Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte 9783666513572, 3525513577, 9783525513576

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Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte
 9783666513572, 3525513577, 9783525513576

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Grundrisse zum Neuen Testament 8

Grundrisse zum Neuen Testament Das Neue Testament Deutsch · Ergänzungsreihe Herausgegeben von Gerhard Friedrich

Band 8 Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1979

Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte

Herausgegeben von Hans G. Kippenberg und Gerd A. Wewers

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1979

CIP-Kurztitelaufnahme Textbuch

der Deutschen

zur neutestamentlichen

Bibliothek

Zeitgeschichte

/ hrsg. von

Hans G.Kippenberg u. Gerd A.Wewers. - Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1979. (Grundrisse zum Neuen Testament; Bd. 8) ISBN 3-525-51357-7 NE: Kippenberg, Hans G. [Hrsg.]

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1979. — Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen.

Vorwort Die Anfänge des frühen Christentums sind eng mit der wirtschaftlichen Situation, mit den politischen Gegebenheiten und den religiösen Ideen Palästinas verbunden. Obgleich über diesen fast schon banalen Sachverhalt Übereinstimmung besteht, gehen doch über die Wege, dies an zeitgenössischen Texten zu zeigen, die Ansichten weit auseinander. Solange die neutestamentlichen Texte von sich aus explizit auf Zeitgenössisches hinweisen — auf die römischen Statthalter, auf Pharisäer, auf Samaritaner, auf Sadduzäer und so weiter — wird man sich über die in Frage kommenden Texte im großen und ganzen einig sein. Anders ist es, wo nur implizite Übereinstimmungen auszumachen sind. Soll man hier zu einem direkten Vergleich zwischen biblischem und nichtbiblischem Text einladen? Wir haben uns nicht dazu überwinden können. Wer so verfährt, der läßt sich den inhaltlichen Rahmen vom neutestamentlichen Schrifttum vorgeben. Er reißt auf diese Weise das Verglichene aus seinem Kontext, in dem es seine Bedeutung erlangt hat. Feinere Übereinstimmungen, die mehr in einer ähnlichen Sicht von Problemen als in einer ähnlichen Lösung bestehen, fallen durch ein so grobes Netz ziemlich unbemerkt hindurch. Und schließlich muß man auch Zweifel haben, ob es gut ist, die Ideen des frühen Christentums von den sozialen Zwängen, unter denen sie entwickelt worden sind, zu trennen. Aus allen diesen Gründen haben wir uns zu einem anderen Vorgehen entschlossen. Wir möchten in einem ersten Abschnitt den materialen Geschichtsprozeß vorführen, von dem auch die frühe christliche Gemeinde betroffen war. Und wir möchten uns dann darauf konzentrieren, das theologische Denken zweier jüdischer Gruppen zu rekonstruieren, auf die das Neue Testament explizit Bezug nimmt: die Samaritaner und das rabbinische Judentum. Es sind nicht nur diese expliziten Hinweise, weshalb wir uns auf diese Gruppen beschränkt haben. Sie verdienen deshalb besondere Beachtung, weil sie beide — darin dem Christentum vergleichbar — die schwere Krise des Judentums in der hellenistischen und römischen Kaiserzeit überlebt und auch überstanden, das heißt theologisch verarbeitet haben. Die zeitgeschichtlichen Hinweise, die im Schrifttum von Q u m r a n und den Apokryphen/Pseudepigraphen enthalten sind, haben wir im Teil I aufgenommen. Es sind insgesamt nicht viele, da die diesbezüglichen Gruppen nur geringes Interesse an der geschichtlichen Wirklichkeit hatten. Zum Schluß darf der Hinweis nicht fehlen, daß dieses zeitgeschichtliche Textbuch durch ein religionsgeschichtliches ergänzt wird. Beide zusammen sind nötig, um die Beziehungen des Neuen Testaments zur Geschichte und Religion seiner Zeit zu dokumentieren. Groningen / Salzgitter

Hans G. Kippenberg/Gerd A. Wewers

Inhalt Vorwort

5

I POLITISCHE UND ÖKONOMISCHE ORDNUNG JUDÄAS IN HELLENISTISCHER UND RÖMISCHER ZEIT Hans G. Kippenberg

15

Einleitung

15

1. Der Tempelstaat

17

a) Die Hierokratie 1. Organisation der Provinz Judäa 17

17 ·

b) Die priesterlichen Abgaben

17

2. Verzehntung unter Johannes Hyrkanos 18 3. Priester als Empfänger des Zehnten 18 4. Gewaltsame Eintreibung des Zehnten 18 5. Differenzen über den Empfänger des Zehnten 19 6. Verzehntung samaritanischer Produkte 19 7. Über die Geltung des Zehnten 19 8. Theologische Begründung der Verzehntung 19 c) Tempelschatz 9. Tempel als Gelddepot 20

19 10. Reichtum des Tempels 20

2. Seleukidische Herrschaft

20

a) Judäa als Ethnos

20

11. Herrschaft entsprechend den väterlichen Gesetzen 21 12. Emanzipation von der Tradition 21 13. Kampf für die väterlichen Gesetze 21 b) Politische Abgaben: die Staatspacht

23

14. Tributzahlung des Hohenpriesters an den ägyptischen König 23 15. Staatspacht unter ptolemäischer Herrschaft 23 16. Staatspacht unter seleukidischer Herrschaft 24 17. Degradierung der Polis zur Verwaltungsinstanz 24 18. Die von den Seleukiden geforderten Abgaben 24 c) Herrschaft und Bruch der Tradition

25

19. Die Chasidim 25 3. Makkabäische und hasmonäische Herrschaft a) Der Freundschaftsvertrag Rom—Judäa 20. Der Freundschafts- und Bundesgenossenschaftsvertrag zwischen Römern undjudäern 26

25 25

Inhalt

7

b) Hasmonäische Herrschaft

27

21. Die Einsetzung Simons als Anführer und Hoherpriester 27 22. Die Umwandlung der Herrschaft in ein Königtum 28 23. Anwerbung landfremder Söldner 28 24. Zwangsbeschneidung 28 25. Einfluß der Pharisäer 28 26. Tributpflicht fremder Völker 28 c) Opposition gegen das hasmonäische Hohepriestertum

28

27. Der Einwand gegen das hasmonäische Hohepriestertum 29 28. Sakrale Herrschaftslegitimation 29 29. Widerstand gegen das hasmonäische Hohepriestertum 29 d) Aristokratische Opposition gegen das hasmonäische Königtum

29

30. Aristobulos Machtergreifung 30 31. Die Parteigänger von Aristobulos und Hyrkanos 30 32. Der aristokratische Widerstand gegen das hasmonäische Königtum und seine Argumente 30 33. Das religiöse Argument gegen das Königtum 31 34. Anforderungen an ein gerechtes Königtum 31 4. Republikanische Herrschaft

31

a) Die Ordnung Judäas unter Pompeius und Gabinius 35. Judäa als Vasallenstaat 31 36. Die Gerichtsbarkeit 32 politischen Macht vom Heiligtum 32

31 37. Trennung der

b) Politische Abgaben: das römische Publicanensystem

32

38. Staatspacht unter der römischen Republik 33 39. Wichtigkeit der Steuereinnahmen 35 40. Die Entmachtung der Steuerpächter 35 c) Die Wirkung der römischen Fremdherrschaft auf andere Ethnien

35

41. Das Beispiel der Galater 35 d) Die Dekrete Caesars

36

42. Antipater, Vater des Herodes, als Befehlshaber Judäas 36 43. Die Bestätigung der hohenpriesterlichen Privilegien 36 44. Die Regelung der Abgaben 37 45. Die Rechte der Juden außerhalb Judäas 37 5. Herodianische Herrschaft

38

a) Das Rechtsverhältnis zwischen Rom und Herodes 46. Ernennung von Herodes und Phasael zu Tetrarchen 38 Herodes zum König 38

38 47. Ernennung von

b) Die interne Herrschaftsstruktur

39

48. Herodes' Überlaufen zu Octavianus 39 49. Die Erneuerung des Tempels in Jerusalem durch Herodes 40 50. Gründung von Sebaste 41 51. Gründung von Phasaelis 41 52. Gründung von Tiberias 42 c) Die Legitimation der Herodes Herrschaft

42

53. Herrschaft als Fürsorge 42 54. Verpflichtung der Untertanen auf Loyalität 43 55. Ausraubung der Reichen 44 56. Beseitigung der judäischen Gerichtsbarkeit 44 d) Das Synhedrium

44

57. Die Stellung von Procurator und Synhedrium im Gerichtsverfahren 44 e) Politische Abgaben 58. Eintreibung von Tribut in Judäa 45 59. Hoffnung auf Verminderung der Abgaben 46 60.Festsetzung des Tributs für Archelaos durch Rom 46

45

Inhalt

8 f) Königtum oder Provinz

46

61. Die aristokratischen Gegner des Königtums 4 7 des Königtums 47

62. Die plebejischen Gegner

6. Herrschaft in der römischen Kaiserzeit

48

a) J u d ä a als Procuratur

48

63. Die Kompetenzen des Procurators 48 64. Die Schätzung des Quirinius 48 65. Das Wirken des Pilatus 49 66. Das Eigentumsrecht an den Provinzen 50 b) Abgaben in der Kaiserzeit

50

67. Die Last des Tributs 51 68. Die Kopfsteuer 51 69. Die Steuerverweigerung 51 70. Essenische Kritik an den Abgaben 51 71. Ablehnung römischer Institutionen durch Rabbinen 51 72. Rabbinische Ablehnung der Abgaben 52 c) Die

Verwaltungsstruktur

73. Jerusalem als Polis 52

52

74. Aufteilung Judäas in Toparchien 52

d) Die Ernennung des Hohenpriesters 75. Die Leitung des Ethnos 53

53

76. Die Ernennung der Hohenpriester 53

e) Rechtstellung der Juden im römischen Reich

53

77. Die Rechtstellung der Juden im römischen Reich 54 rechts 54

78. Entzug des Bürger-

f) Politische Gruppen im jüdischen Krieg in Galiläa 79. Die Gruppen in Tiberias 5 5 80. Gewalttaten 81. Der Kampf für die väterlichen Gesetze 56

54

der Gruppe der Armen 56

g) Widerstandsbewegungen in J u d ä a

56

82. Das Auftreten der Sikarier 5 7 83. Die Vorgeschichte des jüdischen Krieges 5 7 84. Die Verweigerung der Opfer für den Kaiser durch die Zeloten 58 85. Die Eroberung der Oberstadt durch Zeloten und Sikarier 59 86. Die Sikarier 5 9 87. Die Entzweiung von Sikariern und Zeloten 60 88. Die Einsetzung eines neuen Hohenpriesters durch die Zeloten 60 89. Simon bar Giora und sein Anhang 61 90. Die Gerichtsbarkeit der Zeloten 61 91. Der Fall Masadas 62 h) Die Rechtsverhältnisse nach dem jüdischen Krieg

64

92. Verkauf des Landes und Erhebung einer Kopfsteuer 64 i) Der Aufstand des Bar Kosba

65

93. Anlaß und Folgen des Aufstandes 6 5 94. Die Einforderung von Abgaben 66 95. Gerichtsbarkeit 66 96. Simon, der Fürst Israels 66 97. Verpachtung von Staatsland 66 98. Simon bar Kosba in rabbinischen Uberlieferungen 67 7. Hellenistische und judäische Herrschaftslegitimation

69

a) Die Legitimität der hellenistischen Herrscher 99. Der König als das lebende Gesetz 69 100. Die Harmonie im Staat 70 Das Heil der Herrschaft 70 102. Der Kaiserkult 70

69 101.

b) Der Widerspruch zwischen Orient und Okzident 103. Prophezeiung der Unterwerfung Roms durch Asien 72 104. Die endzeitliche Herrschaft des Volkes der Heiligen des Höchsten 72 105. Die Abfolge von Weltreichen 72 106. Die Bedeutung eines Orakels im jüdischen Krieg 72 107.

71

9

Inhalt Die Prophezeiung von der Erstarkung des Orients 73 Weltherrschers aus Judäa 73

108. Die Erwartung eines

c) Messianismus

73

109. Pharisäische Erwartung eines davididischen Messias 73 110. Die beiden Messiasse Aarons und Israels 74 111. Der Vorrang des Priestertums vor dem Königtum 74

8. ö k o n o m i s c h e

Klassen

75

a) Traditionales und hellenistisches Schuldrecht

75

112. Die Praktizierung des Sabbatjahres 75 113. Tacitus Beurteilung des jüdischen Sabbatjahres 75 114. Sabbat- und Jobeljahr in der Darstellung von Josephus 75 115. Die Praktizierung der Pfandhaftung 76 116. Das Ideal des Schuldenerlasses 76 117. Der Prosbol 76 118. Eine Schuldurkunde 76 b) Schuldknechtschaft und Sklaverei

77

119. Die Mißachtung der Schuldknechtschaft durch Herodes 77 120. Die Schuldknechtschaft 78 121. Die Dauer der Schuldknechtschaft 78 122. Der Unterschied zwischen Schuldknechten und Fremdsklaven 78 123. Die Fremdsklaverei 78 124. Der Status von Kindern unverheirateter Frauen 78 125. Das Ideal der Gleichheit bei den Essenern 79 c) Schuldgefangenschaft

79

126. Schuldgefängnis 79 d) Grundeigentum: Kleinbauerntum

79

127. Die gerechte Verteilung des Landes durch Mose 80 Judäas 80 129. Die geringe Bedeutung des Handels 81 e) Grundeigentum:

128. Die Wirtschaft

Königsland

81

130. Verteilung von Land durch den römischen Kaiser 81 f)

Grundeigentum:

Privatbesitz

131. Ein Kaufvertrag über Land 82

82 132. Beschränkungen beim Landverkauf 82

g) Teilpacht 133. Formen der Pacht 82 134. Die Pflichten des Pächters 83 lung des Erntehaufens 83 136. Die Höhe der Anteile 83

82 135. Die Auftei-

h) Dörfliches Weistum

84

137. Gemeinschaftsrechte der Bauern 84 i) Handwerk

84

138. Die Aufgaben der Handwerker 85 k) Handel 139. Ethische Einwände gegen den Handel 86 140. Der Streit über die Marktaufsicht 86 141. Gewinnbringender Handel 86 142. Beschränkung des Handels mit Fremden 87

85

10

Inhalt

II DIE SAMARITANER Hans G. Kippenberg

89

Einleitung

89

1. Der Garizim-Kult a) Die Gründung des Tempels auf dem Garizim 1. Die Besiedlung Sichems und die Genehmigung des Tempelbaus 91

90 90

b) Die Kultlegenden des samaritanischen Tempels

92

2. Abrahams Altarbau auf dem Garizim 92 3. Abraham als Gast im Heiligtum des Garizim 92 4. Das Stiftszelt auf dem Garizim 92 5. Die verborgenen Kultgeräte auf dem Garizim 93 c) Das Schisma aus samaritanischer Sicht

93

6. Der Bruch in der Hohenpriesterfolge 93 7. Die Entzweiung von Ussi und Eli 93 8. Die Verbergung des Stiftszeltes zur Zeit Ussis 94 2. Samaritanische Liturgien a) Die Garizim-Wallfahrt 9. Die Bedeutung der Wallfahrt 95

94 94 10. Liturgische Vergegenwärtigung 95

b) Der Synagogengottesdienst

95

11. Ein Hymnus aus dem Synagogengottesdienst 96 c) Die Funktion der legitimen Priesterschaft 12. Das Vorrecht der Aaroniten am Stiftzelt 96 13. Die Gliederung der Priesterschaft 97 14. Die Schriftgelehrten 97 15. Joseph als Herr des Garizim 97 3. Samaritanische eschatologische Vorstellungen

96

97

16. Die Zeit der Abwendung 98 a) Samaritanische Lehren über Mose

98

17. Die einzigartige Heiligkeit von Mose 98 18. Die Unvergleichlichkeit von Mose 99 19. Die endzeitliche Wiederkehr von Mose 99 b) Die Erwartung eines Propheten wie Mose

99

20. Der Zusatz des samaritanischen Pentateuchs zum Dekalog 100 c) Der Taheb 21. Der Taheb als Prototyp 100 22. Der Taheb als Erlöser 101

100

d) Dositheaner 23. Dositheos als Prophet wie Mose 101 24. Die Dositheaner 101 25. Die dositheanische Auferstehungslehre 102 26. Polemik gegen die Dositheaner 102 Tl. Polemik gegen eine Gleichstellung von Dositheos und Mose 102

101

4. Samaritanischer Gnostizismus a) Die christlichen Berichte über Simon Magus

102 102

28. Verehrung Simons und Helenas 102 b) Der göttliche Mensch 29. Der Typos des hellenistischen Wundertäters 103

103

11

Inhalt c) Die große M a c h t

103

30. Die .Große Macht' in der samaritanischen Liturgie 104 5 . Rabbinische Traditionen über die Samaritaner (Gerd A . W e w e r s ) 31. Juden-Heiden-Samaritaner 104 32. Unterschiedliche Meinungen 105 Anbetung auf dem Garizim 105 34. Dogmatische Diskriminierung 105 Unreinheit der Samaritaner 106

104 33. 35.

III DAS RABBINISCHE JUDENTUM Gerd Α. Wewers

107

Einleitung

107

1. Politische und soziale Struktur a) Das Landvolk 1. Pharisäische Definitionen des Landvolks 109 2. Umgang mit dem Landvolk 110 3. Handel und Tischgemeinschaft III 4. Armut des Landvolks 111 5. Zöllner und Huren 112 6. Unehrlichkeit der Zöllner und Hirten 112

108 108

b) Parteiungen und Gegensätze

112

7. Arten des Pharisäismus 113 8. Diskriminierung der Sadduzäer 113 9. Die Boethosäer 114 10. Zeloten 115 11. Zeloten und Pharisäer IIS 12. Das Diasporajudentum 116 13. Gegensatz Judäa-Galiläa 117 14. Abgrenzungsprobleme 117 c) Ketzer

118

15. Ansichten der Ketzer 119 16. Bücher der Ketzer 119 17. Ketzerei im Gottesdienst 120 18. Ketzerei eines Abtrünnigen 120 19. Widerlegung einer Ketzerei 121 20. Streitgespräch über den Monotheismus 122 21. Ausschluß der Ketzer 123 2 . Das religiöse Leben



a) Der Tempel

123 124

22. Heiligkeit des Herodestempels 124 23. Die Tempelvorhänge 125 24. Der Leuchter 126 25. Halle der Schaubrote 126 26. Anordnung der Schaubrote 126 27. Das tägliche Opfer 126 28. Bedeutung des täglichen Opfers 128 29. Die Tempelbeamten 128 30. Dienst der Leviten 129 31. Die jährlichen Wallfahrten 129 32. Ehrfurcht vor dem Tempel 130 33. Erhebung der Tempelsteuer 130 34. Verwendung der Tempelsteuer 130 35. Wirkungen der Tempelzerstörung 131 b) Die Synagoge 36. Die Synagoge von Alexandrien 133 37. Synagogeninschrift in Jerusalem 134 38. Gottes Gegenwart in der Synagoge 134 39. Die Zehnzahl 134 40. Sitzordnung 135 41. Der Synagogenvorsteher 135 42. Der Vorbeter 135 43. Gottesdienstordnung 136 44. Prediger und Hörer 136 45. Eine Predigt aus früher Zeit 136 46. Eine exegetische Predigt 137 47. Veräußerung von Synagogeneigentum 138

133

12

Inhalt

c) Hymnen und Gebete

139

48. Einzelne Gebetsvorschriften 139 49. Gebets Vorbereitungen 140 50. Rabbinische Tagesgebete 140 51. Das Achtzehngebet (palästinische Rezension) 141 52. Ein kurzes Gebet 143 53. Verbotene Lobpreisungen 143 54. Gebetsandacht 144 55. Rabbinisches Sündenbekenntnis 144

d) Die Thora

144

56. Die Thora als Angebot 145 57. Die Thora als Heilsgabe 145 58. Thora und Gott 146 59. Sinnfülle der Thora 146 60. Beschäftigung mit der Thora 146 61. Anzahl der Gebote 147 62. Leichte und schwere Gebote 147 63. Das Wesen der Thora 147 64. Thora und Tradition 148

e) Auslegung der Thora

148

65. Rabbinische Auslegungsregeln 148 66. Thora und Auslegung 149 67. Ausleger und Thora 149 68. Reihenfolge der Worte 150 69. Analogieschluß 150 70. Logischer Schluß 151 71. Gegenwartsbezug 151 72. Schriftanwendung 151 73. Widersprüche 151

f) Proselyten

152

74. Proselytenmission 152 75. Proselytentaufe 153 76. Proselytenunterweisung 153 77. Ansehen der Proselyten 154 78. Proselyt und Gottesfürchtiger 156 79. Der unbeschnittene Proselyt („Beisaßproselyt") 157

g) Der Rabbi und der Patriarch

157

80. Ordination 158 81. Vollmacht 158 82. Mehrheits- und Einzelentscheidung 158 83. Eine Lehrkontroverse 159 84. Kontroverse und Beweis 159 85. Eine Kontroverse über die Endzeit 160 86. Die Versammlungsordnung 161 87. Hochachtung des Rabbinenstands 161

h) Rabbinisches Recht

161

88. Sitzordnung des großen Gerichtshofs 162 89. Mitgliederzahl des großen Gerichtshofs 162 90. Tätigkeit des großen Gerichtshofs 162 91. Gerichtsfälle 164 92. Kompetenzen der Richter 165 93. Die Todesstrafe 166 94. Rechtsfindung durch Zeugen 166 95. Verfahren bei Gotteslästerung 166 96. Geltungsbereich des Rechts und Meinungen zur Todesstrafe 167

i) Feste und Festgesetze

167

97. Das Neujahrsfest 167 98. Der Versöhnungstag 168 99. Passaopfer im Tempel 169 100. Die häusliche Passafeier 170 101. Das Wochenfest J72 102. Die Laubhütte 173 103. Freude am Laubhüttenfest 173 104. Sabbatbeginn 174 105. Am Sabbat verbotene Arbeiten 174 106. Der Sabbatweg 175 107. Sabbatübertretungen 175 108. Sabbat und Alltag 176 109. Sabbatfreude 176

3. Das Leben des Einzelnen a) Abstammung, Geburt, Beschneidung, Erziehung

177 177

110. Abstammungsklassen 177 111. Stammbücher 178 112. Abstammung zweier Gelehrter 179 113. Bildung menschlichen Lebens 179 114. Vorgänge der Beschneidung 180 115. Die Beschneidungsliturgie 180 116. Lobpreis der Beschneidung 180 117. Erziehungsstufen 181 118. Erziehungspflichten 182 119. Die Lebensalter 182

b) Verlobung, Hochzeit, Ehescheidung, Schwagerehe 120. Verlobungsweise 183 121. Verlobungsformeln 183 122. Verlobungssegen und Hochzeitssegen 184 123. Liebe vor der Ehe 185 124. Mindest-

182

Inhalt

13

maß der Aussteuer 185 125. Judäische und galiläische Hochzeitssitten 186 126. Standesgemäße Heirat 186 127. Hochzeitsfreude 186 128. Eheliche Pflicht 187 129. Unreinheit der Frau 187 130. Scheidungsgründe 188 131. Der Scheidebrief 188 132. Formular eines Scheidebriefs 189 133. Rückgängigmachung der Scheidung 189 134. Wiederverheiratung 190 135. Listige Vermeidung der Schwagerehe 190 136. Ein extremer Fall von Schwagerehe 190 c) Das Berufsleben

191

137. Landläufige Berufe 191 138. Die Fischer von Tiberias 191 139. Ansehen der Berufe 192 140. Zweifelhafte Berufe 193 141. Verschiedene Berufe 193 142. Lobpreis des Handwerks 193 143. Arbeiten der Frau 194 144. Formen des Reichtums 194 d) Tod und Begräbnis

194

145. Unreinheit der Toten 194 146. Herrichtung der Leiche 195 147. Das letzte Geleit 195 148. Der Trauerzug 195 149. Die Trauerfeier 196 150. Trauer um eine Sklavin 196 151. Die Grabrede 197 4. Die Rabbinen und das Christentum

198

a) Rabbinisches zu Jesus

198

152. Herkunft Jesu 199 153. Ein legendärer Bericht 199 154. öffentliche Ketzerei Jesu 199 155. Heilung und Ketzerei 200 156. Jünger Jesu 201 157. Bileam - Jesus 201 158. Tod Jesu 202 159. Ein anderer Bericht vom Tod Jesu 202 160. Jesus und Israel 202 b) Antichristliche Polemik 161. Der Menschensohn 203 162. Die Himmelfahrt 203 geliumszitat 204 164. Kontaktverbot 204

203 163. Ein Evan-

c) Herkunft und Titel (Name) des Messias

205

165. Ruth als Ahnfrau des Messias 205 166. Schriftbeweis zur Herkunft 205 167. Perez als Ahnherr des Messias 206 168. Messias aus dem Stamm Juda 206 169. Name und Herkunft des Messias 207 170. Namen des Messias 208 d) Typen der Messiasvorstellung

208

171. Präexistenz des Messias 209 172. Das Kommen des Messias 210 173. Die Tage des Messias 210 174. Der Messias und die Weltreiche 211 175. Der Messias als Kriegsheld 211 176. Der Messias als Kriegskönig 212 177. . Der Messias als Friedensfürst 212 178. Ein Messianischer Hohepriester 212 179. Der leidende Messias 212 180. Der Messias Ben-Joseph 213 181. Trauer um den getöteten Messias Ben-Joseph 213 182. Leugnung der Wiederkunft 213 183. Zeichenforderung 214 e) Die Endzeit 184. Ein eschatologischer „Fahrplan" 215 185. Die messianischen Wehen 215 186. Leiden und Endzeit 217 187. Gegenwart und Endzeit in der Predigt 218 188. Der erste und der letzte Erlöser 218 189. Die ägyptische Erlösung als Vorbild der endzeitlichen Erlösung 219 190. Weltzeit und Endzeit 219 191. Gottes Gericht 220 192. Das große Weltgericht 220 193. Das Gericht über die Völker in den Tagen des Messias 221 194. Gott und Israel als endzeitlicher Gerichtshof 221 195. Das Gericht über die Völker in der Endzeit 221 196. Reaktion auf Endzeitspekulationen 221 197. Weissagungen 222

214

14

Inhalt f) Nächstenliebe und Verhältnis zum Staat

223

198. Das Gebot der Nächstenliebe 223 199. Nächstenliebe als Kern der Thora 223 200. Ein Tugendkatalog 224 201. Lohn der Liebeswerke 224 202. Israel und die Umwelt 224 203. Verfolgung unter Hadrian 225 204. Verhältnis zum Staatskult 225 205. Auseinandersetzung um die Götzen 226 206. Aus der Polemik gegen Götzen 226 207. Verhältnis zur Obrigkeit 227 208. Heidnisches Recht 228 209. Das Martyrium von Rabbi Aqiba 228 g) Gott 210. Gottvertrauen 230 211. Gott als Vater Israels 230 212. Nähe Gottes 230 213. Gott als Rabbi 231 214. Die Zerlegung des Namens 231 215. Die Kombination des Namens 231 216. Erlösung durch den „großen Namen" 231 217. Erlösung allein durch Gott 232

229

Literatur und Textsammlungen

233

Quellen

233

S ach Wortregister der neutestamentlichen Bezüge

237

Stellenregister der neutestamentlichen Bezüge

240

I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit H a n s G . KIPPENBERG

Einleitung Anfang und Ende der Geschichte des jüdischen Volkes in diesem Zeitraum stehen in dramatischem Gegensatz: hier ein Volk, das in relativem Frieden unter den Hohenpriestern lebte und in Maßen den Fremdherrschern Tribut zollen mußte — dort der Befehl des Kaisers Vespasian, das ganze Land der Judäer zu verkaufen. Selbstverständlich ist dieser politische Niedergang nur ein Aspekt der damaligen Geschichte. Literatur, Philosophie, Theologie haben sich geradezu umgekehrt proportional zu den äußeren Unglücken entfaltet. Doch finden wir diese Schriften noch in ihrem Innersten von den politischen Ereignissen berührt. War nicht die Kreuzigung von Jesus von Nazareth — für das neutestamentliche Schrifttum von zentraler Bedeutung — ebenso verwoben in die Politik wie die Vernichtung des Jerusalemer Tempelkultus — für das rabbinische Schrifttum von widersprüchlicher Voraussetzung. Wie konnte dies alles geschehen? Was hat den politischen Niedergang verursacht? War das jüdische Volk — wobei wir uns vor allem auf das Volk in Judäa beschränken — ein Opfer der Politik größerer Mächte, oder war sein politischer Sturz durch eigene irreale Machtansprüche verursacht? Beide Anschauungen finden wir nebenbei bereits im Schrifttum der damaligen Zeit: für den Widerstandskämpfer Judas waren die Judäer unschuldiges Opfer römischer Eroberungspolitik, für den zu den Römern übergelaufenen General Josephus — dem wir die großen Geschichtswerke verdanken — hatten die ganz irrealen Vorstellungen der Freiheitskämpfer den Untergang bewirkt. Was aber war wirklich geschehen? Die Auskünfte, die die jüdische und hellenistische Geschichtsschreibung hierzu erteilen, sind alles in allem eher dürftig. Immerhin kann man aus ihnen den Schluß ziehen, daß sie weder die eine noch die andere Ansicht bestätigen. Vielmehr dokumentieren die historischen Quellen, daß das Volk der Judäer in dieser Zeit keine Einheit darstellte, sondern in verschiedene Gruppierungen geteilt war. Ferner ist zu beobachten, daß diese Gruppen jeweils wechselnde Koalitionen mit rivalisierenden Nachbarstaaten eingegangen waren. So fanden etwa die Makkabäer in ihrem

16

I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

Kampf gegen die Seleukiden Unterstützung beim römischen Senat, während ihre internen Gegner — die wohlhabenden und weltgewandten Geschlechter — mit den Seleukiden paktierten. Anders war es anderthalb Jahrhunderte später, als die Wohlhabenden die Sache der Römer unterstützten, während ihre internen Gegner sich dem widersetzten. Um den Hintergrund solcher Konstellationen zu verstehen, ist es notwendig, auch die Veränderungen der dominierenden Gesellschaften und deren Folgen für die innere Lage Judäas zu berücksichtigen. Die wichtigsten Unterschiede liegen hier einmal in der Stellung der Zentralmacht gegenüber ethnischen Institutionen und in den unterschiedlichen Formen der Staatspacht. Während die Seleukidenherrscher das judäische Volk auch kulturell und religiös integrieren wollten, haben die Römer hier vorsichtiger gehandelt. Auch die Staatspacht - das heißt die Einziehung des vom Herrscher geforderten Tributes — ist unterschiedlich geregelt worden. Zur Zeit der Seleukiden war es üblich, daß diese Einziehung von lokalen Aristokraten gegen eine Geldsumme vom Herrscher ersteigert werden konnte. So profitierten sie indirekt auch von der Fremdherrschaft. Zur Zeit der römischen Herrschaft wurden die einheimischen Aristokraten erst von den römischen Steuerpächtern verdrängt und in der Kaiserzeit schließlich nur noch für die Abgaben der Landbevölkerung haftbar gemacht, ohne aus dem System selbst noch Vorteile ziehen zu können. Ich kann die ganze Komplexität der Koalitionen hier nicht entfalten. Die Texte sind beredte Zeugnisse hierfür. Wichtig ist die Erkenntnis, daß das Verhältnis der in Judäa lebenden Gruppen von Reicheren und Ärmeren, Stadtbewohnern und Landbevölkerung, von Produzenten und Händlern jeweils auch durch die Strukturen der dominierenden Gesellschaften beeinflußt worden ist. Schließlich lassen die Quellen und Urkunden erkennen, daß ältere Institutionen, die den Zusammenhalt des Volkes einst garantiert hatten, in dieser Zeit wirkungslos wurden: etwa die zeitliche Begrenzung der Schuldknechtschaft eines Menschen, der Schulden nicht zurückzahlen konnte, oder das unveräußerliche Anrecht einer Familie auf ihr Land. Urkunden bezeugen uns Rechtsverhältnisse, die hiervon gänzlich abgehen. Und auch in diesem Fall werden wir die Anhänger solcher neuer Rechtsformen nicht nur außerhalb des jüdischen Volkes zu suchen haben, sondern auch in ihm. Da die genannten Institutionen, die eng mit religiösen Ideen verbunden waren, den Ärmeren Schutz boten, finden wir die Vorkämpfer für die Geltung der Tradition oft gerade unter den Mittellosen. So machen die Texte, die uns die Lage des Volkes von Judäa in der damaligen Zeit dokumentieren, eine innere Krise offenbar. Dieses Volk war weder unschuldiges Opfer einer Großmachtpolitik geworden noch seiner eigenen Hybris. Eher wird man sagen können, daß unter den Bedingungen dieser Zeit schon länger vorhandene Gegensätze zwischen Ärmeren und Reicheren, Städtern und Bauern, zwischen Anhängern und Kritikern der Tradition schärfer geworden waren. Der dramatische Gegensatz zwischen Anfang und Ende der Geschichte des jüdischen Volkes in dieser Zeit erscheint nach einer

17

Der Tempelstaat

Lektüre der Quellen und Urkunden nicht als Folge einer äußeren Katastrophe, sondern des Verlustes der gesellschaftlichen Solidarität zwischen den Bürgern 1 .

1. Der

Tempelstaat

a) Die

Hierokratie

Die Organisation der persischen Provinz Judäa ist uns vor allem aus den Elephantine-Papyri bekannt. Die jüdische Gemeinde zu Elephantine in Ägypten hatte im Jahre 4 1 0 v.Chr. die judäischen Genossen um Hilfe gebeten. Dieser Brief war adressiert worden an den Statthalter Bagoas, an den Hohenpriester Johanan (Neh. 12,22) und die Priester in Jerusalem sowie an Ostanes, den Bruder des Anani, und die Vornehmen der Juden. Neben dem persischen Statthalter standen ein priesterliches und ein aristokratisches Gremium, das jeweils einen Vorsteher hatte. Die Trennung des Volkes in Priester und Juden ( - Benjaminiten), die Herausbildung zweier Gremien und die Vorrangstellung der Priesterschaft bildete die organisatorische Struktur Israels bis zur seleukidischen Zeit. 1. Organisation

der Provinz

Judäa

Elephantine Papyri N r . 3 0 Z . 1 7 - 1 9 : Schon vor diesem, damals als uns dies Böse zugefügt wurde, haben wir zu unserem Herrn und an den Hohenpriester Johanan und seine Genossen, die Priester in Jerusalem, und an Ostanes, den Bruder des Anani, und an die Vornehmen der Juden einen Brief geschickt. Einen (Antwort-)Brief sandte man uns nicht. b) Die priesterlichen

Abgaben

Folgende Abgaben sind zu unterscheiden: die Tempelsteuer in der Höhe eines tyrischen Halbschekels (Neh. 10,33; Ex. 30,11 ff.); die Erstlingsfrüchte (Ex. 2 3 , 1 9 ; Num. 18,13; Dtn. 26, Iff.; Neh. 10,36), die den Priestern in Jerusalem zufielen und deren Menge nicht vorgeschrieben war; die Priesterhebe (Num. 18,12; Neh. 10,37), die ungefähr den 50. Teil aller geernteten Früchte umfaßte und die im Land an die Priester verteilt wurde und der erste Zehnte, den die rabbinische Literatur auf Num. 1 8 , 2 1 - 2 6 gründete (Lev. 2 7 , 3 0 - 3 3 ; Dtn. 12,17; 1 4 , 2 2 f . galt als zweiter Zehnter, der dem Eigentümer zur Verfügung stand). Neh. 10,38 räumte den Priestern eine Aufsicht bei der Einsammlung des Zehnten durch die Leviten ein. Das DammaiGesetz (von d e maj = zweifelhaft verzehntet) von Johannes Hyrkanos bestätigte, daß vom ersten Zehnten ein Zehnter an die Priester abgeliefert werden müsse, sanktionierte jedoch die Ablieferung des großen Leviten-Zehnten nicht. Wahrscheinlich in der hasmonäischen Zeit sind die Priester zu den rechtmäßigen Empfängern des 1 Diese Zusammenhänge habe ich ausgeführt in: Religion und Klassenbildung im antiken Judäa. Eine religionssoziologische Studie zum Verhältnis von Tradition und gesellschaftlicher Entwicklung. Studien zur Umwelt des Neuen Testaments 14. Göttingen 1978.

2

Kippenberg, Textbuch

18

I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

großen Zehnten geworden (Josephus Contra Apionem I 188; AJ XIV 203). Aus den Erzählungen des Josephus geht wenigstens eindeutig hervor, daß es zu seiner Zeit den ersten Zehnten gab und daß er von den Priestern in Anspruch genommen wurde (Vita 80; Hebr. 7,5). Die Priester trieben ihn direkt auf dem Land ein (Vita 63). Aus der Mischna erfahren wir, daß die Pächter des Landes für Priesterhebe und Zehnten aufkamen. Die priesterliche bzw. levitische Begründung für die Abgabe ist die biblische Erzählung der Erlösung aus Ägypten und der Landnahme.

2. Verzehntung unter Johannes

Hyrkanos

Babylonischer Talmud, Sota 4 8 a (ein minderwertiger Text in Tosephta Sota 13,10): Derselbe (der Hohepriester Johannes Hyrkanos) hat auch das (nach Dtn. 2 6 , 1 3 ff.) übliche Bekenntnis abgeschafft und die Bestimmung über die zweifelhaft verzehnteten Früchte erlassen. Als er nämlich Abgesandte in das ganze Landgebiet Israels schickte und die Wahrnehmung machte, daß sie (die Grundbesitzer) nur die große Hebe (Priesterhebe) aussonderten, während den ersten und den zweiten Zehnten ein Teil von ihnen aussonderte, ein anderer Teil aber nicht, sprach er zu ihnen: „Meine Söhne, kommt und ich will euch (etwas) sagen: Wie an (dem Genuß) der großen Hebe eine todeswürdige Schuld haftet, so haftet auch an der Zehnthebe und der unverzehnteten Frucht eine todeswürdige Schuld." Dann machte er sich auf und gab ihnen die Verordnung: Wer Früchte von einem am ha-ares kauft, sondere von ihnen aus den ersten Zehnten und den zweiten Zehnten. Vom ersten Zehnten sondere er dann aus die Zehnthebe und gebe sie einem Priester, mit dem zweiten Zehnten aber ziehe er hinauf und verzehre ihn in Jerusalem; wer aber den ersten Zehnten und den Armenzehnten von einem anderen heraushaben will, dem liegt die Beweispflicht ob (daß der erste Zehnte und der Armenzehnte noch nicht vom Produzenten ausgesondert worden sind).

3. Priester als Empfänger des Zehnten Josephus, Contra Apionem 1 1 8 8 (zitiert Hekataios): Übrigens zählen die Priester der Juden, die den Zehnten vom Ertrag des Landes beziehen und den Staat regieren, fast fünfzehnhundert Köpfe.

4. Gewaltsame Eintreibung des Zehnten Josephus, Antiquitates Judaicae X X 179—181: Um diese Zeit übertrug der König Agrippa die hohepriesterliche Würde an Ismael, den Sohn des Phabi. Übrigens gerieten jetzt auch die Hohepriester mit den Priestern und den Anführern der Masse der Jerusalemiter in Streit, so daß jeder von ihnen eine Schar verwegener und aufrührerischer Leute um sich sammelte und ihr Führer war. W o sie sich trafen, überschütteten sie sich gegenseitig mit Beschimpfungen und Steinwürfen. Niemand fand sich, der sie zurechtgewiesen hätte, so daß dieses mit Erlaubnis geschah wie in einer Stadt ohne Vorsteher. So große Schamlosigkeit und Verwegenheit ergriff die Hohenpriester, daß sie sich nicht scheuten, ihre Knechte auf die Dresch-

Der Tempelstaat

19

platze zu schicken und die den Priestern zustehenden Zehnten wegnehmen zu lassen, so daß die ärmeren Priester vor Hunger umkamen. So unterwarf die Gewalt derer, die Parteikämpfe ausfochten, alles Gerechte. 5. Differenzen über den Empfänger des Zehnten Babylonischer Talmud, Kethuboth 26 a: Die Priesterhebe gehört dem Priester und der erste Zehnte dem Leviten. Das sind die Worte des R.Aqiba (gest. um 135). R.Eleasar b. Azarja sagte: der erste Zehnte gehört auch dem Priester. 6. Verzebntung samaritanischer

Produkte

Mischna Dammai 7,4: Wer Wein von den Samaritanern kauft, soll sagen: zwei Log, die ich künftig absondern werde, die sollen große Hebe sein und zehn (Log erster) Zehnt und neun zweiter Zehnt, dann kann er (ihn) als profan ansehen und trinken. 7. Über die Geltung des Zehnten Mischna Bikkurim 2,3: Bei der Hebe und beim Zehnten gibt es, was sich nicht so bei den Erstlingen findet. Nämlich die Hebe und der Zehnt verbieten die Tenne, sie haben ein bestimmtes Maß, und sie haben Geltung bei allen Früchten, zur Zeit des Tempels und nicht zur Zeit des Tempels, bei Teilpächtern, bei Pächtern (die für eine fixe Summe von Naturalien gepachtet haben), bei Sikariern und Räubern. 8. Theologische Begründung der Verzehntung Josephus, Antiquitates Judaicae IV 240-242: Außer den beiden Zehnten, welche ihr jährlich abgeben sollt, und zwar einen für die Leviten, den anderen für die Gastmahle, soll in jedem dritten Jahr noch ein dritter entrichtet werden, und zwar für die Verteilung an Witwen und Waisen. Die Erstlinge aller reifen Früchte soll man zum Tempel bringen, dort Gott für deren Wachstum in dem Land, das er geschenkt hat, danken, die gesetzlichen Opfer darbringen und die Erstlinge dann den Priestern schenken. Hat nun jemand das getan und den Zehnten von allem sowohl für die Leviten als auch für die Gastmahle nebst den Erstlingen entrichtet, und will er dann wieder nach Hause gehen, so soll er sich gegenüber dem Tempel hinstellen und Gott danken dafür, daß er (die Hebräer) von der Bedrückung durch die Ägypter erlöst und ihnen ein reiches und fruchtbares Land geschenkt hat. c)

Tempelschatz

Die Institutionen des judäischen Priesterstaates waren durch ihre Heiligkeit vor widerrechtlichem Zugriff geschützt. Der Tempel konnte daher den Besitzenden als sicheres Depot gelten, zog aber gerade deshalb auch immer wieder Konfiskationen

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

auf sich. Unter Seleukos IV ( 1 8 7 - 1 7 5 v.Chr.) mißlang eine erste des Heliodoros. Doch hatte Antiochos IV Epiphanes bald danach Erfolg (2.Makk. J , 15f.). Auch Crassus verging sich am Tempelschatz (BJ I 179). Josephus berichtet, die 2 0 0 0 Talente, die Pompeius vorgefunden habe, habe Crassus im Jahre 54 v.Chr. konfisziert und dazu noch Gold des Tempels in Höhe von 8 0 0 0 Talenten Silber (AJ X I V 105). Pilatus schließlich verbrauchte den vorgefundenen Tempelschatz für eine Wasserleitung. Der Reichtum des Tempels bildete sich vor allem aus der von jedem Juden jährlich zu entrichtenden Tempelsteuer in der Höhe eines tyrischen Halbschekels, aus Weihegeschenken fremder Könige (2.Makk. 5,16), aus dem Zehnten des Zehnten (Neh. 10,39) sowie Spenden. Aus diesem Schatz wurden die Armen versorgt. Welche Reichtümer die römischen Soldaten auch nach allen diesen Konfiskationen am Ende des jüdischen Krieges bei der Zerstörung des Tempels noch eroberten, läßt die Bemerkung des Josephus ahnen: „Mit den geraubten Schätzen waren die Soldaten alle so beladen, daß in Syrien das Gold im Vergleich zu vorher im Handel um die Hälfte seines Preises sank" (BJ VI 317).

9. Tempel als Gelddepot 2. Makkabäer 3,10—13: Da eröffnete der Hohepriester ihm (sc. Heliodoros), es handele sich (bei den Tempelschätzen) um anvertraute Güter von Witwen und Waisen, einiges gehöre auch dem Hyrkanos, des Tobias Sohn, einem in sehr angesehener Stellung befindlichen Mann. Die Sache verhalte sich nicht so, wie der gottlose Simon falsch ausgesagt habe. Das Ganze betrage vierhundert Talente Silber und zweihundert Gold. Es sei gänzlich unmöglich, daß denen Unrecht getan werde, die ihr Vertrauen auf die Heiligkeit des Ortes und die Würde und Unverletzlichkeit des in aller Welt so hoch geehrten Tempels gesetzt hätten. Heliodoros aber berief sich auf die ihm erteilten königlichen Befehle und erklärte, das Geld müsse durchaus in den königlichen Schatz abgeführt werden. 10. Reichtum des Tempels Josephus, Bellum Judaicum VI 282: (Die Römer) zündeten auch die Schatzkammern an, in denen eine zahllose Menge Geld, Gewänder und andere Kostbarkeiten, kurz der ganze Reichtum der Juden aufgehäuft war, da dorthin die Wohlhabenden ihren Besitz geschafft hatten.

2. Seleukidische Herrschaft a) Judäa als Ethnos In dem Krieg, der 2 0 0 v. Chr. zwischen den hellenistischen Reichen der Seleukiden und der Ptolemäer stattfand und in welchem beide um Palästina kämpften, gelang es dem seleukidischen Herrscher Antiochos III. (222—187) mit jüdischer Hilfe, die ägyptische Streitmacht zu schlagen. Die judäische Unterstützung entlohnte er 198

Seleukidische Herrschaft

21

v . C h r . mit einem Erlaß, der als die Verfassung J u d ä a s unter seleukidischer Herrschaft gelten kann. N a c h d e m der König in diesem Erlaß die staatliche Unterstützung für den Jerusalemer Tempelkult detailliert geregelt hatte, folgen Bestimmungen, die die judäische Selbstverwaltung garantieren. Die väterlichen Gesetze sollen in J u d ä a das politische Leben bestimmen. Die hierfür verantwortlichen Institutionen, neben den priesterlichen ein R a t der einheimischen Aristokratie, werden von der Abgabepflicht befreit. Der Begriff des Ethnos, der in der griechischen Literatur zur Bezeichnung von Stammesgemeinschaften entwickelt worden war, bezeichnet in diesem Erlaß Autonomie und Unabhängigkeit der einheimischen Herrschaftsinstitutionen. In den politischen Auseinandersetzungen zwischen der seleukidischen Königsgewalt und Judäern (170—168 v . C h r . ) trat die Zweideutigkeit dieser Verfassung zutage. Die aristokratische Partei wünschte eine Eingliederung Jerusalems als Polis in das Seleukidenreich, während die Mehrheit des Volkes für die Geltung der Tradition eintrat. W a r in der Polis das Recht an Gesetzgebung durch Bürgerschaft bzw. König gebunden, so bemaßen die Führer des Makkabäeraufstandes das Recht an seiner Übereinstimmung mit den väterlichen Gesetzen. (Vgl. E . L o h s e , Umwelt des Neuen Testamentes. Göttingen 1 9 7 1 S. 1 2 - 1 5 . )

11. Herrschaft entsprechend den väterlichen

Gesetzen

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I 1 4 2 - 1 4 4 : (Antiochos der Große befiehlt:) Alle Mitglieder des Volkes (ethnos) sollen regiert werden in Übereinstimmung mit den väterlichen Gesetzen, und die Gerusia, die Priester, die Tempelschreiber und die Tempelsänger sollen befreit werden von der Kopfsteuer, der Abgabe an die Krone und der Salzsteuer. Damit die Stadt schneller wieder besiedelt wird, bewillige ich den jetzigen Bewohnern und denen, die bis zum Monat Hyperberetaios zurückkommen, Steuerfreiheit für drei Jahre. Auch will ich ihnen ein Drittel der Abgaben erlassen, damit ihr Schaden gutgemacht wird. Und alle, welche aus der Stadt verschleppt und versklavt wurden, erklären wir mit ihren Kindern für frei und befehlen, daß ihnen ihr Vermögen wiedergegeben wird.

12. Emanzipation von der Tradition Josephus, Antiquitates Judaicae X I I 2 3 9 - 2 4 1 : Als nun der frühere Hohepriester Jesus ( = Jason) sich gegen den nach ihm eingesetzten Menelaos erhob und das Volk sich in zwei Parteien spaltete, waren die Söhne des Tobias auf der Seite des Menelaos, während die Mehrheit des Volkes Jason unterstützte. Von ihm bedrängt zogen sich Menelaos und die Söhne des Tobias zu Antiochos zurück und erklärten ihm, daß sie die väterlichen Gesetze und die ihnen entsprechende Verfassung (politeia) aufgeben und den königlichen Gesetzen folgen sowie die hellenische Verfassung haben wollten. Sie baten ihn deshalb um die Erlaubnis, in Jerusalem ein Gymnasium bauen zu dürfen.

13. Kampf für die väterlichen

Gesetze

l.Makkabäer 1,54-58; 2 , 1 5 - 2 8 ; 4 , 3 6 - 4 3 : Am fünfzehnten Kislev des Jahres 145 ließ (der König) über dem Brandopfer-

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

altar ein Schandmal aufbauen und in den Städten über ganz Judäa hin Höhenheiligtümer einrichten. An den Türen der Häuser und auf den freien Plätzen brachte man Räucheropfer dar. Die Bücher des Gesetzes zerriß und verbrannte man, soweit man ihrer habhaft werden konnte. Einen jeden, bei dem man ein Buch des Gesetzes fand, oder der dem Gesetze treu geblieben war, den verurteilte ein königlicher Gerichtsspruch zum Tode. Da sie die Macht hatten, konnten sie Monat für Monat gegen Israel vorgehen, gegen alle, die man in den Städten aufstöberte . . . Da kamen die Leute des Königs, die den Abfall erzwingen wollten, in die Stadt Modein, damit man opfere. Und viele Israeliten fanden sich bei ihnen ein, auch Mattathias und seine Söhne kamen hinzu. Da nahmen die königlichen Abgesandten das Wort und sagten zu Mattathias: „Du bist der Höchste in dieser Stadt und groß angesehen. Auch hast du einen starken Rückhalt an Söhnen und Brüdern. Tritt nun als erster vor und erfülle den königlichen Befehl, wie es alle Völker getan haben, auch die Männer von Judäa und die in Jerusalem Zurückgebliebenen. Dann wirst du mit deinen Söhnen zu den Freunden des Königs gehören und mit Silber und Gold und vielen Geschenken ausgezeichnet werden." Da gab Mattathias mit lauter Stimme zur Antwort: „Wenn auch alle Völker, die sich im Herrschaftsbereich des Königs befinden, auf ihn hören, ein jeder der väterlichen Religion absagt und sich seinen Vorschriften fügt, so werden doch ich und meine Söhne und Brüder in der Bundestreue unserer Väter weiterwandeln. Gott bewahre uns, Gesetz und Rechtssatzungen aufzugeben; den Befehlen des Königs können wir nicht gehorchen, um unseren Religionsdienst nach rechts oder links zu verlassen." Er hatte seine Worte noch kaum ausgesprochen, da trat ein judäischer Mann vor, um vor den Augen aller auf dem Altar von Modein nach der Weisung des Königs zu opfern. Das mußte Mattathias wahrnehmen. Er ereiferte sich, sein Inneres erbebte, er ließ seinen Zorn die vernunftgemäße Grenze überschreiten, er sprang vor und schlug ihn am Altar nieder. Auch den königlichen Beamten, der das Opfer erzwingen wollte, brachte er dabei um. Den Altar rieß er nieder und eiferte für das Gesetz, wie das Pinehas gegenüber Simri, dem Sohne Salus, tat. Und Mattathias ließ in der Stadt den lauten Ruf erschallen: „Jeder, der für das Gesetz eifert und den Bund aufrecht erhalten will, ziehe aus, mir nach." Und er und seine Söhne flohen in die Berge und ließen alles, was sie besaßen, in der Stadt zurück . . . Judas und seine Brüder sagten: „Siehe, unsere Feinde sind entscheidend geschlagen! Wir wollen hinaufziehen, das Heiligtum entsühnen und neu weihen." Als die ganze Streitmacht versammelt war, zogen sie zum Berge Sion. Da sahen sie den Tempel verwüstet, den Altar entweiht, die Tore verbrannt. Auf den Vorhöfen war Gestrüpp gewachsen wie in einem Wald oder auf einem Berg, die Nebenräume waren zerstört. Da rissen sie ihre Kleider ein und klagten laut und eindringlich, auch streuten sie sich Asche auf ihr Haupt, warfen sich zur Erde nieder, ließen die Signaltrompeten blasen und schrieen zu Gott. Bei dieser Gelegenheit gab Judas den Männern Auftrag, die (Leute) in der Burg kämpfend in Schach zu halten, bis sie das Heiligtum

23

Seleukidische Herrschaft

entsühnt hätten. Auch wählte er Priester aus, untadelige, treu dem Gesetz ergebene. Da entsühnte man das Heiligtum und brachte die Steine des Schandbaues an einen unreinen Ort. b) Politische Abgaben:

die

Staatspacht

Neben den Abgaben, die an den Tempel und die Priesterschaft zu leisten waren, standen auch solche, die den fremden Herrschern zustanden. Unter dem ägyptischen Herrscher Ptolemaios (V Epiphanes 204—181 v.Chr.) war das Land Judäa Tempelland, für das der Hohepriester eine jährliche Abgabe von 20 Talenten zu entrichten hatte. Ende des 3.Jh. v.Chr. trat an die Stelle dieses aus dem Tempelschatz entrichteten Tributs auch in Judäa das System der Staatspacht: lokalen Aristokraten wurde die Einziehung des Produktenanteils gegen Geld verpachtet. Dieses System, das den Aufschwung der Tobiadenfamilie aus der ammonitischen Region beförderte, blieb unter seleukidischen Verhältnissen in Kraft (Josephus AJ XII 155) und bestimmte die Funktion der politischen Institutionen. Die Polis wird zu einer der Ebenen der Verwaltungen, wie der pseudo-aristotelische Text Oeconomica ausführt, der seleukidische Verhältnisse beschreibt. Das differenzierte seleukidische Abgabensystem wird im Makkabäerbuch anläßlich seiner Überwindung 142 v.Chr. dargestellt (eine wichtige Parallele l.Makk. l l , 3 4 f . ) . Es ist nicht überraschend, daß die Beseitigung dieses Systems als Ende der Sklaverei gefeiert wird (l.Makk. 1 3 , 4 1 f . und AJ XIII 213), wenn man erfährt, daß ein Drittel des Getreides und die Hälfte der Baumfrüchte abzuliefern waren. Verpachtet wurden nicht nur Produktenanteile, sondern auch Ämter mit regelmäßigen Einkünften. Im Jahre 171 v.Chr. überbot der Bruder des Tempelvorstehers Simon namens Menelaos, von Herkunft ein Laie, den Hohenpriester Jason um 300 Talente und wurde Hoherpriester (2.Makk. 4,23f.). 14.

Tributzahlung

des Hohenpriesters

an den ägyptischen

König

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I 1 5 8 f.: Dieser (Hohepriester) Onias war niederer Gesinnung und geldgierig, weshalb er die Abgabe von zwanzig Talenten für das Volk, die seine Väter den Königen aus ihrem Vermögen bezahlt hatten, nicht mehr entrichtete. Hierdurch erbitterte er den König Ptolemaios. Dieser schickte einen Gesandten nach Jerusalem und ließ dem Onias Vorwürfe machen, weil er die Abgaben nicht entrichtet habe, sowie auch drohen, er werde, wenn er sie nicht erhalte, das Land aufteilen und seine Soldaten dort ansiedeln. 15. Staatspacht unter ptolemäischer

Herrschaft

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I 1 7 5 — 1 7 7 : Als der Tag gekommen war, an dem die Abgaben der Städte verkauft werden sollten, wollten die Vornehmen in den Provinzen sie kaufen. Achttausend Talente waren schon auf die Abgaben von Syrien, Phoenicien, Judaea und Samaria geboten, als Joseph hinzukam und den Ankäufern vorwarf, sie hätten sich verabredet, einen geringen Preis für die Abgaben zu bieten, während er (dem König) versprach, das Doppelte zu geben und ihm die Güter derjenigen auszuliefern, die sich gegen sein Haus vergehen würden.

24

I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

Denn dieses (Recht) wurde mit den Abgaben verkauft. Der König vernahm dieses mit Freuden und teilte ihm mit, er werde ihm den Kauf der Abgaben übertragen, da er seine Einnahmen heben werde.

16. Staatspacht unter seleukidischer

Herrschaft

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I 1 5 5 : Die Vornehmen pachteten (das Recht), in ihren eigenen Vaterstädten den Tribut zu erheben und entrichteten, nachdem sie die festgesetzte Summe gesammelt hatten, diese den Königen.

17. Degradierung der Polis zur

Verwaltungsinstanz

Pseudo-Aristoteles, Oeconomica A 1 , 1 f. sowie Β 1 , 1 : Zwischen ökonomischer und politischer (Tätigkeit) gibt es nicht nur den Unterschied, der zwischen Haushalt und Staat besteht — denn dieses sind ihre Objekte - , sondern auch den, daß die politische von vielen Herrschenden betrieben wird, die ökonomische aber nur von einem (Monarchia) . . . Der Staat besteht aus einer Menge von Haushalten, Land und Eigentum, die unabhängig machen, damit man gut leben kann . . . Daher ist deutlich, daß vom Ursprung her das ökonomische früher ist als das Politische. Denn auch das Werk (ist es). Denn der Haushalt ist Teil des Staates . . . Es gibt vier Verwaltungen (Oikonomiai), die in Typen unterteilt werden können — denn die anderen fallen, wie wir sehen werden, darunter —: die des Königs, die des Satrapen, die der Polis und die des privaten Bürgers. Die folgende längere Ausführung kann man so zusammenfassen: zur Verwaltung des Königs gehören die Münzprägung, der E x p o r t , der Import, die Ausgaben; zur Verwaltung des Satrapen gehören sechs Arten von Einnahmen: Einnahmen vom Land (die Ekphorion oder Zehnter heißt und wohl eine Produktensteuer ist), von speziellen Produkten (wie Gold, Silber, Kupfer), von Märkten, von Steuern (auf Land und Verkäufen, w o wohl die Grundsteuer eingeschlossen ist), von Vieh (die Zehnter und Epikarpia heißt) und von anderen Quellen (wie der Kopfsteuer und der Steuer auf Handwerksprodukte); die Verwaltung der Polis umfaßt Einnahmen von speziellen Produkten des Landes, von Märkten, Wegen und öffentlichen Diensten; die Verwaltung privater Bürger umfaßt Einnahmen aus dem Grund und Boden, aus periodisch wiederkehrenden Tätigkeiten und aus Zinsen.

18. Die von den Seleukiden geforderten

Abgaben

l.Makkabäer 10,29-31: Und zwar befreie ich (Demetrios) euch und erlasse allen Judäern die Abgaben, die Salzsteuer und die Kronensteuer. Ebenso erlasse ich von heute ab und weiterhin die Abgaben des dritten Teils der Saatfrüchte und der Hälfte der Baumfrüchte, die zu nehmen mir zusteht, und will sie nicht vom Lande Juda und von den drei zu ihm geschlagenen Bezirken Samarias nehmen, vom heutigen Tag ab und für alle Zeit. Jerusalem aber soll heilig sein und steuerfrei samt seinem Gebiet und ebenso die Zehnten und die Zölle.

25

Makkabäische und hasmonäische Herrschaft

c) Herrschaft

und Bruch der

Tradition

Die Nachfolge im Hohenpriesteramt war in der Zeit nach dem Exil auf bestimmte Verwandtschaftsgruppen beschränkt, die sich auf Zadok und Eleasar zurückführen konnten (l.Chron. 5,27—41). Diese genealogische Regelung zerbrach 171 v.Chr., als der seleukidische König Antiochos Epiphanes das Amt gegen Geld an den nichtpriesterlichen Menelaos vergab. Der Eingriff von Seiten des seleukidischen Königtums führte zum Bruch der Tradition, zur Frage nach der Legitimität politischer Herrschaft und zur Entstehung innerjüdischer Gruppen. Die Asidäer waren an der Wiederherstellung der traditionalen Ordnung interessiert, ohne die seleukidische Herrschaft selbst in Frage zu stellen. Darin unterschieden sie sich von den Makkabäern, für deren politische Absichten unser Text Verständnis zeigt (vgl. E. Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S. 16). 19. Die

Chasidim

l.Makkabäer 7 , 8 - 1 6 : Da erwählte der König aus den Freunden des Königs Bakchides, der jenseits des Stromes regierte und im Königreich groß und dem König treu ergeben war. Den entsandte er und den gottlosen Alkimos, sicherte diesem das Hohepriestertum zu und beauftragte ihn, an den Israeliten Rache zu nehmen. Alsdann brachen sie auf und kamen mit starker Heeresmacht ins Land Juda. Da sandte er Boten an Judas und seine Brüder mit friedlichen Worten, (aber) in Arglist. Sie achteten jedoch nicht auf ihre Worte, denn sie sahen wohl, daß sie mit starker Heeresmacht gekommen waren. Es versammelte sich aber bei Alkimos und Bakchides eine Schar von Schriftgelehrten, um Recht zu suchen. Und die Asidäer waren die ersten unter den Israeliten, die mit ihnen Frieden suchten. Denn sie dachten: „Ein Priester aus dem Geschlecht Aarons ist mit den Truppen gekommen, der wird uns kein Unrecht antun." Und er sprach mit ihnen friedliche Worte und schwur ihnen: „Wir verfolgen nichts Böses gegen euch und eure Freunde." Und sie glaubten ihm. Und er ließ sechzig Mann von ihnen festnehmen und tötete sie an einem Tage.

3. Makkabäische a) Der Freundschaf

und hasmonäische tsvertrag Rom-Judäa

Herrschaft (161

v.Chr.)

Der im Jahre 161 v.Chr. abgeschlossene Vertrag, den Josephus AJ XII 417—419 paraphrasierend mitteilt, trägt die Rechtsform eines senatus-consultum (Senatsbeschlusses). Die Verträge, die Rom mit fremden Staaten abschloß, waren entweder Verträge der Gleichheit oder der Ungleichheit (foedera aequa oder iniqua). Der von Judas Makkabäus und dem Volk der Judäer geschlossene Freundschafts- und Bundesgenossenschaftsvertrag gehört zu den Gleichheitsverträgen. Römer und Judäer leisten sich gegenseitig Bundesgenossenschaft bei einem Angriff eines Dritten. Eine Ungleichheit zeigt sich jedoch darin, daß allein Rom im Falle eines Konfliktes über Judäas Verhältnis zu den anderen römischen Bundesgenossen entscheidet. Im Kriegsfall, der Rom betrifft, entscheidet der römische Senat über die Hilfeleistung der Judäer an die Bundesgenossen. Im Kriegsfall, der Judäa betrifft, entscheidet eben-

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

falls R o m über Hilfeleistung für die Bundesgenossen. Die in anderen Verträgen getrennt formulierten Bündnis- und Neutralitätsklauseln sind in diesem Vertrag zusammengezogen worden. Der Vertrag, der zu Wasser und zu Lande gilt, ist eine Übereinkunft von unbegrenzter Dauer, die von den judäischen Hohenpriestern jeweils erneuert wurde ( l . M a k k . 1 2 , 3 ; 1 5 , 1 7 ; Josephus A J XIII 2 5 9 - 2 6 6 ) . Die Rechtssubjekte, die diesen Vertrag eingehen, sind das römische Volk vertreten durch den Senat auf der einen, Judas und das Ethnos bzw. der Demos der Judäer auf der anderen Seite. Bei den späteren Vertragserneuerungen treten als judäische Rechtssubjekte der Hohepriester und das Volk (Ethnos bzw. Demos) der Judäer auf. Diese Doppelung ist die rechtliche Voraussetzung dafür gewesen, daß das judäische Ethnos gegen Ende der Hasmonäerzeit mit eigenen Gesandtschaften vor den römischen Institutionen auftreten konnte, und daß R o m politische M a c h t auf nichtpriesterliche Institutionen verlagern konnte.

20. Der Freundschafts- und Bundesgenossenschaftsvertrag und Judäern

zwischen

Römern

1. Makkabäer 8,17—32: Da erwählte Judas den Eupolemos, den Sohn des Johannes, den Sohn Akkos, und Jason, den Sohn Eleasars, und sandte sie nach Rom, um mit ihnen in Freundschaft und Bundesgenossenschaft zu treten, und damit sie ihnen das Joch abnähmen, wenn sie sähen, daß das Reich der Hellenen Israel versklave. Sie reisten nach Rom - der Weg war sehr lang —, begaben sich in die Ratsversammlung und hoben an: „Judas, der auch Makkabaios heißt, und seine Brüder und das Volk der Judäer sandten uns zu euch, um mit euch in Bundesgenossenschaft und Friedensbund zu treten und als Bundesgenossen und Freunde von euch aufgeschrieben zu werden." Diese Rede fand bei ihnen Beifall, und dies ist die Abschrift des Schreibens, das sie auf metallene Tafeln schrieben und nach Jerusalem schickten, damit sie bei ihnen dort ein Denkmal des Friedensbundes und der Bundesgenossenschaft sei. „Möge es den Römern und dem Volk der Juden zu Wasser und zu Land immer wohl gehen, und Schwert und Feind ihnen fern bleiben. Wenn aber zuerst Rom oder irgendeinem seiner Bundesgenossen im ganzen Bereich ihrer Herrschaft ein Krieg drohen sollte, so soll das Volk der Juden mit ganzem Herzen Bundesgenossenschaft leisten, wie die Umstände es von ihnen fordern. Den Kämpfenden werden sie Lebensmittel, Waffen, Geld, Schiffe weder geben noch verschaffen, außer wie es Rom beschloß. Sie werden ihren Verpflichtungen nachkommen, ohne etwas (dafür) zu nehmen. Ebenso werden aber auch die Römer, wenn zuerst dem Volk der Juden ein Krieg drohen sollte, willig Bundesgenossenschaft leisten, wie die Umstände es von ihnen fordern. Den Bundesgenossen sollen Lebensmittel, Waffen, Geld, Schiffe nicht gegeben werden, außer wie es Rom beschloß. Und sie werden diesen Verpflichtungen ohne Hinterlist nachkommen." Auf Grund dieser Bestimmungen also schlossen die Römer einen Vertrag mit dem Volk der Juden. Falls aber die Einen oder Anderen nachträglich wünschen sollten, etwas beizufügen oder wegzulassen, so mögen sie es nach ihrem Belieben tun, und was sie beifügen oder weglassen, soll gültig sein. In betreff der Schädigungen aber, die der König Demetrios ihnen

tvlakkabäische und hasmonäische Herrschaft

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zufügen könnte, haben wir ihm folgendes geschrieben: „Warum hast du unseren Freunden, den Juden, unseren Bundesgenossen, ein so schweres J o c h auferlegt? Wenn sie noch weiter über dich Klage führen, so werden wir ihnen zu ihrem Recht verhelfen und dich zu Wasser und zu Land bekriegen."

b) Hasmonäische

Herrschaft

Uber die Einsetzung des Hasmonäers Simon als Anführer und Hoherpriester ( 1 4 0 v.Chr.) legten Kupfertafeln Rechenschaft ab, die auf dem Zion angebracht waren. Staatlich war Judäa frei geworden, was sich an der Freiheit vom Tribut zeigte. Die judäische Aristokratie war von einem Volks-Fürstentum mit eigenem Staatsapparat abgelöst worden. Hatte bisher der syrische König die Hohenpriester ernannt, so trat an diese Stelle die Akklamation des Volkes. Da das Hohepriesteramt einer Familie übertragen wurde, die herkömmlicherweise keinen Anspruch darauf besessen hatte, wurde dieser Zustand bis zum Kommen eines Propheten beschränkt. Begründet wurde Simons Ethnarchenfunktion dadurch, daß eine politische und militärische Leitung des Volkes notwendig geworden sei und sich bewährt habe. Die hasmonäischen Priesterfürsten richteten ihre Herrschaft zunehmend als Königtum ein, indem sie staatliche Gesetze unabhängig von der Tradition erließen. Damit wurde die Aufstellung eines königlichen Erzwingungsstabes notwendig, der vom Volk unabhängig war. Die Anwerbung landfremder Söldner diente außenpolitischen Zielen, erfüllte aber auch die Aufgabe innenpolitischer Sicherung der Königsgewalt gegen die Gegner der Hasmonäer, zu denen vor allem die Pharisäer zählten. Alexandra ( 7 6 - 6 7 v.Chr.) beteiligte sie auf Empfehlung von Alexander Jannai (AJ XIII 3 9 9 f.) maßgeblich an der Regierung (vgl. E.Lohse, Umwelt des Neuen Testamentes S. 1 7 - 2 1 ) .

21. Die Einsetzung Simons als Anführer und

Hoherpriester

1. M a k k a b ä e r ' 1 4 , 4 1 - 4 7 : Am 18.Elul des Jahres 172 (140 v.Chr.) — das ist das dritte Jahr unter dem Hohenpriester Simon, dem saramel, — wurde uns in einer großen Versammlung der Priester und des Volkes, der Obersten des Volkes und der Presbyteroi des Landes kund getan: Die Judäer und die Priester beschlossen, daß Simon für immer ihr Anführer und Hoherpriester sein solle, bis ein glaubhafter Prophet auftreten werde, und daß er ihr Feldherr sein solle (und ihm die Sorge für das Heiligtum obliegen solle), damit durch ihn (Leute) bestellt würden über ihre (öffentlichen) Arbeiten und über das Land und die Waffen und die Festungen, und daß ihm die Sorge für das Heiligtum obliegen und ihm von allem gehorcht werden solle und in seinem Namen alle Urkunden im Land abgefaßt werden sollen und er Purpur und goldenen Schmuck anlegen solle. Und es ist niemandem von dem Volk und den Priestern gestattet, eine dieser Bestimmungen aufzuheben, dem von ihm Angeordneten zu widersprechen, ohne seine Zustimmung im Land eine Versammlung durchzuführen und Purpur anzulegen und sich mit einer goldenen Spange zu schmükken... Simon nahm an und beschloß, das Hohepriesteramt zu bekleiden sowie Strategos und Ethnarch der Judäer und Priester zu sein und alles zu leiten.

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

22. Die Umwandlung der Herrschaft in ein Königtum Josephus, Antiquitates Judaicae X I I I 3 0 1 : Nachdem ihr Vater (Hyrkanos) gestorben war, hielt es der älteste Sohn Aristobulos für richtig, die Herrschaft in ein Königtum zu verändern und setzte sich als erster ein Diadem auf, vierhunderteinundachtzig Jahre und drei Monate, nachdem das Volk von der babylonischen Sklaverei befreit in das Heimatland zurückgekommen war. 23. Anwerbung landfremder

Söldner

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I I 2 4 9 : Hyrkanos ließ das Grab Davids öffnen, der alle Könige an Reichtum übertroffen hatte, und nahm dreitausend Talente Silber heraus. Damit ausgerüstet begann er als erster Judäer, fremde Truppen zu unterhalten. 24.

Zwangsbeschneidung

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I I 3 1 8 : Obwohl er (Aristobulos) ein Freund der Griechen genannt wurde, hatte er doch seinem Vaterland viel Gutes erwiesen, indem er die Ituräer bekriegte, einen großen Teil ihres Landes mit Judaea vereinigte und die Einwohner zwang, falls sie in ihrer Heimat bleiben wollten, die Beschneidung anzunehmen und nach den jüdischen Gesetzen zu leben. 25. Einfluß der

Pharisäer

Josephus, Bellum Judaicum 1110f.: Wachsend nahmen an ihrer Regierung (Alexandras) die Pharisäer teil, eine Gruppe von Juden, die in dem Ruf stand, frömmer zu sein als die anderen und die Gesetze gewissenhafter zu beachten. Nach diesen richtete sich Alexandra etwas zu stark in ihrer leidenschaftlichen Sorge um das Göttliche. Sie aber, die sich nach und nach bei der weiblichen Einfalt eingeschmeichelt hatten, wurden schließlich Verwalter des gesamten Staatswesens mit der Möglichkeit, zu vertreiben und zurückzuholen, wen sie wollten, freizulassen und in Ketten zu legen. 26. Tributpflicht fremder

Völker

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I I 3 7 4 : (Alexander Jannai) hielt auch pisidische und kilikische Söldnertruppen. Denn Syrer konnte er nicht gebrauchen, da er mit ihnen im Krieg lag. Nachdem er von den Arabern die Moabiter und Galaditer unterworfen und zur Ablieferung des Tributs (gezwungen) hatte, zerstörte er Amathus, da Theodoros nicht wagte, mit ihm zu kämpfen. c) Opposition gegen das hasmonäische

Hohepriestertum

Sowohl Hyrkanos ( 1 3 4 - 1 0 5 v . C h r . ) wie Alexander Jannai ( 1 0 3 - 7 6 v . C h r . ) hatten eine Opposition, die das hasmonäische Hohepriestertum nicht nur kritisierte, sondern

Makkabäische und hasmonäische Herrschaft

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es für illegitim erklärte. Sie begründete dies mit der Verletzung einer hohenpriesterlichen Reinheitsvorschrift durch Simon. Dieser hatte eine in Kriegsgefangenschaft geratene Jüdin geheiratet, was die Reinheit des Priestergeschlechtes bedrohte (Lev. 2 1 , 1 3 f.). Diese Argumentation w a r nicht von dem Wunsch nach Übertragung der politisch-hohenpriesterlichen M a c h t auf reine Priestergeschlechter geprägt, sondern wünschte die Trennung des politischen vom priesterlichen Amt. Vielleicht sollte so die langsame Umwandlung der Personalunion in ein erbliches Königtum mit sakraler Legitimation verhindert werden, wie Aristobulos sie 1 0 4 v . C h r . offiziell vollzog (E. Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S. 1 8 - 2 1 ) .

