbuches sind Sammlungen von Heilmittelempfehlungen auf Einzeltafeln überliefert. Zur Behandlung der einzelnen Hautkrankheiten werden Umschläge, Verbände und Salben empfohlen. Es fällt auf, daß einige der Rezepte anstelle der eigentlichen Drogenbezeichnungen den entprechenden beschreibenden Terminus oder Decknamen der Ingredienz verwenden.

2.9.1 s¯ıtu-Abszeß und iba¯ru-Hautveränderung ˙ Keilschrifttafel: BM 78434 (mittelbabylonisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: CT 44, 36. (Vs. 1) Wenn

ein Mensch unter s¯tu-Abszeß ı leidet, zerstößt du kukru-Pflanze, Wacholder, ˙ (3) vermengst es mit Fett, streichst es auf ein Stück Leabukkatu-Harz, ˘˘ der, verbindest (ihn damit). (4) Wenn ein Mensch unter iba ¯ ru-Hautveränderung leidet, zerstößt du Knoblauch, der aus einer Zehe besteht, zusammen mit Rinde (und) Blatt der ildakku-Pappel, (5) legst es ihm an; drei Tage lang sollst du es nicht abnehmen, dann zerstößt du Leinsamen, streust es auf die Oberfläche der Wunde. (6) Wenn dito, Rinde (und) Blatt einer ildakku-Pappel, s ˇakirû-Pflanze (und) kamkadu(2) baluhhu-Harz,

189. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«.

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Pflanze (7) vermengst du mit dem Mark einer Koloquinte, legst es ihm an, dann wird er genesen. (8) Wenn dito, …-Knoblauch/Zwiebel zerstößt du mit Rinde (und) Blatt einer ildakkuPappel, legst es ihm an, drei Tage lang sollst du es nicht abnehmen, (9) … 190) öffnest du es, legst ihm (erneut) einen (Leder?)-Streifen an, er wird genesen. (10) Um iba ¯ ru-Hautveränderungen zu entfernen, pinzir 191), (11) Rinde (und) Blatt einer ildakku-Pappel trocknest du, zerstößt du, verknetest es mit Wasser, (12) legst es drei Tage lang auf die Wunde. Am vierten Tag nimmst du es ab. (13) Du erhitzt Porree, legst es ihm an, am vierten Tag legst du ihm einen Umschlag an, (14) am sechsten Tag legst du ihm laptu-Rübe an. Wenn sich (die Wunde) nicht beruhigt hat, (15) trocknest du baluhhu-Harz (und) Sesamtrester, nimmst Röstkornmehl, (16) sˇigu¯sˇu-Mehl, Weizenmehl, … ˘˘ abgebrochen , Bierhefe (und) (17) ›Taubendreck‹, vermengst es mit Milch, dann vermengst du es abermals mit Bier, (18) legst es ihm an, dann wird er genesen.

2.9.2 Hautwunden, die wie iba¯ru aussehen – ›Rindertalg‹ Keilschrifttafel: IM 61198 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Iraq Museum, Bagdad. – Autographie: BAM IV 417. Für parallele Texte s. Köcher, BAM I, xvi. (Vs. 14) Wenn

eine Hautwunde am Körper eines Menschen erscheint (und) wie die iba¯ru-Hautveränderung auftritt und die Oberfläche (der befallenen Stelle) seines Körpers stark behaart (15) und breitflächig ist, so ist ihr Name 192) ›Rindertalg‹ ; ›Hand der Ningal‹ stellst du als Diagnose auf. Um ihn zu heilen: (16) Sieben Verdickungen von Kalmus nimmst du, röstest es, zerstößt es mit Öl der sˇurme¯nu-Zypresse, vermengst es, salbst ihn damit ein, dann (17) wäschst du (ihn) mit Brunnen-Wasser. Dieses Wasser schüttest du auf einen Kreuzweg und sagst folgendes dabei: (18) »Was ich auf mich genommen habe, soll dieses Wasser hier auf sich nehmen!« Das Brunnenwasser [verschließt du in einem Ofen, solange] bis es gekocht ist, … (19) folgendes sollst du vor Sˇamasˇ sagen: »… […]«. (20) Wenn dito, ›Aushub einer Platte‹, ›Verputz des Ofens‹, ›… eines Kessels‹. Diese drei Drogen zerstößt du miteinander, (21) vermengst es mit dem Fett eines Zickleins, (so viel), daß es seinen Körper bedeckt; sieben Tage lang läßt du es unter dem Räucherbekken (22) vor den Göttern begraben, am siebten Tag nimmst du es heraus and legst ihm damit einen Verband an; hat er Fieber, so wird es ihm steigen. (23) »Du sollst befreit sein! Mensch, sei frei!« (24) Wenn dito, zerstößt du Knoblauch von einer Zehe, vermengst es mit dem Fett eines Bockes, verstreichst es auf einem Stück Leder, legst es ihm an, dann wird es sich lösen. (Rs. 6’) Um die Hautveränderung iba ¯ ru zu entfernen, trocknest du pinzir-Pflanze, zerkleinerst es, siebst es, mit kasû-Wasser verknetest du es, legst es ihm an. (7’) Zwei Tage lang sollst du es nicht abnehmen. 190. Der Zeilenanfang ist abgebrochen. Mit Vorsicht mag man vielleicht die Zeichen si-ma als simma deuten und »du öffnest die Wunde« lesen. Vor si sind noch zwei Zeichen erhalten, ein horizontaler Keil und das Zeichen BE. 191. S. zum Pflanzennamen zuletzt J. V. Kinnier Wilson, On the Cryptograms in the Lexical and Related Texts, JMC 6 (2005) 1-4. 192. Der Name der Hautwunde.

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Wenn dito, Wacholder, kukru-Pflanze, sumlalû-Pflanze, ›Bitter‹-Pflanze, tu¯ru-Pflanze, Harz ˙ ˙ von …, (8’) abukkatu-Harz, baluhhu-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze, kurka¯nû-Pflanze zerstößt du, ˘ ˘ mit Asphalt und isqu¯qu-Mehl vermengst du es so lange, bis es sich aufgelöst hat, [du legst ihm einen Verband an, dann wird er genesen]. (9’) Wenn eine Hautwunde am Körper eines Menschen auftritt (und) wie die Hautveränderung iba¯ru aussieht, es riecht, sobald du seinen Körper und seinen Schenkel berührt hast, dann (10’) wird es endgültig weggehen, sein Körper ist gesund. Kehrt es wieder und tritt zum zweiten Mal am Schenkel auf, wird es sich nicht an eine andere Stelle verlagern. (11’) Wenn es sich an einen anderen Ort verlagert und … dort auftritt, so heißt sie: ›Rindertalg‹. Um ihn zu heilen: (12’) Weißer Kümmel, kukru-Pflanze, …, welches du aus … genommen hast, …, (13’) getrockneten ka3u-Pilz, getrocknetes …, Samen der puquttu-Pflanze – du nimmst diese sieben Drogen, mahlst sie …, (14’) fügst sie zu altem Bier eines Brauers, vermengst es, streichst es [auf ein Stück Le]der, legst ihm einen Verband an, …

2.9.3 Hautwunden Keilschrifttafel: VAT 8912* (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM I 32. Für parallele Texte s. Köcher, BAM I xvi. (Vs. 5’) Wenn

… zugeschlagen hat, so daß seine Haut Flüssigkeit austreten läßt, (6’) trocknest du kamkadu-Pflanze, zerstößt (und) siebst es, auf der Oberfläche der Wunde zerreibst du es, legst ihm einen Verband an, dann wird er genesen. (7’) Wenn die Wunde von ›Vogelkrallen‹ befallen ist, so daß die Oberfläche der Wunde gepackt ist, geröstete kasû-Pflanze, (8’) … mit Butterfett reibst du ihn ein, auf der Oberfläche der Wunde zerreibst du es, legst ihm einen Verband an, dann wird er genesen. (9’) Wenn dito, s ˇarmadu-Pflanze, Zweig von Süßholz, Blatt von ›Fuchswein‹, urnû-Pflanze, (10’) …. Diese fünf Drogen zerstößt du miteinander, weichst sie zu gleichen Teilen in Essig, (11’) erstklassigem Bier und kasû-Wasser ein, in einem Kupertopf erhitzt du es; (12’) sobald es heiß ist, weichst du diese Drogen darin ein, legst ihm einen Verband an, dann wird er genesen.

2.9.4 Läuse, ekke¯tu, risˇûtu, sa¯ma¯nu, girgisˇˇsu und kura¯ru Keilschrifttafel: K 6224+ (7. Jh. v. Chr.); für parallele Texte s. Köcher, BAM V, xxix-xxx. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: BAM V 494. – Übersetzungen: R. Campbell Thompson, Assyrian Medical Texts, PRSM 17 (1924) 1, 2, 9, 10, 13, 18-21, ders., Assyrian Medical Prescriptions for Diseases of the Stomach, RA 26 (1929) 67-92; für kura¯ru s. B. Böck, Körpermale in altmesopotamischer Divination und Medizin. Teil 1: Das kura¯ru-Mal, AuOr. 21 (2003) 161-83. (Vs. I 30’) Simplizium

für den Fall, daß der Kopf eines Menschen voller süßer Läuse ist: ›Bitter‹-Pflanze ist sein Name. (31’) Du trocknest es, zerstößt es, vermengst es mit Wasser, … salbst du ein, seine … bebläst du, dann wird er genesen. (32’) Damit sich am Körper eines Menschen keine Läuse einnisten: Du zerstößt urtû-Pflanze, bereitest es richtig zu, salbst ihn damit ein, dann werden sich keine Läuse ˙ einnisten.

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Barbara Böck (33’) Wenn der Kopf eines Menschen voller Krätze und ris ˇûtu ist, zerstößt du Schwefel, vermengst es mit Zedernöl, salbst ihn wiederholt damit ein. (34’) Wenn dito, röstest du Schwefel, mit Öl kühlst du seinen Kopf, du röstest das Salz von Salpeter, mit Öl kühlst du seinen Kopf. (35’) Wenn der Kopf eines Menschen von sa ¯ ma¯nu befallen ist, es ihn juckt, es entfernt wird und sich beruhigt: mit … feuchtest du an, Samen von ›Hundezunge‹, (36’) Pulver von …, Pulver von dem Abgeschlagenen einer baltu-Pflanze, Sesampulver, Malzpulver, getrockneter ›Taubendreck‹ von der gurumadu-Bergdattelpalme, (37’) (und) Samen der ›Alleinstehenden‹ zerstößt du, mit heißem kasû-Wasser verknetest du es, rasierst seinen Kopf, du läßt es abkühlen, legst es ihm an. (38’) Aus der Tafel »Wenn sa ¯ ma¯nu den Kopf eines Menschen befallen hat«: ›Staub einer Platte aus Kalkstein aus dem Hause eines Menschen‹, Samen (39’) von …-Pflanze (und) …, sobald du es mit dem Inneren einer argannu-Pflanze angefeuchtest hast, Samen von ›Hundezunge‹, Sesampulver aus der Basis eines Siebes, (40’) Milch, getrockneten Sesamtrester, kukkusˇu-Mehl von Malz, ›Taubendreck‹, ›Scherbe‹, Muschel ›Eselsvulva‹, Samen der ›Alleinstehenden‹. Diese neun Drogen zerstößt du miteinander, (41’) rasierst seinen Kopf, reibst ihn wiederholt mit Zedernsaft ein; diese Drogen zerreibst du auf der Oberfläche, legst ihm einen Verband an, dann wird er genesen. (42’) Wenn girgis ˇsˇu den Kopf eines Menschen befallen hat, alapû-Pflanze von der Wasseroberfläche, ›Staub der Grundmauer‹ …, ›Kot einer Maus‹, … (43’) … Pulver einer asˇa¯gu-Pflanze, welche an einer Lehmmauer gewachsen ist, Rinde der Wurzeln von … (44’) … Blatt vom serdu-Baum, Zweig von der Tamariske, Blatt vom Keuschbaum, Erbsenmehl, Linsenmehl, Röstkornmehl, Mehl von … (Rs. III 24’) Wenn (der Kopf) eines Menschen von kura ¯ ru befallen ist, zerstößt du die Droge mit dem beschreibenden Namen ›Exkrement der Göttin Nisaba‹, reibst (die befallene Stelle damit) ab. Dort, wo? … am Morgen schabst du seinen Karbunkel ab. (25’) Die Absonderung davon nimmst du weg, mit Bier wäschst du (die Stelle). Pulver (der Rinde) des taskarinnu-Baumes streust du darüber, einen Verband legst du an, [bevor er sich niederlegt, nimmst du ihn ab und wischst (die Stelle) ab. Mit Bier wäschst du (sie)]. (26’) Pulver (der Rinde) des taskarinnu-Baumes, Pulver (der Rinde) der elamakku-Pflanze, Pulver (der Rinde) der kalmarhu-Pflanze, die Droge mit dem beschreibenden Namen ›Exkrement der Göttin Nisaba‹˘ [streust du (auf die Stelle), einen Verband legst du an]. (27’) Am Morgen nimmst du (den Verband) ab (und) schabst (die Stelle erneut) ab. Erdmandel und Zeder dörrst und zerstößt du, auf [die Oberfläche (der befallenen Stelle) reibst du (es) …]. (28’) Du wäschst (die Stelle) mit kasû-Wasser. Einen Breiumschlag aus dem Pulver (der Rinde) des taskarinnu-Baumes, dem Pulver (der Rinde) der elamakkuPflanze, dem Pulver (der Rinde) der kalmarhu-Pflanze, [der Droge mit dem beschrei˘ benden Namen ›Exkrement der Göttin Nisaba‹ (und) dem (Kalt)wasser(auszug) von geröstetem Kasuˆ legst der Vorderseite an].

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Texte aus Mesopotamien

2.9.5 kura¯ru, kissatu und kibsˇu ˙˙ Keilschrifttafel: A 259 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM I 33. Für parallele Texte s. Köcher, BAM I, xvi. (Vs. 1) Wenn

der Kopf eines Menschen sei es von kura¯ru, sei es von kissatu, (2) sei es von ˙ Alkali, kibsˇu, sei es von guditu? bedeckt ist, (3) um ihn zu heilen: Schwefel, ˙›gehörntes‹ (4) Fledermaus-Guano, … vom Feigenbaum, Blatt vom e3ru-Baum, mussukannu-Baum, (5) [Rinde] von der Tamariske, aktam-Pflanze, ›Gazellenkot‹. (6) Diese neun Drogen trocknest du zusammen im Schatten, zerkleinerst sie, siebst sie, (7) mit dem ›Urin einer schwarzen Kuh‹ abgebrochen seinen Kopf, dann wird er genesen. (8) Öl, ›Sie-trat-an-gegen1000‹-Pflanze, seinen Kopf reibst du damit wiederholt ein.

2.9.6 ra¯ˇsa¯nu, kura¯ru, risˇiktu, ekke¯tu und risˇûtu Keilschrifttafel: VAT 9029 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM I 3. Für parallele Texte s. Köcher, BAM I, xi-xii. – Übersetzungen: M. Worthington, Edition of BAM 3, JMC 7 (2006) 18-48.

die Krankheit namens ra¯sˇa¯nu einen Menschen gepackt hat, sein Kopf, sein Gesicht (und) (27) seine Lippen entzündet sind, um ihn zu heilen: kukru-Pflanze, Wacholder, ata¯3isˇu-Pflanze, … (28) …, kamantu-Pflanze, geröstete sahlû-Pflanze, geröstete kasû˘ Drogen zerstößt du mitPflanze, (29) Mehl vom Röstkorn, nikiptu-Pflanze – diese neun (30) formst mit kasû-Wasser einen Brei (daraus), rasierst seinen Kopf, reibst einander, wiederholt (den Kopf) mit altem Butterschmalz ein, legst ihm den Breiumschlag an, dann wird er genesen. (31) Wenn die ra ¯ sˇa¯nu-Krankheit den Kopf eines Menschen gepackt hat, wenn du früh am Morgen aufstehst, (32) sollst du mit nüchternem Magen deine Hände mit dem Wasser aus der Schale eines Töpfers (33) benetzen (und) ihn mit diesem Wasser und der Pflanze mit dem beschreibenden Namen ›Staub einer Platte aus Kalkstein aus einem alten Haus‹ sieben und siebenmal (34) einreiben; den Staub trägst du auf (die Stelle auf), legst ihm einen Verband an, dann wird er genesen. (44) Wenn der Kopf eines Menschen von kura ¯ ru gepackt ist, verschließt du die grünen Triebe der urânu-Pflanze, qisˇsˇû-Pflanze, Koloquinte, (45) bu3sˇa¯nu-Pflanze (und) Minze (in einem Gefäß) mit Brunnenwasser, du wäschst [seinen Kopf] (damit). (46) Du zerreibst den Kern einer Koloquinte, mischst es mit Zedernöl, du reibst ihn wiederholt ein, auf der befallenen Stelle zerreibst du es wiederholt, (47) legst einen Verband darüber, und er wird gesund werden. (49) Wenn ein Mensch an kura ¯ ru und risˇiktu erkrankt ist, Salz, ›gehörntes‹ Alkali, (50) urânu-Pflanze, Minze, sahlû-Pflanze weichst du in Urin eines Onagers, starken Essig ˘ an, mit gerösteter … reibst du die Oberfläche von risˇiktu (und) (51) Essig ein, legst es ihm (52) spülst es mit Öl ab. ›Weiße Pflanze‹ zerstößt du (und) streust sie auf (die befalein, lene Stelle). (53) Diese Verbände legst du ihm wiederholt an, dann er wird genesen. … (Vs. II 3) Wenn der Kopf eines Menschen voll von ekke ¯ tu und risˇûtu ist, zerstößt du Schwefel, (4) vermengst es mit Zedernöl, salbst ihn damit ein, dann wird er genesen. (5) Wenn ein Mensch an ekke ¯ tu erkrankt ist, zerstößt du ›gehörntes‹ Alkali, machst es in (Vs. I 26) Wenn

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Öl heiß, trägst es auf die Oberfläche der Wunde auf, (6) zerstößt gabû-Alaun und schwarzen Kümmel in Sirup; du legst ihm einen Verband an, dann wird er genesen.

2.9.7 sa¯ma¯nu, birdu, hara¯su und risˇûtu ˘ Keilschrifttafel: W 21033 (neubabylonisch). – Autographie: BAM IV 409. – Übersetzungen: F. Köcher, Ein Text medizinischen Inhalts aus dem neubabylonischen Grab 405, in: R. M. Boehmer / F. Pedde / B. Salje (Hg.), Uruk. Die Gräber, Mainz 1995, 203-17. (Vs. 11’) Wenn

bei einem Menschen sa¯ma¯nu, rote, schwarze, gelbe oder weiße (Hautverfärbungen), (12’) Hautauswüchse oder Dornstiche aufgetreten sind, weichst du (13’) kukru-Pflanze, Wacholder, Malzabfall, Kichererbse, Erbse, (14’) ›Taubendreck‹, Weizenmehl, abukkatu-Harz, kasû-Mehl (15’) in Bodensatz von Bier ein, legst ihm einen Verband an. (16’) Falls immer wieder Blut oder Eiter austreten sollte, weichst sahlû-Pflanze in kasû˘ Wasser ein, legst es ihm an. (17’) Wenn ein Kind von sa ¯ ma¯nu befallen ist, dörrst du ›Mungo‹, zerstößt es, streust es darüber. (18’) Wenn die Hautwunde schwarz aussieht, so ist hara ¯ su der Name (der Krankheit). ˘ birdu-Hautveränderungen bedek(19’) Wenn den Körper eines Menschen immer wieder ken und sein Körper ihm (20’) stechende Schmerzen bereitet und risˇûtu ihn immer wieder befällt, dann ist hara¯su der Name (der Krankheit). (21’) Kichererbsen, Erbsen, Wik˘ (22’) Gartenkräuter – du nimmst jeweils 8,33 g, zerkleinerst ken, Sesam bester Qualität, sie zusammen, (23’) vermengst es mit Zypressenöl, reibst ihn damit ein. (24’) … und isqu¯qu-Mehl verknetest du es, (25’) … reibst ihn damit ein. Vier Tage hindurch legst du ihm einen Verband an, dann wird er genesen.

2.10 Epilepsie, Schlaganfall und Lähmung

Barbara Böck Epilepsie in ihren unterschiedlichen Formen gehört zu den wenigen Krankheiten, die detailliert untersucht worden sind. Grundlegend ist die Monographie von M. Stol, Epilepsy in Babylonia, Groningen 1993, der eine Diskussion und Übersetzung der Quellen, die dem prognostisch-diagnostischen Handbuch entnommen sind, bietet. Obgleich das Korpus von Heilmittelempfehlungen nicht systematisch übersetzt wurde, sind einzelne Behandlungsformen und Medikamente ausführlich behandelt. Die altmesopotamischen Heilkundigen unterschieden zwischen bis zu sechs verschiedene Bezeichnungen: an.ta.sˇub.ba oder miqit ˇsamê »vom Himmel gefallen«, »Fall vom Himmel«, bennu, »Same des Gottes Sˇulpaea«, »Herr des Daches« sowie die Dämonennamen Lugal-amasˇpae und Lugal-namena. Die Identifikation zumindest eines dieser Termini – bennu – geht zurück auf den Medizinhistoriker K. Sudhoff, dessen Ausgangspunkt jedoch nicht medizinische Texte bildeten, sondern Klauseln in Kaufverträgen von Sklaven, die parallel zum griechisch-römischen Recht deren Rückgabe

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im Falle von Epilepsie vorsahen 193). Eine Auswertung der medizinischen keilschriftlichen Quellen durch einen Medizinhistoriker steht noch aus. Nach dem als ›Leitfaden der Beschwörungskunst‹ in die assyriologische Literatur eingegangenen Text (KAR 44 Rs. 10 194)) gehörte die Behandlung Epilepsiekranker zum Curriculum des Beschwörungsexperten. Die altmesopotamischen Heilkundigen suchten durch magische Praktiken, dem Rezitieren von Beschwörungen und natürlichen Drogenapplikationen dem Leiden beizukommen. Darüber hinaus sind ganze Heilzeremonien überliefert, die die Behandlung von mehreren schweren Krankheiten, zu denen auch Epilepsie zählte, vorsehen195). Empfohlen werden Salben, Räucherungen, das Tragen von Lederbeuteln und Amuletten und das Essen von Schildkrötenfleisch. Von Umfang kleiner ist das Korpus von Heilmittelempfehlungen, die sich gegen Schlaganfall richteten. Der überwiegende Teil der Rezepturen findet sich im fünften Abschnitt des Kapitels »Wenn einem Menschen196) sein Nackenmuskel schmerzt: Hand des Totengeistes« 197) des ninivitischen Rezepthandbuches. Die Tafel ist im typischen Standardformat geschrieben. Die Heilmittelempfehlungen bieten rein äußerlich anzuwendende Mittel wie Salben, Waschungen, Breiumschläge, Verbände, Lederbeutel und Mundspülungen, für den Fall, daß der Mund in Mitleidenschaft gezogen wurde, sowie als innerlich anwendbares Medikament Arzneitränke an. Es finden sich aber auch Hinweise auf die Durchführung nicht weiter im Detail beschriebener magischer Zeremonien. Neben Schlaganfall wird als weiteres Leiden oftmals ein Terminus genannt, der in älterer Literatur mit der Übersetzung »Gift, Vergiftung« 198) erscheint, nun gemeinhin jedoch mit »Lähmung« wiedergegeben wird. Diese Deutung wird unterstützt durch Beschwörungen und Beschreibungen, in welchen Lähmung auf den Stich eines Skorpions oder den Biß ein Schlange zurückgeführt wird. Es ist möglich, daß die entsprechenden Heilmittelempfehlungen bei Lähmung zu einem Kapitel innerhalb des Rezepthandbuches zusammengefaßt wurden; dafür spricht der Eintrag im ›Leitfaden der Beschwörungskunst‹ (KAR 44 Rs. 9), demzufolge zum Curriculum des Beschwörungsexperten auch das Werk »Folgen von Lähmung, Muskelschwäche (und) sagallu-Muskelkrankheit« gehörte 199). Lähmung kann den gesamten Körper befallen, aber auch nur einzelne Partien, die sich auf die Extremitäten beschränken 200). Zur Be193. S. K. Sudhoff, Die Krankheiten bennu und sibtu der babylonisch-assyrischen Rechtsurkunden, AGM 4 (1911) 353-65. 194. S. für eine Übersetzung und Kommentierung des gesamten Textes J. Bottéro, Le manuel de l’Exorciste et son calendrier, in: Mythes et rites de Babylone, Paris 1985, 65-112 (für die vorliegende Passage s. 83); eine Neukopie und Transliteration des Textes bietet M. J. Geller, Incipits and Rubrics, in: A. R. George / I. L. Finkel (Hg.), Wisdom, Gods, and Literature. Studies in Assyriology in Honour of W. G. Lambert, Winona Lake 2000, 225-58. 195. Beispiele liegen mit den Texten KAR 26, 31 und 56 vor, die hier jedoch nicht behandelt werden. 196. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. 197. S. für einen kurzen Kommentar zu diesem Kapitel Köcher, BAM III, xii, Anm. 10. 198. So z. B. R. C. Thompson in seinem Beitrag Assyrian Medical Prescriptions against ˇsimmatu »Poison«, RA 27 (1930) 127, 130, 131. 199. S. J. Bottéro, Le manuel de l’Exorciste et son calendrier, 82-83. 200. S. für entsprechende Textbeispiele das folgende Kapitel »Erkrankungen der Extremitäten«.

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handlung werden das Einreiben und Beräuchern, das Tragen von Amulettsteinketten, die Einnahme von Arzneitränken, Waschungen und schließlich das Anlegen warmer Breiumschläge empfohlen.

2.10.1 an.ta.sˇub.ba: Essen von Schildkrötenfleisch Keilschrifttafel: ND 5488/1 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: CTN IV 115. – Übersetzung: M. J. Geller, Fragments of Magic, Medicine, and Mythology from Nimrud, BSOAS 63 (2000) 334-36. (Vs. 11) Wenn (12) Du

ein Mensch von an.ta.sˇub.ba-Epilepsie befallen ist, um es zu entfernen: gibst ihm Schildkrötenfleisch zu essen, reibst ihn mit dem Fett einer Schildkröte

ein.

2.10.2 an.ta.sˇub.ba, ›Herr des Daches‹ : Amulett und magische Zeremonie Keilschrifttafel: ND 5497/5, IM 67601 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Iraq Museum, Bagdad. – Autographie: CTN IV 159. – Der Text zeigt einzelne Parallelen zu STT I 57, STT II 286, BAM II 166; weiterführende Literatur: für die magische Zeremonie s. Stol, Epilepsy, 105-6. (Rs. 7) Um

an.ta.sˇub.ba zu entfernen, sollst du Gazellen-Horn, welches du von sieben Gazellen (8) abgeschnitten hast, durchbohren; du räucherst es (über Kohlen), legst es ihm um seinen Nacken. (9) Wenn ein Mensch bennu-Epilepsie, an.ta.s ˇub.ba-Epilepsie oder ›Hand des Gottes‹ (hat), (10) damit es sich seinem Hause nicht nähere, ›Blut eines männlichen hurru-Vogels‹, ˘ Fuchses‹, ›Blut einer Taube‹, (11) ›Blut einer Gans‹, ›Blut einer Wildtaube‹, ›Blut eines ›Blut eines Schmetterlings‹, ›Blut eines schwarzen Hundes‹, ›Blut eines matten Hämatits‹ : (12) zusammen mit weißem Asphalt und gepreßtem Öl vermischst du es, (13) … Ekken, Tore (und) Türpfosten, soviele es gibt, bestreichst du wiederholt damit, dann soll er heil werden.

2.10.3 an.ta.sˇub.ba, ›Herr des Daches‹ : Herstellung eines Pazuzu-Kopfes zu apotropäischen Zwecken Keilschrifttafel: SU 51/85 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Anadolu Medeniyetleri Müzesi, Ankara. – Autographie: STT I 57. – Parallele Texte (zu Vs. 1-10): CTN IV 115, BAM III 311. – Übersetzungen (Vs. 1-10): M. J. Geller, Fragments of Magic, Medicine, and Mythology from Nimrud, BSOAS 63 (2000) 334-36; N. P. Heeßel, Pazuzu. Archäologische und philologische Studien zu einem altorientalischen Dämon, AMD 4, Leiden 2001, 72. (Vs. 1) Wenn bei einem Menschen an.ta.s ˇub.ba-Epilepsie, sei es ›Herr des Daches‹, sei es ›Hand der Isˇtar‹, sei es ›Hand des Totengeistes‹ (2) in seinem Körper anhalten (und) sich nicht lösen, um ihn zu heilen, um ihm Wohlsein zu schaffen: ›Staub vom Tor des Hauses …‹ (3) [›Staub von …‹, ›Staub] vom Hause des Schankwirtes‹, ›Staub vom Hause des Bäckers‹, ›Staub vom Tor des Hauses des Zimmermannes‹, ›Staub vom Tor des Hauses eines …‹ (4) … ›Staub vom Tor des Tempels der Siebengottheit‹, ›Staub vom Kai und der Furt‹, ›Staub aus Schatten und Sonnenlicht‹, (5) … ›[Staub] der sieben Wege‹, ›Schmieröl des rechten und linken Torpfostens von …‹, ›Schmieröl des Tores von

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Gazbaba‹ 201), (6) … ›Staub der Furt‹, ›Staub von der Brücke‹, (7) diese x [Staubsorten] vermengst du [mit dem Wasser aus dem Brunnen] des Marduk-Tempels, einen PazuzuKopf formst du daraus, (8) [die Beschwörungen] »Du, Starker« und »Ich, Pazuzu, [Sohn des Han]ba« schreibst du darauf. (9) Sei es, daß der Kranke (den Pazuzu-Kopf) in seiner Hand˘ hochhebt, sei es, daß du ihn um den Kopf des Kranken legst, (10) jegliches Böse, welches ihn gepackt hat, soll er (der Pazuzu-Kopf) ansehen, so daß es sich ihm 202) nicht nähere. Dieser Kranke wird genesen.

2.10.4 an.ta.sˇub.ba: Räucherwerk Keilschrifttafel: AO 6469 (seleukidisch). – Aufbewahrungsort: Louvre, Paris. – Autographie: TCL VI 34. – Weiterführende Literatur: die Keilschrifttafel gehört zum magischen Handbuch Quta¯ru; s. zu diesem und dem sogenannten ›Räucherwerk des Ziegenbocks‹ I. L. Finkel, Musˇsˇu3u, Quta¯ru, and the Scribe Tanittu-Be¯l, in: P. Michalowski u. a. (Hg.), Velles Paraules. Ancient Near Eastern Studies in Honor of Miguel Civil on the Occasion of his Sixty-Fifth Birthday, Sabadell 1991 (= AuOr. 9), 103. (Vs. I 1) Wenn

an.ta.sˇub.ba-Epilepsie, ›Herr des Daches‹, ›Hand des Gottes‹ oder ›Hand der Göttin‹ (2) über einem Menschen sind, um es zu entfernen. Die Ritualanweisung dafür: Du nimmst einen Ziegenbock, (3) rezitierst zweimal in sein rechtes und linkes Ohr die Beschwörung »Böser Gott«, dann schlachtest du ihn. (4) Beim ersten Herausziehen des Messers nimmst du das, was die Höhlung von Kopf und Nacken bedeckt und (5) das Wasser vom Schwarzen seiner Augen. Naphta, Fischtran, Zedernsaft, (6) masˇtakal-Seifenkraut, masˇtakal-Samen, ›Blut einer Eule‹, ›Haut des Gottes Kusˇu‹ 203), (7) ›Weinrebe des Gottes Kusˇu‹ 204) sind (die Ingredienzien für) reine Räucherwerke. tarmusˇ-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze, (8) [Blut eines Gefangenen] 205) gibst du ihm zu essen und zu trinken, du reibst ihn ein und räucherst es über Kohlen, dann wird er genesen. Dies ist das Räucherwerk des Ziegenbockes.

201. Lies ì.sumun ka (für ká) dgaz-ba-ba!. 202. Dem Kranken. 203. Nach dem Kommentar BRM IV 32: 8 f. wird die Haut des Kusˇu als »Haut eines schwarzen Rindes vom Nord-Stadttor, welches auf Zedernholz für den Gott Kusˇu geschlachtet worden ist« erklärt. 204. Die Weinrebe des Gottes Kusˇu wird nach BRM IV 32: 9 f. als »Trieb der Zeder, über welchem die Haut eines schwarzen Rindes für den Gott Kusˇu gelegt worden ist« erklärt. Nach BBR II 27 Vs. II 12 wird der Gott Kusˇu mit dem Masˇhultuppu, dem Sündenbock, gleichgesetzt. Zum ˘ másˇ-hul-dúb-ba, in: U. Finkbeiner / R. DittKonzept des Sündenbockes s. A. Cavigneaux, ˘ mann / H. Hauptmann (Hg.), Beiträge zur Kulturgeschichte Vorderasiens. Festschrift für Rainer Michael Boehmer, Mainz 1995, 53-67. 205. Diese Ergänzung richtet sich nach dem Kommentar BRM IV 32: 11 f., der nach der Aufzählung der Pflanzen ›Sie-trat-an-gegen-1000‹ und ›Sie-trat-an-gegen-20‹ als folgende Ingredienz das ›Blut eines Gefangenen‹ nennt, welche erklärt wird mit: Ein Gefangener ist wie ein Aussätziger ist wie das Blut einer Eule.

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2.10.5 an.ta.sˇub.ba: Arzneitrank Keilschrifttafel: A 198 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM II 159.

e3ru-Samen, asˇa¯gu-Dornpflanzensamen, azallû-Samen, ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze; sieben Drogen (27) für an.ta.sˇub.ba. Du gibst es ihm in Bier oder Wein zu trinken. (Rs.

III

25) Tamariskensamen,

(26) tarmus ˇ-Pflanze,

2.10.6 an.ta.sˇub.ba: Salbe Keilschrifttafel: VAT 13899 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM II 184. (Vs. II 1) …, (2) ›Hundezunge‹, (3) Sand

vom Staubsturm, (4) …, (5) mu¯su-Stein, (6) qulqullânu˙ (9) TamarisPflanze, von der Mauer, (8) ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze, (10) (11) (13) (14) masˇtakal-Seifenkraut, kudimera¯nu-Pflanze, Salbe für an.ta.sˇub.ba. ke, (7) Erbsengestrüpp

2.10.7 ›Herr des Daches‹, bennu und an.ta.sˇub.ba: Phylakterien Keilschrifttafel: VAT 8914 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 311. Teile des Textes sind parallel zu BAM III 202, AMT 46/5 und STT I 57. (Vs. 23’) Wenn

der ›Herr des Daches‹ einen Menschen gepackt hat, Trieb einer baltuDornpflanze, Trieb einer asˇa¯gu-Dornpflanze, (24’) Trieb von qan sˇala¯li-Rohr, annuharaPflanze in einem Lederbeutel. (25’) Wenn dito, nikiptu-Pflanze in ihrer männlichen˘ und weiblichen Variante, Grütze in einem Lederbeutel. (26’) Wenn dito, Eisen, mu¯su-Stein, ni˙ kiptu-Pflanze in ihrer männlichen und weiblichen Variante abgebrochen in einem Lederbeutel. … (Rs. 51’) Wenn ein Mensch im Liegen immer wieder zittert, er meckert wie eine Ziege, er brüllt, (52’) schreckhaft ist (und) immer wieder sehr laut schreit, ist es die Hand von Bennu, dem Vertreter des Mondgottes Sîn. (53’) Um ihn zu heilen: ›Fuchswein‹, annunu¯tu-Pflanze, hasˇhur-api-›Apfel‹, (54’) harmunu-Pflanze, araria¯nu-Pflanze, abukattu-Harz, ˘ ˘ eines Siebenschläfers, legst es um seinen Nak(55’) Affenhaar ˘nestelst du in den Balg ken 206). … (59’) Um an.ta.s ˇub.ba-Epilepsie zu entfernen: Fledermausflügel, Blätter von Kümmel, urânu-Pflanze in einem Lederbeutel. (60’) Wenn dito, Malachit, adbaru-Stein, Eisen, ›Schmieröl des Tores von Gilgamesˇ‹ in einem Lederbeutel. (61’) Wenn dito, irkulla-Pflanze, aktam-Pflanze, ›Fuchshaar‹, Eisen, zala¯qu-Stein in einem Lederbeutel. (66’) Wenn dito, Wurzel der baltu-Dornpflanze, Wurzel der männlichen Mandragora, Wurzel der asˇa¯guDornpflanze, (67’) Wurzel vom Keuschbaum, Wurzel der sˇakirû-Pflanze in ihrer männlichen Variante in einem Lederbeutel.

206. BAM III 202 Rs. 15 fügt ein »(mit) der Sehne einer geschlachteten Kuh«.

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2.10.8 an.ta.sˇub.ba und bennu: Amulettsteinketten Keilschrifttafel: A: VAT 13823*: B: A 201* (beide neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin und Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM IV 377 (an.ta.sˇub.ba), BAM IV 344 (bennu).

A (Rs. IV 5’) Die Steine musˇgarru, asˇqiqû, zuqaqı¯pu, abasˇmu, (6’) anzahhu, ugu-asˇqiqû, (7’) al˘ ˘ der rechten Seite. gamesˇu, weißer surru: (8’) Acht Steine für an.ta.sˇub.ba für den Fuß ˙ ¯ du, roter kapasu, (10’) weißer surru, kurgarra¯nu, (11’) musˇtashiptu, zibitu: (9’) Die Steine as ˇare ˘ ˙ den Fuß seiner ˙ linken Seite. (12’) Sechs Steine für an.ta.s ˇub.ba für (Vs. 1) (14) zala¯qu: Stein, damit sich bennu einem Menschen nicht nähere. … asˇpû: Stein, B damit sich bennu einem Menschen nicht nähere.

2.10.9 Schlaganfall Keilschrifttafel: K 2418+ (7. Jh. v. Chr.). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: AMT 77/1-2, 78/1, 79/1. Teile des Textes sind parallel zu BAM II 132, 133, 135, BAM IV 398. (Vs. I 1) Wenn ein Mensch einen Schlag des Gesichtes erlitten hat, sein Rumpf ihm gelähmt ist, liegen die Folgen eines Schlaganfalls vor. … (9) Wenn die gesamte linke Seite seines Körpers wie dahingeschüttet ist, – die Vorderseite wurde geschlagen – liegt ein Schlag durch den Dämon Sˇulak vor, (10) dem Lauerer des Waschhauses. Der Beschwörungspriester soll für seine Heilung keine Angaben machen. (11) Wenn er unter den Folgen eines Schlages am Rücken leidet, zermahlst du ½ Liter Leinsamen, in Milch in einem Tontopf … (12) noch warm streichst du es auf ein Stück Leder, legst es ihm vom Oberarm bis hin zu seinen Fingern an und … (55’) Wenn er unter den Folgen eines Schlages der Vorderseite leidet, mas ˇtakal-Seifenkraut, … (56’) Zypresse, e3ru-Samen zerstößt du miteinander, siebst es, ½ Liter dupra¯nuMehl … (57’) ½ Liter Mehl von gutem Getreide, ½ Liter Malzmehl, ½ Liter Mehl zerstößt du fein, siebst es … (58’) Wenn du es in Essig wie für ein Kataplasma einweichst … (59’) bis zu seinen Fingerspitzen hin … legst du es an, seine Brust … (60’) – auf dieser Tafel fehlt es – mit Öl reibst du ihn ein … (Rs. III 1) Wenn ein Mensch von einem Schlaganfall getroffen ist, dann nimmst du das Auge eines männlichen pura¯du-Karpfens … [in Salz] (2) legst du es ein, am vierten Tag nimmst du es heraus, mit … (3) mit roter und lapislazulifarbener Wolle umwickelst du es, in Leder nestelst du es ein … (19) Wenn bei einem Menschen sein Mund und seine Lippe nach rechts hin gezogen sind und er nicht artikulieren kann … (20) damit er wieder sprechen kann, führst du am sechsten Tag eine magische Zeremonie für ihn durch, am siebten Tag … (21) ›Taubendreck‹, Wachs, Mark einer kanaktu-Pflanze, welche (noch) öligen Pflanzensaft enthält, Zeder … (22) … verknetest du, Fett von einem läufigen Schaf und einer läufigen Ziege, ata¯3isˇuPflanze zerstößt du miteinander, (23) Ziegenleder zum Aufbringen einer Salbe bindest du um seinen Kopf, seine Augen und seinen Mund, (24) einen Monat lang führst du für ihn jeweils am 1., n1. und n2. Tag eine magische Zeremonie durch, dann wird er genesen. …

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Barbara Böck (37’) Gegen

die Folgen eines Schlaganfalls, der seinen Mund erfaßt hat: ›Staub des Kreuzweges‹ fügst du zu Brunnenwasser, er soll damit wiederholt spülen, dann wird er genesen. (Rs. IV 26) Wenn ein Mensch einen Schlaganfall der Wange erlitten hat: kukru-Pflanze, Wacholder, aktam-Pflanze, sua¯du-Pflanze, sumlalû-Pflanze, (27) aprusˇu-Pflanze, Weizen˙ mehl, ›Taubendreck‹. Diese Drogen verknetest du mit dem Satz von Bierhefe (28) und Starkbier, erhitzt es in einem Kuperkessel, streichst es auf ein Stück Stoff, seinen Mund … (29) Wenn ein Mensch durch einen Schlaganfall am Nacken erkrankt ist, kukru-Pflanze, Wacholder, sua¯du-Pflanze, Weizenmehl, (30) vermengst du miteinander, weichst es mit Butter und erstklassigem Bier in einem Kupfertopf ein, auf ein Stück Stoff streichst du es.

2.10.10 Schlaganfall: Phylakterien Keilschrifttafel: A 276 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM II 135. (Vs. 2’) hahû! -Glas, (3’) pe ¯ ndû-Stein

in Leder. (4’) azallû-Pflanze, elikulla-Pflanze, (5’) sikillu˘ ˘sˇakirû-Pflanze, ›Staub der Straßenkreuzung‹, (6’) ›Staub des Sandsturmes‹ in Pflanze, L[eder]. (7’) Du vermengst ankinu¯tu-Pflanze, urnû-Pflanze, (8’) asˇtatillû-Pflanze, masˇtakalSeifenkraut mit Zedernharz, (9’) nestelst es in Leder ein, legst es um seinen Nacken. (10’) Drei Lederbeutelchen gegen Schlaganfall.

2.10.11 Schlaganfall und Lähmung: Breiumschläge, Waschungen, Einreibungen und Arzneitrank Keilschrifttafel: Ni 178 (mittelbabylonisch). – Aufbewahrungsort: Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM IV 398; BE 31, 56. – Parallele Texte: Teile von AMT 77/1 duplizieren die Tafel. – Übersetzungen: S. Langdon, BE 31 (1914), 67-75. (Vs. 1) [Um

bei einem Menschen die Folgen eines Schlaganfalls zu mildern und] Lähmung seines Leibes [zu lindern,] 207) (2) e3ru-[Samen], (3) … Koloquinte, ›Lungen‹-Pflanze, Samen der …-Pflanze, …, tarmusˇ-Pflanze, (4) argannu-Pflanze, barı¯ra¯tu-Pflanze … Diese Drogen … (6) weichst du in einem Kupfertopf wie für einen Breiumschlag ein, (7) in Milch und erstklassigem Bier erhitzt du es, legst es ihm mehrmals an, [dann wird er genesen]. (8) Fall 2: Samen der urânu-Pflanze, Samen vom Keuschbaum, kukru-Pflanze, (9) Wacholder, Zapfen, Bierhefe von altem Bier (10) trocknest du, zerkleinerst du, siebst es, verknetest es mit heißem kasû-Wasser, (11) streichst es auf ein Stück Leder noch warm, dito. (12) Fall 3: sahlû-Pflanze, butuntu-Pflanze, gutes billatu-Bier, (13) Röstkornmehl, ˙ du in erstklassigem Bier in einem Kupfertopf ›Lungen‹-Pflanze, barı¯ra¯˘tu-Pflanze (14) läßt aufquellen, streichst es auf ein Stück Leder, (15) dito. (16) Fall 4: sahlû-Pflanze, Röstkorn˘ (17) trocknest du; mehl, nuhurtu-Pflanze, ›Lungen‹-Pflanze (und) Zweig einer Tamariske ˘ du zerkleinerst und siebst es, läßt es in erstklassigem Bier in einem Kupfertopf aufquellen, (18) auf die Oberfläche (der Masse) streust du Emmermehl, streichst es auf ein Stück 207. Die Ergänzung der Zeile richtet sich nach AMT 77/1 Rs. III 7.

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Texte aus Mesopotamien

Leder, dito. (19) Fall 5: sahlû-Pflanze, kasû-Pflanze, Zweig von Süßholz (und) sˇakirû-Pflanze ˘ (20) zerstößt du miteinander, gibst es zu Wasser, schließt es in einem Ofen ein (21) – seine Füße massierst du damit und reibst ihn mit Öl ein, dann wird er genesen. (22) Fall 6: Du trocknest Bierhefe, zerstößt es, nikiptu-Pflanze, ›Lungen‹-Pflanze (23) und kukru-Pflanze zermahlst du, läßt es in erstklassigem Bier in einem Kupfertopf aufquellen, (24) streust Emmermehl darüber, auf Leder noch warm, dito. (25) Fall 7: Zweig vom Süßholz verknetest du mit kasû-Wasser, (26) läßt es aufquellen, legst es ihm an, dann wird er genesen. (27) Fall 8: Tamariske, mas ˇtakal-Seifenkraut (und) Palmblatt trocknest du, zerkleinerst (28) kukru-Pflanze und Wacholder zerstößt du, vermengst es miteinander, und siebst du, (29) in Weizenmehl und Bierhefe läßt du es aufquellen, legst es ihm an, dann wird er genesen. (30) Wenn ein Mensch immer wieder von Lähmung in seinem Körper befallen wird, (31) um Lähmung des Körpers aufzuheben und (ihm) Wohlergehen zu schaffen: (32) aktam-Pflanze – hubs ˇilurgu (ist der Name der Medizinalpflanze) in Subartu 208) –, ˘ (33) Frucht der ›Hunde-Pflanze‹, sasumtu-Pflanze (und) Zweig eines amurdinnu-Strau˙ ˙ zerkleinerst und siebst du. (35) Flußschlamm … ches. (34) Diese Drogen trocknest, (36) … , dann wird er genesen. (Rs. 4’-23’: Beschwörung gegen Lähmung, s. dazu hier das Kapitel 2.17 »Musˇsˇu3u-Beschwörungen«). (24’) Ritual dazu: Trieb der baltu-Dornpflanze, Trieb der asˇa¯gu-Dornpflanze, Trieb des qa¯n sˇala¯li-Rohrs, (25’) Trieb der Schwertpflanze, Trieb des e3ru-Baumes, Rohr, Blatt (und) Wurzel vom Rohr und urânu-Pflanze (26’) zerstößt du miteinander, mit Öl vermengst du es, du salbst ihn gleichmäßig ein, solange bis sich (seine Beschwerden) beruhigen, dann wird er genesen. (27’) Fall 2: urânu-Pflanze, Samen vom Keuschbaum, supa¯lu-Pflanze, Tamariske, (28’) masˇtakal-Seifenkraut, kukru-Pflanze, Wacholder, Wacholderbeere, nuhurtu-Pflanze, (30’) sumlalû-Pflanze, ›Inneres des Mee˘ ˙ Feigen, Röstkorn, gutes billatu-Bier, (32’) Trieb res‹, nikiptu-Pflanze (und) (31’) sahlû-Pflanze, ˘ ˇ der surme¯nu-Zypresse, Zweig von Koralle, ›Lungen‹-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze, (33’) Minze, barı¯ra¯tu-Pflanze (und) Emmermehl vemengst du miteinander, (34’) verknetest es mit aufgegangener Bierhefe und heißem kasû-Wasser, bereitest es wie für ein Kataplasma vor, streichst es auf ein Stück Leder zur Verabreichung von Salben, (36’) legst es ihm noch warm überall an. Dann rezitierst du diese Beschwörung wiederholt, (37’) reibst ihn jeweils ein, dann wird er genesen. (38’) Fall 3: Rohr, Blatt und Wurzel vom qan sˇala¯li-Rohr, (39’) Trieb der as ˇa¯gu-Dornpflanze, Tamariske, Samen des e3ru-Baumes, Samen der urânuPflanze, (40’) (und) kamkadu-Pflanze zerstößt du, in Flußwasser gibst du ihm es zu trinken; ›Taubenkopf‹ (41’) vermengst du mit dem Öl der sˇurme¯nu-Zypresse und dem Samen der kamkadu-Pflanze, reibst ihn wiederholt ein, dann wird er genesen. (42’) Wenn ein Mensch unter Lähmung des Körpers leidet, nimmst du Dreck und alten Kot, (43’) mit masˇtakal-Seifenkraut (und) Ka3u-Pilz gibst du es zum Dreck, (44’) einen ganzen Tag hindurch schließt du es in Brunnenwasser in einem Ofen ein, läßt es über Nacht unter den Sternen stehen; (45’) am nächsten Morgen gießt du es in einen Krug, er soll sich damit waschen, dann wird er genesen. (46’) Wenn dito, zerkleinerst du Dreck, verknetest es mit kasû-Wasser, legst es ihm (mit einem Verband) an, (47’) am nächsten Morgen nimmst du ihn ab, er soll sich mit Keuschbaum-Wasser waschen (48’) (und die Reste) 208. Vgl. hierzu den Eintrag in Uruanna Tafel I 104 (KADP 4: 9), in welcher die Bezeichnung habsˇilurga als Name der aktam-Pflanze in Elam erklärt wird. ˘

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entfernen, dann zerstößt du nikiptu-Pflanze, hvermengst esi mit Zedernöl, mit dem Öl reibst du ihn ein, dito.

2.10.12 Lähmung: Amulettsteinkette, Räucherungen Keilschrifttafel: Rm 533+ (7. Jh. v. Chr.). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: AMT 29/2 + 91/1. – Parallele Texte: K 2542+, Rm 265, AMT 37/5 + 92/4 + 92/ 9. Übersetzung: R. Campbell Thompson, Assyrian Medical Prescriptions against sˇimmatu »Poison«, RA 27 (1930) 127-128, 133. (Vs. 7’) Karneol,

Lapislazuli, pappardilû-Stein, papparminu-Stein, (8’) grüner Obsidian, schwarzer Obsidian, abasˇmû-Stein, turminû-Stein, (9’) turminabandû-Stein, Alabaster, grün-gelber Stein, asˇgikû-Stein, (10’) alallu-Stein, immanakku-Stein, zala¯qu-Stein, mu¯su-Stein, (11’) siebenfarbige Muschel, zibtu-Stein, nı¯bu-Stein. (12’) 19 Steine für Läh˙ Auf ein weißes Band fädelst du sie, um seinen Nacken legst du (die Amulettsteinmung. kette). (13’) Wenn Lähmung des gesamten Körpers einen Menschen erfaßt hat: (14’) Trieb von der baltu-Dornpflanze, Trieb von der asˇa¯gu-Dornpflanze, (15’) Trieb von einer Tamariske, Tamariskensamen, Samen des e3ru-Baumes, (17’) Same der ›Hundezunge‹, Wurzel der urânu-Pflanze, Wurzel vom Süßholz, (18’) ankinu¯tu-Pflanze, Koralle, asˇqula¯lu-Pflanze, (19’) Samen von der surdunû-Pflanze, azallû-Pflanze, (20’) Wurzel von Mandragora in männlicher Variante. Diese 16 Ingredienzien (21’) trocknest, zerkleinerst (und) siebst du, über Kohle beräucherst du ihn damit. (22’) Wenn ein Mensch unter Lähmung leidet, ata ¯ 3isˇu-Pflanze, Schwefel, (23’) sˇupuhruHolz, Kalmus, Wachs, Hammeltalg: (24’) Sieben Ingredienzien für ein Räucherwerk˘ bei Lähmung. (25’) Mit Zedernsaft vermengst du es, beräucherst ihn (damit). (Rs. 1) Wenn ein Mensch unter Lähmung leidet: Schwefel, (2) kurka ¯ nû-Pflanze, Asphalt, Koralle. (3) 4 Ingredienzien für ein Räucherwerk gegen Lähmung.

2.10.13 Lähmung, hervorgerufen durch einen Skorpionstich Keilschrifttafel: Rm 533+ (7. Jh. v. Chr.). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: AMT 29/2 + 91/1. – Parallele Texte: AMT 37/5 + 92/4 + 92/9. – Übersetzung: R. Campbell Thompson, Assyrian Medical Prescriptions against sˇimmatu »Poison«, RA 27 (1930) 128. (Rs. 4) Wenn

ein Mensch unter Lähmung (hervorgerufen) durch einen Skorpion(stich) leidet, zerkleinerst du miteinander (5) harmunu-Pflanze, ›Waffen-Pflanze‹, (6) Koralle, ˘ (8) tarmusˇ-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen-1000‹mu¯su-Stein, (7) kutpû-Glas, elkulla-Pflanze, ˙ Pflanze (und) (10) sˇakirû-Pflanze, (11) vermengst es mit Zedernöl, (11) salbst ihn wiederholt mit dem Öl ein, dann wird er genesen.

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Texte aus Mesopotamien

2.11 Krankheiten der Extremitäten und unteren Körperhälfte

Barbara Böck Obgleich eine ganze Reihe von Rezepturen für Leiden an den Extremitäten und der unteren Körperhälfte auf uns gekommen sind, fehlen aussagekräftige Angaben, in welchem Umfang diese zu Kapiteln innerhalb der Rezepthandbücher aus Ninive und Uruk zusammengefaßt wurden. Abhilfe schafft ein fragmentarisch erhaltener Text aus Assur, auf den hier näher eingegangen sei. Es handelt sich dabei um einen Katalog des aus Assur stammenden Handbuches von Rezepttexten »Wenn der obere Teil des Kopfes eines Menschen 209) heiß ist« 210). Das Besondere an dieser Tafel ist eine Rubrik, die mehrmals auftaucht: ›autorisierte Fassung‹ – ein terminus technicus, der nichts anderes als einen Hinweis auf die Standardisierung oder ›Kanonisierung‹ von Textmaterial darstellt 211). Die Tafel ist zwar sehr stark zerstört, doch läßt sich erkennen, daß einigen Kapiteln von Heilmittelempfehlungen eine Beschwörung oder eine Gruppe von Beschwörungen zugeordnet wird 212). Somit zeigt dieses Handbuch einen anderen Aufbau als die aus Ninive und Uruk bekannten Medizinhandbücher gleichen Titels 213). Die Assur-Tafel stammt dem Kolophon nach von einem angehenden ›Arzt‹ 214). Das Kapitel, in welchem Krankheiten der unteren Körperhälfte zusammengestellt wurden, schließt sich unmittelbar an das Kapitel »Wenn einem Mensch schon in jungen Jahren seine Hüften wiederholt schmerzen« an. Diese Texte, die sich mit Erkrankungen des urogenitalen Traktes und des Enddarmes befassen, wurden unlängst von M. J. Geller in Bearbeitung vorgelegt (Renal and Rectal Disease Textes, BAM VII, Berlin / New York 2005). Soweit der erhaltene Text dies erkennen läßt, wurden die Beinkrankheiten im Assur-Katalog zu drei Kapiteln zusammengefaßt. Der Titel des ersten Kapitels ist nicht 209. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. 210. Es handelt sich um die Textfragmente YBC 7123 (= Nr. 9a), YBC 7146 (= Nr. 9b), YBC 7126 (= Nr. 9c) und YBC 7139 (= Nr. 9d), publiziert von G. Beckman / B. R. Foster, Assyrian Scholarly Texts in the Yale Babylonian Collection, in: E. Leichty / M. deJong Ellis / P. Gerardi (Hg.), A Scientific Humanist. Studies in Memory of Abraham Sachs, Philadelphia 1988, 1114. Die vier Textfragmente wurden von F. Köcher zusammengeschlossen, doch konnten die Autoren keine erneute Keilschriftautographie des Gesamttextes einfügen. 211. S. Text 9d Vs. 17’ und Text 9a Rs. Z. 5’. Dieser Fachausdruck wurde zuletzt von I. L. Finkel diskutiert, s. Adad-apla-iddina, Esagil-ke¯n-apli, and the Series SA.GIG, in: E. Leichty / M. deJong Ellis / P. Gerardi (Hg.), A Scientific Humanist. Studies in Memory of Abraham Sachs, Philadelphia 1988, 148 Anm. 38 und 150; dort auch weitere bibliographische Verweise. 212. S. etwa Text 9c Vs. 6’-7’; Rs. Z. 1’, 2’-6’, 7’-8’. Es werden jeweils Tafelanfänge zitiert, welche – so nach 9c Vs. 6’-7’ – als »insgesamt x Tafeln« (en x dub.mesˇ) zusammengefaßt und mit einer Beschwörung verbunden werden (»zusammen mit der Beschwörung«: en én). 213. S. für die Rekonstruktion den Beitrag von F. Köcher, Spätbabylonische Texte aus Uruk, in: C. Habrich / F. Marguth / J. H. Wolf (Hg.), Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart, München 1978, 17-39. 214. Erhalten in Text 9a Rs. 7’. Für eine Diskussion der Aufgabenbreiche der altmesopotamischen Heilkundigen s. zuletzt B. Böck, Heilkundige und Heilkunst im Alten Orient, in: J. Renger (Hg.), Assur – Stadt, Land, Gott, Colloquien der Deutschen Orient-Gesellschaft 5 (im Druck).

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erhalten, das zweite setzt mit [»Wenn einem Menschen die Muskeln] seiner Oberschenkel alle miteinander Schmerzen bereiten« und das dritte trägt als Überschrift »Wenn die Knie eines Menschen voller mungu-Krankheit sind« 215). Dank dieser Angaben lassen sich einige Querverbindungen zu dem Material aus Ninive herstellen. Offensichtlich stimmen zumindest einige der Titel überein, wenn auch mit anderer Zählung. So ist ein Text erhalten, der ebenfalls die Überschrift »Wenn die Knie eines Menschen voller mungu-Krankheit sind« trägt, aber als zweites Kapitel bezeichnet wird 216). Die Heilmittelempfehlungen dieser Tafel richten sich gegen die Krankheiten sˇasˇsˇattu und sˇiggatu; da der Bezug auf ein Körperteil fehlt, wurden sie hier jedoch nicht˙˙aufgenommen. Eine Übersetzung bot seinerzeit R. Campbell Thompson, Assyrian Medical Prescriptions against sˇimmatu »Poison«, RA 27 (1930) 131-33. Auch eine Tafel, die mit dem »Wenn einem Menschen die Muskeln seiner Oberschenkel [alle miteinander Schmerzen bereiten«] einsetzt, ist aus der ninivitischen Bibliothek bekannt, doch aufgrund des fragmentarischen Zustandes kaum verwertbar 217). Die Beschreibungen der Krankheiten reichen von Symptomaufzählungen bis hin zu Krankheitsnamen wie etwa sagallu-, kabbartu- und sˇasˇsˇatu-Krankheit oder allgemeinen Bezeichnungen für Lähmungserscheinungen bzw.˙ Muskelschwäche mit den Termini rimûtu, ˇsiggatu und sˇimmatu, die auch den gesamten Körper befallen. Als Heilmittel werden Verbände, Breiumschläge, Spülungen, das Einreiben und Massieren, Amulettketten und schließlich das Beräuchern empfohlen. Von besonderem Interesse ist ein Text, der das Rezept für einen Verband liefert, der auch bei Knochenbrüchen Verwendung fand. Es ist dies einer der wenigen Hinweise in der babylonisch-assyrischen Medizin, daß auch Knochenbrüche behandelt wurden! Als Kriterium der Textauswahl gilt im folgenden die Nennung des Körperteils. Berücksichtigt wurde ferner das eher magische Kompendium von Beschwörungen und Ritualanweisungen gegen die sagallu-Krankheit. Sehr groß ist die Anzahl der Heilmittelempfehlungen, die das Anlegen von Amuletten um Hände und Füße vorsehen; da diese Texte sehr stereotyp sind, geben wir nur ein Beispiel. Für die Bedeutung, die diesen Amuletten zukam, sei auf den Beitrag von B. Böck, »When You Perform the Ritual of ›Rubbing‹«: On Medicine and Magic in Ancient Mesopotamia, JNES 62 (2003) 1-16, hingewiesen.

2.11.1 Fußleiden: so daß ein Mensch weder aufstehen noch stehen kann Keilschrifttafel: K 8918 (7. Jh. v. Chr.). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: AMT 69/2. – Parallele Texte: AMT 70/7; BAM II 152. – Übersetzungen: R. Campbell Thompson, Assyrian Prescriptions for Diseases of the Feet, JRAS 1937, 269-72. (Vs. 2’) Wenn ein Mensch an den Füßen erkrankt ist, so daß er weder aufstehen noch stehen kann, (3’) und er an seinen Händen und Füßen zittert, ›Standort des ra¯bisu-Laue˙ einem rerdämons‹ … [um seine Hände] (4’) und Füße zu heilen: Du schöpfst mit agubbû-Gefäß Wasser, läßt es unter den Sternen stehen, (5’) fügst zum ›Herzen‹ einer

215. Text Nr. 9c und 9d Vs. 16’f. (12’f.). 216. Es handelt sich um den Text AMT 32/5+. 217. Es handelt sich um den Text AMT 42/6 Vs. 1.

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Tamariske, masˇtakal-Seifenkraut, junge Dattelplame, qan sˇala¯li-Rohr, Zeder, gutes Öl, Sirup, (6’) (und) Butterfett, ziehst einen Mehlkreis; am Morgen reibst du vor dem Sonnengott Sˇamasˇ seine Füße damit ein, dann wird er genesen. (7’) Wenn dito, Süßholz, ildakkuPappel, haluppu-Baum, Keuschbaum, lipa¯ru-Baum, mirisˇmara-Pflanze, (8’) ›Hundezunge‹, ˘ urânu-Pflanze, Samen (und) Sproß der ›Lungen‹-Pflanze, ›Fuchswein‹, aktam-Pflanze, (9’) … trocknest, zerkleinerst (und) siebst du, schließt es in Flußwasser in einem Ofen ein – spülst ihn beständig damit ab, dann wird er genesen.

2.11.2 Fußleiden: kabbartu-Krankheit Keilschrifttafel: VAT 8722+ (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM II 124. – Parallele Texte: s. Köcher, BAM II, x. (Vs. I 1) Wenn

ein Mensch an der kabbartu-Krankheit leidet, sein Körper weiß erscheint und schwarze (Flecken) auftreten, (2) ist er mit dieser Krankheit infiziert, … Dattel, (3) Blatt eines Feigenbaumes, Blatt eines Apfelbaumes, Zweig einer Tamariske, …, qan sˇala¯li-Rohr, (4) Blatt des lipa¯ru-Baumes gibst du zu Wasser, schließt es in einem Ofen ein, spülst seine Füße damit, dann hwird er geneseni. (5) Wenn dito, sı¯hu-Pflanze, argannu˘ azallû-Pflanze zerPflanze, barı¯ra¯tu-Pflanze, kamkadu-Pflanze, (6) ›gehörntes‹ Alkali (und) stößt du miteinander, mit minderwertigem Malz-Mehl vermengst du es, (7) mit Bier weichst du es in einem Kupfertopf ein – dann mit Milch –, streichst es auf ein Stück Stoff, legst es ihm an. (8) Wenn ein Mensch an der kabbartu-Krankheit leidet, seine Fersen entzündet sind, die Muskeln seiner Füße (9) dick geschwollen sind, so daß er nicht in der Lage ist zu laufen, Gips, sahlû-Pflanze, (10) ›gehörntes‹ Alkali (und) ›Festen Kotfladen‹ zerkleinerst du, ˘ in Milch in einem Kupfertopf ein, in noch warmem Zustand (11) streichst du weichst es es auf ein Stück Stoff, legst es ihm an – drei Tage hindurch sollst du es nicht abnehmen. (12) Wenn ein Mensch an der kabbartu-Krankheit leidet, so als ob die Sehnen seiner Fersen von Wind aufgebläht seien, (13) um es herauszuziehen: Wacholder, kukru-Pflanze, Gips, kasû-Pflanze, ›Lungen‹-Pflanze (und) Röstkorn (14) zerkleinerst du in Wasser, vermengst es mit isqu¯qu-Mehl, weichst es mit Bier in einem Kupfertopf ein, streichst es auf ein Stück Stoff, legst ihm einen Verband an, dann wird der ›Wind‹ austreten. (15) Wenn ein Mensch an der kabbartu-Krankheit leidet und seine Füße voller Blut sind, Schale eines Granatapfels (und) (16) ›Gazellenkot‹ zerstößt du, weichst es in dem Wasser von kasû-Pflanze ein, legst es ihm an. (17) Wenn eine Mensch an der kabbartu-Krankheit leidet, Blatt und Mark einer Koloquinte (18) zerstößt du, mit isqu¯qu-Mehl vermengst du es, mit Bier weichst du es in einem Topf ein, legst es ihm an. … (Vs. II 34) Wenn bei einem Menschen die kabbartu-Krankheit sehr schwerwiegend ist, hat ihn ›Bann‹ gepackt. Er wird sich beruhigen (und) nach einigen Tagen sterben. (35) Wenn während der kabbartu-Krankheit Eiter entsteht, wird er sterben.

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2.11.3 Verband bei Brüchen, Zerrungen, Versteifungen und Sehnenrissen Keilschrifttafel: VAT 8722+ (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM II 124. – Parallele Texte: s. Köcher, BAM II, x.

von sˇimru-Pflanze, Mehl von Malzklumpen, Mehl von …, Mehl von arsuppu-Getreide, Mehl von sˇigu¯sˇu-Getreide, Mehl von inninnu-Getreide, (45) Weizenmehl, Erbsenmehl, Linsenmehl, Kichererbsenmehl, Röstkornmehl, (46) Mehl von sahindu-Hefe, ˘ Mehl von Emmer, Mehl von ›Getrocknetem Kotfladen‹, Mehl von ›Taubendreck‹, (47) Mehl von Leinsamen, Mehl von gerösteter kasû-Pflanze, Mehl von gerösteten …, Mehl von Gips, (48) Mehl von getrocknetem Sesamtrester, Mehl von ›Altem Dachbalken‹ Mehl von ›Altem Dach-Rohrgeländer‹, (49) Mehl von ›Ofenscherbe‹, Mehl von Malz, Mehl von ›Ofenschlacke‹, (50) Mehl von ›Asche eines Topfes‹, Mehl von sada¯nu-Pflanze, ˙ Mehl von sı¯hu-Pflanze, Mehl von argannu-Pflanze, (51) Mehl von barı¯ra¯tu-Pflanze, Mehl ˘ von aprusˇu-Pflanze, Mehl von aktam-Pflanze, Mehl von ›Gazellenkot‹, Mehl von sasuntu˙ ˙ Pflanze, (52) Mehl von Zeder, Mehl von sˇurme¯nu-Zypresse, Mehl von dapra¯nu-Wacholder, Mehl von kukru-Pflanze, Mehl von Wacholder, (53) Mehl von sumlalû-Pflanze, Mehl ˙ von balukku-Pflanvon ›Bitter‹-Pflanze, Mehl von Myrte, Mehl von sˇimsˇalû-Pflanze, Mehl ze, Mehl von kanaktu-Pflanze, (54) Mehl von Kalmus, Mehl von sua¯du-Pflanze. Insgesamt 47! Mehle von Heilpflanzen (55) und aromatischen Pflanzen. Eine große Menge Pulvers für Verbände der Heilkunst, (56) um … zu beruhigen, um versteifte (Körperpartien) weichzumachen, um verzerrte (Glieder) zu entzerren, (57) um … zu bohren, um Brüche wiederherzustellen, um sˇihittu-Leiden umzukehren, (58) um eingerissene Sehnen zu ver˘ erstklassigem Bier, (59) falls es heiß ist, verknetest du es mit binden – falls es kalt ist, mit kasû-Wasser, verschlägst es mit Butterfett, legst es ihm an, dann wird er genesen. (Rs. III 44) Mehl

2.11.4 Lähmung und Muskelschwäche der Arme Keilschrifttafel: VAT 9587 (mittelassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM II 194. – Übersetzung und weiterführende Literatur: B. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u »Einreibung«. Eine Serie sumerischer und akkadischer Beschwörungen aus dem 1. Jt. v. Chr., Madrid 2007, 60-63. (Vs. IV’ 5’) Im

Falle von Lähmung (6’) und Muskelschwäche: (7’) Schwarze Bänder (8’) von abgetrennten Teilen von Fäden (9’) verzwirnst du dreifach miteinander, (10’) drei Knoten knüpfst du; (11’) wann immer du einen Knoten knüpfst, (12’) rezitierst du die Beschwörung »ibuh« dreimal, (13’) die Spalte der Achselhöhlen seiner (14’) Arme massierst du ˘ es ihm um. (und) bindest

2.11.5 munû-Krankheit an den Füßen Keilschrifttafel: VAT 9546 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM II 120. (Rs. III 1) Wenn

die Füße eines Menschen Hitze halten und sie voller munû-Krankheit sind: Zeder, sˇurme¯nu-Zypresse, Wacholder, …, (3) Samen der kamantu-Pflan˘ ze verschließt du zusammen mit verdünntem Bier in einem Ofen, (4) du nimmst es her(2) sahlû-Pflanze,

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aus, reibst seine Füße damit ein. (5) Dann vermengst du altes Öl mit diesen Drogen und salbst seine Füße damit ein, [dann wird er genesen]. (6) Wenn die Füße eines Menschen munû-Krankheit halten: ›Lungen‹-Pflanze (7) zerstößt du mit Wasser, legst es ihm an; sahlû-Pflanze verknetest du mit Milch, legst es ihm an, ˘ [dann wird er genesen]. (8) Wenn die Füße eines Menschen immer wieder Hitze haben, sie ihm rot werden, aber kein Kratzen (9) halten, sie voller Hautwunden sind, leidet er unter der munû-Krankheit. (10) … zerstößt du, mit kaltem Wasser verknetest du es, legst es ihm [an, dann wird er genesen].

2.11.6 Lähmung der Füße Keilschrifttafel: A 264+ (neuassyrisch). – Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM II 122. – Parallelen: s. Köcher, BAM II, x. (Vs. 8) Wenn

die Füße eines Menschen Lähmung haben, (9) ihm ständig schmerzen, die Muskeln seiner Beine schlaff sind, (10) aber seine Füße ihm zucken, Zweig der Tamariske, (11) …, kukru-Pflanze (und) Wacholder (12) zerkleinerst du miteinander, schließt es mit Malzwasser in einem Ofen ein, (13) solange bis es kocht; (14) bis zu siebenmal wiederholst du es, ihn (15) damit abzuwaschen, dann wird er genesen. (16) Wenn die Füße eines Menschen Lähmung halten und (17) Hitze haben und ihm beim Umhergehen schwer sind: (18) kamkadu-Pflanze, urnû-Pflanze, (19) qan sˇala¯li-Rohr, immergrüne Zypresse (20) zerkleinerst du, Salz der ama¯nu-Art, (21) weißer Gips, grün-gelber Gips, (22) ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze, Wurzel von Mandragora in männlicher Variante, (23) … Wasser. Diese Drogen (24) … in Bier …

2.11.7 Erschlaffte Schenkel Keilschrifttafel: A 264+ (neuassyrisch). – Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM II 122. – Parallelen: s. Köcher, BAM II, x. (Vs. 1) Wenn

die Schenkel eines Menschen erschlafft sind: 16,66 Gramm kasû-Pflanze Wasser von Keuschbaum, Wasser von Malz – (3) aktam-Pflanze erhitzt du, (4) seine Füße spülst du wiederholt damit ab. (5) Wacholder, kukru-Pflanze, balukku-Pflanze (6) (und) Wachs vermengst du mit Fett, (7) streichst es auf ein Stück Leder, legst es ihm an. (2) –

2.11.8 Muskelzucken in Händen und Füßen Keilschrifttafel: VAT 13742+ (neuassyrisch). – Vorderasiatisches Museum, Berlin – Autographie: BAM II 130. (Vs. 9) Um

zuckende Muskeln von Händen und Füßen ruhig zu stellen: (10) alte Zeder, baluhhu-Pflanze, nikiptu-Pflanze, Schwefel, (11) ›Gazellenkot‹, ›Fester Kotfladen‹, ›Tauben˘˘ (12) Mehl von Sesamtrester – Vorbereitung aromatischer Pflanzen. Du vermengst dreck‹, sie mit Fett, (13) in einer Spülung wäschst du es, nimmst es heraus, läßt es abkühlen, (14) streichst es auf ein Stück Leder, legst es ihm an, dann wird er genesen. (15) Wenn dito: sı¯hu-Pflanze, argannu-Pflanze, barı¯ra¯tu-Pflanze, (16) Zeder, sˇurme¯nu-Zypresse, Kalmus, ku˘ 103

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kru-Pflanze, (17) sua¯du-Pflanze gibst du zu kasû-Wasser und erstklassigem Bier, (18) du erhitzt es, spülst ihn damit wiederholt ab, [dann wird er genesen].

2.11.9 sagallu-Krankheit a. Keilschrifttafel: VAT 13742+ (neuassyrisch). – Vorderasiatisches Museum, Berlin – Autographie: BAM II 130. – Parallelen: s. Köcher, BAM II, xi. (Vs. 19) Wenn

bei einem Menschen die Muskeln seines Oberschenkels allesamt wie dahingeschüttet sind, (20) er weder aufstehen noch umhergehen kann, (21) dann hat ihn die sagallu-Krankheit ergriffen. (22) Wenn ein Mensch unter der sagallu-Krankheit leidet: (23) ein dalilu-Weichtier, welches die is ˇqillatu-Muschel bewohnt 218), zusammen mit Öl … (24) Beschwörungsformel für sagallu. b. Keilschrifttafel: K 2453+ (7. Jh. v. Chr.). – British Museum, London – Autographie: CT 23, 5-14. – Übersetzungen: R. Campbell Thompson, An Assyrian Incantation against Rheumatism, PSBA 30 (1908) 63-69, 145-52, 245-51, E. Ebeling, Keilschrifttafeln medicinischen Inhalts I, AGM 13 (1921) 138-44.

»sˇuhram sˇuhram tanbitum muttanbitum (37’) nuptuturri Sˇamasˇ enzi˘ ebitum etemah ebitum atemah ebitu tilagabu.« 219) la sˇinah zaggarra sˇinah … ˘(38’) iabitum ˘ ˘ ˘ für sagallu-Krankheit. ˘ (40’) RitualWortlaut der Beschwörung. (39’) Beschwörungsformel anweisung dafür: Du nimmst Vlies von einem (männlichen und) weiblichen Fühjahrslamm, Wolle vom Becken eines Widders und Wolle von einem noch unbesprungenem Zicklein, (41’) du verzwirnst es zu einer Kordel, tarmusˇ-Pflanze, ›Sie-trat-an-gegen1000‹-Pflanze (und) ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze wickelst du ein, knüpfst sieben Knoten, (42’) rezitierst die Beschwörung siebenmal darüber, bindest es um Hüften, Oberund Unterschenkel; du zerkleinerst ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze, (43’) reibst ihn mit Öl ein, zerstößt kurka¯nû-Pflanze und ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze, räucherst es über der Kohle von e3ru-Holz, dann [wird er genesen]. … (Rs. III 10) Wortlaut von zwei Beschwörungen. 220) (11) Ritualanweisung dafür: Lapislazulifarbene Wolle (und) weiße Wolle verzwirnst du miteinander zu drei Kordeln, drei (rote) pe¯ndû-Steine fädelst du auf, (12) knüpfst sieben Knoten, wann immer du einen Knoten machst, rezitierst du die Beschwörung, bindest (jeweils ein Amulett) um seine Lenden, Füße und Unterschenkel, dann wird er genesen. (13) Beschwörung: »Du bist hell aufgeleuchtet wie die Sterne, jetzt aber sei erloschen wie glimmende Asche! Mögen deine Wurzeln austrocknen, dein Stamm verkümmern! (14) Möge dein Same austrocknen wie der eines zeugungsunfähigen Eunuchen! Möge dein Antlitz erbleichen wie geröstetes Korn! (15) Den Wolken am Himmel gleich, die (Vs. II 36’) Beschwörung:

218. Zu dem die Muschel bewohnenden Mollusk s. A. L. Oppenheim, Mesopotamian Conchology, OrNS 32 (1963) 407-12, hier 410. 219. Unverständliche ›Abrakadabra‹-Beschwörung. Einer der parallelen Texte setzt mit bahram ˘ bahram ein; s. für mögliche Ankläge an das Hurritische D. Prechel / T. Richter, Abrakadabra ˘ Althurritisch. Betrachtungen zu einigen altbabylonischen Beschwörungstexten, in: oder T. Richter / D. Prechel / J. Klinger (Hg.), Kulturgeschichten. Altorientalistische Studien für Volkert Haas zum 65. Geburtstag, Saarbrücken, 2001, 333-71. 220. Da es sich ebenfalls um unverständliche Begleitsprüche handelt, werden sie hier nicht wiedergegeben.

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keinen Bestand haben, einem schwachsichtigen Menschen gleich, der nicht sieht, wohin er tritt, (16) einem Toten gleich, der nicht das Tor des Lebens durchschreiten kann, dem Gott Kubu gleich, der nicht die Milch seiner Mutter nuckeln kann, (17) dem Samen von Röstkorn gleich, der keinen Sproß austreiben kann, entferne dich, ja entferne dich! Erloschen sei Wurzel und Nachkommenschaft!« Beschwörung. (18) Beschwörung: »Möge es wie ein Stern (nur kurz) aufleuchten (und) dem Tau gleich (schnell) vertrocknen! Mögen deine Wurzeln verkümmern, dein Stamm austrocknen! (19) Möge er sein wie der Trieb von Röstkorn! Möge sein Antlitz erbleichen wie der Same von Röstkorn! Sein Same möge austrocknen wie der einer unfruchtbaren Frau! (20) Wie ein schwachsichtiger Mensch soll er nicht sein Antlitz erheben! Die Beschwörung ist nicht meine, es ist die Beschwörung von Damu und Gula. (21) Es ist die Beschwörung von Ningirim, der Herrin der Beschwörung. Sie haben sie mir erzählt, und ich rufe sie aus.« Wortlaut der Beschwörung. (22) Zwei Beschwörungsformeln bei sagallu-Krankheit. (23) Ritualanweisung dafür: Rote Wolle (und) weiße Wolle verzwirnst du miteinander, sieben sˇû-Steine in männlicher Variante fädelst du auf, ›Hoden eines Mannes, der nicht sieht‹, (24) ›Hoden eines Mannes, der noch keine Frau geschwängert hat‹, ›Hoden eines schwarzen Hundes‹, Samen von Röstkorn, Mehl von Röstkorn umwikkelst du mit roter Wolle (25) mit sieben Umschlägen, knüpfst sieben Knoten, rezitierst die Beschwörung und bindest es ihm um, dann wird er genesen. (26) Beschwörung: »Ich besame mich selbst, ich besame meinen Körper wie ein Hund eine Hündin, wie ein Keiler eine Bache in der Steppe kopuliert. (27) Wie ein Pflug die Erde besamte (und) die Erde seinen Samen annahm, (28) so soll er sich selbst annehmen, soll er sich selbst besamen!« Wortlaut der Beschwörung 221). (29) Beschwörungsformel bei sagallu-Krankheit. (30) Ritualanweisung dafür: Sieben abgeschnittene Triebe vom e3ru-Baum zusammen mit ihren Wurzeln brennst du über Feuer an, auf rote Wolle (31) fädelst du es auf, knüpfst sieben Knoten; wann immer du einen Knoten machst, rezitierst du die Beschwörung, bindest es ihm um, dann wird er genesen. (32) Beschwörung: »Möge Ea, der Herr über die unterirdische Wassertiefe, für dich die lebensspendende Beschwörung rezitieren! Den Ausspruch des Lebens (33) möge Asalluhi, der Beschwörer der Götter, ja die lebenspendende Beschwörung für dich aufsagen! ˘ Gibil erlöschen! Möge sich die Hüfte beruhigen! (34) Es trete heraus ›Nagendes Möge (Fieber)‹, welches in deinem Körper ist!« Beschwörung 222). (35) Beschwörungsformel bei sagallu-Krankheit. (36) Ritualanweisung dafür: Über Topföl rezitierst du die Beschwörung, reibst ihn von oben bis unten ein und rezitierst die Beschwörung dabei, dann wird er genesen. ˇû ist sein Name 223), masˇkadu(-Krankheit) ist sein Beiname, von den (37) Beschwörung: »S 221. Die Beschwörung ist mehrmals bearbeitet worden; s. zuletzt A. Cavigneaux, A Scholar’s Library in Meturan? With an Edition of the Tablet H 72 (Textes de Tel Haddad VII), in: T. Abusch / K. van der Toorn (Hg.), Mesopotamian Magic. Textual, Historical, and Interpretative Perspectives, Ancient Magic and Divination 1, Groningen 1999, 267 mit weiterführender Literatur. 222. Die Beschwörung »Möge Gibil erlöschen« wurde in das Beschwörungshandbuch Musˇsˇu3u »Einreibung« inkorporiert; s. dazu B. Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u »Einreibung«. Eine Serie sumerischer und akkadischer Beschwörungen aus dem 1. Jt. v. Chr., Madrid 2007, 69-70, 297, 307. 223. Des Dämons.

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Sternen des Himmels stieg er herab (und dann) (38) packte Lähmung den gesamten Körper des jungen Mannes, packte Lende, Unterschenkel, kisallu-Teil des Beines, Hüfte, ˙ und von allem erfuhr, reBecken und Rücken224). (39) Asalluhi, der voller Sorgen war ˘ zitierte für ihn die Beschwörung, die alles aus ihm heraustreten läßt. (40) Wie der [Morgen] zum Abend tritt, soll die Krankheit, welche sich in seinem Körper befindet, hintreten!« Beschwörung. (41) [Beschwörungs]formel bei sagallu-Krankheit. (42) [Ritualanweisung] dafür: Falls es sich um den rechten Fuß des Kranken handelt, nimmst du die Sehne aus dem rechten Oberschenkel eines Hammels, falls es sich (43) um den linken (Fuß) handelt, (nimmst du) die Sehne aus dem linken Oberschenkel eines Hammels, verzwirnst sie mit dem Vlies eines männlichen und weiblichen Frühjahrslammes, (44) knüpfst [sieben] Knoten; wann immer du einen Knoten machst, rezitierst du die Beschwörung, dann bindest du es ihm um.

2.11.10 Schwitzkur und Umschläge Keilschrifttafel: VAT 14527+ (neuassyrisch). – Vorderasiatisches Museum, Berlin – Autographie: BAM IV 405. – Parallelen: s. Köcher, BAM IV, xxx.

um ihn zu heilen: urânu-Pflanze, ›Lungen‹-Pflanze, … (7’) masˇtakal-Seifenkraut, ›gehörntes‹ Alkali, Süßholzwurzel, Wurzel der sikillu-Pflanze: zwölf Drogen. (8’) … [vermengst] es mit Bier und …-Bier, [schließt es in einem Ofen ein], nimmst es heraus, massierst damit immer wieder seine Hände und Füße, spülst ihn wiederholt ab …, (9’) [(wenn er danach immer noch die …-Krankheit)] hält, folgt danach dieses: mit ›Sietrat-an-gegen-1000‹-Pflanze (und) mit Öl reibst du ihn ein, und, nachdem du dies getan hast, … (10’) … läßt du ihn sich auf heiße Ziegel setzen, solange bis er Schweiß treibt. Sobald er Schweiß getrieben hat, (11’) zerkleinerst du ›Flußschlamm‹, siebst es, weichst es in einem Tontopf mit kasû-Wasser ein, streust Mehl von Röstkorn, Emmer und ›Lungen‹-Pflanze darüber, legst es seinen Händen und Füßen an. (12’) [Wenn] die Unterschenkel [eines Menschen] erschlafft sind, erhitzt du kasû-Wasser, Keuschbaum-Wasser, Wasser von Malz (und) aktam-Pflanze, spülst seine Schenkel damit wiederholt ab, vermengst kukru-Pflanze, Wacholder, (13’) balukku-Pflanze (und) Wachs mit Fett, streichst es auf ein Stück Leder, legst es ihm an. (14’) Wenn die Schenkel und Füße eines Menschen ihm schwer sind (und) ihm stechende Schmerzen bereiten, um ihn zu heilen: Samen der tarmusˇ-Pflanze, Samen der kamantu-Pflanze, Samen der aktam-Pflanze, Samen des e3ru-Baumes, (15’) sı¯hu-Pflanze, ar˘ gannu-Pflanze (und) barı¯ra¯tu-Pflanze zerstößt du – ›Lungen‹-Pflanze, aktam-Pflanze – (16’) … [bereitest sie in einem Kupfer]topf wie für diese Drogen nimmst du zusammen, einen B[reiumschlag vor …]. (6’) […]

224. Teile der Beschwörung wurden in das Beschwörungshandbuch Musˇsˇu3u »Einreibung« inkorporiert; s. dazu B. Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, 64, 291-295, 306-307.

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2.12 Konzeption, Kontrazeption, Geburt, Frauenkrankheiten

Barbara Böck Ohne Zweifel ein wichtiger Stellenwert kam all den Heilpraktiken zu, die die Fruchtbarkeit und Gebärfähigkeit der Frau und eine leichte Geburt zu garantieren suchten, aber auch den Heilmittelempfehlungen, die Abhilfe bei gesundheitlichen Problemen und Komplikationen während und nach der Geburt sowie bei Gefahr eines frühzeitigen Abgangs des Embryos versprachen. Wohl dem Zufall der Überlieferung, wenn nicht der Publikationslage, ist es zu verdanken, daß der bei weitem überwiegende Teil der Texte, die von Kontrazeption, Geburt und Komplikationen während und nach der Schwangerschaft handeln, aus den Städten Assur, Babylon, Sippar, Ur und Uruk stammen. Nur wenige Textpartien, die zum ninivitischen Rezepthandbuch gehören, sind bislang bekannt geworden. Nach dem sog. ›Leitfaden der Beschwörungskunst‹ (KAR 44 Vs. 15) wurden die einschlägigen Beschwörungen samt den Anweisungen zu ihrer Rezitation unter den Rubriken »Frau, die nicht gebären / empfangen kann« und »Frau, die unter einer schwierigen Geburt leidet« zusammengefaßt. Wieviele Kapitel des ninivitischen Rezepthandbuches der Behandlung von Frauen bestimmt waren, ist unbekannt. Aus Assur sind Fragmente eines Kataloges des sich offenbar in eben dieser Stadt im Umlauf befindenden Rezepthandbuches auf uns gekommen, in welchem etliche Kapitel aufgezählt werden. Aufgrund des Erhaltungszustandes ist jedoch unsicher, welchen Umfang dieser Teil des Handbuches besaß 225). Einem kleinen Fragment aus Uruk zufolge bildete einer der Abschnitte von »Frauenkrankheiten« das Kapitel 41 des urukäischen Rezepthandbuches 226). Das altmesopotamische Wissen um die Umstände von Konzeption und Geburt sollte nicht unterschätzt werden, auch wenn wir bisweilen den Effekt etlicher Heilmittelempfehlungen aufgrund der vielen nicht identifizierbaren Heilpflanzen und Mineralien nicht nachvollziehen können. Dies trifft insbesondere auf eine kleine Gruppe von Heilmittelempfehlungen, um die Fruchtbarkeit einer Frau herbeizubringen oder zumindest zu fördern, zu. Andere Rezepturen detaillieren das Problem der Unfruchtbarkeit und versprechen Abhilfe bei vorzeitigem Abgang des Samens aus dem Mutterleib. Nach erfolgtem Beischlaf konnte mittels Tests eine mögliche Schwangerschaft überprüft werden. Informationen dazu bieten einige Angaben zur Herstellung von Vaginal-Suppositorien, die aus Wolle hergestellt und mit verschiedenen Medizinalpflanzen versetzt über einen bestimmten Zeitraum hinaus getragen werden sollten; eine farbliche Veränderung der Wolle gab dann Aufschluß über eine erfolgte Befruchtung. Auch Rezepte zur Kontrazeption sind überliefert worden; diese sehen das vorzeitige Herbeiführen der Menstruation vor. Eine ganze Reihe von Heilmittelempfehlungen handeln von Komplikationen während der Schwangerschaft wie etwa vorzeitig eintretenden Blutungen, Schmerzen im Unterleib, starken Blähungen, dem mög225. Es handelt sich um das Fragment YBC 7146, welches zusammen mit YBC 7123, 7126 und 7139 zu einer Tafel gehört. Die Texte wurden von G. Beckman und B. R. Foster veröffentlicht (Assyrian Scholarly Texts in the Yale Babylonian Collection, in: E. Leichty et al. (Hg.), A Scientific Humanist. Studies in Memory of Abraham Sachs, Philadelphia 1988, 1-26). 226. S. für den Text H. Hunger, SpTU I 59, 65-66.

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lichen Abgang des Embryos innerhalb der ersten drei Monate oder dem vorzeitigen Verlust des Fruchtwassers. Charakteristisch für die Empfehlungen zur Erleichterung der Geburt und Linderung der Wehenschmerzen ist die große Anzahl von mitunter sehr langen Beschwörungen 227), was auch aus anderen Kulturen bekannt ist. Ohne weiteres läßt sich eine der Erklärungen von C. Lévi-Strauss, der anhand einer Geburtsbeschwörung der Cuña-Indianer den Effekt derartiger Texte untersucht hat, auf die entsprechenden keilschriftlichen Kompositionen übertragen; so führt er aus: »Das Heilverfahren bestünde also darin, eine Situation, die zunächst affektiver Natur ist, gedanklich faßbar und Schmerzen, die auszuhalten der Körper sich weigert, für den Geist annehmbar zu machen«. Denn die Kranke ist »nicht bereit, zufällige und willkürliche Schmerzen hinzunehmen« 228). Schließlich sind noch die Heilmittelempfehlungen für Erkrankungen, die unmittelbar nach der Geburt auftreten, zu nennen. Allen diesen Texten ist gemein, daß sie sich einer oft schwer verständlichen und mitunter kaum deutbaren Sprache bedienen. Ob dieser Umstand der Natur der Materie zuzuschreiben ist oder bzw. und in Verbindung steht mit den für diese Behandlungen verantwortlichen Personen, der Hebamme, ist Gegenstand von Vermutungen. An weiterführender Literatur zum Komplex Schwangerschaft und Geburt sind hervorzuheben: I. L. Finkel, The Crescent Fertile, AfO 27 (1980) 37-52, E. Reiner, Babylonian Birth Prognoses, ZA 72 (1982) 124-38, M. Stol, Birth in Babylonia and the Bible. Its Mediterranean Setting, Groningen 2000, sowie K. Volk, Vom Dunkel in die Helligkeit: Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindheit in Babylonien und Assyrien, in: V. Dasen (Hg.), Naissance et petite enfance dans l’antiquité, Fribourg 2004, 71-92.

2.12.1 Um Fruchtbarkeit herbeizuführen a. Keilschrifttafel: BM 42333+ (spätbabylonisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: I. L. Finkel, On Late Babylonian Medical Training, in: A. R. George / I. L. Finkel (Hg.), Wisdom, Gods, and Literature. Studies in Assyriology in Honour of W. G. Lambert, Winona Lake 2000, 172. – Übersetzung: Finkel, ebd., 171-73. (Vs. 5) Wenn

eine Frau nicht schwanger wird, um sie schwanger zu machen: … (6) kukruPflanze, 8,16 Gramm Wacholder, (7) 16,33 Gramm sˇambaliltu-Pflanze, 16,33 Gramm stinkender Sesam, (8) 16,33 Gramm sˇiqittu-Mandel (9) vermischst du mit … aus der Öffnung eines dannu-Gefäßes, (10) formst ein Tampon in Eichelgröße, führst es in ihren Mutterleib ein. … (Rs. 12) Um eine Frau, die nicht schwanger ist, schwanger zu machen, (12) ziehst du einer Röhrrichtmaus das Fell ab, (14) öffnest sie und füllst sie mit ›Bitter‹-Pflanze, (15) trocknest es im Schatten, zerstößt und zermahlst es, vermengst es mit Fett, (16) führst es in ihren Mutterleib ein, dann wird sie schwanger werden.

227. Vgl. etwa die Beschwörung »Die Kuh des Sîn«, übersetzt von W. Farber in TUAT II/2, 1987, 274-77. 228. Strukturale Anthropologie I, Frankfurt 1997 (übersetzt von H. Neumann, Originalausgabe: Anthropologie structurale, Paris 1958), 216-17.

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b. Keilschrifttafel: A 218* (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM III 250 (nur Rs.).

Vs. nicht erhalten oder sehr fragmentarisch. …, (Rs. 1) Silber, Gold, (2) Eisen, Kupfer: (3) insgesamt 21 Mineralien – (4) um eine nicht schwangere Frau schwanger zu machen, (5) auf eine Kordel aus Leinen fädelst du es auf, (6) legst es um ihren Nacken. c. Keilschrifttafel: VAT 8007+ (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 244. (Vs. 8’) Um

eine Frau, die nicht gebären kann, gebären zu lassen … (9’) … (10’) Ritual dazu: Blätter von Gartenkräutern, soviele … (11’) reines Rohr aus dem Röhricht, … (12’) Wurzel von qan sˇala¯li-Rohr, baltu- und asˇa¯gu-Dornpflanze … (13’) …-Pflanze, sı¯hu-Pflanze, ˘ sie mit argannu-Pflanze, … (14’) labubı¯tu-Pflanze – dieses alles nimmst du … (15’) wäschst (16’) am Abend nimmst du es heraus, [sie soll es Wasser, fängst es in einem Gefäß auf … … tragen …] (17’) erstklassiges Bier zu diesem Wasser … (18’) du läßt sie hineinsteigen, massierst sie solange, bis das Wasser kalt ist … (19’) nach dem Bad 229) läßt du sie heraustreten, reibst sie mit einer Salbe ein … (20’) Dieser Frau über drei Tage hinweg zum Bad … (21’) Sobald ihre Tage sich erfüllt haben, eine Binde … (22’) welches diese Binde nach Bedarf … (23’) gutes Gerstenmehl, Keuschbaum-Mehl, Emmer-Mehl, Grützen-Mehl, Mehl von …, (24’) Erbsenmehl, Linsenmehl, kisˇsˇe¯nu-Mehl, barı¯ra¯tu-Mehl, [Mehl von …], (25’) Mehl von Minze, Mehl von azupı¯ru-Pflanze, Mehl von kasû-Pflanze, Mehl von …, (26’) Mehl von nikiptu-Pflanze, Weizenmehl, Zedernmehl, Mehl von …, (27’) Mehl von asu-Pflanze, Mehl von sumlalû-Pflanze, Mehl von balukku-Pflanze, insgesamt 21 MehlSorten (28’) nimmst du ˙jeweils, vermengst sie miteinander, in einem kleinen Kessel aus der Hand eines Arztes … (29’) sollst du es jeweils mit ½ Liter Öl binden, ihre Hüfte, ihre Schenkel und ihren Rücken … (30’) du sollst sie damit wiederholt anfeuchten, dann wird sie genesen.

2.12.2 Um den vorzeitigen Abgang des Samens zu verhindern Keilschrifttafel: VAT 8881 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 240. (Rs. 70’) Wenn

eine Frau in ihrem Mutterleib Samen angenommen hat, sie aber nicht gebiert: Fluch des Gottes. Damit Wohlergehen … (71’) Wenn eine Frau Samen im Leib hat, ihn aber nicht halten kann, um diese Frau zu beruhigen, ›Oberschenkelknochen eines …‹, […, ›Oberschenkelknochen] (72’) eines unbesprungenen Zickleins‹, beide …, mundu-Feinmehl verschlägst du mit Wasser … (73’) Diese ›Oberschenkelknochen‹ zu … (74’) in ihre Scheide führst du es ein, …

229. Oder hier und im folgenden: Spülung?

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2.12.3 Schwangerschaftstests Autographie: UET VII 123. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Übersetzung: E. Reiner, ZA 72 (1982) 135-36. (Vs. 1) …

8,16 Gramm ›Weiße Pflanze‹, 4 Gramm gabû-Mineral, (2) … [umgibst du mit einem Vlies], führst es in ihren Mutterleib ein, die gesamte Nacht hindurch (3) … mit … wäschst du sie. Ist das Vlies rot oder mit Blut besprenkelt, (4) [wird diese Frau schwanger werden]. Falls dieses Vlies grün ist, wird diese Frau nicht schwanger werden. Falls das Innere ihres Mutterleibes, (5) … und Galle zuviel vorhanden sind, dann ist sie (bereits) medizinisch behandelt worden. Ihre Schwangerschaft (6) … Einen Trank verabreichst du. … ein Tampon soll sie tragen. Kukru-Pflanze (7) , Wacholder, ›Lungen‹-Pflanze, nuhurtu-Pflanze und Wacholderharz gibst du ihr einmal, zweimal, dreimal zu trinken, läßt˘ sie sich erbrechen, dann wird sie schwanger werden. (8) Wenn dito, umgibst du dihu mit einem Vlies, führst es in ihren Mutterleib ein; drei ˘ (9) wenn die dihu mehrfarbig ist wie …, wird diese Frau Tage hindurch soll sie es tragen, ˘ schwanger werden. (10) Wenn dito, ›Weiße Pflanze‹, ›gehörntes‹ Alkali umgibst du mit einem Vlies, führst es in ihren Mutterleib ein, sie soll es drei Tage hindurch tragen. (11) Am dritten Tag wäschst du das Vlies mit Wasser; wenn das Vlies … ist, [wird sie schwanger]. (12) Wenn das Vlies grün, rot oder weiß ist, [wird diese Frau nicht schwanger werden].

2.12.4 Kontrazeption durch Herbeiführen der Menstruation Keilschrifttafel: W 22307/50+ (spätbabylonisch). – Aufbewahrungsort: Iraq Museum, Bagdad. – Autographie: SpTU I 59, 148. – Übersetzung: H. Hunger, SpTU I, S. 65-66. (Rs. 12’) Wenn

eine Frau keine Menstruationsblutungen 230) hat, damit sie Menstruationsblutungen bekommt: ›Sie-trat-an-gegen-20‹-Pflanze, Wurzel von … (13’) und sasuntu˙ ˙ Pflanze zerreibst du miteinander, in Öl, Bier oder Essig …

2.12.5 Schwangerschaftsabbruch Keilschrifttafel: VAT 13896*. – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 246. (1) Damit eine Schwangere ihre Leibesfrucht verliert: (2) ›Mehrfarbige Eidechse einer Wand‹, Samen der ›Alleinstehenden‹-Pflanze, (3) ankinudi-Pflanze, azupira¯nu-Pflanze (und) (4) nabruqqu-Pflanze, Wurzel der businnu-Pflanze, (5) … des Bierbrauers. Diese ˙ es ihr in Wein auf nüchternem acht Drogen (6) zerstößt du miteinander, verabreichst Magen, dann (7) wird ihre Leibesfrucht abgetrieben. (8) Wenn dito, zerstößt du ›Eidechse einer Wand‹, (9) verabreichst es in Bier auf nüchternem Magen, dann (10) wird ihre Lei-

230. Den hier vorliegenden Terminus gig lese ich marusˇtu, für welches M. Stol, Birth in Babylonia, 26 eine Bedeutung »menstruation« vorgeschlagen hat. Das Herbeiführen der Menstruationsblutungen, um die Einnistung des befruchteten Eis zu verhindern, ist als Kontrazeptionsmethode hinreichend aus der griechisch-römischen Medizin bekannt; s. J. M. Riddle, Contraception and Abortion from the Ancient World to the Renaissance, Cambridge / London 1992, 26.

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Texte aus Mesopotamien

besfrucht abgetrieben werden. (11) Wenn dito, zerstößt du nabruqqu-Pflanze, (12) verabreichst es in Bier auf nüchternem Magen, dann [(13) wird ihre Leibesfrucht abgetrieben werden].

2.12.6 Komplikationen während der Schwangerschaft: Abgang des Embryos Keilschrifttafel: BM 42333+ (spätbabylonisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: I. L. Finkel, On Late Babylonian Medical Training, in: A. R. George, I. L. Finkel (Hg.), Wisdom, Gods, and Literature. Studies in Assyriology in Honour of W. G. Lambert, Winona Lake 2000, 172. – Übersetzung: Finkel, ebd., 171-73. (1) Wenn

eine Frau sei es im 1., 2. oder 3. Monat (2) ihre Leibesfrucht verlieren sollte, trocknest du hulû-Maus, (3) zerstößt und zermahlst es, vermengst es mit drei Teilen ˘ Wasser und einem Teil Öl, (4) fügst annuharu-Mineral hinzu, gibst es ihr zu trinken, dann wird sie ihre Leibesfrucht nicht verlieren.˘

2.12.7 Komplikationen während der Schwangerschaft: Blutungen, ni.ne-Krankheit Keilschrifttafel: VAT 8577+ (neuassyrisch) – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 237. (Vs. I 9’) Du

nimmst eine ›Scherbe, die auf einem Kreuzweg steht‹, wäschst sie mit Wasser, salbst sie mit Öl ein, umwickelst sie mit roter Wolle. (10’) Du plazierst sie in einem Hause hinter der Tür an einem abgeschlossenen Ort, fegst Erde darüber, besprengst sie mit Wasser, stellst ein Räucherbecken mit Wacholder (und) (11’) kukru-Pflanze darin darüber; die Frau soll niederknien und ihren Arm nach hinten halten. Dreimal rezitierst du die Beschwörung (und) (12’) dreimal soll sie das sˇegû-Gebet ausrufen. Sie soll sich nicht niederwerfen! Sobald du sie sich hast erheben lassen, bereitest du Rührkuchen, Sirup und Butterfett vor, (13’) führst ein Libationsopfer durch – (jetzt) soll sie sich niederwerfen. Über drei Tage hinweg wiederholst du (das Ritual). Sobald du das getan hast, gibst du ihr … zu trinken, (14’) reibst sie mit einer Salbe ein, bindest ihr Amulettsteine um. Am vierten Tag schüttest du sı¯hu-Pflanze, argannu-Pflanze (und) barı¯ra¯tu-Pflanze ˘ ein sˇegû-Gebet ausrufen, dann soll sie vor Isˇtar (15’) vor die Tür. Die Frau soll vor der Tür (16’) ein s ˇegû-Gebet ausrufen, dreimal rezitierst du die Beschwörung, dann wird sie genesen. (17’) Wortlaut der Beschwörung für den Fall, daß eine Frau unter nahsˇatu-Blutun˘ auf Erden, gen leidet. Erprobtes Heilmittel. (18’) Beschwörung: »Inanna in Himmel und Inanna, … (19’) kadrajı¯tu, sˇugallitu, kadrajı¯tu, telı¯tu … (20’) Isˇtar und ankibitu … des Himmels.« Beschwörungsformel. 231) (21’) Wortlaut der Beschwörung für eine Frau, die an nahs ˇatu erkrankt ist. (22’) Ritual dazu: Männliches asˇlu-Gras, rote Wolle (und) Sehnen einer˘ toten Kuh soll eine Frau ohne Blutungen verzwirnen. 14 Knoten knüpfst du. (23’) Zwischen den Knoten umwickelst du mit roter Wolle atbaru-Stein, legst es unterhalb ihres Oberschenkels an und (24’) bindest es (oben) an ihren Hüften fest, dann werden die nahsˇatu-Blutungen aufhören. (25’) Du dörrst Dattelkern(e), zerstößt es, wickelst ˘es in ein Tampon, führst es in ihren Mutterleib ein. 231. Die Beschwörung ist nicht ganz verständlich. Einige der Worte scheinen sumerische Ausdrükke zu ›akkadisieren‹ ; ˇsugallitu etwa »die mit großen Händen« (sum. sˇu gal).

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Barbara Böck (26’) ›Menschenknochen‹

schüttest du auf Kohlen, diese Frau soll darüber ihr Wasser lassen 232); (27’) falls (die Blutungen) nicht aufhören, soll sie es wiederholen. (28’) ellu ¯ ru-Pflanze (und) ›Staub von den Spuren eines Wagenrades‹ gibst du zu erstklassigem Bier, läßt es über Nacht unter den Sternen stehen, (29’) am nächsten Morgen gibst du ihr es auf nüchternem Magen zu trinken, die Blutungen werden aufhören. … (Rs. IV 9) Wenn eine Frau an ni.ne erkankt ist, vermengst du einen Liter Asche von der Euphratpappel (und) einen Liter Asche von der amharu-Pflanze, (10) verknüpfst es mit 14 Knoten in einem Tuch, mit einem Mal führst du es˘in ihren Mutterleib ein. (12) Du zerstößt ›Weiße Pflanze‹, vermengst es mit Öl, mit einem Kupferröhrchen führst du es in ihre Harnröhre ein. (13) Du trocknest mas ˇtakal-Seifenkraut, zerstößt es, verabreichst es mit Bier. Du trocknest nuhurtu-Pflanze, zerstößt es, verabreichst es mit Bier. ˘

2.12.8 Komplikationen während der Schwangerschaft: Schmerzen im Unterleib, Blähungen Keilschrifttafel: VAT 8881 – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 240. (Vs. 17’) Wenn

eine Frau schwanger ist und oberhalb ihrer Scham einen stechenden Schmerz verspürt, ihr Mutterleib beeinträchtigt ist, (18’) hat niru diese Frau befallen. Ihre Bauchdecke sollst du mit noch warmem billatu-Bier umbinden; du zerstößt ›Hundezunge‹ (und) (19’) ›Fuchswein‹, erhitzt es in Bier, filterst es, du … auf ihre Scham, gibst ihr ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze in Wein zu trinken. (20’) Wenn eine Frau von ›Wind‹ geschlagen und aufgebläht ist und ihre Haut sich verändert hat, um sie zu heilen: kukru-Pflanze, kasû-Pflanze, Minze, (21’) Wacholder, ›Lungen‹-Pflanze, nuhurtu-Pflanze, sahlû-Pflanze, Leinsamen, asˇû-Pflanze, tu¯ru-Pflanze, ˘ Diese elf Drogen ˘ erhitzt du in erstklassigem Bier und in ˙ Öl, sie soll (22’) ›Weiße Pflanze‹. es tragen, dann wird sie genesen.

2.12.9 Heilmittel zur Erleichterung der Geburt a. Keilschrifttafel: VAT 8869 – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 248. – Parallelen: s. Köcher, BAM III, xix. (Rs. IV 13) Wenn

eine Frau gebiert und Probleme bei der Geburt hat, zerstößt du ›Fuchswein‹, ›Hundezunge‹ (14) (und) tuhlu-Pflanze, füllst einen Krug mit Bier des Brauers. ˘ (15) Diese Drogen verschlägst du damit, verabreichst es auf nüchternem Magen, dann (16) wird sie schnell gebären. Wenn dito, zerstößt du ›Dreck einer Eidechse von einer Wand‹, verschlägst es mit Öl, reibst ihren Bauch damit ein, dito. (17) Wenn dito, zerstößt du ›Staub von einem Hund ausgegraben‹, verschlägst es mit Öl, reibst ihren Bauch damit ein, dito.

232. Wörtlich: »mit ihrem Gesäß soll sie ihr Wasser darüber fließen lassen«.

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Texte aus Mesopotamien

b. Keilschrifttafel: W 22649 (spätbabylonisch). – Aufbewahrungsort: Iraq Museum, Bagdad. – Autographie: SpTU IV 153. – Übersetzungen: E. von Weiher, SpTU IV, 89-91, M. J. Geller, AfO 42-43 (1995-96) 246-47. (21) Wenn sich der Monat ihres Gebärens nähert und sie nicht gebären kann und ihr zu gebärendes Baby nicht hervorkommt, solange bis … (22) Mehl vom ›hurru-Vogel‹ und Kümmel …, erhitzt es in …, dann legt sie es solange an, bis du ihr ˘einen Trank aus (23) ›Fuchswein‹ und masˇtakal-Seifenkraut verabreichst hast. Dann läßt du sie hinund hergehen. Sollte das zu gebärende Baby näher kommen und [heraustreten], (24) siehst du nach einer Hebamme. Sie soll dir bestätigen »Die Geburt ist nahe«. Danach legt sie ein Tampon aus Mehl vom ›hurru-Vogel‹ (25) und Kümmel an. Mehl vom ˘ öffnen. Sobald sie schwer ist …, sollst du ›hurru-Vogel‹ und Kümmel werden sie weit ˘ ihr es geben. (26) Läßt sie ihr Fruchtwasser ausschütten, dann wird ihr zu gebärendes Baby sterben. ›Fuchswein‹, masˇtakal-Seifenkraut und ›Hundezunge‹ (27) zerstößt du zusammen mit Brot in frischem Bier aus Gerste, dann filterst du es, läßt es über Nacht unter den Sternen stehen; am nächsten Morgen läßt du den Absud davon antrocknen … (28) sollst du Wasser schöpfen und es ihr zu trinken geben und sie hin- und hergehen lassen. Alles, was sie ißt, sei es Fisch, sei es Knoblauch, … (29) streust du darüber. Am zweiten Tag zerkleinerst du 1⁄10 Liter Röstkornmehl, 1⁄10 Liter gepreßtes Öl, welches nicht erhitzt ist, zusammen mit einem Liter klein gehackter Datteln (und) mit (30) 1⁄10 Liter Mehl von der kasû-Pflanze; aus der Öffnung eines Maischbottichs gibst du es ihr zu trinken und läßt sie hin- und hergehen. Weder zur Nacht (31) noch am Mittag sollst du es zerkleinern! Laß sie sich erheben und umhergehen, dann laß sie in einem Wagen umherfahren …

2.12.10 Komplikationen und Krankheiten nach der Geburt Keilschrifttafel: VAT 8881 – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 240. Weiterführende Literatur: J. A. Scurlock, Baby-Snatching Demons, Restless Souls, and the Dangers of Childbirth: Medico-Magical Means of Dealing with Some of the Perils of Motherhood in Ancient Mesopotamia, Incognita 2 (1991) 137-85 (hier 148). (Vs. 26’) Wenn eine Frau geboren hat, aufgedunsen und von Wind aufgebläht ist, sollst du sie Staub von einer Kesselpauke schnupfen lassen, dann wird sie genesen. (27’) Wenn dito, zerstößt du Wacholder, gibst es ihr mit erstklassigem Bier zu trinken, dann wird sie genesen. … (29’) Wenn eine Frau geboren hat und ihr Körper von birdu-Pickeln bedeckt ist, sie einen Anusprolaps hat, sollst du sie einreiben mit Blättern vom haluppu-Baum in Öl, du ver˘ abreichst Blätter vom haluppu-Baum in Bier. … ˘ (Rs. 39’) Wenn eine Frau geboren hat und Fieber ihren Leib immer wieder befällt, sie sich erbricht, ihr Leib … (40’) es sich um Blut der Frau im Kindbett handelt, welches in ihrem Leib eingeschlossen ist, so hat diese Frau bei der Geburt … (41’) Weizenmehl, Mehl von gerösteter kasû-Pflanze, Mehl vom Keuschbaum, kukru-Pflanze, Apfel … (42’) Sesamtrester, ›Taubendreck‹ zerstößt du in einem Mörser mit billatu-Bier … (50’) Wenn dito, Weizenmehl, Mehl von gerösteter kasû-Pflanze, Mehl vom Keuschbaum, Wacholder, baluhhu-Pflanze, Mehl von Koriander, Erbsenmehl, (51’) Linsenmehl, Sesam˘˘ trester, ›Taubendreck‹, Leinsamen, Johannisbrot-Mehl (und) gutes billatu-Bier zerklei-

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nerst du zu gleichen Teilen, vermengst es, legst ihr einen Verband damit an. (52’) Wenn dito, ›Lungen‹-Pflanze, nuhurtu-Pflanze, asˇû-Pflanze, kukru-Pflanze, Wacholder, kasû˘ Pflanze, ›Weiße Pflanze‹ (und) Leinsamen (53’) röstest du miteinander, zerstößt es, erhitzt es mit billatu-Bier (und) abukattu-Harz in Öl, schüttest du es auf ihren Mutterleib, umgibst es mit einem Vlies, führst es in ihren Mutterleib ein. … (58’) Süßholz, Keuschbaum, aktam-Pflanze, kasû-Pflanze, Süßrohr, barı¯ra ¯ tu-Pflanze (und) argannu-Pflanze fügst du zu Wasser, erhitzt es, spülst wiederholt ihren Leib damit.

2.12.11 Fruchtbarkeit in der Menopause a. Keilschrifttafel: VAT 10575 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: BAM III 241. (Rs. III 3’) Wenn

eine Frau aufgehört hat, fruchtbar zu sein, … (4’) zerstößt du, mit Sirup … (5’) unter dem Sternbild des Großen Wagens … (6’) ihre … fließen, gibst du es zu trinken … (7’) [Ist eine Frau u]nfruchtbar, um sie fruchtbar zu machen … (8’) … ›Sie-trat-an-gegen20‹-Pflanze … (9’) … verknetest du mit Wasser … (10’) … zerkleinerst du, bereitest etwas zum Weich- oder Feuchtmachen vor, … (11’) … fügst du hinzu, am nächsten Morgen … (12’) … 16 Tage soll die unfruchtbare Frau … (13’) … b. Keilschrifttafel: Ass. 13956/bw (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Arkeoloji Müzesi, Istanbul. – Autographie: BAM III 243. (5’) Wenn eine Frau aufgehört hat, fruchtbar zu sein, Süßholz … pra¯nu-Wacholder, …

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(6’) s ˇimsˇalû-Pflanze,

da-

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2.13 Therapien gegen Impotenz

Daniel Schwemer Ein umfängliches, anscheinend jedoch nie in einer kanonischen Serie gesammeltes Corpus von babylonisch-assyrischen heilkundlichen Texten ist der Impotenz des Mannes gewidmet 233). Die Therapien zur Erlangung von Potenz, die im Akkadischen euphemistisch als nı¯ˇs libbi (sˇà.zi.ga) »Herzerhebung« bezeichnet wird, schließen sowohl Rezepte zur Herstellung von Heilmitteln als auch kurze Beschwörungsrituale ein, wobei der Übergang zwischen beiden Texttypen fließend ist: Die Ritualanweisungen innerhalb von typischen Beschwörungsritualen können die Herstellung eines Heilmittels ebenso einschließen, wie die Herstellung eines Heilmittels die Rezitation einer Beschwörung erfordern kann, die den verwendeten Materialien Kraft verleiht. Beide Texttypen werden auch gemeinsam auf Sammeltafeln überliefert (vgl. hier Nr. 1 und 2). Viele Therapien für Impotenz enthalten keine Angaben über die eigentliche Ursache des Leidens. Wo sich solche Angaben finden, gelten oft verschiedene Formen der Hexerei als Auslöser der Impotenz – umgekehrt begegnet Impotenz oft unter den Symptomen von komplexeren Erkrankungen, die als Behexung diagnostiziert werden. Die Prominenz der Behexungsätiologie in den Impotenz-Therapien dürfte unmittelbar damit zusammenhängen, daß Behexung überhaupt oft als Männerleiden angesehen wurde und ein wichtiges Stereotyp des Agenten des Schadenzaubers weiblich geprägt war 234). Als Heilmittel gegen Impotenz werden oft mit Arzneien gefüllte Lederbeutel (Phylakterien) verwendet, die man um den Hals oder die Hüften legt. Häufig werden Salben und Öle verschrieben, die man in der Regel direkt auf die Geschlechtsteile des Mannes, teilweise auch der Frau appliziert. Beschwörungen und Heilmittel nehmen oft auf die – selbstverständliche – Potenz diverser Tiere Bezug, so etwa die des Hirsches, des Widders, des Hunderüden, des Gazellenbockes oder des ›Höhlen-Vogel‹-Männchens235). Eine wichtige Auswahl einschlägiger Texte wurde bereits 1925 von E. Ebeling in Bearbeitung vorgelegt (Liebeszauber im Alten Orient, Mitteilungen der Altorientalischen Gesellschaft 1/I, Leipzig 1925). Ein umfassende Edition der einschlägigen Texte mit Kommentar, die nach wie vor das Standardwerk zu dieser Textgruppe darstellt, verdanken wir R. D. Biggs (SˇÀ.ZI.GA. Ancient Mesopotamian Potency Incantations, TCS 2, Locust Valley 1967, im folgenden: Biggs, SˇÀ.ZI.GA).

2.13.1 Aus einer umfassenden Sammlung von Rezepten und Beschwörungsritualen gegen Impotenz Die große, zweikolumnige, leider vielfach beschädigte und bereits von einer beschädigten Vorlage abgeschriebene Tafel SU 52/139+ (Anadolu Medeniyetleri Müzesi, An233. Texte dieses Genres sind zu unterscheiden von den Beschwörungen und Ritualen des Liebeszaubers, die dazu dienten, die sexuelle Gunst einer Frau oder eines Mannes zu gewinnen. 234. Dazu D. Schwemer, Abwehrzauber und Behexung. Studien zum Schadenzauberglauben im alten Mesopotamien, Wiesbaden 2007, 35 f., 177-79. 235. Akkad. issu¯r hurri, vielleicht das Steinhuhn. ˙˙ ˘

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kara) gehörte zu den Tafelbeständen einer neuassyrischen Bibliothek, die in Sultantepe (Huzı¯rı¯na) gefunden wurde. Der Text wurde O. Gurney als STT II 280 in Keil˘ schriftkopie publiziert und von Biggs, SˇÀ.ZI.GA, mit Hilfe von Duplikaten rekonstruiert, vollständig umschrieben und zum großen Teil auch übersetzt (66-68, 21 f., 27-30, 35 f., 47-49). Die Tafel enthält eine umfassende Sammlung von Therapien gegen Impotenz. Einfache Rezepte für um den Hals zu legende Lederbeutel stehen neben ausführlicheren Ritualanweisungen mit den zugehörigen Beschwörungen. Zu den von Biggs bereits berücksichtigten Duplikaten sind zwischenzeitlich nur wenige neue Textzeugen hinzugekommen: SpTU IV 135 dupliziert Vs. II 10-21, und denselben Passus bietet auch unpubl. BM 41279 (s. schon Biggs’ Kommentar, S. 44). SpTU I 9 läuft parallel zu Vs. I 8-17; das kurze Rezept in Vs. II 8-9 läßt sich heute in nicht weniger als acht Textzeugen nachweisen. Die Zeilenzählung in der vorliegenden Übersetzung folgt STT II 280; der Haupttextvertreter wird aber, wo möglich, nach den Duplikaten vervollständigt. (Vs. I 1-2) [Wenn

ein Mann zu seiner Frau geht, aber dann keine sexuelle Erregung für seine Frau be]kommt 236), [hat diesen Mann … gep]ackt. Um [ihn] genesen zu lassen: (3-4) [ … ], […]-Stein, [ … ziehst du auf eine Kordel auf und] … mischst du] in Zypressenöl, [(nestelst es) in legst es [um] seinen Hals. (5-6) [ ein Le]der (ein), legst es um seinen Hals. (7) [Wenn dito: … , Sa]men des Gerber-Sumach trinkt er [in Bier]. (8) [Wenn ein Mann] behext ist und (die Behexung sich darin manifestiert, daß) er ›Steifheit‹ bekommt, seine Knie (9) verkrümmt sind, seine Nieren ›laufen‹, sein Herz … (10) [ … ] und ihn nicht motiviert, seine Wünsche umzusetzen, seine Potenz (11) ›gepackt‹ ist, so daß er nur selten mit einer Frau (sexuell) verkehrt, sein Herz eine Frau begehrt, (12) aber wenn er eine Frau sieht, sein Herz kehrt macht, dann ist der Sa[men] dieses Mannes (13) mit einem Tot[en] beerdigt worden, sein Penis ist versiegelt und in einer Tongrube nach Sonnenuntergang hin eingeschlossen worden. Um (es) zu lösen: (14) tarmusˇ-Pflanze, hasˇû-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze, aktam-Pflanze (und) ›Hundezun˘ zerstö]ßt du [zusammen]. Du legst es entweder in Bier ge‹ (15) trock[nest du (und) (16) oder in (frisch) gepreßten Traubensaft. (17) Dann rezitierst du die Beschwörung »Suz[i, suzi]« dreimal darüber. Er trinkt es wiederholt 237). (18) Wenn dito: ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, tarmus ˇ-Pflanze, Eisen, Koralle, Eben(19) holz, Blut eines männlichen ›Höhlen-Vogels‹, die Borste eines Schweines, das sexuell (20) erregt ist, nestelst du in ein Leder (ein und) legst es um seinen Hals. (21) Wenn dito: mas ˇtakal-Seifenkraut, ›Hundezunge‹, urânu-Pflanze (und) ardadillu-Pflanze (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (22) Wen ein Mann behext ist und (die Behexung sich darin manifestiert, daß) sein Leib ›hingegossen‹ ist, sein Samen fließt ob er geht, steht, (23) liegt oder uriniert, (24) seine Scham unrein ist wie die einer Frau, (25) dann ist der Samen dieses Mannes mit einem Toten in der Erde beerdigt worden. Um ihn genesen zu lassen 238): (26) asˇqula¯lu-Pflanze, e¯du-Pflanze, amı¯la¯nu-Pflanze, Samen des masˇtakal-Seifenkrautes, (27) Bilsenkrautsamen 236. Wörtlich: er sein ›Herz‹ nicht zu seiner Frau erhebt. 237. Das Duplikat SpTU I, 9 fügt an: »dann (wird er) [Potenz] (erlangen).« (Vs. 25’). 238. Die Duplikate bieten an dieser Stelle mehrere Rezepte.

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(und) Wurzel eines baltu-Dornstrauchs, der über einem Grab (wuchs), (nestelst du) in ein Leder (ein und) legst (es) um seinen Hals. (28) Schafsnie[re], eine Scherbe von einem Kreuzweg, Löwenhaar (nestelst du) in ein Leder (ein und) legst (es) um seinen Hals. (29) Wenn dito: Schwefel (und) ru3tı¯tu-Mineral bindest du i[n einem Leder u]m seine Hüften. (30) Wenn dito: ›Hundezunge‹-Wurzel, [Saga]penum, Raukenwurzel, (31) lardu-Gras-Wurzel, [a]zallû-[Wurzel], (32) kamkad[u-Wurzel], ardadill[u]-W[urzel], (33) kazall[u-Wurzel, ›Po]tenz‹-Pflanze (nestelst du) in ein [Leder (ein und) legst (es) u]m [seinen] Ha[ls]. (34) [Wenn ein Mann] sich [einer Frau] sexuell nähert und [ … (folgende Zeilen zerstört) (38) Wenn dito: [ … ], araria¯nu-Pflanze, (39) […]-Samen, [ … ] (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (40) Wenn dito: […]-Pflanze, [ … ], arantu-Pflanze (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (41) Wenn dito: kamantu-Pflanze, [ … ], kamkadu-Pflanze, (42) Bilsenkrautwurzel, […]-Pflanze (salbst du) in Öl, (nestelst es) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (43) Wenn dito: ›Hirtenstab‹-Pflanze, kamkadu-Pflanze, alamû-Pflanze (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (44) Wenn dito: s ˇumuttu-Pflanze, kamantu-Pflanze, [azallû]-Pflanze, e¯du-Pflanze (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (45) [Wenn dito: Ap]fel, ›Lebenskraut‹, azal[lû]-Pflanze, Fenchel, bu ¯ sˇa¯nu-Pflanze (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (46) [Wenn dito]: hula ¯ lu-Stein, Breccia, La[pis]lazuli (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen˘ Hals). (47) [Wenn dito: mas ˇ]takal-Seifenkraut, e¯du-Pflanze (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (48) [Wenn dito: …-Pflanze], a[zallû]-Pflanze (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (49) [Wenn] dito: Keuschbaum, […-Pflanze] (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (50) Wenn dito: Wurzel eines baltu-Dornstrauchs, … [ … ] (nestelst du) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (51) Wenn dito: Hirschkot, Hirschhorn, Hirschpenis (nestelst du) [in] ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (52) [Wenn] dito: ›Röhrricht-Apfel‹, sasuntu-Pflanze, azallû-Pflanze [ … ] (nestelst du) in ˙ ˙ Hals). ein Leder (ein und legst es um seinen (53) [Wenn] dito: Blut eines männlichen ›Höhlen-Vogels‹, kus ˇru-Pflanze, lip[a¯ru]Baum (nestelst du) [in] ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (54) [Wenn] dito: atbaru-Stein, […]-Pflanze, ballukku-[Harz], tarmus ˇ-Pflanze (nestelst du) [in ein Le]der (ein und legst es um seinen Hals). (55) [Wenn dito: Myrrhe, baluhhu-Pflanze], Magnetit-[Pul]ver (nestelst du) in [ein Leder] ˘˘ (ein und legst es um seinen Hals). (56) [Wenn dit]o: ›Hundezunge‹-Wurzel, urânu-Wurzel, arda[dillu]-Wurzel, (57) ›Hirten-

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stab‹-[Wur]zel, Raukenwurzel (zerstößt du) in Bier (oder) in Öl, (nestelst es) [in ein Leder] (ein und legst es um seinen Hals). … (Vs. II 1) Wenn ein Mann auf seinem Bett ständig in Schrecken ist, sein Herz ›aufgestört‹ ist, auf seinem Bett (2-3) sein Same ›läuft‹, lastet auf diesem Mann der Zorn von Marduk und Isˇtar. Um ihn genesen zu lassen: tarmusˇ-Pflanze, hasˇû-Pflanze, (4) harmunu-Pflanze, ˘ ˘ Karneolsplitter, sikilluKnoten einer Tamariske, Grün vom baltu-Dorn, (5) atbaru-Stein, Pflanze, masˇtakal-Seifenkraut, Keuschbaumblätter, (6) pallisˇu-Stein, azallû-Pflanze, ›Hundezunge‹, asˇa¯gu-Dorn von der Mauer: (7) Diese 14 Drogen zerstößt du, mischst sie mit Zedernharz, (nestelst es) in ein Leder (ein und legst es um seinen Hals). (8) Wenn dito: sı¯hu-Pflanze, männliche (und) weibliche nikiptu-Pflanze, Affenhaar, (9) Gold, ˘ zusammen in ein Leder 239) ein (und) legst es um seinen Hals 240). Eisen nestelst du (10) Beschwörung: »Potenz, Potenz, ein Bett der Potenz habe ich bereitet – (11) was Is ˇtar für Dumuzi bereitete, (12) was Nanaja für ihren Liebhaber bereitete, (13) was Isˇhara für ˘ Erreihren Gemahl bereitete 241)! (14) Möge das Fleisch des N.N., Sohn des N.N., (vor gung) prickeln, sein Penis möge sich aufrichten. (15) Seine ›Herz‹ soll Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommen – auf den [Befehl] (16) der fähigen Isˇtar, der Nanaja, der Gazbaba (17) (und) der Kanisurra 242)!« Beschwörungsformel. (18) Wo[rtla]ut der Beschwörung für [Po]tenz. (19) Die zugehörigen Handlungen: Berg-Schwamm, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, sasuntu-Pflanze, (20) (diese) drei Drogen zerstößt du [zusammen], legst sie in Topföl. Ein ˙Räuchergefäß ˙ mit Wacholder (21) [stellst du] vor Isˇ[tar auf. … ] diese Beschwörung [rezitierst du] dreimal [darüber … (nestelst es) in ein] Leder (ein und legst es um seinen Hals). (22) Wenn dito: Das Herz eines männ[lichen] ›Höh[len]-Vogels‹ [ … ]. (23) Wenn dito: […]-Stein, [ … ] in Öl [ … ]. (24) Wenn dito: […]-Wurzel, [ … ] des Bee[tes … ]. (25) Wenn ein Mann auf seinem Be[tt ständig in Schrecken is]t, sein Herz ›auf[gestört‹ ist, auf] seinem Bett (26-27) sein Same [›läuft‹], lastet auf [die]sem [Mann] der Zorn von Marduk und Isˇ[tar. Um ihn genesen zu lassen]: kasânı¯tu-[Karneol], Lapislazuli, Alab[aster], (28) Magn[etit, Eisen] ziehst du auf eine Leinenkordel auf, [legst (es)] um [seinen] Ha[ls]. (29) … [ … ] …, Lapislazuli, Muschel, Magnetit, (30) [ … ] …, Alabaster, nuhurtu˘ ! (31) Wacholder-[Wasse]r: zehn Drogen für Potenz. In der Wolle eines SchafPflanze , böckchens, das sexuell (32) erregt ist, legst du (es) [um seinen Hals]. (33) Lapislazuli, Karneol, mus ˇ[sˇaru]-Stein, asˇgikû-Stein, pappardilû-Stein, (34) sikillu-Stein, Muschel: sieben Steine für Potenz. Die Beschwörung »Suzi, [suzi]«, (35) [die Beschwörung] »Kindarab«: zwei Beschwörungen [ … ] … [ … ]. Es folgt eine unverständliche ›Abrakadabra‹-Beschwörung (Vs. II 36-44), mit fragmentarischer Ritualvorschrift (45-50). Darauf folgen zwei Potenzbeschwörungen, die schon in der Vorlage des Schreibers teilweise abgebrochen waren und deren Text daher nur 239. Die Duplikate spezifizieren: in Leder von einem Zicklein, das sich noch nicht mit einem Männchen gepaart hat. 240. Die Duplikate fügen hinzu: »dann wird der unreine Mann rein sein«. 241. Das Duplikat BM 41279 fügt hinzu: »…, habe ich für meinen Liebhaber bereitet«. 242. Das Duplikat BM 41279 fügt hinzu: »die Herrin der Hexen«.

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unvollständig auf der Tafel festgehalten ist. Dasselbe gilt auch für die Ritualanweisung zur zweiten Beschwörung: (59) Die

zugehörigen Handlungen: puquttu-Samen, Blut eines ›Höhlen-Vogels‹, . (60) Diese Beschwörung rezitierst du siebenmal darüber. Tamariske abgebrochen (61) . Deine sexuelle Erregung wird nicht zur Ruhe kommen, und sie abgebrochen . (62) [Wenn] einem [Ma]nn die Potenz geraubt ist, er keine sexuelle Erregung für seine Frau oder eine fremde Frau bekommt, (63) führst du ein Opfer vor der Isˇtar-der-Sterne 243) durch. Du stellst ein Räuchergefäß mit Wacholder auf. 244) (Rs. III 1-4) Du libierst Bier bester Qualität. Schulterfleisch, Fettgewebe (und) Bratfleisch [bringst du dar]. Zwei Figuren aus Talg, zwei Figuren aus Wachs, zwei Figuren aus Bitumen, zwei Figuren aus Gips, zwei Figuren aus Teig (und) zwei Figuren aus Zedernholz fertigst du an. (5-6) Du verbrennst sie in einer ungebrannten Schale vor Isˇtar-der-Sterne, dann sprichst du wie folgt: (7) Beschwörung: »Leuchte des Himmels, fähige Is ˇtar, (8) Herrin der Götter, deren ›Ja‹ ein ›Ja‹ ist, Fürstin der Götter, deren Befehl erhaben ist, (9) Herrin von Himmel und Erde, die alle Städte regiert! (10) Isˇtar, (bei der Nennung) deines Namens knien alle Fürsten. (11) Ich, N.N., Sohn des N.N., habe mich vor dir niedergekniet, (12) ich, gegen den Hexereien betrieben wurden, dessen Figuren in der Erde beerdigt wurden: (13) Mein Leib möge rein werden wie Lapislazuli, (14) mein Haupt hell scheinen wie Alabaster! (15) Wie reines Silber 245), wie rotglänzendes Gold möge ich keine Trübung erfahren! (16) Mögen tarmusˇ-Pflanze, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-20-entgegen‹-Pflanze, ardadillu-Pflanze, sikillu-Pflanze, (17) nı¯nû-Pflanze (und) gan.u5-Holz die an mir haftenden Zaubereien vertreiben!« Dies rezitierst du dreimal 246). (18-22) (Die zugehörigen Handlungen:) 247) Silber, Gold, Lapislazuli, Alabaster, tarmusˇ-Pflanze, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-20-entgegen‹-Pflanze, ardadillu-Pflanze, sikillu-Pflanze, nı¯nûPflanze (und) gan.u5-Holz ziehst du auf ein Leinenband auf (und) legst es um seinen Hals. Du bindest einen Widder an das Kopfende seines Bettes, [ein ent]wöhntes [Schaf] bindest du an das Fußende seines Bettes. Von der Stirn des Widders und von der Stirn des entwöhnten Schafes reißt du Wolle aus, dann zwirnst du es getrennt in (zwei) Fäden. Die Beschwörung »… [ … ]« rezitierst du dreimal darüber, bindest es an seine Hüften, dann (wird er) Potenz (bekommen). abgebrochen

Es folgt eine fragmentarische Rubrik mit Zeilenangabe; Rs. III 24-63 und Rs. IV 1-36 bieten weitere Potenz-Beschwörungen und Rezepte, die jedoch durchweg schlecht erhalten sind. Erst die letzte Texteinheit der Sammeltafel läßt sich vollständig wiederherstellen: 243. Die astrale Manifestation der Göttin Isˇtar ist Venus. 244. Der folgende Text ist im Haupttext weitgehend verloren, kann aber nach den Duplikaten rekonstruiert werden. 245. Fehlt im Haupttext. 246. Diese Anweisung fehlt wohl im Haupttext. 247. Der folgende Passus ist im Haupttext nur fragmentarisch erhalten, scheint aber an manchen Stellen gekürzt zu sein – teils bedingt durch Schäden in der Vorlage; die Übersetzung folgt daher den Duplikaten.

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Daniel Schwemer (Rs. IV 37) Beschwörung:

»Der Wind möge wehen, der Dattelpalmgarten beben 248), Gewölk möge sich zusammenballen, (38) so daß Regentropfen fallen! Meine Potenz sei rasch fließendes Flußwasser, mein Penis (39) sei die (gespannte) Saite einer Leier: er soll nicht aus ihr herausrutschen!« Beschwörung. (40) Die zugehörigen Handlungen: Du nimmst die Saite einer Leier, knotest drei Knoten hinein; die Beschwörung rezitierst du dreimal. Du bindest (sie) [an seine rechte] und linke (Hand), dann (wird er) Potenz (erlangen).

2.13.2 Beschwörungen und Öle gegen Impotenz VAT 8916 (Vorderasiatisches Museum, Berlin) ist eine einkolumnige Tafel aus neuassyrischer Zeit, die im sogenannten ›Haus des Beschwörungspriesters‹ in Assur gefunden wurde (Keilschriftkopie: KAR 70; jüngste Bearbeitung: Biggs, SˇÀ.ZI.GA, 53, 31-35, 42-44, zuvor Ebeling, Liebeszauber, 23 ff. Nr. III). Der Text bietet eine typische Mischung aus knappen Rezepten und Beschwörungen, die entweder im Rahmen eines kurzen Rituals oder über dem herzustellenden Heilmittel rezitiert wurden. Das erste erhaltene Ritual schließt einen kurzen Orakelentscheid ein, mit Hilfe dessen die eigentliche Ursache der Erkrankung bestimmt wurde. Typisch für Impotenz-Rituale ist die Herstellung von Ölen, mit denen die Geschlechtsteile eingerieben und stimuliert werden. Ein Teil der hier festgehaltenen Beschwörungen ist aus der Sicht der Frau formuliert (Vs. 45 ff.); ihr Wortlaut, der den verunsicherten Patienten zugleich ermutigt, ermuntert und sexuell herausfordert, dürfte nicht ohne therapeutische Wirkung gewesen sein. Ein Teil der Rezepte ist so fragmentarisch erhalten, daß hier auf eine Übersetzung verzichtet wird (Vs. 28-44); ansonsten läßt sich der recht gut erhaltene Text meist mit Hilfe von Duplikaten vervollständigen. Die Zeilenzählung und die Übersetzung selbst folgen, wenn nicht anders angegeben, KAR 70 (für R. 10-24 s. auch W. Farber, TUAT II/2, 273-74). Vs. 1-4: Unverständliche ›Abrakadabra‹-Beschwörung. (5) Wortlaut

der Beschwörung gegen den Verlust von Potenz. zugehörigen Handlungen: Du mischst einen Emmerteig und Ton von der Tongrube zusammen, fertigst die Figur eines Mannes und einer Frau an. (7) Du legst sie aufeinander, legst sie am Kopf des Mannes hin und rezitierst [die Beschwörung] (8) siebenmal. Du entfernst sie (von seinem Kopf) und bri[ngst (sie) in die Nähe] eines Schweines. (9) Wenn das Schwein dicht (an die Figuren) herangeht, (ist seine Krankheit) ›Hand der Isˇtar‹ ; (10) (wenn) das Schwein in Gegen[wart der Figuren] nicht herankommt, halten diesen Mann Hexereien [gepackt]. (11) Wenn ein Mann behext ist und (die Behexung sich darin manifestiert, daß) er ›Steifheit‹ hat, seine Knie verkrümmt sind, sein Herz (12) eine Frau begehrt, aber wenn er eine Frau sieht, sein Herz kehrt macht, dann ist der Same dieses Mannes (13) mit einem Toten beerdigt worden. (Um ihn genesen zu lassen:) nuhurtu-Pflanze, hasˇû-Pflanze, ›Sie˘ (14)˘In (frisch) gepreßtrat-1000-entgegen‹-Pflanze, nı¯nû-Pflanze zerstößt du zusammen. tem Traubensaft trinkt er es wiederholt, dann [wird er genesen]. (6) Die

248. Die Palmen werden vom Wind durchbraust und wogen hin und her.

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Texte aus Mesopotamien (15) Wenn

di[to: Du zer]stößt mu¯su-Stein, Koralle (und) Eise[n. Er trinkt es wiederholt] in [ … ]. (16) gan.u5-Holz (und) ˙tarmusˇ-Pflanze nestelst du in ein Leder ein (und) legst es um seinen Hals. (17) Wenn dito: ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, tarmus ˇ-Pflanze, Eisen, Koralle, Ebenholz, (18) Blut eines männlichen ›Höhlen-Vogels‹, die Borste eines Schweines, das sexuell erregt ist, (19) nestelst du in ein Leder (ein und) legst es um seinen Hals. (20) Wenn dito: mas ˇtakal-Seifenkraut, ›Hundezunge‹, urânu-Pflanze (und) ardadillu-Pflan(21) nestelst du in ein Leder ein (und) legst es um seinen Hals. ze (22) Wenn ein Mann seiner Potenz beraubt ist und keine Potenz erlangt, legst du Blätter (23) des as ˇa¯gu-Dorns in Wasser; Blut eines männlichen ›Höhlen-Vogels‹ gibst du in das Wasser. (24) Er schluckt das Herz des männlichen ›Höhlen-Vogels‹. Du nimmst Stierspeichel, (25) gibst ihn in das Wasser, läßt es über Nacht unter den Sternen stehen. (26) Nachdem die Sonne aufgegangen ist, läßt du ihn auf Blättern des asˇa¯gu-Dorns (27) stehen, und er trinkt es vor Sˇamasˇ, dann (wird er) Potenz (erlangen). Vs. 28-44 bietet eine Reihe von kurzen, durchweg schlecht erhaltenen Rezepten – darunter um den Hals zu tragende Lederbeutel, Salben, Tränke und eine Amulettsteinkette – für dieselbe Indikation. (45) [Beschwörung: 249)

»Am Kopfende meines (Bettes)] ist ein Bock angebunden, am Fußende meines (Bettes) (46) [ist ein Widder angebunden]. … Bock, liebkose mich! (47) [Widder], paare dich mit mir! (48) [ … ], spring umher, Wildstier! Zusammen mit dir mögen sich (49) die Kräfte erheben, zusammen mit dir möge sich dein schlaffes Geschlecht 250) erheben, (Rs. 1) [zusammen mit dir mögen sich] deine Glieder [erheb]en, zusammen mit di[r mög]en sich (2) [deine] Gliedmaßen [erheben, zusammen m]it dir mögen sich [deine] … 251) erheben, (3) [ … ] … [deine] Lagerstatt! (4) Erschrecke nicht, beunruhige dich hnichti 252), betrübe dich nicht wegen deines Liebens 253)! (5) Durch den Befehl, durch die Beschwörungsformel der fähigen Isˇtar, (6) des Ea, des Sˇamasˇ und des A[salluh]i!« Beschwörung. ˘ (7) Die zugehörigen Handlungen: Du nimmst Topföl in einer Salbschale aus Buchsbaumholz 254), [ein Räuchergefäß stell]st du auf. (8) Wacholder [streust du] dreimal vor I[sˇtar darauf]; die Beschwörung rezitierst du dreimal. (9) Du salbst seine Glieder, dann (wird er) Potenz (erlangen). (10-12) Beschwörung: »Der Wind möge wehen, die Berge beben! Gewölk möge sich zusammenballen, so daß Regentropfen fallen! Der Eselhengst möge steif werden 255), er besteige die Eselstute! Der Bock möge sich erheben 256), er begatte die junge Gazelle 249. Diese und die folgende Beschwörung sind aus der Sicht der Partnerin des Impotenten formuliert. 250. Wörtl.: »deine ermatteten Knie«; birka¯ »Knie« dient im Akkad. oft als Euphemismus für »Schoß«, »Geschlecht«, »Penis«. 251. Biggs liest ku-lu-l[i-ka]; nach Koll. des Fotos ist l[i jedoch unwahrscheinlich. 252. Lies wohl: e tag -lu-ut hei ta -3a-dir. 253. Akkad. râmu »lieben« meint hier die sexuelle Liebe, den Vollzug des Liebesaktes. 254. Lies ina gisˇdílim.ì.sˇésˇ gisˇtaskarin. 255. D. h. sein Glied. 256. D. h. sein Glied.

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der Steppe 257)! (13) Am Kopfende meines Bettes habe ich wahrlich einen Bock angebunden, (14) am Fußende meines Bettes habe ich wahrlich einen Widder angebunden! (15) Du am Kopfende meines Bettes, erhebe dich, liebe mich, (16) du am Fußende meines Bettes, herhebe dich,i liebkose mich! (17) Meine Vulva ist die Vulva einer Hündin, sein Penis ist der Penis eines Rüden: (18) wie die Vulva der Hündin den Penis des Rüden gefaßt hat 258) – (19) dein Penis werde lang wie ein Schlagstock! (20) Ich sitze in einem Netz der Lüste 259), (21) möge ich den Fang nicht verfehlen!« Beschwörungsformel. (22) Wortlaut der Beschwörung (zur Erlangung) von Potenz. Die zugehörigen Handlungen: Eisenpulver, Magnetitpulver, (23) ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze (und) Schwefel 260) legst du in Öl hinein. (24) Die Beschwörung rezitierst du siebenmal darüber und salbst ihn (damit) 261). (25) Beschwörung: »Die Tochter des Ningirsu, des Lösers, bin ich 262)! (26) Meine Mutter ist eine Löserin, mein Vater ein Löser! (27) Ich, die ich gekommen bin, werde gewiß lösen. (28) Der Penis von N.N., Sohn des N.N., sei ein Stock aus Hartholz, (29) er möge schlagen den Anus der N.N.! (30) Möge er nie genug bekommen von ihrer Fülle!« Beschwörungsformel. (31) Beschwörung: »Adad 263), Kanalinspektor des Anu 264), Sohn des Anu, der den Entscheid (32) für alle Menschen trifft, Schutzgott des Landes! Auf deinen Befehl hin (33) möge N.N., Sohn des N.N., zustoßen, besteigen und (seinen Penis) eindringen lassen!« Beschwörungsformel. (34) Diese Beschwörungen rezitierst du über Hirschkot, dann (wird er) Potenz (erlangen). Kolophon: (35) [ … ] … [ … ], Vorlage aus Babylon, geschrieben und kollationiert.

257. ú-ni-qí se¯ri( edin ); so mit CAD D 120b (1959) gegen grammatisch eleganteres, aber epigra˙ phisch unmögliches ú-ni-qé- ti in CAD R 87a (1999; bei Biggs ohne Lesung). 258. Der Vergleich wird im Text nicht aufgelöst, gemeint ist aber natürlich: »so möge meine Vulva deinen Penis festhalten!« 259. Gleich einer Spinne, die im Netz sitzend auf ihren Fang wartet. 260. Der Schreiber hat hier eine Glosse »zum Fluß« hinzugefügt, die wohl davon zeugt, daß er mit der Schreibung von kibrı¯tu »Schwefel« mit den Logogrammen für Ufer (kibru) und Flußgott (Id) Schwierigkeiten hatte. 261. Nach Paralleltexten ist deutlich, daß das Öl auf Penis und Vulva aufgetragen wurde. 262. Es ist unklar, welche Göttin hier angesprochen ist. 263. Der Wettergott wird nur in vorliegender Potenzbeschwörung angerufen. Die Wiedererlangung der Potenz wird – wohl mit Hinsicht auf die Ejakulation des Samens – mit Feuchtigkeit und Regenguß assoziiert (vgl. die vorausgehenden Beschwörungen); dies dürfte auch den Grund für die Anrufung des Regengottes innerhalb einer Potenzbeschwörung darstellen. 264. Das Duplikat LKA 102 bietet die gewöhnliche, letztlich bedeutungsgleiche Formulierung »Kanalinspektor des Himmels« (Rs. 6).

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2.14 Therapien gegen von Geistern oder von Hexerei verursachte Leiden

Daniel Schwemer Eine wichtige Voraussetzung zur Heilung komplexer Krankheitsbilder bestand nach den Vorstellungen des vorhellenistischen Mesopotamiens in der Identifikation der Krankheitsursache. Diese konnte beim betroffenen Menschen selbst oder in seinem unmittelbaren Umfeld liegen, wenn der Patient durch eigene Vergehen oder Vergehen seiner Vorfahren den Zorn der Götter erregt hatte, der sich nun in seiner Erkrankung manifestierte (vgl. Kapitel 2.15 in vorliegendem Band von S. M. Maul). Symptomatik und Anamnese konnten aber auch Hinweise darauf geben, daß die Ursache der jeweiligen Krankheit außerhalb des unmittelbaren Umfelds des Kranken zu suchen war. So wurden bestimmte Krankheiten als direkt von bestimmten Gottheiten hervorgerufen diagnostiziert (›Hand der Gottheit …‹ ; oft in diagnostischen Texten, s. hier Kapitel 1 von N. P. Heeßel). Als die beiden wichtigsten externen Krankheitsverursacher galten aber einerseits Geister und Dämonen sowie andererseits Hexerei, also eine schadenzauberische Manipulation der Gesundheit des Patienten durch Mitmenschen. Für beide Diagnosegruppen sind zahlreiche therapeutische Texte überliefert, die neben Rezepten für die Herstellung von Heilmitteln und Apotropaia in besonderem Maße auch feierliche Beschwörungsrituale einschließen265). Das Corpus der Therapien von durch Geister verursachten Krankheiten wurde jüngst umfassend von J. A. Scurlock ediert und kommentiert (Magico-Medical Means of Treating Ghost-Induced Illnesses in Ancient Mesopotamia, AMD 3, Leiden / Boston 2006; im folgenden: Scurlock, MMTGI). Die Rezepte und Rituale des Abwehrzaubers harren noch einer vergleichbaren Edition 266); für eine rezente Darstellung des Textcorpus und der damit verbundenen Vorstellungen s. D. Schwemer, Abwehrzauber und Behexung: Studien zum Schadenzauberglauben im alten Mesopotamien. Unter Benutzung von Tzvi Abuschs Kritischem Katalog und Sammlungen im Rahmen des Kooperationsprojektes Corpus of Mesopotamian Anti-witchcraft Rituals, Wiesbaden 2007 (im folgenden: Schwemer, Abwehrzauber und Behexung).

2.14.1 Beschwörungsrituale und Rezepte gegen von Totengeistern und anderen Unheilsgeistern verursachte Leiden Die einkolumnige Tafel VAT 8242 (Vorderasiatisches Museum, Berlin) aus neuassyrischer Zeit (7. Jh. v. Chr.), die in der Bibliothek des sogenannten ›Haus des Beschwörungspriester‹ in Assur gefunden wurde, legte zuerst E. Ebeling als KAR 184 in Kopie vor; Umschrift und Übersetzung folgten in seiner Monographie Tod und Leben nach den Vorstellungen der Babylonier, Berlin / Leipzig 1931 (S. 78-86, Nr. 21). Eine nicht 265. Das ausführlichste Abwehrzauber-Ritual, Maqlû, wurde von T. Abusch und Verf. in TUAT NF 4, 91-149, jüngst in einer neuen deutschen Übersetzung vorgelegt. 266. T. Abusch hat die einschlägigen Texte gesammelt, Editionen vorbereitet und diverse Texte in zahlreichen Beiträgen kommentiert (s. etwa seinen Sammelband Mesopotamian Witchcraft. Towards a History and Understanding of Babylonian Witchcraft Beliefs and Literature, AMD 5, Leiden u. a. 2002). Der erste Band des von T. Abusch und Verf. vorbereiteten Corpus of Mesopotamian Anti-witchcraft Rituals wird in Bälde erscheinen.

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überall zuverlässigere Neukopie publizierte F. Köcher als BAM IV 323; eine wegweisende Bearbeitung von Rs. 79-88 lieferte W. Farber (Beschwörungsrituale an Isˇtar und Dumuzi. Attı¯ Isˇtar sˇa harmasˇa Dumuzi, Akademie der Wissenschaften und der Lite˘ ratur, Veröffentlichungen der orientalischen Kommission 30, Wiesbaden 1977, 21017). Der gesamte Text liegt nun in einer alle bekannten Duplikate berücksichtigenden Neubearbeitung von J. A. Scurlock vor, die die einzelnen auf der Tafel versammelten Rituale und Rezepte je einzeln in MMTGI ediert hat (Vs. 1-38: 530-35 Nr. 226; Vs. 39-Rs. 64: 507-9 Nr. 218; Rs. 65-68: 528-29 Nr. 225; Rs. 69: 525 Nr. 223; Rs. 70-74: 549-50 Nr. 236; Rs. 75-78: 605-6 Nr. 289; Rs. 79-88: 537-38 Nr. 228; Rs. 89-107: 305-8 Nr. 91; Rs. 108-9: 658 Nr. 333; Textübersicht mit weiteren Literaturhinweisen: 71213). Der Text bietet eine Sammlung von Therapien gegen von einem Totengeist oder anderen Dämonen verursachte Erkrankungen, deren Symptome meist ausführlich beschrieben werden. Neben feierlichen Ritualen (Vs. 1-38; Vs. 39-Rs. 64; Rs. 79-88; Rs. 89-107) enthält die Sammlung auch knappe Rezepte für Salben und um den Hals zu legende Lederbeutel. Wie dies auch für andere Textgruppen gelegentlich bezeugt ist, wird die Anwendung der Heilmittel ausdrücklich für den Fall vorgeschrieben, daß das feierliche Ritual des Beschwörers keine Wirkung gezeigt hat (Rs. 75). (Vs. 1) Wenn

einen Mann ein Totengeist gepackt hat und ihn ständig verfolgt, oder ein al[û-Dämon oder ein] ga[llû-Dämon] (2) oder ein sanghulhaza-Dämon ihn gepackt hat oder ›Jegliches Böse‹ ihn immer wieder pa[ckt] oder ˘[ ˘… ]: (3) Erde aus einer aufgegebenen Stadt, Erde von einem aufgegebenen Haus, Erde von einem aufgegebenen Tempel, Erde von einem Grab, Erde von einer Grund[mauer], (4) Erde von einem aufgegebenen Kanal (und) Erde von einer Straße nimmst du zusammen, mischst (sie) mit Rinderblut, machst eine Figur von ›Jeglichem Bösem‹. (5) Du bekleidest es 267) mit Löwenhaut, Karneol reihst du (auf eine Kordel) auf (und) legst (sie) um seinen Hals. Du läßt es einen Ledersack ergreifen (6) und gibst ihm Proviant. Drei Tage lang stellst du neun Portionen Gerstenschleimsuppe vor ihm hin. (7) Du läßt es auf dem Dach des Hauses des Patienten stehen. Röstkornmehl verquirlst du in Wasser und Bier, dann libierst du es für es. (8) Drei Zedernspäne richtest du als seine Umgrenzung auf; (9) umgibst es mit einem Mehlkreis. Einen ungebrannten Maischbottich (10) legst du als Deckel über es. Am Tag 268) soll Sˇamasˇ 269) den Maischbottich sehen, in der Nacht sollen die Sterne ihn sehen. (11) Drei Tage lang stellt der Beschwörer tags 270) 22 Räuchergefäße vor Sˇamasˇ auf, (12) in der Nacht streut er Emmermehl vor den Sternen der Nacht. ˇ amasˇ und den Sternen soll er drei Tage lang immer wieder darüber (wie folgt) (13) Vor S rezitieren: (14) Beschwörung: »Totengeist, ›Jegliches Böse‹, von diesem Tag an bist du aus dem Körper des N.N., des Sohnes des N.N., entfernt, verstoßen, (15) vertrieben und verjagt. Der Gott, der dich (in den Körper des Patienten) setzte, (16) die Göttin, die dich (in den Kör267. 268. 269. 270.

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Das durch das Figürchen repräsentierte ›Jegliche Böse‹. Lies wohl ina u¯mi(ud) über Rasur. Der Sonnengott. Lies u¯mı¯(ud-mi) »an den Tagen«, »tags«; anders gedeutet bei Scurlock: u¯ma(ud) mu¯sˇa(ge6) »tags und nachts«.

Texte aus Mesopotamien

per des Patienten) setzte, haben dich (nunmehr) aus dem Körper des N.N., des Sohnes des N.N., entfernt!« ˇ amasˇ her. (17) Am dritten Tag, am Nachmittag, richtest du ein Ritualarrangement vor S ˇ amasˇ wie folgt sprechen: (18) Der Patient hebt die Figur hoch, dann läßt du ihn vor S ˇ amasˇ, Fürstlichster der Anunnakku¯-Götter, Fürst der Igigu¯-Götter, (19) Beschwörung: »S erhabener Herrscher, der die Menschen regiert, (20) Richter von Himmel und Erde, der seine Weisung nie ändert, (21) Sˇamasˇ, der die Dunkelheit in Ordnung bringt 271), den Menschen Licht spendet, (22) Sˇamasˇ, wenn du untergegangen bist, hat sich das Licht der Menschen in Finsternis verwandelt, Sˇamasˇ, wenn du aufgehst, wird die ganze Welt hell. (23) Die Waise, die Witwe, die Obdachlose, die (mittellose) Freundin – (24) alle Menschen wärmen sich an deinem Schein. (25) Das Vieh, die Lebewesen, die Tiere der Steppe (26) pflegen dir ihr Leben … zu bringen 272). (27) Das Urteil für den Geschädigten und die Geschädigte gewährst du, triffst die rechte Entscheidung für sie. Ich, N.N., Sohn des N.N., bin von Erschöpfung niedergebeugt, (28) (ich,) den durch den Zorn des Gottes und der Göttin eine Bindung gefangen hält: (29) ein utukku-Dämon, ein ra¯bisu-Dämon, ein Totengeist, ein lilû-Dämon, Schüttelfrost, Benommenheit, Lähmung des˙ Fleisches, Schwindelgefühl, (30) sˇasˇsˇatu-Krankheit (und) Irrsinn haben (mich) gefangen genommen ˙ (mehr und mehr). (31) Sˇamasˇ, du bist der Richter! Mein Leund betäuben mich täglich ben habe ich zu dir gebracht, in Hinsicht auf den Prozeß gegen die Krankheit, die mich gepackt hat, kniee ich nieder für ein Urteil. (32) Gewähre mir ein Urteil, fälle einen Entscheid für mich! Bevor du nicht meinem Prozeß einen Entscheid verschafft hast, (33) gib keinem anderen Prozeß seinen Entscheid! Nachdem du meinem Prozeß seinen Entscheid verschafft hast, (34) meine Bindung mich freigelassen hat, aus meinem Körper geflohen ist, mögen die Götter, wo immer ich (auf deinen Entscheid) vertraue, einig sein mit deiner Weisung. (35) [Der Himmel möge sich] über dich [freu]en, die Erde möge über dich jauchzen!« Beschwörungsformel. (36) [So läßt du] ihn sprechen. Du legst sie 273) in ein Gefäß, dann beschwörst du es 274): ˇ amasˇ sei be(37) [Bei der Erde sei beschworen], beim Himmel sei beschworen, bei S (38) [ … ] … ; in schworen!« Du sprichst es, dann verschließt du seine Öffnung. verlassenem Ödland vergräbst du es. (39) [Wenn ein Toten]geist [einen Mann] gepackt hat und [ihn] ständig verfolgt [oder] der lilû-Dämon oder die ardat-lilî-Dämonin (40) oder an.ta.sˇub.ba-Epilepsie oder ›Jegliches Böse‹ ihn gepackt hat und in seinem Körper [vorhanden ist], läßt du ihn Eselsurin auffangen, (41) mischst es mit inninnu-Mehl (und) fertigst (daraus) eine Figur des Totengeistes oder von ›Jeglichem Bösem‹, das ih[n] gepackt hat. (42) Du schreibst seinen Namen 275) darauf. Seine Rechte läßt du seinen Mund, seine Linke seinen After fassen. (43) Eine Kette legst du ihm an, einen Pflock aus e ¯ ru-Holz steckst du in seinen Mund. ˇ amasˇ 276). (44) Du reibst ihn mit Ziegen[…] ab, dann richtest du ihn vor S 271. 272. 273. 274. 275.

Indem er sie durch das Tageslicht beseitigt. Für die Formulierung vgl. Vs. 31; mesˇ-ri-ta bleibt vorläufig unklar. Die Figur von ›Jeglichem Bösen‹. ›Jegliches Böse‹. Den Namen des Totengeistes bzw. ›Jegliches Böse‹ ; auch die folgenden Anweisungen beziehen sich auf den durch die Figur repräsentierten Totengeist. 276. Zu dieser Übersetzung s. Schwemer, Abwehrzauber und Behexung, 206 f.

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»Sˇamasˇ, der König der Gerechtigkeit, möge deinen Plan 278) umstoßen! (46) Der Weise der Götter, Marduk, möge deinen Prozeß (mit Finsternis) bedecken! (47) Ninges ˇtinna, die Unreine, die Heroldin mit dem Meßrohr, (48) möge dir in der Libationsröhre der Erde dein Wasser abschneiden! (49) Ningisˇzida, der Thronträger der weiten Unterwelt, möge deine Brust umwenden! (50) Ara 279), der Wesir von Eridu, hole dich fort! (51) [Sîn, der He]rr der Tiara, mö[ge] gegen dich [ … ]! (52) [Ninurt]a, der Herr der Waffe, [möge] deinen Hals [ … ]! (45) Beschwörung: 277)

Der Rest des Beschwörungstextes (wohl Vs. 53-56) ist nur in Resten erhalten und scheint von den publizierten Paralleltexten abzuweichen. Die erste Zeile der Rückseite bietet bereits die zugehörige Ritualanweisung: (Rs. 57) [

… ] legst du [die Figur in ein Kes]selchen von sieben Sekeln Kupfer (Ge] machst du zu Häupten des wicht); sein Gesicht 280) [ … ] … [ … ]. (58) [ … … ] … Tag und! Nacht Patienten. Du bringst ihn 281) hinein. Drei Tage lang (59) [ die Rezitation, die du vor Sˇamasˇ [ … ], (60) … [ … ] sˇigu¯sˇu-Mehl streust du über ihn. (61) Am dritten Tag öffnest du, wenn die Sonne untergeht, im unbebauten Land ein Loch und vergräbst ihn (darin). (62) Sein Gesicht richtest du nach Westen, biegst [sein]e [Arme] zurück. Du umgibst ihn mit einem Mehlkreis aus sˇigu¯sˇu-Mehl. (63) Du schlachtest eine Taube; ihr Blut gießt du über ihn. (64) Du [besch]wörst ihn mit der zipadû-Beschwörungsformel. (Auf dem Rückweg) darfst du nicht hinter dich blikken. (65) Wenn ein Totengeist einen Mann gepackt hat und er (abwechselnd) heiß (und) kalt wird, sein … zahlreich ist 282), (66) er einem Anfall immer nahe ist, Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommt, (67) sein Schrei wie der Schrei eines Esels ist, dann hat ihn ein fremder Totengeist im Ödland gepackt. (68) Du reibst seinen Körper mit Bierwürze ab, kühlst ihn. Du zerstößt ›Fuchswein‹, salbst ihn (damit) in Öl. (69) Reiner […]-St[ein], arzallu-Stein, Muschel, roter Karneol, schwarzer Obsidian, Jaspis 283). (70) Beschwörung: »utukku-Dämon, komm zur Ruhe, alû-Dämon, komm zur Ruhe, Totengeist, komm zur Ruhe, gallû-Dämon, komm zur Ruhe, (böser) Gott, komm zur Ruhe, ra¯bisu-Dämon, komm zur Ruhe, (71) Lamasˇtu, komm zur Ruhe, laba¯su-Dämon, ˙ gespro˙ Ruhe, ahha¯zu-Dämon, komm zur Ruhe – durch die Beschwörung, komm zur ˘˘ 277. Die folgende Beschwörung ist in unserem Haupttextvertreter schlecht erhalten, läßt sich aber ähnlich in der Beschwörungsserie Hulbazizi nachweisen und so zumindest am Anfang wie˘ 50 ff. // SpTU III 82 Rs. IV 17 ff. // unpubl. K 2506+ Vs. derherstellen (// STT II 214-17 Rs. IV II 3 ff.); die Umschrift bei Scurlock nimmt auf die Parallelen keine Rücksicht und ist daher revisionsbedürftig. Eine Edition der Serie Hulbazizi bereitet I. L. Finkel vor. ˘ 278. Angesprochen ist der Totengeist. 279. Lies dara in SpTU IV 82 Rs. IV 19 und STT II 214-17 Rs. IV 55; auch in BAM 323 ist nach Ebelings und Köchers Kopie ?d?[ar]a erhalten. Für Ara (Usmû), den Großwesir des Ea, s. An – Anum II 298 (R. L. Litke, A Recontruction of the Assyro-Babylonian God-Lists An : dAnu-um and An : Anu sˇa ame¯li, New Haven 1998, 102 mit Kommentar). 280. Gemeint ist wohl der durch die Figur repräsentierte Totengeist. 281. Gemeint ist hier und im folgenden der durch die Figur repräsentierte Totengeist. 282. So nach den Duplikaten BAM IV 385 Vs. I 23’, V 471 Vs. II 26’; der Haupttext muß kollationiert werden. 283. Nach dem Duplikat BAM V 471 Vs. II 29’-31’ handelt es sich um die Ingredienzien für einen um den Hals zu legenden Lederbeutel bzw. -wickel.

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chen von Enki (und) (72) dem Helden Asalluhi, dem Sohn von Eridu, durch den Befehl ˘ (73) Beim Himmel sei beschworen, bei der Ningirima, der Herrin der Beschwörungen. der Erde sei beschworen!« (74) Diese Beschwörung rezitierst du für (um den Hals zu legende) Lederbeutel, Salbe(n) und Tränke. (75) Wenn die ›Hand eines Totengeistes‹-Krankheit einen Mann gepackt hat und der Beschwörer es nicht zu beseitigen vermag: asˇqula¯lu-Pflanze, ankinu¯tu-Pflanze, (76) ardadilluPflanze, frische azupı¯ru-Pflanze, Frucht des kalba¯nu-Strauches, Frucht des baltu-Dorns, arzallu-Pflanze, (77) tarmusˇ-Pflanze, elkulla-Pflanze, Tamariskensamen, ›Menschenknochen‹ (zerstößt du) zusammen; in Öl (78) salbst du ihn (damit); dann nestelst du es in ein Leder ein, legst es um seinen Hals. Er wird genesen. (79) Wenn einen Mann der Totengeist seines Vaters oder seiner Mutter ständig packt, nimmst du am 27.! Tag des Monats Abu (80) Ton aus der Tongrube, fertigst die Figur eines Mannes und einer Frau an. Die Figur des Mannes versiehst du mit einer ›Augenbraue‹ aus Gold, die Figur der Frau versiehst du mit ›Ohren‹ aus Gold. (81) Karneol(perlen) reihst du auf einer roten Wollkordel auf, legst es um ihren Hals. Du stattest sie üppig aus, (82) ehrst sie, richtest sie schön her. Diese Figuren plazierst du drei Tage lang (83) zu Häupten des Patienten. Heiße Suppe gießt du ihnen hin. (84) Am dritten Tag, dem 29. Tag (des Monats), wenn die Totengeister (für gewöhnlich mit Opfern) versorgt werden, fertigst du ein Segelboot an. (85) Du teilst ihren Proviant zu; vor Sˇamasˇ richtest du sie. (86) Ihre Gesichter richtest du nach flußabwärts und sprichst wie folgt: (87) »Aus dem Körper des N.N., des Sohnes des N.N., entfernt euch 3600 Meilen! Verschwindet, verschwindet, entfernt euch, entfernt euch! (88) Beim großen Himmel seid ihr beschworen!« (89) Wenn ein Mann ständig Kopfschmerzen bekommt, seine Ohren dröhnen, sein Augen(licht) sich verdunkelt, (90) seine Nackenmuskeln ihn vor Schmerz verzehren, seine Arme immer wieder an sˇimmatu-Lähmung leiden, seine Niere ihm Schmerzen bereitet, (91) sein Herz ›aufgestört‹ ist, seine Beine immer wieder an rimûtu-Bewegungslosigkeit leiden, (92) dann verfolgt diesen Mann ein (ihm) nachjagender Totengeist unablässig. Um ihn genesen zu lassen: ˇ amasˇ zusammen stehen 284), (94) be(93) Am 15. Tag (des Monats), dem Tag, da Sîn und S kleidest du diesen Mann mit einem Sackgewand. Mit einer Obsidian(klinge) ritzt du seine Schläfen, (95) vergießt sein Blut. Du läßt ihn in einer mit Rohrbündelstandarten umzäunten Einfriedung sitzen. (96) Sein Gesicht richtest du nach Norden. In Richtung auf Sîn, nach Westen, (97) stellst du ein Räuchergefäß mit Wacholder auf, libierst Kuhmilch. In Richtung auf Sˇamasˇ, (nach) Osten, stellst du ein Räuchergefäß mit Zypressenholz auf, (98) libierst Bier bester Qualität. Der Mann spricht wie folgt: (99) »Zu meiner Linken ist Sîn, die Mondsichel des großen Himmels, zu meiner Rechten ist der Vater der Schwarzköpfigen 285), Sˇamasˇ, der Richter! (100) Beide Götter, Väter der großen Götter, treffen den Entscheid für die weitverbeiteten Menschen. (101) Ein böser Wind wehte gegen mich, und (so) verfolgt mich ein (mir) nachjagender Totengeist un284. Am frühen Morgen sind der – um die Monatsmitte volle – Mond (Sîn) im Westen und die Sonne (Sˇamasˇ) im Osten gleichzeitig zu sehen. 285. Eine poetische Bezeichnung für die Menschen.

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ablässig. (102) Ich bin wahrlich jammervoll, verstört und betrübt! Für euer Urteil hknie ich niederi – rettet mich, damit ich nicht Schaden nehme!« (103) Siebenmal spricht er (es), dann kommt er aus der Einfriedung heraus und legt sein Gewand ab; ein reines Gewand zieht er an. Zu Sîn hin spricht er wie folgt: (104) Beschwörung: »Nanna 286), Leuchte des Himmels und der Erde, entf[erne] die gar nicht gute Krankheit aus meinem Körper!« (105) Dreimal spricht er es, dann spricht er zu Sˇamasˇ hin wie folgt: (106) »Utu 287), großer Richter, Vater der Schwarzköpfigen, der böse Wind, der (mich mit der Krankheit) versehen hat, möge wie Rauch zum Himmel aufsteigen, dann will ich dein Lob singen!« (107) Dreimal spricht er es und p[rosterniert sich] nicht 288). (Dann wird er genesen.) (108) Kanis ˇ-Eiche, nusa¯bu-Pflanze, [ … ]-Pfl[anze], elikul[la-Pflanze, …-Pflanze], ˙ (109) Wurzel eines baltu-Dorns, der über einem Grab (wuchs), Tamariskensamen 289) [ … ] .

2.14.2 Eine Salbe gegen ›Bann‹, Totengeist und Fieber Das kleine, querformatige Täfelchen O 192 (Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel) stammt aus neuassyrischer Zeit und wurde laut Kolophon von Kisir-Nabû, dem ˙ jüngsten Vertreter der im sogenannten ›Haus des Beschwörungspriesters‹ in Assur ansässigen Beschwörerfamilie geschrieben. Der Text wurde zuerst von L. Speleers in Keilschriftkopie als Recueil des inscriptions de l’Asie antérieure des Musées Royaux du Cinquantenaire à Bruxelles (Bruxelles 1925) Nr. 307 veröffentlicht, dann von W. Eilers, Ein verkannter medizinischer Keilschrifttext, AGM 26/4 (1933) 318-28 bearbeitet. Eine Neukopie legte F. Köcher als BAM III 199 vor. Die jüngste Bearbeitung, die auch alle verfügbaren Duplikate mit einbezieht, stammt von J. A. Scurlock (MMTGI, 459-61 Nr. 187b). Die Tafel bietet ein Rezept für eine Salbe, das abschließend als »Geheimnis des Beschwörers« (bzw. »der Beschwörungskunst«) bezeichnet wird. Texte wie der vorliegende zeugen von der Breite des Tätigkeitsfeldes des ›Beschwörers‹ (a¯ˇsipu) im 1. Jt. v. Chr., dessen Kunst sich keineswegs auf die Durchführung ›magischer‹ Rituale beschränkte, sondern auch umfassende Kenntnisse der Diagnostik sowie der Drogen- und Heilmittelkunde einschloß. (Vs. 1) [tarmus ˇ-Pflanze], ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-20-entgegen‹-Pflanze, hasˇânu-Pflanze, (2) ata¯3isˇu-Pflanze, Süßholz, masˇtakal-Seifenkraut, Tamariskensamen, ˘(3) e¯ru-Baum-Samen, e¯du-Samen, Flachssamen, zala¯qu-Stein, (4) ›Weiße Pflanze‹, imbu tâmti-Mineral, Schwefel, (5) sı¯hu-Pflanze, argannu-Pflanze, Sagapenum, kukuru-Pflanze, ˘ sumlalû-Pflanze, sua¯du-Pflanze, (7) [ … ], sˇupuhru-Ze(6) [Wachold]er, aprus ˇu-Pflanze, ˘ ˙ ›schmutzige Binde‹, (9) ›Menschenknochen‹ der, Zypresse, Myrrhe, (8) harmunu-Pflanze, ˘ dörrst du. (10) [2]9 Drogen – eine Salbe (Rs. 11) zur ›Bann‹-Lösung, für ›Hand des Toten-

286. 287. 288. 289.

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Der sumerische Name des Mondgottes Sîn. Der sumerische Name des Sonnengottes Sˇamasˇ. Lies wahrscheinlich la¯(nu) usˇkên(k[i.za.za]). Es handelt sich sicher um die Ingredienzien für eine Salbe und bzw. oder einen um den Hals zu legenden Lederbeutel.

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geistes‹-Krankheit, (12) [um] hohes Fieber fernzuhalten. (13) Du salbst ihn wiederholt (damit) in [Öl], dann wird er genesen. (14) Ein Geheimnis des Beschwörers. Kolophon: (15) [Ta]fel des Kisir-Nabû, des Beschwörers, (16) [des Sohnes] des Sˇamasˇ-ibni, ˙ des Beschwörers.

2.14.3 Rezepte zur Lösung von Schadenzauber Die einkolumnige, neuassyrische Tafel VAT 13776 (Vorderasiatisches Museum, Berlin) wurde laut dem Kolophon von Asˇsˇur-sˇa¯kin-sˇumi, einem auch als Verfasser anderer Tafeln aus dem sogenannten ›Haus des Beschwörungspriesters‹ in Assur bekannten Priester, von einer alten Vorlage abgeschrieben. Der Text selbst, der von F. Köcher als BAM II 190 in Kopie veröffentlicht wurde, bietet eine Sammlung von Rezepten zur Herstellung von Heiltränken gegen verschiedene Formen der Behexung, die teilweise die Verwendung einer großen Anzahl unterschiedlicher Drogen vorschreiben. Tränke sind ein typisches Heilmittel gegen Behexung und sollten oft Erbrechen provozieren, damit der Patient auf diese Weise die von ihm aufgenommenen Unheilsstoffe von sich gebe. Die meisten der in VAT 13776 festgehaltenen Rezepte lassen sich auch innerhalb anderer Rezeptsammlungen nachweisen, nach denen sich fragmentarische Passagen ergänzen lassen. Eine Bearbeitung von Vs. 22-26 findet sich bei T. Abusch, Mesopotamian Witchcraft, AMD 5, Leiden u. a. 2002, 80-82. Eine Gesamtbearbeitung von VAT 13776 mit einer Übersicht über die Duplikate und Kollationen zum Haupttext hat Verf. in KAL II vorgelegt (Nr. 49). (Vs. 1) tarmus ˇ-Pflanze,

›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-2[0]-entgegen‹-Pflanze, ˇ ˇ hasû-Pflanze, ata¯3isu-Pflanze], (2) nı¯nû-Pflanze, urnû-Pflanze, tı¯[jatu]-Pflanze, [sahlû-Pflan˘ ˘ze], (3) Porree, ›Fuchswein‹, [Raute, … ], (4) Samen der ›Hundezunge‹, emesallu-Salz, Tamariske, (5) Tamariskensamen, Wacholder, Wacholdersamen, Haschisch, (6) Haschischsamen, masˇtakal-Seifenkraut: (7) Drogen für das psychische Wohlergehen, zur Lösung von Hexerei (und) zur Lösung von ›Bann‹. (8) Du gibst (sie) in Bier zu trinken. Kopie des Ilı¯-re¯manni. (9) tarmus ˇ-Pflanze, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-2[0]-entgegen‹-Pflanze, sikillu-Pflanze, (10) elkulla-Pflanze, baluhhu-Pflanze, aktam-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze, ˘ ˘ Alaun, (12) Koralle, nuhurtu-Pflanze, tı¯jatu(11) ›[Röhrricht]-Apfel‹, ›Aprikosen-Rübe‹, ˘ nı¯nû-Pflanze, Pflanze, (13) hasˇû-Pflanze, urnû-Pflanze, samı¯nu-Pflanze, Raute, (14) Sa[fr]an, ˘ sˇumuttu-Pflanze, (15) ein[en Spr]oß vom baltu-Dorn, einen Sproß vom asˇa¯gu-Dorn, einen Sproß vom sˇala¯lu-Ro[hr], (16) Tamariske, Tamariskensamen, masˇtakal-Seifenkraut, Seifenkrautsamen, (17) Wacholder, Wacholdersamen, kupad-Salz, ama¯nu-Salz, Datteln, (18) haluppu-Baum-Samen, Riedgras(knollen), Gelbwurz, kasû-Pflanze: (19) 37 [Drogen] zur˘Lö[sung von Hexerei, deren Anwendung be]währ[t ist]. (20) Entweder in Bier bester Qualität oder in Wein oder in Wasser oder in Öl (21) oder in Dünnbier gibst du (sie) zu trinken. Oder du legst (sie) in Pulverform in seinen Mund. (22) Wenn das Epigastrium eines Menschen voll von Schleim ist, sein Epigastrium (23) ihn brennend schmerzt, er keinen Appetit hat, sein Körper schlaff daliegt, wurden diesem Menschen [Zaubereien] (24) zu essen und zu trinken gegeben. Um (ihn die Krankheit) lösen zu lassen: hasˇû-Pflanze, tullal-Pflanze, (25) (und) [s]ikillu-Pflanze zerstößt du zusam˘ in Bier (und) läßt es über Nacht unter den Sternen stehen. (26) [Am men. Du legst es 129

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Mor]gen läßt du es ihn auf nüchternen Magen trinken. Er wird erbrechen und gene[sen]. (Rs. 1) tarmus ˇ-Pflanze, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-20-entgegen‹-Pflanze, sikillu-Pflanze, tullal-Pflan[ze], (2) ardadillu-Pflanze, Samen der ardadillu-Pflanze, sˇakirûPflanze, ›Hundezunge‹, (3) nuhurtu-Pflanze, tı¯jatu-Pflanze, urnû-Blätter, (4) hasˇû-Pflanze, ˘ ˘ Gelbwurz, ›Spucke-des-Meeres‹, ru3tı¯tu-Mineral, ›Löseholz‹, (5) ›Röhrricht-Apfel‹, Fenchel, nı¯nû-Pflanze, (6) asˇqula¯lu-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze, azallû-Pflanze: 23 Drogen zur Lösung von Hexerei. (7) [Für den Fall, daß einem Me]nschen (Hexereien mit Hilfe von) Kräuter(n) zu essen und zu [tr]inken gegeben wurden, ist es gut. Du gibst (es) ihm in Bier bester Qualität zu trinken, dann wird er genesen. (8) Gegen einen Menschen wurden alle (Methoden der) Hexerei zusammen angewendet, und (das Leiden) dauert trotz der Behandlung mit der Ku[nst des Arztes] (9) und der Kunst des Beschwörers an und ist nicht gelöst: ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-[20-entgegen‹-Pflanze], (10) tarmusˇ-Pflanze, nabruqqu-Pflanze, hasˇû-Pflanze, ˘ (sie ihm) [ … ]samen, (11) Alaun: Diese sieben Drogen zerstößt du, siebst du (und) gibst entweder i[n Bier] (12) oder in Wein auf nüchternen Magen zu trinken, dann wird er ge[nesen]. (13) has ˇû-Pflanze, ata¯3isˇu-Pflanze, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›[Fuchswe]in‹, (14) ˘nı¯nû-Pflanze, nuhurtu-Pflanze, tullal-Pflanze, [ … ]-Pflanze, (15) Wacholder, ›weiße‹ ˘ (16) Elf Drogen gegen Mundlähmung 290). [Du gibst] (sie) Wacholdersamen, Tama[riske]: in Bier [zu trinken]. (17) Wenn der Speichel eines Menschen auf seinem Bett ununterbrochen – sei es den ganzen Tag, (18) sei es die ganze Nacht – läuft und nicht aufhört zu fließen: Um (ihn) zu fließen aufhören zu lassen: (19) ata¯3isˇu-Pflanze, Al[au]n, Tamari[ske, … ], (20) Wacholder (und) kukuru-Pflanze zerstößt du in eins (und) [gibst] (es) in B[ie]r bes[ter Qualität zu trinken]. Kolophon: (21) [Ko]pie einer alten Tafel. [Gemäß seiner] Vor[lage] (22) [ge]schrieben (und) geprüft. [Tafel] des Asˇsˇur-sˇa¯kin-sˇumi, des Sohnes des [ … ]. (23) [Wer au]f den Gott [Nabû], seinen Herrn, vertraut, [ … ] (24) [ … ] … , der Stärkste der [ … , … ].

2.14.4 Ein Beschwörungsritual zur Heilung einer schadenzauberinduzierten Erkrankung Die neuassyrische Tafel VAT 13609 + 13665 (Vorderasiatisches Museum, Berlin) wurde im sogenannten ›Haus des Beschwörungspriesters‹ in Assur gefunden. Die Tafel überliefert ein feierliches Abwehrzauber-Ritual, dem eine ausführliche Symptombeschreibung mit Diagnose vorangestellt ist. Die Krankheit des Patienten wird dann auch innerhalb eines langen, innerhalb des Rituals zu rezitierenden Gebetes an den Sonnengott Sˇamasˇ nochmals weitgehend übereinstimmend mit der einleitenden Symptombeschreibung aus der Sicht des Kranken selbst beschrieben. Die Fragmente wurden zuerst von E. Ebeling und F. Köcher als LKA 154 und 155 in 290. Eine bestimmte Form der Behexung, die sich nicht nur als Aphasie im engeren Sinne, sondern auch in der Unfähigkeit, seine Interessen etwa bei Hofe oder vor Gericht eloquent durchzusetzen, manifestierte.

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Kopie vorgelegt. Eine Teilübersetzung mit gebundener Umschrift findet sich bei T. Abusch, Mesopotamian Witchcraft, AMD 5, Leiden u. a. 2002, 90-92 (zuerst publiziert 1998). Eine Neukopie und Bearbeitung des Haupttextes VAT 13609+ wurde von Verf. als KAL II 24 vorgelegt; dort findet sich als Nr. 25 auch eine Neukopie und Bearbeitung des wichtigsten Duplikates LKA 157 (ebenfalls eine Tafel aus dem ›Haus des Beschwörungspriesters‹ in Assur). Ein weiteres, in manchen Einzelheiten von unserem Haupttext abweichendes Duplikat des Textes wurde auch in der ›Assurbanipal-Bibliothek‹ in Ninive gefunden (K 3394 [SˇRT Tf. VII] + unpubl. K 9866). Die Zeilenzählung in vorliegender Übersetzung folgt LKA 154 + 155 = KAL II 24. (Vs. 1) Wenn einem Menschen das Haupthaar zu Berge ste[ht, wenn … ], (wenn) seine Lippen (2) (ihn) schmerzen, [seine] Oh[ren dröhnen], sein Speichel läuft, [ … ], seine Nackenwirbel (3) ihm Schmerzen bereiten, seine Brust [ihn] vor Schmerz verzehrt, seine Nackenmuskeln verspannt sind, seine Hände und Fü[ße] (4) gelähmt sind (und) [ihn] stechend schmerz[en], er fortwährend würgt, (aber) nicht er[brechen kann], (5) [seinen Leib Läh]mung h[ält, sei]ne [Glieder] hingeschüttet [sind], (6) [ … ]… [ … ], er zu schwa[ch] ist, sich zu erheben, zu stehen, zu reden, (7) [dann sind gegen diesen Menschen Hex]ereien vollführt worden. Man hat sie ihm [mit Brot] zu essen, mit Bier zu trinken gegeben. (8) [ … ] hat ihn gepackt. Der Zorn seines Gottes (und) seiner Göttin sind gegen ihn entbrannt. (9) [U]m den Zorn seines Gottes (und) [seiner] Göttin [versch]winden zu lassen, seinen Gott (und) seine Göttin mit ihm zu versöh[nen], (10) [um die Hexereien], die gegen ihn vollführt wurden, zu wenden, um sie dann diejenigen packen zu lassen, die sie vollführt haben, um diesen Menschen zu retten (11) und ihn zu schonen, um diese [Hexer]eien aus seinem Leib zu entfernen: (12) Die zugehörigen [Handlungen]: In der [Na]cht fegst du den Boden, versprengst reines Wasser, stellst das Weihwassergefäß auf, legst in das (Wasser des) Weihwassergefäß(es) (13) [Tama]riske, Seifenkraut, sˇala¯lu-Rohr, Holz von der jungen Dattelpalme, Zedernholz, Zypressenholz, (14) ›Süßrohr‹, urânu-Pflanze, Salz, Alkali (und) Wacholder. Am Morgen, (15) sobald die Sonne aufgeht, stellst du vor Sˇamasˇ ein Tragealtärchen auf. Ein mit Wacholder gefülltes Räuchergefäß stellst du hin. Bier bester Qualität (16) [lib]ierst du. Du nimmst einen Lederbeutel. In den Lederbeutel hinein legst du Silber, Gold, Kupfer, Zinn, Bl[ei], (17) [Kar]neol, Lapislazuli, Chalzedon, musˇsˇaru-Stein (und) pappardilû-Stein. (18) [Zwei Bilder] aus Tamariskenholz, zwei Bilder aus Zedernholz, zwei Bild[er] aus Talg, zwei Bilder aus Wachs, zwei Bilder (19) [aus Tre]ster, zwei Bilder aus Bitumen, zwei Bilder aus Ton (und) zwei Bilder aus Teig, (Bilder) eines Mannes und einer Frau, fertigst du an. Dann (20) bindest du ihnen ihre [Ar]me auf den Rücken. Vor Sˇamasˇ stellst du sie auf eine (oder: die) Mauer (21) [ …]… . Du bekleidest sie mit Schilfmatte(n). Öfen stellst du vor Sˇamasˇ hin. (22) Du umgibst s[ie] mit [Zeichn]ungen aus arsuppu-Gerstenmehl, aus sˇigu¯sˇu-Mehl, aus inninnu-Mehl, aus E[mmer]mehl, (23) aus [Weiz]en[mehl], aus Kichererbsenmehl, aus Linsenmehl und aus kisˇsˇe¯nu-Mehl. (24) [Gips (und) Alka]li legst du an ihre Seiten. Einen Wass[erschlauch] füllst du mit Ton an. Zwei Bilder [(…)] (25) [ … ] legst du hinein. Gips (und) Alk[ali legst du] an ih[re] Seiten. (26) [ … ] … . Zwei Bilder [legs]t [du … ] … [ … ]. (27) Gips (und) Alkali [legst du] an ihre Seite. [ … ]. (28) Er tritt [vor Sˇa]masˇ hin. Den Leder-

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beutel he[bt] er mit seinen Händen [empor, … ] (29) hebt er [mit seinen Händ]en empor. Die Beschwörung »Ennab dingirrene« spricht er vor Sˇamasˇ dreimal: (30) [Beschwörung]: »Ennab dingirrene namankia bitarre – (31) [ … ] die Götter, die die Schicksale der Gesamtheit von Himmel und Erde entscheiden, (32) (die) [das Leitsei]l der Gesamtheit von Himmel und Erde halten, (33) [oh]ne dich, Sˇamasˇ, würden die Rohrhütten des Reinigungsrituals nicht freigegeben, (34) alle [Götter] der Gesamtheit von Himmel und Erde röchen keine Rauchopfer, (35) und die Unterweltsgötter erhielten keine Totenopfer, (36) der Tote würde nicht einem Totengeist seiner Familie anvertraut. (37) Du läßt [f]ür die Lebenden das Licht aufgehen, (38) gerecht entscheidest du ihren Prozeß droben und drunten. (39) [Ich], … (Name getilgt), der Sohn des Sˇamasˇ-sˇumue¯resˇ, dein Diener, dessen [Go]tt Nabû ist, dessen Göttin Tasˇme¯tu ist – (40) [diejenigen, die gegen mich Hexereien, Zau]bereien, magische Manipulationen (und) böse, gar nicht gute Machenschaften v[ollführt haben], (41) [(oder) haben vollführen lassen – i]ch kenne (sie) nicht, du aber kennst (sie)! (42) Fieber, ›Steifhei[t‹, Sch]weißausbrüche, sili3[tu-Krankheit], (43) Muskelschwund, [ … der St]irn, der Brust (und) des Kopfes, Benommenheit be[komme ich ständig]. (44) Meine Arme, Unterschenkel, [Kni]e (und) Beine sind (von der Krankheit) betroff[en], (45) meine Potenz, meine sch[öne Gest]alt sind gebunden. (46) Meine Gl[ied]er sind hingeschüttet, Melancholie, Angs[t], (47) [Schre]cken und Schauer bekomme ich immer wieder, fürchte mich ständig, (48) [habe immer A]ngst, rede im[merzu] mit mir selbst, (49) sehe fortwährend schreckliche [Träu]me. Mit Toten (50) [ … ] … mein Herz. Meine Vorzeichen sind ungünstig, (51) [ … ], mein Gemüt betrübt sich immer wieder, ist verwirrt. (52) Mir schwindelt, meine Ohren drö[h]nen, rauschen (53) und sind eine Last für mich geworden. Mei[ne] Nackenwirbel bereiten mir stechende Schmerzen, (54) [meine Brust] verzehrt mich vor Schmerz, meine Nackenmuskeln sind verspannt. (Rs. 1) Schwellungen, Lähmung, Bewegungslosigkeit (und) [ … ] bekomme ich immer wieder. (2) Mein Körper, meine Hüften, meine Knie, [ … ], (3) meine Fußge[len]ke sind immer schlaff. Um mich zu erheb[en, zu stehen] (4) oder zu spr[e]chen bin ich zu schwach. Ich bin immerzu kurzat[mig]. (5) Meine Schultern verzehren (mich) vor Schmerz, ich bin stets be[trübt. … ] (6) läßt [mir] mein Haupthaar immer wieder zu Ber[ge stehen, … ] (7) sind mir [ge]schwärzt (und) (8) immer schl[aff … ]. Wenn ich schlafe, pflege ich in meinen Träumen meinen Gott [und meine Göttin, Totengeist]er, Tote, Lebende, (9) irgendwelche Bekannte, [zu sehen]. Einen Traum, den ich sehe, (10) kann ich nicht festhalten und kann (ihn) mir nicht merken. [Im Trau]m erscheinen mir Tote. (11) Mein Gemüt, mein Verstand, mein Planungsvermögen verfremden sich zunehmend, (12) ich kann meine eigenen Angelegenheiten nicht beurteilen, kann mein Reden nicht mehr steuern. (13) [Ich] bin verstört, ich bin ausgestoßen, ich bin aufgegeben und schlaflos 291). Von Hexereien, Zaubereien, magischen Manipulationen (und) (14) bösen, gar nicht guten Machenschaften bin ich gequält und geschlagen. (15) [Ich bin … ], ich bin [ … ]. Kein Gott weiß es, deine gr[oß]e Göttlichkeit aber weiß es 292), (16) ja du weißt es. O Sˇamasˇ, ich, … (Name

291. So etwa nach dem Duplikat K 3394+, das eine etwas ausführlichere Variante des Textes bietet, zu vervollständigen. 292. So etwa nach dem Duplikat K 3394+; der fragmentarische Haupttext scheint einen etwas kürzeren Text gehabt zu haben.

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getilgt), (17) dein Diener, hebe, um meine Hexereien, Zaubereien, [magischen Manipulationen] zu lösen, (18) Silber, Gold, Kupfer, Zinn, Blei, Karneol, Lapislazuli, Chalzedon, (19) [mus ˇsˇa]ru-Stein und pappardilû-Stein empor! Sˇamasˇ, dies diene als mein Ersatz, ˇ amasˇ, dies diene als mein Stellvertreter! Hexer und Hexe, (21) [die gegen mich He(20) S xerei, Auf]stand und Böses veranlaßt haben, [ … ] zum Bösen! (22) Meine Vergehen … ], mein Vergehen, meine Schuld, [ … ] vor dir, löse meine Strafen! (23) [ mein Frevel seien getilgt. (24) [ … ], (ebenso) wie Hexereien mich gepackt ha… , w]eil sie böse Hexereien gegen mich gehext ben, und des Hexers (25) [ haben, obwohl ich nicht gegen sie g[ehex]t hatte, (26) [möge] ich, o Sˇamasˇ, sie kennen und wohlbehalten einhergehen!« (27) Wortlaut der Beschwörung, um Hexereien zu wenden und sie diejenigen packen zu lassen, die sie vollführt haben. (28) Du rezitierst [dies]e [Beschwörung dreimal]; und wann immer du rezitierst, [ … ]. Es folgt in Rs. 29 ff. eine weitere Ritualanweisung, die jedoch unmittelbar mit einer weiteren, ausführlich zitierten Rezitation einsetzt; nur die letzten Worte dieser Rezitation lassen sich vollständig wiederherstellen: (34) [

… ]. Wie Flußwasser mögen sie 293) sich auflösen, (35) [mögen sie zergehen], zerfließen. Ihr Leben [möge] erlöschen!« Dreimal sprichst du (dies). [Dann] … (36) [ … ]. Seine Hände wäscht er mit Gips und Alkali ü[ber ihr]en [Bildern]. Über den Bildern aus Talg, Wachs, (37) [Tamariskenhol]z (und) Zedernholz spricht er folgendermaßen: »O Sˇamasˇ, da[s sind si]e! Das sind ihre Bilder. (38) [Ich ken]ne [(sie) nicht], die Stadt, in der sie wohnen, das Haus, in dem sie wohnen, kenne ich nicht. Sie, die Hexereien gegen mich vollführten, mögen sich auf deinen Befehl hin (39) [entfe]rnen! Sˇamasˇ, entscheide mein Recht durch deinen großen Rechtsspruch: Möge ich über ihnen ste[hen]! (40) [Si]e sollen sterben, ich aber möge leben, sie sollen sich entfernen, ich aber möge gesund werden. (41) Sie sollen zu Ende gehen, ich aber möge groß werden. Gira 294), der Verbrenner, möge sie verbrennen. (42) Er möge sie in das Land ohne Wiederkehr hinabsteigen lassen, möge sie zu einem Totengeist in der Unterwelt (43) führen. Fieber, Steifheit, Schweißausbrüche, sili3tu-Krankheit (und) Muskelschwund (44) mögen ihre Leiber packen! Ich aber, dein Diener, möge leben und wohlbehalten sein. Dann will ich deine Großtaten (45) verkünden, dein Lobpreis singen. Ihre Hexereien mögen ihre (eigenen) Körper packen, (46) das von ihnen bewirkte Böse [möge] ihnen (selbst) nachjagen!« (47) Dreimal sprichst du diese Beschwörung. Dann beträufelst du sie mit heißem Bitumen und zündest sie mit der Fackel an. (48) »Gira, verbrenne sie, Gira, versenge s[i]e!« Dreimal spr[ich]st du dies. (49) Dann wäschst du ihn mit dem (Wasser aus dem) Weihwassergefäß, Gips und Alkali. Die Bi[lder aus … ] wirfst du in den Fluß. (50) Die Bild(er) aus Ton beerdigst du im Haus. Die (übrigen) Bilder he[bst du auf. Im unbebauten Land, nach Wes]ten [hin] öffnest du eine Grube und (51) (darin) beerdigst du (sie). Den Leder-

293. Die Schadenzauberer. 294. Gira (Gibil) ist der Feuergott und das divinisierte Feuer.

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beutel wird ein Passant aufheben [ … ]. (o. Rd.) Du gibst ihm Bier zu trinken (und) beräucherst ihn mit [ … ] mittels Holzkohle 295).

2.14.5 Eine Halskordel gegen drohende Behexung Das kleine, querformatige Täfelchen CBS 1720 (University Museum, Philadelphia) stammt aus neuassyrischer Zeit (7.-8. Jh. v. Chr.); über seine Herkunft ist nichts bekannt. Auf der Tafel ist nur eine Abwehrzauber-Beschwörung mit folgender Ritualanweisung festgehalten. Die Beschwörung, die auch aus dem Fragment einer Sammlung von Abwehrzauber-Beschwörungen aus der ›Assurbanipal-Bibliothek‹ in Ninive bekannt ist (unpubl. K 8112 + 9666), richtet sich an die imhur-lı¯m-Pflanze, deren ˘ Name von den babylonischen Gelehrten als »Sie trat tausend (Krankheiten erfolgreich) entgegen« gedeutet wurde (in Übersetzungen oft als ›Sie-trat-tausend-entgegen‹-Pflanze oder ›Heilt-tausend‹-Pflanze wiedergegeben). Die Pflanze galt als besonders wirkungsvolles Mittel gegen Behexung, und diese Eigenschaft wird auch in vorliegender Beschwörung entfaltet 296). Die zugehörige Ritualanweisung beschreibt die Herstellung einer unheilabweisenden Halskordel, in die imhur-lı¯m-Pflanze einge˘ bunden wird. CBS 1720 wurde zuerst von M. J. Geller in Kopie vorgelegt, umschrieben und übersetzt (Practice and Praxis, in: A. K. Guinan u. a. [Hg.], If a Man Build a Joyful House. Assyriological Studies in Honor of Erle Verdun Leichty, CM 31, Leiden / Boston 2006, 167-72). Vorliegende Übersetzung basiert auf einer Neukopie des Verf.; sie folgt CBS 1720, wo nötig vervollständigt durch K 8112+. (Vs. 1) [Beschwörung:

»D]u Imhur-lı¯m bist das Kraut, das vorzeiten hervorwuchs, (2) der ˘ droben (3) [an den Himmel reich]t 297), dessen Wurzeln Löser von allem, dessen Wipfel drunten das Erdreich füllen 298). (4) Die Hexe sah dich, da wurde ihr Gesicht fahl 299), (5) und ihre [ … ] wurden [ … ], ihre Lippen wurden schwarz. (6) [Du …st] die [ … ] der [Hexe] 300), du zerschlägst die böse Bindung 301)! (7) [Du bist] Imhur-lı¯m, (das ˘ [Rede], Kraut,) das an denjenigen, der es anwendet 302), Zauberei, [Aufstand], (8) [bö]se (9) Haßzauber, Rechtsverdrehung, Lebensab[schneidung], [Mundlähmung] (und) Wahnsinn nicht heran[kommen läßt] 303). (10) [Auf den Befehl des Ea], des Sˇamasˇ und des Marduk sowie der Fürstin [Be¯let-ilı¯] (11) laß nicht an mich herankommen [ihre Hexereien], ihre [Zaubereien], die böse Rede 304). (11) [Wende sie zurück auf] meine Hexe!« (Rs. 12) Wortlaut der Beschwörung zur Lösung von Hexerei. (13) [Die] zugehörigen [Handl]ungen: Eine Kordel aus gekämmter Wolle zwirnst du, sie295. Im Duplikat LKA 157 = KAL II 25 folgen noch eine Rubrik, eine auf ein weiteres Abwehrzauber-Ritual verweisende Stichzeile und der Kolophon des Kisir-Asˇsˇur. ˙ 296. Vgl. Schwemer, Abwehrzauber und Behexung, 197 f. 297. Lies [sˇamê(an-e) ˇsá-an-n]a-at. 298. Lies malû(diri-ú). 299. Lies i- ru-qu (für zu erwartendes ¯ıriqu¯). 300. Lies mit Hilfe des Duplikats K 8112 + 9666 r. Kol. 24’ wohl: sˇá [kasˇsˇa¯pti(?) x]-x-[x] x-x- sˇá . 301. Lies rik-sa lemna(Hul). ˘ sˇá ana ˇsá-ki-ni-sˇu. 302. Lies [at-ta] ú imhur(igi)-lim ˘ 303. Lies la ú-qa[r-ra-bu]. 304. Lies [kisˇpı¯ˇsa(?) ru-he-e(?]- sˇá ama¯t(inim) lemutti(hul!-tim) e tu-qar-ri -b[a]. ˘ ˘

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ben Knoten (14) [knotest du (in die Kordel)]. Wo immer du einen Knoten machst, umgibst du imhur-lı¯m-Pflanze mit gekämmter Wolle. Die Beschwörung rezitierst du sieben˘ (15) [leg]st [sie um seinen Hals]. Hexereien werden ihm nicht nahen 305). mal darüber,

2.15 Rituale zur Lösung des ›Banns‹

Stefan M. Maul Seit der altbabylonischen Zeit wurden Beschreibungen von Therapien überliefert, die mit dem sumerischen Rubrum nam-érim-búr-ru-da, »(Verfahren, um) einen Bann zu lösen« versehen sind. Durch diese im 1. Jt. v. Chr. zum festen Curriculum eines Beschwörers zählenden Rituale, die auch die akkadische Bezeichnung ma¯mı¯tu ana pasˇa¯ri 306) trugen, sollten drohendes Unheil, Unglück und vor allem Krankheit, die auf eine grundlegende Störung zwischen einem Menschen und den Göttern zurückgeführt wurden, abgewehrt oder abgewendet werden. Der Name des schweren Leidens, das – sofern es unbehandelt bleibt – einen tödlichen Ausgang nehmen konnte, konfrontiert uns mit altorientalischen Vorstellungen von den Ursachen von Krankheit. Denn nam-érim = ma¯mı¯tu bezeichnet keineswegs allein oder in erster Linie eine Erkrankung. Vielmehr gehört der Begriff zunächst in den Bereich des Rechtswesens. In juristischem Zusammenhang steht der Begriff ma¯mı¯tu für einen bei den Göttern und dem König geleisteten Eid, der mit einer Selbstverfluchung für den Fall der Eidesverletzung verbunden ist. ma¯mı¯tu bezeichnet darüber hinaus auch den Zustand der ›Acht‹ oder des ›Bannes‹, den Ausschluß aus der Sicherheit einer rechtlich garantierten Unantastbarkeit, dem ein Eidbrüchiger unterliegt. Ein ma¯mı¯tu gipfelt schließlich in der Umsetzung der von dem Eidleistenden in der Selbstverfluchung beschworenen und von den Göttern verhängten Strafe. Der Umstand, daß ma¯mı¯tu auch als Bezeichnung einer Erkrankung Verwendung fand, zeigt, daß man das akute und durchaus charakteristische Krankheitsbild 307) keineswegs als kennzeichnende Eigenart dieses Leidens betrachtete. Das eigentliche Wesen der als ›Bann‹ bezeichneten Krankheit sah man vielmehr in einer massiven Störung im Verhältnis zwischen dem erkrankten Menschen und den Göttern. Eine Tabuüberschreitung, die als Eidesverletzung gegenüber den Göttern verstanden wurde, führte dieser Sichtweise zufolge zu einem rechtsverbindlichen Götterbeschluß, durch den über den Betroffenen der ›Bann‹ verhängt wurde, der ihm die Sicherheit einer rechtlich garantierten Unantastbarkeit entzog. Erst dieser Zustand der Bannung führte zu wahrnehmbaren Symptomen der Krankheit, die ma¯mı¯tu, ›Bann‹ oder auch ›Hand des Bannes‹ genannt wurde. Die Ätiologie für die als ›Bann‹ bezeichnete Krankheit ist eng mit der Vorstellung von Schuld verbunden. Sie zwingt

305. Zur Lesung der Ritualanweisung s. die Umschrift bei Schwemer, Abwehrzauber und Behexung, 234 Anm. 9. 306. »(Verfahren, um) einen Bann zu lösen«. 307. Vgl. die Symptombeschreibungen in dem ersten und dritten hier vorgestellten Text.

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den Kranken, eigene Schuld zu erkennen und damit für seine Erkrankung Verantwortung zu übernehmen. Im Denken eines mesopotamischen Heilers kann das Kurieren der physischen Symptome der auf einen göttlichen ›Bann‹ zurückgeführten Erkrankung erst dann nachhaltig Erfolg zeitigen, wenn die transzendenten Ursachen der Erkrankung mitsamt ihrer ins Diesseits reichenden Verkettungen beseitigt und eine grundlegende Harmonie zwischen dem Menschen und dem Göttlichen wiederhergestellt ist. Dies sollte durch die Durchführung des nam-érim-búr-ru-da-Rituals 308) erreicht werden (unten Text 1 und 2). Freilich wurde die bedrohliche Erkrankung auch durch das Verabreichen von Medikamenten bekämpft (unten Text 3).

2.15.1 Eine Beschreibung des nam-érim-búr-ru-da-Rituals Die hier vorgestellte Ritualbeschreibung ist lediglich aus einer einkolumnigen neuassyrischen Tontafel aus dem 7. Jh. v. Chr. bekannt, die in dem sog. Haus des Beschwörungspriesters in Assur gefunden wurde (A 35 = Ass 13955 go) 309). Sie befindet sich heute in den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Istanbul. Eine Autographie der Tafelvorderseite (Z. 1-43) veröffentlichte F. Köcher als BAM III 234. Die Tafelrückseite wird hier erstmals vorgestellt. Eine Bearbeitung der Tafelvorderseite legten E. K. Ritter und J. V. Kinnier Wilson, Prescriptions for an Anxiety State: A Study of BAM 234, Anatolian Studies 30 (1980) 23-30 vor 310). In dem ersten Abschnitt der Tafel sind die Symptome (Z. 1-9) einer Erkrankung genannt, welche zu einer komplexen Diagnose (Z. 9-12) führten, bei der Gotteszorn und die ›Hand des Bannes‹ als die wesentlichen Ursachen der Erkrankung galten. 311) Es folgen Handlungsanweisungen (Z. 13-77), die zum Ziel haben, den erkrankten Menschen von den unheilvollen Folgen eines göttlichen Bannes zu befreien. Hierfür fertigte der Beschwörer aus Ton die Figürchen eines Mannes und einer Frau, die mit Gewändern und weiteren Gaben, Speisen und Reiseproviant ausgestattet wurden. In der Ritualbeschreibung fungierte das Figürchen des Mannes als Substitut für den 308. Das nam-érim-búr-ru-da-Ritual ist uns in mehreren Fassungen überliefert. Eine noch unveröffentlichte neuassyrische Ritualtafel aus Assur gibt genaue Auskunft über den Verlauf des komplizierten Rituals. Mehrere neuassyrische Ritualbeschreibungen, in denen zumindest die wichtigsten zu rezitierenden Gebete und Beschwörungen niedergeschrieben sind, kamen bei den Ausgrabungen in Assur zutage (hierzu zählt Text 1). Daneben wurden in Assur und in Ninive Editionen überliefert, die keine Ritualanweisungen, sondern lediglich die zum namérim-búr-ru-da-Ritual zählenden dicenda enthalten (hierzu gehört Text 2). Eine Edition der ›Rituale zur Lösung des Banns‹ ist in Vorbereitung und wird in der Reihe Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts erscheinen. 309. Vgl. O. Pedersén, Archives and Libraries in the City of Assur. A Survey of the Material from the German Excavations, Part II, Uppsala 1986, 41 ff. (A 35 = N 4: 177). 310. Zu A 35 vgl. ferner M. Stol, Epilepsy in Babylonia (CM 2), Groningen 1993, 29 und T. Abusch, Witchcraft and the Anger of the Personal God, in: T. Abusch / K. van der Toorn (Hg.), Mesopotamian Magic. Textual, Historical, and Interpretative Perspectives, Groningen 1999, 83-121, hier 85-86. 311. Hierzu ausführlich S. M. Maul, Die ›Lösung vom Bann‹ : Überlegungen zu altorientalischen Konzeptionen von Krankheit und Heilkunst, in: H. F. J. Horstmanshoff / M. Stol (Hg.), Magic and Rationality in Ancient Near Eastern and Graeco-Roman Medicine, Leiden / Boston 2004, 79-95.

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(männlichen) Patienten, während das weibliche den göttlichen Bann darstellte, der von dem Menschen Besitz ergriffen hatte 312). Die Figürchen sollten an des Kranken Statt das Unheil auf sich nehmen und in die Unterwelt verbannt werden. (1) Wenn

einem Mann 313) ein mihru 314) entgegengestellt ist, er aber nicht [weiß], daß er ˘ Mann) beständig und immer wieder Schaden und es entgegennahm, (2) (wenn dieser Verlust erleidet; (wenn er) einen Verlust an (den Zahlungsmitteln) Gerste und Silber [erleidet]; (3-4) (wenn er) einen Verlust an (den Arbeitskräften) Knecht und Magd (erfährt); (wenn) Rinder, Pferde und Kleinvieh, Hunde, Schweine und Menschen gleichermaßen immer wieder zu Tode kommen (und) er immer wieder das Selbstvertrauen verliert (nämlich): (5) Anweisung geben, ohne daß dem willfahren wird; Rufen, ohne daß geantwortet wird; sich dem Begehren, das die Leute (formulieren), bereit[stellen]; (6) (wenn) er in seinem Bett immer wieder in Schrecken gerät (und) Lähmungszustände bekommt; (wenn) sein Wandel ihn nicht nahe bringt dem Gott und dem Kö[nig]; (7) (wenn) während er unter Völlegefühl leidet, seine Gliedmaßen immer wieder ›hingeschüttet‹ sind, (und) er das ein und das andere Mal aufschreckt; (8) (wenn) er bei Tag und bei Nacht nicht schlafen kann; (wenn) er immer wieder schreckliche Träume sieht (und) Lähmungszustände bekommt; (9) (wenn) er, während er kaum zu essen und zu trinken vermag, das, was er sagt, (gleich) wieder vergißt: Was diesen Mann anbetrifft: Der Zorn von Gott und Göttin ist ihm immer wieder auferlegt. (10-12) Sein (persönlicher) Gott (und) seine (persönliche) Göttin sind zornig mit ihm. Für diesen Mann (gilt): an der ›Hand des Bannes‹, an der ›Hand des Gottes‹, an der ›Hand der Menschheit‹, an der ›Krankheit des Zusammengekehrten‹ 315) ist er erkrankt. Die Schuldenlasten des Vaters und der Mutter, des Bruders und der Schwester, der Familie, des Geschlechtes (und) der Sippe packten ihn. Um davon zu entbinden, so daß die ihm (anhaftenden) Verfinsterungen nicht [an ihn] Hand anlegen können: (13) Die zugehörigen Handlungen: Zwei Bann-Abbilder, das eines Mannes und das einer Frau, fertigst du aus Ton, der einer Tongrube (entnommen ist). Ihren Namen [schreibst du ihnen] auf die linke Schulterpartie 316). (14) Du bekleidest sie mit einem Mantel, einer Kapuze, einer Kopfbinde (jeweils) aus dunkelblauer Wolle. (Eine Kette aus) Steine(n) [hängst du ihr] um den Hals. (15) [Ihn bekleidest du] mit einem Mantel, einer Kapuze, 312. Vgl. jedoch Anm. 316. 313. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien« und hier Anm. 316. 314. Als mihru wird ein mit magisch kontaminierten Stoffen versehenes Objekt bezeichnet, das ˘ auf denjenigen, der mit ihm in Kontakt kommt, ›Unheil‹ überträgt, welches dann in Unglück, Krankheit und Tod Gestalt annimmt. Der Kontakt mit einem mihru kann von Dritten ˘ willentlich herbeigeführt worden sein. 315. Die ›Krankheit des Zusammengekehrten‹ entfaltet sich als Folge des göttlichen Banns, nachdem der betroffene Mensch, etwa durch Mittel des Schadenzaubers (= ›Hand der Menschheit‹), mit (zusammengekehrten) ›Unheilsstoffen‹ wie abgeschnittenen Fingernägeln oder Haaren in Kontakt gebracht worden war. 316. Die eine Bann-Figur verkörpert den Patienten, die andere den ›Bann‹, der von dem Patienten Besitz ergriffen hat. Ist der Patient ein Mann (wie dies im weiteren angenommen ist), so ist die männliche Figur sein Subsitut, die weibliche steht für den Bann. Ist der Patient jedoch weiblich, so verhält es sich umgekehrt (vgl. Z. 27-30). Während man auf die eine Figur den Namen des Patienten schrieb, wurde auf der anderen der für die Erkrankung des Patienten verantwortlich gemachte ›Bann‹ namentlich genannt.

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einer Kopfbinde, einem Gürtel (jeweils) aus weißem Vlies, der für einen einzigen Tag (bestimmt ist) 317). (16-17) Vierzehn Ledersäckchen mit Trockenbroten (und) Dörrfleisch, Schuhe, Schuhsohlen 318), einen [Kamm], eine Spindel, eine Decke, eine Gewandnadel, ein Salbfläschchen mit bestem Öl 319) gibst du ihr. Mit Reiseproviant [stattest du sie aus]. ˇ amasˇ baust du ein Ritualarran(18) Eine heiße (Suppe) 320) schüttest du für sie aus. Vor S 321) auf. Dann stellst du ein Libationsgefäß [auf]. (19) Datteln (und) Feinmehl gement schüttest du hin. mirsu 322) (mit) Sirup (und) Butterschmalz stellst du hin. Ein Räuchergefäß [mit Wacholder stellst du hin]. (20) Du nimmst die Opferschlachtung eines reinen, makellosen (Schafes) vor. Schulterfleisch, Fettgewebe (und) gebratenes Fleisch bringst du dar. [Du libierst] Bier. (21) Vor Sˇamasˇ hebst du die besagten Bann-Abbilder hoch und [nennst] dann ihre Namen. ˇ amasˇ, König des Himmels (und) der Erde, Herr des Rechts und (22-24) Beschwörung: »S der Gerechtigkeit, um [mein] Leben zu retten, heiligte ich die Tongrube. Als Kaufpreis gab ich [Silber]. Mit der Autorität des Ea, mit den Künsten des [Asalluhi] kniff ich in der ˘ Tongrube die Tonbatzen für sie (d. h. für die Bann-Abbilder) ab. Angesichts deiner großen Göttlichkeit schuf ich sie. (25) Ich bekleidete sie mit Gewändern. Ich füllte vierzehn Ledersäckchen jeweils mit Trockenbroten, Dörrfleisch (und) Mehl aus getrocknetem Malz. (26) Einen Schlauch mit kühlem Wasser schenkte ich ihnen dann. (27) Ich habe ihnen die gebührende Ehre erwiesen, ich habe sie prächtig ausgestattet. Ist er ein Mann, so ist dieses sein Abbild. (28) Ist sie eine Frau, so ist dieses ihr Abbild. Um (ihn) an eine Ehefrau zu verheiraten, sei diese seine Ehefrau. (29) Um (sie) an einen Ehemann zu verheiraten, sei dieser ihr Ehemann. Dieser sei fürwahr der Gatte und dann (30) sei diese fürwahr die Gattin. Sˇamasˇ, hoher Herr, der alles weiß, (31) ich, N.N., der Sohn des N.N., der Diener, der dich fürchtet, stehe am heutigen Tage vor dir. (32) Ich rufe an deine große Göttlichkeit. Wegen des Bannes, der mich packte und mich dann immer wieder verfolgt bei Tag und bei Nacht, (33-34) der mein Fleisch dem Verfall anheim stellt, der bereitsteht, um meinen Odem abzuschneiden, auf Weisung deiner großen Göttlichkeit gab ich sie (d. h. die beiden Bann-Abbilder) als Ersatz für mein Fleisch und meine Gestalt. Ersatz 323) für ]… als Ersatz für meine Person. In mich, Stellvertreter für mich sind sie. (35) …[ ] von mir der Erde werde ich sie begraben. (36) Nehmt ihr, ja ihr, doch [meine entgegen und verschont mich dann! (37) Nehmt ihr, ja ihr, doch [meine ] von mir entgegen und verschont mich dann! (38) [Den Bann meines Vaters und meiner Mutter, den Bann meines Bruders und meiner Schwester, den Bann] der Familie, [des Geschlechtes (und) der] Sippe dito dito (d. h.: nehmt ihr, ja ihr, doch von mir entgegen und 317. Beide Trachten scheinen typische Hochzeitsgewänder zu sein. 318. Im Alltagsleben werden diese Gaben an Boten ausgegeben, die weite Strecken zurücklegen müssen. 319. Diese Gaben werden auch der Dämonin Lamasˇtu mitgegeben, wenn sie im Ritual gebannt und auf die Reise in die Unterwelt geschickt werden soll. 320. Die ›heiße (Suppe)‹ ist eine typische Speise für die Totengeister, die man versorgen will, damit sie in der Menschenwelt keinen Schaden anrichten und in die Unterwelt zurückkehren. 321. Als ›Ritualarrangement‹ (riksu) wird ein Tragaltärchen mit Speisen und in Gefäßen bereitgestellten Getränken bezeichnet. 322. mirsu ist eine Getreidespeise, die zumeist mit (Dattel)sirup oder Honig, Butterschmalz und manchmal mit Datteln und Brot serviert wurde. 323. Eigentlich pluralisch im Sinne von ›Ersatz(bilder)‹, ›Substitute‹.

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verschont mich dann)! (39) [ ] euer [ ], den Bann [ dito dito]! (40) [ ], den Bann [ dito dito]! (41) [ ], den Bann ], den Bann [ dito dito]! [ dito dito]! (42) [ (43) [ ], den Bann [ dito dito]! 324) (44-48) [ (abgebrochen)].« 325) ˇ amasˇ [ (49) [Die Be]schwörung [rezitierst du] vor S ]…[ ]. (50) Beschwörung 326): »Sie ist die Fürstin 327), sie ist die Versorgerin, das Geschöpf des Nunamnir 328), [ ] in liebevoller Betreuung …[ ] (51) [ ]. Auf 329) (52) Ausspruch hin verstummen die Heiligtümer. Ihr bringt zum Schweigen, euren man ist voller Freude. Seine Leute sind an heiligem Orte betreut. (53) Mit bestem Öl, mit Öl des hasˇu¯ru-Baums möget ihr erfreut werden! Ihr seid geladen, ihr seid prächtig ausgestattet,˘ (54) euch wird gebührend Ehre erwiesen mit jeglichem, das heilig ist. Deinen (fem.) 330) Namen habe ich genannt. Ich, der N.N., der Sohn des N.N., der Diener, der euch fürchtet, (55-56) der eure Häupter erhöht 331), ich stehe jetzt, damit der Bann gelöst werde, vor euch. Damit der Eid, das Vergehen gelöst werde, knie ich jetzt vor euch. Der Eid, das Vergehen möge sich entfernen. 3600 Meilen weit möge er/es vertrieben werden. Er/es möge zur Seite treten. Entbindet, löst meine Schuldenlast! (57) Tilge, laß doch vorüberziehen die Vergehen! Die Verfehlung lasse kraftlos werden! Mein Flehen nimm an und dann (58) erhöhe … ! Eid, Bann, Vergeltung, Verhör 332), Husten, Hustenanfall, (Husten)schleim, (59-61) Fieber, Schweiß(ausbruch), Leibschmerzen, die in meinem Körper sind, reißt 333) am heutigen Tage aus meinem Körper heraus! Dann mögen die, die mich sehen, auf ewig euch lobpreisen. Reißt die Krankheit meines Körpers heraus, [reißt sie als]bald heraus, und dann schenkt mir das Leben!« (62) Die zugehörigen Handlungen 334): Du setzt ein Kochöfchen hin. Du entzündest eine 324. In den schlecht erhaltenen Zeilen 39-43 waren verschiedene Arten des ›Banns‹ aufgeführt. 325. Die zerstörten Zeilen 44-48 enthielten das Ende des an den Sonnengott gerichteten Gebetes. 326. Die leider nur fragmentarisch erhaltene, z. T. schwer verständliche Beschwörung war an Getreidekörner oder an aus Getreidekörnern u. ä. geformte Teigbatzen gerichtet, mit denen der Patient abgerieben werden sollte, um so die materielle Basis des ›Unheils‹ von ihm zu nehmen. Die Teigbatzen wurden, nachdem sie das von dem Patienten herunter geriebene ›Unheil‹ in sich aufgenommen hatten, verbrannt (vgl. Z. 62 f.), aber auch, wie andere Beschreibungen des Rituals deutlich zeigen, dem personifizierten Bann als Speisung gereicht (dazu vgl. Z. 6870) und einem Vogel, einem Fisch und einem Kalb zum Fraß vorgeworfen. Die vorliegende Beschwörung ist auch in der Stichzeile der unten übersetzten Tafel mit einer lipsˇur-Litanei zitiert (Z. 123). 327. Die als Fürstin angesprochene Gottheit ist Nisaba, das vergöttlichte Getreide. 328. Nunamnir ist ein Beiname des Götterkönigs Enlil. 329. Femininum Plural. Angesprochen sind wohl Getreidekörner oder die aus Getreidekörnern u. ä. geformte Teigbatzen. 330. Hier dürfte die Getreidegöttin Nisaba selbst angesprochen sein (vgl. Z. 50). Freilich ist nicht auszuschließen, daß an dieser Stelle dem Schreiber ein Fehler unterlaufen ist und statt »deinen« (-ki) im Text »euren« (-kina) stehen sollte. 331. D. h. der, der euch ehrend umsorgt. 332. Das vorliegende Wort bezeichnet ›Verhör‹ und ›Befragung‹ im rechtlichen Sinne. Gemeint ist vielleicht die wohl ungünstig ausgehende Befragung des (meineidigen) Menschen durch seine Götter. 333. Oder: reiße? 334. Die in der vorangehenden Beschwörung angesprochenen Teigbatzen (bestehend aus »Mehl, Bierwürze (und) Sagapenum(?)«), wurden nun dem Feuer übergeben. Die Zeilen 104-21 der im folgenden vorgestellten lipsˇur-Litanei wurden im Rahmen des hier beschriebenen Ritualgeschehens (Z. 62-64) rezitiert.

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Fackel und dann [ ]… (63) Du verbrennst Mehl, Bierwürze (und) Sagapenum. Diese Beschwörung rezitierst du [x]mal. (64) Du rezitierst die Beschwörung: »Komme zur Ruhe, Gira, Held« 335). Du löschst das Feuer und bringst (die Rückstände) heraus. ˇ amasˇ, König des Himmels und der Erde [ (65) Beschwörung: »S ] … (66) der, der die Menschen recht leitet, der [ ] liebt, (67) der den Gebundenen rettet, der [die Finsternis] erleuchtet: [Dies ist das Abbild des Bannes, der] N.N., den Sohn des N.N., gepackt hält und (68-70) ihn dann ständig verfolgt; der ihn, um seinen Odem abzuschneiden, festhält. [ ] Ihr 336) Mund (sei gerichtet) auf das Mahl, ihre Ohren auf das, was [sie] hören sollen! Alles, was ich geben werde, mögen sie von mir entgegennehmen; alles, was ich sprechen werde, mögen sie hören!« Beschwörungsformel 337). ˇ amasˇ, König des Himmels (und) der Erde, Herr des Rechts und (71) Beschwörung 338): »S der Gerechtigkeit, der, der Gott und Mensch recht leitet, [ja] du: (72) Dies ist das Abbild des Bannes, der N.N., den Sohn des N.N., gepackt hält und [ihn] dann ständig verfolgt; (73) der ihn, um seinen Odem abzuschneiden, festhält. Vor dir stattete ich sie (Sg.) 339) mit Reiseproviant aus. Mit einem Totenopfer [versorgte] ich [sie]. (74) Die ihr (zukommenden) Riten führte ich vollständig aus. Der Gewandsaum des N.N., des Sohnes des N.N., sei von dem Gewandsaum des Abbildes des Bannes abgeschnitten! 340) (75) Sˇamasˇ, vor dir (ist) der Bann, (der davon ausgeht) zu veranlassen, daß Gattinnen Gatten verlassen, die im Begriff sind zu heiraten!« 341) (76-77) (Dies) sprichst du [siebenmal]. Dann gehst du in die Steppe hinaus. Dann öffnest 335. Der Wortlaut dieser Beschwörung ist aus Sˇurpu V-VI, 187-99 bekannt. 336. Hier sind die beiden Bann-Abbilder angesprochen. 337. Da die Bann-Abbilder durch das vor dem Sonnengott gesprochene Wort des Beschwörers darauf verpflichtet sind, »alles entgegenzunehmen«, was man ihnen gibt, müssen sie auch Speiseopfer annehmen, die man ihnen vorsetzt. Aus anderen Beschreibungen des nam-érimbúr-ru-da-Rituals ist deutlich, daß man dem Figürchen, das den Bann verkörperte, Teigbatzen als Speise hinlegte, mit denen der Erkrankte zuvor abgerieben worden war. Das ›Unheil‹, das mit dem Teig von dem Patienten genommen worden war, sollte so auf das Bild des Bannes übergehen. Es kehrte auf diese Weise an seinen Ursprungsort, den personifizierten Bann, zurück. Der Verlauf der ›Infektion‹ mit der Krankheit wurde so im Ritual sinnfällig rückläufig wiederholt und damit ungeschehen gemacht. 338. Diese Beschwörung war zu rezitieren, nachdem die beiden Figürchen, die für den Patienten und den Bann stehen, mit einem symbolischen Akt verehelicht worden waren, der im Alltagsleben des Alten Orients eine Eheschließung rechtskräftig besiegelte: Man hatte das Gewand des Patienten und das des weiblichen Figürchens, dem zuvor in dem Revisionsprozeß vor dem Sonnengott bereits seine schädigende Kraft genommen worden war, durch einen Knoten verbunden. Das Urteil der Götter, den erkrankten Menschen unter einen Bann zu stellen, wurde damit für den Patienten sichtbar nachvollzogen. Dieser sollte erst die ursprüngliche Verurteilung durch die Götter in der dramatischen Inszenierung für sich annehmen, bevor sie anschließend revidiert wurde. 339. Das grammatische Geschlecht des akkadischen Wortes für ›Bann‹ (ma¯mı¯tu) ist feminin, und dem ›Abbild des Bannes‹ wurde in diesem Ritual das Erscheinungsbild einer Frau gegeben. Daher sind im Originaltext Pronominal- und Possessivsuffixe, die sich auf das ›Abbild des Bannes‹ beziehen, stets feminin. Auch in der Übersetzung werden sie als Femininum wiedergegeben. 340. Mit diesem Akt wurde die Scheidung von dem Patienten und dem Bann, der von ihm Besitz ergriffen hatte, vollzogen. 341. Mit der Anrufung des Sonnengottes in Z. 75 sollte sichergestellt werden, daß das (eigentlich als unmoralisch und somit als strafwürdig angesehene) Herbeiführen einer Ehescheidung mit magischen Mitteln nicht erneut göttlichen Zorn hervorruft.

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du ein Loch. Dann begräbst du (sie) 342). Die Steine 343) vergräbst du. Vor ihm (d. h. vor dem Patienten) umgibst du (dieses Grab) mit einem [Mehlkreis] 344). Du rezitierst (die Beschwörung) »Beim Leben des Himmels sei er beschworen« in Gänze. Du darfst nicht hinter dich blicken. Das ihm (d. h. dem Patienten) anhaftende Unheil wird (dann) gelöst sein 345).

2.15.2 Dicenda aus dem nam-érim-búr-ru-da-Ritual: eine sogenannte lipsˇur-Litanei Dank einer unveröffentlichten, im sog. Haus des Beschwörungspriesters in Assur 346) gefundene Ritualtafel, in der der Ablauf der Therapie mit dem Namen nam-érimbúr-ru-da beschrieben ist, wissen wir, daß ›lipsˇur-Litaneien‹ im Rahmen dieses Rituals zu rezitieren waren. Sie wurden in einem aus mehreren Tafeln bestehenden Kompendium überliefert, in dem (ähnlich wie in den Editionen von Maqlû) Gebete und Beschwörungen, die es im Rahmen des nam-érim-búr-ru-da–Rituals zu rezitieren galt, ohne zugehörige Ritualanweisungen aufgeführt waren. Die hier vorgestellte Tafel mit einer lipsˇur-Litanei ist durch sechs neuassyrische Textvertreter aus Ninive 347) und zwei weitere neuassyrische Textvertreter aus Assur 348) bekannt, welche ebenfalls aus dem Tafelbestand des sog. Hauses des Beschwörungspriesters stammen 349). Eine Edition dieses Textes legte E. Reiner vor (lipsˇur Litanies, JNES 15 [1956] 132-39) 350).

Im Verlauf des nam-érim-búr-ru-da-Rituals faßte der Beschwörer den Patienten an der Hand und wandte sich in dessen Namen an alle wichtigen Götter mit der Bitte um Lösung des Banns. Selbst Zeit und Raum wurden in diese Bitte einbezogen. Im Namen des Betroffenen wandte sich der Beschwörer an die Kräfte des gesamten Kosmos, an Berge, Flüsse und Gewässer 351). (1-10) »Es löse der Berg Sabu, der Berg des Enlil! Es löse der Berg Hursag, der Wohnsitz der Be¯let-[ilı¯]! Es löse der Berg Lilmun, der Berg des Adad! Es˘ löse der Berg Budughudug, der Eingang, (durch den) Sˇamasˇ (eintritt) zu Aja! Es löse der Berg Hamanu, ˘ der ˘Zedernberg! Es löse der Berg Habur, der Zedernberg! Es löse der Berg Hasˇur, der ˘ ˘ Zedernberg! Es löse der Berg Sirara, der Zedernberg! Es löse der Berg Labnanu, der

342. Hier wird lediglich die Beerdigung des weiblichen Figürchens beschrieben. Es bleibt unklar, was mit dem männlichen Figürchen, das den Patienten verkörperte, geschah. 343. Es sind die in Z. 14 genannten Steine gemeint, aus denen eine Kette für das weibliche BannFigürchen hergestellt worden war. 344. Der Mehlkreis sollte sicherstellen, daß von dem Grab des Bannes kein Schaden mehr ausgehen konnte. 345. Es folgt ein Kolophon. 346. Dazu oben, Anm. 309. 347. K 4415 (II R 51 Nr. 1) + unnumeriertes Zusatzstück; K 4557 + K 9826; K 4006 + K 4179 + K 9926; K 9975; K 18108; 79-7-8, 103. K 4006+ und K 9975 dürften zu derselben Tafel gehören. 348. VAT 13647 + VAT 13687, Rs. (LKA 147 = N 4: 532); VAT 13829 + VAT 13951 (LKA 147a = N 4: 557). 349. Alle bekannt gewordenen Textvertreter wurden im 7. Jh. v. Chr. geschrieben. 350. Dort sind nicht berücksichtigt: K 18108 und 79-7-8, 103. 351. Die Bitte um ›Lösung des Banns‹ wurde auch an alle Monate und deren einzelne Tage gerichtet. In einer weiteren langen Litanei bat man um Lösung von Bann und Krankheit für jedes einzelne Körperteil des Menschen von Kopf bis Fuß.

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Zypressenberg! Es löse der Berg Adil’ur, der Zypressenberg! (11-20) Es löse der Berg Arandu, der Zypressenberg! Es löse der Berg Dil’ur, der Buchsbaumberg! Es löse der Berg Dibar, der Pistazienberg! Es löse der Berg Dabar, der Pistazienberg! Es löse der Berg Ningina, der Mandelberg! Es löse der Berg Sˇesˇeg, der Eichenberg! Es löse der Berg Bibbu, der Eichenberg! Es löse der Berg A’u, der Wacholderberg! Es löse der Berg Hana, der Wacholderberg! Es löse der Berg Zarsˇu, der Silberberg! (21-30) Es löse der ˘ Berg Arallu, der Goldberg! Es löse der Berg Hub’u, der Goldberg! Es löse der Berg ˘ Zarhâ, der Zinnberg! Es löse der Berg bargungunnu, der Zinnberg! Es löse der Berg ˘ 352), der Kristallberg! Es löse der (göttliche) Berg Dapara 353), der Blausteinberg Zardu’a (d. h. Lapislazuliberg)! Es löse der Berg Irkab, der Berg des hula¯lu-Steins! Es löse der Berg ˘ 354), der Berg des mus ˇsˇaAkkala, der Berg des musˇsˇaru-Steins! Es löse der Berg Malikanu 355) ru-Steins! Es löse der Berg Dulupesˇ , der Berg des ›Ein-Weiß-Steins‹ ! 356) (31-40) Es löse der Berg Dudpesˇ 357), der Berg des ›Ein-Weiß-Steins‹ ! Es löse der Berg Digmanu, der Berg des ›Ein-Weiß-Steins‹ ! Es löse der Berg Meluhha, der Karneolberg! Es löse der ˘ ˘ Tila, der Berg des Augensteins! Berg Maganna, der Kupfer(stein)berg! Es löse der Berg Es löse der Berg Saggisˇ 358), der Berg des Augensteins! Es löse der Berg Ebih, der Riegel des Landes 359)! Es löse der Berg Sˇarsˇar, der Berg der Amoriter! Es löse der˘ Berg Basˇar, der Berg der Amoriter! Es löse der Berg Temenna, der Berg der Elamer! (41-47) Es löse der Berg Nimusˇ, der Berg der Gutäer! Es löse der Berg Mamanu 360), der Berg der Subaräer! Es löse der Berg Harsamna, der Berg der Pferde! Es löse der Berg Sikurrabi 361), ˘ löse der Berg Ki’usˇbura, der Berg der Lullubäer! Es löse der der Berg der Lullubäer! Es Berg Saggar, der Berg der Mühlsteine! Es löse der Berg Kupin 362), der Berg der Quellteiche!« (48-62) »Es löse der Fluß Tigris, die Bringerin des Überflusses! Es löse der Fluß Euphrat, der Odem des Landes! Es löse der Fluß Arahtu, der nach Babylon das Leben trägt! Es ˘ Marduk ist! Es löse der Fluß Turran 363), löse der Fluß Me-Enlilla, dessen Kanalinspektor die Mutter der Flüsse! Es löse der Fluß Taban, dessen Kanalinspektor Tisˇpak ist! Es löse der Fluß Mekalkal, der alles, das Odem ˙hat, am Leben erhält! Es löse der Fluß Ulai, der zur See trägt seinen reichen Ertrag! Es löse der ku-Fluß, der Fluß der Fische! Es löse der musˇen-Fluß, der Fluß der Vögel! Es löse der musˇ-Fluß, der Fluß der Schlangen! Es löse der Ninisinna-Fluß 364), der Fluß der (Göttin) Gula! Es löse der Tutu-Fluß, der Fluß des (Gottes) Marduk! Es löse der hegal-Fluß, der Fluß des Überflusses! Es löse der Utu-Fluß, der Fluß des (Gottes) Sˇamasˇ!«˘ 352. 353. 354. 355. 356. 357. 358. 359. 360. 361. 362. 363. 364.

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Variante: Zaldu’a. Variante: dDabar. Variante: Maliaknu. Variante: Dulu’ibba. Der ›Ein-Weiß-Stein‹ (pappardilû) ist ein dunkler Stein mit weißen streifenartigen Einschlüssen, der so zugeschnitten ist, daß der Stein einen einzigen weißen Streifen aufweist. Variante: Dubesˇ. Variante: Sagmanu. Variante: der Länder. Variante: Mamani. Variante: Siganrabi. Variante: Gupin. Variante: Turnat. Variante: Nininsina-Fluß.

Texte aus Mesopotamien (63-64) »Die

kleinen Flüsse, der Röhricht, der Auwald, der Deich, der Kanal, der Quellteich, die (wassergefüllte) Kluft, der Bewässerungskanal, die reinen Krüge der Götter, mögen gemeinsam mit ihnen 365) lösen. (65) Das Obere Meer, das Untere Meer möge das entgegennehmen, was entgegensteht und (nun eingewickelt) in dem Lei[ntuch (liegt)], 366) (66) um des zornigen Gottes und der zornigen Göttin willen. Legt Hand an an seine Schuldenlasten! Sein Unheil löst!« (67-71) »Igigi-Götter, (ihr) Obere, die (ihr) bewohnt den Himmel des Anum, AnunnaGötter, (ihr) Große, die (ihr) Festigkeit verleiht dem Kultort, dem Heiligtum, dem Wohnsitz, den inneren Gemächern der Götter (und) den Podesten (auf denen sie stehen); den Kanälen, den Flüssen und den Landstraßen; den oberen Bergen, den unteren Bergen, dem Ebih, dem Riegel der Länder – (ihr), derer Isˇtar Erwähnung tat, tilgt seine ˘ Verfehlungen, entfernt den Eid, vertreibt den ihm (anhaftenden) Bann! (72-75) Die Erschöpfung, die im Leibe des N.N., des Sohnes des N.N., in Erscheinung trat, entfernt, scheucht fort, vertreibt aus seinem Leibe! Tamariske möge ihn reinigen. (Das Seifenkraut) masˇtakal möge ihn lösen. Der Vegetationskegel der Dattelpalme möge seine Schuldenlast entfesseln 367). Nisaba, die Königin, die Tochter des Anum 368), möge seine Schuld wegschütten 369). (76) Die Beschwörungsformel des Ea und des Asalluhi möge seine Missetat verscheuchen. (77-80) Seine Schuldenlasten mögen gelöst werden.˘ Seine Verfehlungen mögen getilgt werden. Seine Vergehen mögen herunter gewaschen werden. Die ihm (anhaftenden) Banne mögen gelöst werden. Seine Krankheiten mögen vertrieben werden. Wie eine Zwiebel mögen sie (Haut um Haut) abgepellt, wie Dattel(n) mögen sie (von der Rispe) abgestreift, wie eine Kordel aufgedreht werden.« (81-85) »Mag, der N.N., der Sohn des N.N. 370), gefehlt haben, er sei davon entbunden, es sei ihm getilgt! Mag er gefrevelt, mag er sich vergangen haben, dito (d. h.: er sei davon entbunden, es sei ihm getilgt!). Mag er Gewalttätigkeiten begangen haben, dito! Mag er eine Schlägerei angezettelt haben, dito! Mag er in Unwissenheit das [gegessen haben], was seinem Gott zuwider ist, [dito]! Mag er sich an die entu-Priesterin seines Gottes herangemacht haben, dito! Mag er die Ehefrau [seines] Freundes [… haben, dito]! Mag er etwas getan haben, das seinem Gott Ungutes zufügt, dito! Mag er mit jemandem gesprochen haben, der unter einem Bann steht, [dito]! (86-88) Mag er das Brot einer Person 365. D. h. mit den oben genannten Flüssen. 366. Diese Anspielung auf das Ritualgeschehen wird durch eine noch unveröffentlichte Beschreibung des Rituals zur ›Bannlösung‹ verständlich. Der Kopf des Patienten wurde mit einem Leintuch umbunden, damit seine Krankheit auf das Tuch übergehe, das dann dem Bannfigürchen hingelegt wurde. Die Krankheit sollte so zu ihrem Verursacher, dem Bann, zurückkehren. Das Tuch wurde dann in den Fluß geworfen. 367. Die auf den Boden gestreuten Pflanzen(teile) sollten Verunreinigung von dem Patienten nehmen und in den Erdboden ableiten (dazu vgl. S. M. Maul, Zukunftsbewältigung. Eine Untersuchung altorientalischen Denkens anhand der babylonisch-assyrischen Löserituale (Namburbi), BaF 18, Mainz 1994, 61-66). 368. Der Zusatz »die Tochter des Anum« findet sich nur in einem Textvertreter. 369. Das dem Patienten anhaftende ›Unheil‹ sollte durch Kontakt auf Getreidekörner (d. h. auf Nisaba) übergehen. Aus anderen nam-érim-búr-ru-da–Texten ist bekannt, daß der Patient im Verlauf des Rituals »seine Sünden und Vergehen« in Gestalt von Getreidekörnern in der Hand hielt, sie auf einen Haufen warf und darauf trat, um sich von ihnen zu trennen. Hierauf wird in Z. 75 wohl Bezug genommen. 370. In einem Textvertreter statt dessen: »der N.N., der Sohn seines Gottes«.

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gegessen haben, die unter einem Bann steht; mag er das Wasser einer Person getrunken haben, die unter einem Bann steht, [dito]! Mag er das getrunken haben, was eine Person, die unter einem Bann steht, übrig gelassen hatte; mag er mit demjenigen, der eine Schuldenlast auf sich geladen hat, gesprochen haben, [dito]! Mag er das Brot einer Person gegessen haben, die eine Schuldenlast auf sich geladen hat; mag er das Wasser einer Person getrunken haben, die eine Schuldenlast auf sich geladen hat 371); mag er Fürsprache [eingelegt haben für eine Person, die eine Schuldenlast auf sich geladen hat, dito]! (89-91) Mag er eine Sünde, ein Vergehen begangen haben; mag er gegen seinen Vater gefehlt [haben, dito]! Mag er gegen seine Mutter gefehlt haben; mag er gegen seinen Gott gefehlt haben; mag er [gegen] seine Göttin [gefehlt haben, dito]! Mag er einen Eid geschworen haben; mag er bei dem Eid [… haben, dito]! (92-95) Auf das Leben [eines] Gottes [mag er] einen Schwur [geleistet haben] und Lügengeschichten vor seinen Gott gebracht haben, [dito]! Mag er auf Abscheuliches getreten sein; mag er sein Waschwasser vor seinem Gott haben fließen lassen, er sei davon entbunden, es sei [ihm getilgt!]. Mag er dem Freund und dem Genossen geschworen haben, [dito]! Mag er auf der Grundlage von Wahrem oder auf der Grundlage von Lüge geschworen haben, [dito]! Mag er wegen Gewichtigem oder wegen Geringfügigem geschworen haben, [dito]!« 372) (96-97) 373) »Wie eine Stadt an eine (andere) Stadt, ein Land an ein (anderes) Land niemals herankommen kann, so mögen sich dem N.N., dem Sohn des N.N., der Todesbote, der asakku-Dämon, die ungute Krankheit, der Bann nicht nähern, sie mögen nicht [an ihn] herankommen [und nicht an ihn herantreten]! Seine Leute [mögen sie nicht …]. (98-99) Dem N.N., dem Sohn des N.N. 374), dem Sohn seines Gottes, mögen sie sich nicht nähern. Wie Rauch möge es (d. h. das Unheil) sich gen [Himmel] wegheben. Wie eine (einmal) ausgerissene Tamariske möge es nicht mehr an seinen (Ursprungs)ort zurückkehren können. (100-102) Jegliches Böse, jegliches Ungute, welches im Leibe des N.N., des Sohnes des N.N. vorhanden ist, möge mit dem Wasser (zur Reinigung) seines Leibes und dem Waschwasser seiner Hände heruntergespült werden [und dann] möge der Fluß es davontragen in seine Tiefen. (103) Der Bann sei beim Leben des Himmels beschworen, beim Leben der Erde sei er beschworen!« (104-106) 375) »An das Kohlebecken, an dem ich der großen Götter gedachte, (und) welches ich mit einer Fackel entfachte und mit Nisaba, die die Götter des Himmels und der Erde versorgt, beschüttete, mögen doch hertreten die, die dem Kultort Festigkeit 371. Die hier aufgezählten Möglichkeiten, in Kontakt mit einem ›Unheilsstoff‹ gekommen zu sein, unterscheiden sich im Grunde kaum von den heutigen Vorstellungen davon, wie und wo eine Infektion mit einer Krankheit zustande kommen kann. 372. In einem Textvertreter folgt der Zusatz: »Mag er dem Vater und der Mutter geschworen haben, dito! Mag er dem Bruder und der Schwester geschworen haben, [dito]! Mag er geschworen haben, (genau) wissend, was er tut oder ohne es zu wissen, [dito]!« 373. Dieses Gebet war, wie die Zeilen 100-102 zeigen, mit einer Waschung des Patienten verbunden. 374. Dieser Zusatz nur in einem Textvertreter. 375. Die dicenda der Zeilen 104-121 gehören zu dem Geschehen, das in der oben vorgestellten Ritualbeschreibung in den Zeilen 62-64 beschrieben ist. Statt der Zeilen 104-106 steht in einem Textvertreter: »An das Kohlebecken, an dem ich der großen Götter gedachte, (und) welches ich mit dem Feuer(gott) entfachte, auf welchem ich die reine Nisaba, die die großen Götter des Himmels und der Erde versorgt, verbrannte, mögen die, die dem Kultort Festigkeit verleihen, am heutigen Tage, mögen die großen Götter doch hertreten und«.

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verleihen, die großen Götter, und (107) sie mögen dann das Leben des N.N., des Sohnes des N.N., des Sohnes seines Gottes, aussprechen. (108) Sein (persönlicher) Gott, seine (persönliche) Göttin mögen doch hertreten und sich am heutigen Tage mit ihm versöhnen.« (109-110) Beschwörung: »Ich bin der ›Hohe Priester‹ und habe entfacht das Feuer, das Kohlebecken habe ich aufgestellt und verbrannt (das Mittel der) Lösung (d. h. das Getreide). (111) Der reine, der makellose ramku-Priester 376) des Ea, der Bote des Asalluhi, ˘ das bin ich. (112-113) [Die Göt]ter, soviel ich auch rief 377), mögen Lösung bereiten. Auf Weisung des Ea und des Asalluhi möge man keinen zornigen Gott und keine zornige ˘ Göttin mehr haben.« (114) »Das Kohlebecken, das ich entfachte, brachte ich zur Ruhe. Das Feuer, das ich in Brand setzte, löschte ich. (115-116) Mit Nisaba, die ich ausschüttete (und nun) ablöschen werde, mit Sirasˇ 378), dem Löser von Gott und Mensch, will ich seine Bindung entfesseln. (117-120) [So wie] ich das Kohlebecken entfachte (und) zur Ruhe brachte, so wie ich das Feuer in Brand setzte (und) löschte, so wie ich Nisaba ausschüttete (und nun) ablöschen werde 379), so werde ich mit Sirasˇ, dem Löser von Gott und Mensch, seine Bindung 380) entfesseln. (121) Die Krankheit des N.N., des Sohnes des N.N., des Sohnes seines Gottes, möge entfesselt sein, Lösung möge ihm zuteil werden.« 381) (122) Beschwörungswortlaut »Um einen Bann zu lösen«. (123) [Stichzeile in K 4415+]: »Sie ist die Fürstin, sie ist die Versorgerin, das Geschöpf des Enamnir« 382). [Stichzeile in LKA 147]: »Es mögen lösen Anum (und) Antum, die großen Götter!« 383)

2.15.3 Rezepte zur Heilung einer durch ›Bann‹ verursachten Erkrankung In den medizinischen Keilschrifttexten aus neuassyrischer Zeit, die vor allem aus den königlichen Bibliotheken zu Ninive und aus dem sog. Haus des Beschwörungspriesters in Assur 384) stammen, finden sich zahlreiche Rezepte zur Herstellung von Heilmitteln, die gegen eine auf einen göttlichen Bann zurückgeführte Erkrankung eingesetzt wurden. Eine Sammlung solcher Rezepte ist in der Tafel A 238 + VAT 13727 + VAT 14208 385) erhalten (Z. 1-24), die aus dem Bibliotheksbestand des sog. Hauses des Beschwö376. Wörtlich bedeutet dies »Gebadeter«. 377. Die hier erwähnte Anrufung der Götter ist Gegenstand einer weiteren lipsˇur-Litanei (CTN IV 171 und Duplikate; Bearbeitung: D. Wiseman, A lipsˇur litany from Nimrud, Iraq 31 [1969] 175-83), die auch in Z. 123 (Stichzeile) genannt ist. 378. Sirasˇ ist das vergöttlichte Bier. 379. Ein Textvertreter stattdessen: »ablöschte«. 380. Ein Textvertreter stattdessen: »die Bindung / das Ritualarrangement, die / das ich knüpfte / zusammenstellte«. 381. Ein Textvertreter stattdessen: »Die Krankheit, der Bann des N.N., des Sohnes des N.N., möge gelöst werden, Lösung möge ihm zuteil werden«. 382. Diese Stichzeile verweist auf die an das Getreide gerichtete Beschwörung, die aus der oben vorgestellten Ritualbeschreibung bekannt ist (oben Z. 50-61). Es folgt ein Kolophon. 383. Diese Stichzeile verweist auf eine weitere lipsˇur-Litanei (CTN IV 171 und Duplikate; Bearbeitung: Wiseman, Iraq 31, 175-83). Es folgt ein Kolophon. 384. Dazu oben, Anm. 309. 385. Das Tafelbruchstück A 238 wird heute in den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Istan-

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Stefan M. Maul

rungspriesters stammt. Die im 7. Jh. v. Chr. geschriebene Tafel enthält außerdem auch weitere Rezepte für Heilmittel gegen Kopfkrankheiten (Z. 25-47) und Augenleiden (Z. 48-50). Eine Autographie der Tafel veröffentlichte F. Köcher als BAM II 156. (1) Wenn

ein Mann an einem Bann, der stetigen Verfall (verursacht), erkrankt ist: das er zu sich nimmt, kommt in seinem Bauch nicht zur Ruhe, er dreht sich um, (und) alles schüttet er zu seinem After heraus; er ißt kein Brot. Dieser Mann wird sich lange hinschleppen und dann sterben. (3-10) Wegen seines Dahinsiechens und um ihn wieder zum Leben zu bringen: Wasser mit (oder: Wasser gewonnen aus) (Gersten)grütze, [Brunnen]wasser, Fluß[wasser], agalpû-Wasser 386) (und) verdünntes Bier [füllst du] jeweils in einen Topf. Dann wirfst du in das Wasser mit (oder: gewonnen aus) (Gersten)grütze Senf(körner); in das Brunnenwasser Duftpflanzen; [in das] Fluß[wasser] Spross(en) von Kameldorn (und) Spross(en) von asˇa¯gu-Dornen 387); in das agalpû-Wasser sasuntu(-Kraut) (und) Keusch˙ . Im Ofen des Bierbrauers baum; in das ver[dünnte Bier] Holunder (und) ›Süßrohr‹˙388) schließt du (diese Töpfe) ein. Du nimmst (sie) heraus und, wenn sie noch heiß sind, läßt du (die Flüssigkeiten) heraus. Du filterst (sie). Du reibst ihn (d. h. den Patienten) jeweils 389) mit Butterschmalz ein (und) badest ihn damit. (11-14) Wenn dito: ›Inneres des Weihrauchbaumes‹ 390), Myrrhe, Galbanum, einen Klumpen Malz, Bierhefe, Senf(körner), Bierwürze 391), Same der Koloquinte: diese Pflanzen zerstößt du alle gemeinsam. Du kochst (sie) in Bier. Öl (und) Butterschmalz wirfst du dort hinein. In ihrem heißen Zustand füllst du (diese Flüssigkeit) in sein Rectum. Dann wird er genesen. (15-16) Wenn dito: ›Fuchswein‹, Weizenmehl (und) Leinsamen zerstößt du gemeinsam. [ ] Du verbindest (den Patienten damit). Er wird genesen. (17-18) sı¯hu 392), argannu-Pflanze, Sagapenum, Süßholz, Keuschbaum, Senf(körner), aktamPflanze:˘ (insgesamt) sieben Pflanzen. (Medizinisches) Bad gegen ›Bann‹. (19-20) Eiche, Koralle, azallû-Pflanze (und) Myrrhe zerstößt du gemeinsam. In Butterschmalz, Honig und Wachs mischst du (es) gleichmäßig. Du salbst ihn (d. h. den Patienten) (damit). Salbe gegen ›Bann‹. (21-24) kukru-Pflanze, Wacholder, ata ¯ 3isˇu-Pflanze, Lupine, ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, ›Sie-trat-20-entgegen‹-Pflanze, Myrrhe, ›Alaunstein‹-Pflanze, abukkatu-Harz, busˇa¯nuPflanze, aktam-Pflanze, Kresse, nı¯nû-Pflanze 393), Senf(körner): diese 14 Pflanzen zerstößt du gemeinsam. Er (d. h. der Patient) trinkt (sie) auf nüchternen Magen und wird dann aufleben. Trunk gegen ›Bann‹. (1-3) jegliches,

386. 387. 388. 389. 390. 391. 392. 393.

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bul aufbewahrt. Die beiden anderen Fragmente befinden sich im Vorderasiatischen Museum zu Berlin. Es ist unklar, was agalpû-Wasser ist. Prosopis farcta. Cymbopogon? Die Salbung soll wohl Körperpartie für Körperpartie jeweils unmittelbar vor der Behandlung mit dem Absud vorgenommen werden. Akkad. libbi kanakti. Akkad. billatu. Wermut? Zahnstocherdolde?

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2.16 Musˇsˇu3u-Beschwörungen

Barbara Böck Das Beschwörungshandbuch Musˇsˇu3u »Einreibung« gehört zu den Werken der magischen keilschriftlichen Literatur, die vermutlich erst im 1. Jt. v. Chr. zu einem Handbuch kompiliert worden sind – im Gegensatz etwa zu Beschwörungshandbüchern wie »Böse udug-Dämonen« (Udug.hul) oder »Kopfkrankheit« (Sag.gig), die dem als ˘ ›Leitfaden der Beschwörungskunst‹ bezeichneten Text (KAR 44) zufolge als Handbuch schon im ausgehenden 2. Jt. v. Chr. im Umlauf waren. Trotz des relativ ›jungen‹ Alters von Musˇsˇu3u läßt sich nachweisen, daß etliche der Beschwörungen altbabylonische, mittelbabylonische und mittelassyrische Vorläufer haben, d. h. bereits Anfang oder Mitte des 2. Jt. v. Chr. schriftlich fixiert wurden. Das Handbuch setzt sich aus neun Kapiteln zusammen, die ursprünglich mehr als 50 Beschwörungen enthalten haben. Bislang bekannt geworden sind acht Kapitel, die insgesamt 47 Beschwörungen zählen. Sowohl in Stil und Sprache variieren die Texte stark: neben zweisprachig sumerisch-akkadischen Beschwörungen sowie einsprachig akkadischen bzw. sumerischen Beschwörungen wurden auch Sprüche in einer Mischsprache aus sumerischen und akkadischen Worten und Elementen sowie gänzlich unverständliche Texte aufgenommen. Viele der Beschwörungen – und das ist das besondere Merkmal des Handbuches Musˇsˇu3u – sind dem Kompilator aus anderem Kontext bekannt gewesen: 16 sind magischen Handbüchern entlehnt; zu nennen sind vor allem Udug.hul, ˘ Hul.ba.zi.zi und Sag.gig sowie Nam.érim.búr.ru.da-Beschwörungen, »um Bann zu ˘ lösen« (vgl. den vorausgehenden Beitrag von S. M. Maul in vorliegendem Band). 21 Beschwörungen sind magisch-medizinischen Textsammlungen entnommen; zu nennen sind Heilmittelempfehlungen gegen Einwirkungen, die auf die ›Hand des Totengeistes‹ zurückgeführt wurden, oder gegen die sagallu-Beinkrankheit sowie medizinische Vorschriften zur Behandlung erkrankter Körperglieder. Heilmittelempfehlungen und Rezepturen babylonischer medizinischer Texte sind oftmals Beschwörungen zugeordnet, die während der Zubereitung oder Applikation des Medikamentes rezitiert wurden. Eine ganze Reihe gerader dieser Beschwörungen aus medizinischem Kontext galt es während des Einreibens (akkad. musˇˇsu3u) einzelner Körperpartien zu rezitieren, was zu der von F. Köcher geprägten Charakterisierung des Handbuches als magisch-medizinische therapeutische Tafelserie geführt hat. Um die Aufarbeitung des Handbuches und damit zusammenhängender Texte haben sich F. Köcher mit seinem Beitrag Die Ritualtafel der magisch-medizinischen therapeutischen Tafelserie »Einreibung«, AfO 21 (1966) 13-20, und I. L. Finkel mit seiner Studie Musˇsˇu3u, Quta¯ru, and the Scribe Tanittu-Be¯l, in: P. Michalowski u. a. (Hg.), Velles Paraules – Ancient Near Eastern Studies in Honor of Miguel Civil on the Occasion of his Sixty-Fifth Birthday (= AuOr. 9), Sabadell 1991, 91-104, und B. Böck mit ihrer Arbeit Das Handbuch Musˇˇsu3u »Einreibung«. Eine Serie sumerischer und akkadischer Beschwörungen aus dem 1. Jt. v. Chr., Madrid 2007, bemüht.

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Barbara Böck

2.16.1 Die Beschwörung »Mensch, Sohn seines Gottes ist er« Keilschrifttafel: Aus der 5. Tafel von Musˇsˇu3u; Haupttextvertreter: BM 46276+ (spätbabylonisch); für weitere Textexemplare s. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 181-83. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, Tf. XXXXI. – Übersetzung: Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, 211-12. (69) Beschwörung:

»Mensch, Sohn seines Gottes ist er. Er gehört zu Anu und Antu, und Ninlils ist er. (71) Eas und Damkinas ist er, (72) Sins und Damgals ist er. (73) Er ist Sˇamasˇs und Ajas, Adads und Sˇalas ist er. (74) Er ist Marduks und Sarpanitus, (75) Nabûs ˙ ist er. (77) Ninurtas und Tasˇmetus ist er. Er ist Ninurtas und Gulas, (76) Zababas und Baus und Belet-ekallims ist er, er ist Nuskus und Sadarnunas. (78) Er ist Nergals und Mamı¯tus, (79) er ist Hendursangas, des Wächters der Straßen. (80) Er ist Is ˇums, des Herolds der ˘ (81) Er ist Na¯rus und Kisˇas, Nammus und Nansˇes ist er. Götter, des Herrn der Straßen. (82) Er ist des Gottes seiner Stadt und der Göttin seiner Stadt, (83) seines Gottes und seiner Göttin ist er. (84) Er ist des Schutzgeistes und des Gottes, der ihn bewahrt. (85) Er ist des Tempels E’urusanga, [des … ist er]. Er ist des Tempels E’u… [des Tempels … ist er.] (86) Er ist des Tempels hEikisˇnugal, [des Tempels … ist er]. Er ist des Tempels Ezida, [des Tempels … ist er]. (87) Er ist des Tempels Esangil, des Tempels E’ulmasˇ ist er. (88) Er ist des Tempels Ekur und Tempels Eki’ur, … (89a) (Er ist) Ens und Ensˇaras. (89b) … er wiederholte 394) … (90) Sei gelöst, Böser! Du sollst dich ihm nicht nähern! Sei erschlagen, Feind! Du sollst nicht an ihn herankommen! (91) Entferne dich aus seinem Körper 3600 Meilen weg! (92) Sei herausgerissen – du seist endgültig herausgerissen! … (93) Furcht und Schrecken sollen dir entgegentreten! (93a) … (94) Wie ein Rind in deinem Stall …, wie ein Schafsbock in deiner Hürde …, (95) wie ein Vogel in deinem Nest werden sie … (95a) Tempel Ekur, … (96) …, den Ninurta kennt, und Dämon ›Jegliches Böse‹ sei beschworen! Der, der dich dort hingesetzt hat, (97) die, die dich dort hingesetzt hat, möge dich aus seinem Körper herausreißen, möge dich aus seinem Körper vertreiben! (98) Auf daß du nicht wiederkehrst, auf daß du dich nicht zurückwendest, auf daß du dich nicht (nochmals) näherst, (99) habe ich dich beschworen, ›Jegliches Böse‹ ! (100) Bei Sˇamasˇ, dem König des Tages (und) bei Sin, dem König der Nacht, (101) bei Gibil und bei dem furchteinflößenden Mann, dem Weisen der Götter, (102) bei Marduk seist du beschworen! Sei es während der Nachtwache oder den ganzen Tag hindurch (102a) sei beschworen bei Girra (und) Asalluhi! (103) Du sollst ihn ausforschen und mit dem Wind gehe er! ˘ geraden Wegs dahin! (105) Mit der Gewitterwolke sollst du (104) Mit dem Südwind ziehe dich herumwirbeln, sollst du wegkehren! (106) Südwind, Nordwind, Ostwind, Westwind, (107) die vier Winde mögen wehen! (108) Wer auch immer du bist, ›Jegliches Böse‹, aus dem Körper von N.N., Sohn des N.N., (109) tritt heraus! Du sollst dich ihm nicht (wieder) nähern, du sollst nicht herumwehen, du sollst nicht umkehren! (110) ›Lauerer‹-Dämon, sei beschworen beim Himmel, sei beschworen bei der Erde! [… böse Zunge soll zur Seite] treten!« (70) Enlils

394. Oder: änderte.

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Texte aus Mesopotamien

2.16.2 Die Beschwörung »Marduk, hehrer Herr« Keilschrifttafel: Aus der 5. Tafel von Musˇsˇu3u; Haupttextvertreter: BM 46276+ (spätbabylonisch); für weitere Textexemplare s. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 181-83. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, Tf. XXXXI. – Übersetzung: Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, 213. (120) Beschwörung:

»Marduk, hehrer Herr, Weiser (Variante: Erbsohn des Ea), (121) Drache des weiten Himmels, (122) dessen Wort und Befehl keiner (Variante: kein Gott) ändern kann! (123) Durch den Ausspruch deines Wortes wird der Tote zum Leben erweckt! (124) Sieh doch auf mich, N.N., Sohn des N.N., herab, den Schwachen, den Bedrängten, den Elenden! (125) Durch deine gute Beschwörungsformel soll die Krankheit vertrieben werden! (126) Der Dämon ›Jegliches Böse‹ und die Krankheit, welche sich in dem Körper von N.N., Sohn des N.N., befinden, sollen herausgerissen sein! (127) Es soll verjagt sein, so daß N.N. (Variante: der Mann) genese! Die Beschwörung ist nicht meine, es ist die Beschwörung Eas und Asalluhis, (128) es ist die Beschwörung Damus und ˘ heile mich und nimm das Geschenk an!« Gulas, es ist die Beschwörung Ningirims. Gula, Wortlaut der Beschwörung.

2.16.3 Die Beschwörung »Enki, Herr der lebensspendenden Beschwörungsformel« Keilschrifttafel: Aus der 7. Tafel von Musˇsˇu3u; Haupttextvertreter: BM 46297+ (spätbabylonisch); für weitere Textexemplare s. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 241-42. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, Tf. XXXXXXI, dies., Texts and Fragments, JCS 61 (2009), im Druck. – Übersetzung: Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, 255-57. (1) »Enki 395),

Herr der lebensspendenden Beschwörungsformel, (2) Ilurugu, der den Kranken mit seinen Händen beruhigt, (3) Asalluhi, barmherziger Herr, der den Todge˘ Reinigung Wohlsein erwirkt, 397) weihten und den Lebenden liebt, 396) (4) Asari, dessen (4a) …, dessen Beschwörungsformel beruhigt, 398) (5) Asarialimnuna, der langes Leben verleiht, 399) (6) Marduk, durch dessen Beschwörung das Böse herausgerissen wird, (7) Tutu, dessen hehres Lied Zauberei zerstört, 400) (8) Sˇazu, Gott, der den Feind vernichtet, 401) (8a) Enbilulu, er ist es, der das Böse abwehrt, 402) (9) Namma, die über die Hand des Schicksals wacht, 403) (9a) Namma, deren Riten schonen, 404) (10) Burnunsia, der den Bösen verstößt 405), (11) Dimmerku, der sich gegen den Feind wendet 406) (12) eisˇlal-abzu, durch dessen Ausspruch Zauberei…, 407) (13) Patesigalabzu, der Recht liebt und Gerechtig395. 396. 397. 398. 399. 400. 401. 402. 403. 404. 405. 406. 407.

Akkadische Version: Ea. Akkadische Version: Marduk, barmherziger Gott, (…). Akkadische Version: Marduk, dessen Reinigung Wohlsein erwirkt. Akkadische Version: Marduk, dessen Beschwörungsformel beruhigt. Akkadische Version: Marduk, der … Leben gibt, Akkadische Version: Marduk, dessen hehres Lied Zauberei zerstört. Akkadische Version: Marduk, Gott, der den Feind vernichtet. Akkadische Version: Marduk, der das Böse abwehrt. Akkadische Version: Göttin dito, die über die Hand des Schicksals wacht. Akkadische Version: Gott dito, dessen Riten schonen. Akkadische Version: Gott dito, der den Bösen verstößt …. Akkadische Version: Gott dito, …. Akkadische Version: Papsukkal, dessen Ausspruch ….