2 7. Der Einwand gegen das hasmonäische

Hohepriestertum

Josephus, Antiquitates Judaicae XIII290—292: Einer jedoch der Gäste mit Namen Eleasär, der von Natur eine schlechte Gesinnung hatte und Streit liebte, sagte (zum Gastgeber Hyrkanos): ,Da du gebeten hast, die Wahrheit zu erfahren: wenn du gerecht sein willst, lege die Hohepriesterwürde ab und begnüge dich damit, über das Volk zu herrschen'. Und als Hyrkanos sich nach seiner Begründung erkundigte, wegen der er die Hohepriesterwürde ablegen solle, antwortete er: ,Weil wir von den Älteren gehört haben, daß deine Mutter zur Zeit der Herrschaft von Antiochos Epiphanes in Kriegsgefangenschaft geraten war'. Aber die Geschichte war falsch. Hyrkanos war über ihn sehr verärgert und alle Pharisäer sehr erregt. 28. Sakrale

Herrschaftslegitimation

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I I 2 9 9 : Drei der größten (Dinge) wurde er (Hyrkanos) von Gott für würdig befunden: der Herrschaft über das Volk, des Hohenpriesteramtes und der Prophetie. 29. Widerstand gegen das hasmonäische

Hohepriestertum

Josephus, Antiquitates Judaicae X I I I 3 7 2 - 3 7 4 : Was Alexander angeht, so erhob sich das Volk gegen ihn und bewarf ihn mit Zitronen, als er am Altare stand und opfern wollte. Es ist nämlich bei den Juden Brauch, daß am Laubhüttenfest jeder Palmen- und Zitronenzweige mitbringt, wie ich an anderer Stelle erwähnt habe. Und sie beleidigten ihn, da er Nachkomme von Kriegsgefangenen (einer Kriegsgefangenen) und des Opferamtes unwürdig sei. Hierüber erzürnt tötete er an die sechstausend von ihnen. Dann ließ er rings um den Altar und den Tempel hölzerne Schranken errichten bis an den Raum, den nur die Priester betreten durften, und verwehrte so dem Volk den Zutritt. Er hielt auch pisidische und kilikische Söldnertruppen. d) Aristokratische

Opposition gegen das hasmonäische

Königtum

Die Jahre nach dem T o d e Alexandras ( 7 6 - 6 7 v . C h r . ) waren durch einen Ausbruch innenpolitischer Gegensätze gekennzeichnet. Aristobulos II. gelang es in einem Bürgerkrieg, in den auch das nabatäische Königreich des Aretas und die R ö m e r ver-

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

wickelt waren, seinem Bruder Hyrkanos II. das Königtum zu entreißen (66—63 v.Chr.). Als Pompeius 64 v.Chr. von Damaskus aus die Provinz Syria einrichtete, wurde der Kampf der Brüder vor Pompeius ausgetragen. Dieser Vorgang ist uns aus den Darstellungen des Josephus und des hellenistischen Geschichtsschreibers Diodoros bekannt. Beide enthüllen uns einen prinzipiellen Widerstand gegen das Königtum der Hasmonäer, der von Seiten der vornehmen Judäer (so Diodor) ausging und dessen Begründung der Vorwurf war, die Hasmonäer hätten die Verfassung verändert und aus dem hohenpriesterlichen Vorsitz des Volkes eine herrschaftliche Verfügungsgewalt gemacht. Die angesehenen Judäer beriefen sich bei ihrer Anklage auf die Verträge mit Rom, die als politische Willensträger nur die freien und unabhängigen Judäer und den Hohenpriester kannten, nicht aber einen König (siehe auch E. Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S. 21 f.).

30. Aristobulos

Machtergreifung

Josephus, Bellum Judaicum 1117: (Aristobulos) bemächtigte sich (als Alexandra krank wurde und kurz darauf starb) sämtlicher Festungen, und nachdem er mit den Mitteln, die ihm aus diesen zugefallen waren, eine Söldnertruppe zusammengestellt hatte, setzte er sich selbst als König ein.

31. Die Parteigänger von Aristobulos und Hyrkanos Josephus, Antiquitates Judaicae XIV 20: Das Volk (von Jerusalem) Schloß sich Hyrkanos an und kämpfte auf seiner Seite, allein die Priester hielten zu Aristobulos.

32. Der aristokratische Widerstand gegen das hasmonäische Königtum und seine Argumente Diodorus Sicuhjs XL f r . 2 (lebte im 1. J. v.Chr.): Während Pompeius im syrischen Damaskus weilte, kamen Aristobulos, der König der Juden, und Hyrkanos, sein Bruder, zu ihm, da sie sich um das Königtum stritten. Die Hervorragensten (der Juden) aber, mehr als zwei Hundert, begaben sich auch zum General und erklärten, die Vorfahren von diesen, die dem Tempel vorgestanden hätten, hätten eine Gesandtschaft zum Senat geschickt und die Leitung der freien und autonomen Juden erlangt, so daß kein König die Staatsgeschäfte ausübe, sondern der Hohepriester dem Volke vorstehe. Diese aber würden herrschen unter Verletzung der väterlichen Gesetze und gesetzwidrig die Bürger versklaven. Mittels einer Menge Söldner, Mißhandlungen und vielen gottlosen M o r d e n hätten sie sich das Königtum verschafft. (Pompeius) verschob (die Entscheidung) über die Streitpunkte auf eine spätere Zeit, tadelte aber die um Hyrkanos heftig wegen ihrer Gesetzesübertretung gegenüber den Juden und ihrer Vergehen gegenüber den Römern, fügte hinzu, sie seien größerer und bitterer Strafe schuldig, gleichwohl würde er ihnen gegenüber Nachsicht üben auf Grund der herkömmlichen römischen Milde, wenn sie von jetzt an gehorsam wären.

Republikanische Herrschaft

33.

Das religiöse Argument

gegen das

31

Königtum

Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 4 1 : Hier (in Damaskus) hörte er (Pompeius) die Angelegenheiten der Judäer und ihrer Anführer Hyrkanos und Aristobulos, die miteinander (um die Nachfolge) stritten. Das Volk war gegen beide und forderte, nicht von einem König beherrscht zu werden. Denn es sei hergebrachte Sitte, den Priestern des bei ihnen verehrten Gottes zu dienen, während diese, die von Priestern abstammten, das Volk in eine andere Herrschaft zu führen suchten, damit es auch ein Sklave würde. 34.

Anforderungen

an ein gerechtes

Königtum

Josephus, Antiquitates Judaicae IV 2 2 3 f. (Rede des Mose): Aristokratia und das Leben unter ihr ist am allerbesten: nicht erfasse euch der Wunsch nach einer anderen Staatsverfassung, sondern seid mit dieser zufrieden, indem ihr die Gesetze als Herren habt und tut alles ihnen entsprechend. Als alleiniger Führer genüge euch Gott. Wenn ihr aber Verlangen nach einem König habt, soll er ein Stammesgenosse sein und sich stets um Gerechtigkeit und jede andere Tugend sorgen. Er soll den Gesetzen und Gott den Vorrang in der Weisheit einräumen und nichts ohne den R a t des Hohenpriesters und der Ältesten tun.

4. Republikanische a) Die Ordnung

Judäas unter Pompeius

Herrschaft und Gabinius (63—55 v. Chr.)

Unter der Herrschaft von Pompeius veränderte sich 63 v.Chr. das Rechtsverhältnis zwischen Rom und Judäa. Auf den Tempelstaat legte Pompeius einen Tribut, der von römischen Steuerpächtern direkt eingetrieben wurde. Die Gerichtsbarkeit blieb dagegen in judäischer Hoheit. Aus dem Freundschaftsvertrag war ein Vasallenverhältnis geworden, das sich in der Einsetzung des Hohenpriesters durch die Römer zeigte. Judäa nahm so eine Zwischenstellung zwischen Selbst- und unmittelbarer Provinzverwaltung ein. Die Politik des Pompeius berührte Judäa noch in anderer Weise. Die hellenistischen Städte wurden aus dem judäischen Verband herausgenommen und erhielten im Rahmen der Provinz Syria einen Teil ihrer früheren Rechte zurück. Dies entsprang der Absicht, die aristokratischen Stadtschichten gegen die orientalischen traditionsgeleiteten Königreiche zu stärken, zu denen auch das der Hasmonäer zählte. Die Aufgliederung des Staates in fünf Distrikte, wie sie von dem syrischen Statthalter Gabinius in den Jahren 57—55 v. Chr. durchgesetzt wurde, ist ebenfalls als eine - den judäischen Verhältnissen angepaßte - Verlagerung politischer Macht auf aristokratische Stadtschichten zu verstehen. Die städtische Verfassung sollte auf diese Weise vom Tempel unabhängig gemacht werden (E. Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S.21 f.). 35. Judäa als

Vasallenstaat

Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 7 2 - 7 6 (Parallele B J 1 1 5 3 f . ) : Pompeius aber und nicht wenige seiner Gefolgschaft gingen in das Innere

32

I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

(des Tempels) und sahen, was nur den Hohenpriestern allein und nicht anderen Menschen zu sehen erlaubt war. Obgleich dort der goldene Tisch waren und der heilige Leuchter und Opferschalen und große Vorräte an Räucherwerk und abgesehen hiervon in den Schatzkammern an die zweitausend Talente heiligen Geldes, faßte er aus Frömmigkeit hiervon nichts an, sondern handelte auch in dieser Hinsicht entsprechend seiner ihm eigenen Tugendhaftigkeit. Dann ernannte er Hyrkanos zum Hohenpriester, einmal weil er ihm sonst nützlich gewesen war, und besonders, weil er die Juden im (ganzen) Land davon abgehalten hatte, an der Seite Aristobulos zu kämpfen. Und die am Krieg Schuldigen ließ er durch das Schwert hinrichten. Faustus aber und den anderen, die die Mauer entschlossen bestiegen hatten, erteilte er die verdienten Belohnungen. Und Jerusalem machte er den Römern abgabepflichtig, trennte die Städte Koile Syrias aber, die die (Jerusalemer) Bewohner sich früher unterworfen hatten, ab und unterstellte sie dem eigenen Befehlshaber, und begrenzte so das ganze Volk, das sich zuvor so gewaltig erhoben hatte, auf seine eigenen Grenzen. Gadara, welches kurz vorher zerstört worden war, ließ er dem Gadarener Demetrios, seinem Freigelassenen, zu Gefallen wieder aufbauen. Und die anderen Städte Hippus, Scythopolis, Pella, Dium, Samaria, ferner Marisa, Azotus, Jamnia und Arethusa gab er den Bewohnern zurück. Nicht nur diese im Binnenland gelegenen Städte mit Ausnahme der zerstörten, sondern auch die am Meer gelegenen Städte Gaza, Joppa, Dora und Stratonsturm . . . erklärte Pompeius alle für frei und teilte sie der Provinz (Syria) zu.

36. Die

Gerichtsbarkeit

Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte X I V 8 , 1 2 (4.Jh. n.Chr.): Auch diese Gebiete (Palästinas) hat Pompeius in gleicher Weise zur Provinz gemacht, allerdings einer besonderen Rechtsprechung überlassen, nachdem er die Judäer gebändigt und Jerusalem erobert hatte.

37. Trennung der politischen Macht vom Heiligtum Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 9 0 (Parallele B J 1 1 6 9 f.): (Gabinius) brachte Hyrkanos nach Jerusalem, damit er die Aufsicht über das Heiligtum übernehme. Er setzte fünf Synhedrien ein und teilte das Volk in ebensoviele Teile. Und es herrschten die einen in Jerusalem, die anderen in Gazara, andere in Amathus, die vierten aber waren die in Jericho und das fünfte (Synhedrium) befand sich in Sepphoris in Galiläa. Und so wurden sie ihrer monarchischen Herrschaft beraubt und lebten in einer Aristokratie.

b) Politische Abgaben: das römische

Publicanensystem

Ein erstes Ermächtigungsgesetz, die lex Gabinia, hatte Pompeius im J a h r e 6 7 v. Chr. die Befehlsgewalt über das Mittelmeer und seine Küstenzonen übertragen, damit er die Seeräuber bekämpfen konnte. Das zweite Ermächtigungsgesetz, die lex Manilia aus dem J a h r e 6 6 v . C h r . , sollte ihm den Oberbefehl im Kampf gegen

Republikanische Herrschaft

33

Mithridates und Tigranes, die Kleinasien bedrohten, übertragen. Cicero begründete dieses Gesetz mit den wirtschaftlichen Interessen R o m s an Kleinasien. Sie richteten sich auf die Steuereinkünfte (vectigalia), die vom Staat verpachtet wurden und die für die römische Wirtschaft bereits unentbehrlich geworden waren. Pächter (publicani) waren die Equites, eine im 3. und 2 . J h . v . C h r . entstandene begüterte Schicht, die in der Armee Funktionen besaß. Die Publicani, die sich zu Gesellschaften zusammenschlossen, trieben die Steuern mit Hilfe von Bediensteten ein, wie Cicero anschaulich schildert. Z w a r handelt Cicero nur von Kleinasien, doch verweist seine Ausführung auf einen Hintergrund militärischer und politischer Vorgänge, der auch für das Wirken des Pompeius in J u d ä a bzw. Syrien in Betracht zu ziehen ist. Die Politik des Gabinius ( 5 7 - 5 5 v . C h r . ) gegenüber Syrien und J u d ä a , die Cicero beklagt, setzt voraus, daß Publicanengesellschaften die Steuern einzogen. Der Widerstand des Gabinius hiergegen sowie schließlich Caesars Beseitigung des Publicanensystems in J u d ä a 4 4 v . C h r . (AJ X I V 2 0 0 f . ) waren Teil einer langsam voranschreitenden Entmachtung der Publicanen und des Übergangs tributärer Hoheit auf lokale Söldnerführer wie Antipater in Judäa.

38. Staatspacht unter der römischen

Republik

Cicero, Über den Oberbefehl des Cn. Pompeius 4. 14—19 (lebte im 1. Jh. v.Chr.): Und damit meine Rede dort ihren Ausgang nimmt, wodurch die ganze Angelegenheit verursacht ist: zwei mächtige Könige, Mithridates und Tigranes, überziehen eure Tributpflichtigen und Bundesgenossen mit einem furchtbaren, gefährlichen Krieg. Der eine wurde nicht gänzlich unterworfen, der andere nur herausgefordert; sie glauben, jetzt sei die Gelegenheit gekommen, Asien in Besitz zu nehmen. Römische Ritter, hochangesehene Männer, deren große, durch die Verwaltung eurer Steuern (vectigalia) beanspruchte Kapitalien bedroht sind, erhalten täglich Briefe aus Asien. Sie haben mich wegen meiner engen Beziehungen zu ihrem Stande über die allgemeine Lage und die Gefährdung ihrer Obliegenheiten unterrichtet. Unsere Vorfahren haben, ohne selbst durch ein Unrecht herausgefordert zu sein, um ihrer Bundesgenossen willen gegen Antiochos, gegen Philipp, gegen die Ätoler, gegen die Karthager Krieg geführt; ihr aber, die man durch Rechtsbrüche in die Schranken gefordert hat, solltet nicht noch viel entschiedener für das Heil der Bundesgenossen und zugleich für die Ehre eures Reiches eintreten? Zumal ja auch eure größten Steuereinkünfte (vectigalia) auf dem Spiele stehen. Denn die Steuereinnahmen aus den übrigen Provinzen sind so gering, Quiriten, daß sie uns kaum für den Schutz der Provinzen selbst genügen können. Asien dagegen ist so reich und fruchtbar, daß es durch die Ergiebigkeit seiner Landwirtschaft, die Vielfalt seiner Erträgnisse, die Größe seiner Weideplätze und die Menge der für die Ausfuhr bestimmten Waren mühelos alle anderen Länder übertrifft. Ihr müßt daher diese Provinz, wenn ihr das für den Krieg Förderliche und für den Frieden Geziemende behalten wollt, Quiriten, nicht nur vor Unheil, sondern sogar vor der Besorgnis eines Unheils bewahren. Denn sonst hat man den Schaden erst, wenn das Unheil eintritt; doch bei den Steuereinkünften bringt nicht erst 3

Kippenberg, Textbuch

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

der Eintritt eines Übels, sondern schon die bloße Besorgnis Verluste mit sich. Denn wenn die feindlichen Truppen nicht weit sind, so braucht noch kein Einfall stattgefunden zu haben; man verläßt gleichwohl die Herden, gibt die Feldarbeit auf und stellt die Handelsschiffahrt ein. So lassen sich weder aus dem Hafenzoll noch aus dem Zehnten noch aus dem Weidegeld Einnahmen erzielen; daher gehen oft die Einkünfte eines ganzen Jahres verloren, wenn nur einmal das Gerücht einer Gefahr aufkommt oder ein Krieg auszubrechen scheint. Wie stellt ihr euch demnach die Stimmung derer vor, die uns die Steuern zahlen, oder derer, die sie verwalten und eintreiben, wenn sich zwei Könige mit riesigen Heeren in unmittelbarer Nähe befinden, wenn ein Streifzug der Reiterei in kürzester Zeit das Steueraufkommen eines ganzen Jahres wegraffen kann, wenn die Steuerpächter (publicani) glauben, daß ihre zahlreichen Bediensteten, die sie bei den Salzfeldern, auf den Ländereien, in den Häfen und an den Aufsichtsplätzen beschäftigen, sich in großer Gefahr befinden? Glaubt ihr, aus alledem noch Nutzen ziehen zu können, es sei denn, ihr bewahrt diejenigen, die euch von Nutzen sind, nicht allein vor dem Unheil, sondern, wie ich schon sagte, auch vor dem Schreckbild eines Unheils? Und auch den Punkt solltet ihr nicht gering achten, den ich mir an letzter Stelle vorgenommen hatte, als ich über die Beschaffenheit des Krieges zu sprechen begann: er betrifft das Vermögen (bona) zahlreicher römischer Bürger. Ihr solltet darauf, wenn ihr vernünftig seid, Quiriten, sorgsam Bedacht sein. Denn erstens haben die Steuerpächter, sehr angesehene und vermögende Leute, ihre Gelder und Mittel (rationes et copias) in dieser Provinz angelegt. Deren Interessen und Verhältnisse müssen um ihrer selbst willen eure Teilnahme erregen. Denn wenn uns die Steuereinnahmen stets als der Nerv des Staates gegolten haben, so dürfen wir mit Recht behaupten, daß der Stand, der sie verwaltet, die Stütze der übrigen Stände sei. Da sind zweitens Angehörige der übrigen Stände, tüchtige und regsame Leute; sie treiben zum Teil selbst in Asien Handel, und ihr müßt euch in ihrer Abwesenheit um sie kümmern; teils haben sie beträchtliche Geldsummen (pecuniae) in dieser Provinz angelegt. Ihr seid es demnach eurer Menschlichkeit schuldig, eine große Zahl von Bürgern vor dem Unglück zu bewahren, und eurer Klugheit, einzusehen, daß die allgemeine Wohlfahrt nicht unabhängig von dem Unglück vieler Bürger bestehen kann. Denn einmal will es wenig heißen, daß ihr den Pächtern die verlorenen Steuern hernach durch euren Sieg wieder verschaffen könnt; denn den bisherigen Bewerbern werden wegen der Verluste die Mittel zur Pacht und anderen aus Furcht die Bereitschaft hierzu fehlen. Zum anderen, was uns dasselbe Asien und eben dieser Mithridates zu Beginn des asiatischen Krieges gezeigt haben, das müssen wir, durch Schaden klug geworden, jetzt unbedingt im Auge behalten. Denn wir wissen ja, daß damals, als in Asien sehr vielen Leuten große Vermögenswerte verlorengingen, in Rom die Zählungen stockten und der Kredit zusammenbrach. Wenn nämlich in einem Staate viele Leute Geld und Vermögen einbüßen, so kann es nicht ausbleiben, daß sie noch andere mit sich in dasselbe Verderben ziehen: bewahrt unser Staatswesen

35

Republikanische Herrschaft

vor dieser Gefahr! Denn glaubt, was ihr ja selbst seht: das Kredit- und Geldwesen, das in Rom, das hier auf dem Forum seine Stätte hat, ist mit den asiatischen Geldsummen verflochten und davon abhängig; jene können nicht zusammenbrechen, ohne daß der hiesige Geldmarkt, von derselben Bewegung erschüttert, in Verfall gerät. Seht daher zu, ob ihr zögern dürft, mit allem Nachdruck den Krieg zu betreiben, bei dem es die Ehre eures Namens, das Heil der Bundesgenossen, die größten Steuereinkünfte, das Vermögen zahlreicher Bürger und hiermit zugleich die allgemeine Wohlfahrt zu verteidigen gilt.

39. Wichtigkeit der

Steuereinnahmen

Cicero, Zweite Rede gegen Verres II, 7: Unsere Steuereinnahmen (vectigalia) und Provinzen sind gleichsam die Landgüter (paedia) des römischen Volkes.

40. Die Entmachtung der

Steuerpächter

Cicero, Uber die konsularischen Provinzen 10f.: Und die beklagenswerten Steuerpächter (publicani) . . . lieferte er (Gabinius) in die Sklaverei an Juden und Syrern, Nationen, die für die Sklaverei geboren wurden. Er legte von Anfang an fest und hielt daran fest, einem Steuerpächter nicht Recht zu geben; er hob Verträge auf, die ohne irgendein Unrecht abgeschlossen worden waren; er beseitigte die Aufsichtsplätze; er befreite viele Steuerpflichtige von dem vectigal; in welcher Stadt er war oder in welche er kam, dort verbot er, daß sich ein Steuerpächter oder dessen Sklave in ihr aufhielt . . . Deshalb, ihr Männer vom Senat, seht ihr, daß die Steuerpächter nicht durch Unüberlegtheit bei der Pachtung oder Unwissenheit in der Geschäftsführung, sondern durch Geiz, Stolz und Grausamkeit des Gabinius schon nahezu niedergedrückt und vernichtet worden sind.

c) Die Wirkung der römischen Fremdherrschaft

auf andere Ethnien

Die an der Geschichte des jüdischen Volkes ablesbare Tendenz der Veränderung einheimischer Institutionen durch die römische Fremdherrschaft hat Parallelen in der Geschichte anderer orientalischer Ethnien. Strabos Bericht über die Galater ist ein Beispiel hierfür.

41. Das Beispiel der Galater Strabo, Geographie 1 2 , 5 (1.Jh. v. und n.Chr.): Die drei Ethnien (der Galater) sprachen dieselbe Sprache und unterschieden sich in nichts voneinander. Jedes war in vier Teile geteilt, die sie Tetrarchie nannten, wobei jede ihren eigenen Tetrarchen hatte sowie einen Richter und einen Heerführer, die beide dem Tetrarchen unterstanden, und zwei untergeordnete Heerführer. Der Rat (bule) der zwölf Tetrarchen bestand aus dreihundert Männern, die sich in dem (Ort) mit Namen Drynemeton versammelten. Der Rat sprach bei Mordfällen Recht, in den übrigen Fällen (taten das)

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

die Tetrarchen und die Richter. So beschaffen war die Ordnung vor nun langer Zeit. Zu unserer Zeit aber ging die Herrschaft erst auf drei, dann auf zwei Führer über, und schließlich auf einen, auf Deiotaros, auf den Amyntas folgte. Jetzt aber haben die Römer sie und haben das ganze Amyntas untergebene (Land) zu einer Provinz vereinigt.

d) Die Dekrete Caesars (47-44 v. Chr.) Die Dekrete Caesars, die der jüdische Historiker Josephus im 1 . J h . n.Chr. absichtsvoll in seine Jüdischen Altertümer aufnahm, sind keine Erfindungen der vom antiken Antisemitismus bedrohten Juden, sondern sind authentische Dokumente. Sie entstanden im Zusammenhang einer Erneuerung des alten Freundschaftsvertrages, wären aber sicher nicht abgefaßt worden ohne die entscheidende Hilfe, die Antipater dem Caesar im alexandrinischen Krieg (47 v.Chr.) gewährt hatte. Antipater wurde daraufhin zum Procurator ernannt (E.Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S.22f.). Im Unterschied zu den Verträgen des 2 . J h . v.Chr. regeln die Bestimmungen innere Verhältnisse des judäischen Staates. Der Vasallenstatus des Hohenpriesters wurde rechtlich aufgehoben, blieb jedoch politisch erhalten, insofern es die römische Herrschaft war, die spezifisch jüdische Gesetze sanktionierte: die Nachfolge der Hohenpriester, die Rechtsprechung der Hohenpriester, die Freiheit vom Tribut im Sabbatjahr und die Entrichtung des Zehnten an den Hohenpriester (und nicht an die Priester allgemein bzw. — wie es eigentlich vorgeschrieben war - an die Leviten). Die Rechtsstellung der Juden als Ethnos galt auch über die territorialen Grenzen Judäas hinaus im ganzen Reich.

42. Antipater, Vater des Herodes, als Befehlshaber

Judäas

Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 143 (Parallele B J 1 1 9 9 f . ) : Nachdem Antipater diese Worte gesprochen hatte ernannte Caesar Hyrkanos zum Hohenpriester, verlieh aber Antipater die politische Macht, die er selbst wünschte. Und als dieser ihm die Entscheidung überließ, ernannte er ihn zum Epitropos (Procurator) von Judaea.

43. Die Bestätigung der hohenpriesterlichen

Privilegien

Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 192—195: Ich, Julius Caesar, Imperator und Pontifex maximus, zum zweitenmal, verordne nach Anhörung des Rates wie folgt. Weil der Jude Hyrkanos, Sohn des Alexander, sowohl jetzt als auch früher im Frieden wie im Krieg Treue und Eifer unsren Angelegenheiten gegenüber bewiesen hat . . . ist es mein Wille, daß Hyrkanos, Sohn des Alexander, und seine Kinder Ethnarchen der Juden sind, daß sie das Hohepriesteramt der Juden für immer innehaben gemäß den väterlichen Gebräuchen und daß er selbst und seine Söhne zu unseren Bundesgenossen und besonderen Freunden gerechnet werden. Und alles, was nach ihren eigenen Gesetzen hohepriesterliche Rechte oder Privilegien sind, dieses sollen er und seine Kinder nach meinem Befehl behalten. Wenn aber zwischen ihnen ein Streit über jüdische Lebensführung ausbricht, so soll nach meinem Willen die Entscheidung bei ihnen (Variante: bei ihm) liegen.

Republikanische Herrschaft

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44. Die Regelung der Abgaben Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 2 0 2 - 2 1 0 : Gaius Caesar, zum zweitenmal Imperator, hat angeordnet, daß sie (die Juden) jährlich für die Stadt der Jerusalemiter Steuern zahlen, Joppa ausgenommen, außer im siebten Jahr, das sie Sabbatjahr nennen, weil in ihm sie weder Früchte von den Bäumen ernten noch säen. In Sidon müssen sie im zweiten J a h r den vierten Teil der Feldfrüchte als Abgabe abliefern, und außerdem sind dem Hyrkanos und dessen Söhne die Zehnten ebenso zu entrichten, wie sie deren Vorfahren entrichtet worden sind. Kein Archon, Proarchon, Strategos oder Presbeutes darf im Gebiet der Juden Hilfstruppen ausheben, noch dürfen Soldaten von ihnen Gelder eintreiben weder zur Uberwinterung noch unter einem anderen Vorwand. Sie sollen vielmehr frei sein von allen Bedrückungen. Alles, was sie in Zukunft besitzen, kaufen, innehaben und zugeteilt bekommen, dies alles sollen sie behalten. Die Stadt Joppe, die die Juden schon früher, als sie mit den Römern einen Freundschaftsvertrag schlossen, besessen haben, soll ihnen wie früher gehören. Und für diese Stadt sollen Hyrkanos, Sohn Alexanders, und seine Söhne Steuern (zahlen) von den Bewohnern des Landes für Land, Hafen und Ausfuhr: jährlich in Sidon zwanzigtausendsechshundertfünfundsiebzig Modi außer im siebten Jahr, das sie das Sabbatjahr nennen, in dem sie weder bestellen noch Früchte von den Bäumen ernten. Die Dörfer in der großen Ebene, welche dem Hyrkanos und dessen Vorfahren gehörten, sollen Hyrkanos und die Juden laut Senatsbeschluß unter denselben Rechten wie auch früher besitzen. Ferner sollen die alten Rechte, welche untereinander die Juden und die Hohenpriester sowie Priester hatten, und die Privilegien, die sie auf Beschluß von Volk und Senat erhalten hatten, bestehen bleiben. Dieselben Rechte sollen sie auch in Lydda genießen. Die Orte, Länder und Ansiedlungen, die früher den mit den Römern in Bundesgenossenschaft stehenden Königen von Syrien und Phönikien gehört hatten und deren Nutznießung sie durch Schenkung erhalten hatten, sollen nach Senatsbeschluß Eigentum des Ethnarchen Hyrkanos und der Juden sein. Dem Hyrkanos, seinen Söhnen und den von ihm geschickten Gesandten steht das Recht zu, beim Kampf der Gladiatoren und der Tiere ihren Zuschauerplatz unter den Senatoren zu nehmen. Und wenn sie sich vom Diktator oder vom Reiteroberst die Erlaubnis erbitten, den Senat zu betreten, soll man sie hineinführen und ihnen innerhalb von zehn Tagen nach Beschlußfassung die Antworten mitteilen.

45. Die Rechte der Juden außerhalb ]udäas Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 241—243: Die Archonten von Laodikea grüßen Gaius Rabirius, Sohn des Gaius, den Prokonsul. Der Gesandte des Hohenpriesters Hyrkanos Sopatros hat uns den Brief von dir überbracht, in dem du uns informiert hast, daß einige (Männer) von Hyrkanos, dem Hohenpriester der Juden, kommen und Dokument über ihr Volk überbringen, damit es ihnen erlaubt ist, den Sabbat zu halten und

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

die übrigen heiligen Handlungen auszuführen gemäß den väterlichen Gesetzen, und damit keiner ihnen Befehle erteilt, weil sie unsere Freunde und Bundesgenossen sind, und damit keiner ihnen in unserer Provinz (sc. Phrygien) ein Unrecht tut. Als die Trallianer in deiner Gegenwart Einspruch erhoben, sie seien nicht mit dem über sie (die Juden) Beschlossenem einverstanden, hast du befohlen, daß es so geschieht. Du bist aber auch gebeten worden, daß du auch an uns dies über sie schreibst. Wir haben daher deinem Befehl gemäß den überbrachten Brief in Empfang genommen und denselben in unserem Archiv deponiert.

5. Herodianische

Herrschaft

a) Das Rechtsverhältnis zwischen Rom und Herodes In die Jahre 4 1 und 4 0 v.Chr. fallen die von Antonius angeregten Beschlüsse (E.Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S.23f.). Zeigte sich bereits in der Übertragung politischer Macht an Antipater durch Caesar die Ablösung einer Rom unterstellten Verwaltung von dem Hohenpriestertum, so werden von der Zeit des Antonius an lokale Machthaber im judäischen Raum, als welche sich der Idumäer Antipater und seine Söhne hervorgetan hatten, von Rom in einen Klienten-Status versetzt. Die Ernennungen zum Tetrarch dann zum König zeigen eine Steigerung. Der KlientenKönig war in der Verwaltung des Reiches unabhängig, konnte Geldmünzen prägen lassen, eigenes Recht setzen und in begrenztem Umfang eigene Kriege führen. Mit dem Tode des Amtsinhabers erlosch das Königtum. Rex socius et amicus populi Romani war die Titulatur des Herodes, die dieses staatsrechtliche Verhältnis beschrieb.

46. Ernennung von Herodes und Phasael zu Tetrarchen Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 3 2 5 f . (Parallele B J 1 2 4 3 f . ) : Nachdem Antonius in Daphne beide (Parteien) (die Gruppe um Herodes und die angesehenen Judäer) angehört hatte, fragte er Hyrkanos, welche von beiden die besseren Führer des Volkes wären. Als dieser aber sagte: ,Herodes und seine Leute', ernannte Antonius, der ihnen gegenüber schon seit langem freundschaftlich gesonnen war wegen der Gastfreundschaft, die ihm ihr Vater gewährt hatte, als er bei Gabinius war, diese beiden zu Tetrarchen und übertrug ihnen die Verwaltung der Juden.

47. Ernennung von Herodes zum König Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 3 8 2 . 3 8 5 (Parallele B J 1 2 8 2 - 2 8 5 ) : Teils in Erinnerung an die Gastfreundschaft des Antipater, teils wegen der Gelder, die Herodes ihm geben wollte, wenn er König würde, wie er es schon früher einmal versprochen hatte, als er zum Tetrarchen ernannt worden war, vor allem aber wegen des Hasses auf Antigonos - denn er betrachtete ihn als Aufrührer und Feind der Römer — war er (Antonius) bereit, dem Herodes die Hilfe zu gewähren, die er wünschte. Als der Senat hierüber (über die Koalition des Antigonos mit den Parthern) erregt war, erhob sich sogleich

Herodianische Herrschaft

39

Antonius und wies nach, daß es für den parthischen Krieg nur von Vorteil sein könne, wenn Herodes König werde. Dieser Antrag fand allgemeine Zustimmung und wurde zum Beschluß erhoben. b) Die interne

Herrschaftsstruktur

Herodes (37—4 v. Chr. Herrscher über Judäa) war nicht jüdischer, sondern idumäischer Herkunft. Er regierte einen ethnisch heterogenen Verband, in dem Juden, Samaritaner und Griechen lebten (E.Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S.25f.). Er sicherte seine Herrschaft durch landfremde Söldner. Dabei berief er sich auf einen seleukidischen Rechtstitel, den auch die Römer in Anspruch nahmen: Grund und Boden galt als Land des Königs. Alles nicht bereits Städten zugeteiltes Land war diesem Anspruch zufolge Land des Königs, das dieser an Privatleute verkaufen oder an Beamte verschenken konnte. Herodes erneuerte diesen Anspruch. Im Bereich des seit Ende des 4 . J h . v.Chr. hellenistisch besiedelten Samarias waren für Herodes günstige Voraussetzungen einer hellenistischen Stadtgründung gegeben. Er besiedelte die Stadt mit Söldnern und nichtmilitärischer Bevölkerung der Umgebung und teilte den Bürgern das umliegende Land als Grundbesitz zu. An diesem Vorgang, der in der Gründung der Stadt Phasealis und später in der von Tiberias am See Genezareth (um 2 6 n.Chr.) Parallelen hat, wird die Entstehung neuer ökonomischer Abhängigkeiten deutlich: die Königsbauern werden Pächter von Bürgern, ihr Grund und Boden unterliegt nicht mehr königlicher Tributpflicht, sondern wird Grundlage eines privaten Betriebes. Für die judäischen Bauern, die herkömmlicherweise Tribut an Tempel und König zahlten, ohne daß staatliche Eigentumsrechte an Land und Menschen bestanden, war ein solcher Vorgang eine einschneidende Veränderung.

48. Herodes Überlaufen zu Octavianus Josephus, Bellum Judaicum 1386—393: Alsbald erfaßte ihn aber die Sorge um die gesamte Staatsgewalt wegen des Freundschaftsbündnisses mit Antonius; war doch der Caesar bei Actium siegreich gewesen. Er fürchtete allerdings mehr, als er zu erleiden hatte. Denn der Caesar urteilte ganz richtig, daß er Antonius noch nicht in seiner Gewalt habe, solange Herodes mit ihm verbunden bleibe. Der König indes entschied sich, der Gefahr entgegenzutreten und schiffte sich nach Rhodos ein, wo der Caesar sich aufhielt. Er trat ohne Diadem vor ihn, nach Kleidung und Haltung ein schlichter Bürger, an Gesinnung aber ein König. Ohne also etwas von der Wahrheit vorzuenthalten, sagte er gerade heraus: „Ich, Caesar, der ich durch Antonius König wurde, gestehe offen, daß ich in allen Stücken dem Antonius zu Nutze gewirkt habe. Und auch dies möchte ich nicht unterlassen zu sagen, daß du mich auf jeden Fall im Waffengang als dankbar gegen Antonius erprobt hättest, wenn die Araber das nicht verhindert hätten. Bundesgenossen habe ich ihm ja doch soviel wie möglich verschafft, an Getreide habe ich ihm unendliche Mengen geliefert, ja, nicht einmal nach der Niederlage von Actium habe ich meinen Gönner im Stich gelassen. Ich wurde ihm vielmehr bester Berater, als ich nicht mehr verwendbarer Waffenbruder war, nämlich sofern ich ihm als einzig mögliche Verbesserung der durch die Fehlschläge entstandenen Lage den Tod der Kleopatra nannte. Für den Fall, daß er sie töten lassen

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

würde, versprach ich ihm Geldmittel, schützende Mauern, ein Heer und mich selbst als Teilnehmer am Krieg gegen dich. Aber seine sehnsüchtige Liebe zu Kleopatra und der Gott, der dir die Herrschaft verlieh, verstopften seine' Ohren. Ich aber bin mit Antonius besiegt und habe, mit seinem Geschick verbunden, das Diadem abgelegt. Zu dir aber bin ich gekommen, meine Zuverlässigkeit ist meine Hoffnung auf Rettung, und ich nehme an, es werde geprüft werden, was für ein Freund ich gewesen bin und nicht wessen." Darauf entgegnete der Caesar: „Gut, du bist gerettet! Bleibe König, jetzt in gesicherterer Lage als bisher! Denn du bist es wert, über viele zu herrschen, der du in so hohem Maße die Freundschaft bewährt hast. Suche du nun aber auch den Begünstigteren treu zu bleiben, wie denn ich die glänzendsten Hoffnungen hinsichtlich deiner Gesinnung hege. Freilich, Antonius hat es gut gemacht, daß er der Kleopatra mehr gehorchte, mehr als dir, haben wir dich doch dank seines Unverstandes gewonnen. Du machst aber, wie es scheint, den rechten Anfang dadurch, daß du, wie mir auch Ventidius berichtet, ihm ein Hilfsheer gegen die Gladiatoren gesandt hast. So proklamiere ich jetzt durch Verordnung den dauernden Bestand deiner Königsherrschaft. Ich werde aber auch versuchen, dir ferner Gutes zu erweisen, damit du nicht etwa den Antonius vermißt." Als er mit diesen Worten dem König sein Wohlwollen erwiesen und ihm das Diadem wieder angelegt hatte, bekundete er die Schenkung in einer Verordnung, in der er vieles großmütig zum Lobe des Mannes verlautbarte. 49. Die Erneuerung

des Tempels in Jerusalem durch

Herodes

Josephus, Bellum Judaicum 1401—407: Im 15. Jahr ( 2 0 - 1 9 ) seiner Regierung ließ er daher das Tempelgebäude wieder instandsetzen und ummauerte ein Gebiet, das doppelt so groß war wie das bis dahin bestehende, wobei er einen unermeßlichen Aufwand und eine beispiellose Pracht entfaltete. Zeugnis dafür waren die mächtigen Säulenhallen rings um das Heiligtum und die nördlich angrenzende Burg. Erstere ließ er von den Grundlagen auf neu bauen, die Burg aber ließ er mit großen Kosten so wiederherstellen, daß sie den Königsschlössern in nichts nachstand; er nannte sie dem Antonius zu Ehren Antonia. Sein eigenes Königsschloß legte er in der oberen Stadt an und nannte die beiden größten und schönsten Gebäude, mit denen nicht einmal der eigentliche Tempel verglichen werden konnte, nach seinen hohen Freunden Caesareum und Agrippeum. Aber nicht durch Gebäude allein hat er Gedächtnis und Namen jener Männer in steinernen Lettern Dauer verliehen, sein Streben nach Ehre bezog auch ganze Städte in dies Interesse ein. So befestigte er in Samarien eine Stadt mit einer sehr schönen, zwanzig Stadien langen Ringmauer und brachte 6 0 0 0 Ansiedler dorthin; er teilte ihnen fruchtbarstes Land zu, errichtete inmitten der Neugründung einen mächtigen Tempel und weihte den umgebenden Tempelbezirk von drei Halbstadien dem Caesar. Die Stadt nannte er Sebaste. Ihren Einwohnern aber gewährte er eiq ausgezeichnetes Bürgerrecht.

Herodianische Herrschaft

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Außerdem errichtete er, als der Caesar ihn mit weiterem Gebietszuwachs beschenkte, ihm dort einen Tempel aus weißem Marmor, und zwar bei den Jordanquellen; der Ort heißt Paneion. Dort erhebt sich ein Berggipfel zu unendlicher Höhe; neben der Schlucht am Fuße des Berges aber öffnet sich eine dunkle Grotte, in (an?) der ein Steilhang zu einer unermeßlichen Tiefe voll stehenden Wassers abbricht, und wenn man ein Lot hinabsenkt, um auf den Grund zu kommen, so reicht doch keine Länge aus. An den Ausläufern der Höhle treten die Quellen hervor, und dort ist, wie einige meinen, der Ursprung desJordans. Eine genaue Beschreibung aber werden wir im Folgenden geben. Der König baute auch in Jericho zwischen der Kyprosburg und dem früheren Königspalast einen anderen, besseren und für Besuche wirtschaftlicher eingerichteten und nannte ihn nach dem Namen seiner Freunde (Caesar und Agrippa). Kurz gesagt: er ließ keinen irgendwie geeigneten Platz seines Reiches ohne ein Zeichen der Ehre Caesars. Nachdem er in seinem Stammland überall Tempel errichtet hatte, überschüttete er auch die ihm unterstellten Gebieten mit Beweisen der Ehrung für Caesar Augustus und errichtete in vielen Städten Caesareen. 50. Gründung von Sebaste Josephus, Antiquitates Judaicae X V 2 9 1 - 2 9 3 . 2 9 6 : Die Standhaftigkeit des Volkes (von Jerusalem) und seine unerschrockene Treue zu den Gesetzen machte Herodes bedrückt, wenn er nicht für größere Sicherheit sorgen würde. So beschloß er, das Volk von allen Seiten zu umfassen, damit nicht aus den Unruhen offener Aufstand würde. Als dann die Stadt befestigt worden war durch den Palast, in dem er wohnte, und der Tempel durch die Festung Antonia, die von ihm gebaut worden war, nahm er sich vor, eine dritte Festung gegen das ganze Volk in Samaria (zu bauen), das er Sebaste nannte. Er glaubte, der Ort würde gegen das Land nicht geringe Sicherheit bieten, da er von Jerusalem eine Tagesreise entfernt war und in gleicher Weise nützlich war, die Vorgänge in der Stadt und auf dem Land zu kontrollieren . . . Als er nach Samaria zog, um diese Stadt zu befestigen, siedelte er dort absichtlich viele von denen an, die als Verbündete mit ihm in Kriegen gekämpft hatten, sowie viele der Grenznachbarn. Dies tat er in dem Ehrgeiz, eine neue (Stadt) zu errichten durch seine eigene Tat, denn zuvor war sie nicht unter den bekannten (Städten) gewesen. Er tat es aber auch, weil sein Ehrgeiz zu seiner Sicherheit beitrug. Er änderte ihren Namen, nannte sie Sebaste und teilte den Siedlern das nahegelegene Land zu, das das beste des Landes war, damit sie, sobald sie zusammengekommen waren, in Wohlstand leben könnten. 51. Gründung von Phasaelis Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 145: Desgleichen erbaute (Herodes) eine nach seinem Bruder Phasaelis genannte Stadt im nördlichen Teil des Tales von Jericho. Diese Stadt gab Veranlassung

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

dazu, daß das ganze benachbarte Gebiet, welches bis dahin so gut wie Wüste war, reger gewerblicher Tätigkeit erschlossen wurde.

52. Gründung von Tiberias Josephus, Antiquitates Judaicae XVIII36—38: Da der Tetrarch Herodes ( 4 ν - 3 9 n.Chr.) unter den Freunden des Tiberius einen hohen Rang erlangt hatte, erbaute er eine Stadt mit Namen Tiberias, die er in der besten Gegend Galiläas gründete am See Genezareth. Nicht weit davon befindet sich eine warme Quelle in einem Dorf namens Ammathus. Die Siedler waren Gesindel, nicht wenige Galiläer sowie Zwangssiedler aus dem ihm unterstehenden Land, die mit Gewalt zur Ansiedlung gebracht wurden, einige aber auch von den Spitzen (der judäischen Gesellschaft). Er nahm als Bewohner selbst mittellose Männer, die von allen Orten gesammelt wurden. Es war sogar fraglich, ob diese eindeutig Freie gewesen waren. Diese ließ er häufig in Mengen frei und erwies ihnen Wohltaten unter der Bedingung, die Stadt nicht zu verlassen, durch Ausstattung mit Wohnungen auf seine Kosten und durch Zugabe von Land. Denn er wußte, daß die Ansiedlung widergesetzlich war und gegen die Tradition der Judäer verstieß, weil Tiberias auf Gräbern, von denen es dort viele gab, die (aber) entfernt worden waren, gegründet worden war. Und unser Gesetz erklärt, daß solche Siedler sieben Tage unrein sind.

c) Die Legitimation der Herodes

Herrschaft

Das Königtum Herodes bediente sich hellenistischer Herrschaftsform wie ihrer Legitimation. Die Erzählung des Josephus über eine Hungersnot demonstriert, daß Herodes sein palästinensisches, Juden und Hellenen umfassendes Reich leitete wie ein Despotes sein Haus (Oikos), und daß der Erfolg dieser Leitung als Beweis guter Herrschaft galt. Beurteilten die Gegner des Herodes dessen Herrschaft an der Übereinstimmung mit den väterlichen Gesetzen (AJ X V 2 7 7 - 8 8 ; XVII 149f.), so begründete er selbst sie auf die Leitung des Staates. Dieser Vorstellung entsprach der Eid, mit dem Herodes eine der Tradition übergeordnete Loyalität gegenüber seiner Person begründete, dem sich die Pharisäer daher auch widersetzten. Der Widerstand der Reichen gegen die herodianische Königsherrschaft ergab sich nach der Darstellung des Josephus aus der Willkür, mit der die Besitzenden bedrückt wurden. Für diese schien eine Eingliederung in das römische Reich ein Vorteil, da sie ihnen Befreiung von einer konfiskatorischen Despotie bringen sollte.

53. Herrschaft als Fürsorge Josephus, Antiquitates Judaicae X V 305—312: In dieser Lage (Nahrungsmittelknappheit) überlegte (Herodes), wie er der Krise begegnen könne. Doch war dies schwierig, weil die benachbarten Völker Getreide nicht verkaufen konnten, da sie selbst nicht geringer litten, und weil er kein Geld hatte, selbst wenn es möglich gewesen wäre, kleine Mengen zu hohen Preisen zu kaufen. Da er es für das beste hielt, nichts unversucht zu

Herodianische Herrschaft

43

lassen, das helfen könne, ließ er alles, was sich an Gold- und Silbergerät im Königspalast anfand, zusammenschmelzen und verschonte selbst die kostbarsten und kunstvollsten Erzeugnisse nicht. Dieses Geld schickte er nach Ägypten, wo Petronius die Statthalterschaft vom Caesar erhalten hatte. Petronius, zu dem nicht wenige aus den selben Nöten geflohen yvaren, war ein Freund von Herodes und wünschte dessen Untertanen zu retten. Er gestattete deshalb ihnen zuerst, Getreide auszuführen, und war ihnen beim Ankauf und der Verschiffung in jeder Hinsicht behilflich, so daß der größere Teil wenn nicht das ganze dieser Hilfe von ihm kam. Als nun die Abgesandten mit dem Getreide ankamen, schrieb Herodes dies seiner Fürsorge zu und brachte dadurch nicht nur denen, die ihm früher feindlich gegenübergestanden hatten, eine bessere Meinung bei, sondern demonstrierte auch seinen guten Willen und seine Fürsorge. Dann zuerst teilte er mit möglichster Genauigkeit Getreide an diejenigen aus, die sich selbst Lebensmittel daraus machen konnten. Alsdann wies er den vielen, die wegen hohen Alters oder sonstiger Schwäche sich das Getreide nicht zubereiten konnten, Bäcker an und versorgte sie (so)mit fertigen Lebensmitteln. Weiterhin sorgte er dafür, daß die, deren Vieh zugrundegegangen war oder die dasselbe zur Nahrung verwendet hatten und deshalb weder Wolle noch sonstige Kleidungsstücke besaßen, im Winter nicht in Gefahr gerieten. Nachdem er das alles besorgt hatte, machte er sich daran, den benachbarten Städten zu helfen, indem er an die Bewohner Syriens Saatgut gab. Und dies half nicht wenig, da seine Großzügigkeit zu einer guten Ernte geriet, so daß für alle ausreichend Lebensmittel da waren. Als die Zeit nahe kam, das Land zu ernten, sandte er nicht weniger als 5 0 0 0 0 Menschen, die er ernährt und für die er gesorgt hatte, aufs Land, und half auf diese Weise nicht nur seinem eigenen bedrängten Königreich mit Ehrliebe und Eifer, sondern gewährte auch den Nachbarn, die in derselben N o t waren, seine Unterstützung.

54. Verpflichtung der Untertanen auf Loyalität Josephus, Antiquitates Judaicae XV 3 6 8 - 3 7 0 : Wer seinen Anordnungen Widerstand leistete, wurde auf alle erdenkliche Weise verfolgt, die übrige Masse aber verpflichtete Herodes unter Eid, ihm stets die Treue zu bewahren, und er zwang sie ihm gegenüber zum Eid, der Herrschaft ganz gewiß Wohlgesonnenheit zu bewahren. Die meisten leisteten aus Schmeichelei und Angst Folge. Wer jedoch in zähem Widerstand verharrte und sich nicht zwingen ließ, wurde schonungslos beiseitegeschafft. Als er aber auch den Pharisäer Pollio und Sameas sowie mehrere deren Anhänger zum Eidschwur zwingen wollte, weigerten sie sich entschieden; gleichwohl schritt er mit Rücksicht auf Pollio nicht gegen sie ein wie gegen die anderen, die den Eid nicht leisten wollten. Auch waren von dieser Verpflichtung die sogenannten Essener befreit, die eine ähnliche Klasse von Menschen bilden, wie bei den Griechen die Pythagoräer.

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

5 5 . Ausraubung

der

Reichen

Josephus, Antiquitates Judaicae X V 5 f.: N a c h der Einnahme Jerusalems sammelte Herodes alle Ausrüstung in seinem Königreich, raubte dazu auch noch die Reichen aus und gewann auf diese Weise eine große Menge Silber und Gold, welches er dem Antonius und seinen Freunden schenkte. Ferner ließ er fünfundzwanzig der vornehmsten Anhänger des Antigonos umbringen. d) Das

Synhedrium

Herodes, der sein Königtum dem Beschlüsse des römischen Senats verdankte, machte sich politisch und rechtlich von den überlieferten judäischen Institutionen unabhängig. Dieses zeigte sich in seinem Vorgehen gegen das Synhedrion (Kollegium, Behörde). Aus den Häuptern hatte sich in der persischen Zeit ein Ältestenrat gebildet (z.B. Neh. 10,1), den Antiochos III. in seinem Erlaß 198 v.Chr. als Gerousia sanktioniert hatte und der auch unter den Hasmonäern anfänglich seine eigene Bedeutung behielt. Die Bedeutungslosigkeit, zu der die späteren hasmonäischen Herrscher wie auch Herodes dieses Kollegium verurteilten, machte die judäische Aristokratie zu Gegnern des Königtums und zu Parteigängern der römischen Herrschaft. Gabinius setzte nach dem Ende der hasmonäischen Herrschaft 5 7 - 5 5 v.Chr. in Judäa und Galiläa fünf Synhedrien ein, die die Organe städtischer Aristokratie waren. Herodes entzog dem Jerusalemer Synhedrium die Gerichtsbarkeit, ließ die Mitglieder des Synhedriums töten (AJ XIV 175) und machte sich das Gremium gefügig (XV 173). Die Römer übertrugen dem Jerusalemer Synhedrium in der Zeit der Procuratur einen Teil der Rechtsprechung. Der Einspruch, den der römische Procurator Albinus 62 n.Chr. gegen die Einberufung des Synhedriums durch den Hohenpriester erhob, zeigt, daß die Autonomie der jüdischen Behörde durch den Procurator eingeschränkt war. Neben diesem politischen Synhedrium gab es noch ein religiös-juristisches, von dem die rabbinischen Schriften erzählen (hierzu G. Wewers u. S. 161 ff.). 5 6 . Beseitigung

der judäischen

Gerichtsbarkeit

Josephus, Antiquitates Judaicae X I V 1 6 7 : Herodes, (Antipaters) Sohn tötete Ezekias und viele seiner Männer und übertrat so unser Gesetz, welches verboten hat, einen Menschen, auch wenn er ein Übeltäter ist, zu töten, wenn er nicht zuvor vom Synhedrion zu dieser Strafe verurteilt worden ist. 5 7 . Die Stellung von Procurator

und Synhedrium

im

Gerichtsverfahren

Josephus, Antiquitates Judaicae X X 197—203 (behandelt Ereignisse aus dem Jahre 6 2 n. Chr.): Bald darauf gelangte die Nachricht vom Tod des Festus nach R o m , und nun schickte der Caesar Albinus als Procurator nach Judaea. Der König (Agrippa) aber entzog Joseph das Hohepriesteramt und übertrug die Amtsnachfolge auf den Sohn des Ananus, der ebenfalls Ananus hieß . . . Der jüngere Ananus, der wie ich gesagte habe, das Hohepriesteramt erhalten hatte, war von kühner

Herodianische Herrschaft

45

Art und außergewöhnlich wagemutig, und er gehörte zu den Sadduzäern, die, wie ich schon früher bemerkt, im Gericht härter sind als alle anderen Juden. Da Ananus so gesonnen war, glaubte er eine günstige Gelegenheit zu haben, nachdem Festus gestorben, Albinus aber noch unterwegs war, und berief das Synhedrium der Richter ein und stellte vor dasselbe den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, und einige andere, und klagte sie der Gesetzesübertretung an und überlieferte sie der Steinigung. Welche aber als tadellos und gesetzestreu galten unter den Einwohnern der Stadt fühlten sich verletzt darüber, und sie schickten deshalb insgeheim Abgeordnete an den König (Agrippa) mit der Bitte, den Ananus schriftlich aufzufordern, von weiteren Aktionen abzulassen. Denn nicht einmal das erste Mal habe er korrekt gehandelt. Einige von ihnen gingen sogar dem (neuen Statthalter) Albinus entgegen, der auf dem Wege von Alexandria war, und unterrichteten ihn, daß Ananus nicht das Recht habe, ohne seine Zustimmung das Synhedrium einzuberufen. Albinus war überzeugt von diesen Ausführungen und schrieb zornig Ananus und drohte ihm mit Bestrafung. König Agrippa aber setzte ihn infolge dieses Vorfalls schon nach dreimonatiger Amtsführung ab und berief Jesus, den Sohn des Damnaeus, zum Hohenpriester. e) Politische

Abgaben

Judaea wurde von Cassius (53—51 v.Chr.) als tributpflichtiger politischer Verband behandelt, der für die Eintreibung von 7 0 0 Talenten Silber verantwortlich war. Die Forderung wurde von Antipater, dem die politischen Funktionen übertragen worden waren, auf seine Söhne verteilt, welche wiederum die Magistrate der Städte für die Abgabe haftbar machten. Die genannten vier Städte, die auf Grund fiskalischer Schuld versklavt wurden, begegnen· BJ III 55 unter den 11 Toparchien Judäas. Vielleicht bestand schon zu dieser Zeit diese Verwaltungjordnung. Herodes verfügte uneingeschränkt über seine Finanzen. Den Tribut, dessen Quote er zuweilen veränderte, scheint er durch seine eigene Verwaltung, eingetrieben zu haben (vgl. AJ XV 365: Herodes habe ein Drittel der Abgaben erlassen). Darauf weisen auch die Forderungen hin, denen Archelaos nach dem Tode des Herodes konfrontiert wurde. Die Übertragung der Herrschaft an Archelaos durch Augustus wurde mit einer Tributpflichtigkeit des Territoriums verbunden, wobei dessen Höhe von den Römern festgesetzt wurde. Ein Zensus muß daher vorausgegangen sein.

58. Eintreibung von Tribut in Judaea Josephus, Antiquitates Judaicae XIV 271—276: Als nun bei dem durch Caesars Ermordung verursachten Kriege sich alle bedeutenderen Männer hierhin und dorthin zerstreuten, um Truppen zu werben, kam Cassius nach Syrien, um das bei Apamea stehende Heer zu übernehmen, hob die Belagerung auf und stiftete Frieden zwischen Bassus und Murcus. Dann durchzog er die Städte, sammelte in ihnen Waffen urtd Soldaten und auferlegte ihnen schwere Abgaben. Insbesondere Judaea bedrückte er, indem er siebenhundert Talente Silber eintrieb. Als Antipater deswegen alles in Furcht und Bestürzung sah, verteilte er die Eintreibung der Gelder

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

auf seine Söhne, auf den ihm wenig freundlich gesinnten Malichus und auf einige andere Vertraute. Da nun Herodes zuerst aus Galiläa seinen Anteil beibrachte, kam er bei Cassius in hohe Gunst. Herodes hielt es nämlich für klug, den Römern diesen Dienst zu erweisen und sich ihr Wohlwollen auf fremde Kosten zu erringen. In den übrigen Städten wurde deren gesamter Magistrat verkauft und zu der Zeit versklavte Cassius vier Städte, von denen die mächtigsten Gophna und Emmaus, die übrigen Lydda und Thamna waren. J a er ging so weit in seinem Zorn, daß er den Malichus, gegen den er aufgebracht war, getötet haben würde, wenn Hyrkanos ihm nicht aus seinen Mitteln durch Antipater hundert Talente geschickt und dadurch seine Erregung beschwichtigt hätte.

59. Hoffnung auf Verminderung der Abgaben Josephus, Antiquitates Judaicae X V I I 2 0 4 f . (Ereignisse des J a h r e s 4 v . C h r . ) : Die Menge nun, welche, wie das meistens zu geschehen pflegt, sich in dem Glauben befand, die Gesinnung derer, die die höchste Macht erlangen, trete schon gleich in der ersten Zeit zu Tage, erschöpfte sich, je herablassender und freundlicher Archelaos sie anredete, desto mehr in Lobeserhebungen und ließ sofort schon ihre Wünsche laut werden. Die einen schrieen um Verminderung der jährlichen Abgaben, die anderen um Freilassung der zahlreichen Gefangenen, die Herodes schon so lange eingekerkert gehalten, und noch andere um Abschaffung der auf öffentlichen Verkäufen und Verpachtungen liegenden Steuern, die streng eingetrieben wurden.

60. Festsetzung des Tributs für Archelaos durch Rom Josephus, Antiquitates Judaicae XVII 3 1 9 f.: Dem Archelaos (der von Augustus als Ethnarch über die Hälfte des Herodesreiches eingesetzt worden war) wurden Idumäa, Judäa und Samaria tributpflichtig, wobei letztere von einem Viertel der Steuern befreit waren; der Caesar hatte ihnen diese Erleichterung gewährt, weil sie nicht mit der übrigen Masse rebelliert hatten. Und Städte, die Archelaos untergeordnet wurden, waren Stratonsturm, Sebaste mit Joppa und Jerusalem. Denn Gaza, Gadara und Hippos waren hellenistische Städte, die er abtrennte von (dem Gebiet), das ihm (Archelaos) gehorsam war, und an Syria anschloß. Jährlich erhielt Archelaos als Abgabe aus seinem Reich an die sechshundert Talente.

f) Königtum oder Provinz Der Tod des Herodes 4 v . C h r . löste eine ähnliche Folge von Ereignissen aus, wie sie 6 4 v . C h r . unter Pompeius abgelaufen waren. Vornehme Judäer waren vom Volk, das wenig später offen gegen die herodianische Herrschaft rebellierte, nach R o m entsandt worden, um für die Beendigung des Königtums und die Angliederung an die Provinz Syria zu sprechen, während sich der Herodessohn Archelaos um die Nachfolge im Königtum bewarb. Die Anklage, die vor Augustus gegen den toten König vorgebracht wurde, stützte sich auf dessen gesetzwidriges Handeln und auf die

Herodianische Herrschaft

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Ausbeutung des jüdischen Teils des Reiches. O b die Angliederung an die Provinz Syria im Interesse des um Autonomia nachsuchenden Volkes lag, ist sicherlich zu fragen (vgl. E. Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S. 2 6 ) .

61. Die aristokratischen Gegner des Königtums Josephus, Antiquitates Judaicae 300—317: Es kam (nach dem Tode von Herodes dem Großen) eine Gesandtschaft der Judäer nach R o m , da Varus dem Volke ihre Entsendung gestattet hatte, um um Autonomia zu bitten. Und es waren die Gesandten, die nach demBeschluß des Volkes entsandt wurden, fünfzig (an der Zahl), und es schlossen sich ihnen mehr als achttausend der römischen Juden an. Als der Caesar einen Rat seiner Freunde und der führenden Römer im Heiligtum des Apollo, das von ihm mit großen Mitteln erbaut worden war, versammelt hatte, kamen (dorthin) die Gesandten mit der Masse der ortsansässigen Juden sowie Archelaos mit seinen Freunden . . . Als nun das Wort den Gesandten der Judäer erteilt worden war, die für die Auflösung des Königreiches zu sprechen hofften, wendeten sie sich zur Anklage gegen die Gesetzesübertretungen des Herodes. Er (Herodes) habe nicht geruht, umliegende, von Fremden bewohnte Städte zu schmücken, obgleich dieses zur Auflösung und Vernichtung der in seinem Reich bewohnten führte. Er habe das Volk in hilflose Armut gebracht, das er in seltenem Wohlstand übernommen hatte, und habe die Besitztümer der Vornehmen, sobald er sie unter willkürlichen Gründen getötet hätte, eingezogen, und welchen er das zweifelhafte Vergnügen des Lebens ließ, verurteilte er zum Verlust der Güter. Zusätzlich zur Eintreibung der Steuern, die jedem jährlich auferlegt wurden, seien Mittel für ihn, seine Verwandten, Freunde und solche von den Sklaven, welche zur Eintreibung der Steuern auszogen, bereitzustellen gewesen, weil es keinen Schutz vor Mißhandlungen gab, wenn nicht Gelder gezahlt wurden . . . Die Summe aber ihrer Bitte war, vom Königtum und ähnlichen Herrschaftsformen befreit zu werden, und — ein Anhang Syrias geworden — den dortigen Befehlshabern unterstellt zu werden. Auf diese Weise werde es sich zeigen, ob sie wirklich aufrührerisch seien und zu Umstürzen sehr geneigt, oder ob sie (vielmehr) maßvolleren (Herrschern) gehorsam wären, die über sie die Aufsicht führen würden.

62. Die plebejischen Gegner des Königtums Josephus, Antiquitates Judaicae X V I I 2 7 1 f.: Dann gab es Judas, den Sohn des Brigantenführers Ezekias, der sehr mächtig gewesen war und von Herodes nur unter großen Mühen gefaßt worden war. Dieser Judas sammelte nun bei Sepphoris eine Masse verzweifelter Männer, machte einen Angriff auf die königliche Residenz, bemächtigte sich der Waffen, die dort lagerten, bewaffnete einen jeden seiner Männer und raubte das Geld, welches dort gefunden wurde. Allen wurde er ein Schrecken, da er die, die in seine Hände fielen, ausraubte auf Grund seiner Begierde nach

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

größerem Vermögen und seinem Streben nach königlichem Rang, weil er erwartete, die Würde nicht durch Ausübung von Tugend, sondern durch ein Übermaß an Gewalttätigkeit zu erwerben.

6. Herrschaft in der römischen

Kaiserzeit

a) Judäa als Procuratur (6 n.Chr.) Im Jahre 6 n.Chr. wurde Judäa eine imperatorische Procuratur. Die von der hohenpriesterlichen getrennte politische Verwaltung Judäas (und Samarias) wurde dem Ethnarchen Archelaos genommen und einem römischen Ritter übertragen. An die Stelle der indirekten Regierung trat eine direkte. Kapitalgerichtsbarkeit sowie Steuerhoheit wurden vom Caesar an den Procurator delegiert. Die Registrierung des privaten Vermögens diente einem Voranschlag über die Höhe der an den Staat abzuführenden Naturalabgaben sowie der Erhebung der Kopfsteuer (tributum capitis), die nun auch die landlosen Schichten steuerpflichtig machte. Die Verpachtung bzw. der Verkauf der herodianischen Güter ergab sich aus der grundherrschaftlichen Position, die der Kaiser von Archelaos übernommen hatte. Der rechtliche Rahmen für die römische Verwaltung ist im 2 . J h . n.Chr. von Gaius systematisiert worden. Die Einordnung des Provinzialterritoriums als dominium (Besitz) des römischen Volkes bzw. des Kaisers wurde unter Claudius (41—54 n.Chr.) legalisiert, ist aber wahrscheinlich älter (vgl. E. Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S . 2 7 u . 156).

63. Die Kompetenzen

des

Procurators

Josephus, Bellum Judaicum II 1 1 7 f . : Das Gebiet des Archelaos wurde in eine Provinz umgewandelt und als Procurator wurde Coponius, ein Mann aus römischem Ritterstand, entsandt. Er empfing vom Kaiser obrigkeitliche Gewalt einschließlich des Rechts, die Todesstrafe zu verhängen. Während seiner Amtszeit verleitete ein Mann aus Galiläa mit Namen Judas die Einwohner der soeben genannten Provinz zum Abfall, indem er es für einen Frevel erklärte, wenn sie bei der Steuerzahlung an die Römer bleiben und außer Gott noch sterbliche Herren (despotai) anerkennen würden.

64. Die Schätzung des Quirinius Josephus, Antiquitates Judaicae XVIII 1 - 6 . 9 : Quirinius, ein römischer Senator, der alle anderen öffentlichen Ämter bekleidet und bis zum Konsul durchlaufen hatte und im übrigen in hoher Achtung stand, kam nach Syria, vom Kaiser zum Gouverneur über das Volk berufen und mit der Aufgabe der Schätzung der Güter betraut. Coponius, ein Mann ritterlichen Standes, wurde mit ihm geschickt, damit er über die Judäer mit aller Vollmacht herrsche. Es kam aber auch Quirinius nach Judäa, das Teil Syrias geworden war, um ihr Eigentum zu schätzen und die Güter des Archelaos zu verkaufen. Obgleich die Judäer anfangs erschrocken waren, als sie von der Registrierung hörten, ließen sie davon ab, sich weiter zu wider-

Herrschaft in der römischen Kaiserzeit

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setzen, auf Grund des Zuredens des Hohenpriesters Joazar, des Sohnes von Boethos. Nachdem sie sich den Worten des Joazar gefügt hatten, ließen sie ihr Eigentum schätzen ohne Bedenken. Aber ein gewisser Judas, ein Gaulaniter aus einer Stadt namens Gamala, der einen Pharisäer Saddok dazugewonnen hatte, trieb zum Aufstand. Sie sagten, die Schätzung würde nichts anderes bringen als offene Sklaverei und riefen das Volk zur Beanspruchung der Freiheit auf. Im Falle des Erfolges würde ihr Besitz auf Glück ruhen, falls sie scheiterten, solch Geschenk zu erlangen, würden sie Ehre und Ruhm für den Mut erwerben . . . Die Menschen nahmen ihre Rede mit Freude auf und das tollkühne Vorhaben machte große Fortschritte... So wogen die Neuerung und Veränderung der väterlichen Uberlieferungen schwer beim Untergang der Versammlung des Volkes. Judas und Saddok nämlich, die eine vierte Philosophenschule gegründet hatten und zahlreiche Anhänger um sich versammelt hatten, füllten sofort den Staat mit Unruhen und pflanzten durch die frühere Unbekanntheit solcher Philosophie Wurzeln der Übel, die bald wiederkehrten. 65. Das Wirken des Pilatus Josephus, Bellum Judaicum II 169—177: Als Pilatus von Tiberius nach Judäa gesandt worden war, ließ er die Kaiserbilder, die „Feldzeichen" genannt werden, nachts verhüllt nach Jerusalem hineinbringen. Am kommenden Tag rief dies bei den Juden eine sehr große Unruhe hervor; die in die Nähe der Zeichen kamen, wurden nämlich durch den Anblick zutiefst bestürzt, waren sie doch überzeugt, ihre Gesetze würden mit Füßen getreten, denn diese verbieten es, daß in der Stadt ein Bildnis aufgestellt wird. Auf die Erbitterung der Stadtbevölkerung hin strömte auch noch das Landvolk in großen Scharen zusammen. Man machte sich nun zu Pilatus nach Caesarea auf und bat ihn inständig, die Zeichen aus Jerusalem zu entfernen und ihre väterlichen Gesetze unangetastet zu lassen. Pilatus weigerte sich, darauf warfen sie sich rings um seinen Palast auf ihr Angesicht und verharrten 5 Tage und ebensoviele Nächte in dieser Haltung, ohne von der Stelle zu weichen. Tags darauf setzte sich Pilatus in der großen Rennbahn auf seinen Richtstuhl und ließ das Volk herbeirufen, als wolle er ihm dort Antwort geben; er gab aber den Soldaten verabredungsgemäß ein Zeichen, die Juden mit der Waffe in der Hand zu umzingeln. Der unerwartete Anblick der dreifachen Schlachtreihe, die sie umstellte, machte die Juden starr vor Entsetzen; Pilatus aber drohte, sie zusammenhauen zu lassen, wenn sie die Kaiserbilder nicht dulden wollten und gab den Soldaten schon einen Wink, die Schwerter blank zu ziehen. Die Juden aber warfen sich wie auf Verabredung hin dichtgedrängt auf den Boden, boten Ihren Nacken dar und schrieen, sie seien eher bereit zu sterben, als daß sie die väterlichen Gesetze überträten. Zutiefst erstaunt über die Glut ihrer Frömmigkeit gab Pilatus den Befehl, die Feldzeichen sofort aus Jerusalem zu entfernen. 4

Kippenberg, Textbuch

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

Einige Zeit später gab er den Anlaß zu neuer Unruhe, da er den Tempelschatz, der Korban genannt wird, für eine Wässerleitung verbrauchte; man führte aber das Wasser aus einer Entfernung von 4 0 0 Stadien heran. Die Menge war darüber sehr erbost, und als Pilatus nach Jerusalem kam, drängte sie sich schreiend und schimpfend um seinen Richterstuhl. Pilatus hatte diese Unruhe der Juden im voraus vermutet und eine Anzahl von Soldaten, zwar bewaffnet, aber als Zivilisten verkleidet, unter die Menge gemischt und ihnen den Befehl gegeben, vom Schwert keinen Gebrauch zu machen, die Schrcier aber mit Knüppeln zu bearbeiten. Nun gab er vom Richterstuhl her das verabredete Zeichen; als es aber plötzlich Schläge hagelte, gingen viele Juden unter den Streichen zugrunde, viele andere aber wurden auf der Flucht von ihren eigenen Landsleuten niedergetreten. Erschreckt über das Schicksal der Getöteten verstummte das Volk. 66. Das Eigentumsrecht

an den Provinzen

Gaius, I n s t i t u t i o n e s I I 4 - 7 . 1 9 . 2 1 (lebte im 2 . J h . n.Chr.): Heilig (sacrae) sind Sachen (res), die den Göttern oben geweiht sind; religiös (religiosae), die den Manen überlassen sind. Aber heilig kann allein das werden, was auf Grund der Vollmacht des populus Romanus geweiht ist durch ein diesbezügliches Gesetz oder ein Dekret des Senates. Religiös machen wir etwas durch unseren (eigenen) Willen, indem wir einen Verstorbenen auf dem eigenen Grundstück beerdigen, wenn nur die Bestattung des Toten unser Werk ist. Aber auf Provinzialterritorium kann nach Meinung der meisten ein Ort nicht religiös werden, weil das Eigentum (dominium) an diesem Territorium dem populus Romanus oder dem Caesar zukommt, wir dagegen nur Besitz- oder Nutzungsrecht hätten. Wenn (der Ort) auch gewiß nicht religiös ist, kann er aber doch für religiös gehalten werden . . . Sachen, die nicht Eigentum sind, werden durch bloße Übertragung (traditio) rechtskräftig Besitz eines anderen, wenn sie nur materiell sind und übertragen werden können . . . In derselben Weise (übertragbar) sind Landgüter in den Provinzen, die wir steuerpflichtig (stipendiarius) oder tributpflichtig (tributarius) nennen. Steuerpflichtig sind die, die in solchen Provinzen sind, die als Eigentum des populus Romanus gelten. Tributpflichtig sind die, die in solchen Provinzen sind, die als Eigentum des Caesar angesehen werden. b) Abgaben in der Kaiserzeit Zwei Arten direkter Abgaben wurden in der kaiserlichen Provinz J u d ä a erhoben: eine Abgabe vom Bodenertrag (tributum agri), die teils in Geld, teils in Waren entrichtet wurde. Sie trat an die Stelle der alten Quoten-Abgabe und w a r auf einem Zensus begründet. Daneben gab es eine Kopfsteuer (tributum capitis). Sie wurde prozentual v o m registrierten Vermögen erhoben und war die Ertragsabgabe vor allem der nicht-agrarischen Wirtschaft. Für die Ablieferung der Abgaben waren das Jerusalemer Synhedrium bzw. die judäische Aristokratie dem römischen Prokurator verantwortlich. Der Prokurator bestimmte aus ihrer Mitte die Verantwortlichen. Die

Herrschaft in der römischen Kaiserzeit

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indirekten Abgaben (das portorium) wurden dagegen in Kleinpacht vergeben, an die aus dem NT bekannten Zöllner. Die römischen Abgaben trafen in Judäa auf Widerstand. 67. Die Last des Tributs Tacitus, Annalen I I 4 2 (15-26 n.Chr.): Die Provinzen Syria und Judaea baten, erschöpft durch die Steuerlasten, um Herabsetzung des Tributes. 68. Die Kopf Steuer Appian, Syriaca 50 (2. Jh. n.Chr.): (Weil die Judäer sich Pompeius, Vespasian, Hadrian widersetzt hatten) deshalb ist die Kopfsteuer für alle Judäer höher als beim Rest. Sie ist aber auch den Syrern und Kilikiern jährlich (auferlegt), jedem das Hundertste vom Vermögen. 69. Die

Steuerverweigerung

Josephus, Bellum Judaicum II 402—407 (Ereignisse des Jahres 66 n. Chr.): Sie schrieen zu ihm hinauf, sie wollten ja nicht mit den Römern, sondern nur mit Florus, durch den sie so viel erlitten hätten, Krieg führen. Darauf erwiderte König Agrippa: „Eure Werke machen aber den Eindruck, daß ihr den Krieg mit den Römern schon führt, denn ihr habt ja dem Kaiser keine Steuern bezahlt und außerdem die Hallen der Antonia abgebrochen. Ihr könnt die Anklage des Aufruhrs nur dadurch entkräften, daß ihr die Hallen wieder aufbaut und die Steuern entrichtet; denn es ist ja nicht Florus, dem die Burg gehört, noch sollt ihr das Geld für ihn bezahlen." Dadurch ließ sich das Volk umstimmen, zog mit dem König und Berenike zum Tempel hinauf und begann mit dem Wiederaufbau der Hallen; die Archonten und Ratsherren verteilten sich auf die Dörfer und sammelten die Steuern ein. Rasch waren die 40 Talente — denn das war die Höhe des Fehlbetrages — zusammengebracht... (Agrippa) sandte noch ihre Archonten und die einflußreichsten Bürger zu Florus nach Caesarea, damit dieser aus ihrer Mitte die Steuereinnehmer für das offene Land benennen solle. 70. Essenische Kritik an den

Abgaben

Habakuk - Midrasch aus Qumran (lQp Hab) 6 , 6 - 8 (bezieht sich vielleicht auf Seleukiden): „Denn durch sie wurde sein Anteil fett und seine Speise reichlich" (Hab. 1,16). Seine Deutung ist, daß sie ihr Joch und ihre Fronlast, ihre Speise, auf alle Völker Jahr und Jahr verteilen, so daß sie viele Länder verwüsten. 71. Ablehnung römischer Institutionen durch

Kabbinen

Babylonischer Talmud, Schabbath 33 b (s. auch Wewers u. S.225f.): Rabbi Jehuda, Rabbi Jose und Rabbi Sim'on (sämtlich um 150) saßen beieinander, und Jehuda, der Proselytensohn, saß bei ihnen. Rabbi Jehuda hob

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

an: „Wie schön sind doch die Werke dieser Nation (Roms): sie haben Märkte, Brücken und Bäder angelegt." Rabbi Jose schwieg. Rabbi Sim'on b. Jochai aber sprach: „Alles, was sie angelegt haben, haben sie nur für ihre eigenen Bedürfnisse angelegt; sie haben Märkte angelegt, um Buhldirnen dahin zu setzen, Bäder, um sich selbst darin zu ergötzen, Brücken, um von ihnen Zoll zu erheben." 72. Rabbinische

Ablehnung der

Abgaben

Palästinensischer Talmud, Aboda Zara 44 b, 37—40 (übers, v. G.Wewers): (Ausspruch von Rabbi Hanina bar Pappa um 300 n.Chr.): Und was sagt ein Israelit zu ihnen (den Völkern der Welt)? ,Wir segnen euch im Namen von Jahwe' (Psalm 129,8). (Der Vers meint:) und die Israeliten sagen zu ihnen: gehören euch nicht alle guten und erbarmenden (d. h. erleichternden) Dinge, die in die Welt kommen, (nur) unseretwegen? Und ihr sagt nicht zu uns: kommt und nehmt euch von den Segnungen? Und nicht nur das, sondern (es ist sogar so), daß ihr auf uns Bodensteuern, Spanndienste, Kopfsteuern und Einquartierungsabgaben wälzt. c) Die

Verwaltungsstruktur

Ein Brief aus dem Jahre 4 5 n.Chr., den Kaiser Claudius an die Judäer schrieb, wendet sich nicht — wie im 2. und 1 . J h . v.Chr. — an Hohenpriester und Ethnos, sondern an die hellenistischen Stadtinstitutionen der Polis Jerusalem und an das Ethnos der Judäer. Da wir von den genannten Institutionen bei Josephus nur die Archonten identifizieren können als die Mitglieder des Synhedriums, liegt in dieser Anrede insgesamt eine Übertragung vor, die allerdings der Funktion Jerusalems in bezug auf das umliegende Land entspricht. Diese Funktion zeigt sich an der territorialen Untergliederung Judäas in Verwaltungsbezirke, da sie der Stadt Jerusalem die Herrschaft über das Land zuschreibt. Der Begriff Toparchie stammt aus der ptolemäischen Verwaltung und bezeichnet einen Steuerbezirk, während der Begriff Kleruchie an die Aufteilung des Landes in Lose erinnert. Der Einteilung in Toparchien, die auch Plinius mit Abweichungen überliefert (NH X I V 70), liegt das Prinzip einer territorialen Herrschaft zugrunde.

73. Jerusalem als Polis Josephus, Antiquitates Judaicae X X 11 (aus dem Jahr 45 n.Chr.): Claudius Caesar Germanicus, zum fünftenmal Tribun, zum viertenmal Konsul, zum zehntenmal Imperator, Vater der Vaterlandes, an die Archonten, die Boule, den Demos der Jerusalemiter und das ganze Volk (ethnos) der Juden. 74. Aufteilung Judäas in

Toparchien

Josephus, Bellum Judaicum III 54—56: (Judäa) ist in elf Kleruchien eingeteilt, über die das königliche Jerusalem herrscht, erhebt es sich doch über das ganze umliegende Land wie das Haupt über den Körper. Das übrige Gebiet außer Jerusalem wird im einzelnen in

Herrschaft in der römischen Kaiserzeit

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folgende Verwaltungsbezirke (Toparchien) eingeteilt: Gophna an zweiter Stelle, sodann Akrabeta, Thamma, dazu auch Lydda, Emmaus, Pelle, weiter Idumäa, Engedi, Herodeion und Jericho. Außer ihnen führen noch Jamnia und Joppe die umliegenden Gebiete an, dazu kommen die Gebiete von Gamala und der Gaulanitis, Batanea und Trachonitis, welche übrigens schon Teile des Königreiches Agrippas sind.

d) Die Ernennung des

Hohenpriesters

Herodes II., König über das ituräische Chalkis am Antilibanon (41—48 n . C h r . ) , erhielt vom römischen Kaiser die Vollmacht über das Heiligtum. Vorausgesetzt wird auch hier eine Monopolisierung aller Herrschaft beim Caesar. Ihm verdankte auch der Hohepriester seine Ernennung. Dieser galt als Leiter des Ethnos, dessen Verfassung aristokratisch war.

75. Die Leitung des Ethnos Josephus, Antiquitates Judaicae X X 249—251: Nach (Aristobulos) erhielt kein Asmonäer mehr die hohepriesterliche Würde. Ebenso wie Herodes verfuhren bei Ernennung der Hohenpriester auch sein Sohn Archelaos und nach diesem die Römer, als sie die Herrschaft über die Juden angetreten hatten. Von der Zeit des Herodes nun bis zu dem Tage, da Titus den Tempel und die Stadt einäscherte, gab es im ganzen achtundzwanzig Hohepriester, deren Amtsführung sich über eine Zeit von hundertundsieben Jahren erstreckte. Einige von ihnen regierten noch unter der Herrschaft von Herodes und Archelaos, seinem Sohn. Nach deren Tode wurde die Verfassung (politeia) eine Aristokratie und die Hohenpriester wurden mit der Leitung des Ethnos beauftragt.

76. Die Ernennung der

Hohenpriester

Josephus, Antiquitates Judaicae X X 15 f.: Nun aber erbat sich Herodes, der Bruder des verstorbenen Agrippa und damalige Beherrscher von Chalkis, vom Kaiser Claudius die Vollmacht über den Tempel sowie über die heiligen Geräte und die Auswahl der Hohenpriester und erlangte alles. Diese Vollmacht von ihm verblieb bei seinen Nachkommen bis zum Ende des Krieges. Demzufolge entfernte Herodes den Kanthara Genannten aus dem Hohenpriesteramt und übertrug an seiner Stelle die Amtsnachfolge an Joseph, Sohn des Kamei.

e) Rechtsstellung der Juden im Römischen

Reich

Die römischen Verträge mit dem Hohenpriester und dem Volk der J u d ä e r sicherten diesen eine besondere Rechtstellung, die sich auf das ganze römische Reich erstreckte. Die Angaben Strabos über die Stadt Kyrene sind nicht historisch zu werten — wie er selbst es tut —, sondern sie stellen Verhältnisse der augusteischen Zeit dar. Die Sonderstellung der Juden bezog sich u . a . auch auf die Geltung judäischen Rechts in den Städten des Römischen Reichs. In Caesarea besaßen Juden das volle

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

Bürgerrecht (Isopolitie) der Stadt. Als es ihnen entzogen wurde, kam es 6 0 n.Chr. zu Auseinandersetzungen mit den Syrern, die dann später in den Krieg gegen Rom einmündeten.

77. Die Rechtsstellung

der Juden im Römischen

Reich

Josephus, Antiquitates Judaicae XIV 114—117: An einer anderen Stelle bezeugt derselbe Strabo, daß zu der Zeit, als Sulla nach Griechenland übersetzte, um gegen Mithridates Krieg zu führen und Lukullus aussandte, um den Aufstand unseres Volkes in Kyrene niederzuwerfen, die Oekumene voller Juden war. ,Es waren vier (Stände) in der Stadt der Kyrenäer: die Bürger, die Bauern, die Fremden (Metöken) und die Juden.' Die letzteren sind schon fast in jeder Stadt des Erdkreises verbreitet, und man kann nicht leicht einen Ort in der Welt finden, der dieses Volk nicht beherbergte und nicht in seiner Gewalt wäre ... In Ägypten ist ihnen gestattet worden zu wohnen, und ein großer Teil von Alexandria ist diesem Volk besonders eingeräumt. Es ist auch ein Ethnarch über sie eingesetzt, der das Volk regiert, Recht spricht und ihre Verträge bekräftigt, wie wenn er der Herrscher eines selbständigen Staates wäre. 78. Entzug des

Bürgerrechts

Josephus, Antiquitates Judaicae X X 183f.: Die Führer (Protoi) der Syrer in Caesarea veranlaßten Beryllos, dieser war Erzieher Neros und jetzt mit dem Sekretariat über die griechische Korrespondenz betraut, mittels großer Geldsummen, von Nero einen Brief zu erbitten, der das gleiche Bürgerrecht (Isopoliteia) der Juden bei ihnen aufhebe. Beryllos bat den Autokrator und erlangte (die Befugnis), den Brief zu schreiben. Dieser bot unserem Volk die Ursachen für die danach (folgenden) Leiden. Als nämlich die Juden zu Caesarea den Inhalt dieses an die Syrer gerichteten Schreibens erfuhren, verharrten sie um so mehr im Aufstand, bis sie den Krieg entflammten. f) Politische Gruppen im jüdischen Krieg in Galiläa Einen Einblick in die Ziele politischer Gruppen zur Zeit des jüdischen Krieges ( 6 6 - 7 3 ) gibt die Biographie des Josephus. Er war vom Synhedrium in Jerusalem mit zwei anderen Priestern nach Galiläa gesandt worden (Vita 62). Sein Auftrag war es, die dort tätigen Aufständischen zum Niederlegen der Waffen zu veranlassen, um so der Jerusalemer Aristokratie, die gegen den Krieg war, in Galiläa Unterstützung zu sichern (Vita 29). In seiner Erzählung spricht er auch über die Haltung der galiläischen Städte gegenüber Rom bzw. Agrippa. Dabei unterscheidet Josephus zwischen den Galiläern und den Bürgern der Städte von Sepphoris und Tiberias (Vita 30). „Galiläer" ist die außerhalb der Stadtverbände lebende, der römischen Administration unmittelbar untergebene Bevölkerung. Von ihr handelt Josephus wie von einer Kulisse. Doch läßt er erkennen, daß diese Bevölkerung entschlossen gegen die Römer bzw. deren Bundesgenossen in den Städten war (anders jedoch Vita 125). Vor allem in den Städten suchte Josephus potentielle Gegner des Krieges mit Rom.

Herrschaft in der römischen Kaiserzeit

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Uber die Parteien in Tiberias gibt er einen ausführlichen Bericht. Neben einer oligarchischen Gruppe, die für den Verbleib der Stadt unter der Herrschaft von Agrippa II. plädierte, gab es eine „bürgerliche" Gruppe, die die Wiederherstellung des Status als Hauptstadt Galiläas forderte. Nero hatte nämlich Tiberias und Tarichaea nach 5 4 n . C h r . einschließlich ihrer Verwaltungsbezirke Agrippa II. unterstellt (AJ X X 1 5 9 ; B J II 2 5 2 ) . Die Wortführer beider Gruppen waren Mitglieder der boule der Stadt: des Rates, der in römischer Zeit in aller Regel nicht mehr von der Versammlung der Bürger gewählt wurde, sondern aus Familienhäuptern, die gewisse Eigentumsqualifikationen zu erfüllen hatten, bestand. Drittens gab es die Gruppe der Seeleute und Mittellosen, die um ethnische Selbstbestimmung kämpften. Z u ihr gehörten auch Galiläer. Der Kampf für die Verbindlichkeit der Tradition war zugleich gegen die von R o m gestützte Aristokratie gerichtet. Unter Jesus, Sohn des Sapphia, errang diese Gruppe die Herrschaft in Tiberias.

79. Die Gruppen in Tiberias Josephus, Vita 32—39: Drei Parteien gab es in der Stadt (Tiberias). Die erste bestand aus angesehenen Männern mit Julius Capellus an der Spitze. Dieser und seine Anhänger, Herodes, Sohn des Miaros, Herodes, Sohn des Gamalos und Kompsos, Sohn des Kompsos — sein Bruder Krispus nämlich, der früher einmal Statthalter unter dem großen König (sc. Agrippa I.) gewesen war, war auf seinen Gütern jenseits des Jordan — rieten alle zu jener Zeit, den Römern und dem König (sc. Agrippa II.) treu zu bleiben. Diese Meinung teilte jedoch Pistos nicht, der unter dem Einfluß seines Sohnes Justus stand. Denn er war von Natur irgendwie heftig. Die zweite Partei, die aus völlig Unbedeutenden bestand, war entschieden für den Krieg. An der Spitze der dritten Partei endlich stand Justus, der Sohn von Pistos, der sich zwar den Anschein gab, als sei er hinsichtlich etwaigen kriegerischen Vorgehens noch unschlüssig, gleichwohl eine Änderung aber der bestehenden Verhältnisse wünschte, weil er erwartete, daß ein Umsturz ihm Macht bringen werde. In dieser Absicht trat er unter die Volksmenge und suchte derselben begreiflich zu machen, daß ihre Stadt immer die Hauptstadt Galiläas gewesen sei zur Zeit des Tetrarchen Herodes, der auch ihr Gründer gewesen sei. (Herodes) Absicht sei gewesen, daß die Stadt der Sepphoriter der der Tiberier Untertan sei. Diesen Vorrang habe sie auch unter König Agrippa dem Älteren nicht eingebüßt, sei vielmehr im Besitz desselben geblieben bis auf Felix, den Prokurator Judaeas. Jetzt aber, so sprach er, seien sie ins Unglück geraten, seit sie von Nero dem Jüngeren Agrippa als Geschenk übergeben worden seien. Schnell sei nun Sepphoris, nachdem es sich den Römern unterworfen habe, Hauptstadt Galiläas geworden, und Tiberias habe die königliche Bank sowie das Archiv verloren. Mit diesen und ähnlichen Reden gegen den König Agrippa suchte er das Volk zum Aufstand zu reizen, setzte hinzu, daß jetzt die Zeit gekommen sei, zu den Waffen zu greifen und die Galiläer als Bundesgenossen heranzuziehen — denn gern würden diese, welche die Sepphoriten wegen deren Treue gegen die Römer längst haßten, ihnen folgen — und mit großer Gewalt sich an ihnen rächen.

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

80. Gewalttaten der Gruppe der Armen Josephus, Vita 64—67: Ich begab mich nun mit ihnen (sc. den Mitgesandten) von der Stadt Sepphoris in ein Dorf namens Bethmaus, das vier Stadien von Tiberias entfernt liegt, und sandte von dort zum Rat von Tiberias und den Ersten des Volkes und ließ sie bitten, zu mir zu kommen. Und nachdem sie gekommen waren — mit ihnen kam aber auch Justus —, erklärte ich ihnen, daß ich samt meinen Mitgesandten von der Versammlung der Jerusalemiter beauftragt sei, ihnen zur Pflicht zu machen, daß der von dem Tetrarchen Herodes erbaute, mit Tierbildern geschmückte Palast, niedergerissen werde, weil unsere Gesetze eine solche Bauart untersagten; und ich bat sie daher, dieser Aufforderung so schnell wie möglich zu entsprechen. Zunächst sträubten sich Capellus und die Häupter der Bürgerschaft energisch dagegen, doch gaben sie endlich unseren dringenden Vorstellungen nach. Jesus indes, der Sohn des Sapphias, von dem ich schon erwähnte, daß er an der Spitze der Partei der Seeleute und Mittellosen stand, kam uns zuvor und steckte in Verbindung mit einigen Galiläern den ganzen Palast in Brand, weil er sich großer Schätze zu bemächtigen hoffte, da er einige Häuser- (oder: Zimmer-)Dächer vergoldet sah. Sehr wider unseren Willen gelang es ihm denn auch, vieles zu rauben . . . Die Anhänger des Jesus ermordeten nun alle in Tiberias wohnenden Griechen und alle anderen, die vor dem Krieg ihre Feinde gewesen waren.

81. Der Kampf für die väterlichen

Gesetze

Josephus, Vita 1 3 4 f . : Am meisten wiegelte sie (sc. die im Hippodrom versammelten Bewohner Tarichaeas) Jesus, der Sohn Sapphias, auf, zu jener Zeit Archon von Tiberias, ein niederträchtiger Mensch mit der Fähigkeit, in entscheidenden Dingen Unordnung zu stiften, Umstürzler und Revolutionär wie kein anderer. Er nahm das Gesetz des Mose in die Hände, trat vor und sprach: „Bürger, wenn ihr nicht für euch selbst Josephus hassen könnt, dann doch, wenn ihr auf die väterlichen Gesetze schaut, an welchem euer Befehlshaber zum Verräter werden wollte. Aus H a ß für dieses Schlechte rächt euch an dem, der dieses wagte."

g) Widerstandsbewegungen

in Judäa

Im Unterschied zu den Verhältnissen in Tiberias bzw. in Galiläa bildete sich in Jerusalem eine Widerstandsbewegung, die von Priestern getragen wurde und die sich selbst den Namen Zeloten (BJ IV 1 6 1 : Eiferer sc. für das Gesetz) gegeben hatte. Unter Führung des Priesters Eleasar, Sohn des Ananias, bemächtigten die Zeloten sich der Unterstadt und des Heiligtums. Die städtische Oligarchie und die Hohenpriester standen dagegen auf der Seite Roms. Neben der priesterlichen Widerstandsgruppe gab es eine zweite, die Josephus Sikarier nennt. Unter dieser Bezeichnung (die sich auf die kleinen Dolche der Aufständischen bezog) verstand man wahrscheinlich die bäuerliche Widerstandsbewegung Judäas, die nacheinander von Judas aus Galiläa (BJ II 117f.), dessen Sohn Menahem und schließlich von dessen Verwandten Eleasar

Herrschaft in der römischen Kaiserzeit

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geleitet wurde (anders jedoch II 2 5 4 : die Sikarier als städtische Bewegung; unsere Interpretation stützt sich vor allem auf VII 2 5 3 f.). Ihr Stützpunkt war Masada (IV 5 1 6 ) . Der Gegensatz zwischen den beiden Widerstandsbewegungen, der in der Ermordung Menahems zutage trat, war mehr als die Rivalität zweier Führer des Aufstandes. Nach der Vertreibung der Sikarier aus Jerusalem setzten die Zeloten einen neuen Hohenpriester ein, wobei sie die Ansprüche bestimmter Geschlechter aufhoben und eine sakrale Loswahl einführten, an der alle hohepriesterlichen Familien beteiligt waren. Dieses Verfahren sollte die Privilegierung bestimmter Familien beenden und den hierokratischen Rahmen der judäischen Gesellschaft erneuern. Die Widerstandsbewegung der Sikarier war im Vergleich hierzu pointierter an sozialen Zielen orientiert (VII 2 5 5 ) . Freiheit war der grundlegende Begriff von Sikariern wie Zeloten (II 2 6 4 . 4 4 3 ) . Sie beinhaltete die Aufhebung ökonomischer Klassen, wie die Verbrennung der Schuldurkunden deutlich macht, sowie die Herstellung politischer Autonomie. Simon bar Giora, der aus der Sikariergruppe von Masada hervorgegangen war, führte eine ländliche Truppe, an der wir diese antiherrschaftliche Wendung des Freiheitsbegriffes ebenfalls erkennen können. In der weiteren Phase des Krieges, nachdem man Simon bar Giora in die Stadt Jerusalem gelassen hatte (IV 5 7 3 - 5 ) , sonderte sich wieder eine priesterliche Gruppe ab (V 1 1 . 2 1 ) , deren Mitglieder Zeloten hießen (V 9 8 - 1 0 5 ) .

82. Das Auftreten der Sikarier Josephus, Bellum Judaicum II 254—257: Kaum war das Land gesäubert, da wuchs in Jerusalem eine neue Gattung von Räubern empor, die sogenannten Sikarier. Am heilichten Tag und mitten in der Stadt mordeten sie Menschen, besonders an den Festen mischten sie sich unter die Menge und stachen mit kleinen Dolchen, die sie unter ihren Kleidern verborgen hatten, ihre Gegner nieder. Brachen diese dann zusammen, so verwandelten sich die Mörder in einen Teil der aufgebrachten Menge, schienen sie doch allenthalben auf Grund ihrer Biederkeit völlig unverdächtig. Ihr erstes Opfer war der Hohepriester Jonathan, nach ihm wurden täglich viele umgebracht; aber noch schlimmer als die Mordfälle selbst war die Furcht davor, denn jeder erwartete, wie im Krieg, stündlich seinen Tod. M a n erspähte schon von ferne die etwaigen Gegner, und auch den Freunden, die herantraten, traute man nicht mehr; trotz allen Argwohns und aller Vorsichtsmaßnahmen geschahen Morde, so rasch handelten die Meuchelmörder und so wohl verstanden sie, verborgen zu bleiben.

83. Die Vorgeschichte des jüdischen

Krieges

Josephus, Bellum Judaicaum II 284—292: In der Zwischenzeit hatten die Hellenen von Caesarea vor Nero den Prozeß um die Vorherrschaft in der Stadt gewonnen und brachten die Urkunde über diese Entscheidung mit nach Hause. Das wurde der Anlaß zum Ausbruch des Krieges im 12. Jahre der Regierung Neros und im 17. Jahre des Königtums Agrippas im M o n a t Artemisios ( = Mai). Das Ereignis, das als Vorwand zum Krieg diente, stand in keinem Verhältnis zur Größe des daraus hervorgehenden Unheils. Die Juden in Caesarea besaßen nämlich eine Synagoge, die

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unmittelbar an ein Grundstück angrenzte, dessen Besitzer Hellene und ortsansässiger Bürger war. Sie hatten sich oft bemüht, den Platz zu erwerben und dafür einen Preis geboten, der den wirklichen Wert um ein Vielfaches übertraf. Der Besitzer jedoch kümmerte sich nicht um ihre Bitten, bebaute das Grundstück, um ihnen einen Streich zu spielen, mit Werkstätten und ließ ihnen nur einen engen und in jeder Hinsicht unbequemen Zugang offen. Anfangs liefen einige der jungen Hitzköpfe herbei und versuchten die Bauarbeiten noch zu verhindern; als aber Florus ihren gewaltsamen Versuch vereitelt hatte, versuchten die vornehmen Juden, unter denen der Zöllner Johannes war, in ihrer Verlegenheit, den Florus mit acht Talenten Silber zu bewegen, er möchte den Bau einstellen lassen. Um nur ja das Geld zu bekommen, versprach er, alles wunschgemäß auszuführen; nachdem er es erhalten hatte, verzog er sich jedoch von Caesarea nach Sebaste und ließ dem Aufruhr freien Lauf, gerade so, als ob er den Juden die Erlaubnis verkauft hätte, jetzt loszuschlagen. Am folgenden Tage, einem Sabbat, da die Juden zur Synagoge strömten, stellte ein streitsüchtiger Bürger aus Caesarea einen umgestülpten Topf am Eingang der Synagoge auf und begann, darauf Vögel zu opfern. Dies erbitterte die Juden heillos, weil dadurch ihr Gesetz verhöhnt und die Stätte unrein wurde. Der gemäßigte und friedlich gesinnte Teil glaubte nun, man müsse bei den Behörden Schutz suchen; die zum Aufruhr Geneigten und von jugendlichem Feuer Begeisterten jedoch brannten darauf, zu kämpfen. Die Unruhestifter aus Caesareas Bürgerschaft standen aber schon bereit; den Mann, der jenes Opfer ausführen sollte, hatten sie auf Grund einer Verabredung vorausgeschickt; so kam es alsbald zu einem bewaffneten Zusammenstoß. Da erschien Jucundus, der Reiterbefehlshaber, der den Auftrag hatte, einzuschreiten; er ließ das Gefäß wegnehmen und versuchte, dem Aufruhr Einhalt zu gebieten. Da er sich jedoch gegen die Leidenschaft der Einwohner von Caesarea nicht durchsetzen konnte, rafften die Juden ihre Gesetzesrollen zusammen und zogen sich nach Narbata zurück, so heißt ein jüdisches Dorf, das 60 Stadien von Caesarea entfernt liegt. Die vornehmen Juden aber, 12 an der Zahl, mit Johannes an der Spitze, begaben sich zu Florus nach Sebaste, beklagten sich über das Vorgefallene und baten dringend um Hilfe, wobei sie vorsichtig eine Erinnerung an die acht Talente anklingen ließen. Florus aber ließ die Männer verhaften und einsperren unter der Beschuldigung, daß sie die Gesetzesrollen aus Caesarea entfernt hätten. 84. Die Verweigerung

der Opfer für den Kaiser durch die Zeloten

Josephus, Bellum Judaicum II 4 0 8 - 4 1 0 : Zugleich gelang es auch dem damaligen Tempelhauptmann Eleasar, Sohn des Hohenpriesters Ananias, einem verwegenen jungen Mann, die im Tempel diensttuenden Hohenpriester zu überreden, sie sollten von Nichtjuden keine Gaben oder Opfer mehr annehmen. Damit war der Grund zum Krieg gegen die Römer gelegt; denn so verwarfen sie das für diese und den Kaiser dargebrachte Opfer. Obgleich nun die Hohenpriester und die angesehenen

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Bürger dringend ermahnten, das gewohnte Opfer für die Herrscher nicht fallen zu lassen, gaben diese Priester doch nicht nach, einerseits weil sie auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit vertrauten — denn der aktivste Teil der Unzufriedenen hatte sich auf ihre Seite geschlagen - , vor allem aber, weil sie sich nach dem Tempelhauptmann richteten. 85. Die Eroberung der Oberstadt durch Zeloten und Sikarier Josephus, Bellum Judaicum II 4 2 2 - 4 2 8 : Dadurch (durch die Ankunft von Kavallerie Agrippas) faßten die Vornehmen, die Hohenpriester und die ganze Menge — soweit sie den Frieden liebte — neuen Mut und sicherten sich den Besitz der Oberstadt; denn der aufrührerische Teil hatte sich der unteren Stadt und des Heiligtums bemächtigt. Schleudersteine und weittragende Geschosse flogen unablässig, Pfeile wurden in rascher Folge von beiden Seiten abgeschossen. Es geschah auch, daß sie truppweise Ausfälle machten und handgemein wurden, wobei sich die Aufständischen durch ihre Kühnheit, die Königlichen aber durch ihre Kampfeserfahrung überlegen zeigten. Diesen kam es vor allem darauf an, das Heiligtum in ihre Hand zu bekommen und die Tempelschänder daraus zu vertreiben; die Aufständischen um Eleasar suchten zu dem, was sie schon hatten, auch noch die Oberstadt in ihren Besitz zu bringen. Sieben Tage lang kämpfte man auf beiden Seiten mit hohen Verlusten, doch gab keine Partei die Stellung, die sie besetzt hielt, auf. Am folgenden Tag war das Fest des Holztragens, bei dem die Sitte herrschte, daß alle Holz zum Altar herbeibringen, damit dem Feuer niemals die Nahrung ausgehe, denn es brennt immer, ohne zu verlöschen. Da schlossen nun (die Aufständischen) ihre Gegner von der Teilnahme am Gottesdienst aus; eine große Zahl Sikarier aber, die sich mit dem wehrlosen Volk eingeschlichen hatten — so nannte man jene Räuber, die unter ihren Gewändern Schwerter trugen —, nahmen sie in ihre Reihen auf und führten den Angriff um so heftiger. Da die Königlichen an Zahl und Kampfesmut unterlegen waren, mußten sie sich unter dem Druck der Feinde aus der Oberstadt zurückziehen. Die Eindringlinge brannten das Haus des Hohenpriesters Ananias und den Palast des Agrippa und der Berenike nieder; danach legten sie Feuer an das Archiv und beeilten sich, die Schuldurkunden der Gläubiger zu vernichten und (so) die Eintreibung der Schulden unmöglich zu machen, um so die Menge der Schuldner auf ihre Seite zu ziehen sowie die Armen, ohne daß diese noch etwas zu fürchten brauchten, gegen die Reichen aufzuwiegeln. Da die Archivwärter geflohen waren, konnten sie dort Feuer legen. Nachdem sie das Nervenzentrum der Stadt zerstört hatten, rückten sie gegen die Feinde vor. Darauf verbargen sich die Mächtigen und die Hohenpriester. 86, Die Sikarier Josephus, Bellum Judaicum II 4 3 3 f . : Zu gleicher Zeit war ein gewisser Manahem — der Sohn des Judas, der der ,GaliIäer' genannt wurde, eines sehr bedeutenden Gelehrten, der einst zur Zeit

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des Quirinius die Juden geschmäht hatte, daß sie nicht nur Gott, sondern auch den Römern Untertan sein wollten — mit seinen nächsten Freunden nach Masada gezogen, hatte dort das Zeughaus des Herodes aufgebrochen und außer seinen Landsleuten auch noch andere Räuber bewaffnet, um diese als Leibgarde zu verwenden. Nun kam er wie ein König nach Jerusalem zurück, wurde Führer des Aufstandes und übernahm den Oberbefehl bei der Belagerung.

87. Die Entzweiung von Sikariern und Zeloten Josephus, Bellum Judaicum II 4 4 3 - 4 4 7 : Die Männer um Eleasar jedoch empörten sich gegen Menahem und machten untereinander Bemerkungen in der Weise: Sie seien aus Liebe zur Freiheit von den Römern abgefallen und dürften diese deshalb nicht einem einfachen Mann aus dem Volk preisgeben und einen Gewaltherrscher dulden, der selbst wenn er keine Gewalttat beginge, doch seiner Herkunft nach weit unter ihnen stünde. Denn wenn es auch notwendig sei, daß einer die Führung des Ganzen in die Hand nehme, so komme sie doch jedem anderen mehr als diesem Menschen zu. Sie trafen nun eine Verabredung und griffen ihn im Tempel an, als er stolz und im Schmuck königlicher Kleidung zum Gebet hinaufschritt, wobei ihm eine Schar bewaffneter Zeloten folgte. Wie nun die Anhänger Eleasars auf ihn eindrangen, hob auch das übrige Volk, um seiner Erbitterung Ausdruck zu verleihen, Steine auf und begann, auf den wortgewandten Volksverführer zu werfen; sie glaubten, durch seine Ermordung dem ganzen Aufstand ein Ende machen zu können. Die Leibwache des Menahem leistete kurz Widerstand, als sie aber sah, daß das ganze Volk auf sie losstürmte, ergriff sie die Flucht; jeder floh, wohin er konnte. Die, welche man ergreifen konnte, wurden getötet, die, welche sich versteckt hielten, spürte man auf. Nur wenige konnten sich dadurch retten, daß sie heimlich nach Masada entkamen, unter ihnen war Eleasar, der Sohn Jairs, ein Verwandter Menahems, der später den Oberbefehl in Masada führte.

88. Die Einsetzung eines neuen Hohenpriesters

durch die Zeloten

Josephus, Bellum Judaicum IV 1 4 7 f . ; 153—155: In gleichem Maße wie das Volk der Hilflosigkeit und Angst verfiel, steigerte sich der Wahnsinn der Räuber, so daß (die Zeloten) schließlich sogar die Wahl der Oberpriester als ihre Aufgabe betrachteten. Sie erklärten die Ansprüche der Geschlechter für ungültig, aus denen der Reihe nach die obersten Priester ernannt worden waren, und setzten dafür unbedeutende Männer von niedriger Abstammung ein, damit sie so Spießgesellen für ihre Frevel gewönnen. Um den Grad der Bestürzung des Volkes zu erproben und zu prüfen, wieweit ihre Macht reichte, schickten sie sich an, die obersten Priester durch das Los zu bestimmen, obwohl, wie oben erwähnt, deren Amtsnachfolge auf Grund der Abstammung hätte erfolgen sollen. In Wirklichkeit bedeutete

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dieser Schritt die Auflösung des besser begründeten Rechts und eine Machenschaft, um sich an der Macht zu halten, indem man die höchsten Stellen selbst besetzte. Deshalb beriefen sie eine der hohepriesterlichen Sippen, die Enjachin hieß, und warfen das Los für einen Hohenpriester. Zufällig traf dies Los auf einen Mann, mit dem die Ungesetzlichkeit dieser Wahl besonders deutlich in Erscheinung trat. Sein Name war Phanni ( = Pinehas), Sohn des Samuel aus dem Dorfe Aphtia. Auf Grund seines bäuerischen Wesens wußte er nicht einmal genau, was es mit dem hohepriesterlichen Amt für eine Bewandtnis habe, geschweige denn, daß er die Anforderung hohepriesterlicher Abstammung erfüllt hätte. 89. Simon bar Giora und sein Anhang Josephus, Bellum Judaicum IV 5 0 8 - 5 1 3 : Simon, Sohn des Giora (der sich den Räubern von Masada angeschlossen hatte) strebte aber nach Alleinherrschaft und trachtete nach hohen Dingen; und als er nun vom Ende des Ananos erfuhr, setzte er sich in das Bergland ab, versprach den Sklaven die Freiheit und den Freien Geschenke und sammelte auf diese Weise von allen Seiten her die schlechten Menschen um sich. So hatte er nun schon eine ziemlich starke Truppe um sich versammelt, mit der er Streifzüge in die auf dem Bergland liegenden Dörfer machte; als dann immer mehr Leute zu ihm stießen, erkühnte er sich, auch in die tiefer gelegenen Gegenden hinabzustoßen. Da er nun auch für die festen Städte schon eine furchtbare Gefahr bedeutete, ließen sich viele angesehene Leute angesichts seiner Stärke und der nicht abreißenden Kette seiner Erfolge in das Verderben reißen: Sein Heer bestand nicht mehr nur aus Sklaven und Räubern, sondern umfaßte auch eine stattliche Zahl von Bürgern, die ihm wie einem König gehorchten. Er durchstreifte auch die Toparchie Akrabatene und die ganze Gegend bis hin zu Grossidumäa. Bei einem Dorf namens Nain errichtete er eine Art von Bollwerk und benutzte dies als Stützpunkte zu seiner eigenen Sicherheit; in einer Schlucht namens Pheretai verbreiterte er zahlreiche Höhlen und fand viele andere, die von Natur geeignet waren, als Kammern für seine Schätze und als Bergungsorte für seine Beute zu dienen. In diesen Höhlen stapelte er auch die von ihm geraubten Feldfrüchte, und die meisten seiner Abteilungen hausten dort. 90. Die Gerichtsbarkeit der Zeloten Josephus, Bellum Judaicum IV 334—336: Schließlich war es den Zeloten verleidet, so ohne weiteres die Menschen hinzuschlachten; deshalb richteten sie zum Schein Gerichtshöfe und Prozeßverfahren ein. Dabei hatten sie sich vorgenommen, einen besonders angesehenen Mann, den Zacharaias, Sohn des Bareis zu töten. Was sie gegen diesen Mann aufbrachten, war dessen außerordentlicher Haß gegen das Gemeine und seine Liebe zur Freiheit; außerdem war er reich, so daß man nicht nur die Aussicht auf Beschlagnahme seines Vermögens hatte, sondern auch glaubte,

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sich einen Mann vom Halse schaffen zu können, der sehr wohl imstande gewesen wäre, ihren eigenen Sturz herbeizuführen. So beriefen sie durch Befehl siebzig im öffentlichen Dienst stehende Männer in den Tempel, legten ihnen wie auf einer Bühne die Rolle von Richtern ohne jede Amtsgewalt bei und verklagten den Zacharias, er gebe die Sache des Volkes den Römern preis und unterhalte verräterische Beziehungen zu Vespasian. 91. Der Fall Masadas Josephus, Bellum Judaicum V I I 3 0 4 - 3 1 2 ; 3 8 9 - 4 0 1 : Wie zuvor gesagt, hatte der römische Feldherr alsdann bereits den ganzen Platz von außen her mit einem Wall umgeben und peinlichste Sorgfalt darauf verwandt, daß niemand mehr entfliehen konnte. Jetzt erst begann er mit der eigentlichen Belagerung. Nur eine einzige Stelle fand er, die das Aufwerfen von Erdwällen zuließ. Hinter jenem Turm nämlich, der den Weg versperrte, welcher vom Westen herauf zunächst zum Palast und dann zur Bergspitze führte, war ein Felsenvorsprung, recht breit und auch weit hervorragend. Er lag indes noch 3 0 0 Ellen unterhalb der Höhe von Masada und trug den Namen „Leuke" ( = der „Weiße"). Zu diesem Felsen stieg Silva also hinauf, besetzte ihn und befahl dem Heer, Schutterde herbeizuschaffen. Da mit großer Bereitschaft und unter allem Krafteinsatz gearbeitet wurde, war der massive Wall bald zu 2 0 0 Ellen erhöht. Doch schien selbst dies M a ß weder fest noch tragfähig zu sein, um den Belagerungsmaschinen als Plattform zu dienen. Folglich wurde auf den Wall noch eine Schicht von großen, gut zusammengesetzten Steinen gebaut, sowohl 50 Ellen breit wie hoch. Im allgemeinen ähnelten die Kriegsmaschinen in ihrer Ausstattung jenen, die zunächst von Vespasian, danach auch von Titus für die Belagerungen ersonnen worden waren. Dazu war ein 60 Ellen hoher Turm errichtet worden und ganz und gar mit Eisen beschlagen. Von diesem Turm aus schössen die Römer mit Katapulten und Steinwerfern; so drängten sie die von der Mauer aus Kämpfenden rasch ab, ja hinderten sie sogar, sich vorzubeugen. In gleicher Weise befahl Silva auch einen Sturmbock aufzustellen. Daraufhin ordnete er an, ununterbrochen die Stöße gegen die Mauer zu führen. Als es endlich nach großer Anstrengung gelang, ein Stück aus der Mauer zu brechen, ließ er sie niederreißen. Inzwischen hatten aber die Sikarier von innen schnell eine zweite Mauer bauen können, die nun nicht mehr durch die Belagerungsmaschinen ein ähnliches Schicksal erleiden sollte. Damit sie nachgiebig war und so selbst den heftigsten Ansturm aushalten könnte, hatten die Sikarier sie folgendermaßen ausgebaut: Sie schichteten große Balken der Länge nach aufeinander und fügten sie an den Schnittenden zusammen. Und zwar bauten sie zwei einander parallele Reihen in einem der Breite der Mauer entsprechenden Abstand. Den Zwischenraum füllten sie durch Schutterde auf. Damit aber die Erde nicht durch weiteres Schuttaufwerfen nach unten nachgab, waren die Längsbalken ihrerseits noch mit Querbalken verbunden. Den Römern erschein das Werk einem Hausbau vergleichbar, aber die gewaltigen Schläge der Kriegsmaschinen gegen die nachgebende Masse blieben völlig

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wirkungslos; im Gegenteil, da sich die Erde durch die Erschütterung noch setzte, machten die Angriffe die Mauer noch widerstandsfähiger. Als Silva dies beobachtete, hielt er es für einfacher, die Mauer durch Feuer zu zerstören. Daher wies er die Soldaten an, brennende Fackeln in Mengen gegen die Mauer zu schleudern. Da aber die Mauer tatsächlich zum größten Teil aus Holz gebaut war, wurde sie schnell vom Feuer ergriffen; wegen des lockeren Gefüges der Mauer erhob sich bald ein Flammenstoß aus dem Feuer in die Höhe. Doch noch war das Feuer erst gerade ausgebrochen, als ein Nordwind aufkam und die Römer in Furcht versetzte. Er drehte nämlich die Flammenlohe von oben ab und trieb sie gegen die Römer selbst. Und schon gaben diese beinahe alle Hoffnung auf, da es so aussah, als sollten die Kriegsmaschinen in den Flammen aufgehen. Da aber sprang der Wind ganz plötzlich - wie aus göttlicher Vorsehung — nach Süden um. Mit voller Kraft blies er in die entgegengesetzte Richtung gegen die Mauer, brachte die Flammen auf sie zu und setzte so das Ganze schnell bis in die Tiefe in Brand. Nach diesem Erweis göttlichen Beistandes eilten die Römer hocherfreut ins Lager und nahmen sich fest vor, am nächsten Tag die Feinde anzugreifen. Für die Nacht stellten sie mit besonderer Sorgfalt Wachposten auf, damit keiner von den Sikariern heimlich entkommen konnte. Indessen zog Eleasar weder für sich selbst ein Davonlaufen in Erwägung, noch wollte er irgendeinem anderen es gestatten, so zu handeln. Er sah, wie die Mauer vom Feuer aufgezehrt wurde und wußte keinerlei Rettung oder Hilfe mehr. Als er sich zudem noch vor Augen führte, was die Römer im Augenblick ihres Sieges ihnen, den Kindern und Frauen antun würden, beschloß er für alle den Tod . . . Als Eleasar noch fortfahren wollte, die Männer anzuspornen, schnitten ihm alle das Wort ab. Erfüllt von einer stürmischen Begeisterung drängten sie nunmehr zur Tat. Wie besessen liefen sie auseinander, und ein jeder trachtete danach, dem anderen zuvorzukommen. J a , sie glaubten, dies sei die Probe ihrer Tapferkeit und ihres rechten Wollens, daß man nicht noch als einer unter den letzten gesehen werde. Eine so starke Freude hatte sie überkommen, Frauen, Kinder und sich selbst dahinzugehen. Und nicht einmal in dem Augenblick wurden sie entmutigt — was man doch durchaus hätte erwarten können —, als sie der Tat unmittelbar gegenüberstanden. Im Gegenteil, sie wahrten ungeschwächt den Sinn, wie er ihnen innegewohnt hatte, als sie den Worten Eleasars gelauscht hatten. Obgleich sie alle ein leidenschaftliches Mitgefühl mit ihren vertrauten und geliebten Menschen erfaßte, siegte dennoch das Urteil der Vernunft, daß sie nämlich für ihre Lieben das Beste beschlossen hatten. Und alsbald nahmen sie Abschied; sie umarmten ihre Frauen und zogen noch einmal ihre Kinder an sich, unter Tränen bedeckten sie sie mit den letzten Küssen. Im selben Augenblick aber, gleichsam als bedienten sie sich fremder Hände, führten sie ihren Beschluß aus. In dem Gedanken an die Übel, die sie unter den Feinden zu leiden hätten, fanden sie Trost in der grausamen Pflicht, töten zu müssen. So sah man zuletzt niemand, der in der Kraft seines Wagemutes einem anderen nachstand, vielmehr töteten sie alle

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zusammen der Reihe nach ihre Angehörigen. Unglücklich waren sie, zudem in einer Zwangslage, in der ihnen das Töten der eigenen Frauen und Kinder als das noch geringere Übel erschien. Danach freilich vermochten sie den Schmerz über alles, was geschehen war, kaum noch zu tragen. Sie glaubten, daß sie an den Ermordeten Unrecht begingen, wenn sie diese auch nur um eine kurze Zeit noch überlebten. So warfen sie schnell den gesamten Besitz zu einem Haufen zusammen und legten Feuer an ihn. Durchs Los wählten sie darauf zehn Männer aus ihrer Mitte; sie sollten die Mörder aller anderen sein. Dann legte sich ein jeder neben die schon dahingestreckten Seinen, die Frau und die Kinder, schlang die Arme um sie und bot schließlich den Männern, die den unseligen Dienst auszuführen hatten, bereitwillig die Kehle. Ohne Wanken mordeten jene alle insgesamt; darauf bestimmten sie dasselbe Gesetz des Loses auch für sich untereinander. Der ausgeloste Mann hatte die neun zu töten und endlich, nach allen anderen, sollte er auch sich selbst den Todesstoß geben. So sehr verließen sie sich alle aufeinander, daß sich weder im Handeln noch im Erleiden der eine vom anderen unterscheide, und so hielten sie am Ende die Kehlen bereit. Der einsame Letzte aber überschaute ringsum die Menge der Dahingestreckten, ob womöglich jemand bei dem unendlichen Morden am Leben geblieben war und deshalb noch seiner Hand bedürfe. Als er erkannte, daß alle getötet seien, legte er an vielen Stellen Feuer in den Palast. Dann stieß er mit geballter Kraft das Schwert ganz durch seinen Körper und brach neben den Seinen zusammen. Und so starben sie alle in der Meinung, nichts, was eine Seele habe und aus ihrer Mitte stamme, der Gewalt der Römer zurückgelassen zu haben. Es hatten sich aber in den unterirdischen Gängen, die das Trinkwasser durch die Erde leiteten, eine alte Frau versteckt und außerdem eine Verwandte des Eleasar, die an Feingefühl und Bildung weit über den anderen Frauen stand, und schließlich noch fünf Kinder. Sie hatten sich in dem Augenblick versteckt, als die anderen ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Morden gerichtet hielten. Die Zahl der Toten aber belief sich auf 960, Frauen und Kinder miteingerechnet. Dies leidvolle Geschehen ereignete sich am 15.Tag des Monats Xanthikos (73/74 n.Chr.). h) Die Rechtsverhältnisse

nach dem jüdischen

Krieg

Nach dem jüdischen Krieg 7 0 n. Chr. betraf das ganze Land, was im Jahre 6 n. Chr. nur die herodianischen Domänen betroffen hatte: der Kaiser ließ alles Land verkaufen. Judäa erhielt den Rechtsstatus einer kaiserlichen Domäne (saltus). Die zuvor schon tributpflichtigen Bauern wurden zu Teilpächtern fremder Grundeigentümer.

92. Verkauf des Landes und Erhebung einer

Kopfsteuer

Josephus, Bellum Judaicum VII216—218: Um diese Zeit erteilte der Kaiser (Vespasian) dem Bassus und dem Liberius Maximus, letzterer war der derzeitige Schatzmeister, den schriftlichen Befehl, das ganze Land der Judäer zu verkaufen. Denn die Gründung einer eigenen Stadt unternahm der Kaiser dort nicht, er behielt sich also das Land persönlich

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vor. N u r 8 0 0 verabschiedeten Angehörigen des H e e r e s g a b er einen Siedlungsraum, der E m m a u s hieß und 3 0 Stadien von J e r u s a l e m entfernt w a r . Außerdem legte er den Juden, w o i m m e r sie sich aufhalten m o c h t e n , eine Kopfsteuer auf. Jährlich hatten sie zwei D r a c h m e n an das Kapitol zu entrichten, entsprechend der Steuer, die sie vorher an den J e r u s a l e m e r

Tempel

zahlten.

i) Der Aufstand des Bar Kosba Ein letzter Widerstand gegen die römische Herrschaft über Judäa fiel in die Jahre 1 3 2 - 1 3 5 n.Chr. Sein Anlaß war Hadrians Anordnung, in Jerusalem eine Stadt zu gründen, deren Bürger nicht Juden waren, sondern Fremde. Führer des Aufstandes war Simon ben bzw. bar Kosiba/Kosba, der in christlicher Uberlieferung Bar Kokhba heißt. Ein Priester Eleasar, der auf Münzlegenden des ersten Jahres neben ihm genannt wird, hatte keine politische Funktion. Die Intention des Aufstandes findet sich auf den Münzen ebenso ausgesprochen wie in den Urkunden: die Wiederherstellung (g e 'ullä) Israels. Simon beanspruchte in den Urkunden für sich die Befehlsgewalt über die Naturalabgaben, die Loyalität seiner Untergebenen und die Gerichtsbarkeit. Aus der Urkunde Mur 2 4 Β (einem Pachtvertrag) können wir ferner erkennen, daß ein Teil des Landes als Staatsland galt. In allen diesen Momenten haben die Aufständischen offenbar an die römische Administration angeknüpft. Die Wiederherstellung Israels bestand in der Durchführung der Tora-Gesetze: der Einhaltung des Sabbatjahres, des Sabbats, des Laubhüttenfestes, der Verzehntung usw. Die Titulatur ,Fürst Israels' hat Parallelen in den essenischen Schriften vom Toten Meer und ist mit Ezechiel 4 6 zu verbinden. Dort findet sich die Bestimmung, daß der Fürst seinen Dienern Land aus seinem Erbbesitz nicht endgültig, sondern nur bis zum nächsten Erlaßjahr zur Verfügung stellt ( 4 6 , 1 7 ) . Wir schließen mit einer rabbinischen Überlieferung über den Aufstand Bar Kosbas (vgl. E.Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S . 3 5 f . ) .

93. Anlaß und Folgen des Aufstandes Dio Cassius, R ö m i s c h e Geschichte L X I X 12—14 (lebte im 3 . J h . n . C h r . ) : Als er (Hadrian) aber an dem Platz von J e r u s a l e m eine Stadt an Stelle des zerstörten J e r u s a l e m erbauen ließ, die er auch Aelia Capitolina nannte, und auf dem Platz des Tempels einen anderen, dem Z e u s geweihten Tempel errichten ließ, brach ein nicht geringer und nicht kurz w ä h r e n d e r Krieg aus. Die Juden hielten es nämlich für etwas Schreckliches, d a ß irgendwelche F r e m d stämmige in ihrer Stadt angesiedelt und fremde Heiligtümer in ihr errichtet werden sollten . . . Als er (Hadrian) aber fort w a r , fielen sie offen ab. In offener Feldschlacht w a g t e n sie nicht, die R ö m e r anzugreifen, aber das günstige Gelände im L a n d besetzten sie und verstärkten es durch unterirdische Gänge und M a u e r n , d a m i t sie Zufluchtsmöglichkeiten hätten, wenn sie in Bedrängnis gerieten,

und unter der Erde verborgen

zueinander

gelangen

könnten. Die unterirdischen G ä n g e gruben sie n a c h oben auf, damit sie Luft und Lichtschein erhielten. Fürs erste beachteten die R ö m e r sie in keiner Weise. Als aber ganz J u d ä a in Bewegung geraten w a r und die J u d e n überall im L a n d in A u f r u h r k a m e n und sich z u s a m m e n r o t t e t e n und viel Unheil gegen die R ö m e r teils heimlich 5

Kippenberg, Textbuch

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teils offen anrichteten, auch zahlreiche andere Fremdstämmige in der Begierde nach Gewinn sich ihnen anschlossen und sozusagen die gesamte bewohnte Welt darüber in Aufruhr kam, sandte damals Hadrian gegen sie die besten Feldherren ... (Julius Severus) vermochte sie zwar langsamer, jedoch gefahrloser zu erschöpfen, aufzureiben und zu vernichten. Wirklich nur wenige kamen davon. Fünfzig ihrer besten Festungen, 985 ihrer bekanntesten Ortschaften wurden zerstört. 580000 Menschen wurden getötet bei den Streifzügen und den Kämpfen (die Zahl der durch Hunger, Krankheit und Feuer Umgekommenen war nicht feststellbar), so daß fast ganz Judäa zur Wüste wurde. 94. Die Einforderung von Abgaben Murabaat 44: Von Simeon an Jesua ben Galgula. Frieden! Du sollst dich rüsten, fünf Kor Weizen zu schicken durch die Leute meines Hauses, (die) bei dir (sind), (wie) du weißt! Und bereite ihnen (nämlich) für jeden einen Besuchsplatz. Da mögen sie bei dir bleiben den Sabbat über. Sieh zu, daß ihr Herz Wohlgefallen habe. Habe Mut und ermutige (die Männer, die) am Orte sind. Sei im Frieden! Und ich habe einem jeglichen verordnet, daß er dir seinen Weizen geben soll. Nach dem Sabbat sollen sie ihn zurückbringen (darwiegen). 95.

Gerichtsbarkeit

Murabaat 43: Von Sim'on ben Kosiba an Jesua ben Galgula und an die Männer der Festung. Frieden! Ich rufe den Himmel zum Zeugen an wider mich, daß, wenn irgendeiner von den Galiläern, die ich gerettet habe, Schaden erleiden sollte, ich eiserne Fesseln legen werde an eure Füße, gleichwie ich es getan habe mit Ben Aphlul. 96. Simon, Der Fürst Israels Yadin 1: Sim'on Bar Kosiba, Fürst (Nasi) über Israel, an Jehonatan und Masabala. Frieden! 97. Verpachtung von Staatsland Murabaat 24 Β: Am zwanzigsten des Monats im Jahre zwei der Wiederherstellung Israels durch Simon Ben Kosiba, den Fürsten Israels. Im Lager, das sich auf (dem Berg des) Herodes befindet, hat Eleasar, Sohn des Schiloniten zu Hillel ben Garis gesagt: Ich habe freiwillig von dir ein Stück Land gepachtet, welches kraft der Pacht mein ist in Ir Nachasch. Ich habe es gepachtet von Simon dem Fürsten Israels für fünf Jahre. Wenn er es aber nicht bebaut ... und jenes Land, so wird er abgesetzt werden und alles verlieren. Ich habe von dir von heute an gepachtet bis zum Ende des Jahres vor dem Erlaßjahr. Die Pacht

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werde ich dir hier darwägen Jahr um Jahr in gutem und reinem Weizen, 4 Kor und 8 Sea, die verzehntet sein müssen ... nach Erhebung des Zehnten, den ich auf dem Dach des Schatz(hauses) am (Berg des) Herodes Jahr um Jahr darmessen werde. Gültig (ist diese Urkunde). Mir obliegt es dementsprechend. Eleasar, Sohn des Schiloniten, für sich selbst. Simon ben Kosiba, auf Grund seines Befehls. 98. Simon bar Kosba in rabbinischen

Überlieferungen

Palästinensischer Talmud Thaanith 68d, 4 8 - 6 9 a , 22 (übers, v. G.Wewers) (s. auch III 171): Rabbi Schimeon-ben-Jochai (T. um 150) hat gelehrt: mein Lehrer Aqiba (T. gest. um 135) pflegte vorzutragen: Hervorgetreten ist ein Stern („kokab") aus Jakob (4. Mose 24,17). Hervorgetreten ist Kosba 1 aus Jakob. Als Rabbi Aqiba den Bar-Kosba gesehen hatte, hat er gesagt: fürwahr, jener ist der König, der Messias! Rabbi Jochanan-ben-Thorta (T. um 110) hat zu ihm gesagt: Aqiba, es wird Gras auf deinen Kinnbacken (im Grab) gewachsen sein, und noch immer nicht wird der Davidssohn ( = Messias) gekommen sein! Rabbi Jochanan (P. gest. 279) hat gesagt: der (Kriegs-)lärm des Cäsars Hadrian tötete in Beth-Ther 2 achthunderttausend (Mann). Rabbi Jochanan hat gesagt: achtzigtausend Paar von Hornbläsern haben Beth-Ther belagert. Und jeder einzelne (von ihnen) ist Offizier über so (und so) viele Truppen gewesen. Und dort ist Ben-Kosba gewesen, und er hat (mit sich) zweihunderttausend (Mann) mit abgehacktem Zeigefinger gehabt. Die Weisen haben (Boten) geschickt und zu ihm gesagt: wie lange machst du (noch) Israel zu (einem Volk von) Fehlerbehafteten3? Er hat zu ihnen gesagt: aber wie? Wie wäre es (sonst) möglich, sie ( = ihren Mut) zu prüfen? Sie haben zu ihm gesagt: jeder, der nicht auf seinem Pferd reitet und eine Zeder vom Libanon entwurzelt, soll nicht in dein Heer eingeschrieben sein! (Daraufhin) hat er zweihunderttausend solche und zweihunderttausend solche gehabt. Und als er zum Kampf hinausgegangen ist, hat er gesagt: Herr der Welt! Ermutige nicht und entmutige nicht! Bist du nicht Gott? Wir werden hinabsteigen, aber du sollst nicht in unseren Heerscharen (mit) hinausziehen4! Dreieinhalb Jahre hat Hadrian Beth-Ther belagert. Und Rabbi Eleasar von Modai (T. gest. um 135) 5 saß in Sack und Asche und hat jeden Tag gebetet 1 Die Namensform wechselt zwischen Ben-Kosba, Bar-Kosba (so die jüdische Tradition) und Bar-Kochba ( = Kokba, so nach 4. Mose 2 4 , 1 7 ) (die christliche Tradition). Vgl. noch die Texteni. 3 9 , 1 9 1 , 2 0 7 . 2 Das Zentrum des Aufstands im Süden Palästinas. 3 3.Mose 2 1 , 1 6 f f . 4 Im Gegensatz zum AT, wo Gott mit dem Heer Israels zum Kampf auszieht, ist das Selbstvertrauen Ben-Kosbas so groß, daß er Gott nicht benötigt. Vgl. dagegen das folgende Gebet von Rabbi Eleasar von Modai. 5 Dieser berühmte Gelehrte war der Onkel von Ben-Kosba.

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und gesagt: Herr der Welt! Sitze nicht heute zu Gericht (über uns)! Sitze nicht heute zu Gericht (über uns)! Hadrian wollte (bereits) weggehen. Es hat zu ihm ein Samaritaner 6 gesagt: geh nicht weg, denn ich sehe, was zu tun ist, daß die Stadt dir übergeben wird! Er ist von der Wasserleitung der Stadt aus in sie hineingekommen. Er ist gekommen und hat Rabbi Eleasar von Modai im Gebet stehend gefunden. Er hat getan, als flüstere er ihm in seine Ohren. Die Einwohner der Stadt haben ihn (dabei) gesehen und haben ihn vor Ben-Kosba geführt. Sie haben zu ihm gesagt: wir haben diesen Alten mit deinem Onkel schwatzen gesehen! Er hat zu ihm gesagt: was hast du ihm gesagt, und was hat er dir gesagt? Er hat zu ihm gesagt: sage ich es dir, tötet der König ( = Hadrian) mich, und wenn ich es dir nicht sage, tötest du mich. Es ist besser für mich, der König tötet mich und nicht du! Er hat (dann) zu ihm gesagt: er ( = Eleasar) hat zu mir gesagt: ich selbst werde die Stadt (den Römern) übergeben. Er ( = BenKosba) ist zu Rabbi Eleasar von Modai gegangen. Er hat zu ihm gesagt: was hat jener Samaritaner zu dir gesagt? Er hat zu ihm gesagt: gar nichts. Was hast du zu ihm gesagt? Er hat zu ihm gesagt: gar nichts. Er ( = Ben-Kosba) hat ihm einen Fußtritt gegeben und ihn (damit) getötet. Da ist eine Offenbarungsstimme ergangen und hat gesagt: Wehe, nichtsnutziger Hirt, Verlasser der Herde! Ein Schwert auf seinen Arm und auf sein rechtes Auge! Sein Arm soll vertrocknen und sein rechtes Auge erblinden (Sachl,17)! Du hast Rabbi Eleasar von Modai getötet, den Arm von ganz Israel und ihr rechtes Auge! Darum soll der Arm von jenem Mann vertrocknen und sein rechtes Auge erblinden! Da ist Beth-Ther eingenommen worden und Ben-Kosba getötet worden. Man ist mit seinem Kopf zu Hadrian gekommen. Er hat zu ihnen gesagt: wer hat jenen getötet! Ein Samaritaner hat zu ihm gesagt: ich habe ihn getötet. Er hat zu ihm gesagt: zeige mir seinen Penis (oder: Leib)! Er hat ihm seinen Penis gezeigt, (und) er hat eine Schlange darumgekringelt gefunden. Er hat gesagt: wenn nicht die Gottheit es gewesen ist, die ihn getötet hat, wer hätte ihn töten können?! Und er hat über ihn (den Vers) gerufen: Wenn nicht ihr Fels sie verkauft hätte und der Herr sie ausgeliefert hätte (5. Mose 32,30)! Und die (Römer) haben unter ihnen getötet und sind (so weit) gegangen, bis ein Pferd bis zur Nase im Blut versunken ist. Und das Blut hat Felsen von einer Schwere von vierzig Sea ( = ca. 520 kg) fortgewälzt, bis das Blut sich vier Mil ( = ca. 6 km) weit ins Meer ergoß. Wenn du sagst, daß (Beth-Ther) nahe am Meer gewesen ist, (ist das nicht richtig)! Ist es nicht vierzig Mil ( = ca. 60 km) vom Meer entfernt gewesen? Man hat gesagt: dreihundert Kinderschädel hat man (in Beth-Ther) auf einem Stein gefunden, und man hat drei Körbe (voll) von abgeschnittenen Ge-

6 Die Samaritaner hatten sich den Juden bei ihrem Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht angeschlossen. Es lag jedoch nahe, den Verrat der Stadt ihnen als den Erbfeinden zuzuschreiben.

Hellenistische und judäische Herrschaftslegitimation

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betsriemen 7 von (je) sieben (mal) sieben Sea ( = zus. ca. 1 9 0 0 kg) gefunden. Aber manche sagen: (es waren) sieben (Körbe) von drei (mal) drei Sea. Es wird gelehrt: Rabban Schimeon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt: fünfhundert Schulhäuser sind in Beth-Ther gewesen, und das kleinste unter ihnen hatte nicht weniger als fünfhundert Kinder. Und die (Kinder) haben gesagt: wenn die Feinde über uns kommen, ziehen wir mir diesen Schreibstiften gegen sie aus und stechen ihre Augen aus! Und als die Sünden (die Einnahme von Beth-Ther) bewirkten, haben die (Römer) jedes einzelne (Kind) in seine Buchrolle gewickelt und es verbrannt. Und von ihnen allen bin nur ich ( = Schimeon) Übriggeblieben. Und er hat über sein Geschick (den Vers) gerufen:

Mein Auge verletzt meine Seele wegen aller Töchter meiner Stadt (Klagel.

3,51). Der Frevler Hadrian hatte einen großen Weinberg: achtzehn Mil (mal) achtzehn Mil ( = ca. 7 3 0 km 2 ) wie (von) Tiberias nach Sepphoris, und er hat ihn (mit einem) Zaun umgeben. Von Getöteten war Beth-Ther mannshoch und ausgedehnt voll. Aber es wurde über die (Toten von Hadrian) nicht beschlossen ( = erlaubt), daß man (sie) begrabe. Bis ein anderer König ( = Antoninus Pius) erstanden ist, der über sie beschlossen hat, daß man (sie) begrabe.

7. Hellenistische und judäische

Herrschaftslegitimation

a) Die Legitimität der hellenistischen

Herrscher

Die hellenistischen Herrscher erschienen ihren Untertanen als göttliche Wundertäter. Ihre Macht ruhte auf dem Handelsbürgertum der Städte, auf der städtischen Intelligenz sowie auf dem Militär. Die philosophische Begründung für diese Macht ist in neupythagoreischen Fragmenten und mittelplatonischen Texten enthalten. Ihr zentraler Gedanke ist die Identifizierung von Herrschaft und Vernunft. Die religiöse Begründung ist aus offiziellen Titeln und Grußadressen bekannt, die die Notwendigkeit der Herrschaft für die Völker beschwören und sich dazu der Begriffe Retter, Wohltäter, Gott bedienen. Gerade in den religiösen Begriffen der Transzendenz war ein semantisches Potential angelegt, welches die Ungleichheit und die Asymmetrie in einer sozialen Beziehung zum Ausdruck bringen konnte und das zur Herrschaftslegitimation verwendet werden konnte.

99. Der König als das lebende

Gesetz

Diotogenes, Über das Königtum. Exzerpt bei Stobaei Anthologii IV 7 , 6 1 f. (Ed. Hense 2 6 3 , 1 5 - 2 6 4 , 7 und 2 6 5 , 8 - 1 2 ) : Der König wäre der Gerechteste, der Gerechteste aber wäre der Gesetzlichste. Denn ohne Gerechtigkeit gäbe es keinen König, ohne Gesetz (aber keine) Gerechtigkeit. Denn das Gerechte ist im Gesetz, das Gesetz der Urheber des Gerechten, der König aber das lebende Gesetz und der gesetzliche Herrscher. Deshalb ist er der Gerechteste und Gesetzlichste. 7

2. Mose 1 3 , 1 6 ; 5. Mose 6 , 8 , 1 1 , 1 8 ; Mt. 2 3 , 5 .

70

I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

Die Tätigkeiten des Königs sind drei: das Heer führen, Recht setzen und die Götter verehren. Er kann das Heer gut führen, da (bzw. wenn) ihm gegeben ist, gut Krieg zu führen; er setzt Recht und hört alle seine Untertanen, da (wenn) er die N a t u r des Gerechten und des Gesetzes gut erkannt hat; er verehrt die Götter f r o m m und heilig, da er N a t u r und Können Gottes bedacht hat. Daher ist der vollkommene König notwendigerweise guter Feldherr, Richter und Priester ... Denn der Staat (Polis), zusammengefügt aus Vielen und Verschiedenen, bildet die Ordnung und Harmonie des Kosmos ab, und der König, der eine uneingeschränkte Herrschaft innehat und in seiner Person das lebende Gesetz ist, stellt Gott unter den Menschen dar. 100. Die Harmonie im Staat Ekphantos, Über das Königtum. Exzerpt bei Stobaei Anthologii IV 7,64 (Ed. Hense 2 7 5 , 1 5 - 2 7 6 , 9 und 2 7 8 , 8 - 1 2 ) : Die Verbundenheit (Philia) im Staat, die ein gemeinsames Ziel hat, bildet die Einmütigkeit (Homonoia) des Alls nach. Ohne Ordnung betreffs der Herrschaft würde kein Staat verwaltet werden (können). Dazu benötigen das Herrschende und das Beherrschte Gesetze und eine politische Leitung, wenn sie irgendwie bewahrt werden sollen (?). Das gemeinsame Gute, das daraus (hervorgeht), ist eine Harmonie und eine Einmütigkeit aller, die kraft Überzeugung übereinstimmt. Wer gemäß der Tugend herrscht, wird König genannt und ist es (auch), da er dieselbe Verbundenheit und Gemeinschaft seinen Untertanen gegenüber besitzt, die Gott gegenüber dem Kosmos und den Wesen in ihm hat. Es m u ß eine vollkommene Gutwilligkeit aufgerichtet werden zuerst vom König zu den Beherrschten, zweitens aber von den Beherrschten zum König, vergleichbar der eines Erzeugers gegenüber dem Sohn, eines Hirten gegenüber der Herde, eines Gesetzes gegenüber denen, die es einhalten... Welche von selbst das Gute tun, haben keine Achtung vor Überredung, denn sie haben auch keine Furcht vor dem Zwang. Es könnte aber der König allein in der N a t u r des Menschen dieses Gute bewirken, so daß sie durch Nachahmung von ihm, dem Überlegenen, dem Rechten folgt. 101. Das Heil der Herrschaft Philo, De somniis II 154: Denn die Herrschaftslosigkeit (Anarchia) ist gefährlich, die Herrschaft aber etwas heilbringendes, und besonders die, in der Gesetz und Gerechtigkeit geachtet sind; das aber ist die Herrschaft, die mit Vernunft ausgeübt wird. 102. Der

Kaiserkult

Dittenberger Band II 458 (übersetzt von K.Latte S.24): [Brief des Prokonsuls Paullus Fabius Maximus an den Provinziallandtag von Asien v. J. 9 v. Chr. Anfang verloren.]

Hellenistische und judäische Herrschaftslegitimation

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(Schwer ist zu sagen), ob der Geburtstag des göttlichen Kaisers mehr Freude oder Vorteil gebracht hat; wir täten recht, achteten wir ihn gleich dem Anfang des Alls, wenn auch nicht dem Ursprung, so doch dem Nutzen nach; denn alles verfiel und wandte sich zum Unheil, da hat er es wieder aufgerichtet und gab der ganzen Welt ein anderes Aussehen, die sich den Untergang wünschte, wäre nicht, ein Glück für alle, der Kaiser geboren. Deshalb darf man mit Recht als Anfang von Leben und Dasein betrachten, was dem Bedauern, geboren zu sein, Ende und Ziel gab. Da nun mit keinem Tage man zu öffentlichem und privatem Vorteil glücklicher beginnen könnte, als mit diesem, der allen Glück gebracht hat, und da ohnehin in dieser Zeit der Amtsantritt in den Städten Kleinasiens liegt, eine Ordnung, die offenbar nach göttlichem Willen so gefügt ist, um Anlaß zu einer Ehrung des Augustus zu werden, und da es ferner schwer ist, seinen außerordentlichen Wohltaten Gleiches zu vergelten, wenn wir nicht eine neue Form des Dankes ersinnen, da ferner die Menschen lieber noch den Geburtstag ihrer aller feiern, wenn auch ein besonderer Anlaß für sie durch den Amtsantritt vorliegt, bin ich der Meinung, für alle Städte sollte als neuer Jahresanfang der Geburtstag des göttlichen Kaisers gelten. (Beschluß des Provinziallandtages der Provinz Asien) Beschluß der Hellenen in Asien auf Antrag des Oberpriesters Apollonios, Sohn des Menophilos, aus Azanoi: Da die Vorsehung, die unser Leben ordnet, in Fürsorge und Eifer unser Dasein mit dem höchsten Schmuck gekrönt hat, da sie Augustus hervorbrachte, den sie zum Segen der Menschen mit jeglicher Tugend erfüllte, uns und unseren Nachkommen als Retter, der den Kampf beendet, der alles ordnet, und da Cäsars Erscheinen die Hoffnungen vorangehender (Zeiten) überboten hat, weil er nicht allein die vor ihm lebenden Wohltäter der Menschen übertraf, sondern auch den künftigen jede Hoffnung nahm, es ihm zuvorzutun, der Geburtstag des Gottes aber für die Welt die erste von ihm ausgehende Freudenbotschaft war (so wird der Vorschlag des Prokonsuls nebst Ehrungen für diesen angenommen).

b) Der Widerspruch zwischen Orient und Okzident D a ß der Gegensatz zur römischen Herrschaft sich vor allem am Tribut entzündete, setzt das sibyllinische Orakel aus dem 2 . J h . v . C h r . voraus. Daniel thematisiert die Fremdherrschaft in bezug auf den Kult. Dem Reich der Babylonier — Meder — Perser und Griechen folgt - ausgelöst durch das seleukidische Sakrileg am jüdischen Kult und Gesetz - die Übertragung der Herrschaft auf das Volk der Heiligen des Höchsten. Es ist wahrscheinlich, daß das Orakel eines jüdischen Weltenherrschers, das den Aufstand gegen R o m motivierte ( 6 6 n . C h r . ) , sich auf den Menschensohn von Daniel 7 bezog. Voraussetzung für ein solches Orakel w a r eine Messiasvorstellung, nach welcher der Messias Repräsentant eines Kollektivs war. Die römischen Historiker bezogen das Orakel auf Vespasian.

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

103. Prophezeiung der Unterwerfung Roms durch Asien Sibyllinische Orakel III 3 5 0 - 3 5 4 : Wieviel von dem tributbringenden Asien Rom empfangen hat, dreimal so viel Gold wird wiederum Asien von Rom empfangen und wird an ihm den verderblichen Übermut rächen. Wieviele aber aus Asien im Hause der Italer Sklaven gewesen sind, zwanzigmal so viel Italer werden in Asien dienen in Armut, und sie werden jeder Tausende schulden.

104. Die endzeitliche Herrschaft des Volkes der Heiligen des Höchsten Daniel 7 , 2 3 - 2 7 : Das vierte Tier bedeutet: ein viertes Reich wird auf Erden sein, verschieden von allen andern Reichen; das wird die ganze Erde verschlingen, wird sie zerstampfen, zermalmen. Die zehn Hörner bedeuten: aus diesem Reiche werden zehn Könige aufstehen, und ein andrer wird aufstehen nach ihnen; der wird verschieden sein von den frühern, und er wird drei Könige stürzen. Er wird Reden wider den Höchsten führen, und die Heiligen des Höchsten wird er quälen und wird trachten, Zeiten und Gesetz zu verändern; und sie werden in seine Gewalt gegeben sein bis auf eine Zeit und (zwei) Zeiten und eine halbe Zeit. Dann aber wird das Gericht zusammentreten, und jenem König wird die Macht genommen werden, endgültig zerstört und vernichtet. Und das Reich und die Herrschaft und die Macht über alle Reiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden. Ihr Reich ist ein ewiges Reich, und alle Mächte müssen ihnen dienen und Untertan sein.