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keit…, 408) (14) … des Eides … 409) (15) … soll es herausgerissen sein … (16) … Ningirsu … (17) … nachdem er … gesagt hat, strahlend … (18) Izimu, der Verstand und Rat … 410) (19) Ningirim, Herrin mit dem reinen Wassergefäß … (20) Krankheit des Kopfes, Zahnkrankheit, Muskelkrankheit, … (21) geschlagen mit jährlich (auftretender) Malaria, Stechen des Körpers, (22) geschlagen mit jährlich (auftretendem) Kälteschauer, in kaltem Wasser eingetaucht, 411) (23) Fieberhitze, Packen des Windes, Berührung des Namtar, ˇ ulak, Dämon ›König des Daches‹, Schlaganfall, 412) (24) Werk des bösen udug-Dämons, S (25) böser udug-Dämon, Totengeist (und) jegliche Krankheit, die es gibt, (26) an Wurm leidend, der sich im Körper des Menschen befindet, 413) (27) Sie sollen dich mit der Peitschenschnur des Bösen herausziehen! (28) Sie sollen dich mit ihren besänftigenden Händen sauber reiben! (29) Sie sollen deine Glieder wieder heilen! (30) Speise und Trank sollen (dir) in deinem Munde bekommen! (31) Deinen Fuß sollen sie an den Ort des Lebens stellen! (32) … Leben und Wohlergehen soll er bringen!« 414)

2.16.4 Die Beschwörung »Lähmung, Lähmung!« Keilschrifttafel: Aus der 8. Tafel von Musˇsˇu3u; Haupttextvertreter: BM 45483+ (spätbabylonisch); für weitere Textexemplare s. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 261-65. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, Tf. XXXVIII-XXXIX. – Übersetzungen: W. von Soden, Duplikate aus Ninive, JNES 33 (1974) 339-44 (hier: 341 ff.: Z. 1-37); D. Arnaud, Emar VI.4, Paris 1987, 342-45 (Z. 1-43, 54-57, 5960, 73-80); Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, 299-301. (1) Beschwörung:

»Lähmung, Lähmung! (2) Lähmung des Körpers, Lähmung der Muskeln, der Arme, Lähmung der Füße! (4) Lähmung (verursacht) durch einen Schlange(nbiß), Lähmung (verursacht) durch einen Skorpion(stich), (5) Lähmung, die zum Tode führt – du wurdest in seinem Körper geschaffen. (6) Du wurdest geboren in (seinem) Körper, (6a) … in den Muskeln. (7) Du packtest seine Knie, (8) ließest seine Beine krank werden, (9) verwirrtest seinen Körper, (10) verbranntest seine Muskeln. (11) Du hast vernichtet seine Erscheinung, (12) hast entstellt seine Gesichtszüge. (13) Du versetztest ihn in einen Angstzustand, (13a) brachtest ihm ra¯3ibu-Krankheit und … (13b) li3bu-Krankheit … (14) (und) Peitschenstriemen bei. (15) Du hast ihn angefüllt mit Panik und der luba¯tuKrankheit. (16) Nichtachtung, Schrecken, asˇû-Krankheit, risˇûtu-Hautkrankheit, dime¯˙tuKrankheit, (17) Fieber und Lähmung des Körpers hast du ihm auferlegt. (17a) Warum nur hast du dich niedergelassen und ißt sein Fleisch, nagst an seinen Knochen? (18) Du trittst heraus, heraus trittst du – du zernagst seinen Körper, (19) auf daß du heraustreten machst, ja du machst heraustreten dein Gift, o Lähmung. (19a) Dein Gift, Lähmung, tritt heraus, tritt heraus! (20) Du, die du stachest wie Ameisen, (21) du, die du seine Haut jukken ließest, (22) du, die du an seinem Körper herumrissest, (23) du, die du seine Gesichtszüge enstelltest, (24) du, die du verfinstern ließest seinen Gesichtsausdruck, (25) du, die du (3) Lähmung

408. 409. 410. 411. 412. 413. 414.

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Akkadische Version: Anmartu, der das Recht …. Akkadische Version: Martu …. Akkadische Version: Usmû, der Verstand und Rat …. Akkadische Version: Kälteschauer, Verstopfung … gefüllt. Akkadische Version: Werk des …, Sˇulak, bennu-Epilepsie, Schlaganfall. Akkadische Version: Galle, die sich im Körper (dieses) Menschen befindet. Akkadische Version: … für das der Götter … Leben ….

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ihn zum Brennen brachtest wie Fieber, (26) du, die niederbeugtest und fahl machtest, (27) du, die du Böses vollbrachtest und seinen Gesichtsausdruck verfinstertest, (28) … Lähmung, der Sohn Eas, der Weise! (29) Warum nur packtest du den jungen Mann und die junge Frau, (30) belästigtest du den alten Mann, (31) ließest du das Kind zittern, (32) bissest du zu wie eine Schlange, (33) stachest du wie ein Skorpion, (34) stießest du mit deinen Hörnern, (35) verspritztest du (Kot) mit deinem Schwanz, (36) verdrängtest du den jungen Mann vom Schoße der jungen Frau, (37) verdrängtest du die junge Frau vom Schoße des jungen Mannes? (38) … möge der Weise der Götter, Marduk, (38a) dich, Lähmung packen … (39) … möge Ningirim, die Herrin der Beschwörung, (39a) dich fest in Verwahrung halten! Möge Ningirsu, der Herr der … ! (39b) Tritt heraus, Lähmung, wie Wind aus dem After! (40) Geh fort, du trittst heraus, Lähmung, (41) wie Milch aus der Brust, (41a) wie [Milch aus der Brust] tritt Lähmung aus, (42) wie Schweiß aus dem Körper, (43) wie … aus der Stirn, (44) wie ›Wind‹ aus dem After, (45) wie Urin aus dem Schoß, (46) wie ein Rülps, der aus der Kehle aufstößt. (46a) Tritt aus, Lähmung, wie Milch aus ihrer Brust, (46b) wie Schnott aus dem Nasenloch und (Schmalz) aus den Ohren. (47) Geh fort, du trittst aus Lähmung! (48) Warum nagst du, Lähmung, an dem jungen Mann und an der jungen Frau? (48a) Wie Spreu nicht zwischen Zähnen verbleibt, (48b) soll Lähmung nicht im Körper des jungen Mannes und der jungen Frau verbleiben! (49) Du gehst …, ihr geht fort …. (50) Er sah, wie der junge Mann gebunden ist – die Kraft seines gesamten Körpers. (51) Was dem jungen Mann getan wurde, möge Ea lösen, (52) und (was) die junge Frau bindet, möge der Beschwörungspriester der Götter, Asalluhi, lösen! (53) Geh ˘ Tamariske, fort, du trittst heraus, Lähmung! (53a) Wie … (54) Möge dir entgegentreten göttlicher Knochen! (55) Möge dir entgegentreten Mandragora, … der Steppe! (56) Möge dir entgegentreten elpetu-Gras, Dornbusch der Aue! (57) Möge dir entgegentreten Keuschbaum, Geliebter der Isˇtar! (58) Möge dir entgegentreten Röhricht, Wald, Dickicht (und) … ! (59) Möge dir entgegentreten das Ufer von Tigris und Euphrat! (60) Möge dir entgegentreten das Ebih-Gebirge, Riegel des Landes! (61) Möge dir entgegentreten die ˘ Möge dich heraustreten lassen der Dorn des baltu- und des See, das weite Meer! (62) (63) Möge dir entgegentreten junge Dattelpalme (und) sˇala¯lu-Rohr! asˇa¯gu-Busches! (64) Möge dir entgegentreten kamkadu-Pflanze, Riegel der Felsspalte! (64a) Möge dich vertreiben … des … ! (65) Möge dir entgegentreten das Grün von Steppe und Ebene! (66) Mögen dir entgegentreten aktam-Pflanze (und) Seifenkraut! (67) Möge dich entfernen Ea, der Herr der Beschwörung, möge dich vertreiben Asalluhi, der [Beschwörungspriester der Götter]! (67a) Möge dich vertreiben Nudimmud …˘! (67b) Möge dich aus dem Körper entfernen Usmû … ! (67c) … der Weise der Götter … ! (68) Mögen sie dich entfernen durch die Beschwörung des Verstandes (und) die Beschwörung der Einsicht! (69) Möge dich entfernen Ningirim, die Herrin der Beschwörung! (70) Möge Lähmung heraustreten angesichts der heiligen Wasser des Unterirdischen Ozeans, welche in Eridu geschaffen wurden! (71) Möge nagendes (Fieber) heraustreten, und möge der Mensch gesunden! (72) Möge dich vertreiben die furchtbare, gewaltige Beschwörung [Eas], (73) und möge das Wort Asalluhis dich herausreißen! (74) … Gula, die große, heilige Großärztin des Landes, Tochter ˘Anus! (75) Geh fort, du trittst heraus, Lähmung! (76) Wie ein Ochse kehrst du zurück in deinen Stall, (77) wie ein Hammel in deine Hürde, (78) wie ein Vogel in dein Nest. (79) … dem Kleinen … (80) Möge der Erschöpfte beruhigt werden! Möge es dich forttragen!« Wortlaut der Beschwörung. 151

Barbara Böck

2.16.5 Die Beschwörung »Um den bösen Muskel zu lösen« Keilschrifttafel: Aus der 8. Tafel von Musˇsˇu3u; Haupttextvertreter: BM 45483+ (spätbabylonisch); für weitere Textexemplare s. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 261-65. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, Tf. XXXVIII-XXXIX. – Übersetzungen: Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, 302. (97) Beschwörung:

»Um den bösen Muskel zu lösen ist der große Herr, Enki, gekommen. der Schulter … die heilige Beschwörung Eridus, (99) die Beschwörung Asalluhis, die Beschwörung Ningirims. (100) Der Mensch, Sohn des Gottes, soll rein sein wie ˘ Himmel! (101) Wie die Erde soll er geläutert sein! Wie das Herz eines Gottes soll er der strahlen! (102) Die böse Zunge soll bei Seite treten!« (98) Muskel

2.16.6 Die Beschwörung »Sˇû ist sein Name« Keilschrifttafel: Aus der 8. Tafel von Musˇsˇu3u; Haupttextvertreter: BM 45483+ (spätbabylonisch); für weitere Textexemplare s. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 261-65. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, Tf. XXXVIII-XXXIX. – Übersetzung: Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 304-5.

»Sˇû ist sein Name, masˇkadu-Krankheit sein Beiname. (153a) Nicht masˇkadu-Krankheit ist sein Beiname, Sˇû ist sein Name. (154) Von den Sternen des Himmels stieg es herab, ja, es stieg herab von den Sternen des Himmels. (155) Es nahm einen Teil des Giftes einer Schlange, es nahm einen Teil des Giftes eines Skorpions, (156) an Gift ist eine Unmenge vorhanden, Packen … (157) Einen Mund hat es nicht, aber Zähne besitzt es. (158) Zähne besitzt es nicht, aber es packt die Muskeln. (159) Finger hat es keine, aber es packt die Leiste. (160) Wie ein Haar ist es dünn, man kann es nicht auf der Haut erkennen. (160a) Es hat weder Vorder- noch Rückseite. (161) Es hat gepackt die Hüfte, den Unterschenkel, den kisallu-Teil des Beines, (162) die Taille, das Becken und den Rük˙ gesamten Körper. (163a) Es sind gepackt alle Muskeln des ken – (163) alle Muskeln, den Körpers von N.N., Sohn des N.N., (164) von dem Tag an, an welchem er geboren wurde, seit sein Gott ihn geschaffen hat. (165) Die Beschwörung ist nicht meine. Es ist die Beschwörung von Ea und Asalluhi. (166) Möge es nach unten hin wegtreten, es soll nicht ˘ die böse Zunge bei Seite treten!« Wortlaut der Benach oben steigen! (166a) Es möge schwörung. (153) Beschwörung:

2.16.7 Die Beschwörung »Möge Gibil erlöschen« Keilschrifttafel: Aus der 8. Tafel von Musˇsˇu3u; Haupttextvertreter: BM 45483+ (spätbabylonisch); für weitere Textexemplare s. Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, 261-65. – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: Böck, Das Handbuch Musˇˇsu3u, Tf. XXXVIII-XXXIX. – Übersetzungen: Böck, Das Handbuch Musˇsˇu3u, 305. (179) Beschwörung:

»Möge Gibil 415) erlöschen, die Taille sich beruhigen! (180) Möge das verzehrende (Feuer) deinen Körper verlassen!« Wortlaut der Beschwörung. (180a) »Möge dir Ea, der König des Unterirdischen Ozeans, seine Beschwörung des Lebens … ! (180b) Möge Gula dich heilen mit ihren sanften Händen!« 415. Der Feuergott und das divinisierte Feuer.

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Texte aus Mesopotamien

2.17 Diverse Therapien, gemischte Texte und Sammeltafeln

Nils P. Heeßel Neben Serientafeln und regulären Auszugstexten, wie etwa der pirsu-Serie in Uruk oder der nishu-Serie in Assur, gibt es eine große Zahl von einzelnen Texten, die von ˘ einer kurzen Notiz bis zu umfangreichen, auf mehrere Kolumnen aufgeteilten Texten reichen. Hierunter finden sich unter anderem ›Sammeltafeln‹, die viele verschiedene Rezepte zusammenstellen (hier Nr. 3), Texte, die zwei unterschiedliche Inhalte zusammenfügen (hier Nr. 2) oder kleine Tafeln, die nur wenige Rezepte aufweisen (hier Nr. 1).

2.17.1 Eine neubabylonische Tafel mit Rezepten zur Berauschung und Ausnüchterung Auf der kleinen neubabylonischen Tafel BM 59634, die im British Museum, London, aufbewahrt wird, finden sich drei kurze Rezepte zur Berauschung und Ausnüchterung einer Person. Leider läßt sich nicht mehr feststellen, aus welcher Stadt die Tafel stammt. Eine ganz ähnliche, aber schlechter erhaltene Tafel aus Assur mit vergleichbaren Rezepten wurde von F. Köcher als BAM III 260 publiziert. Der Zweck dieser Texte dürfte wohl in der narkotisierenden Wirkung des Alkohols liegen, die bei schmerzhaften medizinischen Eingriffen sehr willkommen gewesen sein dürfte. Die Tafel wurde von N. P. Heeßel, Ein neubabylonisches Rezept zur Berauschung und Ausnüchterung, in: C. Wunsch (Hg.), Mining the Archives, Festschrift for Christopher Walker, Babylonische Archive 1, Dresden 2002, 99-106 ediert. (1-3) Um

einen Betrunkenen nüchtern zu machen, gibst du ihm altes … einer Gazelle zu trinken, und er wird nüchtern. (4-8) Dito 416), zerstößt du ungekochte Pistazien in Wasser, seihst (sie) durch, gibst es ihm zu trinken, und er wird nüchtern. (9-13) Um einen Nüchternen betrunken zu machen, zerstößt du rapa ¯ du-Pflanze in Feinbier, seihst es durch, auf leerem Magen gibst du es ihm zu trinken, und er wird betrunken werden.

2.17.2 Aus einer neuassyrischen Tafel mit Rezepten gegen Schlangenbisse Die neuassyrische Tafel VAT 13735+, die im Vorderasiatischen Museum zu Berlin aufbewahrt wird, enthält Rezepte gegen Erkrankungen der Atemwege. Nach einem Doppelstrich am Ende dieses Textes folgen noch sechs Zeilen mit Rezepten, um die Folgen eines Schlangenbisses zu heilen, die hier übersetzt werden 417). Keilschriftkopie: BAM I 42.

416. = um einen Betrunkenen nüchtern zu machen. 417. Rezepte gegen Schlangenbisse finden sich auch auf weiteren Tafeln mit anderen Rezepten vermischt, vgl. BAM II 176 und V. Scheil, Quelques remèdes pour les yeux, RA 15 (1918) 75-79, bes. 76.

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Nils P. Heeßel (Rs. 63) Wenn eine Schlange einen Mann 418) beißt, dann röstest du eine Schilfwurzel, er ißt (sie) und wird sich erholen. (64) Wenn eine Schlange einen Mann beißt, dann zerstößt du ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, in Bier trinkt er es und wird sich erholen. Wenn dito, dann legst du ›Sietrat-1000-entgegen‹-Pflanze auf seine(n) Biß(wunde), er wird sich erholen. (65) Wenn eine Schlange einen Mann beißt, dann soll er ›Sie-trat-[1000]-entgegen‹-Pflanze [(und) Keusch]baum essen und her wird sich erholeni. Wenn dito, dann zerstößt du sasumtu-Pflanze (und) kamkadu-Pflanze, (66) du reibst es darauf, und er wird sich erholen.˙ ˙– Wenn dito, dann zerstößt du andahsˇum-Pflanze, die Oberfläche der ˘ Wunde reibst du (damit) ab, und er wird sich erholen. (67) Wenn dito, dann soll er tarmus ˇ-Pflanze in Bier trinken und er wird sich erholen. Wenn dito, dann legst du … eines Schiffes auf die Stelle, an der er gepackt wurde, und er wird sich erholen. (68) Wenn dito, dann [trockn]est (und) zerstößt du männliche pillû-Pflanze, im Feuer verbrennst du, und er wird sich erholen.

2.17.3 Aus einer neubabylonischen Tafel aus Sippar mit sehr verschiedenen Rezepten Die heute im Iraq Museum, Bagdad, aufbewahrte Tafel IM 132670 wurde bei irakischen Ausgrabungen in Sippar in einer Tempelbibliothek gefunden. Auf der Tafel werden recht allgemeine Rezepte, meist ohne ausführliche Symptomatik, aus verschiedensten Textserien zusammengestellt. Es finden sich Parallelen zu den Serien »Wenn der Schädel eines Mannes fiebrig ist«, »Wenn die Augen eines Mannes krank sind«, »Wenn die Zähne eines Mannes krank sind« und »Wenn einem Mann das Atmen durch die Nase schwerfällt«. Die Tafel wurde von N. P. Heeßel und F. N. H. al-Rawi, Tablets from the Sippar Library XII. A Medical Therapeutic Text, Iraq 65 (2003) 22139 ediert. (Vs. I 1-2) [Um

Fieb]er des Kopfes herauszuziehen, zerstößt du sahlû-Pflanze, [mit] Extrakt ˘ von kasû-Kraut verknetest du es zu einem Teig, du rasierst (und) verbindest (ihn damit). (3-4) [Um dito], verknetest du sahlû-Pflanze (und) Röstkornmehl mit Extrakt von kasû˘ Kraut zu einem Teig, du rasierst (und) verbindest (ihn damit). (5-11) Wenn der Kopf eines Mannes voller Wunden ist, dann verknetest du erhitztes kasû-Kraut in warmem Wasser zu einem Teig, einen Tag (lang) kühlst du seinen Kopf (damit) bis er abschwillt, du rasierst ihn, du wäschst mit Urin bis Blut hervorkommt, danach verknetest du zerstoßene sahlû-Pflanze in Extrakt von kasû-Kraut zu einem Teig, ˘ er genesen ist, wiederholst du es. Ein getestetes seinen Kopf verbindest du (damit), bis Rezept nach mündlicher Tradition. (12-15) Um eine geschwollene Schläfe zu beruhigen, vermischst du kukru-Pflanze, Myrte, kasû-Kraut, alten Sesamtrester, balukku-Pflanze mit isqu¯qu-Mehl, mit billatu-Bier und (normalem) Bier verrührst du es zu einer Paste, du verbindest (damit).

418. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«.

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Texte aus Mesopotamien

dito 419) zerstößt du kukru-Pflanze, Wacholder, ru3tı¯tu-Mineral, ata¯3isˇu-Pflanze, rote Paste, imbu¯ tâmtim-Mineral, nikiptu-Pflanze, du siebst es, mit Nieren-Talg und Wachs vermischst du es, die Beschwörung »Der Held Asalluhi« rezitierst du darüber, ˘ du verbindest (damit). (20-23) kukru-Pflanze, Wacholder, ata ¯ 3isˇu-Pflanze, murru-Pflanze, Opopanax, baluhhu˘ Harz, Dattelhaut, Wachs mit Fett der linken Niere eines Schafs, Zedernharz: Ein ˘Verband für (die) apislat (genannte Krankheit). (24-29) kukru-Pulver, Wacholder-Pulver, Pulver von erhitztem kasû-Kraut, Weizenmehl, Röstkornmehl, hallu¯ru-Erbsenmehl, kakkû-Erbsenmehl, Pulver von altem Sesamtrester, ˘ Emmermehl, erhitztes sahlû-Pulver, Malzpulver, Pulver von ›Taubenkot‹ 420), zwölf Mehl˘ sorten (für) einen Kopfverband. Wenn es Winter ist, erhitzt du (sie) in Bierbodensatz, wenn es Sommer ist, in Extrakt von kasû-Kraut, du verbindest (damit). (30-36) Wenn das Innere der Ohren einen Mann schmerzt und es ihm pocht wie bei der ›Hand eines Totengeistes‹-Krankheit, dann stellst du getrennt voneinander kanaktu-Öl, Süßrohr-Öl (und) Wacholder-Öl her, du mischst es zusammen, auf das Innere seiner Ohren applizierst du es. Einen Salzklumpen wickelst du in ein Vlies und in das Innere seiner Ohren applizierst du (ihn). billatu-Bier von guter Qualität, hallu¯ru-Erbsenmehl, ˘ Teilen in Zedernkakkû-Erbsenmehl, Emmermehl, kasû-Pulver vermischst du zu gleichen öl, verrührst es in Bier zu einer Paste, du verbindest (damit). (37-42) kukru-Pflanze, Wacholder, sumla ¯ lû-Pflanze, Ninurta-Pflanze, Myrte, balukku-Pflan˙¯ sˇtu-Pflanze, rote Paste, kasû-Kraut, kurka¯nû-Pflanze, ze, baluhhu-Pflanze, Süßrohr, ma ˘˘ sˇimsˇalû-Pflanze, Zedern-Pflanze, [14] Pflanzen (für) einen Tampon (gegen) ›Hand eines Totengeistes‹-Krankheit, [(mit) Zedernharz] befeuchtest du es (und) in das Innere seiner Ohren applizierst du es. (43-45) kukru-Pflanze, Wacholder, murru-Pflanze, balukku-Pflanze, [Zedernholz], Süßrohr, sua¯du-Pflanze, kasû-Kraut (und) [rote Pa]ste, neun Pflanzen (für) eine Räucherung der Ohren. (46-47) [Alau]n, Gips (und) Schlacke, [drei Pflanze]n (für) einen Tampon dito 421) der Ohren. (48-50) [Wenn die Ohren eines Mannes eitr]ig sind, dann mahlst du, um ihn zu heilen, [murru-Pflanze, sˇupuhru-Holz, kasû-Kraut], annuharu-Mineral, [Gips, hasˇû-Pflanze, ›Wei˘ . ˘ ße Pflanze‹], (diese) ˘sieben Pflanzen [ … ] 422) (II 1-3) Die Pflanze [ … ], ein vier[tel Sekel … ]. Eine Salbe für … [ … ]. (4-5) Wenn die Augen eines Mannes tränen, dann knetest du zermahlene [sahlû-Pflanze] ˘ mit Milch zu einem Teig, [seine Augen verbindest du (damit)]. (6-14) Wenn die Augen eines Mannes Tränen, birratu, as ˇ[û und eine Trübung aufweisen], dann (nimmst du) einen Sekel ›Weiße Pflanze‹, einen halben Sekel Alaun, einen viertel Sekel ›Fledermausdreck‹, einen viertel Se[kel … , einen zwölftel Sekel] emesallu-Salz, einen Sekel kasû-Kraut, einen Sekel [nı¯nû]-Pflanze, einen halben Sekel Kümmel, einen Sekel ata¯3isˇu-Pflanze, einen Sekel [kanaktu-Pflanze], einen Sekel kukru-Pflanze, einen Se(16-19) Um

419. = eine geschwollene Schläfe zu beruhigen. 420. ›Taubenkot‹ ist nach der ersten Tafel der pharmakologischen Serie Uruanna ein alternativer Name für die Pflanze ze¯r asˇa¯gi, die als »falsche Karobe« identifiziert wurde. 421. Es ist nicht ganz sicher, worauf sich der Vermerk »dito« hier bezieht. 422. Der Rest der ersten Kolumne von ca. neun Zeilen ist abgebrochen.

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kel Wacholder, einen Sekel hasˇû-Pflanze, einen Sekel Salicornia, einen Sekel gelbe Paste, ˘ einen viertel Sekel abukkatu-Harz, einen viertel Sekel Samen der sˇurdunû-Pflanze. Diese 17 Pflanzen sind (für) einen Brei. (15-19) Wenn die Augen eines Mannes krank sind, dann (nimmst du) nı¯nû-Pflanze, ata ¯ 3isˇuPflanze, kasû-Kraut, sahlû-Pflanze, ma¯sˇtu-Pflanze, Fett von kanaktu-Pflanze, Wacholdersamen (und) Antimon.˘ (Diese) acht! (Text: sechs) Pflanzen röstest du (für) einen guten Augenbrei, in Schmalz, Nierentalg und Wachs zerstößt du (die Pflanzen), seine Augen reibst du (damit) ein. (20-21) ›Weiße Pflanze‹, Alaun, emesallu-Salz, drei Pflanzen (für) eine Kompresse der Augen. (22-27) Um kisa ¯ tu 423) der Augen zu heilen und die Augenlider sich öffnen zu lassen, er˙ hitzt du abgeschälte sahlû-Pflanze nahe am Ofen, ohne es zu dörren, mit Öl verrührst ˘ du es zu einer Paste (und) reibst seine Augen (damit) ein. Altes Kupfer zerstößt du in Schmalz, wie (bei) ein(em) Brei reibst du seine Augen (damit ein) und er wird genesen. (28-30) Wenn die Augenränder eines Mannes dito … , dann zerstößt du etwas ›Weiße Pflanze‹ zusammen mit Schwarzkümmel, seine Augen reibst du (damit) ein, sˇumhu˘ Pflanze trägst du auf seine Augen auf. (31-34) Einen Sekel tarmus ˇ-Pflanze, einen Sekel ›Sie-trat-1000-entgegen‹-Pflanze, einen Sekel ›Sie-trat-20-entgegen‹-Pflanze, ein halber Sekel Wacholder, ein viertel Sekel Lauch mit Öl und gutem Bier: Ein Trank, den er durch die Nase trinken muß. (35-47) Wenn die bu3s ˇa¯nu-Krankheit die Nasenlöcher eines Mannes affiziert, dann zerstößt du zusammen nı¯nû-Pflanze, urnû-Pflanze, kasû-Kraut, ›Weiße Pflanze‹, abukattuHarz, Alaun, eine Vertiefung drückst du in ein Leinentuch, besprengst es mit Sirup, läßt es diese Kräuter absorbieren, auf seine Nase legst du es, bis er gesund wird. Du suchst Salicornia aus, zerstößt es zusammen mit nı¯nû-Pflanze, vermischst es mit Naphta (und) reibst (damit) wiederholt das Innere seiner Nasenlöcher ab. Heißen Granatapfelsaft applizierst du ständig in seine Nase. Du kochst Öl und hältst es warm, mit nı¯nû-Pflanze und sı¯hu-Pflanze beräucherst du ihn vermittels Holzkohle, urnû-Pflanze vermischst du ˘ mit Zedernöl und applizierst es wiederholt in seine Nasenlöcher. (48-50) Wenn eine andauernde Krankheit in den Nasenlöchern eines Mannes vorhanden ist, dann vermischst du murru-Pflanze (und) Alaun mit Sirup, du schmierst es auf die Oberfläche der Wunde. Ein erprobtes Rezept von der Hand eines Gelehrten. (51-52) aktam-Pflanze, ›Weiße Pflanze‹, Alaun (und) ›Sie-trat-der-Nasenloch-(Krankheit)entgegen‹-Pflanze 424) applizierst du wiederholt mit Öl und Bier auf seine Nasenlöcher. (53-56) Wenn einem Mann die bu3s ˇa¯nu-Krankheit zusetzt, dann – um (sie) zu lösen – Alaun, nı¯nû-Pflanze, sahlû-Pflanze, [ … ] … gutes Holz und einen halben Sekel [ … ] … [ … kap]a¯su-Stein, … ˘[ … ]. ˙

423. Zu dieser Erkrankung s. J. C. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, Würzburger medizinhistorische Forschungen 70, Würzburg 2000, 197-99. 424. úigi-na-hi-ru. Diese selten genannte Pflanze wird hier versuchsweise analog zu den gut bekannten˘Kräutern úigi-lim und úigi-20 ›Sie-trat-1000/20 (Krankheiten)-entgegen‹-Pflanze übersetzt, da na-hi-ru hier wohl nur »Nasenloch« bedeuten kann. Ob dies eine eigenständige Pflanze oder der ˘Name ein dem Kontext geschuldeter ›Deckname‹ ist, bleibt vorerst unklar.

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Texte aus Mesopotamien

3. Gebinde mit Amulettsteinen und anderen therapeutischen Substanzen

Nils P. Heeßel In der babylonisch-assyrischen Heilkunst wurden Amulettsteinketten sehr häufig als prophylaktische Maßnahme am Ende der therapeutischen Behandlung eingesetzt. Den dabei benutzten Steinen, Edelmetallen und anderen Substanzen wurde die Fähigkeit zugeschrieben, durch die ihnen innewohnende Kraft, die oft durch Beschwörungen aktiviert wurde, die Heilung zu befördern und einen Rückfall in die Krankheit zu verhindern. Amulettsteinketten kamen nicht nur bei Erkrankungen zum Einsatz, sondern oft auch als Schutz vor unguten Einflüssen, die sich in Vorzeichen angekündigt hatten, aber durch Löserituale abgeleitet worden waren425). Es ist daher nicht überraschend, in umfangreicheren Texten sowohl Amulettsteinketten gegen bestimmte Krankheitssymptome, als auch solche zur Abwehr von Vorzeichen zu finden (hier Nr. 3 und 4). Neben Amulettsteinen kamen auch kleine Lederbeutel (akkad. mêlu), die mit Pflanzen(teilen) und anderen vegetabilen Substanzen gefüllt waren, zu einem ganz ähnlichen Einsatz (im vorliegenden Band etwa die Texte 2.4.4 und 2.13.1-2). Die Zuordnung der akkadischen Steinnamen zu heutigen, auf die chemische Struktur bezogenen Steinbezeichnungen gestaltet sich überaus schwierig 426). Daher werden hier die Steinnamen nur selten, bei einigermaßen gesicherten Identifizierungen in die moderne Terminologie übersetzt. Direkte Übersetzungen der akkadischen Bedeutungen der Steinnamen werden in Winkelklammern gesetzt.

3.1 Eine neuassyrische Amulettsteinliste gegen Augenflimmern

Die Tafel A 260, die in den Istanbul Arkeoloji Müzeleri aufbewahrt wird, ist bei Grabungen im sog. ›Haus des Beschwörungspriesters‹ in Assur gefunden worden. Sie wurde in Keilschriftautographie von F. Köcher als BAM IV 351 publiziert. Sie listet die Bestandteile einer Amulettsteinkette gegen Augenerkrankungen auf, die der Heiler Kisir-Asˇsˇur wohl für eine Anwendung eiligst kopiert hat. Nur die Rückseite des Textes ist˙erhalten. (1-6) as ˇpû-Stein,

sahhu-Stein, Rotstein 427), Blaustein 428), hula¯lu-Bandachat, ›Auge‹ des musˇ˘˘ ˘

425. Hierzu ausführlich S. M. Maul, Zukunftsbewältigung. Eine Untersuchung altorientalischen Denkens anhand der babylonisch-assyrischen Löserituale (Namburbi), BaF 18, Mainz 1995, 107-13. 426. A. Schuster, Tupfen und Streifen. Erkenntnisse zur Identifikation von Steinnamen aus der Serie abnu ˇsikinisˇu »Der Stein, dessen Gestaltung …«, AoF 30 (2003) 256-68, bes. 266. Die neue, umfassende Bearbeitung und Auswertung der Amulettsteinketten durch A. SchusterBrandis, Steine als Schutz- und Heilmittel. Untersuchungen zu ihrer Verwendung in der Beschwörungskunst Mesopotamiens im 1. Jt. v. Chr., AOAT 46, Münster 2008 erschien erst nach Abschluß des Manuskripts und konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden. 427. Der sa¯mtu »Rotstein« bezeichnet nicht nur den Karneol, sondern eine ganze Reihe von rot gefärbten Steinen, s. A. Schuster, AoF 30 (2003) 261. 428. Auch unter uqnû »Blaustein« wurde oft ausschließlich der Lapislazuli verstanden, doch bezeichnet uqnû verschiedene blau gefärbte Steine, s. A. Schuster, AoF 30 (2003) 260 f.

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sˇaru-Steins, ›Blutstein‹, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein, pindû-Stein, kurgarrânu-Stein, der mit Silber (und) Gold magnetisch ist, kapa¯su-Stein, der mit Gold magnetisch ist. (7-12) Elf Steine (gegen) das Flimmern ˙der Augen, auf gesponnene rote Wolle reihst du (sie) auf, ›Wolfsleber‹ 429) wickelst du mit blauer Wolle zu sieben Umschlägen, über jedem Umschlag rezitierst du die Beschwörung »Igidudu, igidudu«, um seine linke Hand bindest du es ihm und es wird ihm wohlergehen. Kolophon: (13-15) »Wenn ein Mann 430) andauernd Blitze sieht« (ist die Tafel, die) ihr folgt. Für die Durchführung eines Rituals von Kisir-Asˇsˇur eiligst kopiert. ˙ 3.2 Amulettsteine gegen Haarausfall

Integriert in die erste Tafel der Kopferkrankungen behandelnden Serie ˇsumma ame¯lu muhhasˇu umma uka¯l (s. o. zu 2.3.2) ist eine kurze Anweisung zur Herstellung einer ˘˘ Amulettsteinkette, um Haarausfall aufzuhalten. zugehörige Ritual: dusˇû, Rotstein, Blaustein, hula¯lu-Bandachat, ›Zwei-weiße-Streifen‹-Stein, ›Fischaugenstein‹, sˇubû-Stein, sˇubû-Stein ˘der rechten Seite, sˇubû-Stein der linken Seite, Magneteisenstein, musˇsˇaru-Stein, asˇgikû-Stein 431), grüner asˇgikû-Stein, diese 13 kleinen Stücke reihst du auf rote Wolle auf, auf sein Haar bindest du es und das ausfallende Haar wird festgehalten werden. (Rs. III 29-31) Das

3.3 Eine neuassyrische Amulettsteinliste

Aus dem ›Haus des Beschwörungspriesters‹ in Assur stammt neben der oben behandelten kleinen Tafel A 260 (Nr. 1) auch eine fast vollständig erhaltene Tafel mit einer umfangreicheren Zusammenstellung von Amulettsteinketten, die heute ebenfalls in den Istanbul Arkeoloji Müzeleri aufbewahrt wird (A 235). Der von einer Vorlage aus Borsippa (vgl. Rs. 24-25) abgeschriebene Text bietet Anweisungen zur Herstellung einer Amulettsteinkette aus neun Schnüren, bestehend aus zwei bis 14 Steinen, Edelmetallen oder anderen Substanzen, die gegen die unguten Folgen von Vorzeichen sowie gegen verschiedene Krankheitssymptome wirken sollten. Edition: F. Köcher, BAM IV, 361 (Keilschriftkopie); Bearbeitung: S. M. Maul, Zukunftsbewältigung, 108-11

429. ›Wolfsleber‹ ist nach der pharmakologischen Serie Uruanna (III 566 [512]) ein anderer Name für die Tamariske. 430. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. 431. Den asˇgikû-Stein möchte F. Vallat, Un fragment de tablette achéménide et la turqoise, Akkadica 33 (1983) 63-68 über den Vergleich mit altpersischen und iranischen Belegen als Türkis identifizieren.

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Texte aus Mesopotamien (Vs. 1-5) Rotstein, Blaustein, mus ˇsˇaru-Stein, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein, ›Zwei-weiße-Streifen‹-Stein, [asˇgik]û-Stein, grüner asˇgikû-Stein, turminû-Stein, hilibû-Stein, Magneteisenstein, Lamassu-Stein, ›Fischaugenstein‹, Muschel, abasˇmû-Stein:˘ (6-7) [14] Steine, damit sich unheilvolle Vorzeichen einem Mann nicht nähern können, auf einen Leinenfaden (gereiht), legst du (sie) um seinen Hals. (8-10) Blaustein, Rotstein, Silber, Gold, mus ˇsˇaru-Stein, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein, ›Zweiweiße-Streifen‹-Stein, anzahhu-Stein, Zinn, mu¯su-Stein: ˘ ˘ das Unheil, das ˙von einem fremden Vogel (ausgeht), sich (11-12) Zehn Steine, damit sich einem Mann nicht nähert kann, auf einen Leinenfaden (gereiht) legst du (sie) sieben Tage lang eng um seinen Hals 432). (13-15) Silber, Gold, Eisen, anzahhu-Stein, Blaustein, Rotstein, mus ˇsˇaru-Stein, hula¯lu-Band˘˘ ˘ achat, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein: (16-17) Neun Steine gegen das Unheil, das von einer Taube oder von einem fremden Vogel (ausgeht), reihst du auf einen Leinenfaden (und) legst (sie) sieben Tage lang um seinen Hals. (18-20) Rotstein, Blaustein, mus ˇsˇaru-Stein, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein, ›Zwei-weiße-Streifen‹-Stein, heller Obsidian, hilibû-Stein, turminû-Stein, turminabandû-Stein: (21-22) [Neun] Steine, damit˘ sich das Unheil einer abnormen Geburt einem Mann nicht nähern kann, legst du sieben Tage lang eng um seinen Hals 433). (23-24) Rotstein, Blaustein, hula ¯ lu-Bandachat, musˇsˇaru-Stein, Magneteisenstein, Silber, ˘ Gold: (25) Sieben Steine gegen das Unheil, das von einer Schlange (ausgeht), legst du ihm um seinen Hals. (Rs. 1) Blaustein, abas ˇmû-Stein, Dattelkern: (2-3) [Drei] Steine, damit ein unheilvoller Omenanzeiger sich einem Mann nicht nähern kann, auf einen Leinenfaden (gereiht) legst du (sie) um seinen Hals. (4-6) ›Schlangenauge‹, Blaustein, Eisen: [Drei] Steine, damit ein unheilvoller Omenanzeiger sich einem Mann nicht nähern kann, auf einen Leinenfaden (gereiht) legst du (sie) um seinen Hals. (7) s ˇubû-Stein, hula¯lu-Bandachat, Muschel: ˘ gegen einen unheilvollen Omenanzeiger bindest du um seinen linken (8-9) [Drei] Steine Fuß. (10-11) …-Stein, hula ¯ lu-Bandachat, sˇubû-Stein, Blaustein, Muschel: ˘ (12-13) [Fünf] Steine (gegen die Symptome) »der Bereich zwischen seinen Hüften [schmerzt] ihn« (und) »[Wenn] seine Zähne Blut austreten lassen«, du legst (sie) um seinen Hals. (14) imbu ¯ tâmtim-Mineral (und) anzahhu-Stein: ˘˘ (15-18) [Zwei] Steine (gegen das Symptomgefüge) »seine rechte Rumpfseite ist heiß

432. Der Text verwendet hier nicht das zumeist in diesen Kontexten gebrauchte akkad. kisˇa¯du »Nacken, Hals«, sondern napisˇtu »Kehle, Hals«. Diese auffällige Wortwahl impliziert wohl tatsächlich einen Bedeutungsunterschied; wahrscheinlich hingen um den kisˇa¯du gelegte Ketten lang vom Hals herab, während die Verwendung von napisˇtu ein eng an der Kehle anliegendes Gebinde anzeigt. 433. S. o. Anm. 432.

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(und) seine linke Rumpfseite ist kalt, seine Augen flimmern 434) (und) Blut läuft aus seiner Nase 435)«, du legst (sie) um seinen Hals 436). (19) Kupfer, sû-Stein, roter kapa ¯ su-Stein: (20-23) [Drei] Steine (gegen das˙ Symptomgefüge) »Wenn die Eingeweide eines Mannes immer wieder aufgetrieben werden, seine Zunge ihm immer wieder zu schaffen macht, er sich frühmorgens hinlegt, [in der Na]cht aber zittert«, auf einen Faden (gereiht) legst du (sie) um seinen Hals. Kolophon: (24-25) [Entsp]rechend einer Tontafel, der Vorlage einer Wachstafel [aus B]orsippa geschrieben und kollationiert.

3.4 Eine neubabylonische Amulettsteinliste

Die neubabylonische Tontafel MMA 86.11.64, die im Metropolitan Museum of Art in New York aufbewahrt wird, enthält eine Liste zur Herstellung einer Amulettsteinkette aus neun Schnüren. Der Text ist auf jeder Seite der Tafel in drei Kolumnen angeordnet und in den ersten vier Kolumnen werden insgesamt 303 Steine für neun Schnüre (Reihen) der Kette aufgelistet. In der fünften und sechsten Kolumne erscheint eine weitere Liste mit denselben für die Kette verwendeten Steinen, diesmal jedoch nicht nach Schnüren, sondern nach der Anzahl der verschiedenen Steinarten geordnet. Einzelne Abschnitte des Textes finden sich auch in der neuassyrischen Tafel A 235 (hier Nr. 3). Edition: I. L. Finkel, in: I. Spar / W. G. Lambert (Hg.), Cuneiform Texts in the Metropolitan Museum of Art II, New York 2005, 162-70, Nr. 32, Tf. 49-50.

Eisenstein, asˇpû-Stein, [zala¯qu-Stein], abasˇmû-Stein, Magneteisenstein, [sechs] Steine, um das Leiden (verursacht durch den) Gott Marduk zu lösen. (4-7) [kurg]arânu-Stein, engisû-Stein, ›Fis[chaugenstein‹], guhlu-Stein, [lulud]anı¯tu-Stein, Magneteisenstein, grüner Obsidian, [sieben Steine, um das˘ L]eiden (verursacht durch die) Göttin Isˇtar zu lösen. (8-12) [ … ], dus ˇû-Stein, Rotstein, [ … ], grüner sˇubû-Stein, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein, [ … ], turminû-Stein, asˇgikû-Stein, [ … ], Lamassu-Stein, arzallu-Stein, [zwölf] Steine, um mit dem Gott Nusku Frieden zu schließen. (13-14) as ˇpû-Stein, schwarzer Obsidian, [zwei Stein]e, um das Leiden (verursacht durch den) Gott Sîn zu lösen. (15-16) [tasniq]tu-Stein, Magneteisenstein, [zwei Steine, um das Le]iden (verursacht durch den) Gott Sˇamasˇ zu lösen. (Vs. I 1-3) [Blaustein],

434. i-bar-ru-r[a]. Die Übersetzung folgt AHw 106b, obwohl die genaue Bedeutung des Verbums bara¯ru unklar ist; dazu ausführlich J. C. Fincke, Augenleiden nach keilschriftlichen Quellen, Würzburger medizinhistorische Forschungen 70, Würzburg 2000, 86-90. 435. Das hier vorliegende Logogramm ka kann sowohl appu »Nase« als auch pû »Mund« bedeuten, doch mit M. Stol, Birth in Babylonia, CM 14, Groningen 2000, 198 »fließt« (ala¯ku) Blut immer aus der Nase; wenn das viel gefährlichere Symptom des aus dem Mund Blutens auftritt, wird das Verbum nadû »auswerfen« verwendet. 436. Diese Symptombeschreibung liegt auch in STT I 89 Vs. I 48-49 vor und wird dort auf das Einwirken von zikurruda-Zauberei zurückgeführt (50-51).

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Texte aus Mesopotamien (17-18) [algam]es ˇu-Stein,

sikillu-Stein, [zwei Steine, um das Le]iden (verursacht durch den) Gott Adad zu lösen. (19) [Zusammen 31 Steine, erste] Schnur. (20-23) [sahhu-Stein], egizangû-Stein, weißer Obsidian, [schwarzer Obsidian], grüner Ob˘ ˘ allu-Stein, [Magneteisenstein], pindû-Stein, [acht Steine, um das Leiden] (versidian, marh ˘ ursacht durch) alle [Götter] (zu lösen). 24-?: Weitere Abschnitte, die Zusammenfassung der zweiten Schnur sowie der Anfang des Abschnitts, dessen Fortsetzung in Vs. II 1-4 erhalten ist, sind abgebrochen. [turminabandû-Stein, guhlu-Stein], asˇpû-Stein, musˇsˇaru [zaqa¯nu˘ Stein], dusˇû-Stein des Landes Mar[hasˇu], 14 Steine des Halses des hNaria¯m-Sîn, er˘ probte [ … ]. (5-9) Rotstein, Blaustein, hula ¯ lu-Bandachat, musˇsˇaru-Stein, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein, ˘ asˇgikû-Stein, turminû-Stein, hilibû-Stein, abasˇmû-Stein, Ma›Zwei-weiße-Streifen‹-Stein, ˘ gneteisenstein, Eisenstein, ja¯nibu-Stein, Lamassu-Stein, ›Fischaugenstein‹, 15 Steine (für die Beschwörung) »Ich finde Zustimmung«. (10) Zusammen 29 Steine, dritte Schnur. (11-13) dus ˇû-Stein, Rotstein, Blaustein, heller Blaustein, ›Schlangenaugenstein‹, hula¯lu-Ban˘ zu bedachat, sˇubû-Stein, sieben Steine des Ur-Lamma, um Gewinn und Reichtümer kommen. (14-16) hula ¯ lu-Bandachat, Blaustein, Rotstein, sankallu-Stein, zibtu-Stein, ›Ein-weißer-Strei˘ fen‹-Stein, hilibû-Stein, girimhilibê-Stein, acht Steine für Freude, günstige Entscheidungen ˘ ˘ und Wohlergehen. (17-22) amas ˇ.ma4.a-Stein 437), hilibû-Stein, kasû-Rotstein, sˇubû-Stein der rechten Seite, sˇubû˘ ar-Stein, Rotstein aus Meluhha, huluhhu-Stein, guhlu-Stein, Stein der linken Seite, ash ˘ und Gewinn zu bekommen.˘ ˘ ˘ ˘ ˘ ˘ neun Steine, um Profit, Fülle (23-24) ›Haßstein‹, sankallu-Stein, as ˇgikû-Stein, [drei] Steine, damit ein guter Finger hinter dem Mann ausgestreckt 438) wird. (Vs. II 1-4) turminû-Stein,

25-Ende der Kol.: Weitere Abschnitte für die vierte und fünfte Schnur sind abgebrochen. und weiblicher sˇû-Stein, asˇgikû-Stein], haltu-Stein, Alabaster, alallu˘ (gegen) die di3u-Krankheit Stein, ›Skorpionstein‹, mu¯su-Stein, abasˇmû-Stein, neun Steine ˙ und Seuche. (5-7) sû-Stein, mu ¯ su-Stein, zala¯qu-Stein, Magneteisenstein, dunkles Kupfer, ein Stück von e3ru-Holz, sechs˙Steine (gegen des Symptom) »Wenn einen Mann der bösen alû-Dämon überwältigt«. (Vs. III 1-4) [Männlicher

437. Der amasˇ.ma4.a geschriebene Stein wurde von B. Landsberger und E. Reiner, MSL 10, S. 21 sub 175 mit dem abasˇmû-Stein gleichgesetzt. Dem widerspricht jedoch, daß beide Schreibungen in diesem Text nebeneinander erscheinen (vgl. auch die Zählung von zwei amasˇ.ma4.a-Steinen in Kol. V 27’, während der abasˇmû-Stein im Text zumindest fünfmal genannt wird und somit vom amasˇ.ma4.a-Stein getrennt gezählt wurde). Auch in der abnu ˇsikinsˇu genannten Steinbeschreibungsserie erscheinen die beiden Schreibungen nebeneinander, s. BAM IV 378 Kol. IV’ 14’, 16’, 18’. 438. »Den Finger hinter jemanden ausstrecken« heißt, über den Betreffenden (ohne sein Wissen) zu reden.

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Nils P. Heeßel (8-9) Blaustein, abas ˇmû-Stein, Dattelkern, drei Steine, damit ein unheilvolles Vorzeichen sich dem Mann nicht nähert. (10-11) s ˇubû-Stein, … 439), Blaustein, Muschel, vier Steine (für das Symptomgefüge) »Wenn ihn der Bereich zwischen seinen Hüften schmerzt«. (12-14) Magneteisenstein, as ˇpû-Stein, sˇubû-Stein, turminû-Stein, Berg-Blaustein, dunkles Kupfer, sechs Steine (für) die Potenz. (15-17) as ˇpû-Stein, sahhu-Stein, ›Lebenskraftstein‹, Lamassu-Stein, Magneteisenstein, fünf ˘˘ Steine (gegen) das Unheil, das von schrecklichen Träumen (ausgeht). (18) Zusammen 32 440) Steine, sechste Schnur. (19-26) Rotstein, Blaustein, ›Ein-weißer-Streifen‹-Stein, ›Zwei-weiße-Streifen‹-Stein, sahhu-Stein, asˇpû-Stein, mu¯su-Stein, zala¯qu-Stein, Magneteisenstein, engisû-Stein, guhlu˘ ˘ egizangû-Stein, Sil[ber,˙ Gol]d, hula¯lu-Stein, Stein des Gottes Anu, [sa¯su-Stein], ˘anStein, zahhu-Stein, weißer anzahhu-Stein, ˘[schwarzer anzahhu-Stein, musˇsˇaru-Stein, Lamassu˘ ˘ Dat[telkern … ˘ ˘]. ˘˘ Stein, (Rs. IV 1-6) 441)[ … ] Magneteisenstein, [ … ]-Stein, [ … . Zusammen 13 442)] Steine (für) »Wenn ein Mann ein Tabu … [ … ]. (7-12) [as ˇpû-Stein], der wie eine Mondsichel aussieht, Rotstein, [ …-Stein], ›Ein-weißerStreifen‹-Stein, Muschel, zibtu-Stein, [ …-Stein], sihru-Varietät des sˇubû-Steins, marhallu˘ ˘ Stein, engisû-Stein, Silber, Gold, bil.li-Stein, 15 Steine (um) die Pläne eines Prozeßgegners zu vereiteln. (13-17) abas ˇmû-Stein, zala¯qu-Stein, ashar-Stein, saggilmud-Stein, asˇpû-Stein, sal.la-Stein, ˘ ›Rinderdung‹-Stein, kapa¯su-Stein, Muschel, zibı¯tu-Stein, zehn Steine, (um) Schadenzau˙ ber abzuwehren. (18-19) Männlicher mus ˇsˇaru-Stein, männlicher mu¯su-Stein, männliches Kupfer, drei hStei˙ nei; um eine Seuche zu abzuwehren. (20) Zusammen 41 Steine, neunte Schnur. (21) Summe: 303 genannte Steine einer Halskette. (Rs. v 1’-vi 28) … 443), 4 turminû-Bandachat-Steine, 4 mu ¯ su-Steine, 3 Eisen(steine), 3 grüne ˙ 3 Gold(steine), 3 Silber(steine), sˇubû-Steine, 3 weiße Obsidiane, 3 schwarze Obsidiane, 3 ja¯nibu-Steine, 3 Alabaster-Steine, 3 dusˇû-Steine, 2 kapa¯su-Steine, 2 zibı¯tu-Steine, ˙

439. An dieser Stelle bietet der Text nur gín, dem anscheinend ein ›Glossenkeil‹ vorausgeht. Ist dies vielleicht als Abkürzung für nír (za.gìn) für den hula¯lu-Stein zu deuten? Die Parallele ˘ in BAM IV 372 Rs. III 13’ bietet die Reihenfolge Verdrehter (nigin) sˇubû-Stein, Blaustein, Muschel, Rotstein. Daher könnte man auch hier an eine Emendation zu nigin denken, doch wären es dann nur drei statt der gezählten vier Steine (s. dazu auch die folgende Fußnote). Die weitere Parallele in BAM IV 361 Rs. 10-11 (hier Nr. 3) ist an dieser Stelle beschädigt. 440. Nach den Zwischenüberschriften sind es 33 Steine in der sechsten Schnur. Hat der Schreiber vielleicht in III 10 statt der gezählten vier Steine tatsächlich nur die erwähnten drei Steine gezählt? 441. In der Lücke zwischen der dritten und vierten Kolumne muß das Ende der siebten, die gesamte achte und der Anfang der neunten Schnur ergänzt werden. Hierfür dürfte der Platz kaum reichen, s. dazu I. L. Finkel, CTMMA II 162. 442. Da in den folgenden drei Abschnitten 28 von 41 Steinen der neunten Schnur erwähnt werden, umfaßt dieser Abschnitt wahrscheinlich 13 Steine, wenn man nicht annehmen möchte, daß hier tatsächlich mehrere Abschnitte vorliegen. 443. In den ersten neun Zeilen der fünften Kolumne sind nur die Zahlen (5 x 5, 3 x 4) erhalten. Davor fehlt die Zählung von insgesamt 180 Steinen.

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Texte aus Mesopotamien

2 sankallu-Steine, 2 asˇpû-Steine, die wie eine Mondsichel aussehen, 2 mekku(Glas-)Steine, 2 amasˇ.ma4.a-Steine, 2 kasû-Rotsteine, 2 ashar-Steine, 2 Skorpionsteine, ˘ girimhilibê-Stein, 1 ›Rinder[ … , 1] heller Blaustein, [1] ›Schlangenaugenstein‹, [1] ˘ dung‹-Stein, 1 sihru-Varietät des sˇubû-Steins, 1 sich aufrichtender goldener Hund, 1 gol˘ dene Sonnenscheibe, 1 ›sich immer wieder Erneuerndes‹ aus Gold, 1 ›Haßstein‹, 1 ›Blutstein‹, 1 ›toter‹ Stein, 1 surra¯nı¯tu-Stein, 1 ›Eselinvulva‹-Stein, 1 männlicher sˇûStein, 1 weiblicher sˇû-Stein, 1 h˙altu-Stein, 1 ›Lebenskraftstein‹, 1 Stück von e3ru-Holz, ˘ Anu, 1 sa¯su-Stein, 1 ›Kopf‹-Stein, 1 paru¯tu-Alabaster, 1 Dattelkern, 1 Stein des Gottes 1 pa¯lisˇu-Stein. (29-31) [Sum]me: 303 Steine. [Hand des] Ea-ibni, des Sohnes des Schreibers (oder: sˇangû-Priesters) des Gottes Ea, des noch lernenden jungen Heilers.

4. Pharmakologische Texte

Barbara Böck Zur Gruppe der pharmakologischen Texte zählen Drogenhandbücher, Heilpflanzenund Mineralienbeschreibungen und das ›Vademecum‹ oder Verzeichnis der Simplicia. Die Texte der Drogenkunde sind besonders wichtig, handelt es sich doch um Nachschlagewerke, die aus Kommentaren hervorgegangen sind. In sehr ausführlicher Weise geben sie Auskunft über die Bezeichnung der Heilmittel aus dem botanischen, zoologischen und mineralogischen Bereich. Hauptvertreter dieser Textgattung ist das Tafelwerk, welches nach seiner ersten Zeile Uruanna genannt wird. Seine Urfassung geht wohl in das 12. Jh. v. Chr. zurück; die ältesten Textvertreter stammen aus der Stadt Assur, im Norden Mesopotamiens. Im Verlauf von mehr als 400 Jahren wurde das Werk immer wieder umgeformt und erweitert, wobei es mehrere Endformen in der Bibliothek Assurbanipals erhielt; in einer dieser Versionen umfaßte es im Hauptteil drei Tafeln mit insgesamt 1500 Textzeilen, die Drogenbezeichnungen auflisten. In der Regel verteilen sich diese Zeilen in den jüngeren ninivitischen Versionen auf Tontafeln mit jeweils vier Kolumnen auf Vorder- und Rückseite, wobei jede Kolumne in zwei Spalten angeordnet ist. In der linken Spalte jeder Kolumne finden sich – und zwar in verschieden langen Abschnitten – jeweils Drogenbezeichnungen. In der entsprechenden rechten Spalte werden entweder eine oder mehrere Drogen genannt, die eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung versprachen, und somit als Ersatzdroge angesprochen werden können. Ferner sind andere Bezeichnungen ein- und derselben Droge angeführt; darüberhinaus werden auch jene Namen der Drogen verzeichnet, die in den angrenzenden Ländern wie Subartu, Elam, Hatti oder dem ˘ äußersten Süden Mesopotamiens im Umlauf waren. Gelegentlich tauchen sogar Bemerkungen lexikalischer Natur auf, die ihren Ursprung nachweisbar in den lexikalischen Texten oder Gegenstandslisten wie Ur5.ra : hubullu haben. Der Wert dieser ˘ Einschübe lexikalischer Art ist insbesondere dann als sehr hoch einzuschätzen, wenn die entsprechenden Stellen der Vokabulare verlorengegangen sind, da sie oftmals den einzigen Hinweis darauf bieten, wie die sumerischen Logogramme der Drogen163

Barbara Böck

bezeichnungen in die akkadische Sprache umzusetzen sind. An den Hauptteil von drei Tafeln wurde dem Werk Uruanna in einer seiner jüngeren Versionen eine vierte, kaum erhaltene, Tafel angefügt, die keine Drogenbezeichnungen verzeichnet, sondern eine Konkordanz von Krankheitsbezeichnungen, aufgelistet in zwei Spalten, darstellt. Zu dem Handbuch Uruanna haben sich, vergleichbar anderen Werken der keilschriftlichen Literatur auch, Kommentare herausgebildet. Dazu kommt eine von Assurbanipal in Auftrag gegebene Version von Uruanna, die zwölf Tafeln oder Kapitel zählt. Der bei weitem überwiegende Teil der Manuskripte der einzelnen Versionen des Handbuches stammt aus den Städten Assur und Ninive, dazu kommen Texte aus Nimrud; auffällig wenige Exemplare sind bisher aus dem Süden Mesopotamiens bekannt geworden. Aufschlußreich für die Identifizierung von Drogen können jene Texte sein, die als ›Heilpflanzenbeschreibungen‹ bezeichnet werden. Leider sind eben diese in einem sehr schlechten Erhaltungszustand auf uns gekommen. Nur wenige Zeilen sind vollständig erhalten geblieben; hinzu kommt, daß die in den einzelnen Tafeln zu Vergleichszwecken herangezogenen Pflanzen und Drogen nicht zufriedenstellend identifiziert werden können. Diese insgesamt 13 Texte, die in den Städten Assur, Sultantepe, Nimrud, Uruk und Babylon zutage kamen, stammen aus dem 9.-5. Jh. v. Chr. und tragen den Titel »Das Aussehen der (offizinellen) Pflanze ist …« (akkad. Sˇammu ˇsikinsˇu). Sie sind als Hilfsmittel der assyrisch(-babylonischen) Drogenkunde anzusehen, wie aus den in ihnen verzeichneten medizinischen Anweisungen hervorgeht. Eine weitere sehr wichtige Gattung ist das sog. therapeutische Vademecum oder Verzeichnis der Simplicia. Es handelt sich dabei um Tafelwerke, die überwiegend in drei Spalten unterteilt sind: in der linken Spalte sind mehrere hundert verschiedene Drogen aufgeführt, in der mittleren Spalte werden die Namen derjenigen Krankheiten genannt, die jeweils mit diesen Drogen geheilt werden sollen, und in der rechten Spalte stehen mehr oder minder ausführliche Anweisungen, in welcher Form die Droge dem Kranken verabreicht werden soll. Neben dieser dreispaltigen Rezension gibt es noch eine zweispaltige, die nur Drogen und Krankheitsnamen anführt. Eine systematische Anordnung des Stoffes ist nicht zu erkennen, obgleich anzunehmen ist, daß der Anlage des Werkes eine wohldurchdachte Konzeption zugrunde lag. Aus der Menge der uns überlieferten Bruchstücke – 23 derartige Texte sind bekannt geworden – scheint hervorzugehen, daß diese Nachschlagewerke sich großer Beliebtheit im alten Mesopotamien erfreut haben müssen. Tatsächlich gibt es in der gesamten medizinischen Keilschriftliteratur keinen Text, der in knapper Diktion so umfassende Kenntnisse vermittelt wie diese Verzeichnisse. Die Texte, die alle in das 1. Jt. v. Chr. datieren, stammen aus den Städten Sultantepe, Assur, Nimrud, Ninive, Kisˇ, Sippar und Babylon. Nur am Rande sei ein Text erwähnt, der gemeinhin als Drogeninventar aus Assur bezeichnet wird (KADP 36). Seine Abfassung diente allem Anschein nach dem Zweck, eine Orientierung über die vorrätigen Medikamente zu ermöglichen und deren Auffindung zu erleichtern. Der Text ist von gewissem Wert für die Ergänzung verlorengegangener Partien der therapeutischen Werke, seine bei weitem größere Bedeutung liegt jedoch darin, daß er zu den wenigen Texten der medizinischen Keilschriftliteratur gehört, die uns mit der eher technischen Seite des Heilberufes vertraut machen. Nur wenig ist in der assyriologischen Literatur über pharmakologische Texte ge164

Texte aus Mesopotamien

schrieben worden, was seinen Grund darin hat, daß eine Edition des gesamten Textmaterials noch aussteht. Die Veröffentlichung des Hauptwerkes Uruanna, die zunächst J. V. Kinnier Wilson anvertraut worden war, übernahm in den 50er Jahren F. Köcher, der die Publikation aller pharmakologischen Keilschrifttexte plante 444). Neben einigen knapp gehaltenen einführenden Beiträgen und einzelnen punktuellen Studien, die im Anschluß aufgezählt werden, ist als einzige ausführliche Arbeit, wenn auch veraltet, auf das Werk A Dictionary of Assyrian Botany von R. Campbell Thompson (London 1949) hinzuweisen. Folgende Publikationen bieten weitere Information zur assyrisch-babylonischen Drogenkunde: B. Böck, Medicinal Substances – where do they come from?, in: E. Robson / K. Radner (Hg.), Oxford Handbook of Cuneiform Cultures (im Druck); dies., Sources for the Knowledge of Medicinal Plants in Ancient Mesopotamia, in: J. Wilkins (Hg.), Plants and Knowledge, 95-114 (im Druck); J. V. Kinnier Wilson, Notes on the Assyrian Pharmaceutical Series Uru.an.na : Masˇtakal, JNES 64 (2005) 45-51; F. Köcher, Ein Text medizinischen Inhalts aus dem Grab 405, in: R. M. Boehmer / F. Pedde / B. Salje (Hg.), Uruk – Die Gräber, Mainz 1995, 203-17; H. Limet, Croyances, superstitions et débuts de la science en Mésopotamie ancienne, Oikumene 5 (1986) 67-90; E. Reiner, Astral Magic, Philadelphia 1995, 25-42; M. Stol, Art. Pflanzenkunde, RlA 10 (2004-5), 503-6.

4.1 Aus Uruanna Tafel I Keilschrifttafeln (für den zitierten Textausschnitt): VAT 10070+ (mittelassyrisch); VAT 13769+ (neuassyrisch); SU 51/135+ (neuassyrisch); BM 44204 (spätbabylonisch). – Aufbewahrungsorte: Vorderasiatisches Museum, Berlin; Anadolu Medeniyetleri Müzesi, Ankara; British Museum, London. – Autographien: KADP 1 und 3; STT II 391; I. L. Finkel, On Late Babylonian Medical Training, in: A. R. George / I. L. Finkel (Hg.), Wisdom, Gods, and Literature. Studies in Assyriology in Honour of W. G. Lambert, Winona Lake 2000, 69-70.

: maltakal-Pflanze. (2) kur.ra-Pflanze : dito. (3) in.usˇ-Pflanze : masˇta: maltakal-Pflanze. (4a) tullal-Pflanze : masˇtakal-Pflanze. kal-Pflanze. (5) Wurzel der tullal-Pflanze : mas ˇtakal-Pflanze. (6) sikil/sikillu-Pflanze : in.nu.usˇ/masˇtakal(7) Pflanze. Pflanze der kultischen Reinigung : dito. (8) ellilu-Pflanze : masˇtakal-Pflanze des Gebirges. (9) elikula-Pflanze : dito des Gebirges. (10) in.nu.usˇ/masˇtakal-Pflanze : dito des Gebirges. (11) sikil/sikillu-Pflanze : dito des Gebirges. (12) sikil-Pflanze : sikillu-Pflanze. (12a) ›Schlangenfett‹ : sikil/sikillu-Pflanze. (12b) ›Fleisch des Kopfes einer Schlange‹ : sikil/sikillu-Pflanze. (1) uru.an.na-Pflanze

(4) tullal-Pflanze

4.2 Aus Uruanna Tafel II Keilschrifttafeln (für den zitierten Textausschnitt): VAT 10069+ (neuassyrisch); VAT 9000 (neuassyrisch); ND 5483+ (= IM 67593) (neuassyrisch). – Aufbewahrungsorte: Vorderasiati444. Nach dem Tode Köchers 2002 wurde die Autorin mit der Komplementierung und Edition dieser Arbeit betraut.

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Barbara Böck

sches Museum, Berlin; British Museum, London; Iraq Museum, Bagdad. – Autographie: KADP 6, 11; CTN IV 192. (40) Heilpflanze

gegen amurriqa¯nu-Gelbsucht : sasuntu-Pflanze. (40a) Heilpflanze gegen ˙ ˙ (40b) Heilpflanze gegen sirsˇu-Erkranı sig7.sig7 (= amurriqa¯nu)-Gelbsucht : urs¯tu-Pflanze. ˙ ˙ kung : nurmû-Granatapfel. (41) Heilpflanze gegen den ahha¯zu-Dämon : nabruqqu-Pflanze. ˘ ˘ (42) Heilpflanze gegen sa ¯ ma¯nu-Krankheit : sasuntu-Pflanze. (43) Gula-Heilpflanze : sasuntu˙ u-Pflanze. ˙ ˙ ˙ (43) Heilpflanze bei Entleerung : arih Pflanze. ˘ 4.3 Aus Uruanna Tafel III Keilschrifttafeln (für den zitierten Textausschnitt): K 4431+ (neuassyrisch); 81-2-4, 272 (neuassyrisch); 83-1-18, 692 (neuassyrisch); K 6548 (neuassyrisch); K 274+ (neuassyrisch); BM 42625+ (spätbabylonisch; unpubl.); BM 78158 (spätbabylonisch; unpubl.). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographien: KADP 13, 14, 15, 18, 19. – Bemerkungen: zu BM 42625+ s. I. L. Finkel, On Late Babylonian Medical Training, in: A. R. George / I. L. Finkel (Hg.), Wisdom, Gods, and Literature. Studies in Assyriology in Honour of W. G. Lambert, Winona Lake 2000, 186-187; zum Phänomen der beschreibenden oder Decknamen s. F. Köcher, Ein Text medizinischen Inhalts aus dem neubabylonischen Grab 405, in: R. M. Boehmer / F. Pedde / B. Salje (Hg.), Uruk. Die Gräber, Mainz 1995, 203 ff.; J. V. Kinnier Wilson, Notes on the Assyrian Pharmaceutical Series Uru.an.na : Masˇtakal, JNES 64 (2005) 45-51. (1) s ˇu¯sˇu-Süßholz

: (beschreibender Name) ›Schwanz eines Mungo‹. (2) bı¯nu-Tamariske: (beschreibender Name) ›Nacken eines Hundes‹. (3) murdinnu-Pflanze : (beschreibender Name) ›Fuß einer anzuzu-Spinne‹. (4) sikillu-Pflanze : (beschreibender Name) ›Fett einer Schlange aus einem Schlangennest‹. (5) sˇumuttu-Pflanze : (beschreibender Name) ›Exkrement eines Menschen‹. (6) sˇumuttu-Pflanze : (beschreibender Name) ›Röhrichtmaus‹. (7) inbu-Pflanze : (beschreibender Name) ›Haarlocke eines Menschen‹. (8) kamkaduPflanze : (beschreibender Name) ›Regenwurm‹. (9) bu3sˇa¯nu-Pflanze : (beschreibender Name) ›Hundezunge‹. (10) bu3sˇa¯nu-Pflanze : (beschreibender Name) ›Hundefloh‹.

4.4 Aus Sˇammu sˇikinsˇu (Heilpflanzenbeschreibungen) Keilschrifttafel: VAT 13784 (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: KADP 33. – Duplikate, z. T. parallele Texte: KADP 34a, 34b; STT I 93; BAM II 159; BAM IV 379; CTN IV 196. (Vs. 10) Die

äußere Gestalt der Pflanze gleicht der urnû-Pflanze. Ihre Frucht ist schwarzbraun wie (die Schote) des asˇa¯gu-Dornstrauches. Diese Pflanze heißt ›Bitter‹-Pflanze. (11) Sie ist gut für den Anus. In frischem Zustand legst du (sie) auf seinen Anus, und er wird gesund werden. (12) Die äußere Gestalt der Pflanze gleicht hinsichtlich ihrer ›Bewehrung‹ der ›Bewehrung‹ der sahlû-Pflanze. Ihre Blätter sind ebenso groß wie die Blätter der sahlû-Pflanze. ˘ ˘ (13) Diese Pflanze heißt namharû-Pflanze. Wer (von ihrem Saft) trinkt, wird sterben. ˘ (14) Die äußere Gestalt der Pflanze gleicht der ›Hundezunge‹, aber auch der haltappa ¯ nu˘ 166

Texte aus Mesopotamien

Pflanze. Ihre Blätter sind lang. (15) Ihre Frucht gleicht der ›Gurke des (Gottes) Adad‹. Ihr Wuchs ist aufrecht. Ihr Same ist wie der der tubba¯qu-Pflanze (16) dreifach ›aufeinandergelegt‹. Diese Pflanze heißt tubba¯qa¯nu-Pflanze(!) 445); sˇun(n)a¯zi-Pflanze(!) 446) (17) nennt man sie in der Sprache des Landes Hatti. Sie ist gut beim Stich eines Skorpions. Du trocknest (und) zerstößt (sie). Er trinkt˘ (sie) in Bier und wird ge[sund werden]. … (Rs. 5’) Die äußere Gestalt der Pflanze gleicht der Kiefer. Sie ist mit Zapfen ge[schmückt]. Diese Pflanze heißt [ud]dasˇu-Pflanze. (6’) Sie ist gut für den Anus. In frischem Zustand verwendest du (sie); du legst (sie) einmal, zweimal, dreimal auf seinen Anus, wiederholst (dies) so oft, bis Blut austritt. (Geschieht das), ist er geheilt. (7’) (Variante der Applikation) – und dann legst du (sie) immer wieder auf. (8’) Die äußere Gestalt der Pflanze gleicht der ›Feldklumpen‹-Pflanze. Ihre Frucht ist rotbraun. Diese Pflanze heißt ›Auswurf des Erdbodens‹-Pflanze. (9’) Sie ist gut für den Anus. Du trocknest, zerstößt (sie und) vermischst (sie) mit Feinöl. Du formst (daraus) ein Zäpfchen, führst (es) in seinen Anus ein; und er wird gesund werden. (10’) Die äußere Gestalt der Pflanze gleicht der ›Feldklumpen‹-Pflanze. Ihre Frucht ist rotbraun. Diese Pflanze (heißt) gib/pukku?-Pflanze. (11’) [Du …], läßt (es) über Nacht stehen, [gießt] (es) auf seinen Anus. [Er wird gesund werden]. (12’) Die äußere Gestalt der Pflanze gleicht dem Portulak. Sie ist schwarz hundi glänzend. Diese Pflanze heißt ›Lebenspflanze‹. Wer [sie ißt 447), wird gesund werden.]

4.5 Aus dem Verzeichnis der Simplicia (zweispaltige Rezension) Keilschrifttafel: K 4187+ (neuassyrisch). – Aufbewahrungsort: British Museum, London. – Autographie: BAM V 421. (Vs. I’ 20’) […]-Pflanze

: Heilmittel, um Würm[er abgehen zu lassen]. : Heilmittel gegen die Krankheit namens esˇ¯tu. ı (22’) ›[Sie-trat-an-gegen-2]0‹-Pflanze : Heilmittel gegen die Hautkrankheit namens ra¯sˇa¯nu. (23’) [amuzennu-Pflanze] : Heilmittel gegen Muskelschwäche 448). (24’) […]-Pflanze : Heilmittel gegen die Hautkrankheit namens ›Vogelsporn‹ 449). (25’) [›Sie-trat-an-gegen-1000‹]-Pflanze : Heilmittel für den Fall, daß eine Frau unfruchtbar ist. (26’) arihu-Pflanze : Heilmittel, um Entleerung anzuhalten. ˘ ¯ tu-Pflanze : Heilmittel für den Fall, daß eine Frau bei der Geburt unter der sˇal(27’) qutra puttu-Krankheit leidet. (28’) ›Fuchswein‹-Pflanze : Heilmittel gegen Windpocken. (29’) kammantu-Pflanze : Heilmittel dito. (30’) ›Fuchswein‹-Pflanze : [Heilmittel, um Fie]ber zu beseitigen. (31’) s ˇizba¯nu-Pflanze : Heilmittel dito. (21’) ›[Sie-trat-an]-gegen-1000‹-Pflanze

445. 446. 447. 448. 449.

Text: sˇun(n)a¯zi-Pflanze. Text: tubba¯qa¯nu-Pflanze. Oder: von ihrem Saft trinkt. Wörtlich: »dahingeschüttetes Fleisch«. Oder: ›Vogelkralle‹.

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4.6 Aus dem Verzeichnis der Simplicia (dreispaltige Rezension) Keilschrifttafel: VAT 10070+ (mittelassyrisch). – Aufbewahrungsort: Vorderasiatisches Museum, Berlin. – Autographie: KADP 1 Rs. V. (Rs. V 15) sasumtu-Pflanze : Heilmittel gegen die Krankheit namens sa ¯ ma¯nu : zerstoßen, ˙ ˙salben. mit Feinöl (16) sasumtu-Pflanze : Heilmittel gegen das Vorhandensein von Ungeziefer im Hause ˙ ˙Menschen : zerstoßen, in Wasser geben, (17) das Haus (damit) besprengen. eines (18) maltakal-Pflanze : Heilmittel gegen die Krankheit namens egubbû : am Neumondstag den Menschen essen lassen. (19) maltakal-Pflanze, männlich : Heilmittel dafür, daß Hexereien nicht an den Menschen herankommen : am Neumondstag essen lassen. (20) maltakal-Pflanze, Samen : Heilmittel, um Nasenbluten zu stillen : in ein Wollbüschel wickeln, im ›Blut‹ des Hämatit-Steines (21) durchfeuchtest du es, (danach) auf seine Nase legen. (22) maltakal-Pflanze, Samen : Heilmittel gegen Potenzstörung(en): in roter Wolle (23) drehst du es zu einem Faden, (danach) unter sein Bett legen. (24) tarmus ˇ-Pflanze : Heilmittel dafür, daß Hexereien nicht an den Menschen herankommen : am Neumondstag essen lassen. (25) tarmus ˇ-Pflanze : Heilmittel gegen Schlangenbiß : zerstoßen, mit Feinöl sal[ben]. (26) ›Sie-trat-an-gegen-1000‹-Pflanze : Heilmittel gegen Schlangenbiß : zerstoßen, mit Feinöl sal[ben]. … (29) sikillu-Pflanze : Heilmittel für die (kultische) Reinigung : am Neumondstag den Menschen (kultisch) rei[nigen].

5. Medizinisch-astrologische Texte

Nils P. Heeßel Unter der Bezeichnung ›medizinisch-astrologisch‹ werden Texte subsumiert, in denen Krankheiten, Körperteile oder Behandlungsmethoden zu Himmelsphänomenen und astrologischen Konzepten in Beziehung gesetzt werden. Die Beeinflussung der Heilkunde durch astrale Elemente ist schon seit frühester Zeit bekannt, wie etwa Anweisungen in Rezepten zeigen, die besagen, man solle eine Medikation über Nacht unter einem bestimmten Gestirn stehen lassen; neben dem pharmakologischen Nutzen in Form einer Mazeration dient dies auch der Aufladung des Medikaments mit ›astraler Energie‹, die von den Gestirnen ausgeht, das Medikament wird damit ›besternt‹ 450). Doch erst ab dem fünften vorchristlichen Jahrhundert erlebte die ›medizinische Astrologie‹ in Babylonien einen Aufschwung. Zu diesem Zeitpunkt entstanden neuartige Texte, in denen durch die Einführung von Konzepten wie dem Zodiak (hier Nr. 1) oder dem System von ›Stein, Pflanze und Holz‹ (hier Nr. 2) bis dahin unge450. S. E. Reiner, Astral Magic in Babylonia, TAPS 85/4, Philadelphia 1995, 48-56.

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kannte Behandlungsmethoden erschlossen wurden 451). Während diese ›medizinischastrologischen‹ Texte die Zusammenhänge zwischen dem heilkundlichen Wissen und den astrologischen Konzepten meist ausführlich schildern, bleiben sie in Bezug auf die praktische Anwendbarkeit der dargebotenen Kenntnisse auffallend wortkarg. Es ist deshalb sehr schwierig, aus den Texten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Anwendung des vermittelten Wissens in der Heilkunde zu ziehen.

5.1 Korrelationen von Sternen und Sternbildern mit Krankheiten

Ein schönes Beispiel für die Kombination von zodiakaler Astrologie und Medizin ist eine neubabylonische Tafel, in der Krankheiten den Zodiaksternbildern zugeordnet werden. Von der Tafel, die heute im British Museum, London, aufbewahrt wird (BM 34371), ist nur die untere Hälfte erhalten. Th. G. Pinches, A. Sachs und J. N. Strassmaier, Late Babylonian Astronomical and Related Texts, Providence / Rhode Island 1955 haben unter Nr. 1597 eine Keilschriftkopie der Tafel vorgelegt, nach der M. Leibovici, Sur l’astrologie médicale Néo-Babylonienne, Journal Asiatique 244 (1956) 275-80 den Text bearbeitet hat. Hier wird ein gut erhaltener Abschnitt aus der Mitte des fragmentarischen Textes übersetzt, der nach einem Doppelstrich einsetzt. (Vs.6’-7’) Zur

Region des ›alten Mannes‹ 452) (Perseus) (gehören) bennu-Epilepsie, dı¯hu ˘ und rapa¯du-Krankheit, abgebrochen Kopfschmerzen. Den Marduk-Stern (korreliere) mit ˇ bennu-Epilepsie, ›Sperma des Sulpaea‹ und bennu-Epilepsie. (8’) Zur Region der ›Sterne‹ (Plejaden) (gehören) ›alle Krankheiten‹ und Seuche, Epidemie (und) Fieberleiden, abgebrochen (9’-10’) Zur Region des ›Himmelsstiers‹ (Taurus) und zu Orion (gehören die Krankheiten) Sˇasˇsˇatu, masˇkadu und sˇu3û, ›Vom Himmel gefallen‹-Epilepsie, die (Dämonin) ›Tocher ˙ des Anu‹. Orion, der Planet Saturn. (Rs.1) Zur Region der ›großen Zwillinge‹ (Gemini) (gehören) ›Vom Himmel gefallen‹-Epilepsie und ›König des Daches‹-Epilepsie. Das Sternbild ›große Zwillinge‹ sind die Götter Lugalirra 453) und Meslamtea. (2-3) Zur Region des ›Krebses‹ (Cancer) (gehören) der Schädel 454), Kopfschmerzen, dı¯hu ˘ 451. S. hierzu N. P. Heeßel, »Stein, Pflanze und Holz«. Ein neuer Text zur ›medizinischen Astrologie‹, OrNS 74 (2005) 1-22 und ders., Astrological Medicine in Babylonia, in: A. Akasoy, Ch. Burnett und R. Yoeli-Tlalim (Hg.), Astro-Medicine. Astrology and Medicine, East and West, Micrologus’ Library 25, Florenz 2008, 1-16. 452. Anstelle des erwarteten Zodiaksternbildes mullú.hun.gá »Mietling« (Aries) erscheint hier die ˘ Konstellation »alter Mann« (Perseus) und im folgenden Eintrag die »Sterne« (Plejaden). Letztere bilden im Zodiaksystem einen Teil des zweiten Zeichens Taurus (s. Vs. 9’) und werden oft pars pro toto für dieses verwendet. 453. Der Text bietet tatsächlich Lugal-ùr-ra statt Lugal-ir9-ra. Dies dürfte eine fehlerhafte Wiederholung des vorhergehenden Lugal-ùr-ra ›König des Daches‹-Epilepsie sein, da zahlreiche astrologische und lexikalische Texte die »großen Zwillinge« als Lugalirra und Meslamtaea deuten, s. W. G. Lambert, Art. Lugal-irra and Meslamta-ea, RlA 7 (1987-1990) 143-45, bes. 144b. 454. Die Erwähnung eines Körperteils überrascht hier, doch ist das Zeichen ugu weder mit dem voranstehenden, noch mit dem folgenden zu verbinden.

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und ra3ibi-Krankheit. Das Sternbild ›Krebs‹ ist der Fluß des Gottes Ningirsu (und) des Anu, alternativ: Adad.

5.2 Behandlungsanweisungen nach dem System ›Stein, Pflanze und Holz‹

In diesem Text werden den zwölf Monaten und den entsprechenden Zodiaksternbildern jeweils ein Stein, eine Holzart, eine Pflanze sowie eine weitere Ingredienz zugeordnet. Die Ingredienzen werden auf drei verschiedene Weisen zur Anwendung gebracht, als Phylakterium, als Räucherung und als Salbe. Schließlich wird für die Salbe ein Anwendungszeitraum und für die ganze Behandlung ein Termin angegeben. Der Text ist auf zwei neubabylonischen Tafeln überliefert, die zusammen eine Rekonstruktion des Textes der letzten sieben der ursprünglich sicher zwölf Monate ermöglichen. Zum einen sind die Einträge der Monate 8-12 auf dem großen Bruchstück BM 76483 (hier: A) erhalten, das sich im British Museum, London, befindet; leider ist es unklar, aus welchem Ort diese Rückseite einer sauber geschriebenen Tafel stammt. Zum anderen bietet die Vorderseite des Fragmentes W 22729/15 aus Uruk, das E. von Weiher als SpTU II 49 veröffentlicht hat, Teile der Einträge der Monate 6-11. Diese Tafel befindet sich heute im Iraq Museum, Bagdad. Der Text beider Tafeln sowie die Keilschriftkopie von BM 76483 wurden von N. P. Heeßel, »Stein, Pflanze und Holz«. Ein neuer Text zur »medizinischen Astrologie«, OrNS 74 (2005) 1-22 publiziert 455). (B 1’-4’) [(6.

Monat) Ulu¯lu, Bereich des (korrespondierenden Zodiakzeichens) Furche. … in ein Leinenstück mit einem Leinenfaden (bindest du zusammen). Einen …-Stein reihst du mit (diesem) m]êlu-Beutel auf, um seinen Hals [hängst du es. (Mit) … beräucherst du ihn, mit … ] in Topföl (vermischt) salbst du ih[n. Salbe des achten] bis [14. Tages des (Monats) Ulu¯lu, am 15. Tag … ]. (B 5’-7’) [(7. Monat) Tas ˇrı¯tu, Bereich des (korrespondierenden Zodiakzeichens) Waage. mu¯s]u-Stein, Tamariskenholz, tarmu[sˇ-Pflanze, … in ein Leinenstück mit einem Lei˙ nenfaden (bindest du zusammen). Einen mu¯su-Stein reihst du mit (diesem) Beutel auf, ˙ um] seinen Hals hängst du es. (Mit) Tamariskenholz und …-Panzer [beräucherst du ihn, mit tarmusˇ-Pflanze (sowie) dem Staub vom Tempel der Isˇ]hara in Topföl (vermischt) ˘ am 15. Tag … ]. salbst du ihn. Sal[be des 15. bis 21. Tages des (Monats) Tasˇrı¯tu, (A 1’-2’; B 8’-9’) [(8. Monat) Arahs ˇamnu, Bereich des (korrespondierenden Zodiakzeichens) ˘ Skorpion. …]-Stein, Walnußholz, ame¯la¯nu-Pflanze, Skorpionpanzer in ein Leinenstück mit einem Le[inenfaden (bindest du zusammen). Einen …-Stein reihst du mit (diesem) Beutel auf, um] seinen Hals hängst du es. (Mit) Walnußholz und Skorpionpanzer beräucherst du ihn, mit ame¯la¯nu-Pflanze (sowie) dem Staub vom Isˇhara-Tor in Topföl (vermischt) salbst du ihn. Salb[e des 22. bis 28. Tages des (Monats) ˘Arahsˇamnu, am 15. Tag ˘ … [ … ]. (A 3’-6’; B 10’-12’) (9. Monat) Kislı¯mu, Bereich des (korrespondierenden Zodiakzeichens) Schützen. Grüner Obsidian, Tannenholz, [e¯du-Pflanze, Staub von einem Fährschiff] in 455. BM 76483 wurde auch von J.-A. Scurlock und F. N. H. al-Rawi, A Weakness for Hellenism, in: A. K. Guinan u. a. (Hg.), If a Man Builds a Joyful House, Assyriological Studies in Honor of Erle Verdun Leichty, CM 31, Leiden / Boston 2006, 357-82 kopiert und bearbeitet.

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ein Leinenstück mit einem Leinenfaden (bindest du zusammen). Einen grünen Obsidianstein reihst du mit (diesem) Beutel auf, [um seinen Hals hängst du es. (Mit) Tannenholz] beräucherst du ihn, mit e¯du-Pflanze (sowie) dem Staub von einem Fährschiff in [Topf]öl (vermischt) [salbst du ihn]. Salbe des ersten bis siebten Tages des (Monats) Kislı¯mu, am 1[5]. Tag [ … ]. (A 7’-10’; B 13’-15’) (10. Monat) Tebe ¯ tu, Bereich des (korrespondierenden Zodiakzeichens) Ziegenfisches. Lamassu-Stein,˙ …-Holz, …-Pflanze in ein Leinenstück 456) mit [einem Leinenfaden (bindest du zusammen)]. Einen Lamassu-Stein reihst du mit (diesem) Beutel auf, um seinen Hals hängst du es. (Mit) …-Holz (sowie) […]-Öl [beräucherst du ihn], mit …-Pflanze (sowie) dem Öl eines Bocks in Topföl (vermischt) salbst du ihn. Salbe des achten [bis 14. Tages] des (Monats) Tebe¯tu, am 15. Tag zur Steppe [ … ]. ˙ des (korrespondierenden Zodiakzeichens) ˇ aba¯tu, Bereich (A 11’-14’; B 16’-21’) (11. Monat) S ˙ Gula. sˇadânu-Stein, ildakku-Holz, aktam-Pflanze, Staub vom [Marduk]-Tor [in ein Leinenstück] mit einem Leinenfaden bindest du zusammen. Einen sˇadânu-Stein reihst du mit (diesem) Beutel auf, um seinen Hals hängst du es. (Mit) ildakku-Holz [beräucherst du ihn], mit aktam-Pflanze (sowie) dem Staub vom Marduk-Tor in Topföl (vermischt) salbst du ihn. Salbe des 15. bis 21. Tages des (Monats) Sˇaba¯tu, am 15. Tag [ … ]. ˙ (A 15’-18’) (12. Monat) Addaru, Bereich des (korrespondierenden Zodiakzeichens) Schwänze. luludanı¯tu-Stein, Makanbaum-Holz, […-Pflanze(, … )] in Zickleinhaut (oder) in Leder dito (= einem Leinenfaden) bindest du zusammen. Einen luludanı¯tu-Stein reihst du mit (diesem) Beutel auf, um seinen Hals hängst du es. (Mit) Pulver von Makanbaum-Holz beräucherst du ihn, [mit … -Pflanze in] Topföl (vermischt) salbst du. Salbe des 22. bis 28. Tages des (Monats) Addaru, am [15]. Tag [ … ]. (A 19’) Den Schalt-[Add]aru und den Schalt-Ulu ¯ lu machst du gemäß den Tierkreisbildern, den Monat Arahsˇamnu [ … ]. ˘ 6. Kommentare zu medizinischen Texten

Eckart Frahm Die bislang bekannten keilschriftlichen Kommentare zu medizinischen Texten stammen fast ausnahmslos aus babylonischen Städten (Babylon, Uruk, Sippar, Nippur, Ur) und datieren, soweit ersichtlich, in die achämenidische, frühhellenistische und parthische Zeit; der späteste, DT 87, wurde um 100 v. Chr. abgefaßt. Insgesamt liegen gegenwärtig 29 babylonische Kommentare zu diagnostischen und 28 Kommentare zu therapeutischen Texten vor. Aus Assyrien ist nur ein einziger medizinischer Kommentar, STT II 403, bekannt; er behandelt die Tafeln 1-3 des Diagnosehandbuches sa.gig und wurde im 7. Jh. v. Chr. in Huzı¯rı¯na niedergeschrieben. Einige medizinische ˘ Kommentare weisen ein tabellarisches Layout auf, die meisten jedoch präsentieren ausgewählte Lemmata und Erklärungen durch Glossenkeile getrennt in einem fortlaufenden Text. Unterschriften klassifizieren viele der medizinischen Kommentare als sâtu u ˇsu¯t pî »lexikalische Einträge und mündliche Anmerkungen« (zu einem be˙ 456. BM 76483: in die Hau[t … .

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stimmten Text). Dieses Label wird, wie auch in anderen Kommentaren, oftmals noch um die Termini masˇ3altu »Befragung« und ˇsa pî ummâni »auf Autorität eines ummânu-Gelehrten« erweitert. Die medizinischen Kommentare verfolgen zwei Hauptziele: Zum einen geht es ihnen um ein besseres Verständnis von Fachbegriffen und anderen schwierigen Ausdrücken in den Symptombeschreibungen, Prognosen und therapeutischen Passagen der Texte. Zum anderen versuchen viele der Kommentare, einem spekulativ-esoterischen Erklärungsansatz folgend, durch etymologische und symbolische Assoziationen die innere Stimmigkeit ihrer Bezugstexte zu erweisen. Mehrere wichtige medizinische Kommentare veröffentlichte H. Hunger in SpTU I; einen vollständigen Überblick über die einschlägigen Tafeln bietet E. Frahms noch unveröffentlichte, 2010 in der Serie Guides to the Mesopotamian Textual Record erscheinende Studie Origins of Interpretation. Aus Raumgründen können im folgenden nur kurze Auszüge präsentiert werden; Zitate aus den Bezugstexten sind dabei unterstrichen.

6.1 Kommentar zum 10. Abschnitt der therapeutischen Serie

W 22307/35 (Kopie, Transliteration und Anmerkungen: SpTU I 47) ist eine im IraqMuseum zu Bagdad aufbewahrte fragmentarisch erhaltene Kommentartafel aus einem Privathaus im Osten der südbabylonischen Stadt Uruk. Sie wurde, wohl gegen Ende des 5. Jh. v. Chr., von dem (Junior-)Exorzisten Anu-iksur aus der Sˇangî-Ninur˙ ta-Familie abgefaßt. Ein möglicherweise von Anu-iksurs Vater Sˇamasˇ-iddin stam˙ mendes Manuskript des Bezugstextes, des 10. Abschnitts (pirsu) der Serie sˇumma amı¯lu muhhasˇu ummu ukâl, fand sich im selben Fundkontext (SpTU I 46; s. den Bei˘˘ trag von N. P. Heeßel in vorliegendem Band [Text 2.4.5]). Der Kommentar erklärt allerdings auch einige nicht in SpTU I 46 enthaltene Textpassagen. (1-2) »Wenn

die Zunge eines Mannes 457) aufgedunsen ist« 458) – »aufgedunsen sein« (bedeutet) »angeschwollen sein« 459), »aufgedunsen sein« (bedeutet) »groß sein«. ˇ ulak. »Er soll nicht das Klosett betreten, (da) (2-5) »Der Klosett-Dämon« 460) – (das ist) S ˇ ˇ 461) ihn (sonst) Sulak packt.« Von Sulak heißt es (wie folgt): sˇu (bedeutet) »Hand«, la

457. Zur Übersetzung von akkad. awı¯lum (ame¯lu) als »Mann« bzw. »Mensch« s. die Vorbemerkung zu Beginn des Kapitels »Texte aus Mesopotamien«. 458. Incipit des Bezugstextes, das auch im Kommentar als eine Art Überschrift fungiert. Der Patient leidet unter Makroglossie. 459. Dieselbe Erklärung findet sich, gefolgt von weiteren Deutungen, in Z. 9 des sa.gig IV-Kommentars CT 51, 136. 460. In Z. 8 des Bezugstextes heißt es, dieser Dämon sei für Lähmungserscheinungen im Kopfbereich verantwortlich. 461. Zitat aus einem hemerologischen Text (KAR 177 Rs. II 29 und Duplikate, s. CAD M II 234 f.). Der Passus wird offenbar angeführt, um die Verbindung zwischen Sˇulak und dem Klosett zu etablieren. Der Glaube, daß man im Badezimmer, ganz oder teilweise entkleidet, besonders leicht dämonischen Übergriffen zum Opfer fallen konnte, wird auch in jüdischen, arabischen und europäischen Quellen des Mittelalters zum Ausdruck gebracht; siehe M. Stol, Epilepsy in Babylonia, CM 2, Groningen 1993, 76.

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Texte aus Mesopotamien

(bedeutet) »nicht« und kù (bedeutet) »rein« 462). Betritt er das Klosett, so sind seine Hände nicht rein, (das) wird von ihm gesagt. (6) lurpa¯nu-Stein(?) 463): (er ist) wie Lapislazuli, aber weiß getüpfelt. Zweitens: lurpa¯nu-Stein(?) (ist eine Bezeichnung für) kalû-Paste. (7-8) »Schlaganfall« (mis ˇittu) 464): »schlagen« (masˇa¯du) (bedeutet) »treffen« (maha¯su). ˘ ˙465) »Schlaganfall«: Wer vergißt, wie man schreibt, den hat der Schlag getroffen. (8-9) »(Der Patient) kneift sein Auge zu« 466) – (sumerisch) bar (bedeutet) »zukneifen«, bar (bedeutet auch) »verdrehen«. (9-10) »ur-GA-at-tú und schläft nie« 467) – ur-qaGA-at-tú (bedeutet) »Vegetation« (busˇqittu) 468). (10-11) »einreiben« (musˇsˇudu) 469) (bedeutet) »(ein)massieren« (musˇsˇu3u); man sagt so mit Blick auf das Exorzistenhandwerk (masˇmasˇsˇu¯tu) 470). … (13-14) »Der ra¯bisu-Dämon hat den Mund eines Mannes gepackt« 471) – ˙ einer Ziege. (14-15) »Brunnenwasser« 472) – mit Blick der ra¯bisu-Dämon hat das Gesicht ˙ auf dieses ist zu sagen, daß der Klosett-Dämon Sˇulak (die Krankheit verursacht hat).

6.2 Kommentar zu einem Text über Fumigationen gegen Epilepsie

Die in die Perserzeit datierende Kommentartafel BRM IV 32 aus der Yale Babylonian Collection stammt aus dem Kunsthandel. Einiges spricht dafür, daß sie in Uruk gefunden wurde, entweder im Haus des in frühhellenistischer Zeit tätigen Exorzisten Iqı¯sˇa¯ja oder im seleukidenzeitlichen Bı¯t-re¯sˇ-Tempel. Dorthin gelangte die Tafel jedoch offenbar erst einige Zeit nach ihrer Abfassung, denn nach Ausweis ihres Kolophons wurde sie von einem nêsˇakku-Priester des Enlil und Sohn des Ze¯r-kitti-lı¯sˇir geschrieben, was auf eine ursprüngliche Herkunft aus Nippur deutet. Die Tafel zeugt damit von dem intensiven geistigen Austausch, der in spätbabylonischer Zeit wichtige me462. (Pseudo-)etymologische Ausdeutung von »Sˇulak«, die teilweise auf sumerischen (sˇu, kù), teilweise auf akkadischen Begriffen (la¯) basiert. 463. Der Bezugstext empfiehlt, die Kopfwunden mit einer Salbe zu behandeln, die neben anderen Substanzen auch zerstoßenes lurpa¯nu enthält. 464. Eine weitere Symptombeschreibung im Bezugstext. 465. Hier scheint der Kommentar eine auf Lautähnlichkeit beruhende Verbindung zwischen miˇsittu und sˇa insˇû (< sˇa imsˇû) »wer vergißt« herzustellen. 466. Im Bezugstext Folge eines die Gesichtsmuskulatur beeinträchtigenden Schlaganfalls. 467. Fortsetzung der Symptombeschreibung im Bezugstext. 468. Ein interessantes Beispiel für die philologischen Schwierigkeiten, mit denen spätbabylonische Exegeten zu kämpfen hatten. Das ursprüngliche urtanatti la¯ ittanajjal »(der Patient) starrt immerzu vor sich hin (s. CAD R 299b) und schläft nie« wird in SpTU I 46, der Tafel, die der vorliegende Kommentar offenbar zu erklären sucht, fehlerhaft als ur-GA-at-tú la¯ ittanajjal wiedergegeben. Der Kommentator, außerstande, die korrekte Lesung zu rekonstruieren, deutet das obskure ur-GA-at-tú unsinnigerweise als ein von der Wurzel wrq »grün sein« abgeleitetes Substantiv und gleicht es, unter völliger Mißachtung des Kontexts, mit busˇqittu, einer spätbabylonischen Dialektform von urqı¯tu »Vegetation«. 469. Der Bezugstext sagt aus, daß der Patient sich immerfort mit Honig und Butterschmalz das Gesicht einreibe. 470. Offenbar eine etymologische Assoziation zwischen musˇsˇudu / musˇsˇu3u und masˇmasˇsˇu¯tu. M. J. Geller hat für das Wort masˇmasˇsˇu eine Ableitung von masˇa¯sˇu »abreiben, reinigen« postuliert (Médicine et magie: L’asû, l’âsˇipu et le masˇmâsˇu, JMC 9 [2007] 1-8, hier 7 f.), einem möglicherweise mit musˇsˇu3u genetisch verwandten Verbum. 471. Ein weiteres im Bezugstext genanntes Krankheitsbild, offenbar eine Mundlähmung. 472. Dem Bezugstext zufolge soll der Patient mit diesem Wasser seinen Mund waschen.

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sopotamische Kultzentren miteinander verband. BRM IV 32 kommentiert Lemmata aus einem Text über Räucherungen (quta¯ru) zur Behandlung verschiedener Epilepsieformen (vgl. TCL VI 34, AMT 35/3, BAM II 178-79, 388, CTN IV 159 und BM 60886+). Edition: Für eine (veraltete) Edition s. R. Campbell Thompson, A Babylonian Explanatory Text, JRAS 1924, 452-57 (vgl. auch M. Stol, Epilepsy in Babylonia, CM 2, Groningen 1993, 8, 16, 25, 104-06); eine Neubearbeitung durch E. Frahm und N. P. Heeßel ist in Vorbereitung.

logographische Schreibung) si dàra-masˇ (bedeutet) »Hirschhorn«; si (bedeutet) »Horn« und dàra-masˇ (bedeutet) »Hirsch« 473). DISˇ (bedeutet) »wenn« 474). Antasˇubba (Epilepsie): Der Kranke würgt unentwegt und wirft beständig seinen Speichel aus – (das ist) Antasˇubba. (2) Lugalurra (eine andere Epilepsieform): Er verdreht sein rechtes und linkes Auge – (das ist) Lugalurra. Sˇudingira (»Hand Gottes«): Er verflucht die Götter, spricht Lästerliches und zerschlägt, was er sieht – (das ist) Sˇudingira. Sˇuinnina (»Hand der Göttin«): (3-4) Er hat immerzu Leibschmerzen und vergißt andauernd seine Worte – (das ist) Sˇuinnina. Sˇugidima (»Hand des Totengeistes«): Seine Ohren dröhnen und … sehr, er bringt seine Zähne nicht eng genug zusammen, um zu essen – (das ist) Sˇugidima 475). … (7) Die imhur-esˇra¯-Pflanze ist wie der Strahlenglanz der Isˇtar; zweitens: imhur˘ des Sˇamasˇ, ihr Same ist wie derjenige der sˇiggusˇtu-Pflanze˘476). esˇra¯ ist wie die Pflanze »Blut eines Gebundenen« ist »Blut eines Aussätzigen«, denn ein »Gebundener« ist (8) ein »Aussätziger« 477); zweitens (ist es) »Eulenblut« 478). is ˇte¯nisˇ (»in eins«) (bedeutet) kı¯ma (»entsprechend«). »Eins vermischst du (he-he) mit dem anderen«; he-he (bedeu˘ aus Spätgerste. … (10) ˘ más ˘ ˇ-zu (betet) »vermischen«. zíd sˇe-musˇ5 ist sˇegusˇsˇu, ein˘ Mehl deutet) »(junger) Ziegenbock« 479); másˇ ist »Bock«, zu bedeutet »(sexuelle) Erfahrung (1) (Die

473. In TCL VI 34, dem aus Uruk stammenden Quta¯ru-Traktat, wird ›Hirschhorn‹, eine der Substanzen, die für die Räucherungen verwendet wurden, nicht am Anfang, sondern erst später im Text erwähnt. Aus der Tatsache, daß der Kommentar es an erster Stelle behandelt, läßt sich seine grundsätzliche Bedeutung für die Epilepsiebehandlung ableiten. Auch in Griechenland und Rom wurde ›Hirschhorn‹ für Fumigationen gegen Epilepsie verwendet (s. Stol, Epilepsy, 104). In der traditionellen indischen Medizin fungiert Hirschhorn, wie von J. Scurlock, Rez. zu Stol, Epilepsy, AfO 42/43 (1995/96), 252 vermerkt, als ein Nerventonikum. 474. Dieser und die folgenden Einträge beziehen sich auf den Anfang des Bezugstextes: »Wenn Antasˇubba, Lugalurra, Sˇudingira (oder) Sˇuinnina [auf] einem Menschen lastet« (TCL VI 34 Vs. I 1-2). Das Hauptziel des vorliegenden Kommentarabschnitts ist, den Krankheitsnamen spezifische Symptome zuzuordnen. 475. In den bislang bekannten Quta¯ru-Manuskripten fehlt der Hinweis auf Sˇugidima. Totengeister manifestierten sich nach babylonischer Auffassung oftmals durch tinnitusartige Beschwerden. 476. Eine ausführliche Beschreibung der für Fumigationen (und andere Verabreichungen) verwendeten imhur-esˇra¯-Pflanze. Die erste Erklärung scheint etymologisch fundiert zu sein (esˇra¯ – ˘ die zweite ist ein Zitat aus dem Pflanzenbuch sˇammu ˇsikinsˇu (BAM IV 379 Vs. I ˇsaru¯r Isˇtar), 34’ und Duplikate). 477. Dieselbe Gleichsetzung findet sich in einem Kommentar zu dem exorzistischen Text »Marduk’s Address to the Demons« (A 163 Rs. 3, s. W. G. Lambert, An Address of Marduk to the Demons, AfO 17 [1954-56], 310-21, hier 315). 478. Sowohl ›Blut eines Gebundenen‹ als auch ›Eulenblut‹ werden im Bezugstext als heilkräftig beschrieben; evtl. handelt es sich um Pflanzendecknamen. 479. Der Bezugstext schreibt vor, einen Ziegenbock zu schlachten und dem Kranken bestimmte

174

Texte aus Mesopotamien

besitzen«. … (15-16) mun a-ma-nu (»ama¯nu-Salz«) (klingt wie) ù-mu-un a-ma-nu; ù-muun (sumerisch: »Blutadern«) (bedeutet) »Blut«; (man sagt so) wegen des roten Salzes aus Medien 480).

6.3 Kommentar zu einem Text zur Behandlung eines gestörten Geburtsverlaufs (Dystokie)

Die vermutlich in die Achämenidenzeit datierende, vollständig erhaltene Kommentartafel 11N-T3 wurde 1972-73 in Nippur gefunden. Sie gehörte einem Klagepriester des Enlil namens Enlil-ka¯sir, einem Sohn des Enlil-sˇumu-ibni und Abkömmling des ›Sumerers‹ Ludumununa.˙ Die von M. Civil, Medical Commentaries from Nippur, JNES 33 (1974) 329-38 (hier 331-36) edierte Tafel (vgl. auch A. Cavigneaux, Aux sources du Midrash: l’herméneutique babylonienne, AuOr. 5 [1987] 243-55, hier 252-55) bietet Deutungen zu einem Kompendium mit Beschwörungen und Handlungsanweisungen zur Erleichterung problematischer Geburten (KAR 196 = BAM III 248 und Teil-Duplikate). Hauptziel des Kommentars ist, durch die Etablierung etymologischer Bezüge zwischen den im Bezugstext gebrauchten Worten und einem erfolgreichen Geburtsprozeß die Wirksamkeit der Behandlung nachzuweisen. Eine von A Shaffer in UET 6/3 als Nr. 697 veröffentlichte weitere Kommentartafel, das aus Ur stammende Fragment U.30654, wurde von M. Stol als (Teil)duplikat zu 11N-T3 identifiziert (s. W. H. P. Römer, Rez. zu UET 6/3, BiOr. 64 [2007], 182). Der Kolophon der besagten Tafel ist weggebrochen. ein kleines Rohr aus dem Sumpf« (gi èn-bar-bàn-da sˇu u-me-ti) 481): gi (bedeutet) »Frau«, bar (bedeutet) »herauskommen«, bàn-da (bedeutet) »Baby« (oder) »Kleinkind«. »Straßenstaub« (sahar sil-la) 482): (sumerisch) sahar (bedeutet) Staub; sahar ˘ ˘ ˘ (sˇá-am-nu): (Das Zeiund (akkadisch) sahar (»Klein(kind)«) sind eins. … (11-12) »Öl« ˘ ˙ chen) GAR (= sˇá) (bedeutet), wenn nig ausgesprochen, »Frau«, am (bedeutet) »Nachwuchs« und nu (bedeutet) »machen«. Zweitens: Das Zeichen NI, wenn i ausgesprochen, (bedeutet) »Öl«; i (bedeutet zugleich): »Herauskommen des Nachwuchses« 483). (8-9) »Nimm

480.

481. 482. 483.

Teile des Kadavers zu verabreichen. Ziegenböcke wurden, vielleicht aufgrund ihres charakteristischen Schreiens, in Mesopotamien, den Mittelmeerkulturen und auch sonst häufig mit Epilepsie assoziiert; s. Stol, Epilepsy, 149-50. Es wäre zu überlegen, ob das vieldiskutierte griechische Wort tragodia, wörtlich »Bocksgesang«, nicht hier seinen Ursprung haben könnte; man denke an Sophokles’ »König Oedipus« und den schrecklichen Schrei, den sein Protagonist, der tragischen Wahrheit inne werdend, ausstößt, ehe er sich selbst blendet. Plinius berichtet in seiner Naturalis historia von rotem Salz am Oxus, einer Region, die die Babylonier eventuell mit ›Medien‹ assoziiert haben könnten. Die Färbung dürfte durch das Wirken der Süßwasseralge Haematococcus pluvialis ausgelöst worden sein (s. D. T. Potts, A Note on Red Salt, NABU 1990/129). Im Bezugstext gebotene sumerische Anrede des Heilers, der das in Öl getauchte Rohr über den Bauch der Schwangeren gleiten lassen soll. Straßenstaub fungiert im Bezugstext als Teil der materia medica und magica. Diese philologisch z. T. sehr gewagten notarikonartigen Deutungen der akkadischen und sumerischen Worte für »Öl« zielen darauf ab, dessen geburtsfördernde Wirkung linguistisch zu begründen.

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Eckart Frahm

… (40-43) »Ihre Vulva ist gelockert«: »Vulva« ist die Scham der Frau; wie in: »Strecke deine Hand aus, berühre unsere Vulva.« 484) … Drittens: »Vulva« (hurdatu) (klingt wie) ˘ »Loch für den Liebling« (hurri da¯di); der »Liebling« (aber) ist der Sohn. ˘

484. Zitat aus dem Gilgamesˇ-Epos (VI 69); Isˇtar verführt mit diesen Worten den Gärtner Isˇulla¯nu.

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II. Texte der Hethiter

Jörg Klinger

Hethitische Texte zur Medizin – Einleitung Im Unterschied zu Mesopotamien machen die Texte der hethitischen Überlieferung, die man in einem spezielleren Sinne als medizinische Texte bezeichnen könnte, nur eine kleine Gruppe aus, die sich zudem nur schwer von der weitaus umfangreicheren Überlieferung an Beschwörungsritualen abgrenzen läßt, als deren Zweckbestimmung man ja ebenfalls die Behebung eines »Unwohlseins« im allgemeinsten Sinne sehen kann. Eine scharfe Trennung zwischen diesen beiden Bereichen wird hethitischen Vorstellungen ganz sicher nicht gerecht, da die Grenzen hier gänzlich fließend sind und man von einem eigenständigen Genre hethitischer medizinischer Texte eigentlich nicht sprechen kann. 1) Das bedeutet aber selbstverständlich nicht, daß deshalb nicht auch in der sonstigen hethitischen Überlieferung, z. B. in der diplomatischen Korrespondenz, aber auch im innerhethitischen Briefwechsel 2), diverse Hinweise zu finden sind, die ein Interesse an Fachleuten bezeugen, deren Aufgabe die »Heilung« von Menschen ist. Es wird hierbei freilich gerade nicht zwischen »Ärzten« und sonstigen Spezialisten wie Beschwörern oder Ritualkundigen differenziert. Auch ein Interesse am Wissen ausländischer Spezialisten ist dokumentiert, sowohl aus Babylon als auch aus Ägypten waren »Ärzte« am hethitischen Hof tätig. Und Hattusili III. hielt es offenbar für möglich, daß deren Kenntnisse umfassend genug waren, um selbst seiner über 50 Jahre alten Schwester noch zu Mutterfreuden verhelfen zu können, was Ramses II. allerdings mehr als skeptisch sah 3). 1.

2. 3.

Vgl. allgemein H. G. Güterbock, Hittite Medicine, Bulletin of the History of Medicine 36, 1962, 109-13; C. Burde, Hethitische medizinische Texte (= StBoT 19), Wiesbaden 1974; G. Beckman, Medizin. B. Bei den Hethitern, RlA 7, Lief. 7/8, 1990, 629-31; V. Haas, Hethitische Heilverfahren, in: A. Karenberg / Chr. Leitz (Hg.), Heilkunde und Hochkultur, Berlin / Hamburg / Münster, 2000, 21-48; R. Arnott, Disease and Medicine in Hittite Asia Minor, in: ders., (Hg.), The Archaeology of Medicine (BAR International Series 1046), Oxford 2002, 4152. Vgl. speziell den briefartigen Text KBo 13.62 (dazu A. Hagenbuchner, Die Korrespondenz der Hethiter, 2. Teil (= THeth 16), Heidelberg 1989, 22 ff.), in dem von einer Fieber-Erkrankung der Königin (?) die Rede ist. Vgl. den bekannten Brief KBo 28.30 und dazu E. Edel, Die ägyptisch-hethitische Korrespondenz aus Boghazköi in babylonischer und hethitischer Sprache, Bd. I, Opladen 1994, 178-181

177

Jörg Klinger

In hethitischen Texten ist bereits seit der althethitischen Zeit das gängige Sumerogramm LÚA.ZU »Arzt«4) belegt; eine hethitische Entsprechung ist nicht bekannt 5). Einige »Ärzte« sind namentlich bekannt und tragen einheimisch anatolische Namen 6), aber auch wenn der Ausdruck »Arzt-Schüler« (LÚA.ZU TUR KAB.ZU.ZU KBo 11.1 Rs. 26’) belegt ist, also offenbar ein spezielles Wissen vermittelt wurde, lassen die vorhandenen Belege es nicht zu, eine Vorstellung von der Art der Tätigkeit hethitischer Ärzte zu gewinnen. 7) In verschiedenen Fällen treten als LÚA.ZU bezeichnete Spezialisten eindeutig als Beschwörer oder Rezitatoren auf (vgl. z. B. KUB 28.80 I 33 ff.; eine Rezitation in hattischer Sprache) 8), ohne daß aber klar wird, ob dies nur der Unterstützung konventionellerer therapeutischer Maßnahmen diente oder ihre Handlungen sich in solchen verbalen Aktivitäten erschöpften. Nichts in den hethitischen Quellen deutet darauf hin, daß man über ein Vorstellungskonzept verfügte, in dem aus der Diagnose der Ursachen9) einer Krankheit spezifische praktische therapeutische Maßnahmen abgeleitet werden und die wiederum zur Herstellung und Anwendung z. B. von Salben oder Tränken o. ä. folgte, deren erhoffte Wirksamkeit in bestimmten Fällen etwa auf Beobachtung und Erfahrung beruhte. Zwar finden sich hier und da Beispiele etwa für die Verabreichung von Tränken, dabei handelt es sich aber in der Regel nur um ein Element verschiedener

4. 5.

6. 7.

8.

9.

178

(Nr. 75) bzw. die Übersetzung von G. Wilhelm, in: B. Janowski / G. Wilhelm (Hg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, Bd. 3: Briefe, Gütersloh 2006, 236 f. sowie G. Beckman, Hittite birth rituals, Wiesbaden 1983, 253 f. Vgl. auch den Überblick bei V. Haas, Materia magica et medica hethitica. Ein Beitrag zur Heilkunde im Alten Orient, Berlin / New York, 2003, 6 ff. Zur Frage einer Interpretation des hieroglyphenluwischen Zeichens L 135,2 als Entsprechung zur Bezeichnung LÚA.ZU s. jetzt J. D. Hawkins, bei S. Herbordt, Die Prinzen- und Beamtensiegel der hethitischen Großreichszeit auf Tonbullen aus dem Nis¸antepe-Archiv in Hattusa, Mainz 2005, 311, der allerdings aufgrund der Zeichenform, die einen Vogel darzustellen scheint, eher an mit MUSˇEN gebildete Titel wie z. B. LÚIGI.MUSˇEN oder LÚMUSˇEN.DÙ denkt. Vgl. F. Pecchiolo Daddi, Mestieri, professioni e dignità nell’Anatolia ittita (= Incunabula Graeca, vol. LXXIX), Rom 1982, 120. Es scheint, daß auch Frauen diese Tätigkeit ausüben konnten; vgl. H. Otten / Chr. Rüster, Ärztin im hethitischen Schrifttum, in: M. Mellink et al. (Hg.), Aspects of Art and Iconography: Anatolia and its Neighbours. Studies in Honor of N. Özgüç, Ankara 1993, 539-41 sowie G. Beckman, From cradle to grave: women’s role in Hittite medicine and magic, JAC 8 (1993) 25-39. Mehrere Rituale werden jeweils von einem LÚA.ZU durchgeführt, weisen aber keine speziellen »medizinischen« Elemente auf, sondern fügen sich in die Reihe der Beschwörungsrituale ein, wie etwa das Ritual des »Arztes« Zarpija aus Kizzuwatna; vgl. dazu zuletzt M. Hutter, Zum Ritual des Zarpiya. Funktion und Einbettung in die religiösen Traditionen Anatoliens, in: A. Archi / R. Francia (Hg.), VI Congresso Internazionale di Ittitologia, SMEA 49 (2007) 399-406. Dabei war die Suche nach den Ursachen einer Krankheit durchaus kausal, aber kausal im Sinne des hethitischen Weltbildes. So suchte man den Grund für die lange in Hatti grassierende Seuche zuallererst in einer Verfehlung des Königs gegenüber den Göttern, mit der dieser die Seuche als Werkzeug göttlicher Strafe provoziert hatte. Dementsprechend richtete sich das Heilungsbemühen auch – immanent kausal gedacht – auf die Erforschung der Art der Verfehlung, um so den Zorn der Götter besänftigen zu können, d. h. die Krankheit »heilen« zu können.

Texte der Hethiter

Maßnahmen einer »Heilungs«-Prozedur, die ganz überwiegend eher magisch-rituellen Charakters war, so daß es sicherlich in den meisten Fällen müßig sein dürfte, die Frage nach der praktischen Wirksamkeit solcher Mixturen zu stellen, da ihr angenommener Erfolg auf einem ganz anderen Wirksamkeitsschema beruhte. Eine systematisch ausgearbeitete Heilkunde oder vergleichbare Sammlungen, wie sie aus dem mesopotamischen Bereich vorliegen, kennt die hethitische Überlieferung nicht und es gibt auch so gut wie keine Hinweise darauf, daß es so etwas gegeben haben könnte. Einige der wenigen Texte, die man einem medizinischen Korpus zuschlagen kann, lassen sich unschwer als von der mesopotamischen Tradition abhängig erkennen. Unklar bleibt dabei, so etwa im Falle des Textes KUB 37.1 (= CTH 808), ob die Beschäftigung damit primär inhaltlich motiviert war oder einem allgemeineren Interesse an mesopotamischer Gelehrsamkeit entsprang. Daneben gibt es Abschriften oder Importe anderer akkadischsprachiger Texte (vgl. CTH 809). Nur eine kleine Gruppe von zudem sehr fragmentarisch erhaltenen Texten könnte eine eigene medizinische Tradition repräsentieren, aber nur wenige Passagen lohnen eine Übersetzung (s. unten Nr. 1 und 2). Aufgrund ihres ganz eigenen Charakters innerhalb der hethitischen Überlieferung wurden sie hier doch mit Beispielen aufgenommen, auch wenn nicht sicher ist, daß die Texte tatsächlich auf eine genuin inneranatolische Tradition zurückgehen und sich nicht eher einer wie auch immer im Detail gearteten Rezeption verdanken. Dem lassen sich einige Texte an die Seite stellen, die sich vor allem mit Fragen der Schwangerschaft und der Geburt beschäftigen und die einerseits offenbar eine eigene einheimische Tradition repräsentieren bzw. einer jüngeren, vorwiegend hurritisch beeinflußten Rezeption entstammen. Gerade weil diese Texte in ihrer Verbindung der verschiedenen Ebenen der Heilungspraxis so typisch sind und in ihrer therapeutischen Absicht eindeutig zuzuordnen sind, wurden sie hier unter den »medizinischen« Texten aufgenommen.

1. Aus einer Tafel mit medizinisch-therapeutischen Texten (KUB 44.63 + 8.83) Die stark fragmentierte, ursprünglich zweikolumnige Tafel KUB 44.63 + (= CTH 461.D), die in einer junghethitischen Niederschrift vorliegt, enthält einen der wenigen inhaltlich rekonstruierbaren Abschnitte der hethitischen Überlieferung der medizinischen Texte. Es scheint, als diene die beschriebene therapeutische Maßnahme dem Stillen einer Blutung, vielleicht in Folge einer Verletzung, aber das läßt sich nicht näher angeben. Die sonst typische Verbindung mit Ritualhandlungen scheint in diesem Fall zu fehlen, vielmehr werden ausschließlich im engeren Sinne medizinisch-therapeutische Handlungen beschrieben, allerdings sind die erste und die vierte Kolumne der Tafel vollständig verloren, so daß man keinen wirklichen Eindruck vom weiteren Kontext dieses Textes bekommt. Während der erhaltene Teil der Kol. II vor allem die Herstellung eines äußerlich anzuwendenden, aus verschiedenen Pflanzen gewonne-

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Jörg Klinger

nen Heilmittels beschreibt 10), befaßt sich die Rückseite des Textes mit Erkrankungen der Augen, wobei ein aus Zypern stammender Stoff mar(r)uwasˇha- eingesetzt ˘ wird 11). Bearbeitung und Literatur: C. Burde, Hethitische medizinische Texte (StBoT 19), 1974, 2834; vgl. noch V. Haas, Materia magica et medica hethitica. Ein Beitrag zur Heilkunde im Alten Orient, Berlin / New York 2003, 117.

KUB 44.63 + 8.38 (Vs. II 3’) Wenn

er aber durch jenes Kraut nicht [gesun]d wird, (II 4’) verabreicht er 12) ihm dieses Kraut. Bevor er das Mittel (II 5’) verabreicht, (II 7’) schlägt er ihn entweder 1 mal oder 2 mal (II 6’) plötzlich auf den Kopf (II 7’) und läßt ihm Blut ab. (II 8’) Während er ihm Blut abläßt, (II 9’) verabreicht er ihm dieses Kraut. Er nimmt das Blatt des utnisˇa-Krauts 13) (II 10’) und wäscht es mit Wasser ab. Die Knolle 14) (II 11’) nimmt er und schält sie ab. (II 12’) Trockenes und Zerriebenes läßt er nicht daran. (II 13’) Dann kocht er sie mit Wasser in einem bronzenen Gefäß. Wenn es (II 14’) gar ist, zerquetscht er es mit der Hand und (II 15’) seiht es mit einem Tusch ab. Dann (II 16’) gießt er es in das bronzene Gefäß zurück. Und das bronzene Gefäß (II 17’) füllt er (damit). Ausgewähltes [ -]mazzummazu 15) (II 18’) (und) ? nimmt er. Ausgesuchten Alaun?, (II 19’) [von dem] er eine Kelle voll nimmt, schüttet er darunter. (II 20’) [x] Rationen Wein zum Trinken, 3 Ratione[n ] (II 21’) gießt er. Und er verbrennt es. 16) Wenn die Augen eines Menschen [ ] (III 9’) in dieser Weise erkrankt sind 18) es mangelt ihnen] an Tränen, ijauwan und marruwasˇha. (III 11’) Jenes marruwasˇha [brin]gt man von Zypern he[rauf] (III 12’) als Wollbinde für sein Auge. Ferner zerreibt˘ er [das marruwasˇha?] für ihn. (III 13’) Er …t es und mischt es 19). (III 14’) Und er zer˘

(Rs. III 8’) 17)

(III 10’) [oder

10. 11.

12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

180

Vgl. V. Haas, Materia magica et medica hethitica. Ein Beitrag zur Heilkunde im Alten Orient, Berlin / New York, 2003, 107. Vgl. C. Burde (1974), 34 hatte noch aufgrund eines älteren Bedeutungsansatzes an ein rötliches, also vielleicht kupferhaltiges Mineral o. ä. gedacht; s. dazu aber jetzt CHD L-N, 202b mit dem Hinweis, daß die Anwendung eines kupferhaltigen Mittels kaum ratsam sein dürfte. S. auch V. Haas (2003), 117 c. n. 523 sowie 225 »Azurit«, mit weiterer Lit. Es ist nicht erkennbar, ob die Person, die die Handlungen durchführt, ein Mann oder eine Frau ist und welche Bezeichnung oder Funktion er oder sie hat. Vgl. noch V. Haas (2003), 349; die Lesung als Sumerogramm bleibt unsicher, da sonst nicht belegbar. Die genaue Bedeutung bleibt unklar, da unsicher ist, ob die Zeichenfolge als heth. gapanu unbek. Bedeutung oder doch als zu akk. gapnu »Knolle« gehörig zu deuten ist; vgl. CHD Sˇ, 203a. Zum Versuch einer Rekonstruktion dieser Passage vgl. HW2, III: H, Lief. 17, 2007, 457a. Die Deutung von IM.SAHAR.KUR.RA als »Alaun« (vgl. auch HZL,˘ sub Nr. 337 und V. Haas ˘ [2003], 235) bleibt allerdings unsicher, da das Element NA4 fehlt. In den folgenden, sehr fragmentarischen Zeilen, bevor der Text vollständig abbricht, werden in unklarem Zusammenhang noch verschiedene Becher und Geräte aus Bronze erwähnt. Auch die vorhergehenden, weitestgehend verlorenen Zeilen scheinen sich auf Erkrankungen der Augen zu beziehen; genannt wird »Feuer«, vielleicht im Sinne von Brennen der Augen zu verstehen, und »Tränen«. Text Singular. Beide Verbalformen sind unklar.

Texte der Hethiter

reibt es erneut. Und in einen Bronzebecher (III 15’) gießt er Wein. Jenes marruwasˇha (III 16’) wirft er dazu (III 17’) und vermischt es 20). Und entweder am Tag (III 18’) oder in der Nacht verabreicht er es ihm (III 19’) – das ist nicht wichtig. 21) Wenn er es ihm verabreicht, (III 21’) wischt er (III 20’) ihm mit warmem Wasser die Tränen und den Eiter 22) (III 21’) ab. 23)

2. Das hethitische Geburtshilferitual KUB 30.29 Erhalten ist der Anfang des Rituals, das auf einer einkolumnigen Tafel verzeichnet war, wobei die erhaltene Rückseite unbeschrieben geblieben ist. Das könnte darauf deuten, daß das Ritual selbst nicht besonders umfangreich war. Es war ursprünglich Teil der Tafelsammlung, die sich in Gebäude A, Raum 5 auf Büyükkale fand. Einleitend werden nur die vorbereitenden Handlungen der Hebamme 24) beschrieben, eine Liste von Materialien, wie sie häufig zu Beginn ebenfalls aufgezählt werden, fehlt in diesem Text. Dies erweckt den Eindruck, daß sich die Aktivitäten der »Hebamme« im wesentlichen auf praktische Handlungen sowie die Rezitation von Beschwörungen oder Heilsformeln beschränken. Das Milieu der dabei genannten Gottheiten und der zugehörigen Ortsnamen weist auf einen traditionell hattischen Hintergrund, was für eine lange Tradition sprechen könnte.25) Lediglich der Orstname Maliluha ist nicht weiter aussagekräftig, aber mit z. B. Tawinija oder Hakmisˇ werden ˘ ˘ auch für die Städte genannt, die schon seit der altassyrischen Zeit belegt sind und Hethiter große Bedeutung hatten. In der kurzen Beschwörungspassage werde eine Reihe von einheimisch-anatolischen Gottheiten mit wichtigen Kultorten genannt, die jeweils als ihr Wohnsitz oder als zentraler Ort ihres Wirkens genannt werden, allein die Muttergöttin Hannahanna ˘ habe keinen solchen Ort, sondern sie halte sich immer bei den Menschen˘auf, d. h. sie ist die Gottheit, an die man sich für eine glückliche verlaufende Geburt zu wenden hat. Die Niederschrift, die relativ viele Fehler oder Flüchtigkeiten enthält, ist mittelhethitisch, es könnte sich aber auch um eine Abschrift eines noch älteren Textes handeln. Bearbeitung: G. Beckman, Hittite Birth Rituals (StBoT 29), 1983, 22-31.

20.

21. 22. 23. 24. 25.

Anders V. Haas, (2003), 117, der harnamnija- versuchsweise mit »in Gärung versetzen« wie˘ dergibt. Eine Entscheidung ist schwer möglich, da das Verbum einerseits eindeutig gebraucht wird, wenn es um die Mischung verschiedener Stoffe geht, aber andererseits – allerdings in der Regel in bezug auf Menschen – auch »in Aufruhr versetzen o. ä.« bedeutet. Das bezieht sich auf die zeitliche Angabe. So versuchsweise mit V. Haas (2003), 117 In der Zeile wird noch etwas von einem Schaf erwähnt, dann bricht der Text ab. Die heth. Bezeichnung hasˇ(sˇa)nupalla- (sum. MUNUSSˇÀ.ZU) stellt eine Ableitung der Kausativerweiterung des heth.˘ Verbums hasˇ- »zeugen, gebären« dar. ˘ mehrerer Beschwörungen enthält, finden sich auch zwei Auf der Tafel KUB 17.28, die den Text Beschwörungen in hattischer Sprache für den Fall verschiedener Komplikationen während der Geburt; vgl. G. Beckman (1983), 84 f.

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Jörg Klinger

KUB 30.29 (Vs. 1) [Wenn]

eine Frau gebiert, bereitet die Hebamme dies vor: (2) [2 Hock]er und Und auf jeden (3) Stuhl ist 1 Kissen gelegt. § (4) Und [1] Kissen hat man zwi3 schen den beiden Stühlen (5) ausgebreitet. Sobald das Kind herunterfällt 27) (6) setzt sich die Frau auf die Kissen und die Hebamme (7’) hält mit der [Ha]nd ein huwammalija˘ gibt Tuch 28). (8’)? [Und folgender]maßen rezitierst du 29) immer wieder: § (9) Landstücke man den [Göt]tern. Die Sonnengöttin von Arinna (10’) ließ sich nieder. Halmasˇsˇuit aber ˘ in Harpisˇa ebenso 30). (11) Hatepihnui in Maliluha ebenso. Die Schutzgottheit in Karahna ˘ ˘ ˘ ˘ hebensoi. (12) Der [schre]ckliche Telipinu in Tawinija ebenso. (13) Huzzija in Hakmisˇ eben˘ ˘ so. (14) Für Hannahanna aber blieb kein Ort übrig. Für sie blieb der Mensch 31) (15) als Ort übrig. §˘32) ˘ Kissen 26).

3. Das Geburtshilferitual KBo 17.62 + 63 Diese Ritualfragment gehört einer größeren Gruppe von Texten an (CTH 409), die der Ritualkundigen Tunawija zugeschrieben werden und die hier im teilweise erhaltenen Kolophon als Hebamme 33) bezeichnet wird. Für das Ritual selbst wird dort dieselbe Bezeichnung verwendet, wie sie sich auch einleitend im vorhergehende Ritual findet: »Wenn eine Frau gebiert« (vgl. Rs. IV 19’). Da hier in Vs. I 13’ von einer separaten Tafel von Beschwörungen, die während einer Geburt zu rezitieren sind, die Rede ist, hat man vermutet, es könne sich dabei um den soeben besprochenen Text handeln. 34) Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Texten sind in der Tat unverkennbar, zumal der Fundort mit Gebäude A, Raum 5 von Büyükkale identisch ist, sichern läßt sich diese Vermutung allerdings nicht. Bearbeitung: G. Beckman, Hittite Birth Rituals (StBoT 29), 1983, 32-41.

KBo 17.62 + 63 (Vs. I 2’) [Un]d

auf der anderen Seite [ ] (I 3’) sitzt er/sie. x[ (I 4’) Und das Kind [fällt] her[ab § (I 5’) 2 kle[ine] Schemel [ (I 6’) Und v[or] der Frau [ist] 1 Schemel [hingestellt]

26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34.

182

Es dürfte sich um eine spezielle niedrige Sitzgelegenheit oder einen Hocker, vielleicht mit gekreuzten Beinen, handeln, der sich interessanterweise auch in Emartexten belegt findet; vgl. ˇ ˇ dazu zuletzt CHD Sˇ/2, 290a, s. v. KUS/GISsˇarpasˇsˇi-. D. h., wenn das Kind zur Welt kommt; zu »fallen« im Sinne von »geboren werden« vgl. auch M. Stol, Birth in Mesopotamia and the Bible, Groningen 2000, 127. HW2, Bd. III H, Lief. 16, 2004, 424 übersetzt »Auffangtuch«. ˘ Wechsel von der 3. zur 2. Person Sg. Man beachte den Der Schreiber verwendet hier und im folgenden Textabschnitt das Zeichen KI.MIN mit dem Wiederholung identischer Textteile markiert werden kann – hier steht es für die hethitische Verbalform esˇat »er/sie ließ sich nieder, setzte sich«. G. Beckman (1983), 22 emendiert hier zu »Menschhheiti«, was ebenso denkbar ist; das Gemeinte scheint mir in beiden Fällen deutlich zu werden. Vom nächsten Abschnitt haben sich nur noch vier sehr fragmentarische Zeilen erhalten. S. oben S. 181. Vgl. H. Otten, BiOr. 8, 1951, 230 n. 51.