105. Die Abfolge von Weltreichen Velleius Paterculus I 6 (lebte im 1. Jh. v.Chr.): Aemilius Sura ( 1 8 9 - 1 7 1 v.Chr.) sagt in seinen Jahrbüchern des Römischen Volkes: Zuerst von allen Völkern bemächtigten sich die Assyrer der Weltherrschaft, dann die Meder, dann die Perser, endlich die Makedonier. Als dann erst Karthago unterworfen und bald darauf die beiden von den Makedonien! abstammenden Könige Philippus und Antiochus besiegt waren, ging die Weltherrschaft auf die Römer über. Zwischen diesem Zeitpunkt und dem Anfang der Regierung des Assyrischen Königs Ninus, der der erste Weltherrscher war (princeps rerum), sind 1995 Jahre vergangen.

106. Die Bedeutung eines Orakels im jüdischen Krieg Josephus, Bellum Judaicum VI 312—314: Was sie aber am meisten zum Krieg aufstachelte, war eine zweideutige Weissagung, die sich ebenfalls in der heiligen Schrift fand, daß in jener Zeit einer aus ihrem Land über die bewohnte Erde herrschen werde. Dies bezogen sie auf einen aus ihrem Volk, und viele Weise täuschten sich in ihrem Urteil. Der Gottesspruch zeigt vielmehr die Herrscherwürde des Vespasian an, der in

Hellenistische und judäische Herrschaftslegitimation

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Judäa zum Kaiser ausgerufen wurde. Aber es ist ja den Menschen nicht möglich, dem Verhängnis zu entrinnen, auch wenn sie es voraussehen.

107. Die Prophezeiung von der Erstarkung des Orients Tacitus, Historien V 13 ( 1 . J h . n.Chr.): Die Mehrzahl (der Juden) war überzeugt von dem in den alten priesterlichen Aufzeichnungen enthaltenen Wort, daß zu eben dieser Zeit der Orient erstarke und daß man von Judaea aus sich der Weltherrschaft bemächtigen werde. Dieser rätselhafte Ausdruck hatte auf Vespasian und Titus hingedeutet, die Volksmenge aber legte menschlicher Begehrlichkeit entsprechend diese so hochwichtige Weissagung zu ihren Gunsten aus und ließ sich nicht einmal durch allerhand Mißerfolge zur Anerkennung der Wahrheit bekehren.

108. Die Erwartung eines Weltherrschers aus Judäa Sueton, Vespasian IV, 9 f . (lebte im 1./2. Jh. n.Chr.): Es hatte sich im ganzen Orient eine alte und beständige Ansicht verbreitet, daß es das Schicksal sei, daß man sich zu dieser Zeit von Judaea aus der Weltherrschaft bemächtigen werde. Diese Weissagung, die sich auf den römischen Imperator bezog, wie nach dem Geschehen deutlich wurde, bezogen die Judäer auf sich und erhoben sich.

c)

Messianismus

In der jüdischen Messiaslehre der Antike können wir zwei Vorstellungskomplexe unterscheiden. Im einen gilt der Messias als Sohn Davids, den Gott erwählt hat. Die pharisäische Messiaslehre, die zuerst in den Psalmen Salomos ( l . J h . v . C h r . ) begegnet, vertritt diese dynastische Legitimierung des Herrschers. Die hasmonäische Herrschaft erweist sich angesichts dieses Gesichtspunktes als illegitim und kann nur durch göttliches Eingreifen vernichtet werden. Zwischen dem Messias und dem Volk besteht hier keine andere Verbindung als die der göttlichen Erwählung. Der zweite Vorstellungskomplex, den wir mit Texten vom l . J h . v. bis zum 2 . J h . n . C h r . dokumentieren, stellt sich den Herrscher als Vertreter einer Gruppe vor. Diese untergliedert sich in Priester und Laien, so daß zwei Messiasse erwartet werden (E.Lohse, Umwelt des Neuen Testaments S . 7 7 ) . Das Königtum wird dabei dem Priestertum untergeordnet. Die Legitimität von Herrschaft besteht in der Übereinstimmung zwischen Herrscher und Gruppe. Der Messias Israels ist Führer des Heerbannes. E r setzt die Tradition wieder in Geltung, die durch die Fremdherrschaft aufgehoben worden war. Simon bar Kosiba, der selbst nicht davididischer Herkunft gewesen zu sein scheint, hat auf diesen Vorstellungskomplex zurückgegriffen.

109. Pharisäische Erwartung eines davididischen

Messias

Psalmen Salomos 1 7 , 4 - 1 0 . 2 1 - 2 5 : Du, Herr, hast David zum König über Israel erwählt, und du hast ihm geschworen in bezug auf seinen Samen in Ewigkeit, daß sein Königtum nicht aufhören werde vor dir. Und auf Grund unserer Sünden erhoben sich Sünder gegen uns.

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

Es griffen uns an und vertrieben uns die, denen du keine Verheißung gegeben hast. Sie raubten mit Gewalt und priesen nicht deinen ehrwürdigen Namen. Im Glanz nahmen sie auf Grund ihres Hochmutes die Königswürde, verwüsteten den Thron Davids in lärmendem Übermut. Und du Gott warfst sie nieder und nahmst ihren Samen aus dem Land hinweg, indem ein Mensch, fremd unserem Stamm, gegen sie auftrat. Nach ihren Sünden vergaltst du ihnen, Gott, damit sie erlangen gemäß ihren Werken. Gott hat sich ihrer nicht erbarmt, er erforschte ihren Samen und entließ keinen von ihnen. Getreu ist der Herr in allen seinen Gerichten, die er auf Erden übt. Sieh, Herr, und laß ihnen ihren König, Davids Sohn, erstehen, zu der Zeit, die du, Gott, erwählt hast, damit er über deinen Knecht Israel herrsche. Gürte ihn mit Kraft, daß er ungerechte Herrscher vernichte, Jerusalem reinige von den Heiden, die es ins Verderben niedertreten, in weiser Gerechtigkeit die Sünder vom Erbgut wegstoße, den Übermut des Sünders wie Töpfergefäße zerschlage, mit eisernem Stabe ihr ganzes Wesen zerschlage, die ungesetzlichen Heiden mit dem Wort seines Mundes vernichte, die Heiden vor ihm auf Grund seiner Drohung fliehen, und er die Sünder zurechtweise wegen ihres Herzens Gedanken.

110. Die beiden Messiasse Aarons und Israels Gemeinschaftsregel aus Qumran 1 QSa II 11—17: Dies ist die Sitzung der angesehenen Männer, geladen zur Versammlung für den Rat der Gemeinschaft, wenn Gott geboren werden läßt den Messias unter ihnen. Es trete der Priester an der Spitze der ganzen Gemeinde ein und alle seine Brüder, die Söhne Aarons, die Priester, die zur Versammlung Geladenen, die angesehenen Männer. Und sie sollen sich setzen vor ihm, jeder entsprechend seiner Würde. Und danach setze sich der Messias Israels. Und es sollen sich vor ihm setzen die Häupter der Tausendschaften Israels, jeder entsprechend seiner Würde, nach seiner Stellung in ihren Lagern und nach ihren Stationen. Und alle Familienhäupter der Gemeinde mit den Weisen der heiligen Gemeinde sollen vor ihnen sitzen, jeder entsprechend seiner Würde.

111. Der Vorrang des Priestertums vor dem Königtum Testamente der zwölf Patriarchen, Testament Ruben VI 7—11: Denn Levi gab der Herr die Herrschaft und Juda mit ihm. Und mir und Dan und Joseph Regenten zu sein. Darum befehle ich euch, auf Levi zu hören, denn er wird Kenntnis des Gesetzes Gottes haben; und er wird Anweisung geben für (die) Rechtsprechung und wird opfern für ganz Israel bis zur Vollendung der Zeiten. Ich beschwöre euch beim Gott des Himmels, die Wahrheit

ökonomische Klassen

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zu üben jeder gegenüber seinem Nächsten und Liebe zu hegen jeder gegenüber seinem Bruder. Und nahet euch Levi in Demut des Herzens, damit ihr Segen aus seinem Mund empfangt, denn er wird Israel und Juda segnen. Denn ihn (Juda) hat der Herr erwählt, über das ganze Volk zu herrschen.

8. ökonomische Klassen a) Traditionales und hellenistisches Schuldrecht Nehemia 10,31—38 überliefert eine Abmachung, in der Priester, Leviten und Laienhäupter von Nehemia auf die Befolgung ausgewählter Gesetze vereidigt wurden (432 v.Chr.). Sie anerkannten folgende Verpflichtungen: Trennung von den Völkern des Landes, Verzicht auf Bodenertrag und auf Schuldhaftung im siebten Jahr (in Anlehnung an Ex. 2 3 , 1 1 und Dtn 15,2) sowie die Ablieferung von bestimmten Abgaben an Tempel und Priesterschaft. Während die Brache des Landes im Sabbatjahr später zahlreichen Nachrichten zufolge praktiziert wurde, war der Erlaß der Schulden umstritten. Während die essenische Gemeinschaftssiedlung am Toten Meer ihn kannte, hoben die Pharisäer ihn mit einem juristischen Kniff auf, als dessen Urheber Hillel der Ältere galt (etwa 60v.-20n.Chr.). An die Stelle eines Haftungsverhältnisses, das sich auf Land und Person des Schuldners bezog und ein begrenztes Nutzungsrecht begründete, trat der aus griechischem Recht bekannte Eigentumszuschlag (Prosbole), durch den der Gläubiger die Güter des Schuldners zu eigen erhielt. Eine Schuldurkunde aus dem 1.Jh. n.Chr. bezeugt die juristische Praxis der Eigentumsübertragung. Die deuteronomische Regelung der Verschuldung diente der Hierokratie als Mittel, die Entwicklung von Großgrundbesitz in Laienhand zu verhindern, und war im Interesse der judäischen Bauern (vgl. Neh. 5 , 1 - 1 3 ) . Daß es die städtischen Pharisäer waren, die diese Bestimmung aufhoben, zeigt deren Interesse an der Ausweitung von Handel und Kredit.

112. Die Praktizierung des Sabbatjahres l.Makkabäer 6 , 4 2 : Mit denen in Bathsura Schloß (der König Antiochos Eupator) Frieden, und sie kamen aus der Stadt heraus, denn weil sie keine Nahrungsmittel hatten, konnten sie sich in ihr nicht mehr belagern lassen, denn das Land hatte Sabbat.

113. Tacitus Beurteilung des jüdischen Sabbatjahres Tacitus, Historien V 4 : Da das Nichtstun (den Juden) Freude macht, wird auch jedes siebte Jahr dem Müßiggang geweiht.

114. Sabbat- und Jobeljahr in der Darstellung von ]osephus Josephus, Antiquitates Judaicae III 2 8 0 - 2 8 2 : Diese Gesetze gab Mose, damit sie noch bei seinen Lebzeiten beobachtet würden; doch gab er auch einige Vorschriften in der Wüste, die für später gelten sollten, wenn die Hebräer Kanaan in Besitz genommen hätten. In jedem siebten Jahr gewährte er dem Land Ruhe von Pflügen und Pflanzen,

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

wie er auch ihnen vorgeschrieben hatte, am siebten Tage von der Arbeit zu ruhen. Was die Erde aber in diesem Jahr von selbst trüge, sollte gemeinsames Eigentum sein und sowohl Fremden wie Einheimischen zugute kommen, und es sollte davon nichts aufbewahrt werden. Dieses soll auch nach sieben Jahrwochen geschehen. Diese Periode beträgt insgesamt fünfzig Jahre, von den Hebräern aber wird das fünfzigste Jahr Jobel genannt. In ihm werden den Schuldnern die Schulden erlassen und die Versklavten werden freigelassen, und zwar jene, die Stammesgenossen sind und auf Grund der Übertretung eines der Gesetze nicht zum Tode verurteilt wurden, sondern mit äußerlicher Sklaverei bestraft wurden.

115. Die Praktizierung der

Pfandhaftung

Damaskusschrift CD 1 0 , 1 8 : Nicht soll man (am Sabbattag) bei seinem Nächsten etwas als Haftungspfand nehmen.

116. Das Ideal des

Schuldenerlasses

Reden Mosis aus Qumran 1 Q 2 2 III 4—6: Auch sollst du in jenem J a h r Erlaß gewähren. Jeder Gläubige, der bei jedem etwas als Pfand genommen hat oder der ein Pfand auf seinem Bruder hat, soll seine Hand vom Nächsten lassen, denn es ist der Erlaß verkündet worden zur Ehre Gottes, eures Gottes. Den Fremden darf man drängen, den Bruder dränge man nicht.

117.

DerProsbol

Mischna Schebiit 1 0 , 2 - 4 : Wer auf ein Pfand ausgeliehen hat und wer die Schuldscheine dem Gericht übergeben hat — in beiden Fällen wird nicht erlassen. Hat man einen Prozböl vereinbart, erläßt es nicht. Das ist eines von den Dingen, die Hillel der Alte verordnete. Als es sah, daß das Volk sich abhalten ließ, sich gegenseitig auszuleihen . . . verordnete Hillel den Vorbehalt. Das ist das Formular eines Vorbehaltes: ,Ich übergebe euch, dem Mann N . N . und N . N . und zwar als Richtern, die in dem Ort N . N . sind, (die Erklärung), daß ich jede Schuld, die mir zusteht, jederzeit wenn ich will, einfordern darf'. Und die Richter unterzeichnen unten oder die Zeugen.

118. Eine

Schuldurkunde

Murabaat 18: (Am . . . des Monats . . . im) zweiten Jahr des Kaisers Nero hat sich in Siwajä Absalom Sohn des Hanin aus Siwajä einverstanden erklärt, daß in seiner Anwesenheit von mir geliehen worden ist: ich Zakarjä Sohn des J e höhanan, Sohn des . . . wohnhaft in Keslon, habe das Geld von zwanzig Denaren (als Darlehen) erhalten. Ich (werde es zurückzahlen am . . . und wenn) ich es nicht zurückerstatte bis zu diesem Termin, so wird es dir bezahlt werden mit einem

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ökonomische Klassen

Fünftel (als Zins) und es wird vollständig bezahlt w e r d e n in diesem Erlaßjahr (bzw. a u c h wenn ein Erlaßjahr eintritt). Und w e n n ich es nicht tun sollte, wird dir E r s a t z aus meinen Gütern (Mobilien) sein, und an dem, w a s ich erwerben werde, hast du das Aneignungsrecht.

b) Schuldknechtschaft und Sklaverei Das judäische Volksrecht beschränkte nicht allein die Haftungspflicht, sondern zugleich auch die persönliche Versklavung. Der lateinische Agrarschriftsteller Varro unterschied aus römischer Sicht zwischen Sklaven und freien Arbeitern. Zu den Freien zählte er arme Kleinbauern, Tagelöhner und Schuldner (obaerarii), welche es zahlreich in Asien, Ägypten und Illyrien gäbe (De re rustica 1 , 1 7 , 2 ) . Auch in Judäa existierte zwischen Judäern Schuldknechtschaft, die den Betroffenen nicht aus dem Geltungsbereich der ethnischen Beziehungen ausschloß, während in der hellenistischen Gesellschaft Sklaverei einen Ausschluß aus dem positiven Recht des politischen Verbandes beinhaltete. Dieser Gegensatz liegt dem Konflikt zugrunde, von dem Josephus berichtet: Herodes dekretierte den Verkauf von Einbrechern, den das at. Gebot Ex. 2 2 , 3 vorsieht, ins Ausland, was als Verletzung von Dtn. 1 5 , 1 2 und E x . 2 1 , 1 6 / D t n . 2 4 , 7 galt. Diese Maßnahme gehört in den Zusammenhang der Behandlung Judäas als Oikos des Herrschers und erschien daher als Tyrannei. Die Pharisäer trugen gegen die innerjüdische Schuldknechtschaft keine Bedenken, die sie streng von der Versklavung Fremder unterschieden (zu den sog. kanaanäischen Sklaven Lev. 25,44—46). Dagegen haben die Essener nach Berichten von Philo und Josephus die Sklaverei, worin die innerjüdische Schuldknechtschaft eingeschlossen ist, nicht praktiziert, was einen Grund in der essenischen Rückwendung zu den Traditionen ethnischer Solidarität hatte. Das gilt jedoch nur für die Gemeinschaftssiedlung am Toten Meer, nicht für die verstreut lebenden Gruppen.

119. Die Mißachtung der Schuldknechtschaft durch Herodes Josephus, Antiquitates J u d a i c a e X V I 1 — 5 : Indem er sich bemühte, alle Angelegenheiten des Staates zu regeln, ließ der König (Herodes) es sich angelegen sein, die verschiedenen Übeltaten in Stadt und L a n d abzustellen, und erließ ein Gesetz, das den früheren

durchaus

unähnlich w a r , und erteilte ihm selbst Rechtskraft: E r ließ die Einbrecher zur Ausfuhr aus dem Königreich verkaufen, w a s nicht nur eine allzu schwere Strafe für die Bestraften w a r , sondern auch eine Verletzung der Gesetze der V ä t e r in sich barg. F r e m d e n , die nicht die gleiche Lebensweise einhielten, Sklavendienste leisten zu müssen und gezwungen zu sein, alles w a s jene anordneten, zu befolgen, ist ein Vergehen gegen die religiösen und nicht eine Z ü c h t i g u n g der E r t a p p t e n ,

Vorschriften

zumal in den alten

Gesetzen

solcherart vorgesehen w a r : Die Gesetze bestimmen nämlich, d a ß der Dieb das Vierfache erlegen muß, ist er aber dazu nicht imstande, so soll er z w a r verkauft werden,

jedoch

nicht an F r e m d e und nicht in

immerwährende

Sklaverei, da er ja n a c h sechs J a h r e n entlassen werden mußte. Dieses Gesetz aber, so wie es d a m a l s als harte und gesetzwidrige Strafe bestimmt w u r d e , erschien als Teil des Ü b e r m u t s des Herodes, der die Strafe nicht in der A r t eines Königs, sondern n a c h T y r a n n e n a r t , unter M i ß a c h t u n g der gemeinsamen

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

Angelegenheiten der Beherrschten, festgelegt hatte. Diese Handlung, die mit seinem übrigen Gebaren im Einklang stand, war Teil der Anklagen und des Hasses gegen ihn. 120. Die Schuldknechtschaf t Mekilta de-Rabbi Ishmael, Nezikin 13: „Er soll um sein Gestohlenes verkauft werden" (Ex. 22,2) d.h. nicht für weniger und nicht für mehr (der Wert des zu verkaufenden Diebes muß genau dem Wert der gestohlenen Sache entsprechen; andernfalls darf der Verkauf nicht stattfinden). R. Jehuda (um 150; richtiger wohl R. Jehosua um 90) sagte: Wenn er weniger gestohlen hat, als er wert ist, darf er nicht verkauft werden; hat er mehr gestohlen, als er wert ist, steht es dem Bestohlenen frei: will er ihn verkaufen, so darf er ihn verkaufen; will er es nicht, so schreibt er ihm einen Schuldbrief. 121. Die Dauer der

Schuldknechtschaft

Mekilta de-Rabbi Ishmael, Nezikin 1: „Im siebenten Jahr soll er (frei) ausgehn" (Ex. 21,2). Das ist das siebente vom Verkauf her. Du sagst: Das siebente vom Verkauf her; oder meint die Schrift nicht vielmehr das siebente von den (Kalender-)Jahren? Die Schrift sagt lehrend: „Sechs Jahre soll er dienen", also ist das siebente vom Verkauf her und nicht das siebente von den (Kalender-) Jahren gemeint. 122. Der Unterschied zwischen Schuldknechten und Fremdsklaven Mischna, eAr akin 8,4f.: Wenn ein Mensch etwas von seinem Kleinvieh, von seinem Großvieh, von seinen kanaanäischen Sklaven und Sklavinnen und von seinem Erbfeld bannt — und wenn er alles bannt, sind sie nicht gebannt — Worte Rabbi Eli'ezers (90—130 n.Chr.) ... Wenn einer seinen Sohn, seine Tochter, seinen hebräischen Sklaven und Sklavin und sein gekauftes Feld bannt, sind sie nicht gebannt; denn kein Mensch bannt etwas, das ihm nicht gehört. 123. Die Fremdsklaverei Mischna, Kidduschin 1,3: Ein kanaanäischer Sklave wird durch Geld, durch Vertrag oder durch unbestrittenes Besitztum erworben. Er erlangt seine Freiheit durch das Geld, das andere geben, oder durch einen Freibrief in seiner Hand. 124. Der Status von Kindern unverheirateter Frauen Mischna, Kidduschin 3,12: In jedem Fall, in dem eine Frau weder mit einem bestimmten (Israeliten) noch mit irgendeinem anderen eine gültige Verlobung eingehen konnte, da hat ihr Kind ihren Status. Welcher ist das? Es ist das Kind einer Sklavin oder einer Nichtjüdin.

ökonomische Klassen

125.

Das Ideal der Gleichheit

bei den

79

Essenern

Philo, Quod omnis probus liber sit § 7 9 : Sie haben unter sich nicht einen einzigen Sklaven; vielmehr sind alle frei und helfen sich gegenseitig. Sie verurteilen die Herren nicht nur als ungerecht, weil sie die Gleichheit verletzen, sondern auch als gottlos, weil sie das Gesetz der Natur mißachten, die ja alle Menschen in gleicher Weise wie eine Mutter geboren und genährt hat und sie so zu richtigen Brüdern gemacht hat, nicht nur dem Namen nach, sondern in voller Wirklichkeit. c)

Schuldgefangenschaft

Das neutestamentliche Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht unterscheidet zwei Arten der Vollstreckung im Falle der Zahlungsunfähigkeit. In der ersten droht der König, den staatlichen Funktionär samt Frau, Kindern und Besitz zu verkaufen und davon die Schuld zu bezahlen. In der zweiten läßt der Gläubiger einen Schuldner ins Gefängnis werfen, bis die Schuld (von der Familie) bezahlt ist (Mt. 18,23—35). Bei dem ersten Verfahren haben wir es mit einer administrativen Vollstreckung gegen einen Steuerschuldner, im zweiten (das Mt. 5 , 2 5 f . / L k . 12,58f. eine Parallele hat) mit einer prozessualen Vollstreckung gegen einen privaten Schuldner zu tun. Von einem Schuldgefängnis spricht neben den neutestamentlichen Ausführungen auch Josephus, als er auf die Bestechlichkeit des Procurators Albinus (62—64 n.Chr.) zu sprechen kommt. 126.

Schuldgefängnis

Josephus, Bellum Judaicum II 2 7 3 : Er ließ die, die vom zuständigen R a t (boule) oder von früheren Procuratoren wegen Räuberei gefangengesetzt worden waren, den Verwandten frei, und ausschließlich derjenige, der den Gefängnissen nichts geben konnte, blieb als Verbrecher über. d) Grundeigentum:

Kleinbauerntum

Die Texte, die das Grundeigentum in Palästina behandeln, können in mehrere Gruppen eingeordnet werden. Eine erste sieht den Boden als den Besitz von Kleinbauern an, der unverkäuflich ist, und der von Mose verteilt worden war. Hekataios Erzählung (4./3. Jh. v.Chr.) erinnert an die des Plutarch über Lykurg, der das spartanische Land in gleiche Lose aufgeteilt habe. Die Existenz einer freien Bauernschaft, die den eigenen Boden bearbeitet, ist für das judäisch-samarische Palästina durchaus wahrscheinlich, nicht jedoch die Aussage über den größeren Landbesitz der Priester. Die Unverkäuflichkeit des Bodens, die ihren Ausdruck in Jahwes Eigentum an Land fand (Lev. 25,23), wird von Hekataios in kritischer Absicht der hellenistischen Klassengesellschaft vorgehalten. Der Aristeasbrief trägt die Form eines Berichtes, den ein ägyptischer Beamter des Königs Ptolemaios II. Philadelphos (283—246 v.Chr.) über seine Mission zum Hohenpriester Eleasar erstattet hatte. Innere Indizien machen wahrscheinlich, daß er von einem Juden verfaßt wurde, zeitlich in die Hasmonäerzeit gehört und zwischen 130 und 100 v.Chr. entstand. Die Schilderung des Landes mit den Augen eines hellenistischen Heiden hebt die Vernünftigkeit hervor, in der Stadt und Dorf, Handel, Hand-

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

werk und Ackerbau einander zugeordnet sind. Auch wenn der judäische Staat unter dem Gesichtspunkt einer Kritik an hellenistischer Verstädterung utopisch verzeichnet wird, gibt der Bericht einen Eindruck von der judäischen Wirtschaft zur hellenistischen Zeit, die durch die Zunahme des Handels gekennzeichnet war. Neben der Angabe von sechzig Millionen Aruren Land, die viel zu hoch ist, begegnet bei PseudoHekataios die von drei Millionen (Josephus, Contra Apionem I 195). Auch Aristeas setzt eine egalitäre Aufteilung des Bodens in Parzellen voraus. Josephus begründete das Schweigen griechischer Historiker über die Juden damit, daß Judäa ein Binnenstaat ohne ausgeprägten Handel gewesen sei. Seit der Zeit der Hasmonäer und der von ihnen vorgenommenen Angliederung der Hafenstadt Joppe hatte sich dies allerdings geändert.

127. Die gerechte Verteilung des Landes durch Mose Hekataios von Abdera bei Diodorus Siculus X L 3 , 7 : (Mose sie!) führte Feldzüge in die benachbarten Gebiete der Stämme, eroberte viel Land und verteilte es durch das Los, so daß er den privaten Bürgern gleichgroße Landlose zuteilte, den Priestern aber größere, damit sie größere Einnahmen empfangen und ohne Ablenkung beständig sich mit dem Gottesdienst beschäftigen. Den privaten Bürgern war es nicht erlaubt, ihre Landlose zu verkaufen, damit nicht einige aus Habsucht die Landlose aufkaufen, die Ärmeren herausdrängen und Menschenmangel herbeiführen.

128. Die Wirtschaft

Judäas

Aristeasbrief 107 f. und 1 1 2 - 1 1 6 : Das Land ist nämlich groß und schön. Da ein Teil, und zwar das sogenannte Samaria und das an Idumäa grenzende Gebiet, eben, ein anderer aber gebirgig ist, müssen (dort) Ackerbau und Landwirtschaft ununterbrochen betrieben werden, damit dadurch auch jener gut mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen versorgt wird. Und da dies auch geschieht, wird alles in dem gesamten, oben genannten Gebiet mit hohen Erträgen angebaut. Große und entsprechend reiche Städte haben nämlich viele Einwohner, die ländlichen Gebiete aber werden vernachlässigt, da alle sich den Vergnügungen zuwenden, zumal die Menschen sämtlich von Natur aus den Lüsten zugeneigt sind . . . Die Anstrengungen in der Landwirtschaft sind gewaltig, und ihr Land ist dicht bepflanzt mit ölbaumhainen, Getreide und Hülsenfrüchten, dazu (gibt es) noch Wein und viel Honig; Obst und Feigen sind unermeßlich bei ihnen. Auch vielerlei Vieh (findet man) und reichliches Weideland dafür. Deshalb haben sie zu Recht darauf geachtet, daß das Gebiet viele Menschen braucht, und Stadt und Dörfer in einem vernünftigen Verhältnis zueinander angelegt. Es kommt auch eine große Menge an Spezereien, Gold und Edelsteinen durch die Araber ins Land: dies ist nämlich zum Ackerbau wie zum Handel geeignet, und die Stadt beherbergt viele Künste und kennt keinen Mangel an überseeischen Waren. Sie hat nämlich auch günstig gelegene Häfen, die (sie) versorgen: Askalon, Joppe und Gaza, ebenso aber auch das vom König gegründete Ptolemais. Sie liegt inmitten des oben beschriebenen Gebietes und

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ökonomische Klassen

nicht weit entfernt von diesen (Häfen). Das Land besitzt alles in Fülle, ist überall mit Wasser versorgt und hat sicheren Schutz. Der nie versiegende Jordan umfließt es. Das Land maß ursprünglich nicht weniger als 6 0 Millionen Aruren - später fielen die Nachbarstämme ein - (und) 6 0 0 0 0 0 Männer erhielten Landlose von je 1 0 0 Aruren.

129. Die geringe Bedeutung des Handels Josephus, Contra Apionem I 6 0 f . : Wir Juden bewohnen weder ein Küstenland, noch haben wir Freude am Handel und dem dadurch begünstigten Verkehr mit den Fremden — sondern unsere Städte liegen weit vom Meer entfernt, und wir beschäftigen uns hauptsächlich mit der Bearbeitung unseres vortrefflichen Ackerbodens. Den größten Eifer aber verwenden wir auf die Erziehung der Kinder, und die Beobachtung der Gesetze wie der durch sie überlieferten Frömmigkeit machen wir zur wichtigsten Aufgabe unseres Lebens. Erwägt man nun außer dem Gesagten noch die Eigentümlichkeit unserer Lebensweise, so ergibt sich, daß keiner von den Anlässen vorlag, welcher in früheren Zeiten einen Verkehr der Unsern mit den Griechen hätte bewirken können, wie ein solcher Verkehr der letzteren mit den Ägyptern durch die Ein- und Ausfuhr, mit den Bewohnern der phoenicischen Küste durch den Eifer im Klein- und Großhandel aus Liebe zum Geldgewinn entstand.

e) Grundeigentum:

Königsland

Eine zweite Gruppe sieht Grund und Boden als Eigentum des Königs an, das dieser nach Belieben vergeben konnte, um Dienste zu entlohnen. Bezeugt wird dies u . a . von den Ptolemäern (s.o. S.23), von dem Seleukidenherrscher Antiochos IV. Epiphanes ( l . M a k k . 3,34—36), von Herodes und schließlich von den römischen Caesaren nach dem Jüdischen Krieg. Josephus berichtet nicht nur allgemein, daß Vespasian das ganze Land Judäas als seinen Grundbesitz behandelt habe (s.o. S.64). In seiner Autobiographie lesen wir, Vespasian habe ihm das römische Bürgerrecht und Land in Judäa verliehen. Domitian habe ihm später Steuerfreiheit gewährt, während sonst römische Bürger für ihre Besitzungen in den Provinzen das vectigal entrichten mußten.

130. Verteilung von Land durch den römischen

Kaiser

Josephus, Vita 4 2 2 f. 4 2 5 . 4 2 9 : Nachdem Titus den Unruhen in Judaea ein Ende gemacht hatte, wies er mir in der großen Ebene Ländereien an als Ersatz für die Güter, die ich in der Nähe von Jerusalem besaß, und die für mich wertlos werden würden, weil eine römische Besatzung dort einquartiert wurde. Nachdem wir nach Rom gekommen waren, erlangte ich von Vespasian große Aufmerksamkeit. Er gab mir eine Herberge in dem Haus, das ihm gehört hatte, bevor er Herrscher war, ehrte mich mit der römischen Staatsbürgerschaft und gab mir eine Pension . . . Von Vespasian empfing ich umsonst nicht geringeres Land in Judaea . . . (Domitian) verlieh mit die Steuerfreiheit (meines) Landes in Judäa. 6

Kippenberg, Textbuch

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

f) Grundeigentum:

Privatbesitz

Eine dritte Gruppe setzt privaten Grundbesitz voraus. Landverkauf w a r offenbar auch unter dem Regiment des Bar Kosiba üblich, wie zahlreiche Urkunden zeigen. Eine Kasuistik, welcher jüdische Besitz an Fremde verpachtet bzw. verkauft werden durfte, findet sich in der Mischna.

131. Ein Kaufvertrag über Land Murabaat 29: Am vierzehnten (des Monats) Elul, Jahr 2 der Befreiung Israels in ... elim (vor den) Unterzeichneten Jonathan Bar Joseph, Schim'on Bar Schabbai, Jehuda Bar Jehuda und Schim'on Bar Zacharja hat Kleopos Bar Eutrapelos die Weinstockpflanzungen zwischen ... an Eleasar Bar Zakarja und an Scham'a Bar Jehochanan verkauft. 132. Beschränkungen

beim

Landverkauf

Mischna, Aboda Zara 1,8 f.: Man darf ihnen (den Gojim) nicht etwas, was am Boden haftet, verkaufen (damit sie keinen Anteil am Lande Israel bekommen); wohl aber darf man es verkaufen, wenn man es abgehauen hat. R. Jehuda (um 150) sagte: Man kann es ihm unter der Bedingung des Abhauens verkaufen. Man verpachtet (skr) ihnen nicht Häuser im Land Israel, und es ist unnötig zu sagen: Felder. In Syrien verpachtet man ihnen Häuser, aber nicht Felder, und außerhalb des Landes verkauft man Häuser und verpachtet man Felder. Das sind Worte des R.Meir (um 150). R.Jose (um 150) sagte: Im Lande Israel verpachtet man ihnen Häuser, aber nicht Felder, und in Syrien verkauft man Häuser und verpachtet man Felder, und außerhalb des Landes verkauft man diese und jene. g)

Teilpacht

Die Teilpacht d. h. die Teilung des Ernteertrages nach einem festgelegten Schlüssel zwischen Grundbesitzer und Pächter ist häufiges Thema in den rabbinischen Schriften und wird auch im nt. Gleichnis von den bösen Weinbauern (Mk. 1 2 , 1 - 1 1 ) vorausgesetzt. Neben Teilpächtern hat es auch Fixpächter gegeben, die den Boden für eine feststehende Geldsumme gepachtet haben. An der Aufteilung des Erntehaufens auf dem Dreschplatz wurden auch die dörflichen Handwerker und Funktionäre beteiligt. Die Teilpacht ist in J u d ä a erst in hellenistischer Zeit bezeugt und steht in Korrespondenz zum Kolonat, der allerdings in der Regel auf Fixpacht basierte.

133. Formen der Pacht Tosefta, Demai VI, 2: Was ist der Unterschied zwischen Söker und Höker! Der Söker (pachtet) um Geld, der Hoker um Früchte.

ökonomische Klassen

134. Die Pflichten des

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Pächters

Mischna, Baba Meßia IX 1.5.10: Pachtet jemand ein Feld von einem anderen, so muß er, wo es üblich ist zu schneiden, (das Getreide) schneiden; (wo es üblich ist) es auszureißen, ausreißen; (wo es üblich ist) hinterher zu pflügen. Alles nach der Landessitte. Wie man (beim Pachtvertrag) das Getreide teilt, so teilt man auch Häcksel und Stroh. Wie man den Wein teilt, so teilt man auch die Reben und die Stäbe; denn beide liefern ja auch die Stäbe . . . Pachtet jemand ein Feld von einem andern, und es bringt keine (Frucht), so muß er, wenn (auch nur) soviel drauf ist, um einen (Körner-)haufen zu bilden, es in Arbeit behalten. Rabbi Juda sagte: „Welches Maß (hat man) für ,Haufen'? Vielmehr (gilt die Verpflichtung), wenn soviel darauf ist, wie (für) die Aussaat (notwendig war)" ... Pachtet jemand ein Feld von einem anderen auf eine Jahrwoche für 700 Denare, so gehört das Erlaßjahr in die Zahl (der Pachtjahre). Pachtet er es (dagegen) von ihm sieben Jahre für 700 Denare, so gehört das Erlaßjahr nicht in die Zahl (der Pachtjahre). 135. Die Aufteilung des

Erntehaufens

Tosefta, Baba Meßia 9 , 1 3 - 1 6 : Vertragsurkunden zwischen Eigentümer und Pächter: Ich mache das Feld urbar, säe, jäte und ernte und stelle den Fruchthaufen vor dich. Du aber kommst und nimmst die Hälfte an Getreide und Stroh, und auch ich nehme die Hälfte für meine Arbeit und meine Ausgaben. Wenn jemand ein Feld von einem anderen gepachtet hat, so mäht er, bindet die Garben (oder: macht Getreidehaufen) und worfelt. Dann kommen die Feldmesser, die Feldgräber, der Aufseher und der Ökonom (das alles sind Gemeindebeamte) und nehmen (ihren Anteil) mitten daraus (von der gesamten Masse, bevor sie zwischen Verpächtern und Pächter geteilt ist); aber der Brunnengräber und der Bademeister, der Haarschneider und der Schiffer nehmen, wenn sie kommen auf Grund eines Anspruchs an den Besitzer, vom Anteil des Besitzers, und wenn sie auf Grund eines Anspruchs an den Teilpächter kommen, vom Anteil des Teilpächters (nachdem also die Ernteerträge zwischen Verpächter und Teilpächter geteilt sind)... Wenn jemand von einem anderen ein Feld (als Teilpächter) gepachtet hat und es das erste Jahr besäte, aber es ging nichts auf, so zwingt man ihn, es auch im zweiten Jahr zu besäen; hatte er es im zweiten Jahr besät, ohne daß etwas aufging, so zwingt man ihn nicht, es im dritten Jahr zu besäen. 136. Die Höhe der Anteile Babylonischer Talmud, Baba Meßia 110 a: Wer ist glaubhaft, wenn der Quotenpächter sagt, er sei für die Hälfte (des Ertrages) eingetreten, und der Hausherr sagt, er habe ihn für ein Drittel eingesetzt? - Rabbi Jehuda sagt, der Hausherr sei glaubhaft, und Rabbi Nahman sagt, man richte sich stets nach dem Landesbrauche. Sie (die Jünger im Lehr-

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

haus) wollten erklären, daß sie nicht streiten, denn einer spreche von Orten, wo der Quotenpächter ein Drittel erhält; da sprach Rabbi Mari, Sohn der Tochter Semuels, zu ihnen: Folgendes sagte Abajje: sie streiten auch über Orte, wo der Quotenpächter die Hälfte erhält. Rabbi Jehuda sagt, der Hausherr sei auch dann glaubhaft, denn wenn er wollte, könnte er sagen, dieser sei ein Mietling oder sein Erntesammler.

h) Dörfliches Weis tum Der abgedruckte Text hat die Form eines Weistums (einer Aufzeichnung dörflicher Rechtsgewohnheiten), die vor allem die Benutzung der Mark, des Weidelandes und des Waldes regelt. Das Weistum wird auf Josua zurückgeführt, gilt also nicht als Uberlieferung vom Sinai. In ihm ist ein Stück ethnischen Genossenschaftsrechtes erhalten, über dessen Alter und Ursprung nichts ausgesagt werden kann.

137.

Gemeinschaftsrechte

der Bauern

Babylonischer Talmud, Baba Qamma 8 1 a : Zehn Vereinbarungen hat Josua (bei der Verteilung Kanaans mit Israel getroffen): Man darf in Waldungen weiden lassen; man darf Holz auflesen auf ihren (der Israeliten) Feldern; man darf überall Gras sammeln, ausgenommen Wiesenklee; man darf überall Zweige abschneiden, ausgenommen Olivenreiser; eine neu entstehende Quelle dürfen (alle) Einwohner der Ortschaft benützen; man darf im Meer von Tiberias angeln, aber man darf kein Wurfnetz ausspannen und Schiffe behindern; man darf (überall) hinter einer Umzäunung seine Notdurft verrichten, selbst auf einem Feld, das voller Safran ist; man darf auf Fußsteigen, die durch einen Privatbesitz führen, bis zum zweiten Frühregen gehen; man darf wegen der (die Wasserpfützen einschließenden) Erdstreifen zur Seite ausweichen (und Privatbesitz betreten); wer sich zwischen den Weinbergen verirrt hat, darf Triebe abhauen, um nach oben oder nach unten zu gelangen; endlich ein Pflichttoter (der keine Angehörigen hat) erwirbt seinen Ort (an dem er gefunden wird) als sein Eigentum (um dort bestattet zu werden).

i)

Handwerk

Dem Handwerk hat Jesus Sirach im 2 . J h . v.Chr. eine anschauliche Darstellung gewidmet. Der Weise, der hier spricht, respektiert zwar die Arbeit, die der Schöpfung Bestand gibt. Doch die rechte Ordnung kennen die Handwerker nicht. Nur wer kein Geschäft hat, kann ein Weiser sein (die andere Beurteilung der Rabbinen s. u. III 3 c).

ö k o n o m i s c h e Klassen

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138. Die Aufgaben der Handwerker Jesus Sirach 38,24—34 Die Weisheit des Schriftgelehrten (stellt sich ein) bei günstiger Mußezeit, und der, der kein Geschäft hat, wird weise werden. Wie kann weise werden, wer den Pflug regiert, und der sich rühmt, die Lanze des Ochsenstachels zu führen; der die Ochsen antreibt und sich beschäftigt mit dem, was sie zu tun haben, und der sich mit den jungen Stieren unterhält? Der richtet seinen Sinn darauf, Furchen zu ziehen, und sein unablässiges Bemühen geht auf das Futter für die jungen Kühe. Ebenso ist's mit irgendeinem Bauarbeiter und Baumeister, mit denen, die Gravuren auf Siegelringe eingravieren, die mit Beharrlichkeit bunte Bilder anbringen; (mit denen, die) ihren Sinn darauf richten, das Gemälde zu machen, und deren unablässiges Bemühen dahin geht, ein vollendetes Werk zu schaffen. Ebenso ist's mit dem Schmied, der nahe dem Amboß sitzt und die eisernen Werkzeuge untersucht. Der Rauch des Feuers bringt ihm sein Fleisch zum Aufspringen, und es wird ihm glühend heiß durch die Hitze des Ofens. Das Getöse des Hammers macht sein Ohr taub, und auf das Modell des Geräts sind seine Augen geheftet. Er richtet seinen Sinn darauf, seine Werke ganz fertig zu machen, und sein unablässiges Bemühen geht dahin, sie zu polieren, wenn sie fertig sind. Ebenso ist's mit dem Töpfer, der bei seiner Arbeit sitzt und mit seinen Füßen die Scheibe dreht, der sich wegen seiner Arbeit immerfort in Sorge befindet, und dessen ganze Arbeit sich um die zu liefernde Zahl dreht. M i t seinem Arme formt er den Ton, und mit seinen Füßen macht er die zähe Masse geschmeidig. Er richtet seinen Sinn darauf, mit dem Bestreichen fertig zu werden, und sein unablässiges Bemühen geht dahin, den Ofen zu reinigen. Alle diese verlassen sich auf ihre Hände, und ein jeder versteht sich gut auf sein Geschäft. Ohne sie wird keine Stadt gebaut, und wenn sie sogar am fremden Ort wohnen, brauchen sie doch nicht zu hungern. Doch bei der Volksversammlung verlangt man sie nicht, und in der Gemeindeversammlung tun sie sich nicht hervor und auf den Gesetzesbund verstehen sie sich nicht, und auf dem Stuhle des Richters sitzen sie nicht. Auch bringen sie nicht Gerechtigkeit und Recht an den Tag und bei weisen Sprüchen sind sie nicht zu finden. Aber die ewige Schöpfung erhalten sie in ihrem Bestand und ihr Gebet dreht sich um die Betreibung ihres Gewerbes.

k) Handel Was als Erzeugnis des Landes unter dem Gebot der Verzehntung stand, durfte nicht von Fremden gekauft werden wie z.B. ö l (Josephus AJ XII 120), sondern nur von Juden. Da in den hellenistischen Städten Palästinas und Syriens zahlreiche Juden lebten, ergab sich die Möglichkeit eines gewinnbringenden interlokalen Handels. Die Vollmacht, die Josephus als Delegierter des Jerusalemer Synhedriums im Olivenölgeschäft des Joannes von Gischala sowie hinsichtlich der kaiserlichen Magazine besaß, läßt erkennen, daß die Jerusalemer Hierokratie die Verteilung der Produkte kontrollierte. Das Recht der Marktaufsicht war in der Zeit vor dem makkabäischen Krieg innerhalb Bürgerschaft und Priesterschaft umstritten.

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I. Politische und ökonomische Ordnung Judäas in hellenistischer und römischer Zeit

139. Ethische Einwände gegen den Handel Jesus Sirach 2 7 , 2 : Wie zwischen Steinfugen der Pflock hineingetrieben wird, so zwängt sich zwischen Verkauf und Kauf die Sünde ein.

140. Der Streit über die

Marktaufsicht

2. Makkabäer 3 , 1 - 4 : Also da die heilige Stadt im tiefsten Frieden lag, und die Gesetze noch aufs beste beobachtet wurden, weil der Hohepriester Onias so fromm war und die Gottlosigkeit haßte, kam es ab und zu vor, daß sogar die Könige dem Ort Ehre erwiesen und den Tempel durch die kostbarsten Geschenke verherrlichten. Daher bestritt auch Seleukos, der König von Asien, aus seinen eigenen Einkünften allen Aufwand, den der Opferdienst erforderte. Ein gewisser Simon aber, aus dem Stamme Benjamin, der Vorsteher der Tempelverwaltung war, entzweite sich mit dem Hohenpriester in der Marktaufsicht der Stadt.

141. Gewinnbringender

Handel

Josephus, Vita 7 0 - 7 6 : Von dort (Tiberias) ging ich mit meinen Amtsgenossen nach Gischala zu Joannes, um seine Gesinnung zu erforschen. Gar bald merkte ich, daß er auf Empörung ausging und nach der Herrschaft trachtete; denn er bat mich um die Erlaubnis, das Getreide, welches für den Kaiser in Obergaliläa aufgespeichert war, wegschaffen zu dürfen. Wie er sagte, wollte er das alles zum Bau der Mauern seiner Vaterstadt verwenden. Da ich aber sein Inneres durchschaute, schlug ich ihm die Bitte ab. Es lag nämlich in meiner Absicht, das Getreide entweder für die Römer aufzubewahren oder für mich selbst, letzteres, weil ich vom Gemeindevorstand zu Jerusalem auch mit der Vollmacht über diese Angelegenheiten betraut worden war. Als nun Joannes von mir nichts erlangen konnte, wandte er sich an meine Amtsgenossen. Diesen freilich fiel es nicht ein, sich für die Zukunft vorzusehen; übrigens waren sie auch für Geldgeschenke sehr empfänglich. Infolgedessen brachte er es durch Bestechung dahin, daß sie ihm alles Getreide, welches in seinem Gebiet aufgeschüttet lag, zu nehmen erlaubten. Von zweien überstimmt, mußte ich schweigen. Darauf beging Joannes noch einen anderen Betrug. Er behauptete nämlich, die Juden in Caesarea Philippi, welche auf Befehl des königlichen Statthalters die Stadt nicht verlassen durften, hätten, weil es ihnen an dem nötigen reinen ö l fehle, an ihn die Bitte gerichtet, ihnen solches zu verschaffen, damit sie nicht gezwungen seien, von den Griechen hergestelltes Öl zu gebrauchen und auf diese Weise das jüdische Gesetz zu übertreten. Diese von Joannes vorgebrachten Äußerungen hatten indes nichts mit der Religion zu schaffen, sondern entsprangen offenbar schlechter Gewinnsucht. Er wußte nämlich sehr wohl, daß in Caesarea zwei Sextare (1 Sextar = ein halber Liter) eine Drachme kosteten, während in Gischala achtzig Sextare nur vier Drachmen Wert waren. Darum ließ er alles ö l von hier hinüberschiffen,

ökonomische Klassen

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nachdem er zum Schein meine Erlaubnis hierzu eingeholt hatte. Denn freiwillig gab ich es nicht zu, sondern nur aus Furcht vor der Menge, weil ich befürchten mußte, bei fortgesetzter Weigerung gesteinigt zu werden. Dank meiner Zustimmung gewann Joannes durch schlechte Tat sehr viel Geld. 142. Beschränkung

des Handels mit Fremden

Mischna, Aboda Zara 1 , 1 . 6 ; 11,6: Drei Tage vor den Festen der Nichtjuden ist es verboten, mit ihnen Handel zu treiben, ihnen etwas zu leihen oder von ihnen zu leihen, ihnen (Geld) zu borgen oder von ihnen zu borgen, an sie zu zahlen oder von ihnen eine Zahlung anzunehmen . . . Wo es üblich ist, an Nichtjuden Kleinvieh zu verkaufen, darf man verkaufen, wo es üblich ist, nicht zu verkaufen, darf man nicht verkaufen; nirgends aber darf man ihnen Großvieh, Kälber und Füllen, ob heil oder gebrochen, verkaufen . . . Folgende Dinge der Nichtjuden sind verboten, jedoch erstreckt sich das Verbot nicht auf die Nutznießung: Milch, die ein Nichtjude, ohne von einem Israeliten beobachtet worden zu sein, gemolken hat, Brot und ö l ; Rabbi und sein Gerichtskollegium erlaubten das ö l .

II. Die Samaritaner H A N S G . KIPPENBERG

Einleitung Samaria und Samaritaner werden an zahlreichen Stellen der Evangelien und der Apostelgeschichte genannt: Mt. 10,5f.; Lk. 9,51—56; 10,29—37; 1 7 , 1 1 - 1 9 ; Joh. 4,1—42; 8,48; Apg. 1,8; 8 , 4 - 2 5 ; 9,31; 15,3. In auffälligem Gegensatz hierzu steht der Umstand, daß ihnen in der neutestamentlichen Zeitgeschichte keine nennenswerte Beachtung geschenkt wird. Das mag auch darin begründet sein, daß man die samaritanische Gemeinde mit jenen synkretistischen Jahweverehrern in Verbindung gebracht hat, die sich laut 2.König 17,29 im 8./7.Jh. v.Chr. in Samaria befunden hatten. Da die Septuaginta und auch andere antike Schriften dieser Gruppe die Bezeichnung ,Samaritaner' beigelegt hatten, sah man in der assyrischen Neubesiedlung des Landes auch den Ursprung dieser Kultgemeinschaft. Jedoch wissen wir heute, daß die samaritanische Gemeinde entstand, als am Ende des 4. Jh. v. Chr. das alte Sichern neu gegründet und auf dem Garizim ein Kult eingerichtet wurde. Die Rivalität zwischen Samaria und Juda im 5./6.Jh. v.Chr. war rein politischer Natur. Nicht diese politischen Spannungen führten schließlich zur Neubesiedlung Sichems und der Gründung des Garizim-Kultes, sondern Zerwürfnisse in der Jerusalemer Priesterschaft. Den jüdischen Charakter der Gemeinde zeigen auch die Kultlegenden des samaritanischen Tempels, die samaritanische Hohepriesterliste und der samaritanische Pentateuch — ein auch in der Qumranbibliothek belegter Texttyp palästinischer Herkunft. Aus dem zweiten Jahrhundert stammen die ältesten jüdischen Nachrichten über die Samaritaner. Sie nennen die Gemeinde ,Sichemiter', ,Volk zu Sichern' o.ä., nicht aber Samaritaner. Erst vom 1. Jh. v.Chr. an belegten jüdische Gegner die Sichem-Gemeinde mit dem aus 2. König 17,29 stammenden Namen. Diese Polemik war dadurch bedingt, daß Teile der samaritanischen Gemeinde sich der seleukidischen Hellenisierungspolitik geöffnet hatten. Johannes Hyrkanos ahndete diese Öffnung mit dem Schwert: Garizim und Sichern wurden zerstört. Die Gemeinde zerstreute sich über Palästina und baute an verschiedenen Orten eigene Synagogen. Archäologische Reste samaritanischer Synagogen sind für zahlreiche Orte Palästinas bezeugt. Bedeutendste war die auf dem Hauptgipfel des Garizim, während auf dem Vorgipfel (dem Teil er-Räs) ein heidnisch-israelitischer Tempel stand. In diesen Synagogen wurde der samaritanische Pentateuch in griechischer oder aramäischer Über-

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II. Die Samaritaner

Setzung vorgetragen. Diesen Gottesdienst reformierte im 4.Jh. n.Chr. der samaritanische Führer Baba Rabba. Es entstanden theologische Schriften wie der Memar Marqä. Nachwievor aber blieb der Garizim, den die Samaritaner mit dem alttestamentlichen Patriarchenort Bet'el identifizierten, Ziel einer dreimal im Jahr stattfindenden Wallfahrt. Diese Liturgien setzt bereits der Memar Marqa voraus. Der Taheb galt lange Zeit als Hauptgestalt samaritanischer Eschatologie. Man deutete ihn als wiederkehrenden Mose oder als Wiederbringer des Stiftszeltes. Eine Untersuchung des älteren samaritanischen Materials zeigt jedoch, daß Taheb mit ,Umkehrender' zu übersetzen ist. Er ist der erste der Generation von Umkehrenden, die die Periode des Abfalls beenden und Gottes Wohlgefallen wiederherstellen. Die Taheb-Konzeption hat anfänglich mit der Erwartung eines Propheten wie Mose Dtn. 18,15.18 nichts zu tun. Dieser Umstand hängt mit dem Aufkommen einer Sekte zusammen, die die alte samaritanische Erwartung eines Propheten wie Mose auf einen gewissen Dositheos bezog, der wahrscheinlich im ersten Jh. n. Chr. gelebt hat. Daraufhin lehnte die ,offizielle' samaritanische Theologie die alte Erwartung ganz ab. An ihre Stelle trat die Hoffnung auf den Taheb. Einen Einblick in den synagogalen Gottesdienst gibt der Titel ,Große Macht', der auch Simon Magus beigelegt wurde. Denn es ist liturgischer Brauch, auf die Verlesung der Tora mit den Worten zu respondieren: ,Groß ist die Macht, welche ...'. Diese Macht, die als die große angerufen wurde (Apg. 8,10), sah man in Simon inkarniert 1 . 1. Der Garizitn-Kult a) Die Gründung des Tempels auf dem Garizim In den Antiquitates Judaicae X I 3 0 2 — 3 4 7 erzählt Josephus die Gründungsgeschichte des Garizim-Tempels. Verwoben in diese Erzählung ist eine Legende, die Alexanders Besuch beim Jerusalemer Tempel und seine Huldigung des dortigen Hohenpriesters zum Inhalt hat. Diese Erzählung ist bereits Reaktion auf eine ähnliche über den Garizim-Tempel, die Josephus ebenfalls überliefert: der Stattthalter von Samaria, Sanballat III., hatte von Alexander 3 3 2 v . C h r . die Genehmigung für den Bau eines Tempels auf dem Garizim erhalten. Dieser Bericht ist sicher keine jüdische Erfindung, eben weil eine solche Genehmigung den samaritanischen Tempelkult zu einem offiziellen Kult gemacht hat. An anderer Stelle weist Josephus darauf hin, wie verbissen Juden und Samaritaner über die Ehrung ihrer jeweiligen Tempel durch die Könige Asiens gestritten haben, w a r sie doch der Beweis für den legitimen und offiziellen Status eines Heiligtums (AJ XIII 74—79). Aus diesen Gründen ist die samaritanische Erzählung auch nicht von Juden unkommentiert weitergegeben worden. Dieser Kommentar zeigt sich, wenn den Samaritanern die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk abgesprochen wird und wenn die Tempelgründung - in freier Anlehnung 1 Detaillierte Darstellung der samaritanischen Religionsgeschichte in meinem Buch: Garizim und Synagoge. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur samaritanischen Religion der aramäischen Periode. Berlin/New York 1971.

Der Garizim-Kult

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an Nehemia 1 3 , 2 8 f. — als Folge ganz persönlicher Interessen von Sanballat gilt. Diese beiden Annahmen erweisen sich jedoch im Zusammenhang der von Josephus herangezogenen Quelle als unzutreffend. Für diese Quelle ist kennzeichnend, daß sie den späteren Begriff Samaritaner (der erst im 1 . J h . n . C h r . gebräuchlich wird) noch nicht kennt, sondern die ältere Bezeichnung Sichemiter (so Sir. 5 0 , 2 6 aus dem 2 . J h . v . C h r . ) verwendet. Die Einzelheiten dieser Darstellung stimmen ferner mit den archäologischen Befunden überein, daß Sichern am Ende des 4 . J h . v . C h r . sorgfältig wiederhergestellt wurde, nachdem es zuvor 1 5 0 J a h r e kaum oder nicht besiedelt gewesen w a r . Die folgenden Texte aus Josephus gehören alle der von ihm herangezogenen Quelle an. Ihr Verfasser w a r kein Judäer, eher ein Bewohner Sichems. Die recht nüchterne Darstellung kann historische Wahrheit für sich beanspruchen.

1. Die Besiedlung Sichems und die Genehmigung des Tempelbaus Josephus, Antiquitates Judaicae X I 3 1 2 . 3 2 1 - 3 2 4 . 3 4 2 - 3 4 4 : Da es nun noch viele Priester und Israeliten gab, die solche Ehen (mit samarischen Frauen) eingegangen waren, entstanden zu Jerusalem nicht geringe Unruhen: denn sie alle gingen zu Manasses über (dem Schwiegersohn von Sanballat — Neh. 1 3 , 2 8 ) und wurden von Sanballat mit Geld, Ackerland und Bauplätzen ausgestattet, weil dieser seinem Schwiegersohn gern jede Gefälligkeit e r w i e s . . . Sanballat fiel von Darius ab und zog mit achttausend seiner Untergebenen zu Alexander, der sich gerade zur Belagerung von Tyrus anschickte, und erklärte ihm, er wolle die von ihm verwalteten Landesteile übergeben und Alexander gern anstatt des Darius als seinen Herren anerkennen. Da nun der König ihn gnädig aufnahm, faßte Sanballat Mut und sprach von seinem eigentlichen Vorhaben, indem er berichtete, er habe einen Schwiegersohn Manasses, den Bruder des judäischen Hohenpriesters Jaddus, und es befänden sich bei ihm noch viele Judäer, die gerne in seiner Provinz einen Tempel bauen möchten. Das könne aber dem König nur von Vorteil sein, da so die Kraft der Judäer zersplittert würde, während dieses Volk, wenn es zusammenhalte und einig sei, den Königen viel zu schaffen machen könne, wie es dies schon den Königen der Assyrer gegenüber bewiesen habe. Als Alexander darauf seine Einwilligung gab, baute Sanballat den Tempel in aller Eile, setzte Manasses als Priester ein und glaubte dadurch, den Kindern seiner Tochter eine besondere Ehre verschafft zu haben . . . Die Samaritaner kamen bereitwillig und mit großer Begeisterung dem König bis in die Nähe von Jerusalem entgegen. Als Alexander ihren Eifer lobte, traten die Sichemiter mit den Soldaten, die Sanballat ihm gesandt hatte, auf ihn zu und baten ihn, er möge auch ihre Stadt besuchen und ihren Tempel mit seiner Gegenwart beehren. Der König versprach ihnen darauf, er wolle auf dem Rückweg zu ihnen kommen. Als sie aber nun begehrten, daß auch ihnen die Abgaben des siebenten Jahres erlassen werden, weil sie in diesem Jahr nicht aussäen, erkundigte sich der König, wer sie seien, da sie solches verlangten. Sie entgegneten, sie seien Hebräer, würden aber auch die Sidonier von Sichern genannt, worauf der König weiter fragte, ob sie Judäer

92

II. Die Samaritaner

seien. Als sie dies verneinten, sagte er: ,Den Judäern habe ich jene Erleichterungen zugestanden. Doch will ich, wenn ich zurückkomme und näheres über euch erfahren, anordnen, was mir gut erscheint'. Damit wurden die Sichemiter entlassen. b) Die Kultlegenden

des samaritanischen

Tempels

Der Garizim (in der samaritanischen Diktion: Argarizim) wird bereits im Deuteronomium (aus dem 7.Jh. v.Chr.) und im Josuabuch (aus dem 6.Jh. v.Chr.) erwähnt, sowie en passant Richter 9,7. Dtn. 11,29 und 2 7 , 1 2 nennen den Berg im Zusammenhang mit einer Segensverkündigung über Israel, die Mose anordnete und die Josua 8,30—35 dann ausgeführt wird. Dtn. 2 7 , 4 befiehlt Mose (laut Textgestalt des Samaritanus und der Vetus Latina) darüberhinaus die Errichtung eines Altars auf dem Garazim. Diese Nennungen haben jedoch nicht primär die Heiligkeit des Berges in den Augen der Samaritaner begründet. Es sind zwei andere Ursprungsmythen, auf Grund derer dem Garizim die Heiligkeit zugeschrieben wurde. Die eine Mythe versteht und charakterisiert ihn als den Ort, an welchem Abraham einen Altar gebaut hat (Gen. 12,7f. u.ö.). Es ist im Sinne dieser Erzählungen, daß der Garizim Bet'el genannt wird. Diese Rückführung der Heiligkeit des Berges auf Abraham findet sich nicht erst in der aramäischen Literatur, sondern begegnet bereits bei einem samaritanischen Schriftsteller des 2. Jh. v. Chr. Neben diesem Hieros Logos gab es noch einen zweiten, der mehr levitischer Couleur zu sein scheint. Ihm zufolge muß der Garizim als der Ort gelten, an dem das Heilige Zelt (die Stiftshütte) des Mose gestanden hat und in der Endzeit wieder stehen wird. Auf diese Vorstellung verweist auch ein Bericht des Josephus. 2. Abrahams

Altarbau auf dem

Garizim

Memar Marqa II 46,12 (ed. Macdonald): ,Und er (Abraham) baute dort einen Altar' (Gen. 1 2 , 7 ) . Und w o hätte er den Altar bauen sollen, wenn nicht vor dem Haus des Mächtigen (aramäische Übertragung des hebräischen bet'el)? Und sein N a m e war zuvor Berg des Ostens (Gen. 1 0 , 3 0 ) . 3. Abraham

als Gast im Heiligtum

des

Garizim

Pseudo-Eupolemos (Euseb, Praeparätio Evangelica 9 , 1 7 , 5 ) : (Abraham) wurde von einer Stadt als Gast aufgenommen im Heiligtum Argarizin, was übersetzt Berg des Höchsten bedeutet, von Melchisedek aber, der Priester Gottes und König war, empfing er Geschenke. 4. Das Stiftszelt auf dem

Garizim

M e m a r Marqa V 1 2 0 , 1 f. (ed. Macdonald): Und danach (nach Eintritt der Abwendung - pnwth) wird das Wohlgefallen (rhwth) verhüllt, und die Schlechtigkeit wird sehr stark werden, und die Wohnung Gottes wird verborgen (bzw. zerstört) werden, und der Garizim wird entweiht werden, und an jedem Ort wird Abwendung gefunden werden. Und keinen gibt es, der für Gott eifert.

93

Der Garizim-Kult

5. Die verborgenen

Kultgeräte auf dem

Garizim

Josephus, Antiquitates Judaicae XVIII85: Auch das Volk der Samaritaner war (zur Zeit des Pilatus, 36 n.Chr.) nicht frei von Tumult. Es versammelte sie nämlich ein Mann, der sich aus Lügen nichts machte und für die Gunst der Masse alles listig ersann; und er befahl, mit ihm auf den Berg Garizim zu kommen, der ihnen als heiligster (aller) Berge gilt, und versicherte, den Mitkommenden die dort vergrabenen heiligen Geräte zu zeigen, nachdem Mose sie dorthin gebracht habe. c) Das Schisma aus samaritanischer

Sicht

Von dem historischen Tempel auf dem Garizim berichten die samaritanischen Chroniken, die sowieso erst nach dem 1 2 . J h . n . C h r . schriftlich niedergelegt wurden, wenig. Die Geschichte, die zählt, w a r nach ihrem Verständnis die zwischen Schöpfung und der Abwendung Gottes von dem Opferkult zur Zeit Ussis. Die samaritanischen Chroniken halten sich an ein Schema von Priestergenealogien, das auch aus l . C h r . 5 , 2 7 — 3 1 bekannt ist: Levi — Kahath — A m r a m — Aaron — (Mose —) Eleasar - Pinehas — Bukki — Ussi. Erst von diesem N a m e n an geht die samaritanische Hohepriesterliste eigene Wege. Dieser Bruch in der priesterlichen Nachfolge, den die samaritanische Chronik II ausführlich schildert, w a r auch der jüdischen Überlieferung bekannt. Er hat — insofern es sich um den Übergang des Hohenpriesteramtes von der aaronitischen zur levitischen Priesterschaft handelt — nicht allein die samaritanischen Ansprüche erklärt, sondern auch die Übernahme des Hohenpriesteramtes durch die levitischen H a s m o n ä e r legitimiert.

6. Der Bruch in der

Hohenpriesterfolge

Josephus, Antiquitates Judaicae V 361 f.: Eli hatte als erster die Oberherrschaft über das Haus Ithamars, des anderen der Aaron-Söhne. Denn das Haus Eleasars besaß das (Hohe-)Priestertum zuerst, indem der Sohn vom Vater die Würde empfing. Jener übergab sie seinem Sohn Pinehas, nach welchem sein Sohn Abisua die Würde empfing und sie seinem Sohn mit Namen Bukki überließ, von dem Ussi, sein Sohn, (sie) übernahm, nach welchem Eli — über den wir jetzt handeln — die Priesterwürde innehatte und (ebenso) seine Nachkommenschaft bis zur Zeit des Königtums Salomo. Dann aber erhielten sie die Nachkommen Eleasars wieder. 7. Die Entzweiung von Ussi und Eli Chronik II Judges § L (ed. Macdonald S.40f.): Eli wurde ehrgeizig und verkündete, daß er den Hohenpriestersitz übernehmen wollte. Er war bereits Aufseher über das ganze Haus des Silbers und Goldes, das die Israeliten Jahwe darzubringen pflegten. Er war es, der es entgegennahm und ausgab für das ganze Volk Israel. Der Hohepriester Ussi wohnte im Haus des Heiligtums, wie Jahwe es durch seinen Knecht Mose befohlen hatte: ,Aus dem Heiligtum soll er nicht hinausgehen'. Eli holte sich von den Israeliten viele Männer und sagte zu ihnen: ,Ist es gut, daß ich einem

94

Π. Die Samaritaner

Jüngeren diene? Ich wünsche dies nicht für mich und ich erhoffe von euch, daß ihr meiner Meinung seid und mir folgt'. Und Eli schrieb auch allen Städten in der Umgebung von Garizim - Bet'el und sagte ihnen dieses. Sie versammelten sich alle bei ihm und sagten: ,Wir hören auf dein Wort, wollen uns dir nicht widersetzen und alles tun, was du uns sagst'. Und so schlossen sie einen Bund mit ihm. Und böser Wille überkam Eli. Diesen Vorgang hielten er und alle Männer, die mit ihm den Bund geschlossen hatten, geheim. Danach opferte Eli an einem Tag ein Opfer auf dem Altar irrtümlich ohne Salz. Jahwe nahm den angenehmen Geruch dieses Opfers nicht an. Als der Hohepriester Ussi erkannte, daß das Opfer Jahwe nicht gefällig war, wurde er über Eli zornig und sprach mit ihm scharfe Worte. Daraufhin brannte Eli vor Zorn, sandte aus, rief seine Männer, die mit ihm den Bund geschlossen hatten, und berichtete ihnen die Worte. Und es bildeten an demselben Tag die Israeliten, die in den Städten Sichems, Palästinas und Jebus wohnten, zwei Hälften. Eine Hälfte von ihnen folgte dem Hohenpriester Ussi ben Bukki, die andere Hälfte von ihnen folgte Eli ben Jephunne ... Die Josephiten folgten dem Hohenpriester Ussi ben Bukki; die Judahiten schlossen sich Eli ben Jephunne an. 8. Die Verbergung des Stiftszeltes zur Zeit Ussis Chronik II I Samuel § Β (ed. Macdonald S.42f.): Es geschah der Fall des Zornes (Jahwes) am zweiten Tag (der Woche) — der gleiche Tag, an dem unser Vater Adam aus dem Garten Eden vertrieben worden war, der (gleiche) Tag auch, an dem der Leib des Geschöpfes in einen schmerzenden verwandelt wurde ... In jenen Tagen kam der Priester Ussi zum Dienst vor Jahwe ins Zelt der Begegnung. Und da rief eine Stimme zu ihm: ,Ussi'. Er wandte sich um und sah, daß bei dem Zelt der Begegnung eine große Höhle war ... Und Ussi sammelte alle heiligen Gewänder, die Gold- und Silbergefäße, die Gesetzeslade, den Leuchter, die Altäre und alle heiligen Geräte und legte sie in diese Höhle. Sowie der Hohepriester Ussi aus der Höhle gegangen war, wurde der Eingang der Höhle durch Gottes Macht — er sei gesegnet — geschlossen. Der Hohepriester Ussi schrieb ein Zeichen auf die Tür der Höhle und ging am (nächsten) Morgen früh zur Höhle. Und er sah: es war keine Höhle mehr an dem Ort. 2. Samaritanische

Liturgien

a) Die Garizim -

Wallfahrt

Dtn. 1 6 , 1 6 schreibt vor, daß das Volk dreimal im Jahr vor Gott an der erwählten Stelle erscheinen soll: am Fest von Massot, am Wochenfest und am Laubhüttenfest. Die Samaritaner, die diesen Ort mit dem Garizim identifizieren, befolgen bis heute diesen Befehl, und in ihren liturgischen Schriften finden wir die Vorschriften für die Wallfahrten auf den Garizim. Höhepunkt aller dieser Wallfahrten ist die Verkündigung des Segens durch den Hohenpriester an der heiligen Stelle. Wie sehr diese Liturgie das theologische Denken der Samaritaner bestimmt, zeigt sich zum Beispiel an den

Samaritanische Liturgien

95

Traktaten, die M a r q ä im 4 . J h . n . C h r . in Aramäisch verfaßt hatte ( M e m a r M a r q ä ) . Denn hier wird die Auslegung des Bibeltextes auf dem Hintergrund liturgischer Vergegenwärtigung vorgenommen. Israels Lobgesang für die Errettung am Schilfmeer (Ex. 15), der im Zentrum des Massötfestes steht, wird als liturgisches Formular interpretiert.

9. Die Bedeutung der Wallfahrt Samaritanische Liturgie S.457,1-3 (ed. Cowley): An ihm (dem Wochenfest) wollen wir zum guten Berg wallfahren, dem Ort der Heiligkeit, und wir wollen den großen Segen empfangen aus dem Munde dessen, der mit Heiligkeit bekleidet ist, des heiligen Hohenpriesters, des Heiligsten der Heiligen. 10. Liturgische

Vergegenwärtigung

Memar Marqa II 37,29-38,6 (ed. Macdonald): ,Dann sangen Mose und die Israeliten Jahwe dieses Lied' (Ex. 15,1a SP). Jedermann gedachte des Wortes "IW vor allen Worten des Lobpreises, vermehrt es doch die Worte der Lobpreise. Ein sehr herrlicher Stand war der Stand von Mose und den Israeliten bei diesem Lied am Meer. Mose stand am Meer und sein Gesicht war Garizim, Bet'el zugewandt. Hinter ihm standen alle Ältesten Israels und hinter den Ältesten alle Israeliten. Und Mose der Prophet sang das Lied Stück um Stück. Wenn er mit einem jeden Stück fertig war, schwieg er und alle Ältesten antworteten mit dem Vers: ,Singet Jahwe, denn das Volk ist erhaben. Roß und Reiter warf er ins Meer' (V. lb). Und ganz Israel sprach: ,Meine Stärke und mein Lobpreis, und er ward mein Heil' (V. 2 a) bis Jahwe ist ein Held im Krieg. Jahwe ist sein Name' (V. 3). Dann schwiegen sie und der Prophet Mose fing (wieder) an zu singen. Ebenso sang Mirjam und rief: ,Singet Jahwe' (V. 21b) mit den Ältesten, und die Frauen sprachen mit den Israeliten: ,Meine Stärke und mein Lobpreis' (V. 2a) bis dort (V. 3). ,Denn das Volk ist erhaben' (V. 1 = V. 21b) — (das) sind Pharao und seine Reiter, deren Erhabenheit sich gegen die Israeliten erhob — ,Roß und Reiter warf er ins Meer' (V. 21 b). b) Der

Synagogengottesdienst

Die Neuordnung der samaritanischen Religionsgemeinde durch und unter Bäbä Rabbä ( 4 . J h . n . C h r . ) kam in der Wiedereröffnung alter Synagogen zum Ausdruck und in der Festlegung ihrer Gottesdienste. Die Synagogen der Samaritaner sind jedoch sehr viel älter als das 4 . J h . n . C h r . : die ältesten Synagogeninschriften stammen aus dem 1. Jh. n . C h r . Schon vor Bäbä hat es eine Sammlung von Hymnen gegeben, die aus

96

II. Die Samaritaner

dem Synagogengottesdienst heraus verfaßt worden war und in ihm Verwendung gefunden hatte: der sogenannte Durrän. Er besteht aus 23 Hymnen, die jeweils für den Morgen und Abend der Wochentage, für die Sabbate und für die verschiedenen Feste bestimmt waren. Zur Zeit Bäbä Rabbäs sind von Amräm Därä und von Marqä weitere Hymnen verfaßt worden, die in das liturgische Schema aufgenommen wurden. Auf die Verlesung ausgewählter Zitate aus einem der fünf Bücher Mose folgten dann ein Stück aus dem Durrän sowie ein weiterer Hymnus von Amräm Därä, dem Vater Marqäs, bzw. von Marqä.

11. Ein Hymnus aus dem

Synagogengottesdienst

Durrän 14 (ed. Cowley S.44,5-17): V. 3: Weitere sollen an den Sabbaten gesprochen werden. Cr. 1: Zubehör für die Nacht des Sabbats abends sowie für den Morgen. Siehe, eine große Herrlichkeit ist die Herrlichkeit des Sabbattages. Heil ihnen, den Hebräern, wegen der Gabe, die ihnen gegeben wurde: das heilige Gesetz und der heilige Tag. Das Gesetz, damit sie darin lesen, und der heilige Tag zum Ruhen. Groß ist der Sabbat. Gepriesen sei sein Schöpfer, und angebetet sei sein Macher. Das Gebiet des Sabbats ist eine ewige Zeit (bzw. Freude), das erste Fest, das nicht aufhört, und (das) heilige (Fest), das sich nicht verändert, denn er (sc. der Sabbat) ist größer als alle Tage und heiliger als alle Feste. Der lebendige König sonderte ihn für seinen Namen ab. Es gibt kein Fest wie ihn, nicht ist (etwas) heilig wie er. Nicht gibt es eine heilige Gemeinde wie diese, die ihn beachtet. Ο ihr Beachter des Sabbat, haltet ihn, wie er heilig ist. Jeder nennt ihn heilig, und Gott, der ihn geschaffen hat, ist barmherzig und mitleidig. Wir wollen uns alle setzen, unseren Mund öffnen und von deinen Wohltaten erzählen, barmherziger König, der uns nährt (und uns Leben gibt) und schützt. Und es ist unsere Pflicht, dein Königtum zu preisen: Barmherziger, dir gehört die Größe, deinem großen und siegreichen Namen der Lobpreis. Es gibt keinen Gott außer einem'. c) Die Funktion der legitimen Priesterschaft Die besondere Würde der Priesterschaft wird in der samaritanischen Literatur damit begründet, daß sie für den Dienst am mosaischen miskän erwählt worden war. Dabei wird streng auf die verschiedenen Ränge der Priesterschaft geachtet. In der Zeit nach der Verbergung des miskän hat die aaronitische Priesterschaft vor allem die Aufgabe der Segensverkündigung, die nicht von Laien übernommen werden darf. Die Funktion der Schriftgelehrten ist vielmehr die der Auslegung der Tora.