Texte der Hethiter (I 7’) und

1 Schemel ist hint[er] ihr [hingestellt.] I (8’) [Und] die Hebammen se[tzen] sich. § (I 9’) Während die Frau sch[reit,] beschwört [die Hebamme] immer wieder die Beschwörung des Sc[hreiens.] (I 10’) Wann immer die Frau zu schr[eien beginnt], (I 12’) beschwört [(I 11’) die Hebamme] (I 12’) immer wieder. Aber von 1 Tafel[ ] (I 13’) Und die Tafeln der Beschwörungen sind sepa[rat]. § (14’) Sobald die Frau zu schreien beg[innt], (I 15’) bereitet man das Kind schon früher vor. (I 16’) In dem Monat, in den Tagen das Ki[nd aber] geboren wi[rd,] (I 17’) hat man es schon vorbereitet. 35) § (I 18’) Während die [Fra]u aber noch nicht schrei[t,] (I 21’) treibt man (I 19’) das weibliche Schaf, das vorbereitet ist, sei es träch[tig] (20’) oder nicht (wörtlich: leer) in das Innengemach. (I 21’) Wenn aber die Frau gebie[rt,] (I 22’) fällt das Kind. Jenes weibliche Schaf aber (23’) schwenkt man 3mal (I 22’) über de[m Kopf] der Frau. 36) (I 23’) Die Hebamme aber (I 24’) [sp]richt immer wieder (I 23’) dabei [folgendermaßen:] § (I 25’) Welche [jene] Frau unten/ hinab[ (I 26’) Und] sie weg [ (I 27’) [Si]e sollen sie freilas[sen!] § 37) (Rs. IV 1’) Leb[en (IV 2’) NA4hekur 38)

x § (IV 3’) »Und jenem [Kind? ] (IV 4’) ein hbestänidiges ˘ hekur x[ ] (IV 5’) welches hina[b ] (IV 6’) haltet am Leben! Und x[ h]alt[et !«] ˘ (IV § 7’) »Und kommt he[rb]ei! [Wie das] NA4hekur (8’) Wind und Reg[en] vom Platz nicht ˘ das, was an diesem (Platz) aufwächst, das h[eben können,] (IV 10’) ebenso soll nicht (IV 9’) böse Wort vom Platz (IV 11’) hochheben. Un[d e]s soll ebenso beschützt s[ein!] (IV 12’) Und es soll beständig am Leben sein!« § (IV 13’) Und wenn ein So[hn] geboren wird, spricht die Hebamme fo[lgendermaßen:] (IV 14’) »Gerade jetzt habe ich das Gute 39) eines Sohnes ge[bracht,] (IV 15’) im nächsten J[ahr] will ich das Gute einer Tochter bringen!« § (IV 16’) Wenn eine Toch[ter] geboren wird, spricht sie folgendermaßen: »Jet[zt] (IV 17’) gerade jetzt habe ich das Gute [einer Tochter] gebracht, im nächsten (IV 18’) Jahr will ich das Gute [eines Sohn]es bringen!»§ (IV 19’) [x. Tafel: »Wen]n eine Frau gebiert« – nicht vollständig. (20’) [Worte der Tun]awija, der Hebamme. 40) NA4

35.

36. 37. 38.

39. 40.

G. Beckman (1983), 32 nimmt an, das Pronomen –an beziehe sich hier auf die Mutter, die allerdings drei Zeilen zuvor das letzte Mal erwähnt wurde. Solch ein Bezug eines enklitischen Personalpronomens wäre zumindest sehr ungewöhnlich. Andererseits wird nicht klar, worin die Vorbereitung des (ungeborenen) Kindes bestehen könnte. Vgl. zu diesem Abschnitt auch V. Haas (2003), 454. Der Rest der Kolumne ist abgebrochen. Mit NA4hekur werden in der hethitischen Überlieferung Gebäude oder Anlagen bezeichnet, ˘ die in Verbindung mit dem Totenkult stehen und meist an speziellen Orten wie Felseinschnitten oder auf Plateaus errichtet gewesen zu sein scheinen. Man hat vermutet, daß z. B. Yazilikaya oder auch die Kammer B der Südburg ein solches NA4hekur gewesen sein könnten; ˘ vgl. Th. P. van den Hout, Tombs and Memorials: The (Divine) Stonehouse and hegur Recon˘ Archaeolosidered, in: K. A. Yener / H. A. Hoffner jr. (Hg.), Recent Developments in Hittite gy and History. Papers in Memory of Hans G. Güterbock, Winona Lake 2002, 73-91. Es bleibt unklar, was damit gemeint ist. Es sind noch einige Zeichen weiterer Zeilen erhalten, die aber keinen zusammenhängenden Kontext ergeben.

183

Jörg Klinger

4. KBo 17.65 + 39.45 – ein Ritual gegen Probleme in der Schwangerschaft und nach der Geburt Diese Tafel, die sehr stark beschädigt ist und nur zu Teilen rekonstruiert werden konnte 41), stellt nicht nur aufgrund ihres Inhaltes eine Besonderheit dar. Sie ist einkolumnig beschriftet, wobei jeweils die Vorder- wie die Rückseite mit der identischen Einleitungszeile beginnen: »Wenn eine Frau schwanger wird« – allerdings ist in beiden Fällen der Anfang der Zeile nicht erhalten, so daß der mögliche Hinweis auf denjenigen, auf den das Ritual zurückgeht, verloren ist. Die Tafel war vermutlich, wie die beiden zuvor besprochenen Texte auch, ebenfalls in der Sammlung in Raum 5 des Geb. A auf Büyükkale aufbewahrt und datiert auch in dieselbe mittelhethitische Zeit. Die inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen den beiden Ritualen sind so offensichtlich, daß man eher von zwei Versionen eines Rituals sprechen sollte. 42) Andererseits gibt es aber auch in beiden Versionen Passagen, die abweichend behandelt werden – detaillierter oder in der Beschreibung variierend. Der grundsätzliche Aufbau des Rituals ist davon aber nicht betroffen – der Verlauf und die thematisierten Aspekte entsprechen sich im Wesentlichen.43) Hinzu kommen noch verschiedene Bemerkungen innerhalb des Textes, wie man sie normalerweise nicht findet, so daß sich der Verdacht aufdrängt, daß hier tatsächlich nicht ein fertiges Ritual beschrieben wird, sondern daß wir es in diesem Fall mit einer Materialsammlung oder Entwürfen für ein Ritual zu tun haben – also gleichsam work in progress. Zwischen den beiden Versionen ist ein Abschnitt eingeschoben (Vs. 44-55), der Fragen des Zeitpunktes der Durchführung und des Umfanges der Opferungen ˇ des »Festes 44) der Muttergöttinnen des Körpers« (DINGIR.MAHMES tuekkasˇ) be˘ handelt, das während der Schwangerschaft durchgeführt werden soll, thematisiert aber nicht dieses selbst, sondern auch hierfür wird wiederum auf separate Tafeln verwiesen. Nach der zweiten Ritualversion schließen sich noch weitere Textabschnitte an, die ohne erkennbaren direkten Bezug zum vorhergehenden sind und jeweils auch formal – entweder durch die Verwendung von »fertig« QATI (Rs. 60) oder durch die Setzung von doppelten Paragraphenstrichen (vor Rs. 61 und nach Rs. 64) als in sich abgeschlossen markiert sind. Hinzu kommt noch ein weiterer Textabschnitt auf dem Tafelrand. 45)

41. 42. 43.

44. 45.

184

Einzelne Teile des Textes waren separat ediert worden, bevor H. Otten dann alle bis dahin bekannten Fragmente gemeinsam als KBo 17.65 neu herausgab; inzwischen konnte noch das Fragment KBo 39.45 angeschlossen werden, vgl. D. Groddek, DBH 11, 2004, 59. Zu einer Übersicht über die jeweils entsprechenden Abschnitte vgl. G. Beckman (1983), 148 f. Im Falle des Rituals KBo 23.1 (CTH 472) ist die Situation insofern anders, als es sich dort um – bis auf orthographische Varianten – identische Fassungen handelt, die direkt hintereinander aufgezeichnet wurden; zu diesem Text s. R. Strauß, Reinigungsrituale aus Kizzuwatna. Ein Beitrag zur Erforschung hethitischer Ritualtradition und Kulturgeschichte, Berlin / New York 2006, 253 ff. Obwohl es einen Ritualherrn (EN.SÍSKUR Vs. 55) gibt, verwendet der Text die Bezeichnung EZEN4 (Vs. 45, 47, 50 f.) für die Ritual-bzw. Kulthandlungen, nicht SISKUR/SÍSKUR. Die vielfältigen redaktionsgeschichtlichen Aspekte des Textes können hier aber nicht weiter diskutiert werden; vgl. noch G. Beckman (1983), 147 mit teilweise abweichender Interpretation.

Texte der Hethiter

Es ist sicher, daß der Text keinen genuin-zentralanatolischen Ursprung hat, sondern, wie der Text ausdrücklich formuliert und auch durch die Verwendung von entsprechenden Opfertermini unterstreicht, auf eine hurritisch-kizzuwatnäische Tradition zurückgeht, in der vorliegenden Form aber offensichtlich in Hattusˇa im Rückgriff ˘ sich damit ein in auf eben solche Quellen in mittelhethitischer Zeit entstand. Er reiht eine breite Rezeption unterschiedlichster Rituale aus diesem Bereich. Bearbeitung und Literatur: G. Beckman, Hittite Birth Rituals (StBoT 29), 1983, 132-75; vgl. noch V. Haas et al., Corpus der hurritischen Sprachdenkmäler I/9, Rom 1998, 201 (Nr. 133); Y. Cohen, Taboos and Prohibitions in Hittite Society (= THeth 24), Heidelberg 2002, 67 ff. (Text 19) 46).

KBo 17.65 + 39.45 W]enn eine Frau schwanger wird: Im Haus sie x[(2) a]ber auf den Gebärstuhl setzt sie sich nicht. Danach … [(3) ]kommt sie und reini[gt] sich mit kunziganahit. ˘ (4) …]t sie. § (5) Wenn der 7.? Monat (der Schwangerschaft) eint]ritt 48), dann kommt 49) (6) Und[ i]m 7. Monat führt er/ der Gatte mit seiner Frau nicht mehr zusammen. sie das mala-Opfer 50) der Schwangerschaft aus. § (7) Ferne[r x-]Opfer zuvor. Und sie 51) opfert sie vollständig davor. [(8) ] Und besonders das mala-Opfer spendet sie. Ferner uzija- und zurkija-Opfer. (9) spend[et sie. Rein]heit gibt sie. § (10) Am nächsten Morgen reinigt [der Beschwörer 52)] ihren [Mu]nd folgendermaßen: Der Beschwörer [ ] (11) [gießt …]. In den Tonbecher wirft er harnai- 53). Und Zedern-, (12) Oliv[en- und Tama˘ (Vs. 1) 47)

46.

47.

48. 49. 50. 51. 52. 53.

Die inhaltliche Interpretation bei Cohen gerade des Abschnittes Vs. 14-19 leidet darunter, daß das schon bekannte Zusatzstück KBo 39.45 nicht berücksichtigt wurde, durch das sich doch Änderungen gegenüber der Version bei G. Beckman (1983) ergeben; ebenso bei V. Haas (2003), 775 mit überholter Übersetzung. Aufgrund des stark fragmentarischen Charakters des Textes und des oft nicht leicht inhaltlich nachvollziehbaren Kontextes bleiben die hier vorgeschlagenen Ergänzungen oft tentativ. Um dennoch eine Verständlichkeit des Textes zu ermöglichen, wird hierbei etwas großzügiger verfahren, als dies sonst üblich ist. Wo man mit hinreichender Sicherheit kleinere Lücken ergänzen kann, werden diese in der Übersetzung nicht markiert. Die alternative Version scheint hier die genauere Angabe zu haben: »Wenn für sie nur noch 2 Tage im 6. Monat übrig sind« (Rs. 3). Wörtlich »mit jmd. hintreten«, was hier ganz offensichtlich in einem sexuellen Sinne zu verstehen ist. Dieses Opfer ist bisher nur in diesem Ritual belegt; ob die Bezeichnung aus dem Hurritischen stammt, läßt sich sowenig sichern, wie eine Deutung des Begriffes möglich ist; vgl. CHD L-N, 125a. Vermutlich ist die Schwangere gemeint. Geschrieben LÚAZU »Beschwörer«, nicht die bekannte Bezeichnung für »Arzt« LÚA.ZU, vgl. oben die Einleitung, S. 178. Es ist unklar, ob es sich um eine Flüssigkeit, wofür der Zusammenhang hier eher spricht, oder eine feste Substanz handelt; vgl. auch V. Haas (2003), 370 und HW2, Bd. III H, Lief. 15, 316, ˘ das sich für eine »gegorene Flüssigkeit« ausspricht; anders J. Puhvel, Hittite Etymological Dictionary Vol 3: Words beginning with H, (Trends in Linguistics Documentation, 5) Berlin / New York 1991, 404 f., der hurnai- liest und es als »non-solid arboreal substance« deutet. ˘

185

Jörg Klinger

riskenholz 54)] legt er hinein. Und er 55) reinigt sich seinen Mund. (13) [Was] er [dab]ei aber hurritisch spricht, das befindet sich auf einer anderen Tafel. § (14) Ferner ist es [nicht] recht [ .] Wenn sie aber jemand einlädt, (15) [ge]ht sie [nicht ins] Fest[haus 56)]. Entsprechend (16) der Vorschrift (15) für die (kultische) Re[inigung] und Säuberung des Gebärstuhles, (16) genauso sind auch diese (Dinge). § (17) asˇtauwar 57) zu essen (und) trinken ist für sie nicht recht. Und tapp[i- 58) ] ißt sie nicht. (18) x Kresse 59) ißt sie [nicht], Gartenkresse ißt sie immer wieder. (19) Das asˇtauwar 60) der Frau [ißt] der Ma[nn], das asˇtauwar des Mannes ißt die Frau nicht. § (20) [We]nn der Mann bei ihr ist, ist jener sauber gewaschen. Und wenn (die Zeit) (21) zum Essen ist, sitzt er bei ihr. Es ist aber ein Tisch auch für den Mann (22) [nö]tig, und für die Frau ist er nötig. Und eine Schale ist für sie nötig. (23) Er ist tatsächlich bei ihr, aber sie ißt nicht mit ihm. § (24) Die Holz- und Tongerätschaften, der Stuhl und das Bett – ganz neu und (25) leer – [… nimm]t man. In den Bronzegerätschaften, die (da sind), in denen zündet man Feuer an. § 61) (26) [… All]es nimmt man. (Beschwörungs-)Worte gibt es keine. § (27) [Wenn die Frau] gebiert, und sobald der 7. Tag kommt, dann (28) [führt man] das mala-Opfer (27) des Neugeborenen (28) […] opfert man an jenem 7. Tag. [Wenn] (29) [ein Junge geboren wird, (31) dann zählt man von jenem Monat ab, (29) in welchem er geboren wird, sei es, (30) daß (nur noch) 1 Tag oder 2! Tage übrig sind 62). (31) Wenn [der 3. Monat eintritt, (32) dann reinigt man den Jungen] mit kunziganahit. (33) kunziganahit aber kennt der Beschwörer. [Und für …] ˘ geboren wird, dann zählt man von jenem opfern [je]ne. § (34) [Wenn]˘ aber ein Mädchen Monat ab. (35) Sobald aber der 4. Monat eintritt, dann (36) reinigt man (35) das Mädchen mit kunziganahit. § (37) Wenn es aber (die Zeit) des Geburtsfestes ist, (also) sobald sie gebiert – wie ˘man das Fest feiert, (38) [das ist auf einer Holztafel] ausgefertigt und es ist eine Kizzuwatna-Tafel. Wörtlich kenne ich das Fest (39) [nicht auswendig 63)]. Ich werde

54. 55. 56.

57. 58. 59. 60. 61. 62. 63.

186

Die Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens dieser drei Substanzen legt die Ergänzung hier nahe; zu weiteren Beispielen mit vergleichbarem Kontext vgl. CHD P, 55 f. Es ist unwahrscheinlich, daß sich dieser Satz auf die Schwangere bezieht, wie Y. Cohen (2002), 67 anzunehmen scheint. So die näherungsweise Übersetzung des heth. Ékallisˇtarna-, bei dem es sich, wie andere Textstellen zeigen, um ein Gebäude handelt, in dem Feste nicht nur kultischer Art gefeiert werden und wo gegessen und getrunken wird; J. Puhvel, Hittite Etymological Dictionary Vol 4: Words beginning with K, (Trends in Linguistics Documentation, 14) Berlin / New York 1997, 23, abweichend die Interpretation von G. Beckman (1983), 155 f., der eher an ein Gebäude denkt, in das sich Schwangere vor der Geburt zurückziehen können. Unbekannte Bedeutung; wir schließen uns der Deutung dieser Passage bei HW2 A, 493b nicht an. Diese unbekannte Substanz wird in einem der im engeren Sinne medizinischen Texte (KUB 44.61 Rs. 20’; vgl. C. Burde [1974], 23 f.) verwendet. Vgl. aber V. Haas (2003), 349 c. n. 466, der aufgrund von Belegstellen, die ZÀ.AH.LI als Schmarotzerpflanze deuten lassen, vielmehr an Hopfenseide oder Teufelszwirn denkt.˘ Nach V. Haas (2003), 775 vielleicht ein Gewürz. Der folgende Abschnitt weist zahlreiche Lücken auf, ist aber mithilfe der analogen Passage aus dem 2. Ritual der Tafel (Rs. 38-41) gut inhaltlich wiederherzustellen. Der Abschnittsstrich an dieser Stelle wurde irrtümlich gesetzt, da der Hauptsatz den Relativsatz fortsetzt, der in Vs. 29 beginnt. Wörtl. etwa »ist mir nicht mündlich ins Herz hinein(gelegt)«.

Texte der Hethiter

sie von dort herbringen. 64) § 65) (40) [Und bis] (das Fest) beendet ist, schlägt und bekämpft man (41) niemand. Und man frevelt auch gegen niemand. Falls jemand zornig ist (42) […] geht er zurück. Wenn er aber vortritt, wird man ihn gleich 66) [befrag]en. 67)

64. 65. 66. 67.

Auch in der zweiten Version findet sich dieser Abschnitt; dort heißt es jedoch »man wird sie von dort herbringen« (Rs. 46). Dieser letzte Abschnitt hat in der zweiten Version keine Entsprechung, sondern dort folgt ein in sich abgeschlossener Textabschnitt, der Opferungen für Hepat enthält. ˘ Das uwanzi nach der Satzeinleitung ist phraseologisches uwa»kommen« (anders G. Beckman [1983], 136 f.), allerdings ist unsicher, ob das Hauptverb des Satzes wirklich zu punusˇ»befragen, verhören« zu ergänzen ist. Hier endet die erste Fassung des Ritualtextes und es folgt ein kurzer Einschub eines weiteren kurzen Ritualtextes, bevor sich in Rs. 1 dann die zweite Version des hier übersetzten Textes anschließt.

187

III. Texte aus Syrien

Beiträge zur Heilung von Mensch und Tier in Ugarit Herbert Niehr Unterschiedliche keilalphabetische Texte aus Ugarit haben die Heilkunde bzw. Aspekte dieser Wissenschaft zum Thema: So gibt es Rituale für die Heilung vom Schlangenbiß (KTU 1.100; vgl. 1.107) 1), für die Heilung nach Trunkenheit (KTU 1.114), 2) ein Orakel anläßlich der Heilung bei schwerer Erkrankung (KTU 1.124) 3) oder ein Ritual für eine Behandlung während einer Schwangerschaft (RS 17.81). 4) Eine Besonderheit in der Heilkunde Ugarits bilden Rituale bzw. Rezepte für die Heilung von erkrankten Tieren. Von allgemeinen Tiererkrankungen handelt KTU 1.86 5). Eine Konzentration auf die Heilung erkrankter Pferde zeigen die hippiatrischen Texte aus Ugarit (KTU 1.71; 1.72; 1.85; 1.97). 6) Von diesen Ritualen aus dem Bereich der Heilkunde werden im Folgenden das 1.

2.

3. 4. 5. 6.

Vgl. u. a. A. Caquot, Textes religieux, in: A. Caquot / J.-M. de Tarragon / J.-L. Cunchillos, Textes Ougaritiques II (LAPO 14), Paris 1989, 9-123, bes. 79-94; M. Dietrich / O. Loretz, Ugaritische Rituale und Beschwörungen, TUAT II (1988) 299-357, hier 345-350; dies., Studien zu den ugaritischen Texten I: Mythos und Ritual in KTU 1.12, 1.24, 1.96, 1.100 und 1.114 (AOAT 269/1), Münster 2000, 263-402; dies., Horo¯n, der Herr über die Schlangen, in: P. Mar˙ Presented to Pelio Fronzaroli, Wiesbaden rassini (Hg), Semitic and Assyriological Studies 2003, 150-172; jetzt in: M. Dietrich (Hg.), Orbis Ugariticus. Ausgewählte Beiträge von Manfried Dietrich und Oswald Loretz zu Fest- und Gedenkschriften (AOAT 343), Münster 2008, 119-140; D. Pardee, Les textes para-mythologiques de la 24e campagne (1961) (RSOu IV), Paris 1988, 193-226; ders., Ritual and Cult at Ugarit, Leiden 2002, 172-179; G. del Olmo Lete, Canaanite Religion: According to the Liturgical Texts of Ugarit, Atlanta 1999, 359-371; J. Kutter, nu¯r ilı¯. Die Sonnengottheiten in den nordwestsemitischen Religionen von der Spätbronzezeit bis zur vorrömischen Zeit (AOAT 346), Münster 2008, 106-125. Vgl. u. a. Caquot, Textes religieux, 71-78; Dietrich / Loretz, Rituale und Beschwörungen 342345; dies., Studien, 403-523; dies., »Siehe, da war er (wieder) munter!«. Die mythologische Begründung für eine medikamentöse Behandlung in KTU 1.114 (RS 24.258), in: M. Lubetzki et al. (Hg.), Boundaries in the Ancient Near Eastern World. A Tribute to Cyrus H. Gordon (JSOTSS 273), Sheffield 1998, 174-198; jetzt in: Dietrich (Hg.), Orbis Ugariticus, 141-163; Pardee, Textes para-mythologiques 13-74; ders., Ritual and Cult 167-170. S. u. 1. Vgl. J. Nougayrol, Textes suméro-accadiens des archives et bibliothèques privées d’Ugarit, Ugaritica V (1968) 1-446, hier 29 no. 16; 375 no. 16. Vgl. u. a. G. del Olmo Lete / I. Márquez Rowe, Sobre KTU 1.86, AulaOr. 13 (1995) 255-258; Pardee, Ritual and Cult, 144-147. S. u. 2.

189

Herbert Niehr

Protokoll einer Befragung des königlichen Ahnen Dita¯nu (KTU 1.124) und die Rezeptsammlung zur Heilung von Pferdekrankheiten (KTU 1.85) vorgestellt.

1. Protokoll einer Befragung zur Heilung von einer Krankheit (KTU 1.124 = RS 24.272) Keilschrifttafel der zweiten Hälfte des 13. Jh. v. Chr. – Fundort: Ugarit, Südakropolis, Haus des hurritischen Priesters, Raum 10. – Aufbewahrungsort: Damaskus, Nationalmuseum (DO 6609). – Erstpublikation: Ch. Virolleaud, Ugaritica V, Paris 1968, 563 f. no. 6. – Photo und Faksimile: Ch. Virolleaud, Ugaritica V, 563 no. 6; D. Pardee, Les textes para-mythologiques de la 24e campagne (1961) (RSOu IV), Paris 1988, 179-192, hier 181 fig. 14. – Weitere Bearbeitungen und Literatur: D. Pardee, Les textes para-mythologiques de la 24e campagne (1961) (RSOu IV), Paris 1988, 179-192; A. Caquot, Textes religieux, in: A. Caquot / J.-M. de Tarragon / J.-L. Cunchillos, Textes Ougaritiques II (LAPO 14), Paris 1989, 9-123, bes. 119123; J. Tropper, Nekromantie (AOAT 223), Kevelaer / Neukirchen-Vluyn 1989, 151-156; M. Dietrich / O. Loretz, Gebrauch von Götterstatuen in der Mantik von Ugarit (KTU 1.124), UF 12 (1980), 395 f.; dies., Protokoll einer Anfrage anläßlich der Geburt eines Prinzen (KTU 1.124), TUAT II/2, Gütersloh 1988, 329-331; dies., Mantik in Ugarit (ALASP 3), Münster 1990, 205-240; G. del Olmo Lete, Canaanite Religion: According to the Liturgical Texts of Ugarit, Atlanta 1999, 310-315; D. Pardee, Ritual and Cult at Ugarit, Leiden 2002, 170-172.

Bei KTU 1.124 handelt es sich um das Protokoll einer Nekromantie. Der als Statue präsente Dita¯nu, der mythische Ahnherr der Dynastie von Ugarit, wurde mittels eines nekromantischen Vorgangs nach dem Schicksal eines erkrankten Knaben 7) befragt. Die Identität des Knaben geht aus dem Keilschrifttext nicht hervor. Da aber kein Geringerer als Dita¯nu befragt wurde, nimmt man häufig an, daß es sich um einen erkrankten Prinzen bzw. den Kronprinzen der Dynastie gehandelt habe. Als Ort der nekromantischen Handlung ist das Haus des hurritischen Priesters auf der Akropolis von Ugarit anzunehmen, weil die Tontafel mit dem Protokoll hier archiviert wurde. Da eine Anzahl von Ritualen und Beschwörungen, die sich auf den Palast bzw. auf den König beziehen, in diesem Haus gefunden wurde,8) ist hierin ein zusätzliches Indiz für die Situierung von KTU 1.124 im Rahmen eines Krankheitsfalles im Palast zu sehen. Der in den ersten beiden Textzeilen auftretende »Herr der großen Götter« ist der Nekromant, der die unter der Patronage des Dita¯nu stehenden divinisierten Ahnen der Königsfamilie befragte. Der Nekromant, hinter dem sich wohl der »hurritische Priester« verbirgt, erhielt Anweisungen für die Durchführung eines Rituals in den Tempeln der Götter Horon und Ba2al und im Palast des Königs, als dessen Bote er gleichzeitig fungierte. VS (1) Als

gelangte der Herr großen Götter zu Dita¯nu (3) und die Entscheidung über das Kind erfragte, (2) der

7. 8.

190

Im Unterschied zu den älteren Bearbeitungen wird die These von KTU 1.124 als Geburtsorakel mit guten Gründen heute nicht mehr vertreten. Z. B. KTU 1.108; 1.110; 1.111; 1.116; 1.120; 1.125.

Texte aus Syrien (4) da

antwortete ihm Dita¯nu: sollst antworten: ›Nimm einen Behälter mit Myrrhe (6) und setze ihn in den [T]empel des Horon, eine neue (7) Flasche Myrr[he] nimm und setze sie (8) in den Tempel des Ba2al. Eine Figurine nimm (9) und setze sie in das Haus 9) und (10) sie wird seine Krankheit entfernen.‹« 10) Und es gelangte (11) dein Bote zu Dita ¯ nu. RS (12) Er nahm die Entscheidung entgegen (5) »Du

(13) und

es antwortete ihm »Das Haus reinige (15) von Fisch und von Hund. 11) Untere Ecke (16) Und danach wird kein Gift mehr da sein.« 12) (14) Dita ¯ nu:

2. Anweisungen zur Heilung von Pferdekrankheiten (KTU 1.85 = RS 17.120) Keilschrifttafel der zweiten Hälfte des 13. Jh. v. Chr. – Fundort: Ugarit, Quartier résidentiel, Haus des Rasˇapa¯bu. – Aufbewahrungsort: Damaskus, Nationalmuseum (DO 4585). – Erstpublikation: Chr. Virolleaud, Ugaritica V, Paris 1968, 625-627. – Photo: Ch. Virolleaud, Ugaritica V, 625 fig. 16. – Weitere Bearbeitungen und Literatur: P. Fronzaroli, La lingua dei testi ippiatrici di Ugarit, AGI 60 (1975), 34-46; D. Pardee, Les textes hippiatriques (RSOu II), Paris 1985; ders., Quelques remarques relatives à l’étude des textes hippiatriques en langue ougaritique, Sem 45 (1996), 19-26; ders., Ugaritic Science, in: P. M. M. Daviau et al. (Hg.), The World of the Aramaeans III. Studies in Language and Literature in Honour of PaulEugène Dion (JSOTSS 326), Sheffield 2001, 223-254, bes. 229 f.244-248; Ch. Cohen / D. Sivan, The Ugaritic Hippiatric Texts. A Critical Edition, New Haven 1983; Ch. Cohen, The Ugaritic Hippiatric Texts. Revised Composite Text, Translation and Commentary, UF 28 (1996) 105-153; P. Bordreuil / D. Pardee, Manuel d’Ougaritique II, Paris 2004, 71-73. 9. Hiermit kann auch der Palast gemeint sein; vgl. auch Z. 14 und del Olmo Lete, Canaanite Religion, 314 Anm. 69. 10. Zur Verwendung von Ritualfigurinen in der hethitischen Religion und zur Translation pathogener Substanzen auf sie vgl. V. Haas, Materia Medica et Magica Hethitica II, Berlin / New York 2003, 569-613, bes. 590 f. 11. So mit J. Tropper, Ugaritische Grammatik (AOAT 273), Münster 2000, 824 § 89.11c, der bei »Hund« an »Hundefleisch« denkt. Allerdings ist der Verzehr von Hundefleisch doch fraglich, zumal wenn es sich um den Königspalast handelt. Vgl. aber die Verwendung von Hundehaaren (sˇ2r klb) in dem Rezept gegen die Folgen der Trunkenheit (KTU 1.114,29). Bei »Fisch« ist ist auch an seine Verwendung als Heilmittel und als Vehikel zur Entfernung pathogener Substanzen zu denken, somit an zwei Phänomene, die vor allem aus der anatolischen Ritualtradition bekannt sind; vgl. V. Haas, Materia Magica et Medica Hethitica I, Berlin / New York 2003, 491-494 und R. Strauß, Reinigungsrituale aus Kizzuwatna, Berlin / New York 2006, 73.199-201. 12. Es handelt sich um den Akt einer sympathetischen Magie, der auf dem Wortspiel von mr »Myrrhe« (Z. 5) und mr »Bitterkeit = Gift« (Z. 16) beruht; vgl. G. del Olmo Lete / J. Sanmartín, A Dictionary of the Ugaritic Language, Leiden 2 2004, 569 s. v. mr (I) und mr (III) sowie KTU 1.100, wo sˇmrr im Sinne von »(die Schlange) hat vergiftet« auftritt. Vgl. dazu noch Kutter, nu¯r ilı¯, 111 mit Anm 580. Auch Pardee, Ritual and Cult, 171 deutet die in KTU 1.124 genannte Krankheit als Folge eines Schlangenbisses.

191

Herbert Niehr

Die hippiatrische Abhandlung spr n2m s´s´wm (»Abhandlung zur Heilung von Pferden«) liegt auf vier z. T. sehr fragmentarischen Tontafeln vor: KTU 1.71 (= RS 5.300) von der Akropolis, KTU 1.72 (= RS 5.285 + 5.301) aus Grab V von der Akropolis, KTU 1.85 (= RS 17.120) aus dem Haus des Rasˇapa¯bu im Quartier résidentiel und KTU 1.97 (= RS 23.484) aus der Maison aux Textes littéraires in der Südstadt. Es hat sich gezeigt, daß diese Tafeln nicht Kopien einer Vorlage oder Varianten eines Textes darstellen, sondern sie vier unterschiedliche Versionen einer therapeutischen Tradition repräsentieren, so daß entgegen der dominierenden Praxis die Erstellung eines textus compositus nicht sinnvoll ist. 13) Von allen vier Tafeln bietet lediglich die Tafel KTU 1.85 einen vollständigen Text, der deshalb auch der folgenden Übersetzung zugrunde liegt. Was den Inhalt des Textes angeht, so ist zu sehen, daß die ab der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. erfolgte Domestizierung des Pferdes und seine Nutzung als Haustier das Problem von Tierkrankheiten und die Frage nach ihrer Heilung mit sich brachte. 14) Das Thema der Pferdeheilung ist bereits im 18. Jh. v. Chr. in Mari aufgrund der Nennung von Pferdeärzten belegt, auch wenn bislang kein hippiatrischer Text aus Mari bekannt ist. 15) Was Ugarit betrifft, so handelt einer der ältesten hier gefundenen Briefe, den König Niqmepa von Alalah in der zweiten Hälfte des 15. Jh. v. Chr. an ˘ König Ibiranu von Ugarit gerichtet hat, von der Flucht eines Pferdetrainers aus Alalah und dem Verlust dreier Pferde.16) Darüber hinaus führt uns Ugarit im 13. Jh. ˘ v. Chr. die ältesten hippiatrischen Texte aus den semitischen Kulturen vor Augen. Die große Bedeutung der Pferde ist in Ugarit im Rahmen des Militärwesens mit ihrer Verwendung als Zugtiere von Streitwagen und z. T. auch als Reitpferde gegeben. Allerdings gab es keine Kavallerie, wohl aber einzelne berittene Soldaten, die als Kundschafter und Boten agierten. 17) Ebenso sind Pferde als Reittiere für Gottheiten und als Zugtiere für ihre Streitwagen belegt. 18) 13. 14. 15. 16.

17.

18.

192

Vgl. J. Sanmartín, Textos hipiátricos de Ugarit y el discurso de método, AulaOr. 6 (1988) 227235 und auch die Überlegungen bei Pardee, Remarques, 25 f. Vgl. A. von den Driesch / J. Peters, Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierkrankheiten, Stuttgart / New York 2 2003, 3-27. Vgl. J.-M. Durand, Archives épistolaires de Mari I/1 (ARM XXVI), Paris 1988, 55, 570 n.c. Zu den akkadischen hippiatrischen Texten vgl. die Angaben bei Cohen, Texts, 105 Anm. 1. Vgl. auch Codex Hammurabi § 224-225, wo allerdings Pferde noch nicht erwähnt sind. Vgl. RS 4.449 und dazu D. Arnaud, Études sur Alalah et Ougarit à l’âge du Bronze Récent, SMEA 37 (1996) 47-65, hier 48-54. Zur Ausbildung von Streitwagenpferden im Anatolien des 15. Jh. v. Chr., in dessen Ausstrahlungsbereich auch Alalah und Ugarit lagen, vgl. F. Starke, Ausbildung und Training von Streitwagenpferden (StBoT ˘41), Wiesbaden 1995 und generell J. Marzahn, Pferdetraining nach Keilschrifttexten, in: A. Wieczorek / M. Tellenbach (Hg.), Pferdestärken. Das Pferd bewegt die Menschheit (Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 23), Mannheim / Mainz 2007, 45-50. Vgl. M. Heltzer, The Internal Organization of the Kingdom of Ugarit, Wiesbaden 1982, 103130.192-194; J.-P. Vita, El ejército de Ugarit, Madrid 1995, 35-132; J. Vidal, Ugarit at War (2), UF 38 (2006) 699-716, hier 699-702; S. M. Maul, Militärpferde im Alten Orient, in: Wieczorek / Tellenbach (Hg.), Pferdestärken, 51-55. Vgl. etwa die Nennung von Pferden der Götter Rasˇpu und Milk2attartu (RS 86.2235,16’-17’) sowie die Pferde und Wagen der rapi3u¯ma (KTU 1.20 II 2-3). ¯Zu den ikonographischen Aspekten vgl. I. Cornelius, The Iconography of the Canaanite Gods Reshef and Ba2al. Late Bronze Age and Iron Age Periods (c 1500-1000 BCE) (OBO 140), Freiburg / Göttingen 1994, 78-87; ders., The Many Faces of the Goddess (OBO 204), Freiburg / Göttingen 2004, 40-

Texte aus Syrien

Mit KTU 1.85 liegt eine Rezeptsammlung vor, bei der die einzelnen Rezepte durch einen Trennungsstrich voneinander abgehoben werden. Es handelt sich näherhin um zehn Rezepte, die jeweils eine Dreiteilung in Symptomatik, Bereiten der Medizin und Verabreichen der Medizin aufweisen. Alle Medizin wird durch die Nüstern verabreicht. 19) Auffällig ist, daß keine Götter für den erfolgreichen Ausgang der Heilung angerufen werden. Leider sind die Namen der meisten im Ritual genannten Pflanzen bzw. Präparate unklar, so daß in vielen Fällen auf eine Übersetzung verzichtet werden muß.20) VS (1) Abhandlung

zur Heilung von Pferden.

das Pferd keucht, soll ein sˇt-Maß 21) der Skorpionpflanze und aufgelöst werden, entweder in einer dicken Emulsion (4) oder in Pulver 22), und man gieße es in seine Nüstern. (2) Wenn

(3) pulverisiert

(5) Wenn

das Pferd Durchfall hat, sollen eine mg˙mg˙-Pflanze 23) und ein Sproß der 2rgz-

Pflanze 24) (6) zusammen (7) Und

pulverisiert werden und man gieße es in seine Nüstern.

wenn das Pferd Durchfall hat, sollen eine hndrt-Pflanze 25) und Bittermandeln pulverisiert werden und man gieße˘(es)¯ in seine Nüstern.

(8) zusammen (9) Und

wenn das Pferd keine Ausscheidung hat und nicht uriniert, [aufgel]öst werden ein Maß qlql-Pflanze 26) und ein Maß 2rgz-Pflanze 27) (11) (und) zusammen [pulveri]siert werden und man gieße (es) in seine Nüstern. (10) sollen

19. 20.

21. 22. 23. 24. 25. 26. 27.

45.117-123; J. K. Hoffmeier / K. A. Kitchen, Reshep und Astarte in North Sinai: A Recently Discovered Stela from Tell el-Borg, Ä&L 17 (2007) 127-136. Dies geschah unter Zuhilfenahme eines Rohres; vgl. von den Driesch / Peters, Geschichte, 27 und des weiteren die Angaben bei Cohen, Texts, 118. Einsichten zu KTU 1.85 aus veterinärmedizinischer Sicht bietet J. Schäffer, Rezension zu Pardee, Textes hippiatriques, BibOr 44 (1987) 501-507. Ein komparativer lexikalischer Versuch zur Erklärung von KTU 1.85 unter Rückgriff auf das Arabische findet sich bei F. Renfroe, Diagnosing Long-Dead Patients: The Equine Ailments in KTU 1.85, Or 57 (1988) 181-191; vgl. dazu aber D. Pardee, Some Brief Remarks on Hippiatric Methodology, AulOr. 10 (1992) 154 f. Akkadischer und ugaritischer Terminus für ein Hohlmaß bzw. ein Maßgefäß; vgl. AHw 1064; del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 851, s. v. sˇt (II). Vgl. AHw II, 673, s. v. mundu(m), muddu(m); del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary 561 f., s. v. mndg˙. Vgl. AHw 644, s. v. memı¯/e¯tu ; del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 532, s. v. mg˙mg˙. Vgl. zu den Interpretationsmöglichkeiten del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 182, s. v. 2rgz (I). Vgl. AHw 347, s. v. hi/enzu¯ru, inzu¯ru ; del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 398, s. v. ˘ hndrt. ˘Vgl. ¯AHw 927, s. v. qulqullia¯nu, qulqullânu ; del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary 701, s. v. qlql. S. o. Anm. 24.

193

Herbert Niehr

das Pferd Nahrung [auf]nimmt (?), 28) sollen ein Maß mksˇr 29) durchschnittlicher Quali[tät] und ein Maß asˇkrr 30) (14) und Früchte von hdrt 31) pulverisiert werden und man gieße (es) in seine Nüstern. ˙¯ (15) Und wenn das Pferd Nahrung aufnimmt (?), sollen ein Maß nnu-Pflanze 32) (16) und ein Maß mks ˇr 33) von durchschnittlicher Qualität und ein Maß (17) rötlicher irg˙n 34) pulverisiert werden und man gieße (es) in seine Nüstern. (12) [Wenn]

(13) von

(18) Und

wenn das Pferd seinen Kopf schüttelt, soll ein Maß gemischtes Futter von Flachssamen 35) (19) pulverisiert werden und man gieße (es) in seine Nüstern. (20) Und

wenn das Pferd [xxxxx], sollen Koriander vom Waldhügel 36) sˇ[xxxx]tx auf xx[xxx] (22) [zusammen] pulverisiert werden [und man gie]ße (es) [in seine Nüstern].

(21) und

(23) Und

wenn [das Pferd] keu[cht xxxxx], sollen Frucht von einem 2t[rb 37) (und) 38) der Sa]me von [Bitterm]andeln [und] ¯ (25) ebensoviel Koriander [und e]bensoviel Fenchel [xxxx] (26) und ein Maß nnu-Pflanze 39) und (die) Früchte von einem 2bk 40) und [xxx] (27) mg˙mg˙-Pflanze 41) und Früchte von hdrt 42) und [xxxx] ˙¯ Untere Ecke (28) rötlicher irg˙n 43) zu[sammen] pulverisiert werden (29) und man gieße (es) in seine Nüstern. (24) die

RS (30) Wenn

(das Pferd) seinen Kopf schüttelt und sehr deprimiert ist, (sollen) alte Feigen und a[lte] Rosinen (31) und Malzmehl (pulverisiert werden) und man gieße (es) zusamm[en in seine Nüstern]. 28.

29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43.

194

Die hier und in Z. 15 verwendete Formulierung ahd akl ist unklar und erfährt daher unter˘ schiedliche Deutungen: »If a horse is seized with ›pain‹ …« (Cohen, Texts, 110.126), »If consumption has seized the horse …« (Renfroe, Diagnosing, 187 f.), »Wenn das Pferd das Futter (?) packt (?)« (Tropper, Grammatik, 686 § 76.324, »Si le cheval saisit anormalement (sa) nourriture …« (Bordreuil / Pardee, Manuel, 72) oder »if the horse tends to be bloated with barley« (del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 37, s. v. ahd ; 44, s. v. akl). Vielleicht handelt ˘ es sich um die bei Pferden nicht seltene Neigung, sich zu überfressen. Vgl. del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 545, s. v. mksˇr. Vgl. AHw 396, s. v. i/esˇku¯ru(m) ; del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 118, s. v. asˇkrr. Vgl. del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 357 s. v. hdrt. ˙ ¯ ¯Dictionary, 633, s. v. nnu (I). Vgl. AHw 791, s. v. nı¯nû(m); del Olmo Lete / Sanmartín, S. o. Anm. 29. Vgl. AHw 67, s. v. arha¯nû ; del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 101 s. v.a/irg˙n. Vgl. del Olmo Lete /˘Sanmartín, Dictionary, 719, s. v. qt. ˙ Vgl. dazu W. H. van Soldt, The Topography of the City-State of Ugarit (AOAT 324), Münster 2005, 173. Vgl. del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 193, s. v. 2trb. ¯ Zur haplographischen Auslassung des w vgl. Cohen, Texts, 111.140 f. S. o. Anm. 32. Vgl. AHw 8, s. v. abukatu ; del Olmo Lete / Sanmartín, Dictionary, 145 s. v. 2bk. S. o. Anm. 23. S. o. Anm. 31. S. o. Anm. 34.

IV. Texte aus Ägypten 1. Die altägyptische Medizin 1)

Wolfhart Westendorf 1.1 Die Geschichte der Erforschung der ägyptischen Medizin

Schon vor der 1822 erfolgten Entzifferung der Hieroglyphen gab es Nachrichten aus dem Altertum, die Wunderdinge über die ägyptische Medizin berichteten: Homer (Odyssee 4,229 ff.) nennt die ägyptischen Ärzte »erfahrener als alle anderen Menschen«, Herodot schreibt (II 84): »Alles ist voller Ärzte«, darunter Augenärzte, Zahnärzte, Ärzte für den Kopf, den Leib und für die unsichtbaren Krankheiten und Diodor berichtet von gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungsvorschriften, »wie sie von zahleichen berühmten Ärzten älterer Zeit verfaßt worden seien« 2). Noch um 200 n. Chr. weiß Clemens von Alexandria von sechs ägyptischen medizinischen Büchern zu berichten, und zwar »über den Bau des Körpers, über die Krankheiten, über die Geräte (des Arztes), (über) die Heilmittel, über die Augen(krankheiten), über die Zustände der Frauen«. Solche Nachrichten lassen uns schmerzhaft erkennen, wie reich das ägyptische Schrifttum gewesen sein muß, denn die im Folgenden genannten Texte sind nur noch ein matter Abglanz. Es war der erst 26jährige Heinrich Brugsch, der 1853 mit seinem Aufsatz »Über die medicinischen Kenntnisse der Alten Ägypter« das wissenschaftliche Studium der ägyptischen Medizin auf Grund der ägyptischen Texte einleitete, gefolgt von der Publikation des Papyrus Ebers durch Georg Ebers (1875).

1.

2.

Hier nur eine knappe Zusammenfassung; ausführlicher behandelt in W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, 2 Bände, HdO I/36, Leiden 1999; im folgenden als »Westendorf, Handbuch« zitiert; dazu die kritische, zukunftsweisende und die bisherige Medizin auf weitere Bereiche ausdehnende Besprechung von J. F. Quack, Rez. zu Westendorf, Handbuch (1999), OLZ 94 (1999) 455-462; ferner ders., Methoden und Möglichkeiten der Erforschung der Medizin im Alten Ägypten, Medizinhistorisches Journal 38 (2003) 3-15. H. Grapow, Von den medizinischen Texten, Grundriß der Medizin II, Berlin 1955, 1 mit Anm. 3.

195

Wolfhart Westendorf

1.2 Die Quellen

1.2.1 Die primären Quellen Als die aufschlußreichsten und zuverlässigsten Zeugen für die altägyptische Medizin dienen die Papyri und sonstigen Texte, in denen die Ärzte selber sich (in der Ich- oder Du-Form) zu Wort melden und lehrbuchartig ihre Erfahrungen für den Nachfolger (oder entsprechend prädestinierte Personen) niedergelegt haben. Solche Texte besitzen wir vom Mittleren Reich an (um 1900 v. Chr.) bis an das Ende der Pharaonenzeit (332 v. Chr.) und weiter in der Koptischen Medizin der Griechen- und Römerzeit. Als die wesentlichsten Papyri sind zu nennen (in der Reihenfolge ihres Alters der Niederschrift, die Zeit ihrer Abfassung reicht zum Teil bis in das Alte Reich zurück): 3) 1. Papyrus Ramesseum V: Rezepte zur Behandlung der Gefäße; Niederschrift um 1900 v. Chr.; British Museum London Edition: J. W. Barns, Five Ramesseum Papyri, Oxford 1956, 30-34 & pl. 21-23 (Bearbeitung & Transkription); A. H. Gardiner, The Ramesseum Papyri, Oxford 1955, 9 & pl. XV-XVII (Photos)

2. Papyrus Kahun: Lehrtexte über Frauenleiden; Niederschrift um 1850 v. Chr.; University College London Edition: M. Collier / S. Quirke, The UCL Lahun Papyri: Religious, Literary, Legal, Mathematical & Medical, BAR International Series 1209, Oxford 2004, 58-64 mit Falttafeln am Ende

3. Papyrus Smith: Chirurgische Lehrtexte (sogenanntes »Wundenbuch«); im Anhang Zaubersprüche gegen Seuchen; Niederschrift um 1550 v. Chr.; The New York Academy of Medicine Edition: J. H. Breasted, The Edwin Smith Surgical Papyrus, Oriental Institute Publications 3, 2 Bände, Chicago 1930

4. Papyrus Ebers: Sammelhandschrift von rund 20 m Länge (die schönste und längste Handschrift des Altertums); 880 Einzeltexte unterschiedlicher Art; Niederschrift um 1550 v. Chr.; Universitätsbibliothek Leipzig Edition: G. Ebers, Papyros Ebers: Das hermetische Buch über die Arzneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift, Leipzig 1875 (Faksimile des Textes); W. Wreszinski, Die Medizin der alten Ägypter III: Der Papyrus Ebers. Umschrift, Übersetzung & Kommentar. Teil I: Umschrift, Leipzig 1913 (Transkription); W. Westendorf, Handbuch II, 547710

5. Papyrus Hearst: Sammelhandschrift mit 260 Einzeltexten, mit zahlreichen Parallelen (über 90) zum Papyrus Ebers: Niederschrift um 1550 v. Chr.; University of California at Berkeley Edition: G. A. Reisner, The Hearst Medical Papyrus, Hieratic Text in 17 Facsimile Plates in Collotype with Introduction & Vocabulary, University of California Publications, Egyptian Archaeology I, Leipzig 1905 (Photos)

3.

196

Aus den Texten Nr. 2-8 findet sich im Anschluß eine repräsentative Auswahl an Passagen übersetzt. Text Nr. 9 ist separat in diesem Band (3.) übersetzt.

Texte aus Ägypten

6. Papyrus London 10059: Sammelhandschrift, jedoch mit auffälliger Häufung von Zaubertexten; bemerkenswert die Sprüche in fremden Sprachen (Nordwestsemitisch und Kretisch) 4); Niederschrift um 1350 v. Chr.; British Museum Edition: Chr. Leitz, Magical & Medical Papyri of the New Kingdom, HPBM VII, London 1999, 51-84 mit pl. 26-46

7. Papyrus Berlin 3038: Sammelhandschrift; durch die Variante zur anatomischphysiologischen Abhandlung über das Herz und seine Gefäße ist die Nähe zum Papyrus Ebers gegeben; Niederschrift um 1250 v. Chr.; Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Edition: W. Wreszinski, Die Medizin der alten Ägypter I: Der große medizinische Papyrus des Berliner Museums, Leipzig 1909

8. Papyrus Beatty VI: Auf der Vorderseite ein Fachbuch mit einer geschlossenen (zauberfreien) Sammlung von Rezepten, in deren Mittelpunkt der After genannt ist; neben seinen Erkrankungen werden innere Organe genannt, die über den After (Klistiere) behandelt werden; auf der Rückseite Zaubertexte. Niederschrift um 1250 v. Chr.; British Museum Nr. 10686 Edition: A. H. Gardiner, Hieratic Papyri in the British Museum III: Chester Beatty Gift, 2 Bände, London 1935, 53-54 mit pl. 30-32

9. Papyrus Brooklyn: Zwei Traktate über Schlangen und die Behandlung ihrer Bisse; formal eine Sammlung von Auszügen aus nicht mehr erhaltenen Lehrtexten; Niederschrift 4. Jh. v. Chr.; Brooklyn Museum 47.218.48 und 85 Edition: S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie, Publications de l’Institut français d’archéologie orientale, bibliothèque générale 11, Kairo 1989

10. Demotischer Papyrus Carlsberg 230: Fachbuch mit systematisch angelegten Angaben über Kräuter sowie mit Rezepten ihrer medizinischen Verwendung; Niederschrift: Mitte des 2. Jh.s. n. Chr. (?); Ägyptologisches Institut der Universität Kopenhagen Edition: W. J. Tait, P. Carlsberg 230: Eleven Fragments from a Demotic Herbal, in: P. J. Frandsen (Hg.), The Carlsberg Papyri I: Demotic Texts from the Collection, CNI Publications 15, Kopenhagen 1991, 47-92

11. Demotischer Papyrus Wien: Sammelhandschrift (durch Wurmfraß stark fragmentarisch), keine Parallelen zu sonstigen medizinischen Texten; Niederschrift 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.; Österreichische Nationalbibliothek P. Wien D.6257 Edition: E. A. E. Reymond, From the Contents of the Libraries of the Suchos Temple in the Fayyum I: A Medical Book from Crocodilopolis (P.Vindob.D. 6257), MPER/NS X, Wien 1976 (die Lesungen und Übersetzungen sind zum Teil bedenklich5)) 4.

5.

S. dazu T. Schneider, Mag. pHarris XII,1-5: Eine kanaanäische Beschwörung für die Löwenjagd, GöMisz 112 (1989) 53-63; R. C. Steiner, Northwest Semitic Incantations in an Egyptian Medical Papyrus of the Fourteenth Century BCE, JNES 51 (1991) 191-200 bzw. E. Lange, Kretischer Zauber gegen asiatische Seuchen. Die kretischen Zaubersprüche in den altägyptischen medizinischen Texten, in: R. Hannig / P. Vomberg / O. Witthuhn (Hg.), Marburger Treffen zur altägyptischen Medizin. Vorträge und Ergebnisse 2002-2007, Beihefte Göttinger Miszellen 2, Göttingen 2007, 47-55. Eine ausführliche Liste mit Korrekturen zu Lesungs- und Übersetzungs-Fehlern bei Quack, OLZ 94 (1999) 461-462.

197

Wolfhart Westendorf

12. Veterinär-Papyrus Kahun: Fragmentarisches Fachbuch mit Tierkrankheiten im Stil der Human-Medizin; Niederschrift um 1900 v. Chr.; University College London. Edition: M. Collier / S. Quirke, The UCL Lahun Papyri: Religious, Literary, Legal, Mathematical & Medical, BAR International Series 1209, Oxford 2004, 54-57

13. Des weiteren gibt es noch unveröffentlichte Texte 6) und eine Reihe von Ostraka 7).

1.2.2 Sonstige Quellen 1. Erwähnungen in nicht-medizinischen Texten a) Literarische Teste, z. B. in den Lehren des Ptahhotep im Rahmen der Körperpflege ein Zitat aus den medizinischen Texten 8); ebenfalls im Ptahhotep wie auch in der Sinuhe-Geschichte 9) die Schilderung der Altersbeschwerden; im mythologischen Text von Isis und Re werden die Wirkungen und die Linderung eines Skorpions-Stiches beschrieben.10) b) Sonstige Nachrichten In Biographien von Ärzten erfahren wir über sie oft mehr als aus den medizinischen Texten. – Die sogenannten Oracular Amuletic Decrees 11) enthalten zahlreiche medizinisch einschlägige Befunde. 2. Archäologische Zeugen Darstellungen von Kranken oder Ärzten in Malerei, Relief und Plastik auf Gräberwänden und Stelen. – Mumien und sonstige Grabfunde 3. Die koptische und griechische Medizin in Ägypten 12) Neben griechischen und arabischen Fremdwörtern besitzen die koptischen medizinischen Texte genügend einheimisch-ägyptisches Material, das seine Wurzeln in der pharaonischen Medizin zeigt und einen Vergleich anbietet. Ebenso lassen sich bei den griechischen Texten Übereinstimmungen feststellen, die den Verdacht auf eine Zusammenarbeit ägyptischer und griechischer Ärzte im Raum Memphis und Alexandria nahe legen. 4. Schriften des Zweistromlandes (Keilschrift) Die Entwicklung der Medizin im Zweistromland muß ähnlich verlaufen sein wie in Ägypten. Vor der Entzifferung der Keilschrift (1802) erfuhr das Abendland nur von Herodot die seltsame Nachricht, »daß die Babylonier keine Ärzte gekannt und ihre Kranken auf den Marktplatz getragen hätten, damit die Vorbeigehenden ihren Rat erteilen konnten«.13) Die babylonischen Keilschrifttafeln (seit 2700 v. Chr.) er6. Westendorf, Handbuch, 78-79; der dort unter Nr. 4 genannte Pap.Ashmolean ist jetzt von J. F. Quack, Ein neues medizinisches Fragment der Spätzeit (pAshmolean Museum 1984.55 rt), ZÄS 126 (1999) 141-149, publiziert worden. 7. Westendorf, Handbuch, 59-65. 8. Westendorf, NAWG 1981,Nr. 3, 97-99. 9. E. Blumenthal, TUAT.AF III.5, 899-900. 10. J. F. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts, Nisaba IX, Leiden 1978, 51-55. 11. Westendorf, Handbuch, 832-833; vgl. auch C. Peust, TUAT.NF IV, 324-330. 12. Westendorf, Handbuch, 536-546. 13. S. M. Maul, Babylonische Medizin, in: Heinz Schott (Hg.), Chronik der Medizin, Gütersloh 2000, 16-25.; ders., Die Heilkunst des Alten Orients, Medizinhistorisches Journal 36 (2001) 3-

198

Texte aus Ägypten

weisen, daß neben Beschwörungen auch Ärzte therapeutisch tätig waren, oft gemeinsam mit den Beschwörern. Eine sumerische Tontafel (um 2100-2000 v. Chr.) enthält eine systematische Rezept-Sammlung. – Ob und wie weit eine Abhängigkeit oder ein wechselseitiger Austausch zwischen den ägyptischen und babylonischen Texten stattgefunden haben mag, kann erst eine zukünftige Erforschung ergeben.

1.3 Zum inhaltlichen und formalen Aufbau der Texte

1.3.1 Klassifizierung der Texte 14) 1. Sammelhandschriften, in denen verschiedene Fachgebiete in unterschiedlichen Darstellungsformen scheinbar ungeordnet behandelt werden (Beispiel: Der Papyrus Ebers). Hier begegnen Lehrtexte (siehe 2) zur Behandlung von Magenbeschwerden oder Geschwüren und Geschwülsten, einfache Rezepte (das sind aus Lehrtexten verkürzte Anwendungen, die nur einen Krankheitsbefund und seine Therapie enthalten). Vereinzelt finden sich in den Sammelhandschriften auch Rezepte für Frauen (ein eigenes Buch ist der Papyrus Kahun, oben Nr. 1.2,2) oder Kinder (für die es kein eigenes Buch gibt; das Kindes-Schicksal hängt zu stark mit der Mutter zusammen: ein Zaubertext erwähnt, daß die Erkrankung des Kindes mit der Muttermilch eingesogen ist); Prognosen (Aussagen über Schwangerschaft, Geburtsverlauf und Lebensfähigkeit des Kindes), Zaubertexte (siehe 3), Mittel der Körper- und Schönheitspflege (aber unter den Haarpflegemitteln auch ein bemerkenswertes Rezept, um der verhaßten Nebenbuhlerin die Haare ausgehen zu lassen), Hausmittel verschiedener Art (gegen Schädlinge oder zur Verbesserung des Duftes des Hauses, der Kleidung oder des Mundes); thematische Zusammenstellungen (Exzerpte aus Lehrtexten) wie die Lehre von der Lage und Funktion des Herzens und der Gefäße des Körpers: dabei handelt es sich keineswegs um den »Blutkreislauf«, sondern vorwiegend um die Versorgung der einzelnen Körperstellen mit Wasser und Luft sowie um den Weg der Speisen über das Herz, den Magen, das Gedärm und schließlich um ihre Ausscheidung aus dem After (ein Haupt-Thema der ägyptischen Medizin!). Das Blut war dagegen noch kein »besonderer Saft«, trat es doch vornehmlich bei Wunden und sonstigen unerwünschten Ausscheidungen auf. – Auch eine kleine Abhandlung über die Droge Rizinus, ihr Aussehen und ihre Verwendung, gehört hierher; ebenso ein demotisches Fragment über ein systematisch angelegtes Kräuterbuch. Bisweilen werden die medizinischen Angaben von Zaubertexten begleitet, die den Heilungsverlauf unterstützen sollen, denn eine Maxime im »Spruch für das Trinken eines Heilmittels« (Ebers 3) besagt, daß erst das Zusammenwirken von Heilmittel und Zauberspruch sich als stark erweist.

14.

22; ders., Die Heilkunst des Alten Orients, in: A. Karenberg / Chr. Leitz (Hg.), Heilkunde und Hochkultur II, Münster 2002, 3-20. Eine widerspruchsfreie Einteilung ist nur bedingt möglich.

199

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2. Reine Fachbücher, in denen bestimmte Gebiete ausführlich und in durchaus wissenschaftlicher Art behandelt sind (Beispiel: Das Wundenbuch des Papyrus Smith). In der Form folgen sie im Idealfall den strengen Bildungsgesetzen der sogenannten Lehrtexte. Diese beginnen mit einer Überschrift, die den Inhalt des Falles kurz beschreibt (und die wahrscheinlich der später folgenden Diagnose entnommen ist). Mit der Formel »Wenn du folgenden Krankheitsfall vorfindest, …« wird die Untersuchung eingeleitet, an die sich die Diagnose anschließt, die mit dem formelhaften »Dann sollst du dazu sagen, …« beginnt und mit einem Verdikt abschließt, das die Heilungsaussichten angibt. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: »ein Krankheitsfall, den ich behandeln werde«, »ein Krankheitsfall, mit dem ich kämpfen werde« (der also einen unsicheren Ausgang hat), und »ein Krankheitsfall, den man nicht behandeln kann« – interessant ist die Abstufung bis zum aussichtslosen Fall, den der Arzt nicht mit dem persönlichen »ich«, sondern mit dem allgemeinen »man« versieht. – Es folgt die dem Krankheitsfall entsprechende Therapie, eingeleitet mit »Dann sollst du für ihn …«. Bei Bedarf sind am Ende eines Falles noch sogenannte Glossen angefügt, die offenbar bei späteren Abschriften hinzugefügt wurden und die unerklärlich gewordene Wörter oder ganze Sätze kommentieren. Auch diese folgen einem festen Schema: »Bezüglich A …, das ist / bedeutet B …«. Alle diesen formelhaften Einleitungsphrasen werden in der Regel mit roter Tinte (Rubrum) geschrieben und geben dem ganzen Fall auch optisch eine klare Gliederung. – Drei Glossen im Wundenbuch des Papyrus Smith erwähnen ausdrücklich, daß als Quelle ihrer Aussagen aus Büchern zitiert wird, die uns leider nicht erhalten sind: »Das Buch über die Wunden« und »Das Buch über den Wundarzt / Verbinder«. Zur Zeit der Niederschrift der Glossen waren diese Quellen zweifellos älter als die jeweilige Glossen-Erklärung. Da Teile des Buches über das Herz und seine Gefäße (oben unter 1) in einer Glosse des Wundenbuches auftreten, hat man »diese gewiß sehr alte Abhandlung« 15) als Vorlage für den Glossator angesehen. Diese Lehrmeinung ist vielleicht durch die Angabe bei Manetho untermauert gewesen, daß Athothis (1. Dynastie) ein anatomisches Lehrbuch verfaßt habe, was die Annahme eines hohen Alters solcher anatomisch-physiologischer Aussagen rechtfertige. Eine sprachliche Analyse hat jedoch zu dem Ergebnis geführt, daß in diesem Falle die Dinge genau ungekehrt liegen: Zuerst interessierten die Krankheiten und ihre Behandlung, erst im fortgeschrittenen Verlauf erweiterte sich die Sicht und schloß Aussagen oder Vermutungen über die Lage und die Funktion der betroffenen Körperstellen, also den gesunden Menschen, in die Betrachtungen ein. So gibt z. B. eine Glosse im Fall 34 des Wundenbuches bei einer »Verschiebung an seinen beiden Schlüsselbeinen« folgende Erklärung 16): »Das bedeutet, daß die Köpfe seines Schlüsselbeins gelöst sind. Es stecken ihre Köpfe (normalerweise) in dem oberen Knochen seines Brustkorbes, reichend bis zu seiner Kehle. Darüber befindet sich das Fleisch seiner Schlüsselbeinregion. Das ist das Fleisch, das sich über seiner Halsgegend befindet. Zwei Gefäße sind darunter, je eins auf der rechten Seite und der linken Seite, hin zu seiner Kehle und seiner Halsgegend; sie geben (Luft) zu seiner Lunge.« Dieser Text 15. 16.

200

Grapow, Grundriß II, 131-132. Westendorf, Handbuch, 733, Anm. 57.

Texte aus Ägypten

ähnelt in Aufbau und Aussage den Glossen über das Herz-Gefäß-System und läßt uns die Entstehung von anatomisch-physiologischen Tatbestände erkennen, gleichsam »die Geburt der Anatomie aus der Pathologie«. Damit soll noch nichts über die wissenschaftliche Haltbarkeit solcher »Befunde« gesagt sein. Neben sehr zutreffenden Angaben finden sich viele, die verraten, wie sehr die Ansichten der Ärzte einer Theorie anhängen, die durch keinerlei Tatbestände gestützt ist. So ist das Herz-Gefäßbuch voll von wunderlichen Behauptungen, z. B. daß Wasser und Luft sich in den Gefäßen befinden; und es die Luft ist, die den Puls spürbar macht (Ebers 855e). Bemerkenswert ist ferner die Vorstellung, daß die aufgenommen Speisen auch durch das Herz geführt werden, ehe sie über den Magen und das Gedärm ausgeschieden werden. Verständlicher ist hingegen die Theorie, daß im Körper verbleibende Stoffe verfaulen und vielerlei Krankheiten erzeugen, die über das Gefäßsystem im Körper verteilt werden. Vor diesem Hintergrund ist klar, daß die Regelung der Verdauung einen besonderen Platz in der inneren Medizin einnimmt. Vorbild für den geregelten Strom vom Mund bis zum After ist offensichtlich der Nil gewesen, der auch durch Sandbänke oder Katarakte zu Stauungen und Verstopfungen gezwungen wurde. Ein anderes Fachbuch ist ein Kompendium über Schlangen (ihr Aussehen, die Gefährlichkeit ihres Bisses, die Behandlung der Bisse). Ein weiteres behandelt ausschließlich Krankheitserscheinungen des Afters, dient also der Regelung der Verdauung. Ein Buch mit Lehrtexten über Frauenkrankheiten und der sogenannte »Veterinär-Papyrus« gehören zu den ältesten Texten. Wie anfechtbar die Aufteilung in Sammelhandschriften und Fachbücher ist, wird durch das Auftreten von fachspezifischen Rezeptsammlungen, also kleinen Fachbüchern, in den Sammelhandschriften deutlich: so im Papyrus Ebers die Lehrtexte und Rezepte für den Magen und die Gruppe von Lehrtexten für Schwellungen und Geschwülste. 3. Zaubertexte im Dienst der Medizin bleiben im Hinblick auf ihre Zuordnung noch problematischer, allein schon deshalb, weil angesichts der Fülle der magischen Texte bei deren Berücksichtigung bisweilen zu zurückhaltend verfahren wird. Sofern sie in den sogenannten Medizin-Papyri inkorporiert sind, werden sie dort behandelt. Treten sie jedoch in eindeutig magischen Texten auf, so werden sie als Extrakte im Rahmen der medizinischen Behandlung eingereiht, so z. B. die Zaubersprüche für Mutter und Kind oder die Nutzanwendung gegen Skorpions-Stiche in der Geschichte von Isis und Re 17).

1.3.2 Die Fachsprache Die hier aufgezählten Texte bedienen sich der normalen Sprache, unterscheiden sich also von der Fachsprache der modernen Ärzte, die von Termini nur so überwuchert ist, daß ein normaler Mensch sie kaum versteht. Diese Termini stammen aus dem Griechischen und Lateinischen und heben unsere Mediziner aus dem Kreis ihrer Um17.

Westendorf, Handbuch, 65-76.

201

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welt heraus. Übersetzt man aber diese Termini, so werden sie ganz banal, so wird aus einer Migräne ein »halber Kopf« und wir befinden uns auf dem Boden der normalen Sprache, die auch die Ägypter benutzten, wenn sie die Krankheit »halber Kopf« behandelten. Was aber dennoch die medizinischen Texte unverwechselbar und auf den ersten Blick erkennbar macht, ist neben dem Auftreten von Krankheitsnamen ihre formale Gliederung, die Textüberschriften und Einleitungen von Untergliederungen durch rote Tusche (Rubrum) hervorhebt, also »Rubriken« schafft. Auch die Quanten der Drogen werden in der Regel rubriziert. Schließlich werden bestimmte Wendungen formelhaft wiederholt (z. B. »dann sollst du sagen« oder »dann mußt du ihn behandeln«) oder verkürzte Anweisungen treten ständig auf: »werde getrunken« oder »werde gesalbt«.

1.4 Der kranke Mensch

Als krank (verstanden gegenüber dem Zustand »gesund«, in dem der Mensch keinerlei Beeinträchtigungen seines Befindens spürt) können naturgemäß Männer, Frauen, Kinder (und im Sonderfall Veterinär-Papyrus Kahun [1.2,12] auch Tiere) auftreten. Die Lebenserwartung war im damaligen Ägypten nicht sehr hoch. Bei den wohlhabenden Schichten, die Daten über ihren Lebenslauf hinterlassen konnten, lag der geschätzte Durchschnitt für Männer und Frauen unter 60 Jahren 18), bei den ärmeren Schichten, von deren Leben wir kaum etwas wißen, wird die Zahl noch weit geringer sein. Bei der Säuglingssterblichkeit lag die Rate gewiß auch sehr hoch. Nicht erfaßbar sind die Fälle von Alterserscheinungen, bei denen der Schritt vom »normalen« zum krankhaften Befinden unterschiedlich bewertet sein kann. Über die Einschätzung und Behandlung eines Kranken in der ägyptischen Gesellschaft finden wir unterschiedliche Aussagen: Die Phraseologien der Ideal-Biographie nennen zwar die Hilfeleistung für den Hungernden und Nackten, doch über die Fürsorge für einen Kranken erfahren wir nichts. In den Klagen des Neferti 19) heißt es, daß man über einen Kranken lacht, was also nicht den Normalfall dargestellt haben wird. In der Lehre des Amen(em)ope (Neues Reich) wird ausdrücklich die Rücksicht auf einen Kranken gefordert: »Lache nicht über einen Blinden und verspotte nicht einen Zwerg, schmähe nicht den Zustand eines Lahmen; verhöhne nicht einen Mann, der von Sinnen ist.« 20) Über die Gründe, die zu Erkrankungen führen, gibt es unterschiedliche Aussagen, die von »natürlichen« bis zu »unerklärlichen« reichen. Zu den natürlichen zählen Verletzungen, Knochenbrüche, Biß- und Brandwunden; auch Ernährungsfehler (Verstopfungen, Durchfall) gehören dazu. Als unerklärbar wird etwa eine Schwellung, »die von selbst entstanden ist«, angesehen. Ein weites Feld bildet die Einflußnahme von Göttern, Dämonen und Gespenstern (spukenden Toten), über deren Gründe nur 18. 19. 20.

202

Westendorf, Handbuch, 448. F. Kammerzell, TUAT.AF II.1, 102-110 spez. 107. I. Shirun-Grumach, TUAT.AF III.2, 222-250 spez. 247

Texte aus Ägypten

spekuliert werden kann: Göttliche Strafe wegen Fehlverhaltens gegenüber den Forderungen des göttlichen Ordnungsprinzips (Maat), Mißgunst eines Verstorbenen. In den Überschriften der medizinischen Texte erscheint der Kranke in der Regel als unpersönlicher »Mann«: »Wenn du einen Mann untersuchst, der …«; entsprechend heißt es »Frau« bei den Texten der Gynäkologie und »Kind« bei den Kinderkrankheiten. Ersatzweise begegnet die Umschreibung »einer, der an … (leidet)«. Noch kürzer sind die Texte, die nur den erkrankten Körperteil oder die Krankheitserscheinung nennen. Da die Texte im weiteren Verlauf eines Falles oft nur das Personalpronomen anstelle des Kranken nennen, bleibt es mitunter unklar, wer oder was gemeint ist: »Dann sollst du ihn beräuchern.« (den Kranken? den Ausschlag?). Den Kranken als Objekt der Behandlung siehe bei 1.7.2.

1.5 Die Körperteile (Pathologie, Anatomie, Physiologie)

Obwohl uns schon am Anfang der geschichtlichen Zeit von König Athothis berichtet wird, daß er ein anatomisches Lehrbuch verfaßt habe (1.3.2) und am Ende der geschichtlichen Zeit die Griechen von ägyptischen Büchern wissen, darunter eines mit dem Titel »über den Bau des Körpers« (1.), besitzen wir unter den überlieferten kein Fachbuch, das den Titel tragen könnte »Anatomie« oder »Physiologie«. Der Pathologie, also den kranken Körperteilen, begegnen wir zwar ständig in Verbindung mit den Krankheiten. Eine systematische Ordnung nach den Körperteilen liegt im Wundenbuch des Papyrus Smith (1.2.1,3) vor, der die Krankheitsfälle vom Kopf beginnend behandelt. Eine Ausnahme machen die schon (1.3.1,2) genannten »anatomisch-physiologischen Trakte«, die das Herz und seine Gefäße zum Thema haben und als eine Frühform der Anatomie und Physiologie angesehen werden können; sie stellen eine Entwicklung aus den Krankheitsfällen und eine Lösung von der Pathologie dar: Um den genauen Ort einer Krankheit zu bestimmen oder das Funktionieren der gesunden Körperteile zu verstehen, mußte dieser Aspekt »Anatomie und Physiologie« zwangsläufig ins Blickfeld des Arztes rücken. In der Regel begegnen in den medizinischen Texten alle die Namen von Körperteilen, die es auch im normalen (also gesunden) Leben gibt und die aufzuzählen sich erübrigt. Interessant wird es bei den Organen des Körperinnern. Da die ägyptischen Ärzte sich nicht an der Mumifizierung beteiligten (mag sein, daß es religiöse Scheu war, einen Körper zur Entnahme der inneren Organe aufzuschneiden), hatten sie keinen direkten Einblick in das Innere des Körpers. Sofern nicht bloße Theorien das Bild prägten (z. B. Wasser und Luft in den Gefäßen), half die Analogie zum Tier, bei dessen Schlachtung bzw. Opferung wohl ein Arzt hinzugezogen wurde (siehe Veterinär-Papyrus Kahun 1.6.6). Bezeichnend ist jedenfalls, daß die Schreibungen der inneren Organe bevorzugt von den tierischen Vorbildern genommen wurde. 21) 21.

Grapow, Grundriß I, 15.

203

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1.6 Die Krankheiten

Die Krankheiten und Krankheitserscheinungen einem Ordnungsprinzip zu unterstellen, ist nicht ganz leicht, da manche Krankheiten nur in Verbindung mit bestimmten Körperteilen auftreten und entsprechend benannt sind (z. B. Zahnschmerzen), andere Erscheinungen fallweise einzelne Körperpartien oder den ganzen Körper betreffen (z. B. Schmerzen) und dann mit allgemeinen Namen (ohne Bezug auf einen Körperteil) auftreten. Die ägyptischen Texte zeigen in Ansätzen solche Ordnungsprinzipien (z. B.: Erkrankungen des Magens; Schwellungen und Geschwülste; Frauen-Krankheiten), lassen aber sehr oft schwankende Einteilung erkennen (z. B.: Wunden am Bein neben anderen Erscheinungen am Bein, dann aber wieder unter anderen Wunden). Das hier gewählte Einteilungsprinzip läßt die ägyptischen Ordnungsansätze weitgehend bestehen.

1.6.1 Krankheiten von Mann und Frau Wenn nur der »Mann« als Patient genannt ist, heißt das nicht, daß nur Männer diese Krankheit bekommen können: die Frauen sind in diesen Sammelbegriff offensichtlich einbegriffen. Es wäre aber wohl nicht korrekt, würde man hier »Mensch« statt »Mann« übersetzen, denn das Kollektiv »Mensch« kommt überhaupt nur zwei Mal in den Rezepten vor: »Ein anderes (Heilmittel) für den Biß eines Menschen« (Ebers 432; Hearst 21) und »Beseitigen von Geruch am Körper des Menschen im Sommer« (Hearst 150); ähnliche Rezepte verwenden hier »Körper des Mannes oder der Frau« (Ebers 705; 709; Hearst 151) 22). Die Wendung »Mann oder Frau« wird noch oft verwendet, ohne allerdings einen Unterschied gegenüber dem einfachen »Mann« deutlich werden zu lassen. 1. Äußere Krankheiten: a) eindeutig durch äußere Einwirkungen entstanden: Wunden durch Brüche, Verletzungen, Verbrennungen, Bisse, Schläge b) äußere Erscheinungen, aber durch innere Vorgänge bewirkt: Schwellungen, Geschwülste, Geschwüre, Ausschlag, Hautkrankheiten23), Hautentzündung, Flechte Behinderungen (Gehen); sonstige Körperteile: Gelenke; Gefäß-Behandlungen: Versteifungen und Verkrümmungen

22.

23.

204

Sonst in der Überschrift des Berliner Gefäßbuches, das von »den Leitungen des Menschen« spricht (Berlin 163 b), aber im übrigen ebenso wenig von den Frauen und ihren speziellen Körperteilen (Uterus, Mutterbrust) spricht wie die Gefäßbücher im Ebers 854 ff.; die Plazenta wird als »Mutter der Menschen« bezeichnet (Ebers 789, Kahun 17; London 13). Das Rizinusbuch (III A 1) spricht von der Nützlichkeit der Pflanze »für den Menschen« (Ebers 251). Mit neuen Ergebnissen zur Lepra und zur Hauterkrankung hmw.t-z : Hans-W. Fischer-Elfert, Abseits von Ma’at, Fallstudien zu Außenseitern im Alten˙Ägypten, Wahrnehmungen und Spuren Altägyptens, Kulturgeschichtliche Beiträge zur Ägyptologie 1, Würzburg 2005, 3390.

Texte aus Ägypten

2. Innere Erkrankungen: a) Krankheiten im Bereich des Kopfes: Kopf- und Schläfenschmerzen24), Ohrenschmerzen, Augen-Erkrankungen 25), Zahnschmerzen26), Erkrankung der Zunge b) Erkrankungen von Herz, Lunge (Husten), Leber, Milz, Nieren c) Magenbeschwerden, Verstopfungen, Durchfall d) Erkrankungen des Unterleibs (Harnblase, After, Geschlechtsorgane) e) Hitze-Erscheinungen f) Zittern, Schaudern, Schüttelfrost g) Krankheitsstoffe, die durch das Gefäßsystem im Körper verteilt werden: Schleimstoffe, Eiter, Blut 27) und Schmerzstoffe. Die Schleimstoffe können aus Speiseresten entstehen, die nicht ordnungsgemäß abgeführt werden und in Verfaulung übergehen. Die Schmerzstoffe leiten zu den folgenden »Dämonischen Krankheiten« über, da bei ihnen dämonischer Einfluß deutlich ist. 3. Dämonische Krankheiten Einen großen Raum unter den Krankheiten nehmen die auf dämonische Einwirkungen (»etwas, das von außen eintritt«) zurückgeführten Erscheinungen ein: »Das ist der Hauch eines Gottes von außen oder eines Toten, … es ist nichts, das sein Körper hervorbringt« (Glosse in Smith Fall 8). a) Neben den Schmerzstoffen (oben unter 2g) treten auch Schmerzstoff-Dämonen (beiderlei Geschlechts) auf, die neben Göttern und Toten (spukenden Gespenstern) als verantwortlich für Krankheiten genannt werden. b) Giftsamen 28) Diese Krankheit wurde fälschlich als Blutharnen/Hämaturie bestimmt, offensichtlich durch den Phallus verleitet, der als Determinativ auftritt. Eine neue Behandlung im »Grundriß der Medizin« ergab jedoch, daß es sich um den giftigen Samen eines Dämons handelt, der bei Nacht dem Menschen beiwohnt und ihn mit seinem Giftsamen schwängert. Es werden allgemeine Leibbeschwerden hervorgerufen und das Herz und der Magen in Mitleidenschaft gezogen. c) Neben allgemeinen Ausdrücken für »dämonische Einwirkungen« werden »Schatten, Schlag, Hauch, Eindringen von außen, Zauber und Behexung« genannt. 24.

25. 26.

27. 28.

Darunter der »halbe Kopf« = Hämikrania > Migräne. Bemerkenswert ist, daß dieselbe Drogen-Zusammenstellung auch gegen einen Dorn im Fleisch verordnet wird, woraus die Annahme deutlich wird, daß bei Schmerzen im Kopf (wahrscheinlich dämonischen Ursprungs) auch als Verursacher ein Dorn vermutet wird. Ein sehr umfangreiches eigenes Buch im Papyrus Ebers mit fast 100 Rezepten erweist, welche herausragende Rolle die Augenerkrankungen in Ägypten gespielt haben. Neueste Bearbeitung von medizinischer Seite: Dr. med. Dieter Prell, Zahnmedizin im Alten Ägypten I und II, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Köln, 1998 und 1999; mit einer kritischen Anmerkung zum Fall Smith 25 von W. Westendorf, Die Medizin der Alten Ägypter zwischen Ägyptologen und Ärzten, GöMisz 216 (2008) 91-98. Zur völlig falschen Bewertung des Blutes s. 1.3.1). Skeptische Bemerkungen bei Quack, OLZ 94 (1999) Anm. 19.

205

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d) Noch in das Gebiet der »dämonischen Krankheiten« gehören die Geistes- und Gemütskrankheiten, also eigentlich der Psyche, und Folgen von Hirnschäden, deren Phänomene den damaligen Menschen unerklärlich bleiben mußten und deren Erklärung und Heilung in den Bereich Magie/Religion fielen. Als solche Erscheinungen treten auf: Rasen, Umnachtung, Unruhe, Vergeßlichkeit, Fehlfunktionen des Herzens, Bewußtseinstrübung und Schwindel/Taumel, Benommenheit (Schlaganfall?), Verwirrung, Kopfwackeln, Epilepsie (?), Angstzustände während der Nacht – dazu Grenzfälle wie Heimweh, Liebeskummer und Sehnsucht. 4. Sprüche gegen die »jährliche Seuche« sollen die Folgen der Nil-Überschwemmung abhalten bzw. mildern. Interessant ist dabei eine frühe Form der Immunität: »Soll ich denn betroffen werden, der ich doch unversehrt geblieben bin, nachdem ich das große Wüten gesehen habe?« (Smith Rs. 8,19-19,2). 29) Siehe auch die Anfänge von Hygiene-Maßnahmen zur Abwehr von Krankheiten (1.6.5,3). 5. Eine Besonderheit im Rahmen der Medizin nehmen die sogenannten »Göttermittel« ein; das sind Mittel, die einst zur Heilung irgendwelcher Götter gedient haben und nun dem Ägypter NN helfen sollen.

1.6.2 Krankheiten der Frauen Ein eigens für die Frauen gemachtes Buch mit Lehrtexten und Rezepten liegt im Papyrus Kahun (1.2.1,2) vor. Im Papyrus Ebers beginnt eine Textfolge mit der Überschrift »Was man macht für die Frauen« (Ebers 783 ff.). Der Papyrus London enthält eine kleine geschlossene Gruppe gegen Blutungen (London 25-30). Im Papyrus Berlin steht eine kleine Sammlung von Geburtsprognosen (Berlin 193-199), ebenso im Papyrus Carlsberg VIII 30). Die übrigen Texte für Frauen finden sich vereinzelt in den schon genannten oder weiteren Papyri. Dieser Befund erweist, daß die Frauen jedenfalls keine unbedeutende Rolle in den medizinischen Texten spielen, was sich mit dem positiven Bild von der Frau in der ägyptischen Gesellschaft deckt. Im Einzelnen werden behandelt: 1. Krankheitserscheinungen in der Unterleibsregion (Uterus, Vagina, Scheide) Gebärmutterkrebs, Ergüsse, Ausscheidungen, Verengung, Verschiebung, Knikkung; teilweise mit Auswirkung auf den ganzen Körper. Als Nebenerscheinungen treten auf: Schwellung des Unterleibs, Hitze, Bettnässen, Unfruchtbarkeit; auch Blutung und Schmerzen sowie Störungen beim Coitus werden erwähnt, ferner Geschwüre/Geschwülste an den Schamlippen. 2. Menstruation Lehrtexte behandeln Menstruationsstörungen. Mit Zaubersprüchen und Zauberdrogen wird gegen ungewünschte Blutungen während der Schwangerschaft vorgegangen: mit der als »Isisblut« bekannten Amu29. 30.

206

W. Westendorf, Seuchen im Alten Ägypten, in: A. Karenberg / Chr. Leitz, Heilkunde und Hochkultur I, Münster 2000, 55-70. E. Iversen, Papyrus Carlsberg No. VIII with some Remarks on the Egyptian Origin of Some Popular Birth Prognoses, Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskab. Historisk-filologiske Meddelelser XXVI,5, Kopenhagen 1939.

Texte aus Ägypten

3.

4.

5.

6.

7.

lettschleife soll verhindert werden, daß der in der Mythologie als Mörder des Horus agierende Seth das Kind schon im Mutterleib tötet. 31) Schwangerschaft und Geburt Neben schwangerschaftsfördernden Mitteln gibt es Rezepte zur Beschleunigung und Erleichterung der Geburt (wenn etwa ein Kaumuskelkrampf auftritt). Andererseits gibt es auch Mittel, die eine Schwangerschaft verhüten sollen. Die Mutterbrust »Heilmittel für die Brust, wenn sie krank ist« werden durch Drogen und Besprechungen behandelt. Einige Mittel dienen dem Schutz, aber auch dem Schönheitsempfinden 32) der Mutter: So das Verhindern des Überquellens oder gar des Herabsinkens der Brüste. Auch das »Holen der Milch für die Amme, die ein Kind nähren soll«, gilt der Entlastung der vornehmen Mutter. Prognosen Außer einem Schutzzauber, der auch über den Zustand der Mutter nach der Geburt Vorhersagen gibt (Papyrus Ramesseum IV C 17-24), beschäftigen sich zahlreiche Texte mit der Frage, ob überhaupt eine Schwangerschaft vorliegt, ob sie günstig ausgehen wird, ob das Kind ein Junge oder Mädchen wird, und ob das Kind lebensfähig sein wird. Eine Prognose (Berlin 199) ist über griechische und lateinische Vermittlung bis nach Europa gedrungen. Moderne Versuche mit dem Urin einer Schwangeren (Ghalioungui und Germer) haben die altägyptische Methode nur zum Teil bestätigen können. Verschiedene Erkrankungen Vereinzelt treten auf: Harnleiden, Ausfluß, Erkrankung des Bauches infolge des dämonischen Giftsamens, Hitze im After, ein Fremdkörper in der Kehle. Siehe auch die Krankheiten der Kinder (1.6.3), bei deren Behandlung die Mutter eingebunden ist.

1.6.3 Krankheiten der Kinder Bislang ist kein eigenes Buch oder eine geschlossene Rezeptsammlung für Kinder bekannt geworden. Das ist auch nicht zu erwarten, denn stets steht das Kind in engster Beziehung zur Mutter, wofür die »Zaubersprüche für Mutter und Kind« 33) als Bestätigung dienen. Bei der dämonischen bcc-Krankheit besteht der Glaube, daß das Kind die schädlichen Stoffe mit der Muttermilch eingesogen hat. Das führt zu der Therapieanweisung, daß die Mutter das Mittel für das Kind einnimmt oder daß es vom Kinde von der Brust seiner Amme gelutscht werde. – Daß in diesem Bereich verhältnismäßig viel Zauberei auftritt, mag einmal durch den Mythus vom Kinds-Mörder Seth bedingt sein, der dem ungeborenen Horus schon im Mutterleibe nachstellt; es kann aber auch damit zusammenhängen, daß ein Kleinkind außer durch Weinen

31. 32. 33.

W. Westendorf, ZÄS 92 (1966) 146-148. Bemerkenswert sind die speziellen Mittel der Schönheitspflege für die Frau (1.6.5,3). N. Yamazaki, Zaubersprüche für Mutter & Kind, Papyrus Berlin 3027 sowie Achet, Schriften zur Ägyptologie B2, Berlin 2003.

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und Schreien sich nicht zu seinen Schmerzen äußern kann, und bei Unklarheiten der Rückgriff auf dämonische Einwirkungen immer als sicheres Heilmittel galt. Als Rezepte und Beschwörungen treten auf: Löschen des Durstes; Annahme der Mutterbrust; Beseitigen des Hustens; Beseitigen von nässendem Hautausschlag; Regeln von Harn und Kot; Beseitigen von vielem Geschrei (wahrscheinlich ein MohnGetränk!). Nur vereinzelt werden Mittel für Kinder auch alternativ für Erwachsene verschrieben (Ramesseum III A 30-31, vgl. Ebers 272 bis). Die Gefahren für Mutter und Kind beim Geburtsvorgang sollen durch Prognosen und Schutzzauber gebannt werden. Auch hier spielen Mutter und Kind gemeinsam eine Rolle, indem ein Klümpchen der Plazenta des Kindes und Milch der Mutter zu einem Trank für das Kind gemacht werden; wenn das Kind erbricht, so stirbt es. Über das Schicksal der Mutter entscheidet eine Räucherung.

1.6.4 Archäologische Quellen Die Untersuchungen von Mumien und Skeletten sowie die Auswertung von dargestellten Krankheitserscheinungen an Abbildungen in Malerei und Relief oder an Statuen sind die Domäne von Ärzten jeglichen Faches, vor allem Paläopathologen; der Ägyptologe kann die Aussagen nur hinnehmen und sie mit seinen philologischen Ergebnissen vergleichen und versuchen, sie in Übereinstimmung zu bringen. 1. Paläopathologie Die Forschungen der Paläopathologie haben ungewöhnlich viele Befunde gebracht, von denen hier nur die wesentlichsten aufgezählt werden. a) Parasitäre und bakterielle Infektionen (Eingeweidewürmer, Lepra, Tuberkulose, Bilharzia, Malaria, Pocken, Kinderlähmung) b) Knochen- und Gelenkerkrankungen (Brüche, Wirbelsäulen-Veränderungen, Knochen- und Knochenmark-Entzündungen, Arthritis, Gicht) c) Gefäß-Erkrankungen (Arteriosklerose, Herzinfarkt?) d) Krebs-Tumore e) Schäden an einzelnen Körperteilen: Zähne (Zahnverschleiß und -ausfall, Zahnfleischerkrankung); Lunge (Kohlenstaublunge, Staublunge, Lungenemphysem, Lungenentzündung); Nieren (Steinbildung, Bilharzia); Gallenblase (Steine, Entzündung); Leber (Bilharzia); Darm (Darmvorfall, Megakolon); Blase (Steinbildung); Hoden (Bruch, Vergrößerung) f) Wachstumsstörungen g) Mißbildungen (Zwergwuchs, Akrozephalie, Klumpfuß, Wasserkopf) h) Krankheitsfolgen (Knochenschwund, Knochen- und Gelenkentzündungen, Knochengeschwulst) 2. An Abbildungen und Statuen festgestellte Mängel Zwergwuchs, Fettsucht, Buckel, Spinnenfingrigkeit, Basedowsche Krankheit, Nabelbruch, Hypertrophie der Hoden und des Phallus.

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1.6.5 Verschiedenes 1. Spezial-Fälle a) Trepanation Das Offnen der Schädeldecke mit einem »Trepan« genannten Werkzeug ist nur durch archäologische Funde gesichert, die von der Vorgeschichte über das Neue Reich bis in die Spätzeit reichen. Nur wenige Schädel weisen an dem entstandenen Loch im Schädel auf Spuren von einem Heilungsprozeß nach der Operation hin. Bemerkenswerter Weise erwähnen kein Papyrus und keine Abbildung die »Schädelbohrung«, was den modernen Schriftstellern über das Alte Ägypten eine umso größere Entfaltung ihrer Fantasie erlaubt. Als Begründung für die Durchführung dieses lebensgefährlichen Eingriffs kann man vermuten, daß es sich um unerträgliche Schmerzen im Kopf gehandelt haben mag, die als Einwirkung von dämonischen oder göttlichen Kräften angesehen wurden. Wegen der Gefährlichkeit der Schädelöffnung war sie vielleicht einer speziellen Klasse von Zauber-Medizinern vorbehalten und unterlag besonderer Geheimhaltung. b) Beschneidung Lange Zeit galt das Rezept Ebers 732 34) als Beleg für die Bescheidung, die sonst nur noch in einer Abbildung in einem Grab des Anch-ma-Hor im Alten Reich belegt ist, in den medizinischen Texten aber nicht erwähnt wird, obwohl es sich um eine Operation handelt. Die Beschneidung ist ein Teil des Initiations-Aktes, durch den der heranwachsende Mensch seine bisherige Lebensform verliert und in eine neue eintritt. Es ist also verständlich, daß ein Totenpriester diese Zeremonie vollzieht, handelt es sich doch um einen gespielten Kultakt des Sterbens und Wiedererstehens. So wird auch klar, daß die medizinischen Texte diese Operation nicht erwähnen, denn offenbar unterliegt auch dieser Vorgang besonderer Geheimhaltung. c) Bilharzia Die Existenz dieser gefährlichen Krankheit in Ägypten ist von der Vorgeschichte an bis in die heutige Zeit nachweisbar. Sie wird durch Saugwürmer (Schistosomen) ausgelöst, die im Larvenstadium von Wasserschnecken ausgeschieden werden und sich in die Haut des sich im Wasser aufhaltenden Menschen bohren und in die Adern eindringen. Dort verursachen sie im Harn- und DarmSystem neben allgemeinen Schmerzen Blutharnen und Darmblutungen, Blasenentzündung, Blasensteine, Blasen- und Darmgeschwülste, im weiteren Verlauf entstehen Leber- und Milzvergrößerungen, Blutarmut, Durchfall und schließlich durch Gewebezerstörung allgemeiner Verfall der Gesundheit. Die Eier der Parasiten werden durch Harn und Kot ausgeschieden, und wenn sie ins Wasser gelangen und von den Wasserschnecken aufgenommen werden, beginnt der heimtückische Kreislauf aufs Neue.

34.

Das Herausschneiden eines Akaziendorns wurde fälschlich als »Entfernen der Vorhaut« angesehen.

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So klar der Verlauf und die Wirkung dieser Krankheit aus medizinischer Sicht sind, so unsicher bleibt die Frage, unter welchem Krankheitsnamen die Bilharzia von den Ägyptern erkannt und behandelt wurde. Ursprünglich glaubte man (Ebbell, Jonckheere, Lefebvre), sie in der 2 2-Erscheinung gefunden zu haben. Doch bei dem dort auftretenden Blut handelt es sich um die Blutung der Schwangeren, und das Determinativ »Phallus« ist nicht auf das Blutharnen (»Hämaturie«) zurückzuführen, sondern auf das Phallus-Gift eines dämonischen Incubus, der den Embryo im Leibe der Mutter bedroht. Sicherlich haben die ägyptischen Ärzte, die ja die Zusammenhänge des Bilharzia-Kreislaufs nicht kannten, keine Gesamtschau der Krankheit gehabt, sondern jeweils Symptome behandelt, so das Blutharnen, die Darm-After-Erkrankungen und die allgemeinen Schmerzen und Schwächeanfälle. Da auch die 2 2-Krankheit allgemeine Leibschmerzen erzeugt und Herz und Magen in Mitleidenschaft zieht, ist es durchaus denkbar, daß es hier zu Überschneidungen beider Krankheitsbilder gekommen ist. 2. Alterserscheinungen35) Die Beschwerden, die das Altwerden mit sich bringt, sind in zwei Werken der Literatur (Ptahhotep und Sinuhe) beschrieben: »Die Ermattung ist gekommen; die Schwäche des Kindes erneuert sich; die Augen sind schwach, die Ohren sind taub; die Kraft schwindet dem, dessen Herz müde ist; der Mund schweigt und kann nicht reden; das Herz ist am Ende und kann sich nicht an das Gestern erinnern; der Knochen schmerzt wegen des Alters. Das Gute ist zum Schlechten geworden. Jeder Geschmack ist verschwunden. Was das Alter den Menschen verursacht, ist schlecht über alle Maßen. Die Nase ist verstopft und kann nicht atmen. Beschwerlich ist das Stehen und Sitzen.« (Ptahhotep P 8-23) 36) Sofern die hier beschriebenen krankhaften Zustände überhaupt in den medizinischen Texten auftreten, werden sie nur vereinzelt mit dem Alter begründet (Schwäche infolge des Alters: Ebers 855m). In vielen Fällen können die Beschwerden altersbedingt sein, zum Beispiel die Versteifungen und Verkrümmungen, die trüben Augen, der Zahnverfall, der Haarausfall – das wird aber nicht ausdrücklich erwähnt. Es sieht so aus, als habe man das Alter wie den Tod als etwas Natürliches und Unausweichliches angesehen, wogegen »kein Kraut gewachsen ist«. So schreibt Ramses II. unumwunden »man kann keine Kräuter für sie brauen«, als der Hethiterkönig ihn um ärztliche Hilfe für seine betagte Schwester bittet, die keine Kinder mehr bekommt. 37) Allerdings werden allerlei kosmetische Korrekturen (»Schönheitsmittel«) in den Texten angeboten, die sich gegen Ergrauen, Falten und sonstige Hauterscheinungen richten sollen, die zwar den Alterungsprozeß nicht aufhalten können, aber sein Wirken kaschieren (siehe 1.6.5.2). So ist ein Rezept mit der vielversprechenden 35. 36. 37.

210

H.-W. Fischer-Elfert, Aus alt mach jung, in: A. Karenberg / Chr. Leitz, Heilkunde und Hochkultur II, Münster 2002, 221-244. E. Blumenthal, TUAT.AF III.5, 899-900. G. Wilhelm, TUAT.NF III, 236-237.

Texte aus Ägypten

Überschrift »Verwandeln eines Alten in einen Jugendlichen« im Grunde hauptsächlich nur ein Hautpflegemittel. 3. Allgemeine Hygiene Die Ägypter legten größten Wert auf körperliche Sauberkeit (jedenfalls bei den Schichten, von denen wir etwas wissen): Die Reinigung des Körpers mit NatronWasser war für Mann und Frau die Regel; hinzu kamen die Zahnpflege sowie das Reinigen der Finger- und Zehennägel und das Frisieren der Haare. Andere Mittel, so das Schminken der Augen, dienten nicht nur der Kosmetik, sondern dem Schutz vor Insektenbefall. Wieder andere Rezepte waren für das Haar bestimmt: gegen das Ergrauen, für das Kräftigen des Haarwuchses, Haarentfernungs-Mittel. Für das Gesicht gab es »Verschönerungs-Mittel«, die Flecke, Runzeln und sonstige Hautunreinheiten entfernen sollten. Dem Beseitigen des Schweißgeruchs am Körper dienten spezielle Salbmittel; eine Behandlung mit einem Räucherrezept war zur Verbesserung des Geruchs der Wäsche oder des Hauses bestimmt. Einige der hier genannten Rezepte waren ausdrücklich für Frauen bestimmt (Haarwuchsmittel und Haarentfernungsmittel, Straffen der Haut, Verbesserung des Mundgeruchs). Für die Sauberhaltung des Hauses gab es eigene Mittel zum Schutz vor Flöhen, Mücken, Mäusen, Raubvögeln und sonstigen Schädlingen. Eine Besonderheit bilden die auf magischer Basis beruhenden Besprechungen gegen die jährliche, durch die Nilüberschwemmung bewirkte Seuche (1.6.1,4), unter denen sich bemerkenswerte Einzelheiten befinden: Der Befall durch den bösen Hauch der Seuchen-Dämonen und die Desinfektion von Gegenständen, Speisen und Betten; die Fliege wird als unrein erkannt (also als Krankheitsüberträger?); eine gewisse Immunität von bereits einmal durch die Seuche Betroffenen wird erhofft. 4. Nicht einzuordnende Krankheitsfälle Von den rund 1750 behandelten Krankheitsfällen im »Handbuch« (davon allein im Papyrus Ebers 877) sind 57 (3,26 %) übrig, die nicht näher bestimmt werden können: allein 49 davon sind zerstört oder sonst wie unleserlich; der Rest verteilt sich auf drei Beschwörungen in fremdländischen Namen (Kretisch und Nordwestsemitisch), sowie drei Fälle, bei denen der Krankheitsname zwar übersetzbar, aber zu allgemein und daher wenig aussagekräftig ist: »schlimme Krankheit« oder »schmerzhaftes Leiden« oder das unbestimmbare »Wurm« 38). Schließlich bleiben zwei Krankheiten übrig, von denen wir den Namen zwar lesen, aber nicht übersetzen können. 38.

Madenlarve oder Eitergerinnsel ? Der Wurm tritt im Finger- oder Zehennagel auf, ebenso im Zahn. Ob vielleicht als Schimäre zu einem Ausdruck für »Schädliches, Krankhaftes« geworden? W. Hoffman-Axthelm, Die Geschichte der Zahnheilkunde, Berlin 1973, 27-28, vermutet Übernahme aus Mesopotamien; Maul, in: Schott, Chronik der Medizin, 25, verfolgt die Spuren des Zahnwurms von Babylonien (2000 v. Chr.) über die altindische Medizin, das präkolumbische Amerika bis in die europäische Antike und weiter bis ins 18. Jh. n. Chr.; ähnlich Prell, Zahnmedizin II, 37.

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Das positive Ergebnis von 3,26 % unbestimmbaren Krankheitserscheinungen muß allerdings noch revidiert werden, denn so mancher Fall läßt sich zwar sicher übersetzen (»Hunger der Knie« oder »Ballung von Hitze auf seinem Herzen«), aber der genaue Sinn bleibt einstweilen noch unklar.

1.6.6 Tierheilkunde Der nur fragmentarisch erhaltene, zum ältesten Bestand der medizinischen Texte (um 1900 v. Chr.) gehörende Veterinär-Papyrus Kahun (1.2.1,12) stellt in vielerlei Hinsicht ein Unikum dar: Es haben sich bisher keinerlei Nachfolger, Abschriften oder Auszüge auf Papyrus oder Ostraka finden lassen, die sich mit den Krankheiten von Tieren beschäftigen. Formal ist er nach dem Schema der Lehrtexte der Human-Medizin aufgebaut, mit der Ausnahme, daß der Autor in der Ich-Form bei der Untersuchung neben der sonst üblichen Du-Form bei der Behandlung spricht: Er verwendet die Überschrift und die Formeln der Lehrtexte (»Heilkunde für … Wenn ich … betrachte, dann sollst du …«); nur selten wird eine Diagnose formuliert; Glossen fehlen; Rubrum wird vereinzelt angewendet, jedoch nicht in der Überschrift. Als »Patienten« sind erwähnt: eine Gans, ein Fisch (beide Teile nur fragmentarisch), vielleicht auch ein Hund. Ausführlich behandelt wird ein Stier, bei dem verschiedene (nicht sicher deutbare) Symptome festgestellt werden, so ständiges Stoßen, unerklärliches Niederfallen, krankhafte Erscheinungen an den Augen. Die Therapie erfolgt durch Treiben in die Schwemme, dann Abreiben, Schnitte auf der Nase und am Schwanz, Abdecken der Augen mit einer Scherbe; Griff in das Innere, um ein Nest von Blut und Schleim herauszuholen. Daneben werden auch Zaubersprüche rezitiert. Fraglich bleibt der Zweck dieses Papyrus: Es können nicht nur Handlungen zur Vermeidung von Krankheiten bei der Tierhaltung sein, dagegen spricht die Erwähnung der Gans und des Fisches. Wahrscheinlich handelt es sich auch um eine Art Beschau der Tiere, um ihre kultische Reinheit und ihre Tauglichkeit zur Opferung oder zum Verzehr festzustellen. Ein Arzt war neben den Priestern beim Schlachten der Opfertiere zugegen, sein Urteil »Es ist rein« garantierte die Unbedenklichkeit der Weiterverarbeitung. 39)

1.7 Der Arzt

1.7.1 Der Arzt in der ägyptischen Gesellschaft So anonym Arzt und Patient 40) in den medizinischen Texten bleiben, so ändert es sich, wenn wir die Texte verlassen und uns in der ägyptischen Gesellschaft umsehen: Während der Patient weiterhin anonym bleibt, tritt der Arzt auf Grund seiner angesehenen Stellung in vielerlei Hinsicht ins öffentliche Rampenlicht. Auf Stelen, Grab39. 40.

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Es könnte also eine Art Lebensmittelkontrolle durch den Arzt vorliegen, wie sie auch bei der Feststellung von »guter und verdorbener Milch« bekannt ist (Ebers 788 und 796). Nur vereinzelt werden Könige oder Königinnen genannt, für die ein Rezept gemacht wurde, das natürlich geholfen hat und somit ein überzeugendes Werbemittel wurde.

Texte aus Ägypten

wänden oder Beischriften auf Statuen nennt er stolz seine Titel und in biographischen Inschriften auch seine Leistungen und die Belobigungen durch den Pharao. Nur selten ist er in einem Grab (nicht seinem eigenen!) bei seiner Tätigkeit abgebildet. Erst durch diese Biographien sind wir in der Lage, uns ein Bild von der Gliederung, der Hierarchie und der Spezialisierung der Ärzteschaft zu machen. Neben dem einfachen Arzt werden die Spezialisten am Königshof genannt: »Augenarzt des Palastes«, »Zahnbehandler und Ober-Zahnkundiger des Palastes«, »Bauch-Arzt« und »Hirt des Afters« (für die Regelung der Verdauung durch Klistiere zuständig). Nach Herodot soll es noch einen Arzt für den Kopf und einen für die unsichtbaren Krankheiten gegeben haben, die wir aber bisher unter den Titeln nicht belegen können. Am ehesten kommen für die diese Phänomene die von Dämonen bewirkten Krankheiten in Betracht, die in der Regel mit Mitteln der Magie bekämpft wurden. Diese Funktion lag in den Händen der Spezialisten für das Zauberwesen (»Priester der Göttin Sachmet«, »Leiter der Göttin Selkis«, »Priester des Gottes Zauber« oder einfach »Zauberer«). Da diese Titel oft in Personal-Union mit den Arzt-Titeln auftreten, können wir annehmen, daß beide Bereiche nicht streng zu scheiden waren. In der Einleitung des Gefäßbuches werden Arzt, Priester und Zauberer als Fachleute für das Innere des Menschen genannt. Als unsichere Besonderheit tritt im Alten Reich auch eine Frau als »Vorsteherin der Ärztinnen« auf; ob nur die Übernahme des Titels des Ehemanns vorliegt oder wir tatsächlich eine praktizierende Ärztin (Fachärztin für Gynäkologie und Kinderheilkunde??) vor uns haben, ist noch unklar. Gesichert ist hingegen der Titel »Ärztin« in der Spätzeit. Die Ausbildung der Ärzte erfolgte wahrscheinlich in den »Lebenshäusern«, das waren von Gelehrten verwaltete Zentral-Institutionen für die Aufrechterhaltung des Lebens in Kosmos, Staat und Gesellschaft, die offensichtlich den großen Tempeln angeschlossen waren. Hier dürfen wir uns auch die ambulante Behandlung von Kranken vorstellen, sofern der Arzt nicht an das Krankenbett gerufen wurde. Ein weites Betätigungsfeld der Ärzte waren die Großbaustellen des Pharaos, seine Produktionsstätten sowie seine Feldzüge, wo ständig mit Verletzungen aller Art gerechnet werden mußte. Selbst das tägliche Leben brachte Gefahren für den Menschen (wilde Tiere, Skorpione, Schlangen).

1.7.2 Die Heilmethoden Bevor der Arzt zu einer als Diagnose formulierten Erkenntnis gelangt, pflegt er den Patienten zu untersuchen, meistens durch Betrachten oder Betasten, selten durch Beriechen oder Befragen. Mitunter verschafft er sich durch einen Test Gewißheit: Bei einer RückenwirbelVerletzung läßt er den Patienten die Beine ausstrecken, wenn er sie sofort wieder anzieht, ist die Diagnose bestätigt. Die anzuwendende Therapie wird durch die Diagnose oder bei Rezepten durch die angegebenen Einzelheiten (Verbum der Vorgehensweise, Krankheitserscheinung, Körperteil) bestimmt. 213

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1. Die rationale oder folgerichtige Methode Wenn eine Körperfunktion »nicht in Ordnung ist«, wird sie »in Ordnung gebracht« (so z. B. die Verdauung); Stauungen im Gefäßsystem werden »in Gang gebracht«; Versteifungen »werden erweicht« und Aufweichungen »versteift«; Hitze »wird gekühlt«; die weißen Flecken der Brandwunde »werden geschwärzt«; eine Verstopfung im Uterus wird »zum Abgehen gebracht«; hohle Zähne 41) »werden gestopft«; bei blutenden Wunden wird bemerkenswerter Weise das Blut (das als schädlich galt) nicht gestillt, sondern »herausgeholt«. Die eigentliche Applikationsangabe folgt diesem Schema: Innerliche Krankheiten werden durch Einnehmen (Essen oder Trinken) behandelt, mitunter auch anschließendes Erbrechen; Husten wird durch Inhalation behandelt; der Unterleib speziell durch Zäpfchen oder Einguß in den After oder die Vulva; Erscheinungen im Mund durch Kaumittel oder Spülung; bei chirurgischen Fällen werden Wunden durch Salbe oder Puder behandelt und verbunden, Klaff-Wunden zusammengenäht und verbunden, Geschwülste oder Geschwüre aufgeschnitten oder ausgebrannt; Verrenkungen werden eingerenkt. Eine Behandlung, die durchaus »rational« wirkt, ist das Beräuchern des Patienten, wodurch die »schlechte Luft« im Innern des Körpers durch frische und gesunde Luft ersetzt werden soll. Zur Steigerung der Wirkung können die einzelnen Applikationen auch gemeinsam angewendet werden, so ein Trank und ein Verband, ein Einnehmemittel und ein Einguß. Im günstigen Fall wird die Gesundung in vier Tagen verheißen, mitunter aber auch sofort. 2. Zauber 42) Bei Verdacht auf dämonische Einwirkungen, besonders bei inneren Erscheinungen, kommt als adäquates Mittel der Zauber in Betracht. Sein Prinzip besteht darin, die menschliche und die außermenschliche Sphäre in Übereinstimmung zu bringen, um Einfluß auf die Dämonen- bzw. Götterwelt zu gewinnen. Das kann mittels verschiedener Varianten erfolgen: a) Durch Analogie-Beschwörung werden Personen, Körperteile oder Dinge der Menschenwelt mit den Entsprechungen in der Jenseitswelt gleichgesetzt, und zwar durch die Identifikationsformel »Dieses A (hier) ist jenes A (dort)«. Fast mechanisch folgt einem Vorgang in der Ebene des Zauberers ein entsprechender Vorgang in der gewünschten Einfluß-Sphäre. Wenn der Zauberer sich die Rolle eines Großen Gottes anmaßt, kann er den kleinen Göttern und Dämonen Strafen androhen, wenn sie den Kranken nicht verlassen. b) Aber auch Bitten und Gebete können die Heilwirkung herbeizwingen, besonders wenn sie sich an die Heilgottheiten richten, allen voran zu nennen die

41. 42.

214

Ob die in Ägypten gefundenen Prothesen (Brücken) zur Befestigung von lockeren Zähnen brauchbar waren, ist unsicher; möglich ist eine Reparatur an der Mumie. – Siehe auch Prell, Zahnmedizin I,40-49. Zum Komplex »magische Texte« und ihre Vernachlässigung gegenüber den »medizinischen Texten« vgl. Quack, OLZ 94 (1999) 457-458 bzw. Müller, TUAT.NF IV, 259-260.

Texte aus Ägypten

zauberkräftige Isis, sodann Sachmet und Selkis, ferner Amun, Min, Haroeris, Horus und Thot. Neben solchen Bitten können bestimmte Tätigkeiten für die Götter erwähnt werden und deren Gegenleistung angemahnt werden. c) Zusätzliche Zaubermaßnahmen bei der Rezitierung eines Spruches43) mit den soeben erwähnten Inhalten können seine Wirkung verstärken: so kann zum Beispiel der Text eines Spruches durch Aufschreiben auf die Hand des Patienten »materiell« aufgenommen werden, indem er die Schrift von seiner Hand ableckt. Der Phallus eines Incubus-Dämonen wird mit einer Nachbildung aus Kuchenteig mit Fleischfüllung gleichgesetzt und der Hauskatze (die im Zauber die Göttin Mafdet vertritt) zum Fraß vorgeworfen. Wenn »Milch einer Frau, die einen Knaben geboren hat« verordnet wird, so spielt hier selbstverständlich die Göttin Isis mit, die ihren Sohn Horus gegen die Mord-Versuche des Seth zur Welt gebracht hat. Wenn eine Karneol-Pille gegen unerwünschte Blutungen der Frau angewendet wird, so ist hier die blutrote Farbe (»similia similibus«) ausschlaggebend. Im Übrigen ist die manchen Drogen innewohnende Zauberwirkung noch längst nicht hinreichend erforscht. 3. Die kombinierte Methode Häufig wird die durchaus »rationale« Therapie durch Zauberspruch oder Zauberhandlung ergänzt, was im Allgemeinen nach der eigentlichen Behandlung erfolgt. Das entspricht dem im Spruch Ebers 3 formulierten Grundsatz »Stark ist der Zauber zusammen mit dem Heilmittel – und umgekehrt«. Dieser Spruch gehört zu den sogenannten »Begleitsprüchen«, die jeweils beim Auflegen eines Heilmittels, beim Lösen eines Verbandes, beim Trinken eines Heilmittels oder bei der Zubereitung eines Heilmittels erfolgen sollen. Solche Sprüche – wenn sie denn immer ernst genommen wurden – würden den Anteil des Zaubers an sonst »zauberfreien« Texten erheblich vermehren.

1.7.3 Der Arzt als Apotheker Konnte es beim Zauber noch fraglich bleiben, wer denn den verordneten Zauberspruch sprach oder die Zauberhandlung vornahm: der Arzt, der Patient oder ein spezieller Zauberer (der aber nicht erwähnt wird), so ist es im Falle des Apothekers, für den es nicht einmal ein eigenes Wort gibt, ziemlich sicher, daß auch hierfür der Arzt zuständig war, und zwar für die Beschaffung, die korrekte Zubereitung, das sorgfältige Abwiegen 44), die Mischung und schließlich die Applikation der Drogen 45). Die meisten Rezepte verwenden in Rubrum geschriebene Drogen-Quanten, vor43. 44. 45.

Neben dem unpersönlichen »man spreche« ist als Rezitator entweder der mit »Du« angeredete Arzt oder der Patient genannt. Das angewendete Maßsystem hat schon verschiedene Erklärungsversuche erfahren, den jüngsten hat Tanja Pommerening, Marburg, in ihrer Dissertation unternommen: Die altägyptischen Hohlmaße, SAK Beiheft 10, 2005. Das hier noch gebrauchte Wort »Drogen« für die »Arzneimittel«, die zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Körperkräfte dienen sollen, hat heute eine Bedeutungserweiterung im Sinne von »Doping, Rauschgift«, also (maßlose) Steigerung der Kräfte, erfahren. Vgl. auch Quack, OLZ 94 (1999) 456.

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nehmlich die Teile des Scheffel-Maßes (also Hohlmaße), seltener dient ein EinheitsStrich als Quantenbezeichnung (wohl »zu gleichen Teilen«), mitunter fehlen auch die Quanten. In demotischen Texten werden Gewichtsangaben gebraucht. Das Arsenal der Drogen (etwa 800 Namen sind bekannt, aber längst nicht alle identifiziert) umfaßt alle Bereiche der belebten und unbelebten Welt. Darunter befinden sich normale Lebensmittel, aber auch ekelerregende Stoffe (wie Kot), die offenbar auf magischem Wege die dämonischen Krankheitsbringer abschrecken sollen. Leider besitzen wir kein ägyptisches Drogenverzeichnis, wie es im Rizinusbuch (Ebers 251) im Ansatz und im demotischen Kräuterbuch Papyrus Carlsberg fragmentarisch vorhanden ist.

1.8 Ausblick

Mit dem Grundriß der Medizin der Alten Ägypter ist ein »bisheriges Standardwerk« 46) geschaffen worden, auf dem die weitere Forschung aufbaut. Eine wesentliche Kritik am »Grundriß« lautet, daß er »vorrangig von der philologischen Seite« vorging und daß die »Relevanz der Zaubertexte« noch erheblich stärker ins Blickfeld der Forschung genommen werden müßte. Während die »nicht-philologische« Forschung, das heißt die Auswertung von paläopathologischen Befunden (vor allem Mumien, Darstellungen von kranken Menschen) von Ärzten geleistet werden muß, bleibt die Auswertung von einschlägigen Zaubertexten philologisch geschulten Ägyptologen überlassen. Auf dem Gebiet der ägyptischen Medizin sind in den letzten Jahren erfreulich viele Beiträge erschienen, so daß zu hoffen ist, daß in einer folgenden Generation von Forschern vielleicht ein neuer Grundriß der Medizin entstehen wird. Literatur: Hervorzuheben sind die im LIT Verlag (Münster) erschienenen Bände der Kölner Reihe »Heilkunde und Hochkultur I und II, 2000 und 2002«, hg. von Axel Karenberg und Christian Leitz sowie die Leipziger Tagung (2002) »Papyrus Ebers und die antike Heilkunde« (als eigener Band erschienen, hg. von Hans-Werner Fischer-Elfert, Wiesbaden 2005; dazu der Tagungsbericht von H.-M. Groß und G. Keil, in: Nachrichtenblatt der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik e. V., 52/2 [2002] 138139). Darüber hinaus im Einzelnen: H.-W. Fischer-Elfert, Fallsucht im Alten Ägypten. Ätiologie, Diagnose und ihre magiko-medizinische Behandlung, Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 19, 2000, 117-129. H.-W. Fischer-Elfert, Altägyptische Zaubersprüche, Mit Beiträgen von T. S. Richter, Reclam Nr. 18375, Stuttgart 2005, 96-97, 124-125. A. Nerlich, Leben und Sterben im Alten Ägypten, Forschung DFG 1, 2000, 24-29. J. Stephan, Ordnungssysteme in der altägyptischen Medizin und ihre Überlieferung in den europäischen Kulturkreis, Dissertation Hamburg 2001.

46.

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Quack, Medizinhistorisches Journal 38 (2003) 3.

Texte aus Ägypten

2. Ägyptische medizinische Texte des 2. Jt. v. Chr.

Rainer Hannig / Orell Witthuhn 2.1 Physiologie

Eine zentrale Funktion in der ägyptischen medizinischen Lehre von den normalen Lebensvorgängen im (menschlichen) Körper, was wir mit Physiologie benennen wollen, nimmt das Herz ein. Deshalb wird im Papyrus Ebers (Abkürzung: Eb) nur für dieses Organ das Fachwissen rund um seine Funktionsweise als Lehrtext vermittelt. Der Papyrus ist um 1550 v. Chr. zusammengestellt worden und stammt angeblich aus einem Grab eines Arztes in Theben/West; möglicherweise wurde er zusammen mit dem Papyrus Edwin Smith gefunden. Benannt ist er nach seinem Käufer, dem Ägyptologen Georg Moritz Ebers (1837-1898). Er mißt 20 Meter in der Länge und erreicht eine Höhe von 30 cm. Aufbewahrt wird er in der Universitätsbibliothek Leipzig. Anfang des Fachwissens 47) fr den Arzt (ber die) Kenntnis der Funktionsweise des Herzens (und ber die) Kenntnis des Herzens (im allgemeinen). (Eb 854) Es existieren in (jedem Menschen) Gefäße 48) zu jedem Körperteil. Hinsichtlich dieser (Gefäße) gilt: Legt nun irgendein Arzt, ein Sachmet-Priester oder irgendein »Amulettmacher« 49) seine Hände und Finger auf den Kopf, auf den Hinterkopf, auf die Hände, auf die Stelle des Herzens, auf die Arme (oder) auf die Beine (des Patienten), so gilt seine Messung dem Herzen. Denn die Gefäße (des Herzens) (führen) zu jedem Körperteil (des Menschen). Tatsache ist: (Das Herz) pocht in den Gefäßen eines jeden Körperteiles. (Eb 854a) Es existieren vier Gefsse in den Nasenmuscheln (eines Menschen). Zwei (davon) transportieren Schleim, (die) zwei (anderen) transportieren Blut. (Eb 854b) Es existieren vier Gefsse im Inneren der Schläfen (eines Menschen), die hierdurch den Augen Blut geben, durch die jedwedes Augenleiden entsteht, weil sie zu den Augen hin offen sind. Hinsichtlich der Flüssigkeit, die aus den Augen rinnt, gilt: Die Pupillen der Augen sondern sie ab. Alternative Lehrmeinung. Die Sklera in den Augen verursacht es. (Eb 854c) Es existieren vier Gefsse, die sich zum Kopf hin verzweigen. Sie strömen in den Hinterkopf hinein, die hierdurch eine Glatze produzieren. Das ist ihre nach außen hin erkennbare Aktivität. (Eb 854d) Es existieren vier Gefsse zu seinen Ohren, und (zwar) zwei Gefäße an der rechten Schulter und zwei hin zur linken Schulter. Der Lebenshauch tritt in das rechte Ohr ein, der Todesatem tritt in das linke Ohr ein. Alternative Lehrmeinung. (Der Lebenshauch,) er tritt in die rechte Schulter ein, der Todesatem (aber) in die linke Schulter. (Eb 854 f.) Hinsichtlich der Ursache von Taubheit der Ohren gilt: Sie wird durch zwei Gefäße 47. 48. 49.

Die Fachkenntnisse werden als Berufsgeheimnis nur innerhalb eines Berufsstandes weitergegeben. Neben den Gefäßen umfaßt der Begriff auch Sehnen, Fasern, Nerven u. ä. Der »Amulettmacher« war in der Abfassungszeit dieses medizinischen Textes eine Art Magier oder Zauberer, den man zur Heilbehandlung aufsuchte.

217

Rainer Hannig / Orell Witthuhn

verursacht, die zu den Tränenwärzchen führen. 50) Alternative Lehrmeinung. Hinsichtlich dessen, was die Ursache von Taubheit der Ohren ist: Es sind diese (Gefäße), die an den Schläfen des Patienten sind, die unter Druck stehen. Es ist die Aktivität des (Dämons) »Enthaupter« im Patienten, der durch diesen (Dämon verursacht) dessen Atem bekommt. 51) (Eb 854e) Hinsichtlich der »Luft, die durch die Nase eingeatmet wird«. Sie dringt zum Herzen und zur Lunge vor. Sie (beide) geben (die Luft) weiter in den gesamten Körper. (Eb 855a) Hinsichtlich »Das Herz liegt danieder«. Es ist ein Gefäß mit Namen »Empfänger«, das es verursacht. Es ist (das Gefäß), welches dem Herzen Wasser gibt. (Eb 855c) Hinsichtlich »das Herz schlgt mde«. Das Herz oder die Herzgefäße pochen nicht, so daß sie still sind, ohne daß deren Schlag unter deinen Händen fühlbar ist, der (ansonsten) durch die Luft entsteht, mit der sie gefüllt sind. (Eb 855e) Es existieren sechs Gefsse, die zu den Armen führen, drei davon zum rechten, die drei (weiteren) zum linken Arm, die bis zu seinen (dazugehörigen) Fingern (weiter)führen. (Eb 854g) Es existieren sechs Gefsse, die zu den Beinen führen, drei davon zum rechten, die drei (weiteren) zum linken Bein, und (dann) bis zu den Fußsohlen reichen. (Eb 854h) Es existieren zwei Gefsse zu seinen Hoden, die Samen geben. (Eb 854i) Es existieren zwei Gefsse zu den Gesäßhälften, eine (davon) zu einer Gesäßhälfte, das andere zur (anderen) Gesäßhälfte. (Eb 854k) Es existieren vier Gefsse zur Leber. Diese transportieren Wasser und Luft zu ihr, infolge dessen es geschehen kann, daß durch zuviel an Blut (in den Gefäßen) jedes (erdenkliche) Leiden (die Leber) befällt. (Eb 854l) Es existieren (jeweils) vier Gefsse zur Lunge und zur Milz. Sie geben sowohl dem einen wie auch dem anderen (Organ) Wasser und Luft. (Eb 854m) Es existieren zwei Gefsse zur Blase, die den Harn transportieren. (Eb 854n) Es existieren vier zum After hin offene Gefsse. Sie übernehmen für (den After) die Produktion von Wasser und Luft. Nun aber ist der After zu jedem Gefäß der rechten wie der linken Körperhälfte hin offen, die Arme und Beine inbegriffen. Er ist voll mit Kot. (Eb 854o)

2.2 Pathophysiologie und Nosologie

Naturgemäß nimmt die Behandlung von den Krankheiten den größten Teil des Platzes in den Papyri ein. Gestörte Funktionen des menschlichen Organismus, die nach Ansicht der Ägypter zum Beispiel durch Schmerz- oder Schleimstoffe verursacht werden, rechnen wir zur Pathophysiologie. Zu beachten ist ferner, daß Krankheiten in der ägyptischen Krankheitslehre (Nosologie) anders beschrieben und systematisiert werden, als in der westlichen oder chinesischen Medizin. Das heißt, daß eine ägyptische Krankheit meist nicht mit einer modernen Bezeichnung darstellbar ist, da die Sym50. 51.

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Erwähnt ist hier der Eintrittspunkt zum Tränennasengang (Ductus nasolacrimalis). Die beschriebene Krankheit wird wohl ein Tinnitus sein.

Texte aus Ägypten

ptomatik anders gesehen wurde. Neben dem bereits erwähnten Papyrus Ebers (Abkürzung: Eb) stammen die übersetzten Texte aus dem Papyrus Berlin 3038 (Abkürzung: Bln), dem Papyrus Hearst (Abkürzung: H), dem Londoner medizinischen Papyrus (Abkürzung: L) und dem Papyrus Edwin Smith (Abkürzung: Sm).

2.2.1 Schmerzstoffe Beginn des (medizinischen) Kompendiums ber das »Durchziehen« der Schmerzstoffe [durch alle Krperteile eines Patienten 52)], welches aufgefunden wurde in alten Schriften aus einem Kasten voller Bücher unter den Füßen (der Statue) des Anubis 53) in Letopolis 54), und welches aus der Zeit des seligen Pharaos Usaphais 55) stammt, nachdem er leidend geworden war. Es wurde aufgrund seiner Vollkommenheit dem seligen Pharao Senthenes 56) überbracht. Damals bewirkte dieses Buch, die Füße (des Königs) beweglich zu machen, die gelähmt waren. Es waren der Hieroglyphenschreiber und der Chef der erfahrenen Ärzte des Gottesopfers 57), die es angefertigt haben. Der Gefolgsmann des Aton 58) hat es verbreitet. Es ist litaneiartig zu beopfern mit Brot, Bier und Weihrauchharz auf Feuer im Namen der Isis der Großen, des Horus-Chentechtai 59), des Chons 60), des Thot 61) und des Gottes, der im Leib ist. (Bln 163a) Das Leitungssystem des Menschen und alle Leiden, die in ihm entstehen. Der Kopf (des Menschen) besitzt 22 Gefäße, durch die sie seinem Herzen Luft zuführen. Sie transportieren die Luft zu allen seinen Körperteilen. (Bln 163b) 62) Es existieren zwei Gefäße [in ihm in Art eines Kreuzgeflechts 63)] zu seiner Brust. Sie verursachen Hitze im After. Als Medikament dagegen bereitet man zu: grüne Datteln, hmw-Teile der k k -Pflanze, Rinde der Sykomore, Wasser; werde zu einer Masse zer˙stoßen und vom Patienten nicht länger als vier Tage lang eingenommen, bis er sich wohlfühlt. (Bln 163c) 64) Es existieren zwei Gefße in ihm zu seinem Oberschenkel. Wenn sein Oberschenkel schmerzt und seine Beine zittern, dann diagnostizierst du: Dies verursacht ein Gefäß, das in seinem Oberschenkel kreuzartig verflochten ist. Eine Krankheit hat es infiziert. Dagegen unternimmt man (folgendes): Pflanzenschleim, Strandtraubenkraut, Natron; werde zu einer Masse verkocht und vom Patienten bis zu vier Tage lang eingenommen. (Bln 163d) 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64.

Ergänzung aus Eb 856a. Anubis gilt als Friedhofswächter, zuständig für Balsamierung und Begräbnisriten. Letopolis liegt im 2. unterägyptischen Gau in der Nähe von Kairo. König Den bzw. Dewen aus der 1. Dynastie, der um 2930 v. Chr. regierte. König Sened aus der 2. Dynastie, der um 2790 v. Chr. regierte. Ist im Abschnitt 15,3 zu tilgen. Die Sonnenscheibe, die besonders in der Amarnazeit als Gott verehrt wurde. Chentechtai ist Ortsgott von Athribis im 10. unterägyptischen Deltagau. Durch die Verbindung mit Horus wird er aufgewertet und bekommt einen solaren Aspekt. Chons entwickelt sich von einem bedrohlichen Mondgott zu einem Schutzgott vor Krankheiten und wilden Tieren. Gott der Weisheit aus Hermopolis. Vergleiche auch Eb 856b. Ergänzung aus Eb 856c. Vgl. auch Eb 856c.

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Rainer Hannig / Orell Witthuhn

[Es existieren zwei Gefäße in ihm zu seinem Nacken. 65)] Wenn der Nacken (des Patienten) schmerzt, und seine Augen sind glasig, dann diagnostizierst Du: Dies verursachen die Gefäße im Nacken des Patienten. Eine Krankheit hat sie infiziert. Dagegen unternimmt man (folgendes): Sesbanie, Waschwasser des Wäschers, weiße Maulbeere, Frucht der sˇ ms-Pflanze66); werde mit Honig vermengt, auf seinen Nacken gelegt und anschließend verbunden, (dies) bis zu vier Tage lang. (Bln 163e) Es existieren zwei Gefsse in ihm zu seinem Oberarm. Wenn die Schulter (des Patienten) schmerzt und seine Finger zittern, dann diagnostizierst Du: Dies verursachen Schleimstoffe. Dagegen unternimmt man (folgendes): Ihn erbrechen lassen durch Fische – ersatzweise Fleisch – mit Bier und mit Steppenraute und seine Finger mit der bddw-k Pflanze verbinden, bis (der Patient) kuriert ist. (Bln 163 f.) Es existieren zwei Gefsse seines Hinterkopfes. Es existieren zwei Gefsse seiner Stirn. Es existieren zwei Gefsse in seinen Augen. Es existieren zwei Gefsse in seinen Augenbrauen. Es existieren zwei Gefsse in seiner Nase. Es existieren zwei Gefsse in seinem rechten Ohr, durch die der Lebenshauch eintritt. Es existieren zwei Gefsse in seinem linken Ohr, durch die der [Todes]atem 67) eintritt. (Bln 163g) 68) Es reichen (Gefsse) zu seinen Herzen, die sich nach der Nase hin aufteilen und sich zu seinem After hin ballen. Durch sie entsteht in seinem After Schmerz. Ausscheidungen begleiten sein Herankommen. Das Gefäß seiner Beine beginnt abzusterben. Als Medikament dagegen bereitet man ein Medikament nach der Methode des Chefs der erfahrenen Ärzte des Gottesopfers zu: Zuerst werden 8 Dja 69) Kuhmilch in einen Kessel gegeben. Wenn es das erste Mal aufwallt, nachdem es erhitzt worden ist, dann werde Essig eingerührt und (alles) durch Tücher geseiht. Werde ¼ Honig hinzugegeben und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. Danach bereitet man zu: 4 Dja gekochte Schaf- oder Ziegenmilch und ¼ Honig gleichermaßen (gekocht). Du mußt ½ Dja ranziges Milchfett oder ½ Dja Muttermilch hinzugeben. Verabreiche es als Einguß in den After. Danach soll (der Patient) bis Tagesanbruch liegen. Danach bereitet man zu: ¼ frisches Behenöl, ¼ Honig, 3 Dja gegorener Pflanzenschleim, 1⁄16 (Quantum) unterägyptisches Salz; verabreiche es als Einguß in den After bis zu vier Tage lang. Danach bereitet man zu: ½ Dja Honig, ½ Dja frisches Behenöl, 1⁄16 Heqat gegorener Pflanzenschleim, 1 Dja Süßbier, 1⁄8 (Quantum) unterägyptisches Salz; verabreiche es als Einguß in den After bis zu vier Tage lang. Danach bereitet man zu: ½ Dja frisches Behenöl, 1 ⁄16 u. 1⁄64 Heqat 70) Süßbier, 1⁄8 (Quantum) unterägyptisches Salz; verabreiche es als Einguß in den After bis zu vier Tage lang. Danach bereitet man zu: ½ Dja Honig, ¼ Behenöl, 2 (?) Dja Süßbier; verabreiche es als Einguß in den After bis zu vier Tage lang. (Bln 163h) 65. 66. 67. 68. 69. 70.

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Ergänzung nach Anmerkung H. von Deines / H. Grapow / W. Westendorf, Übersetzung der medizinischen Texte. Erläuterungen (Grundriß der Medizin IV 2), Berlin 1958, 32. Vielleicht die Blüte oder Frucht einer Fenchelart. Ergänzung nach Eb 856g. Vergleiche auch Eb 856g. Lesung nach T. Pommerening, Die altägyptischen Hohlmaße (SAK.Beiheft 10), Hamburg 2005, 248-252, bes. 249 (T.8.20). 1 (Mittleres Reich-)Dja entspricht dabei 1/64 Heqat bzw. 5 Ro. 1 Heqat wiederum entsprechen 320 Ro (S. 135). Nach Pommerening, Hohlmaße, 379 eine spezielle Maßangabe (mit Gefäß M39), die um 3,8 % vom regulären Dja abweicht.

Texte aus Ägypten

Beschwrung der Schmerzstoffe. Es sind Schmerzstoffe, die als Tumor hervorgekommen sind. – Spruch ist zu wiederholen. Vermerk: Ein textloser Abschnitt in der Urschrift. 71) – mit meinen Armen. Ich mache (die Stadt) Busiris dem Erdboden gleich und bringe (die Stadt) Mendes zum Einsturz. Ich steige zum Himmel auf, damit ich sehe, was dort geschieht. In Abydos soll kein Kult vollzogen werden, bis die Einwirkungen eines Gottes oder Einwirkungen einer Göttin, die Einwirkungen eines Schmerzdämons oder Einwirkungen einer Schmerzdämonin, die Einwirkungen eines Verstorbenen oder Einwirkungen einer Verstorbenen – und so weiter – und die Einwirkungen aller (möglichen) bösartigen Dinge beseitigt sind, die in diesem meinem Körper, in diesem meinem Fleisch und in diesen meinen Gliedern sind. Wenn es aber vertrieben wird, (nämlich) die Einwirkungen eines Gottes oder Einwirkungen einer Göttin, die Einwirkungen eines Schmerzdämons oder Einwirkungen einer Schmerzdämonin, die Einwirkungen eines Verstorbenen oder Einwirkungen einer Verstorbenen – und so weiter – und die Einwirkungen aller (möglichen) bösartigen Dinge, die in diesem meinem Körper, in diesem meinem Fleisch und in diesen meinen Gliedern sind, dann sage ich nicht, noch wiederhole ich die Worte: »Speie aus und erbrich! Vergehe wie entstanden!« Werde viermal rezitiert; werde auf die schmerzende Stelle des Mannes gespuckt. Eine erfolgreiche Methode, millionenfach (erprobt). (Eb 131) Medikament zum Abtten der Schmerzstoffe in allen Krperteilen. 1⁄32 Heqat fettes Fleisch, 1½ Dja beider psd-Hälften 72), 1 Dja 2f -Pflanze, 1⁄16 (Quantum) Conyza, (Quantum) Wacholderbeerenzapfen, 1⁄16 (Quantum) Weihrauchharz, 1⁄32 und 1⁄64 Heqat Starkbier, 1⁄16 und 1⁄64 Heqat Süßbier; werde gekocht, (der Sud) ausgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. Die Eindickung beträgt 1⁄32 Heqat. (H 42) Alternative Rezeptur. 1⁄64 (Quantum) Weihrauchharz, 1⁄64 (Quantum) Kreuzkümmel 73), 1 ⁄8 (Quantum) frisches Brot, 1⁄16 (Quantum) Gänsefett, 1⁄16 (Quantum) Honig, 1⁄16 Heqat frisches Bier; werde gekocht, (der Sud) ausgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (H 43) Alternative Rezeptur zum Entfernen der Symptome der Schmerzstoffe. 1⁄8 (Quantum) Feigen 74), 1⁄32 (Quantum) Fladen Emmerbrot, 1⁄8 (Quantum) Pistazien, 1⁄32 (Quantum) Ocker, 1⁄16 und 1⁄64 Hekat Wasser; werde nachts dem Tau ausgesetzt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 126)

2.2.2 Krankheiten in allen Körperteilen Alternative Rezeptur zum Vertreiben der Schmerzen in jedem Krperteil eines Patienten. Gemaischter Pflanzenschleim; werde fein zerrieben, mit gegorenem Pflanzenschleim vermengt und (die schmerzende Stelle) damit verbunden. (Eb 301) 71. 72. 73.

74.

Eine Lückenangabe. Evtl. ist mit »beider« das Innere und äußere einer nicht bestimmbaren Hülsenfrucht gemeint, im Deutschen »mit Schale« zu übersetzen. Zur Dosierung und Wirksamkeit vgl. T. Pommerening, Überlegungen zur Beurteilung der Wirksamkeit altägyptischer Arzneimittel aus heutiger Sicht, in: K. Zibelius-Chen / H.-W. Fischer-Elfert (Hg.), »Von reichlich ägyptischem Verstande«, FS W. Guglielmi (Philippika 11), Wiesbaden 2006, 108 ff. Zur Dosierung und Wirksamkeit vgl. Pommerening, Überlegungen zur Beurteilung der Wirksamkeit altägyptischer Arzneimittel aus heutiger Sicht, 108 f.

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Rainer Hannig / Orell Witthuhn

2.2.2.1 Gefäßsystem Alternative Rezeptur, um Gefsse ein Medikament annehmen zu lassen. Muttermilch einer (Frau), die einen Jungen geboren hat, werde in einem neuen Topf nachts stehen gelassen, bis Dickmilch darinnen entsteht. Jede schmerzende Stelle werde damit eingerieben. (Eb 642) Alternative Rezeptur zum Erquicken der Gefsse in allen Krperteilen. 1 (Quantum) Wachs, 1 (Quantum) Rinderfett, 1 (Quantum) weiße Maulbeere, 1 (Quantum) Schlamm, 1 (Quantum) Strandtraubenkraut, 1 (Quantum) Schulp, 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Honig; werde zu einer Masse verarbeitet und (die schmerzende Stelle) damit verbunden, nachdem sie zuvor mit Myrrhe eingerieben worden ist. (Eb 651) Alternative Rezeptur, die bei einem Gefss angewandt wird, wenn es umherschnellt. 1 (Quantum) gegorener Pflanzenschleim, 1 (Quantum) Inneres der Maische 75); werde zu einem Kloß geformt, erwärmt und (das Gefäß) damit verbunden. (Eb 681)

2.2.2.2 Haut und Fleisch Alternative Rezeptur zum Entfernen der Schmerzstoffe. Öl, hergestellt aus dem Samen des Rizinus; reibe damit den Patienten ein, der an einem (schuppigen) Hautausschlag 76) erkrankt ist und besonders unter Hautaufbruch (?) und (fauliger) Absonderung leidet. Dann kommen die rjwmw-Erscheinungen 77) zum Stillstand, als ob nie etwas in der Art vorgefallen wäre. (Der Patient) werde mit einem Salbmittel parfümiert wie bei der »Zehn Tage«-Verordnung, wobei die Salbe früh am Morgen aufgetragen wird, um (die Krankheit) zu beseitigen. Eine erfolgreiche Methode, millionenfach (erprobt). (Eb 123) Hinsichtlich »Sein gesamtes Fleisch ist fiebrig, wie das Herz eines Mannes ermdet, den ein (langer) Weg kraftlos hat werden lassen« gilt: Sein Fleisch ist davon ermüdet, daß das Fleisch aufgrund eines langen Marsches müde geworden ist. (Eb 855x)

2.2.2.3 Kopf, Hinterkopf, Scheitel, Stirn und Schläfe sowie die Haare Rezeptur zum Entfernen (dmonischer) Einwirkungen im Kopf. 1 (Quantum) Inneres des Johannisbrots, 1 (Quantum) Gallapfel des Maerua-Baums, 1 (Quantum) Natron, 1 (Quantum) Schlamm, 1 (Quantum) verkohlte Nilbarschgräten, 1 (Quantum) verkohlte [Gräten] des roten Buntbarsches, 1 (Quantum) Kopf vom Fiederbartwels, 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) jbr-Salböl; werde der Kopf (des Patienten) bis zu vier Tage damit gesalbt. (Eb 248) Alternative Rezeptur gegen die Schmerzen im halben Kopf 78). 1 (Quantum) Welskopf; werde in Fett verkohlt und der Kopf (des Patienten) damit bis zu vier Tage lang eingerieben. (Eb 250) Alternative Rezeptur fr den Kopf, wenn er schmerzt, so daß die Schmerzstoffe ver75. 76.

77. 78.

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Vielleicht Treberkuchen, der als Rest der Maische im Läuterbottich verbleibt. whw im ägyptischen Text steht mit der Wurzel h in Verbindung, die soviel wie »rau; un˙ bedeuten muß (so auch H.-W. Fischer-Elfert, ˙ Abseits von Ma’at. Fallstudien zu Außeneben« seitern im Alten Ägypten (Wahrnehmungen und Spuren Altägyptens; 1), Würzburg 2005, 60). Vielleicht ist hier der Verlauf einer Psoriasis beschrieben. Vielleicht Eiterfluß, Schuppung oder punktförmige Blutungen. Die altägyptische Umschreibung für Migräne.

Texte aus Ägypten

schwinden. 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) Pflanzenwachs des jbw-Gewächses, 1 (Quantum) jbr-Salböl, 1 (Quantum) Schilfrohr, 1 (Quantum) (Rinder-)Fett; werde zerrieben, gekocht und (der Kopf des Patienten) damit gesalbt. (Eb 253) Alternative Rezeptur fr eine Behandlung des Kopfes. 1 (Quantum) Kampferbaum, 1 (Quantum) Minze, 1 (Quantum) weiches h s jt-Harz, 1 (Quantum) Weihrauchharz; werde (der Kopf des Patienten) damit täglich ¯gesalbt. Dies ist eine Behandlung des Kopfes. (Eb 255) Alternative Rezeptur zum Entfernen eines Schnupfens im Kopf durch Schminken. 1 Heqat Bleiglanz, 1⁄8 (Quantum) faulendes Holz, 1⁄16 (Quantum) Balsam, 1⁄16 (Quantum) Manganoxid, 1⁄64 (Quantum) roter Ocker, 1⁄64 (Quantum) getrocknete Myrrhe, 1 ⁄64 (Quantum) Samen der tntj-Pflanze. (Eb 391) Alternative Rezeptur fr den Kopf und die Schlfen. 1⁄64 (Quantum) Weihrauchharz, 1 ⁄64 (Quantum) hdw-Harz, 1⁄32 (Quantum) Trona, 1⁄32 (Quantum) Balsam, 1⁄16 (Quantum) ˙ Bleiglanz, 1⁄32 (Quantum) Meteoritgestein aus (der Stadt) QuMalachit, 1⁄32 (Quantum)  1 sae, ⁄64 (Quantum) w h-nhbt-Mineral, ½ Dja Wasser; werde zerrieben und an die ˙ ˙ Schläfe (des Patienten) gegeben. (Eb 260) Anfang der Rezepturen gegen graue Haare und zur Haarpflege. Blut eines schwarzen Kalbes; werde in Fett gekocht und (in die Haare) einmassiert. (Eb 451) Alternative Rezeptur. Schildkrötenpanzer, Wirbelsäule eines Raben; werde verkohlt, (zu Fett) hinzugegeben und mehrfach (in die Haare) einmassiert. (Eb 452) Alternative Rezeptur um zu verhindern, daß graue Haare entstehen. Katzenplazenta, Rabenei, Fett, jbr-Salböl; werde verkohlt und auf den Kopf gegeben, nachdem er rasiert worden ist. (Eb 453) Alternative Rezeptur. {Blut vom} Horn eines schwarzen Rindes; werde verkohlt, (zu) Fett (hinzugegeben) und (in die Haare) einmassiert. (Eb 454) Anfang der Rezepturen gegen Haarausfall. 1 (Quantum) zerkleinerte s r(j)-Pflanze werde zu 1 (Quantum) Fett hinzugegeben und in Wasser vom p w-2 getan; werde in die Haare einmassiert. (Eb 464) Alternative Rezeptur zum Wachsen lassen der Haare bei einem Kahlen. 1 (Quantum) Fett eines wilden Löwen, 1 (Quantum) Nilpferdfett, 1 (Quantum) Krokodilsfett, 1 (Quantum) Katerfett, 1 (Quantum) Schlangenfett, 1 (Quantum) Steinbockfett; werde zu einer Masse verarbeitet und der Kopf des Kahlen damit gesalbt. (Eb 465) Alternative Rezeptur zum Wachsen lassen der Haare bei (krankhaftem) Haarausfall. Stacheln vom Igel (oder vom Stachelschwein); werden verkohlt, zu Fett (hinzugegeben) und der Kopf (des Patienten) bis zu vier Tage lang gesalbt. (Eb 466) Alternative Rezeptur zum Wachsen lassen der Haare, das bei Schesch, der Königsmutter des seligen Pharaos Teti 79), angewandt wurde. 1 (Quantum) Windhundunterschenkel, 1 (Quantum) Dattelkerne, 1 (Quantum) Eselshuf; werde in einem Topf Fett gut durchgekocht und (der Kopf des Patienten) damit gesalbt. (Eb 468) Alternative Rezeptur zum Wachsen lassen der Haare. 1 (Quantum) Fett, 1 (Quantum) kilikisches Tannenharz; werde (der Kopf des Patienten) damit gesalbt. (Eb 473) Alternative Rezeptur zum Wachsen lassen der Haare auf einer Wunde. 1 (Quantum) weiße Maulbeere, 1 (Quantum) Nußgras, 1 (Quantum) Gallapfel des Maerua-Baums, 79.

Erster König der sechsten Dynastie (ab etwa 2290 v. Chr.)

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Rainer Hannig / Orell Witthuhn

1 (Quantum) sˇ sˇ -Pflanze, 1 (Quantum) Hirse, 1 (Quantum) Fett, 1 (Quantum) Honig; werde die Wunde damit verbunden. (Eb 472) Alternative Rezeptur fr eine erfolgreiche Haarpflege. Eselszahn; werde in Honig zerkrümelt und (der Kopf des Patienten) damit gesalbt. (Eb 470) Rezeptur gegen (krankhaften) Haarausfall. Stacheln vom Igel (oder vom Stachelschwein); werden verkohlt, in Fett getaucht und auf (die kahle Stelle) gegeben. (Eb 771) Alternative Rezeptur. Roter Ocker, Schaum von Qualitätsbier; werde aufgetragen. Nachdem (das befallene Haar) abgeschnitten worden ist, werde jhw-Früchte zerrie˙ ben und auf (die kahle Stelle) gegeben. (Eb 772) Alternative Rezeptur. Topfsplitter; werden verkohlt und in (ein Gemisch aus) Fett und rotem Ocker (gestreut). Werde in Wasser zerkrümelt und (auf die kahle Stelle) aufgetragen. (Eb 773) Alternative Rezeptur als Beschwrung gegen (krankhaften) Haarausfall. Oh, aufgehender Re 80), der zur Ruhe geht, hüte dich vor meinem Spruch. Aton 81), nimm dich in Acht vor den Herren des Scheitels. Zu rezitieren ber rotem Ocker, Johannisbrot, Alabaster, Meteoreisen, Honig; werde zu einer Masse verarbeitet und auf (die kahle Stelle) gegeben. (Eb 776) Alternatives Mittel um zu veranlassen, daß Haare ausgehen. Wasserwurm, gekocht, verkohlt und in Fett und Behenöl (gegeben); werde auf den Kopf der Verhaßten (Nebenbuhlerin) gegeben. (Eb 474) Alternative Rezeptur. Lotus; werde verkohlt, zu Fett hinzugegeben und auf den Kopf der Verhaßten (Nebenbuhlerin) gegeben. (Eb 475)

2.2.2.4 Gesicht, Ohr, Auge, Nase, Mund, Zähne und Zunge sowie das Kinn Alternatives (Heilmittel), um Gesichtsfalten zu beseitigen. Gummiharz von Weihrauch 1 (Quantum), Wachs 1 (Quantum), frisches Behenöl 1 (Quantum), Nußgras 1 (Quantum), fein zermahlen, in Pflanzenschleim zu geben, täglich an das Gesicht zu applizieren. Verfahre (so und) du wirst (den Erfolg) sehen. (Eb 716, 87,6-8) Alternative Rezeptur, um das Gesicht zu straffen. Brei von Gummiharz in Essig; nachdem sie sich das Gesicht täglich gewaschen hat, reibe sie es damit ein. (Eb 717) Alternatives (Heilmittel), um Gesichtsunreinheiten zu beseitigen. Inneres des ksbtBaums, werde mit rotem Ocker vermischt, werde sehr oft an das Gesicht appliziert. (Eb 721, 87,15-17) Anfang der Rezepturen fr das Ohr, wenn sein Hrvermgen gering ist. Roter Ocker, Blatt des Maerua-Baums; werde fein zerrieben in frisches Behenöl gestreut und an das Ohr gegeben. 82) (Eb 764) Alternative Rezeptur fr das Ohr, wenn es einen fauligen Ausfluß absondert. 83) 80. 81. 82. 83.

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Re ist der Sonnengott von Heliopolis bei Kairo. Aton, ursprünglich Bezeichnung der Sonnenscheibe, war besonders in der Amarnazeit eine Bezeichnung der sichtbaren, Wärmestrahlen aussendenden Sonne. Das Medikament hat eine kühlende Wirkung. Das Leiden könnte daher durch eine Entzündung hervorgerufen worden sein. Beschrieben sind hier vermutlich die Symptome einer Gehörgangsentzündung bzw. eines Furunkels im äußeren Gehörgang oder einer Mittelohrentzündung mit perforiertem Trommel-

Texte aus Ägypten

Weihrauchharz in Gänsefett, Dickmilch vom Rind, bdt-h wrt-Natron; werde fein zerrie˙ (Eb 765) ben, zu einer Masse verarbeitet und an das Ohr gegeben. Alternative Rezeptur fr die Versorgung des Ohres. 84) Du mögest es mit kühlenden Mitteln versorgen, damit es nicht heiß wird. Wenn ein Gefäß pulsiert, dann sollst du (dem Patienten) Kügelchen aus zerriebenem Malachit zubereiten; (diese) werden bis zu vier Tage lang (auf das Gefäß) gegeben. Danach bereitest du (dem Patienten) zu: einen Faserbausch, (getränkt mit) 2⁄3 (Quantum) Fett und h1⁄3 (Quantum)i Honig; werde mehrmals (auf das Ohr) gegeben. Wenn der Gehörgang näßt 85), dann sollst du (dem Patienten) Puder (wie) für das Trocknen einer Wunde zubereiten: Nilakazienblätter, Christdornblätter, Weidenkätzchen und Kreuzkümmel; werde zerrieben und an (das Ohr) gegeben. Wenn (das Ohr) darunter talgig ist, dann sollst du (dem Patienten) ein Mittel (wie) fr das Trocknen einer Wunde zubereiten: Spitzmauskopf, Gallenblase einer Ziege, Schildkrötenpanzer (Schildpatt), Conyza; werde (das Ohr) damit mehrfach gepudert. Für einen gebrochenen Finger, aus dem sein Mark zu Boden rinnt, verfährst du ebenso 86). Die Behandlung für ein Ohr, wenn es (halb) abgespalten wurde und in der Luft hängt 87), ohne zu Boden zu fallen, ist: Du sollst (dem Patienten) ein Leinennetz knüpfen; werde (das Ohr) darin zusammen mit Milchsaft der Sykomore eingepackt, damit es an seinem Blut (der Schnittstelle) anhaftet. Es darf kein Fett oder Honig daran gegeben werden. Dann mußt du seine eine Wundhälfte anschneiden, damit sein Blut auf die andere Wundhälfte tropft. (Das Ohr) darf auf keinen Fall faulig werden. Nachdem du festgestellt hast, daß es anwchst, sollst du (dem Patienten) zubereiten: Fett und Wachs; werde gekocht und (das Ohr) damit verbunden. Es werde nicht zu viel aufgetragen, sondern soviel wie bei jeder Art von Wundsekret, wenn (die Wunde) gespalten ist. Wenn (das Ohr) eine Zeit lang widerständig geworden ist 88), dann mußt du (dem Patienten um das Ohr) eine Stoffbinde anlegen, die an seinem Hinterkopf verknotet wird. (Eb 766) Rezeptur fr ein Ohr, das anomal ist und Eiter gebildet hat. 1 (Quantum) Behenöl, 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) shpt-Getränk 89); werde in das Ohr einge˘ gossen. (Eb 768)

84. 85. 86. 87. 88. 89.

fell. Als Medikament wird eine Art Ziehsalbe verabreicht. Die in der Dickmilch enthaltenen Bakterien werden dazu genutzt, gegen die Bakterien der Infektion anzugehen. Das im Medikament enthaltene Salz wirkt osmotisch und sorgt zudem für einen Druckausgleich im Ohr. Dadurch wird zudem einer Neuinfektion vorgebeugt. Mit »versorgen« wird in ägyptischen medizinischen Texten das eher pflegerische Handeln und weniger die ärztliche Tätigkeit hervorgehoben. Dies bedeutet, es kann sich u. U. ein feuchtes Ekzem bilden. Dem Symptom nach könnte sich ein Gehörgangekzem gebildet haben. Die Varianten im Rezept berücksichtigen mögliche Komplikationen. Im Folgenden setzt ein weiterer, neuer medizinischer Fall ein. Übersetzung nach W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin (Handbuch der Orientalistik; 36), zweiter Band, Leiden u. a. 1999, 677. D. h. der Heilungsprozeß soweit abgeschlossen ist, daß die Ohrmuschel wieder leicht vorgeklappt werden kann und selbstständig zurückschnellt. Lesung nach einem Vorschlag von Dr. Petra Vomberg gegen die Übersetzung W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin (Handbuch der Orientalistik; 36), zweiter Band, Leiden u. a. 1999, 677.

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Rainer Hannig / Orell Witthuhn

Alternative Rezeptur um das Ohr zu trocknen, wenn es Flssigkeit absondert. 90) 1 (Quantum) roter Ocker, 1 (Quantum) Kreuzkümmel, 1 (Quantum) »Eselsohr«-Pflanze, 1 (Quantum) Salböl bester Qualität, 1 (Quantum) Behenöl; (werde) ebenso (in das Ohr eingegossen). (Eb 770) Rucherwerk zum Entfernen von Ohrensausen, das von außen eingedrungen ist. Katzenkot, Krokodilskot, Schwalbenkot, Damhirschhorn; werde der Patient damit beräuchert. (Bln 70) Alternative Rezeptur fr das Verscheuchen des Todes im Ohr. Sesbanie, Skorpionsschwanz, Rückenflosse des Fiederbartwelses; werde (der Patient damit) ebenso (beräuchert). (Bln 71) Rezeptur zum Entfernen von Schwere im Ohr. 91) 1 (Quantum) Conyza, 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) Sellerie, 1 (Quantum) Saatkorn, 1 (Quantum) Rindergalle; werde zu einem Kügelchen verarbeitet und (auf das Ohr des Patienten) gegeben. (Bln 200) Anfang der Sammelhandschrift fr die Augen. Zubereitung gegen eine Verwachsung von Schmerzstoffen mit Blut im Auge. 92) 1 (Quantum) oberägyptisches sj -Mineral, 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) Balsam, 1 (Quantum) nhd-Duftstoff 93). ˙ Behandlung seines (des Auges) Ausflusses: 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) Myrrhe, 1 (Quantum) tntm-Pflanze, 1 (Quantum) Ocker. Behandlung der Verwachsung: 1 (Quantum) unterägyptisches sj -Mineral, 1 (Quantum) roter Ocker, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) Honig. Danach bereitest du (fr den Patienten) zu: 1 (Quantum) Fett. Anfang der Nachbehandlung: 1 (Quantum) Wachs, 1 (Quantum) Teufelsdreck, 1 (Quantum) bestes Weihrauchharz, 1 (Quantum) Ocker. Fortsetzung der Nachbehandlung: 1 (Quantum) faulendes Holz, 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) Gänsefett. Ende der Nachbehandlung: 1 (Quantum) Ocker, 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Fett; werde (das Auge) damit bis zu vier Tage lang verbunden. Du sollst (den Heilungsprozeß) nicht mehr als nötig stören. (Eb 336) Alternative Rezeptur zum Entfernen eines Kgelchens im Auge. 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) Johannisbrot, 1 (Quantum) faulendes Holz, 1 (Quantum) Teufelsdreck; werde mit Wasser vermengt und auf die Augenlider gegeben. (Eb 355) 90. 91. 92.

93.

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Abgesondert wird ein klares, dünnflüssiges und wohl geruchloses Sekret, das von einer Infektion herrühren könnte. Beschrieben ist vermutlich ein Unterdruck im Ohr. Die Rezeptur hat dann das Ziel, das Trommelfell nach außen zu ziehen. Die Inhaltsstoffe weisen das Medikament als desinfizierend aus. Der Diagnose nach leidet das Auge des Patienten an einem entzündeten Gerstenkorn oder Flügelfell. Zu den Augenerkrankungen vgl. generell H. Trojan, Augenerkrankungen in Ägypten, in: R. Hannig / P. Vomberg / O. Witthuhn (Hg.), Marburger Treffen zur altägyptischen Medizin. Vorträge und Ergebnisse 2002-2007, Beihefte Göttinger Miszellen 2, Göttingen 2007, 75-85. Zu berücksichtigen ist bei allen Rezepturen, daß die beschriebenen Medikationen durchaus geeignet sein können, z. B. bakterielle Infektionen, die auf die Augen schlagen, zu mindern oder zu beseitigen. Augenerkrankungen im engeren Sinne sind meist nur operativ zu beheben, weshalb die aufgeführten Rezepturen oft nur magischen Charakter besessen haben. Vielleicht Ammoniacum, das Harz der Dorema ammoniacum dom.

Texte aus Ägypten

Alternative Rezeptur zum Entfernen eines Gerstenkornes. 2 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) roter Ocker, 2 ½ (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Natron, 1 ⁄8 (Quantum) Ocker; werde in Wasser zerrieben und auf die Augenlider gegeben. (Eb 416) Alternative Rezeptur, die bei einer Ritzung im Auge angewandt wird. Erster Tag: 1 (Quantum) Sumpfwasser. Zweiter Tag: 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) Bleiglanz; für einen Tag. Wenn es blutet: 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) Bleiglanz; werde damit bis zu zwei Tage lang verbunden. Wenn aber viel Flüssigkeit aus (dem Auge) rinnt, dann mußt du für es Mittel zubereiten und als Kompresse (auflegen): 1 (Quantum) Kupfersilikat, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) Hasenohrdolde; werde gekocht. … 1 (Quantum) Nilakazienblatt, 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) Johannisbrot, 1 (Quantum) Wasser; werde zerrieben und in das Auge gegeben. (Eb 337, 338) Alternative Rezeptur zum Entfernen einer Eintrbung im Auge. 94) 1 (Quantum) Myrrhe, 1 (Quantum) sory-Mineral, 1 (Quantum) grün-bläuliche Fritte, 1 (Quantum) Johannisbrot, 1 (Quantum) unterägyptische gjt-Pflanze, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) Gazellenkot, 1 (Quantum) Innereien des q djt-Tieres, 1 (Quantum) weißes Öl; werde zu Wasser gegeben, nachts dem Tau ausgesetzt, ausgepreßt und (das Auge) damit bis zu vier Tage lang verbunden. Alternative Lehrmeinung. Du sollst es mit einer Geierfeder einträufeln. (Eb 339) Alternative Rezeptur gegen Blindheit. Die beiden Augen eines Schweins; werde die Flüssigkeit davon genommen; 1 (Quantum) echter Bleiglanz; 1 (Quantum) (roter) Okker; 1 (Quantum) Gärungsprodukt des Honigs; werde fein zerrieben, zu einer Masse verarbeitet und in das Ohr des Patienten eingefüllt, so daß er schnell kuriert ist. Verfahre so und du wirst sehen, es ist eine erfolgreiche Methode. Dann sollst du als Zauber sprechen: »Ich habe diese (Schweineaugen) geholt und an die Stelle von diesen (des Patienten Augen) gesetzt, die nun anstelle (jener) furchtbar leiden.« Zu wiederholen. (Eb 356) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Eintrbung, Dunkelheit, Sehschwche und Einwirkungen, die in den Augen entstanden sind. 1 (Quantum) faulendes Holz, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) Johannisbrotkernmehl, 1 (Quantum) Nilakazienblatt, 1 (Quantum) Harzperlen des afrikanischen Ebenholzes, 1 (Quantum) Saft der qbw-Pflanze; werde zu einer Masse verarbeitet, zu einem Teig verknetet, gedörrt, in Wasser zerkrümelt und auf die Augenlider gegeben. (Eb 415) Alternative Rezeptur zum Abwehren von Schmerzstoffen in den Augen. 95) 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) (roter) Ocker; werden die Augen damit geschminkt. (Eb 341) Alternative Rezeptur zum ffnen des Sehens durch ein Mittel, das auf die Augenlider gegeben wird. 96) 1 (Quantum) Samen der tntj-Pflanze, 1 (Quantum) Akazienharz,

94. 95. 96.

Vermutlich eine Linsen- oder Hornhauttrübung, die durch eine bakterielle Infektion hervorgerufen worden ist. Vielleicht handelt es sich um eine Limbokonjunktivitis, vgl. Trojan, Augenerkrankungen in Ägypten, 75-85. Die Rezeptur dient vermutlich zur Prophylaxe. U. U. soll das Rezept Kurzsichtigkeit beheben.

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1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Wasser; werde fein zerrieben, zu einer Masse verarbeitet und auf die Augenlider gegeben. (Eb 342) Alternatives Schminkmittel. 2 (Quantum) Bleiglanz, 4 (Quantum) Honig, ¼ Malachit, ¼ Ocker, echter Lapislazuli; werde zerrieben und auf die Augen gegeben. (Eb 400) Alternative Rezeptur hzumi Krftigen des Sehens, die im 1. Monat der berschwemmungszeit bis zum 2. Monat der berschwemmungszeit angewandt wird. Bleiglanz, Antimonsulfit, Balsam, (jeweils) zu gleichen Teilen; werde auf und in die Augen gegeben. (Eb 393) Alternative Rezeptur zur Pflege des Sehens mit den Augen. 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) roter Ocker, 1 (Quantum) Johannisbrot, 1 (Quantum) Teufelsdreck, 1 (Quantum) Antimonsulfit; werde zu einer Masse verarbeitet und auf die Augen gegeben. (Eb 359) Alternative Rezeptur bei einer Pupillenverkleinerung des Auges. 97) 1 (Quantum) Harzperlen des afrikanischen Ebenholzes, 1 (Quantum) oberägyptisches sj -Mineral; werde in Wasser zerkrümelt und mehrmals auf die Augen gegeben. (Eb 345) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Augenunebenheiten (Trachomen). 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) roter Ocker, 1 (Quantum) Ocker, 1 (Quantum) rotes Natron; werde auf die Augenlider gegeben. (Eb 346) Alternative Rezeptur zum Entfernen eines Kgelchens im Auge. 98) 1 (Quantum) Balsam, 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) faulendes Holz; werden die Augen damit geschminkt. (Eb 430) Alternative Rezeptur zum Entfernen einer Augenrtung. 99) Zwei Tonschalen, die eine mit Hirsebrei und Milch einer Frau, die einen Jungen geboren hat, die andere Milch; werde (beides) nachts dem Tau ausgesetzt. Du solltest früh auf sein, um deine Augen mit diesem Hirsebrei auszufüllen, viermal täglich. (Eb 384) Alternative Rezeptur zum Entfernen von derung in den Augen. Getrocknete Myrrhe, nhd-Duftstoff, Malachit, (jeweils) zu gleichen Teilen; werde auf die Augenlider gegeben. ˙ 387) (Eb Alternative Rezeptur zum Entfernen einer rtlichen Entzndung in den Augen. Johannisbrot, Nilakazienblatt, Malachit, Milch einer Frau, die einen Jungen geboren hat; werde zu einer Masse verarbeitet und auf die Augenlider gegeben. (Eb 408) Alternative Rezeptur fr ein Auge, in dem alle (mglichen) bsartigen Dinge entstanden sind. In zwei Hälften geteilte Schweinegalle; werde ihre eine Hälfte in Honig gegeben und abends das Auge damit geschminkt, und werde ihre zweite Hälfte getrocknet, fein zerrieben und morgens das Auge damit geschminkt. (Eb 392) Alternative Rezeptur zum Entfernen einer Wasserstauung 100) in den Augen. »Es 97. Vielleicht infolge einer Lepraerkrankung. 98. Vermutlich handelt es sich nicht um ein Gerstenkorn am Auge, sondern um ein Trachom im Auge. 99. Die anzuwendende Milch sowie der Körnerbrei deuten auf eine Verätzung im Auge (z. B. durch Kalksteinstaub) hin. Die Milch neutralisiert die Base, und die in den Körnern enthaltenen Enzyme wirken antibakteriell. 100. Nach W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin (Handbuch der Orientalistik; 36), zweiter Band, Leiden u. a. 1999, 618 ist die beschriebene Krankheit eine Katarakt. Die Symptome passen jedoch besser auf ein Glaukom, vgl. Trojan, Augenerkrankungen in Ägypten, 83.

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kommt der Malachit, es kommt der Malachit! Es kommt das Grüne! Es kommt das Sekret des Horusauges! Es kommt das Ausgespieene des Atum 101)! Es kommt der Ausfluß, der aus Osiris hervorgegangen ist! Nunmehr ist (der Malachit) gekommen. Er hat das Wasser, den Eiter, die Rötung, die Sehschwäche, die bjdj-Krankheit, die Blindheit, die Eintrübung, die Einwirkungen eines Gottes, eines Verstorbenen oder einer Verstorbenen, eines Schmerzdämons oder einer Schmerzdämonin sowie aller (möglichen) bösartigen Dinge, die in diesen Augen sind – und so weiter – entfernt.« ber Malachit zu rezitieren; werde in Grungsprodukt des Honigs zerkrmelt; werde hierzu Nußgrasrhizom zerkrmelt und auf das Auge gegeben. 102) Eine erfolgreiche Methode. (Eb 385) Alternative Rezeptur zum Entfernen des Wtens im Auge. Erstens, nachdem es gesprt worden ist: Honig der Gärung oder Überzug vom Honig; werde bis zu vier Tage lang auf (das Auge) gegeben. Zweitens: 1⁄8 (Quantum) Kupfergrünspan, 1⁄8 (Quantum) Bleiglanz, 1⁄8 (Quantum) faulendes Holz, 1⁄8 (Quantum) oberägyptisches sj -Mineral; werde zu einer Masse verrieben und bis zu vier Tage lang auf (das Auge) gegeben. (Eb 369) Alternative Rezeptur gegen Nachtblindheit in den Augen. 103) 1 (Quantum) Rinderleber, gebraten und püriert; werde (auf die Augen) gegeben. Eine erfolgreiche Methode. (Eb 351) Spruch fr die Nachtblindheit. »Oh, Verstorbener oder Verstorbene, die die Nachtblindheit und die Trübung dieser meiner Augen verursachen. Ihr sollt keine Nachtblindheit, Trübung und Sehschwäche in mir verursachen können.« Werden seine Augen mit der Hand dessen, der unter Nachtblindheit leidet, gerieben. Dann sieht er sofort (wieder). (L 34) Alternative Rezeptur zum Entfernen der bjdj-Krankheit in den Augen. 104) Echter Bleiglanz; werde für vier Tage (zum Säubern) in ein Hin-Gefäß mit Wasser gegeben; werde (danach) nochmals für vier Tage (zum Säubern) in Entenfett gelegt; dann soll man ihn in Milch einer Frau waschen, die einen Jungen geboren hat; er hat nun Tage zu trocknen. Dann soll man ihn zerreiben; werde ein unversehrtes Myrrhekügelchen hinzugegeben und die Augen (des Patienten), dessen Augen unter der bjdj-Krankheit leiden, damit geschminkt. (Eb 368) Alternative Rezeptur zum Entfernen einer Depigmentierung (Albugines) in den Augen. »Es ist Lärm am südlichen Himmel seit Anbruch der Nacht und es sind Unwetter am nördlichen Himmel. Leichenhaufen sind in das Wasser gestürzt. Die Rudermannschaft des Re ist dabei, ihre Landepflöcke einzuschlagen, denn die Häupter sind in das Wasser gestürzt. ›Wer wird es sein, der ihn (jeden einzelnen Kopf) holt und der ihn findet?‹ ›Ich bin es, der ihn holen wird. Ich bin es, der ihn finden wird. Nachdem ich Euch nun die Häupter wiedergebracht habe, Euch nun die Nacken versteift, Euch nun Abgeschnittenes wieder an die rechte Stelle gesetzt habe, hole ich Euch (zu Hilfe), um die Einwir101. Atum ist der älteste Gott in der Götterneunheit von Heliopolis. 102. Die Behandlung ist anscheinend zweimal durchzuführen; erst bei dem einen, dann bei dem anderen Auge. 103. Nachtblindheit kann z. B. durch Vitamin A-Mangel hervorgerufen werden, vgl. Trojan, Augenerkrankungen in Ägypten, 75-85. 104. Es handelt sich den Medikamenten nach zu urteilen um eine Infektionskrankheit. Der Name deutet auf eine ausländische Benennung hin.

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kung eines Gottes, eines Verstorbenen oder einer Verstorbenen – und so weiter – zu beseitigen.‹« ber Schildkrtengalle zu rezitieren; werde mit Honig verkrmelt und auf die Augenlider gegeben. (Eb 360) Alternative Rezeptur zum entfernen von Pinguekula in den Augen. Feuersteinsplitter; werde in Pflanzenschleim zerkrümelt und mehrere Male auf (das Auge) gegeben. (Eb 431) Alternative Rezeptur zum Entfernen einer Ballung von Hitze in den Augen. 1 (Quantum) Johannisbrot, 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Samen der tntj-Pflanze; werde haufi die Augenlider gegeben. (Eb 353) Alternative Rezeptur zum entfernen einer Wimper im Auge (Trichiasis). 1 (Quantum) Myrrhe, 1 (Quantum) Eidechsenblut, 1 (Quantum) Fledermausblut; werde die Wimper herausgezogen und (das Medikament auf das Auge des Patienten) gegeben, bis (der Patient) kuriert ist. (Eb 424) Alternative Rezeptur um zu vermeiden, dass eine Wimper (wieder) in das Auge hineinwchst, nachdem sie ausgerissen wurde. 1 (Quantum) in Eidechsenkot zerriebenes Weihrauchharz, 1 (Quantum) Rinderblut, 1 (Quantum) Eselsblut, 1 (Quantum) Schweineblut, 1 (Quantum) Windhundblut, 1 (Quantum) Ziegenblut, 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Malachit; werde fein zerrieben, mit diesem Blut zu einer Masse verarbeitet und auf die Stelle gegeben, wo das Haar war, bevor es ausgerissen wurde. Es wird nicht wieder (nach)wachsen. (Eb 425) Alternative Rezeptur zum Entfernen einer Nebenhhlenentzndung in der Nase. 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) faulendes Holz, 1 (Quantum) getrocknete Myrrhe, 1 (Quantum) Honig; werde (die Nase des Patienten) damit bis zu vier Tage lang geschminkt. Verfahre (so und) du wirst (den Erfolg) sehen; denn siehe, es hat seine Richtigkeit (damit). (Eb 418) Alternative Schminke, die vom Hohepriester in Heliopolis Chui 105) zubereitet worden ist. 106) 1 (Quantum) Bleiglanz, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) oberägyptisches sj -Mineral, 1 (Quantum) unterägyptisches sj -Mineral, 1 (Quantum) (roter) Ocker, 1 (Quantum) faulendes Holz, 1 (Quantum) Gärungsprodukt des Honigs. (Eb 419) Anfang der Rezepturen gegen Schnupfen. Dattelsirup 107); werden die Nasenlöcher damit gefüllt. (Eb 761) Alternative Rezeptur zum Entfernen des Niesens aus der Nase. Minze; werde mit Datteln verrieben und an die Nase gegeben. (Eb 762) Alternative Rezeptur, um gegen Schnupfen anzugehen. »Du mögest ausfließen, Schnupfen; (wie auch) der Sohn des Schnupfens (Symptome?), der die Knochen zerbricht, der den Schädel verwundet und auf dem Knochenmark herumhackt; der den Schmerz in den Körperöffnungen des Kopfs im Gefolge des Re verursacht, die (deshalb Hilfe suchend) Thot anbeten. 108) Siehe, ich habe dein gegen dich gerichtetes Medikament und dein gegen dich gerichtetes Schutzmittel geholt: Milch einer (Frau), die einen 105. Ein Hohepriester namens Chui-en-Hor legte in der 6. Dynastie ein Grab in Heliopolis an. Der Name Chui war vermutlich sein Kurzname. 106. Die Rezeptur ist vermutlich wie Eb 418 anzuwenden. 107. Der im Dattelsirup enthaltene Zucker wirkt hyperosmotisch. Die Folge ist ein Abschwellen der Schleimhäute. 108. Die Symptome lassen an Schnupfen in Verbindung mit Kopf- und Gliederschmerzen denken.

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Jungen geboren hat, und Duftharz. ›Es wird dich entfernen, und es wird dich vertreiben!‹« Wiederhole es in umgekehrter Reihenfolge. »Komme heraus zu Boden! Verfaule!« Zu wiederholen. (Alles) viermal zu wiederholen. Zu rezitieren über der Milch einer (Frau), die einen Jungen geboren hat, und Duftharz; werde in die Nase (des Patienten) gegeben. (Eb 763) Alternative Rezeptur gegen Schmerzstoffe im Mund. 1⁄8 (Quantum) Wermut, 1⁄8 (Quantum) tj2m-Pflanze 109), 1⁄16 (Quantum) 22  m-Pflanze, 1⁄8 (Quantum) Samen der  h syt-Pflanze, 1⁄16 (Quantum) Wacholderbeerenzapfen, 1⁄8 (Quantum) angeritzte Syko˘morenfeigen, 1⁄16 (Quantum) Pistazien, 1⁄8 (Quantum) Johannisbrot, 1⁄64 (Quantum) Weihrauchharz, 1⁄32 (Quantum) Ocker, 1⁄64 (Quantum) Kresse, 1⁄8 (Quantum) Rinde der Sykomore, 1⁄16 Heqat 2m w-Pflanze; werde nachts dem Tau ausgesetzt, ausgepreßt und bis zu vier Tage lang schlückchenweise (der Mund damit) ausgespült. (Eb 122) Anfang der Rezepturen gegen Zahnausfall. 1 (Quantum) Hirsebrei, 1 (Quantum) Okker, 1 (Quantum) Honig; werde zu einer Masse verarbeitet und der Zahn damit ausgefüllt. (Eb 739) Alternative Rezeptur zur Zahnpflege durch ein Kaumittel. 1 (Quantum) Getreidekörner, 1 (Quantum) Süßbier, 1 (Quantum) »Feder des Gottes Nemti«-Pflanze; werde zerkaut und auf den Boden (ausgespuckt). (Eb 745) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Zahngeschwren und zur Regeneration des Zahnfleisches. 110) 1 (Quantum) Rindermilch, 1 (Quantum) grüne Datteln, 1 (Quantum) Erdmandeln; werde nachts dem Tau ausgesetzt, werde zerkaut und ausgespuckt. (Eb 746) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Quetschungen eines Zahngeschwrs. 1 (Quantum) Kampferbaum, 1 (Quantum) Gummiharz, 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) Fett; werde (die Quetschung) damit verbunden. (Eb 553) Alternative Rezeptur zur Versorgung eines Zahnes, der an den Zahnfleischrndern zerfressen wird. 111) 1 (Quantum) Kreuzkümmel, 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) Johannisbrot; werde zu einem Pulver verarbeitet und hani den Zahn gegeben. (Eb 742) Entfernen einer Ansammlung von Schmerzstoffen in den Zhnen. 1 (Quantum) angeritzte Sykomorenfeigen, 1 (Quantum) Langbohnen, 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) Malachit, 1 (Quantum) Ocker; werde zerrieben, zu Pulver verarbeitet und an den Zahn gegeben. (Eb 741) Alternative Rezeptur zur Versorgung von Zahnfleischbluten. 1⁄32 (Quantum) qbwPflanze, 1⁄64 (Quantum) Johannisbrot, 1⁄16 (Quantum) Gummiharz, 1⁄8 (Quantum) angeritzte Sykomorenfeigen, 1⁄32 (Quantum) Salbei, 1⁄32 Heqat Wasser; werde nachts dem Tau ausgesetzt und bis zu vier Tage lang (der Mund damit) ausgespült. (Eb 749) Anfang der Rezepturen zum Entfernen von Schmerzen der Zunge. Milch; werde im Mund kreisen gelassen und auf den Boden (gespuckt). (Eb 697)

109. Vielleicht die Koloquinthe (Citrullus colocynthis). 110. Vermutlich handelt es sich um Parodontitis. 111. Wohl Karies.

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2.2.2.5 Nacken, Vorderhals, Schultergürtel

Alternative Rezeptur. Wenn du einen Patienten untersuchst, in dessen Nacken Schleimstoffe sind und es schmerzen ihn seine Nackenmuskulatur und sein Kopf; seine Halswirbel sind steif und sein Nacken (fhlt sich) schwer (an). Nicht gelingt es (dem Patienten) auf seinen Bauch zu blicken, denn es ist fr ihn zu schwierig. Dann diagnostizierst du: (Ein Kranker) mit Schleimstoffen in seinem Nacken. Dann sollst du veranlassen, daß er sich einreibt und das er sich schminkt, so daß er sich rasch wohlfühlt. (Eb 295) Alternative Rezeptur. Was für einen Patienten unternommen wird, der unter Schnupfen in seinem Kopf leidet, denn es sind Schleimstoffe in seinem Nacken. 1 (Quantum) jbr-Salböl, 1 (Quantum) h s jt-Harz, 1 (Quantum) Wacholderzweig, 1 (Quantum) ¯ Bleiglanz, 1 (Quantum) Ocker, 1 (Quantum) SteinbockWeihrauchharz, 1 (Quantum) fett; werde zerrieben, (zu einer Masse) verarbeitet, auf einer Binde (verstrichen) und an den Kopf gegeben. (Eb 298)

2.2.2.6 Rücken und Brustkorb

Rezeptur zur Versorgung des Brustraums. 1⁄16 (Quantum) Johannisbrot, ¼ (Quantum) Kreuzkümmel, Wein; werde gekocht und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 183) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Hitze der Schmerzstoffe in der Brust. 1 (Quantum) Feigen, 1 (Quantum) Weintraubenkerne, 1 (Quantum) Pistazien, 1 (Quantum) Wacholderbeerenzapfen, 1 (Quantum) Weihrauchharz, 1 (Quantum) Kresse, 1 (Quantum) Kreuzkümmel, 1 (Quantum) geschnittene Datteln, Süßbier; werde gekocht, (der Sud) durchgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 186)

2.2.2.7 Bauch und Unterleib

Anfang der Sammelhandschrift zum Entfernen von Krankheiten im Bauch. Erbsen; werden mit Bier vermengt und vom Patienten eingenommen. (Eb 4) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Krankheit des Bauches. Fett, Erdmandeln, Strandtraubenkraut, Perle, die in Honig zerrieben worden ist; werde zu einer Masse verarbeitet und während eines Tages gegessen. (Eb 43) Alternative Rezeptur zum Entfernen jeder (mglichen) Krankheit im Bauch. Geröstete Feigen, eingetaucht in frisches Behenöl, Rosinen, desgleichen, weiße Maulbeere, desgleichen; werde zu einer Masse vermengt, vom Patienten, in dessen Bauch eine Krankheit ist, gegessen und veranlaßt, daß er (danach etwas) trinke. (Eb 41) Alternative Rezeptur fr den Bauch, wenn er schmerzt. 1⁄64 (Quantum) Kreuzkümmel, 1 ⁄8 (Quantum) Gänsefett, 1⁄16 Heqat Milch; werde gekocht, (der Sud) ausgepreßt und (vom Patienten) eingenommen. (Eb 5)

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Alternative Rezeptur zum Aufbrechen der Schmerzstoffe im Bauch. 1⁄64 Heqat frisches Rindfleisch, 1⁄64 (Quantum) Weihrauchharz, 1⁄8 (Quantum) 2f -Pflanze, 1⁄16 (Quantum) Wacholderbeerenzapfen, 1⁄8 (Quantum) frisches Brot, 5/64 Heqat Süßbier; werde ausgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 86) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Schleimstoffen im Bauch eines Mannes oder einer Frau. 1⁄8 (Quantum) Feigen, 1⁄8 (Quantum) Pistazien, 1⁄16 (Quantum) Rosinen, 1⁄64 (Quantum) Weihrauchharz, 1⁄64 (Quantum) Kreuzkümmel, 1⁄8 (Quantum) Bartgras, 1 ⁄8 (Quantum) Honig, 5/64 Heqat Süßbier; werde ausgepreßt (und vom Patienten) eingenommen. (Eb 300) Entfernen einer Schwellung im Bauch. 5/64 Heqat Kuhmilch, 1⁄16 (Quantum) Wacholderbeerenzapfen, 1⁄64 Heqat ktkt-Pflanze 112); werde zu einer Masse zerstoßen, ausgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 585) Abfhrmittel des Bauches. 5/64 Heqat Milch, ¼ angeritzte Sykomorenfeigen, ¼ Honig; werde gekocht, (der Sud) durchgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 7) Alternative Rezeptur. Ein Hin-Maß Gerste, werde geröstet, so daß es ganz und gar gedörrt ist, zu einem Kuchen verarbeitet und in Fett gegeben; werde vom Patienten gegessen, der nicht abführen kann. (Eb 37) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Schlacke im Bauch. 1 (Quantum) Conyza; werde in Kuhmilch oder süßem Bier gekocht, werde von dem Mann getrunken, bis er die Schlacke ausscheidet, die in seinem Bauch ist. (Eb 20) Alternative Rezeptur zum Entleeren des Bauches und Entfernen von Krankheitserscheinungen im Bauch eines Mannes. Rizinussamen; werde gekaut und mit Bier hinuntergeschluckt, bis alles herauskommt, was in seinem Bauch ist. (Eb 25) Alternative Rezeptur fr das Regeln des Harns und um zu veranlassen, dass man abfhrt. 1⁄64 Heqat Gänsefett, 1⁄32 (Quantum) sory-Mineral; werde gekocht, auf Fingertemperatur abkühlen gelassen und mit Wein hinuntergeschluckt. (Eb 27) Alternative Rezeptur um auszuscheiden. 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) Johannisbrotkernmehl, 1 (Quantum) Wermutbrei; werde zu einem Zäpfchen verarbeitet. (Eb 8) Alternative Rezeptur. 1 (Quantum) Malachit; werde fein zerrieben, in einen Brotfladen gegeben und zu drei Pillen verarbeitet; werden vom Patienten geschluckt und mit Süßbier hinuntergeschluckt. (Eb 15) Medikament zum Beenden der Ausscheidungen. 1⁄8 (Quantum) frisches Johannisbrot, 1 ⁄8 (Quantum) frischer Brei, Fett, ¼ Honig, 1⁄16 (Quantum) Wachs, 5/64 Wasser; werde gekocht, und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 44) Alternative Rezeptur. 1⁄8 (Quantum) Feigen, 1⁄8 (Quantum) Weintrauben, 1⁄32 (Quantum) angeritzte Sykomorenfeigen, 1⁄32 (Quantum) Gummiharz, 1⁄64 (Quantum) Ocker, 1 ⁄32 (Quantum) Johannisbrot, 1⁄8 (Quantum) weiße Maulbeere; dann soll man sagen: »Oh Pavian, oh Pavianweibchen! – werde umgedreht angeordnet – Oh Krankheitsdämon, oh Krankheitsdämonin! – werde umgedreht angeordnet«, während (das Medikament) mit 1 ⁄64 Heqat aufgefüllt wird; werde nachts dem Tau ausgesetzt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 48) Abtten des Bandwurmes. 1⁄64 Heqat Granatapfelbaumwurzel, 1⁄32 Heqat Wasser; wer112. Vielleicht die Spritzgurke (Ecballium elaterium).

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de nachts dem Tau ausgesetzt, ausgepreßt und (vom Patienten) während eines Tages eingenommen. (Eb 50) Alternative Rezeptur. 1⁄64 Heqat Schilfrohr, ¼ Fenchel; werde in Honig gekocht und (vom Patienten) gegessen. Beschwrung (der Bandwrmer): »Die Last werde aufgelöst, die Schwäche möge weichen, die (das Gewürm namens) ›der auf seinem Bauch lastet‹ in diesem meinen Bauch gelegt hat, verursacht durch einen Gott und durch einen Feind. Man möge es beschwören, so daß der Gott auflöst, was er in diesem meinem Bauch verursacht hat.« (Eb 61) Medikament zum Abtten eines Bandwurms. Nilakazienblätter; werden in einen Topf mit Wasser gegeben und über Nacht, mit Tüchern abgedeckt, stehen gelassen. Du solltest früh auf sein, um es mit einem Steinmörser zu zerstoßen, bis du es (vollständig) zermahlen hast. Verreibe (die Tinktur) mit einer Binse auf seiner Nase, nachdem er (etwas davon) eingenommen hat. (Eb 68) Entfernen eines Bandwurms aus dem Bauch. 4 Stücke Malachit; werde in vier Kuchen gegeben und vom Patienten hinuntergeschluckt. (Eb 53)

2.2.2.8 Organe in Brust und Bauch: Herz, Magen, Lungen, Leber, Milz, Gedärm

Anfang der Rezepturen um zu veranlassen, daß das Herz Nahrung annimmt. 1 ⁄16 (Quantum) fettes Fleisch, 1⁄32 (Quantum) (roter) Ocker, 1⁄8 (Quantum) Feigen, 1 ⁄16 (Quantum) Wacholderbeerenzapfen, 1⁄64 (Quantum) Weihrauchharz, 1⁄64 (Quantum) Kreuzkümmel, 1⁄64 (Quantum) Kresse, 1⁄16 (Quantum) tj2m-Pflanze, 1⁄8 (Quantum) Gänsefett, 1⁄8 (Quantum) Pistazien, 1⁄64 Heqat Starkbier, 5/64 Heqat Süßbier; werde (vom Patienten) eingenommen. (Eb 284) Hinsichtlich »sein Herz ist umnachtet und der Patient kostet sein Herz (?)« gilt: Sein Herz leidet Mangel und Dunkelheit liegt auf seinem Körper, verursacht durch Zorn. Er hat Ohnmachtsanfälle. 113) (Eb 855w) Hinsichtlich »sein Herz ist bewlkt wie ein Mann, der ungeniessbare Sykomorenfeigen gegessen hat« gilt: Sein Herz ist verhüllt wie ein Mann, der ungenießbare Sykomorenfeigen gegessen hat. (Eb 855t) Hinsichtlich »Viel ist Bitternis im Herzen« gilt: Sein Herz ist versunken, wobei es nach unten abgewandert ist. Es befindet sich nicht (mehr) an seiner (richtigen) Stelle. (Eb 855o) Hinsichtlich jeder Art der Bitternis gilt: Sie dringt in das linke Auge ein und geht aus dem Nabel wieder hinaus. (Eigentlich) ist es der Hauch des Wirkens eines Reinigungspriesters. 114) Das Herz verursacht, daß die (Bitterstoffe) in die Gefäße (eines Mannes) eindringen. In allen Körperregionen macht sich unerträgliche Hitze breit. Dadurch gerät das Herz in einen schlechten Zustand. […] Die Herzgefäße zittern infolge der (bitteren) 113. Verursacht werden die Synkopen vermutlich durch eine Herzinssuffizienz. 114. P. Vernus in Revue d’Égyptology 34, 1982-1983, 121-125 und H.-W. Fischer-Elfert, Abseits von Ma’at. Fallstudien zu Außenseitern im Alten Ägypten (Wahrnehmungen und Spuren Altägyptens; 1), Würzburg 2005, 78 setzen diese Beschreibung mit der Umschreibung für eine Depression gleich.

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Stoffe. Wenn (die Gefäße) die (Bitterstoffe) niederringen, so bedeutet es, daß sie die Bitternis überlagern. Wenn aber die Bitternis(, verursacht durch den Reinigungspriester) überlegen ist, so bedeutet es, daß (die Bitterstoffe die Gefäße) überschwemmen. (Eb 855h) Hinsichtlich »das Herz gert in einen schlechten Zustand« gilt: Das Herz sinkt in sich zusammen. Alternative Lehrmeinung: Das Herz ist auf der Suche nach sich selbst. Es geht auf und, sobald es die Halsgegend erreicht hat, (wieder) nieder und leidet unter Magensäure. 115) (Eb 855i) Hinsichtlich »Sein Herz befindet sich an der (richtigen) Stelle« gilt: Das Fett des Herzens befindet sich in der linken Hälfte (des Patienten). Nichts kann es weder nach oben aufsteigen noch nach unten (hin) absteigen lassen, (sondern) es bleibt an seiner (richtigen) Stelle. (Eb 855p) Diagnostiken ber Magenleiden. Wenn du einen Patienten untersuchst, der unter einem Verschluß seines Magens leidet, er ein Völlegefühl beim Essen von Speise empfindet, sein Bauch beengt ist und (der Puls vom) Herzen schwach ist, vergleichbar einem Mann, der wegen Hitze seines Afters leidet, dann sollst du (den Patienten) ausgestreckt (mit dem Rücken am Boden) betrachten. Findest du seinen Bauch heiß und seinen Magen verschlossen, dann diagnostizierst du: »Es ist ein krankhafter Zustand der Leber.« Dann sollst du (dem Patienten) ein geheimes Krutermittel zubereiten, wie es der Arzt zu tun pflegt: Schafsmelone, Dattelkerne; werden gemaischt, unter (Hinzufgung von) Wasser durchgepreßt und vom Patienten vier Morgen lang getrunken, bis sich sein Bauch entleert hat. Nachdem dies getan wurde und du findest die beiden Trakte in seinem Bauch rechts heiß und links kalt, dann diagnostizierst du: »Die Krankheitserscheinung ist dabei, ihr Fressen einzustellen.« Dann sollst du (den Patienten) nochmals betrachten. Findest du (dann) seinen Bauch überall erkaltet, dann diagnostizierst du: »Seine Leber hat sich geöffnet, so daß sie sich mit Wasser angereichert hat. Der Patient hat das Mittel angenommen.« (Eb 188) Hinsichtlich »Sein Magen ist versperrt« gilt: Sein Magen ist vergrößert. (Eb 855r) Alternative Rezeptur zur Versorgung der Lunge. 1⁄64 Heqat Johannisbrot, 2⁄3 Süßbier; werde nachts dem Tau ausgesetzt und vom Patienten bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 21) Anfang der Rezepturen gegen Husten. Frisches Johannisbrot, werde in einen neuen Topf mit Wasser gegeben und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 305) Alternatives (Heilmittel), um Husten beim Kleinkind zu beseitigen. Datteln, getrocknet und geröstet, fein zermahlen auf ein Hin Milch. Vom Kleinen zu trinken. (Bln 30, 3,5-6) Alternative Rezeptur zur Versorgung des Brustraumes, zum Entfernen jeder mglichen (bsartigen) Krankheit im Bauch und zur Versorgung der Lunge. Mit Wasser vermischtes Süßbier, 1⁄32 Heqat Johannisbrot; werde in einen Topf gegeben und solange gerührt, bis es aufgequollen ist, die Lösung werde zerrieben; du mögest es machen, so daß die Wärme jeder Zeit in der Lösung ist; werde (vom Patienten) täglich ein Hin-Maß davon eingenommen. (Eb 185) Beginn der Rezepturen zur Versorgung der Leber. 1⁄8 (Quantum) Feigen, 1⁄8 (Quantum) 115. Die Beschreibung der Symptome paßt zu einer Kardiainsuffizienz.

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Pistazien, 1⁄16 (Quantum) Weintraubenkerne, 1⁄8 (Quantum) angeritzte Sykomorenfeigen, 1⁄16 (Quantum) Samen der h syt-Pflanze, 1⁄32 (Quantum) Gummiharz, 1⁄64 (Quan˘ Kresse, 1⁄32 Dja Wasser; werde nachts dem Tau tum) Weihrauchharz, 1⁄64 (Quantum) ausgesetzt, ausgepreßt und bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 477)

2.2.2.9 Gesäß, After und Harnblase

Alternative Rezeptur zur Versorgung des Afters. 1⁄64 Heqat Milch, 1⁄8 (Quantum) Gänsefett, ¼ Erdmandelbrei, ¼ Bartgras, ¼ Rosinen; werde ausgepreßt und (vom Patienten) während eines Tages eingenommen. (Eb 147) Alternative Rezeptur zum Entfernen der 2 2-Giftstoffe im Mann, zum Abtten der Schmerzstoffe, zum Entfernen von Schdlichem, das im Mann entstanden ist und zur Versorgung des Afters, wobei er gekhlt wird. 1⁄8 (Quantum) Wermut, 1⁄16 (Quantum) Wacholderbeerenzapfen, 1⁄32 (Quantum) Honig, 1⁄32 Heqat Süßbier; werde ausgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 138) Alternative Rezeptur zum Entfernen von Hitze auf dem After und auf der Blase eines Mannes, der viele Winde lsst, ohne daß er es zu verhindern weiß. 1 (Quantum) jbwPflanze, 1 (Quantum) Salz, 1 (Quantum) bddw-k -Pflanze, 1 (Quantum) Honig; werde zu einer Masse verrieben, zu einem Zäpfchen verarbeitet und in den After (des Patienten) gegeben. (Eb 139) Alternative Rezeptur zum Entfernen einer Hitzestauung auf der Blase, wobei (der Mann) an Verhaltung des Harns leidet. 1⁄64 (Quantum) unterägyptisches Salz, 1 ⁄64 Heqat Milchfett, 1 (Quantum) Behen-Öl, 1 (Quantum) Honig, 1 (Quantum) Süßbier; werde in den After eingegossen. (Eb 265) Anfang der Rezepturen zum Entfernen einer Harnstauung, so dass der Unterleib schmerzt. 1⁄8 (Quantum) Emmer, ¼ Datteln, ¼ gekochte Erdmandeln, Heqat Wasser; werde zerrieben, ausgepreßt und (vom Patienten) bis zu vier Tage lang eingenommen. (Eb 261) Alternatives (Heilmittel), um ein Kind die Harnansammlung ausscheiden zu lassen, die in seinem Bauch ist. Alter Papyrus, zerkocht in Öl, salbe seinen Bauch, bis sich seine Ausscheidung reguliert. (Eb 262, 48,22-49,2) Alternative Rezeptur zum Regulieren des Harndrangs. 1 (Quantum) Nußgras, 1 (Quantum) weiße Maulbeere, 1 (Quantum) Wurzel der bhh-Pflanze; werde zu einer ˙ ˙ (tags darauf vom PatienMasse zerstoßen, über Nacht in Süßbier stehen gelassen und ten) eingenommen, wobei der Bodensatz dabei ist. (Eb 264) Alternative Rezeptur, um den Harn eines Kindes zu regulieren. Mark, das sich im Schilfrohr befindet, werde vollständig auf Süßbier zerrieben, (in) einer Schale von Geronnenen. Von einer Frau zu trinken, dem Kind gibt man es (aber) mit einem Hin-Topf. (Eb 272bis, 49,18-21) Was fr ein Kind zu tun ist, wenn es an Nssen leidet. Fayence, werde zu einer Pille zerkocht. Wenn es ein großes Kind sein sollte, dann schluckt er es mit einem Schluckmittel. Wenn es noch in den Windeln sein sollte, dann wird es ihm durch die Amme auf Milch zerrieben. Es saugt daran, bis zu vier Tagen. (Eb 273, 49,21-50,2)

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2.2.2.10 Bein und Fuß

Alternative Rezeptur fr das Knie. 1 (Quantum) Langbohnenbrei, 1 (Quantum) Mehl von der Tenne, 1 (Quantum) unterägyptisches Salz, Harn vom Menschen; werde zu einer Masse verkocht und (das Knie des Patienten) damit verbunden. (Eb 562) Alternative Rezeptur fr das Schienbein. Hirn eines Welses, man findet es inmitten seines Kopfes, dann soll man es schnell in Honig eintauchen; werde (das Schienbein) damit verbunden, sodaß (der Patient) schnell kuriert wird. (Eb 128)

2.2.2.11 Hautkrankheiten und Ähnliches

Medizinwissen ber eine Stauung an der Kehle des Patienten. Wenn du dieses an der Kehle des Patienten begutachtest, mit einer Ablagerung von 2rwt-Krankheitsstoffen an der Vorderseite, und du findest sie vor, als ob sie überzogen wären. Sie ist weich unter deinen Fingern. Etwas ist darauf wie Kügelchen. dann diagnostizierst du: einer mit einer Fettstauung infolge einer Ablagerung von 2rwt-Krank-heitsstoffen an der Kehle des Patienten. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Dann musst du dafr Mittel herstellen, die es durch stark wirkende Mittel abgehen lassen: sj -Mineral, twn-Pflanze, Fliegenblut, Rindergalle, unterägyptisches Salz, Langbohnenmehl, zu zermahlen, werde darauf bis zu 4 Tagen verbunden. (Eb 857, 103,19-104,6) Medizinwissen ber eine Stauung, die durch eine Ablagerung von Schmerzstoffen entstanden ist. Wenn du eine Stauung begutachtest, die durch eine Ablagerung von Schmerzstoffen an irgendeinem Krperteil des Patienten entstanden ist, und du findest sie ähnlich wie bei einer Beschaffenheit der hsd-Faulgeschwulst vor, die sich zersetzt ˘ und wenn sie sich mit Eiter im Innern und eine feste Haut hat, wenn auch nicht sehr; seines Fleisches zersetzt, dann diagnostizierst du: einer mit einer Stauung von Schmerzstoffen, sie hat Eiter gebildet. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Dann musst du dafr Mittel herstellen, die die Erhebungen zerbrechen und den Eiter herausholen: twn-Pflanze, Erbsen, Fliegenblut, unterägyptisches Salz, bddw-k -Pflanze, Strauchmelde, Mehl vom Gerstenkorn, Langbohnenmehl, Rinderfett, Wachs, gekocht, werde darauf verbinden, bis er kuriert ist. (Eb 858, 104,6-13) Medizinwissen ber eine Fleisch-Geschwulst an irgendeinem Krperteil des Patienten. Wenn du eine Fleisch-Geschwulst an irgendeinem Körperteil des Patienten begutachtest und die findest sie vor, als ob die Haut seines Fleisches lederartig gespannt sei, sie gibt auf den Fingerdruck hin nicht nach, sondern ist unbeweglich, eine Veränderung darin beginnt. dann diagnostizierst du: einer mit einer Fleisch-Geschwulst. Eine Krankheit, die ich mit Feuer behandeln kann, leicht berührend. Versorge sie, wie man einen Operierten versorgt. (Eb 863, 106,2-7) Medizinwissen ber eine Bauchdeckengeschwulst auf der Scheitellinie seines Bauches. Wenn du eine Bauchdeckengeschwulst auf der Scheitellinie seines Bauches oberhalb seines Bauchnabels begutachtest, dann mußt du deinen Finger darauf legen, seinen Bauch abfühlen und mit deinen Fingern durchschneiden. Wenn du ihn husten läßt und es kommt das heraus, was bei seinem Husten entsteht, dann diagnostizierst du: einer

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mit einer Bauchdeckengeschwulst auf seinem Bauch. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Es ist die Hitze der Harnblase vorn in seinem Bauch, die es bewirkt. Obwohl sie verschwindet, kehrt sie ständig wieder. Du mußt sie erhitzen, um sie von seinem Bauch abzuhalten. Versorge sie, wie man einen Operierten versorgt. (Eb 864, 106,7-13) Medizinwissen ber eine l-Geschwulst des Gefßes. Wenn du eine Öl-Geschwulst des Gefäßes begutachtest, die auf seinem Bauch eine Geschwulst gebildet hat, und wenn dein Finger sie abtastet und sie ist, als wäre sie hp2-artig unter deinen Fingern, sie ist (?). dann diagnostizierst du: es ist eine Geschwulst˙ des Gefßes. Eine Krankheit, die ich mit einer Operation behandeln kann. Du mußt du sie mit Fett verbinden und (sie) versorgen, wie man die Wunde an irgendeinem Körperteil des Patienten versorgt. (Eb 866, 106,17-107,1) Medizinwissen ber eine »Sohn«-Geschwulst. Wenn du eine »Sohn«-Geschwulst an irgendeinem Körperteil des Patienten begutachtest und du findest sie einzeln oder zahlreich vor, es scheint die Haut seines Körpers unter deinen Fingern hart zu sein, wenn auch nicht sehr. Sie ist groß und lästig in seinem Fleisch. dann diagnostizierst du: es ist eine »Sohn«-Geschwulst. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Dann musst du sie operieren, sie ist zu versorgen, wie man eine Wunde an irgendeinem Körperteil des Patienten versorgt. (Eb 868, 107,5-9) Medizinwissen ber eine Eiter-Geschwulst. Wenn du eine Eiter-Geschwulst an irgendeinem Körperteil des Patienten begutachtest und du findest sie vor, daß ihre Spitze gebuckelt, (deutlich) abgegrenzt und kugelig ist, dann diagnostizierst du: es ist eine EiterGeschwulst, die in seinem Körper zusammengelaufen ist. Eine Krankheit, die ich durch Operation behandeln kann. Ja, etwas ist wie Pflanzenschleim darin, etwas kommt nach jenem heraus, das wie Wachs ist. Sie bildet Taschen heraus; wenn etwas in den Taschen übrig bleibt, dann kehrt sie wieder. (Eb 869, 107,9-14) Medizinwissen ber eine Haar-Geschwulst. Wenn du eine Haar-Geschwulst begutachtest und du findest sie kugelig und weich vor, der Inhalt aber fest. Eine Krankheit, die ich durch Operation behandeln kann. Sie kann wie eine Eitergeschwulst oder eine Geschwulst mit 2rwt-Krankheitsstoffen aussehen. (Eb 870, 107,14-16) Medizinwissen ber eine Geschwulst mit Schmerzstoffen. Wenn du eine Geschwulst mit Schmerzstoffen an den Spitzen seiner Arme begutachtest und du findest sie vor, nachdem sie Wasser gebildet haben. Sie ist fest unter deinen Fingern und bleibt bestehen. Sie ist (auch) weich, wenn auch nicht sehr. Dann diagnostizierst du: es ist eine Geschwulst mit Schmerzstoffen an den Spitzen seiner Arme. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Dann musst du sie operieren. Beachte das Gefäß! Ja, etwas wie Gummiwasser kommt heraus. Wenn sie Taschen umschlossen haben sollte, dann laß nichts darin übrig, damit sie nicht wiederkehrt. Versorge du sie, wie man eine Wunde an irgendeinem Körperteil des Patienten versorgt: mit Wundüberzug und der Linderung der Gefäße. Sie pflegt anzuschwellen nach ihrer Beseitigung. Es sind die Schmerzkeime, die es gegen den Patienten bewirken. (Eb 871, 107,16-108,3) Medizinwissen ber eine Geschwulst der Gefße. Wenn du eine Geschwulst der Gefäße an irgendeinem Körperteil des Patienten begutachtest und du findest sie vor, kugelig und fest unter deinen Fingern bei Druck. Sie hat sich von seinem Fleisch getrennt, kann nicht größer werden und keine Spitze bilden. Dann diagnostizierst du: es ist eine Geschwulst der Gefäße. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Es sind die Gefäße, die es 238

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bewirken. Es pflegt auch zu einer Verkrampfung der Gefäße zu kommen. Dann musst du sie operieren, (das Messer) erhitzt unter Feuer, wobei sie nicht stark blutet. Dann mußt du sie versorgen, wie man einen Operierten versorgt. (Eb 872, 108,3-9) Medizinwissen ber eine Geschwulst der Gefße. Wenn du eine Geschwulst der Gefäße auf der Lederhaut an irgendeinem Körperteil begutachtest, ihr Aussehen ist wirklich fest, Verästelungen haben sich nicht geschlängelt, es haben sich viele Knoten gebildet, dieses sieht aus, als wäre es mit Luft aufgeblasen, dann diagnostizierst du: es ist eine Geschwulst der Gefäße. Du darfst keine Hand daran legen, denn dieses ist eine Verletzung der Gefäße durch seinen Arm. Dann mußt du den Gefäßen in allen Körperteilen des Patienten Linderung verschaffen. Was man als wirklichem Zauber ber sie zu sprechen hat: »Fließe du aus, Adern-Kreuzgeflecht, das mich umschnürt, das zwischen diesen Körperteilen umherspringt. Geselle du dich nicht zur Gesellschaft des Chons.« Wenn du eine wahre Chons-Geschwulst 116) begutachtest: »Es ist angenehm, daß du mich quälst. Lasse du mich die Maat dem Re präsentieren, die Fayence am Sonnenaufgang.« Viermal zu rezitieren, sehr früh morgens. (Eb 873, 108,9-17) Medizinwissen ber eine Chons-Geschwulst. Wenn du eine große Chons-Geschwulst der Gefäße an irgendeinem Körperteil des Patienten begutachtest, sie ist uneben, hat viele Geschwülste gebildet, eine Veränderung darin beginnt. Etwas ist darin, wie etwas, was Luft enthält. Sie bewirkt eine große Verletzung und wird (zu etwas) – wie oben besprochen, es ist nicht wie jene (anderen) Geschwülste. Sie glättet sich und bildet Narben aus. Jedes Körperteil, an der sie ist, steht unter Druck. Dann diagnostizierst du: es ist eine Chons-Geschwulst. Du darfst nichts gegen sie unternehmen. (Eb 874, 108,17109,2) Medizinwissen ber eine Geschwulst an irgendeinem Krperteil des Patienten. Wenn du eine Geschwulst der Geschwülste an irgendeinem Körperteil begutachtest, dann mußt du sie verbinden. Du findest sie vor, daß sie nachgibt, aber am Fleisch haften, das unter ihr ist. dann diagnostizierst du: ein Eindringen der Geschwülste. Dann musst du sie operieren, mit einem Feuersteinmesser aufschneiden, mit der Pinzette zu fassen und das, was im Innern sein könnte, ist (auch) mit der Pinzette zu fassen. Dann holst du es mit dem Feuersteinmesser heraus. Ja, eines darunter könnte einem mndr-Körperteil ¯ von diesen einer Maus ähneln. Dann holst du es mit dem sˇ s-Messer heraus, abgesehen Nähten, die an ihrer Seite sind und das Fleisch berühren. Fasse mit dem hnwyt-Teil des Johannisbrotbaums. Alles, was wie ein Kopf ist, sollte ebenso sein. (Eb 875, 109,2-11) Medizinwissen ber eine l-Erscheinung an irgendeinem Krperteil. Wenn du eine ÖlErscheinung der Gefäße an irgendeinem Körperteil und du findest sie gerötet und kugelig vor nach Art eines Stockhiebs infolge eines Schlags von irgendetwas in irgendeinem Körperteil und es hat 7 Knoten gebildet, dann diagnostizierst du: es ist eine Öl-Erscheinung der Gefäße. Der Schlag des Gefäßes bewirkt es. Dann musst du sie mit einer Operationsbinse operieren. Eine starke Blutung, mußt du mit Feuer ausbrennen. Du versorgst ihn, wie man einen Operierten versorgt. Wenn du sie auf der Lederhaut an irgendeinem Krperteil findest, mit vielen Verstelungen und mit Luft aufgeblasen: Das ist der Feind der Gefße. Du darfst keine Hand an allen Derartigem legen, denn dieses ist ein sehr trauriger Fall. (Eb 876, 109,11-18) 116. Vielleicht eine Bezeichnung der Lepra.

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Medizinwissen ber Bullae der Lepra mutilans. Wenn du Bullae der Lepra mutilans an irgendeinem Körperteil des Patienten begutachtest, und du findest ihren Kopf spitz und die Grundlage gerade vor, seine Augen sind grün und entzündet, ja, seine Fleisch ist infolgedessen heiß. Hüte dich davor, ein Zauberspruch (reicht). Falls du sie wieder an seinen Achseln, am Oberarm, an seinen Armen, an seinen Leisten, an seinen Oberschenkeln mit Eiter darin vorfindest, dann darfst du nichts dagegen unternehmen. Falls du sie aber wie irgendeine Wundschwellung oder eine Zerquetschung vorfindest, an seinen Brüsten, an den Brustwarzen, an irgendeinem Körperteil, sie könnte nachgeben und einsinken unter deinen Fingern, sie näßt nach außen. Dann musst du dazu sagen: es liegt in (meinen) Händen. Dann musst du fr ihn ein Medikament der Beseitigung herstellen: Fliegenkot, Mehl von Hartweizen, Natron, Spreu der Tenne, Langbohnen, Bleiglanz, Öl, geschnitten über 2m w-Pflanze, ohne Wasser dazu zu geben. Das Medikament ist zu verabreichen, bis er kuriert ist. (Eb 877, 109,18-110,9) Beseitigung der Schwellung. Haar der jbw-Pflanze 1 (Quantum), Natron 1 (Quantum), Rinderfett 1 (Quantum), Kreuzkümmel 1 (Quantum), Fliegenkot 1 (Quantum), ssk Mineral, zu zermahlen, zu einer Masse zu formen, werde darüber verbunden. (H 136, 9,13-14) Ein anderes Medikament, um die Schwellung an irgendeinem Krperteil des Patienten zu entfernen. Frische Datteln 1 (Quantum), Dattelkerne 1 (Quantum), trockene Myrrhe 1 (Quantum), Wachs 1 (Quantum), zu einer Masse zu formen, werde darauf bis zu 4 Tagen verbunden. (H 235, 15,15-16) Alternativ. Tinte des Schreibers, zerstoßen, angedickt mit Pflanzenschleim, werde darüber verbunden. (Eb 573, 74,10-11) Alternativ. Koniferenholz, zerstoßen auf Pflanzenschleim und mit dem Boden eines neuen Hin-Gefäßes, zerstoßen (im Verhältnis) eins zu eins, werde darüber verbunden. (Eb 574, 74,11-13) Alternatives (Heilmittel) zum Khlen und Beseitigen einer Schwellung. sˇ sˇ -Frucht 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), zu einer Masse zu formen, werde darauf bis zu 4 Tagen verbunden. (Eb 583, 75,2-4) Komplette Beseitigung einer Schwellung, als gbe es sie nicht. Ein Hin-Maß Gerste, zerstoßen, zermahlen, Gerstenkorn, rotes Natron 1 (Quantum), Strauchtraubenkraut, zu einer Masse zu formen, werde darüber verbunden. (Eb 590, 75,14-15) Alternatives Medikament, um Eiter herauszuholen. jpsˇnn 1 (Quantum), Natron 1 (Quantum), Gips des Töpferofens 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), Weihrauch 1 (Quantum), Dattelkerne 1 (Quantum), zu einer Masse zu formen, werde darüber verbunden. (H 140, 9,18-10,1) Alternativ. Klümpchen Erde 1 (Quantum), dem Wasser zugefügt, geformt zum Schlammklumpen, Johannisbrot, gemahlen, in Tüchern geseiht, zu einer Masse verkocht, zum Laib geformt, werde darüber verbunden. (Eb 559, 73,3-4) Anfang (der Heilmittel), um eine Schwellung zu beseitigen und das Fressen zum Stillstand zu bringen, an irgendeinem Krperteil des Patienten. Gerstenkeimlinge 1 (Quantum), sˇnft-Frucht 1 (Quantum), mit Pflanzenschleim vermischt, werde darüber verbunden. (Eb 556, 72,19-20) Alternatives (Heilmittel), das Fressen zum Stillstand zu bringen. Nußgras von r-pnt 1 (Quantum), Mehl des Johannisbrots 1 (Quantum), Weihrauch 1 (Quantum), Gärungs240

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produkt von Dattelsirup, zu einer Masse geformt, werde auf die Stelle der Schwellung aufgelegt, mache es und du wirst (den Erfolg) sehen, denn siehe, es ist wirklich ein Medikament. Man fand es bei einer Revision im Tempel des Gottes Onophrios. 117) Es ist ein medikament, um eine Schwellung an irgendeinem Krperteil des Patienten zu beseitigen, er msste sofort gesund werden. mache es und du wirst (den Erfolg) sehen. (Eb 589, 75, 10-14) Um Wasser aus der h sd-Geschwulst in irgendeinem Krperteil eines Mannes oder einer Frau zu entziehen. ¯Weiße Maulbeere, Flechte, fein zu zermahlen, werde darüber verbunden, um sein Wasser zu entziehen. (H 133, 9,11-12) Alternativ. Trockengummi 1 (Quantum), in Eselsmilch 1 (Quantum), ist auf die Öffnung der h sd-Geschwulst zu applizieren, damit es selbst einfällt. Nach seinem Einfallen muß man¯ darin ein Drain anlegen und Öl in großer Menge auftragen. sˇnft-Frucht 1 (Quantum), Natron 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), Gips vom Töpferofen 1 (Quantum), Weihrauch 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), Dattelkerne 1 (Quantum), werde auf das Gärungsprodukt des Dattelsirups zermahlen, werde darüber verbunden. (Eb 571, 74, 4-9) Alternativ. 7 Schnecken, 7 Fliegen, 7 Ameisen, Mehl vom Hämatit aus Elephantine, werde in Öl gekocht, werde die h sd-Erscheinung der Geschwulst darüber verbunden. (Eb ¯ 576, 74, 14-16) Alternatives (Heilmittel), um etwas von selbst einfallen zu lassen. Erbsen 1 (Quantum), Natron 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), Ocker 1 (Quantum), Öl 1 (Quantum), werde zu einer Masse geformt, werde darauf bis zu vier Tagen verbunden. (Eb 588, 75, 8-10) Medikament, um irgendetwas, das von selbst entstanden ist, zu ffnen. Erbsen, Natron, unterägyptisches Salz, Honig, werde zu einer Masse geformt, werde darüber verbunden. (H 132, 9,10-11) Beseitigen von einer Resistenz und das Entfernen von Schmerzstoffen an irgendeinem Krperteil des Patienten. Dornakazie, Sägemehl der Konifere, werde darauf viele Male verbunden. (H 138, 9,15-16) Heilmittel fr das Ausdrcken einer Aufquellung. »Lebenskraut« 1 (Quantum), Salz 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), fein zermahlen zu einer Masse, werde darüber verbunden. (Bln 53, 5,4-5) Heilmittel fr das (Aufstoßen) einer Ball-Geschwulst. Erbsen 1 (Quantum), Weihrauch 1 (Quantum), Melonenblätter 1 (Quantum), Kupfergranulat, Johannisbrot 1 (Quantum), Öl 1 (Quantum), Rinderfett 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), fein zermahlen zu einer Masse, werde über der Ball-Geschwulst verbunden. (Bln 55, 5,6-7) Alternatives (Heilmittel), um die Schlaggeschwulst zu zerbrechen. Erbsen, reicher Natron, zu einer Masse geformt, werde darüber verbunden, damit sie von selbst zerbricht. (Bln 57, 5,8-9) Alternatives Heilmittel fr eine Blutgeschwulst. Muttermilch, sˇ sˇ -Frucht, Bimsstein für Spiegel, zerstoßen auf Flachskerne und Schildpatt, so wie es ist beigemengt, dem Sonnenlicht auszusetzen, darüber legst du Feuerstein-Splitter und du legst es daran, bis das Blut abgeht. (Eb 734, 88, 16-19) 117. Ein Beiname des Gottes Osiris.

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Heilmittel, um die Geschwulst des einen Tages zu beseitigen. Götterblätter zusammen mit allen seinen Beimengungen, Pflanzenschleim bis zum vierten Tag. Entleeren des Bauchs, beräuchern bis daß er schwitzt, nachdem er dieses getan hat. Hinsichtlich der Götter-bltter, es sind Bltter der Sesbanie. Hinsichtlich aller Beimengungen darauf: jnnk-Pflanze, Honig, Pflanzenschleim, werde bis zu vier Tagen getrunken. (Bln 118, 10,3-5) Anfang von den Heilmitteln, um ein (gangrnes) Geschwr im Fleisch des Patienten zu beseitigen, in allen Krperteilen. Spreu der Tenne 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), werde damit sehr oft gesalbt. (Eb 551, 72,1012) Alternatives (Heilmittel) gegen Blutfraß. Dattelsirup 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), Erbsen 1 (Quantum), (Schild)patt, Granit 1 (Quantum), Inneres einer Muschel 1 (Quantum), gegorener Pflanzenschleim 1 (Quantum), werde zu einer Masse geformt, werde darauf bis zu vier Tagen verbunden. (Eb 723, 87,19-88,1) Anfang von den Salbmitteln, um einen Hautausschlag zu beseitigen. Radierstein, Milch, reines Öl, werde bis zu vier Tagen damit gesalbt. (Eb 104, 25,11-13) Anderes Salbmittel. Lotus, Erde, Unterschenkel des Esels 118), Schlamm des Teiches, frische Sauermilch, reines Öl, werde damit bis zu vier Tagen gesalbt. (Eb 108, 25,19-20) Alternatives (Heilmittel) gegen einen Hautausschlag im Bauch. 119) Radierstein 1 (Quantum), s -wr-Mineral 1 (Quantum), bsbs-Frucht 1 (Quantum), ssk -Mineral 1 (Quantum), Wachs 1 (Quantum), Koniferenöl 1 (Quantum), zu zermahlen, zu einer Masse zu formen, werde damit gesalbt. Denke daran, dass du harntreibende Mittel herstellst, nachdem er (der Ausschlag) vom Bauch abgesperrt ist. »Erdhaar«-Same 1 (Quantum), Senfkohl 1 (Quantum), Heckenpflanze 1 (Quantum), geritzte Sykomorenfrüchte 1 (Quantum), zu zermahlen, zu einer Masse zu formen, zu vier Kuchen geformt, es ihn essen lassen. (Eb 90, 23,9-14) Alternatives (Heilmittel), um einen Hautausschlag zu beseitigen, der gegen das Fleisch drcken knnte, und es wirklich im Bauch tten. Trockene Myrrhe 1⁄64 (Quantum), Weihrauch 1⁄64 (Quantum), Radierstein 1⁄64 (Quantum), s -wr-Mineral 1⁄64 (Quantum), Heckenpflanze 1⁄32 (Quantum), Ocker 1⁄32 (Quantum), Schilfrohr 1⁄16 (Quantum), Strauchtraubenkraut 1⁄16 (Quantum), Bleiglanz 1⁄64 (Quantum), Senfkohl 1⁄8 (Quantum), »Erdhaar«-Same 1⁄8 (Quantum), Johannisbrot 1⁄8 (Quantum), Honig 1⁄8 (Quantum), Erdmandeln, mit Wasser begossen 1⁄32 (Quantum), zu zermahlen, zu einer Masse zu formen, zu essen in angenehmer Wärme, eine erfolgreiche Methode. (Eb 91, 23,14-19) Alternatives (Heilmittel), um die bsartige Hautentzndung zu beseitigen. Alaun 1 (Quantum), roter Ocker 1 (Quantum), Gallen der Tamariske 1 (Quantum), Natron 1 (Quantum), Salz 1 (Quantum), zu einer Masse zu formen, aufzulegen. (Eb 96, 24,8-9) Alternatives (Heilmittel), um die Entstehung der Hautentzndung und irgendetwas Bsartigen zu verhindern, in allen Krperteilen. Trockene s yt-Pflanze 1 (Quantum), Öl 1 (Quantum), Natron 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), fein zu zermahlen, zu einer Masse zu formen, werde damit gesalbt. (Eb 115, 26,14-17)

118. Name einer Pflanze? 119. Der Entstehungsort des Hautausschlags ist im Bauch zu lokalisieren.

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Schlrftrank, um die Hautentzndung zu beseitigen. Wurzel der h syt-Pflanze, weiße ˘ Maulbeere, zu zermahlen, gemaischt in Öl, zu trinken und auszuspucken. (Bln 107, 9,45) Salbmittel, das hergestellt wird, um die lokale Hauterhitzung zu beseitigen. dh22-Pflanze, auf Honig zu zermahlen, werde der Patient damit gesalbt. (Bln 80, 7,7-8) ˙ Alternativ. Meteoreisen, in Regenwasser zu zerstoßen, werde der Patient damit gesalbt. (Bln 88, 7,12-8,1) Beschwrung der Hautflechte. Fließe du heraus, die herausquellt, einen Fruchtsamen gibt es nicht; setze du dich in Bewegung, ihre Arme sind nicht bei ihr. Weiche doch zurück vor mir, denn ich bin Horus 120). Laufe doch davon, denn ich bin der Sohn des Osiris. Die Zaubersprüche meiner Mutter sind der Schutz meiner Körperteile. Kein Übel kann in meinem Körper entstehen, keine Hautflechte an meinen Körperteilen. Fließe du aus – sieben Mal. Zu rezitieren ber die jnnk-Pflanze, die zu kochen und zu zermahlen ist, zu applizieren. (H 160, 11,3-6) Ihr Medikament. Gärungsprodukt des Honigs, trockene Myrrhe, Koriandersamen, zu zermahlen mit Bodensatz des Essigs, werde damit gesalbt. (H 161, 11,6-7) Anfang der Heilmittel, um die  kwt-Hautblschen zu beseitigen. Dattelsirup 1 (Quantum), bdt-h wrt 1 (Quantum), Gummiharz 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), zu applizieren. (Eb˙ 543, 71,21-72,1) Beseitigen von k k wt-Hautblasen. Platterbsen, gekocht in hrwt von Bier, werde bis zu ˙ vier Tagen gegessen. (Eb 548, 72,7-8)

2.2.2.12 Besondere Krankheiten

Alternatives (Heilmittel), um eine schmerzhafte Krankheit zu entfernen, die sich im Krper befindet. sˇ2tt-Gebäck, mit mst -Flüssigkeit gemischt, nachdem es vom Feuer genommen ist, werde das Leiden darüber verbunden. (Eb 598, 76,12-14) Alternatives (Heilmittel), um eine schmerzhafte Krankheit an irgendeinem Krperteil des Patienten zu beseitigen. Rizinussamen, zu zerstoßen, in Honig zu legen, werde darüber verbunden. (Eb 601, 76,16-18) beseitigen einer schmerzhaften Krankheit an irgendeinem Krperteil des Patienten oder der Patientin. Christusdornbrot auf Wasser, werde darüber verbunden. (H 134, 9,12-13) Alternatives Heilmittel, um eine schmerzhafte Krankheit an irgendeinem Krperteil des Patienten zu vertreiben: vermaischter Pflanzenschleim, fein zu zermahlen, in gegorenem Pflanzenschleim zu vermischen, werde darüber verbunden. (Eb 301, 52,17-19) Den Wurm aus irgendeinem Nagel zu ziehen. Schweinehirn, werde darüber verbunden. (Bln 19, 2,5) Andere Beschwrung des Wurms. [es folgt ein Spruch in fremder Sprache]. Man rezitiert diesen Spruch viermal. (L 18, 7,2-3; ex L 30) Alternativ. Es ist nicht das Kind von Herrn Soundso, ich bin die Tochter von Seper-

120. Horus, als Sohn der Isis und des Osiris, spielt in der Magie und Medizin eine Hauptrolle.

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tunes. 121) [es folgt ein Spruch in fremder Sprache]. Man rezitiert diesen Spruch viermal. (L 19, 7,3-4; ex L 31) Heilmittel, um die tmyt-Krankheit 122) zu beseitigen. Holzkohle, sˇnft-Frucht, Bodensatz der 2 t-Getränks, Spreu der Tenne, Hämatit, Emmer, h rj-n-pddw, unterägyptisches Salz, ¯ zu kochen, werde darüber verbunden. (H 168, 11,10-11) Andere Beschwörung der tmyt-Krankheit. [unklare Zeichengruppen] Dein Körper ist aus Eisen, deine Haare (sind) die der Sechat-Hor, sie hat diese geschützt. Gegrüßt seid ihr, finstere Götter und ihr Götter meiner verborgenen Stadt. Das Gesagte ist das, was zu sagen ist. Was aus meinem Munde kommt ist das, was mein Ausspruch ist. Was ich über die tmyt-Krankheitsdämonen rezitiere, geschieht, um den Einfluß eines Gottes, eines Toten oder einer Toten – UND SO WEITER – zu Boden zu zwingen, so daß die Unterschicht es sieht, die Oberschicht es sieht und das Sonnenvolk des Re es sieht. Dieser Zauberspruch werde rezitiert ber Gips des Tpfers, hmw-Teile der k k -Pflan˙ ze, Gummiharz, Johannisbrot, Dattelsirup, werde die tmyt-Krankheit darber verbunden. (L 10, 4,1-5) Alternatives (Heilmittel), um ein Krperzittern in irgendeinem Krperteil des Patienten zu beseitigen. Hirse 1 (Quantum), hdw-Harz 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), Kupfergrünspan 1 (Quantum), werde Kot˙ ¯des Windhundes hinzugefügt. Du darfst keine Hand daran legen. (Eb 625, 79,2-4) Medikament, um eine Verletzung an irgendeinem Körperteil zu beseitigen. jbs -Pflanze vom Feld 1 (Quantum), sˇ sˇ -Pflanze 1 (Quantum), Samen der hbt-Pflanze 1 (Quan˙ tum), süßes Fett 1 (Quantum), feines Öl 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), werde bis zu vier Tage verbunden. Sehr gut! (Bt Rs 1;7-2,2) Anderes Medikament gegen sr-Krankheit. 123) Samen der Steppenraute, mjmt-Pflanze, zu zerkleinern, vom Patienten, der unter sr-Krankheit leidet, zu essen. Honig 1 (Quantum), Blatt der mjmt-Pflanze, zu zerkleinern in der dazu gehörenden Flüssigkeit, die Eichel ist zu salben, werde darauf eine Nacht lang verbunden, und zwar bis zu den Oberarmen und an seinen Körperteilen. (Eb 782, 93,3-5) Beschwrung der Asiaten-Krankheit in der Sprache von Kreta. [es folgt ein Spruch in fremder Sprache]. Zu rezitieren ist dieser Zauberspruch ber gegorenem g sˇ, Harn, (?), zu applizieren. (L 20, 7,4-6, ex 32) Beschwrung der Asiaten-Krankheit. Wer ist so gelehrt wie Re? Wer ist ebenso gelehrt? Dieser Gott, der den Körper schwarz malt mit Holzkohle, um diesen höchsten Gott zu übertreffen? Wenn, wie der Gott Seth 124) das Meer beschworen hat, der Gott Seth dich ebenso beschwört, o Asiaten-Krankheit, so bewege dich nicht hin und her im Körper des Soundso, geboren von der Soundso. Man rezitiert diesen Zauberspruch viermal, über frischem Behenöl, Kesselstein. Sie werde damit beschworen und verschlossen mit dem Siegel aus sˇttwt. (H 170, 11,12-15) Beseitigen einer (dmonischen) Einwirkung in irgendeinem Krperteil. Sesbanie

121. Die Gemahlin des Gottes Horus in Zaubertexten des Neuen Reichs. 122. Eine Hautkrankheit, s. Chr. Leitz, Magical and Medical Papyri of the New Kingdom (Hieratic Papyri in the British Museum; 7), London 1999, 55 mit Anm. 32. 123. Eventuell die Krankheit Mumps. 124. Seth, der Bruder und Mörder von Osiris, galt als Herr der Naturgewalten.

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1 (Quantum), Echter Steinklee 1 (Quantum), Akazienblatt 1 (Quantum), gemischt mit Ziegenfett, werde darüber verbunden. (H 34, 3,3-4) Anfang von der Beschwrung der 2hw-Krankheit. O Horus, o Re, o Schu 125), o ˘ ! Gepriesen seid ihr großen Götter, die den Geb 126), o Osiris, o Heka 127), o Nun 128) Obersten der Unterwelt herbeibringen und ihn zum Boden wandern lassen, die dem Sonnengott Re bei seinen Aufgängen am Horizont entgegengehen, die die Abendbarke rudern und in der Morgenbarke reisen. Kommt zu mir, tretet näher zu mir und gesellt euch zu mir! Ja, irgendetwas Bösartiges, irgendein bösartiges Unheil oder irgendeine bösartige Krankheit hat sich mir genähert, die in meinem Körper oder in irgendwelchen Körperteilen von mir sind. Ihr seid mein Schutz! Horus, hüte dich vor Seth! – und umgekehrt. Ich habe Kräuter gebracht, die von selbst entstanden sind. Zugrunde gehe das Bösartige, das an euch haftet, ihr Götter, zugrunde gehe das Bösartige, das an mir haftet. Zu rezitieren über das r-2-Pflanzenteil der Tamariske, werde die 2hw-Krankheit da˘ mit (?). (L 59, 14,1-7 = ex 24) Ein Medikament, um die Verhexung 129) zu vertreiben. Großer Skarabäus-Käfer, der Kopf und die Flügel werden abgeschnitten, er selbst verbrannt, ins Öl zu legen, zu applizieren. Wenn du sie danach (endgültig) vertreiben willst, dann mußt du seinen Kopf und seine Flügel zerkochen und ins Öl legen, eine Schnecke wird verbrannt, es den Patienten trinken lassen. (Eb 733, 88,13-16)

2.2.2.13 Besondere Heilmittel

Anfang von den Heilmitteln, die Re fr sich selbst hergestellt hat. Honig, lauwarm 1 (Quantum), Wachs 1 (Quantum), Harzperlen des Terebinthenharzes 1 (Quantum), Samen der s rj-Pflanze 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), sˇ sˇ -Pflanze 1 (Quantum), mwt-Teil des Nußgrases 1 (Quantum), Samen der Steppenraute 1 (Quantum), jbw-Pflanze 1 (Quantum), h syt-Pflanze 1 (Quantum), hntt von Weihrauch 1 (Quan˘ Harzperle vom Wacholder tum), Rötel 1 (Quantum), ˘Koriandersamen 1 (Quantum), 1 (Quantum), Harzperle von Konifere 1 (Quantum), frischer Brei, werde zu einer Masse geformt, werde das Leiden darüber verbunden. Das ist die Einwirkung eines Gottes, eines Toten, einer Toten, von mnnlichen und weiblichen Schmerzstoffen, in irgendeinem Krperteil eines Patienten, bis dass er sich bald wohlfhlt. (Eb 242, 46,10-16) Alternatives, zweites Heilmittel, das Gott Schu 130) fr sich selbst hergestellt hat. Hartweizenmehl 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), Öl 1 (Quantum), Koriandermehl 1 (Quantum), Mauerruß 1 (Quantum), Johannisbrotmehl 1 (Quantum), Langbohnenmehl 1 (Quantum), Weihrauch 1 (Quantum), qsntt 1 (Quantum), Ocker 1 (Quantum), Brei 1 (Quantum), werde zu einer Masse geformt, werde das Leiden darüber verbunden. (Eb 243, 46,16-19) 125. 126. 127. 128. 129. 130.

In der Theologie von Heliopolis ist Schu der Großvater von Osiris. In der Theologie von Heliopolis ist Geb der Vater von Osiris. Heka ist die Personifikation des Zaubers. Nun ist Gott der Urflut und des Grundwassers. Wird auch als Bezeichnung für den Aussatz verstanden. In der Theologie von Heliopolis ist Schu der Großvater von Osiris.

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Alternatives, drittes Heilmittel, das Gttin Tefnut 131) fr Re selbst hergestellt hat. Gerstenkornmehl 1 (Quantum), sˇnft-Frucht 1 (Quantum), Vogelöl 1 (Quantum), mit irgendetwas verschließen, werde irgendein Leiden, irgendein Einfluß eines Gottes oder einer Göttin verbunden, so daß er sich bald wohlfühlt. (Eb 244, 46,19-22) Viertes Heilmittel, das Gott Geb 132) fr Re selbst hergestellt hat. Johannisbrotmehl 1 (Quantum), Erbsenmehl 1 (Quantum), Mehl der Sesbanie 1 (Quantum), auf dem Gärungsprodukt des Dattelsirups fein zermahlen, werde irgendein Leiden wegen irgendeines Einflusses eines Gottes oder irgendetwas Bösem (damit) verbunden, so daß er sich bald wohlfühlt. (Eb 245, 46,22-47,1) Fnftes Heilmittel, das Gttin nut 133) fr Re selbst hergestellt hat. Mauerziegel 1 (Quantum), Fruchtkapseln der q dt-Kriechpflanze 1 (Quantum), Muschelkalk 1 (Quantum), Natron 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), frischer Brei 1 (Quantum), Öl 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), Koniferenöl 1 (Quantum), Fladen für sˇns-Brot 1 (Quantum), zu kochen, werde zu einer Masse geformt, werde irgendein Leiden, wegen männlichen oder weiblichen Schmerzstoffen, wegen einer (dämonischen) Einwirkung oder wegen irgendetwas, darüber verbunden. (Eb 246, 47,2-5) alternatives, sechstes (Heilmittel), das Göttin Isis für Re selbst hergestellt hat, um eine schmerzhafte Krankheit im Kopf zu beseitigen. Koriandersamen 1 (Quantum), Samen der h syt-Pflanze 1 (Quantum), Strauchtraubenkraut 1 (Quantum), Samen des Römischen˘ Bertrams 1 (Quantum), weiße Maulbeere 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), werde zu einer Masse geformt, mit diesem Honig vermischt, werde der Kopf darüber verbunden, sodaß er sich bald wohlfühlt. Hinsichtlich jedem, dem dieses Medikament hergestellt wird, bei irgendeiner schmerzhaften Krankheit am Kopf und bei irgendetwas Schlechtem oder Bösartigem, der wird sich bald wohlfühlen. (Eb 247, 47,5-10) Liste der Herstellungsarten von Ruchermitteln, (hier) gesammelt. s -wr-Mineral, Radierstein, Kot des Löwen oder Panthers, Steinbockkot, Gazellenkot, Straußenkot, werde der Patient darauf geräuchert. (Bln 68, 6,8-9) Ein anderes (Heilmittel) und Salbmittel, um den Schatten eines Gottes, eines Toten oder einer Toten zu beseitigen. Frische Myrrhe, Ocker, Milchsaft der Sykomore, Sesbanie, werde zu einer Masse geformt, werde der Patient damit gesalbt. (Bln 89, 8,1-2) Alternativ. Ziegel vom Töpferofen, Spreu der Tenne, in Öl versiegelt, werde der Patient damit gesalbt. (Bln 90, 8,2) Alternativ. Etwas, was aus dem Maul eines Eselsfüllens gezogen wird, auf Sellerie gelegt, werde der Patient, der unter schneidenden Schmerzen leidet, damit gesalbt. (Bln 94, 8,4-5) Ein Salbmittel, hergestellt, um einen Feind zu vernichten und um einen Widersacher zu vertreiben, der mit grimmigem Gesicht gegen den Mann vorgeht. Nußgras, bestes Salböl vom Tempelgut, werde der Patient damit gesalbt. Das Eindringen eines Toten oder einer Toten ist unmöglich – eine erfolgreiche Methode. (Bln 99, 8,8-9) Anfang von dem Buch des Verwandelns eines Alten in einen Jungen. Man soll sehr viele Strauchmelden 134) herbeibringen, etwa 2 Sack. Man muß sie zerkleinern und dem 131. 132. 133. 134.

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In der Theologie von Heliopolis ist Tefnut die Großmutter von Osiris. Geb ist Vater des Osiris und wird als Erdgott gesehen. Nut ist Mutter des Osiris und gilt als Himmelsgöttin, als Himmel selbst. Die Übersetzung »Mandel« ist unmöglich, denn es ist von »dreschen« und »worfeln« die Re-

Texte aus Ägypten

Sonnenlicht aussetzen. Nachdem sie vollständig getrocknet sind, muß man sie dreschen, als ob man Gerste drischt. Man muß sie worfeln, bis die Samen übrigbleiben. All das, was dabei entstand, muß man abmessen und den Spreu der Tenne mit einem Sieb durchsieben lassen. Messe ebenso all das ab, was bei diesem Samen entstand. In zwei Portionen zu teilen: der eine mit diesem Samen, der andere mit dem Spreu. Behandele die eine (Portion) wie die andere. Man muß sie mit Wasser ansetzen, um sie zu einer Masse zu machen, und zu einem weichen Teig fertigen. Man bringt es aufs Feuer in einem neuen Kochtopf und kocht es sorgfältig ganz und gar. Daß sie genug gekocht haben, erkennst du daran, daß das Wasser daran verdampft und daß sie austrocknen, als wären sie trockenes Spreu ohne Feuchtigkeit daran. Dann muß man es (vom Feuer) nehmen. Wenn es nun abgekühlt ist, dann muß man es in eine Schüssel legen, um es im Fluß zu waschen. Man muß es sorgfältig waschen. Daß sie genug gewaschen sind, erkennt man daran, daß man den Geschmack vom Wasser kostet, das in der Schüssel ist, ohne daß eine Bitterkeit daran ist. Man muß es dem Sonnenlicht aussetzen, auf den Tüchern des Wäschers ausgelegt. Wenn es nun trocken ist, zermahle es auf dem Reibstein und pulverisiere es. Man muß es mit Wasser ansetzen und zu einem weichen Teig fertigen. Man bringt es aufs Feuer in einem Kochtopf und kocht es sorgfältig. Daß es genug gekocht hat, erkennt man daran, daß Fettaugen dabei aufsteigen. Ein Mann soll das Öl (der Fettaugen), das dabei aufsteigt, ständig mit einem Schöpfbecher abschöpfen. Man gebe es in ein Hin-Gefäß, nachdem es mit Ton ausgeschmiert und seine Ausschmierung geglättet und verdickt geworden ist. Das Öl ist abzuschöpfen und schließlich auf ein Abdecktuch an der Oberseite dieses Hin-Gefäßes zu gegeben. Danach muß man es in ein Gefäß aus Stein geben. Werde ein Mann damit gesalbt. Das ist ein Beseitigen von hnt-Krankheit im Kopf. Wenn man den Krper damit abwischt, ergibt sich eine ˘ Verschnerung der Haut, eine Beseitigung der Hautflecken, aller Hautunreinheiten, aller Alterserscheinungen und aller Hautentzndungen, die im Krper sein knnten. Eine erfolgreiche Methode, millionenfach (bewhrt). (Sm 21,9-22,10)

2.3 Traumatologie

Durch einen bemerkenswerten Glücksfall wurde mit dem Papyrus Edwin Smith (Abkürzung: Sm) ein Buch gefunden, das Verletzungen und Gewalteinwirkungen am menschlichen Körper, nach Körperregionen geordnet, zum Gegenstand hat. Neben der präzisen wissenschaftlichen Sprache ist außerdem die vorbildliche Diagnostik hervorzuheben. Die wichtigste Quelle hierzu ist der Papyrus Edwin Smith (Abkürzung: Sm), der um 1550 v. Chr. verfaßt worden sein wird. Er stammt möglicherweise aus dem gleichen Grab wie der Papyrus Ebers in Theben/West. Namensgebend war der Ägyptologe und Antikenhändler Edwin Smith (1822-1906). Bis auf die ersten Kolumnen ist der Text vollständig erhalten. Er mißt 4,70 Meter Länge und eine Höhe de. Bockshornklee (Trigonella) käme als Kandidat in Frage, was bereits vorgeschlagen wurde. Interessanterweise würde, von der Beschreibung der Wirkung her, auch Anis gut passen, daß im europäischen Kulturkreis als Verjüngungsmittel verwendet wird. Wegen der wortwörtlichen Übersetzung »Salzpflanze« bleibe ich vorerst bei der Identifikation mit Strauchmelde (Atriplex halimus).

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von 30 cm. Er ist im Besitz der New York Academy of Medicine. Weitere Texte sind dem Papyrus Hearst (Abkürzung: H), dem Papyrus Ebers (Abkürzung: Eb) und dem Londoner medizinischen Papyrus (Abkürzung: L) entnommen. [Medizinwissen ber eine] klaffende Wunde an seinem Kopf, die bis zum Knochen reicht, und sein Schädel ist gespalten. Wenn du einen Patienten mit einer klaffenden Wunde untersuchst, die zum Knochen reicht und sein Schädel ist gespalten, dann sollst du seine Wunde palpieren. Wenn du darin unter deinen Fingern etwas Raues spürst, das sehr zuckt und worüber sich eine Aufschwemmung erhebt; und wenn er aus Nasen- und Ohrenlöchern blutet, an einer Nackenversteifung leidet und nicht auf seine Schulter und Brust blicken kann, dann diagnostizierst du: einer mit einer klaffenden Wunde an seinem Kopf, die bis zum Knochen reicht, dessen Schdel gespalten ist. Er blutet aus Nasen- und Ohrenlchern und er leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Wenn du jedoch jenen Patienten mit gespaltenem Schädel vorfindest, dann sollst du ihn nicht verbinden, (er ist) auf den Boden auf sein Ruhelager zu legen, bis daß die Zeitspanne seines Leidens vorüber gegangen ist. Zu seiner Behandlung gehört Sitzen. Mache für ihn zwei Ziegelblöcke, bis du erkennst, daß er zur Krise gelangt. Du mußt Creme an seinen Kopf applizieren, gesalbt wird damit sein Hals und seine Schultern. Du verfährst genauso mit jedem Patienten, den du mit gespaltenem Schädel vorfindest. Bezglich: Gespalten ist sein Schdel, das bedeutet, daß sich ein Teil der Schädelkalotte von der anderen separiert hat. Stücke stecken im Fleisch seines Kopfes und konnten nicht herabfallen zu Boden. Bezglich: eine Aufschwemmung erhebt sich darber, das bedeutet, groß ist die Schwellung auf dem Spalt, die sich nach oben wölbt. Bezglich: bis du erkennst, dass er zur Krise gelangt, das bedeutet, man sagt: du erkennst, daß er eher stirbt als daß er lebt, weil er jemand mit einer Krankheit ist, mit der ich kämpfe. (Fall 4, Sm 2,2-2,11) Medizinwissen ber eine klaffende Wunde an seinem Kopf, wobei sein Schdel gesplittert ist. Wenn du einen Patienten mit einer klaffenden Wunde an seinem Kopf untersuchst, die zum Knochen reicht, und sein Schädel ist gesplittert, dann sollst du seine Wunde palpieren. Wenn du jenen Splitterbruch, der in seinem Schädel ist, vertieft vorfindest, versunken unter deinen Fingern und eine Aufschwemmung erhebt sich darüber; er blutet aus Nasen- und Ohrenlöchern, er leidet an einer Nackenversteifung und kann nicht auf seine Schulter und Brust blicken, dann diagnostizierst du: einer mit einer klaffenden Wunde an seinem Kopf, die bis zum Knochen reicht, wobei sein Schdel gesplittert ist. Er leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Du sollst ihn nicht verbinden, (er ist) auf den Boden auf sein Ruhelager zu legen, bis dass die Zeitspanne seines Leidens vorber gegangen ist. Bezüglich: wobei sein Schädel gesplittert ist. Das bedeutet, sein Schädel ist gesplittert und Knochensplitter, die bei jenem Splitterbruch entstanden, sind im Innern des Schädels versunken. Das Handbuch ›Über seine Wunden‹ schreibt dazu: »Das bedeutet, sein Schädel ist in viele Stücke gesplittert, die im Innern seines Schädels versunken sind.« (Fall 5, Sm 2,11-2,17) Medizinwissen ber eine klaffende Wunde an seinem Kopf, die zum Knochen reicht, sein Schädel ist gesplittert und das Gehirn seines Schädels ist beschädigt. Wenn du einen 248

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Patienten mit einer klaffenden Wunde an seinem Kopf untersuchst, die zum Knochen reicht, sein Schädel ist gesplittert und das Gehirn seines Schädels beschädigt, dann sollst du seine Wunde palpieren. Wenn du jenen Splitterbruch, der in seinem Schädel ist, vorfindest (wie) dieser Schorf, der beim Metallguß entsteht. Etwas darin pocht und flattert unter deinen Fingern wie die Fontanelle am Schädeldach des Kindes, bevor sie sich geschlossen hat. Jenes Pochen und Flattern unter deinen Fingern entsteht, weil das Gehirn des Schädels beschädigt ist. Er blutet aus seinen Nasenlöchern und leidet an einer Nakkenversteifung. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Du musst jene Wunde von ihm brennen mit Auftrag von Creme. Du darfst ihn nicht verbinden und darfst keine Kreuzbinden darüber anlegen, bis du erkennst, daß er zur Krise gelangt. Bezglich: gesplittert ist sein Schdel und beschdigt ist das Gehirn seines Schdels. Ein großer Splitterbruch, der sich ins Innere seines Schädels hin öffnet. Die Hirnhaut, die sein Gehirn umfaßt, muß gebrochen sein, und es quillt aus dem Inneren seines Kopfes. Bezglich: dieser Schorf, der beim Metallguß entsteht. Es sind Metallstücke, die der Metallarbeiter gießt, bevor es mit Hartstein zu etwas geschlagen wird. Seine Oberfläche ist körnerartig uneben. Man sagt, es ist wie Schorf bei Eiter. (Fall 6, Sm 2,17-3,1) Medizinwissen ber eine klaffende Wunde an seinem Kopf, die zum Knochen reicht, und die Suturen seines Schädels sind durchlöchert. Du sollst seine Wunde palpieren, es zuckt sehr. Danach sollst du sein Gesicht heben lassen. Es ist recht schwierig, seinen Mund zu öffnen. Sein Herz ist zu träge zu pochen. Wenn du seinen Speichel untersuchst, der auf seine Lippen und nicht auf den Boden gefallen ist, er blutet aus Nasenund Ohrenlöchern, er leidet an einer Nackenversteifung und kann nicht auf seine Schulter und Brust blicken, dann diagnostizierst du: einer mit einer klaffenden Wunde an seinem Kopf, die bis zum Knochen reicht, durchlchert sind die Suturen seines Schdels, angeschirrt ist das Band seines Unterkiefers, er blutet aus Nasen- und Ohrenlchern, er leidet an einer Nackenversteifung und kann nicht auf seine Schulter und Brust blicken. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Wenn du jedoch jenen Patienten vorfindest, dessen Band seines Unterkiefers bzw. seine Mandibula angeschirrt ist, dann sollst du veranlassen, daß man ihm etwas Heißes macht, bis er sich wohlfühlt. Dann sollte sich sein Mund öffnen. Dann sollst du ihn verbinden mit Creme, Honig und Mull, bis du erkennst, daß er die Krise erreicht. Findest du aber jenen Patienten vor, dessen Körper Fieber bekommen hat wegen jener Wunde, die in den Suturen seines Schädels ist und jener Patient hat Kaumuskelkrampf bekommen wegen jener Wunde, dann lege deine Hand auf sein Gesicht. Wenn du seine Stirn durchnäßt mit Schweiß vorfindest und die Gefäße seines Halses sind gedehnt, sein Gesicht ist gerötet, seine Zähne sind bloßgelegt, der Geruch seines Hirnkastens ist wie der der Exkremente von Kleinvieh, sein Mund ist unbeweglich, seine Augenbrauen zukken, sein Gesicht scheint zu weinen, dann diagnostizierst du: einer mit einer klaffenden Wunde an seinem Kopf, die bis zum Knochen reicht, durchlchert sind die Suturen seines Schdels, er hat einen Kaumuskelkrampf bekommen, sein Mund ist unbeweglich, er leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Findest du aber jenen Patienten vor, der blaß geworden und einen Schwächeanfall erlitten hat, dann veranlasse, daß man ihm einen Holzmeißel anfertigt, mit Stoff umwickelt, der an seinen Mund zu legen ist. Du mußt ihm einen Trankmittel aus Erdmandeln ma-

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chen lassen. Das heißt, seine Versorgung besteht im Sitzen zwischen zwei Ziegelblöcken, bis du erkennst, daß er zur Krise gelangt. Bezglich: durchlchert sind die Suturen vom 135), das ist das, was zwischen den Schalen seines Schädels sind. So sind Ledernähte. Bezglich: angeschirrt ist das Band seines Unterkiefers. Das bedeutet, steif sind die Gefße/Sehnen am Ende des Krallenknochens deswegen, die im Joch-Schlfenbein bleiben – das sind die Enden der Mandibulas – ohne sich hin- und her zu bewegen. Ihm ist nicht angenehm, seinen Mund wegen seines Leidens zu ffnen. Bezglich: das Band seines Unterkiefers. Es sind die Gefäße/Sehnen, die die Enden der Mandibula binden, so wie man »Band« sagt zu etwas in Rollenform. Bezglich: seine Stirn ist feucht mit Schweiß. Das bedeutet, sein Kopf ist etwas verschwitzt, wie wenn etwas feucht ist. Bezglich: die Gefße seines Halses sind gedehnt. Das bedeutet, die Gefäße/Sehnen seines Halses sind stark gedehnt wegen seines Leidens. Bezglich: sein Gesicht ist gertet. Das bedeutet, rot ist die Farbe seines Gesichtes wie die Farbe des Samens der tmst-Pflanze. Bezglich: der Geruch seines Hirnkastens ist wie der der Exkremente von Kleinvieh. Das bedeutet, der Geruch seines Scheitels ist wie der Urin von Kleinvieh. Bezglich: sein Hirnkasten. Es ist das Mittelstück seines Scheitels in der Umgebung seines Gehirns. Das heißt, es ähnelt einem Kasten. Bezglich: sein Mund ist unbeweglich, seine Augenbrauen zucken, sein Gesicht scheint zu weinen. Das bedeutet, er öffnet seinen Mund nicht, wenn er spricht. Seine Augenbrauen sind verkrampft, einmal gibt es ein Hochreißen nach oben, zum andern ein Zukneifen nach unten wie jemand der zwinkert. Sein Gesicht (scheint) zu weinen. Bezglich: er ist blass geworden und hat einen Schwcheanfall erlitten. Das bedeutet, es ist eine Blässe der Art, daß man sich um ihn kümmert und ihn nicht meidet angesichts der Schwäche. (Fall 7, Sm 3,2-4,4) Medizinwissen ber einen Splitterbruch im Schdel unterhalb der Kopfhaut. Wenn du einen Patienten mit einem Splitterbruch im Schädel unterhalb der Kopfhaut untersuchst, ohne daß irgend etwas darauf ist, dann mußt du seine Wunde palpieren. Findest du eine Anschwemmung vor, die schwillt oberhalb jenes Splitterbruchs, der im Schädel ist. Und sein Auge schielt infolge dessen an der Seite, die jene Schlagverletzung aufweist, die im Schädel ist. Er lahmt an seiner Sohle an der Seite, die jene Schlagverletzung aufweist, die im Schädel ist. 136) – Du unterscheidest ihn von einem Geschlagenen durch das (dämonische) »Eindringen-von-Außen« mit (den Symptomen) der Kopf des Krallenknochens in seiner Schulter hat sich nicht gelöst und der Daumen ist in die Handmitte gefallen. – Er blutet aus seinen Nasen- und Ohrenlöchern und leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Seine Versorgung ist Sitzen, um ihn (den Bruch) zu gltten, bis du erkennst, dass er zur Krise gelangt. Findest du jedoch jenen Splitterbruch vor, der in seinem Schdel ist, (wie) dieser Schorf, der beim Metallguss entsteht. Etwas darin pocht und flattert unter deinen Fingern wie die Fontanelle am Schdeldach des Kindes, bevor sie sich geschlossen hat. Es entsteht dieses Pochen und Flattern unter deinen Fingern, weil das Gehirn des Schdels

135. Ein Wort ist ausgefallen. 136. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, daß die Ägypter den contre-coup kannten, weil sie hier die Ausnahme stark betonen, daß hier bei dieser Verletzung das Leiden an der gleichen Seite auftritt.

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beschdigt ist. Er blutet aus seinen Nasen- und Ohrenlchern und leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Bezglich: ein Splitterbruch im Schdel unterhalb der Kopfhaut, ohne das irgendetwas darauf ist. Das bedeutet, seine Schdelkalotte ist zersplittert. Das Fleisch seines Kopfes ist unverletzt. Bezglich: er lahmt an seiner Sohle. Er sagt über sein Gehen, daß seine Sohle ermattet ist. Sie ist ihm nicht angenehm beim Gehen, wenn sie weich ist und herabhängt. Seine Zehenspitzen sind zur Unterseite seiner Sohle gekrümmt, sie gehen, während sie den Boden »suchen«. Er sagt dazu, er lahme. Bezglich: ein Geschlagener durch das (dmonische) »Eindringen-von-Außen« auf dieser Seite, die dieses Leiden aufweist. Das heißt, er ist betroffen vom »Eindringen-von-Außen« auf dieser Seite, die dieses Leiden aufweist. Bezglich: das »Eindringen-von-Außen«. Es ist der Wind eines Gottes oder eines Toten durch das Eindringen von außen, ehe der Körper es (selbst) schuf. Bezglich: einer, dessen Kopf des Krallenknochens in seiner Schulter sich nicht gelst hat und einer, dessen Daumen nicht in die Handmitte gefallen ist. Er sagt: es heißt, daß der Kopf des Krallenknochens in seiner Schulter sich nicht gelockert hat und daß sein Daumen nicht in seine Handmitte gefallen ist. (Fall 8, Sm 4,5-18) Medizinwissen ber eine Wunde an seiner Stirn, seine Schädelkalotte ist gesplittert. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an seiner Stirn untersuchst, und seine Schädelkalotte ist gesplittert, dann musst du ihm machen: ein Straußenei, zerrieben in Creme, an die Wundöffnung zu applizieren. Danach musst du ihm machen: ein zerriebenes Straußenei, zu Puder gemacht. – Das ist eine Trocknung der Wunde. – Du mußt darauf einen Wundverband aus dem Arztbesteck legen. Am dritten Tag mußt du sie offen legen. Und du findest, daß er die Kalotte zusammengefügt hat, die Beschaffenheit wie beim Straußenei. Was in Zauberworten ber dieses Medikament zu sagen ist: Vertrieben sei der Feind in der Wunde, zum Zittern gebracht sei das Böse im Blut, ein Feind des Horus. Schutz und Zauberspruch der Zaubermächtigen. Nicht wird diese Schläfe in Gefahr kommen, nicht kriecht das Gefäß darin. Ich bin im Schutz der Zaubermächtigen, ja der Sohn des Osiris wird gerettet. Danach musst du ihm Khlung verschaffen: Feigenfrüchte, Creme, Honig, werde gekocht, gekühlt und ihm gegeben. Bezglich: ein Wundverband aus dem Arztbesteck. Das ist eine Binde, die gewhnlich dem Verbinder / Balsamierer zur Verfgung steht. Er gibt sie auf das Medikament, das auf der Wunde ist, die in der Stirn vorhanden ist. (Fall 9, Sm 4,19-5,5) Medizinwissen über eine Wunde an der Spitze seiner Augenbraue. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an der Spitze seiner Augenbraue untersuchst, die zum Knochen reicht, dann mußt du seine Wunde palpieren. Fasse ihm seine Wundränder mit einem Faden zusammen. Danach sagst du dazu: eine Wunde an seiner Augenbraue. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Nachdem du sie vernäht hast, [verbinde sie] mit rohem Fleisch am ersten Tag. Falls du diese Wunde mit einer verschobenen Naht vorfindest, dann mußt du ihn mit einem Kreuzverband klammern. Du versorgst ihn mit Creme und Honig täglich, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: ein Kreuzverband aus Stoff. Das ist ein Bindenpaar aus Stoff. Man legt es auf die Lippen der klaffenden Wunde, um den einen (Wundrand) am anderen haften zu lassen. (Fall 10, Sm 5,5-9) Medizinwissen ber eine Fraktur an seinem Nasenbein. Wenn du einen Patienten mit einer Fraktur an seinem Nasenbein untersuchst. Ja, seine Nase ist plattgedrückt, einge251

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flacht ist sein Gesicht, eine Anschwemmung darauf wölbt sich, er blutet aus seinen Nasenlöchern. Danach sagst du dazu: einer mit einer Fraktur an seinem Nasenbein. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt ihm (seine Nasenlöcher mit) zwei Stofftupfern auswischen. Du mußt zwei Stofftupfer, getränkt in Creme, ins Innere seiner Nasenlöcher stecken. Du mußt ihn auf sein Ruhelager legen, bis daß die Aufschwemmung verzogen ist. Du mußt ihm Stoffpolster anlegen, die durch sie seine Nase einschnüren. Du versorgst ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: sein Nasenbein. Es ist die obere Spitze seiner Nase, die bis zu seiner Hälfte reicht, auf der Oberseite seiner Nase, im Innern seiner Nase, in der Mitte seiner Nasenmuscheln. Bezglich: seine Nasenmuscheln. Die Seiten seiner Nase, die bis zu seiner Wange und bis zum Ende seiner Nase reichen und bei der Oberseite seiner Nase aufhören. (Fall 11, Sm 5,10-15) Medizinwissen ber einer Fraktur in seiner Nasenkammer. Wenn du einen Patienten mit einer Fraktur an seiner Nasenkammer untersuchst. Du findest seine Nase verbogen vor, sein Gesicht platt gedrückt. Ja, eine Anschwemmung darauf wölbt sich. Danach sagst du dazu: einer mit einer Fraktur in seiner Nasenkammer. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du hast ihn reponiert (den Bruch), an seine (richtige) Stelle verlegt. Du hast ihm die Innenräume seiner Nasenlöcher mit zwei Stoffbäuschen ausgewischt, bis alles Blutgerinnsel herauskam, das sich im Innern seiner Nasenlöcher festgesetzt hatte. Danach mußt du zwei Stofftupfer auflegen, getränkt in Creme und in seine Nasenlöcher gelegt. Dann mußt du ihm zwei Stoffpolster anlegen und darüber verbinden. Du versorgst ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: eine Fraktur in seiner Nasenkammer. Das ist die Mitte seiner Nase bis zu ihrem Ende, die zwischen die Augenbrauen reicht. Bezglich: seine Nase ist verbogen, sein Gesicht platt gedrckt. Das bedeutet, seine Nase ist krumm, in Gänze stark geschwollen, seine Wangen ebenso. Deshalb ist dadurch sein Gesicht platt gedrückt und nicht in seinem gewohnten Zustand wegen der Sache, daß alle Höhlungen durch die Schwellungen verstopft sind. Deshalb sieht sein Gesicht platt gedrückt dadurch aus. Bezglich: alles Blutgerinnsel, dass sich im Innern seiner Nasenlcher festgesetzt hatte. Das bedeutet, verbacken ist das Blut im Innern seiner Nasenlöcher, ähnlich dem Gewürm, das sich im Wasser befindet. (Fall 12, Sm 5,16-6,3) Medizinwissen ber einen Splitterbruch in seiner Nase. Wenn du einen Patienten mit einem Splitterbruch in seiner Nase untersuchst, dann mußt du deine Hand auf seine Nase in die Nähe jenes Splitterbruchs legen. Er verschiebt sich unter deinen Fingern. Nun er blutet außerdem aus seiner Nase, seinem Ohr, seinem Mund infolge jenes Splitterbruchs. Ja, es ist deswegen schwierig, seinen Mund zu öffnen. Er ist benommen. Danach sagst du dazu: einer mit einem Splitterbruch in seiner Nase. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. (Fall 13, Sm 6,3-7) Medizinwissen über eine Wunde in seiner Nase. Wenn du einen Patienten mit einer aufgeweichten Wunde in seiner Nase untersuchst und du findest die Lippen jener Wunde gegeneinander verschoben vor, dann sollst du ihm seine Wunde mit einem Faden zusammenfassen. Danach sagst du dazu: einer mit einer aufgeweichten Wunde in seiner Nase. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Dann mußt du ihm zwei Stoffbäusche machen und jedes Blutgerinnsel auswischen, das sich im Innern seiner Nase festgesetzt hat. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Falls sich seine 252

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Naht verschoben hat, nachdem du ihm das rohe Fleisch abgenommen hast, dann mußt du sie täglich mit Creme, Honig und Mull verbinden, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: aufgeweichte Wunde in seiner Nase. Das bedeutet, weich sind die Wundrnder, zum Inneren der Nase hin offen. So wie man »aufgeweicht« sagt zu weichen Dingen. (Fall 14, Sm 6,7-14) Medizinwissen ber ein Loch in seiner Wange. Wenn du einen Patienten mit einem Loch in seiner Wange untersuchst und du findest eine aufgewölbte Anschwemmung vor, ungewöhnlich schwarz auf seiner Wange. Danach sagst du dazu: einer mit einem Loch in seiner Wange. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt es mit Bimsstein 137) verbinden. Du untersuchst (statt: versorgst) ihn danach. Creme und Honig täglich, bis er sich wohlfühlt. (Fall 15, Sm 6,14-17) Medizinwissen ber einen Spalt in seiner Wange. Wenn du einen Patienten mit einem Spalt in seiner Wange untersuchst und du findest eine aufgewölbte Anschwemmung vor, gerötet auf der Außenseite jenes Spaltes. Danach sagst du dazu: einer mit einem Loch in seiner Wange. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Seine Versorgung ist Sitzen, bis sich seine Anschwemmung verzogen hat. Du versorgst sie danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. (Fall 16, Sm 6,17-21) Medizinwissen ber einen Splitterbruch in seiner Wange. Wenn du einen Patienten mit einem Splitterbruch in seiner Wange untersuchst, dann mußt du deine Hand auf seine Wange in die Nähe jenes Splitterbruches legen. Er verschiebt sich unter deinen Fingern. Nun er blutet aus seiner Nase und seinem Ohr auf seiner Seite, die diese Schlagverletzung aufweist. Nun er blutet außerdem aus seinem Mund. Ja, es ist deswegen schwierig, seinen Mund zu öffnen. Danach sagst du dazu: einer mit einem Splitterbruch in seiner Wange. Er blutet aus seiner Nase, seinem Ohr und seinem Mund, (und er ist) benommen. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Seine Versorgung ist Sitzen, bis sich seine Anschwemmung verzogen hat. Du versorgst sie danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. (Fall 17, Sm 7,1-7) Medizinwissen ber eine Wunde an seinem Joch-Schlfenbein. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an seinem Joch-Schläfenbein untersuchst, ohne daß ein Klaffen vorhanden ist, jene Wunde reicht jedoch bis zum Knochen. Dann mußt du seine Wunde palpieren und findest sein Joch-Schläfenbein unverletzt vor, ohne daß ein Spalt, Loch oder Splitterbruch vorhanden ist. Danach sagst du dazu: einer mit einer Wunde an seinem Joch-Schlfenbein. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Du versorgst ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: eine Wunde, ohne dass ein Klaffen vorhanden ist, sie reicht jedoch bis zum Knochen. Es ist eine kleine Wunde, die den Knochen erreicht, ohne daß ein Klaffen daran entstand. Er sagt dazu »eng«, da seine Wundränder nicht vorhanden sind. Bezglich: ein Joch-Schlfenbein. Es ist das, was zwischen dem Augenwinkel, dem Ohrläppchen und dem Ende der Mandibula liegt. (Fall 18, Sm 7,7-14) 137. Das Wort Bimsstein steht hier stellvertretend für einen leichtgewichtigen Stein, der dem Verband Halt und Festigkeit gibt. Durch seine Leichtigkeit behindert er nicht.