12. Das Vorrecht der Aaroniten am Stiftszelt Memar Marqa VI 139,29-140,1 (ed. Macdonald): (Aaron) wird Opfer der Wahrheit opfern und seine Söhne auch mit ihm. Sie werden alle in die Wohnung hineingehen, und ein Außenstehender soll sich nicht nähern ... Nicht darf ein Außenstehender mit ihnen Brot vom Opferbrot essen, das durch sie geopfert wurde. Der Segen, den Gott sie lehrte, (daran)

Samaritanische eschatologische Vorstellungen

97

hat kein Außenstehender Anteil mit ihnen. Und sie verbrennen (das Opfer) in der Wohnung durch das Feuer. Wer kann sich jenem Platz nähern? Wer kann vor den Cheruben stehen, und die Stimme Gottes spricht mit ihm: Wer ist der, der die Worte der Vergebung beginnt und seine Söhne mit ihm?

13. Die Gliederung der

Priesterschaft

Memar Marqa V 1 2 1 , 1 8 - 2 2 (ed. Macdonald): Und er (Mose) schaute auf Eleasar, der zu seiner Rechten war. Und er küßte sein Antlitz und sprach zu ihm: ,Sohn meines Bruders, Stellvertreter Jahwes, Erbe des Hohenpriestertums, du stehst auf einem Priesterrang, den du geerbt hast, deine Handlungen (finden statt) im heiligen Miskän, und du bist dazu befähigt'. Und er schaute auf Ithamar und sprach zu ihm: ,Sohn meines Bruders, du bist Priester, gesalbt und in deiner Hand (liegt) die Aufsicht über alle Leviten und alle heiligen Geräte'.

14. Die

Schriftgelehrten

Memar Marqa IV 9 4 , 1 0 - 1 1 (ed. Macdonald): Wir wollen beständig im Lehrhaus der Wahrheit sein und es nicht verlassen. Wir wollen aus der Schrift lernen, die in ihm ist, und die Lesung verherrlichen, die in ihr geschrieben ist. Der große Prophet ist der Schriftgelehrte, und wir sind die Jugendlichen, welche unser Herr dazu erwählte.

15. Joseph als Herr des Garizim Memar Marqa III 63,1—4 (ed. Macdonald): Männer machten ferner in bezug auf Joseph die Feststellung, er sei es (sc. und nicht die Priester), der den Segen verkündete. Und als sie über jene Feststellung befragt wurden, sagten sie in bezug auf Joseph, er sei der Herr des Platzes. Es wurde ihnen auf Grund dessen, was Gelehrte festgestellt hatten, gesagt, sie sollten jenes hören: J o s e p h ist gesegnet und sein Land ist gesegnet. Sein ist der Besitz, nicht ist er in der Hand des Priesters. Und auch wenn Joseph Herr des Hauses ist und alle seine Brüder sich bei ihm versammeln, wird nicht von ihm gesagt: ,zu dienen und zu segnen' (Dtn. 2 1 , 5 SP). Dieses kommt dem Stamme Levi zu — fertig'.

3. Samaritanische eschatologische

Vorstellungen

Alle samaritanischen Lehren und Vorstellungen über die Endzeit beziehen sich auf den Vorgang der Abwendung Gottes von Israel bzw. Israels von Gott. Komplementär hierzu wird eine Wiederherstellung des guten alten Zustandes vorgestellt. Die Feste waren - so sagt das folgende Stück aus einem Grundtext der samaritanischen Liturgie - ursprünglich die Zeiten, an denen der Fromme opferte und der Himmel seinen Segen auf den Gläubigen überströmen ließ. Seitdem Israel sich aber abwandte (Zeit der pnwth), haben nicht nur die Opfer ein Ende gefunden. Vielmehr wurde nun auch 7

Kippenberg, Textbuch

98

II. Die Samaritaner

Israel zur Fußmatte aller Völker. Wie an den Sabbat so haben sich offenbar auch an die Feste Erinnerungen an alte Heilsepochen und Erwartungen einer neuen eschatologischen Epoche geknüpft.

16. Die Zeit der Abwendung Durrän 2 1 (ed. Cowley S . 4 6 , 2 6 - 4 7 , 5 ) : Laß uns weinen über dich, ο Israel, wie du in den Tagen des Wohlgefallens warst und wie du (jetzt) in den Tagen der Abwendung bist. Du warst mit deinem Gott, bei ihm zu allen Festen versammelt, brachtest ihm Opfer dar, die Fülle des Werkes deiner Hände. Und er nahm (sie) von dir an wie ein Vater vom Sohn. Und er unterwarf alle Völker vor dir, machte sich zu deinem Schutze, hielt von dir alle Unglücksschläge fern. Aber von dem Tag an, da du ungehorsam wurdest und ihn verlassen hast, wurdest du zur Fußmatte für die Völker gemacht. (Monate und) Feste gehen vorbei, wie sie kommen. Kein Opfer steigt an ihnen empor. Aber Gott, dessen Größe ewig dauert, wird nicht mehr und wird nicht weniger. Gepriesen sei Gott. Es gibt keinen Gott außer einem.

a) Samaritanische Lehren über Mose Die samaritanische Religionsgemeinde hat im Gegensatz zur jüdischen eine Prophetie nach Mose (und eventuell noch Josua) nicht anerkannt. Für sie w a r mit der Verbergung des miskän zur Zeit Ussis eine Periode der Abwendung zwischen J a h w e und Israel eingetreten, die erst durch die Erneuerung des Wohlgefallens beendet werden muß. D a ß die Schriften und Propheten im samaritanischen Pentateuch fehlen, ist ganz und gar das Resultat einer theologischen Entscheidung, nicht aber eines zeitlichen Vorsprungs des Schismas vor der Entstehung dieses Kanonteiles. Dieses zeigt sich vor allem an der Ausgestaltung der Mose-Lehre. Die Titel, die M o s e beigelegt wurden, sind äußerst zahlreich und auf die Einzigartigkeit seiner Position hin orientiert. In der Intensität dieser Prädikation spricht sich die Lehre aus, daß M o s e unter allen Heiligen der Heiligste sei und daß er am Ende der Zeiten, wenn der Rachetag da ist, wiederkehren werde, um alle zu strafen, die seiner Offenbarung nicht haben glauben wollen.

17. Die einzigartige Heiligkeit von Mose Durrän 6 (ed. Cowley S . 4 0 , 2 7 - ^ 1 , 1 0 ) : Ein (großer) Gott - und keiner ist wie er, eine große Gemeinde - und nichts gleicht ihr, ein großer Prophet — und keiner steht auf wie er, versammelten sich auf dem Berg Sinai an dem Tag, an dem die Schrift herabkam. Das Blashorn begann zu ertönen, und die Stimme des Propheten wurde laut. Und der Gute sprach: ,(Erhaben sei der Prophet und) groß sei der Prophet (und sein Prophetenamt sei erhaben), er mache sich schön und wachse und gelange zum Wolkendunkel'. Er wurde fürwahr mit einem Kleid bekleidet, was kein König anziehen kann. Er wurde fürwahr in der Wolke verhüllt, und sein Gesicht wurde mit dem Strahl des Lichtes bekleidet, damit alle Völker wüßten, daß Mose Sklave Gottes und Vertrauter ist.

Samaritanische eschatologische Vorstellungen

99

Gedenke zum Guten Jochebed, dem reinen und heiligen Weinstock, denn diese Früchte (stammen) von ihr: der eine Prophet, der andere Priester; der eine (sc. Mose) Gott für die Ägypter, einer, der in das Feuer trat; der andere (sc. Aaron) aß die Überreste des Feuers. Ferner Mirjam, die am Meer sang. Völker hörten (es) und fürchteten sich. Und ihr Herr sprach: ,Sie sollen ihren Lohn empfangen. Aaron soll mein Teil nehmen, Mose soll sich mit meinem Namen bekleiden, und Mirjam soll Prophetin genannt werden, keine seit Eva war wie sie'. Amram und Jochebed seien verherrlicht. Drei Heilige kamen von ihnen. Um ihres Verdienstes willen hilf uns, Guter, durch deine Gnade. Gepriesen sei Gott. Es gibt keinen Gott außer einem. 18. Die Unvergleichlichkeit

von Mose

Memar Marqa IV 1 1 1 , 8 - 1 2 (ed. Macdonald): Wie Mose steht und wird in Ewigkeit nicht aufstehen ein Prophet. Er wurde über die ganze Gattung des Menschen erhoben und gelangte (soweit), daß er mit den Engeln zusammen kam, wie zu ihm gesagt wurde: ,Und ich will mit dir zusammen kommen.' Wo ist einer wie Mose, der in das Feuer trat? Wo ist einer wie Mose, der die Wolken zerrissen hat? Wo ist einer wie Mose, der sich der dunklen Wolke nahte? Wo ist einer wie Mose, zu dem der Herr sprach: ,Und du stehe hier bei mir?' Wo ist ein Prophet wie Mose? Gott sprach mit ihm von Mund zu Mund! Wo ist ein Prophet wie Mose? Er fastete ,vierzig Tage und vierzig Nächte. Er aß nicht und trank nicht'. Und er stieg hinab, die zwei Steintafeln tragend, die von Gottes Finger geschrieben waren. 19. Die endzeitliche

Wiederkehr

von Mose

Memar Marqa IV 89,2f. (ed. Macdonald): Der große Prophet Mose errichtete die Wohnung. Alle, die Jahwe suchen, werden bei ihr versammelt werden. Daher wird am Rachetag der große Prophet Mose die, die (Gott) lieben, retten und alle Feinde vernichten. b) Die Erwartung eines Propheten wie Mose In eindeutiger Weise ist in der samaritanischen Religion der Antike die Vorstellung bezeugt, daß der Dtn. 1 8 , 1 5 und 18 angekündigte Prophet wie M o s e die Zeit des Wohlgefallens (rhwth) erneuern wird. Diese Erwartung hat vielleicht schon die samaritanische Frau in der Erzählung Johannes K a p . 4 im Sinne gehabt ( 4 , 1 9 ) . Die Samaritaner haben diese Erwartung kanonisiert, indem sie sie in ihren Dekalog Exodus 2 0 aufgenommen haben (Dtn. 5 , 2 8 f. und 1 8 , 1 8 als Erweiterung von E x . 2 0 , 2 1 b im Samaritanischen Pentateuch). D a ß diese Erweiterung alt ist, zeigt sich unter anderem auch daran, daß sie innerhalb des essenischen Schrifttums von Q u m r a n bereits vorausgesetzt wird (4 Q test 1—8 zitiert den T e x t des Samaritanischen Pentateuchs von E x . 2 0 , 2 1 b ) . Nachdem der Samaritaner Dositheos als dieser vorausgesagte Prophet verkündet worden war, bildete sich unter den ,orthodoxen' (d.h. nicht-dositheanischen) Samaritanern die Lehre, der verheißene Prophet wie M o s e sei bereits in Josua erschienen.

100

Π. Die Samaritaner

20. Der Zusatz des samaritantschen Pentateuchs zum Dekalog Samaritanischer Pentateuch Ex. 2 0 , 2 1 b: Und Jahwe sprach zu Mose: ,Ich habe auf die Worte dieses Volkes gehört, die sie zu dir gesprochen haben. Es ist alles gut, was sie gesagt haben. Möchte jemand geben, daß sie solch ein Herz haben, mich zu fürchten und zu halten meine Gebote das Leben lang, damit es ihnen und ihren Kindern ewig gut geht (Dtn. 5 , 2 5 b . 2 6 ) ! Einen Propheten wie dich will ich ihnen aus ihren Brüdern erwecken und meine Worte in seinen Mund geben. Und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm befehlen werde. Und wer auf seine Worte nicht hören wird, die er in meinem Namen sprechen wird, von dem will ich Rechenschaft fordern. Jedoch der Prophet, der sich vermessen wird, in meinem Namen zu sprechen, was ich ihm nicht zu sprechen befohlen habe, und der im Namen fremder Götter sprechen wird, jener Prophet soll sterben. Und wenn du in deinem Herzen sprichst: Wie erkennt man das Wort, das Jahwe nicht gesprochen hat? (so wisse): Welches (Wort) der Prophet im Namen Jahwes sprechen wird: nicht wird das Wort geschehen, und nicht wird jenes Wort eintreffen, wenn (eig. was) Jahwe es nicht gesprochen hat. In Vermessenheit sprach es der Prophet. Du brauchst dich nicht davor zu fürchten (Dtn. 18,18—22). Auf! sage ihnen: Kehret um in eure Zelte. Du aber stehe bei mir, daß ich dir alle Gebote, Satzungen und Rechte sage, die du sie lehren sollst, daß sie darnach tun in dem Lande, das ich ihnen zum Besitz geben werde' (Dtn. 5 , 2 7 . 2 8 ) .

c)

DerTaheb

Erst im 1 4 . J h . n.Chr. ist in der samaritanischen Literatur die messianische Vorstellung eines Propheten wie Mose mit dem Taheb identifiziert worden. Die Anfänge dieser zweiten Messiaslehre liegen noch im Dunkeln. Am ehesten vermag man sie noch aus dem Sinn des Begriffes Taheb abzulesen: als ein Partizip Aktiv von twb bedeutet Taheb ,umkehrend, zurückkehrend'. Diese Umkehr ist das Gegenstück zur Abkehr Israels von Jahwe sowie Jahwes von Israel. Entsprechend dieser zweifachen Bedeutung von pnwth ist auch der Taheb einerseits der Prototyp der zu Jahwe umkehrenden Israeliten sowie zum anderen der Inbegriff für Jahwes Zuwendung zu Israel. Aus dieser Ambivalenz hat sich die Erwartung eines Taheb, die erstmals im 2 . J h . n.Chr. im Durrän bezeugt ist, schrittweise gelöst, und ist im Laufe der samaritanischen Religionsgesdiichte an die Vorstellung eines messianischen Erlösers angenähert worden.

21. Der Taheb als Prototyp Durrän 9 (ed. Cowley S . 4 2 , 1 4 - 1 8 ) : Heil ihnen, den Umkehrenden (t'byh), die zum Worte ihres Herren kommen. Die Barmherzigkeit ist mit ihnen, und der Herr des Alls verherrlicht sie. Heil der Welt, wenn der Umkehrende (t'bh = Taheb) und seine Versammlung kommt. Fürwahr, der Friede tritt ein, Barmherzigkeit breitet sich aus, das Unglück wird entfernt, die Schlechtigkeit wird weggenommen, die Geschöpfe werden ruhig, Tau (kommt) über die, die in der rhwth leben, und der Schöpfer der Welt wird ohne Heuchelei gepriesen.

Samaritanische eschatologische Vorstellungen

101

22. Der Taheb als Erlöser Memar Marqa 122,13—17 (ed. Macdonald): Es komme in Frieden der Taheb, und die Finsternis möge weggehen, die in der Welt mächtig geworden ist. Es komme in Frieden der Taheb und vernichte die Feinde, die Gott erzürnten. Es komme in Frieden der Taheb und opfere ein gerechtes Opfer vor Bet'el. Es komme in Frieden der Taheb, und Jahwe zeige Mitleid und offenbare sein Wohlgefallen, und Israel opfere zwischen den Abenden. Es komme in Frieden der Taheb und trenne zwischen den Erwählten und den Ausgehauenen.

d)

Dositheaner

Von einigen späteren arabischen und byzantinischen Autoren wie Sahrastäni, Balädhuri und Eulogios hören wir, daß die Samaritaner in den nachchristlichen Jahrhunderten in zwei Gruppen bzw. Religionsgemeinden gespalten gewesen seien, zwischen denen es Differenzen in der Lehre und in den gesetzlichen Vorschriften gegeben habe. Der Grund der Spaltung sei gewesen, daß unter den Samaritanern ein Mann Namens Dositheos / Düsis aufgetreten sei, der die Prophezeiung eines Propheten wie Mose (Dtn. 1 8 , 1 5 . 1 8 ) auf sich bezogen habe. Daraus habe sich die Sekte der Düsitäniya gebildet. Diese späteren Nachrichten werden durch christliche Kirchenväter wie zum Beispiel Origenes und Epiphanios bestätigt. In der samaritanischen Überlieferung sind es die Chroniken, die über Dositheos berichten, während der Memar Marqä nur indirekt von der Existenz einer solchen Gruppe spricht. Dositheos hatte sich im 1. Jh. n.Chr. in einer Zeit, als allerorten religiöse Virtuosen uralte Prophezeiungen für sich reklamierten - als den verheißenen Propheten wie Mose ausgegeben und eine große Anhängerschaft hinter sich gebracht. Wohl erst die Neuordnung der samaritanischen Gemeinde durch Bäbä Rabbä im 4 . J h . n.Chr. hat zu einer eindeutigen Abgrenzung einer samaritanischen Orthodoxie von den Dositheanern geführt.

23. Dositheos als Prophet wie Mose Origenes, Contra Celsum 157: Und nach den Tagen Jesu wollte auch der Samaritaner Dositheos die Samaritaner überzeugen, daß er der von Mose geprophezeite Christus sei, und schien einige durch seine Lehre gewonnen zu haben. 24. Die Dositheaner Origenes, Johannescommentar XIII27 § 162: So stand von Samaritanern ein gewisser Dositheos auf und behauptete, er sei der geprophezeite Christus, von dem bis jetzt die Dositheaner existieren, die Bücher des Dositheos besitzen und Mythen über ihn erzählen, daß er nicht den Tod geschmeckt habe, sondern irgendwo am Leben sei.

102

Π. Die Samaritaner

25. Die dositheanische

Auferstehungslehre

Chronik II (aus einer unedierten Abschrift Macdonalds): Und wenn einer bei ihnen stirbt, umbinden sie ihn mit einem Ephod, geben einen Stab in seine Hand und bekleiden seine Füße mit Sandalen (vgl. Ex. 12,11) in dem Glauben, daß . . . der Tote, den sie in seinem Grab verborgen haben, bald zu seiner Zeit aus dem Grab aufstehen und zum Garten Eden gehen wird. 26. Polemik gegen die

Dositheaner

Memar Marqa III 73,10—12 (ed. Macdonald): Und wenn jemand dir verkündet, Lästerliches zu verbreiten, halte dich selbst fern, die Worte zu hören. Er ist der Mann, vor dem ich (sc. Gott) dich warnte, denn er vereinigt sieben Übel: Er wird sich Gerechten gleich machen, die dahingegangen sind, denen ich im nächtlichen Traum offenbarte, was sie verkündigen sollen. Und er wird sagen, er sei Mose gleich in der Tat eines Zeichens oder Wunders. 27. Polemik gegen eine Gleichstellung

von Dositheos und Mose

Durrän 1 (ed. Cowley S . 3 8 , 2 5 - 3 9 , 1 ) : Und der Herr setzte ihn (sc. Mose) ein in eine Position, in der kein König zu sitzen vermag. Und Gott setzte ihn über das Untere und vertraute ihm die Welt des Verborgenen an. Wer sagt, daß der Prophet wie Mose ist, soll schauen, was seine (sc. Moses) Größe ist. Es ist kein Gott außer unserem Herrn. Keine Schrift wie die Tora. Kein wahrer Prophet wie Mose. Kein vollkommener Glaube und keine Wahrheit außer seiner. 4. Samaritanischer

Gnostizismus

a) Die christlichen Berichte über Simon Magus Einer der frühen gnostisierenden Denker war Simon Magus gewesen, der aus dem samarischen Ort Gitta (südöstlich von Caesarea Maritima) stammte. Nach Apg. 8 war er bereits vor der christlichen Mission in Samaria aufgetreten, hatte Wunder gewirkt und war von den Einwohnern der Provinz als die ,Große Macht' (das zusätzliche ,Gottes' ist eine Ergänzung von Lukas) gefeiert worden. Über den Charakter dieser Lehre berichtet erst Justin Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts Näheres — auf Grund der Kenntnis der simonianischen Gruppe seiner Zeit. Die Identifizierung des Stifters mit dem höchsten Gott selbst ist eine Besonderheit der simonianischen Lehre. Eine weitere Besonderheit — im Verhältnis zu anderen gnostischen Systemen - ist die Darstellung der Erlösung der Ennoia in dem Symbol des Loskaufes der Tochter aus einem Bordell in Tyrus. Beides spricht dafür, daß die simonianische Gnosis am Anfang der gnostischen Bewegung gestanden hat.

28. Verehrung Simons und Helenas Justin, I. Apologie 26,2—3: Der Samaritaner Simon aus dem Dorf Gittai, der unter dem Kaiser Claudius durch die Künste der (in ihm) wirkenden Dämonen magische Krafttaten voll-

Samaritanischer Gnostizismus

103

brachte, wurde in eurer Kaiserstadt Rom für einen Gott gehalten und mit einem Standbild wie ein Gott bei euch geehrt; dieses Standbild ist im Tiberfluß zwischen den beiden Brücken errichtet mit folgender römischer Inschrift: Simoni Deo Sancto. Und fast alle Samaritaner, einige wenige aber auch unter den anderen Völkern, bekennen jenen (Simon) als Ersten Gott und verehren ihn. Und eine gewisse Helena, die mit ihm umherzog zu jener Zeit, und die sich früher in einem Bordell feilgeboten hatte, nennen sie die von ihm erzeugte Erste Ennoia. b) Der göttliche

Mensch

O b es unabhängig vom Christentum einen Gnostizismus gegeben hat oder ob dieser sich erst unter Voraussetzung des Christentums herausgebildet hat, ist bis heute unter anderem gerade an der simonianischen Gnosis erörtert worden. D a diese Frage für die Interpretation der neutestamentlichen Verkündigung zentral ist, ist der Disput außerordentlich scharf. Zwei Positionen stehen sich gegenüber. Eine erste geht von der Beobachtung aus, daß Lukas in der Apostelgeschichte Simon als Wundertäter schildert. Sie folgert daraus, daß sich die simonianische Gnosis erst nachträglich, unter Aufnahme christlicher Elemente, gebildet habe. Die religionsgeschichtliche Parallele für Simon Magus w ä r e dann der Typ des hellenistischen Wundertäters, des göttlichen M e n schen, wie ihn zum Beispiel Philostrat im Beginn des 3 . J h . n . C h r . geschildert hat. Apollonios von Tyana, den er hier darstellt, hat im 1. Jh. n. Chr. gelebt.

29. Der Typos des hellenistischen

Wundertäters

Philostrat, Apollonios von Tyana 14: Apollonios Heimatstadt nun war Tyana, eine griechische Stadt im Lande der Kappadozier. Sein Vater trug denselben Namen, seine Familie war eine alte und stammte von den Stadtgründern ab. Sie übertraf in Reichtum die anderen Familien, das Volk insgesamt aber war schon reich. Als seine Mutter mit ihm schwanger ging, erschien ihr der ägyptische Gott Proteus, der auch bei Homer seine Form verändert. Sie aber frug ihn ohne Furcht, was für ein Kind sie gebären würde. Er aber sprach: „Mich". „Wer aber bist Du?" fragte sie. „Proteus" sagte er, „der ägyptische Gott". Wie groß aber des Proteus Weisheit war, was soll ich es denen erzählen, die aus den Dichtern wissen, wie gewandt er war, immer ein anderer, nimmer zu fangen und wie man glaubte, er wisse alles Zukünftige. Und um so mehr muß man des Proteus gedenken, da die weitere Darstellung zeigen wird, daß der Mann mehr vorher wußte als Proteus und über mehr Schwierigkeiten und Gefahren, in die er kam, gesiegt hatte. c) Die große

Macht

Eine zweite A n t w o r t geht von dem Begriff der Großen M a c h t aus, der sich durch fast alle antiken Bemerkungen über die simonianische Gnosis hindurch zieht und der seine Vorgeschichte aller Wahrscheinlichkeit nach in der Religion der Provinz Samaria hat, mit der Simon und seine Sekte eng verbunden waren. Der Sinn des griechischen Begriffes ist an allen Stellen gleich: er bezeichnet die höchste Gottheit selbst, und nicht etwa ein Prädikat dieser. In der samaritanischen Literatur der ara-

104

Π. Die Samaritaner

maischen Periode gibt es hierzu eine auffällige Parallele: an zahllosen Stellen wird nämlich der hebräische Begriff ,Gott' fei) mit heläh (,Macht') wiedergegeben, was schon durch den Gleichklang beider Worte im samaritanischen Aramäisch nahegelegt ist. Diese Identität der Bezeichnungen Gott und Macht ist eine Besonderheit, die der Simonianismus mit der samaritanischen Religion teilt. Dazu tritt ein weiteres Indiz. Die Kennzeichnung dieser Macht als ,groß' war in den Doxologien der samaritanischen Synagogengemeinden traditionelle Antwort auf die Verlesung aus dem Pentateuch. So setzt der älteste Teil der samaritanischen Liturgien, der wahrscheinlich aus dem 2.Jh. n.Chr. stammende Durrän, bereits eine entsprechende Formel voraus. Auf einen solchen liturgischen Brauch könnte die Erzählung Apg. 8 anspielen, wenn die Samarier Simon die Macht nennen, „die die große genannt wird" (8,10). 30.

Die,Große

Macht' in der samaritanischen

Liturgie

Durrän 18 (ed. Cowley S. 4 5 , 2 5 ^ * 6 , 4 ) : Mächtig ist die Macht, die sich zur Ruhe neigt. Sie kommt nicht von Mühe her, sondern (ruht), weil die Feiernden ruhen sollen. In sechs Tagen machte sie die Welt und die ganze Schöpfung und ruhte am siebten Tag und machte ihn in Ewigkeit heilig und sprach: ,Wer an ihm ruht, soll gesegnet sein, und jeder, der ihn entweiht, soll getötet werden' (an E x . 3 1 , 1 4 angelehnt). Denn er ist ein Gebiet, festgelegt durch Gott. Mose wurde betraut, ihn zu offenbaren (Ex. 2 0 , 8 ) . Und er setzte ihn fest für das ganze Menschengeschlecht und lehrte ihn vor dem Berg Sinai der Gemeinde, die aus Ägypten herausgezogen war, damit sie an ihm ruhen und sprechen: ,Groß ist die große Macht, die so (die Schwachen) verherrlicht hat.' Gepriesen sei Gott. Es gibt keinen Gott außer einem. 5. Rabbinische

Traditionen

über die Samaritaner

(G.A.Wewers)

Die Urteile der Rabbinen über die Samaritaner sind im Laufe der Zeit durchaus unterschiedlich gewesen. In der frühen Zeit des rabbinischen Judentums unterschied man sehr wohl auch zwischen Heiden und Samaritanern. Als trennend wurde aber die Anbetung auf dem Berg Garizim empfunden. Die Urteile werden mit der Zeit immer unfreundlicher, so daß den Samaritanern sogar (fälschlich) eine geläufige Ketzeransicht zugeschrieben wird. Einige Gelehrte gingen sogar so weit, die Samaritaner mit den Heiden gleichzustellen, womit der Weg frei wurde, später die Samaritaner als die Heiden schlechthin zu typisieren. ,Samaritaner' wurde sogar zum terminus technicus für Heide. Wie wenig sie als zu Israel gehörend angesehen wurden, zeigt, daß man (sicher zu Unrecht) einem Samaritaner den Verrat von Beth-Ther im BarKosba Aufstand zuschrieb (s. unten III Nr. 14). 31.

Juden—Heiden—Samaritaner

Tosefta Aboda zaraIII, 1 2 - 1 3 ( M . S . Z u c k e r m a n d e l 4 6 4 ) : Ein Israelit beschneidet einen Heiden auf den Namen der Proselytenschaft 1 . Aber ein Heide soll nicht einen Israeliten beschneiden, weil die (Heiden) mordverdächtig sind - W o r t e von Rabbi Meir (T. um 1 5 0 ) . Aber die Weisen 1

Der Übertritt zum Judentum muß gewährleistet sein.

Rabbinische Traditionen über die Samaritaner

105

sagen: ein Proselyt beschneidet einen Israeliten zu der Zeit, wo andere bei ihm stehen. Unter vier Augen ist es (allerdings) verboten, weil die (Heiden) mordverdächtig sind. Ein Israelii beschneidet einen Samaritaner. Aber ein Samaritaner soll nicht einen Israeliten beschneiden, weil die (Samaritaner) auf den Namen des Bergs Garizim beschneiden — Worte von Rabbi Jehuda (T. um 150). Rabbi Jose (T. um 150) hat zu ihm gesagt: wo finden wir eine Beschneidung, die nicht auf den Namen des Bundes (Gottes mit Abraham)2 wäre? Also (mag er es doch) auf den Namen des Bergs Garizim (tun), bis seine Seele abscheidet! 32. Unterschiedliche

Meinungen

Tosefta Therumoth IV, 12 (M.S.Zuckermandel 31 f.): Ein Samaritaner ist wie ein Heide — Worte von Rabbi (T. gest. um 217). Rabban Schimeon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt: ein Samaritaner ist wie ein Israelii. 33. Anbetung auf dem Garizim Bereschith Rabba 81,3 (J.Theodor-Ch. Albeck 974): Rabbi Jischmael-ben-Rabbi-Jose (T. um 180) ist hinaufgestiegen, um in Jerusalem anzubeten. Er ist an einer Platane vorbeigekommen, und es hat ihn ein Samaritaner gesehen. Der hat zu ihm gesagt: wohin gehst du? Er hat zu ihm gesagt: ich steige hinauf, um in Jerusalem anzubeten. Er hat zu ihm gesagt: aber wäre es nicht besser für dich, auf diesem gesegneten Berg ( = Garizim) und nicht auf jenem Trümmerhaufen anzubeten? Er hat zu ihm gesagt: ich will euch (Samaritanern) sagen, wem ihr gleicht! Einem Hund, der gierig nach Aas schnappt! Weil ihr wißt, daß ein Götzenbild unter dem (Berg Garisim) verborgen ist 1 , darum schnappt ihr gierig danach! Sie haben gesagt: der will das (Götzenbild) nehmen! Aber er stand auf und floh in der Nacht. 34. Dogmatische

Diskriminierung1

Siphre Schelach § 112 (H.S.Horovitz 122): Ausgerottet, ausgerottet soll jene Seele werden (4. Mose 15,31). Rabbi Schimeon-ben-Eleasar (T. um 190) hat gesagt: von hier habe ich die Bücher der Samaritaner als falsch erwiesen. Denn sie sagen: die Toten werden nicht (wieder) lebendig. Ich habe ihnen gesagt: siehe, die (Schrift) sagt: Ausgerottet, ausgerottet soll jene Seele werden, ihre Sünde ist an ihr (4.Mose 15,31). 1. Mose 17,1-14. Ein Glossator hat hier die Bibelstelle (1.Mose 35,4) eingeschoben, auf die Rabbi Jischmael anspielt: Und Jakob verbarg die (fremden Götter). 1 Vgl. die Texte III. 20, 23, 24. 2

1

106

II. Die Samaritaner

Denn die Schrift lehrt (die Worte) „ihre Sünde ist an ihr" nur, weil die (Seele) zukünftig (nach der vollzogenen Ausrottung) am Tag des Gerichts Rechenschaft geben muß. 35. Unreinheit der Samaritaner Mischna Schebiith VIII, 10: Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: wer das Brot eines Samaritaners ißt, ist wie der, der Schweinefleisch ißt.

III. Das rabbinische Judentum Gerd

A.WEWERS

Einleitung Neben den christlichen Traditionen sind aus der Umwelt des Neuen Testaments nur die Traditionen des rabbinischen Judentums bis heute weltweit direkt wirksam geblieben. Das rechtfertigt für diesen Textband einen besonderen Abschnitt, ohne daß damit der Eindruck erweckt werden soll, daß das rabbinische Judentum eine von seiner Umwelt isolierte oder in seiner Umwelt institutionell verankerte Erscheinung (eine Art „jüdische Kirche") gewesen sei. Dieser Abschnitt ist unter der ausdrücklichen Voraussetzung zusammengestellt, daß das „rabbinische Judentum" eine ebenso komplexe Erscheinung gewesen ist wie das „frühe Christentum". Insofern ist die Bezeichnung „rabbinisches Judentum", die auf Grund von Art und Umfang des uns überkommenen Schrifttums gewählt wurde, ein Hilfsmittel, kein analytisch kennzeichnender Ausdruck. Eine exemplarische Auswahl der Texte ist deshalb und wegen der Fülle des Materials nicht möglich gewesen. Versucht wurde eine illustrierende Auswahl, die das rabbinische Judentum in seinen vielfältigen Erscheinungen und in seinem biblisch fundierten einheitlichen Selbstverständnis, das von Gott erwählte Israel zu repräsentieren, verdeutlichen soll. Für die Auswahl der Texte ist ferner der Gesichtspunkt wichtig gewesen, daß sich zwischen Urchristenheit/Urkirche nach dem Tod Jesu und dem rabbinischen Judentum nach dem Ende eines eigenständigen politischen Israel (Zerstörung des Tempels im Jahr 70, Scheitern des letzten Aufstands im Jahr 135) eigenartige Parallelentwicklungen im theologischen Denken aufzeigen lassen, ohne daß von ausdrücklichen gegenseitigen Berührungen oder Beeinflussungen geredet werden muß. Den Ubersetzungen wurden die vorliegenden Ausgaben zugrundegelegt, wobei die Spannbreite von unkritischen Vulgärausgaben bis zu wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Ausgaben reicht. Die jeweils benutzte Ausgabe ist der Stellenangabe beigegeben. Den genannten rabbinischen Gelehrten wird die Zeitangabe beigegeben, die P.Billerbeck auf Grund älterer und eigener Forschungen verwendet hat 1 . Diese Angaben sind nicht absolut zu nehmen, sondern es ist in der Regel so, daß der genannte Gelehrte der erste Tradent seiner Ansicht und nicht unbedingt ihr Autor gewesen ist. Den einzelnen Abschnitten ist eine Einleitung vorangestellt, die die Texte charakterisiert, und in der auf die auch Laien zugänglichen Werke von P.Billerbeck und E. Lohse verwiesen wird.

108

ΠΙ. Das rabbinische Judentum

Bei dem Abschnitt III 2 c („Hymnen und Gebete") war zu überlegen, ob Hymnen der sogenannten jüdischen Mystik aus der Hekaloth-Literatur in die Auswahl aufgenommen werden sollten. Nach traditionsgeschichtlichem Gesichtspunkt wäre ihre Aufnahme vielleicht berechtigt gewesen, nicht jedoch nach dem hier maßgeblichen redaktionsgeschichtlichen Gesichtspunkt. Dabei ist jedoch zu betonen, daß die irad/i/onsgeschichtlichen Probleme zu wenig gelöst erscheinen, als daß eine feste Abgrenzung vorgenommen werden könnte 2 . Gleichwohl sei für den Interessierten auf leichter zugängliche Teilübersetzungen verwiesen: der späte Traktat von den himmlischen Hallen („Masseketh Hekaloth") findet sich bei K.Wilhelm, Jüdischer Glaube, 211— 226; ein längerer Abschnitt aus Hekaloth Rabbathi findet sich übersetzt von J. Maier in R. Brunner, Gesetz und Gnade, 1 0 4 - 1 0 9 3 . Aus dem gleichen Gesichtspunkt heraus wurde auf Ausschnitte aus Büchern der frühen Kabbala (Sepher Jezira, Bahir) verzichtet 4 . Daß auch innerhalb des nach redaktionsgeschichtlichen Gesichtspunkten abgesteckten Felds manche interessante Tradition nicht aufgenommen werden konnte, versteht sich angesichts der Materialfülle von selbst. Es wurde hauptsächlich darauf geachtet, daß wesentliche Gegebenheiten und Problemstellungen belegt wurden; sie an Hand von Texten (und ausschließlich von Texten!) darzustellen, war nicht vorgesehen. Da mittlerweile das handliche Lehrbuch von J . Maier vorliegt, in dem sich zahlreiche Literaturhinweise finden, wird in diesem Textband grundsätzlich darauf verzichtet, interpretierende Literatur zu nennen. 1 Die verwendeten Abkürzungen sind: T . = Thannattischer Gelehrter der ersten beiden Jahrhunderte; P. = Palästinischer Gelehrter; B. = Babylonischer Gelehrter. 2 Eine allgemeinverständliche Einführung in diese Probleme bietet G. Scholem, Die jüdische Mystik... 3 Vgl. auch die älteren Ubersetzungen in A.Wünsche, Aus Israels Lehrhallen (5 Bände), Leipzig 1 9 0 7 / 1 0 . Die Ausgaben dieser Literatur sind unbefriedigend: A.Jellinek, Beth hamidrasch (6 Bände), Wien 1 8 7 3 / 7 7 ; S. A. Wertheimer, Bathe midraschoth (2 Bände), Jerusalem, 2. Aufl. 1 9 6 8 . 4 L. Goldschmidt, Das Buch der Schöpfung; G. Scholem, Das Buch Bahir.

1. Politische und soziale Struktur a) Das Landvolk „Landvolk" ist keine Selbstbezeichnung einer Bevölkerungsgruppe Palästinas gewesen. Es ist auffällig, daß Definitionen des Landvolks und Regeln für den Umgang mit ihm pharisäisch-rabbinisch gedacht und formuliert sind (Texte III. 1 - 3 ) ; doch ist das Fehlen von Selbstzeugnissen wohl darin begründet, daß die von den Rabbinen anvisierte Bevölkerungsgruppe gar nicht in der Lage war, sich schriftlich zu äußern. Zum anderen folgt daraus, daß die arme Schicht der Landbevölkerung zur Gruppe erst durch die rabbinischen Maßstäbe wurde. Innerhalb eines rabbinisch gedachten „Israel" hatten sie von diesem Denkansatz aus keinen Platz; ihr Platz wurde ihnen vielmehr zugewiesen durch die bevollmächtigten Interpreten dessen, was Israel zu sein habe. Eine besondere Differenzierung des Landvolks ist im Rahmen dieser pau-

Politische und soziale Struktur

109

schal-polemischen Sicht der Dinge nicht erforderlich gewesen. Der Stil entspricht folglich dem Gehalt. Polemik und Apologetik des eigenen Standpunkts bestimmen die Texte. Der Grundzug ist dabei: wer nicht in der Thora als der Offenbarung Gottes kundig ist, gehört nicht zu den Rabbinen und ihren Schülern, er gehört zum Landvolk. Aus der Grenzziehung und Abgrenzung ergeben sich für den Umgang die negativen Regeln und der mindere Rechtsstatus des Landvolks (Text III. 2). Die Abgrenzung zum Landvolk galt besonders für die Mitglieder („Genossen") des etwa ab l . J h . nachweisbaren Pharisäerbundes (Text III.3). Damit werden zwei bereits vorhandene Konfliktsituationen in den Texten aufgenommen. Theologisch wurde das Landvolk auf eine Stufe mit den Fremdvölkern (bzw. Samaritanern) gestellt (Text III.l), womit der Gegensatz „reines Israel — heidnische Mischbevölkerung", wie er bereits bei Esra vorlag (Esr. 1 0 , 2 . 1 1 ; Neh. 10,31 f.), aufgegriffen wird: die Zöllner (Texte III. 5—6) standen immerhin im Dienst der römischen Besatzungsmacht. Ferner wird aufgegriffen der Gegensatz „Stadt (Jerusalem) — Land", wobei die Rabbinen keinen Zweifel daran ließen, daß der Stadt der theologische und wirtschaftliche Vorrang gebühre. Dieser Gegensatz implizierte immer, wenn auch gelegentlich fiktiv, den Gegensatz von wirtschaftlicher Armut des Landes (Text III. 4) und dem zumindest potentiellen Reichtum der Stadt. Eine Aufhebung der in den Texten dokumentierten Gegensätze soziotheologischer Art war für die Rabbinen erst zu einem späteren Zeitpunkt bei völlig veränderten Gegebenheiten möglich, denkbar und sagbar. E. Lohse 5 6 , 1 0 7 ; P. Billerbeck II 4 9 4 - 5 1 9 . Text III. 2 9 , 3 5 , 1 2 6 .

1. Pharisäische

Definitionen

des

Landvolks

Babli Sota 2 2 a: Es wird gesagt: wer (die Thora) gelesen und (die Tradition) gelernt hat, aber nicht (bei) Schülern der Weisen gedient hat. Rabbi Eleasar (P. um 2 7 0 ) sagt: siehe, das ist (einer aus dem) Landvolk. Rabbi Schemuel-bar-Nachmani (P. um 2 6 0 ) hat gesagt: siehe, das ist ein Ungebildeter. Rabbi Jannai (P. um 2 2 5 ) sagt: siehe, das ist ein Samaritaner. Rab Acha-bar-Jaaqob (B'. 4 . J h . ) sagt: siehe, das ist ein Magier. Rab Nachman-bar-Jizchaq (B. gest. 3 5 6 ) hat gesagt: einleuchtend ist es nach Rab Acha-bar-Jaaqob; denn die Leute sagen: der Magier murmelt und weiß nicht, was er sagt. (Entsprechend:) der Gelehrte 1 lehrt und weiß nicht, was er sagt. Die Rabbinen haben gelehrt: was ist (einer aus dem) Landvolk? Jeder, der nicht morgens und abends das „ H ö r e " 2 mit seinen Segenssprüchen liest — Worte von Rabbi Meir (T. um 150). Aber die Weisen sagen: jeder, der nicht die Gebetsriemen 3 umlegt. Ben-Assai (T. um 110) sagt: jeder, der keine Schaufäden 4 an seiner Kleidung hat. Rabbi Jonathan-ben-Joseph (T. um 1 4 0 ) hat gesagt: jeder, der Söhne hat und sie nicht zum Lernen der Thora erzieht. Andere 5 sagen: auch wer (die Thora) liest und (die Tradition) lernt, aber nicht (bei) Schülern der Weisen gedient hat, das ist (einer aus dem) Landvolk. W e r (die Thora) gelesen hat, aber nicht (die Tradition) gelernt hat: siehe, das ist ein Ungebildeter. W e r nicht (die Thora) gelesen hat und nicht (die Tradition)

110

III. Das rabbinische Judentum

gelernt hat, über den sagt die Schrift: Und ich habe das Haus Israel und das Haus Juda gesät: Menschensamen und Viehsamen (Jer. 31,27) 6 . Der nicht bei Schülern der Weisen gedient hat. Das tägliche Gebet bestehend aus 5.Mose 6 , 4 - 9 ; 11,13—21; 4.Mose 15,37—41, einleitenden und abschließenden Segenssprüchen. 3 2.Mose 1 3 , 1 6 ; 5.Mose 6 , 8 ; 1 1 , 1 8 ; Mt. 2 3 , 5 . 4 4. Mose 1 5 , 3 8 - 4 0 ; 5. Mose 2 2 , 1 2 ; Mt. 9 , 2 0 ; 1 4 , 3 6 ; 2 3 , 5 ; Mk. 6 , 5 6 ; Lk. 8 , 4 4 . 5 Die Schule von Rabbi Meir (T. um 150). 6 Ein solcher Mensch wird also dem Vieh gleichgestellt. 1

2

2. Umgang mit dem

Landvolk

Babli Pesachim 49 b: Rabbi Eleasar (P. um 270) hat gesagt: (bei einem aus dem) Landvolk ist es erlaubt, ihn an einem Versöhnungstag, der auf einen Sabbat fällt 1 , zu durchbohren 2 . Seine Schüler haben zu ihm gesagt: Rabbi, sage: ihn zu schlachten 3 ! Er hat zu ihnen gesagt: dieses bringt einen Segensspruch (mit sich), aber jenes bringt keinen Segensspruch (mit sich) 4 . Rabbi Eleasar hat gesagt: (bei einem aus dem) Landvolk ist es verboten, mit ihm unterwegs zu sein. Wie gesagt ist: Denn die (Thorä) ist dein Leben und die Länge deiner Tage (5.Mose 30,20). Auf sein Leben achtet er nicht 5 , auf das Leben seines (Reise)gefährten ganz genauso (nicht)! Rabbi Schemuel-bar-Nachmani (P. um 260) hat gesagt, Rabbi Jochanan (P. gest. 279) habe gesagt: (bei einem aus dem) Landvolk ist es erlaubt, ihn wie einen Fisch zu zerreißen. Rabbi Schemuel-bar-Jizchaq (P. um 300) hat gesagt: und (zwar) von seinem Rücken aus! Es wird gelehrt: Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) hat gesagt: als ich (einer aus dem) Landvolk gewesen bin 6 , habe ich gesagt: wer gibt mir einen Schüler der Weisen? Ich werde ihn wie ein Esel beißen! Seine Schüler haben zu ihm gesagt: Rabbi, sage: wie ein Hund! Er hat zu ihnen gesagt: dieser beißt und zerbricht Knochen, aber jener beißt und zerbricht nicht Knochen. Es wird gelehrt: Rabbi Meir (T. um 150) pflegte zu sagen: jeder, der seine Tochter an (einen aus dem) Landvolk verheiratet, (handelt,) als ob er sie binden und vor einen Löwen legen würde. Wie der Löwe zertritt und ohne Scham frißt, so schlägt (einer aus dem) Landvolk und kommt ohne Scham (zum Beischlaf) auf sie. Es wird gelehrt: Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: wenn wir für sie nicht im Nehmen und Geben ( = Handel) nötig wären, hätten sie uns (schon) getötet. Rabbi Chijja (T. um 200) hat gelehrt: jeder, der sich mit der Thora vor (einem aus dem) Landvolk beschäftigt, (handelt,) als ob er auf seine Verlobte in dessen Gegenwart (zum Beischlaf) kommen würde. Wie gesagt ist: Die Thora hat uns Mose geboten als Erbe (5.Mose 33,4). Lies nicht „als Erbe (,morascha')", sondern: „als Verlobte (,meorasa')"! Größer ist der Haß, den (die aus dem) Landvolk auf die Schüler der Weisen haben, als der Haß, den die Götzendiener ( = Heiden) auf Israel haben, und (der Haß) ihrer Frauen ist (noch) größer als ihrer.

Politische und soziale Struktur

111

Es wird gelehrt: wer (die Tradition) gelernt und sich (dann von den Gelehrten) abgewendet hat, ist (schlimmer) als sie alle. Die Rabbinen haben gelehrt: sechs Dinge sind über (die aus dem) Landvolk gesagt worden: man überträgt ihnen kein Zeugnis 7 , man empfängt von ihnen kein Zeugnis, man enthüllt ihnen kein Geheimnis, man wählt sie nicht zu Vormündern von Waisen, man wählt sie nicht zu Verwaltern der Armenkasse, und man ist mit ihnen nicht unterwegs. Und manche sagen: auch sein Verlorenes ruft man nicht öffentlich aus. 1

Der denkbar höchste Festtag. Das Wort bezeichnet die nicht-rituelle Tötung, bei der natürlich kein Segensspruch gesprochen wird. 3 Das Wort bezeichnet die rituelle Tötung. 4 Der Segensspruch ist für ein „Tier" aus dem Landvolk nicht erforderlich. 5 Weil er die lebenbringende Thora nicht achtet. 6 Rabbi Aqiba war bis zu seinem 40. Lebensjahr Viehhirt, ehe er zu einem der führenden Gelehrten seiner Generation wurde. Seine Worte zeigen, daß der H a ß der Pharisäer auf das ungelehrte Landvolk nicht ohne Erwiderung blieb. 7 Sie konnten vor Gericht nicht als Zeugen benannt werden. 2

3. Handel und Tischgemeinschaft Mischna Demai II, 3 a: Wer es auf sich nimmt, ein Genösse (im Pharisäerbund) zu sein, verkauft (einem aus) dem Landvolk nicht Frisches und Trockenes, und er kauft von ihm nicht Frisches, und er geht nicht (als Gast) zu (einem aus) dem Landvolk und läßt ihn nicht in seiner Kleidung (als Gast) zu sich selbst kommen. 4. Armut des Landvolks Thosephtha Pesachim 11,20 (M.S.Zuckermandel 160): In welcher Weise haben die (Bewohner Jerichos) beim Grünkraut eine Ackerecke 1 gelassen? Man hat sie nur bei Rüben und bei Poree gelassen, weil deren Lese zusammen erfolgt 2 . Rabbi Jose (T. um 150) sagt: auch beim Kohl (haben sie es getan). Es geschah bei einem Sohn von Bohajan, daß sein Vater bei Rüben eine Ackerecke gelassen hat. Er ist gegangen und hat Arme vorgefunden, die an der Pforte seines Gartens standen. Er hat zu ihnen gesagt: meine Kinder, wir wollen uns nicht wegen der Worte der Weisen Sorgen machen. Werft weg, was in euren Händen ist! Sie haben weggeworfen, was in ihren Händen war, und er hat ihnen das Doppelte vom Verzehnteten gegeben, aber nicht, weil er neidisch gewesen ist, sondern weil er die Worte der Weisen berücksichtigt hat. 1 Eine Ecke des Ackers wurde nach 3. Mose 19,9 f. nicht abgeerntet; sie kam den Armen zu. Beim Grünkraut war das nicht vorgeschrieben; indem die Bewohner Jerichos dennoch eine Ackerecke ließen, entzogen sie die betreffenden Früchte der Verzehntung, so daß die Armen Unverzehntetes aßen, was verboten war. 2 In dem Fall mußte eine Ackerecke gelassen werden.

112

III. Das rabbinische Judentum

5. Zöllner und Hurett Babli Schabbath 33 b: Rabbi Jehuda, Rabbi Jose und Rabbi Schimeon (-ben-Jochai, alle T. um 150) saßen zusammen, und Rabbi Jehuda der Proselytensohn (T. um 150) saß bei ihnen. Rabbi Jehuda hat eröffnet und gesagt: wie schön sind die Werke dieses Volks ( = Rom)! Sie haben Märkte eingerichtet, sie haben Brücken eingerichtet, sie haben Bäder eingerichtet! Rabbi Jose hat geschwiegen. Rabbi Schimeon-ben-Jochai hat geantwortet und gesagt: alles, was sie eingerichtet haben, haben sie nur für ihren eigenen Bedarf eingerichtet! Sie haben Märkte eingerichtet, um auf ihnen Huren sitzen zu lassen; Bäder, um sich selbst in ihnen zu erfreuen; Brücken, um von ihnen Zoll einzunehmen. 6. Unehrlichkeit der Zöllner und Hirten Babli Sanhedrin 25 b: Es wird gelehrt 1 : ferner hat man zu ihnen die Hirten, die Steuereinnehmer und die Zöllner hinzugefügt. Die Hirten: anfangs hatte man angenommen, es sei bloß gelegentlich 2 . Als man gesehen hatte, daß sie es absichtlich taten und direkt raubten, hat man über sie (die Hinzufügung) beschlossen. Die Steuereinnehmer und die Zöllner: anfangs hatte man angenommen, sie nähmen das, was ihnen vorgeschrieben sei. Als man gesehen hatte, daß sie mehr nahmen, hat man sie (als Zeugen) für untauglich erklärt. 1 Eine Ergänzung zu Mischna Sanhedrin 111,3, wo die Personen aufgezählt werden, die vor Gericht nicht als Zeugen auftreten dürfen. 2 Nur gelegentlich ( = weiden lassen.

unvorsätzlich) hätten die Hirten ihre Herde auf fremdem Weideland

b) Parteiungen und

Gegensätze

Parteiungen sind zur Zeit der abschließenden Redaktion der Mischna, des traditionellen Sammelwerks von Vorschriften für die Glaubenspraxis, bereits weitgehend dem Pharisäertum gewichen. Abweichungen von der „offiziellen Linie" vollziehen sich nicht mehr in Gruppen, sondern individual als Ketzerei Einzelner (siehe Abschnitt III 1 c). Inwieweit die bei den Rabbinen zu beobachtende Schulbildung und die Kontroversen der einzelnen Schulen und die schon bald einsetzende Konkurrenz zwischen Babylon und Palästina hier noch zu berücksichtigen sind, sei dahingestellt. In jedem Fall war die Einheitlichkeit als „Israel" gewollt, auch wenn sie nicht erreicht wurde. Die Texte bewahren eine kräftige Erinnerung an die Zeit vor der Konsolidierung des rabbinischen Pharisäertums und seiner Identifizierung mit Israel. Aus der Vielfalt der Richtungen, Strömungen und Parteiungen belegen die Texte nur einzelne Beispiele. Z u r Erlangung eines differenzierteren Bildes sei auf E . L o h s e und P.Billerbeck verwiesen. Die Sicht der Dinge erfolgt also aus einer späteren Zeit und entsprechend sind die Beurteilungen. Nur selten kommt es zu einer kritischen Selbstbeurteilung der Rabbinen, die ein differenzierteres Bild zeigt (Text III. 7). Die hauptsächliche Gegenpartei der Pharisäer waren die politisch agierenden Sadduzäer, von denen als Untergruppe auch die Boethosäer genannt werden (Texte III. 8—9). Der Gegensatz bestand

Politische und soziale Struktur

113

nicht nur in Fragen der Lehre (Totenauferstehung von den Sadduzäern geleugnet) und des Kultes (besonders bei Terminfragen), sondern auch in Fragen der politischen Praxis (Verhältnis zum Königtum, bzw. zur Besatzungsmacht). Daß sich die größere Weisheit der Pharisäer durchgesetzt habe, wird später gern betont (Text III. 8), ihre vergleichsweise unpolitische Haltung erlaubte die Kontinuität Israels in Kriegswirren und über den Bruch des Jahres 70 hinaus (Text III. 11). Das Machtstreben der.Sadduzäer und die Spontangewalt der Zeloten (Texte III. 10—11) wurden überwunden, und neue Gegensätze wurden bestimmend. Die Diaspora gewann vor allem in Babylon an Gewicht (Text III. 12; vgl. Text III.36). Die Zentrierung auf Israel war darum ein theologisches Anliegen ersten Ranges (Text III. 12 Ende). Gegensätze innerhalb Palästinas (Text III. 13) sind Gegensätze zwischen rabbinischer Gelehrsamkeit und der Ungelehrsamkeit (spez. des Landvolks) bzw. zwischen dem Land Israel und seiner geographischen Umgebung (Text III. 14). E.Lohse 5 1 - 5 3 (Sadduzäer), 5 3 - 5 8 (Pharisäer), 58f. (Zeloten), 8 2 - 8 6 (Schriftgelehrte), 8 6 - 9 2 , 106 (Diaspora), 3 1 - 3 5 (Aufstand 66-70), 35 f. (Ben-Kosba-Aufstand). P.Billerbeck IV 3 3 4 - 3 5 2 (Pharisäer und Sadduzäer); I 537f.; II 762f. (Zeloten); II 157 (Schriftgelehrte); II 5 9 8 - 6 0 0 , 7 9 9 - 8 0 1 , 8 4 7 - 8 5 1 ; IV 3 4 1 - 3 4 6 , 351 (Boethosäer); IV 580 (Judäa - Galiläa). 7. Arten des

Pharisäismus

Jeruschalmi Berakoth 14 b, 4 8 - 5 5 : Sieben (Arten von) Pharisäer(n) gibt es: den Pharisäer der Schulter, den Pharisäer des Leihens, den Pharisäer der Verrechnung, den Pharisäer der Sparsamkeit, den Pharisäer des „ich möchte meine Schuld wissen und (etwas gegen) sie t u n ! " , den Pharisäer der Furcht, den Pharisäer der Liebe. Der Pharisäer der Schulter trägt seine Gebotserfüllungen (für jeden sichtbar) auf der Schulter 1 . D e r Pharisäer des Leihens (sagt zu seinem Gläubiger): leih mir (Zeit), ich will (vor der Bezahlung meiner Schuld noch) ein G e b o t erfüllen! D e r Pharisäer der Verrechnung begeht diese Sünde und jene Gebotserfüllung und verrechnet diese mit jener. D e r Pharisäer der Sparsamkeit (sagt): von dem, was ich habe, spare ich (etwas ab und) erfülle ein Gebot. D e r Pharisäer des „ich möchte meine Schuld wissen und (etwas gegen) sie t u n ! " (sagt): welche Sünde habe ich getan, daß ich ein G e b o t wie sie ( = von gleichem Rang) erfülle!? Der Pharisäer der Furcht: wie Hiob. D e r Pharisäer der Liebe: wie Abraham. Und von ihnen allen beliebt ist nur der Pharisäer der Liebe wie Abraham. 1

Vgl. Mt. 6 , 1 .

8. Diskriminierung

der

Sadduzäer

Thosephtha Nidda V , 2 - 3 ( M . S . Z u c k e r m a n d e l 6 4 5 ) Zu der Zeit, w o die T ö c h t e r der Sadduzäer auf den Wegen ihrer Väter gehen, sind sie, siehe, wie die S a m a r i t a n e r i n n e n H a b e n sie sich zu den Wegen Israels abgesondert, sind sie, siehe, wie Israel. Es geschah bei einem Sadduzäer, der mit einem Hohepriester geredet hat. Es ist Speichel aus seinem Mund gespritzt und auf die Kleider des Hoheprie8

Kippenberg, Textbuch

114

III. Das rabbinische Judentum

sters gefallen, und der Hohepriester ist bleich geworden2. Und man ist gekommen und hat seine ( = des Sadduzäers) Frau befragt 3 , und die hat gesagt: mein Herr Priester! Auch wenn wir insgesamt sadduzäische Frauen sind, befragen wir (doch bezüglich der Reinheitsbestimmungen) einen (pharisäischen) Weisen. Rabbi Jose (T. um 150) hat gesagt: wir kennen die Sadduzäerinnen besser als alle: sie befragen insgesamt einen Weisen außer einer, die unter ihnen gewesen ist und (wegen der Nichtbefragung) gestorben ist. 1 Die samaritanischen Frauen gelten nach Mischna Nidda IV, 1 von der Wiege ab als Menstruierende, sind also hochgradig unrein. Vgl. T e x t III. 1 2 9 . 2 Vor Schreck, weil der Speichel eines Sadduzäers ihn bis zur Amtsuntauglichkeit unrein machen konnte. 3 O b sie die für die pharisäischen Frauen geltenden Reinheitsbestimmungen während der Menstruationszeit befolge.

9. Die

Boethosäer

Thosephtha Rosch ha-schana 1,15 (M.S.Zuckermandel 210): In früherer (Zeit) nahm man das Zeugnis (über das Erscheinen) des Neumonds 1 von jedem Menschen an. Einmal haben die Boethosäer zwei Zeugen bezahlt, daß sie gingen und die Weisen irreführten 2 . Denn die Boethosäer erklärten, daß das Wochenfest 3 nur nach einem Sabbat 4 sein dürfe. Der eine (Zeuge) ist gekommen und hat sein Zeugnis abgelegt und ist (wieder) gegangen. Und der andere (Zeuge) ist gekommen und hat gesagt: ich bin bei Maale-Adummim 5 hinaufgestiegen (und) habe den (Mond) zwischen zwei Felsen liegen gesehen. Sein Kopf glich einem Kalb, seine Ohren glichen (denen eines) Böckchen(s). Ich habe ihn gesehen, habe mich erschrocken und bin auf meinen Rücken gefallen und siehe: zweihundert Sus 6 waren bei mir im Geldbeutel eingewickelt! Sie haben zu ihm gesagt: das Geld soll dir als Geschenk bleiben, aber die, die dich bezahlten, sollen kommen und geprügelt werden. Was hast du (für einen Grund) gesehen, (dich) zu (dieser Aussage) zu verpflichten? Er hat zu ihnen gesagt: weil ich gehört habe, daß die Boethosäer (jemanden) suchten, daß er ginge und die Weisen irreführe. Ich habe (mir) gesagt: es wäre gut, wenn ich ginge und (es) die Weisen wissen lasse. Das war für die genaue Berechnung der Festtage wichtig. Sie sollten in der pharisäischen Kalenderkommission falsche Aussagen über das Erscheinen des Neumonds machen. 3 Es entspricht dem christlichen Pfingstfest und gilt heute als Fest „der geistigen Befreiung" (Z. Asaria) durch die Gabe der Thora. Siehe T e x t III. 101. 1

2

4 Also am Sonntag, während die Pharisäer der Meinung waren, es werde fünfzig Tage nach dem zweiten Passafeiertag gefeiert, und die Festsetzung richte sich danach, auf welchen Wochentag der falle. 5

Ein Ort zwischen Jerusalem und Jericho.

6

Etwa 2 0 0 Silberdenare, der Kaufpreis für einen Ochsen.

Politische und soziale Struktur

10.

115

Zeloten

Mischna Sanhedrin IX, 6 a: Wer die Opferschale 1 stiehlt, und wer mit „ q o s e m " 2 flucht, und wer eine Aramäerin 3 beschläft, (den) stoßen die Eiferer nieder 4 . 1 Sie wurde beim Laubhüttenfest verwendet. Vgl. Text III. 103. Möglicherweise war der Dieb ein Sadduzäer, die diese Zeremonie ablehnten. 2 Ein sinnloses Wort, das für einen Götzennamen steht und an das griechische „kosmos" anklingt. 3 Heidin, bes. Römerin. 4 Wenn sie ihn auf frischer Tat ertappen. Für „Eiferer" verwendet der Text das Wort „qannai". Vgl. Mt. 1 0 , 4 par. Gemeint sind Zeloten.

11. Zeloten und Pharisäer Babli Gittin 56 ab: Es sind unter ihnen 1 gewisse Rebellen gewesen. Die Rabbinen ( = Pharisäer) haben zu ihnen gesagt: wir wollen hinausgehen und mit ihnen ( = den Römern) Frieden machen. Sie haben es nicht zugelassen, (sondern) haben zu ihnen gesagt: wir wollen hinausgehen und mit ihnen Krieg machen. Die Rabbinen haben zu ihnen gesagt: es wird nicht gelingen. Da haben die (Rebellen) sich aufgemacht (und) haben ihnen ( = der Bevölkerung Jerusalems) die Vorräte an Weizen und Gerste verbrannt, und es gab eine Hungersnot 2 ... Abba Siqara, der Anführer der Rebellen von Jerusalem, war ein Sohn der Schwester von Rabban Jochanan-ben-Sakkai (T. gest. um 80) 3 . Er ( = Jochanan) hat zu ihm geschickt (und ihn wissen lassen), er werde heimlich zu ihm kommen. Er ist gekommen (und) hat zu ihm gesagt: wie lange (noch) werdet ihr so handeln und die Welt durch Hunger töten? Er hat zu ihm gesagt: was kann ich tun? Wenn ich zu ihnen (etwas) sage, töten sie mich! Er hat zu ihm gesagt: zeige mir eine Möglichkeit, daß ich (aus der Stadt) hinausgehe! Vielleicht gibt es eine Rettung. Er hat zu ihm gesagt: tu so, (als ob) du zu den Kranken (gehörst)! Und es werden Leute kommen und nach dir fragen, aber du holst etwas Stinkendes und legst es neben dich. Man wird sagen, du seist gestorben. Aber (nur) deine Schüler sollen dich hochheben, und kein anderer Mensch soll dich hochheben, damit man es nicht merkt, daß du leicht bist. Denn man weiß, daß ein Lebender leichter als ein Toter ist. Er hat so gehandelt. Rabbi Elieser (T. um 90) ist an der einen Seite und Rabbi Jehoschua (T. um 90) an der anderen Seite zu ihm getreten 4 . Als sie an das Tor kamen, wollten die (Wachhabenden der Rebellen) ihn durchstechen. Sie haben zu ihnen gesagt: die (Römer) würden sagen, wir hätten unseren Lehrer durchstochen. Sie wollten ihn stoßen. Sie haben zu ihnen gesagt: sie würden sagen, wir hätten unseren Lehrer gestoßen. Sie haben ihm (daraufhin) das Tor geöffnet, (und) er ist (aus der Stadt) hinausgekommen. (Es schließt sich ein legendärer Bericht über ein Gespräch zwischen dem römischen Belagerer Vespasian und Rabban Jochanan-ben-Sakkai an. An dessen Ende äußert Rabban Jochanan-ben-Sakkai die ausschließlich vom pharisäischen Standpunkt ausgehende Bitte:) gib mir

116

III. Das rabbinische Judentum

J a b n e 5 und seine Weisen, den Schülerkreis von Rabban Gamliel (T. um 90) und Medizin, die Rabbi Zadoq (T. um 5 0 - 9 0 ) heilen kann! Unter den Bewohnern des belagerten Jerusalem im Jahr 6 9 / 7 0 . Diese sollte die Bevölkerung Jerusalems kriegswilliger machen. 3 Trotz dieser Verwandtschaft gehörte Abba Siqara zu den Zeloten und Rabban Jochananben-Sakkai zu den Pharisäern. 4 Um die Bahre hinauszutragen. 1

2

5

Ein kleiner Küstenort, nach der Zerstörung Jerusalems das neue Zentrum der Pharisäer.

12. Das

Diasporajudentum

Babli Berakoth 63 ab: Rab Saphra (B./P. um 3 0 0 ) hat gesagt, Rabbi Abbahu (P. um 300) habe erzählt: als Chananja, der Brudersohn von Rabbi Jehoschua (T. um 110), in die Diaspora (nach Babylon) hinabgegangen ist, hat er im Ausland Schaltjahre angeordnet und Schaltmonate festgesetzt 1 . Man hat ihm zwei Weisenschüler nachgeschickt, Rabbi Jose-ben-Kipper (T. um 180) und den Enkel von Sekarja-ben-Qebutal (Τ. 1.Jh.). Als er sie gesehen hat, hat er zu ihnen gesagt: warum seid ihr gekommen? Sie haben zu ihm gesagt: wir sind gekommen, um Thora zu lernen. Er hat über sie ausgerufen: diese Männer sind Große des Zeitalters, und ihre Väter haben im Heiligtum Dienst getan! W i e 2 wir gelernt haben: Sekarja-ben-Qebutal sagt: oftmals habe ich vor dem (Hohepriester) aus dem Buch Daniel gelesen. Er ( = Chananja) hat angefangen, (etwas) als unrein zu erklären, und sie haben es als rein erklärt; er hat (etwas) verboten, und sie haben es erlaubt. Er hat über sie ausgerufen: diese Männer sind lügenhaft und nichtig! Sie haben zu ihm gesagt: du hast bereits gebaut und kannst nicht mehr niederreißen; du hast bereits umzäunt und kannst nicht mehr einreißen! Er hat zu ihnen gesagt: weshalb erkläre ich (etwas) für unrein und ihr es für rein, (weshalb) verbiete ich (etwas) und ihr erlaubt es? Sie haben zu ihm gesagt: weil du im Ausland Schaltjahre angeordnet und Schaltmonate festgesetzt hast. Er hat zu ihnen gesagt: aber hat nicht (auch) Aqiba-ben-Joseph (T. gest. um 135) im Ausland Schaltjahre angeordnet und Schaltmonate festgesetzt? Sie haben zu ihm gesagt: laß Rabbi Aqiba, der keinen wie er im Land Israel hinterlassen h a t 3 ! Er hat zu ihnen gesagt: auch ich habe keinen wie mich im Land Israel hinterlassen! Sie haben zu ihm gesagt: die Böcklein, die du hinterlassen hast, sind Böcke mit Hörnern geworden, und sie haben uns zu dir geschickt und haben uns so gesagt: geht und sagt es ihm in unserem N a m e n 4 ; wenn er (darauf) hört, ist es gut, aber wenn nicht, sei er im Bann! Und sagt es unseren Brüdern in der Diaspora: wenn sie (darauf) hören, ist es gut, aber wenn nicht, sollen sie auf einen Berg steigen, Achija 5 soll einen Altar bauen, Chananja soll auf der Harfe spielen, und sie alle sollen sich lossagen und sagen, sie hätten keinen Anteil am Gott Israels! Sogleich hat das ganze Volk unter Weinen geschrien und gesagt: Gott behüte, wir haben Anteil am Gott Israel! Und warum das alles? Weil gesagt

Politische und soziale Struktur

ist: Denn von Zion geht die Thora aus und das Wort des Herrn von (Jes. 2,3).

117

Jerusalem

Zum Problem Babylon-Diaspora-Ausland siehe Einleitung S. 113. Dieses ist offensichtlich eine spätere Glosse. 3 Im Gegensatz zu Chananja, der sich den Entscheidungen der Gelehrten Israels ( = Palästinas) beugen sollte. 4 Die Anordnung und Festsetzung im Ausland zu unterlassen. 5 Wohl einer der führenden Männer der babylonischen Gemeinde. 1

2

13. Gegensatz

Judäa-Galiläa

Babli Erubin 53 a: Rab Jehuda (B. gest. 299) hat gesagt, Rab (B. gest. 247) habe gesagt: den Judäern, die auf ihre Sprache geachtet haben, ist ihre Thora erhalten geblieben. Den Galiläern, die nicht auf ihre Sprache geachtet haben, ist ihre Thora nicht erhalten geblieben. Hängt die Sache denn am Achten (auf die Sprache) ? Vielmehr: den Judäern, die Sorge getragen haben um die Lehre (ihrer Lehrer) und sich Zeichen dafür gemacht haben, ist ihre Thora erhalten geblieben. Den Galiläern, die nicht Sorge getragen haben um die Lehre (ihrer Lehrer) und sich keine Zeichen dafür gemacht haben, ist ihre Thora nicht erhalten geblieben. Die Judäer haben von einem Lehrer gelernt: ihre Thora ist ihnen erhalten geblieben. Den Galiläern, die nicht von einem Lehrer gelernt haben, ist ihre Thora nicht erhalten geblieben. Rabina (B. gest. 420) hat gesagt: den Judäern, die den Text offenbart haben 1 , ist ihre Thora erhalten geblieben. Den Galiläern, die nicht den Text offenbart haben, ist ihre Thora nicht erhalten geblieben 2 . 1 2

14.

Gemeint ist wohl eine Art Missionstätigkeit. Zum Gegensatz Judäa-Galiläa vgl. noch die unterschiedlichen Hochzeitssitten Text III. 125.

Abgrenzungsprobleme

Thosephtha Therumoth II, 12—13 (M.S.Zuckermandel 27f.): Was ist das Land (Israel), und was ist außerhalb des Landes? Alles, was sich neigt und abfällt vom Torus Amnos 1 und weiter (einwärts), ist Land Israel; vom Torus Amnos ab ist es außerhalb des Landes. Bei den Inseln im Meer ( = Mittelmeer) sieht man (etwas) wie eine Schnur mitten über ihnen vom Torus Amnos bis zum Strom Ägyptens ( = Nil); von der Schnur einwärts ist es Land Israel, von der Schnur auswärts ist es außerhalb des Landes. Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: alles, was dem Land Israel gegenüber liegt, das ist, siehe, wie das Land Israel. Wie gesagt ist: Und als Grenze sei euch das Meer usw. (4.Mose 34,6). Und bei den Inseln sieht man an ihrer Seite 2 (etwas) wie eine Schnur mitten über ihnen vom Qiphlurja 3 bis zum Ozean (und) vom Strom Ägyptens bis zum Ozean; von der Schnur einwärts ist es Land Israel, von der Schnur auswärts ist es außerhalb des Landes. Ein Frachtschiff, das von außerhalb in das Land kommt, und es sind auf ihm Früchte aus (dem Gebiet) von der Schnur einwärts ( = aus Israel): be-

118

III. Das rabbinische Judentum

rührt es (den Hafengrund), sind die (Früchte) zur Abrechnung 4 verpflichtet; geht es hinaus nach außerhalb des Landes, ist es nicht betreffs einer Abrechnung verpflichtet. Rabbi Elieser (T. um 9 0 ) 5 sagt: irgendein Staub des Landes ist betreffs einer Abrechnung verpflichtet, aber Unbeschnittenes 6 und die Mischungen des Weinbergs 7 sind gleich bei einem Heiden, im Land Israel, in Syrien und außerhalb des Landes. Vielmehr das, was Rabbi Jehuda sagt: es gibt für einen Fremden in Syrien keinen Weinberg des Viertjahrs 8 . Und die Weisen sagen: es gibt ihn für ihn. Rabbi Jehuda hat gesagt: es geschah bei Ssegabjon, dem Haupt des Versammlungshauses von Aksib 9 , daß er einen Weinberg des Viertjahrs von einem Heiden in Syrien gekauft hat, und er hat ihm seinen Wert gegeben, ist gekommen und hat Rabban Gamliel (T. um 9 0 ) gefragt, der von Ort zu Ort ging, und er hat zu ihm gesagt: sollte er gewartet haben, bis es in die Vorschrift gelangt sein würde? Er hat zu ihm gesagt: . . . was du getan hast, ist getan, aber tue so nicht (noch einmal)!