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Medizinwissen ber ein Loch an seinem Joch-Schlfenbein. Wenn du einen Patienten mit einem Loch an seinem Joch-Schläfenbein untersuchst, eine Wunde ist darauf, dann mußt du dir seine Wunde anschauen. Du sagst zu ihm: »Blicke auf deine Schultern«. Es ist wirklich schwierig, es zu tun. (Nur) wenig hat er seinen Hals drehen können. Und sein Auge ist entzündet an der Seite, die jene Schlagverletzung aufweist. Dann musst du dazu sagen: einer mit einem Loch an seinem Joch-Schlfenbein. Er leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt ihn auf sein Ruhelager legen, bis die Zeit seines Leidens vergangen ist. Du versorgst ihn täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: seine Augen sind entzndet. Das bedeutet, rot ist die Farbe seiner Augen wie die Farbe der sˇ s-Pflanze. Das Handbuch ›Über den Verbinder / Balsamierer‹ schreibt dazu: »Es sind seine Augen rot und hautlos roh wie das Auge am Ende (an) seiner schwachen Stelle (im inneren Augenwinkel).« (Fall 19, Sm 7,14-22) Medizinwissen ber eine Wunde an seinem Joch-Schlfenbein, die bis zum Knochen reicht, und sein Joch-Schläfenbein ist durchlöchert. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an seinem Joch-Schläfenbein untersuchst, die bis zum Knochen reicht, und sein Joch-Schläfenbein ist durchlöchert. Seine Augen sind auch entzündet, er blutet aus seinen Nasenlöchern mit geringem Abgang. Wenn du deine Finger auf jene Wundöffnung legst, dann schaudert es ihn sehr. Wenn du ihn über sein Leiden befragst, kann er nicht mit dir sprechen. Große Tränen sind aus seinen Augen gefallen. Er muß oft seine Hand an sein Gesicht reißen. Er wischt sich seine Augen mit seinem Handrücken, wie es ein Kind macht. (Aber) er weiß nicht, was er tut. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Wunde an seinem Joch-Schlfenbein, die bis zum Knochen reicht, durchlchert ist sein Joch-Schlfenbein. Er blutet aus seinem Nasenlchern, er leidet an einer Nakkenversteifung, benommen. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Wenn du jedoch jenen Patienten benommen vorfindest; das heißt, seine Versorgung ist Sitzen. Sein Kopf wird mit Creme gesalbt, in seine Ohren werde Milchfett gegossen. (Fall 20, Sm 7,22-8,5) Medizinwissen über einen Spalt in seinem Joch-Schläfenbein. Wenn du einen Patienten mit einem Spalt in seinem Joch-Schläfenbein untersuchst und du findest eine gewölbte Anschwemmung auf der Außenseite jenes Spalts, nun blutet er dazu einseitig aus seiner Nase und seinem Ohr infolge jenes Spalts. Ja, es ist deshalb schwierig für ihn, Gesprochenes zu hören. Dann musst du dazu sagen: einer mit einem Spalt in seinem JochSchlfenbein. Er blutet aus seiner Nase und seinem Ohr infolge jener Schlagverletzung. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Du mußt ihn auf sein Ruhelager legen, bis du erkennst, daß er zur Krise gelangt. (Fall 21, Sm 8,6-9) Medizinwissen ber einen Splitterbruch in seinem Joch-Schlfenbein. Wenn du einen Patienten mit einem Splitterbruch in seinem Joch-Schläfenbein untersuchst, dann mußt du einen Finger auf sein Kinn legen und einen Finger auf das Ende seines Krallenknochens. Dann muß infolge jenes Splitterbruchs Blut aus seinen Nasenlöchern und aus dem Innenraum seiner Ohren fließen. Wische ihm mit einem Stofftupfer aus, bis du die Splitter im Inneren seiner Ohren siehst. Wenn du ihn angerufen hast, so ist er benommen und kann nicht sprechen. Dann musst du dazu sagen: einer mit einem Splitterbruch in seinem Joch-Schlfenbein. Er blutet aus seinen Nasen- oder Ohrenlchern, benommen, er leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. 254

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Bezüglich: das Ende seines Krallenknochens. Das ist das Ende des Unterkiefers. Der Krallenknochen endet in seinem Joch-Schläfenbein, so wie Kralle des Greifvogels etwas festhält. Bezglich: du siehst seine Splitter im Innern seiner Ohren. Das sind ein paar Knochensplitter, die herauskommen, weil sie am Tupfer haften, der eingeführt wurde, um das Innere seiner Ohren auszuwischen. Bezglich: er ist benommen. Das bedeutet, er schweigt aus Benommenheit, ohne zu sprechen, wie jemand, der wegen des (dämonischen) »Eindringens-von-Außen« einen Schwächeanfall hat. (Fall 22, Sm 8,9-17) Medizinwissen ber eine Wunde in seinem Ohr. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde in seinem Ohr untersuchst, welches bis zur Öffnung seines Fleisches abgetrennt ist, aber etwas vom Unterteil seines Ohres ist am Fleisch verblieben. Du faßt es ihm hinter der Hautschicht seines Ohres mit einem Faden zusammen. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Wunde in seinem Ohr, das bis zur ffnung seines Fleisches abgetrennt ist. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Wenn du jene Wunde mit verschobener Naht vorfindest, die aber an seinen Wundrändern verblieben ist, dann mußt du ihm Stoffpolster anfertigen und damit die Hinterseite seines Ohres auspolstern. Du mußt ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull versorgen, bis er sich wohlfühlt. (Fall 23, Sm 8,18-22) Medizinwissen ber eine Fraktur in seinem Unterkiefer. Wenn du einen Patienten mit einer Fraktur an seinem Unterkiefer untersuchst, dann mußt du deine Hand darauf legen und du findest jene Fraktur unter deinen Fingern verschoben vor, dann musst du dazu sagen: einer mit einer Fraktur in seinem Unterkiefer, die Wunde darauf ist aufgebrochen, der ble Ausfluss hat aufgehrt zu rinnen, er hat deswegen gefiebert. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. (Fall 24, Sm 8,22-9,2) Medizinwissen über eine Verschiebung des Unterkiefers. Wenn du einen Patienten mit einer Verschiebung in seinem Unterkiefer untersuchst und du findest seinen Mund offen vor. Er kann seinen Mund nicht schließen. Dann mußt du deinen Finger im Innern seines Mundes auf das Ende der Krallenknochen von dem Unterkiefer und deinen Daumen unter sein Kinn legen. Danach mußt du ihn reponieren und an seine (richtigen) Stelle verlegen. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Verschiebung in seinem Unterkiefer. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du musst ihn tglich mit Bimsstein und Honig verbinden, bis er sich wohlfhlt. (Fall 25, Sm 9,2-9,6) Medizinwissen über eine Wunde an seiner (Ober-)lippe. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an seiner Oberlippe untersuchst, die in seinem Munde aufgeweicht ist, dann mußt du seine Wunde bis hin zum Nasenpfeiler untersuchen und jene Wunde mit einem Faden zusammenfassen. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Wunde an seiner Oberlippe, die zum Innern seines Mundes hin aufgeweicht ist. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Danach nähst du sie und mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Du versorgst sie danach täglich mit Creme und Honig, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: eine Wunde an seiner Lippe, die zum Innern seines Mundes hin aufgeweicht ist. Das bedeutet, weich sind seine Wundränder, zum Innern seines Mundes hin offen. So wie man »aufgeweicht« sagt zu weichen Dingen. (Fall 26, Sm 9,6-13) Medizinwissen ber eine klaffende Wunde an seinem Kinn. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an seiner Oberlippe untersuchst, die bis zum Knochen reicht, dann mußt du seine Wunde palpieren. Wenn du seinen Knochen unverletzt vorfindest, ohne 255

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daß ein Spalt oder Loch vorhanden ist. Dann sagst du dazu: einer mit einer klaffenden Wunde an seinem Kinn, die bis zum Knochen reicht. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Dann mußt du einen Kreuzverband auf jenes Klaffen legen. Dann mußt du sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Dann mußt du sie danach täglich mit Creme, Honig und Mull versorgen, bis er sich wohlfühlt. (Fall 27, Sm 9,13-18) Medizinwissen ber eine Wunde an seinem Vorderhals. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an seinem Vorderhals untersuchst, die bis zu seiner Luft-Speise-Röhre aufgeweicht ist. Wenn er Wasser trinkt, dann muß er sich sträuben, denn es kommt aus seiner Wundöffnung heraus. Sie ist überall entzündet und er hat Hitze infolge dessen. Du mußt jene Wunde mit Faden zusammenfassen. Danach sagst du dazu: einer mit einer Wunde an seinem Vorderhals, die bis zu seiner Luft-Speise-Rhre aufgeweicht ist. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Du versorgst ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. Wenn du ihn aber vorfindest, wie er infolge jener Wunde fiebert, dann mußt du ihm trockenen Mull an seine Wundöffnung applizieren; er ist auf sein Ruhelager zu legen, bis er sich wohlfühlt. (Fall 28, Sm 9,18-10,3) Medizinwissen ber eine klaffende Wunde an einem seiner Nackenwirbel. Wenn du einen Patienten mit einer klaffenden Wunde an einem seiner Nackenwirbel untersuchst, die bis zum Knochen reicht, und einer seiner Nackenwirbel ist durchlöchert. Wenn du versuchst jene Wunde anzufassen, dann schaudert es ihn sehr. Nicht kann er auf seine Schultern und seine Brust blicken. Danach sagst du dazu: einer mit einer Wunde an seinem Nacken, die bis zum Knochen reicht, durchlchert ist einer seiner Nackenwirbel. Er leidet an einer Nackenversteifung. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Danach ist er auf sein Ruhelager zu legen, bis die Zeit seines Leidens vergangen ist. (Fall 29, Sm 10,3-8) Medizinwissen über eine Zerrung an einem seiner Nackenwirbel. Wenn du einen Patienten mit einer Zerrung an einem seiner Nackenwirbel untersuchst, dann sagt zu ihm: »Blicke auf deine Schultern und deine Brust.« Wenn er es macht, dann ist es schwierig zu sehen, daß es durch ihn geschieht. Danach sagst du dazu: einer mit einer Zerrung an einem seiner Nackenwirbel. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Danach versorgst du ihn nachher täglich mit Bimsstein, Honig, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: eine Zerrung. Man sagt es zum Reißen durch ein Gelenk, wenn es (noch) an seinem Platz ist. (Fall 30, Sm 10,8-12) Medizinwissen ber eine Verschiebung an dem Nackenwirbel. Wenn du einen Patienten mit einer Verschiebung an einem seiner Nackenwirbel untersuchst und du findest ihn vor, daß er infolge dessen seine Arme und Beine nicht fühlt. Ja, sein Penis ist steif dadurch. Es fließt ohne sein Wissen Flüssigkeit aus seiner Eichel. Ja, sein Fleisch hat Luft aufgenommen und seine Augen sind entzündet. Das wird durch die Verschiebung an einem seiner Nackenwirbel verursacht, die zu seiner Wirbelsäule reicht und ihn seine Arme und Beine nicht fühlen läßt. Wenn aber ein Wirbel in der Mitte seines Nackens luxiert ist, so bedeutet das einen Samenerguß, der an seiner Eichel entsteht. Danach sagst du dazu: einer mit einer Verschiebung an einem seiner Nackenwirbel. Er fhlt seine Beine und Arme nicht. Trge fließt seine Flssigkeit. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. 256

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Bezglich: eine Verschiebung an einem seiner Nackenwirbel. Man sagt, es hat sich ein Nackenwirbel von einem anderen getrennt. Das Fleisch darauf ist unverletzt. Wie man sagt »es ist verschoben« zu Dingen, die zwar zusammenhaften, während sich aber eines vom anderen getrennt hat. Bezglich: es ist ein Samenerguss, der an seiner Eichel entsteht. Sein Penis ist steif mit einem Ausfluß an seinem Penis-Ende. Es heißt: es »bleibt bewacht« 138). Weder kann er sich biegen nach unten, noch kann er sich erheben nach oben. Bezglich: trge fließt seine Flssigkeit. Das bedeutet, es fließt Flüssigkeit aus seiner Eichel, und sie kann sich nicht bei ihm sammeln. (Fall 31, Sm 10,12-22) Medizinwissen ber eine Senkung an einem seiner Nackenwirbel. Wenn du einen Patienten mit einer Senkung an einem seiner Nackenwirbel untersuchst. Ja, sein Gesicht bleibt (unbeweglich), und sein Nacken kann sich nicht drehen. Dann mußt du zu ihm sagen: »Blicke auf deinen Oberkörper und auf deine Schultern«. Es ist ihm unmöglich, seinen Kopf zu drehen und auf seinen Oberkörper und seine Schultern zu blicken. Danach sagst du dazu: einer mit einer Senkung an einem seiner Nackenwirbel. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden und seine Verbände lösen. Du mußt Creme an seinen Kopf geben, bis es an seinem Nacken herunterrinnt. Du mußt sie mit Bimsstein verbinden. Du versorgst ihn danach täglich mit Honig. Das heißt, Sitzen ist seine Versorgung, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: eine Senkung an einem seiner Nackenwirbel. Man sagt es zu einem Einsinken eines seiner Nackenwirbel ins Innere seines Nackens hin, wie ein Bein im Acker einsinkt. Das ist ein Versinken nach unten. (Fall 32, Sm 11,1-9) Medizinwissen über eine Stauchung in einem seiner Nackenwirbel. Wenn du einen Patienten mit einer Stauchung an einem seiner Nackenwirbel untersuchst und du findest ihn vor, daß ein Wirbel in einen anderen gefallen ist. Außerdem ist er benommen und kann nicht sprechen. Sein (des Patienten) Niederstürzen kopfüber verursachte, daß ein Wirbel in einem anderen gestaucht ist. Du findest (auch) vor, daß er seine Arme und Beine deswegen nicht fühlt. Danach sagst du dazu: einer mit einer Stauchung an einem seiner Nackenwirbel. Er fhlt seine Arme und Beine nicht, ist benommen. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. Bezglich: eine Stauchung an einem seiner Nackenwirbel. Man sagt es zu einem Fallen eines seiner Nackenwirbel in einen anderen. Einer ist in den anderen eingedrungen, ohne sich hin und her zu bewegen. Bezglich: sein (des Patienten) Niederstrzen kopfber verursachte, daß ein Wirbel in einem anderen gestaucht ist. Das bedeutet, er ist kopfüber auf seinen Kopf niedergestürzt. Einer seiner Nackenwirbel verkeilte sich in einen anderen. (Fall 33, Sm 11,917) Medizinwissen ber eine Verschiebung an seinen Schlsselbeinen. Wenn du einen Patienten mit einer Verschiebung an seinen Schlüsselbeinen untersuchst und du findest seine Schultern herabhängend vor, während sich die Spitze seiner Schlüsselbeine seinem Gesicht nähern, dann mußt du dazu sagen: einer mit einer Verschiebung in seinen Schlüsselbeinen. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du musst (sie) reponieren, so dass sie an ihrem Platz sind. Du mußt ihn verbinden mit Stoffpolstern. Du versorgst ihn danach täglich mit Creme und Honig, bis er sich wohlfühlt. Wenn du aber seine Schls-

138. Ein ägyptisches Wortspiel mit dem Wort Samenerguß.

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selbeine vorfindest, (die Wunde) darauf ist zerrissen und zum Innern hin aufgeweicht. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Bezglich: eine Verschiebung an seinen Schlsselbeinen. Das bedeutet, die Gelenkenden seines Sichelbeins haben sich gelöst. Die Gelenkenden bleiben (normalerweise) am manubrium sterni seines Brustkorbs, bis zu seiner Kehle reichend. Darüber befindet sich das Fleisch seiner Schlüsselbeine, das ist das Fleisch, das sich über seiner Halsgegend befindet. Zwei Gefäße sind darunter, der eine auf der rechten, der andere auf der linken Seite zu seiner Kehle und zu seiner Halsgegend. Sie führen zur Lunge. (Fall 34, Sm 11,17-12,2) Medizinwissen ber eine Fraktur an seinen Schlsselbeinen. Wenn du einen Patienten mit einer Fraktur an seinen Schlüsselbeinen untersuchst und du findest die Schlüsselbeine verkürzt vor und schwächer als sein Gegenüber, dann musst du dazu sagen: einer mit einer Fraktur an seinen Schlsselbeinen. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Danach mußt du ihn ausgestreckt hinlegen (lassen), etwas Gefaltetes ist zwischen seinen Schulterblättern zu legen. Dann mußt du seine Schultern ausbreiten, um seine Schlüsselbeine zu strecken, bis jene Fraktur an ihre (normale) Position reponiert ist. Dann mußt du zwei Stoffbäusche für ihn anfertigen. Danach legst du einen der zwei an die Innenseite, den anderen an die Unterseite seines Oberarms. Du musst ihn mit Bimsstein verbinden und versorgst ihn danach tglich mit Honig, bis er sich wohlfhlt. (Fall 35, Sm 12,3-8) Medizinwissen über eine Fraktur an seinem Oberarm. Wenn du einen Patienten mit einer Fraktur an seinem Oberarm untersuchst und du findest seinen Oberarm mehr herabhängend und schwächer als sein Gegenüber, dann musst du dazu sagen: einer mit einer Fraktur an seinem Oberarm. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Danach mußt du ihn ausgestreckt hinlegen (lassen), etwas Gefaltetes ist zwischen seinen Schulterblättern zu legen. Dann mußt du seine Schultern ausbreiten, um seine Oberarme zu strecken, bis jene Fraktur an ihre (normale) Position reponiert ist. Dann mußt du zwei Stoffbäusche für ihn anfertigen. Danach legst du einen der zwei an die Innenseite, den anderen der zwei an die Unterseite seines Oberarms. Du musst ihn mit Bimsstein verbinden und versorgst ihn danach tglich mit Honig, bis er sich wohlfhlt. (Fall 36, Sm 12,8-14) Medizinwissen ber eine Fraktur an seinem Oberarm, eine Wunde ist darauf. Wenn du einen Patienten mit einer Fraktur an seinem Oberarm untersuchst und die Wunde darauf ist zerrissen und du findest jene Fraktur vor, die sich unter deinen Fingern verschiebt, dann musst du dazu sagen: einer mit einer Fraktur an seinem Oberarm, zerrissen ist die Wunde. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Dann mußt du zwei Stoffbäusche für ihn anfertigen. Du mußt ihn mit Bimsstein verbinden und ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull versorgen, bis du erkennst, daß er zu etwas (einer Krise) gelangt. Wenn du aber jene Wunde, die auf der Fraktur ist, so vorfindest, dass sie daraus blutet und bis ins Innere seiner Wunde hinein aufgeweicht ist, dann musst du dazu sagen: einer mit einer Fraktur an seinem Oberarm, zerrissen ist die aufgeweichte Wunde darauf. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. (Fall 37, Sm 12,14-21) Medizinwissen über einen Spalt an seinem Oberarm. Wenn du einen Patienten mit einem Spalt an seinem Oberarm untersuchst und du findest eine aufgewölbte Aufschwemmung auf der Außenseite jenes Spalts, der in seinem Oberarm ist, dann musst 258

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du dazu sagen: einer mit einem Spalt an seinem Oberarm. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt ihn mit Bimsstein verbinden und ihn danach täglich mit Honig versorgen, bis er sich wohlfühlt. (Fall 38, Sm 12,21-13,2) Medizinwissen ber ein (gangrnes) Geschwr auf einer Schlagverletzung in seinem Brustkorb. Wenn du einen Patienten mit einem Geschwür auf einer Schlagverletzung in seinem Brustkorb untersuchst und du findest Erhebungen vor, die sich mit Eiter auf seinem Brustkorb ausgebreitet haben. Es haben sich Rötungen gebildet. Außerdem ist eine große Hitze darin, wenn deine Hand ihn prüft. Danach musst du dazu sagen: einer mit einem Geschwr auf einer Schlagverletzung in seinem Brustkorb. Es hat sich Eiter abgesondert. Eine Krankheit, die ich mit einem Brennbolzen behandeln kann. Du musst es ihm auf seinem Brustkorb ausbrennen, auf jenem Geschwr, das auf dem Brustkorb ist. Du versorgst ihn mit einer (normalen) Wundversorgung. Du sollst dich nicht davor hten, daß sie sich von selbst ffnet, wegen der Gutartigkeit seiner Wunde. Ja, es trocknet jede Wunde, die in seinem Brustkorb entsteht, sobald sie sich von selbst ffnet. Bezglich: ein Geschwr auf einer Schlagverletzung in seinem Brustkorb. Das heißt, es ist etwas Geschwollenes vorhanden, das sich infolge seines Leidens auf seinem Brustkorb ausgebreitet hat. Sie verursachen Eiter und etwas Rotes auf seinem Brustkorb. Das heißt, man sagt: »Es ist wie etwas Gekratztes. Was sie hervorbringen ist Eiter.« (Fall 39, Sm 13,3-12) Medizinwissen ber eine Wunde an seinem Brustkorb. Wenn du einen Patienten mit einer Wunde an seinem Brustkorb untersuchst, die bis zum Knochen reicht und das Brustbein seines Brustkorbs ist durchlöchert, dann hältst du das Brustbein seines Brustkorbs mit seinen Fingern fest, es schaudert ihn sehr dabei. Danach musst du dazu sagen: einer mit einer Wunde an seinem Brustkorb, die bis zum Knochen reicht, durchlchert ist das Brustbein seines Brustkorbs. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt ihn am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Du versorgst sie danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. Bezüglich: Brustbein seines Brustkorbs. Das ist das obere Ende seines Brustkorbs, es scheint wie ein Stacheltier gebildet zu sein. (Fall 40, Sm 13,12-17) Medizinwissen über eine Anomalie der Wunde in seinem Brustkorb. Wenn du einen Patienten mit einer Anomalie der Wunde in seinem Brustkorb untersuchst – jene Wunde ist nämlich entzündet – eine Hitzeballung strömt aus jener Wundöffnung gegen deine Hand und die Ränder jener Wunde sind gerötet. Außerdem fiebert jener Patient deswegen. Weder nimmt sein Fleisch den Verband an, noch nimmt jene Wunde ein Stück Haut an. Der Wundschorf, der in jener Wundöffnung ist, ist wäßrig, ihre Beschaffenheit ist heiß. Die Flüssigkeitsmenge, die da heraustropft, ist klar. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Anomalie der entzndeten Wunde im Brustkorb, er fiebert deswegen. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Dann mußt du ihm Kühlmittel herstellen, um die Hitze aus seiner Wundöffnung zu ziehen: Weidenblätter, Christusdornblätter und qsntj-Mineral. Ist darber (auf die Wunde) zu applizieren. Blätter des Maerua-Baums, Galle, hnj-t -Pflanze und qsntj-Mineral. Ist darber (auf die Wunde) zu applizieren. ˙ Dann mußt du ihm Mittel herstellen, die die Wunde trocknen. Fritte von Malachit, wsˇbtMineral, »Fayence« und Fett. Ist zu zerreiben und damit zu verbinden. Unterägyptisches Salz, Fett des Steinbocks. Ist zu zermahlen und damit zu verbinden. Dann mußt du ihm Puder herstellen: Mohnkörner, Leinsamen, Schulp, Johannisbrot, Sykomorenblätter. Ist da259

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mit zu verbinden. Falls etwas Ähnliches an irgendwelchen Körperteilen entsteht, dann mußt du gemäß diesem Heilverfahren handeln. Bezglich: eine Anomalie der entzndeten Wunde in seinem Brustkorb. Das bedeutet, die Wunde in seinem Brustkorb ist retardierend, ohne sich zu überziehen. Hochgradige Hitze strömt aus ihr. Ihre Ränder sind rot. Ihre Öffnung steht offen. Das Handbuch »Über die Wunden« schreibt dazu: »Das heißt, sie ist überaus geschwollen. Man sagt (dazu): ›hochgradige Entzündung‹.« Bezglich: eine Hitzeballung in seiner Wunde. Das bedeutet, die Hitze ballt sich und zirkuliert in seiner ganzen Wunde. Bezglich: ihre Rnder sind gertet. Das bedeutet, rot sind die Wundränder wie die Färbung der tmstPflanze. Bezglich: sein Fleisch nimmt den Verband nicht an. Sein Fleisch nimmt dieses Medikament wegen der Hitze, die auf seinem Fleisch ist, nicht an. Bezglich: Hitze strmt außerdem aus seiner Wundffnung gegen deine Hand. Hitze kommt aus seiner Wundöffnung gegen deine Hand heraus, wie man sagt »es strömt heraus«, zu etwas, das zu Boden herausfällt. (Fall 41, Sm 13,18-14,16) Medizinwissen ber eine Zerrung an den Rippen seines Brustkorbs. Wenn du (einen Patienten) untersuchst und er leidet an den Rippen seines Brustkorbs, eine Verschiebung ist nicht vorhanden und nichts ist gebrochen. Und doch leidet der Patient an ihm und es schaudert ihn sehr. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Zerrung an den Rippen seines Brustkorbs. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du sollst sie mit Bimsstein verbinden. Du versorgst ihn danach tglich mit Honig, bis er sich wohlfhlt. Bezglich: die Rippen seines Brustkorbs. Das sind die Knochen seines Brustkorbs. Es ist das Rippenstck, als wre es als Rippenfleischstck (des Rindes) entstanden. (Fall 42, Sm 14,16-22) Medizinwissen über eine Verschiebung an den Rippen seines Brustkorbs. Wenn du einen Patienten mit einer Verschiebung an den Rippen seines Brustkorbs untersuchst und du findest die Rippen seines Brustkorbs vorgewölbt vor. Ihre Gelenkköpfe sind gerötet. Jener Patient leidet an Schleimstoffen an seinen Seiten. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Verschiebung an den Rippen seines Brustkorbs. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du sollst sie mit Bimsstein verbinden. Du versorgst ihn danach täglich mit Honig, bis er sich wohlfühlt. Bezglich: eine Verschiebung an den Rippen seines Brustkorbs. Das bedeutet, die Gelenkenden der Rippen seines Brustkorbs haben sich gelöst, die normalerweise in seinem Brustkorb befestigt sind. Bezglich: er leidet an Schleimstoffen an seinen Seiten. Das bedeutet, er leidet an einer Verlagerung (der Schleimstoffe) in seinem Brustkorb davon, die in seine Seiten hineingeschossen sind. Bezglich: seine Seiten. Das sind seine Lenden. (Fall 43, Sm 14,22-15,6) Medizinwissen ber eine Fraktur an den Rippen seines Brustkorbs. Wenn du einen Patienten mit einer Fraktur an den Rippen seines Brustkorbs untersuchst, zerrissen ist die Wunde darauf und du findest die Rippen seines Brustkorbs vor, daß sie sich unter deinen Fingern verschieben. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Fraktur an den Rippen seines Brustkorbs, zerrissen ist die Wunde darauf. Eine Krankheit, die nicht behandelbar ist. (Fall 44, Sm 15,6-9) Medizinwissen über ein ballartiges Geschwür auf seinem Brustkorb. Wenn du einen Patienten mit einem ballartigen Geschwür auf seinem Brustkorb untersuchst und du stellst fest, daß sie sich auf seinem Brustkorb ausgebreitet hat. Wenn du deine Hand auf seinen 260

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Brustkorb legst auf jenes Geschwür und du findest sie sehr kühl vor, ohne daß sich irgendeine Hitze darin befindet und deine Hand findest sie vor, daß sie weder körnig werden noch Wasser bilden kann und eine Wassermenge konnte sich (so) nicht bilden. Sie ist ballartig unter deiner Hand. Dann musst du dazu sagen: einer mit einem ballartigen Geschwr. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Es ist nichts vorhanden. Falls du ein ballartiges Geschwür an irgendwelchen Körperteilen des Patienten feststellst, dann mußt du gemäß diesem Heilverfahren handeln. Bezglich: ein ballartiges Geschwr auf seinem Brustkorb. Das heißt, es sind Schwellungen auf seinem Brustkorb, groß, ausgebreitet, und fest. Man haftet an ihnen, wie man einen Tonklumpen klebt, ähnlich der frischen hm yt. Sie ist fest und kühl an der Hand˙ haftet, die auf seinem Brustkorb sind. unterseite; so wie man an diesen Schwellungen (Fall 45, Sm 15,9-19) Medizinwissen ber eine Geschwulst auf einer tiefen Schnittverletzung in seinem Brustkorb. Wenn du einen Patienten mit einer Geschwulst auf einer tiefen Schnittverletzung in seinem Brustkorb untersuchst und du stellst eine sehr große Anschwemmung fest, die sich auf seinem Brustkorb vorwölbt, unter deiner Hand hell wie Wasser. Sie haben etwas gebildet, deren Oberflächenbeschaffenheit nicht glitzert und deren Oberfläche nicht gerötet ist. Dann musst du dazu sagen: einer mit einer Geschwulst auf einer tiefen Schnittverletzung in seinem Brustkorb. Eine Krankheit, die ich behandeln kann mit Kühlmitteln gegen jene Geschwulst, die im Brustkorb ist. Sechszeilige Gerste, ntrt-Mineral, qsntj-Mineral. Zermahlen und darber verbunden. Alabastermehl, qsntj-Mineral, Mergelton vom Töpfer, Wasser. Zermahlen und darber verbunden. Wenn diese Kühlmittel sich gegen sie wenden, dann mußt du mit jenem Medikament warten, bis alles Wasser, das in der Geschwulst ist, herabtropft. Du versorgst sie mit der Wundversorgung, die die Hitze aus der Wundöffnung aus seinem Brustkorb zieht: Akazienblätter, Sykomorenblätter und Wasser. Blätter des Maerua-Baums, Rindergalle, hnj-t -Pflanze. Werde damit verbunden. Danach musst du fr ihn Trockenmittel (fr ˙die Wunde) in seinem Brustkorb herstellen: Fritte von Malachit, Johannisbrot, Terpentin der Konifere, Creme; unterägyptisches Salz, Steinbockfett. Werde damit verbunden. Danach musst du fr ihn Puder herstellen: Mohnkörner, Leinsamen, Sykomorenblätter. Zermahlen, zu applizieren. Bezglich: eine Geschwulst auf einer tiefen Schnittverletzung in seinem Brustkorb. Das bedeutet, etwas Geschwollenes und Großes ist auf diesem Leiden, das in seinem Brustkorb ist. Weich wie Wasser unter der Hand. Bezglich: ihre Oberflchenbeschaffenheit glitzert nicht. Das bedeutet, ihre Haut funkelt nicht. Bezglich: Nichts Rtliches ist darauf. Das bedeutet, es gab nichts Rotes darauf. (Fall 46, Sm 15,20-16,16) Medizinwissen ber eine klaffende Wunde an seiner Achsel. Wenn du einen Patienten mit einer klaffenden Wunde an seiner Achsel untersuchst, sein Fleisch ist aufgeworfen, getrennt sind seine Seiten und er leidet an Schleimstoffen in seinem Schulterblatt. Dann musst du seine Wunde palpieren und du findest ihr Klaffen verschoben, ihre Seiten wenden sich von der Wunde ab, wie sich ein Leinenstoffballen entrollt. Ja, er hat infolgedessen Schwierigkeiten, seinen Arm anzuheben. Dann mußt du ihm sein Klaffen mit Faden zusammenfassen. Danach sagst du dazu: einer mit einer klaffenden Wunde in seiner Achsel, sein Fleisch ist aufgeworfen, getrennt sind seine Seiten und er leidet an Schleimstoffen in seinem Schulterblatt. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du 261

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mußt sie am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Wenn du jene Wunde aufgegangen vorfindest und seine Naht ist verschoben, dann fasse ihm seine klaffende Wunde mit einem Stoffkreuzverband auf jenem Klaffen zusammen. Du versorgst ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. Falls du eine Wunde in irgendeinem Krperteil des Patienten vorfindest, whrend sein Fleisch aufgeworfen und seine Seiten getrennt sind, behandele ihn gemß diesem Heilverfahren. Wenn du aber jene Wunde vorfindest, sein Fleisch hat Fieber gezogen infolge jener Wunde, die in seiner Achsel ist; außerdem ist jene Wunde entzündet und aufgegangen, seine Naht hat sich verschoben. Dann legst du deine Hand darauf und du findest die Hitze vor, die ständig aus der Wundöffnung strömt gegen deine Hand, eine (Wasser)menge strömt heraus, kühl wie das Wasser von Rosinen. Danach sagst du dazu: einer mit einer entzndeten, klaffenden Wunde an seiner Achsel, er fiebert infolgedessen. Eine Krankheit, mit der ich kmpfe. Wenn du aber jenen Patienten vorfindet, daß er fiebert und jene Wunde ist außerdem entzündet, dann darfst du sie nicht verbinden, (er ist) auf sein Ruhelager zu legen, bis die Zeit seines Leidens vergangen ist. Wenn aber sein Fieber nachläßt und die Hitze aus seiner Wundöffnung zu Boden fließt, dann versorgst du ihn danach täglich mit Creme, Honig und Mull, bis er sich wohlfühlt. (Fall 47, Sm 16,16-17,15) Medizinwissen ber eine Zerrung (an) seinem Rückenwirbel. Wenn du einen Patienten mit einer Zerrung an seinem Rückenwirbel untersuchst, dann sage zu ihm: »strecke deine Beine aus, die angewinkelt sind«. Dann muß er sie ausstrecken und wieder sofort anwinkeln, weil es schwierig ist, es zu tun, wegen des Rückenwirbels, an dem er leidet. Danach sagst du dazu: einer mit einer Zerrung an seinem Rckenwirbel. Eine Krankheit, die ich behandeln kann. Du mußt ihn ausgestreckt hinlegen. Du mußt für ihn herstellen … 139) (Fall 48, Sm 17,15-17,19) Heilmittel zum Richten des Knochens, wenn er glatt gebrochen ist, am ersten Tag. Johannisbrotmehl 1 (Quantum), Langbohnenmehl 1 (Quantum), mit Wasser verdünnte mst -Flüssigkeit 1 (Quantum), zu einer Masse zu machen, werde darauf bis zu 4 Tagen verbunden. (H 217, 14,13-14) Zweites Heilmittel. Johannisbrotmehl 1 (Quantum), Mehl der 22 m-Pflanze 1 (Quantum), Schleim von psn-Brot 1 (Quantum), zu einer Masse zu kochen, werde darüber verbunden. (H 218, 14,14-15) Drittes Heilmittel. Saure Milch des Rindes 1 (Quantum), frisches Gerstenmehl 1 (Quantum), zu einer Masse zu machen, werde darauf bis zu 4 Tagen verbunden. (H 219, 14,15-16) Glattes aneinanderfgen des knochens, wenn er einfach gebrochen ist, an irgendeinem Krperteil eines Mannes oder einer Frau. Pflanzenschleim von […], Samen von Laichkraut, zu einer Masse zu machen, in Honig zu mischen, werde darüber verbunden. (H 13, 1;12-13) Heilmittel zum Khlen des Knochens, nachdem er gerichtet wurde, an irgendeinem Krperteil des Mannes. Johannisbrotmehl 1 (Quantum), Dornakazienblatt 1 (Quantum), Christusdornblatt 1 (Quantum), Sykomorenblatt 1 (Quantum), Hirse 1 (Quantum), Wasser 1 (Quantum), werde darüber verbunden. (H 226, 15,4-5) 139. Der Text des Wundenbuchs bricht hier ab.

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Heilmittel zum Khlen des Knochens, nachdem er gerichtet wurde, an irgendeinem Krperteil des Mannes. Natron von der Oase (Natrun), Maische, Dattelkerne, Honig, werde darauf bis zu 4 Tagen verbunden. (H 233, 15,13-14) Alternativ. Eine Salbe zum Heilen eines Knochens an irgendeinem Krperteil des Mannes. Eine erfolgreiche Methode. Natron 1 (Quantum), kobalthaltiger Alaun 1 (Quantum), Fett 1 (Quantum), schwarzer Flint 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), zu einer Masse zu machen, werde darüber verbunden. (Eb 636, 80,2-4) Heilmittel fr Rippen, wenn sie gebrochen sind, am ersten Tag. Saure Milch von hdt-Milch, werde mit einem Lappen aus feinem Leinen bedeckt, werde darauf bis zu ˙4¯Tagen verbunden. (H 15, 1;15-16) Anfang zu den Heilmitteln zur Heilung einer Wunde, die dem Fleisch zugefgt worden ist. Verbandsstoff, mit Weihrauch angefeuchtet, Honig, bis zu 4 Tagen zu applizieren. (Eb 515, 70,1-2) Was gegen eine Wunde im Brustkorb gemacht wird. Kobalthaltiger Alaun 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), sehr fetthaltiges Fett 1 (Quantum), an den Brustkorb zu applizieren, werde darüber verbunden. (Eb 528, 71,1-3) Was gegen eine Wunde im Nacken gemacht wird. Myrrhe 1 (Quantum), Mehl der dbytPflanze, zu einer Masse zu machen, werde darüber verbunden. (Eb 529, 71,3-4) Alternatives (Mittel), um eine Wunde zu verschleiern. Langbohnen, gemahlen, durch Stoff geseiht, vermischt in Öl, Honig, Fasern der dbyt-Pflanze an ihrer Oberseite, täglich, bis er sich wohlfühlt. (Eb 516, 70,2-4) Alternatives (Mittel), um eine Wunde zu verschleiern. Menschenkot, vermahlen über Bodensatz vom süßen Bier, Koniferenöl und Honig, werde darüber verbunden. (Eb 541, 71,18-19) Alternatives (Mittel), um eine Wunde zu trocknen. Weihrauch 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), Rinderfett 1 (Quantum), zermahlen, zu applizieren. (Eb 520, 70,910) Heilmittel fr eine Wunde am ersten Tage. Rinderfett 1 (Quantum), bis sie abfault, oder Rindfleisch. Wenn sie jedoch zu sehr fault, dann mußt du ihn mit verdorbenem Gerstenbrot verbinden, um sie dadurch zu trocknen. Du mußt ihn wiederholt mit Fett verbinden, bis sie fault. Wenn sie sich jedoch ber den Wundsekreten verschließt, dann mußt du ihn mit Steinbockfett verbinden, mit Koniferenöl und zermahlenen Erbsen. Wenn es darunter aufbricht, dann mußt du sie mit Mehl von grünem Glasfluß pudern. Danach musst du sie mit Fasern der dbyt-Pflanze über dem Gemisch verbinden. Nachdem sie sich mit Wundhaut berzogen hat, dann mußt du eine Salbe (fertigen), um seine Gefäße zu festigen. Werde darüber verbunden, bis er kuriert ist. Wenn sie sich danach ber seinen Wundsekreten verschließt, dann musst du herstellen: Fett, Steppenraute, werde darüber verbunden, bis sich ihre Öffnung (der Wunde) öffnet, um zu faulen. (Eb 522, 70,11-20) Alternatives (Mittel), um irgendein Wundsekret zu heilen. Kot, Gerste, vermahlen über Öl von Nilpferd oder Schwein, werde darüber verbunden. (Eb 531, 71,5-6) Alternatives (Mittel), um das Fleisch wachsen zu lassen. Bleiglanz 1 (Quantum), Rinderfett 1 (Quantum), Malachitperle 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), zu einer Masse zu mahlen, werde darüber verbunden. (Eb 533, 71,7-8) Alternatives (Mittel), um das Blut aus der Wundffnung zu ziehen. Wachs 1 (Quan263

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tum), Fett 1 (Quantum), Behenöl 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), Gerste, zerkocht 1 (Quantum), gekocht, zu einer Masse zu machen, werde darauf bis zu 4 Tagen verbunden. (Eb 517, 70,4-6) Medikament, um Blut aus der Wunde zu vertreiben. Fliegenkot, roter Ocker, zu applizieren. Was man im Zauber sagt: Bezwungen wird der Hilfsbedürftige durch den Starken – und umgekehrt. Es wird wieder der Hilfsbedürftige sein, der den Starken schlagen wird. Dieses gegen dieses. (L 31, 10,2-3 = ex 43, 14,2-3) Alternatives (Mittel), um den Schorf zu beseitigen, der an der Wundffnung war. Straußenei 1 (Quantum), Schildpatt, zerkocht 1 (Quantum), Bablah 140) des MaeruaBaums 1 (Quantum), damit zu salben. (Eb 539, 71,14-16) Alternatives (Mittel), um die  sˇyt-Erscheinung zu beseitigen. Johannisbrot, unterägyptisches Salz, in Harnflüssigkeit gekocht, zu applizieren. (Eb 537, 71,13) Alternatives (Mittel), um die Wunde zu heilen, wenn Schmerzstoffe entstanden sind. Hirse-Mehl 1 (Quantum), Süßbier 1 (Quantum), Pflanzenfarbstoff 1 (Quantum), Akazienblatt 1 (Quantum), Verbandsstoff aus feinstem Leinen 1 (Quantum), süße Myrrhe 1 (Quantum), Durchgepreßtes beim Süßbier 1 (Quantum), werde darüber verbunden. (Eb 130, 30,4-6) Heilmittel, um Striemen eines Schlages zu beseitigen. Honig, Rindergalle, Gips des Töpfers, Saft der s rj-Pflanze, Dattelsirup, gekocht, werde darüber verbunden. (Eb 510, 69,18-19) Heilmittel fr Schlge, am ersten Tag. Gips des Töpfers, Johannisbrot, Spreu der Tenne, darauf zu drücken. (H 89, 7,10-11) Heilmittel, das gegen den Menschenbiß herzustellen ist. Bodensatz des Teiges, der in der Schale ist, Porree, zerkleinert, zu einer Masse zu machen, werde darüber verbunden. (H 21, 2,6-7) Zweites Heilmittel. Weihrauch 1 (Quantum), Ocker 1 (Quantum), Ziegengalle 1 (Quantum), zu einer Masse zu machen, werde darüber verbunden. (H 22, 2,7) Drittes Heilmittel. qsntt-Pflanze 1 (Quantum), Weihrauch 1 (Quantum), Zwiebeln 1 (Quantum), zu einer Salbe zu kochen, werde darüber verbunden. (H 23, 2,7-8) Alternativ. Danach mußt du ihn am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Danach versorgst du ihn mit Creme und Honig, bis er sich wohlfhlt. Danach sollst du Creme und Wachs auflegen, so daß er sich sofort wohlfühlt. (Eb 435, 64,9-11) Was man gegen einen Krokodilbiss tut. Wenn du einen Krokodilbiß untersuchst und du findest ihn vor, daß sein Fleisch aufgeworfen ist und die beiden Seiten getrennt sind, dann mußt du ihn am ersten Tag mit rohem Fleisch verbinden. Ebenso (zu handeln) bei jeder Wunde des Patienten. (Eb 436, 64,11-13) [Alternatives Heilmittel gegen den Biss eines] Schweins. Du mußt ihn [am ersten Tag] mit rohem Fleisch verbinden. (H 241, 16,5-6) Alternatives (Heilmittel), um den Stich eines Skorpions zu beseitigen. Sesbanie, Wachs, s -wr-Mineral, Minze, Radierstein, Kleinviehfett, aufs Feuer zu legen, werde darauf beräuchert. (Bln 78, 7,6) Alternatives (Heilmittel) fr einen Gestochenen. Unterägyptisches Salz, Bodensatz vom Süßbier, werde der Patient darauf beräuchert. (Bln 79, 7,7) 140. Bablah sind gemahlene Früchte und Rindenteile eines Baums.

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Was zu tun ist, um einen Dorn aus dem Fleisch zu ziehen. Wespennest, Honig, zu applizieren. (Eb 726, 88,4-5) Alternativ. Weihrauch, Gummiharz, unterägyptisches Salz, Fliegenkot, Fett, roter Ocker, Wachs, zu applizieren. Das bedeutet, es holt das Wasser heraus. (Eb 731, 88,9-10) Heilmittel gegen einen Akaziendorn, der herausgeschnitten wurde und es tritt Blut dabei heraus. Johannisbrot 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), Alge 1 (Quantum), Sykomore 1 (Quantum), Samen der Steppenraute 1 (Quantum), zu einer Masse zu machen, zu applizieren. (Eb 732, 88,10-12) Anfang der Heilmittel fr eine Verbrennung. Was am ersten Tag dagegen zu tun ist: schwarzer Schlamm, zu applizieren. Was am zweiten Tag zu tun ist: Kleintierkot, gekocht, fein in gegorenem Dattelbrei zermahlen, zu applizieren. Was am dritten Tag zu tun ist: Bablah der Dornakazie, getrocknet, zermahle sie über eine gekochte Gerstenschnitte, Johannisbrot, werde in Öl gelegt, werde darüber verbunden. Was am vierten Tag zu tun ist: Wachs, Rinderfett, leeres Papyrusblatt wird in Erdmandeln gekocht, zu einer Masse zu machen, werde darüber verbunden. Was am fnften Tag zu tun ist: Johannisbrot 1 (Quantum), roter Ocker 1 (Quantum), Gallapfel des Maerua-Baums 1 (Quantum), fein zermahlen auf Kupfergranulat, zu einer Masse zu machen, werde verbunden. (Eb 482, 67,17-22) Heilmittel zum Verschleiern einer Verbrennung. Erdmandeln, gekocht, werde darüber verbunden. (Eb 483, 67,22-68,1) Beschwörung einer Verbrennung. Horus, der Säugling, war im Innern des Nests, eine Flamme ist in seinen Körper gefahren, er wußte es nicht – und umgekehrt. Seine Mutter 141), die es beschwören konnte, war nicht da, während seine Väter ausgegangen waren, um (mit) Hepui und Jaqes spazieren zu gehen. Der Sohn war jung, das Feuer mächtig, niemand konnte ihn davon befreien. Isis trat zu dem Zeitpunkt aus der Weberei heraus, weil sie ihren Faden gelöst hatte. »Komme mit mir, meine Schwester Nephthys, begleite mich. Ich war taub, mein Faden hat (mich) umschlungen. Gib mir den Weg frei, damit ich handele auf das, was ich erfahren habe. Ich werde es ihm mit meiner Milch löschen, mit dem Gesundheitswasser inmitten meiner Brüste.« »Es ist auf deinen Körper zu applizieren, damit deine Gefäße heilen. Ich lasse das Feuer zurückweichen, das dich angriff.« 142) Zu rezitieren über Bablah von Dornakazie, Gerstenschnitte, gekochte Erdmandeln, gekochtes Johannisbrot, gekochter Kot, zu einer Masse geformt, mit der Milch einer, die einen Jungen geboren hat, vermischt, an die Verbrennung zu legen, damit sie heilt. Du verbindest sie mit einem Rizinusblatt. (L 34, 10,8-14 = ex 46, 14, 8-14) Heilmittel fr eine Verbrennung. Erdmandeln 1 (Quantum), Gerste 1 (Quantum), Nußgras vom Feld 1 (Quantum), unterägyptisches Salz 1 (Quantum), dbyt-Pflanze 1 (Quantum), leeres Papyrusblatt 1 (Quantum), Leder, gekocht 1 (Quantum), Rinderfett 1 (Quantum), Öl 1 (Quantum), Wachs 1 (Quantum), täglich zu applizieren, nachdem es abgekühlt ist. (Eb 484, 68,1-3) Eine andere Beschwrung des Feuers am ersten Tag. »Dein Sohn Horus hat sich in der Wüste verbrannt.« – »Ist Wasser da?« – »Kein Wasser ist da.« – »Wasser ist in meinem Mund, der Nil ist zwischen meinen Schenkeln. Ich bin hier, um das Feuer zu lö141. Gemeint ist Isis. 142. Rede der Isis an ihren Sohn Horus.

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schen.« Zu zitieren ber der Milch einer, die einen Jungen geboren hat, Gummiharz, Widderhaar, auf die Verbrennung zu applizieren. (Eb 499, 69,3-5) Alternativer Ausspruch. »Mein Sohn Horus hat sich in der Wüste verbrannt, es ist kein Wasser da, ich bin nicht da.« – »Hole du Wasser vom Rande des Gewässers, um das Feuer zu löschen.« Zu zitieren ber die Milch einer, die einen Jungen geboren hat. (Eb 500, 69,6-7) Alternatives (Heilmittel) zur Versorgung einer Brandwunde an irgendeiner Krperstelle des Patienten. qbw-Pflanze 1 (Quantum), Sellerie 1 (Quantum), Koniferenterpentin 1 (Quantum), Koniferenöl 1 (Quantum), zu zermahlen, werde darüber verbunden. (Eb 487, 68,5-7) Alternatives Heilmittel, um weiße Flecken bei einer Verbrennung zu beseitigen. ksˇw-Mineral 1 (Quantum), Honig 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), werde mit einem Stacheldorn zerstoßen und damit gesalbt. (Eb 504, 69,11-13) Alternativ. Gerstenbrot auf Öl, Salz, verrührt zu einer Masse, werde darauf sehr oft verbunden, so daß es sofort heilt. Eine erfolgreiche Methode. Ich habe es gesehen, es geschah bei mir sehr (erfolgreich). (Eb 509, 69,16-17) Alternatives Heilmittel, um die Verbrennung zu schwrzen. Roter Ocker 1 (Quantum), in Milchsaft der Sykomore zermahlen 1 (Quantum), Johannisbrot 1 (Quantum), wtyt-Teil des Johannisbrots 1 (Quantum), zu zermahlen, werden darüber verbunden. Du musst ihn behandeln: Schnitte des Arztes 143), Porree, zerkleinert 1 (Quantum), Erbsen 1 (Quantum), werde darüber verbunden. (Eb 501, 69,7-10) Alternatives Heilmittel, das gegen eine faulende Verbrennung zu machen ist. Kupfergranulat, Malachit, weiße Maulbeere, frischer Weihrauch, Kreuzkümmel, Ocker, Harzperle des Wacholders, Wachs, Kampferbaum, h s yt-Balsam, Myrrhe, Koniferenöl, Honig; zu einer Masse zu zermahlen, werde darüber¯ verbunden. – Es wirkte günstig in der Zeit des Königs von Ober- und Unterägypten Nebmaatre (Amenophis III.). (L 49, 11,1412,1)

2.4 Gynäkologie

Den besonderen Problemen der Frauen, bedingt durch die unterschiedliche Anatomie und der Möglichkeit, Kinder auf die Welt zu bringen, widmen sich einige Kapitel und Rezepte der medizinischen Papyri. Einiges zur Lebensprognostik von Kindern ist hier subsumiert. Auch als »Medizinisches Fachbuch der Gynäkologie« bezeichnet, wurden verschiedene Diagnosen und Prognosen aus dem Papyrus Kahun (Abkürzung: Kah) übersetzt. 1889 wurden die Aufzeichnungen von William M. Flinders Petrie in Illahun am Rand des Fajums entdeckt. Weitere Beispiele enthalten der Papyrus Ebers (Abkürzung: Eb), der Papyrus Edwin Smith (Abkürzung: Sm) und der Londoner medizinische Papyrus (Abkürzung: L). Medizinwissen über eine Patientin, deren Uterus beim Gehen schmerzte. Dann musst du sie fragen: »Was riechst du?« Wenn sie dir antwortet: »Ich rieche Gegrilltes«. Dann 143. Um die Brandblase aufzustechen?

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musst du ihr sagen: »es sind Ergüsse des Uterus.« Dann musst du fr sie machen: Beräuchere sie mit irgendetwas, was sie als Gegrilltes riechen kann. (Kah 2, 1;5-8) Medizinwissen über eine Patientin, die an ihrer Schamgegend und an den Wurzeln ihrer Oberschenkel leidet. Dann musst du diagnostizieren: Es sind Ausscheidungen des Uterus. Dann musst du fr sie machen: Erdmandeln 1 Dja, sˇ sˇ -Frucht 1 Dja, Kuhmilch 1 Hin, kochen und abkühlen lassen, werde zu einer Masse geformt, an vier Morgen zu trinken. (Kah 3, 1;8-12) Medizinwissen über eine Patientin, die an der Schamgegend, ihrer Vulva, der Region der Vulva bis zwischen den Hinterbacken hin (leidet). Dann musst du diagnostizieren: (Es ist) eine sehr große Erweiterung wegen der Geburt. Dann musst du fr sie machen: Neues Öl 1 Hin, ihre Vulva und ihre (?) sind zu befeuchten. (Kah 4, 1;12-15) Medizinwissen über eine Patientin, die an ihren Schneide- und Reibezähnen leidet, sie vermag ihren Mund (nicht zu öffnen). Dann musst du diagnostizieren: Es sind Kaumuskelverkrampfungen wegen ihres Uterus. Dann musst du fr sie machen: Dann mußt du sie beräuchern mit Öl und Weihrauch, in einem Räuchertopf. Ihre (Vulva) ist zu befeuchten mit dem Harn eines falben Esels, an seinem zweiten Tag, nachdem er ihn ausschied. Falls sie an ihrer Schamgegend bis hin zu ihren Sichelbeinen und bis hin zu ihren Pobacken leidet, dann ist es ein hoffnungsloser Fall. (Kah 5, 1;15-20) Medizinwissen über eine [Patientin], bei der irgendwelche Körperteile schmerzen und die an den Augenhöhlen leidet. Dann musst du diagnostizieren: Es ist eine Verengung des Uterus. Es kann ihr überhaupt nicht passieren, daß sie Bier trinkt, wegen der frischen Geburt. Dann musst du fr sie herstellen: eine berechnete Menge von Brei zu Wasser. Zu trinken an [4] Morgen. (Kah 6, 1,20-22) Medizinwissen über eine Patientin, die nach dem Gehen an den Füßen und Beinen leidet. Dann musst du diagnostizieren: Es sind Ausscheidungen des Uterus. Dann musst du fr sie machen: ihre Füße und Beine werden eingeschmiert mit Schlamm, bis sie kuriert ist. (Kah 7, 1,23-25) Medizinwissen über eine Patientin, die an ihrem Nacken, ihrer Schamgegend und ihren Ohren leidet, sie kann das Wort nicht verstehen. Dann musst du diagnostizieren: Es ist eine Verrenkung des Uterus. Dann musst du fr sie machen: Dasselbe wie bei jenem Medikament, das die übermäßige Ausscheidung des Uterus beseitigt. (Kah 8, 1,25-27) Medizinwissen über eine Patientin, die am Harn leidet, wie beim […] des Harns und Nässen. Dann musst du diagnostizieren: (Es sind Ausscheidungen) des Uterus. Dann musst du fr sie herstellen: Langbohnen, weiße Maulbeere, mwt-Teil des Nußgrases, fein zermahlen auf ein Hin aufgewalltem Bier, werde gekocht und getrunken an 4 Morgen. Tagsüber liegt und hungert sie, am Morgen trinkt sie 1 Hin von demselben (Mittel) und hungert tagsüber bis die Zeit nach dem Frühstück kommt. (Kah 10, 2,1-5) [Medizinwissen] über eine Patientin, die das Liegen liebt und sich nicht streckt, weil sie (träge) ist. Dann musst du diagnostizieren: Es ist eine Blutarmut des Uterus. Dann musst du fr sie machen: Lasse sie zwei Hin von h wj-Getränk trinken, lasse es sie sofort ˘ ausspeien. (Kah 11, 2,5-7) Wenn du eine Patientin untersuchst, ihr ist etwas wie Wasser abgegangen, das Ende davon ist wie gebackenes Blut. Dann musst du diagnostizieren: Das ist eine Kratzwunde an ihrem Uterus. Dann mußt du für sie machen: Nilerde des Wasserholers, auf

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Honig und Bleiglanz zerstoßen, werde ein Lappen von feinstem Leinen damit gesalbt, in ihre Vagina bis zu vier Tagen einzuführen. (Eb 831, 96,16-20) Wenn du eine Patientin untersuchst, die an einer Seite ihrer Schamgegend leidet. Dann musst du diagnostizieren: das bedeutet, die Regelmßigkeit von ihrer Periode ist nicht gegeben. Wenn sich danach der Anfang (der Menstruation) eingestellt hat, dann musst du fr sie machen: Zwiebeln, zerkleinert, Maische, Sägemehl der Konifere, werde ihre Schamgegend damit verbunden. (Eb 832, 96,20-97,1) Wenn du eine Patientin untersuchst, die viele Jahre verbracht hat, ohne dass ihre Periode kommt. Sie erbricht (stndig) etwas wie Trinkwasser. Ihr Bauch scheint unter Feuer zu stehen, es hrt auf, wenn sie erbricht. Dann musst du diagnostizieren: Das ist eine Aufstauung des Blutes ihres Uterus, während sie verhext oder beschlafen wird. Dann musst du fr sie machen: Wacholderbeeren, 1⁄32 (Quantum), Kreuzkümmel, 1 ⁄64 (Quantum), Weihrauch, 1⁄64 (Quantum), Erdmandeln, 1⁄16 (Quantum), dann mußt du Kuhmilch aufs Feuer setzen, zusammen mit dem Mark des Rinderbeins, füge Milch hinzu. Werde bis zu vier Tagen getrunken. (Eb 833, 97,1-7) Wenn du eine Patientin untersuchst, die an ihrem Magen leidet. Ihre Menstruation ist nicht gekommen und du findest etwas auf der Oberseite ihres Nabels, dann musst du diagnostizieren: Das ist eine Verhaltung ihres Blutes in ihrem Uterus. Dann mußt du für sie herstellen: w3m-Pflanze, 1⁄16 Heqat, Öl, 1⁄8 (Quantum), Süßbier, 1⁄8 Heqat, gekocht, werde bis zu vier Tagen getrunken. Außerdem macht du ihr etwas, damit ihr Blut abgeht: Koniferenöl, Kreuzkümmel, Bleiglanz, süße Myrrhe, werde zu einer Masse geformt, werde ihre Schamgegend sehr oft damit gesalbt. Dann mußt du »Ohr des Erdwolf«-Pflanze in Öl hinzufügen. Wenn sie danach fault, dann mußt du sie einreiben und ihren Beckenraum damit sehr oft salben. Dann mußt du Myrrhe und Weihrauch zwischen ihre Oberschenkel geben und Rauch davon in ihre Vagina eindringen lassen. (Sm Rs. 20,13-21,3) Feststellung, ob eine (Frau) gebren oder nicht gebren wird. Du mußt neues Öl auf ihre […] (auftragen und) sie (begutachten). Wenn du die Gefäße ihrer Brust prall vorfindest, dann mußt du diagnostizieren: das ist eine Geburt. Wenn du sie knkn-haft vorfindest, dann mußt du diagnostizieren: sie wird retardiert gebären. Wenn du sie aber vorfindest, als ob […]. (Kah 26, 3,12-14) Ein alternatives Mittel. Du mußt sie sich auf den Boden setzen lassen, der mit Hefe von Süßbier bestrichen ist. Dattelmehl werde hinzugefügt [… ; …], erbricht, so wird sie gebären. Hinsichtlich der Anzahl von Erbrechen, die aus ihrem Mund herauskommen, (das ist die Anzahl ihrer) Geburten. (Wenn) sie aber nicht (erbricht), dann wird sie niemals gebären. (Kah 27, 3,15-17) (Feststellung), ob eine Frau gebren oder eine Frau (nicht) gebren wird. bddwk -Pflanze, zu zermahlen, versiegelt mit der Milch einer, die einen Jungen geboren hat, werde zu einem Schluckmittel verarbeitet, von einer Frau zu schlucken. Wenn sie es erbricht, dann wird sie gebären; wenn sie Winde läßt, dann wird sie niemals gebären. (Bln 193, Rs. 1,3-4) Dieselbe Aussage, mit einem anderen Medikament. bddw-k -Pflanze, versiegelt mit der Milch einer, die einen Jungen geboren hat, werde in ihre Vagina gegossen. Wenn sie es erbricht, dann wird sie gebären; wenn sie Winde läßt, dann bedeutet das, sie wird nicht gebären. (Bln 194, Rs. 1,5-6) 268

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(Eine andere) Beobachtung. Sie soll sich hinlegen. Du salbst ihre Brust, ihre Hände und ihre Oberarme mit neuem Öl. Am Morgen beobachtest du sie. Wenn du ihre Gefäße schön bläulich vorfindest und nicht eingesunken, dann gibt es eine friedliche Geburt. Wenn du sie eingesunken findest, wie die Haut ihres (gesamten) Körpers, dann gibt es eine Fehlgeburt. Wenn du sie dunkelgrün vorfindest, am Tage der Beobachtung, dann wird sie retardiert gebären. (Bln 196, Rs. 1,9-11) Eine andere Beobachtung. Du mußt mit deiner Hand ihre Finger ausstrecken, dann mußt du ihre Hand verkrümmen, dann mußt du damit über ihren Leib fahren. Nun hast du aber auch die Pulsstelle (der Hand) ergriffen, mit deinen Fingern und deinem Handteller, auf dem Adergeflecht auf jeder Seite ihrer Hand. Wenn sich das Gefäß im Innern ihrer Hand deiner Hand verweigert, dann mußt du diagnostizieren: sie wird gebären. (Bln 197, Rs. 1,11-13) Eine andere Beobachtung. Du läßt sie – ich weiß es – sich in die Laibung des Torwegs stellen. Wenn du das Aussehen der Augen so vorfindest, daß das eine den Asiaten gleicht, das andere dem Nubier, dann wird sie nicht gebären. Wenn du sie in einer Farbe vorfindest, dann wird sie gebären. (Bln 198, Rs. 2,1-2) Eine andere Beobachtung, ob eine Frau gebren oder nicht gebren wird. Gerste und Emmer, täglich befeuchtet sie die Frau mit ihrem Harn, wie die Datteln oder wie den Sand 144), in zwei Beuteln. Wenn sie alle insgesamt wachsen, dann wird sie gebären. Wenn (nur) die Gerste wächst, dann ist es ein Junge. Wenn (nur) der Emmer wächst, dann ist es ein Mädchen. Wenn sie nicht wachsen, dann wird sie nicht gebären. (Bln 199, Rs. 2,2-5) Eine andere (Art zu) Erkennen, ob eine gebiert oder nicht gebiert. Du mußt sie beräuchern mit […] in ihre Vagina. Wenn sie es aus dem Mund erbricht am Anfang der Ausscheidungen, dann wird sie niemals gebären. Wenn sie Winde aus ihrem After läßt, (am Anfang) der Ausscheidungen, dann wird sie gebären. (Clb V, 1,x+6-2,1) Anfang von den Medikamenten, die fr Frauen gemacht werden. Verhten, dass eine Frau schwanger wird, ein, zwei oder drei Jahre lang. q  -Teile der Dornakazie, Johannisbrot, Datteln, fein zermahlen in einem Hin von Honig, Fasernmull wird damit getränkt, in ihre Vagina einzuführen. (Eb 783, 93,6-8) Alternatives (Mittel), um ein Kind im Bauch der Frau zu entbinden. Unterägyptisches Salz, 1 (Quantum), Weißer Emmer, 1 (Quantum), weibliche swt-Binse, 1 (Quantum), werde der Unterleib darüber verbunden. (Eb 800, 94,14-15) Alternatives (Mittel), um alles abgehen zu lassen, was im Bauch der Frau ist. Scherbe eines neuen Hin-Krugs, auf Öl zermahlen, werde erwärmt und in ihre Vagina gegossen. (Eb 798, 94,11-13) Heilmittel, um das Blut der Frau herauszuziehen. Zwiebeln, 1 (Quantum), Wein, 1 (Quantum), werde zu einer Masse geformt und in ihre Vagina gegossen. (Eb 828, 96,13-14) Ein alternativer (Spruch), um das Blut abzuwehren. Anubis kommt hervor, um den Nil zu hindern, daß er den Tempel der Göttin Tayt 145) betritt. Beschützt wird das, was darin ist.

144. Hinweis auf eine andere Beobachtung, wo von Datteln und Sand die Rede ist. 145. Tayt ist die Webgöttin.

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Man rezitiert diesen Zauberspruch ber einen Faden aus r-j  t-Gewebe, ein Knoten werde damit gemacht, an das Innere der Vagina zu geben. (L 29, 9,14-10,1 = ex 41) Den Einfluss eines Toten oder eines Gottes [durch] die Zauberkraft des Anubis abzuwehren. Beeile dich, Nil, zum Vorhang der Göttin Tayt. Unbehelligt ist das, was darin ist. Zu rezitieren, nachdem du zwei Amulettknoten aus Leinenstoff des r-j  t-Gewebes an die ffnung zum Innern ihrer Vagina angebracht hast, um alles, was gegen sie gemacht wird, abzuwehren. (L 30, 10,1-2 = ex 42) Alternatives (Mittel), um den Uterus zusammenzuziehen. hpr-wr-Pflanze, 1 (Quantum), ˘ Honig, 1 (Quantum), Flüssigkeit des Johannisbrots, 1 (Quantum), Milch, 1 (Quantum), werde durchgepreßt und veranlaßt, daß es in ihre Vagina gegossen wird. (Eb 823, 96,911) Alternatives (Mittel), um den Uterus zu khlen und seine Hitze zu beseitigen. Hirse, zermahlen, Nußgras, zermahlen auf Öl, werde in ihre Vagina gegossen. – Das (bewirkt) ein Zusammenziehen des Uterus. (Eb 820, 96,5-7) Alternativ. Hanf, zermahlen auf Honig, werde in ihre Vagina gegossen. – Das (bewirkt) ein Zusammenziehen. (Eb 821, 96,7-8) Heilmittel, um Schleimstoffe aus dem Uterus zu beseitigen. Blatt der Sesbanie, getrocknet auf Hefe des ausgezeichneten Biers, auf ihren Beckenraum und ihre Schamgegend zu applizieren. (Eb 812, 95,15-16) Alternatives (Mittel), um den Uterus auf seinen (normalen) Platz zu reponieren. Ibis aus Wachs, auf Holzkohle gelegt, den Rauch davon in ihre Vagina eintreten lassen. (Eb 795, 94,7-8) Heilmittel, um die Plazenta 146) der Frau auf ihren (normalen) Platz zu reponieren. Sägemehl der Konifere, auf Hefe zu legen, werde Stoffpolster damit getränkt. Du mußt sie darauf sitzen lassen. (Eb 789, 93,18-20) Alternativ. Trockener Menschenkot, auf Weihrauch gelegt, werde die Frau damit beräuchert, lasse den Rauch davon ins Innere ihrer Vagina eintreten. (Eb 793, 94,3-5) Alternativ. Trockener Kot, Bierschaum, die Finger der Frau werden damit eingerieben, du mußt es auf alle Körperteile applizieren, an denen sie leidet. (Eb 794, 94,5-7) Alternatives Heilmittel fr die Brust, wenn sie schmerzt. htm-Mineral, 1 (Quantum), ˙ 1 (Quantum), werde zu Rindergalle, 1 (Quantum), Fliegenkot, 1 (Quantum), Ocker, einer Masse geformt, werde die Brust damit gesalbt. (Eb 810, 95,5-7) Heilmittel, um eine Hervorquellung auf der Brust und auf allen Krperteilen zu beseitigen. Samenkorn von weißem Emmer, Johannisbrotmehl, Dattelmehl, Natron, Gärungsprodukt der Dattel, fein zerrieben, zu einer Masse vermischt, werde darüber verbunden. (Bln 14, 2,1-2) Beschwrung der Brust. Das ist diese Brust, an der Isis litt in der Stadt Chemmis, als sie Schu und Tefnut gebar 147). Was sie für sie tat: ihre Beschwörung mit j r-Gras, mit der Knolle der snb-Pflanze, mit dem Blütengriffel der swt-Binse, mit dem Haar ihres jbtPflanzenteils – herbeigebracht, um jede Einwirkung eines Toten oder einer Toten UND SO WEITER zu beseitigen. – werde zu einem nach links gedrehten Faserballen geformt, 146. Fälschlich für Gebärmutter? 147. In der Theologie zur Neunheit von Heliopolis sind Schu und Tefnut eigentlich die Großeltern der Isis.

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werde an die Einwirkungsstelle eines Toten oder einer Toten aufgelegt: »Mache keine Ausscheidung, mache kein Fressen, mache keine Blutung. Verhindere, daß Verschleierung 148) beim Sonnenvolk entsteht.« Zu rezitieren ber j r-Gras, ber der Knolle der snb-Pflanze, ber dem Bltengriffel der swt-Binse, ber dem Haar vom Kopf ihres jbtPflanzenteils, auf links gedreht, werden 7 Knoten geformt, zu applizieren. (Eb 811, 95,7-14) Herausholen der Milch fr die Amme, die das Kind nhren soll. Rückengräte des Nilbarsches, zerkocht in Öl, werde ihr Rückgrat damit gesalbt. (Eb 836, 97,10-11) Anfang von den Heilmitteln, um zu verhindern, dass die Brste herabfallen. Bade sie mit Blut vom Anfang ihrer Periode, werden ihr Bauch und ihre Oberschenkel damit eingerieben, so wird es nicht zu einem Überquellen kommen. (Eb 808, 95,3-5) Beobachtung von schlechter Milch. Du mußt ihren Geruch beachten, als ob es ein Gestank von Fischen ist. (Eb 788, 93,17-18) Beobachtung von guter Milch. Ihr Geruch ist wie Zerkleinertes von Erdmandeln. Das ist das Unterscheidungsmerkmal, wenn man es vorfindet. (Eb 796, 94,8-10) Alternative Prognose zu einem Kind am Tage, als es geboren wurde. Wenn es sagt: »ny«, heißt das, es wird leben. Wenn es sagt: »mbj«, es wird sterben. (Eb 838, 97,13-14) Andere Prognose. Wenn man seine Stimme hört, die (zu) mächtig ist, dann heißt das, es wird sterben. Wenn er seinen Blick zu Boden richtet, dann heißt das, er wird auch sterben. (Eb 839, 97,14-15)

2.5 Allgemeine therapeutische Maßnahmen

Bestimmte Handlungen und bestimmte Ingredienzien werden von magischen Sprüchen begleitet, um die Wirkung zu erhöhen. Als Quellen dienen der Papyrus Ebers (Abkürzung: Eb) und der Papyrus Hearst (Abkürzung: H) Anfang vom Spruch zum Auflegen eines Heilmittels auf irgendeinen Krperteil eines Patienten. Ich trat heraus aus Heliopolis, zusammen mit den Großen des Haupttempels, den Herren des Schutzes, den Herrschern der Ewigkeit. Schließlich trat ich heraus aus Sais, zusammen mit den Müttern der Götter. Sie gaben mir ihren Schutz. Ja, die Sprüche, die der Allmächtige gemacht hat, gehören mir, um jede Einwirkung zu beseitigen, – eines Gottes, einer Göttin, eines Toten, einer Toten – UND SO WEITER – die in diesem meinem Kopf ist, in diesen Nackenwirbeln, in diesen Schultern, in diesem Fleisch, in diesen Körperteilen von mir und um den »Verleumder« zu vernichten, der über die Störungsursachen in diesem meinem Fleisch gebietet, dem Beißen in diesen meinen Körperteilen, als etwas, was in diesem meinem Fleisch eindringt, in diesen Kopf, in diesen Schultern, in meinen Körper und in diesen Körperteilen. Ich gehöre zu Re, nachdem er gesagt hat: »Ich bin es, der ihn vor seinen Feinden schützen wird.« Sein Führer ist Thot, der die (hieratische) Schrift reden läßt, Sammelhandschriften verfaßt und Zaubermacht den Gelehrten und Ärzten seines Gefolges vermittelt, um den zu befreien, von dem ein Gott möchte, daß er ihn am Leben erhält. Ich bin ein solcher, von dem ein 148. Übertragen ist wahrscheinlich der Nebel gemeint, der verhindert, daß die Anhänger des Sonnengottes ihn sehen können.

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Gott möchte, daß man ihn am Leben erhält. Zu zitieren whrend des Auflegens eines Heilmittels auf irgendeinen Krperteil des Patienten, das schmerzt. Eine erfolgreiche Methode, millionenfach (erprobt). (Eb 1, 1,1-11) Ein alternativer Spruch zum Lsen irgendeines Verbandes. Befreit wird ein zu Befreiender durch Isis, befreit wird Horus durch Isis von dem Übel, das sein Onkel 149) Seth gegen ihn angerichtet hat, als er seinen Vater Osiris tötete. O Isis, du an Zauberkraft Reiche, befreie und entbinde mich von allen bösen, schlechten und dämonischen 150) Dingen, (verursacht) durch die Einwirkung eines Gottes oder Göttin, durch einen Toten oder eine Tote, durch einen Widersacher oder eine Widersacherin, der es in mich übertragen will, so wie du von deinem Sohn Horus gelöst und entbunden wurdest. Denn ich bin in das Feuer eingetreten und aus dem Wasser ausgestiegen. Ich werde nicht in die Falle des heutigen Tages fallen. Ich habe dies gesagt und bin jung und halbwüchsig. O Re, sprich über deinen Leib! Osiris, schreie über das, was aus dir herauskommt! Re spricht über seinen Leib und Osiris schreit über das, was aus ihm herauskommt. Nun, du hast mich von allen bösen, schlechten und dämonischen Dingen gerettet, (verursacht) durch die Einwirkung eines Gottes oder Göttin, durch einen Toten oder eine Tote – UND SO WEITER. – Eine erfolgreiche Methode, millionenfach (erprobt). (Eb 2, 1,12-2,1) Spruch zum Trinken eines Heilmittels. Es kommt das Heilmittel, es kommt das, was etwas in diesem meinem Herzen und in diesen meinen Körpergliedern vertreibt. Stark wirkt der Zauber auf das Heilmittel – und umgekehrt. Erinnerst du dich denn daran, als man Horus und Seth vor die große Kammer 151) von Heliopolis schleppte und als man die Hoden des Seth mit Horus verhandelte 152). Dann sollte er frisch sein, als wäre man auf Erden. Er tut alles, was er will, wie diese Götter, die dort (im Jenseits) sind. Zu zitieren während man das Heilmittel trinkt. Eine erfolgreiche Methode, millionenfach (erprobt). (Eb 3, 2,1-6) Spruch fr das l bei jedem Heilmittel. Gegrüßt seiest du, Horusauge, Renenutet 153) auf dem Kopf des Hedjhotep 154). Re hat sie vor der Neunheit der Götter erscheinen lassen. Isis, die Göttin, kam heraus. Sie hat Jubel vor Geb veranlaßt. Kämpft um sie – UND SO WEITER – Rettet ihn vom Schatten eines Toten oder einer Toten. Ich bin dieser Thot, dieser Arzt des Horusauges. Es streitet 155) mein Vater Osiris vor der Göttin Neith 156), der Herrin des Lebens, und ihren Weberinnen. Nun, wir haben (es) gerettet – UND SO WEITER. (H 214, 14,4-7) Zauberspruch fr den Honig. Es kommt der Honig, kommt zur Passage der Heuschrecken, der Überfahrt der Barke. »Er ist wohltuend, der Honig«, sagten die Götter, in deren Herzen ja Bitternis ist. Sein rechtes Horn nach rechts, das Linke nach links, gegen die Ermatteten, gegen die Dämonen, die zerstören – UND SO WEITER – O, Himmelsbewohner – zu den Sternen, o, Erdbewohner – zu den Göttern, o Wolkenbe149. 150. 151. 152. 153. 154. 155. 156.

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Wörtlich: sein Bruder. Wörtlich: rot. Hier soll Gericht über Horus und Seth gesprochen werden. Horus wird angeklagt, die Hoden des Seth abgetrennt zu haben. Renenutet als Schlangengöttin ist Göttin der Ernte. Hedjhotep ist Gefährte der Tayt und mit der Weberei verbunden. Oder: »das (für) meinem Vater streitet«. Neith ist Ortsgöttin von Sais im Delta.

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wohner, o Himmelsbewohner – gegen die weiblichen Ermatteten, gegen die Dämoninnen, die zerstören – UND SO WEITER – Schutz hinter Schutz, es kommt der Schutz. (H 215, 14,7-10) Zauberspruch fr das Bier. Dieses Bier vom Horus von Chemmis 157), das in Pe-Buto 158) durchgepreßt wurde und in Dep-Buto 159). Du hast es getrunken, als es schaumig war. Der Sem-Priester wartet bei seiner Pflichtausübung. Eine Statue 160), im Bauplan des Fallensteller-Dämons. Erbreche! Salbei, Öl, Lotus. Trinke doch das Bier. Ich habe es gebracht, um den Einfluß eines Gottes, eines Toten oder einer Toten zu beseitigen, der sich in meinem Bauch befindet – UND SO WEITER. (H 216, 14,10-13) Spruch fr das Messgefss, whrend man es nimmt, um das Medikament abzumessen. Hinsichtlich dieses Meßgefäßes, mit dem ich dieses Medikament abmessen werde, es ist das Meßgefäß, mit dem Horus sein Auge abgemessen hat. Es ist geprüft und für in Ordnung 161) befunden worden. Man mißt dieses Medikament mit diesem Meßgefäß, um damit jedwede Krankheit abgehen zu lassen, die in diesem Bauch ist – UND SO WEITER. (H 212, 13,17-14,2) Spruch fr das Scheffelmaß. Hinsichtlich dieses Scheffelmaßes, es ist das Horusauge, gemessen und geprüft. Isis bringt es ihrem Sohn Horus, um seinen Bauch zu purgieren und um alles im Bauch befindliche Übel abgehen zu lassen. (H 213, 14,2-4)

2.6 Pharmakologie

Die Existenz von pharmakundlichen Untersuchungen wird hauptsächlich durch die recht ausführliche Abhandlung zu der Rizinuspflanze im Papyrus Ebers (Abkürzung: Eb) bezeugt. Das Wissen, was man mit der Rizinuspflanze zum Nutzen der Menschen macht, in alten Schriften gefunden. Man zerstößt seine Wurzeln auf Wasser und legt es auf den schmerzenden Kopf auf. Er sollte sofort gesund werden, wie bei einem, dem er nicht schmerzt. Falls man aber etwas von seinem Samen auf Bier kaut, dann erleidet der Mann einen Durchfall mit Kot. Das (dient) dem Beseitigen von Krankheiten im Bauch des Menschen. Man läßt aber auch mit seinem Samen das Haar einer Frau wachsen. Zu mahlen und zu einer Masse formen, auf Creme zu geben. Eine Frau muss damit ihren Kopf salben. Auch wird Öl aus seinem Samen gemacht, um den zu salben, der einem wh w-Hautausschlag ˙ Schwierigkeiten hat unter jttt-Erscheinungen und hw w-Fäulniserscheinungen. Unter ˙ ¯ ¯ kommen die rjwmw-Erscheinungen zum Stillstand, wie bei einem, dem nichts passiert ist. Er werde aber durch Salben verwöhnt, wie bei der allmorgendlichen Salbkur über eine 10-Tage-Woche, um sie zu beseitigen. Eine erfolgreiche Methode, millionenfach (erprobt). (Eb 251, 47,15-48,3) 157. 158. 159. 160. 161.

Eine Lokalität bei der Stadt Buto im Westen des Deltas. Die Örtlichkeit Pe ist das alte Hauptgebiet der Stadt Buto. Dep ist ein anderer Ortsteil der Stadt Buto. Die Lesung als »du« ist auch möglich. Wörtlich: für Leben, Heil und Gesundheit befunden.

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Katharina Stegbauer

3. Das Brooklyner Schlangenbuch

Katharina Stegbauer Im Nachlaß des amerikanischen Ägyptologen Charles Edwin Wilbour (1833-1896) befand sich ein Papyrus, der sich für die Erforschung der ägyptischen Medizin von großem Wert erwies: Durch ihn wurde die verbreitete Meinung widerlegt, daß ab dem Neuen Reich ein Rückschritt in den medizinischen Kenntnissen der Ägypter stattgefunden habe. 162) Die vermutlich aus der 30. Dyn. oder der frühen Ptolemäerzeit stammende Handschrift 163) enthält eine systematische Beschreibung von Schlangen sowie Rezepte und Zaubersprüche gegen deren Gift. Der Papyrus besteht heute aus zwei Hälften einer Papyrusrolle, separat inventarisiert unter den Nummern 47.218.48 und 47.218.85 des Brooklyn Museum of Art. Wahrscheinlich wurde der Papyrus in der Mitte durchgeschnitten, um beim Verkauf einen höheren Preis zu erzielen.164) 1966 entrollte Serge Sauneron die beiden Rollen vorsichtig und erkannte ihre Zusammengehörigkeit. 165) Der obere Teil der Rolle ist heute noch 1,47 m lang und hat eine Höhe von 1214 cm, der untere ist mit 1,75 m etwas länger, aber ebenso hoch. Damit ergibt sich eine Gesamthöhe der ursprünglichen Rolle von ca. 27 cm. 166) Anfang und Ende der Schriftrolle sind verloren, doch fehlt laut Sauneron am Anfang nicht mehr als die obere Hälfte der ersten Kolumne, von der einige wenige Fragmente erhalten sind. Am Ende der Handschrift dürfte sich der Verlust auf die linke Kolumnenhälfte [Kol. 6] beschränken. Der Text befindet sich auf dem Recto des Papyrus, ist in »ein[em] gedrungene[n], aber geübte[m] Späthieratisch« gehalten 167) und ohne Ligaturen und Verbesserungen geschrieben. Überschriften, Quantenangaben der Drogen und gefährliche Wörter sind rubriziert. Jede Kolumne umfaßt 25 bis 29 Zeilen von 32,5 cm Länge und nimmt jeweils zwei Blätter der Papyrusrolle ein. Der Abstand zwischen den Kolumnen beträgt nur wenige Millimeter. 168) Der Papyrus ist fortlaufend und ohne Absätze beschrieben, allein am Übergang vom ersten zum zweiten Teil ließ der Schreiber die Überschrift des zweiten Teils auf einer neuen Zeile beginnen. Die Sprache des Papyrus ist Mittelägyptisch in spätägyptischer Orthographie; der Inhalt des Papyrus könnte auch weit älter sein als die uns vorliegende Abschrift, 169) 162. H. Grapow, Von den medizinischen Texten. Art, Inhalt, Sprache und Stil der medizinischen Einzeltexte sowie Überlieferung, Bestand und Analyse der medizinischen Papyri, Grundriß der Medizin der Alten Ägypter II, Berlin 1955, 11. 163. Chr. Leitz, Die Schlangensprüche in den Pyramidentexten, Or 65 (1996) 382, nimmt hingegen eine Datierung in die zweite Hälfte der Saitenzeit (nach 600 v. Chr.) an, der sich G. Meuer, Die Feinde des Königs in den Pyramidentexten (OBO 189), Freiburg / Göttingen 2002, 272, anschließt. 164. S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie, Publications de l’Institut français d’archéologie orientale, bibliothèque générale 11, Kairo 1989, IX. 165. Sauneron, Traité, IX. 166. Sauneron, Traité, IX. 167. H.-W. Fischer-Elfert, Rez. zu Sauneron, Traité, Enchoria 18 (1992) 229. 168. Sauneron, Traité, IX. 169. J. Quack, Zwiebel und Keule, SAK 24 (1997) 239, mit Anm. 31.

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doch ist das genaue Alter nicht zu ermitteln. Die Selbstdatierung des Papyrus im § 42 c nennt König Neferkare (Pepi II.), was Vittmann 170) und Sauneron171) für möglich hielten, indes nicht zu entscheiden ist. Literatur: S. Sauneron, Un traité égyptien d’ophiologie: Papyrus du Brooklyn Museum No 47.218.48 et .85, Publications de l’Institut français d’archéologie orientale, bibliothèque générale 11, Kairo 1989 (Edition); H.-W. Fischer-Elfert, Rez. zu Sauneron, Traité, Enchoria 18 (1991) 229-234 mit Taf. 27 (Verschiedene grundlegende Beobachtungen zum besseren Textverständnis plus korrekter Abdruck einer in der Edition spiegelverkehrt abgedruckten Tafel); T. Bardinet, Les papyrus médicaux de l’Égypte ancienne: traduction intégrale et commentaire. Penser la médicine, 1995 (Übersetzung); W. Westendorf, Handbuch der altägyptischen Medizin, Band 1, HdO I.36, 1998, 249-278. (Übersetzung verschiedener Rezepte); Chr. Leitz, Die Schlangennamen in ägyptischen und griechischen Giftbüchern, Akademie der Wissenschaften, Mainz, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, 1997 (Identifikation der Schlangenarten) Detailstudien: J. F. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot, SAK 23 (1996) 305-333; J. F. Quack, Zwiebel und Keule, SAK 24 (1997) 231-239; B. Letellier, »L’analyse des morsures«: le vrai nom du »Traité d’ophiologie«?, RdE 42 (1991) 260-261; A. v. Lieven, Das Göttliche in der Natur erkennen: Tiere, Pflanzen und Phänomene der unbelebten Natur als Manifestation des Göttlichen, ZÄS 131 (2004) 156-172; W. Westendorf, »Schlange und Schlangenkraut«, in: M. Minas / J. Zeidler (Hg.), Aspekte spätägyptischer Kultur, FS E. Winter (AegTrev 7), Trier 1994, 265-267.

3.1 Aufbau des Schlangenbuches

Der Inhalt des Papyrus ist zweigeteilt. Im ersten Teil werden die Schlangenarten der ägyptischen Fauna beschrieben. Dieser Teil trug nach Letellier vermutlich den altägyptischen Titel wp.t dm.t »Analyse (bzw. Anleitung zur Untersuchung) der Schlangenbisse«. 172) Wie aus dem letzten Satz des ersten Teils hervorgeht, wurden ursprünglich 38 Schlangen beschrieben, zu denen interessanterweise auch das Chamäleon gehört. Diese Zahl entspricht in etwa der auch heute noch in Ägypten lebenden Schlangenarten. 173) Von diesen 38 Paragraphen sind noch 25 mehr oder minder komplett erhalten. Erhaltene Fragmente sowie die Erwähnung von bestimmten Schlangen im zweiten Teil, der eine Sammlung von Rezepten und Zaubersprüchen enthält, die dem ägyptischen Schlangenbeschwörer (hrp-Srq.t) zur Verfügung standen, lassen aber ver˘ muten, welche Schlangenarten in den 13 jetzt fehlenden Paragraphen besprochen worden sein könnten.

170. G. Vittmann, WZKM 81 (1991) 81. 171. Sauneron, Traité, 60-61. 172. B. Letellier, L’analyse des morsures: le vrai nom du »Traité d’ophiologie«?, RdÉ 42 (1991) 260261. 173. Fischer-Elfert, Enchoria 18 (1991) 230.

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3.2 Teil I des Papyrus

3.2.1 Inhalt und Aufbau Der erste Teil des Brooklyner Schlangenpapyrus zeichnet sich durch seine nahezu naturwissenschaftliche Exaktheit aus, was die Frage nach den Auswahlkriterien und deren Hintergrund aufwirft. Die Tiere werden nach einem mehr oder minder festen Kriterienkatalog beschrieben. Diese Kriterien sind durchaus mit denen vergleichbar, die auch in modernen naturkundlichen Büchern herangezogen wird. Sauneron hat die Beschreibungen des ägyptischen Papyrus mit einer Systematik aus einem modernen Schlangenbuch verglichen und dabei auffällige Übereinstimmungen entdeckt. 174) Folgende Kriterien werden bei der Beschreibung der Schlangen berücksichtigt: 1. Name 2. Synonym / Angabe zur Familienzugehörigkeit 3. Beschreibung 4. Farbe 5. Größe 6. Lebensgewohnheiten 7. Giftigkeit / Heilungschancen und -methoden 8. Beschreibung der Giftsymptome 9. Zugehörigkeit zu einer Gottheit. Allerdings ist anzumerken, daß der ägyptische Text keiner absoluten Systematik folgt, denn in der Regel gehen die Beschreibungen der Schlangen nicht auf alle Kriterien ein. 175) So wird z. B. die Länge verhältnismäßig selten angegeben. Auf die Form des Körperbaus wird ebenfalls kein besonderer Wert gelegt. Im Vergleich mit modernen Texten fällt auch auf, daß die Farbbeschreibung sehr eingeschränkt ist, was in Hinblick auf den geringer differenzierten Bestand an Farbbeschreibungen in der ägyptischen Sprache wenig verwundert. 176) So deckt z. B. die Bezeichnung dsˇr, gemeinhin als »rot« übersetzt, das gesamte Farbspektrum von gelb bis braun ab. Dennoch sieht A. v. Lieven in der Farbe das Hauptkriterium, das angeblich auch für die Zuordnung zu bestimmten Göttern eine wichtige Rolle gespielt habe. 177) Tatsächlich enthalten fast alle erhaltenen Paragraphen eine Farbangabe, häufig in Form eines Vergleichs mit einem anderen Tier oder einem Mineral. Neben der Farbe der Schlange steht aber eindeutig die Beschreibung der von dem Biß der Schlange ausgelösten Symptome und ihre Behandlungschancen im Mittelpunkt. Dazu zählen auch Angaben über das Aussehen der Bißwunde. Die Prominenz dieser Angaben erklärt sich aus dem Sitz im Leben des Handbuches. Schließlich muß man davon ausgehen, daß der hrp-Srq.t, der Skorpion- (und Schlangen-)Beschwörer, häu˘ fig zu einem bereits gebissenen Patienten gerufen wurde, und anhand der Sympto-

174. 175. 176. 177.

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Sauneron, Traité, 207. Sauneron, Traité, 207 ff. Vgl. H.-W. Fischer-Elfert, Enchoria 18 (1991) 234. A. v. Lieven, ZÄS 131 (2004) 156-172, bes. 159.

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matik erkennen mußte, welche Schlange zugeschlagen hatte; 178) unter der Wirkung mancher der Gifte dürfte der Patient nur noch bedingt ansprechbar gewesen sein. Auf Farbe, Symptombeschreibung bzw. Aussehen der Bißwunde und die Angabe, welcher Gott sich in der Schlange manifestiert, ist also das Hauptaugenmerk des hrp˘ Srq.t gerichtet. Die ersten beiden Kriterien erklären sich sicherlich aus praktischen Gesichtspunkten: Die Bißwunde hat der untersuchende Heiler vor Augen, während er Farbe und eine relative Größenangabe eventuell von seinem Patienten erfragen kann. Die Angabe des einwohnenden Gottes ist ebenfalls von hoher Relevanz, weil dadurch das Wesen des Angreifers erkannt und gebannt werden kann. Die Naturbeschreibung in diesem Text verfolgt also kein »wissenschaftliches« Interesse, sondern dient dazu, den hrp-Srq.t in die Lage zu versetzen, die Schlangenbisse ˘ erkennen und heilen zu können. Hauptteil des Handbuches ist daher sicherlich der zweite Teil des Papyrus, nämlich das Rezeptbuch, das der Heiler brauchte, um die Heilmittel herzustellen und die richtigen Zaubersprüche parat zu haben.

3.2.2 Die ägyptischen Schlangennamen und ihre Identifizierung Eine komplexe Taxonomie für die Schlangen scheint es in Ägypten nicht gegeben zu haben. Einige Arten werden unter drei verschiedenen Bezeichnungen geführt, 179) wie z. B. die Schlange des § 14, die sowohl den jh.t-wt.t-Schlangen als auch den ˘ ms.w-bdsˇ-Schlangen zugeordnet wird. Beides scheinen Sammelbezeichnungen zu sein. Die btt-Schlange, die in § 80b genannt wird, gehört zu den hnp.t-Schlangen. ¯ Das Rezept, das dem Zauberspruch beigegeben ist, richtet sich noch˙ spezifischer gegen die »rote hnp.t«, die in § 24 beschrieben wird. Etliche Namen sind doppelt ver˙ geben. Im erhaltenen Teil werden allein sieben Schlangenarten als fy bezeichnet, wobei nur fünf eine nähere Prädikation erfahren. Von den beiden sdb-Arten heißt eine »sdb, auf die man in den Feldern tritt«, die beiden hnp.t werden durch ihre Farbe ˙ unterschieden. Von den 38 Schlangenbeschreibungen fehlen die dreizehn Einträge der oberen Hälfte der ersten Kolumne. Trotzdem kann gemutmaßt werden, welche Schlangen dort beschrieben worden sind, denn der Text nennt in beiden Abschnitten noch weitere Namen, die nicht unter den 25 Benennungen der §§ 14-38 sind. Zudem sind auf den Fragmenten des Anfangs noch einige Namen erhalten. Allerdings sind bei drei erhaltenen Einträgen die Namen der beschriebenen Schlange zerstört, so daß sich nicht mit Sicherheit sagen läßt, ob die Schlangen, deren Namen im zweiten Teil der Handschrift Erwähnung finden, sämtlich in den fehlenden Zeilen besprochen wurden. Fragment a nennt eine Schlange namens m2dy. § 50 a enthält ein Rezept gegen deren Biß, das auch gegen den der shtf-Schlange wirkt. Diese erscheint nun in min˘ 178. Fischer-Elfert, Enchoria 18 (1991) 231. 179. Fischer-Elfert, Enchoria 18 (1991) 230. Sauneron, Traité, 147, Anm. 1., hat vorgeschlagen, daß es sich dabei um volkstümliche und / oder mythologisch-religiöse Bezeichnungen handeln könnte. Tatsächlich kommen in den Schlangenzaubern des Mittleren und Neuen Reichs kaum spezifische Namen vor, dagegen sehr viele generische oder metaphorische. Dies liegt freilich an der Verwendung der Zaubersprüche für prophylaktische oder kurative Zwecke. Vgl. hierzu K. Stegbauer, Magie als Waffe gegen Schlangen, unveröff. Diss., Leipzig 2007 (in Vorb.).

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destens zwei Varianten: als shtf-Schlange des Horus wie auch des Seth 180). Fragment ˘ e erwähnt eine nbd.t-Schlange, 181) auf die mit ky-dd angeschlossen die Nennung der ¯ shtf-Schlange erfolgt. Fragment f führt eine weitere fy-Schlange auf, in Fragment c ˘ ist noch ein Rubrum mit ms.w-[…] zu lesen, was vielleicht zu der Sammelbezeichnung ms.w-bdsˇ ergänzt werden darf. 182) Schon Sauneron versuchte, die Schlangennamen des Schlangenbuchs mit modernen Schlangenbezeichnungen zu korrelieren.183) Über diesen Ansatz geht die Arbeit von Ch. Leitz noch hinaus, der für nahezu jede im Papyrus genannte Art eine plausible Identifizierung vorschlug. 184) Chr. Leitz vergleicht dort das Schlangenbuch auch mit Giftbüchern klassischer Autoren, wie z. B. Nikander und Philomenos, und stellt eine geistige Verwandtschaft fest. Sauneron vermutete sogar einen direkten Einfluß der ägyptischen Ophiologie auf die griechischen und lateinischen Werke. 185)

3.3 Teil II des Papyrus

Obwohl der erste Teil des Papyrus aufgrund seiner systematischen Art und seines Inhalts heute das größere Aufsehen erregt hat, war der zweite Teil des Papyrus sicher das Hauptarbeitsmittel des hrp-Srq.t. Er ist Rezeptsammlung und Therapieanwei˘ sung in einem. Auffallend ist nun, daß die Rezepte nicht direkt auf die Beschreibungen der Schlangen im ersten Teil des Papyrus folgen. Dies ergibt sich aus der assoziativen Verkettung der einzelnen Rezepteinträge, die mehreren Ordnungsschemata unterliegt: nur zum Teil werden die Rezepte nach den Spezies, gegen deren Giftsymptome sie wirken sollen, zusammengestellt, daneben aber nach Symptomen, gegen die die verordneten Heilmittel wirken sollen. Außerdem findet man Häufungen von Brechmitteln, Räucherungen u. ä. und Heilmittel, die ausdrücklich gegen alle Schlangenbisse wirken. Der Titel der Rezeptsammlung lautet: Anfang des Sammelwerkes der Heilmittel, die das Gift eines jeglichen Schlangenmännchens oder -weibchens, eines jeglichen Skorpions, eines jeglichen stechenden Insektes und eines jeglichen Gifttieres vertreiben, (die) dem Skorpionbeschwörer zur Verfügung (stehen), und die alle Schlangen vertreiben und ihr Maul versiegeln. Zu Beginn steht ein Rezept, das zur Prognose der Heilungschancen dient und das von einem Zauberspruch begleitet wird. Dieser Zauberspruch, der im übrigen auch von anderen Quellen bekannt ist, enthält, wie Quack gezeigt hat, eine Anspielung auf 180. §21 u. 22. 181. Vgl. auch §21. 182. Chr. Leitz, Die Schlangennamen in ägyptischen und griechischen Giftbüchern, Akademie der Wissenschaften, Mainz, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Mainz 1997, 146. 183. Sauneron, Traité, 145-171. 184. Leitz, Schlangennamen. 185. Sauneron, Traité, 213.

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das Mundöffnungsritual. Wenn man bedenkt, daß viele Schlangenbisse Atemnot nach sich ziehen, liegt hier sicherlich ein bewußter intertextueller und -ritueller Rückgriff vor. Auf diesen Spruch folgen zunächst zwei präventive Rezepte, durch die Giftunfälle vermieden werden sollen, sowie eine Altersangabe des Papyrus. Der Text fährt fort mit einem Rezept und seinem Begleitspruch, die wiederum für alle Schlangenbisse anwendbar sind. Gleiches gilt für das nächste Rezept, das die Atmung stabilisieren soll, und die darauf folgenden Verbandmittel, die gleichfalls gegen jegliche Bißwunde anzuwenden sind. Dann folgt in §§ 45a-55 eine Reihe von Rezepten, die gegen die Gifte bestimmter Spezies wirken sollen. Weitere Rezepturen, die gegen die Folgen explizit genannter Schlangenarten gerichtet sind, finden sich in §§ 57, 70, 73, 75, 78-82. Alle anderen Rezepte nennen keinen spezifischen Verursacher der Vergiftung, was nicht verwunderlich ist, da man Schlangenbisse nur schwer anhand von Symptomen erkennen kann – noch heute werden daher in der Medizin polyvalente Seren eingesetzt. 186) Im weiteren Verlauf scheint der Papyrus die Rezepte mehr oder minder nach Art der Heilanwendung zusammenzustellen. In §§ 56-64 werden hauptsächlich Verbandmittel zusammengestellt, in §§ 93-95 Salbmittel, in §§ 97-100 Räucherungen. Die Trank- und Brechmittel des Papyrus zeigen hingegen keine signifikante Häufung, sie finden sich zusammen mit weiteren Verband- und Salbmitteln zwischen den genannten Rezeptgruppen. Wie oben angedeutet, werden einige Rezepte auch gegen bestimmte Symptome verordnet. So finden sich neben dem allgemeinen »Vertreiben des Bisses / Giftes« auch Anwendungen gegen den Schweiß (§66), das Erbrechen (§ 59, 64), die mhn.t-Erscheinung (§60), gegen Ohnmacht (§55, 76), gegen Spezifika der Bißstelle (§63, 64, 86), gegen Müdigkeit, Zittern, Ödeme, zur Blutgerinnung, zum Extrahieren des Verborgenen, d. h. wohl von abgebrochenen Zähnen 187). Eine Reihe von Rezepten verspricht für den Fall Hilfe, daß kein Beschwörer in der Nähe ist, was man als Hinweis auf die Professionalität dieser Leute werten kann. 188)

3.3.1 Das Verhältnis von »Zauber« und »Heilmittel« Insgesamt gibt der Text ein sehr eindrückliches Bild von den Mitteln und Möglichkeiten, die im Falle einer Vergiftung zur Verfügung standen. Damit widerlegt der Papyrus ein lange in der Ägyptologie verbreitetes Vorurteil, daß man bei Schlangenbissen ausschließlich zum »Zauber« gegriffen habe, weil es keine anderen »rationalen« Heilungsmöglichkeiten gegeben habe. Wie insgesamt in der ägyptischen Medizin gilt auch in der Giftheilkunde das Verdikt aus dem Papyrus Ebers: »Wirksam ist das Heilmittel durch den Zauber und umgekehrt.« 186. C. Bon, Schlangengifte und Heilmittel, in: R. Bauchot, Schlangen: Evolution, Anatomie, Physiologie, Ökologie und Verbreitung, Verhalten, Bedrohung und Gefährdung, Haltung und Pflege, Augsburg 1998, 194-209, bes. 200. 187. Sauneron, Traité, 114. 188. Vgl. pLeiden I 349, 1,10-11, wo für den gestochenen Horus ein Zauberspruch aus Heliopolis angefordert wird, weil, wie der Text sagt, »keine Beschwörungsformel« da ist, »um Horus zu beschwören«.

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»Zauber« (hk .w) und »Heilmittel« (ph r.t) 189) stellen dabei keine konzeptuellen ¯ ˙ wie das vor allem in der älteren Gegensätze dar, Forschung angenommen wurde: es handelt sich um verschiedene Heilpraktiken, die einander ergänzen, nicht ausschließen. Beides gehört für den ägyptischen Heiler zu den hm.wt, den »(Heil)-Künsten«, ˙ auf die er sich versteht. Auf textlicher Ebene kann man verschiedene Textsorten unterscheiden, was sich in Aufbau und Stil widerspiegelt: die Rezepte sind pragmatisch, deskriptiv und bedienen sich einer verknappten Fachsprache. In der Regel sind sie unpersönlich gehalten. Wird im Text ein Gegenüber angesprochen, so ist dies stets der praktizierende Heiler, der die Rezepturen anmischen soll. Der ägyptische Name für derlei Texte ist in der Regel ph r.t »Heilmittel, Rezept«.190) ¯ Ganz anders als die schlichten Rezepte lesen sich die zur Spruchliteratur gehörenden Zaubersprüche, die das Ägyptische als hk .w,  h.w, sˇn.t oder einfach r3 benennt. ˘ ˙ in der Sie können narrative Abschnitte enthalten, die Literatur als historiola bekannt sind. Hervorzuheben ist, daß sie stets an ein Gegenüber gerichtet sind, wobei das »Du« der Texte höchst unterschiedliche Adressaten anspricht. Natürlich wird häufig der Gegner, in unserem Fall also Schlange und Gift, adressiert und zum Rückzug aufgefordert. Aber ebenso werden helfende Mächte angerufen oder der Patient angesprochen. Nur selten richtet sich der Text an den Ritualisten. 191) Dieser schlüpft in der Regel in die Rolle eines Gottes. Die Integration des Patienten in den Text erfolgt auf ähnliche Weise: er wird den Adressaten häufig in der dritten Person als Gott vorgestellt. Über die Verwendung der Zaubersprüche innerhalb der Therapie gibt das Schlangenbuch ebenfalls Auskunft. Wie aus dem ersten Teil hervorgeht, wurde nicht bei jedem Biß zum Zauber »gegriffen«. Im Gegenteil, der deskriptive Abschnitt des Schlangenbuchs empfiehlt bei verschiedenen Schlangen ausdrücklich, Zaubersprüche einzusetzen, während er bei anderen davon abrät. Hier ist besonders §17 interessant, der, für den Fall, daß das Gift geschwächt ist, Heilung durch Zaubersprüche verspricht, während er im anderen Fall eine Heilung ausschließt. Das bedeutet, daß man sich auch in schwierigen Fällen der Zaubersprüche bedient hat, aber in solchen Fällen, in denen man gar keine Heilungschancen gesehen hat, von diesem Mittel wie von der Gabe von Medikamenten abgesehen hat. Man darf in den Zaubersprüchen daher eine Therapie erblicken, deren Heilungserfolge als ebenso gesichert galten wie die Anwendung von Pharmaka. Die Wirkung dieser Sprüche dürfte im psychosomatischen Bereich zu suchen sein. Nach Aussage 189. Konzeptuell gibt es tatsächlich keinen Unterschied zwischen »rationaler« und »magischer« Heilkunst, denn Heka, also der ägyptische Zauber, ist eine Grundkonstante der ägyptischen Welt, worauf hier nicht noch einmal näher eingegangen werden muß. Eine umfassende Begriffsklärung ist bei R. K. Ritner, The Mechanics of Ancient Egyptian Magical Practice, SAOC 54 (1993) 3-28 zu finden. Zu Magie als System vgl. Th. Schneider, Die Waffe der Analogie: Altägyptische Magie als System, in: K. Glay / M. Bachmann (Hg.), Analogiedenken, Freiburg / München 2000, 37-85; die Diskussion innerhalb der Ägyptologie habe ich in meiner Dissertation »Magie als Waffe gegen Schlangen« nachgezeichnet. 190. Das Wort leitet sich von ph r »einkreisen, umkreisen« her, womit der rituelle Akt bezeichnet ¯ 57.). wird (Ritner, The Mechanics, 191. So etwa in V. 11.

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der Website der Toxikologischen Abteilung der II. Medizinischen Klinik der Technischen Universität München kann die Angst, die das Opfer nach einem Biß empfindet, die kardiale Giftwirkung verstärken. 192) Daher solle der Patient nach einem Biß beruhigt werden. Hier und im Bereich der Schmerzlinderung könnten Zaubersprüche, einer modernen Tranceinduktion vergleichbar, einen echten Beitrag zur Therapie geleistet haben.

3.3.2 Katalog der Schlangen (pBrooklyn 47.218.48+85 i,14-ii,16) §§ 1-13 [Text nicht erhalten] § 14 (i 14) [Was die …-Schlange 193) angeht]: (i 15) Ihre Farbe ist wie […]. Wenn sie einen Mann beißt, wird er matt; ihr Biß ist geschwollen und Blutergüsse sind […]. [Man kann] [vor ihr binnen] 14 [Tagen] mit Heilmitteln [erretten]. Sie gehört zu den Jh.t-wt.t-Schlan˘ anwendet, gen und zu den K -n2y-Schlangen. (i 16) Wenn man für ihn die (Heil-)Künste [(über)lebt er]. § 15 Was die lange Schlange des Apophis 194) [angeht]: Sie ist ganz rot 195), ihr Bauch ist hell. Es sind vier Zähne in ihrem Maul. Beißt sie einen Mann, stirbt er sogleich. § 16 Was die g2ny-Schlange 196) angeht: Sie ist ganz schwarz. (i 17) […] von Tinte. Ihr Bauch ist […]. [Ihr Gesicht ist] klein. Ihre Schnauze ist breit. Beißt sie einen Mann, stirbt er sogleich. Ihr Zahn(abdruck) ist wie der Biß der Apophis-Schlange. Sie steht für Sobek. Man kann sie überhaupt nicht beschwören. § 17 Was die Jhr-Schlange 197) angeht: Sie ist dunkel (i 18) [.. wie] ein Moringabaum. [Ihre] Länge [ist …]. ˘Sie kommt zu einem Menschen, wenn sie ihn sieht. Beißt sie einen Mann, stirbt er sogleich. Sie steht (dann) für Re. Ist sie (aber) schwach vor Erschöpfung, kann man vor ihr erretten binnen drei Tagen. Ihr Gift gehört (dann) (i 19) dem Zauber. Sie steht für Cheribaqef 198). § 18 Was das Mnnchen der Asiatenschlange 199) angeht: Es hat die Färbung einer Wachtel. Sein Kopf ist groß, sein Nacken ist kurz und sein Schwanz ist wie der Schwanz einer Maus. Die Öffnung seines Bisses ist wie eine kleine Rosine. Man kann vor ihm

192. http://www.toxinfo.org/frameset.php?class=2&hauptframe=/tier/index.html 193. Der Name der Schlange sowie Angaben zur Färbung und Größe sind nicht erhalten, weshalb Leitz, Schlangennamen, 138, von einer Identifizierung absieht. Aufgrund der eher leichten Auswirkungen ihres Giftes geht er davon aus, daß es sich nicht um eine Vipern- oder Kobraart handelt, sondern vermutlich um eine harmlosere Schlange. 194. Nach Leitz, Schlangennamen, 53, die Uräusschlange. 195. Das Ägyptische verfügt nur über ein geringes Inventar an primären Farbbezeichnungen. Vgl. hierzu S. Quirke, Colour vocabularies in Ancient Egyptian, in: W. V. Davies, Colour and Painting in Ancient Egypt (Hg.), London 2001, 186-192. dsˇr »rot« deckt daher alle Gelb-, Braun- und Rottöne mit ab. 196. Nach Leitz, Schlangennamen, 62, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Schwarze Wüstenkobra. 197. Vermutlich die Speikobra, so Leitz, Schlangennamen, 59. 198. Der Name des Gottes bedeutet »der unter seinem Moringabaum ist«, womit gleichzeitig eine Anspielung auf das Aussehen der Schlange gegeben ist. 199. Leitz, Schlangenamen, 109 f., ordnet diese Bezeichnung und die fy-tj-2 m aus §22 der Sandotter zu, wobei das Männchen hier und das Weibchen in §22 beschrieben wird.

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erretten, (i 20) wenn drei Tage darüber vergangen sind. Sein (des Patienten) Fieber (dauert) neun Tage. Werde deswegen nicht müde! Es steht für Sobek, Variante: Neith. Das Weibchen: Seine Länge ist eine Elle und eine Handbreit. § 19 Was den Bsartigen 200) angeht: hEs isti eine Schlange, die (so) klein wie eine Eidechse ist. Die Öffnung ihrer Bißwunde ist stark geschwollen. Er stirbt sehr schnell. (i 21) Halte dich sehr fern von ihr! § 20 Was die Sdb-Schlange 201) angeht: Sie ist genauso rot wie die Shf.t-Schlange des ˘ Seth. Ihr Gesicht ist klein, ihr Hals ist kurz und ihre Augen sind wie Auripigment. hDeri von ihr Gebissene ist ermüdet, wobei sein Gesicht voller Schweiß ist. Ihre Bißwunde ist klein und geschwollen und Wasser tritt aus. (i 22) Du wirst ihn retten. Das bedeutet, sie gehört zu den Msw-bdsˇ-Schlangen. § 21 Was die Nbd.t-Schlange 202) angeht: Ihre Länge beträgt eineinhalb Ellen. Ihre Seiten und ihr Rücken sind grün, ihr Bauch ist leuchtend (hell). Ihre Länge ist wie (die des) Männchens der Asiatenschlange. Man stirbt nicht wegen ihr. Sie steht für Hathor und (i 23) deshalb gedeiht jeder Ort, an dem sie zusammen mit der Shf.t-Schlange des Horus ist. Man kann vor ihr retten. Man muß sie nicht beschwören. ˘ § 22 Was die Asiatenviper 203) angeht: Sie ist wie das Junge einer hellen Hnp.t-Schlange. Sie ist klein und ihre Farbe ist wie die der Rr-Schlange. (Er hat) neun Tage˙ Fieber, (aber) er wird überleben. (i 24) Sie steht für Geb. § 23 Was die Hnp.t-Schlange 204) angeht: Sie ist ganz hell wie eine weiße Eidechse. Ihr Nacken ist kurz˙ und ihre beiden Augen sind uneben. Ihr [Bi]ß ist so klein wie die vier Zähne einer Katze. Ihr Schwanz ist dick. Neun Tage Fieber. Versuche deswegen die Heilkünste! Laß nicht zu, daß der von ihr (i 25) Gebissene erbricht! Wenn er erbricht, stirbt er. Wende Massagen an, 205) während drei Tage an ihm vorübergehen. Sie steht für Selqet. § 24 Was die rote Hnp.t-Schlange 206) angeht: Sie ist ganz hell. Lange rotbraune Färbungen sind auf ihrem ˙Rücken. Das Gesicht ist lang, der Hals ist kurz (i 26) und der Schwanz ist dick. Sie wird nicht gesehen und nicht gehört. Drei Zahn(abdrücke) sind in ihrer Bißwunde. Man kann vor ihr retten: Wenn der von ihr Gebissene müde wird, schlage seinetwegen die Zimbeln! 207) Wenn er (dann) nicht zu Boden fällt 208), so überlebt er. 209) 200. Diese äußerst gefährliche Art identifiziert Leitz, Schlangenamen, 86, mit der Sandrasselotter, welche als eine der gefährlichsten und aggressivsten Schlangenarten gilt. 201. Wegen der schwachen Giftwirkung laut Leitz, Schlangenamen, 42, wohl eine Trugnatternart. Er plädiert für die Identifikation mit der Sandrennnatter. 202. Die harmlose Schlange wird von Leitz, Schlangenamen, 30, mit der Würfelnatter identifiziert. 203. Laut Leitz, Schlangenamen, 108 f. das Weibchen der Sandotter. 204. Die Europäische Katzennatter, vgl. zu diesem Identifizierungsvorschlag Leitz, Schlangenamen, 42 ff. 205. Lit.: »Mache doch die Arbeit der Arme«. 206. Die israelische Katzennatter, vgl. hierzu Leitz, Schlangenamen, 42 ff. 207. Vgl. A. v. Lieven, Eine punktierte Osirisliturgie (P. Carlsberg 589 + PSI Inv. I 104 + P. Berlin 29022), in: K. Ryholt (Hg.), Hieratic texts from the collection, The Carlsberg papyri 7, CNI publications 30, Kopenhagen 2006, 9-38. 208. D. h. in Ohnmacht fällt. 209. Die Textstelle bereitet einige grammatikalische Schwierigkeiten, die W. Westendorf, Zur Doppelfunktion des jr der Hervorhebung, GM 151 (1992) 109-111, durch die Annahme, an dieser Stelle habe ursprünglich eine Glosse gestanden, auflösen will. Seiner Übersetzung: »›Er

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Sein Fieber beträgt neun Tage. Sie kommt aus dem Penis des Seth heraus. Man kann (ii 1) [vor] ihr erretten und man soll deswegen die Heilkünst[e] versuchen. […] Ihre Länge beträgt eineinhalb Ellen. § 25 Was die Nkj-Schlange 210) angeht: Sie ist wie ein Lotosstengel. Ihre Länge beträgt viereinhalb Ellen. Der von ihr Gebissene ist müde, wobei er verkrampft ist von Kopf bis Fuß. Sein Fieber dauert neun oder elf Tage, (ii 2) aber er wird überleben. Sie steht für Re. § 26 Was die Viper 211) angeht: [Es ist die Zeichnung] eines Lotos auf ihrer Stirn. Jedes seiner Glieder pulsiert. Sein Fieber beträgt sieben Tage, aber er wird (über)leben. Sie steht für Horus. § 27 Was die Windviper 212) angeht: Es gibt drei Färbungen auf ihrem Hals von echtem Lapislazuli (ii 3) und von grüner Farbe. Ihre Seiten sind klein […] Wenn sie vor dir kriecht im Hin- und Herwinden, ist das nicht wie das Kriechen irgendeines Schlangenmännchens oder -weibchens. Hat sie irgendeine Sache oder irgendeinen Menschen gesehen, ist ihr Geräusch laut für ihn, so daß man es deutlich hört. Nimm dich vor ihr in Acht! Sei nicht ruhig wegen ihr! [Man] kann vor ihr retten mit (ii 4) Zauber und mit Heilmitteln. Der Rand ihrer Bißwunde ist geschwollen und [Blut] ist darin. Groß ist das Übel seines Körperteils bis zum Rand der Bißwunde. Wenn man sie beschwört, (über)lebt er, weil sie mit Zaubersprüchen beschworen werden kann. Sie steht für Horus. § 28 Was die Viper mit zwei Hrnern 213) angeht: Ihre Farbe ist wie die der Wachtel. Zwei Hörner sind (ii 5) auf ihrem Scheitel. Ihr Kopf ist breit, ihr [Nacken ist kurz], ihr Schwanz ist dick. Ist der Rand ihrer Bißwunde weit, schwillt das Gesicht des von ihr Gebissenen an. Ist die Bißwunde klein, wird der von ihr Gebissene müde, außer […]. Das Fieber beträgt neun Tage, (aber) er wird (über)leben. Sie steht für Horus. Man kann ihr Gift entfernen (ii 6) [daraus] durch häufiges Erbrechen lassen und dadurch, daß sein […] beschworen wird. § 29 Was die kleine Viper 214) angeht: Ihre Färbung ist (ii 7) wie die einer Wachtel. Es gibt (aber) kein Gehörn auf ihrem Kopf. Jedes Körperteil des von ihr Gebissenen zittert. Du wirst ihn retten. Sie steht für Horus. § 30 Was die Viper 215) angeht: Sie ist wie grüner Porphyr. Der von ihr Gebissene schwillt an. […] ist es (?). Du wirst ihn retten. Sie steht für Horus. § 31 Was die mnnliche Viper 216) angeht: Sie ist ganz genauso wie die rote HenepetSchlange. Das von ihr Gebissene schwillt an. Es blutet nicht. (ii 8) Der von ihr Gebissene

210. 211. 212. 213. 214. 215. 216.

fällt nicht zu Boden‹, hbedeutet, daß er nicht ohnmächtig wird undi« folge ich nicht, da der Bezug der Glosse fehlt. Mit Leitz, Schlangenamen, 37 ff., die Europäische Eidechsennatter, die eine verhältnismäßig harmlose Schlange sei. Die in der Handschrift nur als fy bezeichnete Schlange wird von Leitz, Schlangenamen, 126 ff. mit der Palästinaviper gleichgesetzt. Laut Leitz, Schlangenamen, 90, die Arabische Sandrasselotter. Das ist freilich die Hornviper, vgl. dazu auch Leitz, Schlangenamen, 64. Mit Leitz, Schlangenamen, 72 ff., die Avicennaviper. Die nur fy genannte Schlange ist so unspezifisch beschrieben, daß sie Leitz, Schlangennamen, 138, keiner Schlangenart zuordnet. Nach Leitz, Schlangennamen, 27 f. vermutlich die Jans Pfeilnatter.

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ermüdet nicht. Du wirst ihn retten, nachdem du [einen Operationsschnitt] gemacht hast. Sie steht für Seth, Variante: Geb. § 32 Was die sich aufrichtende Schlange 217) angeht: Sie hat die Farbe des Sandes. Wenn sie jemanden beißt, leidet er an jener Seite, an der die Bißwunde nicht ist und er leidet nicht an seiner Seite (ii 9) mit der Bißwunde. Das ist »eine [Krankheit], die ich behandeln werde«. Mache für ihn alle Dinge mit häufigem Erbrechenlassen und mit dem Messer, nachdem er erbrochen hat. Sie steht für Seth. Der von ihr Gebissene wird nicht sterben. § 33 Was die Windschlange 218) angeht: Das ist eine Viper, die die Färbung einer kleinen Wachtel hat. Wenn du sie siehst, (ii 10) […] bewegt sie sich durch seitliches Wegtreiben fort […] (und) man hört ein lautes Geräusch wie das Blasen eines Goldschmieds. Man kann vor ihr binnen sieben Tagen erretten. Der von ihr Gebissene zuckt mit seinen Augen, was bis zu seinen beiden Brauen reicht. Speichel läuft aus seinem Mund. Lauf weg! Du sollst dich ihr (ii 11) überhaupt nicht nähern! Sie steht für Horus. § 34 Was die […]-Schlange 219) angeht: Sie ist ganz hell. Ihr Hals ist kurz. Der von ihr Gebissene stirbt nicht. Jedes seiner Körperteile zuckt. Du wirst ihn retten. Sie steht für Seth. § 35 Was die R3bdd-Schlange 220) angeht: hEs isti eine schwarze Schlange wie die ¯ ¯ Drei Zahn(abdrücke) sind in [ihrer] Bißwunde. [Sie steht für Ms(ii 12) [bdsˇ]-Schlange. Chons]. § 36 Was die Sdbw-Schlange, auf die man in den Feldern tritt, 221) angeht: Es ist eine kurze Schlange. Ihr Bauch ist wie Gold von ihrem Hals hbisi zu ihrem Hinterteil. Eine Färbung ist auf (ii 13) […]. […] jede Stelle. Es gibt kein Leiden davon. Das von ihr Gebissene schwillt nicht an. Es blutet nicht außer (beim) Verkrampfen. Sie steht für (ii 14) […]. § 37 [Was die …-Schlange 222) angeht: Es ist eine] schwarze [Schlange]; ihr Bauch ist hell. Eine lang gestreckte Färbung ist auf ihrem Rücken bis zu ihrem Schwanz wie bei der Sdbw-Schlange. Der von ihr Gebissene stirbt (zwar) nicht, (ii 15) aber jedes seiner Körperteile leidet. Du wirst ihn retten. Sie steht für Hathor. Es gibt kein schmerzhaftes Leiden durch sie. § 38 Was das Kr-Tier 223) angeht: Es ist ganz grün und sein Bauch ist weiß. Zwei Beinpaare sind unter ihm. Drei Teile sind auf seinem Rücken: zwei (zeigen) zu seinem Vor-

217. Leitz, Schlangennamen, 35 ff. argumentiert schlüssig gegen eine Gleichsetzung mit einer Kobraart. Er identifiziert die Schlange mit der Moilanatter, die sich wie die Kobra aufrichten und ihr Nackenschild spreizen könne, deren Giftwirkung aber wesentlich schwächer sei. 218. Mit einiger Wahrscheinlichkeit die Persische Trughornviper, vgl. Leitz, Schlangennamen, 98 f. 219. Eine unbestimmbare Schlangenart, deren ägyptischer Name nicht erhalten ist. Ihre Beschreibung ist zu unspezifisch für eine Identifizierung, vgl. Leitz, Schlangennamen, 139. 220. Wie die vorangehende Schlange wird auch die r3bdd-Schlange von Leitz, Schlangennamen, ¯¯ 139 nicht identifiziert, da sie zu unspezifisch beschrieben wird. 221. Diese harmlose Schlange wird von Leitz, Schlangennamen, 23 ff. mit der Westlichen Sandboa gleichgesetzt. 222. Leitz, Schlangennamen, 25 f. hält eine Identifizierung mit der Münzennatter für möglich. 223. Das kr-Tier wurde von Sauneron, Une description égyptienne du caméléon, RdÉ 24 (1972) 160-164, und Sauneron, Traité, 165, selbstverständlich mit dem Chamäleon gleichgesetzt. Dieser Identifizierung widerspricht Leitz, Schlangennamen, 143, der als Gegenvorschlag das Tier als Agamenart einstufen will.

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derteil, das andere (zeigt) zu seinem Hinterteil. (ii 16) Wenn es sich länger auf Gegenständen aufhält, nimmt es deren Färbung an. Man kann vor ihm sieben Tage lang retten. Es steht für Anubis. Man kann es beschwören zu seiner Besänftigung. Summe der Schlangen in der »Liste der Bisswunden«: 38.

3.3.3 Katalog der Behandlung der Patienten (pBrooklyn 47.218.48+85 ii,17-vi,29) § 39 (ii 17) Anfang des Sammelwerkes der Heilmittel, die das Gift eines jeglichen Schlangenmnnchens, eines jeglichen Schlangenweibchens, eines jeglichen Skorpions, eines jeglichen stechenden Insektes und eines jeglichen Gifttieres vertreiben, (die) dem Skorpionbeschwörer zur Verfügung (stehen), und die alle Schlangen vertreiben und ihr Maul versiegeln. § 40 Heilmittel, die am ersten Tag zubereitet werden fr (ii 18) jemanden, der von irgendeiner bsartigen Schlange gebissen worden ist; Wird er leben? Oder wird er sterben? Zu wissen, was mit ihm geschehen wird: q dy 224), d js-Pflanze 225), Wasser, werde ¯ zerstoßen, werde durchgeseiht, werde getrunken vom Gebissenen. Wenn es in seinem Leib bleibt, wird er überleben. Wenn er davon speien muß, (ii 19) wird er sterben. § 41 Ein sehr gutes Heilmittel, das zubereitet wird fr jemanden, der von irgendeiner Schlange gebissen worden ist: weiße Zwiebeln, werde zerrieben und mit Süßbier glattgerührt, werde getrunken, werde ausgespien einen Tag lang. Zu sprechen darber als Zauber: 226) Ein Spruch gegen ein Maul, ein Zahn gegen Zähne. Re ist es, der dein Gift bewacht, dem Gottesspruch gegen deine Maulstellung entsprechend! (ii 20) Seine Rede wird dein Gift an seinem (Herkunfts)ort vernichten! Spei aus, o Gift! Komm auf die Erde heraus, weil ich einen Zahn an mich gebracht habe, um dich zu vertreiben, weil man jenen Zahn des großen Gottes herholt, der auf die Erde gefallen ist nach dessen Kindheit, der auf der Erde wächst und auf der Weide gedeiht, (ii 21) um dich zu vernichten, um deine Maulstellung zu vernichten, um deine Zahnstellung zu vernichten! Gegrüßt seiest du, weiße Zwiebel, gegrüßt seiest du, Zahn Gottes, gegrüßt seiest du, erster Zahn 227) des Osiris! Gegrüßt seiest du, einzigartiger Rächer aller Götter (ii 22) in jenem deinen Namen »weiße Zwiebel«! Mögest du eintreten in den Leib des NN, Kind der

224. G. Charpentier, Recueil de matériaux épigraphiques relatifs à la botanique de l’Egypte antique, Paris 1979, 714 §1181, u. Grundriß der Medizin VI 514; nach N. Guilhou, L’Univers végétal dans les Textes des Pyramides (IV-VI) : Sur les chemins de l’au-delà, in: S. H. Aufrère (Hg.), Encyclopédie religieuse de l’Univers végétal. Croyances phytoreligieuses de l’Égypte ancienne 3, Orientalia Monspellensia 15, Montpellier 2005, 266-274 handelt es sich um eine Rank- bzw. Kletter- oder Schlingpflanze, die in unmittelbarer Ufernähe vorzukommen scheint. In CT III, 163 c (Spell 209) wird sie auf S1C und S2C erwähnt, während die anderen Parallelen j q.t führen, was nach Charpentier, Recueil, §74, S. 50, der Lauch (Allium Porrum) ist. Laut S. Aufrère, Études de lexicographie et d’histoire naturelle III, BIFAO 86 (1986) 14, handelt es sich aber nicht um Synonyme. Er hat die Identifikation von q d,t mit einer Efeuart vorgeschlagen. 225. Nach Guilhou, in: Aufrère, Encyclopédie religieuse, 278, vermutlich ein Kürbisgewächs. 226. Dieser Spruch hat eine Parallele auf einer Stele in Kopenhagen (Ny Carlsberg Glyptothek ÆIN 974, zuletzt bearbeitet bei J. Osing, Zu einigen magischen Texten, in: U. Luft, The Intellectual Heritage of Egypt, FS Kákosy (StudAeg 14), Budapest 1992, 476-480. 227. Das ist wohl der Milchzahn.

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NN. Vernichte jegliches in ihm befindliche Gift in jenem deinen Namen »weiße Zwiebel«! Töte doch den Gehilfen 228) des Re, töte doch den Gehilfen des Horus, töte doch den Gehilfen des Seth, töte doch, (ii 23) den Gehilfen der Großen Neunheit, und töte ihre Feinde dort! Mögest du mir ihr Haupt zerstören in jenem deinen Namen »weiße Zwiebel«! Mögest du dein Maul gegen ihr Maul auftun in jenem deinem Namen »Mundöffner«! Mögest du von ihnen essen (ii 24) in jenem deinem Namen »Esser«, Mögest du ihre Körper zermahlen in jenem deinem Namen »Mahlzahn«! O, weißes Horusauge, das aus der Erde stammt, dessen Name »das die rhyt-Leute schlägt« ist, das Horus vor der Bande des Seth schützt! 229) Mögest du das Gift˘ zerstören, (ii 25) das Mächtige, das in der Mitte, das im Herzen, das im Speichel, das in der Lunge, das im Hals, das im Kopf, das im Hintern oder in irgendeinem Glied von NN, Kind der NN, ist! Die Hitze deines Gluthauchs ist gegen es, um es zu töten! (ii 26) Es soll sterben an deinem Biß! § 42a Was die weiße Zwiebel angeht: sie soll in der Hand des Skorpionbeschwörers sein an jedem Ort, an dem er sich befindet. Etwas, was das Gift einer jeglichen Schlange und eines jeglichen Wurms tötet, ist sie. Wenn sie in Wasser zerrieben wird und der Patient damit gesalbt wird, (iii 1) beißt ihn keine Schlange. § 42b Wenn sie in Bier zerrieben wird und das ganze Haus damit besprengt wird am Tag des Neujahrfestes, dringt darin niemals ein Schlangenmännchen oder -weibchen ein. § 42c Diese Schriftrolle wurde gefunden in der Zeit des Königs von Ober- und Unterägypten Nefer-ka-Re, gerechtfertigt. § 43a Andere Heilmittel, (iii 2) die man zubereitet fr den von irgendeiner Schlange Gebissenen: »Affenhaar« 230) 1⁄8, Kreuzkümmel 1⁄8, z -wr-Mineral 231) 1⁄64, Honig 1⁄8, Süßbier 1⁄32, werde durchgeseiht, werde getrunken vom Gebissenen. § 43b Zu sprechen ber ihm als Zauber: 232) Thot soll kommen, ausgestattet mit seinen Zaubersprüchen und ausgerüstet mit seinen Zauberformeln, (iii 3) um das Gift zu beschwören: »Du hast keine Macht über irgendein Körperteil des NN, Kind der NN,« – so wie das Beschwören der Rebellen, nach ihrer Rebellion gegen Re selbst. Du sollst es abhalten von jedem Körperteil des NN, Kind der NN, so wie du die Länder für Re im Zaum hältst, so daß Maat als Lohn dafür an deine Brust herantritt! Du sollst (iii 4) gegen es erscheinen, o edler Gott, Sohn der zauberreichen Göttin! Du sollst den NN, Kind der NN, beschwören, so wie du dein eigenes Leiden beschworen hast an jenem Tag des Bespuckens 233) deiner Schulter! Du sollst es aus jedem Körperteil des NN, Sohn 228. Die Variante des pBrooklyn 47.218.48 + 85 schreibt eindeutig die Nisbe jm.j-2, wodurch eine Übersetzung wie die bei Osing, FS Kákosy, 477 (»töte sie mit Hilfe des Re …«), ausscheidet. jm.j-2 »Gehilfe« könnte sich auf die Schlange als Emissär eines Gottes beziehen, vgl. §§1-38. 229. Zu dieser Stelle, die ein intertextuelles Zitat aus dem Mundöffnungsritual darstellt, vgl. Quack, SAK 24 (1997) 231-239. 230. Zur Identifikation mit Dill vgl. J. Quack, Das Pavianshaar und die Taten des Thot, SAK 23 (1996) 305-333, bes. 313. 231. Grundriß der Medizin VI, 421, zufolge ein Mineral, bei S. Aufrére, L’univers minéral dans la pensée égyptienne, BdÉ 105, Kairo 1991, 254, findet sich die Deutung als Harz. 232. Dieser Spruch hat durch Quack, SAK 23 (1996) 305-333, eine ausführliche Untersuchung erfahren. Dort findet sich auch eine umfassende Deutung der Mytheme, die im Text angedeutet werden. Vom Anfang des Spruches gibt es eine Parallele auf der Metternichstele, Z. 207 f. 233. Zur Lesung vgl. J. Quack, Philologische Miszellen, LingAeg 2 (1992) 152.

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der NN, zur Erde niederwerfen, wie du die Rebellin niedergeworfen hast, (iii 5) die gegen Osiris rebellierte! Du sollst das Gift über den (Wund-)Rand des Bisses hinauswerfen! Siehe, ich habe die göttlichen Sachen von ihm selbst geholt, um dich 234) niederzuwerfen, um dich zu vertreiben, um das Gift eines jeglichen Schlangenmännchens und eines jeglichen Schlangenweibchens zu bestrafen, das in irgendeinem Körperteil des NN, Kind der NN ist! (iii 6) Komm, komm auf die Erde heraus! Ich bin Thot, der Älteste, der Sohn des Re! § 43c Des Weiteren: »Schlangenholz«-Wurzel 235), die man aus der östlichen Wüste herbeiholt, werde zerrieben und mit Wein oder süßer Salbe 236) glattgerührt. Es werde vom Gebissenen getrunken und (außerdem) werden seine Blätter zerrieben und mit Behenöl glattgerührt. (iii 7) Der Körper des Gebissenen werde damit gesalbt. Wirklich gut! Eine Stütze des Herzens, die den Hals atmen läßt. Man macht es auch, um die nsy.t-Krankheit zu [vertreiben]. § 44a Heilmittel fr das Entfernen des Giftes eines jeglichen Schlangenmnnchens und eines jeglichen Schlangenweibchens, die benutzt werden in Bezug auf die Zubereitung der »medizinischen Kunst« als etwas, das der Skorpionsbeschwrer zubereitet hat. Er soll ihn vier Tage lang mit Wüstensand, der in Wasser eingeweicht ist, (iii 9) bandagieren. § 44b Dann soll er (es) wiederholen mit den Blättern des Rizinus. § 44c Er soll ihn mit Eselshuf, der mit Behenöl verbrannt wurde, vier Tage lang bandagieren. § 45a Brechmittel gegen den Biss einer Nkj-Schlange und Gleiches gegen (den Biss) irgendeine(r) Schlange: weiße Zwiebeln 1⁄8, Bier 5⁄64, unterägyptisches Salz 1⁄64, werde durchgeseiht, werde vier Tage lang getrunken und erbrochen. § 45b Des Weiteren: Erbsen, werden zerrieben und mit Süßbier glattgerührt, werde vier Tage lang getrunken und erbrochen. § 45c Des Weiteren: weiße Zwiebeln 1⁄8, unterägyptisches Salz 1⁄64, Grütze 237) oder Bier (iii 10) 5⁄64, werde getrunken und erbrochen einen Tag lang. Es wird wegen jeder Schlange gemacht. § 45d Ein anderes Heilmittel, das ihm bereitet werden soll: Keime des Emmers 1, Gerste 1, Emmer 1, Rizinussamen 1, Erbsensamen 1, unterägyptisches Salz 1, Grütze, werde damit vier Tage lang handwarm verbunden. (iii 11) Das ist etwas, das die Schwellung vertreibt. § 45e Des Weiteren: Erbsensamen, Kuchen vom Fermentierten; die Bißwunde wird damit sieben Tage lang bandagiert und häufig geräuchert. § 46a Heilmittel, um das Gift irgendeiner Shtf-Schlange zu vertreiben: »Mäuse˘ schwanz« 238) 1⁄32, alte Getreidekörner 1⁄64, weiße Zwiebeln (iii 12) 1⁄16, Pulver vom

234. 235. 236. 237. 238.

Hier wird das Gift angesprochen! Sauneron, Traité, 63, Anm. 1, unternimmt verschiedene Identifikationsversuche. Eventuell liegt hier eine Verschreibung für Süßbier vor, vgl. Sauneron, Traité, 63, Anm. 2. Zu dieser Übersetzung vgl. die Beschreibung von hz im Grundriß der Medizin VI, 368. Laut Charpentier, Recueil, 634 §1037, u. Grundriß der Medizin VI, S. 470, eine Malvenart, evtl. die Stockrose (althea ficifolia L.)

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jm -Baum 239) 1⁄32, t rrhs-Pflanze 240) 1⁄32, Galle der roten Ziege 1⁄32, mn-Substanz 241) 1 ⁄32 qb.w-Pflanze 242) ¯¼; ˙werde zerrieben und in 5⁄64 Wein oder Bier glattgerührt, werde vier Tage lang getrunken und erbrochen. § 46b Des Weiteren: Weidenblätter ¼, weiße Zwiebeln 1⁄8, unterägyptisches Salz 1⁄64, (iii 13) Süßbier 5⁄64, werde durchgeseiht, werde vier Tage lang getrunken und erbrochen. Wirklich vorzüglich! § 46c Des Weiteren: weiße Zwiebeln, »Schlangenholz«, werde gekaut, wodurch Atem an die Nase [des Gebissenen] hgegeben wirdi. § 46d Des Weiteren: unterägyptisches Salz, frisches Behenöl, weiße Zwiebeln; eine Lampe soll damit übergossen werden. Man soll (es) (iii 14) [an den Hals des Gebissenen geben], damit alles, was darin ist, [herabfällt]. § 46e Des Weiteren: Keime 1⁄32, Minzsamen 243) 1⁄8, Galle der Ziege 1⁄32, Weidenkohle, Variante: verbranntes Holz 244) 1⁄64, werde zerrieben und glattgerührt. Werde zu einem Teig verarbeitet. Werde zerrieben und glattgerührt mit 3⁄64 Wein (iii 15) oder Bier. Werde durchgeseiht und vom Gebissenen getrunken. § 46f Ein anderes: »Mäuseschwanz« 1⁄8, werde zerrieben und glattgerührt mit 2⁄64 Wein, werde vom Gebissenen getrunken. Wirklich vorzüglich, millionenfach! § 46g Des Weiteren: h…i, das (auch) hSkorpioni-Kraut 245) heißt, 1⁄32, Natron 1⁄64, Galle der Ziege 1⁄32, Schirmakazienholz 246) 1⁄32, werde zerrieben und glattgerührt mit (iii 16) 1⁄32 Bier oder Wasser, werde getrunken vom Gebissenen. Er wird sofort gesund. § 46h Des Weiteren: Blätter der Akazie, weiße Zwiebeln, Honig, werde zerrieben und glattgerührt, werde an den Wundrand seiner Bißwunde gegeben. § 46i Des Weiteren: Kot eines hschwarzeni Stieres, Maischeextrakt, werde zerrieben und glattgerührt, werde darauf gegeben. § 46j Des Weiteren: »Mäuseschwanz« 1⁄8, (iii 17) qbw-Samen 1⁄32, werden zerrieben und mit 3⁄64 Wein glattgerührt, werde getrunken.

239. Evtl. der Judendorn, Ziziphus vulgaris Willd. oder Ziziphus sativa Gaertn. (vgl. Charpentier, Recueil, 70 §114,) oder Maerua crassifolia (N. Baum, Arbes et arbustes de l’Egypte ancienne. La liste de la tombe thébaine d’Ineni (no. 81) (OLA 31), Leuven 1988, 187 u. 328 f.) 240. Eine unbekannte Pflanze, vgl. hierzu auch Sauneron, Traité, 68, Anm. 3. 241. Ein Harz oder Bitumen, vgl. Grundriß der Medizin VI, 239. 242. Nach G. Charpentier, Recueil, 720 §1194, und Grundriß der Medizin VI, 515, eine nicht zu identifizierende Pflanzenart. P. P. Koemoth, La calebasse en Égypte ancienne, Aspects botaniques, magiques et pharmacologiques, CdÉ 79 (2004) 89-103, schlägt eine Identifikation mit der Kalebasse (Lagenaria siceraria (Mol) Standl.) vor. 243. jnjw ist nach Chr. Leitz, Magical and Medical Papyri of the New Kingdom (HPBM 7), London 1999, 19, Anm. 10, eine Schreibung für nj j , worunter mit B. Long, À propos de l’usage des menthes dans l’Égypte ancienne, in: FS Gutbub, Montpellier 1984, 145-159, eine wilde Minze (Mentha pulegium, Mentha microphylla, Mentha lavendlacea) zu verstehen ist. 244. ht n(.j) sd.t wird auch im pBM EA 9997, 6, 17 erwähnt. Dort soll eine Statuette der Selqet ˘daraus angefertigt ¯ werden. 245. Nach Charpentier, Recueil, 588 §954, Erythraea spicata pers. 246. qsb.t (Charpentier, Recueil, 754 §1270) ist eine Baumart, die von N. Baum, Note sur une nouvelle identification de la plante nescha, VA 3 (1987) 195-197, als Schirmakazie (accacia tortilis) identifiziert wurde.

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§ 46k Des Weiteren: weiße Zwiebeln ¼, bdd-hk i-Pflanze 247) ¼, werde zerrieben, glattgerührt, durchgeseiht und vom Gebissenen getrunken. § 47a Heilmittel, die gemacht werden sollen fr den von einer Nkj-Schlange Gebissenen: weiße Zwiebeln, werden zerrieben und mit Wasser glattgerührt, werde getrunken und erbrochen zwei Tage lang. § 47b Des Weiteren: getrocknete Damhirschleber, (iii 18) werde zerrieben und in Wasser glattgerührt, werde einen Tag lang getrunken. Es wird auch zubereitet, um den Biß der Q dy-Schlange zu beseitigen. § 47c Des Weiteren: »Mäuseschwanz« ¼, Stierkot 1⁄16, Galle eines roten Stieres 1⁄32, werde zerrieben und mit 3⁄64 Wein glattgerührt, werde einen Tag lang getrunken. § 47d Des Weiteren: 2nh-jm.t-Pflanze 248) (iii 19) 1⁄16, Honigklee 249) 1⁄16, »Mäuseschwanz« 1⁄8, ˘ werde zerrieben und glattgerührt mit 3⁄64 Wein, werde getrunken und erbrochen. § 47e Des Weiteren: Stierfett, frische Sahne; die Wunde wird damit verbunden sieben Tage lang. § 47f Des Weiteren: Blätter der jbs-Minze 250), Honig, werde damit bandagiert. § 47g Des Weiteren: weiße Zwiebeln, Ocker, hh-Öl, (iii 20) Weihrauch, Wachs, der Ge˙˙ bissene werde damit gesalbt und er wird beräuchert. § 48a Was man zubereitet fr den Biss einer Sdbw-Schlange oder einer Ms-bdsˇSchlange: getrocknete Damhirschleber, werde getrunken und erbrochen. § 48b Des Weiteren: weiße Zwiebeln, Maischeextrakt, werde zerrieben und glattgerührt, werde getrunken und erbrochen. § 48c Des Weiteren: weiße Zwiebeln, gsˇw-Hefe der p wr-Flüssigkeit, (iii 21) Alaun, Salz, Wermut 251), werde zerrieben und glattgerührt und die Bißwunde damit bandagiert. Wirklich vorzüglich! § 49a Was gemacht wird fr den Biss der g r3sˇ -Schlange: mnsˇ-Mineral, Alaun, Honig, die Wunde wird damit handwarm bandagiert. § 49b Des Weiteren: Wermut, Süßbier, werde getrunken und erbrochen. § 50a Was gemacht wird fr die Bisse (iii 22) der Shf.t-Schlange und den Biss der M2dy˘ Schlange: weiße Zwiebeln, Erbsen, vergorene Grütze, werde getrunken und erbrochen. § 50b Des Weiteren: hh-Öl, Weihrauch, bdd-Pflanze, werde damit gesalbt. ˙ ˙ fr die Bisse einer Fy-tj-2 m-Schlange: unterägyptisches Salz, § 51a Was gemacht wird hh-Öl, die Bißwunde werde damit gesalbt. ˙§˙51b (iii 23) Wenn sie tief ist, dann sollst du ihm machen: Weihrauch, ph -Frucht, ˘ damit Wachs, hdw (?) des sˇn2-Fisches, wsˇb-Alaun, Alaun, unterägyptisches Salz, werde ˙ ¯ bandagiert.

247. Vielleicht die Wassermelone (Citrullus vulgaris), vgl. Charpentier, Recueil, 282 §446, und Grundriß der Medizin VI, 189. 248. Nach Charpentier, Recueil, 158 §249, eventuell Henna (Lawsonia inermis) oder Indigo (indigofera argutina). Aufrére, L’univers minéral, 229 f., plädiert dagegen für eine Identifikation mit dem weißen Lotos. 249. So Charpentier, Recueil, 152 §240. 250. Charpentier, Recueil, 70 §114. 251. Vgl. Charpentier, Recueil, 544 §872; Die Identifikation von s2m als Wermut wurde allerdings von Aufrère, BIFAO 86 (1986) 14, angezweifelt, der s2m mit dem Beifuß identifiziert.

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§ 51c Des Weiteren: weiße Zwiebeln, Alaun, lange h  .w des Kupfer, werde zerrieben ¯ (iii 24) werde damit bandaund in bdd-Saft glattgerührt, ftt-Stoff, gekocht in mn-Substanz, giert. § 51d Des Weiteren: »Mäuseschwanz«-Wurzel, werde zerrieben und glattgerührt mit Wasser und vom Gebissenen getrunken. § 51e Des Weiteren: 22m 252) 1⁄8, Wermut 1⁄8, vergorene Grütze 4 Hin, werde getrunken und erbrochen. § 53 Was gemacht wird fr den von einer Sdbw-Schlange Gebissenen: unterägyptisches Salz, hh-Öl, werde zerrieben und glattgerührt, werde damit bandagiert. ˙ ˙ gemacht wird fr den von einer r3bd d -Schlange Gebissenen: Natron, § 53 (iii 25) Was ¯ ¯ hh-Öl, werde damit bandagiert. ˙§˙54a Was gemacht wird fr eine Bisswunde der Hby-Schlange: jnjw-Minze 1⁄8 werde zerrieben und glattgerührt in 2⁄64 Wasser, werde vom˙ Gebissenen getrunken. § 54b Des Weiteren: Bertram 253), werde zerrieben und mit frischen Behenöl glattgerührt, werde vom Gebissenen gegessen. § 54c Des Weiteren: (iv 1) twn-Pflanze 254), werde zerrieben und mit Honig glattgerührt, desgleichen. § 54d Des Weiteren: qbw-Samen ¼, Kot eines roten Stieres 1⁄16, »Mäuseschwanz« 1⁄8, Damhirschherz 1⁄16, Kot des 2dw-Fisches 1⁄128 werde zerrieben und glattgerührt, werde ¯ zu trockenen p js-Kugeln geformt, werde zerrieben und mit Wasser glattgerührt, durchgeseiht und (iv 2) vom Gebissenen getrunken. Wirklich vorzüglich, millionenfach! § 54e Des Weiteren: Kot vom schwarzen Stier, werde zerrieben und mit Wasser glattgerührt, werde vom Gebissenen getrunken. § 54f Des Weiteren: »Mäuseschwanz«, weiße Zwiebeln, Kot eines »Kahlen von Heliopolis« werde zerrieben und glattgerührt, werde gedörrt bis es trocken ist, werde zerrieben und mit Wasser glattgerührt, durchgeseiht und getrunken. § 54g Des Weiteren: »Mäuseschwanz«-Wurzel, (iv 3) werde zerrieben und mit Wasser glattgerührt, werde vom Gebissenen getrunken. § 54h Des Weiteren: 2nh-jmj-Pflanze 1⁄8, Honig 1⁄16, Süßbier 2⁄64, werde vom Gebissenen ˘ getrunken. § 55 Heilmittel, die man zubereiten soll fr den von einer Hft-Schlange Gebissenen, ˘ wenn das Gift sich seines Kopfes bemchtigt: Bodensatz von »männlicher« Grütze, »männlicher« Ton 255), werde zerrieben und glattgerührt, werde sein Kopf damit gesalbt. § 56a Ein anderes Heilmittel (iv 4) fr das Entfernen des Bisses irgendeiner Schlange: Erbsen, werden zerrieben und mit Grütze glattgerührt, werde damit bandagiert. Wirklich vorzüglich!

252. Nach Charpentier, Recueil, 146 §232, vermutlich identisch mit 22 m, was eine ebenfalls noch nicht identifizierte Pflanze ist (vgl. ibid., §230). 253. Aufrère, BIFAO 86 (1986) 29-30. 254. R. Germer, Untersuchung über Arzneimittelpflanzen im Alten Ägypten, Hamburg 1979, 212, vermutet eine Akazienart. 255. Gemäß Grundriß der Medizin VI, 290, könnte es sich bei der Angabe t y um eine Farbnuance ¯ handeln.

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§ 56b Des Weiteren: Moringanüsse, werden zerrieben und glattgerührt mit p -wr-Flüssigkeit, werde damit verbunden. § 57 Was gemacht wird fr den Biss einer K -n2y-Schlange: weiße Zwiebeln 1⁄8, Süßbier 5⁄64, werde zwei Tage lang getrunken und erbrochen. § 58 Des Weiteren fr den Biss irgendeiner (iv 5) schlimmen Schlange: Rotbeerige Zaunrübe, wsˇbw-Alaun, reines Natron, Fett einer roten Ziege, Koloquintenmehl; werde zerrieben und glattgerührt, werde damit vier Tage lang verbunden. § 59 Heilmittel gegen das Erbrechen (wegen) irgendeiner Schlange: Kreuzkümmel 1, Kuchen 1, twn-Pflanze 1, (iv 6) Baldrian-Pulver 256) 1, weiße Zwiebeln 1, unterägyptisches Salz 1, Honig 2; werde zerrieben und mit Süßbier zu einer einzigen Sache glattgerührt, werde vier Tage lang getrunken und erbrochen. § 60 Heilmittel fr das Vertreiben der mhn.t-Erscheinung und genauso fr das Vertreiben des Bisses einer jeden Schlange: dbw-Substanz 1, Rosinen 1, Hämatit 1, trockener Weihrauch 1, (iv 7) vier Jahre (altes) Brot 1, Gerstengrütze 1, Honig 1; werde zerrieben und glattgerührt; wenn es sich sehr gut gesetzt hat, werde das gesamte Heilmittel mit Weihrauch vermengt und damit bandagiert. § 61a Ein anderes Heilmittel fr den Biss irgendeiner Schlange: getrocknete Weinbeerrispen, Natron, ph.t-2 .t-Frucht 257), (iv 8) werde zerrieben und mit Weihrauch glattgerührt, werde damit ˘bandagiert. § 61b Des Weiteren: trockene Myrrhe, dbw-Substanz, Laudanum, frischer Weihrauch, Natron aus dem Wadi (Natrun), unterägyptisches Salz, Alaun, werde zerrieben und glattgerührt, werde damit vier Tage lang bandagiert. § 62a Ein Verband, der fr ihn gemacht wird an dem Tag, an dem er gebissen wurde: Rizinus, werde zerrieben und glattgerührt, es werde damit (iv 9) einen Tag lang bandagiert. § 62b Des Weiteren am zweiten Tag: Sahne, Wachs, unterägyptisches Salz, werde auf Körpertemperatur erhitzt, es werde damit bandagiert. § 62c Ein anderes Heilmittel am dritten Tag: Wachs, hh-Öl, sft-Öl, Sahne,  by-Flüssig˙ ˙ zu einer einzigen Sache glattkeit, frischer Weihrauch, Stierfett; werde zerrieben und (iv 10) sechs Tage lang bandagiert. gerührt; es werde damit § 63a Wenn jener Biß tief ist und Blut absondert an irgendeinem seiner Körperteile, dann sollst du ihm als Heilmittel zubereiten: Weidenblätter, Koloquinte, Honig, werde gemischt mit frischem Wasser, werde damit vier Tage lang bandagiert. § 63b Des Weiteren: Mehl der Koloquinte, werde zerrieben und glattgerührt mit Honig (iv 11) und Schaum des »männlichen« Tones, werde damit vier Tage lang bandagiert. § 64a Heilmittel fr den Gebissenen, wenn der Biss Fleisch aufwirft: Stierfett, frischer Weihrauch, werde damit bandagiert. § 64b Ein pulverisiertes Heilmittel, das fr ihn bereitet wird: z -wr-Mineral, gebranntes Kupfer, wsˇbw-Alaun 258), Mehl vom (iv 12) jm -Baum, Natron, Rötel, trockene Myrrhe, 256. Vgl. Charpentier, Recueil, 650 §1059. 257. Unbekannte Frucht, vielleicht ein Deckname, vgl. Charpentier, Recueil, 300 §470, und Grundriß der Medizin VI, 204. 258. Kaczmarczyk, The identity of wsˇbt alaun, JEA 77 (1991) 195. Die aus Kharga oder Dakhla stammende wsˇb.t-Varietät des Alaun enthält Kobalt und wurde im Neuen Reich zur Gewinnung blauen Farbstoffes verwendet.

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werde darauf gegeben und es sollen ihm viele Räucherungen gemacht werden bis zu jenem siebten Tag. § 65a Heilmittel fr die große Viper: »Bild des Horus«-Pflanze 1, unterägyptisches Salz 1, Bier 5⁄64, werde getrunken und erbrochen. § 65b Des Weiteren: »Bild des Seth«-Pflanze (iv 13) 1, weiße Zwiebeln 1, Bier 5⁄64, werde getrunken und erbrochen. § 65c Des Weiteren: Kraut der Platterbse, deren Name in der Sprache der Asiaten Gulban ist und die überall wächst, werde zerrieben und mit Wein oder Bier glattgerührt, werde vom Gebissenen getrunken. Es tötet das Gift (iv 14) wirklich. Es wird (auch) [wegen] jeder (anderen) Schlange zubereitet. § 66a Des Weiteren fr das Entfernen des Schweißes eines jeden Gebissenen: Das Kraut, das in Hibis wächst; seine Blätter sind wie die einer Sykomore, seine hBlüiten wie die der q y-Pflanze 259), klein und rot, das […] 260) seiner Spitzen (iv 15) ist wie Beeren 261) eines Busches, sein Duft ist angenehm. Es werde zusammen mit Pelikankot zerrieben und in Sykomorehfrüchteni und Rosinen gewälzt 262), werde zerrieben und glattgerührt; werde damit bandagiert. § 66b Des Weiteren: frischer Weihrauch, mrh.t-Fett, Honig, werde zerrieben und zu ˙ einer einzigen Sache glattgerührt (und) der Patient damit gesalbt. § 67 Andere Heilmittel (iv 16) fr den Gebissenen, wenn sein Auge durch das Gift brennt: Asphalt, Gurke, Meerettich 263), werde zerstoßen und mit Wasser glattgerührt, werde in einen Dampfkochtopf 264) gegeben, werde durchgeseiht, werde vom Gebissenen getrunken, solange sein Auge brennt. hEr wirdi sogleich hgeneseni. § 68 Andere, sehr gute Heilmittel gegen (iv 17) alle Vipern und alle Schlangen: weiße Zwiebeln 1⁄32, Bernstein 265), Wein 1⁄64, werde durchgeseiht und getrunken. Wirklich vorzüglich, millionenfach! Es ist erprobt. § 69 Heilmittel fr das ffnen der Kehle des Gebissenen: Ziegenmilch 5⁄64; werde mit ¼ Honig erwärmt; werde handwarm getrunken und (iv 18) erbrochen. § 70 Heilmittel gegen das Weibchen der Viper: qbw-Kraut ¼, werde gemischt mit 1/4 Honig und 1⁄8 Blut eines kleinen Ziegenböckchens, das man lebendig herbeiholen soll, ohne es zu töten, (außerdem) 2 Hin Bier. (Danach) soll man dieses Böcklein zu seiner Mutter lassen. Wirklich vorzüglich, millionenfach, und kann (auch) (iv 19) gegen jede (andere) Schlange angewandt werden. § 71a Heilmittel gegen den Durst dessen, der unter dem Biss irgendeiner Schlange leidet: Schilfrohr 1⁄8, Weintrauben 1⁄8, Durra ¼, Baldrian, ¼, Johannisbrot 1⁄8, bdd-hk i-Pflan259. Lesung von q y unsicher. Sauneron, Traité, setzt das fragliche Wort mit q  -Frucht gleich und übersetzt: »ses fleur sont comme des boules petites et rouges;« vgl. aber §90. 260. Unleserliches Wort. 261. Vgl. Sauneron, Traité, 92, Anm. 6. 262. Ein qrqr-Teil auf (hr) der Sykomore ist unbekannt (vgl. auch Sauneron, Traité, 92, Anm. 8), daher vermute ich,˙ daß es sich trotz des eindeutigen Determinativs um ein Verbum handelt, vielleicht WB V 66,5. 263. Charpentier, Recueil, 594 §966. 264. Zu dieser Übersetzung von rmn.t vgl. R. Hannig, Großes Handwörterbuch ÄgyptischDeutsch, Mainz 1995, 466. Sauneron, Traité, 94, Anm. 2 verweist auf eine Beschreibung der Gerätschaft bei Grundriß der Medizin III, 102. 265. ˇs kr; zur Identifikation vgl. Sauneron, Traité, 95, Anm. 2.

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ze 1⁄8, Wasser 5⁄64, werde nachts dem Tau ausgesetzt, werde durchgeseiht und vier Tage lang [getrunken]. § 71b Des Weiteren, was fr ihn bereitet wird: »männlicher« Ton, werde auf Körpertemperatur (iv 20) erhitzt; werde damit eingerieben. § 71c Der Verband, der danach fr ihn hergestellt wird: roter Ocker, Alaun, Honig, werde erhitzt und handwarm bandagiert. § 72a Des Weiteren fr das Vertreiben eines dems: Schneide seine Bißwunde am ersten Tag sehr häufig mittels eines Messers ein. Es soll ihm Salz (iv 21) 1⁄8 oder Natron gegeben werden. Die Wunde soll damit verbunden werden. § 72b Des Weiteren: Sahne, unterägyptisches Salz, mnj-Öl, werde erhitzt, werde damit verbunden; gleichzeitig werde 1⁄16 (Teil) vom Inhalt einer Stierlunge verabreicht, der auf unterägyptisches Salz gegeben ist; werde vom Gebissenen gegessen; gleichzeitig werde veranlaßt, daß er (folgendes) trinkt: Honig 1⁄8, vergorene (iv 22) Grütze 1⁄8, p -wrGetränk 1⁄16, Süßbier 2⁄64, (und zwar) vier Tage lang nach (der Verabreichung) des Lungen(gerichts) an dem Tag, an dem er gebissen wurde. § 72c Wenn er (den Verband) abgenommen bekommt nach 2 Tagen, dann sollst du ihm frisches Wasser geben und ihn mit Fett vom Stierrücken einreiben; es werde ihm Alaun gegeben. § 72d Des Weiteren: Mehl vom jm -Baum, (iv 23) Rizinusblätter, werde zerrieben und glattgerührt, werde damit bandagiert, gleichzeitig wird er häufig beräuchert. § 73 Brechmittel, das man macht fr den von der Windschlange (hf ,w nft) Gebisse˙ nen: weiße Zwiebeln 1, unterägyptisches Salz 1, Wermut 1, werde zerrieben und glattgerührt mit 1 (Teil) Süßbier oder Grütze, werde getrunken und erbrochen. § 74a Andere Heilmittel fr (iv 24) jede Viper: jwsˇsˇ-Brei vom »männlichen« Ton; die Bißwunde werde damit massiert. § 74b Des Weiteren: roter Ocker, Honig, werde damit verbunden. § 75a Heilmittel fr die Hornviper: Kreuzkümmel 1⁄64, Baldrian 1⁄16, h…i-Saat 1⁄32, weiße Zwiebeln ¼, unterägyptisches Salz 1⁄64, Honig 1⁄8, (iv 25) Süßbier 5⁄64, werde zerrieben und glattgerührt, werde durch ein Tuch gegeben, werde vier Tage lang getrunken und erbrochen. § 75b Des Weiteren: t tj-Pflanze 266) 1⁄32, frischer Wermut 1⁄32, qbw-Pflanze aus dem Garten 2⁄64, Sesam 267) 1⁄32, ¯weiße Zwiebel 1⁄16, Knoblauch 1⁄16, unterägyptisches Salz 1⁄64, Mark der (iv 26) Weide 1⁄16, Honig ¼, vergorene Grütze 2⁄64, werde vier Tage lang vom Gebissenen getrunken und erbrochen. § 76 Heilmittel fr das Beseitigen einer Ohnmacht des Gebissenen: jwsˇsˇ-Brei aus Emmermehl, Koloquinte, Fett, d js-Samen, (v 1) unterägyptisches Salz, Honig, werde zu einer einzigen Sache bereitet;¯werde damit bandagiert. § 77a Heilmittel fr den Biss einer kleinen Schlange:  m22m-Pflanze 268) aus der Wüste 1⁄8, Süßbier 5⁄64, werde durchgeseiht, getrunken und erbrochen. § 77b Des Weiteren: Knoblauch 1⁄8, Wasser 5⁄64, werde getrunken und erbrochen. § 77c Des Weiteren: bdd-hk i-Pflanze, Knoblauch, Honig, werde damit gesalbt. 266. Vgl. tjtj bei Charpentier, Recueil, 826 §1421. Es handelt sich vermutlich um eine Thymianart. ¯ 267. t mt m; Identifikation von Sauneron, Traité, 101, Anm. 3. ¯ 268. ¯Vermutlich eine andere Schreibvariante für die 22m-Pflanze aus §51e.

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§ 78a Heilmittel fr den Biss der Hnpw-Schlange: (v 2) Schildkrötenhaut, werde gekocht, zerdrückt und verrührt mit der˙ Scherbe eines neuen Hin-Topfes, mrh-Salböl und ˙ sf.t-Öl, werde zerkleinert und zusammen glattgerührt; werde damit bandagiert. Wirklich vorzüglich, millionenfach! Das ist eine Heilkunst dafür (den Biß)! § 78b Was man ihm zubereitet, sobald drei Tage an ihm vorbeigegangen sind: Thymian 1 ⁄16, Wein ¼, werde vom Gebissenen getrunken. Es ist [eine Stärkung] des Gebissenen, (v 3) wenn er müde geworden ist. § 79a Ein anderes Heilmittel, das ihm zubereitet wird, um das Blut gerinnen zu lassen: Fliegendreck, zu dem seine Hälfte aus rotem Ocker (gegeben) ist, werde zerrieben und zu einer einzigen Sache glattgerührt; werde damit bandagiert. Wirklich vorzüglich! § 79b Darber zu rezitieren: »Komm doch zu mir, (meine) Mutter! Schau, ich stehe (hier) zusammen mit Seth und es ist schmerzlich […]. […] nach Hermopolis (v 4) am Ufer des Sees, damit der Prozeß geführt wird vor den Göttern und sie bei Rh.wj kämp˙ deinen fen, weil sie zu mir sprachen: ›Die Götterneunheit ist es, die dich erhebt durch Vater. Die Zaubersprüche kommen zu dir durch deine Mutter. Wird dein Spruch geworfen, wird sein Spruch geworfen.‹ (Aber) die Btt-Schlange [hat] mich [gebissen], ohne hmichi zu sehen, (v 5) etwas hat mich gestochen,¯ ohne mich zu sehen, was ein Angriff ist durch einen, der gegen mich gezaubert hat! Siehe, jetzt bin ich ermüdet!« »[Ich] werde zu dir kommen, (mein) Sohn Horus, (mein) Guter! Ich bin deine Mutter Isis! Ich bin dein Schutz! Deine Worte wurden [im Himmel] gehört, nachdem sie das Haus von Bnbn.t (v 6) erreicht hat. Selqet wird dir ihre Hand reichen. Ihre Zauberformeln sind deine Amulette. Deine Verletzung ist seine Verletzung. Wirst du angegriffen, wird er angegriffen. Wirst du geschädigt, wird er geschädigt. Dein Schutz [ist der Schutz des Ptah]. Du bist der, (v 7) den der große Nun erschaffen hat! Das Gift wird nicht in dir zirkulieren, weil es keinen Weg, auf dem es gehen kann, gefunden hat, weil es zurückgetrieben und in die Flucht geschlagen wird! Das Gift, das die Btt-Schlange in dich injiziert, (es kommt ¯ gar) nicht gegen dich, gegen dich! Das in dich Injizierte ist das, was dem, der gegen dich gehandelt hat, injiziert wird! Es gibt keinen, der [die Befehle] ignorieren kann, die der [große] Gott gemacht hat. § 79c (v 8) Worte, zu sprechen ber einem Bild des Ptah, der Isis und der Selqet, die auf ein neues Papyrusblatt gezeichnet sind; werde an den Hals des von der Hnpw-Schlange ˙ Gebissenen gegeben. Man macht es ihm auch wegen jeder (anderen) Schlange. § 80a Man soll fr den Biss der roten Hnpw-Schlange bereiten: […] p -wr-Getränk, werde zerrieben und glattgerührt, werde˙(v 9) damit bandagiert und gleichzeitig wird er beräuchert. § 80b Darber zu rezitieren: Kommt doch, (denn) die Btt-Schlange, die keine Ohren ¯ es ihren Wächter gab in Pe hat, ist herausgekommen aus ihrem Loch gegen ihn, obwohl und Dep! O Scheffel der Ausflüsse! 269) Anubis, er gab ihn in (?)… Da sprach Horus für den (v 10) von ihr Gebissenen: »Siehe, ich lasse das, was in deinem Maul ist, umkehren! Wenn

269. Die Textstelle ist vor allem durch die folgende Lakune schwierig zu verstehen. Vielleicht liegt eine Anspielung auf die im pJumhilac, VII, 4, überlieferte Ätiologie des Getreides aus den Ausflüssen des Osiris vor. Dort erschafft Anubis einen See aus den Ausflüssen, der das Getreide hervorbringt.

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du mich schädigst, bin ich gegen dich – das bedeutet, daß ich das Gift entfernt habe. Wenn du Horus beißt, ist seine Beschwörung mächtig! Gift, verlasse den NN., Kind der NN., wenn (v 11) du ihn gebissen hast, ohne ihn zu kennen! (Er ist) Osiris, seine Feinde sind gefallen!« Sage auch: »Was eine btt-Schlange ohne Ohren angeht, ›es ist eine ¯ Hnpw-Schlange‹, sagt man zu ihr, (oder) ›Junges der msbdsˇ-Schlange (oder) jqsˇr-Schlan˙ge‹. Meine Mutter Selqet (v 12) hat ihr die Ohren weggenommen. Sie verschließt ihr Maul gemäß der Worte (?): ›Mögest du zugrunde gehen, Btt-Schlange! O Hnpw-Schlan˙ ge, die man nicht hört, weil ich veranlaßt habe, daß ihr Gift¯ auf die Erde herauskommt! Es wird nicht in den Gliedern des NN., Kind der NN., herumstreifen, es wird nicht in irgendeinem seiner Glieder umherziehen, es wird nicht (v 13) in seinem Fleisch töten!« § 80c Worte, zu sprechen ber diesem Heilmittel. Massiere die Glieder, an denen die Bißwunde nicht ist, mit deinen beiden Armen und beräuchere ihn. § 81 Man soll fr den Biss der mnnlichen Schlange (hf ,w t j) machen: Schneide sei˙ ¯ sie mit rotem Natron, ne Bißwunde mit dem Messer sehr häufig ein. Dann bandagiere  (v 14) Schaum vom p -wr-Getränk, unterägyptisches Salz, Blut der j2r2.t.-Schlange, ph ˘ Weihrauch; werde zu einer einzigen Sache gemischt, werde damit bandagiert und gleichzeitig wird er (damit) beräuchert. § 82a Er soll bereiten fr den Biss der 2r2-Schlange: Knoblauch 1⁄8, Wasser 2⁄64, werde getrunken und erbrochen. § 82b Des Weiteren: wtn von (?) […], werde gegeben an die Öffnung seines Bisses. (v 15) Er wird sofort gesund; gleichzeitig werde er (damit) beräuchert. § 82c Des Weiteren: twn-Pflanze 1⁄8, Honig 1⁄16, werde vom Gebissenen gegessen. § 83 Die Heilmittel fr das Entfernen der Mdigkeit des Gebissenen: erhitztes Durra, Wäscher-Bodensatz, (v 16) werde zerrieben und zu einer einzigen Sache glattgerührt und der Gebissene damit gesalbt. § 84 Heilmittel fr das Erbrechen des von irgendetwas Gebissenen: Regenwasser, werde mit Honig und unterägyptischem Salz gefiltert, werde vom Gebissenen getrunken und vier Mal zur Erde ausgespuckt. § 85a Heilmittel fr das Entfernen des »Verborgenen« 270) eines von einer Schlange (v 17) oder auch irgendwelchen Vipern Gebissenen: Ein Fischotter 271), der aufgeschnitten wird so wie das, was mit einem Nilbarsch gemacht wird, der Gebissene werde damit bandagiert; jede seiner Seiten werde sehr gut bandagiert! Es werde die Salbe des Wäschers auf seine obere Hälfte gegeben, bis er 272) herauskommt, nachdem er mit Hilfe (v 18) von Kopfhaaren gefunden worden ist. § 85b Des Weiteren: Weihrauchextrakt, werde an die Öffnung diese »Verborgenen« gegeben, bis er herauskommt. § 85c Dann sollst du ihm die Formel des Skorpionbeschwrers (mit dem Anfang) »Ich kenne es!« performieren, und das, was seine Öffnung verursacht, herausziehen:. j2(y.t)Bestandteil des Bieres und Datteln, werde getrunken und erbrochen. § 85d Des Weiteren fr das Entfernen des (v 19) »Verborgenen« aus der Bisswunde: 270. Sauneron, Traité, 114, Anm. 1, denkt hier an einen in der Wunde verbliebenen Stachel bzw. an einen abgebrochenen Giftzahn. 271. Zur Identifikation des 2pnn.t-Tieres vgl. E. Chassinat, Un papyrus médical copte, MIFAO 32, Kairo 1921, 214 f. 272. Wohl der abgebrochene Zahn.

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Zunge der Meeräsche, ihre Zähne, Gerstengrütze, Geweih des Damhirsches, vergorene Grütze, werde vom Gebissenen gegessen, bis er gesund wird. § 86 Heilmittel fr das Vertreiben des Zitterns des Gebissenen: jwsˇsˇ-Brei aus Gerstenmehl, Koloquinthen, Honigklee, d js-Kraut, unterägyptisches Salz, (v 20) werde zerrieben ¯ und zu einer einzigen Sache glattgerührt, es werde der Gebissenen damit verbunden. § 87a Heilmittel fr den Biss einer Schlange, wenn er schmal ist: Weidenblätter, jm -Baumblätter, Christdornblätter, jbs-Minze, werde zerrieben und glattgerührt, werde damit gepudert. § 87b Des Weiteren: trockener Eselskot, Gummi, Ocker, trockener Weihrauch, sˇfsˇf.t-Schlamm, (v 21) Scherbe eines neuen Hin-Topfes, werde zerrieben und glattgerührt, werde damit bepudert. § 88a Heilmittel fr das Zurckhalten des Blutes eines Schlangenbisses: mn.t-Öl 1, Myrrhe 1, Straußenei 1, frisches Behenöl [1]. § 88b Des Weiteren: roter Ocker [1], Kot 1, Honigklee 1, (v 22) werde zerrieben und glattgerührt, werde damit verbunden. § 89 Ein anderes Heilmittel fr den Biss irgendeiner Schlange: vergorene Grütze, Schildkrötenkot, der Gebissenen werde damit bandagiert. § 90a Heilmittel fr die Heilung von jemanden, der von irgendeiner Schlange gebissen wurde: Kapernstrauch, welcher in Hibis wächst, dessen Blätter wie (v 23) Nadeln sind, dessen Spitze wie die des Honigklees ist, dessen Blütenknospen wie die des Lotus sind, dessen Früchte wie die der qr-Pflanze sind, das was in seinen Früchten ist, ist wie die Samen der thw-Pflanze, (nur) klein und rot, werde zerrieben und dann glattgerührt mit ˘ vom Gebissenen getrunken. Sogleich wird er (v 24) gesund werden! Süßbier, werde § 90b Darüber als Zauber zu sprechen: O, Kapernstrauch, der an der Seite des Osiris gedeiht durch die Ausflüsse, die herausgekommen sind aus denen, die sich in ihren Unterwelten befinden! Töte das Gift des »Roten«, greife Seth an! »Der Kater, der zerschneidet«, (v 25) »Öl des Osiris«, »Gerste dieses Chnum«, »lebendes Fleisch« ist der Name des Kapernstrauchs. Es wurde getestet. § 90c Des Weiteren: Katerblut, Meeräschenblut, Falkenblut, Kobrablut, (v 26) hBluti des Landwarans 273), werde aufgeschnitten und getrocknet; Bernstein, werde zerrieben und glattgerührt, werde damit bandagiert. § 91a Heilmittel, die man fr einen von irgendeiner Schlange Gebissenen zubereitet, wenn man keinen Beschwrer findet: hh-Öl, werde vom Gebissenen getrunken. Das ˙˙ Gift wird sich ihm nicht nähern. § 91b Des Weiteren: Blut vom (v 27) roten Stier 1⁄64, werde vom Gebissenen getrunken. § 91c Des Weiteren: Damhirschblut 1⁄64, werde getrunken. § 92 Heilmittel fr einen, der von einer Schlange gebissen wurde, wenn er im Begriff ist hinzufallen, weil er schwach ist vom »Erbrechen« aus seinem Hinterteil. Untersuche seine Krankheit! Der Kopf ist ohnmächtig und blind und die Schulter heiß. Dann sollst du ihm zubereiten: (vi 1) z -wr-Mineral 1, pds-Pillen 1, Erbsensamen 1, jbw-Samen 1, werde an alle seine Körperteil gegeben, und der Patient werde damit beräuchert. § 93a Heilmittel (vi 2) zum Waschen des Gesichtes eines von einer Schlange Gebissenen: Saft aus dem Scheitelpunkt der Erbse, Süßbier […] (vi 3) Wirklich vorzüglich! 273. Wörtl. »Krokodil der Nekropole«. Zur Übersetzung vgl. Sauneron, Traité, 122 Anm. 3.

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§ 93b Des Weiteren: Saft von Klee, Honig. Sehr gut, getestet! § 94 Heilmittel fr das Vertreiben der Ohnmacht des Gebis[senen: jwsˇsˇ-Brei] (vi 4) aus Gerstenmehl, Koloquinte, Stierfett, d js-Samen, unterägyptischem Salz, Honig; werde zerrieben und glattgerührt mit […].¯ [Dann sollst du] damit den Patienten (vi 5) ganz [einsalben]. § 95a Eine Salbe, die gemacht wird fr einen an einem schmerzenden Biss Leidenden: Geierfuß, Schweiß, werde gesalbt […]. § 95b (vi 6) Des Weiteren: jbw-Samen, Behenöl, werde damit verbunden. Wirklich vorzüglich! § 95c Des Weiteren: weiße Zwiebeln, bdd-hk i-Pflanze, werde damit gesalbt und […] (vi 7) handwarm auf seinen Scheitel. § 96a Heilmittel fr einen Patienten, der ohnmchtig ist:  hm-Myrrhe 274) 1, frischer Weihrauch 1, Wein […] (vi 8) werde vom Gebissenen, der ohnmächtig ist, getrunken und sogleich wird er (wieder) sprechen. § 96b Des Weiteren: Rosinen 1, Akazienblätter 1, Ocker 1, […]; (vi 9) sogleich wird er (wieder) sprechen. Wenn es für einen von irgendeiner Schlange Gebissenen zubereitet wird, der ohnmächtig ist, wird er sogleich (wieder) sprechen. § 97a Die Rucherungen […] (vi 10) alle […]: Komm Große, beruhige mir Horus, vertreibe die Schwäche, die in ihm ist! Worte, zu sprechen über […]. (vi 11) Der Patient werde damit [beräuchert]. § 97b Des Weiteren: Steinmehl vom Mühlstein, werde auf das Feuer gegeben und der Patient damit beräuchert. Worte [darüber als Zauber] zu sprechen: (vi 12) O, diese […] des Horus, die aus dem Gebirge kommen! Der Gluthauch der Flamme – und umgekehrt – ist gegen einen Toten und eine Tote […]. [ … der eingetreten ist im Weste]n (vi 13) und der aus dem Osten herausgekommen ist. Das Abgetrennte ist gegen ihn, der Abscheu ist gegen ihn! § 97c Dann sollst du veranlassen, daß der Gebissene sitzt auf […] (vi 14) auf dem Feuer, werde dies (?) gegeben […]. § 97d Des Weiteren: […] zerbrechen […] (vi 15) gegen den Zustand seiner Zähne auf […]. § 98a [Worte zu sprechen ber …] beräuchern […] (vi 16) damit, um seinen Schweiß zu entfernen. § 98b Ein anderer Spruch: Oh, […], Große, Heilige, Herrin der Götter, […] (vi 17) der in seiner Kapelle ist! Wer behauptet von ihr, daß sie die Länder abwehrte mit diesem kleinen Tuch seines Gesichts? § 98c Worte, [zu sprechen ber … My]rrhe. (vi 18) Werde gegeben auf das Feuer; der Patient wird damit beräuchert während er begossen wird mit ms[t ]-Wasser […] (vi 19) bis er gesund wird. § 99a Ein anderer Spruch: Eine klagende Stimme ist in der Barke des Re wegen dieses Kopftuches 275). O Große im Himmel, die groß ist in […] (vi 20) Sie hat […] in ihrer Rage gegen dich! Werde auf ein dichtes Feuer gegeben. Worte zu sprechen über der Krank274. Es handelt sich laut Charpentier, Recueil, 173 §§34 u. 38, um ein Produkt aus Punt, vermutlich eine Myrrhenart. 275. Anspielung auf die Schlange.

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Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack

heit des qq (?), indem Brot gegessen wird […]; (vi 21) der Patient soll damit beräuchert werden, bis er gesund wird. § 99b Ein anderer Spruch: O Räucherung, wegen der die Götter kommen! Siehe, man kommt zum Gebissenen […], (vi 22) wenn die Götter springen! Nun denn, das Gift eines jeden Schlangenmännchens und -weibchens wird durch sie vertrieben, sie hentfernti es aus dem Bauch des NN, Kind der NN. […] (vi 23) Sie läßt das Feuer, das aus Hierakonpolis kommt, gegen das Feuer, das aus deinem Maul kommt, vorgehen! Worte zu sprechen ber dem Bruch […] (vi 24) der Patient; Werde auf das Feuer gegeben und er soll damit beräuchert werden. § 99c Ein anderer Spruch: O jenes Schilfrohr, das von Min stammt, […] komm heraus (?) […]. (vi 25) Komm zu mir, denn es hat Horus in Lebensgefahr gebracht. Also, er ist ausgetrocknet, weil es bei ihm ist. Veranlasse, daß du das [Gift] tötest! (vi 26) O, der sich dem Himmel zuwendet, falle auf den Magen des Feindes des Osiris! Mögest du veranlassen, daß jeder Gott, der leidet, [gesundet …]. [Worte, zu sprechen] (vi 27) ber h kr¯ Gewndern und Tchern, die auf erhitzte Steine und frisches Schilf gegeben werden. Werde besprengt […] (vi 28) Der Patient soll damit beräuchert werden, bis er gesund wird. § 100 Eine andere, sehr gute Rucherung: trockene Datteln 1, Natron 1, […] (vi 29) 1, nbh-Pflanzen 276) des Hügellandes 1, Koloquinte 1, Räuchergerät (oder) viele Töpfer˙ scheiben, werde [auf das Feuer gegeben und der Patient damit beräuchert.]

4. Demotische Texte zur Heilkunde

Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack 4.1 Einleitung

In diesem Abschnitt sollen demotische Texte aus verschiedenen Gattungen vorgestellt werden, die alle mit Krankheiten und dem Streben nach Gesundheit zusammenhängen. Den Kern bilden die im eigentlichen Sinn medizinischen Fachschriften. Wir besitzen aus der Spätzeit eine erstaunliche Menge davon, nämlich über 40 verschiedene Manuskripte auf Papyri oder Ostraka, davon 25 demotische. Doch das meiste ist bisher unpubliziert (s. aber den hieratischen Brooklyner Schlangenpapyrus im vorliegenden TUAT-Band). Demotisch wurde seit etwa 400 v. Chr. für medizinische Texte verwendet, zunächst neben der hieratischen Schrift, seit der Römerzeit fast ausschließlich. Angesichts der ungenügenden Publikationslage ist die medizingeschichtliche Stellung der demotischen Texte, bei denen es sich überwiegend um Rezeptsammlungen mit mehr oder weniger ausführlichen Handlungsanweisungen handelt, noch nicht klar zu beurteilen. Es zeichnet sich aber bereits deutlich ab, daß die weiterhin starke ägyptische Tradition Mesopotamisches und Griechisches rezipiert hat. 276. Charpentier, Recueil, 382 §608, verweist auf bh und bhh, was aber seinerseits eine unbekann˙ ˙˙ te Pflanzenart ist.

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Ergänzend treten in der vorliegenden Textauswahl u. a. Priestervorschriften, juristische Texte, Gebete etc. hinzu, sofern in ihnen das Thema Gesundheit eine zentrale Rolle spielt. Nicht aufgenommen haben wir stärker magische Texte wie etwa den gynäkologischen pBerlin P 13602 277) oder Texte zum Schadenszauber. Auch in Erzählungen können Gesundheit und Krankheit eine Rolle spielen: Schwangerschaft und Geburt kommen wiederholt vor, 278) Lepra als Strafe erscheint in der Geschichte von Bes x+3,24-29 279), die Verwicklung des Leibarztes Pharaos in ein gescheitertes Mordkomplott in Chascheschonqi (= Anchscheschonqi) 2,x+6 ff. 280). Im pKrall 2,11 f. wird ein »Kur«aufenthalt in Mendes erwähnt 281), Pharaos Heilung von Blindheit in der Pheros-Erzählung (= Herodot: Historien II 111) 282), Göttliche Hilfe im »Beistand der Isis« Krugtexte B,17-21 283). Besonders schlimm erwischt es Petesis, der im pRylands IX 2,9-3,3 davon berichtet, wie er mit Knüppeln geschlagen und für tot liegengelassen wird. Er ist vier Tage bewußtlos und anschließend noch drei Monate in ärztlicher Behandlung, bis seine Wunden verheilt sind. 284) In Lehrtexten machte man sich u. a. Gedanken zum rechten Umgang mit Krankheit: »Unterschätze eine kleine Krankheit, die Arznei erfordert, nicht; nimm die Arznei!« 285) »Jede Krankheit ist schmerzlich; der Weise ist es, der es versteht krank zu sein.« 286) Sogar in funerären Texten kommt das Thema zur Sprache, wollte man doch auch in der Ewigkeit des Jenseits »gesund« sein. 287)

4.2 Vorstellungen vom göttlichen Heilen (Thotbuch)

Die in der Erstedition als »Thotbuch« bezeichnete Komposition (der ägyptische Originaltitel ist »Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis«) wurde erst vor kurzem erstmals publiziert, doch kommt man inzwischen in vielen Punkten schon weiter. 288) Der Text ist in zahlreichen demotischen Handschriften der spätptolemäischen und römischen Zeit belegt. Inhaltlich geht es um einen Kandidaten, der sich in 277. W. Erichsen, Aus einem demotischen Papyrus über Frauenkrankheiten, MIO 2 (1954) 363377. Eine zweite Kolumne ist noch unveröffentlicht. 278. Setne I 3,6-8 (F. Hoffmann / J. F. Quack, Anthologie der demotischen Literatur (Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie 4), Berlin 2007, 139; Setne II 1,1-10 (Hoffmann / Quack, Anthologie, 119). 279. Hoffmann / Quack, Anthologie, 58 f. 280. Hoffmann / Quack, Anthologie, 276 ff. 281. Hoffmann / Quack, Anthologie, 63. 282. Hoffmann / Quack, Anthologie, 176. 283. Hoffmann / Quack, Anthologie, 180. 284. Hoffmann / Quack, Anthologie, 25. 285. pInsinger 24,2 (Hoffmann / Quack, Anthologie, 263). 286. Chascheschonqi (= Anchscheschonqi) 26,x+9 (Hoffmann / Quack, Anthologie, 298). 287. pLondon British Museum 10507 2,14 (M. Smith, The Mortuary Texts of Papyrus BM 10507 [Catalogue of Demotic Papyri in the British Museum 3], London 1987, 37). 288. R. Jasnow / K.-Th. Zauzich, The Ancient Egyptian Book of Thot. A Demotic Discourse on Knowledge and Pendant to the Classical Hermetica (Wiesbaden 2005). Vgl. dazu J. F. Quack, Die Initiation zum Schreiberberuf im Alten Ägypten, SAK 36 (2007) 249-295; ders., Ein ägyptischer Dialog über die Schreibkunst und das arkane Wissen, ARG 9 (2007) 259-294.

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einem Dialog mit mehreren Fragern ausweisen muß, arkane Geheimnisse der ägyptischen Wissenskultur zu kennen. Der komplexe Text arbeitet dabei mit schwierigen Anspielungen und Sprachbildern. Im hier übersetzten Abschnitt geht es darum, daß der Kandidat davon berichtet, wie er auf Streifzügen durch eine Landschaft mit vielen Wasserläufen eine Gruppe übermenschlicher Lebewesen erreicht, die auch die Fähigkeit besitzen, Heilung selbst in solchen Fällen durchzuführen, die nach medizinischen Fachbüchern nicht mehr behandelbar wären. Dabei spielt die Erlösung von Sünden (welche offenbar als Grund dieser Leiden betrachtet wurden) eine wesentliche Rolle. … Ich fand sechs Ruderer, die (8/9) dasaßen, indem sie vereint waren, indem sie in einer Redeweise priesen, (8/10) indem sie die Herzen vereinten mit denen von Ober- und Unterägypten zu den Ländern, (8/11) welches ihre Herrin ist. 289) Siehe, sie haben keinen Feind, sie verbergen sich nicht, (8/12) während sie (die) krankhafte Fundierung niedertreten, während sie ein Leiden heilen, (8/13) für das es kein Buch gibt, indem sie Sünden mit ihren Aussprüchen abwischen, (8/14) indem sie einen Mann vor seinem Schicksal retten, während sein Tod (8/15) hinter ihm dasteht. (B04, 8/8)

4.3 Rezepte aus einer medizinischen Sammelhandschrift (pWien D 6257)

pWien D 6257 stammt aus dem Fayum und ist ins 2. Jh. n. Chr. zu datieren. Heute befindet sich der Papyrus in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Die bisherige Publikationslage 290) kann nur als desolat bezeichnet werden. Eine Neuedition, der hier nicht vorgegriffen werden kann, bereitet F. Hoffmann vor. Sie wird in den Mitteilungen der Papyrussammlung Erzherzog Rainer (MPER) erscheinen.291) Der Leser wird dort die notwendigen Begründungen dafür finden, warum die hier bereits vorab in Auszügen publizierte Übersetzung von der bisherigen Standardedition so weitgehend abweicht. In seinem jetzigen Zustand umfaßt der Wiener Papyrus insgesamt sechs Kolumnen mit an die 190 medizinischen Rezepten gegen verschiedene Krankheiten. Im Wiener Papyrus werden bemerkenswerterweise hieratische (hier in Kapitälchen wiedergegeben) und demotische Schrift gemischt nebeneinander verwendet. Die Rezeptanfänge sind mit roter Tinte geschrieben (hier steht dafür Fettdruck), so daß sie sich

289. Oder »deren Herrin Isis ist«. Die Parallelhandschrift B11, 1/5 beendet mit tı’ den Vers, während in B04 noch ein Zeichen steht, das der Gruppe für »Isis« entsprechen würde. 290. E. A. E. Reymond, From the Contents of the Libraries of the Suchos Temples in the Fayyum. Teil 1: A Medical Book from Crocodilopolis. P. Vindob. D. 6257 (MPER 10), Wien 1976. 291. C. Römer (Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek) und E. Schuhmann (Verlag de Gruyter) sei herzlich für die Erlaubnis gedankt, hier bereits Auszüge aus dem Text in Übersetzung vorlegen zu dürfen.

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von dem normalen Schwarz abheben. Eine einleitende Überschrift oder einen Vorspann zum Gesamttext gibt es nicht. Der Wiener Papyrus ist eine Sammelhandschrift, in der in mitunter bunter Folge knappe Rezepte und solche mit ausführlicheren Behandlungsanweisungen nebeneinander stehen. Wie sich an dem unterschiedlichen Alter der im Text vorkommenden sprachlichen Erscheinungen ablesen läßt, ist er seit dem 7. Jh. v. Chr. kontinuierlich erweitert und verändert worden. Der Wiener Papyrus selbst dürfte die Abschrift einer frühptolemäischen Vorlage sein. Die Bedeutung von pWien D 6257 für die Erforschung der spätägyptischen Medizin wird noch dadurch gesteigert, daß sich in dem Text mehrfach semitische und griechische Drogennamen und einmal auch ein persisches Hohlmaß finden. [für das Töt]en eines Wurmes im Leib: Wermut, der ..[.] ist, 10 Kite 292); Salz, [..] Kit[e; … … …] (1,2) 2. Er sagt ihnen: »Seht!« … geben: Scherbe, 2 Kite; Asphalt, 2 Kite; [a]r[abischer] Weihrauch, [… ; … … ; …], (1,3) (ein) Lok. 293) Kochen in Ruhe. Es (= das Heilmittel) läßt ihn (= den Wurm) steif sein. Gut, gut, indem es erprobt ist! Heilmitt[el für … … …]; (1,4) Myrrhe. Fein zerreiben; damit pudern. Gut, gut! Heilmittel für einen Nabel eines Kindes, der .[.. … …] (1,5) Fein zerreiben; an ihn geben. Heilmittel: Kochen von Nahrung, (so daß) (der) Magen aufhört, […] zu sein/tun […].[..]..[… …]: (1,6) Gericht von Kohl am Mittag, das gekocht ist mit anemes[..]-Holz, […]; Zunge [.].[.., … ; … … …], (1,7) 1; Wicke in entsprechender Menge; heißes Wasser, Halblok. Trinken in dem … .[… Ein anderes: Mil]ch von Mohn ..[… … Ein anderes: …, …]; (1,8) Dattel(n), 200; Dillsamen; Wasser, Halblok. Fein zerreiben; durchpre[ssen]; trinken […] Ein anderes: Gut, gut! [… … Fein zerreiben]; (1,9) durchpressen; trinken. Ein anderes: djerem-Pflanze; Wermut; Wasser. Fein zerreiben; durchpressen; trinken. Ein anderes: Auf[hören lassen] von [Hust]en, indem man [(den) Schleim zusammen mit ihm] fortnimmt: [… …] (1,10) Ein anderes: Husten aufhören lassen, in[dem] man (den) Schleim zusammen mit ihm fortnimmt: Beeren vom aru-Baum, ¼; […], 1. Kochen [..] Ta[ge … …] …… (2,x+13) … … Ein an[deres] Heilmittel des Puderns: [jeglichen Abszeß] herausgehen lassen: (3,1) djisef-Körniges von Kupfer, (eine) Kite; reines Auripigment, (eine) Kite. Fein zerreiben; auf sie geben, nachdem du vorher [ihn ein ›Arztmittel‹] hast [machen las]sen [… …] vorher. Du sollst (3,2) die Abszesse salben (mit) Menschenmilch, [a]uf(s) Fe[uer] gestel[lt]. Du sollst ihn (= den Patienten) mit dem trockenen Heilmittel pudern [… … .].. Du sollst (3,3) d[ie] Abszesse (auf)stechen hmiti ei[ner Na]del, hum zui erkennen, ob Blut in ihnen ist. Du so[ll]st [… … ob]en (genannt), b(3,4) is du erkennst, daß (1,1) Heilmittel

292. 1 Kite ist ein Gewicht von ca. 0,9 g. Diese Gewichtseinheit wird im Wiener Papyrus wohl auf zweierlei Weise geschrieben, entweder ausführlich oder abgekürzt. Die ausgeschriebene Variante wird in der vorliegenden Übersetzung als »Kite« wiedergegeben, die Abkürzung, deren Lesung aber noch nicht ganz gesichert ist, als »K(ite)«. 293. Hohlmaß von ca. 0,4 l. Das größere Lok von etwa 2,4 l kommt wohl nicht in Frage.

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kein Blut in ihnen ist (und) sie abgestorben sind. (Dann) sollst du sie mit dem Rasiermesser (weg)schneiden. Du sollst geb[en … Ein anderes des Beseitigens] eines Abszesses: (3,5) werschek-Körniges, ¼ Kite; Salz, ¼. Fein zerreiben mit Wasser; nut-Stoff benetzen gemäß der entsprechenden Menge Honig; geb[en … … entsprechend dem], w[as] oben (angegeben) ist, vorher. (3,6) Ein anderes des Beseitigens eines Abszesses nach seiner Entfernung mit: erhitztem Kupfer, ¼; reinem Auripigment, ¼; chalkitis-Vitriol, [… ; … … ; …].. (3,7) Fein zerreiben; m[it] ihm pudern. Ein anderes: .[..].; meschi-Mineral. Entsprechend dem, was oben (angegeben) ist. Ein anderes: Ladanum (Zistrosenharz); (sub-)fossiles Harz. Entsprechend dito. …… (3,17) … … D]ie [Heil]mit[tel für] die Ohren: Die Heilmittel des Be[seitigens des] ›Wütens‹ des Oh[res] (und) des ›geschwind‹ sein Lassens seines Hörens: (3,18) qeqiPflanzen- (= Rinden[?]-)saft, 1⁄40; Wurzel von wirklichem Rettich, 1⁄10 K(ite); Salz, 1; Wicke, in entsprechender Menge; [Ziegen]blu[t, in entsprechender Men]ge; Salböl von [..]..t-Pflanze, ¼. Fein zerreiben; zu ihm geben. (3,19) Ein anderes: frischer Weihrauch; Rose. Durchpressen; zu ihm geben. Ein anderes: Beseitigen von Schmerz (des) Oh[res]: ..[..; …] Fein zerreiben; zu ihm geben. Ein anderes: Syrischer Wermut; Wasser. Es geben (3,20) in einen Topf; eine Schale auf seine Öffnung geben, indem ein .tit-Gefäß .[… …] ihre (= der Schale) Öffnung. Du sollst veranlassen, daß Lehm … zu seinem [… (3,21) Du sollst] ver[anlas]sen, daß s[e]in Dampf hochsteigt heraus. Feuern unter ihm, bis er [… … ›geschwind‹ das Hör]en s[ei]nes [O]hres an dem Roh[r …] (3,22) Der Rauch [pflegt] in ihm [zu ge]hen. Ein anderes: Nilakazienblätter; meschi-Mineral hohnei feines Zerreiben; Wasser. Das O]hr daran[geben], indem zwei Rohre in einer Schale sind. [Es pflegt] (3,23) er (= der Dampf) in ein[e]m von ihnen [zu gehen], während du in das andere bläst. Ein anderes: schwarze Wicke; Menschen[mi]lch; Milch von Mohn. Zu ihm geben. Ein anderes: gekochter Wein; .[…]; (3,24) Rosen[öl]. Erhitzen; zu ihm geben. Ein anderes: Beseitigen von Ohrstörung: [Sal]z; retem-Baum-Saft. Zu ihm geben. Ein anderes: Beseitigen einer Krankheit [des] (3,25) [Ohr]es. Gut, gut! (Muschel-)Schalen-djer-Fisch. Ihn erhitzen; zu ihm geben. Ein anderes: Ohreiter löschen: Essig; ›gekochtes‹ Kupfer. Fein zerreiben; zu ihm geben. Ein anderes: (3,26) [Sal]z; …-Flüssigkeit. Entsprechend dito. Ein anderes: Mäusekot; gekochter Wein. Zu ihm geben. Ein anderes: Myrrhe; Alaun; Honig. Es ist gut. Ein anderes: Beseitigen einer Störung eines Ohres, (3,27) [Eiter] (ist) in ihm: sefi-Öl; Honig; Realgar. Fein zerreiben; zu ihm ge[b]en. Man pflegt einen hetui-Stoff zu machen mit/in kochendem Wasser bei jeder Krankheit des Ohres. Heilmittel des Beseitigens (3,28) [von …]. des Nackens in der Umgebung [d]es Ohres: Fett; Salz; Zwiebel. Als Packung machen; zu ihm geben. Ein anderes: Zwiebel; aam-Pflanze; Öl. Entsprechend dito. (3,29) [Ein anderes: Beseitigen] von Verkrümmung des Nackens: hebit-Pflanzensamen;

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nai-Körniges; betet-Pflanze; Dillsamen. Fein zerreiben mit Wein und Hennasalbe; Asphalt. Durchpressen (3,30) [… St]örung; fein zerreiben; verbinden ber sie. Ein anderes: qepen-Pflanze; Dillsamen; Öl; Wachs. Ebenso. Ein anderes: Weizen; Kreuzkümmel; Fett; Weihrauch; wadj-Papyrus. Ebenso. Heilmittel (3,31) [des Beseitigens] von Eiter einer jeglichen Wunde: Olivenbaumsaft; h…-Körnigesi, das man anmeru[.] nennt. Fein zerreiben mit Wasser. Zu jedem chetep geben, das Eiter hervorbringt, (gleichartig) auch bei jedem … (3,32) [Ein anderes: …-Körniges von senbi]nef-Pflanze, das/die gekocht ist, das/die man rebukin nennt; Saft von bebat-Pflanze; Rose. Fein zerreiben; zu ihm geben. Ein anderes: .li-Pflanze; Salböl; (3,33) [… ; ..]renek-Pflanze; anqi-Pflanze; Honig. Fein zerreiben; zu ihm geben. Ein anderes: weschebi-Mineral; ›Pulver‹ von Honig (= Zuckerkristalle?). Zu ihm geben. Heilmittel: Sitzen lassen (3,34) [… …]: betet-Pflanze; Honig; Wasser. Trinken – Variante: Fein zerreiben; Kgelchen machen; schlucken. Ein anderes: cherii-Pflanze; Natron; Essig. Fein zerreiben; Kgelchen machen; (3,35) [… …]. Und man soll ihn an seinem (= des aktuellen Tages) nächsten Tag ein ›Arztmittel‹ machen lassen: Blatt von auschet-Baum; Natron; Wasser. Giessen [in] seinen [After. (3,36) Ein anderes: … … ; Hon]ig, gemäß der entsprechenden Menge. Essen finger(quantums)weise. Und er soll ein ›Arztmittel‹ (an) seinem nächst[en T]ag machen. Ein A[nderes]: [be]te[t]-Pflanze, ..; (3,37) [… … ; … …]; Wasser, ein Halblok. Fein zerreiben; durchpressen; trinken, fünf Tage lang. Man pflegt es zu mach[en] für den Mann 294), der sei[n …]. nimmt (3,38) [… …]. ›Arztmittel‹ : Einen Mann sitzen lassen, ein Madenwurm, den man ›Schlange‹ nennt – Variante: [..].[ – (ist) in seinem Bauch]: (4,1) Blätter vom auschet-Baum, 1⁄10 K(ite); Natron, 1⁄8; Saft von …[.-Pflanze, ..; … … ; … …] sie, (4,2) ohne daß ihr Finger in ihren After gelangt. Wasser [… ; … … … …] (4,3) Ein anderes: Honig; Öl; Salz; Wasser. Ebenso. …… (4,27) … … Heilmittel [des] Entfernens von schlechtem Wasser (der) Gebrmutter: schwarze qera-Pflanze [… ; … … ; …]…[… … …] (4,28) in ihr Genital geben am Morgen (und) Abend. Heilmittel: Blut schicken [… … : … … ; … … … …] (4,29) ihn in ihre Genitalien gehen lassen. Man pflegt keinen fefa-Stoffgegenstand mit ihm zu geben. [Hei]l[mittel … … : … … ; …], (4,30) 1⁄8; nin-Vogel-Kraut, 1⁄8; Samen von geschutPflanze, 1⁄8; Fein zerreiben; einen Becher nehmen; 1⁄10 K(ite) in ihn geben ..[..]…[…]… […] (4,31) Viertel von Lok. (Vom Feuer) nehmen; dazugeben: Honig, 1⁄30; Öl, 1⁄8. In [ihren] After giessen […]. stark. Gib dazu das 1⁄8 der Heilmi[tel …] Tue nicht [… … (4,32) Heilmittel des Veranlassens, daß ein Mann aufhört zu fiebern: nin-Vogel-Kraut, 1 ⁄10 K(ite); [Bl]ät[te]r von ben-Pflanze, 1⁄10 K(ite); senbinef-Pflanze, 1⁄8; ssses Bier, vier [Lok]; ..[… …] (4,33) Durchpressen; morgens trinken. Der Mann pflegt keine Nahrung zu essen an diesem nämlichen Tag. 294. »Mann« ist die normale Bezeichnung für den Patienten.

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Ein anderes: eine starke/feste serefet-Hautentzündung aufhören lassen: …[..] …, 1⁄8; [… …]; (4,34) apesten-Pflanze, 1⁄8; setjaab-Pflanze, 1⁄8; senbinef-Pflanze, 1⁄8; ssses Bier, vier Lok. (Ein)kochen bis auf 2 Lok; Schaum (weg)nehmen; ..[.. Wenn] (4,35) die achte Stunde kommt, soll er trinken: aam-Pflanzen-Saft, der gekocht ist, 1 Lok; n[a]i-Körniges, ¼ K(ite); qehes-Pflanze, ¼; Raute mit ›Ölessig‹. Er pflegt [ke]ine [Nahrung] zu esse[n an] (4,36) diesem nämlichen Tag. Heilmittel für einen Mann, der krank ist, indem er ›ko[cht]‹ [… … : Mönchspfeffer, ¼; nai-Körniges, ¼; betet-Pflanze, 1⁄8; Klee, h…i; 1 Gallhei. Und man soll sie (= die Galle) machen mit (4,37) Durchbohrung, zweimal. Eselsurin, 4 [½] Lok. (Ein)kochen [bis] au[f] 4 [Lok]; (vom Feuer) nehmen. Und man soll sie (Pl.) wieder zerstampfen. Und man soll (dazu)ge[ben] Honig, 1⁄30; Öl, 1⁄8; (4,38) Rindermilch, 2 Lok. In seinen Af[ter] giessen. [ Heilmittel: Beseiti[gen von .]. eines Kindes, das an einer ›Furcht‹ leidet, indem ein Ger[äu]sch in seiner Brust ist wie (4,39) ein Geräusch eines Vogels: Papyrus, geworfen auf Milch; […] in entsprechender Menge in einer (Muschel-)Schale. Dazugeben: Honig, 1 ⁄8. Zu seinem Mund gießen. (4,40) Heilmittel des Beseitigens von Husten: Koriandersamen; setjakem-Pflanze; […].; nubischer Ocker; frischer Weihrauch. Fein zerreiben; hini eine Schale geben, d[ie] hmiti (glühender) Kohle gefüllt ist. Und du sollst umdrehen (4,41) eine andere Schale zu ihrer Öffnung, (5,1) ihr Boden durchbohrt. Und du sollst ein Schilfrohr i[n die] Schale stecken. Und der Mann soll seinen Mund hani das Rohr geben. Und er soll den Rauch hinauf zu seinem Mund ziehen. Wenn er Reiz sp[ürt] (5,2) [durch] Tropfen oder Schaum: …-Flüssigkeit [… … die] Heilmittel. Er soll ssses Bier trinken. Er soll davon ausspukken. Er soll (als) seine Nahrung bereiten: Fleisch; Auge 295). Ein anderes: ..[.., (5,3) …]; Realgar, ½ K(ite). [F]ein zerreiben; entspre[chend dito. Ein anderes:] Schwarzes […]-Körniges; Wermut; tepen-Pflanze; Realgar; m.[…]i-Körniges. Fein zerreiben; entsprechend dito. Wenn er Reiz sp[ürt]: (5,4) […-Flüssigkeit]; Wasser und Honig. Er soll [davon] ausspu[cken. Er soll seine Nahrung bereiten; entsprechend dit]o. Heilmittel (gegen) Hautflechte (und) Falte: Kresse, ein [ke]pe[dj-Maß] 296); Senf, ein kepedj-Maß; (5,5) Senfrauke, 3; setjakem-Pflanze, [..; … …] Fein zerreiben mit Essig; [auf sie (= die Hautflechte oder Falte)] binden zwei Tage lang. …… Heilmittel: einen Wurm im Leib töten: Rinde von Holz von ..n-Baum, 2 Deben 297). Waschen; ..[.. … … (6,7) ..].. Geben (von) Salz, 1 Deben, auf ihre Oberfläche; dazugeben: Wasser, 3 Lok, kochen; morgens trinken. Nachdem er Wasser getrunken hat: Salz, 1; [… … ; … (6,8) … …].[.].; frische R[au]te; Salz; Honig; Wasser. In seinen After giessen. Wenn er das Heilmittel, das oben (angegeben) ist, trinkt und er zu sit[zen] wünscht [… … (6,9) … …].[..] von dem / für den Wurm, der hini seinem Leib ist. Du sollst ihn danach trinken lassen von Wasser (und) Saft des Koriandersamens. Er soll essen: aki-Pflanze mit [… … (6,10) … 295. Wohl ein Fehler für »Salz«. Die demotischen Schreibungen von »Auge« und »Salz« sind einander sehr ähnlich. 296. Ein persisches Hohlmaß von 0,1 l. 297. 1 Deben entspricht etwa 91 g.

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Heilm]ittel für (das) Ohr: qera-Pflanze(nsaft), 1 Lok; Salz, ¼ K(ite); …-Flüssigkeit, ¼. Trinken, vier Tage lang. Heilmittel des Beseitigens [… … … … ; … … (6,11) … …] Heilmittel des Beseitigens jeglicher Krankheit des Afters: frischer tebiPflanzen-Saft, 2 Lok; Honig, 1⁄30; [… … Fein zerreiben; in seinen After giessen. (6,12) Ein anderes: … … ; … …]; Kuhmilch. Ebenso. Ein anderes: frische Datteln; …-Körniges von Nilakazie; Salz; Wasser. [En]tsprechend dito. …… (6,36) … … Heilmitt[el (gegen)] jeglichen [Absze]ß [der Gebrmutter: … …]; (6,37) ra-Baum, 1⁄32; Niltamariskensaft, 1⁄32; Myrrhe, 1⁄60. Fein zerreiben; in [ihr] Genital geben. [Ein anderes: ..]. von Wasser/Saft .[..; … … … …] (6,38) auf ihr … beba-Pflanze. Fein zerreiben [m]it Menschenmilch. In ihr Genital geben. Heilmittel …]. ..[… …] (6,39) Frau, die nicht rein ist: [.]…[.] Fein zerreiben mit sssem Bier. [Durchpressen]; trinken; .[… … … Heilmittel des Nicht]zulassens, (6,40) daß eine Frau schwanger wird, indem es erpr[obt] ist: [..]i-Stein von … … Fein zerreibe]n mit Urin [von … … …] (6,41) ihr dritter Menstruationstag. [Sie wird] rein sein morgens an ihrem vierten [Menstruations]tag [… …

4.4 Pflanzen- und Steinbeschreibungen sowie Rezepte vom Verso des magischen Papyrus von London und Leiden

Der große demotische magische Papyrus von London und Leiden stammt angeblich aus einem umfangreichen Fund von Papyri vorrangig magischer, daneben auch alchemistischer Natur, von denen die meisten anderen griechisch beschriftet sind. Die Handschrift wurde Anfang des 19. Jahrhunderts vom Konsul Giovanni Anastasi in zwei Teilen erworben, von denen einer an das Museum in Leiden, der andere an das British Museum verkauft wurde. 298) Der Text enthält neben magischen Ritualen auch einige medizinische Anwendungen, die speziell an bestimmten Stellen der Handschrift konzentriert sind. Eine erste Gruppe steht auf der Vorderseite des Papyrus (S. 19-20). Sie besteht aus Rezepten zur Behandlung von Biß- und Stichwunden, Fremdkörpern in der Kehle sowie Vergiftungen. Aufgrund ihres hohen Gehalts an Beschwörungsformeln sind diese Sektionen hier nicht übersetzt worden. Daneben enthält der Papyrus auch Rezepte für Lähmungen, Schlaganfall und tödliche Gifte. Ferner gibt es auf der Rückseite der Handschrift eine Reihe von kurzen Kolumnen mit Notizen zu technischen Verfahren, Mineralien- und Pflanzenkunde. Die Texte auf der Rückseite des Papyrus sind ausschließlich im oberen Bereich der Rolle ange298. Edition F. Ll. Griffith / H. Thompson, The Demotic Magical Papyrus of London and Leiden, London 1904-1909; englische Übersetzung J. Johnson, in: H. D. Betz (Hg.), The Greek Magical Papyri in Translation including the Demotic Spells, Chicago 1986, 195-251. Für die magischen Hauptteile der Handschrift vgl. die Exzerpte TUAT.NF 4, 354-350.

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bracht, wohl um zu verhindern, daß sie von den Fingern abgerieben werden, wenn man die Rolle auf der Vorderseite benutzt. Rubra in der Handschrift sind durch Fettdruck markiert. (vs. 1,1) »Augenbraue

des Sonnengottes«: Ophrys Heliou. des«: Ophrys Selenes. (1,3) Das sind Kräuter. (1,4) Heliogonon. (1,5) Selenogonon. (1,6) Das (1,7) Wolfsmilch: 299) (1,8) welches (1,9) die

Milch absondert. (1,11) bildet sie Blasen.

(1,2) »Augenbraue

des Mon-

sind Kräuter.

diese kleine Pflanze ist, die sich in den Gärten befindet, du ihre Milch an die Haut eines Menschen gibst,

(1,10) Wenn

(2,1) Chamemelon:

»reines Stroh« ist sein Name. (2,2) Leukanthemon: »Pferdestirn« 300) ist sein Name. »Es-gibt-nichts-besseres-als-mich« ist sein Name. (2,4) Chrysanthemon: »Schöngesicht« ist sein Name; das bezeichnet die goldene Blüte (2,5) des Kranzmachers. Ihr Blatt ist hart, ihr Stengel ist …, (2,6) ihre Blüte ist golden, ihr Blatt ist wie das der Krinanthemon-Pflanze. (2,3) Krinahnithemon:

(2,7) Das

Magnesia; (2,8) Magnesia. 301) (2,9) Ein … Stein, der schwarz ist wie (2,10) Antimon. Wenn du ihn zerreibst, ist er schwarz.

(2,11) Magnes: 302)

Das lebende Magnes; man holt es. 303) (2,12) Maknes: Wenn du es reibst, ist es schwarz. (2,13) Das menschliche Mahgines: Man holt es aus (2,14) Antiochia. 304) Wenn du es reibst, (2,15) sondert es Blut ab. 305) (2,16) Um

deinen Feind niederzuwerfen: (2,17) Eine Schabe, und du verbrennst sie mit Styrax, (2,18) und du verreibst sie mit einer Kite Apfel (2,19) und einem …, und du verreibst sie miteinander, 306) (2,20) und du gibst einen Tropfen von deinem Blut dazu. 307)

(3,1) Rezept,

um [niederzuwerfen: Galle der Hornviper,] (3,2) Samen vom Apfel der Unterwelt, Giftkraut, (3,3) gemeinsam zerreiben und zu einer Pille machen, in den Wein geben und trinken (lassen).

(3,4) Tartarsalz: (3,5) Das

ist ein weißer Stein, der wie (3,6) Galbanum ist. Es gibt noch einen anderen, den man (3,7) zu Brandkalk macht. Das Verfahren, um zu erkennen, ob er echt ist: Wenn du ein wenig (3,8) mit Wasser verreibst und es (3,9) einen kurzen Moment auf die menschliche Haut reibst, dann (3,10) zerfrißt es die Haut.

299. 300. 301. 302. 303. 304.

Griechisch. Ob hntı’-htr zu lesen? ˘ ˙ Griechisch. Griechisch. Die Angabe der Herkunft fehlt. Identifizierung unsicher, aber die Schreibung spricht eindeutig gegen das bisher angesetzte »Indien«. 305. Gemeint ist wohl ein hämatithaltiges Mineral, das rötlich wird. 306. Reuvens Faksimile (C. Leemans, Papyrus égyptien démotique à transcriptions grecs du Musée d’antiquités des Pays-Bas à Leide, publié d’après les ordres du gouvernement, Leiden 1839, Taf. XII) spricht für ncˇ n w2 sp. 307. In Reuvens Faksimile ˙scheinen mindestens sn[f] und [r].r=s ausreichend deutlich.

306

Texte aus Ägypten (3,12) Mondschaum: (3,11) Sein

griechischer Name ist Aphroselenon. 308)

(3,12) Das

ist ein

weißer Stein. (3,13) Rezept,

um eine Frau einen Mann lieben zu lassen: Akazienhülsen, (3,14) mit Honig verreiben, seinen Phallus damit einreiben, (3,15) und du 309) schläfst mit der Frau.

(3,16) Mondschaum:

Das ist ein weißer Stein, der wie Einzelsplitter verreiben wie Realgar.

(3,17) Glas

ist; er läßt sich in lauter

(4,1) Rezept

für ein Ohr, das näßt. (4,2) Salz, mit gutem Wein erhitzen, (4,3) und du gibst (es) daran, nachdem vorher abgewischt wurde, (4,4) und (zwar) mißt du eine (Kite) Salz ab, kochen mit Wein, (4,5) und du gibst es vier Tage lang daran.

(4,6) Salamander: (4,7) Eine

kleine Echse, (4,8) welche die Farbe von Chrysolith hat (4,9) und

die keine Beine hat. (4,10) Widderhorn,

Kephalike ist sein Name; (4,11) eine Pflanze, die wie ein Busch wilder Fenchel ist. Blatt und ihr Stengel sind eingeritzt wie (4,13) die »menschenliebende« (Pflanze). Du sollst sie trocken zerreiben, sieben (4, 14) und zu einem trockenen (Pulver) machen, und du gibst es an jede Wunde, (4,15) dann verheilt sie. (4,12) Ihr

Tamoniake: (4,16) Es wächst wie die slom-Pflanze (4,17) hinsichtlich seines Blattes. Seine Samen sind umschlossen (4,18) wie die der »Widderhorn-Pflanze«. (4,19) An seiner Außenseite treibt es kleine Dornen. (5,1) Rezept,

um eine Blutung zu stillen: Saft von der »große-Überflutung«-Pflanze Bier, und du läßt die Frau morgens davon trinken, (5,3) bevor sie gegessen hat. Dann hält es inne. (5,4) Das Verfahren, um bei einer Frau zu erkennen, ob sie schwanger wird: Du läßt (5,5) die Frau auf diese oben genannte Pflanze wiederum abends urinieren. (5,6) Wenn der Morgen kommt und du diese Pflanze (5,7) verwelkt findest, wird sie nicht schwanger werden. Wenn du sie (5,8) grünend findest, wird sie schwanger werden. (5,2) mit

(5,9) Rezept,

um Blut aufzustauen: 310) Blätter der schischa-Pflanze, (5,10) Blätter der »Fliegenkupfer«-Pflanze, frisch; verreiben, an dich geben, wenn du mit der Frau schläfst.

Ein anderes: Myrrhe, (5,11) Knoblauch, Gazellengalle; verreiben mit dem Wein; an dich geben, wenn du mit ihr schläfst. (5,13) Asphodelos: (5,14) Das

bezeichnet die wilde Zwiebel. zeichnet den wilden Knoblauch.

(5,12) altem

duften-

(5,15) Chelkebe: (5,16) Das

be-

(6,1) Rezept,

um (Blut)fluß 311) bei einer Frau zu heilen: Das erste Medikament: Salz mit Öl, zerreiben, … 312) zwei Tage lang. (6,2) Nach den zwei Tagen das zweite Rezept: Weißblei, und du zerreibst es sehr gründlich mit ein wenig Salzlake des Ölhändlers, 308. 309. 310. 311. 312.

Zeile 3,11 ist eigentlich eine supralineare Notiz, die nachträglich über 3,12 gesetzt wurde. Der Text schwankt hier zwischen zweiter und dritter Person. Für sˇ2t in Verbindung mit Flüssigkeiten vgl. pVandier 2,1; pInsinger 21, 21. ˆ »Wasser«. Wörtlich Möglicherweise ein Verb der Applikation sowie n=s »ihr«.

307

Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack (6,3) und

du gibst gutes Olivenöl 313) dazu sowie ein Ei, und du zerreibst es, und du holst einen Bausch (6,4) von feinen Leinenstoff, und du tunkst ihn in dieses Medikament, und sie soll im Bad eintauchen und (sich) (6,5) in gutem Wein waschen, und du sollst den medizinischen Bausch in sie hineinstecken und mit ihm auf- und abgehen 314) innen (6,6) und außen in ihrer Gebärmutter für einen kurzen Moment in der Art des männlichen Phallus, bis das Medikament (6,7) einwirkt, und du holst ihn heraus, und du läßt sie bis zum Abend. Wenn der Abend kommt, tunkst du einen Tampon in echten Honig (6,8) und steckst ihn in sie hinein bis zum Morgen, drei – Variante: vier – Tage lang. (7,1) Ein anderes danach: Saft von einer gekochten Gurke, ein Maß; Saft von der »Katzenohr«-Pflanze, ein Maß, gemäß dem Maß (7,2) eines Bechers, und du gibst einen Dekanter guten Wein dazu, und sie trinkt es tagsüber, ohne daß sie (7,3) sonst irgendetwas gegessen hätte, nachdem sie vorher im Bad eingetaucht ist. Wenn der Abend kommt, steckst du den Bausch mit (7,4) Honig in sie hinein, wie oben angegeben, sieben Tage lang. Ein anderes danach: Du holst einen neuen Teller, und du gibst (7,5) zehn Dekanter süßen alten Wein hinein, und du gibst eineinhalb Kite frischen Roggen dazu vom (7,6) Morgen an den Tag über, und sie soll im Bad eintauchen und herauskommen und es trinken. Wenn der Abend (7,7) kommt, sollst du Honig in sie hineingeben, wie oben angegeben, wiederum, sieben Tage lang. (8,1) Gicht: (8,2) Du

läßt den Mann sich setzen und plazierst Ton unter den Füßen des Mannes, (8,3) und du gießt Essig 315) nach, während sein Fuß auf ihm ist. Du fragst (8,4) den Mann drei Tage lang, ob er schon gehört hat. Danach holst du eine Ameise, (8,5) du kochst sie mit Hennaöl, du reibst seine Füße (8,6) damit ein. Wenn du fertig bist, holst du alexandrinische Feigen und Rosinen (8,7) mit Gänsefingerkraut, du zerreibst sie mit Wein, du salbst ihn; abgesehen (8,8) davon bläst du mit deinem Mund auf ihn. (9,1) Ein

anderes: (9,2) Euphorbia, eine Kite, (9,3) Pfeffer, eine halbe Kite, (9,4) Pyrethhrium, ein Stater, (9,5) Adarkes, ein Stater, (9,6) ein Stater natürlicher Schwefel, (9,7) beliebiger Wein, sechs Stater, (9,8) duftendes 316) Olivenöl, und du verreibst es, (9, 9) und du machst es zu einer Breipackung, an die schmerzende Stelle (9,10) des Mannes geben.

(10,1) Ein

anders Schutzmittel für den Fuß eines Gichtkranken: (10,2) Du schreibst diese Namen auf eine Lamelle (10,3) aus Silber oder Zinn, du gibst es (10,4) an ein Stück Hirschleder, und du bindest es an den Fuß (10,5) des besagten Mannes. »Derma Elaphion« 317) an die beiden Füße. (10,6) Thembarathem, (10,7) Ourembrenoutipe, (10,8) Aiochthou, (10,9) Semmaeathemmou, (10,10) Naioou. 318) Möge NN, Sohn der NN, (10,11) allen Schmerz loswerden, der an seinen Füßen und seinen beiden Beinen ist. (10,12) Du machst es, wenn der Mond im Löwen ist. 313. Wörtlich »Echtes Öl«. 314. J. F. Quack, Weitere Korrekturvorschläge, vorwiegend zu demotischen literarischen Texten, Enchoria 25 (1999) 43. 315. Zur Lesung s. Quack, Enchoria 25 (1999) 43 f. 316. Eventuell ist das Wortzeichen für stı’ zu lesen. 317. Griechisch für »Hirschleder«. 318. Reihe von Zauberwörtern.

308

Texte aus Ägypten (11,1) Rezept

für … : (11,2) Knoblauch, Weihrauch, (11,3) alter Essig, (11,4) Olivenöl. Zerreiben, ihn damit einreiben. (11,5) Wenn es trocken ist, sollst du es (11,6) mit kühlem Wasser abwaschen, dann heilt es.

(11,7) Rezept

für einen sehr steifen Fuß, sehr gut: (11,8) Du sollst seinen Fuß mit Gurkensaft waschen, (11,9) und du reibst ihn sehr gründlich an seinem Fuß ein.

(11,10) Ein

anderes: Sykomorenfrüchte … ; Akazienhülsen, ben, daran geben.

(11,11) Perseafrüchte.

Zerrei-

4.5 Eine Anweisung zum Zähneziehen (pWien D 12287 vs.)

pWien D 12287 vs. wurde ursprünglich von Reymond publiziert, 319) eine Neubearbeitung zusammen mit pWien D 6257 in MPER ist in Vorbereitung. Der Text datiert ins zweite Jahrhundert n. Chr. Er stammt aus dem Fayum, wahrscheinlich aus Soknopaiou Nesos und steht auf der Rückseite einer griechischen Akte. Mit seinen sehr kurzen Zeilen wirkt er für eine ägyptische literarische Handschrift relativ ungewöhnlich, so daß man damit rechnen muß, daß hier ein isoliertes Blatt mit nur einem Rezept vorliegt, das nie Teil einer größeren Handschrift war. Der Text stellt den bislang einzig bekannten Fall in ägyptischer Sprache und Schrift dar, daß explizite Anweisungen für das Zahnziehen gegeben werden. Der Anfang ist verloren, hier dürfte die Zusammensetzung eines Medikaments angegeben sein, auf das im weiteren Text Bezug genommen wird. Sein Zweck besteht vielleicht darin, für eine örtliche Betäubung während des Ziehens zu sorgen. Besondere Sorge gilt dem Punkt, den Zahn in einem Stück herauszubekommen und nicht abzubrechen, was Infektionsrisiken mit sich bringen würde. (x+1) sehr

kleine … wiederum (x+2) eine kupferne/bronzene Zange. Art, den Zahn herauszuziehen. Du plazierst (x+4) das oben genannte Medikament auf einem Stoff, wobei es zerrieben (x+5) und weich ist, und du setzt ihn/es auf den Zahn. (x+6) Dann kommt der Zahn heraus in/aus einem (x+7) [… … …] … oder ein Bruchstück (x+8) [… … …]. nach vorne. Nun bewirkt das Medikament (x+9) […] …, Kot, Eiter.

(x+3) Die

4.6 Zahngesundheit bis ins hohe Alter (Stele Kairo CG 22074)

Die Stele Kairo CG 22074 stammt vermutlich aus Achmim und dürfte in die Ptolemäerzeit datieren. 320) Ihr Eigentümer war ein hochrangiger Priester verschiedener 319. E. A. E. Reymond, From an Ancient Egyptian Dentist’s Handbook. P. Vindob. D. 12287, in: Melanges Adolphe Gutbub, Montpellier 1984, 183-199. 320. W. Spiegelberg, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire. Die demotischen Denkmäler 30601-31166 I. Die demotischen Inschriften, Leipzig 1904, 67, Taf. XXI;

309

Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack

Götter, besonders des Min. Auf der Stele befinden sich zunächst im Hieroglyphentext eine Opferformel mit ausführlicher Nennung von Gottheiten sowie einer langen Aufzählung der Priestertitel und Namen der Vorfahren des Besitzers. Neben einigen idealbiographischen Phrasen wird hier bereits die Angabe geboten, er habe 96 Jahre gelebt. Sozusagen als Nachtrag findet sich eine demotische Notiz am unteren Rand der Stele, in welcher der Eigentümer Anweisungen für eine etwas ausführlichere Selbstpräsentation gibt. (1) Er

sagte: »Schreibt es auf die Stele: Ich habe 96 Jahre verbracht, ohne daß man einen Schneide- oder Backenzahn von mir gezogen hätte. Ich habe kein (2) Blut mit meinem Mund herausgenommen. 321) Ich bin nicht zur Balsamierungsstätte gegangen; ich habe keinen Toten gesehen, um … zu erzeugen. (3) … Haus 322) … ernähren, wobei … nicht … hat.

4.7 Medizinische Kommunikation per Brief (Rezept per Brief)

Seit dem 3. Jt. v. Chr. sind Briefe aus Ägypten erhalten (vgl. TUAT.NF 3). Speziell die demotischen Briefe sind in TUAT.NF 3, 340 ff. vorgestellt worden, so daß hier eine Einführung in diese Textgattung entbehrlich ist. Ein demotisches Ostrakon, das sich früher in der Privatsammlung von Herbert Thompson befunden hat, enthält den Bericht über die Konsultation eines Heilgottes. 323) Dabei handelt es sich um den Weisen Amenhotep (griechisch als Amenothes wiedergegeben), Sohn des Hapu. Er war ursprünglich ein hoher Beamter des Königs Amenhotep III. und wurde nach seinem Tod vergöttlicht. 324) (1) Imouthes

ist es, der zu Horos, Sohn des Es[…], sagt: (2) Ich habe den großen Gott Amenothes befragen lassen. Er hat mir gesagt: ›Es gibt ein (3) Fieber im Leib des Teos, Sohn des Psenamounis.‹ Er hat ihm 2 syrische Feigen gegeben, (4) und man soll sie vom Abend bis zum Morgen in Wasser einweichen 325), (5) und man soll sie herausnehmen …, und man soll ihre Flüssigkeit nehmen und sie auf (6) ein wenig Salz 326) und zerkrümeltes 327) Brot geben, und man soll es vermischen, und er soll dies schlucken, (7) und er soll es drei Tage lang machen.

321. 322. 323. 324. 325. 326. 327.

310

E. Bresciani, Ai margini della storia della medicina egiziana antica. Il caso di Padikhonsi di Akhmim, EVO 10 (1987) 51-55. D. h. vielleicht, keine Wunde ausgesaugt. Wir würden mit Spiegelberg ˇsty lesen, Brescianis wnm ist ausgeschlossen. Wir meinen auf der Photographie 2.wı’ zu erkennen. Publiziert von H. Thompson, A Demotic Ostracon, PSBA 35 (1913) 95-96, Taf. XXVII; Teile des Textes sind von R. Jasnow, Three Notes on Demotic Lexicography, Enchoria 12 (1984) 12 f. neu behandelt worden. Vgl. dazu D. Wildung, Imhotep und Amenhotep. Gottwerdung im Alten Ägypten (MÄS 36), München / Berlin 1977, 263 f. Vermutlich sind die Feigen in getrocknetem Zustand nach Ägypten exportiert worden. Wir würden die Lesung w2 hm hm vorschlagen. Das Wort pkê ist aufgrund˘der˙ Schreibung des Velars nicht mit pôkje sondern mit pake zu ˙ W. E. Crum, A coptic dictionary, Oxford 1939, 261.285 f.). verbinden (vgl.

Texte aus Ägypten

Er gab ihm ein … (8) und eine Schlange aus Eisen, um sie an (9) seinen Arm zu binden. Es ist kein Schaden daran. Geschrieben. 328)

4.8 Ausleihe medizinischer Bücher (pCarlsberg 21)

Der paläographisch ins 2. oder 1. Jh. v. Chr. datierbare Brief des pCarlsberg 21 der Sammlung des Carsten Niebuhr-Institut in Kopenhagen stammt aus Tebtynis. 329) Er belegt das Ausleihen medizinischer Fachbücher – und die zu allen Zeiten wohl ähnlichen Entschuldigungen für die verspätete Rückgabe. Im vorliegenden Brief schreibt Miysis an Phanesis und teilt ihm nach einigen Höflichkeitsformeln mit, daß er seinen »Bruder« Horos zu Phanesis schickt, der zwei Papyrusrollen zurückbringt, ein Arztbuch und ein »Buch des Kruges«, in dem man schon ein Apothekerbuch vermutet hat, 330) das aber auch Texte zur sog. Gefäßdivination (vgl. TUAT.NF 4, 335 ff.) enthalten haben könnte. (Verso 1) Ihn

(= den Brief) dem Panesis, Sohn des Onnophris, geben. 331)

(Recto 1) Miysis,

Sohn des Harouetis, grüßt (2) Panesis, Sohn des Onnophris, den Prophedes Thot. (3) Ich frage ohne Unterlaß alle Menschen, die ich (4) finden kann, nach Deinem Wohlergehen. Und sie sagen mir: »Es gibt keinen (5) Schaden beim Propheten des Thot bis heute.« (6) Ich lasse 333) Horos, Sohn des Marres, meinen Bruder 334), (7) diesen 335) Arztpapyrus und das »Buch (8) des Kruges« – macht zwei Papyri –, (6) bringen, die Du mir (9) vor dem heutigen Tag (8) gegeben hattest. (9) Verzeih (10) die Verzögerung 336), die geschehen ist. (11) Ich hatte keinen zuverlässigen Menschen gefunden[, (12) der Dir die Bücher hätte bringen können … ten 332)

328. Die Abschlußnotiz steht weiter unten auf dem Scherben, durch einen deutlichen Zwischenraum vom Rest getrennt. 329. Ed. K.-Th. Zauzich, P. Carlsberg 21 und 22. Zwei Briefe von Bücherfreunden, in: P. J. Frandsen / K. Ryholt (Hg.), A Miscellany of Demotic Texts and Studies (The Carlsberg Papyri 3, CNI Publications 22) Kopenhagen 2000, 53-57. 330. Zauzich, P. Carlsberg 21 und 22, 54. 331. Das ist die außen auf dem zusammengefalteten Papyrus geschriebene Adresse. 332. Ein Priestertitel. 333. Wörtlich »Ließ«. Die Zeitlage ist im Demotischen der Empfängerperspektive angepaßt. 334. Wie die Filiationsangabe zeigt, kann es sich höchstens um einen Halbbruder des Absenders handeln. Es könnte auch ein entfernterer Verwandter oder überhaupt ein Freund sein. Für alle diese Personen ist »Bruder« eine mögliche Bezeichnung. 335. Der Brief wurde dem Horos mitgegeben. Er übergab die beiden Bücher und den Brief dem Empfänger. 336. Wörtlich wohl »Laß keine Zurechtweisung gelangen (10) wegen der Verzögerung.«

311

Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack

4.9 Vorschriften für kranke Priester (Rückseite der Demotischen Chronik)

Der Papyrus Bibliothèque Nationale 215 wurde von einem Offizier der französischen Expedition nach Ägypten 1801 in Kairo angekauft. Mutmaßlich stammt er aus der Region von Memphis. Paläographisch datiert er ins 3. Jh. v. Chr. 337) Auf der Vorderseite steht ein prophetischer Text, in dem die rezente ägyptische Geschichte (ab dem Ende der ersten Perserherrschaft) abgehandelt wird. Auf der Rückseite steht neben einer Erzählung eine lose Sammlung von Texten, welche insbesondere um Tempel und ihre Regelungen kreisen und eventuell Exzerpte aus einem umfangreichen Handbuch darstellen. Darunter gibt es auch Regelungen für das Verhalten kranker Priester. Von der hier übersetzten Passage fehlt der Anfang, bzw. es sind nur Zeilenenden der ersten Seite erhalten. (2,1) Wenn

bei einem Priester eine Krankheit auftritt, während er dem Gott dient, ist es deshalb unangemessen, ihn zum Dienst auszuschicken. (2,2) Man schickt ihn nicht zum Gott, um für ihn das Recht zu tun gemäß den Dingen, die außen 338) geschrieben sind. Wenn er krank ist, soll er sich Medikamente geben lassen, (2,3) trinken und essen. Ein Priester, der im Sanktuar (tätig) ist, macht es nicht. Man schickt ihn nicht zum Dienst aus; man soll ihm Medikamente geben (2,4) zum Einreiben. Ein Priester, der dem Gott dient, macht es nicht. […] Man schickt ihn nicht zum Dienst aus. (2,5) Wenn er seinen Priesterdienst verläßt, soll ein Priester des Tempels nicht abrechnen […]. Man schickt ihn nicht zum Dienst.

4.10 Ein Unfall (pBerlin P 15513)

Der Papyrus Berlin P 15513 stammt aus dem Briefarchiv der Chnum-Priester von Elephantine. 339) Er dürfte in die frühere Ptolemäerzeit datieren. In ihm berichtet der Schreiber des Briefes neben anderen Dingen auch, wie er bei seiner Reise am Ankunftstag einen Unfall hatte, bei dem er sich eine schwere Wunde zuzog. [… Gebracht hat man mir] (1) den Brief. [Gehört habe ich alle Worte] (2) wegen […]. (3) Ich habe ihn gesehen; (4) er war … ; ich ließ (5) ihn holen. Ich bin (6) sehr schwer krank (7) aufgrund einer (8) Wunde. Ich zog sie (9) mir zu auf (10) dem Boot an dem Tag, (11) an dem ich herabkam. (12) Die Frage, (13) deretwegen du mir geschrieben hast, (14) auch darum werde ich (15) mich kümmern. (16) Geschrieben im Jahr 5, (17) Choiak, Tag 2.

337. Edition W. Spiegelberg, Die sogenannte demotische Chronik des Pap. 215 der Bibliothèque Nationale zu Paris nebst den auf der Rückseite des Papyrus stehenden Texten (DeSt 7), Leipzig 1914. 338. D. h. sachlich vermutlich weiter vorne im Text. 339. Publikation durch K.-Th. Zauzich, Demotische Papyri aus den staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Lieferung III. Papyri von der Insel Elephantine (Berlin 1993).

312

Texte aus Ägypten

4.11 Juristische Aufarbeitung von gewaltsamen Übergriffen (Tempeleide)

Das ägyptische Rechtswesen (vgl. TUAT.NF 1) kannte als ein Beweiserhebungsverfahren den sog. Tempeleid: Im Tempel wurde vor einer Gottheit geschworen, wie sich eine Sache verhält. Der als wahr geleistete Eid galt als Beweis. Wurde der Eid verweigert, so wurde eine Strafe fällig, die zusammen mit dem Wortlaut des Eides aufgeschrieben wurde. Dies geschah in der Regel auf Ostraka, dem billigsten Schreibmaterial. Bisher sind weit über 700 340) demotische Tempeleide aus ptolemäischer und frührömischer Zeit bekannt. Davon sind mehr als 200 zusammen in extenso publiziert. 341) In ihnen geht es u. a. um Nachlaßstreitigkeiten, Kauf, Tausch, Darlehen, Bürgschaften u.ä, Eigentum, Sachbeschädigung, Unterschlagung und viele andere Streitigkeiten der sozial tiefer stehenden Bevölkerungsschichten.

4.11.1 Tempeleid Nr. 210 (oBritish Museum 21344) In diesem spätptolemäischen Eid aus Medamud wird die Beschuldigung eines anderen beeidet: Chensthotes beschuldigt Leon, ihn mit dem Schwert verletzt zu haben. 342) des Eides, den Chensthotes hani dem Ort hdes Hauses des Monthi (2) im Jahr 14, Choiak, Tag 4 343) dem Leon (1) leisten soll, (2) nämlich: »Beim Stier (3) von Medamud, der hier ruht, und jedem Gott, der mit ihm ruht! (4) Du standest auf hgegeni meine Hälfte (= meinen Anteil). 344) Du schlugst gegen mich hmiti der Schneide (5) deines Schwertes im Haus des Month 345). Es ist kein Falsch (6) in dem Eid.« Wenn er den Eid leistet, soll (7) Leon gezwungenermaßen 346) 1 hMaßi Wein geben. (8) Wenn er ihn nicht leistet, soll Chensthotes (9) 1 hMaßi Wein geben.

(1) Wortlaut

4.11.2 Tempeleid Nr. 211 (oStrasbourg 282) Hier wird das Instrument des Tempeleides offenbar im Vorfeld eines Prozesses zur Beweiserhebung eingesetzt. Phibis schwört am 21. Oktober 102 v. Chr. im Tempel von Medamud dem Psemmis und dessen Frau, daß ein gewisser Pikos deren Sohn

340. LÄ I Sp. 1202. 341. U. Kaplony-Heckel, Die demotischen Tempeleide (ÄA 6), Wiesbaden 1963; 279 weitere Tempeleide werden dort summarisch behandelt. 342. Ed. Kaplony-Heckel, Tempeleide, 338-340. 343. Das Ostrakon gehört paläographisch in die späte Ptolemäerzeit. Das angegebene Regierungsjahr kann sich dann auf Kleopatra III. (20. Dezember 104 v. Chr.), Ptolemaios XII. (11. Dezember 68 v. Chr.) oder Kleopatra VII. (4. Dezember 39 v. Chr.) beziehen. 344. Oder »Du standest in meiner Hälfte (z. B. des Hauses oder Grundstückes).« 345. Vielleicht ist mit Kaplony-Heckel »im Haus des Month« in die erste Zeile zu verstellen. 346. Ob htr zu lesen ist? ˙

313

Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack

nicht in einen See geworfen hat und daß er auch keine Ahnung hat, wer das getan haben könnte.347) (1) Wortlaut

des Eides, den Phibis, Sohn des Pascherseten 348), (2) am Tor von Djeme 349) himi Haus des Month, des Herrn von Medamud, im Jahr 16, welches Jahr 13 macht, (3) Phaophis, Tag 4 350) dem Psemminis, Sohn des Haryothes, und Senesis, Tochter des Amenothes, seiner Frau, (2) leisten soll, (4) nämlich: »Beim [Stier von Me]damud, der hier ruht, und jedem Gott, der mit ihm ruht! (5) Pik[os] hat nicht Haryothes, Sohn des Psemminis, deinen (fem.) Sohn, (6) am »See des Mannes des Sobektempels« (5) [kopfü]ber eingetaucht 351). Ich kenne niemanden, der ihn hhineinigeworfen hat.« (7) Und Senchonsis, Tochter des Sachomneus, seine (= des Phibis) Frau, soll ihn (8) in seine Hand leisten mit den Worten: »Das ist ein wahrer Eid.« Und sie sollen / man soll (9) von ihnen ablassen. Es ist kein Falsch in dem Eid. (10) Geschrieben [im Jahr 16], welches Jahr 13 macht, Phaophis, Tag 4.

4.12 Suche nach Heilung durch Orakelanfrage (pKairo CG 50114)

Der Papyrus Kairo CG 50114 dürfte einen Brief an einen Gott darstellen.352) Er stammt aus Saqqara und datiert paläographisch in die spätere Ptolemäerzeit. Auf der Rückseite ist neben einigen schlecht lesbaren Notizen auf Griechisch auch demotisches »Imouthes, der große Gott« geschrieben, somit der Empfänger des Briefes angegeben. (1) Die

Stimme des Dieners Har… […] (2) vor seinem Herrn Imouthes, dem großen Gott. [Übel ist] (3) die Krankheit, an der [ich leide.] 353) (4) Gibt es ein Heilmittel, das du 354) [mir geben wirst] (5) und das ich anwenden werde? […] (6) die Krankheit, an der

347. 348. 349. 350. 351. 352.

353. 354.

314

Ed. Kaplony-Heckel, Tempeleide, 340-341. Von Kaplony-Heckel P-sˇr-pa-tn gelesen. Theben West. Doppeldatierung nach Kleopatra III. und Ptolemaios X. Das Datum entspricht dem 21. Oktober 102 v. Chr. Versuchsweise verstehen wir [d]bq und vergleichen A. Erman / H. Grapow (Hg.), Wörterbuch der aegyptischen Sprache,¯ Bd. 5, Berlin 1971 (Nachdruck), 568,5-7. Erstedition W. Spiegelberg, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire. Die demotischen Denkmäler III. Demotische Inschriften und Papyri (Fortsetzung) 5002350165, Berlin 1932, 80, Taf. XLVIII; Neubearbeitung K.-Th. Zauzich, in: P. J. Frandsen / K. Ryholt (Hg.), A Miscellany of Demotic Texts and Studies (The Carlsberg Papyri 3, CNI Publications 22) Kopenhagen 2000, 20 f. Wörtlich »[in] der [ich mich befinde]«. Wir lesen mtw=k statt Zauzichs s »Amulett«.

Texte aus Ägypten

ich leide 355) (7) … deswegen. Ich bitte (8) darum, daß ein weiser Mann stück einem Menschen erklärt und er […] es.

(9) dieses

Schrift-

4.13 Ein Gelübde (tMichaelides)

Der folgende Text steht auf einer Holztafel, die sich früher in der Sammlung Michaelides befand. 356) Paläographisch ist der Text in die frühere Ptolemäerzeit zu setzen. Er enthält einen Brief, den Osoeris an den vergöttlichten Amenothes, Sohn des Hapu schreibt. Darin verspricht er Geldzahlungen für den Fall, daß eine bestimmte Frau schwanger wird (vermutlich seine Gattin, auch wenn dies nicht explizit angegeben wird), und nochmals dieselbe Summe, sofern es zu einer glücklichen Geburt kommt. (1) Stimme

des Dieners, des Gottesvaters und Propheten des Amonrasonther (2) Osoeris, Sohn des Hor, Sohn des Osoeris, vor seinem Herrn, (3) dem königlichen Schreiber Amenothes, Sohn des Hapu, dem großen Gott: (4) »Falls Tai-Pa, die Tochter des (5) Peteamestous, schwanger geworden sein wird, werde ich ein (Deben) Silber, macht 5 Stater, (6) macht wiederum ein (Deben) Silber geben. Falls sie geboren haben wird, (7) werde ich ein weiteres (Deben) Silber, macht 5 Stater, macht wiederum ein (Deben) Silber geben, (8) um zwei (Deben) Silber vollzumachen, für den Aufwand, an dem Tag, (9) den man mir anordnen wird. Mein großer Herr! Oh, (10) mögest Du Millionen Sedfeste feiern! Guter Schreiber, 357) (11) der auf meine Stimme hört. 358) Ich bin (12) dein Diener, der Sohn deines Dieners, seit (13) jeher. Vergiß Osoeris, (14) Sohn des Horos, Sohn des Osoeris, nicht, schon von früher, als ich klein war!« 359) (15) … Geschrieben im Jahr 4, Pamenoth, Tag 23.

4.14 Gebet um Gesundheit (oBrooklyn Inv. No. 37.1821 E)

Aus Dankbarkeit einer Gottheit gegenüber wurden in Ägypten Stelen errichtet, auf denen die erfahrene Hilfe bekanntgemacht wird. Das mögen wie im vorliegenden Fall eines auf den 22. Juli 265 v. Chr. datierten beschrifteten Steinstückes aus Theben auch 355. Schwache Reste sind erkennbar, vgl. G. Vittmann, Rez. zu Frandsen / Ryholt (Hg.), A Miscellany of Demotic Texts,WZKM 91 (2001) 374. 356. M. Malinine, Une lettre démotique à Aménothès, fils de Hapou, RdÉ 14 (1962) 37-43. 357. Der Titel des historischen Amenhotep, Sohn des Hapu, lautete sh  .w nfr.w »Rekrutenschrei¯ wurde; der Begriff »guter ber«, was in späten Texten als sh nfr »guter Schreiber« umgedeutet ˘ auch für magische Kompetenz, s. R. K. Ritner, The MechaSchreiber« steht im Demotischen nics of Ancient Egyptian Magical Practice (SAOC 54), Chicago 1993, 222; S. Goldbrunner, Der verblendete Gelehrte. Der erste Setna-Roman (P. Kairo 30646) (DemSt 13), Sommerhausen 2006, 76. 358. scˇme.t kann nicht einfach »höre mich« heißen; wir identifizieren es mit stmêt »gehorsam« ˙ ˆCrum, dictionary, 364). (vgl. 359. Das von Malinine nicht gelesene Zeichen am Zeilenende könnte hm sein. ˘

315

Friedhelm Hoffmann / Joachim Friedrich Quack

recht bescheidene Erzeugnisse sein. Tatsächlich kann man schwanken, ob es sich um eine sehr einfache Stele oder um ein größeres Ostrakon handelt. 360) Thotortaios berichtet, daß er Amun 30 Jahre lang treu gedient hat und dann augenkrank wurde. Bekanntlich begünstigt das in Ägypten herrschende Klima mit intensiver Sonnenstrahlung und sandiger Luft Augenleiden. Thotortaios wird außerdem beschuldigt, seine Dienstpflichten verletzt zu haben. Er begibt sich in den Tempel des Amunrasonther, betet zu dem Gott und schläft in seinem Tempel. Während dieses sog. Tempelschlafes empfängt er einen Traum, in dem der Gott vermutlich die Unschuld des Thotortaios bescheinigt und damit den Weg zur Heilung frei gemacht hat. (1) Jahr

20, Pachons, Tag 28 des (2) Pharao Ptolemaios 361), (3) Sohnes des Ptolemaios, und des Ptolemaios, (4) seines Sohnes, als Berenike, die Tochter des (5) Aristodikos, die (6) Gold(5) korbträgerin 362) vor Arsinoe, der Bruderliebenden, 363) war. (7) Es kam Jahr 20, Pachons, Tag 28. Thotortaios, Sohn des Paches, (8) seine Mutter ist Sos, der Träger, ist der, welcher sagt: »Ich schlief hini dem Hof (9) (des Tempels) des Amonrasonther 364), (da) ich an meinen Augen leide, (10) kein Sehvermögen habe (und) andere (11) mir den Weg (10) gewiesen haben. (11) Ich betete 365) vor Amun des Hofes, (12) vor Amunrasonther, Amun-Somtus, Schu, dem Großen, der (13) in Theben (12) aufgeht, (13) und Amun, dem Urzeitlichen der Beiden Länder (= Ägyptens) 366), dem göttlichen Herrn: ›Wende dich zurück zu mir, mein großer Herr, (14) o Amun! Ich bin zu nichts in der Lage. 367) (Aber) ich bin dein Diener. Laß (15) mich (14) nicht (15) zugrundegehen! Vergiß mich nicht!‹ Siehe, (es sind) 30 Jahre, (16) daß ich vor Amun diene, ohne daß man einen Vorwurf gegen mich gefunden hat, ohne daß ich (17) (die) Wabet 368) verlassen habe, soweit es mir möglich war, (und) ohne daß ich, (18) soweit es mir möglich war, (17) (etwas) getan habe, als man (18) daran (17) einen Vorwurf gegen mich (er)fand. Ich betete vor Amun: ›Laß (19) mich hzui dem Ort gesandt werden, (wo) man mir Medizin geben wird!‹ Ich schlief (20) hini der nämlichen Nacht, wobei ich mich hini einem Traum 369) sah entsprechend [(dem) Umstand, daß 370) Amun] (21) mit mir sprach, nämlich: ›Thotortaios, Sohn des Paches, der Träger, (ist) der, welcher [unschuldig ist.‹]« 360. Letzte Bearbeitung bei S. P. Vleeming, Some Coins of Artaxerxes and Other Short Texts in the Demotic Script Found on Various Objects and Gathered from Many Publications (Studia Demotica 5), Leuven / Paris / Sterling 2001, 97-100 Nr. 135. 361. Ptolemaios II. Philadelphos. Das Datum entspricht dem 22. Juli 265 v. Chr. 362. Demotische Wiedergabe des griechisch »Kanephore« lautenden Priesterinnentitels. Die Angabe der für ein Jahr eingesetzten Kanephore ist eine zusätzliche Datierungsangabe. 363. Die vergöttlichte Arsinoe II. Philadelphos. 364. Das ist »Amun, König der Götter« von Karnak. 365. Wörtlich »indem ich betete«, ein Umstandssatz, der noch von dem Satz »Ich schlief« abhängt. 366. So mit Chr. Leitz (Hg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Bd. III (Orientalia Lovaniensia Analecta 112) Leuven / Paris / Dudley (MA) 2002, 23a. 367. Wörtlich: »Ich bin elend an meiner Hand.« 368. Reinigungsstätte, Balsamierungshalle. 369. So mit Volten. 370. Für die Konstruktion vgl. Setne I 5.6 und Sarpot 2.6.

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V. Griechische Texte aus Ägypten

Andrea Jördens Als Alexander d. Gr. Ägypten eroberte, blickte das Land bereits auf eine jahrtausendealte Tradition im Bereich der Heilkunst und Medizin zurück, die ihm nach wie vor höchstes Ansehen unter seinen Nachbarvölkern sicherte. In der griechischen Welt hatten sich jedoch im Laufe der Zeit ganz neue medizinische Vorstellungen und Praktiken entwickelt, so daß hier, vor allem mit den Schulen von Knidos und Kos, allmählich eine ernstzunehmende Konkurrenz entstand. Unter den Ptolemäern hielten sie schließlich auch in Ägypten Einzug und gewannen zumindest in der griechisch-alexandrinischen Fachliteratur alsbald sogar die Oberhand. Dies führte geradezu zu einem Paradox: Einerseits stellen auf Papyrus überlieferte Texte häufig die einzigen Zeugen für die einstmals so reiche und vielfältige griechische Heilkunst dar, da mit Ausnahme der im Corpus Hippocraticum zusammengefaßten Schriften das meiste hiervon verloren ist. Andererseits scheint im Nilland selbst die griechische Medizin weitgehend ein Fremdkörper geblieben zu sein, da die einheimischen Ärzte offenbar weiterhin in ägyptischer Tradition lehrten und praktizierten, und dies sogar, wie nicht zuletzt der berühmte Wiener Papyrus mit einem hieratisch-demotischen Handbuch anzeigen mag, 1) bis tief in die Kaiserzeit hinein. Während die griechischen Fachtexte demzufolge als Teil der griechischen Literatur anzusehen und damit hier nicht zu berücksichtigen sind, 2) klären die auf Papyrus, Inschriften und Ostraka erhaltenen griechischen Dokumente aus der Chora nur selten aus fachlicher Sicht über Krankheiten und ihre Heilmethoden auf. Um so mehr verraten sie indes über die Rolle, die Fragen von Krankheit und Gesundheit im Alltag des griechisch-römischen Ägypten spielten. 3) So erfahren wir, daß die ägyptischen Heilgottheiten, namentlich die aufgrund ihrer Verdienste unter die Götter aufgenommenen großen Weisen der Vorzeit Imhotep und Amenhotep, unter der griechischen Bevölkerung erstaunlich rasch Anhänger fanden (Nr. 1, 2) und man etwa auch die Praxis der Orakelbefragung übernahm (Nr. 3). Ebenso ist den Papyri zu 1. 2. 3.

Eine Neubearbeitung des inzwischen um zahlreiche zugehörige Fragmente erweiterten P. Vindob. D 6257 durch Friedhelm Hoffmann ist in Vorbereitung. Eine Übersicht über die griechischen medizinischen Papyri bei I. Andorlini Marcone, L’apporto dei papiri alla conoscenza della scienza medica antica, ANRW II 37.1 (1993) 458-562. Vgl. auch die immer noch lesbare, sehr weit gefaßte Einführung von K. Sudhoff, Ärztliches aus griechischen Papyrus-Urkunden. Bausteine zu einer medizinischen Kulturgeschichte des Hellenismus, Leipzig 1909.

317

Andrea Jördens

entnehmen, daß der Arzt ein normaler Ausbildungsberuf war (Nr. 4) und die ägyptische Sitte der Beschneidung offenbar Frauen wie Männer betraf (Nr. 5). Auskunft über die – sicherlich häufigen – Gefährdungen der Gesundheit ist dagegen zumeist nur auf indirektem Wege zu erhalten. Um willkürlich zugefügte Verletzungen geht es in Petitionen oder ärztlichen Gutachten (Nr. 6). Arbeitsausfälle in den Steinbrüchen waren ebenfalls häufig verletzungsbedingt (Nr. 7). Briefe aus dem ärztlichen Milieu beleuchten die Korrespondenz unter Kollegen (Nr. 8.1) oder mit der Familie (Nr. 8.2, 8.3), aber auch Importe von Heilmitteln aus dem Orient (Nr. 8.4, 8.5). Als Fachtexte sind vor allem die zahlreichen Rezepte anzusprechen (Nr. 9), die mitunter auch magische Hilfsmittel vorsahen (Nr. 10). In Privatbriefen ist dagegen überraschend selten von Erkrankungen die Rede (Nr. 11).

1. Sog. Aretalogie des Imuthes-Asklepios Auf einer dem 2. Jh. n. Chr. zugeordneten Rolle aus Oxyrhynchos blieben zwei religiöse Texte erhalten, die 1915 von B. P. Grenfell und A. S. Hunt publiziert wurden. Während die Vorderseite eine Anrufung der Isis enthält, findet sich auf der Rückseite eine Erzählung zu Ehren des Imhotep, des berühmten Weisen der 3. Dynastie, dem man später nicht nur den Bau der Stufenpyramide von Saqqara, sondern vor allem medizinische Kenntnisse und geradezu göttliche Kräfte zuschrieb. Von den Griechen, die ihn Imuthes nannten, wurde er daher mit Asklepios gleichgesetzt. 4) Der vermutlich auf ein deutlich älteres Original zurückgehende P. Oxy. XI 1381 gibt sich als Einleitung zu der Übersetzung eines ursprünglich ägyptischen Werks mit seinen Wundertaten. 5) Bereits im Alten Reich unter Pharao Mykerinos verfaßt, sei es im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, bis Nektanebes I. zu Beginn des 4. Jh. v. Chr. das Werk suchen ließ und den Kult des Imhotep-Imuthes wiederbelebte. Davon beeindruckt, entschließt sich der Erzähler zur Übersetzung des Werkes ins Griechische, verzweifelt jedoch alsbald an der Größe der Aufgabe. Über seine jahrelange Untätigkeit erzürnt, schlägt der Gott erst die Mutter des Erzählers, dann auch ihn selbst mit starkem Fieber. Als Asklepios ihm auf dem Höhepunkt der Krankheit in einem Traumgesicht erscheint, erkennt der Erzähler endlich seine Verfehlung und verspricht reuevoll die Arbeiten wiederaufzunehmen, worauf er einen Lobpreis des Gottes folgen läßt. Das hieran anschließende eigentliche Werk, die Übersetzung des wiederaufgefundenen Buches, ist allerdings verloren. Obwohl damit nur Teile der Rahmenerzählung erhalten blieben, verdient der Text allein schon wegen der detailreichen Schilderung des Fiebers und der durch den Schlaf erfolgten Heilung Beachtung, die ein typisches Element der ägyptischen Heilkunde ist. (col. I, 1) Als

Ne[kten]ibis 6) di[ese]s hörte und sehr von Zorn erfüllt wurde über die, die dem Tempel abtrünnig geworden waren, (4) wollte er sich durch ein Verzeichnis recht

4. 5. 6.

318

Vgl. nur D. Wildung, Imhotep und Amenhotep. Gottwerdung im alten Ägypten, Berlin 1977. Jetzt auch bei M. Totti, Ausgewählte Texte der Isis- und Sarapis-Religion, Hildesheim 1985, 36 ff. Nr. 15. Ägyptisch Nht-nb.f, 1. König der 30. Dynastie, bekannter als Nektanebes I. ˘

Griechische Texte aus Ägypten

rasch ein Bild von ihrer Menge machen. (6) Daher gebot er Nechaus, der damals das Erzri[chter]amt verwaltete, eine Suche nach dem Buch, am besten in einem Monat, zu veranstalten. (10) Der aber suchte recht angestrengt danach und überbrachte es dem König, indem er nur zwei [sta]tt dreißig Tage für die Suche aufwandte. (15) Als aber der Kö[ni]g es las, hatte er viel Freude an der Göttlichkeit der Geschichte. (17) Da er aber sechsundzwanzig Priester fand, die den Gott feierlich von Heliopolis nach Memphis geleitet hatten, teilte er deren Nachkommen das einem jeden zustehende P[roph]etenamt zu. (col. II, 23) Nicht nur das, sondern nachdem er die Ern[eue]rung des Buches vollendet hatte, [mach]te er auch Asklepios selbst um weit[ere] dreihundertdreißig weizentragende Aruren reicher, (28) vor allem weil er durch das Buch gehört hatte, daß der Gott von Mencheres 7) z[ur] Ehre der Altäre erhoben worden war. (32) Ich aber, der ich oftmals die Übersetzung eben dieses Buches in die griechische Sprache [begonnen] 8) hatte, [ler]nte es in langer Zeit zu verkünden; (35) und während ich mich mitten im Fluß des Schreibens befand, wurde ich in meinem guten Willen doch durch die Größe der Geschichte aufgehalten – (39) deshalb, weil ich im Begriff stand, sie ans Licht zu zerren (?) (40) denn Göt[ter]n allein, nicht aber [Ster]blichen ist es zugedacht, der Götter Wunderkräfte zu erzählen. (42) Denn wenn es mir nicht glückte, war mir nicht allein Scham vor den Menschen (sicher), vielmehr (col. III, 45) hemmten [mich] auch die (auf mich) herabkommenden [Strafen (?)] dessen, der angesichts seiner [unste]rblichen Wundermacht über die G[ering]heit der einmal vollendeten [Sch]rift verärgert sein würde; (49) wenn (ich) aber Nutzen stiftete, (würde) das Leben glücklich, der Nachruhm [un]sterblich sein. (51) Recht bereitwillig ist nämlich der Gott zu einer W[oh]ltat, wo er doch (sogar) auch die nur für den Moment Frommen mit seiner Gutwilligkeit oftmals rettete, wenn die Heilkunst vor den sie darniederhaltenden Krankheiten (längst) die Waffen gestreckt hatte. (57) Deswegen vermied ich alle Tollkühnheit, wartete [auf] den rechten Augenblick – den des Alters – und schob das Unternehmen auf. (60) Damals nämlich war es natürlicherweise so, daß das Lebensalter vor allem auf etwas Übermäßiges sinnt; denn rasch (ist) die ju[ge]ndliche Begeisterungsfähigkeit in ihrem Begehren dem guten W[ill]en weit voraus. (64) Als nun aber eine Zeit von drei Jahren verstrichen war und ich n[ic]hts mehr daran gearbeitet hatte, dr[ei J]ahre aber der Gott auf der Mutter lastete und sie mit Viertagesfieber und Fieberschauer herumtrieb, 9) (col. IV, 69) kamen wir spät endlich zu Verstand

7. 8.

9.

Ägyptisch Mn-k3w-R’, der von Herodot Mykerinos genannte 6. König der 4. Dynastie, in der auch bei Manetho gebräuchlichen griechischen Wiedergabe. So mit der Ed. pr.; anders dagegen St. West, Notes on P. Oxy. 1381 (Life of Imouthes-Asclepius), ZPE 3 (1968) 159 »[gelobt]«, mit Verweis auf das »Versprechen« in Z. 60 und 151. Allerdings meint Ðpscesi@ hier eher die Erfüllung des Versprechens als dieses selbst, weswegen die aus in den zeitgenössischen Dokumenten vertraute Bedeutung »Unternehmen, Unterfangen« hier passender erscheint. Mit der Lesung bzw. Ergänzung von K. F. W. Schmidt, GGA 180 (1918) 119 þpisk[ffiva@ ¡] qe@ tetartaffla  frefflk–h a't¼n ¥strbei. Der zuletzt von Totti, Ausgewählte Texte, 39 unternommene Versuch, neben dem die Erzählung beherrschenden und auch wieder in Z. 71 erwähnten zentralen Gott hier noch eine Göttin Tetartaia (»des 4tägigen Wechselfiebers«) am Werke zu sehen, vermag trotz der von ihr bei M. Girone, I€mata. Guarigioni miracolose di Asclepio in testi epigrafici, Bari 1998, in der Appendix 169 ff., bes. 185 ff. beigebrachten Parallelen nicht zu überzeugen.

319

Andrea Jördens

und fanden uns als Schutzflehende bei dem Gott ein und baten ihn inständig 10) Heilung zuzunicken von der Krankheit. (73) Der aber, wie auch gegenüber allen anderen gutherzig, erschien im Traum und erlöste sie mit wohlfeilen Hilfsmitteln, (77) wir aber erstatteten durch Opfer dem Rettenden den geziemenden Dank. (79) Da aber auch mir danach ein plötzlicher Schmerz an der rechten Seite hinunterlief, machte ich mich rasch zu dem Helfer der Menschennatur auf, (85) [und] wiederum schenkte er recht bereitwillig Gehör zu noch tatkäftigerem Erbarmen und erwies darin die ihm eigene Wohltat, welche ich wahrheitsgemäß erzählen werde, um so seine furchteinflößenden Wunderkräfte zu vermelden. (col. V, 91) Es war Nacht, als jedes Lebewesen im Schlafe lag außer den Leidenden, die Gottheit aber um so tatkräftiger erschien; (95) mich brannte eine heftige Fieberhitze, und ich wand mich in Atemnot und Husten vor den Qualen, die von der Seite her heraufzogen. (99) Im Kopf beschwert von den Leiden und benommen, wurde ich in den Schlaf getragen; (102) [die] Mutter dagegen saß wie bei einem Kind dabei (denn sie ist ja auch von Natur aus sehr liebevoll) und litt an meinen Foltern überaus, ohne im geringsten Schlaf zu finden. (107) Da plötzlich erblickte sie – weder (war es) Traum noch Schlaf, denn ihre Augen waren starr geöffnet, sahen indes nicht scharf, denn eine göttliche Vision drang mit Furcht in sie ein, (col. VI, 114) die sie hinderte, sei es den Gott selbst, sei es seine(n?) Diener ordentlich ins Auge zu fassen. (117) Nur daß es jemand Größeres als nach Menschenmaß war, in glänzende Leinen gekleidet und in der linken Hand ein Buch tragend, (122) der nur von Kopf bis zu den Füßen zwei- und dreimal mich genau betrachtete und dann unsichtbar wurde. (125) Sie aber kam wieder zu sich und versuchte, immer noch zitternd, mich zu wecken. (127) Als sie mich aber von der Fieberhitze erlöst fand, wobei mir viel Schweiß hinunterlief, huldigte sie der Erscheinung des Gottes, wischte mich ab und machte mich richtig wach. (134) Und als ich mit ihr, die sich vo[rge]nommen hatte, mir die Wundermacht des Gottes aufzudecken, sprach, kam ich (ihr) zuvor und vermeldete ihr alles; (col. VII, 138) soviel sie [nä]mlich mit ihren Augen gesehen hatte, dasselbe hatte ich im Traum als Vision erlebt. (141) Und da die Schmerzen in der Seite mir nachließen, weil mir der Gott noch eine schmerzlindernde Behandlung geschenkt hatte, verkündete ich seine Wohltaten. (145) Nachdem wir aber wiederum ihn uns durch Opfer gewogen zu machen suchten, wie sie in unserer Macht (standen), forderte er selbst durch den Priester, der in den Kultdiensten immer um ihn ist, das ihm einstmals angekündigte Unternehmen ein. (151) Wir aber waren uns weder an Opfern noch an einer Weihgabe irgendwelcher Schulden bewußt, gleichwohl bitten wir hier[mi]t wiederum um seinen Schutz. (155) Wie er aber oftmals sagte, daß nicht hierin seine Freude bestehe, sondern an dem zuvor Zugesagten, war ich völlig ratlos, (col. VIII, 158) [und n]ur mit Mühe kam mir, als ich darüber nachsann, 11) diese göttliche Bringschuld der Schrift wieder bei. (160) Da du einmal erkannt hast, daß ich, Herr, das göttliche Buch vernachlässigt habe, rufe ich deine Fürsorge an, und erfüllt von deiner Göttlichkeit habe ich mich nun an den gottgesandten Kampf gemacht um diese Geschichte. (167) Und ich glaube (durchaus), daß ich als dein Prop[het] deinen Erfindungsreichtum gut verbreiten kann; 10. 11.

320

Mit West, Notes, 160. Mit West, Notes, 160.