1 Die Gebirgskette Amanos, der Südwestflügel des äußeren Ost-Taurus, der zu den Küstengebirgen Syriens überleitet. 2 3 4 5 6 7 8 9

Nördlich und südlich. Berg im Amanosgebirge, vielleicht der Möns Casius in Nordsyrien. Es müssen ordnungsgemäß Priesterhebe (4. Mose 1 8 , 1 1 f.) und Zehnt entrichtet werden. Hier ist wohl zu lesen: Rabbi Eleasar (T. um 150). 3. Mose 1 9 , 2 3 - 2 5 . 3 . M o s e 1 9 , 1 9 ; 5 . Mose 2 2 , 9 f f . 3. Mose 1 9 , 2 3 - 2 5 . Hafenstadt in Nordpalästina, d. h. Syrien.

c)

Ketzer

Im Interesse der von den rabbinischen Gelehrten geforderte Einheit Israels mußten abweichende Meinungen abgewehrt werden. Als die wichtigsten Ketzereien sind in der frühen Zeit auszumachen: die Leugnung der Totenauferstehung oder ihrer Grundlage in der Thora (Texte III. 15, 18, 19), das Behaupten der Existenz mehrerer Götter (Text III.20) und das Aussprechen des Gottesnamens (Text III. 15). Überhaupt galt die Begegnung mit anderen Kulten oder gar die Beteiligung an ihnen natürlich als Ketzerei (Texte III.204—206). Nicht immer ist genau zu sagen, wer diese Ketzer waren: Judenchristen, Gnostiker, Heiden. Gelegentlich ist aber mit Anspielungen auf Christen zu rechnen (Text III. 16: christliche Bibeln?). Hierzu siehe die Abschnitte III 4 ab. Im innerrabbinischen Bereich versuchte man auch, verschiedene liturgische Ketzereien zu verbieten, deren Hintergrund nicht mehr zu erkennen ist (Texte III. 17,53). Der typische Ketzer in dieser frühen Zeit ist Elischa-ben-Abuja, den man einfach „Acher", d.h. der Andere, genannt hat. Seine Ketzerei wurzelt wohl in hellenistisch-philosophischer Skepsis, mit der er den Tun-Ergehens-Zusammenhang, in dem die gute Tat belohnt, die schlechte bestraft wird, leugnet (Text III. 18; die Leugnung der Totenauferstehung ist vielleicht nicht seine Ansicht gewesen). Die endgültige Trennung von Ketzern und damit verbunden die Konsolidierung des rabbinischen

119

Politische und soziale Struktur

Israel wurde schließlich durch die Einfügung eines Segensspruchs in das Achtzehngebet (Text III. 51) erreicht, der den Ausschluß aus der Synagoge implizierte (Text III. 21). E.Lohse 3 6 ;

P.Billerbeck I 3 6 0 ,

406f.;

IV 2 0 8 - 2 1 4 ,

293-333.

Text III.53,

152-164,

204-206.

15. Ansichten

der

Ketzer

Mischna Sanhedrin X I , 1: Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt. Wie gesagt ist: Und dein Volk: Sie alle sind Gerechte. Für immer werden sie das Land besitzen. Es ist ein Sproß meiner Pflanzung, das Werk meiner Hände zur Verherrlichung (Jes. 6 0 , 2 1 ) . Und diese haben keinen Anteil an der zukünftigen Welt: wer sagt, es gäbe keine Lebendigmachung der Toten aus der Thora (zu folgern) 1 , und (wer sagt), die Thora sei nicht vom Himmel, und der Freigeist. Rabbi Aqiba (T. gest. 135) sagt: auch wer in den draußen stehenden ( = ketzerischen) Büchern liest, und wer über einer Wunde (einen Zauberspruch) flüstert und sagt: Alles Leiden, das ich auf Ägypten gelegt habe, lege ich nicht auf dich, denn ich, der Herr, bin dein Arzt (2. Mose 1 5 , 2 6 ) . Abba Schaul (T. um 150) sagt: auch wer den (Gottes)namen mit seinen Buchstaben ausspricht 2 . Vgl. die Texte III. 1 8 , 1 9 . Wer Gottes Namen, für den nur eine Umschreibung gebraucht wurde, buchstäblich ausspricht. Vgl. die Texte III. 2 7 , 9 5 . 1

2

16. Bücher der

Ketzer

Thosephtha Schabbath X I I I , 5 (M.S.Zuckermandel 129): Die Ränder (von Thorarollen) und die Bücher der Ketzer rettet man nicht (aus Feuersgefahr), sondern sie verbrennen an ihrem Ort, sie und ihre Erwähnungen (des Gottesnamens). Rabbi Jose der Galiläer (T. um 110) sagt: an einem Wochentag schneidet man die Erwähnungen heraus und versteckt sie, aber man verbrennt den Rest (der Bücher). Rabbi Tarphon (T. um 100) hat gesagt: ich will meine Söhne verlieren 1 ! Wenn die(se Schriften) in meine Hände kommen, verbrenne ich sie und ihre Erwähnungen! Denn wenn ein Verfolger mich verfolgt, betrete ich (in der Not wohl) ein Haus des Götzendienstes, aber ich betrete nicht ihre ( = der Ketzer) Häuser. Denn die Götzendiener kennen ihn ( = Gott) nicht und verleugnen ihn, aber jene kennen ihn und verleugnen ihn. Und über sie sagt die Schrift: Und hinter der Tür und dem Pfosten hast du dein Denkzeichen angebracht (Jes. 5 7 , 8 ) . Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) hat gesagt: wenn, um Frieden zwischen Mann und Frau zu machen, der Erhabene gesagt hat: mein Name, der in

120

III. Das rabbinische Judentum

Heiligkeit geschrieben ist, soll auf dem Wasser ausgelöscht werden 2 - um wieviel mehr (gilt es dann von den) Bücher(n) der Ketzer, die Feindschaft und Eifersucht und Streit zwischen Israel und seinen Vater im Himmel bringen, daß sie und ihre Erwähnungen vertilgt werden! Und über sie sagt die Schrift: Sollte ich deine Hasser, Herr, nicht hassen, und die sich gegen dich erheben, nicht verabscheuen? Mit vollem Ηaß hasse ich sie, zu Feinden sind sie mir geworden (Ps. 139,20f.). Und wie man die (Bücher der Ketzer) nicht aus dem Feuer rettet, so rettet man sie nicht aus einem Eingestürzten und nicht aus dem Wasser und nicht aus jeder Sache, die sie vernichtet. 1 2

Eine Beteuerungsformel. Das bezieht sich auf das Verfahren bei Ehebruchsverdacht. Vgl. 4. Mose 5 , 2 3 .

17. Ketzerei im

Gottesdienst

Mischna Megilla III, 8 - 9 a: Wer sagt: „ich trete nicht vor die Lade 1 in gefärbten (Kleidern)", tritt auch nicht in weißen (Kleidern). (Wer sagt:) „in Sandalen trete ich nicht", tritt auch nicht barfuß. Wer sein Gebetsriemen(kästchen)2 rund macht: das ist gefährlich ( = der Ketzerei verdächtig), und es ist damit das Gebot nicht (erfüllt). Wird es an seine Stirn 3 oder an seine Handfläche 4 angelegt, ist das, siehe, die Art der Ketzerei. Hat er es (mit) Gold überzogen, und wird es über dem Ärmel 5 angelegt, ist das, siehe, die Art der Außenstehenden. Wer sagt: „es preisen dich die Guten" - siehe, das ist die Art der Ketzerei 6 . (Wer sagt:) „bis auf das Vogelnest reicht dein Erbarmen" 7 und: „wegen des Heils werde deines Namens gedacht" 8 (und:) „wir danken, wir danken" 9 : den läßt man schweigen. Der Thoraschein in der Synagoge. 2. Mose 1 3 , 1 6 ; 5 Mose 6 , 8 ; 1 1 , 1 8 ; Mt. 2 3 , 5 . 3 Das Kästchen wurde von den Sadduzäern nach 5. Mose 6 , 8 zwischen die Augen ( = an der Stirn) angelegt, während es nach der pharisäischen Auslegung über der Stirn angelegt wird. 4 Statt die Gebetsriemen um den Arm zu wickeln. 5 Statt unter der Kleidung auf bloßem Arm. 6 Weil dieser Lobspruch die Schlechten ausschließt. 7 Vgl. 5. Mose 22,6ff. Als wenn sich Gott nur über ein Vogelnest erbarmen würde! 8 Nur wegen des Heils. 9 Eine überflüssige und auf mangelnde Andacht weisende Verdoppelung des Gebetsanfangs. 1

2

18. Ketzerei eines

Abtrünnigen

Jeruschalmi Chagiga 77 b, 62—75: Und woher ist all jenes 1 ihm gekommen? Nur (daher): er saß einmal und lehrte im Tal Ginosar 2 , und er hat einen Menschen gesehen, der zur Spitze einer Palme hinaufstieg, und der hat eine (Vogel)mutter anstelle der Jungen genommen, und er ist von dort in Frieden ( = unverletzt) hinabgestiegen. Am anderen Tag hat er einen anderen Menschen gesehen, der zur Spitze einer

Politische und soziale Struktur

121

Palme hinaufstieg, und der hat die Jungen genommen und hat die (Vogel)mutter fortgeschickt, und er ist von dort hinabgestiegen, aber es hat ihn eine Schlange gebissen, und er ist gestorben. Er ( = Elischa) hat gesagt: es steht geschrieben: fortschicken, fortschicken sollst du die (Vogel)mutter, aber die Jungen kannst du dir nehmen, damit es dir gut ergehen und du lang lebst (5.Mose22,7). Wo ist das Gutergehen von diesem?! Wo ist das lange Leben von diesem?! Aber er wußte nicht, wie Rabbi Jaaqob (T. um 170) es vor ihm vorgetragen hatte: damit es dir gut ergehe: in der zukünftigen Welt 3 , denn sie ist ganz gut. Und du lang lebst: in der (messianischen) Zukunft, denn sie ist ganz lang. Und einer sagt: weil er ( = Elischa) die Zunge von Rabbi Jehuda, dem Bäcker (T. um 120), im Maul eines Hundes gesehen hat, der das Blut trank. Er hat gesagt: das ist die Thora, und das ist ihr Lohn?! Das ist die Zunge, die die Worte der Thora hervorbrachte, wie sie sein sollen?! Das ist jene Zunge, die alle Tage an die Thora rührte?! Das ist die Thora, und das ist ihr Lohn?! Gleichsam (meinte er), daß es keine Gabe des Lohns und keine Lebendigmachung der Toten gibt. Und einer sagt: als seine Mutter mit ihm schwanger ging, ging sie einmal an einem Haus des Götzendienstes vorbei, und sie roch von dort eine Art (Opferduft). Und jener Geruch drang in ihren Körper ein wie Gift von einer Schlange. 1 Die Ketzerei des abtrünnigen Elischa-ben-Abuja alias Acher (T. um 120). Siehe Einleitung S. 118. 2 In der Nähe der Stadt Genezareth. 3 Also nicht in dieser Welt, wie Elischa meint.

19. Widerlegung einer Ketzerei Babli Berakoth 15b: Rabbi Tabi (P. um?) hat gesagt, Rabbi Joschijja (P. um 280) habe gesagt: was (bedeutet), was geschrieben steht: drei werden nicht satt: die Unterwelt und der verschlossene Mutterschoß1 (Prv. 30,15). Aber wie? Was ist die Verbindung zwischen Unterwelt und Mutterschoß? Nur um dir zu sagen: wie der Mutterschoß hereinnimmt und herausgibt, (so) nimmt auch die Unterwelt herein und gibt heraus. Und sind nicht die Worte ein (Schluß vom) Geringen (auf das) Gewichtige? Wenn der Mutterschoß, der im Geheimen hereinnimmt, unter Lärmen herausgibt, gibt nicht da die Unterwelt, die unter Lärmen hereinnimmt, unter Lärmen (der Gerichtsposaunen?) heraus? Von hier ist die Entgegnung für die, die sagen, die Totenauferstehung sei nicht aus der Thora (zu erweisen) 2 . 1 2

Die Fortsetzung des Verses nennt als drittes die Erde, die vom Regen nicht satt wird. Vgl. die Texte III. 15,18.

122 20. Streitgespräch

III. Das rabbinische Judentum

über den

Monotheismus

Jeruschalmi Berakoth 12d, 5 2 - 1 3 a, 7 . 1 3 - 1 7 : Die Ketzer haben Rabbi Szimlai (P. um 250) befragt: wieviele Gottheiten haben die Welt erschaffen? Er hat zu ihnen gesagt: mich befragt ihr? Geht und befragt den ersten Menschen! Wie gesagt ist: denn frage doch nach den ersten Tagen usw. (5.Mose 4,32). „In denen Götter den Menschen auf der Erde erschaffen haben" steht hier ( = am Ende des Verses) nicht geschrieben, sondern: von dem Tag, da Gott den Menschen auf der Erde erschaffen hat (5. Mose 4,32). Sie haben zu ihm gesagt: aber steht nicht geschrieben: im Anfang schuf(en) Götter1 (1.Mose 1,1)? Er hat zu ihnen gesagt: aber wie? „Sie schufen" steht (hier) geschrieben? Es steht nicht geschrieben, sondern: er schuf. Rabbi Szimlai hat gesagt: jede (Schrift)stelle, die die Ketzer (aus der Schrift) reißen, hat ihre Antwort daneben. Sie haben ihn wiederum befragt: was (bedeutet) dieses, was geschrieben steht: wir wollen einen Menschen machen in unserem Bild wie unsere Gestalt (l.Mose 1,26)? Er hat zu ihnen gesagt: „und Götter schufen den Menschen in ihrem Bild" steht hier nicht geschrieben, sondern: und Gott schuf den Menschen in seinem Bild (l.Mose 1,27). Seine Schüler haben zu ihm gesagt: jene hast du mit Unbedeutendem entlassen. Was antwortest du uns 2 ? Er hat zu ihnen gesagt: vorzeiten ist Adam aus Staub erschaffen worden, und Eva ist aus Adam erschaffen worden. Von Adam an (aber gilt): in unserem Bild wie unsere Gestalt (l.Mose 1,26). Ein Mann ohne Frau ist unmöglich, und eine Frau ohne Mann ist unmöglich, und sie beide sind unmöglich ohne die Gottesgegenwart3. Sie haben ihn wiederum befragt: was (bedeutet) dieses, was geschrieben steht: Gott-Götter ist der Herr, als Gott-Götter weiß der Herr (Josua 22,22) ? Er hat zu ihnen gesagt: „wissen sie" steht hier nicht geschrieben, sondern „weiß er" steht geschrieben. Seine Schüler haben zu ihm gesagt: Rabbi, jene hast du mit Unbedeutendem entlassen. Was antwortest du uns? Er hat zu ihnen gesagt: die drei (Bezeichnungen „Gott", „Götter", „der Herr") sind ein Name, wie ein Mensch sagt: Basileus, Caesar, Augustus. Sie haben ihn wiederum befragt: was (bedeutet das), was geschrieben steht: als Gott-Götter hat der Herr geredet und die Erde gerufen (Ps. 50,1)? Er hat zu ihnen gesagt: aber wie? „Sie haben geredet und gerufen" steht hier geschrieben? Es steht nicht geschrieben, sondern: er hat geredet und die Erde gerufen. Seine Schüler haben zu ihm gesagt: Rabbi, jene hast du mit Unbedeutendem entlassen. Was aber antwortest du uns? Er hat zu ihnen gesagt: die drei (Bezeichnungen „Gott", „Götter", „der Herr") sind ein Name, wie ein Mensch sagt: Bauwerkmeister, Baumeister, Architekten. Sie haben ihn wiederum befragt: was (bedeutet das), was geschrieben steht: denn heilige Götter ist er (Josua 24,19)? Er hat zu ihnen gesagt: „heilige sind sie" steht hier nicht geschrieben, sondern: ist er, ein eifriger Gott ist er (Josua 24,19). Seine Schüler haben zu ihm gesagt: Rabbi, jene hast du mit Unbedeutendem entlassen. Was aber antwortest du uns?

Das religiöse Leben

123

Rabbi Jizchaq (P. um 3 0 0 ) hat gesagt: heilig in allen Weisen von Heiligkeit (ist mit dem Plural gemeint)... Sie haben ihn wiederum befragt: was (bedeutet) dieses, was geschrieben steht: wer wäre ein so großes Volk, dem Götter nahe sind (5. Mose 4 , 7 ) ? Er hat zu ihnen gesagt: „wie der Herr, unser Gott, in all unserem Rufen zu ihnen" steht hier ( = am Ende des Verses) nicht geschrieben, sondern: in all unserem Rufen zu ihm (5.Mose 4 , 7 ) . Seine Schüler haben zu ihm gesagt: Rabbi, jene hast du mit Unbedeutendem entlassen. Was antwortest du uns? Er hat zu ihnen gesagt: (der Plural meint:) er ist nahe in allen Weisen von Nähe. 1 Das hebräische Wort für „Gott" ist ein Plural. Daraus folgern die Ketzer die Existenz zweier oder mehrerer Gottheiten. 1 Wenn wir diese Frage bezüglich l.Mose 1,26f. stellen würden. 3 Weil die Gottesgegenwart Mann und Frau gilt, wird in 1. Mose 1,26 der Plural gebraucht.

21. Ausschluß der Ketzer Babli Berakoth 28 b: Die Rabbinen haben gelehrt: Schimeon der Flachshändler (Τ. 1.Jh.) hat die achtzehn Segnungen 1 vor Rabban Gamliel (T. um 90) in Jabne 2 in (ihrer) Reihenfolge geordnet. Rabban Gamliel hat zu den Weisen gesagt: ist irgendeiner da, der die Segnung (über die) Ketzer ( = die 12. Bitte des Achtzehngebets) festzusetzen versteht? Schemuel der Kleine (T. um 100) ist aufgestanden und hat sie festgesetzt. 1 2

Siehe Text III. 51. Siehe Text III. 11 Anm. 5.

2. Das religiöse

Leben

Das religiöse Leben der R a b b i n e n ist durch drei Schwerpunkte bestimmt: der Tempel, dessen Zerstörung im J a h r 7 0 und endgültige Profanierung nach dem Aufstand 1 3 5 erfolgte, w a r bis zu kleinen Einzelheiten in der Erinnerung gegenwärtig; daneben hatten die Synagogen in der Diaspora und in Israel eine zunehmende Bedeutung; für das Denken und Bedenken religiöser Glaubenspraxis b e k a m schließlich die Schrift (die T h o r a ) eine zentrale Bedeutung. Wenn auch zu einer gewissen Z e i t das J u d e n t u m unter den Heiden Mission betrieb und die anwachsende Z a h l der Proselyten mehrere religiöse Probleme stellte, war der Prozeß der Konzentration auf das wahre, von den R a b b i n e n vertretene Israel auf Dauer von größerer Bedeutung. Hier wurde die T h o r a bewahrt, hier wurden die Vorschriften aufgestellt, die sich als eine präzise Auslegung der G e b o t e Gottes verstanden, hier wurden die alten Feste und Festtage in ihrem Ablauf genau geregelt, um ein dem Willen G o t t e s genau entsprechendes Leben führen zu können. So wuchs im Lauf der J a h r h u n d e r t e eine Literatur, die nicht nur durch ihre Q u a n t i t ä t beeindruckt, sondern auch in der Vielfalt der Gedanken und literarischen Formen von einem lebendigen Glauben Zeugnis ablegt.

124

III. Das rabbinische Judentum

a) Der Tempel An der zentralen theologischen Bedeutung des Tempels wurde auch nach seiner Zerstörung im Jahr 70 festgehalten. Die Heiligkeit, die Gottes Gegenwart gab, wurde weiterhin an diesen Ort gebunden, wobei genau die einzelnen Bereiche des Tempels unterschieden werden (Text III.22). Auch spätere Gelehrte diskutieren einzelne Einrichtungen (Text III. 23), wobei der Bezug auf die Schrift von immer größerer Bedeutung wird (Text III.24). Bei diesen Einzelheiten konnte es später durchaus zu unterschiedlichen Meinungen kommen (Text III.26). Der Ablauf der täglichen Opferzeremonie wird wohl aus der Hoffnung heraus kodifiziert sein, der Tempel werde dereinst wieder erbaut werden (Text III.27). An der Rangordnung der Tempelbeamten (Text III. 29) hatte man ein Muster, das über den Tempel hinaus das soziale Gefüge Israels bestimmte. Hierzu vgl. die verschiedenen Grade der Heiligkeit (Text III. 22). Neben der Bedeutung als religiöser Mittelpunkt Israels hatte der Tempel auch die Funktion, die höchste Gerichtsbarkeit zu beherbergen (Texte III. 8 8 - 9 0 ) . Der eschatologische Aspekt der Ordnung des täglichen Opfers begegnet wieder in der Abfolge der Levitengesänge (Text III. 30), der kontinuierliche Aspekt der Ordnung des täglichen Opfers begegnet wieder in den von der Schrift vorgeschriebenen drei Wallfahrten (Text III.31). So bestehen der „Tempel" und sein Opferwesen als theologisches Thema lange Zeit über die Zerstörung des Gebäudes hinaus (Text III.28,32). Zur Zeit, als der Tempel bestand, waren das Opfer- und Abgabewesen genau geregelt (Texte III. 31, 33, 34, 99), und über die Verwendung der einzelnen Geldsummen bestanden genaue Vorschriften. Wenn auch die Zerstörung des Tempels die Kontinuität Israels nicht unterbrochen hat, war die Auswirkung dieser fundamentalen Tatsache, daß Gottes Heiligkeit nicht mehr von vornherein fest lokalisiert war, erheblich (Text III. 35). Gewiß hatte Israel eine Geschichte des mitwandernden Gottes gehabt, als es selbst noch keine Wohnstätte hatte; doch nun stellte sich Jahrhunderte später das Problem der Gegenwart Gottes neu. Dieser in aller Diskontinuität geschichtlicher Ereignisse zu beobachtenden theologischen Kontinuität entspricht vice versa in der christlichen Theologie die historische Folge von Leben Jesu, seiner Kreuzigung und dem Kerygma seiner Auferstehung. Wenn der Zerstörung des Tempels der Tod großer Gelehrter parallelisiert wird (Text III. 35), ist der Weg in eine theologische Zukunft gewiesen, in der der Tempel ein Thema der die Schrift auslegenden Theologie sein konnte, auch wenn er für die reale Glaubenspraxis verloren war. E. Lohse 1 0 9 - 1 1 5 (mit einer Grundrißzeichnung des Tempels). Text III. 8 8 - 9 0 , 9 9 .

22. Heiligkeit des

Herodestempels

Mischna Kelim 1,6—9 a: Es gibt zehn (Bezirke von) Heiligkeiten. Das Land Israel ist geheiligter als alle (anderen) Länder. Und was ist seine ( = Israels) Heiligkeit? Daß man aus ihm die Schwingegarbe 1 und die Erstlingsfrüchte 2 und die zwei B r o t e 3 darbringt, was man so nicht aus allen (anderen) Ländern darbringt. Mit einer Mauer umgebene Städte (in Israel) sind geheiligter als das (übrige Land Israel), weil man die Aussätzigen aus ihnen fortschickt. Und man trägt in ihnen (bei einem Begräbnis zwar) den Leichnam herum, solange man will; ist

Das religiöse Leben

125

er aber (einmal aus der Stadt) hinausgebracht worden, bringt man ihn nicht wieder zurück. (Der Bezirk) innerhalb der Mauer (Jerusalems) ist geheiligter als diese (Städte), weil man dort Geringerheiliges 4 und den zweiten Zehnten 5 ißt. Der Tempelberg ist geheiligter als dieser (Bezirk), weil dorthin nicht durch Ausfluß unrein gewordene Männer und Frauen, Menstruierende und Wöchnerinnen eintreten. Der Vorhofeingang ist geheiligter als der (Tempelberg), weil dorthin nicht die Sternen- und Planetendiener ( = die Heiden) und der durch einen Leichnam Verunreinigte eintreten. Der Frauenvorhof ist geheiligter als der (Vorhofeingang), weil dorthin nicht der am Tag Getauchte 6 eintritt. Aber man ist deshalb ( = wenn es trotzdem geschieht) nicht zu einem Sündopfer verpflichtet. Der Vorhof Israels ist geheiligter als der (Frauenvorhof), weil dorthin nicht der, der der Sühne ermangelt 7 , eintritt. Aber man ist deshalb nicht zu einem Sündopfer verpflichtet. Der Priestervorhof ist geheiligter als der (Vorhof Israels), weil dorthin nicht (gewöhnliche) Israeliten eintreten, außer in der Stunde, wo es für sie nötig ist: zur Stützung und zum Schächten und zum Schwingen 8 . (Der Bezirk) zwischen Vorhalle und Altar ist geheiligter als der (Priestervorhof), weil dorthin nicht Fehlerbehaftete 9 und Barhäuptige eintreten. Die Halle ist geheiligter als dieser (Bezirk), weil dorthin nicht der, der Hände und Füße nicht gewaschen hat, eintritt. Das Allerheiligste ist geheiligter als (alle) diese (Bezirke), weil keiner dorthin eintritt, außer der Hohepriester am Versöhnungstag in der Stunde des Dienstes. 3. Mose 2 3 , 9 ff. 5.Mose26,Iff. 3 3. Mose 2 3 , 1 7 f f . 4 Etwa Friedensopfer. Vgl. 3. Mose 3 , 1 ff. 5 5. Mose 14,22ff.; 3 . M o s e 2 7 , 3 0 f . 6 Trotz des Tauchbads am Tag ist dieser erst nach Sonnenuntergang wieder rein. Vgl. 3. Mose 2 2 , 4 ff. 7 Ein Unreiner muß nach Tauchbad und Reinsprechung noch ein Opfer als Sühne darbringen. 8 Dieses sind Zeremonien bei der Opferdarbringung. 9 3.Mose21,16ff. 1 2

23. Die

Tempelvorhänge

Babli Kethubboth 1 0 6 a : Rabbi 1 Seira (P. um 300) hat gesagt, Rab (B. gest. 247) habe gesagt: dreizehn Vorhänge sind im zweiten Heiligtum gewesen. Sieben entsprechend den sieben Toren (des Vorhofs), einer für die Pforte der Halle und einer für die Pforte der Vorhalle, zwei im Allerheiligsten, zwei ihnen entsprechend auf dem Söller (über dem Heiligen und Allerheiligsten). 1

Vgl. die Texte III. 2 7 , 9 8 .

126

III. Das rabbinische Judentum

24. Der

Leuchter

Siphre Behaalothka § 59 (H.S.Horovitz 57): Die sieben Leuchten sollen Licht geben (4.Mose 8,2). Ich höre (hier), daß sie immer brennen (sollen). (Aber) die Schrift lehrt (auch): vom Abend bis zum Morgen (3.Mose 24,3). Wenn vom Abend bis zum Morgen, löscht man sie möglicherweise (morgens)? (Nein,) die Schrift lehrt: vor dem Herrn beständig (3.Mose 24,3). Wie nun? Die sieben Leuchten sollen Licht geben vom Abend bis zum Morgen, (die Leuchte) vor dem Herrn (aber) beständig. Denn die westliche Leuchte soll unentwegt (angezündet) sein, weil man von ihr den Leuchter zwischen den Abenden anzündet. 25. Halle der

Schaubrote

Mischna Thamid 111,3: Vier Hallen sind dort (in der Nordwestecke des Vorhofs) gewesen: eine als Halle für die Lämmer (zum beständigen Opfer) und eine als Halle für die Siegel1 und eine als Halle für die Brandstätte 2 und eine als Halle, in der man die Schaubrote zurecht machte. 1 2

Für diese Siegelmarken erhielt der Opfernde das für seine Opferart benötigte Trankopfer. An ihr brannte ständig Feuer für den Altargebrauch.

26. Anordnung der

Schaubrote

Thosephtha Menachoth XI, 14 (M.S.Zuckermandel 530): Wie ordnet man die Schaubrote (auf dem Tisch) an? Man legt sechs Kuchen in die eine Reihe und sechs Kuchen in die andere Reihe. Wenn man aber acht Kuchen in die eine Reihe und vier Kuchen in die andere Reihe oder (sie in) drei Reihen von je vier (Kuchen) gelegt hat, hat man überhaupt nichts getan 1 . Man hat zwei Reihen von (zusammen) vierzehn (Kuchen) gemacht 2 . Rabbi (T. gest. 217) sagt: man sieht die oberen (beiden Kuchen) als nicht vorhanden an, aber die unteren (zwölf) sind gültig ( = richtig angeordnet). 1

Diese Anordnung der Schaubrote ist ungültig.

2

Ein bestimmter Fall wird zur Diskussion gestellt.

27. Das tägliche

Opfer

Mischna Thamid VII, 1—3: Zu der Zeit, wo der Hohepriester (mit dem Räucherwerk in das Heilige) eintrat, um sich niederzuwerfen, faßten ihn drei (Priester beim Hinaufsteigen) an: einer an seiner Rechten und einer an seiner Linken und einer an den Edelsteinen 1 . Und wenn der Vorsteher (der Priester) die Fußtritte des Hohepriesters gehört hat, daß der (wieder) herauskam, hat er für ihn den Vorhang 2 hochgehoben. Er ist (dann selbst) eingetreten und hat sich niedergeworfen und ist (wieder) herausgekommen; seine Brüder, die Priester, sind (dann) eingetreten, haben sich niedergeworfen und sind (wieder) herausgekommen.

Das religiöse Leben

127

Die (übrigen Priester) sind (dann) gekommen und haben sich auf den Stufen der Vorhalle aufgestellt. Die ersten (Priester) 3 haben sich südlich von ihren Brüdern, den Priestern, aufgestellt, und es sind fünf Geräte in ihrer Hand gewesen: das Altaraschengefäß in der Hand von einem und der Krug (für die Abfälle des Leuchters) in der Hand von einem und die Kohlenpfanne in der Hand von einem und die kleine Schale (mit dem Räucherwerk) in der Hand von einem und die große Schale 4 und ihr Deckel in der Hand von einem. Und sie haben das Volk mit einem Segen gesegnet 5 . Denn in der Provinz ( = außerhalb des Tempels) sprach man ihn (in Form von) drei Segenssprüchen, aber im Heiligtum (in Form von) einem Segensspruch. Im Heiligtum hat man den (Gottes)namen ausgesprochen, wie er geschrieben wurde, aber in der Provinz in einer Umschreibung 6 . In der Provinz erhoben die Priester (beim Segen) ihre Hände (nur) bis zu ihren Schultern, aber im Heiligtum über ihren Kopf, außer dem Hohepriester, der seine Hände nicht über das Stirnblatt hinaus erhob 7 . Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: auch der Hohepriester erhebt seine Hände über das Stirnblatt hinaus. Wie gesagt ist: und Aaron erhob seine Hände zum Volk hin und segnete sie (3. Mose 9,22). Zu der Zeit, wo der Hohepriester (selbst) räuchern wollte, ist er zur Altarrampe hinaufgestiegen, und der Tempelhauptmann war an seiner Rechten. War er zur Mitte der Altarrampe gekommen, hat ihn der Tempelhauptmann an seiner Rechten angefaßt und hat ihn hinaufgeführt. Und der erste (Priester) 8 hat ihm den Kopf und den Hinterfuß (des Opfertiers) gereicht, und der (Hohepriester) hat (seine Hände) auf sie gestützt 9 und die (Opferteile in das Altarfeuer) geworfen. Der zweite (Priester) hat dem ersten die zwei Vorderbeine (des Opfertiers) gereicht, und der hat sie dem Hohepriester gegeben, und der (Hohepriester) hat (seine Hände) auf sie gestützt und die (Opferteile in das Altarfeuer) geworfen. Der zweite (Priester) hat sich zurückgezogen und ist fortgegangen. Und so haben ihm alle übrigen (Priester) die Opferstücke gereicht, und er hat (seine Hände) auf sie gestützt und sie (in das Altarfeuer) geworfen. Und zu der Zeit, wo er (es so) wollte, hat er (nur seine Hände auf sie) gestützt, und andere haben (die Opferteile in das Altarfeuer) geworfen. Er hat dann begonnen, den Altar zu umschreiten. Und wo hat er angefangen? Von der südöstlichen Ecke zu der nordöstlichen, (dann) zu der nordwestlichen, (dann) zu der südwestlichen. Man hat ihm (dann) den Wein für das Trankopfer gegeben. Der Tempelhauptmann stand an der Ecke, und Tücher waren in seiner Hand. Zwei Priester standen bei dem Tisch für die Fettstücke (des Opfers), und zwei Silbertrompeten waren in ihrer Hand. Sie haben einen kurzen und einen langen und einen kurzen Ton geblasen. Sie sind gegangen und haben sich zu Ben-Arsa 1 0 gestellt: einer zu seiner Rechten und einer zu seiner Linken. Der (Hohepriester) hat sich niedergebeugt, um (das Trankopfer) auszugießen, und der Tempelhauptmann hat die Tücher geschwenkt, und Ben-Arsa hat auf die Zimbel geschlagen, und die Leviten haben ein Lied gesungen. Sind sie zu einem (Lied)absatz gekommen, hat man einen kurzen Ton geblasen, und das Volk hat sich niedergeworfen.

128

III. Das rabbinische Judentum

Bei jedem Absatz war ein kurzer Ton, und bei jedem kurzen Ton war das Sichniederwerfen. Das ist die Ordnung des beständigen Opfers beim Dienst im Haus unseres Gottes. Es sei sein Wille, daß es bald (wieder) erbaut werde in unseren Tagen! Amen. Diese waren an seinem Gewand angebracht. Der trennte das Heilige von der Vorhalle. Vgl. T e x t III. 2 3 . 3 Fünf Priester versahen zunächst Dienst im Heiligtum mit den im folgenden erwähnten Geräten. 4 In ihr stand bei der Opferzeremonie die kleinere Schale. 5 Der Segen 4 . Mose 6,24—26 ohne Zäsur zwischen den drei Absätzen. 1

2

6 Im Tempel wurde der Gottesname „ J a h v e " ausgesprochen, in der Provinz vermied man das und sagte statt dessen „Adonai" = der Herr. Vgl. die Texte III. 1 5 , 9 5 . 7 8 9 10

Aus Ehrfurcht vor dem auf dem Stirnblatt eingravierten Gottesnamen. Sechs Priester hatten die Opferteile des beständigen Opfers auf die Altarrampe geschafft. 3. Mose 1 , 4 ; 3 , 2 . Er gab den Leviten das Zeichen zum Beginn des Gesangs.

28. Bedeutung des täglichen

Opfers

Thanchuma Pinchas 12 (S. Buber 78 a): Rabbi Jehuda-bar-Simon (P. um 320) hat gesagt: niemals hat ein Mensch in Jerusalem übernachtet, in dessen Hand eine Sündenschuld gewesen wäre. Wieso? Das beständige Morgenopfer hat die Übertretungen gesühnt, die in der Nacht getan wurden, und das beständige Abendopfer hat die Übertretungen gesühnt, die am Tag getan wurden. In jedem Fall hat (also) kein Mensch in Jerusalem übernachtet, in dessen Hand eine Sündenschuld gewesen wäre. Wie gesagt ist: Gerechtigkeit übernachtet in ihr {= Jerusalem) (Jes. 1,21). 29. Die

Tempelbeamten

Thosephtha Horajoth II, 10 (M.S.Zuckermandel 476f.): Der mit Salböl gesalbte (Hohepriester) geht dem durch Mehrzahl der Kleider (vor den anderen Priestern ausgezeichneten Hohepriester im Rang) voran 1 , und der durch Mehrzahl der Kleider (ausgezeichnete Hohepriester) geht dem Kriegsgesalbten2 voran, und der Kriegsgesalbte geht dem Tempelhauptmann voran, und der Tempelhauptmann geht dem Vorsteher der Wochenabteilung 3 voran, und der Vorsteher der Wochenabteilung geht dem Vorsteher der Tagesabteilung voran, und der Vorsteher der Tagesabteilung geht dem Kämmerer voran, und der Kämmerer geht dem Schatzmeister voran 4 , und der Schatzmeister geht dem gewöhnlichen Priester voran, und der gewöhnliche Priester geht dem Leviten voran, und der Levit geht dem (gewöhnlichen) Israeliten voran, und der (gewöhnliche) Israelit geht dem Hurenkind voran, und das Hurenkind geht dem „nathin" 5 voran, und der „nathin" geht dem Proselyten voran, und der Proselyt geht dem freigelassenen Sklaven voran. Wann (ist das so)? Zu der Zeit, wo sie alle gleich sind. Aber wenn das Hurenkind ein Gelehrter ist und der Hohepriester ein (Ungebildeter aus dem)

Das religiöse Leben

129

Landvolk ist, geht das Hurenkind als Gelehrter dem Hohepriester als (Ungebildetem aus dem) Landvolk voran. Wie gesagt ist: die (Weisheit = das Thorawissen) ist kostbarer als „peninim" 6 (Sprüche 3 , 1 5 ) . (Kostbarer) als der Hohepriester, der in das Allerinnerste (des Tempels = „liphne lepanim") eintritt. 1 Zur Zeit des zweiten Tempels wurde der Hohepriester nicht mehr gesalbt, sondern zeichnete sich durch acht Gewänder vor den anderen Priestern aus, die nur vier trugen. 2 5. Mose 2 0 , 2 ff. 3 Die Priester waren in Abteilungen gegliedert, die jede Woche einander im Dienst ablösten. Diese Abteilungen waren wiederum in Tagesabteilungen untergliedert. 4 Wahrscheinlich ist hier die Rangfolge vertauscht. 5 Nachkomme der Gibeoniten, die nach Josua 9 , 3 ff. bestimmte niedere Tempelarbeiten zu verrichten hatten. 6 Dieses Wort bezeichnet eigentlich „Korallen" oder „Perlen". Es hat den gleichen Stamm wie die beiden Worte, die in der folgenden Deutung das Allerheiligste des Tempels bezeichnen.

30. Dienst der

Leviten

Mischna Thamid V I I , 4 : Das Lied, das die Leviten im Heiligtum gesungen haben. Am ersten Tag (der Woche = Sonntag) haben sie gesungen x : dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und was darauf wohnt (Ps. 2 4 , 1 ) . Am zweiten (Tag) haben sie gesungen: groß ist der Herr und sehr zu preisen in der Stadt unseres Gottes sein heiliger Berg (Ps. 4 8 , 2 ) . Am dritten (Tag) haben sie gesungen: Gott steht da in der Gottesversammlung, inmitten der Götter richtet er (Ps. 8 2 , 1 ) . Am vierten (Tag) haben sie gesungen: Gott der Rache, Herr, Gott der Rache, erscheine (Ps. 9 4 , 1 ) ! Am fünften (Tag) haben sie gesungen: freut euch an Gott, unserer Kraft! jauchzt dem Gott Jakobs zu (Ps. 8 1 , 2 ) ! Am sechsten (Tag) haben sie gesungen: der Herr ist König. Mit Hoheit hat er sich umkleidet usw. (Ps. 9 3 , 1 ) . Am Sabbat haben sie gesungen: ein Psalm, ein Lied für den Sabbattag (Ps. 9 2 , 1 ) . Ein Psalm, ein Lied für die kommende Zukunft, für den Tag, der ganz Sabbatruhe ist im Leben der Ewigkeiten 2 . 1 Im folgenden wird zur Kennzeichnung immer nur der Anfang des betreffenden Psalms zitiert. 2 Vgl. Text III. 196.

31. Die jährlichen

Wallfahrten

Mischna Chagiga 1,1—2 Jeder ist zum Erscheinen (im Tempel) 1 verpflichtet außer dem Tauben, dem Blöden, dem Unmündigen, dem „ t u m t u m " 2 , dem Zweigeschlechtigen, Frauen, nicht freigelassenen Sklaven, dem Lahmen, dem Blinden, dem Kranken, dem Alten und jedem, der nicht auf seinen (eigenen) Füßen (den Tempelberg) hinaufsteigen kann. Was ist ein Unmündiger? Jeder, der nicht auf den Schultern seines Vaters reiten kann, um (so) von Jerusalem zum Tempelberg hinaufzusteigen — 9

Kippenberg, Textbuch

130

ΠΙ. Das rabbinische Judentum

Worte von Schammais (T. um 3 0 v.Chr.) Schule. Aber Hilleis (T. um 2 0 v.Chr.) Schule sagt: jeder, der nicht die Hand seines Vaters anfassen kann, um (so selbst) von Jerusalem zum Tempelberg hinaufzusteigen. Wie gesagt ist: drei Fußwallfahrten (2. Mose 2 3 , 1 4 ) 3 . Schammais Schule sagt: das Erscheinungsopfer (beträgt mindestens) zwei Silber(mea) 4 , und das Festopfer (beträgt mindestens) einen Silbermea. Aber Hilleis Schule sagt: das Erscheinungsopfer (beträgt mindestens) einen Silbermea, und das Festopfer (beträgt mindestens) zwei Silber(mea). 1 2 3 4

Bei den drei großen Festen. Siehe T e x t III 3 3 . Ein Mensch mit zugewachsenen Genitalien. Er muß also selbst gehen können. Kleine Silbermünzen.

32. Ehrfurcht vor dem Tempel Babli Jebamoth 6 b: Und welches ist jene Ehrfurcht vor dem Heiligtum? Ein Mensch betritt nicht den Tempelberg mit seinem Stab, mit seinem Schuhwerk, mit seinem Geldgürtel und mit Staub an seinen Füßen, und er macht ihn nicht zu einem Durchgang, und das (Verbot des) Ausspucken(s ergibt sich) aus (einem Schluß vom) Gering(en auf das) Gewichtig(e). Aber (hieraus) habe ich es nur für die Zeit, wo das Haus des Heiligtums bestand. Woher für die Zeit, wo das Haus des Heiligtums nicht besteht? Die Schrift lehrt: meine Sabbate sollt ihr be-

wahren und mein Heiligtum fürchten (3.M.ost\9,30)\ Wie das Bewahren, das

über den Sabbat gesagt ist, ewig ist, (so) ist auch die Ehrfurcht, die über das Heiligtum gesagt ist, ewig.

33. Erhebung der

Tempelsteuer

Mischna Scheqalim III, 1 a: Zu drei Abschnitten im J a h r erhob man (die eingegangenen Steuerbeträge) aus der Schatzkammer 1 : einen halben (Monat) vor dem Passafest, einen halben (Monat) vor dem Wochenfest, einen halben (Monat) vor dem Laubhüttenfest 2 . 1

Hierin waren sie vorher deponiert worden.

2

Das sind die drei großen Wallfahrtsfeste. Vgl. 2 . Mose 2 3 , 1 4 - 1 7 und Text III. 3 1 .

34. Verwendung der

Tempelsteuer

Mischna Scheqalim IV, 1—4a: Was machte man mit der Hebe 1 ? Man kaufte davon die beständigen Opfer und die Zusatzopfer (für die Festtage) und ihre Trankopfer, die Schwingegarbe 2 und die zwei Brote 3 und die Schaubrote und alle Darbringungen der Gemeinde. Die Wächter der Nachwüchse im Siebentjahr 4 empfingen ihren Lohn von der Hebe aus der Schatzkammer. Rabbi Jose (T. um 150) sagt: wer als freiwilliges Gelübde Wächter sein will, ist es unentgeltlich. Man hat zu

Das religiöse Leben

131

ihm gesagt: auch du sagst (doch), daß die (Schwingegarben) nur als Gemeindeabgabe kommt 5 !? Die rote Kuh 6 und der hinausgeschickte B o c k 7 und der Glanzstoffstreifen 8 kommen von der Hebe aus der Schatzkammer. Der Steg der roten Kuh 9 und der Steg des hinausgeschickten B o c k s 1 0 und der Streifen zwischen seinen Hörnern, der Wasserkanal (des Tempelbergs) und die Mauern der Stadt (Jerusalem) und ihre Türme und alle Bedürfnisse der Stadt kommen von den Resten aus der Schatzkammer 1 1 . Abba Schaul (T. um 150) sagt: den Steg der roten Kuh machten die Hohepriester zu ihrer eigenen Abgabe. Übrig blieben (dabei Beträge von den) Reste(n) aus der Schatzkammer. Was machte man mit ihnen? Man kaufte davon Wein, ö l und Mehl, und der Gewinn 1 2 war für das Heiligtum — Worte von Rabbi Jischmael (T. gest. um 135). Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: man hat keinen Gewinn aus einer Abgabe für das Heiligtum! Auch nicht aus der Abgabe der Armen! Übrig blieben (dabei Beträge von der) Hebe. Was machte man damit? (Man ließ) Goldplatten zum Belegen des Allerheiligsten (anfertigen). Von den Steuerbeträgen aus der Schatzkammer Erhobenes. 3. Mose 2 3 , 9 ff. 3 3. M o s e 2 3 , 1 7 f f . 4 3. Mose 2 5 , 1 ff. Aus diesen Nachwüchsen wurde die Schwingegarbe entnommen. 5 Also dürfte keine persönliche Leistung daran haften wie etwa das gelobte unentgeltliche Bewachen. 6 4.Mose 19,Iff. 7 3. Mose 1 6 , 1 0 . 2 0 ff. 8 4. Mose 19,6. 9 Auf ihm schaffte man die rote Kuh vom Tempelberg zum ölberg. 1 0 Auf ihm wurde der Bock vom Tempel ins Freie geführt. 1 1 Also nicht aus der Hebe. 1 2 Aus ihrem Verkauf an die Darbringer von Privatopfern. 1

2

35. Wirkungen der

Tempelzerstörung

Mischna Sota IX, 12—15: Rabban Schimeon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt im Namen von Rabbi Jehoschua (T. um 90): von dem Tag an, da das Haus des Heiligtums zerstört ist, gibt es keinen Tag, an dem kein Fluch ist, und der Tau fällt nicht zum Segen, und der Geschmack der Früchte ist weggenommen. Rabbi Jose (T. um 150) sagt: auch das Mark der Früchte ist weggenommen. Rabbi Schimeonben Eleasar (T. um 190) sagt: die Reinheit ist weggenommen mit dem Geschmack und mit dem Geruch, die Zehnten sind weggenommen mit dem Mark des Getreides. Und die Weisen sagen: Hurerei und Zauberei haben alles verenden lassen. Im Krieg des Vespasian 1 hat man über die Bräutigamskränze und über die Handtrommel 2 (das Verbot) beschlossen. Im Krieg des Titus 3 hat man über die Brautkränze und (darüber), daß ein Mensch seinen Sohn nicht Griechisch lehren soll, (das Verbot bzw. Gebot) beschlossen. Im letzten Krieg 4 hat man

132

III. Das rabbinische Judentum

beschlossen, daß die Braut nicht in einer Sänfte mitten durch die Stadt ziehen soll. Aber unsere Lehrer haben (später) erlaubt, daß die Braut in einer Sänfte mitten durch die Stadt zieht. M i t dem Tod von Rabbi Meir (T. um 150) haben die Spruchdichter (oder: Gleichnisdichter) aufgehört. M i t dem Tod von Ben-Assai (T. um 110) haben die fleißigen (Schüler) aufgehört. Mit dem Tod von Ben-Soma (T. um 110) haben die Ausleger (der Thora) aufgehört. M i t dem Tod von Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) hat die Ehrung der Thora aufgehört. Mit dem Tod von Rabbi Chanina-ben-Dosa (T. um 70) haben die Männer der T a t aufgehört. M i t dem Tod von Rabbi Jose Qetantha (T. um ?) sind die Frommen verschwunden. Und warum wird sein Name Qetantha genannt? Weil er der Jüngste („qetantha") der Frommen gewesen ist. Mit dem Tod von Rabbi Jochanan-ben-Sakkai (T. gest. um 80) hat der Glanz der Weisheit aufgehört. M i t dem Tod von Rabban Gamliel dem Alten (T. um 3 0 / 4 0 ) hat die Ehrung der Thora aufgehört, und es starben die Reinheit und die Absonderung ( = das Pharisäertum?). Mit dem Tod von Rabbi Jischmael-ben-Pabi (T. um ?) hat der Glanz der Priesterschaft aufgehört. Mit dem Tod von Rabbi (T. gest. 2 1 7 ) haben Demut und Sündenscheu aufgehört. Rabbi Pinchas-ben-Jair (T. um 200) sagt: seitdem das Haus des Heiligtums zerstört ist, sind die Genossen ( = Gelehrten) und die Vornehmen beschämt und verhüllen ihr Haupt. Und verkümmert sind die Männer der Tat, und stark geworden sind die Menschen der Faust und die Menschen der Zunge. Niemand forscht, und niemand sucht, und niemand fragt. Auf wen sollen wir vertrauen? Auf unseren Vater im Himmel! Rabbi Elieser der Große (T. um 90) sagt: von dem Tag, da das Haus des Heiligtums zerstört ist, gleichen die Weisen den Kinderlehrern, die Kinderlehrer den Synagogendienern und die Synagogendiener (den Ungebildeten aus) dem Landvolk, und (die Ungebildeten aus dem) Landvolk gehen dahin und verkümmern. Niemand forscht, und niemand sucht. Auf wen sollen wir vertrauen? Auf unseren Vater im Himmel! A n 5 den Fußspuren des Messias wird die Frechheit wachsen und die Teuerung (oder: Hochachtung) drückend werden, der Weinstock wird seine Früchte geben, aber der Wein wird teuer sein, und 6 die Herrschaft ( = Rom) wird sich zur Ketzerei hinwenden, und eine Zurechtweisung wird nicht mehr sein; das Lehrhaus wird zum Hurenhaus werden, Galiläa wird zerstört werden, und G a b l a n 7 wird verödet sein, die Männer des Grenzgebiets werden von Stadt zu Stadt wandern und werden nicht Erbarmen finden, die Weisheit der Schriftgelehrten wird sinnlos werden, die Sündenscheuen werden verachtet werden, und die Wahrheit wird vermißt werden; Junge werden das Gesicht der Alten beschämen, und Alte werden vor Unmündigen aufstehen, der Sohn wird den Vater entehren, die Tochter tritt auf gegen ihre Mutter, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter, die Feinde eines Mannes werden Männer seines Hauses sein, das Aussehen der Generation wird wie das Aussehen eines Hundes sein, der Sohn wird sich nicht vor seinem Vater schämen. Und auf was sollen wir vertrauen? Auf unseren Vater im Himmel!

Das religiöse Leben

133

Gemeint ist der Krieg 66—73, in dessen erster Periode Vespasian Feldherr Neros war. Bei einer Hochzeitsfeier. 3 Die Lesart des Namens ist nicht gesichert. Titus, der Sohn Vespasians, regierte 79—81 und wurde 6 9 / 7 0 von seinem Vater mit der Fortführung des Kampfs gegen die Aufständischen beauftragt, der zur Zerstörung des Tempels führte. Andere Textzeugen lesen „Quietus", der als Feldherr Trajans ( 9 8 - 1 1 7 ) und Statthalter von Judäa sich durch blutige Niederwerfung von Aufständen hervortat. Nach P.Billerbeck I 508 u.a. ist diese Lesart vorzuziehen und die Zeit 1 1 5 - 1 1 7 gemeint. 4 Gemeint ist wohl der Aufstand Ben-Kosbas unter Hadrian in den Jahren 1 3 2 - 1 3 5 . 5 Vgl. Text III. 185. 6 Dieser Satz ist mit der Mischna des Thalmud Jeruschalmi zu ergänzen. Vgl. die Parallele Text III. 185. 7 Ein unbekannter Ort oder möglicherweise der Grenzbezirk zwischen Israel und Syrien (Gaulanitis). 1

2

b) Die Synagoge Zunächst hatten die Synagogen als Häuser der Zusammenkunft für Gottesdienst und Schulbetrieb eine große Bedeutung für die Orte außerhalb Israels, in denen eine größere Judenschaft ansässig war (Text III. 36). Doch schon bald finden sich in Orten Palästinas und in Jerusalem Synagogen (Text III. 37). Ihre theologische Bedeutung war nach der Zerstörung des Tempels gewachsen: wo Israel sich versammelte, war Gott gegenwärtig (Text III. 38). Zum Synagogengottesdienst war eine Mindestanzahl von zehn Männern vorgeschrieben (Text III.39), die Sitzordnung war gemäß der Rangordnung in der Gemeinde genau festgelegt (Text III.39). Geleitet wurde die Synagoge von dem Synagogenvorstand (Text III. 41,126), die Rabbinen hatten hier kein besonderes Amt. Ein besonderes Amt hatte der Vorbeter (Text III.42), denn die Hauptmomente des Synagogengottesdienstes waren das Gebet, die Lesung aus der Thora (hier: 1.—5. Mose) und die zweite Lesung aus den Propheten oder den übrigen Schriften (Text III. 43). Bereits früh lassen sich Predigten in Form von Schriftauslegungen beobachten, wobei die Beurteilung einer Predigt durchaus erlaubt und angemessen war (Text III.44). Die beiden ausgewählten Predigten (Texte III.45, 46) sind aus einer ausgesprochen großen Anzahl von Beispielen ausgewählt. Beide haben exemplarischen Charakter. Die frühe Predigt (Text III.45) über Verse aus 5.Mose und Prediger ist in dieser Form sicher nicht so gehalten worden, sondern als Hörerwiedergabe zu verstehen, die nur das Wichtigste enthält. Die Predigt wurde zum Teil mit hoher Schriftgelehrsamkeit verbunden, wie die genaue Auslegung von Jes. 10,30 zeigt (Text III.46). Die Veräußerung von Synagogeneigentum, was etwa bei Beschädigung denkbar war, wurde verschieden beurteilt (Text III. 47). E. Lohse 1 1 5 - 1 2 1 ; P. Billerbeck IV 1 1 5 - 1 8 8 .

36. Die Synagoge von Alexandrien Thosephtha Sukka I V , 6 (M.S.Zuckermandel 1 9 8 ) : Rabbi Jehuda (T. um 150) hat gesagt: jeder, der nicht den Doppelsäulengang (der Synagoge) von Alexandria gesehen hat, der hat all sein Lebtag nicht die große Herrlichkeit von Israel gesehen. Nach Art einer großen Basilika (war sie gebaut und) hatte einen Säulengang innerhalb (noch) eines Säulengangs. Manchmal sind in ihr doppelt soviel (Menschen) gewesen wie aus Ägypten ausgezogen waren 1 . Und einundsiebzig Goldsessel sind in ihr gewesen ent-

134

III. Das rabbinische Judentum

sprechend den einundsiebzig Ältesten (Israels)2, und jeder einzelne war angefertigt von fünfundzwanzigtausend (Golddenaren). Und eine Holztribüne ( = Rednerpult) ist in der Mitte gewesen, und der Synagogendiener stand an der Ecke, und Tücher waren in seiner Hand. Hat einer (mit dem Segensspruch) angefangen (, seine Schriftlektion) zu lesen, hat jener die Tücher geschwenkt, und das ganze Volk antwortete: Amen. Bei jedem einzelnen Segensspruch hat jener die Tücher geschwenkt, und das ganze Volk antwortete: Amen. Und sie haben nicht durcheinander gesessen, sondern die Goldschmiede (saßen) für sich, und die Silberschmiede (saßen) für sich, und die Grobschmiede (saßen) für sich, und die Weber (saßen) für sich, und die Kunstweber (saßen) für sich, damit, wenn ein Fremder kam, er sich an sein Handwerk 3 wendete, und von ihm ging sein Lebensunterhalt aus. 1 2 3

Also nach 2. Mose 12,37 zweimal 6 0 0 0 0 0 . Vgl. Text III. 89. Gemeint sind zunftartige Zusammenschlüsse von Handwerkern.

37. Synagogeninschrift

in Jerusalem

Corpus Inscriptionum Iudaicarum 1404 Theodotos, des Vettenos Sohn, Priester und Synagogenvorsteher, Sohn eines Synagogenvorstehers, Enkel eines Synagogenvorstehers, erbaute die(se) Synagoge zur Vorlesung des Gesetzes und zum Unterricht in den Geboten, ebenso auch das Fremdenhaus und die Kammern und die Wasseranlagen für die (Pilger) aus der Fremde, die eine Herberge brauchen. Den Grundstein dazu hatten gelegt seine Väter und die Ältesten und Simonides. 1 Die Ubersetzung wurde entnommen C.K.Barrett, Die Umwelt des Neuen Testaments, Tübingen 1959, S. 61.

38. Gottes Gegenwart in der Synagoge Pesiqtha de Rab Kahana 28,8 (B. Mandelbaum 431 f.): Rabbi Judan (P. um 350) im Namen von Rabbi Jizchaq (P. um 300): zu jeder Zeit, wenn die Israeliten sich in den Synagogen und in den Lehrhäusern versammeln, läßt der Heilige ( = Gott) seine Gegenwart sich mit ihnen versammeln. Und was ist der Grund? Versammle dich doch, so wollen wir dir ein Ziegenböckchen bereiten (Richter 13,15)! Rabbi Chaggai (P. um 330) im Namen von Rabbi Jizchaq (P. um 300): zu jeder Zeit, wenn die Israeliten in den Synagogen und in den Lehrhäusern harren, läßt der Heilige, gepriesen sei er, seine Gegenwart mit ihnen harren. Und was ist der Grund? Ich harrte, harrte auf den Herrn, und er neigte sich zu mir (Ps 40,2). 39. Die

Zehnzahl

Mischna Megilla 111,3 a: Man spricht nicht die Segenssprüche beim „Höre" \ und man tritt nicht (als Vorbeter) vor die Lade 2 , und man erhebt nicht seine Hände (zum Segen), und

Das religiöse Leben

135

man liest nicht aus der Thora (vor), und man beschließt nicht (die Lesung) mit einem (Abschnitt aus einem) Propheten, und man veranstaltet (bei einer Trauerfeier) kein (abwechselndes) Stehen und Sitzen, und man spricht nicht den Trauersegen, die Trostworte an die Trauernden und den Hochzeitssegen, und man spricht nicht (nach einem gemeinsamen Mahl die Danksagung) mit (Nennung des Gottes)namen(s) bei weniger als zehn (anwesenden Personen). 1 Das tägliche Gebet bestehend aus 5.Mose6,4—9; leitenden und abschließenden Segenssprüchen. 2 Siehe Text III. 42.

40.

11,13—21; 4.Mose 15,37—41, ein-

Sitzordnung

Thosephtha Megilla IV,21 b (M.S.Zuckermandel 227): Wie haben die Ältesten.gesessen? Ihr Gesicht gegen das Volk und ihr Rücken gegen das Heilige 1 . Und wenn man die Lade (vor der Gemeinde) niedersetzt, ist ihre Vorderseite gegen das Volk und ihre Rückseite gegen das Heilige. Und wenn die Priester ihre Hände (zum Segen) erheben, ist ihr Gesicht gegen das Volk und ihr Rücken gegen das Heilige. Und der Synagogendiener? Sein Gesicht ist gegen das Heilige. Und das ganze Volk? Ihr Gesicht ist gegen das Heilige. Wie gesagt ist: und die Gemeinde versammelte sich zum Eingang des Offenbarungszeltes hin (3.Mose 8,4). 1

Der Raum für die Lade mit den Thorarollen.

41. Der

Synagogenvorsteher

Thosephtha Megilla IV,21a (M.S.Zuckermandel 227): Der Synagogenvorsteher lese nicht (aus der Schrift) vor, bis es ihm andere gesagt haben, denn kein Mensch gibt sich selbst die Ehre 1 . 1 Daraus ist zu schließen, daß es sonst die Aufgabe des Synagogenvorstehers ist, anderen Anwesenden die Ehre der Schriftlesung zuzuteilen.

42. Der Vorbeter Thosephtha Rosch ha-schana IV, 12 (M.S.Zuckermandel 214): Rabban Gamliel (T. um 90) sagt: der Bote der Gemeinde 1 entbindet die Menge von ihrer Verpflichtung (zum Gebet). Aber die Weisen sagen: jeder einzelne entbindet für sich. Er hat zu ihnen gesagt: wenn es so ist, warum läßt man ihn dann vor die Lade treten? Sie haben zu ihm gesagt: um den zu entbinden, der nicht kundig ist. Er hat zu ihnen gesagt: wie er den entbindet, der nicht kundig ist, so entbindet er den, der kundig ist! Sie haben zu ihm gesagt: wenn es so ist, warum betet jeder einzelne (dann auch noch) ? Man hat gesagt: damit der Bote der Gemeinde (das Gebet) für sich ordnet. 1 Der Vorbeter, der aus der gottesdienstlichen Gemeinde von dieser nach vorn (als Bote vor Gott) geschickt wird.

136

43.

III. Das rabbinische Judentum

Gottesdienstordnung

Schir ha-schirim Rabba 8 , 1 3 (Wilna 4 1 b ) : So beschäftigen sich die Israeliten die ganzen sechs Tage mit ihrer Arbeit. Aber am Sabbattag stehen sie früh auf und kommen in die Synagoge. Und sie lesen das „ H ö r e " u n d sie treten (als Vorbeter) vor die Lade 2 , und sie lesen aus der Thora (vor) und beschließen (die Lesung) mit einem (Abschnitt aus einem) Propheten. 1 2

Siehe Text III. 3 9 A n m . l . Siehe T e x t III. 4 2 .

44. Prediger und Hörer Schir ha-schirim Rabba 4 , 1 1 (Wilna 2 8 a): Rabbi Eleasar (P. um 2 7 0 ) und Rabbi Jose-bar-Chanina (P. um 2 7 0 ) und die Gelehrten. Rabbi Eleasar sagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie dieses Feinmehl, das am Sieb klebt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt hätte. Rabbi Jose sagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie dieser Honig, der aus dem (frischen Honig)fluß kommt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt hätte. Die Gelehrten haben gesagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie Honig und Milch, die miteinander vermischt sind, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt hätte. Rabbi Jochanan (P. gest. 2 7 9 ) und Resch-Laqisch (P. um 250). Rabbi Jochanan hat gesagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie diese Braut, die den Menschen unter dem Traubaldachin gefällt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt hätte. Resch-Laqisch hat gesagt: jeder, der Worte der Thora vor der Menge sagt, und sie gefallen ihren Hörern nicht wie diese Braut, die ihrem Mann in der Stunde, wo sie unter dem Traubaldachin steht, gefällt, für den wäre es besser, wenn er sie nicht gesagt hätte.

45. Eine Predigt aus früher Zeit Thosephtha Sota V I I , 9 - 1 2 (M.S.Zuckermandel 3 0 7 ) : Es geschah bei Rabbi Jochanan-ben-Beroqa (T. um 110) und Rabbi EleasarChasma (T. um 110). Die gingen von J a b n e 1 nach Lydda und haben (ihren Lehrer) Rabbi Jehoschua (T. um 90) in Peqiin besucht. Er hat zu ihnen gesagt: welche Neuigkeit gab es heute für euch im Lehrhaus? Sie haben zu ihm gesagt: deine Schüler sind wir, und von deinem Wasser trinken w i r 2 ! Er hat zu ihnen gesagt: es ist unmöglich, daß im Lehrhaus keine Neuigkeit war! Wessen Sabbat war es 3 ? Sie haben zu ihm gesagt: es war der Sabbat von Rabbi Eleasar-ben-Asarja (T. um 100). Er hat zu ihnen gesagt: und über was hat er vorgetragen? Sie haben zu ihm gesagt: versammle das Volk, die Männer und die Frauen und die Kinder ( 5 . M o s e 3 1 , 1 2 ) ! Er hat zu ihnen gesagt: was

Das religiöse Leben

137

hat er darüber vorgetragen? Sie haben zu ihm gesagt: Rabbi, er hat so darüber vorgetragen: wenn die Männer kommen, um zu lernen, die Frauen kommen, um zu hören, warum kommen die Kinder? Um Lohn für die zu empfangen, die sie bringen. Und ferner hat er vorgetragen: du hast den Herrn heute sagen lassen, und der Herr hat dich heute sagen lassen (5.Mose 26,17f.). Der Heilige, gepriesen sei er, hat zu den Israeliten gesagt: wenn ihr mich zu einer Verherrlichung in dieser Welt macht, werde ich euch zu einer Verherrlichung in der zukünftigen Welt machen. Und ferner hat er vorgetragen: die Worte der Weisen sind wie Stacheln (Prediger 12,11). Wie dieser Stachel 4 die Kuh in gerader Richtung lenkt, um Leben in die Welt zu bringen, so bringen die Worte der Thora Leben in die Welt. Sind etwa, wie dieser Stachel beweglich ist, auch die Worte der Thora beweglich ( = veränderlich)? (Nein,) die Schrift lehrt: und wie eingepflanzte ( = feste) Nägel (Prediger 12,11). Werden sie nicht weniger und nicht mehr? (Doch,) die Schrift lehrt: eingepflanzte (Prediger 1 2 , I I ) 5 . Die Versammelten (Prediger 12,11). Das sind die Schriftgelehrten, die versammelt sitzen und zu Unreinem „unrein" und zu Reinem „rein" sagen. Nicht sage ein Mensch bei sich: wenn jene (Gelehrten) verbieten und jene (Gelehrten) erlauben, warum lerne ich 6 ? (Nein,) die Schrift lehrt: sie sind gegeben von einem Hirten (Prediger 12,11). Ein Hirte ( = Mose) hat sie empfangen, ein Gott hat sie erschaffen. (So) mache auch du dein Herz wie (offene) Kammern und laß darin eintreten die Worte derer, die für unrein erklären, und die Worte derer, die für rein erklären! Er ( = Rabbi Jehoschua) hat zu ihnen gesagt: Das Geschlecht verwaist nicht, das Rabbi Eleasar-ben-Asarja in seiner Mitte weilen hat. 1

S i e h e T e x t I I I . l l Anm. 5. D. h. was können wir, die wir von dir lernen, dir Neues sagen? 3 Wer trug an diesem Sabbat vor? 4 Im Ochsenstecken eines Treibers. 5 Das Wort läßt ein Wachstum oder eine Minderung des göttlichen Worts durch die Auslegung der Gelehrten zu. 6 Ist es nicht sinnlos? 2

46. Eine exegetische Predigt Eka Rabbathi Einleitung 1 (S. Buber l a ) : Rabbi Abba-bar-Kahana (P. um 310) hat eröffnet: dein Geschrei wiehere, Tochter der Steinhaufen (Jes. 10,30)! Jesaja hat zu Israel gesagt: solange ihr Lieder und Gesänge vor dem Götzendienst sagt (, gilt): dein Geschrei wiehere durch die Worte der Thora, dein Geschrei wiehere in den Versammlungshäusern. Tochter der Steinhaufen („gallim") (Jes. 10,30). Wie jene Wellen („gallim") im Meer hervorstechend sind, so sind ihre Väter in der Welt hervorstechend.

138

III. Das rabbinische Judentum

Eine andere Auslegung. Tochter der Steinhaufen. Töchter der Verbannungen („gelojae"). Die Tochter von jenem Abraham, über den geschrieben steht: und es kam eine Hungersnot über das Land, und Abram zog nach Ägypten hinab (l.Mose 12,10). Die Tochter von Isaak, über den geschrieben steht: und Isaak ging zu Abimelech, dem König der Philister, nach Gerar (l.Mose26,1). Die Tochter von Jakob, über den geschrieben steht: und erging nach Mesopotamien (l.Mose 28,5). Horche auf (Jes. 10,30)! Horche auf die Gebote, horche auf die Worte der Thora, horche auf die Worte der Prophezeiung, horche auf die Gerechtigkeiten und Wohltaten! Lajescha (Jes. 10,30). Aber wenn nicht: der Löwe („lajisch"). Dieser Löwe „seliq" ( = die Seleukiden) ist über dir! Das ist der Frevler Nebukadnezar, denn es steht über ihn geschrieben: herauf steigt der Löwe aus seinem Dickicht (Jer. 4,7). Antworte ihr (Jes. 10,30)! Antworte ihr von den Gerechten, antworte ihr von den Worten der Prophezeiung, antworte ihr von den Geboten und Wohltaten! Anathoth (Jes. 10,30). Aber wenn nicht: Anathoth. Dieser aus Anathoth 1 wird kommen und über dich prophezeien. Denn es steht geschrieben: Worte des Jeremia, Sohn des Chilqijahu der von den Priestern in Anathoth war (Jer. 1,1). Als die Bestrafung gekommen war, hat er über sie die Wehklage 2 angestimmt. 1 2

Der Prophet Jeremia. Das Buch Klagelieder.

47. Veräußerung von

Synagogeneigentum

Mischna Megilla IV, 1—2: Die Stadtbewohner, die den Stadtplatz verkauft haben, kaufen dafür ein Versammlungshaus ( = Synagoge); ein Versammlungshaus, kaufen sie eine Lade 1 ; eine Lade, kaufen sie Hüllen (für die Thorarolle); Hüllen, sollen sie Bücher kaufen; Bücher, kaufen sie eine Thora(rolle). Aber wenn sie eine Thora(rolle) verkauft haben, sollen sie nicht Bücher kaufen; Bücher, sollen sie nicht Hüllen kaufen; Hüllen, sollen sie nicht eine Lade kaufen; eine Lade, sollen sie nicht ein Versammlungshaus kaufen; ein Versammlungshaus, sollen sie nicht einen (Stadt)platz kaufen. Und ebenso (sollen sie) bei ihren Überschüssen (verfahren)2. Man verkauft nicht (Eigentum) der Vielen ( = Gemeinde) an einen Einzelnen, weil man es (dadurch) in seiner Heiligkeit herabsetzt — Worte von Rabbi Meir (T. um 150). Man hat zu ihm gesagt: also auch nicht von einer großen Stadt in eine kleine Stadt!? Man verkauft ein Versammlungshaus nur unter der Bedingung, daß die (Käufer) es, wenn man will, zurückgeben — Worte von Rabbi Meir. Aber die Weisen sagen: man verkauft es immer außer zu vier Dingen ( = Zwecken): zum Badehaus und zu einer Gerberei, zu einem Tauchbad und zu einem

Das religiöse Leben

139

Waschhaus (oder: Toilette). Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: man verkauft es als H o f , und der Käufer soll machen, was er will. Siehe Text ΠΙ. 42. Bleibt bei einer Neuanschaffung ein Betrag über, darf er nicht für weniger heilige Gegenstände ausgegeben werden. 1 2

c) Hymnen

und

Gebete

Das tägliche Gebet des „Höre, Israel" (5.Mose 6 , 4 - 9 ; 11,13—21; 4 . M o s e l 5 , 3 7 - 4 1 ) zeigt bereits, welch große Bedeutung das Reden mit Gott für den frommen Rabbinen hat. Für das tägliche Beten gab es genaue Vorschriften über die Zeit (Text III.48), es wurden besondere Vorbereitungen zur Andacht und Konzentration getroffen (Text III.49), der Tag sollte mit Segenssprüchen beginnen (Text III. 50). Neben dem „Höre, Israel" bestand das zweite, zu einer nicht mehr genau erkennbaren Zeit im Wortlaut feststehende Gebet aus achtzehn Bitten (Text III. 51; vgl. die Texte 111.21,48). Neben der Notwendigkeit, Gott für alles zu danken und zu preisen, bestand auch die Notwendigkeit, in einem kurzen Gebet zu Gott zu reden (Texte III. 4 8 , 5 2 ; Vaterunser). Denn gelegentlich konnte es im Synagogengottesdienst zu einer überschwenglichen Gebetssprache kommen, zu einem unangemessenen Versuch, sprachlich Gottes Herrlichkeit widerzuspiegeln (Text III.53). Wie ernst das Reden mit Gott genommen wurde, zeigen die immer wieder betonte Andacht (Text III. 54) und das in seiner Schlichtheit beeindruckende Sündenbekenntnis (Text III. 55). E. Lohse 1 1 7 - 1 1 9 ; P. Billerbeck 1401—424; IV 1 8 9 - 2 7 6 .

48.

Einzelne

Gebetsvorschriften

Mischna Berakoth IV, 1 - 6 : Das Morgengebet (betet man) bis M i t t a g 1 . Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: bis vier Stunden (nach Beginn des Morgens). Das Nachmittagsgebet 2 (betet man) bis Abend. Rabbi Jehuda sagt: bis zur Hälfte des Nachmittags. Das Abendgebet hat keine festgesetzte Zeit. Das Zusatzgebet (an den Feiertagen betet man) den ganzen Tag. Rabbi Jehuda sagt: bis sieben Stunden (nach Beginn des Morgens). Rabbi Nechonja-ben-Haqana (T. um 7 0 ) pflegte bei seinem Eintreten in das Lehrhaus und bei seinem Hinausgehen ein kurzes Gebet zu beten. M a n hat zu ihm gesagt: was für einen O r t hat dieses Gebet? Er hat zu ihnen gesagt: bei meinem Eintreten bete ich, daß sich durch mich kein Anstoß ereigne, und bei meinem Hinausgehen sage ich D a n k für mein Los. Rabban Gamliel (T. um 9 0 ) sagt: an jedem einzelnen T a g betet der Mensch das Achtzehngebet 3 . R a b b i Jehoschua (T. um 9 0 ) sagt: (einen Auszug) aus dem Achtzehngebet 4 . Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: wenn sein Gebet ihm im M u n d w o h n t 5 , betet er das Achtzehngebet, aber wenn nicht, (betet er einen Auszug) aus dem Achtzehngebet. Rabbi Elieser (T. um 9 0 ) sagt: wer sein Gebet mechanisch verrichtet, dessen Gebet ist kein Flehen.

140

III. Das rabbinische Judentum

Rabbi Jehoschua sagt: wer an einem Ort der Gefahr geht, betet ein kurzes Gebet und sagt: hilf, Herr, deinem Volk, dem Rest Israels! An jedem Kreuzweg sei ihr Bedarf vor dir! Gepriesen seist du, Herr, der das Gebet erhört! Wer auf einem Esel reitet, steigt herab und betet. Aber wenn er nicht herabsteigen kann, wendet er sein Gesicht (nach Jerusalem). Kann er sein Gesicht nicht wenden, richtet er sein Herz auf das allerheiligste Haus ( = den Tempel) aus. Wer auf einem Schiff oder auf einem Boot fährt, richtet sein Herz auf das allerheiligste Haus aus. 1 2 3 4 5

49.

Man kann der Gebetspflicht bis zum Mittag nachkommen. Der Nachmittag beginnt zweieinhalb Stunden vor Beginn der Nacht. Siehe die Texte 111.51,184. Siehe Text III. 52. Wenn er es auswendig kann.

Gebetsvorbereitungen

Babli Schabbath 10 a: Raba-bar-Rab-Huna (B. gest. 322) hat Lederschuhe angezogen und (dann) gebetet. Er hat gesagt: bereite dich zu begegnen usw. (Am. 4 , 1 2 ) . Raba (B. gest. 352) hat seine Ubergewänder abgelegt, seine Hände gefaltet und (dann) gebetet. Er hat gesagt: wie der Sklave vor seinem Herrn. Rab Aschi (B. gest. 4 2 7 ) hat gesagt: ich habe Rab Kahana (B. um 3 7 5 ) gesehen. Wenn Unglück in der Welt gewesen ist, hat er seine Obergewänder abgelegt, seine Hände gefaltet und (dann) gebetet. Er hat gesagt: wie der Sklave vor seinem Herrn. Wenn Frieden in der Welt gewesen ist, hat er sich angekleidet, bedeckt und verhüllt und (dann) gebetet. Er hat gesagt: bereite

dich, deinem Gott zu begegnen, Israel (Am. 4,12). 50. Rabbinische

Tagesgebete

Babli Berakoth 60 b: Wenn man aufwacht, sagt man: mein Gott, die Seele, die du in mich gegeben hast, ist rein. Du hast sie in mir gebildet, du hast sie in mich eingehaucht, und du bewahrst sie in mir. Du wirst sie zukünftig von mir nehmen und wirst sie zukünftig wieder in mich geben. Die ganze Zeit, wo die Seele in mir ist, sage ich Dank vor dir, Herr, mein Gott und Gott meiner Väter, Herr aller Welten, Herr aller Seelen. Gepriesen seist du, Herr, der den toten Körpern die Seelen wiedergibt! Wenn man das Krähen des Hahns hört, sagt man: gepriesen sei der, der dem Hahn Einsicht gegeben hat, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden! Wenn man die Augen öffnet, sagt man: gepriesen sei der, der die Blinden sehend macht! Wenn man aufsteht und sich setzt, sagt man: gepriesen sei der, der die Gebundenen löst! Wenn man sich anzieht, sagt man: gepriesen sei der, der die Nackten anzieht!

Das religiöse Leben

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Wenn man sich hinstellt, sagt man: gepriesen sei der, der die Gebeugten hinstellt! Wenn man auf der Erde steht, sagt man: gepriesen sei der, der die Erde über dem Wasser ausspannt 1 ! Wenn man geht, sagt man: gepriesen sei der, der die Schritte der Menschen ausrichtet! Wenn man die Schuhe anzieht, sagt man: gepriesen sei der, der mir alles Notwendige gemacht hat! Wenn man den Gürtel umbindet, sagt man: gepriesen sei der, der Israel mit Stärke umgürtet! Wenn man das Tuch um den Kopf bindet, sagt man: gepriesen sei der, der Israel mit Herrlichkeit krönt! Wenn man sich in (den Mantel mit den) Schaufäden 2 hüllt, sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns geboten hat, uns in (den Mantel mit den) Schaufäden zu hüllen! Wenn man die Gebetsriemen 3 an dem Arm anlegt, sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns geboten hat, die Gebetsriemen anzulegen! (Legt man sie) an dem Kopf (an), sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns das Gebot der Gebetsriemen geboten hat! Wenn man die Hände wäscht, sagt man: gepriesen sei der, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns das Gebot des Händewaschens geboten hat! Wenn man das Gesicht wäscht, sagt man: gepriesen sei der, der den Schlaf von meinen Augen und den Schlummer von meinen Lidern gehen läßt! Und es sei der Wille vor dir, Herr, mein Gott, daß du mich in deiner Thora leitest! Und binde mich an deine Gebote! Und laß mich nicht kommen in Sünde, in Frevel, in Versuchung und in Schmach! Und beuge meinen Trieb, dir zu dienen! Und halte mich fern vom bösen Menschen und böser Gesellschaft! Und binde mich an den guten Trieb und an gute Gesellschaft in deiner Welt! Und gib mich heute und an jedem Tag zur Gunst und zur Gnade und zum Erbarmen in deinen Augen und in den Augen aller, die mich sehen! Und bewirke (für) mich gute Wohltaten! Gepriesen seist du, Herr, der gute Wohltaten für sein Volk Israel bewirkt! 1 2 3

Nach antiker Auffassung schwimmt die Erde/Erdscheibe auf der Urflut. 4. Mose 1 5 , 3 8 - 4 0 ; 5. Mose 2 2 , 1 2 ; Mt. 9 , 2 0 ; 1 4 , 3 6 ; 2 3 , 5 ; Mk. 6 , 5 6 ; Lk. 8 , 4 4 . 2. Mose 1 3 , 1 6 ; 5. Mose 6 , 8 ; 1 1 , 1 8 ; Mt. 2 3 , 5 .

51. Das Achtzehngebet

(palästinische

Rezension)1

1. Gepriesen seist du, Jahve, unser Gott und Gott unserer Väter, Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs, großer, mächtiger und furchtbarer Gott, höchster Gott, Schöpfer Himmels und der Erde, unser Schild und Schild unserer Väter, unser Vertrauen in allen Geschlechtern! Gepriesen seist du, Jahve, Schild Abrahams!

142

III. Das rabbinische Judentum

2. Du bist ein Held, der Hohe erniedrigt, der Starke, der die Gewalttätigen richtet, der ewig Lebende, der die Toten auferstehn läßt, der den Wind wehen läßt und den Tau herniederfallen, der die Lebenden versorgt und die Toten lebendig macht, in einem Augenblick möge uns Hilfe sprossen. Gepriesen seist du, Jahve, der die Toten lebendig macht! 3. Heilig bist du und furchtbar dein Name, und kein Gott ist außer dir. Gepriesen seist du, Jahve, heiliger Gott! 4. Verleihe uns, unser Vater, Erkenntnis von dir her und Einsicht und Verstand aus deiner Thora. Gepriesen seist du, Jahve, der Erkenntnis verleiht! 5. Bringe uns zurück, Jahve, zu dir, daß wir umkehren in Buße; erneuere unsere Tage wie vordem. Gepriesen seist du, Jahve, der Wohlgefallen an Buße hat! 6. Vergib uns, unser Vater, denn wir haben gesündigt gegen dich; tilge und entferne unsere Verfehlungen vor deinen Augen weg, denn groß ist deine Barmherzigkeit. Gepriesen seist du, Jahve, der viel vergibt! 7. Sieh an unser Elend und führe unsere Sache und erlöse uns um deines Namens willen. Gepriesen seist du, Jahve, Erlöser Israels! 8. Heile uns, Jahve, unser Gott, von dem Schmerz unseres Herzens und Seufzen und Stöhnen entferne von uns und bringe Heilung unseren Wunden. Gepriesen seist du, der die Kranken seines Volks Israel heilt! 9. Segne an uns, Jahve, unser Gott, dieses Jahr zum Guten bei allen Arten seiner Gewächse und bringe eilends herbei das J a h r des Termins unserer Erlösung und gib Tau und Regen auf den Erdboden und sättige die Welt aus den Schätzen deines Guten und gib Segen auf das Werk unserer Hände. Gepriesen seist du, Jahve, der die Jahre segnet! 10. Stoße in die große Posaune zu unserer Freiheit und erhebe ein Panier zur Sammlung unseres Verbannten. Gepriesen seist du, Jahve, der die Vertriebenen seines Volks Israel sammelt! 11. Bringe wieder unsere Richter wie vordem und unsere Ratsherren wie zu Anfang, und sei König über uns, du allein. Gepriesen seist du, Jahve, der das Recht liebhat! 12. Den Abtrünnigen sei keine Hoffnung, und die freche Regierung ( = Rom) mögest du eilends ausrotten in unseren Tagen, und die Nazarener und die Ketzer mögen umkommen in einem Augenblick, ausgelöscht werden aus -dem Buch des Lebens und mit den Gerechten nicht aufgeschrieben werden. Gepriesen seist du, Jahve, der Freche beugt 2 ! 13. Über die Proselyten der Gerechtigkeit möge sich dein Erbarmen regen und gib uns guten Lohn mit denen, die deinen Willen tun. Gepriesen seist du, Jahve, Zuversicht der Gerechten! 14. Erbarme dich, Jahve, unser Gott, in deiner großen Barmherzigkeit über Israel, dein Volk, und über Jerusalem, deine Stadt, und über Zion, die Wohnung deiner Herrlichkeit, und über deinen Tempel und über deine Wohnung und über das Königtum des Hauses David, des Messias deiner Gerechtigkeit. Gepriesen seist du, Jahve, Gott Davids, der Jerusalem erbaut!

Das religiöse Leben

143

15. Höre, Jahve, unser Gott, auf die Stimme unseres Gebets und erbarme dich über uns; denn ein gnädiger und barmherziger Gott bist du. Gepriesen seist du, Jahve, der Gebet erhört! 16. Es gefalle Jahve, unserem Gott, wohl zu wohnen in Zion, daß deine Knechte dir dienen in Jerusalem. Gepriesen seist du, Jahve, daß wir dir dienen werden in Furcht! 17. Wir danken dir, du bist Jahve, unser Gott und Gott unserer Väter, für alles Gute, die Liebe und die Barmherzigkeit, die du uns erwiesen und die du an uns getan hast und an unseren Vätern vor uns; und wenn wir sagten, unser Fuß wanke, hat deine Liebe, Jahve, uns gestützt. Gepriesen seist du, Jahve, Allgütiger, dir muß man danken! 18. Lege deinen Frieden auf dein Volk Israel und auf deine Stadt und auf dein Eigentum und segne uns alle allzumal. Gepriesen seist du, Jahve, der den Frieden schafft! 1 Die Übersetzung wurde angefertigt nach P. Billerbeck IV 211-214. Sie beruht auf Forschungen von S. Schechter und G. Dalman. 2 Vgl. Text ΙΠ. 21.

52. Ein kurzes Gebet Babli Berakoth 29 a: Was ist (der Auszug) aus dem Achtzehngebet1? Rab (B. gest. 247) hat gesagt: (Anfang und Schluß) aus jedem einzelnen Segensspruch. Aber Schemuel (B. gest. 254) hat gesagt: mache uns einsichtig, Herr, unser Gott, für die Kenntnis deiner Wege! Und beschneide unser Herz 2 zur Furcht vor dir, und vergib uns, damit wir erlöst werden, und halte uns fern von unseren Schmerzen, und sättige uns auf den Wiesen deines Landes! Und unsere Zerstreuung aus den vier (Windrichtungen) sammle, und die Irrenden mögen nach deinem Wissen richten, und über die Frevler erhebe deine Hände! Und die Gerechten mögen sich freuen am Bau deiner Stadt und an der Aufrichtung deines Tempels und an dem Aufblühen des Glanzes deines Knechts David und an der Errichtung einer Leuchte für den Sohn Isais3, deinen Gesalbten ( = Messias)! Bevor wir gerufen haben, antworte du! Gepriesen seist du, Herr, der das Gebet erhört! 1 2 3

Text III. 51. Vgl. 5. Mose 10,16; 30,6; Jer. 4,4. Vgl. Jes. 11,1.

S3. Verbotene Lobpreisungen Babli Megilla 25 a: Einer, der vor Rabbi Chanina (P. um 225) (als Vorbeter zur Lade) hingetreten ist 1 , hat gesagt: Gott der Große, der Starke und der Furchtbare, der Herrliche und der Feste und der Mutige! Er ( = Rabbi Chanina) hat zu ihm gesagt: hast du die Lobpreisungen deines Herrn beendet? Wir hätten (auch) jene drei (ersten Lobpreisungen) nicht gesagt, wenn Mose sie nicht in der

144

III. Das rabbinische Judentum

Thora geschrieben hätte 2 und die (Männer der) große(n) Synagoge 3 nicht gekommen wären und sie festgesetzt hätten. Aber du sagst dies alles!? Gleich einem Menschen, der tausend (mal) zehntausend Golddenare hat, und man rühmt ihn wegen tausend Silberdenare. Wäre das nicht eine Herabsetzung? 1

Siehe Text III. 4 2 .

5 . Mose 1 0 , 1 7 . 3 N a c h thalmudischer Anschauung Gelehrte zur Zeit Esras, doch sind darunter wohl eher die zadoqitischen Priester zu verstehen, die nach dem babylonischen Exil anstelle der Könige regierten. 2

54.

Gebetsandacht

Mischna Berakoth V, 1: Beim Beten steht man nur mit schwerem Kopf ( = ernst). Die früheren Frommen pflegten eine Stunde zu verweilen und (dann erst) zu beten, weil sie ihr Herz auf ihren Vater im Himmel ausrichten (wollten). Auch dem König, der einen grüßt, antwortet man (während des Gebets) nicht, und auch wenn eine Schlange sich um die Ferse windet, unterbricht man (das Gebet) nicht. 55. Rabbinisches

Sündenbekenntnis

Jeruschalmi Joma 45 c, 4 3 - 4 8 : Wie ist jenes „er bekennt (seine Sünden)" 1 (zu verstehen)? Rabbi Berekja (P. um 340) im Namen von Rabbi Ba-bar-Bina (P. um 2 5 0 ) : mein Herr, ich habe gesündigt, und Böses habe ich getan, und in böser Gesinnung bin ich stehengeblieben, und auf fernem Weg bin ich gegangen. Aber wie ich getan habe, werde ich nicht (mehr) tun. Es sei der Wille vor dir, Herr, mein Gott, daß du alle meine Frevel sühnst und alle meine Verfehlungen vergibst und alle meine Sünden verzeihst! 1

Ein Ausdruck aus dem vorherigen Zusammenhang, der exemplarisch erläutert wird.

d) Die Thora Für die Rabbinen war die Schrift das Zentrum ihres theologischen Denkens. Dieser Exklusivanspruch auf Gottes Offenbarung für Israel kollidierte mit der weltweiten Macht Gottes, so daß die Exklusivität der Thora für Israel mit der bewußten Ablehnung der anderer Völker begründet wird (Text III.56). Aus der Thora ergab sich das Glaubensleben des einzelnen und der Gemeinde (Text III. 57), so daß sie sogar als offenbarter Wille Gottes mit Gott selbst konkurrieren kann (Text III.58). Entscheidend war ihre Sinnfülle (Text III. 5 9 ) , die eine äußerste Genauigkeit der Auslegung und eine ständige Beschäftigung mit ihr erforderte (Text III. 60). Gelegentlich begegnen Versuche, diese Sinnfülle, der nur eine entsprechende Gelehrsamkeit gerecht werden konnte, in kurzen Kernsätzen auf einen Nenner zu bringen (Texte III. 198, 199). Bei der großen Anzahl der Gebote (Text III. 61) unterschied man darum auch zwischen leicht und schwer zu erfüllenden Geboten (Text III. 62). Gemäß ihres Charakters als offenbarter Wille Gottes war die Thora von der gleichen Beschaffenheit

Das religiöse Leben

145

wie die Lichtwelt Gottes (Texte III. 60, 63). Das Gebot, sich um die Thora zu mühen, um den Glauben lebendig zu erhalten, stellte die rabbinische Gelehrsamkeit in eine Traditionsreihe, die bis auf Mose zurückgeführt wurde (Text III. 64). Die Thora gehörte nicht der Vergangenheit an, sondern in ihrer Auslegung gewann der Wille Gottes lebendige Gegenwart. E.Lohse 121-124. Text III. 198,199.

56. Die Thora als Angebot Mekiltha Jithro Bachodesch § 1 (H.S.Horovitz-I.A. Rabin 205): Und sie lagerten in der Wüste (2. Mose 19,2). Die Thora wurde als Angelegenheit für alle öffentlich an einem herrenlosen O r t 1 gegeben. Wäre sie im Land Israel gegeben worden, hätten die (Israeliten) zu den Völkern der Welt sagen können, sie hätten keinen Anteil an ihr. Darum wurde sie in der Wüste als Angelegenheit für alle öffentlich an einem herrenlosen Ort gegeben. Und jeder, der (sie) annehmen wollte, konnte kommen und (sie) annehmen. 1

An ihm hatte keiner Besitzrecht.

57. Die Thora als Heilsgabe Mekiltha Beschallach Vajjassa § 1 (H.S.Horovitz-I.A.Rabin 157f.): Rabbi Eleasar von Modai (T. gest. um 135) sagt: wenn (du) hörst (2. Mose 15,26). Möglicherweise ist das (Hören) freigestellt? (Nein,) die Schrift lehrt: du sollst hören (2. Mose 15,26). Es ist Pflicht und nicht freigestellt. Du sollst hören. Das ist das Allgemein(verbindlich)e, in dem die Thora enthalten ist. Auf die Stimme des Herrn, deines Gottes (2.Mose 15,26). Das lehrt, daß es auf jeden, der vom Mund der Allmacht ( = Gott) hört, kommt, als wenn er stände und Dienst täte vor dem, der lebt und besteht für ewig und alle Ewigkeiten. Und was Recht in seinen Augen ist, sollst du tun (2. Mose 15,26). Das ist das Nehmen und Geben 1 . Es lehrt, daß es auf jeden, der in Wahrhaftigkeit nimmt und gibt und an dem der Geist der Geschöpfe Gefallen hat, kommt, als wenn er die ganze Thöra insgesamt erfüllt hätte. Und auf seine Gebote hörst (2.Mose 15,26). Das sind die (rabbinischen) Gesetzesentscheidungen. Und all seine Gesetze beachtest (2.Mose 15,26). Das sind die (Gesetze über) Inzuchtfälle 2. Jede Krankheit, die ich über Ägypten gebracht habe usw. (2.Mose 15,26). Und was lehrt die Schrift: denn ich, der Herr, bin dein Arzt (2. Mose 15,26)? Der Heilige, gespriesen sei er, hat zu Mose gesagt: sage den Israeliten: die Worte der Thora, die ich euch gegeben habe, sie sind Arznei für euch, sie sind Leben für euch. Wie gesagt ist: denn Leben sind sie für den, der sie findet, und für sein ganzes Fleisch Arznei (Sprüche 4,22). Und (die Schrift) sagt: Arznei wird deinem Nabel sein und Erquickung deinen Knochen (Sprüche 3,8). 1 2

10

Die zwischenmenschlichen Beziehungen, besonders der Handel. 3. Mose 18 und 20. Kippenberg, Textbuch

146

III. Das rabbinische Judentum

58. Thora und Gott Jeruschalmi Chagiga 76 c, 41—43: Rabbi Chijja-bar-Ba (P. um 280) hat gesagt: mich haben sie verlassen (Jer. 16, I I ) 1 . Ich hätte ein Nachsehen! Vielleicht haben sie meine Thora bewahrt? Denn wenn sie (auch) mich verlassen haben, aber (dafür wenigstens) meine Thora bewahrt haben, wird das Licht 2 , das in ihr ist, sie zu mir nahebringen. 1 2

Gott ist der Redner. Hier mußte der T e x t verbessert werden.

59. Sinnfülle der Thora Jeruschalmi Pea 15 b,45—47: Und 1 es begegnet wie das, was Rabbi Mana (P. um 370) gesagt hat: denn es ist kein leeres Wort von euch2 (5.Mose 32,37). Und wenn es leer (erscheint), (rührt das) von euch (her). Warum? Weil ihr euch nicht darum gemüht habt. 1 Nach einer Parallelstelle ist Rabbi Aqiba (T. gest. um 1 3 5 ) der Überlieferer dieses Ausspruchs. 2

D. h. von dem ihr euch abwenden könnt.

60. Beschäftigung

mit der Thora

Jeruschalmi Chagiga 77 b, 3 8—48: Mein 1 Vater Abuja, (einer) von den Großen Jerusalems, hatte an dem Tag, auf den meine Beschneidung fiel, alle Großen Jerusalems eingeladen und sie in einem Haus sich setzen lassen, sogar Rabbi Elieser (T. um 90) und Rabbi Jehoschua (T. um 9 0 ) 2 in einem Haus. Nachdem man gegessen und getrunken hatte, begann man, in die Hände zu klatschen und zu tanzen. Rabbi Elieser hat zu Rabbi Jehoschua gesagt: solange jene sich mit dem ihrigen beschäftigen, wollen wir uns mit dem unsrigen beschäftigen. Und sie haben sich gesetzt und sich mit den Worten der Thora beschäftigt. Von der Thora (sind sie übergegangen) zu den Propheten und von den Propheten zu den (übrigen) Schriften. Und es ist Feuer vom Himmel herabgekommen und hat sie umringt. Abuja hat zu ihnen gesagt: meine Lehrer, wozu seid ihr gekommen? Mein Haus über mir anzuzünden? Sie haben zu ihm gesagt: Gott behüte! Vielmehr sitzen wir und wenden uns den Worten der Thora zu — von der Thora (gehen wir über) zu den Propheten und von den Propheten zu den (übrigen) Schriften. Und die Worte haben sich gefreut wie als sie am Sinai gegeben wurden, und das Feuer hat sie bedeckt wie es sie am Sinai bedeckt hatte. Ihr eigentliches (oder: ursprüngliches) Gegebenwerden vom Sinai erfolgte nur im Feuer: und der Berg brannte in Feuer bis in das Herz der Himmel (5.Mose 4,11). Der Text ist ein Bericht des Ketzers Elischa-ben-Abuja alias Acher. Zwei Gelehrte, die wegen der Gegensätzlichkeit ihrer Meinungen bekannt waren. Siehe die Texte III. 8 4 , 8 5 . 1

2

Das religiöse Leben

147

61. Anzahl der Gebote Mekiltha Jithro Bachodesch § 5 (H.S.Horovitz-I.A.Rabin 221f.): Rabbi Schimeon-ben-Eleasar (T. um 190) hat gesagt: wenn die Söhne Noahs in den sieben Geboten, die ihnen geboten waren 1 , die sie auf sich genommen hatten, nicht bestehen konnten, um wieviel weniger in den Geboten der Thora! Gleich einem König, der zwei Verwalter eingesetzt hat. Einer wurde über den Strohvorrat eingesetzt, und einer wurde über den Silber- und Goldschatz eingesetzt. Der, der über das Stroh eingesetzt war, hat sich (der Untreue) verdächtig gemacht. Aber er hat sich darüber beklagt, daß man ihn nicht über den Silber- und Goldschatz eingesetzt habe. Aber der, der über den Silber- und Goldschatz eingesetzt war, hat zu ihm gesagt: Narr 2 ! Beim Stroh warst du nachlässig. Beim Silber und Gold würdest du es noch mehr sein! Und sind nicht die Worte (ein Schluß vom) Gering(en auf das) Gewichtig(e)? Wenn die Söhne Noahs in den sieben Geboten, die ihnen geboten waren, nicht bestehen konnten, (hätten sie es) noch weniger bei den sechshundertdreizehn 3 Geboten der Thora (gekonnt)! 1 Gehorsam gegen die Obrigkeit, Verbote für Gotteslästerung, Götzendienst, Unzucht, Blutvergießen, Raub, Genuß eines Gliedes von einem lebendigen Tier. Vgl. 1. Mose 9 , 1 ff. 2 Das gleiche Wort begegnet Mt. 5,22 (M. Luther: Racha). 3 Diese Zahl findet sich nur in den gedruckten Ausgaben der Mekiltha. Sie scheint ein späterer Zusatz zu sein.

62. Leichte und schwere

Gebote

Jeruschalmi Qidduschin 61 b, 68-71: Rabbi Abba-bar-Kahana (P. um 310) hat gesagt: die Schrift stellt das leichteste Gebot dem schwersten (Gebot) gleich. Das leichteste Gebot, das ist das Fortschicken der Vogelmutter 1 . Und das schwerste Gebot, das ist das Ehren von Vater und Mutter 2 . Und über sie beide steht geschrieben: damit du lange lebst (5. Mose 22,7; vgl. 2.Mose 20,12). 1 2

5. Mose 22,7. 2. Mose 20,12.

63. Das Wesen der Thora Mekiltha Jithro Bachodesch § 4 (H.S.Horovitz-I.A. Rabin 215): Und der Berg Sinai war ganz (in) Rauch (gehüllt) (2.Mose 19,18). Möglicherweise (war) nur der Ort der Herrlichkeit (Gottes in Rauch gehüllt)? (Nein,) die Schrift lehrt: (er war es) ganz. Weswegen? Deswegen, weil der Herr auf ihn im Feuer herabgestiegen war (2.Mose 19,18). Das zeigt an, daß die Thora Feuer ist. Und sie wurde aus dem Feuer gegeben und ist dem Feuer gleich. Wie ein Feuerweg ist sie, denn wenn ein Mensch ihr (zu) nahe kommt, so wird er verbrannt. Hält er sich (aber) fern von ihr, so (wird ihm) kalt. Es gibt für den Menschen nichts (anderes) als sich an ihrem Licht zu wärmen.

148 64. Thora und

ΠΙ. Das rabbinische Judentum Tradition

Pirqe A b o t h I , l : Mose hat die Thora vom Sinai empfangen und hat sie Josua überliefert und Josua den Ältesten (Israels) und die Ältesten den Propheten, und die Propheten haben sie den Männern der großen Synagoge 1 überliefert. Die haben drei Aussprüche gesagt: seid sorgfältig im Gericht, laßt eine Menge Schüler erstehen und macht einen Zaun für die Thora 2 ! 1

Siehe Text III. 53 Anm. 3. Ein geläufiges Bild für die Tendenz des Judentums, sich von der umgebenden Heidenwelt abzugrenzen. 2

e) Auslegung

der Thora

Regeln für die richtige Auslegung der Thora hat man schon früh aufgestellt (Text III.65). So fand man viele Möglichkeiten, die Glaubenspraxis aus der Schrift zu erschließen und die Schrift für die Glaubenspraxis zu erschließen. Der mögliche Konflikt zwischen Schrift und rabbinischer Vorschrift wurde vermieden (Text III. 66). Bei der Auslegung der Gesetze und ihrer Anwendung in Form der rabbinischen Vorschrift hat man zwischen wichtigen und weniger wichtigen Gebieten unterschieden (Texte III. 66,67). Neben der Auslegung, die die Schrift mit den rabbinischen Vorschriften verband, findet sich die allein auf die Schrift bezogene Auslegung, aus der mit der Zeit regelrechte Kommentare zu den einzelnen Büchern der Schrift werden. Auch bei dieser Auslegung wurden feste Regeln angewendet (Texte III. 68-70). Entscheidend ist immer gewesen, daß die Schrift für die Rabbinen kein vergangenes Bundesdokument, sondern gegenwärtiges Wort Gottes gewesen ist. So konnte man in aller Unbefangenheit vergangene Ereignisse der Schrift mit gegenwärtigen Ereignissen oder Einrichtungen verbinden (Texte 111.71,72). Schwierig (aber auch geregelt) war es, wenn sich zwei Schriftverse im Wortlaut oder Sinn widersprachen (Text III. 73). Hinter all diesen zum Teil sehr komplizierten Deutungen steckt das Bemühen der Rabbinen, zu einem genauen und gegenwartsbezogenen Verständnis der Schrift zu kommen. E.Lohse 124-130. Text III.2 (neuer Sinn durch Textkorrektur), 15, 18, 19 (Schluß vom Geringen auf das Gewichtige), 20, 24 (Widersprüche), 29 (mehrfacher Sinn eines Worts), 31, 32 (Schluß vom Geringen auf das Gewichtige, Analogieschluß), 45, 46, 56-64, 77, 84, 85, 163, 165-167, 170, 171,185-188, 198,214,216.

65. Rabbinische

Auslegungsregeln

Thosephtha Sanhedrin VII, 11 (M.S. Zuckermandel 427): Sieben Worte hat Hillel der Alte (T. um 2 0 v.Chr.) vor den Ältesten (der Familie) Pethera vorgetragen: (den Schluß vom) Gering(en auf das) Gewichtigte) und den (Schluß mit Hilfe des) gleichen Ausdruck(s) und die Erstellung eines Vaters ( = Grundsatzes) und (die ausgleichende Funktion) ein(es) Schriftvers(es bei) zwei (sich widersprechenden) Schriftverse(n) und (den Schluß vom) Allgemein(en auf das) Besondere und (vom) Besondere(n auf das) Allgemein(e) und (den Schluß) „wie hervorgeht aus einer anderen

Das religiöse Leben

149

(Schrift)stelle" und die Sache, die aus ihrem Zusammenhang zu lernen ( = folgern) ist. Diese sieben Regeln hat Hillel der Alte vor den Söhnen Petheras vorgetragen. 66. Thor α und Auslegung Thosephtha Chagiga 1,9 (M. S. Zuckermandel 233): Die Lösung von Gelübden schwebt in der Luft, und sie hat keine (Schriftstelle), worauf sie sich stützen kann. Aber der Weise löst (die Gelübde) nach seiner Weisheit. Die Vorschriften (für den) Sabbat, (die) Festopfer und (die) Veruntreuungen1 haben wenig Schrift aber viele Vorschriften 2 : wie Berge (sind sie), die an einem Haar hängen, und haben nichts, worauf sie sich stützen können. Von hier pflegte Rabbi Jehoschua (T. um 90) zu sagen: die Zange ist durch die Zange gemacht; die erste Zange: was war sie 3 ? Allein ein Geschöpf ist sie gewesen! Aber (die Vorschriften für das) Zivilrecht und (den Tempel)dienst, (für) Reinheit und Unreinheit4 und (die) Inzuchtfälle s zu ihnen sei hinzugefügt: Wertschätzungen6 und Bannungen 7 , unbewegliches Eigentum und zweiter Zehnt 8 - : die haben (Schriftstellen), worauf sie sich stützen können; sie haben viel Schrift aber wenig Auslegung und Vorschriften. Abba Jose-ben-Chanin (T. um 180) sagt: jene acht (Lehrgebiete) sind die Speicher der Thora und die Kernstücke der Vorschriften. 3. Mose 5 , 1 5 f. Den zahlreichen Gesetzesauslegungen der rabbinischen Gelehrten entsprechen nur wenig Schriftstellen. 3 D. h. wer hat sie gemacht? 4 3 . M o s e 11. 5 3. Mose 18 und 20. 6 3. Mose 27. 7 Die Strafe bei Totschlag. 4. Mose 3 5 , 2 2 - 2 5 ; 5. Mose 1 9 , 1 - 7 . 8 3. Mose 2 7 , 3 0 f . ; 5 . M o s e 1 4 , 2 2 - 2 6 . 1

2

67. Ausleger und Thora Mischna Horajoth 1,3: Hat ein Gerichtshaus entschieden, ein Kernstück (der Thora) ganz aufzuheben, haben sie (also etwa) gesagt, (die Vorschriften über) die Menstruierende (fänden sich) nicht in der Thora, (die Vorschriften über den) Sabbat (fänden sich) nicht in der Thora, (die Vorschriften über den) Götzendienst (fänden sich) nicht in der Thora, sind sie, siehe, frei 1 . Haben sie entschieden, einen Teil aufzuheben und einen Teil zu erhalten, sind sie, siehe, schuldig2. Wieso? Haben sie (etwa) gesagt, (die Vorschriften über) die Menstruierende (fänden sich) in der Thora, wer aber auf eine (Frau zum Geschlechtsverkehr) komme, die den Tag abwarte 3 , sei frei, (haben sie etwa gesagt, die Vorschriften über den) Sabbat (fänden sich) in der Thora, wer aber (etwas) aus privatem Bereich in öffentlichen Bereich (am Sabbat) hinausbringe, sei frei, (haben sie etwa gesagt, die Vorschriften über den) Götzendienst (fänden sich) in der

150

ΠΙ. Das rabbinische Judentum

Thora, wer sich aber vor einem (Götzen) niederwerfe, sei frei, sind sie, siehe, schuldig. Wie gesagt ist: und eine Sache entgangen (3.Mose 4 , 1 3 ) . Eine Sache, aber nicht das ganze Kernstück 4 ! 1 Wenn die Unkenntnis eines Gerichts so weit geht, daß nicht einmal Kernstücke der Thora als solche erkannt werden, liegt kein schuldhafter Irrtum mehr vor, sondern die Gerichtsmitglieder sind von Schuld frei. 2 Das Gericht zeigt dann ein Mindestmaß an Kenntnis, das verantwortlich macht. 3 Die Frau darf nach der Menstruation eine Woche keinen Geschlechtsverkehr haben (vgl. 3.Mose 1 5 , 1 9 ff.); tritt innerhalb von elf Tagen nach dieser Woche ein Blutfluß auf, ist es kein Menstruationsblut, sondern ein geschlechtlicher Ausfluß, worauf sie nur einen Tag abwarten muß, um wieder rein zu werden. 4 Ein teilweiser Irrtum macht also schuldig, völlige Unkenntnis enthebt der Verantwortung.

68. Reihenfolge

der Worte

MekilthaBoPischa Einleitung (H.S.Horovitz—I.A.Rabin 1): Zu Mose und zu Aaron (2.Mose 12,1). Ich höre: alles, was im Schriftvers voran ist, ist (auch) in Wirklichkeit voran, während die (Schrift doch an anderer Stelle) sagt: das ist Aaron und Mose (2.Mose 6,26). D a s 1 zeigt, daß sie beide (gleich)gewichtig sind; dieser (ist) wie jener 2 . 1 2

69.

Die Tatsache, daß einmal Mose und einmal Aaron zuerst genannt sind. Es folgen eine Reihe weiterer Beispiele für diesen Auslegungsgrundsatz.

Analogieschluß

Mekiltha Bo Pischa § 1 (H.S.Horovitz-I.A.Rabin 6): Dieser1 Neumond sei euch usw. (2. Mose 1 2 , 2 ) . Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) hat gesagt: Mose hat den Neumond den Israeliten gezeigt und zu ihnen gesagt: so soll man sehen und den Neumond für die Generationen festsetzen! Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: das war eins von den drei Dingen, die Mose schwergefallen sind 2 , aber der Höchste zeigte sie ihm alle mit dem Finger 3 . Wie durch (folgende) Sache hervorgeht, die du sagst: und dieses4 sei euch unrein (3.Mose 1 1 , 2 9 ) . Wie hervorgeht, indem du sagst: und dieses ist die Arbeit des Leuchters (4. Mose 8 , 4 ) . Und manche sagen: auch das Schächten 5 ist Mose schwergefallen. Wie gesagt ist: und dieses ist es, was du auf den Altar tun sollst (2. Mose 2 9 , 3 8 ) . 1 Die Gelehrten legen im folgenden dieses Demonstrativpronomen aus. Der Analogieschluß wird von Rabbi Aqiba angewendet: die Tatsache, daß das Demonstrativpronomen sich auch in den von ihm angeführten Versen findet, erlaubt ihre einheitliche Auslegung. 2 Denn es war Neumond. Die anderen beiden Dinge nennt der folgende Text. 3 Das geht aus dem das Zeigen mit dem Finder andeutenden Demonstrativpronomen hervor. 4 Die unreinen Kriechtiere. 5 Die rituelle Schlachtung von Tieren.

151

Das religöse Leben

70. Logischer

Schluß

Mekiltha Jithro Bachodesch § 3 ( H . S . H o r o v i t z - I . A . R a b i n 2 1 2 ) : Und sie1 sollen ihre Kleider waschen (2. Mose 1 9 , 1 0 ) ! Und woher (schließt man darauf), daß ihnen (auch) ein Tauchbad auferlegt worden ist? Siehe, ich schließe logisch! (Ich frage:) aber wie? Wenn an der Stelle, wo ihnen nicht das Waschen der Kleider auferlegt worden ist, (wohl aber) ein Tauchbad auferlegt worden ist 2 , sollte nicht der logische Schluß hier (richtig sein), wo das Waschen der Kleider auferlegt worden ist, daß (auch) ein Tauchbad auferlegt worden ist? Es gibt in der Thora kein Waschen der Kleider, das nicht (auch) ein Tauchbad auferlegt! 1 2

71.

Die Israelite!) am Sinai. 3. Mose 15,16.

Gegenwartsbezug

Mekiltha Jithro Amaleq § 1 ( H . S . H o r o v i t z - I . A . Rabin 193): Und sie1 gingen in das Zelt (2.Mose 18,7). Das ist das Lehrhaus 2 . 1 2

72.

Mose und sein Schwiegervater Jithro. Eine gegenwärtige Einrichtung wird in die Zeit des Mose zurückverlegt.

Schriftanwendung

Mekiltha Jithro Bachodesch § 1 ( H . S . H o r o v i t z - I . A . R a b i n 2 0 3 f . ) : Einst ist Rabban Jochanan-ben-Sakkai (T. gest. um 80) nach Maon in J u d ä a 1 hinaufgestiegen. Er hat ein Mädchen gesehen, das Gerstenkörner aus dem Kot eines Pferdes aufsuchte. Rabban Jochanan-ben-Sakkai hat zu ihnen ( = seinen Schülern) gesagt: ihr seht dieses Mädchen — was ist (mir) ihr? Sie haben zu ihm gesagt: sie ist eine Hebräerin. Dieses Pferd - wem gehört es? Sie haben zu ihm gesagt: dem Pferdeknecht eines Arabers. Rabban Jochananben-Sakkai hat zu seinen Schülern gesagt: all meine Tage habe ich über diesen Vers gegrübelt; ich habe ihn gelesen, habe aber nicht verstanden, was er

(meint): wenn du es nicht weißt, Schönste unter den Frauen2

(Hoheslied

1,8). (Der Vers meint:) ihr ( = Israel) habt es abgelehnt, Dienstiinge für die Himmel ( = Gott) zu sein! Siehe, (nun) seid ihr Dienstiinge für das niedrige Arabervolk geworden! Ein Ort im judäischen Gebirge, südlich von Hebron. Fortsetzung: so gehe hinaus und folge den Spuren der Herde usw. Die „Schönste unter den Frauen" ist das im Mädchen typologisierte Israel, das nach der Zerstörung des Tempels so erniedrigt ist. 1 2

73.

Widersprüche

Mekiltha Bo Pischa § 4 ( H . S . H o r o v i t z - I . A . R a b i n 13): Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: ein Schriftvers sagt: und du sollst

Herrn, deinem Gott, als Passa Kleinvieh und Rindvieh schlachten

dem

(5. Mose

152

III. Das rabbinische Judentum

16,2). Und ein Schriftvers sagt: von den Schafen und von den Ziegen sollt ihr nehmen (2.Mose 12,5). Wie werden diese beiden Verse erfüllt 1 ? Du sagst, dieses sei eine Regel in der Thora: zwei benachbarte und sich widersprechende Schriftverse werden an ihrer Stelle erfüllt, bis ein dritter Schriftvers kommt und zwischen ihnen den Ausschlag gibt 2 . Die Schrift lehrt: holt und nehmt euch Kleinvieh für eure Familien und schlachtet das Passa (2.Mose 12,21). Kleinvieh für das Passa und nicht Rindvieh für das Passa! 1 D.h. welchen Sinn haben die beiden sich widersprechenden Verse, von denen der eine Kleinvieh und Rindvieh, der andere nur Kleinvieh nennt. 2 Der Widerspruch zweier Schriftstellen bleibt unaufgelöst, bis sich ein dritter Vers findet, der den einen oder den anderen Vers unterstützt. In diesem Fall entscheidet der Vers 2. Mose 1 2 , 2 1 f ü r 2 . M o s e 1 2 , 5 (nur Kleinvieh).

f) Proselyten Die Rabbinen haben keine aktive Mission betrieben. Die relative Bedeutung der Proselyten, zu denen gelehrte und hochstehende Personen gehört haben (Texte III. 74,78), erklärt sich aus der Anziehungskraft, die der „philosophische" Schulbetrieb der Synagoge und der allein auf dem Wort beruhende Synagogengottesdienst gehabt haben. Zu einer gewissen Zeit verband sich mit dem Übertritt eines Heiden zum Judentum, der durch die Beschneidung dokumentiert wurde, ein reinigendes Tauchbad, die sogenannte Proselytentaufe (Text III. 75). Die abschließende Vorschrift machte den Übertritt nur bei Beschneidung und Tauchbad gültig (ebd.). Beschneidung und Tauchbad wurden in der Regel nur nach einer gründlichen Unterweisung vorgenommen (Text III. 76). Fortan wurde dann der Proselyt als vollgültiger Israelii angesehen (Texte 111.76,77). Daneben gab es die „Gottesfürchtigen", Heiden, die sich zwar der Synagoge anschlossen und rabbinische Vorschriften befolgten, aber nicht die Beschneidung und das Tauchbad vornehmen ließen (Texte III. 78,79). E. Lohse 90. Text III. 2 9 , 1 6 0 , 1 8 4 .

74. Proselytenmission Babli Abodasara I I a : Onqelos-bar-Qalominos (T. um 120) 1 ist Proselyt geworden. Der Caesar 2 hat eine Schar Römer nach ihm geschickt. Er hat sie an sich gezogen durch Schriftstellen: die (Schar) ist (zu) Proselyt(en) geworden. Er hat eine andere Schar Römer nach ihm geschickt (und) hat (vorher) zu ihnen gesagt: sagt zu ihm gar nichts 3 ! Als sie (ihn) gefaßt hatten und (mit ihm) abzogen, hat er zu ihnen gesagt: ich will euch ein Weltwort sagen: der Fackelträger trägt das Feuer vor dem (Palast)befehlshaber, der (Palast)befehlshaber vor dem Dux 4 , der Dux vor dem Hegemon 5 , der Hegemon vor dem Comes 6 . Vor wem trägt der Comes das Feuer? Vor (gewöhnlichen) Menschen? Sie haben zu ihm gesagt: nein. Er hat zu ihnen gesagt: der Heilige, gepriesen sei er, hat das Feuer vor Israel getragen. Denn es steht geschrieben: und der Herr geht vor ihnen her am Tage usw. (2.Mose 13,21). Die (Schar) ist (zu) Proselyt(en) geworden.

Das religiöse Leben

153

Er hat eine andere Schar nach ihm geschickt (und) hat (vorher) zu ihnen gesagt: erzählt euch nichts mit ihm! Als sie ihn genommen hatten und (mit ihm) abzogen, hat er eine „Mesusa" 7 gesehen. Er hat seine Hand auf sie gelegt und zu ihnen gesagt: was ist das? Sie haben zu ihm gesagt: sag du es uns! Er hat zu ihnen gesagt: nach der Gewohnheit der Welt sitzt ein König von Fleisch und Blut im Inneren (seines Palastes), und seine Diener bewachen ihn draußen. Aber der Heilige, gepriesen sei er, bewacht seine Diener draußen, während sie im Inneren sind. Wie gesagt ist: der Herr bewacht deinen Ausgang und deinen Eingang von jetzt bis in Ewigkeit (Ps. 121,8). Die (Schar) ist (zu) Proselyt(en) geworden. Weiter hat er nicht mehr nach ihm geschickt. 1

Er verfaßte eine griechische Übersetzung des Alten Testaments. Hadrian, der in den Jahren 117-138 regierte. 3 D. h. laßt euch auf kein Gespräch ein. 4 Der Befehlshaber von Provinztruppen. s Statthalter. 6 Der Befehlshaber des kaiserlichen Hauptquartiers. 7 Eine Kapsel an der Tür des jüdischen Hauses, die kleine Pergamentschriftrollen mit dem Text des täglichen Gebets „Höre Israel" enthält. 2

75.

Proselytentaufe

Babli Jebamoth 46 a: Die Rabbinen haben gelehrt: ein Proselyt, der beschnitten worden ist, aber kein Tauchbad genommen hat. Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: siehe, das ist ein Proselyt: denn so finden wir es bei unseren Vätern, daß sie beschnitten gewesen sind, aber kein Tauchbad genommen haben 1 . Er hat das Tauchbad genommen, aber ist nicht beschnitten worden. Rabbi Jehoschua (T. um 90) sagt: siehe, das ist ein Proselyt; denn so finden wir es bei den Müttern 2 , daß sie das Tauchbad genommen haben, aber nicht beschnitten gewesen sind. Und die Weisen sagen: hat er ein Tauchbad genommen, ist aber nicht beschnitten worden, ist er beschnitten worden, hat aber kein Tauchbad genommen: er ist kein Proselyt, bis er beschnitten worden ist und das Tauchbad genommen hat. 1 2

76.

Gemeint ist die Zeit vor der Sinaigesetzgebung. Den aus Ägypten gezogenen Israelitinnen.

Proselytenunterweisung

Babli Jebamoth 47ab: Die Rabbinen haben gelehrt: ein Proselyt, der in dieser Zeit kommt, um Proselyt zu werden, zu dem sagt man: was siehst du (für einen Grund), daß du kommst, um Proselyt zu werden? Weißt du etwa nicht, daß die Israeliten in dieser Zeit gequält, geschlagen, bedrückt und gerupft werden und Leiden über sie kommen? Wenn er sagt: ich weiß, und ich bin nicht würdig, nimmt man ihn sogleich auf. Und man läßt ihn wissen einige der leichten Gebote

154

III. Das rabbinische Judentum

und einige der schweren Gebote, und man läßt ihn wissen die Sünde (bei) der Nachlese 1 , (beim) Vergessenen 2 und (bei) der Ackerecke 3 und (beim) Armenzehnten 4 , und man läßt ihn wissen die Bestrafung (bei Übertretung) der Gebote. Man sagt zu ihm: wisse, daß du, bevor du dieses gelernt hast, Talg gegessen hast, (aber) du bist nicht (mit der) Strafe der Ausrottung (bestraft worden), (daß) du den Sabbat entweiht hast, (aber) du bist nicht (mit der) Strafe der Steinigung (bestraft worden). Aber jetzt: ißt du Talg, ist (deine) Strafe Ausrottung, entweihst du den Sabbat, ist (deine) Strafe Steinigung. Und wie man ihn die Bestrafung (bei Übertretung) der Gebote hat wissen lassen, so läßt man ihn ihre Belohnung wissen. Man sagt zu ihm: wisse, daß die zukünftige Welt nur für die Gerechten gemacht worden ist. Und die Israeliten können in dieser Zeit weder viel Gutes noch viel Bestrafung erhalten. Aber man (redet) nicht zuviel auf ihn (ein) und nimmt es nicht genau mit ihm. Hat er (diese Worte) angenommen, beschneidet man ihn sogleich. Sind bei ihm 5 Fasern zurückgeblieben, die die Beschneidung ungültig machen, beschneidet man ihn noch einmal. Ist er (von der Beschneidung wieder) gesund geworden, läßt man ihn sogleich das Tauchbad nehmen. Und zwei Schüler der Weisen stehen an seiner Seite und lassen ihn einige der leichten Gebote und einige der schweren Gebote wissen. Hat er das Tauchbad genommen und ist (wieder) heraufgestiegen, ist er, siehe, in allen Dingen ein Israelii. 1 2 3 4 5

3.Mose 19,9; 2 3 , 2 2 . 5.Mose 2 4 , 1 9 . Diese gehört den Armen zum Abernten. 5. Mose 14,28 f. Am Geschlechtsteil.

77. Ansehen der Proselyten Mekiltha Mischpatim Nesiqin § 18 ( H . S . H o r o v i t z - I . A.Rabin 3 1 1 f . ) :

Und den Fremdling1 sollst du nicht bedrücken, und du sollst ihn nicht bedrängen, denn ihr seid Fremdlinge im Land Ägypten gewesen (2. Mose 22,20). Du sollst ihn nicht bedrücken. Durch Worte. Und du sollst ihn nicht bedrän-

gen. Durch Geld. Damit du nicht zu ihm sagst: gestern hast du dem BelQores-Nebo 2 gedient, und siehe, Schweinefleisch ist (noch) zwischen deinen Zähnen, und du redest Worte gegen mich? Und woher, daß er, wenn du ihn (so) bedrückst, dich (genauso) bedrücken kann? Die Schrift lehrt: denn ihr seid Fremdlinge gewesen. Von hier pflegte Rabbi Nathan (T. um 160) zu sagen: einen Fehler, der an dir ist, sollst du nicht deinem Genossen andichten. Beliebt sind die Proselyten (bei Gott), denn an jeder (Schrift)stelle warnt er ihretwegen: und den Proselyten sollst du nicht bedrängen (2.Mose23,9). Und den Proselyten sollst du nicht bedrücken (2. Mose 2 2 , 2 0 ) . Und ihr sollt den Proselyten lieben (5.Mose 1 0 , 1 9 ) . Und ihr kennt die Seele des Proselyten (2.Mose 2 3 , 9 ) . Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: weil des Proselyten Wesen böse ist 3 , darum warnt die Schrift seinetwegen an einer Menge Stellen.

Das religiöse Leben

155

Rabbi Schimeon-ben-Jochai (T. um 150) sagt: siehe, die (Schrift) sagt: und die ihn lieben4, sind wie der Auf gang der Sonne in ihrer Kraft (Richter 5 , 3 1 ) . Aber wie? Wer ist größer? Der, der den König liebt, oder 5 der, den der König liebt? Du mußt sagen: den der König liebt. Wie gesagt ist: und er ( = Gott) liebt den Proselyten (5.Mose 1 0 , 1 8 ) . Beliebt sind die Proselyten (bei Gott), denn an jeder (Schrift)stelle bezeichnet er sie wie Israel. Die Kinder Israels werden Knechte genannt. Wie gesagt ist: denn mir gehören die Kinder Israels als Knechte (3.Mose 2 5 , 5 5 ) . Und die Proselyten werden Knechte genannt. Wie gesagt ist: (und die Proselytenkinder ...,) den Namen des Herrn zu lieben, um ihm Knechte zu werden (Jes. 5 6 , 6 ) . Die Israeliten werden Diener genannt. Wie gesagt ist: und ihr werdet Priester des Herrn genannt werden, „Diener unseres Gottes" wird man zu euch sagen (Jes. 6 1 , 6 ) . Und die Proselyten werden Diener genannt. Wie gesagt ist: und die Proselytenkinder, die sich dem Herrn anschließen, um sein Diener (zu sein) (Jes. 5 6 , 6 ) . Die Kinder Israels werden Lieblinge genannt. Wie gesagt ist: und du, Israel, mein Knecht, Jakob usw., Same Abrahams, mein Liebling (Jes. 4 1 , 8 ) . Und die Proselyten werden Lieblinge genannt. Wie gesagt ist: und er liebt den Proselyten (5.Mose 1 0 , 1 8 ) . Uber Israel ist ein Bund gesagt. Wie gesagt ist: und mein Bund soll an eurem Fleisch sein ( l . M o s e 1 7 , 1 3 ) . Und über die Proselyten ist ein Bund gesagt. Wie gesagt ist: und die an meinem Bund festhalten (Jes. 5 6 , 4 ) . Über Israel ist Wohlgefallen gesagt. Wie gesagt ist: ihnen zum Wohlgefallen vor dem Herrn (2. Mose 2 8 , 3 8 ) . Und über die Proselyten ist Wohlgefallen gesagt. Wie gesagt ist: ihre Brandopfer und ihre Schlachtopfer sind ein Wohlgefallen auf meinem Altar (Jes. 5 6 , 7 ) . Über Israel ist Bewahrung gesagt. Wie gesagt ist: siehe, nicht schläft noch schlummert der Bewahrer Israels (Ps. 1 2 1 , 4 ) . Und über die Proselyten ist Bewahrung gesagt. Wie gesagt ist: der Herr bewahrt die Proselyten (Ps. 1 4 6 , 9 ) . Abraham hat sich selbst einen Proselyten genannt. Wie gesagt ist: ein Proselyt und Beisasse bin ich bei euch ( l . M o s e 2 3 , 4 ) . David hat sich selbst einen Proselyten genannt. Wie gesagt ist: ein Proselyt bin ich auf der Erde (Ps. 1 1 9 , 1 9 ) . Und (die Schrift) sagt: denn Proselyten sind wir vor dir und Beisassen wie alle unsere Väter; wie ein Schatten sind unsere Tage auf der Erde und ohne Hoffnung (1. Chronik 2 9 , 1 5 ) . Und (die Schrift) sagt: denn ein Proselyt bin ich bei dir, ein Beisasse wie alle meine Väter (Ps. 3 9 , 1 3 ) . Beliebt sind die Proselyten (bei Gott). Denn Abraham hat sich erst mit neunundneunzig Jahren beschnitten; denn wenn er sich mit zwanzig oder dreißig beschnitten hätte, könnte einer nur (in einem Alter von) weniger als zwanzig (Jahren) Proselyt werden. Darum hat der Erhabene mit ihm verweilt, bis er ihn neunundneunzig Jahre hat erreichen lassen. Damit nicht die Tür vor den kommenden Proselyten verschlossen sei, und um den Lohn (für die) Tage und Jahre zu geben, um zu mehren den Lohn derer, die seinen Willen tun. Um zu erfüllen, was gesagt ist: dem Herrn gefiel es wegen seiner Gerechtigkeit, die Thora groß und herrlich zu machen (Jes. 4 2 , 2 1 ) .

156

III. Das rabbinische Judentum

Und so findest du es bei den vier Abteilungen (in der messianischen Zeit), daß sie antworten und sagen vor dem, der sprach, und es wurde die Welt: dem Herrn gehöre ich (Jes. 44,5)! Wie gesagt ist: dieser wird sagen: dem Herrn gehöre ich. Und dieser wird sich mit dem Namen Jakobs nennen. Und dieser wird sich eigenhändig dem Herrn verschreiben. Und der wird sich mit dem Namen Israels bezeichnen (Jes. 44,5). Dem Herrn gehöre ich. Und Sünde soll sich nicht mit mir mischen! Und dieser wird sich mit dem Namen Jakobs nennen. Das sind die Ganzproselyten. Und dieser wird sich eigenhändig dem Herrn verschreiben. Das sind die Meister der Umkehr 6 . Und der wird sich mit dem Namen Israels bezeichnen. Das sind die Gottesfürchtigen. 1

Dieses W o r t bezeichnet den Proselyten und wird im folgenden entsprechend übersetzt.

2

Jes. 4 6 , 1 . E r neigt leicht zum Rückfall ins Heidentum. Die Israeliten. D i e Proselyten.

3 4 5 6

Die Bußfertigen. -

78. Proselyt und

Gottesfürchtiger

Jeruschalmi Megilla 74 a, 28—43: Ebenso hat Antoninus 1 einen Leuchter für eine Synagoge machen lassen. Rabbi (T. gest. um 217) hat (das) gehört und gesagt: gepriesen sei Gott, der es in sein Herz gegeben hat, einen Leuchter für eine Synagoge machen zu lassen! Rabbi Schemuel-bar-Rab-Jizchaq (P. um 300) hat gefragt: warum hat Rabbi gesagt: gepriesen sei Gott? (Er hätte sagen sollen:) gepriesen sei unser Gott! Wenn er gesagt hat: gepriesen sei Gott, besagt das, daß Antoninus nicht Proselyt geworden ist 2 . Wenn er gesagt hätte: gepriesen sei unser Gott, hätte das besagt, daß Antoninus Proselyt geworden sei. Es gibt Belege, daß Antoninus Proselyt geworden ist, und es gibt Belege, die besagen, daß Antoninus nicht Proselyt geworden ist. Man hat ihn am Versöhnungstag in schadhaftem Schuhwerk ausgehen sehen 3 . Was hörst du hieraus? Daß so auch Gottesfürchtige 4 ausgehen. Antoninus hat zu Rabbi gesagt: läßt du mich vom Levijathan 5 in der zukünftigen Welt essen? Er hat zu ihm gesagt: ja. Er hat zu ihm gesagt: vom Passalamm hast du mich nicht essen lassen, und vom Levijathan läßt du mich essen?! Er hat zu ihm gesagt: aber was sollen wir mit dir machen? Es steht über das (Passalamm) geschrieben: alles Unbeschnittene soll nicht davon essen (2.Mose 12,48)! Als er (das) von ihm so gehört hat, ist er gegangen und hat sich geschnitten6. Er ist (wieder) zu ihm gekommen (und) hat zu ihm gesagt: Rabbi, sieh meine Schnittstelle an 7 ! Er hat zu ihm gesagt: auf meine eigene habe ich mein Lebtag nicht geschaut, (nun) aber auf deine?! Und 8 warum wird sein ( = Rabbis) Name „unser heiliger Lehrer" genannt? Weil er sein Lebtag nicht auf seine Beschneidung geblickt hat. Und warum wird der Name Nachums (P. um 260) „allerheiligster Mann" genannt? Weil er sein Lebtag nicht auf das Bild einer Münze 9 geblickt hat.

Das religiöse Leben

157

Das (oben über die Beschneidung Gesagte) besagt, daß Antoninus Proselyt geworden ist. (Auch) die Worte der Rabbinen besagen, daß Antoninus Proselyt geworden ist. Denn Rabbi Chisqijja (P. um 350) (und) Rabbi Abbahu (P. um 300) haben im Namen von Rabbi Eleasar (P. um 270) gesagt: wenn die Ganzproselyten in der kommenden Zukunft (= messianische Zeit) kommen, kommt Antoninus an ihrer Spitze. 1 Hinter den zahlreichen Legenden um einen Caesar Antoninus, der Proselyt und ein Freund von Rabbi gewesen sein soll, verbirgt sich wohl eine Erinnerung an den Palästinabesuch Caracallas (211 -217) im Jahr 215. 2 Rabbi hätte sich sonst mit ihm in dem Bekenntnis zu „unserem" Gott zusammengefaßt. 3 Das war verboten, Antoninus also nicht Ganzproselyt. 4 Halbproselyten, was Antoninus war. 5 Speise der Gerechten. Vgl. Jes. 27,1. 6 Der Text verwendet hier nicht den Fachausdruck für die Beschneidung. Beachte die folgende Bitte von Antoninus und vgl. Gal. 5,12. 7 Antoninus will sich vergewissern, ob die Beschneidung richtig ausgeführt ist. 8 Dieser Absatz ist ein späterer Einschub. 9 Mit dem jeweiligen Caesar. Vgl. Mt. 22,20 f. ; M k . 12,16f.; Lk. 20,24f.

79. Der unbeschnittene Proselyt

(„Beisaßproselyt")

Babli Aboda sara 64 b: Wer ist ein Beisaßproselyt? Jeder, der es in der Gegenwart von drei Weisen auf sich genommen hat, daß er nicht im Götzendienst dient - Worte von Rabbi Meir (T.' um 150). Aber die Weisen sagen: jeder, der auf sich genommen hat die sieben Gebote, die die Söhne Noähs auf sich genommen haben 1 . Andere sagen: diese fallen nicht unter die Kategorie „Beisaßproselyt"! Sondern: wer ist ein Beisaßproselyt? Das ist der Proselyt, der nicht rituell Geschlachtetes ( = verbotene Speisen) ißt, der es auf sich genommen hat, alle Gebote, die in der Thora gesagt sind, zu erfüllen, außer dem Verbot (bezüglich) des nicht rituell Geschlachteten. 1

Siehe Text III. 61 Anm. 1.

g) Der Rabbi und der Patriarch Die wichtigste Tätigkeit eines Rabbi war es, eine umstrittene Sache des Kults, des Zivilrechts und des Strafrechts zu entscheiden (Text III. 81). Der Rabbi war der, der gefragt wurde und zu antworten hatte. N a c h d e m er eine Weile bei einem älteren Rabbi Schüler gewesen war, wurde er durch diesen ordiniert (Text III. 80). Eine erbliche Folge gab es nur im sogenannten Fürstenhaus. Sie betraf den Vorsitz des Patriarchen im höchsten Gericht und war keineswegs immer unumstritten (Text 111.80,86). Schon früh hatten sich Schulen gebildet, Kontroversen zwischen ihnen gehören zum klassischen Traditionsgut (Texte III. 8 2 - 8 5 ) . Wie der Rabbinenstand sich selbst im sozialen Gefüge Israels beurteilt hat, geht aus Text III. 8 7 hervor. E.Lohse 8 4 - 8 6 .

158

80.

III. Das rabbinische Judentum

Ordination

Jeruschalmi Sanhedrin 19 a,48—56: Rabbi Ba (P. um 2 9 0 ) hat gesagt: früher hat jeder einzelne (Lehrer) seine Schüler ordiniert. Etwa hat Rabban Jochanan-ben-Sakkai (T. gest. um 80) den Rabbi Elieser (T. um 90) und den Rabbi Jehoschua (T. um 90) ordiniert; und Rabbi Jehoschua den Rabbi Aqiba (T. gest. um 135); und Rabbi Aqiba den Rabbi Meir (T. um 150) und den Rabbi Schimeon (T. um 150). Er hat gesagt: Rabbi Meir habe den Vorsitz anfangs 1 ! Rabbi Schimeons Gesicht ist bleich geworden 2 . Rabbi Aqiba hat zu ihm gesagt: bei deinem Leben! Ich und dein Schöpfer bedenken deine M a c h t ! Man hat dann diesem ( = des Patriarchen) Haus Ehre erwiesen. Man hat gesagt: wenn ein Gerichtshaus ohne die Zustimmung des Patriarchen ordiniert, ist die Ordination keine Ordination; aber wenn der Patriarch ohne die Zustimmung des Gerichtshauses ordiniert, ist die Ordination eine Ordination. Wiederum ( = später) hat man festgesetzt: das Gerichtshaus ordiniert nur mit Zustimmung des Patriarchen, und der Patriarch ordiniert nur mit Zustimmung des Gerichtshauses. 1 2

81.

Rabbi Meir sollte zuerst den Vorsitz haben. Als Patriarch stand ihm die Ehre des Vorsitzes zu.

Vollmacht

Babli Sanhedrin 5 a: Was ist (mit der) Vollmacht (des Ordinierten)? Als Rabba-bar-Chana (B. um 2 2 5 ) (von Palästina) nach Babel hinabging, hat Rabbi Chijja (T. um 2 0 0 ) zu Rabbi (T. gest. um 2 1 7 ) gesagt: mein Brudersohn steigt nach Babel hinab. Darf er entscheiden? Er darf entscheiden. Darf er richten? Er darf richten. Darf er (fehlerhafte) Erstgeburten 1 (für profanen Gebrauch) erlauben? Er darf erlauben. 1

2 . Mose 1 3 , 1 2 ff.

82. Mehrheits- und

Einzelentscheidung

Mischna Edijoth 1,4—6: Und warum erwähnt man die Worte von Schammai (T. um 3 0 v.Chr.) und Hillel (T. um 2 0 v.Chr.) unnötig 1 ? Um die kommenden Generationen zu lehren, daß ein Mensch nicht auf seinen Worten beharren soll. Denn siehe: die Väter der W e l t 2 haben (auch) nicht auf ihren Worten beharrt. Und warum erwähnt man die Worte des Einzelnen gegen die Mehrheit, während doch die Entscheidung nur nach den Worten der Mehrheit (erfolgt)? Damit, wenn ein Gerichtshaus die Worte des Einzelnen (als richtig) ansieht, es sich auf ihn stützen kann. Denn ein Gerichtshaus kann die Worte eines anderen Gerichthauses nur aufheben, wenn es größer an Weisheit und Anzahl als jenes ist. Ist es größer als jenes an Weisheit aber nicht an Anzahl (oder) an Anzahl aber nicht an Weisheit, kann es die Worte von jenem nicht auf-

Das religiöse Leben

159

heben. (Nur) wenn es größer an Weisheit und Anzahl als jenes ist. Rabbi Jehuda (T. um 150) hat gesagt: wenn (das) so (ist), warum erwähnt man die Worte des Einzelnen gegen die Mehrheit unnötig? Damit, wenn ein Mensch sagt: ich habe es so empfangen, man zu ihm sage: nach den Worten jenes Mannes 3 hast du (es) gehört. 1 Vorweg wird von einem Fall berichtet, wo die Mehrheit der Gelehrten weder der angeführten Ansicht Schammais noch der Hillels zugestimmt haben. 2 Schammai und Hillel. 3 Der von der Mehrheit widerlegt wurde.

83. Eine

Lehrkontroverse

Babli Erubin 13 b: Die Rabbinen haben gelehrt: zweieinhalb Jahre sind Schammais (T. um 30 v.Chr.) Schule und Hillels (T. um 20 v.Chr.) Schule geteilter Meinung) gewesen. Die einen sagten: es wäre für den Menschen besser, wenn er nicht erschaffen wäre, als daß er erschaffen ist. Und die anderen sagten: es ist für den Menschen besser, daß er erschaffen ist, als wenn er nicht erschaffen wäre. Sie haben abgestimmt und beschlossen: es wäre für den Menschen besser, wenn er nicht erschaffen wäre, als daß er erschaffen ist. Jetzt, wo er erschaffen ist, soll er seine (zurückliegenden) Taten prüfen! Und einige sagen: er soll seine Taten (vorher) wägen! 84. Kontroverse und Beweis Babli Baba mezia 59 b: Es wird gelehrt: an jenem Tag hat Rabbi Elieser (T. um 90) alle Einwendungen der Welt vorgebracht, aber m a n 1 hat (sie) nicht von ihm angenommen. Er hat zu ihnen gesagt: daß die (umstrittene) Vorschrift wie meine (Ansicht) ist, wird dieser Johannisbrotbaum beweisen! Der Johannisbrotbaum hat sich von seinem Ort hundert Ellen fort entwurzelt. Und (andere) haben dazu gesagt: vierhundert Ellen. Man hat zu ihm gesagt: man bringt keinen Beweis von einem Johannisbrotbaum. Wiederum hat er zu ihnen gesagt: daß die (umstrittene) Vorschrift wie meine (Ansicht) ist, wird ein Wasserkanal beweisen! Der Wasserkanal hat seinen Lauf verändert. Man hat zu ihm gesagt: man bringt keinen Beweis von einem Wasserkanal. Wiederum hat er zu ihnen gesagt: daß die (umstrittene) Vorschrift wie meine (Ansicht) ist, werden die Wände des Lehrhauses beweisen. Die Wände des Lehrhauses haben sich geneigt, um einzustürzen. Da hat bei ihnen Rabbi Jehoschua (T. um 90) aufgeschrien und zu ihnen ( = den Wänden) gesagt: wenn Weisenschüler einer den anderen in einer (Diskussion über die geltende) Vorschrift besiegen, was wäre da euer Anteil?! Sie sind nicht eingestürzt wegen der Ehre von Rabbi Jehoschua, und sie haben sich nicht (wieder) aufgerichtet wegen der Ehre von Rabbi Elieser. Und noch immer stehen sie geneigt. Wiederum hat er zu ihnen gesagt: daß die (umstrittene) Vorschrift wie meine (Ansicht) ist, wird man vom Himmel her beweisen. Es ist eine Offenbarungsstimme ergangen und hat

160

III. Das rabbinische Judentum

gesagt: was habt ihr mit Rabbi Elieser? Eine (umstrittene) Vorschrift ist an jeder Stelle (der Thora) wie seine (Ansicht)! Rabbi Jehoschua ist auf seine Füße gesprungen und hat gesagt: nicht im Himmel ist sie 2 (5. Mose 30,12)! Was (bedeuten die Worte): nicht im Himmel ist sie? Rab Jirmja (P. um 320) hat gesagt: daß die Thora bereits vom Sinai gegeben worden ist. Wir kümmern uns nicht um eine Offenbarungsstimme, denn du ( = Gott) hast bereits am Berg Sinai in der Thora geschrieben: sich zur Mehrheit neigen (2. Mose 23,2). Rabbi Nathan (T. um 160) hat den (Propheten) Elia getroffen. Er hat zu ihm gesagt: was hat der Heilige, gepriesen sei er, in jener Stunde getan? Er hat zu ihm gesagt: er hat gelächelt und gesagt: meine Kinder haben mich besiegt, meine Kinder haben mich besiegt. 1 2

Die Mehrheit der Gelehrten. Die Thora.

85. Eine Kontroverse über die Endzeit Babli Sanhedrin 9 7 b / 9 8 a : Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: wenn die Israeliten Umkehr tun, werden sie erlöst werden, und wenn nicht, werden sie nicht erlöst werden. Rabbi Jehoschua (T. um 90) hat zu ihm gesagt: wenn sie nicht Umkehr tun, werden sie nicht erlöst werden?! Vielmehr läßt der Heilige, gepriesen sei er, ihnen einen König erstehen, dessen Beschlüsse schwer sind, wie Haman 1 , und (dann) werden die Israeliten Umkehr tun, und er wird sie zum Guten wenden. Ein anderer hat gelehrt: Rabbi Elieser sagt: wenn die Israeliten Umkehr tun, werden sie erlöst werden. Wie gesagt ist: kehrt zurück, Abtrünnige Söhne, ich will eure Abtrünnigkeit heilen (Jer. 3,22)! Rabbi Jehoschua hat zu ihm gesagt: aber ist nicht bereits gesagt: umsonst seid ihr verkauft worden, und nicht durch Silber werdet ihr erlöst werden (Jes. 52,3)? Umsonst seid ihr verkauft worden: durch den Götzendienst2. Und nicht durch Silber werdet ihr erlöst werden: nicht durch Umkehr und gute Werke. Rabbi Elieser hat zu Rabbi Jehoschua gesagt: aber ist nicht bereits gesagt: kehrt zurück zu mir, und ich werde zu euch zurückkehren (Mal. 3,7)! Rabbi Jehoschua hat zu ihm gesagt: aber ist nicht bereits gesagt: denn ich bin Herr über euch, und ich nehme euch, einen aus der Stadt und zwei aus der Familie, und ich bringe euch nach Zion (Jer. 3,14)? Rabbi Elieser hat zu ihm gesagt: aber ist nicht bereits gesagt: durch Rückkehr und Ruhe wird euch geholfen (Jes. 30,15)? Rabbi Jehoschua hat zu Rabbi Elieser gesagt: aber ist nicht bereits gesagt: so hat der Herr gesagt, der Erlöser Israels, sein Heiliger, zu dem, der tief verachtet, der den Heiden ein Abscheu ist, zu dem Knecht der Herrscher: Könige werden es sehen und aufstehen, Fürsten, und sie werden sich niederwerfen (Jes. 49,7)? Rabbi Elieser hat zu ihm gesagt: aber ist nicht bereits gesagt: wenn du zurückkehrst, Israel, - Ausspruch des Herrn — kehrst du zu mir zurück (Jer. 4,1)? Rabbi Jehoschua hat zu ihm gesagt: ist nicht bereits gesagt: und ich hörte den Mann, der mit Leinen bekleidet war, der oberhalb der

Das religiöse Leben

161

Stromwasser war und seine Rechte und seine Linke zum Himmel hob und bei dem ewig Lebendigen schwor: nach einer Zeit, Zeiten und einer halben, wenn vollendet ist die Macht des Zerstörens des heiligen Volks, wird sich dieses alles erfüllen (Dan. 12,7). Da hat Rabbi Elieser geschwiegen. > Esther 3. Dieser ist nichts wert.

2

86. Die

Versammlungsordnung

Thosephtha Sanhedrin VII, 8 - 9 (M. S. Zuckermandel 426): Wenn der Patriarch eintritt, erhebt sich das ganze Volk und setzt sich nicht, bis er zu ihnen sagt: setzt euch! Wenn der Gerichtspräsident eintritt, machen sie für ihn zwei Reihen hier und dort 1 , bis er eingetreten ist und sich auf seinen Platz gesetzt hat. Wenn der Weise 2 eintritt, erhebt sich einer, und einer setzt sich 3 , bis er eingetreten ist und sich auf seinen Platz gesetzt hat. Söhne der Weisen und Weisenschüler springen, wenn die Menge sie braucht, auch über die Köpfe des Volks 4 . Und auch wenn man sagt, es sei nicht lobenswert für den Weisenschüler, wenn er zuletzt eintritt, geht er zur (Verrichtung der) Notdurft hinaus, tritt (wieder) ein und setzt sich auf seinen Platz 4 . Söhne von Weisen und Weisenschüler wenden, wenn sie Verständnis zum Hören haben, ihr Gesicht zu ihrem Vater. Haben sie kein Verständnis zum Hören, wenden sie ihr Gesicht zum Volk. 1 2 3 4

Je eine links und rechts. Der führende Gelehrte. Beim Vorbeigehen erhebt man sich und setzt sich dann wieder. Ohne berücksichtigen zu müssen, daß dadurch die Gemeinde gestört wird.

87. Hochachtung

des

Rabbinenstandes

Babli Schabbath 23 b: Raba (B. gest. 352) hat gesagt: wer die Rabbinen liebt, wird als Söhne Rabbinen haben; wer die Rabbinen ehrt, wird als Schwiegersöhne Rabbinen haben; wer den Rabbinen Ehrfurcht erweist, wird selbst ein Eifriger von den Rabbinen sein. Aber wenn er (dafür) nicht alt genug ist, werden seine Worte gehört werden wie (die von einem) Eifrigen von den Rabbinen. h) Rabbinisches

Recht

Sofern die rabbinische Gerichtsbarkeit noch eigenständig war, w a r ihr Zentrum der große Gerichtshof, der zunächst im Tempel und nach dessen Zerstörung in der Küstenstadt Jabne tagte (Texte 111.88,89). Daneben gab es regionale Gerichtshäuser (Text III. 6 7 ) , die naturgemäß nur Fälle von geringerem Gewicht entschieden: der Instanzenweg (Revision!) w a r also gegeben (Text III. 9 0 ) . Die Eigenschaften der Richter und ihre Laufbahn wurden festgehalten (ebd.), und eine der entscheidenden Tätigkeiten scheint das Archivwesen zu betreffen (Text III. 9 0 Ende, vgl. T e x t III. 1 1 0 ) . N a c h der Zerstörung des Tempels gewannen die regionalen Gerichtshäuser und die 11

Kippenberg, Textbuch

162

III. Das rabbinische Judentum

Entscheidungsgewalt des einzelnen Rabbi an Bedeutung: nun war nicht mehr der zentrale Sitz in Jerusalem von entscheidender Bedeutung, sondern das Verhältnis von Fallschwere und Anzahl der Richter (Text III. 91). Daraus ergeben sich (anders als in Text III. 90) auch neue Kriterien für die richterliche Kompetenz (Text III. 92). Für das Neue Testament von Interesse sind die Abschnitte über die Todesstrafe (Texte III.93,96). In jedem Fall war man bestrebt, das Recht der Wahrheitsfindung zu wahren (Text III. 94). Ein Prozeß besonderer Art war gegeben, wenn die Anklage auf Gotteslästerung lautete, denn was dem Angeklagten zur Last gelegt werden konnte (das Aussprechen des Gottesnamens), sollte in der Zeugenaufnahme nicht erneut zum Tatbestand werden (Text III. 95). 88. Sitzordnung des großen

Gerichtshofs

ThosephthaSanhedrin VIII, l b (M.S.Zuckermandel427): Der große Gerichtshof war (angeordnet) wie das Halbrund einer Tenne, so daß die (Mitglieder) einander sehen konnten. Der Patriarch saß in der Mitte, und die Ältesten saßen zu seiner Rechten und seiner Linken. Rabbi Eleasar-be-Rabbi-Zadoq (T. um 150) hat gesagt: wenn Rabban Gamliel (T. um 90) in Jabne 1 den (Vor)sitz hatte, waren mein (Groß)vater und ein anderer zu seiner Rechten und die Ältesten zu seiner Linken. Und weshalb saß (noch) einer bei dem Ältesten zu seiner Rechten? Wegen der Ehre der Ältesten 2 . 1 2

Siehe Text III. l l A n m . 5. Vgl. zum ganzen Text noch Text III. 194.