Griechische Texte aus Ägypten (170) denn [de]n gut begründeten Mythos von der Erschaffung der Welt habe ich an anderem Ort in einer wissenschaftlichen Abhandlung bis zur Wahrhaftigkeit ausgebreitet. (174) Und in der gesamten Schrift habe ich das Spätere hinzugefügt, das Überflüssige dagegen weggenommen, eine etwas weitschweifig gestaltete Geschichte doch kurz und knapp erzählt (col. IX, 180) und einen verschieden berichte[ten Myth]os nur einmal in Worte gefaßt, weshalb ich auch bezeuge, [He]rr, daß das B[uc]h nach deinem Wohl[woll]en, aber nicht nach me[inen Über]legungen angefertigt wurde. (186) Denn zu deiner Göttlichkeit stimmt eine [so]lche Schrift. (187) Als d[ere]n Erfinder wirst du, Asklepios, größter der [Göt]ter und Lehrer, auch durch die Danksagungen a[ll]er erwiesen. (191) Denn [je]des Weihe- oder Opfergeschenk erblüht für den unmittelbaren Auge[nbl]ick al[le]in, wird aber (schon) im kommenden verdorben sein; eine Schrift jedoch (ist) eine Dankesgabe, da sie zu jeder Zeit das Gedächtnis auffrischt. (198) Jede griechische Zunge aber wird deine Geschichte erzählen, u[nd] jeder griechische Mann wird Imuthes, den Sohn des Ptah, verehren. (col. X, 202) Ko[mmt hie]rher zusammen, [o ihr] wohlge[sinnten] un[d gut]en [Män]ner, geht fort, Verleum[der und] Unfromme; (206) kommt zusammen, o ihr Gottesfreunde, soviele ihr, da ihr dem Gotte dient, von Krankheiten befreit wurdet, (208) soviele ihr das ärztliche Wissen in eu[ren Hä]nden habt, (210) [sovi]ele ihr euch müht als Nach[eifer]er der Wundermacht, (212) soviele ihr durch eine große Fülle an Gütern reich ausgestattet seid, (214) soviele ihr aus den Gefahren des Meeres gerettet wurdet. (215) Ist doch an jedem Ort die heilsame Wunderkraft des Gottes durch und durch präsent. (218) Denn ich werde die übernatürlichen Erscheinungen seiner Wunderkraft vermelden und die Größe seiner Wohltaten und die Geschenke. (222) Es verhält sich aber folgendermaßen: Da [der] König Menecheres2Þ sich um die Bestattung dreier Götter verehrungsvoll kümmerte, gewann er ewigen Ruhm, (col. XI, 226) [und durch das (?)] Buch war [ihm das Schick]sal (auch) im Na[chruhm hold (?).] (228) Die [Grab]stätte d[es Askle]pios, des Sohnes des Heph[aistos], 12) und die d[es Ho]ros, (des Sohnes) des Hermes, und auch die des Kaleoibis, des Sohnes des Apollon, beschenkte er mit Geldern im Überfluß, und als Gegengabe empfing er die Fülle der Glückseligkeit. (236) Ohne Krieg war nämlich damals Ägypten deswegen und versorgt mit Früchten im Überfluß. (239) Denn der Frömmigkeit eines Herrschers untergebenen Ländern geht es wohl, und im Gegensatz dazu werden die, bei denen jener sich unfro[mm verhä]lt, darüber aufgerieben mit Übeln. (245) Auf welche Weise aber der Got[t A]sklepios ihn dahin brachte, sich zu befleißigen wegen …

2. Zwei Weihungen an Amenhotep Ähnlich wie Imhotep wurde auch der im Neuen Reich unter Pharao Amenophis III. tätige Baumeister Amenhotep – griechisch Amenot(h)es – als Weiser, spätestens in der Ptolemäerzeit auch als Heil- und Orakelgott verehrt. Wie vor allem zahlreiche Dankinschriften an den Wänden der großen Tempelanlage von ad-De¯r al-Bahrı¯ zei˙ 12.

Bei den Ägyptern galt Imhotep als Sohn des mit Hephaistos gleichgesetzten Ptah, siehe nur oben Z. 201 f.

321

Andrea Jördens

gen, wurde das ihm an seiner bedeutendsten Wirkungsstätte in Theben-West errichtete Heiligtum zu einem Anziehungspunkt für Heilungsuchende wie auch für Pilger. Zwei besonders aussagekräftige Texte mögen hier als Beispiele dienen.

2.1 Danksagung des Polyaratos

Erst zehn Jahre nach der 1927 erfolgten Publikation des unteren Teils wurde auch der obere Teil eines griechisch beschrifteten Kalksteinostrakons auf der obersten Terrasse des Hatschepsut-Tempels gefunden, was die bereits erschlossene Zuordnung dieser Weihegabe zu dem dort befindlichen Amenhotep-Heiligtum endgültig erhärtete. Mit dem aus dem Winter 261/60 v. Chr. datierenden Bericht über seine wunderbare Heilung hoffte Polyaratos auch andere Kranke dazu zu bewegen, sich dem Gott anzuvertrauen, gewiß aber auch sich selbst auf diese Weise das Wohlwollen des Gottes und damit die Dauerhaftigkeit seiner Heilung zu sichern. Dieses Unterfangen kostete ihn offenbar nicht geringe Mühe, wie die 1938 von André Bataille vorgelegte Gesamtedition 13) des von zahlreichen Nachträgen und Korrekturen durchsetzten Textes erkennen läßt. (1) Unter

der [Herrsch]aft des Ptolemaios, des Sohnes des Ptolemaios, und des Sohnes Ptolemaios im 25. Jahr, 14) im Monat Choiak. 15) (4) Dies weihte Polyaratos der Wundermacht des Amenotes. (5) Als mich nämlich eine Krankheit befallen hatte – sehr groß und lebensgefährlich – auf acht Jahre (7) von Nervenkrämpfen geschüttelt von [de]r Leistengegend an durch den gesamten Körper, wobei ich keine Kraft besaß und nicht geziemende [Qua]len ertrug, (11) wollte ich nicht wenig … und nichts weiter … (13) Wie ich nun aber ohne weiteres meine Zuflucht zu den Ärz[ten na]hm, vermoch[ten sie mi]ch doch nicht [gesund] zu machen. (15) Als ich aber von vielen hörte, daß die Wundermächte d[es] Amenotes zahlreich waren, (18) er selb[st] aber voll Erbarmen, und vie[le] schon ganz Verzweifelte durch i[hn] Rettung erlangt hatten, (23) ma[chte ich mich auf] 16), auch sel[bst] ganz verzweifelt. (10b) Als ich aber Ich nahm Zuflucht [zu dem Hei]ligtum des Amenotes, [ein Schu]tzflehender nach Art von Schutzflehenden, wovon die Abs[ch]rift und unter dem B[eistand] des Amenotes (26) und unter dem Bei[stan]d des Amenotes und (27) von ihm sicht[bar] geheilt [und] gesund [gewo]rden, (28) wollte ich daraus zugleich ihm ihn u[nd die] anderen Götter, die ihm Altar- und Ku[lt]genossen sind, h… und (?)i ihre Wundermacht niederschreiben (31) für die, die herkommen zu dem heiligen Bezirk dem heiligen Bezirk des Ameno[tes] dessen Wunderkraft damit sie von der Wunderkraft des Gottes wissen, die festgehalten werden von irgendeiner

13. 14. 15. 16.

322

A. Bataille, Nouveau fragment d’un ostracon concernant Aménôthès fils de Hapou, Et. Pap. 4 (1938) 125-131; jetzt auch bei Totti, Ausgewählte Texte, 46 ff. Nr. 16, allerdings mit abweichender Zeilenzählung. 25. Reg.jahr des Ptolemaios II., des Sohnes Ptolemaios’ I. = 261/60 v. Chr. Neben ihm wird hier noch der wohl 267 zum Mitregenten erhobene Sohn Ptolemaios genannt, der nach seiner 260/59 v. Chr. erfolgten Revolte gegen den Vater aus den Datierungen verschwand. 25. 1.–23. 2. 260 v. Chr. Mit Totti, Ausgewählte Texte, 48 zu Z. B 7.

Griechische Texte aus Ägypten

Krankheit und von Krämpfen geschüttelt (?), 17) (35) [unter dem] sichtbaren Beistand damit sie wissen, daß [si]chtbar Heil[ung kommt (?)] unter dem Beistand von Amen[otes] 18) dem Gott.

2.2 Danksagung des Athenodoros

Unter den 1951 von André Bataille publizierten griechischen Inschriften des Hatschepsut-Tempels befindet sich auch die ursprünglich wenigstens 25 Zeilen lange Danksagung des Athenodoros, 19) der wohl im 1. oder 2. Jh. n. Chr. als Angehöriger einer römischen Militäreinheit in Koptos, dem heutigen Qift, diente. Da sie lediglich ˙ mit Ocker aufgetragen war, wurde sie stark von der Zeit in Mitleidenschaft gezogen, so daß nur die ersten neun Zeilen eine zusammenhängende Übersetzung erlauben; weiter unten ist noch erkennbar, daß der Geheilte vom Gott den Auftrag erhielt, die Tat aufzuzeichnen. Bedeutsam ist diese Inschrift nicht nur wegen der daran ablesbaren Verehrung des Amenhotep bis weit in die Kaiserzeit hinein, sondern auch, weil sie Dietrich Wildung zufolge bei besserem Erhaltungszustand »den wohl vollständigsten Einblick in die Heilpraktiken des Imhotep-Amenhotep-Heiligtums in Deir elBahari« böte. 20) (1) Sei

gegrüßt, Kind des Phoibos, 21) Asklepios, sei gegrüßt, Amenothes! Ich, Athenodoros, Schreiber der ersten vexillatio, bin von Koptos gekommen zum Heiligtum des Asklepios und Amenothes. (3) Es geschah, während ich betete und den guten Asklepios und zugleich den ruhmvollen Amenothes und die größte Göttin Hygieia 22) anrief, mein Gebet zu erhören. (5) Die Nacht erschien er selbst; selbst aber wollte [ich (?)] da[s Zeich]en 23) auch sichtbar werden lassen (?). (6) Indem ich die Tür des gepriesenen Heiligtums des Amenothes öffnete und er (?) sich hierher neigte, erlangte ich … (8) drinnen steh[end] 24) und (?) selbst die göttliche Schutzabwehr des guten Asklepios anrufend 25) …

3. Orakelanfragen Bestanden Zweifel, ob eine Krankheit mit den üblichen Mitteln zu heilen war, konnte man sich auch an ein Orakel wenden und um Rat bitten. Eine Anfrage, die die Kon17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

Ebd. zu Z. 20. Ebda. zu Z. 21. A. Bataille, Les inscriptions grecques du temple de Hatshepsout à Deir el-Bahari, Le Caire 1951, 85 ff. Nr. 126; jetzt auch bei Totti, Ausgewählte Texte, 51 ff. Nr. 17. Wildung, Imhotep und Amenhotep, 230 unter No. 126. Hier also die aus der griechischen Götterwelt vertraute Einordnung des Asklepios als Sohn des Apollon, während die oben unter Nr. 1 gegebene Aretalogie noch ganz von ägyptisch geprägten Vorstellungen beherrscht war. Wörtlich »Gesundheit«. Die Ergänzung mit Totti, Ausgewählte Texte, 52 zu Z. 6. Ebd. zu Z. 8. Die Kasus in Z. 9 sind offenkundig fehlerhaft, daher hier nur sinngemäß konstruiert.

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sultation eines bestimmten Arztes betraf, sowie die Erkundigung eines offenbar Todkranken nach seinen Überlebenschancen wurden bereits im letzten Band vorgestellt. 26) Auf die dortigen Ausführungen zu der in Ägypten üblichen Praxis der Orakelbefragung sei hier nur verwiesen. 3.1 Die wahrscheinlich aus Oxyrhynchos stammende, aus paläographischen Gründen noch in die spätere Ptolemäerzeit datierte Anfrage PSI Congr. XVII 14 wurde 1983 von Gloria Rosati publiziert. Da die mit Athena oder Eileithyia gleichgesetzte Nilpferdgöttin Thoeris vornehmlich für Schwangere und Gebärende zuständig war, wird man das nicht näher bestimmte »Leiden« der Tausorapis am ehesten in diesem Bereich vermuten dürfen. (1) An

die Herrin Thoeris und an Thonis und Harpebekis und Harpochrates. Tausorapis gesund ist in diesem Leiden, bringe mir dieses.

(4) Wenn

3.2 In mehrerlei Hinsicht ungewöhnlich ist die seit 1922 in Michigan aufbewahrte, aber erst 50 Jahre später von Albert Henrichs publizierte Orakelanfrage SB XII 11226. Dies gilt bereits für die Anrede an Isis, die hier sogar als Senderin der – dann wohl als Strafe verstandenen, erneut unspezifizierten – Krankheit verdächtigt wird. Vor allem aber fehlt der Name des Bittstellers, so daß weder zu Person noch zu Geschlecht etwas zu erfahren ist, und auch die Herkunft des aus dem 2. oder eher 3. Jh. n. Chr. stammenden Zettelchens ist unbekannt. Mit Blick auf das unten in Nr. 6.1 belegte Heiligtum, in dem Isis als Heilgöttin auftritt, wurde auch hierfür das Fayyu¯m erwogen. (1) An

die Herrin Isis. Wenn von dir mir das Leiden entstanden ist und du mir Heilung zuteil werden läßt, (5) laß mir dieses herausbringen.

4. Zur Ausbildung der Ärzte Zum Arzt 27) konnte man sich im griechisch-römischen Ägypten offenbar ebenso ausbilden lassen wir zu jedem anderen Lehrberuf. Ärzte besaßen freilich nicht nur mancherlei Privilegien, 28) sondern genossen auch hohes gesellschaftliches Ansehen, wie die Glückwünsche zu einer entsprechenden Anstellung zeigen.

26. 27. 28.

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Vgl. nur TUAT.NF 4 Kap. VII, 427 Nr. 3.1 sowie 3.2. Hierzu zuletzt M. Hirt Raj, Médecins et malades de l’Égypte romaine. Étude socio-légale de la profession médicale et de ses praticiens du Ier au IVe siècle ap. J.-C., Leiden / Boston 2006. Hierzu jetzt W. Clarysse / D. J. Thompson, Counting the People in Hellenistic Egypt, Vol. 2: Historical Studies, Cambridge 2006, 162 ff.; zur Liturgie- und Kopfsteuerfreiheit in der Kaiserzeit etwa auch P. Phil. 1 (104-107 n. Chr.), bes. Z. 30.

Griechische Texte aus Ägypten

4.1 Entwurf eines Lehrlingsvertrags

Auf der Rückseite einer Liste mit Baumaterialien findet sich das bisher früheste, offenbar aus dem Jahr 214/13 v. Chr. datierende Zeugnis für einen griechischen Lehrlingsvertrag. Schon Peter Sattler, aus dessen Nachlaß der Papyrus 1963 als P. Heid. III 226 veröffentlicht wurde, hatte die ungewöhnlich knappe Fassung, vor allem aber die Unstimmigkeiten in der Datierung als Indiz dafür gedeutet, daß dies lediglich ein Entwurf oder gar eine bloße Schreibübung sei; in dieselbe Richtung weist auch das Fehlen jeder genaueren Angabe zu Abfassungsort und Vertragsparteien. Dennoch bleibt festzuhalten, daß Vertragsgegenstand eine sechsjährige Ausbildung zum Arzt war. Wie für die sog. Sechszeugenurkunde typisch, ist der Vertrag in zwei identischen Fassungen erstellt,29) von denen hier nur die erste, vollständigere wiedergegeben ist. (1) Unter

der Herrschaft des Ptolemaios, des Sohnes des Ptolemaios und der Berenike {und der vaterliebenden Götter und} der Wohltätergötter im achten Jahr, 30) als Andronikos Priester war, 31) (4) hat Sosikrates den Philon dem Theiodotos auf sechs Jahre überstellt unter der Bedingung, daß er ihn die He[ilkun]de lehre.

4.2 Glückwünsche zur Anstellung bei einem Klistierarzt

In diesem berühmten und häufig behandelten Schreiben aus dem 2. Jh. v. Chr., dessen maßgebliche Edition von Ulrich Wilcken in UPZ I 148 besorgt wurde, verleiht eine weibliche Person ihrer Freude darüber Ausdruck, daß der Adressat nicht nur die ägyptische Schrift gelernt, sondern jetzt auch noch bei einem der typisch ägyptischen Klistierärzte eine Stelle als Lehrer gefunden hat. Über das Verhältnis der Briefpartner – am ehesten wohl Mutter und Sohn – ist freilich keine Sicherheit zu erlangen, da Anrede wie Schlußgruß fehlen. Zumal der Brief wie im vorigen Fall auf der Rückseite – hier eines offenbar gelöschten Textes – steht, haben wir es vielleicht auch hier nur mit einem Entwurf zu tun. (1) Als

ich erfahren habe, daß du die ägyptische Schrift lernst, habe ich dich und mich selbst beglückwünscht (4) – daß du jetzt auch in die Stadt gekommen bist und bei Phalu..es, dem Klistierarzt, die Sklaven unterrichten (8) und (damit) Wegzehrung haben wirst bis ins hohe Alter.

29. 30.

31.

Vgl. bereits TUAT.NF 1 Kap. VII, 314 in der Einl. zu Nr. 1. 8. Reg.jahr des Ptolemaios IV., des Sohnes Ptolemaios’ III. und der Berenike II. = 215/14 v. Chr. Der Einschub »und der vaterliebenden Götter und« ist an dieser Stelle unpassend. Als Bestandteil der Priestertitulatur wäre er allenfalls vor dem Namen des Andronikos zu erwarten, doch wurde dort offenkundig auf sämtliche Kultnamen verzichtet, so daß auch dies zu den erwähnten Unstimmigkeiten gehört. Nach allen anderen Quellen hatte Andronikos, Sohn des Nikanor, das eponyme Amt des Alexanderpriesters und der verstorbenen Ptolemäer im 9. Reg.jahr des Ptolemaios IV., also 214/13 v. Chr., inne; vgl. nur W. Clarysse / G. van der Veken, The Eponymous Priests of Ptolemaic Egypt (P. L. Bat. 24), Leiden 1983, 16.

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5. Texte zur Beschneidung Die Sitte der Beschneidung scheint in Ägypten, wie schon Herodot notierte, 32) allgemein üblich gewesen zu sein, und zwar von Frauen ebenso wie von Männern. Daß die Zeugnisse hierüber relativ spärlich sind, dürfte daher eher an der Selbstverständlichkeit des Vorgangs liegen, der also keiner weiteren Erwähnung wert schien, falls es nicht etwa zu unerwarteten Komplikationen kam. Dies änderte sich unter den Römern, denen die Beschneidung contra naturam galt, weswegen sie sie rigoros zu unterbinden suchten. Zwar führte die Erkenntnis, daß sie für bestimmte Personengruppen wie die Juden und die ägyptischen Priester aus rituellen Gründen konstitutiv war, später wieder zu einer gewissen Lockerung des Verbots, doch wurde diese Praxis nunmehr einer strengen Kontrolle unterworfen.

5.1 Beschneidung der Nephoris

Während seiner Zeit als »Katochos« im Serapeum von Memphis kümmerte sich Ptolemaios, Sohn des Glaukias, nicht nur um die Belange der bekannten »Zwillinge«, 33) sondern auch um die ihrer Schwester Tathemis, wie eine diesbezügliche Eingabe auf der Vorderseite eines seiner Entwürfe zeigt. In dem schon 1839 von J. Forshall edierten Londoner Papyrus, der nunmehr in der Ausgabe Ulrich Wilckens von 1927 als UPZ I 2 zu benutzen ist, beklagt sich der ebenfalls im Serapeum lebende Ägypter Harmais im Sommer 163 v. Chr. beim Strategen über Tathemis’ Mutter Nephoris. Unter dem Vorwand, das Geld, das Tathemis durch Betteldienste im Serapeum erlangt und bei Harmais deponiert hatte, für deren Verheiratung zu benötigen, hatte Nephoris es dem gutgläubigen Harmais ohne deren Wissen abgeschwatzt. Offensichtlich hatte sie es jedoch für sich selbst behalten, so daß Harmais in eine äußerst prekäre Situation geriet, als Tathemis es jetzt von ihm zurückforderte. Zu den vor der Heirat durchzuführenden Maßnahmen gehörte auch die Beschneidung, die Harmais dem griechischen Strategen gegenüber ausdrücklich als »für die Ägypter üblich« beschreibt. 34) (1) An

Dionysios, einen der Freunde 35) und Strategen, (2) von Harmais, einem von denen, die in dem Großen Serapeum in Gotteshaft sind – (nunmehr) im fünften Jahr –, der ich 32.

33. 34.

35.

326

Hdt. II 37; vgl. etwa auch Strab. XVII 2, 5 (p. 824), der ausdrücklich auf die Parallele zu den Juden hinweist, sowie die bei J. Rowlandson, Women and Society in Greek and Roman Egypt. A Sourcebook, Cambridge 1998, 100 Anm. 2 gegebenen Hinweise auf weitere antike Zeugnisse. Vgl. hierzu nur TUAT.NF 4 Kap. IV, 373 ff. Nr. 4.9. Vgl. auch die Einleitung zu diesem Text bei Rowlandson, Women and Society, 99 f. Nr. 78. Die neue Deutung von M. Chauveau, L’Égypte au temps de Cléopâtre, 180-30 av. J.-C., Paris 1997, 275 Anm. 27 = BL XI 286 f., dies vielmehr auf das Scheren des Kopfhaars zu beziehen, entspricht nicht dem griechischen Sprachgebrauch und vermag insofern nicht zu überzeugen. Auch für die ebd. S. 166 geäußerte Vermutung, das von Tathemis gesammelte Geld sei »produit au moins partiel de la prostitution«, bietet der Text selbst keinen Anhaltspunkt. Ptolemäischer Hofrangtitel, vgl. allgem. L. Mooren, The Aulic Titulature in Ptolemaic Egypt, Brussel 1975; ders., La hiérarchie de cour ptolémaïque, Louvain 1977.

Griechische Texte aus Ägypten

aber mein Leben friste von dem, was ich im Heiligtum erbettele. (4) Mir geschieht Unrecht von Nephoris, einer von denen aus Memphis. (6) Als nämlich deren Töchterchen Tathemis, das sich mit in dem Heiligtum aufhält und von dem ernährt, was sie in den Häusern einsammelt, 1300 Kupfer(drachmen) zusammengebracht hatte und sie mir zur Hinterlegung gab, (9) schwindelte nach einer gewissen Zeit Nephoris sie mir ab, indem sie mir vortrug, daß Tathemis das rechte Alter habe, sich, wie es für die Ägypter üblich ist, beschneiden zu lassen, (13) und (darum) bat, daß ich ihr die 1300 gebe, unter der Bedingung, daß sie dies durchführe und sie einkleide und, wenn sie sie einem Manne herausgebe, mit Mitgift ausstatte; (15) wenn sie aber eines d[av]on nicht tue oder auch die Tathemis nicht beschneide im Monat Mecheir des 18. Jahres, 36) werde sie [mi]r sofort 2400 Kupfer(drachmen) büßen. (18) Unter diesen Bedingungen stimmte ich zu und gab ihr im Monat Thoth 37) die 1300 Dr., sie (jedoch) tat nichts von dem vorher Vereinbarten. (21) Da ich aus diesem Grund von Tathemis gequält und die 1300 von mir eingefordert werden, geschieht es mir, daß ich nicht nach Memphis hinunterzugehen vermag aus notwendigem Bedarf. (24) Ich bitte dich daher, nicht über mich hinwegzusehen, der ich gequält werde, und die Schlechtigkeit zu verfolgen und unter dem, was sie mit dem Abschwindeln vollbracht hat, wenn es dir (recht) scheint, anzuweisen, daß man sie vor dich vorlade, und wenn es so ist, wie ich schreibe, (28) (sie) zu zwingen, mir sofort Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, auf daß auch ich selbst der Tathemis es zurückgeben kann und nicht (mehr) gequält werde. (30) Wenn dies geschieht, werde ich Hilfe erlangen. Lebewohl.

5.2 Zwei Einladungen zu den Therapeuteria

Im Jahr 1999 legte Dominic Montserrat in P. Oxy. LXVI 4542 und 4543 zwei Einladungsbillette aus dem 3. Jh. n. Chr. vor, die erstmals ein Fest namens Therapeuteria betrafen, das der Vater zu Ehren der – demnach noch unverheirateten – Tochter gab. Dabei läßt bereits der Name auf eine erfolgreich überstandene Erkrankung schließen, was Sabine Hübner inzwischen recht ansprechend mit der in Ägypten bis heute verbreiteten Praxis der weiblichen Beschneidung verband. 38) Auffällig ist bei dem zweiten, etwas später angesetzten Billett die Korrektur des Datums, was vielleicht auf eine allzu frühe Freude darüber verweist, daß die Tochter den schweren Eingriff überstanden hatte. 5.2.1 (1) Es fragt dich Severus, in seinem Haus zu speisen (3) anläßlich der Therapeuteria seiner Tochter (5) heute, welches ist der 19., ab der 9. Stunde. 5.2.2 (1) Es ruft dich Ischys zu den Therapeuteria seiner Tochter (2) heute zu dem Haus gegenüber dem seinen (3) am 17., ab der 9. Stunde.

36. 37. 38.

2.-31. 3. 163 v. Chr. 3. 10.-1. 11. 164 v. Chr. S. Hübner, Female Circumcision as rite de passage in Egypt – Continuity through the Millennia?, JEH 2 (2009) 149-171.

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5.3 Zur Beschneidung von Priestersöhnen

Die Zulassung zu den – privilegierten – Priesterämtern lag spätestens seit hadrianischer Zeit in der Hand des Erzpriesters, der als römischer Prokurator die Aufsicht über alle Tempel in Ägypten innehatte. Aus kultischer Sicht setzte dies priesterliche Abkunft wie Beschneidung voraus, deren Überprüfung bzw. Genehmigung die Römer aus den genannten Gründen ebenfalls an sich zogen. Danach hatten die Eltern die Beschneidung beim lokalen Strategen zu beantragen und zugleich den Nachweis priesterlicher Abkunft zu führen. Mit dem bestätigenden Brief des Strategen wurde der Priestersohn daraufhin dem Erzpriester persönlich vorgeführt, der noch einmal die kultisch geforderte körperliche Reinheit überprüfen ließ und dann die Beschneidung genehmigte.

5.3.1 Erklärung der Mitpriester zur Beschneidung eines Priestersohnes In dem bereits 1907 von B. P. Grenfell und A. S. Hunt edierten, trotz der fehlenden Adresse sicherlich an den Strategen gerichteten P. Tebt. II 293 beeidet eine Gruppe von Priestern aus dem Heiligtum von Tebtynis um das Jahr 187 n. Chr. die priesterliche Abkunft eines Jungen, dessen Eltern den Antrag auf Beschneidung gestellt hat. (1) Von

Kronion, Sohn des Pakebkis, des Sohnes des Harpokration, Verweser des Prophetenamtes, und (3) von Maron, Sohn des Kronion, des Sohnes des Harpokration, und von Maron, Sohn des Maron, des Sohnes des Marepsemis, und von Pakebkis, Sohn des Kronion, des Sohnes des Psyphis, (6) den 3 Priestern, den 4 aus dem privilegierten Heiligtum ersten Ranges des Dorfes Tebtynis 39). (7) Zu der dir eingereichten Eingabe von Marepsemis, Sohn des Marsisuchos, des Sohnes des Harpokration, des Priesters desselben Heiligtums, (10) der (darum) bat, seinen Sohn Panesis von der Mutter Thenpa[keb]kis, Tochter des Panesis, beschneiden zu las[sen], (13) erklär[en wi]r dir auf deine Nachfrage, ob er aus pr[iest]erlichem [Ge]schlecht sei und beschn[itt]en werden müsse, (15) indem wir bei dem Genius des Marcus Aurelius Commodus Antoninus Augustus schwören, daß wahr sei, (17) daß er aus priesterlichem [Ge]schlecht und die von ihm vorgelegten [Si]cherheiten (echt) seien und daß er bes[chn]itten werden müsse, da er die Ku[ltdi]enste nicht durchzuführen imstande sei, wenn dies nicht [geschieh]t, oder wir mög[en] dem Eid verhaftet sein. (22) Ich, Kronion, Sohn des Pakebkis, habe den vorliegenden Eid geschworen, wie vorliegt. (24, 2. Hd.) Ich, Maron, Sohn des Maron, habe mitgeschworen, wie vorliegt. (26, 3. Hd.) Ich, Maron, Sohn des Kronion, habe mitgeschworen, wie vorliegt.

5.3.2 Erklärung der Dorfbehörden zur Beschneidung eines Priestersohnes Der 1987 von P. J. Sijpesteijn und K. A. Worp publizierte Gießener Papyrus SB XVIII 13129 enthält einen ersten Beleg dafür, daß der Stratege sich nicht mit den Angaben von Familie und Mitpriestern zufriedengab, sondern sich die korrekte Abkunft der zur Beschneidung anstehenden Priestersöhne überdies von den Dorfbehörden bestä39.

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Das heutige ‘lwat al-Buraig˘at im S des Fayyu¯m.

Griechische Texte aus Ägypten

tigen ließ. Ob dies die Regel oder eher eine Ausnahme war, etwa weil der – in SB XVIII 13130 ebenfalls erhaltene – Antrag des Vaters in diesem Fall ungewöhnlicherweise zwei gleichaltrige Halbbrüder betraf, ist unklar. (1) An

den Strategen Didymos vo[n …] und den mit ihm im Auswahlverfahren für das Dorfschreiberamt von Seryphis und den anderen Dörfern in der Toparchie »nach Westen« 40) (Befindlichen). (5) Auf deine Nachfrage hinsichtlich des Longinos, Sohn des Katillios, des Sohnes des Horos, und der Mutter Tsenamunis, (7) und (hinsichtlich) seines Bruders Pekysis von demselben Vater und der Mutter Taseus, (10) der Priester des Ammon und des Horos und der Isis und ihrer Tempelgenossen, der größten Götter, von Heiligtümern zweiter Klasse …, (14) wobei Pekysi[s 1]2 Jahre, Longinos 12 Jahre alt ist, … ihres Bruders Horigenes, (17) wenn sie denn beschnitten werden müssen, lege ich dar, daß sie (Söhne) sind vom Vater her (20) des vorgenannten Katillios, Sohn des Horos, des Sohnes des Leon, und der Mutter Harasis, eines Priesters derselben (Götter); von der Mutter her (23) Longinos der Tsenamunis, Tochter des Longinos und der Mutter Taseus, (25) Pekysis der Taseus, Tochter des Horos und der Mutter Thatres, Priester(innen) derselben Götter; (28) und daß sie aufgenommen sind in dem Verzeichnis der minderjährigen Priester, daß sie das Alter der Drei(?)zehnjährigen erreichen werden und daß sie beschnit[ten werden] müssen. (32) Im 16. Jahr der Imperatores [Caesares L]ucius Septimius … 41)

5.3.3 Bericht über die Beschneidung eines Priestersohnes Aus dem Jahr 252 n. Chr. stammt der 1983 von T. S. Pattie publizierte P. Oxy. L 3567, der die Eingabe eines Priesters im Thoeristempel von Oxyrhynchos, dem heutigen al-Bahnasa¯, enthält. Danach hatte der kommissarisch amtierende Erzpriester Annius Antoninus offenbar zu Kontrollzwecken einen Stabsoffizier damit beauftragt, die korrekte Besetzung der Priesterämter zu überprüfen. Onnophris, der wie alle Ägypter nach dem Jahr 212 n. Chr. das römische Bürgerrecht besaß und sich daher als Aurelier bezeichnet, legt hiermit einen Aktenauszug über seine erfolgreich durchgeführte Beschneidung vor, die 30 Jahre zuvor von dem damals im Amt befindlichen Vorgänger des Antoninus genehmigt worden war. (1) An

Annius Antoninus, den Verweser des Erzpriesteramtes, vir egregius, 42) (2) von Aurelios Onnophris, Sohn des Onnophris, des Sohnes des Teos, und der Mutter Sintheus aus der Stadt Oxyrhynchos, pyraithes und Pastophor 43) des Heiligtums der Athena Thoeris, der größten Göttin, das sich in derselben Stadt befindet. (4) Nach [dem] von dir erlassenen Gebot lege a[uch ich (?)] dem abgesandten officialis Aurelios Zenon (Dokumente) vor, daß ich in dem vorliegenden Heiligtum Priester bin (7) und beschnitten worden bin auf Genehmigung des Erzpriesteramtes hin entsprechend dem früheren Aktenauszug, dessen Abschrift ich unten beigefügt habe, damit nichts deiner Sorgfalt verborgen bleibe. (10) Im 2. Jahr des Imperator Caesar Gaius Vibius Trebonianus Gallus 40. 41. 42. 43.

Verwaltungsbezirk im mittelägyptischen Oxyrhynchites. 16. Regierungsjahr von Septimius Severus, Caracalla und Geta = 207/08 n. Chr. Das übliche Epitheton für Angehörige des Ritterstandes. Niedrige Priesterränge mit bestimmten Funktionen im Tempel.

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und des Gaius Vibius Afinius Gallus Veldumianus Volusianus, der Pii Felices Augusti, im Mesore. 44) Er lautet aber: (14) [Im] 5. [Jahr], am 5. Hathyr. 45) Da Aurelios Onnophris, Sohn des Teos, pyraithes [und Pas]tophor, seinen Sohn Aurelios Onno[phris] vorführte und (darum) bat, ihn beschneiden zu lassen, (16) [wobei de]r mit Bezug auf ihn von Aurelios [Harpo]kration, dem Strategen des Oxyrhynchites, geschriebene Brief begutachtet wurde, (18) [geb]ot Sabinianus ihn zusammen mit den unten angeklebten (Dokumenten) vorzule[sen. (20) Als er vo]rgelesen war, gebot Sabinianus, den Jungen …, und erkundete von den Tempelschreibern, ob er nicht [eines von den] verbotenen oder irgendein anderes Zeichen auf dem Kör[per] habe. (23) Da sie sagten, daß er rein und ohne Zeichen (sei), unterzeich[nete] Sabi[nianu]s, der Verweser des Erzpriesteramtes, den [Brie]f und gebot ihn zu beschneiden. (26) [Ich, Aurelios Onno]phris, Sohn des Onnophris, habe eingereicht.

6. Anzeigen und Berichte von Verletzungen Für uns vielleicht bemerkenswert, ging es bei Anzeigen über Körperverletzungen oft weniger um eine Heilung als vielmehr um die Feststellung eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Tatbestandes. Um allfällige Ansprüche gegen die Täter zu wahren, konnten im kaiserzeitlichen Ägypten sogar regelrechte Arztberichte seitens der Opfer beantragt werden.

6.1 Prügelei in einem Isisheiligtum

Unter den Papieren des Dorfschreibers von Kerkeosiris im südlichen Fayyu¯m, die ein Vierteljahrhundert später in großer Zahl zu Mumiensärgen für Krokodile verarbeitet werden sollten, befindet sich auch die 1902 von B. P. Grenfell und A. S. Hunt als P. Tebt. I 44 publizierte Anzeige über eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen zwei Dorfbewohnern. Sie ist hier von um so größerem Interesse, als Haryotes sich zur Behandlung einer nicht näher beschriebenen Krankheit in ein Isisheiligtum begeben hatte. Ausgerechnet dort war er am 10. 6. 114 v. Chr. Opfer von Gewalttätigkeiten geworden, die ihn an den Rand des Todes brachten. (1) An

Menches, den Dorfschreiber von Kerkeosiris, von Haryotes, Sohn des Phaesis, königlichem Bauer, einem aus demselben (Dorf). (6) Als ich mich zur Heilung in dem dortigen großen Isisheiligtum befand wegen der Krankheit, die mich umfangen hielt, (10) fing am 23. Pachon des 3. Jahres 46) Horos, Sohn des Haryotes, einer derer, die in dem erwähnten Is[isheilig]tum wohnen, einen Str[eit mit mir] an, (15) und eine Wei[le la]ng besch[impfte er mich] und stieß Schmähun[gen aus], (18) dann aber griff er mich an und versetzte mir zahlreiche Schläge mit dem Stock, den er hatte. (20) Da ich nun v[on 44. 45. 46.

330

25. 7.-23. 8. 252 n. Chr. 1. 11. 221 n. Chr. 10. 6. 114 v. Chr.

Griechische Texte aus Ägypten

d]en Schlägen in Lebensgef[ahr] bin, daher m[el]de ich dir das, so daß du es weiterleitest an die zuständigen Stellen, (25) damit es mir in den Akten zur Verfügung stehe, auf daß er nicht, wenn ich irgendwann im Nachhinein noch etwas erleide, 47) straflos davonkomme. (29) Lebewohl. (Rs.) An den Dorfschreiber.

6.2 Antrag auf Überprüfung des Gesundheitszustandes

Einen Antrag auf ärztliche Überprüfung des Gesundheitszustandes enthält der 1991 publizierte P. Oxy. LVIII 3926. Darin erstattet Aurelia Senpatus dem Strategen des oberägyptischen Thinites Anzeige von einem Überfall, der am Vortag, also am 8. Februar 246 n. Chr., von bisher noch unbekannten Tätern auf ihr Haus verübt worden war. Während sie zu den gestohlenen und zerstörten Gegenständen keine sehr genauen Angaben macht, berichtet sie detailliert über die Verletzungen ihrer Familienangehörigen und dringt auf eine amtliche Feststellung ihres Zustandes. (1) An

Iulius Ammonios alias Euangelos, den Strategen des Thinites, von Aurelia Senpatus, Tochter des Panuris, (des Sohnes) des Titoes, aus This. 48) (4) Gegen Abend des vergangenen Tages griff ein Haufen Übeltäter mein Haus in dem Dorfe This an, (7) und sie schlugen meinen Mann Titoes, Sohn des Kortas, Schuster, auf die linke Schulter und die linke Hand mit Schwertern (11) und meinen Sohn Psekes und schlugen ihn auf den Kopf, und soviel sie fanden über das Haus hin, trugen sie davon, indem sie sämtliche Türen zerhieben. 49) (15) Da nun die Übeltäter mir unbekannt sind, reiche ich diese Eingabe ein mit der Bitte, daß du einen Amtsdiener abordnest, der ihre Verfassung begutachtet, damit sie die ihnen gebührende Behandlung erlangen können. (23) Im 3. Jahr des Imperator Caesar Marcus Iulius Philippus Pius Felix und des Marcus Iulius Philippus, des edelsten und vornehmsten Caesar, der Augusti, am 15. Mecheir. 50) (29, 2. Hd.) Ich, Aurelia Senpatus, Tochter des Panur, (des Sohnes) des Titoes, habe eingereicht. (31) Ich, Aurelios Soter, Sohn des Soter, habe für sie geschrieben, da sie die Buchstaben nicht kennt. (34, 3. Hd.) Es wurde entsandt Sarapion, Amtsdiener. (35) Eine Zweitexemplar der Eingabe der Senpatus ist dir übersandt worden, auf daß du einen öffentlichen Arzt mit dir nimmst, die Verfassung ihres Mannes und des Sohnes begutachtest und dich schriftlich dazu erklärst. (41) [3. Jahr], 15. Mech[ei]r.50)

47. 48. 49. 50.

Euphemistisch für den Fall, daß der Verfasser doch noch an den erlittenen Verletzungen sterben sollte. Das heutige al-Birba in Oberägypten. Dieser Sachverhalt verdiente insofern Erwähnung, als Türen üblicherweise aus Holz waren und daher in dem hieran armen Ägypten besonderen Wert besaßen. 9. 2. 246 n. Chr.

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6.3 Ärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand

Zu den frühesten Berichten, die auf eine solche Anzeige hin erstellt wurden, zählt der heute in Berlin aufbewahrte BGU II 647 vom 22. August 130 n. Chr. Bereits 1898 von Ulrich Wilcken ediert, ist das etwas unbeholfen formulierte Gutachten eines der bekanntesten unter den insgesamt drei Dutzend Dokumenten dieser Art. 51) (1) Abschrift

einer (amtlichen) Erklärung. Protarchos, Strategen des Arsinoites, Herakleides-Bezirk, 52) Gaius Menecius Valerianos, der eine Arztpraxis im Dorf Karanis 53) betreibt, und Phaesis, Sohn des Zenas, und Syros, Sohn des Kastor, die zwei Dorfältesten. (5) Es wurde uns vermeldet von dem Amtsdiener Herakleides, die Verfassung des Mystharion, Sohn des Kames, zu begutachten, in Anwesenheit auch von dessen Bruder Petesuchos, der auch die Eingabe an dich gerichtet hat. (8) (Dazu) erklären wir (?) so, indem wir beim Genius des Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus schwören: (9) Einerseits Gaius Menicius Valerianus, am fünften Tag nach der Schlägerei Mystharion auf seine Verletzungen hin untersucht zu haben – (11) oberhalb der linken Schläfe des Kopfes eine Verletzung, (genauer) ein (Knochen-)Bruch bis in die Tiefe, worin ich kl[ein]e Bruch(stücke) von Stein fand; (13) andererseits Phaesis und Esuris, mit dem Meni(ci)us die vorliegende Verletzung betrachtet zu haben, oder wir mögen dem Eid verhaftet sein. (16) Geschrieben von Aphrodisios, Grapheionschreiber von Karanis, unter Aufsicht des Amtsdieners Herakleides. (19) Phaesis, ungefähr 80 Jahre alt, Narbe am linken Schienbein. Esuris, ungefähr 45 Jahre alt, Narbe am Kopf. (21) Ich, Gaius Menecius Valerianos, der die Arztpraxis im Dorf Karanis betreibt, habe mit dem vorliegenden Eid beschworen, am fünften Tag nach der Schlägerei Mystharion auf seine Verletzungen hin untersucht zu haben – oberhalb der linken Schläfe des Kopfes eine Verletzung, (24) ein (Knochen-)Bruch bis in die Tiefe, worin ich kl[ein]e Bruch (stücke) von Steinen fand, oder dem Eid verhaftet zu sein. (27) Im 14. Jahr des Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus, am neunundzwanzigsten Mecheir. 54) Ich, Herakleides, Sohn des Herakleides, Amtsdiener, habe Aufsicht geführt. (2) An

7. Krankheit in den Steinbrüchen Seit den späten 1980er Jahren wurden in der Ostwüste Hunderte von Ostraka gefunden, die detaillierten Einblick in den Betrieb der dortigen Steinbrüche gewähren. Danach kam es nicht selten zu Arbeitsausfällen, und zwar ebenso durch Erkrankungen oder Skorpionstiche wie auch besonders durch Unfälle, die offenbar geradezu an der Tagesordnung waren. Die hier vorgestellten Texte vom Mons Claudianus stammen

51. 52. 53. 54.

332

Die neueste Übersicht bei Hirt Raj, Médecins, bes. Tabl. III. Verwaltungseinheit im NO des Fayyu¯m. Das heutige Ku¯m Ausı¯m. 22. 8. 130 n. Chr.

Griechische Texte aus Ägypten

sämtlich aus der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. und wurden 1992 bzw. 1997 von Hélène Cuvigny publiziert.

7.1 Spezifizierte Krankenlisten

Während die aus früherer Zeit datierenden Listen O. Claud. I 83 bis 118 unter der Überschrift »Kranke« lediglich die Namen der Betroffenen aufführen, enthalten drei in der Zeit von 137 bis 145 entstandene Aufstellungen zugleich Angaben über die Tätigkeit wie den Grund der Arbeitsunfähigkeit. 7.1.1 Von den auf dem fast rechteckigen O. Claud. II 212 verzeichneten Kranken war annähernd die Hälfte Opfer eines Arbeitsunfalls. (1) 8.

(oder 20.?) Epeiph. 55) Lehrling: Hermaiskos, mit Augenleiden. (4) Steineträger: Moschion, Rekonvaleszent. (6) Keilsetzer: Agrippa, verletzt. (8) Aushärter: Rhomeon, verletzt. (10) Wasserträger: Kalpenos, vom Skorpion gestochen. (12) Arbeiter: Spes, mit Fieber. Menophanes. Silas, Invalide. (16) Steinhauer: Terentis, verletzt. Aphrod( ), verletzt. Demetris Sikys 56).

(2) Steinbrucharbeiter,

7.1.2 In dem unten abgebrochenen O. Claud. II 213 wurden nachträglich noch die Ausfallzeiten zusammengezählt, vermutlich zur Neuberechnung des Monatslohns. (1) 12.

Epeiph. 57) Antonis, mit Augenleiden – vom 8. an 4 Tage. (4) Steineträger: E..ris, Entzündung des Gaumenzäpfchens – vom 10. an 3 Tage. (6) Arbeiter: Spes, mit Fie[ber] – vom 1. an 12 Tage. Besarion, Rekonvaleszent – vom 9. an 4 (Tage). Annaios, ve[rletzt] – vom 1. an 12 Tage.

(2) Hämmerer:

7.1.3 Auch die auf O. Claud. II 217 stehende Liste dürfte ursprünglich noch länger gewesen sein. Zwar ist nur bei der knappen Hälfte der Namen eine Erkrankung vermerkt, doch kann es sich angesichts dieses hohen Anteils kaum um einen »normalen« Arbeitertrupp handeln. (1) Am

3. der Epagomenen. 58) beim Schmied: Patermuthes. (3) Aushärter: Euphrosynos, mit Augenleiden. (4) Arbeiter: Kointos, verletzt. Suedos, ebenso. (7) Nikomas. Lukios. Gemeinos …

(2) Hämmerer

55. 56. 57. 58.

2. oder 14. Juli. Wörtlich »die Gurke«, wohl eher ein Spitzname als eine Diagnose. 6. Juli. 26. August.

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7.2 Nachrichten und Briefe

Auch in der auf den Ostraka erhaltenen Korrespondenz ist immer wieder von Gesundheitsproblemen die Rede. 7.2.1 Bei dem in O. Claud. I 119 erwähnten »Schlag« auf das Auge könnte es sich erneut um eine der – häufigen – Verletzungen durch Steinsplitter handeln. (1) Hermanubas

erhielt einen Schlag auf das Auge.

7.2.2 Eher ein Notizzettel als ein Brief liegt in dem ebenfalls vom Beginn des 2. Jh. datierenden Ostrakon O. Claud. I 120 vor. (1) Schicke

für die Verletzung einen kleinen Wundhaken; (2) lege dar, was (?) ich dir sagte; auf (?), was das Haus betrifft; (4) ich werde bei Amoleios zu Abend essen. (6) Lebewohl. (3) paß

7.2.3 Nach dem aus frühantoninischer Zeit stammenden Schreiben O. Claud. II 220 muß die medizinische Infrastruktur in den Steinbrüchen recht gut gewesen sein, falls das Ostrakon nicht irrtümlich, obwohl für das Niltal bestimmt, am Ausstellungsort verblieben war. (1) Psenpaapis

seinem Bruder Gemellos vielmals Grüße. (3) Du wirst gut daran tun, Bruder, mach dich auf zum Arzt, damit er dir den Safran gibt und du (ihn) mir schickst. (6) Denn das, was du mir geschickt hattest, habe ich nie (?) bekommen … medizinische Pasten … werde ich zu dir kommen. (11) Grüße Taesis, deine Schwester, viel, und die, die dich lieben. Lebewohl. 7.2.4 In dem um 145 entstandenen O. Claud. II 221 wird um einen Kopfverband gebeten. (1) Bekis

seinem Sohn Peteharoeris Grüße. (2) Schicke mir einen Verband [für] den Kopf, da ich … 7.2.5 Von einer lebensbedrohlichen Mandelentzündung berichtet der unbekannte Verfasser von O. Claud. II 222 aus antoninischer Zeit.

(1) …

seinem Bruder … Grüße. (2) [… gefra]gt, hilf unserem … und sch[icke ihm ein He]ilmittel, (4) da er in (Lebens)gef[ahr ist wegen] seiner Mandeln. (6) [Er wo]llte [nicht] schreiben, daß du hierher [kommst], und ich habe nicht abgelassen, damit du …, (8) und wenn es ihm wieder gut geht, wird er es dir vergelten. 7.2.6 Der ebenfalls unbekannte Verfasser von O. Claud. II 223 war um 153 auf einen Skorpion getreten. (5) […

wu]rde ich behindert von dem Skorp[ion(stich) und] leide an meinem Fuß … werde ich kommen. (8) Ich wün[sche] dir Wohlergehen.

(7) Morgen

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Griechische Texte aus Ägypten

8. Briefe aus dem ärztlichen Milieu Briefe von Ärzten unterrichten nicht nur über den ärztlichen Alltag, sondern behandeln gelegentlich auch medizinische Fragen wie die Erprobung neuer Rezepte. Hierher sind möglicherweise auch Schreiben zu dem in nachchristlicher Zeit offenbar zunehmenden Import von Gewürz- und Heilpflanzen aus dem Vorderen Orient und Indien zu stellen.

8.1 Korrespondenz über Rezepte

Der ausnahmsweise mit genauem Datum versehene Brief aus der Privatsammlung Wilfred Merton wurde 1948 von H. I. Bell als P. Merton I 12 publiziert und dürfte, obwohl 1926 im oberägyptischen Ahmı¯m erworben, wie die anderen Papyri dieses Ankaufs aus Oxyrhynchos oder Hermupolis stammen. Nach der Adresse auf der Rückseite war zumindest der Empfänger, nach dem Inhalt des Schreibens aber vielleicht auch der Absender ein Arzt, die sich über verschiedene Methoden zur Wundbehandlung und die Zusammensetzung der Pflaster austauschen. 59) (1) Chairas

seinem lieben Dionysios vielmals Grüße und allezeit Gesundheit. (3) Als ich deinen Br[ief] erhielt, war ich so voller Freude, [als ob] ich tatsächlich zu Hause wäre, denn o[hne] das ist (alles) nichts. (6) Dir große Danksagungen zu schreiben, verbietet sich jedoch; denn nur denen, die keine Freunde sind, muß man mit Worten Dank sagen. (9) Ich vertraue aber darauf, daß ich in einer gewissen heiteren Ruhe ganz munter bin, und wenn dir vielleicht auch nicht dasselbe zu bieten ist, werde ich doch wenigstens etwas Kleines für deine Liebe zu mir bieten. (13) Du hast mir zwei Rezeptabschriften gesandt, das eine nach Archagathos, 60) das andere zur Narbenbildung. (15) Das nach Archagathos enthält keinerlei Fehler, das zur Narbenbildung enthält dagegen nicht die Gewichtsangabe des Pinienharzes. (17) Dich frage ich aber nach einem wirksamen (Mittel) zur Narbenbildung, das ohne Risiken Narben an den Fußsohlen zu erzeugen vermag; denn ich werde aus Not dazu gedrängt. (21) Hinsichtlich des festen (Mittels) schriebst Du, daß es zwei Sorten gebe. (22) Schick mir doch das Rezept von dem, das weichmacht; denn auch das Tetrapharmakon 61) ist fest. (25) Dieser Brief ist dir gerade so versiegelt. (26) Lebewohl, und denk an das Gesagte! (27) Im 5. Jahr Neros, des Herrn, im Monat Germanikos, am 1. 62) (Rs.) An den Arzt Dionysios. 59. 60. 61. 62.

Eine eingehende Besprechung jetzt bei I. Andorlini, Il »gergo« grafico ed espressivo della ricettazione medica antica, in: A. Marcone (Hg.), Medicina e società nel mondo antico (Atti del convegno di Udine, 4-5 ott. 2005), Firenze 2006, 142-167, bes. 154 ff. Lakonischer Chirurg, der als erster griechischer Arzt im Jahr 219 v. Chr. nach Rom kam. Das von ihm entwickelte Pflaster wird auch von Cels., de med. V 19, 27 und anderen antiken Autoren erwähnt. Ein, wie schon der Name sagt, aus vier Substanzen bestehendes Mittel – nach Cels., de med. V 19, 9 Wachs, Pech, Pinienharz und Rinder-, notfalls auch Kälbertalg –, das in der Antike für Pflaster schlechthin verwendet wurde. 26. 4. 59 n. Chr.

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8.2 Bitte um Übersendung eines Medizinbehälters

Aus dem 2. oder 3. Jh. n. Chr. stammt ein kleiner Brief unbekannter Herkunft, der 1931 von Sam Eitrem als P. Oslo II 54 ediert wurde. Im Gegenzug für eine Geldsumme bittet Horion darin seinen Vater, ihm seine »Pharmakothek« und zudem zwei Mittel vom Arzt zu besorgen. Daß er hierfür nur die Geschmacksrichtungen, jedoch weder Zweck noch Inhaltsstoffe nennt, läßt vermuten, daß der Adressat genau wußte, worum es ging. (1) Horion

seinem Vater Apollonios Grüße. (3) Nimm durch das Schreiben 98 Silberdr. entgegen, das ich mit einem Hausgenossen schicke. (5) Schicke mir den Medizinbehälter und erbitte von dem Arzt (8) ein beißendes Heilmittel und ein anderes süßeres. (10) Ich wünsche Dir Wohlergehen.

8.3 Zwei Briefe an die Mutter Antonia

Als P. Ross. Georg. III 1 und 2 wurden von Gregor Zereteli im Jahr 1930 zwei nicht näher datierte Briefe veröffentlicht, die die wohl in Alexandria festgehaltenen Söhne – einer davon ein Arzt – an ihre daheimgebliebenen Familienangehörigen schrieben. Aufgrund der darin erwähnten kriegerischen Auseinandersetzungen werden diese Texte nunmehr in die Zeit der palmyrenischen Eroberung Ägyptens, also etwa 270 n. Chr., gesetzt. 63)

8.3.1 Sorge des Markos um seine medizinischen Bücher In dem ersten Brief berichtet Markos über die eingeschränkte Bewegungsfreiheit, die nach einer verlustreichen Schlacht eingetreten war. Die hierzu mitgeteilten Details lassen bereits ein gewisses professionelles Interesse erkennen, das durch die später geäußerte, von Markos geradezu als sein ceterum censeo bezeichnete Bitte, daß man sich um seine medizinischen Bücher kümmern möge, bestätigt wird. (1) Markos

an Antonia und Sarapion und Kassianos, meine Eltern, vielmals Grüße. Huldigung bringe ich dar für euch bei den Göttern, den Tempelgenossen. 64) (4) Denn niemand ist imstande, hinaufzugehen und zu huldigen, wegen der erfolgten Schlacht der Oberen 65) gegen die Soldaten. (5) Es sind 15 Soldaten gefallen von den singulares, außer den Legionären, den evocati, den Verwundeten [und] den chalastai. 66) (3) Die

63. 64. 65. 66.

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So bes. C. H. Roberts, An Army Doctor in Alexandria, in: S. Morenz (Hg.), Aus Antike und Orient, FS W. Schubart, Leipzig 1950, 112-115. Die Huldigung gilt üblicherweise einem Hauptgott, hier vermutlich Sarapis, und erst in zweiter Linie seinen Tempelgenossen. Bereits die »Kurzfassung« verweist demnach auf die im folgenden Satz auch explizit angesprochenen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Wer diese »Oberen« waren, ließ sich bis heute nicht klären; erwogen wurden ebenso Bewohner aus dem Landesinneren wir Angehörige libyscher Stämme, vgl. auch BL II.2 113; VI 121. Da es sich bei den singulares und evocati um militärische Ränge handelt, sollte ähnliches auch für die sonst nicht näher bekannten chalastai (wörtlich »Zerstörer«) anzunehmen und der Genetiv calast(n) auf ein Substantiv zurückzuführen sein. Vermutlich unter dem

Griechische Texte aus Ägypten (8) Jetzt

also schreibe ich euch: »In Eile schickt mir die ärmellose Wolljacke, die ihr macht, damit ich sie bei mir finde.« (9) Und der Dattelpalmengarten soll 3  gewässert werden, wie es in einem solchen Augenblick (recht ist); und er, Kassianos, soll seine Aruren wieder um soviel, wieviel es dort gibt, 67) verkaufen und alles, was von uns in der Schwebe ist, erledigen und sich eine Quittung zum Klageverzicht ausstellen lassen von dem Thebaner. (13) Und ich möchte euch wissen lassen, daß ich nicht imstande war, in die Gegend von Kassianos zu gehen – ich weiß nicht, ob die Mutter seiner Kinder fortgegangen ist oder nicht; denn als Kassianos fortging, trug er mir auf, ihm zu schreiben, was die Stadt betrifft, allgemein, und ob man sich das Brot unter den Nagel gerissen hat. (17) Und wie in jedem Brief schreibe ich dir, mir die medizinischen Bücher auszuschütteln – schüttele sie aus und hebe sie hoch aus der Fensternische, die ich beim Fortgehen zurückließ. (19) Und Apollonios der Blinde kam zu mir und sa[gte mir:] »Serapiakos hat deiner Mutter die Aruren überlassen.« (21) We[nn sie also] überlassen [sind (?)] und du die Einstellung dieses Apollo[nios] des Blinden kennst, daß er rechtschaffen ist, ve[rp]achte sie ihm; wenn dir jener es nicht sein sollte, versuche (wenigstens) [da]s Getreide (abzu)geben. 68) (24) Grüße Eudokia, die Frau des Oktaios, mit ihren Kind[er]n und Valerios, den (Sohn) des Pasikas, und Arse[nios und] alle und die Herrin und meine Schwester … al[le] einzeln beim Namen, grüße sie. (Am linken Rand, um 90 gedreht) Grüße auch Gaion und Valerios, den vom Pech 69). Ich wünsche euch Wohlergehen. (Rs.) Gib Sarapion und Kassianos, den Vätern.

8.3.2 Trostbrief des Serenos Der zweite Brief stammt von Markos’ Bruder Serenos und hat als einer der wenigen Trostbriefe in den Papyri stets besondere Beachtung gefunden. 70) Darin versucht Serenos die Mutter über den Tod eines der Familie befreundeten Arztes zu trösten und nimmt dies zum Anlaß, Antonia und ihrer Tochter die Übersiedlung zu ihnen nahezulegen. Denn Markos sei wegen seiner starken Inanspruchnahme in der Krankenversorgung vor Ort unabkömmlich und er selbst aufgrund anderer Verpflichtungen nicht minder. (1) Serenos

der Mutter Antonia Wohlergehen. ich, Herrin, vom Tod des Arztes erfuhr, war ich betrübt. Aber das ist Menschenschicksal; denn auch wir selbst gehen diesen Weg. (3) Viel haben wir auch Markos getröstet in seiner Trauer, sei es wegen des Todes von jenem, sei es, da du in Trauer warst. (5) Aber da nach der Götter Wille dieser dir noch übrig ist, gibt es nichts Schlimmes für (2) Als

67. 68. 69. 70.

Einfluß des vorausgehenden Partizips »Verwundete« hatte jedoch Zereteli hierin ein Verbaladjektiv sehen wollen und also »Demoralisierte« übersetzt, was allerdings, da dies offenbar kampfunfähige Opfer einer Schlacht beschreibt, etwas blaß erscheint. Mit BL II.2 113. Möglicherweise geht es hier um die Alternativen Verpachtung oder Verkauf der Ernte auf dem Halm; zu letzterem bes. H.-A. Rupprecht, Vertragliche Mischtypen in den Papyri, in: »MNHMH« Georges A. Petropoulos, Bd. 2, Athen 1984, 273-283, bes. 280 ff. Wohl einen Pechhändler oder Töpfer, der die Gefäße verpicht. Hierzu allgem. zuletzt J. Chapa, Letters of Condolence in Greek Papyri (Pap. Flor. XXIX), Firenze 1998, mit unserem Text 105 ff. Nr. 7 (wonach auch übersetzt).

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dich. (6) Du wirst also gut daran tun, Mutter, wenn du, sobald du unser Schreiben erhältst, rasch zu uns herkommst, da du erkennen wirst, daß mein Bruder Markos sehr in Anspruch genommen ist bezüglich der Kranken und der Arztpraxis. (9) Du weißt, daß es nicht gut ankommt, die Leidenden – nicht wenige! – zurückzulassen und die Arbeitsstätte – daß nicht etwa ei[n M]urren entstehe gegen uns, und das unter einer solchen Herrschaft! (12) S[ic]her hat dir Markos in seinem Brief meinen Zeitmangel angezeigt; ich mußte nämlich eine Aufgabe in der Stadt übernehmen und stehe dadu[rch unter] Druck. (14) Da es mir nicht (möglich) war, mich für einige Tage hinzusetz[en und] ihn zu dir [zu schi]cken, wir aber be[obachte]ten, daß Harpokras sich um [be]ide Seiten küm[mert], und das, was gut und schön ist, beda[chten …,] daß du herkomm[st mit] deiner Tochter [ … ] dich [hi]er auf[hältst mi]t deinem Sohn. (18) Auch [deine] Toch[ter] nämlich kann [ … nicht (?)] wenig, und du wirst vereh[rt werd]en von vielen [ … wegen de]r Erinnerung an jenen, viel mehr aber noch wegen der Wertschätzung des Markos, die er hier genießt, (22) wenn du erkennst, daß wir von den führenden Leuten des Ortes und den Rechtschaffenen hier, zumal sie sich auch um Markos kümmern, Vermittlung gewonnen haben seit seiner früheren Abwesenheit – sowohl durch Freunde wie durch die väterlichen Götter wie durch Schreiben –, so daß wir nicht voneinander getrennt werden. (26) Daher also, Mutter, bringe als vernünftige Frau, sobald du unser Schreiben von Harpokras erhältst, rasch deine Angelegenheiten in Ordnung und richte deine Gedanken auf uns; denn deine eigenen Sachen kannst du zum einen in Pacht geben, zum anderen in Sicherheit, und auf diese Weise zu uns eilen. (32) Sei guten Mu[tes], Herrin.

8.4 Import von Heil- und Gewürzpflanzen aus dem Orient

In einem Geschäftsbrief unbekannter Herkunft, der erstmals 1965 von Iginio Crisci ediert und kürzlich als PSI XV 1558 neupubliziert wurde, weist Kalleas Flavius an, ein Körbchen mit aus dem Orient importierten Waren an eine dritte Person weiterzugeben. Die wohl dem 3. Jh. n. Chr. zuzuordnende Liste ist in jedem Fall unvollständig, da der Papyrus unten abgebrochen ist; zugleich ging auch ein guter Teil der rechten Seite verloren, der die beigeschriebenen Wertangaben und möglicherweise sogar noch eine zweite Kolumne mit weiteren Gewürz- und Heilmitteln enthielt. Wie bei dem folgenden Text ist auch hier für die meisten erwähnten Produkte ein medizinischer Gebrauch nachgewiesen. (1) Kalleas

dem verehrtesten Flavius Grüße. (2) Du wirst gut daran tun, wenn du die Waren von dem Schiffer Peruan übernimmst, daß du sie der Frau des Spartas weitergibst. (4) Wie ich sie nach dem Standard von Koptos 71) übernommen habe, so habe ich sie auch an sie weitergereicht, nicht wie an Fremde, sondern wie an eigene Leute; … 72) 71. 72.

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Das heutige Qift, der Ort, in dem die über den Indischen Ozean verschiftten Importe erstmals ˙ das Niltal erreichten, weswegen sich hier ein eigenes Gewichtssystem für diese Waren entwikkeln konnte. Die in der Neuedition vorgeschlagene Lösung »als unglaubliche (Waren) zu so etwas« vermag weder sprachlich noch von der Lesung her zu überzeugen.

Griechische Texte aus Ägypten

nämlich zu so etwas hat sie (?) es nicht genommen. (7) Die Waren sind aber alle in ein Körbchen hineingestopft, außer dem Safran, der ist nämlich draußen gelassen worden, damit er nicht zerfetzt werde. (9) Es ist aber im einzelnen: an Mastix 1 Mine = 160 Dr.; (10) an Mus von Styrax 2 Minen = [x] Dr.; an … [x] Minen […]; (11) an Malabathron 4 Minen = 600 [+ x (?)] Dr.; (12) an leberfarbener Aloe 2 Minen [ … ]; (13) an Myrrhe 2 Minen [ … ]; (14) an (Öl-? Harz-?) Abguß 2 Minen [ … ]; (15) an Baumharz 2 Minen [ … ]; (16) an syrischem Asphalt 1 Mine [ … ]; (17) an Safran eine Mine = [x] Dr. [ … ]; (18) an Weihrauch bester Sorte 4 Unzen [ … ]; (19) an Amomum bester Sorte 2 Unzen [ … ]; … (Rs.) Übergib (es) an Flavius von [Kalleas.]

8.5 Bestellung von Heilpflanzen für ein Rezept

Als bloßer Auftragszettel gibt sich ein kleiner Papyrus des 3./4. Jh. n. Chr. aus den Grabungen in Herakleopolis Magna, dem heutigen Ihna¯siyat al-Madı¯na, der bei der Ankunft des Schiffes im Hamburger Hafen verbrannte.˙ Hatte Ulrich Wilcken, der ihn 1903 als BGU III 953 edierte, darin noch ein »Recept (zu einem Zaubermittel?)« sehen wollen, spricht der hohe Anteil an kostspieligen Gewürzen aus dem Süd- und Osthandel allerdings eher hiergegen. Für Costus arabicus und Bupleurum fruticosum ist eine medizinische Nutzung sicher belegt, bei Cinnamomum malabathrum, Cinnamomum iners und Balsamhölzern scheint sie zumindest nicht ausgeschlossen. (1) Auftrag (4) an

des Nikon. (2) An Malabathron 5 Gewichtsstatere; (3) an Costus eine Unze; Kassia eine Unze; (5) an Sesel 73) zwei (Dr.) 4 Obolen; (6) Balsamhölzer eine Unze.

9. Rezepte Ein Weiterleben der traditionellen Heilkunde Ägyptens scheint in den griechischen Papyri vor allem in den zahlreich überlieferten Rezepten faßbar zu sein.

9.1 Bruchstück eines gynäkologischen Werks

Einer der ältesten medizinischen Papyri in griechischer Sprache ist der heute in Manchester aufbewahrte P. Ryl. III 531. Von der beidseitig beschriebenen Rolle aus der frühen Ptolemäerzeit blieb lediglich der obere Rand mit drei bzw. zwei – nicht immer vollständigen – Kolumnen von jeweils etwa zehn Zeilen Text erhalten. Gleichwohl galt zumindest die sorgfältiger beschriftete Vorderseite stets als eines der wichtigsten 73.

Mit Ph. Kukules, Byzantis 2 (1912) 489 f. = BL V 14. Während Kukules darin das s3ffseli Krhtikn (Tordylium officinale) erkennen wollte, sprach sich V. Gazza, Prescrizioni mediche nei papiri dell’Egitto greco-romano. II, Aegyptus 36 (1956) 73-114, bes. 96 für eine Identifizierung mit dem s3ffseli A§qiopikn (Bupleurum fruticosum, »Hasenohr«) aus, was auch angesichts der Herkunft der anderen Produkte plausibler erscheint.

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Zeugnisse griechischer Fachliteratur zur Frauenheilkunde, zumal eines der hier aufgezeichneten Rezepte, wie schon der Ersteditor C. H. Roberts 1938 vermerkte, fast identisch im Corpus Hippocraticum begegnet. 74) Befremden hatte zwar seit jeher die in der griechischen Medizin unübliche Verwendung tierischer Organe – hier genauer der Nieren eines Fischotters – erregt, doch wurde dies erst in neuerer Zeit als Indiz dafür gedeutet, daß der Einfluß ägyptischer Traditionen auf die alexandrinische Medizin stärker sein dürfte als bisher vermutet. 75) (Vs. col. II, 10) Um

eine Reinigung zu machen: 76) gib Fenchelblüte (und) Außenblätter des Meerfenchels in Wein zu trinken. (12) Gegen Erstickungszustände vom Uterus her: trockne Nieren vom Fischotter und gib davon so viel, wie du mit drei Fingern nehmen kannst, in wohlriechendem Wein. Dies hilft auch für Leiden der Hoden und ist ein Klistier für den Uterus. (16) Ein anderes (Mittel), wenn sie zusammen mit dem Ersticken auch hustet: 77) an [Sa]ndarach 2 Ob., an Naturschwefel dasselbe, ziehe 3 oder 4 Bi[tter]mandeln ab und mische (es) zusammen; danach [gib] ihr dies [nüc]htern in wohlriechendem Wein. (20) Ein anderes (Mittel): … Fi[schotter (?)] … (col. III, 21) an Myrrhe 1 Ob., an Anis d[asselbe (?) 78)]; reibe glatt und gib … oder in einem Becher an gekochtem Most … erhitze dies. (25) Ein Verhütungsmittel: An Gallapfel und Granatapfel … durch die Natur der k[nidischen (?) 79)] Beeren … [an Alau]nschiefer, führe es ein …, nachdem es mit viel Wasser aufgeweicht [wurde] … die Monatsblutungen … soviel … (Rs. col. II, 43) Wenn aber nicht, Zwiebeln (oder?) Birnwolfsmilch. (44) Für den Mund: gebranntes Zypergras, Myrrhe, Safran, Sandarach, Alaunschiefer. (50) Ein anderes (Mittel): Myrte für Wunden, gebranntes Kupfer, Weihrauch …

9.2 Rezept gegen Nervosität

Singulär erscheint ein Ostrakon unbekannter Herkunft, das der Schrift nach aus dem 2. Jh. v. Chr. stammt und 1980 als O. Leid. 1 vorgelegt wurde: Auf der gewölbten Seite wird eine Maßnahme zur Beruhigung des Geistes, also wohl psychischer Probleme, empfohlen. In derselben Hand steht auf der Rückseite ein weiterer Vorschlag, darüber allerdings eine offenbar nicht zugehörige geschäftliche Notiz. (1) Wenn

du in deinem Geist beruhigt werden willst (3) und weißt, was dich verwirrt, trinke vor dem Mahl; (7) und wenn du das Mahl einnimmst, iß zugleich zum Mahl Eier, 74. 75. 76. 77. 78. 79.

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Vgl. Z. 16 ff. mit CH, Mul. II 200. So zuletzt I. Andorlini, Prescription and Practice in Greek Medical Papyri from Egypt, in: H. Froschauer / C. Römer (Hg.), Zwischen Magie und Wissenschaft. Ärzte und Heilkunst in den Papyri aus Ägypten, Wien 2007, 23-33, bes. 24. Wohl im Kindbett, vgl. I. Andorlini, Ricette mediche nei papiri, in: Atti e memorie dell’accademia Toscana di scienze e lettere »La Colombaria« 46 (1981) 31-81, bes. 37 Anm. 15. Nach dem von Andorlini ebd. 37 ff. hergestellten Text; so auch dies., Medicina e società, 150. Andorlini, Ricette, 39 Anm. 22. So mit Andorlini, ebd. 40 Anm. 27. Die giftigen Beeren des Seidelbasts (grana cnidia) galten als starkes Purgiermittel.

Griechische Texte aus Ägypten (10) und

erbrich den größeren Teil des Mahles; (12) und am folgenden Tag führe eine Reinigung (?) durch. (Rs., 15, 2. Hd.) Das gesch[ehe?] so. (17) Pachon. Ich habe abgerechnet mit dem Bankier Panechates: Rest bei ihm 4 Tal. …, wie er sagt. (22, 1. Hd.) Ich vermute, daß es nützt mit Fisch (?).

9.3 Private Zusammenstellung von Rezepten

Auf der Rückseite eines Papyrus mit Scholien zum zweiten Buch der Ilias, die Arthur S. Hunt im Jahr 1911 als P. Oxy. VIII 1086 publizierte, hatte eine recht flüchtige Hand des frühen 1. Jh. n. Chr. eine Reihe von Rezepten notiert. Hiervon blieben noch drei vollständige Kolumnen und die Anfangsbuchstaben einer vierten erhalten, die Hunt im selben Band unter der Nummer 1088 vorlegen konnte. Die insgesamt 15 Rezepte, die zwei bis zehn Zeilen einnehmen und häufiger durch Paragraphoi voneinander getrennt sind, lassen sich zwar in bestimmte Gruppen gliedern – so sind erst Krankheiten der Haut und dann der Nase betroffen, worauf verschiedene Heiltränke folgen –, doch ist ein klares Gliederungsprinzip kaum zu entdecken. Ebenso wie die mangelnde Sorgfalt bei der Niederschrift, die bei den beiden letzten Zeilen bisher sogar eine sichere Lesung und also Übersetzung verhindert hat, läßt dies auf eine Zusammenstellung zu privaten Zwecken schließen. (col. I, 1) Quittengelbe

Paste für Fluß, Narben, Prellungen und Striemen: an Galmei 4 Dr., an Bleiweiß 8 Dr., an Stärke 4 Dr., an gereinigtem Schiefer (Talkum?) 1 Dr., an Safran 1 Dr., an Mohnsaft 3 Ob., an Gummi 4 Dr., Wasser. (8) Vorzüglich für leichten Fluß und Narben: an Stärke 8 Dr., an schwarzer Augenschminke 2 Dr., an Mohnsaft 3 Ob., an Kupferplättchen 3 Ob., an Bleiweiß 2 Dr., an Gummi 2 Dr., Wasser. (14) Für Hautkrankheiten: an Spanischen Fliegen 1 Dr., Ajowan, Raukensamen, …, Schwarzkümmel, Senf, Kardamom, flüssiges 80) Pech. Verwende es örtlich. (19) Ein blutstillendes (Mittel): verwende feinen kupferhaltigen Alaun, und es wird es rasch zum Stillstand bringen. (21) Um Nasenbluten anzuhalten: mische Manna mit dem Saft von Lauch und schmiere den Saft innen hinein. (col. II, 24) Zum Niesen: zerreibe recht frisch geerntete weiße Nieswurz und fülle es in die Nasenöffnungen hinein; oder mit Seifenkraut ebenso; oder mit Bibergeil ebenso. (28) Gegen Entzündungen in der Nase: zerreibe Auripigment fein und behandele den Menschen, indem du ihn auf dem Rücken liegen läßt; oder verwende schwarze Nieswurz ebenso. (32) Gegen Polypen, die in den Nasenöffnungen entstanden sind: an Schaum von gebranntem Natron 3 Ob., an Kümmel eine Dr., an Iris eine Dr., zerreibe es und fülle es in

80.

D. h. die an Terpentinöl reichere Form des Pechs, im Gegensatz zum an Kolophonium reicheren »trockenen« Pech, vgl. Sudhoff, Ärztliches, 71.

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die Nasenöffnungen hinein; wenn sie aber ausgetrocknet sind, zerreibe die getrocknete Schale von Gurken fein und fülle es hinein. (38) Gegen Viertagesfieber: an Silphionsaft ein Ob., an Myrrhe ein Ob. (39) Ein anderes (Mittel): reibe 81) an Schierling 3 Dr., an Bilsenkraut 3 Dr., an Mohnsaft 2 Dr., an Bibergeil 1 Dr., an schwarzer Nieswurz 1 Dr.; mache es fein und, indem du jedes für sich mit Wasser formst, mache daraus eine Paste in der Größe einer ägyptischen Bohne; (43) dann trockne es im Schatten und gib dies einem Nüchternen zu trinken, indem du es in einer halben Kotyle süßen Weins zerreibst; (45) ihn ein warmes Bad nehmen lassen 2 Stunden vor der Einnahme, ihm eine Wärmflasche zu Füßen legen und in Decken hüllen. (col. III, 48) Ein Trank für Leberkranke: an Kalmus eine Dr., an Heilwurz ein Ob., an Narde ein Ob., an Pastinake zwei Dr. Er soll es lang[sam] trinken mit süßem Wein oder Honig. (52) Ein anderes (Mittel): an Heilwurz 2 Dr., an Kalmus 2 Dr., an Pastinake eine Dr., an Narde ein Ob.; gib es mit süßem Wein und Honig und Pinienkernen vermischt zu trinken. (56) Ein anderes hinreichend wirksames (Mittel): an Cinnamum [ … ], an Myrrhe 10 Dr., an Narde 6 Dr., an äthiopischem Sesel 6 Dr.; indem du jedes für sich mit einem Ei feinre[ibst] und es mit Saft des Tausendgüldenkrauts in der Größe einer äg[yptischen] Bohne formst, gib es zu trinken in einer warmen Honigmilch. (63) Trank für Wassersüchtige: an Bergpetersilie …, an Myrte 8 Dr., an Bittermandel 4 Dr., an Pastinakensamen 6 Dr. (66) Ein Schlaftrank: an Bils[enkraut … ], an Anis 1 Dr., an Mohnsaft drei Ob.; mis[che (das) und gib (es).] (68) Ein menstruationsförderndes (Mittel): 82) … 1 Dr., … 4 Dr. Vorzüglich!

9.4 Anweisung zur Zubereitung von Rindertalg

Eine Ausnahme unter den griechischen Rezepten bildet der wohl als private Abschrift zu deutende P. Berol. 9765 aus dem 2. Jh. n. Chr., der die Gewinnung und Reinigung von Rindertalg beschreibt und 1905 von Hermann Schöne in dem dritten Heft der Berliner Klassikertexte ediert wurde. Vor dem auf S. 30 f. vorgelegten Text sind noch minimale Reste einer vorausgehenden Kolumne erhalten, die eine Übersetzung nicht lohnen, möglicherweise auch gar nicht dazu gehören. (1) Mache

mit Honig glatt und verwende es nüchtern – Zubereitung von Rindertalg: zie[he die H]aut ab und mache es glatt, indem du Wasser darübergießt, und sobald es rein ist, (6) wirf es in einen Kessel und laß es mit dem über Zitronenholz erhitzten (?) Wasser schmelzen. (8) Wenn du es hast schmelzen lassen, gieße es in ein (4) Zuerst

81. 82.

342

Mit J. Lundon, POxy VIII 1088: problemi e proposte, in: I. Andorlini (Hg.), Testi medici su papiro (Atti del seminario di studio Firenze, 3-4 giugno 2002), Firenze 2004, 119-130, bes. 127 f. Mit Lundon, Testi medici, 130; zur Deutung bes. D. Goltz, Studien zur altorientalischen und griechischen Heilkunde. Therapie – Arzneibereitung – Rezeptstruktur, Wiesbaden 1974, bes. 170.

Griechische Texte aus Ägypten

Sieb, unter das du ein Becken mit kaltem Wasser gestellt hast, (11) und wenn es rein bleibt oder …, wirf es in den Kessel …, laß es schmelzen (13) und (gieß es) wiederum auf dieselbe Weise in das Sieb, unter das du auf dieselbe Weise ein Becken gestellt hast. (16) Aus.

9.5 Einzeln überlieferte Rezepte

Sehr viel einfacher sind demgegenüber die meist einzeln auf Papyrusblättern oder auch Ostraka niedergelegten Rezepte, die oft aus kaum mehr als einer Liste der notwendigen Substanzen mit den jeweiligen Mengenangaben bestehen. Selbst Überschriften sind in dieser vor allem in der Spätantike verbreiteten Rezeptform keineswegs selbstverständlich, noch seltener begegnen Hinweise zur Herstellung und Anwendung der Arzneien. Eine Reihe von Beispielen, die sich sämtlich in der Wiener Papyrussammlung befinden, haben H. Harrauer und P. J. Sijpesteijn in ihrem Bändchen »Medizinische Rezepte und Verwandtes« zusammengestellt, das jeweils auch Übersetzungen enthält. 83) Die hier gegebene Auswahl kann sich daher auf weniger gut zugängliche Zeugnisse beschränken. 9.5.1 Das nur 3  6 cm kleine, zweiseitig beschriebene Papyrusblatt aus dem 2. oder 3. Jh. n. Chr. war 1942 unter dem Titel »Accounts« als P. Princ. III 155 publiziert worden. Nach Louise C. Youtie handelt es sich jedoch auf beiden Seiten um Rezepte, die sogar jeweils mit Überschrift sowie einer Anweisung zur Zubereitung versehen sind. Anders als bei der irrigerweise als Rekto bezeichneten Rückseite, die sie 1976 mit ausführlichem Kommentar neu edierte, 84) ist die angekündigte Revision der Vorderseite jedoch offenbar unterblieben.85) Daher ist hier auch lediglich das von Youtie erarbeitete Augensalbenrezept wiedergegeben (jetzt SB XIV 12086), das sich besonders für Kinder empfahl. (Rs., 1) (Mittel)

für Kinder. (2) An gebranntem Kupfer 4 Dr., (3) an Galmei 6 – oder 8 – Dr., Mohnsaft 2 – oder 6 – Dr., (5) an Myrrhe 2 Dr. 2 Ob., (6) an Erikablüte 2 Dr., (7) an Akazie 6 Dr., (8) an Gummi 6 Dr. (9) Wasser; verwende es, bis seine Konsistenz (die) von Schmieröl ist. (4) an

9.5.2 Das im sog. Strengen Stil geschriebene Rezept PSI Congr. XX 5, dessen Mengenangaben leider verloren sind, wird von der Herausgeberin Isabella Andorlini in das frühe 3. Jh. n. Chr. datiert. Ungewöhnlich ist hier nicht nur die sorgfältige Form der Aufzeichnung und der an den Anfang gesetzte Hinweis auf die Wirkung der desinfizierenden und adstringierenden Salbe, die ihrem Namen nach rund um die Au83. 84. 85.

H. Harrauer / P. J. Sijpesteijn, Medizinische Rezepte und Verwandtes (MPER N.S. XIII), Wien 1981. L. C. Youtie, A Medical Prescription for an Eye-Salve (P. Princ. III 155 R), ZPE 23 (1976) 121129. Zu Z. 3 vgl. immerhin J. Diethart / C. Grassien, APF 50 (2004) 91. Offenkundig handelt es sich wie in den folgenden Texten um ein adstringierendes Mittel, denn auch hier dürfte in Z. 1 statt statfflw(n) mit hoher Wahrscheinlichkeit statik(n) zu lesen sein.

343

Andrea Jördens

gen aufzutragen war, sondern vor allem die sonst bisher nirgends belegte Zusammenstellung der Substanzen. (1) Rundherum

aufzutragende (Salbe). (2) Stillt sof[ort das …, ge]nannt Sa[…]. (4) An Safran 1 Dr., … Saft des Goldlacks … Dr., (6) an Sa[fra]ntrester [… Dr.,] (7) an Gummi (8) … Dr. Die getrockneten (Substanzen) reibe fein, verwende es mit dem Saft und trage es auf. (5) an

9.5.3 In der Bodleian Library in Oxford liegt eine Reihe von Ostraka medizinischen Inhalts aus Theben, denen Claire Préaux schon 1956 eine eingehende Erörterung widmete. 86) Hier sollen lediglich die drei frühesten Beispiele vorgestellt werden, die noch aus dem 2. oder 3. Jh. n. Chr. stammen. 9.5.3.1 Drei nur fragmentarisch erhaltene Rezepte in O. Bodl. II 2181. …, an Erika 2 Dr. (3) Von einem altbewährten adstringierenden (Mittel). (4) An Safran 3 Ob., (5) an Tragant(gummi) [ … ] (6) mit Mil[ch …], (7) an Schiefer [ … ], (8) an Safran 10 Dr. (9) Ein anderes …

(1)

9.5.3.2 Ein Augensalbenrezept in O. Bodl. II 2182. 87) (1) Eine

adstringierende [Paste?]. (2) Galmei 12 Dr., (3) an Akazie 12 Dr., (4) an gebranntem Kupfer 8 Dr., (5) an Erikablüte 8 Dr., (6) an Mohnsaft 4 Dr., (7) an My[rrhe] 4 [Dr.], (8) an Gummi 6 Dr. 9.5.3.3 Das im mittleren Bereich stark beschädigte Ostrakon O. Bodl. II 2187 verdient vor allem wegen des nur selten genannten Anwendungsbereiches Aufmerksamkeit, mit dem ein von einer zweiten Hand stammendes, nicht mehr erhaltenes Rezept überschrieben war.

(1) …

Dattelkerne … (2) … 2 Dr., an Mohnsaft 2 Dr. … Pasten gegen Fluß, (10) adstringierend, (auf der Basis?) von Galmei.

(9) Für

10. Magische Heilmittel Wenn die üblichen Arzneimittel aus pflanzlichen, in geringerem Maße auch tierischen und mineralischen Substanzen nichts verschlugen, griff man gern auch auf Ergänzungen aus der »Dreckapotheke« zurück oder suchte die Krankheit mit Zauberwörtern und Beschwörungsformeln zu bannen.88)

86. 87. 88.

344

C. Préaux, Les préscriptions médicales des ostraca grecs de la Bibliothèque Bodléenne, CE 31 (1956) 135-148. Mit L. C. Youtie, BASP 14 (1977) 39-41 = SB XIV 11708. Eine Zusammenstellung entsprechender Zeugnisse zuletzt bei M. de Haro Sanchez, Catalogue des papyrus iatromagiques grecs, Pap. Lup. 13 (2004) 37-60.

Griechische Texte aus Ägypten

10.1 Neue Scherze nach Demokritos 89)

Ratschläge ganz unterschiedlicher Natur finden sich auf einer 75 cm breiten, allerdings stark zerstörten Papyrusrolle des 2. oder 3. Jh. n. Chr. aus Tebtynis, die 1931 von der Universität Yale erworben werden konnte. Publiziert ist davon bislang lediglich die etwas besser erhaltene sechste und zugleich letzte Kolumne, die erstmals von G. Parássoglou im Jahr 1974 vorgelegt und seither mehrfach wiederabgedruckt wurde, zuletzt als Suppl. Mag. II 76. Der äußeren Form nach geben sich die sechs Einträge als Rezepte, wie nicht zuletzt auch die Abtrennung durch Paragraphoi anzeigt. Bemerkenswerterweise scheinen die erotischen »Hilfsmittel« noch am ehesten medizinische Kenntnisse zu verraten. (1) Um

ihn herunter und nicht (wieder) hoch zu bekommen: mit dem Gehirn eines Zitterrochens salbe die Lenden. (3) Um im Bad jemanden aufzupicken: eine Zecke von einem toten Hund zerdrücke auf den Lenden. (5) Um mit einer Frau Spaß zu haben: mit dem Saft der Giftrübe salbe das Geschlecht. (7) Um bei einem Symposion Streit entstehen zu lassen: einen von einem Hund gebissenen Stein wirf in die Mitte. (9) Um sauren Wein scharf zu machen: wirf glühende Steinchen hinein. (11) Um es viel miteinander zu treiben: trinke Sellerie- und Raukensa[men] vorweg.

10.2 Zwei erotische Rezepte

Der stark zerlöcherte Papyrus unbekannter Herkunft, der wohl aus dem 3. Jh. n. Chr. stammt und auf der Vorderseite einen bislang unedierten dokumentarischen Text enthält, ist auf der Rückseite mit zwei Rezepten zur Potenzsteigerung beschrieben. Der für die Salbe verwendete Schwalbenkot läßt das erste Rezept als magisches Mittel erscheinen, weswegen nunmehr eine Neuedition des 1927 von H. J. M. Milne als P. Lit. Lond. 171 edierten Papyrus in Suppl. Mag. II 83 vorliegt. Der im zweiten Rezept erwähnten Rauke wurde diese Wirkung allerdings auch sonst häufiger zugeschrieben. (1) Um

sich mit einer Geliebten (?) zu vergnügen: … nebst Kot einer Schwalbe mit Honig, salbe es e[in]. (5) Um vielfach Beischlaf zu üben: Raukensamen nebst kleinen Pinienkernen mit Wein, zerreibe es und trinke es nüchtern.

89.

Vgl. hierzu nur [Democritus], Corpus dei Papiri Filosofici greci e latini I 1**, Firenze 1992, 21 ff. Nr. 43a 1T.

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10.3 Zwei Texte aus einem Formelbuch

Zwei magische Rezepte – gegen Schlaflosigkeit sowie möglicherweise gegen den Hexenschuß – bietet ein heute in Genf aufbewahrtes Papyrusblatt aus dem 2. Jh. n. Chr., das erstmals 1986 von Franco Maltomini ediert wurde und als Suppl. Mag. II 74 wiederabgedruckt ist. Platzhalter (Name, Sowieso) lassen darauf schließen, daß sie vermutlich einem Formelbuch entstammten. Der Fundort ist unbekannt. (1) Dieser

Name bew[irkt] Schlaf. [Wenn] nämlich ein Kranker [schlaf]los liegt, soll er ein Lorbeerbla[tt neh]men und [darauf] diesen Namen [schr]eiben (4) und es [unter] seinen Kopf unt[erlegen] oder auf das … . (6) Sprich aber auch den Namen des Kranken, und er wird wie betäubt in Schlaf fallen. (8) [Gegen den Hexensch]uß (?). [… aus Zi]nn …, schreib darauf: [ia]eobaphre [ne]munothi [la]rikriphiaeue aiphirkiralitho nyomenerpha boeai (17) Erlöse den Sowieso, Sohn der Sowieso, [von allem] schrecklichen Leiden und aller Kr[ankheit der Seh]nen (?), der Nerven und der Knochen …

10.4 Fieberamulette

Zu den häufigsten iatromagischen Papyri zählen Fieberamulette, was zum einen auf die weite Verbreitung entsprechender Krankheiten verweist, zum anderen aber auch auf die von ihnen ausgelösten Ohnmachtsgefühle.90) Angesichts der typischen Wechselfieber dürfte es sich dabei zumeist um verschiedene Formen der Malaria handeln. 10.4.1 Der 1983 von Robert Daniel publizierte, heute in Michigan aufbewahrte SB XVI 13019 (auch Suppl. Mag. I 3) ist dem 3. Jh. n. Chr. zugeordnet. Die untere Hälfte enthält die sieben griechischen Vokale im Schwindeschema, die mit drei Sternen und einem Halbmond verziert sind. (1) [Ia]rbath (2) [a

agrammê phiblô chnêmeô

e]e êêê iiii ooooo yyyyyy ôôôôôô[ô].

(3) Ihr

Herren Götter, heilt Helene, die [ … geboren] hat, von aller Krankheit und von allem Fieberfrost u[nd Fieberhitze,], (5) von täglichem, Tag um Tag (wechselndem), dreitägigem, viertäg[igem …].

90.

346

Vgl. auch bereits die im letzten Band vorgestellten Beispiele, bes. TUAT.NF 4 Kap. VII, 443 f. Nr. 5.7.2 und 5.7.3; als Schutzzauber auch ebd. 433, Nr. 5.4.2.

Griechische Texte aus Ägypten (6)

(Stern) (10)

yyy (Stern)

Iarbath agrammê phiblô chnêmeô aeêioyôôyoiêea eêioyôôyoiêe êioyôôyoiê ioyôôyoi (Stern) (Halbmond) oyôôyo yôôy yyyyy ôô (unleserliche Spuren)

10.4.2 Dem 3. oder 4. Jh. n. Chr. wird ein Fieberamulett aus der ehemaligen Privatsammlung Michaelidis zugeschrieben, das inzwischen in Cambridge aufbewahrt wird. Erstmals 1955 als P. Michael. 27 aus dem Nachlaß von D. S. Crawford publiziert, liegt es jetzt in wesentlich verbesserter Lesung als Suppl. Mag. I 9 vor. ablanathanalba blanathanalb lanathanal anathana (5) nathan atha th (8) Befreie Techosis, die … geboren hat, von der täglichen Frosthitze, die sie niederhält, (12) am he[ut]ig[en] Tag, in der jetzigen Stunde, gleich gleich schnell schnell. (1)

10.4.3 Wie das folgende Beispiel stammt auch der von Ulrich Wilcken auf das 3. bis 5. Jh. datierte PGM XVIIIa aus Herakleopolis Magna und ist ebenso wie oben Nr. 8.5 im Hamburger Hafen verbrannt. (1) Herr

Sabaoth, wende von mir die Mühe, die Krankheit (3) des Kopf[es], ich bitte, hebe [von m]ir … 10.4.4 Das als BGU III 956 publizierte Papyrusblättchen (auch PGM XVIIIb) war zu einem kleinen Zylinder von etwa 2 cm Länge und 1 cm Durchmesser gefaltet bzw. gerollt worden. Der eigentliche Text wand sich spiralförmig um das im Schwindeschema geschriebene Zauberwort »Gorgotöterinnen«, das im Zentrum des mit einem roten Faden umwickelten Amulettes stand.

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Gorgôphônas orgôphônas rgôphônas gôphônas (5) ôphônas phônas ônas nas as (10) s (rundherum) Ich beschwöre euch bei dem heiligen Namen, zu heilen Dionysios oder Anys, den Heraklia geboren hat, von allem Fieberfrost und Fieberhitze, von täglichem oder einem von Tag zu Tag (wechselnden), von einem bei Nacht oder einem bei Tag oder einem viertägigen, gleich gleich schnell schnell. (1)

11. Erwähnungen von Erkrankungen in Privatbriefen Angesichts der geringen Zahl einschlägiger Zeugnisse wird man sich kaum der Erkenntnis verschließen können, daß Erkrankungen offenbar nicht zu den bevorzugten Themen privater Korrespondenz gehörten; jedenfalls erscheinen sie in den Papyri gegenüber ihrer Rolle, die sie im Alltagsleben des griechisch-römischen Ägypten zweifellos gespielt haben müssen, bei weitem unterrepräsentiert. Nur wenigen Briefen sind etwas detailliertere Angaben zu entnehmen.91)

11.1 Bitte um attischen Honig für ein Augenleiden

In dem nicht näher datierten Brief P. Cair. Zenon III 59426 (auch Sel. Pap. I 91) bittet Dromon den bekannten Gutsverwalter Zenon 92) um attischen Honig für sein Augenleiden. (1) Dromon

dem Zenon Grüße. Allen Göttern haben wir Dank, wenn sowohl du selbst gesund bist und auch alles weitere dir nach deinem Sinne ist. (3) Auch wir selbst sind wohlauf, und wie du mir geschrieben hast, wende ich all meine Sorge darauf, daß nicht einer deiner Leute unter Druck gesetzt werde. (5) Wenn du aber gesund bist und hinaufsegelst, trage einem deiner Leute auf, eine Kotyle attischen Honig zu kaufen; denn ich habe Bedarf daran für meine Augen, nach Anordnung des Gottes. (8) Lebewohl. (Rs.) An Zenon.

91. 92.

348

Vgl. etwa auch die recht allgemein gehaltenen Ausführungen zu den – allem Anschein nach gravierenden – Gesundheitsproblemen der Rhodokleia in dem schon in TUAT.NF 3 Kap. VIII, 419 Nr. 8.4 wiedergegebenen Brief des Sosos an Dioskurides P. Phrur. Diosk. 15. Vgl. bereits TUAT.NF 1 Kap. VII, 314 ff. Nr. 1-4 sowie TUAT.NF 3 Kap. VIII, 399 ff. Nr. 1.

Griechische Texte aus Ägypten

11.2 Sorge um ein todkrankes Kind

Auf der Rückseite eines demotischen Papyrus steht der aus dem 2. oder 3. Jh. n. Chr. datierende PSI III 177, in dem Isidora in höchster Not ihren »Bruder« – wohl ihren Mann – zur Rückkehr nach Hause drängt, da das Kind seit einer Woche nichts mehr zu sich genommen habe und todkrank darniederliege. Die panische Angst der Mutter zeigt sich nicht nur in dem kurzatmigen Stil, der auf alle Höflichkeitsformeln verzichtet, sondern vor allem in der anschließenden Selbstmorddrohung. Der 1914 publizierte Brief, dessen letzte Zeilen nicht mehr sicher zu rekonstruieren sind, stammt aus den Grabungen von E. Pistelli bei al-Bahnasa¯, dem früheren Oxyrhynchos. (1) Isidora

ihrem Her[rn Brud]er Hermias vielmals Grüße. (3) Setze alles daran, [schi]ebe alles auf und komme morgen. Das [Ki]nd 93) ist krank; dünn ist es gewor[den, hat nicht] gegessen. (6) 6 Tage sind es nun, ich fü[rchte,] es stirbt, und du bi[st] nicht [hi]er. (8) Werde dir aber klar darüber, daß, wenn es s[tirbt,] und du bist nicht da – paß auf, 94) daß [nicht] Hephaistion findet, wie ich mich erhängt [habe] vor solchen … imstande … (14) Wenn du imstande bist … zu kommen, komm … iß.

11.3 Eine schwere Krankheit

Dem 3. Jh. n. Chr. hat Friedrich Preisigke einen Straßburger Papyrus unbekannter Herkunft zugeordnet, der große Teile eines Privatbriefes enthält, am Anfang und Ende jedoch abgebrochen ist. Nach einigen geschäftlichen Details kommt der Verfasser darin auf eine schwere gesundheitliche Krise zu sprechen, die offenbar das ganze Haus betroffen und sogar zu einem Todesfall geführt hatte; Kosten für den Arzt waren allerdings auch schon zuvor angefallen. Das Verständnis der oft eigenwilligen Formulierungen des 1912 als P. Stras. I 73 edierten Briefes wurde besonders durch Stylianos Kapsomenos gefördert. 95) (2) …

der Einpökler, obwohl du mir sagtest: »Sofort werde ich sie dir weiterschicken«, und du hast sie nicht weitergeschickt. (4) Agathos Daimon, der mit dir hergekommen war, hat sie weitergeschickt; doch fehlen die Gefäße mit Pökelwaren zum Weiterverkauf, und du hast auch nicht daran gedacht. (6) Schicke sie mir wenigstens jetzt, und schicke mir Schreiben weiter, worüber immer du willst, auch über das Wohlergehen der Tyrannis und deiner Tochter. (10) Wir sind nämlich nach deinem Fortgehen von einer schweren Krankheit [heimgesucht word]en, ich … und ihre Kinder, (13) [un]d der kleine Mimos ist gestorben, und ich selbst bin nach der Krankheit an meinem Fuß ganz entzündet; (16) und bis hierher, wie ich noch nicht gesund war, hatte ich anderes mit dem Arzt Emoites zu tun, was ich aber mit ihm erledigen konnte gegen 20 Drachmen. (19) Daher bitte ich, Bruder, wenn du etwas zum Schiff schicken willst und falls du etwas Gerste besorgt hast, schicke mir zum Lebensunterhalt für uns … 93. 94. 95.

Mit BL I 392. Mit BL VI 173. Vgl. die Korrekturvorschläge in BL III 231 f.

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11.4 Eine ansteckende Bindehautentzündung

Der erstmals 1917 von Matilde Sansoni edierte, unter medizinischen Gesichtspunkten kürzlich von Isabella Andorlini neu erörterte 96) Privatbrief aus Oxyrhynchos PSI IV 299 (auch Sel. Pap. I 158) ist einer der wenigen Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, in denen von einer akuten Krankheit die Rede ist. Besondere Aufmerksamkeit wurde diesem in das spätere 3. Jh. n. Chr. gesetzten Brief jedoch nicht nur wegen seines anspruchsvollen Stils und persönlichen Tons zuteil, sondern vor allem wegen des wiederholten Bezuges auf einen einzigen Gott, der ihn als eines der frühesten Zeugnisse für die Verbreitung des Christentums in Ägypten erscheinen ließ. 97) (1) Der

Herrin Schwester 98) Titianos Wohlergehen. ich jemanden getroffen habe, der zu Euch [hi]naufgehen wird, sehe ich mich dazu veranlaßt, dir zu schreiben, was mir geschehen ist – daß ich durch eine Krankheit lange Zeit darniedergehalten wurde, so daß ich mich nicht auch nur zu rühren vermochte. (5) Wie mir aber die Krankheit nachließ, wurde mir das Auge angegriffen, und ich bekam Trachomata 99) und litt schrecklich, (7) schließlich auch an den übrigen T[eil]en des Körpers, so daß ich kurz vor einem Eingriff stand – aber Gott sei Dank. (9) Mein Vater aber, um dessentwillen ich trotz meiner Krankheit bis jetzt dablieb, ist bis jetzt krank; und um seinetwillen bin ich immer noch hier. (11) Fasse nur M[ut], Schwester, bis dann Gott mich glücklich geleitet [zu] euch. (12) Und unaufhörlich b[ete ich] deswegen zu Gott, bis er mich dann wieder glücklich zu euch geleite. (14) Es waren aber alle im Hause krank, die Mutter und auch die Dienstboten alle, so daß wir nicht einmal einen Beistand hatten, sondern alles unaufhörlich von Gott erbitten mußten. (17) Und selbst versuche ich, wenn ich an ein Schiff gelangen kann, euch zu erreichen. (19) Es grüßt euch mein Herr Vater und die Mutter, es grüßen euch auch im Hause alle, ich grüße meinen Her[rn Brude]r (?) und [ … u]nd Kyrilla … (Am linken Rand, um 90 gedreht) Ein Brief des Präfekten wurde mir geschickt; und wenn er Dir gebracht wurde, [wäre es] gut [ … zu neh]men, oder er soll den Briefboten Moros, unseren Bekannten, bitten, und er soll herausnehmen … (2) Da

96. 97. 98. 99.

350

I. Andorlini, Note di lettura ed interpretazione di PSI IV 299: un caso di tracoma, in: F. Crevatin / G. Tedeschi (Hg.), Leggere – Scrivere – Interpretare, FS S. Daris, Trieste 2005. Daher etwa auch in der Zusammenstellung von M. Naldini, Il cristianesimo in Egitto. Lettere private nei papiri dei secoli II-IV, Firenze 1968 (19982 ), 89 ff. Nr. 8. Wie häufiger in griechischen Privatbriefen aus Ägypten wohl Anrede der Ehefrau, da der Verfasser von seinem Elternhaus aus offenbar nach Hause schreibt; vgl. etwa auch oben Nr. 11.2. Wörtlich »Rauhigkeiten«, als Folge der für Ägypten typischen, durch die chlamydia trachomatis hervorgerufenen eitrigen Bindehautentzündung, die zur völligen Erblindung führen konnte und hochansteckend war, wie sich auch an den folgenden Ausführungen zu den anderen Familienmitgliedern und Hausgenossen zeigt.

Zeittafeln Die Daten der ägyptischen Geschichte folgen grundsätzlich J. von Beckerath, Chronologie des pharaonischen Ägypten, MÄS 46 (1997), bieten aber für den Zeitraum vor der 12. Dynastie Mittelwerte. Die Daten der mesopotamischen Geschichte vor 2600 v.Chr. orientieren sich an C14 -Daten. Die Daten vor 1500 v.Chr. bieten doppelte Datierungen nach den beiden als »Mittlere« und »Kurze Chronologie« bekannten Systemen; die »Mittlere Chronologie« wird seit mehreren Jahrzehnten in den meisten Handbüchern und in wissenschaftlicher Literatur verwendet, die »Kurze Chronologie« hat in der letzten Zeit wieder an Beachtung gewonnen. Neuerdings ist auch eine »Ultrakurzchronologie« (H. Gasche u. a., Dating the Fall of Babylon, 1998) vorgeschlagen worden. Die Tragfähigkeit der astronomischen Grundlagen dieser Chronologiesysteme ist umstritten. Die Daten vor der III. Dynastie von Ur sind mit zusätzlichen Unsicherheiten behaftet; die hier gebotenen konventionellen Daten (wiederum alternativ nach der Mittleren und Kurzen Chronologie, teilweise gerundet) sind um ca. 55 Jahre zu kürzen, wenn man mit W. W. Hallo, RLA III, 713 f. die Gutäerzeit auf ca. 45 Jahre kürzt. Die Daten vor Sargon von Akkade sind zusätzlich zu kürzen, wenn man eine stärkere Überschneidung der Regierung dieses Herrschers mit Lugalzagesi und damit der jüngeren Frühdynastischen Zeit annimmt. Die altassyrischen Daten gehen auf K. R. Veenhof, The Old Assyrian List of Year Eponyms, 2003, zurück. Die mittelbabylonischen Daten folgen J. Boese, UF 14 (1982) 15-26, die mittelassyrischen J. Boese und G. Wilhelm, WZKM 71 (1979) 19-38. Die Zeittafeln umfassen folgende Kulturen: 1. Ägypten 2. Mesopotamien 3. Babylonien 4. Assyrien 5. Obermesopotamien und Syrien 6. Palästina (Juda und Israel) 7. Anatolien 8. Iran 9. Griechenland und Rom 10. Südarabien 351

Zeittafeln

1. Ägypten vor 3000 v. Chr. seit ca. 3400 um 3020 ca. 3000-2680 um 3000 ca. 2682-2145 ca. 2682-2614

ca. 2614-2479 ca. 2479-2322 um 2360 ca. 2322-2191 ca. 2191-2145

2119-1793 2119-1976 1976-1794 1976-1947 1956-1910 1914-1879 1882-1872 1872-1853 1853-1806

ca. 1648-1538

1550-1070 1550-1292

1550-1525 1525-1504

352

Prädynastische Zeit Anfänge der Schrift (Abydos), Ausbreitung der Naqa¯da-Kultur von Oberägypten nach Norden König Narmer Dauerhafte Vereinigung von Ober- und Unterägypten 1.-2. Dynastie König Menes Altes Reich 3. Dynastie Memphis wird Residenz König Djoser, Beginn des Pyramidenbaus 4. Dynastie Könige Snofru, Cheops, Chephren, Mykerinos 5. Dynastie Könige Userkaf, Sahure, Unas Wezir Ptahhotep Urkunden auf Papyrus, Pyramidentexte 6. Dynastie Unruhen und Thronwirren 1. Zwischenzeit 9.-10. Dynastie (Residenz Herakleopolis) Könige Achtoi, Merikare Mittleres Reich 11. Dynastie (Residenz Theben) Aufkommen von Sargtexten 12. Dynastie Feldzüge nach Palästina und Nubien Amenemhet I. Sesostris I. Amenemhet II. Sesostris II. Sesostris III. Amememhet III. Blütezeit der Literatur 13.; 14. Dynastie 2. Zwischenzeit Thronwirren, vorübergehende Stabilisierungen, Zusammenbruch der Zentralherrschaft 15. Dynastie (Hyksos, Residenz Auaris) 16. Dynastie (Vasallen der Hyksos); 17. Dynastie in Oberägypten (beide parallel zur 15. Dynastie) Neues Reich 18. Dynastie (Residenz Theben) Feldzüge bis zum Euphrat, Eroberung von Palästina und Teilen Syriens, Kontakte mit den vorderasiatischen Königreichen Amosis Amenophis I.

Zeittafeln 1504-1492 1492-1479 1479-1458 1479-1425 1428-1397 1397-1388 1388-1351 1351-1334

1337-1333 1333-1323 1323-1319 1319-1292 1292-1186 1279-1213 1274 1259 1213-1203 1186-1070 1183-1152 1152-1070

1070-664 1070-946 1070-1044 1044-994 979-960 946-735 946-925 ca. 927 875-837 seit 746 746-715 715-700 690-664 ca. 740-719 719-714 671 667 664-332 v. Chr. 664-610

Thuthmosis I. Thuthmosis II. Hatschepsut Thuthmosis III. Amenophis II. Thuthmosis IV. Amenophis III. Amenophis IV. (= Echnaton) Verlegung der Residenz nach Amarna. Neue Religionspolitik: naturphilosophischer Monotheismus des Echnaton Semenchkare Tutanchamun Eje Haremhab Verlegung der Residenz nach Memphis 19. Dynastie Ramses II. Schlacht bei Qadeš gegen die Hethiter Bau der Residenz Per-Ramesse (Ramsesstadt) Friedens- und Freundschaftsvertrag mit Hattusili III. ˘ Merenptah 20. Dynastie Ramses III. Kampf gegen die »Seevölker« Ramses IV. - Ramses XI. Innerer und äußerer Machtverfall, Palästina und Nubien gehen verloren 3. Zwischenzeit 21. Dynastie (Residenz Tanis) Smendes Psusennes Siamun 22. Dynastie (»Libyerzeit«) Scheschonq I. Palästina-Feldzug Osorkon II. Eroberung Ägyptens durch die Kuschiten 25. Dynastie Pije Schabaka Taharqa Im Delta hält sich die 24. Dynastie mit der Residenz Sais: Tefnachte Bokchoris Eroberung von Unterägypten durch Asarhaddon (s. Assyrien) Feldzug Assurbanipals gegen Ägypten, assyrische Oberherrschaft bis 650 Spätzeit (von hier ab alle Daten absolut) 26. Dynastie Psammetich I.

353

Zeittafeln 610-595 595-589 589-570 570-525 525 404-342 332-30 v. Chr. 332 332/31 304-283/82 285/84-246 275/74-271 260-253 246-221 246-241 221-204 219-217 205-186 204-180 202-195 180-145 170-168 168 164/63 sowie 145-116 116 116-80 80 80-51 51-30 44-30 31 v. Chr. 30 v. Chr.

354

Necho Psammetich II. Apries Amasis Eroberung durch Kambyses (s. Iran) Einheimische Herrscher (28.-30. Dynastie) Hellenistische Zeit Eroberung Ägyptens durch Alexander d. Gr. Gründung Alexandrias Ptolemaios I. Soter I. (seit 323 Satrap von Ägypten) Ptolemaios II. Philadelphos 1. Syrischer Krieg 2. Syrischer Krieg Ptolemaios III. Euergetes II. 3. Syrischer Krieg Ptolemaios IV. Philopator 4. Syrischer Krieg Herwennefer und Anchwennefer als einheimische Gegenkönige in Oberägypten Ptolemaios V. Epiphanes 5. Syrischer Krieg Ptolemaios VI. Philometor 6. Syrischer Krieg »Tag von Eleusis«, Rom greift in die Geschicke Ägyptens ein Ptolemaios VIII. Euergetes II. Tod Ptolemaios VIII. Euergetes II. Wechselnde Machtverhältnisse zwischen Kleopatra II., Kleopatra III., Ptolemaios IX. Soter II. und Ptolemaios X. Alexander I. Ptolemaios XI. Alexander II. Ptolemaios XII. Neos Dionysos (Auletes) Kleopatra VII. Ptolemaios XV. Kaisar Schlacht bei Actium Ägypten wird röm. Provinz

Zeittafeln

2. Mesopotamien ca. 3600-2900 ca. 3200-2900 ca. 2900-2350/2286 um 2600 um 2550/2490 um 2500/2440 ca. 2500-2350 / 2440-2286

um 2350/2286 ca. 2350-2193 / 2286-2129 um 2125/2060 um 2125/2060 um 2115/2049 2112-2004 / 2048-1940 2112-2095 / 2048-2031 2094-2047 / 2030-1983 2046-2038 / 1982-1974 2037-2029 / 1973-1965 2028-2004 / 1964-1940

ˇ amdat Nasr-Zeit (Mittlere und Späte) Uruk-Zeit und G ˙ Archaische Tontafeln aus Uruk Frühdynastische Zeit Mebaragesi von Kiš, Gilgameš von Uruk Texte aus Šuruppak (Fara) und Abu¯ Sala¯bı¯h ˘ ˙ Könige der I. Dynastie von Ur: Meskalamdug, Akalamdug, Mesanepada, A’anepada Herrscher von Lagaš: Ur-Nanše, Akurgal, Eanatum, Enanatum I., Enmetena, Enanatum II., Enentarzi, Lugalanda, Uruinimgina Lugalzagesi von Umma und Uruk Könige von Akkade (Agade): Sargon, Rı¯muš, Maništu¯su, Nara¯m-Suen, Šar-kali-šarrı¯ Gutäer-Zeit Gudea von Lagaš Utu-hegˆal von Uruk ˘ Könige der III. Dynastie von Ur: Ur-Namma Šulgi Amar-Suena Šu-Sîn Ibbi-Sîn

3. Babylonien 2004-1763 / 1950-1699 2017-1793 / 1953-1729

2025-1763 / 1961-1699 1834-1823 / 1770-1759 1822-1763 / 1758-1699 1763-1595 / 1699-1531 1894-1595 / 1830-1531 1792-1750 / 1728-1686 1749-1712 / 1685-1648 1711-1684 / 1647-1620 1683-1647 / 1619-1683 1646-1626 / 1682-1562 1625-1595 / 1561-1531 1595/1531-1100 1595/1531-1150 1594/1530-? um 1470

Isin-Larsa-Zeit Könige von Isin: Išbi-Erra, Šu-ilı¯-šu, Iddin-Daga¯n, Išme-Daga¯n, Lipit-Ištar, Ur-Ninurta, Bu¯r-Sîn, Lipit-Enlil, Erra-imittı¯, Enlil-ba¯ni, Damiq-ilı¯-šu Könige von Larsa: Warad-Sîn Rı¯m-Sîn Altbabylonische Zeit I. Dynastie von Babylon Hammurapi ˘ Samsu-iluna Abi-ešuh ˘ Ammi-ditana Ammi-saduqa ˙ Samsu-ditana Mittelbabylonische Zeit Kassitendynastie Agum II. kakrime Karaindaš Kurigalzu I.

355

Zeittafeln 1369-1355 1354-1328 1327-1303 1276-1259 1258-1250 1227-1220 1181-1167 1166-1154 1150 ca. 1157-1026 1125-1104 1099-1082 1081-1069 1068-1047 978-626 760(?)-748 747-734 721-710, 703 667-648 647-627 625-539 625-605 605 604-562 597+587 561-560 559-556 556 555-539 539

356

Kadašman-Enlil I. Burnaburiaš II. Kurigalzu II. Kadašman-turgu Kadašman-Enlil II. Kaštiliaš IV. Melišipak Marduk-apla-iddina I. Eroberung und Plünderung großer Teile Babyloniens durch Šutruk-Nahhunte I. von Elam II. Dynastie von Isin Nebukadnezar I. Marduk-na¯din-ahhe¯ ˘˘ Marduk-šapik-ze¯ri Adad-apla-iddina Verschiedene Dynastien Nabû-šuma-iškun Nabû-na¯sir ˙ Marduk-apla-iddina II. (= Merodach-baladan) Šamaš-šum-ukı¯n Kandala¯nu Neubabylonisches Reich Nabû-apla-usur (= Nabopolassar) ˙ Schlacht bei Kargamiš gegen Ägypten Nabû-kudurra-usur (= Nebukadnezar II.) ˙ Eroberung von Jerusalem Ame¯l-Marduk (= Ewil-Merodach) Neriglissar Labašı¯-Marduk Nabonid Eroberung durch Kyros II., danach Teil des Achämeniden-, Alexander-, Seleukiden-, Partherreiches

Zeittafeln

4. Assyrien ca. 2020-1812 / 1956-1748 1974-1935 / 1910-1871 1934-1921 / 1870-1857 1920-1881 / 1856-1817 1880-1873 / 1816-1809 1872-1812 / 1808-1748 ca. 1950-1750 / 1890-1690 1808-ca. 1650 1808-1776 / 1744-1712 1775-1742 / 1711-1678 seit ca. 1650 ca. 1335-1050 1353-1318 1295-1264 1263-1234 1233-1197 1223 1114-1076 1073-1056 ca. 900-612 911-891 890-884 883-859 879 858-823 853 823-810 809-780 781-772 771-754 753-746 745-727 743 726-722 722 721-705 706 704-681 694 689 680-669 671 668-627 653 629-626? 626?

Puzur-Aššur-Dynastie Puzur-Aššur I., Šalim-ahum, Ilušu¯ma ˘ Irı¯šu I. Iku¯nu Šarrum-ke¯n (Sargon) I. Puzur-Aššur II. Nara¯m-Sîn, Erı¯šu¯m II. Altassyrische Handelskolonien in Anatolien Dynastie des Šamšı¯-Adad (Samsi-Addu) Šamšı¯-Adad I. Išme-Dagan I. Adasi-Dynastie Mittelassyrisches Reich Aššur-uballit I. ˙ Adad-ne¯ra¯rı¯ I. Šulma¯nu-aša¯red (Salmanassar) I. Tukultı¯-Ninurta I. Eroberung von Babylon Tukultı¯-apil-Ešarra (Tiglatpileser) I. Aššur-be¯l-kala Neuassyrisches Reich Adad-ne¯ra¯rı¯ II. Tukultı¯-Ninurta II. Aššur-na¯sir-apli (Assurnasirpal) II. ˙ ˙ Kalhu / Kalah wird Königsresidenz ˘ ˘ Šulma¯nu-aša¯red (Salmanassar) III. Schlacht von Qarqar gegen eine syrische Koalition Šamšı¯-Adad V. Adad-nı¯ra¯rı¯ III. Šulma¯nu-aša¯red (Salmanassar) IV. Aššur-dan III. Aššur-nı¯ra¯rı¯ V. Tukultı¯-apil-Ešarra (Tiglatpileser) III. Schlacht von Halpi und Kistan gegen Urartu und eine syrische Koalition ˘ Šulma¯nu-aša¯red (Salmanassar) V. Einnahme von Samaria Šarru-kı¯n (Sargon) II. Du¯r-Sarrukin wird Königsresidenz Sîn-ahhe¯-erı¯ba (Sanherib) ˘˘ Ninive wird Königsresidenz Zerstörung von Babylon Aššur-aha-iddina (Asarhaddon) ˘ Eroberung von Ägypten Aššur-ba¯ni-apli (Assurbanipal) Schlacht am Ulai-Fluß gegen Elam Aššur-etel-ila¯ni Sîn-šumu-lı¯šer

357

Zeittafeln 628-612 611-609 614 612

Sîn-šar-iškun Aššur-uballit II. ˙ Zerstörung von Assur Zerstörung von Ninive

5. Obermesopotamien und Syrien ca. 3600-3200 3. Jt.

ca. 2000-1600

1773-1759 / 1709-1695

ca. 1600-1200 ca. 1550-1335 ca. 1490 Nach 1345 bis zur Mitte des 13. Jh. gest. 1313/1309 um 1200 ca. 1350-1315/1311 1313/1309-ca. 1250

ca. 1200 um 1360 um 1230 Seit dem 13. Jh. um 1200

358

Kolonien und Handelsstützpunkte der Mittleren und Späten Uruk-Kultur am Euphrat (Habu¯ba Kabı¯ra) ˙ Machtzentren der Frühen Bronzezeit: Mari (Könige: Ištup-Išar, Iblul-Il, NIzi, Enna-Dagan) ˙ Ebla (Könige: Igriš-Halab, Irkab-Damu, Išar-Damu) ˘ Nagar (Tall Bra¯k) Tall Baydar (Nabada?) Urkeš (Tall Mozan) (Könige: Tupkiš, Tiš-adal, Šadar-mad, Adal-šen) Mittlere Bronzezeit Könige von Mari: Jaggid-Lim, Jahdun-Lim, Sumu-Jamam ˘ Jasma2-Addu (assyr. Herrschaft) Zimrı¯-Lîm von Mari Zerstörung von Mari durch Hammurapi von Babylon ˘ Könige von Jamhad (Aleppo): ˘ Sumu-Epuh, Jarim-Lim, Hammurapi ˘ ˘ Könige von Qatna: ˙ Išhi-Addu, Amut-pî-el ˘ Späte Bronzezeit Könige des Mittani-Reichs: Parattarna I., Sauštatar, Artatama I. Friedensvertrag mit Ägypten Šuttarna II., Artašumara, Tušratta Eroberung Nordsyriens durch die Hethiter Schrittweise Eroberung Obermesopotamiens durch die Assyrer Könige von Kargamiš: Šarri-Kušuh ˘ Šahurunuwa, Ini-Teššup, Talmi-Teššup ˘ Kuzi-Teššup Könige von Ugarit: Niqmaddu II. Niqmepa Ammistamru II., Ibiranu, Niqmaddu III., Hammurapi ˘ Zerstörung von Ugarit Könige von Amurru: Abdi-Aširta Aziru, Pentešina Šauškamuwa Ausbreitung der Aramäer »Seevölkerwanderung«

Zeittafeln 1200-720

um 880 ca. 870-848 um 790 um 760 um 720

9. Jh. 8. Jh. 10./9. Jh. 9. Jh. 8. Jh. um 858

gest. 733 um 720 720-610 612-610 605-539 539-333 333

305-281 281-261 261-146 246-225 225-223 223-187 188 83 64/63

Späthethitische und aramäische Staaten Herrscher von Kargamiš: Suhis II. ˘ Katuwas Sangara Astiruwas (Regent: Jariri) Kamanis Herrscher von Azatiwatija (Karatepe): Azatiwatas (Regent der Könige von Adana) Herrscher von Bı¯t Bahiani ˘ mit Residenz Guzana (Tall Halaf): Kapara Adda-it3i Mannu-kı¯(-ma¯t)-Aššur (assyr. Statthalter) Herrscher von Bı¯t Adini mit Residenz Til Barsip = Masuwari (Tall Ahmar): ˙ Hamiyatas Ahuni ˘ Šamšı¯-ilu (assyr. Statthalter) Herrscher von Sam3al (Zincirli): Hajanu ˘ Kulamuwa Panamuwa I. Panamuwa II. Bar-ra¯kib Syrien überwiegend Teil des Assyrerreiches (s. Assyrien) Harran letzte assyrische Königsresidenz Syrien Teil des Neubabylonischen Reiches (s. Babylonien) Syrien Teil des Achämenidenreiches (s. Iran) Schlacht bei Issos Eroberung durch Alexander d.Gr. Syrien Teil des Seleukidenreiches Seleukos I. Antiochos I. Antiochos II. Seleukos II. Seleukos III. Antiochos III. Auseinandersetzungen mit Rom Friede von Apameia mit Rom Aufgabe der Ansprüche auf Kleinasien Eroberung des Seleukidenreiches durch Tigranes von Armenien Umwandlung der Reste des Seleukidenreiches in die römische Provinz Syrien

359

Zeittafeln

6. Palästina (Juda und Israel) 1004/3-965/4 David (?) 965/4-926/5 Salomo (?) Juda

Israel

926-910 910-908 908-868

Rehabeam Abia Asa

868-847

Josaphat

852/47-845 (?)

Jehoram

845 (?) 845-840 (?) 840-801 (?)

Ahasia Athalja Joas

801-773

Amasja

773-736 (?) 756-741 (759-744)

Asarja / Ussia Jotham

741-725 (744-729)

Ahas

725-697 (728-700) 701 696-642 641-640 639-609 622 609 608-598 598/7 598/7-587/6 598/6 587/6 538 520 515 445/4-433/2

360

Hiskia Sanherib vor Jerusalem Manasse Amon Josia Reform Josias Joahas Jojakim Jojachin Zedekia 1. Eroberung Jerusalems 2. Eroberung Jerusalems Kyrosedikt Baubeginn des 2.Tempels Weihe des 2.Tempels Nehemia

927-907 907-906 906-883 883-882 882 882/78-871 871-852 853 852-851 (?) 852-841 (?) 841-814/13 (?)

Jerobeam I. Nadab Baësa Ela Simri Omri Ahab Schlacht bei Qarqar Ahasja Joram Jehu

818-802 (?) 802-787 787-747 (?)

Joahas Joas Jerobeam II.

747 747-738

Sacharja Menachem

737-736 735-732 734-732

Pekachja Pekach Syrisch-ephraimitischer Krieg Hosea Eroberung von Samaria und Ende des Nordstaates Israel

731-723 722

Zeittafeln um 425 (oder um 398/7) 301-200/198 200/198-135 169-167 166-164

Esra Ptolemäer Seleukiden Antiochos IV. in Jerusalem Makkabäeraufstand

160-142 142-135/4 135/4-104 104-103 103-76 76-67 67-63 63-40 40-37 40/37-4 v. Chr.

Hasmonäer: Jonathan Simon Johannes Hyrkanos I. Aristobulos I. Alexander Janaios Salome Alexandra Aristobulos II. Hyrkanos II. Antigonos Herodes

4 v. Chr.-6 n. Chr. 6 n. Chr. 4. v. Chr.-39. n. Chr. 4. v. Chr.-34 n. Chr. 26-36 n. Chr. 41-44 nach 50-100 66-70/74 132-135

Archelaos Prokuratorischer Verwaltungsbezirk Judaea Herodes Antipas Philippus Pontius Pilatus Agrippa I. Agrippa II. 1. Jüdischer Aufstand 2. Jüdischer Aufstand

361

Zeittafeln

7. Anatolien 17. / Anfang 16. Jh.

ca. 1650/1585 - 1545/1480 1595/1531

ca. 1545/1480-1350

ca. 1340-1190 ca. 1343-1322/1318 1322/1318 - 1321/1317 1321/1317-ca. 1385 1385-1372 1274 1272-1267 1267-1237 1259 1237-1210 1210-1209 1209-? nach 1200

um 832 um 800 ca. 755-ca. 735 ca. 735-714 um 673/72

um 655/54 um 643

362

Könige von Kussar(?): Huzzija, Papahdilmah, Labarna ˘ ˘ ˘ Könige des Hethiterreiches: Altes Reich Hattusili I., Mursili I. ˘ Eroberung von Babylon Hantili I., Zidanta I., Ammuna, ˘ Huzzija I., Telipinu ˘ Mittleres Reich Tahurwaili (Einordnung unklar), ˘ Alluwamna, Hantili II., Zidanta II., ˘ Huzzija II., Muwattalli I., Kantuzzili (?) ˘ Tudhalija I. (= »II.«), Arnuwanda I. ˘ Kaškäer-Einfälle Tudhalija II. (= »III.«), Tudhalija III. (?) ˘ ˘ Neues Reich (»Grossreichszeit«) Suppiluliuma I. Arnuwanda II. Mursili II. Muwattalli II. Schlacht von Qadeš Mursili III. (= Urhi-teššub) ˘ Hattusili »III.« ˘ Friedens- und Freundschaftsvertrag mit Ägypten Tudhalija IV. ˘ Arnuwanda III. Suppiluliuma II. Aufgabe(?), Verfall und Zerstörung von Hattusa Könige von Urartu: Sardure I. Išpuini Minua Argišti I. Sardure II. Rusa I. Argišti II. Rusa II. Erimena Sardure III. Rusa III. Sardure IV.

Zeittafeln

8. Iran

625-585 585-549 559-530 547 539 530-522 530 522-486 492, 490 486-465 480 465-424 424 423-404 404-359 401 359-338 338-336 336-330 333, 332 305-ca. 250 um 250

ca. 247/238-217 ca. 171-138 ca. 123-88 ca. 70-57 69 und 66 v. Chr. ca. 57-38 53 v. Chr. ca. 38-2 v. Chr. 20 v. Chr. 114-117 n. Chr. Nach 117 224 224-241 241-272 260

Meder-Reich Kyaxares Astyages (Ištumegu) Achämeniden-Reich Kyros II. Sieg über Kroisos von Lydien Einnahme von Babylon Kambyses II. Eroberung Ägyptens Darius I. Griechenlandfeldzüge Xerxes I. Schlacht bei Salamis Artaxerxes I. Xerxes II. Darius II. Artaxerxes II. Memnon Aufstand Kyros d. Jüngeren Artaxerxes III. Ochus Arses Darius III. Schlachten bei Issos und Gaugamela Eroberung durch Alexander d.Gr. Iran Teil des Seleukidenreiches Begründung des graeco-baktrischen Königreichs und Loslösung Parthiens aus dem Seleukidenreich Arsakiden-Reich Arsakes I. Mithradates I. Eroberung von Westiran und Mesopotamien Mithradates II. Parther als Großmacht, Eingreifen in Armenien Phraates III. Verträge mit Rom, Festlegung der Euphratgrenze Orodes II. Sieg bei Karrhai, Tod des Crassus Phraates IV. Friedensvertrag mit Rom Trajans Partherfeldzug, Eroberung von Ktesiphon Wiederherstellung der Euphrat-Grenze Ende des Parther-Reiches Sasaniden-Reich Ardašir I. Šapur I. Eroberung Armenien, Feldzüge gegen Syrien und Kleinasien Gefangennahme Kaiser Valerians

363

Zeittafeln 277 287 297/98

Der Religionsstifter Mani stirbt im Gefängnis Friedensschluß mit Diokletian Verzicht der Sasaniden auf Armenien und Mesopotamien

9. Griechenland und Rom 336-323 321-281 321 301 281 280-275 264-241 218-201 202 222/21-179 215-205 200-197 197 196 192-188 188 179-168 171-168 168 149-146 146 89-63 74 58 60-44 48/47 seit 43 v. Chr. 27 v. Chr.-14 n. Chr. 14-37 n. Chr. 37-41 41-54 54-68 68/69 69-79 79-81 81-96

364

Alexander III., der Große Diadochenkriege Neuordnung von Triparadeisos Schlacht von Ipsos Schlacht von Kurupedion Pyrrhos V. von Epirus in Italien 1. Punischer Krieg 2. Punischer Krieg Schlacht bei Zama Philipp V. von Makedonien 1. Röm.-Maked. Krieg 2. Röm.-Maked. Krieg Schlacht bei Kynoskephalai Freiheitserklärung des T. Quinctius Flamininus für Griechenland Römisch-Syrischer Krieg Friede von Apameia Perseus von Makedonien 3. Röm.-Maked. Krieg Schlacht von Pydna 3. Punischer Krieg Zerstörung Karthagos und Korinths Mithradatische Kriege Cyrene römische Provinz Zypern von Rom eingezogen C. Iulius Caesar in der röm. Innenpolitik Alexandrinischer Krieg C. Iulius Caesar Octavianus in der röm. Innenpolitik Iulisch-Claudische Kaiser: Augustus Tiberius Gaius (Caligula) Claudius Nero Vierkaiserjahr Flavische Kaiser: Vespasian Titus Domitian

Zeittafeln

96-98 98-117 115-117 117-138 138-161 161-180 180-192 193-211 196-217 212 218-222 222-235 235-238 238-244 244-249 249-251 250 253-260 257-260 261-271 270-275 276-282 284-305 († 316?)

Adoptivkaiser: Nerva Trajan Jüd. Aufstand in Ägypten Hadrian Antoninus Pius Marc Aurel Commodus Severische Kaiser: Septimius Severus Caracalla Constitutio Antoniniana Elagabal Severus Alexander Soldatenkaiser: Maximinus Thrax Gordian III. Philippus Arabs Decius Christenverfolgung Valerian Christenverfolgung Palmyren. Reich Aurelian Probus Diocletian

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Zeittafeln

10. Südarabien 2.Jt. Mitte 8. Jh. 732 715 685 7. Jh. 6. Jh. 5. Jh. 4. Jh. 3. Jh. 110 26/25 v. Chr.

Um 25 n. Chr. Mitte 1. Jh. Um 75 1.-3. Jh. 2.Hälfte 2. Jh. Erstes Drittel 3. Jh. Mitte 3. Jh. Um 280 Ende 3. Jh. Mitte 4. Jh. 2. Hälfte 4. Jh. 383 1. Drittel 5. Jh. 522-523

525 535-575 548 575 632

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Einwanderung semitisch-sprachiger Stämme aus dem Norden Karawane aus Saba und Tayma¯ am mittleren Euphrat von dortigem assyrischen Statthalter aufgebracht Sabäer als Tributbringer von Tiglatpilesar III. genannt Der sabäische Herrscher Itamra (Yita23amar) als Tributbringer von Sargon II. ¯ genannt Dem assyrischen König Sanherib werden von dem Sabäer Karibilu (Karib3il Watar) Geschenke überbracht Vorherrschaft Sabas in Südwestarabien Errichtung des Südbaus des großen Damms von Ma¯rib Qataban und die Minäer lösen sich aus sabäischer Vorherrschaft Die Minäer kontrollieren den Überlandhandel ans Mittelmeer und nach Mesopotamien Qataban mit seiner Hauptstadt Timna2 auf dem Höhepunkt seiner Macht, kontrolliert u. a. den Ba¯b al-Mandab Beginn der himyarischen Ära Feldzug des römischen Präfekten von Ägypten Aelius Gallus nach Südarabien. Scheitern der Expedition. Qatabanische Hauptstadt Timna2 wird von Hadramawt zerstört Das Seefahrerhandbuch Periplus Maris Erythraei belegt die Bedeutung des Seehandels am Roten Meer und Indischen Ozean Zafa¯r, Hauptstadt der Himyar, bei Plinius d. Ä. erwähnt ˙ Saba, Himyar und weitere Dynastien aus dem jemenitischen Hochland streiten um die Vorherrschaft Qataban wird Hadramawt einverleibt. Erste Intervention der Abessinier von der jemenitischen Küsteneben aus Der Sabäerkonig Ša¯2irum 3Awtar erobert die Oasenstadt Qaryat al-Fa3w in Zentralarabien und zerstört die hadramitische Hauptstadt Šabwa Die Sabäerkönige führen Krieg mit den Äthiopiern in der westlichen Küstenebene und Nagra¯n sowie mit den Himyar im südlichen Hochland Unter dem Himyarenkönig Yasirum Yuhan2im Ende der sabäischen Dynastie in Ma¯rib Der Himyarenkönig Šammar Yuhar2iš erobert Hadramawt und eint Südarabien Erste Zeugnisse für christliche und jüdische Missionstätigkeit in Südarabien Erster inschriftlich bezeugter Bruch des Dammes von Ma¯rib Der Himyarenkönig Malkı¯karib Yuha3min mit Söhnen bekennt sich zum Monotheismus Unter 3Abu¯karib 3As2ad erreicht das Himyarenreich größte territoriale Ausdehnung Yu¯suf 3As3ar Yat3ar (du¯ Nuwa¯s) geht gegen die Christen und ihre äthiopischen ¯ ¯ Verbündeten in Zafa¯r und an der Westküste vor, ˙ Tod der himyarischen Christen in Nagra¯n Jemen wird von den Abessiniern besetzt Jemen unter 3Abraha und seinen Söhnen christlich Erneuter Bruch des Dammes von Ma¯rib Südarabien wird persische Provinz Der Jemen wird islamisch