89. Mitgliederzahl des großen

Gerichtshofs

Mischna Sanhedrin I,6a: Der große Gerichtshof ist aus einundsiebzig (Mitgliedern zusammengesetzt) und der kleine aus dreiundzwanzig. Woher für den großen, daß er aus einundsiebzig (Mitgliedern zusammengesetzt) ist? Wie gesagt ist: versammle mir siebzig Mann von den Altesten Israels (4. Mose 11,16)! Und Mose zu ihnen hinzu: siehe, einundsiebzig! Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: siebzig 1 . 1

Er meint, Mose sei in den erwähnten „siebzig" bereits mitgezählt.

90. Tätigkeit des großen

Gerichtshofs

Thosephtha Chagiga 11,9 (M.S.Zuckermandel 235): Rabbi Jose (T. um 150) hat gesagt: im Anfang war man nicht unterschiedlich (er Meinung) in Israel. Vielmehr 1 war das Gerichtshaus der Siebzig 2 in der Quaderhalle (des Tempels). Und die übrigen Gerichtshäuser der Dreiundzwanzig waren in den Städten des Landes Israel. Aber zwei Gerichtshäuser der Dreiundzwanzig waren in Jerusalem: einer an dem (Eingang zum) Tempelberg und einer an dem Vorhofeingang. Brauchte einer von den (Israeliten) eine Gesetzesentscheidung, ging er zu dem Gerichtshaus, das in seiner Stadt war. War kein Gerichtshaus in seiner

Das religiöse Leben

163

Stadt, ging er zu dem Gerichtshaus, das in der Nähe seiner Stadt war. Wenn die (in diesem Gerichtshaus etwas über seinen Fall) gehört hatten, haben sie (es) ihm gesagt. Wenn nicht, gingen er und der Vorsitzende unter ihnen zu dem Gerichtshaus, das an dem (Eingang zum) Tempelberg war. Wenn die (etwas über seinen Fall) gehört hatten, haben sie (es) ihnen gesagt. Wenn nicht, gingen sie und der Vorsitzende unter ihnen zu dem Gerichtshaus an dem Vorhofeingang. Wenn die (etwas über seinen Fall) gehört hatten, haben sie (es) ihnen gesagt. Aber wenn nicht, gingen diese und jene zu dem großen Gerichtshof in der Quaderhalle. Indem das einundsiebzig (Mitglieder) hatte, hatte es nie weniger als dreiundzwanzig (Anwesende) 3 . Mußte einer von ihnen hinausgehen, sah er (vorher umher): wenn dort dreiundzwanzig (anwesend) waren, ging er hinaus. Aber wenn nicht, ging er nicht hinaus, bis dort (wieder) dreiundzwanzig (anwesend) waren. Und dort saßen sie vom beständigen Morgenopfer bis zum beständigen Abendopfer 4 . An den Sabbaten und an den Festtagen betraten sie nicht (den Tempel), sondern (gingen) in das Lehrhaus, das auf dem Tempelberg war. Es wurde die Frage gefragt s . Wenn die (etwas über seinen Fall) gehört hatten, haben sie (es) ihnen gesagt. Aber wenn nicht, schritten sie zur Abstimmung. Erklärte die Mehrzahl (das Fragliche dieses Falles) für unrein, hat man (es) für unrein erklärt. Erklärte die Mehrzahl (es) für rein, hat man (es) für rein erklärt. Von hier ging die Gesetzesentscheidung aus und verbreitete sich in Israel ... 6 . Von hier schickte man (Beauftragte) und prüfte: jeden, der weise und geduldig und bescheiden war, der Sünde fürchtete und eine untadlige (Jugend)zeit (aufwies), und auf dem der Geist der Geschöpfe 7 ruhte, den machte man zum Richter in seiner Stadt. Man ließ (ihn) aufrücken und ließ ihn (im Gerichtshaus) auf dem Tempelberg sitzen. Von dort ließ man (ihn) aufrücken und ließ ihn (im Gerichtshaus) an dem Vorhofeingang sitzen. Und von dort ließ man (ihn) aufrücken und ließ ihn (im Gerichtshaus) in der Quaderhalle sitzen. Und dort saß man und prüfte die Abstammungen der Priesterschaft und die Abstammungen der Levitenschaft. Ein Priester, an dem ein (Abstammungs)makel gefunden wurde, kleidete sich schwarz und hüllte sich schwarz ein. Hatte er sich eingehüllt, ging er fort. An wem kein (Abstammungs)makel gefunden wurde, kleidete sich weiß und betrat (das Tempelinnere) und tat mit seinen Priesterbrüdern Dienst. 1 Im folgenden ist der Text verderbt überliefert. Die Übersetzung folgt einer Rekonstruktion durch die verschiedenen Parallelen. 2 Der große Gerichtshof. Wahrscheinlich ist hier „der Einundsiebzig" zu lesen. Vgl. das folgende und Text ΙΠ. 89. 3 Er behielt also immer wenigstens die Beschlußfähigkeit als kleines Gerichtshaus. 4 Zu diesen täglichen Opfern siehe Text III. 27. Der große Gerichtshof tagte demnach von 9 bis 16 Uhr. 5 Hier wird die vorherige Beschreibung des Instanzenwegs wieder aufgenommen.

164

ΠΙ. Das rabbinische Judentum

6 Es folgt hier ein Bericht über das Anwachsen der unterschiedlichen Meinungen in Israel, der in einen anderen Zusammenhang gehört. 7 Ein guter Ruf.

91.

Gerichtsfälle

Mischna Sanhedrin 1,1—5: Vermögensrechtsfälle durch drei 1 , Raub und (der Schadensersatz für) Körperverletzungen durch drei, Schaden(sersatz) 2 und halber Schaden(sersatz) 3 , doppelter Ersatz 4 und vier- und fünf(facher) Ersatz durch drei. Vergewaltigung und Verführung und Verbreitung eines bösen Namens 5 durch drei — Worte von Rabbi Meir (T. um 150). Aber die Weisen sagen: Verbreitung eines bösen Namens durch dreiundzwanzig, weil hierbei Lebensrechtsfälle 6 (berührt) sind. Geißelung 7 durch drei. Im Namen von Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) hat man gesagt: durch dreiundzwanzig. Die Einschaltung (eines Tages im) Monat durch drei und die Einschaltung (eines Monats im) Jahr 8 durch drei — Worte von Rabbi Meir. Rabban Schimeon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt: mit dreien beginnt man, und mit fünfen nimmt und gibt ( = verhandelt) man, und mit sieben entscheidet man. Aber wenn man durch drei (bereits einstimmig) beschlossen hat, ist die Einschaltung (gültig). Die Aufstützung der Ältesten 9 und das Genickbrechen des Kalbes 10 durch drei — Worte von Rabbi Schimeon (T. um 150). Aber Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: durch fünf. Das Schuhausziehen 11 und Verweigerungen 12 durch drei. Die Pflanzung des vierten (Jahrs) 13 und der zweite Zehnt 1 4 , dessen Wert nicht bekannt ist 1S , durch drei. Geheiligte Dinge ( = Tempelabgaben) durch drei und Schätzungen 16 von beweglichem Eigentum durch drei. Rabbi Jehuda sagt: einer von ihnen ist ein Priester. Aber bei unbeweglichem Eigentum (sind es) neun und ein Priester. Das gleiche (bei einem) Menschen 17 . Lebensrechtsfälle 18 durch dreiundzwanzig. Das beischlafende Tier und das beschlafene Tier 1 9 durch dreiundzwanzig. Wie gesagt ist: du sollst die Frau und das Vieh töten (3.Mose 20,16)! Und (die Schrift) sagt: und das Vieh sollt ihr töten (3. Mose 20,15)! Der gesteinigte Ochse 20 durch dreiundzwanzig. Wie gesagt ist: der Ochse soll gesteinigt werden, und auch sein Besitzer soll sterben (2.Mose21,29)! Wie derTod der Besitzer, so der Tod des Ochsen. Der 2 1 Wolf und der Löwe, der Bär und der Tiger und der Panther und die Schlange: ihr Tod (erfolgt) durch dreiundzwanzig. Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: wer sie zuerst tötet, hat Verdienst. Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: ihr Tod (erfolgt) durch dreiundzwanzig. Man richtet den Stamm 2 2 und den Lügenpropheten und den Hohepriester nur auf Grund eines Beschlusses des Gerichtshauses der einundsiebzig 23 .

Das religiöse Leben

165

Und man zieht zum freiwilligen Krieg 2 4 nur auf Grund eines Beschlusses des Gerichtshauses der einundsiebzig aus. Man fügt zur Stadt (Jerusalem) und zu den Tempelvorhöfen (Ländereien) nur auf Grund eines Beschlusses des Gerichtshauses der einundsiebzig hinzu. Man bildet Gerichtshöfe für die Stämme 2 5 nur auf Grund eines Beschlusses des Gerichtshauses der einundsiebzig. Man deklariert eine Stadt als abtrünnig 26 nur auf Grund eines Beschlusses des Gerichtshauses der einundsiebzig. Man deklariert keine Stadt an der Grenze 27 als abtrünnig und nicht drei (Städte); (wohl) aber deklariert man eine oder zwei 2 8 . Gemeint ist die Aburteilung durch drei Laienrichter. 2.Mose 2 2 , 3 . 6 - 8 . 3 2. Mose 2 1 , 3 5 f. 4 2. Mose 2 2 , 3 ; 2 1 , 3 7 . 5 Falsche Anschuldigung einer Frau. 5. Mose 2 2 , 1 3 ff. 6 Wenn die Anschuldigung sich als wahr erwies, konnte auf Todesstrafe erkannt werden. 5. Mose 2 2 , 2 1 . 7 Strafmaß für die Fälle, wo die Thora keine bestimmte Strafe nennt. 8 Da das Mondjahr nur 355 Tage hat, ist alle drei Jahre ein Schaltmonat erforderlich. 9 Auf das Sündopfer der Gemeinde (3. Mose 4 , 1 5 ) . Die späteren Gelehrten verstanden darunter die Ordination eines Schülers zum Rabbi durch Handauflegung. 1 0 Eine Zeremonie bei nicht aufgeklärtem Mord. 5. Mose 2 1 , 1 - 9 . 1 1 Zeremonie bei der Verweigerung des Eingehens der Schwagerehe. 5. Mose 2 5 , 5 - 1 0 . Siehe Text III. 135. 1 2 Die Weigerung einer Frau bei Erreichung der Volljährigkeit, die Ehe einzugehen, zu der sie während ihrer Minderjährigkeit verpflichtet wurde. 13 3.Mose 1 9 , 2 3 - 2 5 . 1 4 3.Mose 2 7 , 3 0 f . ; 5 . M o s e 1 4 , 2 2 - 2 6 . 1 5 Etwa, wenn die Früchte verfault sind. 1 6 3. Mose 2 7 , 2 - 2 7 . 1 7 Wenn man seinen Wert als Darbringung gelobt hat. 1 8 Bei diesen konnte auf Todesstrafe erkannt werden. 1 9 Die Ausdrücke bezeichnen die passive und aktive Sodomie. 2 0 2. Mose 2 1 , 2 8 - 3 2 . 2 1 Falls durch folgende Tiere ein Mensch getötet wurde. 2 2 Wenn er zum Götzendienst abgefallen ist. 2 3 Vgl. Text III. 8 8 - 9 0 . 2 4 Im Gegensatz zu einem von der Thora gebotenen Krieg. 2 5 Sie hatten 23 Mitglieder. 5. Mose 1 6 , 1 8 . 2 6 Wenn sie zum Götzendienst verführt wurde. 5. Mose 1 3 , 1 2 - 1 6 . 2 7 Wegen ihrer Bedeutung als Grenzstadt. 2 8 Es schließt sich jetzt Text III. 8 9 an. 1

2

92. Kompetenzen

der Richter

Mischna Nidda VI, 4: Jeder, der ersehen ist, Lebensrechtsfälle zu richten, ist ersehen, Vermögensrechtsfälle zu richten. Aber es gibt welche, die ersehen sind, Vermögensrechtsfälle zu richten, aber nicht ersehen sind, Lebensrechtsfälle zu richten.

166

III. Das rabbinische Judentum

Jeder, der tauglich ist zu richten, ist tauglich, als Zeuge aufzutreten. Aber es gibt welche, die tauglich sind, als Zeuge aufzutreten, aber nicht tauglich sind zu richten. 93. Die

Todesstrafe

Mischna Sanhedrin VII, 1: Vier Todesarten sind für das Gerichtshaus überliefert worden: Steinigung, Verbrennung, Enthauptung und Erdrosselung. Rabbi Schimeon (T. um 150) sagt: Verbrennung, Steinigung, Erdrosselung und Enthauptung. 94. Rechtsfindung

durch

Zeugen

Mischna Sanhedrin IV,5a: Wie schüchtert man die Zeugen bei Zeugenaussagen in Leben(srechtsfällen) ein 1 ? Man läßt sie eintreten und schüchtert sie (so) ein: vielleicht sagt ihr es aus Vermutung oder vom Hören(sagen), (vielleicht) ist es ein Zeugnis aus dem Mund eines (anderen) Zeugen oder aus dem Mund eines glaubwürdigen Menschen. Vielleicht wißt ihr nicht, daß wir euch schließlich untersuchen durch Ausforschung und Nachforschung. Wißt, daß die Lebensrechtsfälle nicht wie die Vermögensrechtsfälle sind! Bei Vermögensrechtsfällen kann ein Mensch Geld geben und sich Sühne schaffen 2 ; bei Lebensrechtsfällen haftet sein ( = des Hingerichteten) Blut und das Blut seiner Nachkommen an ihm ( = dem Falschzeugen) bis ans Ende der Welt. 1 2

Damit die Zeugen die Wahrheit sagen. Für eine falsche Zeugenaussage.

95. Verfahren bei

Gotteslästerung

Mischna Sanhedrin VII, 5: Der Gotteslästerer ist nur schuldig, wenn er den Namen (Gottes) ausgesprochen hat 1 . Rabbi Jehoschua-ben-Qorcha (T. um 150) hat gesagt: den ganzen Tag der Zeugenvernehmung (sagen die Zeugen den Gottesnamen nur) in einer Umschreibung. (Etwa:) Jose schlage den Jose 2 . Ist die Gerichtsverhandlung beendet worden, verhängt man die Todesstrafe nicht auf Grund der Umschreibung, sondern man schickt alle Menschen nach draußen. Man befragt den Ältesten unter ihnen ( = den Zeugen) und sagt zu ihm: sage, was du gehört hast, in (wörtlicher) Aussprache! Und er sagt es, und die Richter erheben sich und reißen (ihre Gewänder) ein und nähen (sie) nicht (wieder) zusammen. Und der zweite (Zeuge) sagt: auch ich (habe es) wie der (gehört). Und der dritte (Zeuge) sagt: auch ich (habe es) wie der (gehört) 3 . 1 Wenn er das Tetragramm als „Jahve" und nicht als „Adonai" ausgesprochen hat. Vgl. Text III. 15,27. 2 Wie es zu dieser Umschreibung des Tetragramms gekommen ist, ist nicht geklärt. 3 Diese beiden gebrauchen bei der letzten Vernehmung also auch nicht den Gottesnamen in wörtlicher Aussprache.

167

Das religiöse Leben

96.

Geltungsbereich

des Rechts und Meinungen

zur

Todesstrafe

Mischna Makkoth 1 , 1 0 b : Der Gerichtshof verfährt im Land (Israel) und im Ausland. Der Gerichtshof, der einmal in einem Siebenjahr ein Todesurteil verhängt, wird verderbenbringend genannt. Rabbi Eleasar-ben-Asarja (T. um 100) sagt: einmal in siebzig Jahren. Rabbi Tarphon (T. um 1 1 0 ) und Rabbi Aqiba (T. gest. um 1 3 5 ) sagen: wenn wir im Gerichtshof wären, würde ein Mensch niemals hingerichtet werden. Rabbi Schimeon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt: auch diese mehren das Blutvergießen in Israel. i) Feste und

Festgesetze

Wegen der zentralen Bedeutung des Tempels bis zu seiner Zerstörung im Jahr 70 wurden bis dahin auch Kalender und Charakter der jährlich wiederkehrenden Feste vom Tempel und der Wallfahrt dorthin (Text III. 31) geprägt. Die späteren rabbinischen Gelehrten versuchten auf mancherlei Weise, den Sinn des jeweiligen Festes unter den geänderten Umständen beizubehalten. Nicht jedes Fest eignete sich dazu, direkt in den Synagogengottesdienst übernommen zu werden, so daß der private Charakter, den die Tempelfeste im Anschluß an den offiziellen Teil im Tempel auch bereits hatten, mehr und mehr an Bedeutung gewann. Neujahrsfest und Versöhnungstag sind ernste Feste des Gerichts und der Sündenvergebung (Texte III. 97—98), das Passafest erinnert an die Befreiung aus Ägypten (Text III. 99,100), und das Wochenfest erfährt eine späte Deutung als „Offenbarungstag" (Text III. 101). Das Laubhüttenfest (Texte III. 102—103) hatte wohl schon immer mehr privaten als öffentlichen Charakter gehabt. Neben diesen Jahresfesten war der wichtigste Festtag der Woche der Sabbat, der, was auch von großer sozialen Bedeutung gewesen ist, die kontinuierliche Belastung des Menschen durch die Arbeit unterbrechen sollte. Er beginnt am Freitag mit der Abenddämmerung (Text III. 104) und dauert bis zur Abenddämmerung des Sonnabend. Arbeiten war an ihm verboten, wobei man schon sehr bald Haupt- und davon abgeleitete (ebenfalls verbotene) Nebenarbeiten unterschied (Text III. 105). Bei der Vielzahl möglicher Verrichtungen waren Übertretungen dieses Verbots nicht selten und oft als Problem Gegenstand der rabbinischen Diskussion (Text III. 106,107). Grundsätzlich jedoch hatte zu gelten, daß der Sabbat ein völlig anderer Tag als der Alltag sein sollte (Text III. 108,109). E.Lohse 1 1 2 - 1 1 5 ; P.Billerbeck II 5 9 7 - 6 0 2 (Wochenfest), Π Ι 1 7 5 - 1 8 5 (Versöhnungstag); IV 4 1 - 7 6 (Passafest). Text III. 31 und passim zum Sabbat.

9 7 . Das

774-812

(Laubhüttenfest);

Neujahrsfest

Thosephtha Rosch ha-schana 1 , 1 1 . 1 3 (M.S.Zuckermandel 2 0 9 f . ) : Am Jahresanfang gehen alle, die in die Welt gekommen sind, vor ihm ( = Gott) vorüber wie in einem Soldatentrupp 1 . Wie gesagt ist: der gebildet ihre Herzen zusammen usw. (Ps. 3 3 , 1 5 ) . Und (die Schrift) sagt: blast am Neumond den Schofar, am Vollmond zum Tag unseres Festes (Ps. 8 1 , 4 ) . Und (die Schrift) sagt: denn das ist die Satzung für Israel, das Recht vom Gott Jakobs (Ps. 8 1 , 5 ) .

168

III. Das rabbinische Judentum

Alle werden gerichtet am Jahresanfang, und ihr Urteil wird am Versöhnungstag versiegelt - Worte von Rabbi Meir (T. um 150). Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt im Namen von Rabbi Aqiba (T. gest. 135): alle werden gerichtet am Jahresanfang, und das Urteil von jedem einzelnen wird zu seiner Zeit versiegelt: am Passa über das Getreide, am Wochenfest über die Baumfrüchte und am (Laubhütten)fest über das Wasser; und das Urteil von jedem einzelnen (Menschen) wird am Versöhnungstag versiegelt. Rabbi Jose (T. um 150) sagt: der Mensch wird an jedem Tag gerichtet. Wie gesagt ist: und du suchst ihn jeden Morgen heim, prüfst ihn jeden Augenblick (Hi. 7,18). 1

Der Text wird hier unterschiedlich überliefert. Andere lesen: wie die Söhne des Herrn.

98. Der

Versöhnungstag

Mischna Joma V, 1—4: Man hat dem (Hohepriester) die große Schale 1 und die Kohlenpfanne hinausgebracht, und er hat seine zwei Handvoll (Weihrauch) genommen und hat (sie) in die große Schale gemäß ihrer Größe und in die kleine gemäß ihrer Größe getan, und so war ihr Maß. Er hat die Kohlenpfanne in seine Rechte und die große Schale in seine Linke genommen und ist in die Halle (des Tempels = in das Heilige) gegangen, bis er den Platz der zwei Vorhänge erreichte, die zwischen Heiligem und Allerheiligstem trennten, und zwischen ihnen war (ein) eine Elle (großer Zwischenraum). Rabbi Jose (T. um 150) sagt: dort war nur ein einziger Vorhang 2 . Wie gesagt ist: und es trenne der ( = ein) Vorhang euch zwischen Heiligem und Allerheiligstem (2.Mose 26,33). Der äußere (Vorhang) war von Süden her angeheftet und der innere (Vorhang) von Norden her. Er ging (in den Raum) zwischen ihnen, bis er die Nord(seite) erreichte. Hatte er die Nord(seite) erreicht, wandte er sein Gesicht nach Süden. Er ging — zu seiner Linken der Vorhang —, bis er den Schrein 3 erreichte. Hatte er den Schrein erreicht, setzte er die Kohlenpfanne zwischen die (Stelle der) zwei Tragestangen, warf das Räucherwerk auf die Kohlen, und das ganze Haus ( = das Allerheiligste) wurde von Rauch erfüllt. Er ist hinausgegangen, und (zwar) ist (er heraus)gekommen auf dem (gleichen) Weg, wie er betreten hatte. Und er hat ein kurzes Gebet im äußeren Haus ( = im Heiligen, in der Halle) gebetet. Und er stand nicht lange in seinem Gebet, damit Israel nicht verwirrt werde 4 . Seitdem der Schrein weggenommen war, war dort ein Stein — seit den Tagen der ersten Propheten —, und er wurde „Grundstein" genannt. (Seine) Höhe war drei Fingerbreiten von der Erde (aus), und auf ihn setzte er (die Kohlenpfanne). Er hat das Blut (des Sündopferfarrens) von dem genommen, der es umgerührt hat. Er ist (wieder in das Allerheiligste) eingetreten, an den Ort, an den er (vorher schon) getreten war, und hat sich an den Ort gestellt, an den er sich (vorher schon) gestellt hatte. Und er hat von dem (Sündopferblut) einmal nach oben und siebenmal nach unten verspritzt. Aber er hat nicht darauf

Das religiöse Leben

169

geachtet, (genau) zu verspritzen weder nach oben noch nach unten, sondern (er tat es) wie ein Geißelnder 5 . Und so pflegte er zu zählen: eins 6 , eins und eins, eins und zwei, eins und drei, eins und vier, eins und fünf, eins und sechs, eins und sieben. Er ist hinausgegangen und hat das (restliche Blut) auf ein goldenes Gestell gesetzt, das in der Halle ( = im Heiligen) war. Man hat ihm den (Sündopfer)bock gebracht. Er hat ihn geschlachtet und hat sein Blut in einer Schale aufgefangen. Er ist (wieder in das Allerheiligste) eingetreten, an den Ort, an den er (vorher schon) getreten war, und hat sich an den Ort gestellt, an den er sich (vorher schon) gestellt hatte. Und er hat von dem (Blut) einmal nach oben und siebenmal nach unten verspritzt. Aber er hat nicht darauf geachtet, (genau) zu verspritzen, sondern (er tat es) wie ein Geißelnder. Und so pflegte er zu zählen: eins, eins und eins, eins und zwei usw. Er ist hinausgegangen und hat das (restliche Blut) auf ein zweites goldenes Gestell gesetzt, das in der Halle war. 1

In ihr befand sich eine kleine Schale. Text III. 23. 3 Hierin befanden sich die Gesetzestafeln. 4 Man könnte denken, ihm sei im Allerheiligsten etwas zugestoßen. 5 Wie der Geißelnde sich auf die Zahl der Hiebe konzentrierte, hatte der Hohepriester sich ganz auf das Zählen zu konzentrieren. 6 Das bezeichnet das Verspritzen nach oben, das folgende zählt das Verspritzen nach unten. 2

99. Passaopfer im Tempel Mischna Pesachim V,5—10: Das Passa(opfer) ist in drei Abteilungen geschlachtet worden. Wie gesagt ist: und sie sollen es schlachten: die ganze Versammlung, die Gemeinde, Israel (2.Mose 12,6). Versammlung und Gemeinde und Israel! Die erste Abteilung ist eingetreten, der Tempelhof hat sich gefüllt, die Türen des Tempelhofs wurden geschlossen. Man hat einen kurzen und einen langen und einen kurzen Ton geblasen. Die Priester standen in Reihen, und es sind silberne Schalen und goldene Schalen in ihren Händen gewesen: eine Reihe war völlig Silber, und eine Reihe war völlig Gold, und die (Reihen) sind nicht gemischt gewesen. Und die Schalen haben keine Flachböden gehabt: vielleicht hätte man sie hingestellt, und das Blut wäre geronnen. Ein Israelit hat geschlachtet, und der Priester hat (das Blut) empfangen; er hat es seinem Genossen gegeben und sein Genösse (wiederum) seinem Genossen, und (jeder) hat eine gefüllte (Schale) empfangen und eine leere zurückgegeben. Der Priester, der zunächst dem Altar (stand), hat es verspritzt (in) einem Verspritzen gegen das (Altar-) fundament. Die erste Abteilung ist hinausgegangen, und die zweite Abteilung ist eingetreten. Die zweite (Abteilung) ist hinausgegangen, die dritte (Abteilung) ist eingetreten. Wie das Verfahren der ersten, so das Verfahren der zweiten und dritten. Sie haben (dann) das Loblied 1 gesungen. Wenn sie es (vor Ende der Opferzeremonie) beendet hatten, haben sie es ein zweites Mal (gesungen), und wenn sie es ein zweites Mal (vor Ende der Opferzeremonie beendet hatten), haben sie es ein drittes Mal (gesungen). Trotz (dieser Vor-

170

III. Das rabbinische Judentum

schrift) haben sie es zu ihren Tagen nie ein drittes Mal (gesungen). Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: zu den Tagen der dritten Abteilung haben sie nie (den Abschnitt) erreicht: ich liebe, denn gehört hat der Herr (Ps. 1 1 6 , l ) 2 . Weil ihr(e) Volk(sschar) gering war. Wie das Verfahren am Wochentag, so das Verfahren am Sabbat, nur daß die Priester den Tempelhof gespült haben, was nicht im Willen der Weisen (lag). Rabbi Jehuda sagt: einen Becher voll von vermischtem Blut 3 haben sie (in) einem Verspritzen auf den Altar verspritzt. Aber die Weisen haben ihm nicht zugestimmt. Wie hängte man (die Opfer) auf und häutete (sie)? Eisenhaken sind an den Wänden und an den Säulen befestigt gewesen; an die hängte man (die Opfer) auf und häutete (sie). Jeder, der keinen Platz zum Aufhängen und Häuten gehabt hat, (für den) sind dort dünne, blanke Stäbe gewesen, die er auf seine Schulter und auf die Schulter seines Genossen legte, und (auf die) hängte er auf und häutete. Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: ist der vierzehnte 4 auf einen Sabbat gefallen, legte er seine Hand 5 auf die Schulter seines Genossen und die Hand seines Genossen auf seine (eigene) Schulter und hängte auf und häutete. Man hat (das Opfertier) aufgeschlitzt, hat seine (inneren) Teile herausgenommen, hat (sie) in eine Schüssel getan und sie auf dem Altar geräuchert. Die 6 erste Abteilung ist hinausgegangen und hat sich auf dem Tempelberg gesetzt, die zweite am Vorhofeingang und die dritte an ihrer Stelle. Trat die Dunkelheit ein, sind sie hinausgegangen und haben (zu Hause) ihr Passa(opfer) gebraten. 1

Ps. 1 1 3 - 1 1 8 (das „Hallel").

2

Etwa die Mitte des Loblieds. V o m Fußboden. Am 14. Nisan wurde das Passalamm geschlachtet. An Stelle der Stäbe, deren Tragen am Sabbat verboten war.

3 4 5

Das folgende gilt für den Sabbat, an dem das Opfer nicht nach Haus gebracht werden durfte. Der Sabbat endete mit Eintreten der Dunkelheit. 6

100. Die häusliche Passafeier Mischna Pesachim X , 1—8 a: Am Abend (vor) den Passafesten nahe dem Nachmittagsgebet esse man nichts (mehr), bis es dunkel wird. Und auch der Ärmste in Israel esse nichts (mehr), bis er sich (zu Tisch) gelegt hat 1 . Man gebe dem (Armen) nicht weniger als vier Becher Wein, auch wenn es aus der Armenschüssel ist. Man ( = der Tischdiener) mischt dem (Teilnehmer der Passafeier) den ersten Becher 2 . Schammais (T. um 30 v.Chr.) Schule sagt: er sagt (jetzt) die Segnung über den Tag, und danach sagt er die Segnung über den Wein. Und Hilleis (T. um 2 0 v.Chr.) Schule sagt: er sagt (jetzt) die Segnung über den Wein, und danach sagt er die Segnung über den Tag. Man setzt ihm (Grünkräuter und Lattich vor, und) er taucht den Lattich (, um ihn zu essen,) ein, bis er zur Beispeise beim Brot gelangt. Man setzt ihm Ungesäuertes, Lattich, Fruchtmus und zweierlei Gekochtes vor, obwohl das Fruchtmus kein Gebot (der Schrift) ist. Rabbi Eleasar-barZadoq (T. um 100) sagt: es ist ein Gebot (der Schrift).

Das religiöse Leben

171

Und im Heiligtum (d.h. als es bestand) hat man ihm das Passaopfer selbst vorgesetzt. Man mischt ihm den zweiten Becher. Und hier (ist der Zeitpunkt), wo der Sohn seinen Vater fragt — und wenn der Sohn das noch nicht versteht, lehrt ihn sein Vater (die Fragen) —: was unterscheidet diese Nacht von allen (übrigen) Nächten? Denn in allen (übrigen) Nächten essen wir Gesäuertes und Ungesäuertes, in dieser Nacht allein Ungesäuertes; in allen (übrigen) Nächten essen wir (auch) die übrigen Grünkräuter, in dieser Nacht Bitterkraut; in allen (übrigen) Nächten essen wir das Fleisch (auch) gebraten, geschmort oder gekocht, in dieser Nacht (nur) gebraten; in allen (übrigen) Nächten tauchen wir einmal (nämlich bei der Vorspeise) ein, in dieser Nacht zweimal (auch bei der Hauptspeise) ? Und entsprechend dem Verständnis des Sohns belehrt ihn (dann) sein Vater; er fängt (dabei) bei der Schande (Israels, z.B. der Sklaverei in Ägypten) an und beschließt mit dem Lob (Israels, d.h. seiner Erlösung). Und zwar trägt er (den Abschnitt 5.Mose 26,5—11) von (dem Vers) „ein Aramäer wollte meinen Vorfahr vernichten (5.Mose 25,5)" bis zum Ende des ganzen Abschnitts vor. Rabban Gamliel (T. um 90) pflegte zu sagen: jeder, der nicht diese drei Worte beim Passa (während der Feier) gesagt hat, hat seine Pflicht nicht erfüllt, und das sind die (drei): Passa (wörtlich: Vorübergehen), Ungesäuertes und Bitterkraut. Passa, weil der Erhabene an den Häusern unserer Väter in Ägypten vorübergegangen ist 3 ; Ungesäuertes, weil unsere Väter in Ägypten erlöst worden sind 4 ; Bitterkraut, weil die Ägypter das Leben unserer Väter in Ägypten bitter gemacht haben 5 . In jeder Generation ist der Mensch verpflichtet, sich zu betrachten, als ob er selbst aus Ägypten herausgezogen wäre. Wie gesagt ist: und du sollst an jenem Tag (der Passafeier) deinem Sohn folgendes erzählen: wegen dessen, was der Herr mir getan hat, als ich aus Ägypten herausgezogen bin (2. Mose 13,8). Deshalb sind wir verpflichtet, dem zu danken, ihn zu loben, zu ehren, zu preisen, zu erheben, zu verherrlichen, zu segnen, zu erhöhen und zu lobpreisen, der unseren Vätern und uns all diese Wunder getan hat: er hat uns aus der Knechtschaft zur Freiheit herausgeführt, aus dem Kummer zur Freude, aus der Traurigkeit zum Festtag, aus der Dunkelheit zum großen Licht, aus der Unterdrückung zur Erlösung, und wir wollen vor ihm sagen: preist den Herrn (Ps. 113,1) 6 . Bis wohin sagt man (das Hallel-Gebet nach dem Ende der Belehrung vor Beginn des Hauptgerichts)? Schammais Schule sagt: bis (zu dem Vers) „die Mutter der Kinder freut sich (Ps. 113,9)". Und Hillels Schule sagt: bis (zu dem Vers) „den Kiesel in eine Wasserquelle (Ps. 114,8)", und man beschließt mit (einem Satz über Gottes) Erlösung. Rabbi Tarphon (T. um 100) sagt: (man sagt „gepriesen sei der,) der uns erlöst und unsere Väter aus Ägypten erlöst hat", und man beschließt nicht (mit einem Lobspruch) 1 . Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: (man sagt „gepriesen sei der, der uns erlöst und unsere Väter aus Ägypten erlöst hat;) so möge der Herr, unser Gott und Gott unserer Väter uns andere Festtage und Feiertage, die uns entgegenkommen, in Frieden

172

III. Das rabbinische Judentum

erreichen lassen, in Freude über den Bau deiner ( = Gottes) Stadt, voll Jubel in deinem Dienst; und dort werden wir Schlachtopfer und Passaopfer essen usw." bis „Gepriesen seist du, Herr, der Israel erlöst hat" 8 . (Die Festgesellschaft wäscht die Hände und sagt den dazugehörigen Segensspruch. Der Hausvater oder der Beauftragte der Festgesellschaft nimmt das ungesäuerte Brot, sagt den dazugehörigen Segensspruch, bricht nach dem „Amen" der Festgesellschaft das Brot und teilt jedem ein Stück zu. Sobald jeder sein Stück erhalten hat, ißt der Hausvater als erster sein Stück Brot; danach essen die anderen ihr Stück Brot. Damit ist die eigentliche Mahlzeit eröffnet.) Man mischt ihm den dritten Becher, und er sagt den Segensspruch über seine Mahlzeit 9 . (Man mischt ihm) den vierten (Becher), er beendet über ihm das (vorhin begonnene Gebet des) Hallel und sagt über dem (Becher) den Segensspruch über das Lied ( = über das Hallel) 1 0 . Zwischen jenen Bechern darf man (zusätzlich Wein) trinken, wenn man will; zwischen dem dritten und vierten (Becher) darf man nicht (zusätzlich Wein) trinken 11 . Man läßt der Passafeier kein (weltliches) Jubellied 12 folgen 13 . Die sonst übliche Vorspeise soll nur direkt vor dem Hauptgericht eingenommen werden. Normalerweise bestand der Inhalt der Becher aus einer Mischung von einem Teil Wein und zwei Teilen Wasser. 3 Vgl. 2. Mose 1 2 , 2 7 . 4 Die Erlösung erfolgte in so großer Eile, daß kein gesäuertes Brot mehr zubereitet werden konnte. Vgl. 2. Mose 1 2 , 3 9 . 5 Vgl. 2. Mose 1 , 1 4 . 6 Der Vers ist der Beginn des großen Hallel-Gebets, das Ps. 113 bis 118 umfaßt. 7 Der Lobspruch lautet: gepriesen seist du, Herr, der Israel erlöst hat. 8 Die jetzt folgenden Einzelheiten des Feierablaufs werden in der Mischna als bekannt vorausgesetzt und nicht mitgeteilt. Die wichtigsten Vorgänge werden oben in Klammern aufgezählt. 9 Dieser Becher wird auch der „Segensbecher" genannt, weil über ihm der Tischsegen, das Dankgebet für die Speisen gesprochen wird. Vgl. l . K o r . 1 0 , 1 6 . 1 0 Hier sind zwei Fassungen möglich. Die eine beginnt mit „Es rühmen dich Herr, unser Gott, über alles deine Werke und deine Frommen usw.". Die andere beginnt mit „Die Seele alles Lebendigen preise deinen Namen, Herr, unser Gott usw.". 1 1 Man soll nicht betrunken in das Hallel nach dem dritten Becher einstimmen. 1 2 Die traditionelle Erklärung dieses Worts als „Nachtisch" ist sicher nicht richtig. 1 3 Die Passafeier mußte dann bis Mitternacht beendet sein. 1

2

101. Das

Wochenfest

Babli Pesachim 68 b: Rabbi Eleasar (P. um 270) hat gesagt: alle stimmen überein, daß man sich am Wochenfest auch für sich freuen soll. Was ist der Grund? Es ist der Tag, an dem die Thora gegeben worden ist 1 . 1 Das Wochenfest wurde 5 0 Tage nach dem Passafest gefeiert (entspr. Pfingsten nach Ostern). Ursprünglich war es ein Dankfest nach beendeter Ernte.

Das religiöse Leben

173

102. Die Laubhütte Mischna Sukka 1,1: Eine Laubhütte, deren Höhe mehr als zwanzig Ellen beträgt, ist untauglich. Aber Rabbi Jehuda (T. um 150) erklärt sie für tauglich. Aber wenn ihre Höhe nicht zehn Handbreit beträgt und sie keine drei Wände hat und sie mehr Sonne als Schatten hat, ist sie untauglich.

103. Freude am Laubhüttenfest

'

Mischna Sukka V, 1—4: Das Flötenspiel (dauert) fünf oder sechs Tage. Das ist das Flötenspiel des Wasserschöpfplatzes das weder den Sabbat noch den Festtag verdrängt 2 . Wer nicht die Freude am Wasserschöpfplatz gesehen hat, hat zu seinen Lebzeiten nie eine Freude gesehen. Am Ausgang des ersten Festtages des (Laubhütten)festes ist man in den Frauenvorhof hinabgegangen und hat dort große Vorbereitungen getroffen. Goldene Leuchter sind dort gewesen, und an ihren Enden sind vier goldene Schalen gewesen. Jeder einzelne hat vier Leitern gehabt, und vier Jünglinge von der Priesterjugend haben in ihren Händen Krüge für hundertzwanzig Log ( ö l ) gehabt, (deren Inhalt) sie in jede einzelne Schale gefüllt haben. Von den abgetragenen Beinkleidern der Priester und von ihren Gürteln hat man Dochte gemacht und hat sie angezündet. Und es ist kein Hof in Jerusalem gewesen, der nicht vom Licht des Wasserschöpfplatzes erleuchtet gewesen ist. Die Frommen und die Männer der T a t haben vor ihnen 3 mit Fackeln in ihren Händen getanzt und vor ihnen Lieder und Lobgesänge gesungen. Und die Leviten (haben) ohne Zahl auf Zithern und Harfen, Zimbeln und Trompeten und allen (möglichen) Musikinstrumenten (gespielt) auf den fünfzehn Stufen, die vom Vorhof Israels zum Frauenvorhof hinabführten — entsprechend den fünfzehn Stufenliedern im Psalter 4 . Auf ihnen standen die Leviten mit Musikinstrumenten und sangen Lieder. Und zwei Priester haben am oberen Tor, das vom Vorhof Israels zum Frauenvorhof hinabführte, gestanden, und zwei Trompeten waren in ihren Händen. Hatte der Hahn gekräht, haben sie einen kurzen und einen langen und einen kurzen Ton geblasen. Hatten sie die zehnte Stufe erreicht, haben sie einen kurzen und einen langen und einen kurzen Ton geblasen. Hatten sie den Vorhof erreicht, haben sie einen kurzen und einen langen und einen kurzen Ton geblasen. Sie haben weiter geblasen, bis sie das T o r erreichten, das nach Osten hinausführte. Hatten sie das Tor, das nach Osten hinausführte, erreicht, haben sie ihre Gesichter von Osten nach Westen gewendet und haben gesagt: unsere Väter, die an dieser Stelle gewesen sind, haben ihren Rücken zum Tempel und ihr Gesicht ostwärts (gekehrt) und haben sich ostwärts zur Sonne hin niedergeworfen 5 . Aber wir: zum Herrn unsere Augen! Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: sie haben es wiederholt und gesagt: wir zum Herrn und zum Herrn unsere Augen! 1 2 3

Der Ort, wo das Wasser für die am Festtag darzubringenden Wasseropfer geschöpft wurde. Es fand also nur an Halbfesttagen statt. 4 Ps. 1 2 0 - 1 3 4 . 5 Ez. 8 , 1 6 . Vor den Zuschauern.

174 104.

III. Das rabbinische Judentum

Sabbatbeginn

Mischna Schabbath II, 7a: Drei Dinge muß ein Mensch in seinem Haus (am) Abend (vor) Sabbat bei Dunkelheit sagen: habt ihr den Zehnten abgesondert? Habt ihr den „Erub" 1 bereitet? Zündet das Licht an! 1 Speisen oder Getränke, durch deren Niederlegung das Gebiet, in dem die Sabbatverbote (ζ. B. das Tragen von Gegenständen) gelten, erweitert wird.

105. Am Sabbat verbotene

Arbeiten

Mischna Schabbath VII, 1 - 2 : Man hat eine große Allgemeinregel für den Sabbat gesagt: jeder, der den Grundsatz des Sabbat vergessen und mehrere Arbeiten an mehreren Sabbaten getan hat, ist nur ein Sündopfer schuldig. Wußte er den Grundsatz des Sabbat und hat mehrere Arbeiten an mehreren Sabbaten getan, ist er für jeden einzelnen Sabbat schuldig. Wußte er, daß es Sabbat ist, und hat mehrere Arbeiten an mehreren Sabbaten getan, ist er für jede einzelne Hauptarbeit schuldig. Hat er mehrere Arbeiten aus (der Gruppe) einer (Haupt)arbeit getan, ist er nur ein Sündopfer schuldig. Die Hauptarbeiten 1 sind vierzig weniger eine: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.

säen und pflügen und ernten und (Garben) aufstellen und dreschen und worfeln, aussortieren, mahlen und sieben und kneten und backen; Wolle scheren, sie bleichen und sie ausschütteln und sie färben und spinnen und anbringen 2 und zwei Maschen machen und zwei Fäden weben und zwei Fäden trennen, verknoten und (einen Knoten) lösen und zwei Nähte nähen und aufreißen, um zwei Nähte zu nähen;

Das religiöse Leben

25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38.

175

eine Gazelle fangen, sie schlachten und sie abziehen, sie salzen und ihr Fell bearbeiten und es abschaben und es zerschneiden, zwei Buchstaben schreiben und abschaben, um zwei Buchstaben zu schreiben; bauen und niederreißen; löschen und anzünden; mit dem Hammer schlagen 3 ;

39. von einem Gebiet in ein (anderes) Gebiet hinaustragen. Siehe, das sind die vierzig weniger eine Hauptarbeiten. 1 Die folgende Liste führt die Arbeiten der hauptsächlichen Produkte auf: Brot (Nr. 1—11), Kleidung (Nr. 12-24), Schriftstücke (Nr. 25-33). Anschließend (Nr. 34-39) folgen noch andere wichtige Arbeiten. Die Arbeiten Nr. 32-33 sind fälschlich oft ohne Bezug zu den vorherigen Arbeiten Nr. 2 5 - 3 1 verstanden worden. 2 Der Fäden an den Webstuhl. 3 D. h. den letzten Hammerschlag (ζ. B. bei einem Hausbau) ausführen.

106. Der Sabbatweg Mischna Erubin IV, 8: Wenn (einer, der nahe dem Sabbatbeginn unterwegs ist,) ... sagt „mein Sabbatsitz 1 ist an meinem (jetzigen) Ort", erwirbt ihm sein (so gewählter) Ort zweitausend Ellen (ca. 880m) nach jeder Himmelsrichtung im Kreis 2 — Worte von Rabbi Chanina-ben-Antignos (T. um 150). Und die Weisen sagen: im Viereck, wie eine viereckige Tafel, damit er die Winkel (noch dazu) gewinne. 1

Die Stelle, an der man die Sabbatruhe einhalten will. Innerhalb dieses Bereichs darf man sich dann am Sabbat frei bewegen. Vgl. 2 . M o s e 2 1 , 1 3 ; 4. Mose 35,5. 2

107.

Sabbatübertretungen

Thosephtha Moed qatan II, 14—16 (M.S.Zuckermandel 231): Man sitzt am Sabbat auf einer Heidenbank. Im Anfang hat man gesagt: man sitzt am Sabbat nicht auf einer Heidenbank Es geschah bei Rabban Gamliel (T. um 200), der in Akko am Sabbat auf einer Heidenbank gesessen hat. Man hat zu ihm gesagt: es ist hier nicht üblich, am Sabbat auf einer Heidenbank zu sitzen! Er hat ihnen nicht sagen wollen, sie hätten Erlaubnis (dazu), sondern ist aufgestanden und gegangen 2 .

176

III. Das rabbinische Judentum

Es geschah bei Jehuda und Hillel, den Söhnen von Rabban Gamliel (beide P. um 2 5 0 ) , die in Kabul 3 eingetreten sind, um zu baden. Man hat zu ihnen gesagt: es ist hier nicht üblich, daß zwei Brüder zusammen baden 4 ! Aber sie haben ihnen nicht sagen wollen, sie hätten Erlaubnis (dazu), sondern sind eingetreten und haben nacheinander gebadet. Wiederum geschah es bei Jehuda und Hillel, den Söhnen von Rabban Gamliel, die in Biri 5 am Sabbat in Schlappen ausgegangen sind 6 . Man hat zu ihnen gesagt: es ist hier nicht üblich, am Sabbat in Schlappen auszugehen! Aber sie haben ihnen nicht sagen wollen, sie hätten Erlaubnis (dazu), sondern haben sie ihren Dienern gegeben. 1 Einige Sabbatverbote wurden regional unterschiedlich gehandhabt. Das hier ausgesprochene Verbot hat seinen Grund darin, daß die Heiden auf einer Bank Handel trieben. 2 W o ein Verbot allgemein in Geltung war, sollte der einzelne Gelehrte keine Erlaubnis erteilen. 3

Ort in Galiläa.

Wegen der damit verbundenen Schamverletzung. 5 Ort in Obergaliläa. 6 Das war generell erlaubt, in Biri aber verboten, weil die Schlappen leicht vom Fuß abgleiten konnten und man sie aufhob, was verboten war. 4

108.

Sabbat und

Alltag

Babli Schabbath 113 ab: Und du ihn ehrst, deine Wege nicht zu gehen (Jes. 5 8 , 1 3 ) . Und du ihn ehrst. Daß dein Sabbatkleid nicht wie dein Alltagskleid sei . . . Deine Wege nicht zu gehen. Daß dein Sabbatweg nicht wie dein Alltagsweg sei. Deinem Geschäft nicht nachzugehen (Jes. 5 8 , 1 3 ) . Deine Geschäfte sind verboten, Geschäfte des Himmels 1 sind erlaubt. Und nicht Worte zu reden (Jes. 5 8 , 1 3 ) . Daß deine Sabbatrede nicht wie deine Alltagsrede sei. Reden ist verboten, Nachdenken ist erlaubt. 1

109.

Religiöse Angelegenheiten.

Sabbatfreude

Babli Schabbath 118 ab: Rabbi Jochanan (P. gest. 2 7 9 ) hat im Namen von Rabbi Jose (P. um 2 2 0 ) gesagt: jedem, der den Sabbat in Freude feiert, gibt man ( = Gott) ein grenzenloses Erbteil. Wie gesagt ist: dann wirst du Freude am Herrn haben, und ich werde dich auf den Höhen des Landes einherfahren lassen und dich das Erbteil deines Vaters Jakob genießen lassen usw. (Jes. 5 8 , 1 4 ) . Nicht wie (das Erbteil) Abrahams, über das geschrieben steht: mach dich auf, geh in dem Land umher nach seiner Länge (und nach seiner Breite) usw. ( l . M o s e 1 3 , 1 7 ) . Und nicht wie (das Erbteil) Isaaks, über das geschrieben steht: dir und deinem Samen werde ich all diese Länder geben ( l . M o s e 2 6 , 3 ) . Sondern wie (das Erbteil) Jakobs, über das geschrieben steht: du wirst dich (ohne Begrenzung) ausbreiten nach Westen und Osten, nach Norden und Süden (1. Mose 2 8 , 1 4 ) .

177

Das Leben des Einzelnen

Rab Nachman-bar-Jizchaq (B. gest. 356) hat gesagt: (jeder, der den Sabbat in Freude feiert,) wird vor der Knechtschaft der Herrschaften ( = Weltreiche) gerettet. Es steht hier geschrieben: und ich werde dich auf den Höhen des Landes einherfahren lassen (Jes. 5 8 , 1 4 ) . Und es steht dort geschrieben: und du wirst auf ihre Höhen treten (5. Mose 3 3 , 2 9 ) . Rab Jehuda (B. gest. 299) hat gesagt, Rab (B. gest. 2 4 7 ) habe gesagt: jedem, der den Sabbat in Freude feiert, gibt man ( = Gott) die (Erfüllung der) Wünsche seines Herzens. Wie gesagt ist: und du wirst an dem Herrn deine Freude haben, und er wird dir die (Erfüllung der) Wünsche deines Herzens geben (Ps. 3 7 , 4 ) . Ich weiß nicht, was (hier der Ausdruck) „Freude" bedeutet. Indem (aber) gesagt ist „und du den Sabbat Freude nennst (Jes. 5 8 , 1 3 ) " , ist zu sagen: das ist die Sabbatfreude. Wodurch macht man den (Sabbat) zur Freude? Rab Jehuda-birja-de-RabSchemuel-bar-Schelath (B. um 300) hat im Namen von Rab gesagt: durch eine Mangoldspeise, große Fische und Knoblauchspitzen. 3. Das Leben des a) Abstammung,

Geburt,

Einzelnen

Beschneidung,

Erziehung

Die Abstammung war für jeden von lebensbestimmender Bedeutung, weil viele Gebote und Verbote nur für eine bestimmte Klasse galten (Text III. 110). Aus diesem Grund wurde (wohl schon seit langer Zeit) über die Abstammung der einzelnen Familien genau Buch geführt (Texte III. 1 1 1 , 1 1 2 ) . Die Geburt eines Menschen und die Zeit der Schwangerschaft reizte zu philosophisch-anthropologischen Überlegungen (Text III. 113). Die bei Jungen vorgeschriebene Beschneidung (Text III. 114) wird getreu der Schrift als Bundeszeichen begriffen (Text III. 115) und hat darum zentrale Bedeutung für den Glauben (Text III. 116). Auf die Erziehung der Kinder (besonders der Jungen) wurde von den Rabbinen großer Wert gelegt, wobei die einzelnen Erziehungsstufen vom Wissens- und Erkenntnisvermögen des Kindes abhängig gemacht werden (Text III. 117). Die Bedeutung der Erziehung für das spätere Leben konnte auch in grundsätzlichen Regeln (Text III. 118), das ganze Leben schließlich in seinen einzelnen Stufen in weisheitlicher Gedankenführung und Sprache erfaßt werden (Text III. 119).

110.

Abstammungsklassen

Mischna Qidduschin IV, 1—5: Zehn Familienklassen sind (aus dem Exil) von Babylon heraufgestiegen 1 : Priester, Leviten, (freie) Israeliten, Entweihte 2 , Fremdlinge 3 und Freigelassene, Hurenkinder, „Nethinim" 4 , Verschwiegene 5 und Findlinge. Priester, Leviten und Israeliten dürfen untereinander heiraten, und Leviten, Israeliten, Entweihte, Fremdlinge und Freigelassene dürfen untereinander heiraten. Fremdlinge und Freigelassene, Hurenkinder und „Nethinim", Verschwiegene und Findlinge: sie alle dürfen untereinander heiraten. Und diese sind Verschwiegene: jeder, der seine Mutter, aber nicht seinen Vater kennt. Findlinge: jeder, der auf der Straße gefunden worden ist und 12

Kippenberg, Textbuch

III. Das rabbinische Judentum

178

weder seinen Vater noch seine Mutter kennt. Abba Schaul (T. um 150) nannte den Verschwiegenen „Untersuchter" 6 . Alle, die nicht in die Gemeinde (Israel) kommen dürfen, dürfen untereinander heiraten. Aber Rabbi Jehuda (T. um 150) verbietet es. Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: Zweifellose 7 mit Zweifellosen dürfen es; Zweifellose mit Zweifelhaften 8 und Zweifelhafte mit Zweifellosen und Zweifelhafte mit Zweifelhaften dürfen es nicht. Und jenes sind die Zweifelhaften: Verschwiegene und Findlinge und Samaritaner. Wer eine Priestertochter zur Frau nimmt, ist genötigt, hinter ihr vier Mütter(generationen) zu untersuchen, die (aus) acht (Müttern) bestehen: ihre Mutter und die Mutter ihrer Mutter und die Mutter des Vaters ihrer Mutter und deren Mutter und die Mutter ihres Vaters und deren Mutter und die Mutter des Vaters ihres Vaters und deren Mutter. (Bei einer) Levitin und (bei einer) Israelitin fügt man noch eine zu ihnen hinzu 9 . Man untersucht nicht: weder vom Altar weiter (zurück) 1 0 noch von der Estrade weiter (zurück) 1 1 noch vom großen Gerichtshof weiter (zurück). Und jeder, dessen Vorfahren als Gemeindebeamte und Almoseneinnehmer beschäftigt gewesen sind, verheiratet (seine Tochter) an (jemanden aus der) Priesterschaft, und es ist nicht nötig, hinter ihm zu untersuchen 1 2 . Rabbi Jose (T. um 150) sagt: (das gilt) auch (für den), der als Zeuge bei dem Ältestengericht von Sepphoris eingesiegelt ( = anerkannt) war. Rabbi Chanina-benAntignos (T. um 150) sagt: (das gilt) auch (für den), der im Heer des Königs eingeschrieben w a r 1 3 . 1

Esra 2 .

2

Kinder eines Priesters und einer ihm verbotenen Frau.

Z u m Judentum übergetretene Heiden, Proselyten. Siehe III 2 f . 4 Nachkommen der Gibeoniten, die nach J o s u a 9 , 3 f f . bestimmte Tempelarbeiten zu verrichten hatten. 5 Wird unten erklärt. 6 Weil seine Mutter durch Befragung nach dem Vater untersucht worden ist. 7 Bei ihnen· besteht kein Zweifel an der Makelhaftigkeit der Abstammung. 8 Bei ihnen besteht Zweifel an der Makelhaftigkeit der Abstammung. 9 M a n untersucht noch eine Generation weiter, weil bei ihnen sich eher ein Abstammungsmakel einschleichen konnte als bei der regelmäßig überprüften Abstammung einer Priestergeneration. 3

1 0 Hat ein Vorfahr dort Dienst verrichtet, ist er hinreichend legitimiert. Entsprechendes gilt für Estrade und großen Gerichtshof. 1 1 Auf der östlich vom Altar gelegenen Estrade trugen die Leviten den Tempelgesang vor. 1 2 Die Herkunft der beiden Beamten ist bei ihrer Einstellung bereits hinreichend geprüft worden. 1 3 Es schließen sich weitere Heiratsbeschränkungen an.

111.

Stammbücher

Jeruschalmi Thaanith 68 a, 52—57: Rabbi Levi (P. um 300) hat gesagt: man hat eine Abstammungsrolle in Jerusalem gefunden, und in ihr stand geschrieben: Hillel (T. um 2 0 v.Chr.) von

Das Leben des Einzelnen

179

(der Nachkommenschaft) Davids, Ben-Jezeph von (der Nachkommenschaft) Asaphs 1 , Ben-Zizith-ha-Kassath von (der Nachkommenschaft) Abners 2 , Ben-Qobisin von (der Nachkommenschaft) Ahabs 3 , Ben-Kalba-Schebua (um 70) von (der Nachkommenschaft) Kalebs 4 , Rabbi Jannai (P. um 225) von (der Nachkommenschaft) Elis 5 , Ben-Jehuda aus Sepphoris 6 , Rabbi Chijja der Ältere (T. um 200) von den Söhnen des Schephatja-ben-Abital 7 , Rabbi Josebe-Rabbi-Chalaphtha (T. um 150) von den Söhnen des Jonadab-ben-Rekab 8 , Rabbi Nechemja (T. um 150) von Nehemia dem Statthalter 9 . 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Esra 2 , 4 1 ; 3 , 1 0 u. ö. 1.Sam. 1 4 , 5 1 ; 1 7 , 5 5 u.ö. l . K g . 1 6 , 2 8 f f . u.ö. 1.Chr. 2 , 1 8 f f . 42ff. u.ö. 1.Sam. 1—4; 14,3 u.ö. Der Text dieser Stelle ist verderbt, die Übersetzung ein Notbehelf. Ein Sohn Davids. 2. Sam. 3 , 4 . 2. Kg. 1 0 , 1 5 . Neh. 8 , 9 ; 10,2.

112. Abstammung zweier

Gelehrter

Babli Kethubboth 62 b: Rabbi (T. gest. um 217) hat sich (mit der Verheiratung) seines Sohns mit (einer Tochter von) Rabbi Chijja (T. um 200) beschäftigt 1 . Als er dabei gewesen ist, die Hochzeitsurkunde zu schreiben, ist die Seele des Mädchens zur Ruhe gekommen ( = starb sie). Rabbi hat gesagt: Gott behüte, ist etwa ein Makel dagewesen 2 ?! Man hat gesessen und hat die Familien studiert: Rabbi ist von Schephatja-ben-Abital 3 hergekommen, und Rabbi Chijja ist von Schimea, dem Bruder Davids, hergekommen 4 . 1 Dieser Text widerspricht dem vorherigen in der Angabe über die Abstammung von Rabbi Chijja dem Älteren. 2 Dieser Abstammungsmakel hätte möglicherweise den Tod des Mädchens verursacht. 3 Ein Sohn Davids. 2. Sam. 3 , 4 . 4 2.Sam. 1 3 , 3 .

113. Bildung menschlichen

Lebens

Babli Nidda 3 1 a : Die Rabbinen haben gelehrt: drei Partner sind es bei (der Erschaffung des) Menschen: der Heilige, gepriesen sei er, sein Vater und seine Mutter. Sein Vater sät das Weiße, von dem Knochen, Sehnen, Nägel, das Hirn in seinem Kopf und das Weiße im Auge sind. Seine Mutter sät das Rote, von dem Haut, Fleisch, Haare und das Schwarze im Auge sind. Und der Heilige, gepriesen sei er, gibt in ihn Geist, Seele, Gesichtsform, Sehen des Auges, Hören des Ohres, Reden des Mundes, Gehen der Füße, Einsicht und Verstand. Und wenn seine Zeit gekommen ist, die Welt zu verlassen, nimmt der Heilige, gepriesen sei er, seinen Teil, aber den Teil seines Vaters und seiner Mutter läßt er ihnen.

180

ΠΙ. Das rabbinische Judentum

114. Vorgänge der

Beschneidung

Mischna Schabbath X I X , 2 a : Man tut alles zur Beschneidung Nötige (auch) am Sabbat: man beschneidet (die Vorhaut), man legt (die Eichel) frei, man saugt (das Blut ab), und man legt auf die (Wunde) ein Pflaster und Kümmel. 115. Die

Beschneidungsliturgie

ThosephthaBerakoth VII, 12-13 (M.S.Zuckermandel 16): Der Beschneider benötigt einen Segensspruch für sich selbst. Er spricht: der 1 uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns die Beschneidung geboten hat! Der Vater des Sohns benötigt einen Segensspruch für sich selbst: gepriesen (seist du), der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns geboten hat, den (Jungen) in den Bund unserers Vaters Abraham eintreten zu lassen! Und die Umherstehenden sprechen: wie er in den Bund eingetreten ist, so möge er in (das Studium der) Thora und unter den Traubaldachin treten! Der den Segen spricht, spricht: der den Liebling von Mutterleib an geheiligt hat, ein Gesetz an sein Fleisch gesetzt hat, der seine Nachfolger mit dem Zeichen des heiligen Bundes versiegelt hat! Darum, wegen dieser Verdiensthandlung, lebendiger Gott, unser Anteil, unser Schöpfer, gebiete, die Lieblinge unseres Fleisches vor der Hölle zu retten! Um des Bundes willen, der an unser Fleisch gesetzt ist! Gepriesen sei der, der den Bund Schloß! 1

Vorweg geht die Einleitung: Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, d e r . . .

116. Lobpreis der

Beschneidung

Mischna Nedarim I I I , I I b : Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) sagt: groß ist die Beschneidung, denn ihretwegen sind dreizehn Bünde geschlossen worden 1 . Rabbi Jose (T. um 150) sagt: groß ist die Beschneidung, denn sie verdrängt (das) strenge Sabbat(gebot) 2 . Rabbi Jehoschua-ben-Qorcha (T. um 150) sagt: groß ist die Beschneidung, denn ihretwegen wurde Mose dem Gerechten nicht eine Stunde Aufschub gewährt 3 . Rabbi Nechemja (T. um 150) sagt: groß ist die Beschneidung, denn sie verdrängt (das) Aussatz (gebot) 4 . Rabbi (T. gest. um 217) sagt: groß ist die Beschneidung, denn bei allen Geboten, die unser Vater Abraham getan hat, ist er nicht „vollkommen" genannt worden, bis er sich beschnitten hat. Wie gesagt ist: gehe vor mir und sei vollkommen (1. Mose 17,1)! Eine andere Auslegung. Groß ist die Beschneidung, denn wenn sie nicht wäre, hätte der Heilige, gepriesen sei er, nicht seine Welt erschaffen. Wie gesagt ist: so hat der Herr gesagt: wenn nicht mein Bund5 bei Tag und bei Nacht, hätte ich die Gesetze von Himmel und Erde nicht gesetzt (Jer. 33,25). 1

In dem Abschnitt über die Beschneidung l . M o s e l 7 kommt das W o r t „Bund" dreizehnmal vor.

181

Das Leben des Einzelnen 2 3 4 5

Text III. 114. Weil er seinen Sohn nicht gleich beschnitt, geriet er in Lebensgefahr. 2. Mose 4,24ff. Der Aussatz (3. Mose 13) darf nur bei der Beschneidung entfernt werden. Die Beschneidung.

117.

Erziehungsstufen

Thosephtha Chagiga 1,2-3 (M. S. Zuckermandel 232): Der Unmündige 1 , der seine Mutter nicht (mehr) nötig hat 2 , ist verpflichtet zu(m Aufenthalt in) der Laubhütte 3 . Weiß er zu schütteln, ist er verpflichtet zum (Schütteln des) Feststrauß(es) 4 . Weiß er, sich zu verhüllen, ist er verpflichtet zu den Schaufäden (des Gebetsmantels) s . Weiß er, (das Gebot der) Gebetsriemen zu beachten, kauft ihm sein Vater Gebetsriemen 6 . Weiß er zu reden, lehrt ihn sein Vater das „Höre" 7 , die Thora und die heilige Sprache. Wenn nicht, wäre es besser für ihn, wenn er nicht in die Welt gekommen wäre. Weiß er zu Schächten, ist seine Schächtung gültig. Weiß er, seine Mantelfalte auszubreiten, gibt man ihm Anteil (an der Hebe 8) in der Tenne. Hat er Wissen, seinen Zweifel 9 zu erfragen, ist er im privaten Bereich unrein, im öffentlichen Bereich rein. Weiß er, seinen Körper (rein) zu halten, ißt man reine Dinge, an (die) sein Körper (gerührt hat). (Weiß er,) seine Hände (rein) zu halten, ißt man reine Dinge, an (die) seine Hände (gerührt haben). Wie prüft man ihn? Man taucht ihn (in das Tauchbad), und man gibt ihm Profanes an Stelle der H e b e . . . Kann er Getreide (so groß) wie eine Olive essen, hält man sich vier Ellen (ca. 2 m) von seinem Kot und dem Wasser seiner Füße ( = Urin) fern. Gebratenes (so groß) wie eine Olive, schächtet man für ihn das Passa. Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: für immer schächtet man für ihn das Passa nur, wenn er weiß, Speise(n) zu unterscheiden. Und was ist jenes Unterscheiden von Speise(n)? Alles, was man ihm gibt: ein Ei, und er behält es, einen Stein, und er wirft ihn fort. Ein Mädchen, das zwei (Scham)haare beibringt, ist zu jedem Gebot verpflichtet, das in der Thora gesagt ist: entweder vollzieht sie das Schuhausziehen 10 , oder sie geht die Schwagerehe ein. Und ebenso ist ein Junge, der zwei (Scham)haare beibringt, zu jedem Gebot verpflichtet, das in der Thora gesagt ist. Ist sein Bart ( = Schamhaare?) voll geworden, ist er ersehen, als Bote der Gemeinde ( = Vorbeter) vor die Lade zu treten und seine Hände (zum Segen) zu erheben. Und (ab wann) im Heiligtum? Von dem (Zeitpunkt), da er zwei (Scham)haare beibringt. Rabbi (T. gest. um 217) sagt: ich sage: wenn er zwanzig geworden ist. Wie gesagt ist: und sie bestellten die Leviten von zwanzig Jahren und darüber (Esra 3,8). 1 2

Ein Junge bis zum vollendeten 13. Lebensjahr. 3 Der entwöhnt ist. 3. Mose 2 3 , 4 2 f.

4

3. Mose 23,40.

182

III. Das rabbinische Judentum

5

4.Mose 15,38—41;5.Mose22,12.

6

2.Mose 13,16; 5.Mose 6,8; 11,18.

Das tägliche Gebet bestehend aus 5 . M o s e 6 , 4 - 9 ; leitenden und abschließenden Segenssprüchen. 7

11,13-21;

4 . Mose 1 5 , 3 7 - 4 1 ,

ein-

4. Mose 1 8 , 1 1 f. Uber Berührung unreiner Dinge. Zeremonie bei Verweigerung des Eingehens der Schwagerehe. 5 . Mose 2 5 , 5 - 1 1 .

8 9 10

118.

Erziehungspflichten

Thosephtha Qidduschin 1,11 b (M.S.Zuckermandel 3 3 6 ) : Welches ist jenes Gebot des Vaters gegenüber dem Sohn? Er ist verpflichtet, ihn zu beschneiden, ihn freizukaufen \ ihn die Thora zu lehren, ihn ein Handwerk zu lehren und ihm eine Frau zu besorgen. Und manche sagen: auch ihn im Fluß schwimmen (lernen) lassen. Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: jeder, der seinen Sohn nicht ein Handwerk lehrt, wird ihn das Räuberhandwerk lehren 2 . 1 2

Wenn es der erstgeborene Sohn ist. 2. Mose 1 3 , 1 3 ; 3 4 , 2 0 . Es schließt sich T e x t III. 1 4 2 an.

119. Die

Lebensalter

Pirqe Aboth V , 2 4 : Jehuda-ben-Thema (T. um?) sagt: . . . mit fünf Jahren zur Schrift, mit zehn zur Mischna 1 , mit dreizehn zur Gebotserfüllung, mit fünfzehn zur G e m a r a 2 , mit achtzehn zum Traubaldachin, mit zwanzig zum Streben (nach Lebensunterhalt), mit dreißig zur (vollen Lebens)kraft, mit vierzig zum Verstand, mit fünfzig zum Rat, mit sechzig zum (reifen) Alter, mit siebzig zum Grauhaar, mit achtzig zur Stärke 3 , mit neunzig zum Gebeugtsein, mit hundert gleichsam tot, fortgegangen und aus der Welt genommen. 1 Das traditionelle, von Rabbi (T. gest. um 2 1 7 ) Tradition. 2 3

redigierte Rechtswerk; allgemein: die

Die sich an die Mischna anschließenden Traditionen. Daß er dann noch lebt, ist Beweis für seine Lebenskraft.

b) Verlobung, Hochzeit, Ehescheidung,

Schwagerehe

Bei den rabbinischen Traditionen zum Thema „Ehe" fällt die Genauigkeit auf, mit der alle möglichen Rechtslagen erfaßt werden. Indem die Ehe der Frau sozialen Schutz gab, mußten Eheversprechen, Eheschließung, Ehescheidung und Schwagerehe möglichst präzise geregelt werden. Die Verlobung hatte als Eheversprechen rechtlich fast die gleiche Bedeutung wie die Eheschließung (Texte III. 1 2 0 , 121). Verlobung und Eheschließung sind darum eng verbunden (Texte 111.122,123). Die Braut brachte eine Aussteuer in die Ehe ein, deren Mindestmaß genau festgelegt wurde (Text III. 124). Allgemein scheint man bei all diesen Regelungen in Judäa strenger gewesen zu sein als in Galiläa (Text III. 125). Bei der Hochschätzung der Abstammung (Texte III. 1 1 0 - 1 1 2 ) verwundert es nicht, wenn großer Wert auf eine standesgemäße Heirat gelegt wurde (Text III. 126). Die Hochzeitsfeier dauerte längstens

D a s Leben des Einzelnen

183

sieben Tage (Text III. 127). Die Ehe hatte vor allem das Ziel, die Nachkommenschaft zu sichern, weshalb auch die sexuelle Enthaltsamkeit nur in Ausnahmefällen erlaubt wurde (Text III. 128). Ausgesprochen genaue Vorschriften gab es für die Ehescheidung; denn durch sie wurde die Frau sozial schutzlos; man begrenzte darum genau die Möglichkeiten, um die Eheschließung nicht der Willkür des Ehemannes zu überlassen (Texte III. 1 3 0 - 1 3 3 ) . Die Wiederverheiratung des Mannes beim Tod seiner Ehefrau galt als selbstverständlich (Text III. 134), während die sozial geforderte Wiederverheiratung der Frau beim Tod ihres Ehemannes (5.Mose 25,5—11) nicht immer ohne Schwierigkeiten erfolgte (Text III. 135). Die sozialen Schwierigkeiten wurden bei mehrfacher Wiederverheiratung besonders deutlich (Text III. 136).

120.

Verlobungsweise

Mischna Qidduschin 1,1: Die Frau wird (zur Ehe) auf drei Weisen erworben, und sie erwirbt (wieder die Freiheit für) sich selbst auf zwei Weisen. Sie wird erworben durch Geld und durch eine Urkunde ( = Ehevertrag) und durch Beischlaf. Durch Geld. Schammais (T. um 30 v.Chr.) Schule sagt: durch einen Denar 1 oder durch etwas dem Denar Gleichwertiges. Aber Hillels (T. um 20 v.Chr.) Schule sagt: durch eine „Peruta" 2 oder durch etwas der „Peruta" Gleichwertiges. Und wieviel ist jene „Peruta" (wert) ? Ein Achtel vom italischen A s 3 . Und sie erwirbt sich selbst durch einen Scheidebrief und durch den Tod des Ehemannes. 1 2 3

121.

Römische Silbermünze. Kleinste jüdische Kupfermünze. Mittelgroße römische Kupfermünze ( = Vie Denar).

Verlobungsformeln

Thosephtha Qidduschin 1,1—3 (M.S.Zuckermandel 334): Die 1 Frau wird (zur Ehe) auf drei Weisen erworben; sie erwirbt (wieder die Freiheit für) sich selbst auf zwei Weisen. Sie wird erworben durch Geld und durch eine Urkunde ( = Ehevertrag) und durch Beischlaf. Wie durch Geld? Hat der (Mann) ihr Geld oder etwas dem Geld Gleichwertiges gegeben, und hat er zu ihr gesagt: siehe, du bist mir angeheiligt; siehe, du bist mir verlobt; siehe du bist mir zur Ehefrau geworden — ist sie, siehe, angeheiligt. Hat aber die (Frau) ihm Geld oder etwas dem Geld Gleichwertiges gegeben, und hat sie zu ihm gesagt: siehe, ich bin dir angeheiligt; siehe, ich bin dir verlobt; siehe, ich bin dir zur Ehefrau geworden — ist sie nicht angeheiligt. Durch eine Urkunde. Ist es nötig, daß man sagt: durch eine Urkunde, die einer „Peruta" 2 gleichwertig ist, ist sie angeheiligt? Wird sie denn nicht angeheiligt durch jede Sache, die einer „Peruta" gleichwertig ist? Vielmehr (ist richtig): auch wenn der (Mann die Verlobungsformel) auf eine Scherbe geschrieben und ihr gegeben hat, auf eine untaugliche Urkunde und ihr gegeben hat, ist sie, siehe, angeheiligt.

III. Das rabbinische Judentum

184

Durch Beischlaf. (Bei) jedem Beischlaf, der zum Ziel die Anheiligung hat 3 , ist sie, siehe, angeheiligt. Aber hat er nicht die Anheiligung zum Ziel, ist sie nicht angeheiligt. 1 2 3

122.

Dieser Text ist ein Kommentar zu Text III. 120. Kleinste jüdische Kupfermünze. Bei dem eine Verlobungsformel gesprochen ist.

Verlobungssegen

und

Hochzeitssegen

Babli Kethubboth 7 b / 8 a : Die Rabbinen haben gelehrt: man spricht den Hochzeitssegen im Haus des Bräutigams. Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: den (gleichen Segen) spricht man auch (schon) im Verlobungshaus. Abaje (B. gest. 3 3 8 / 3 9 ) hat gesagt: in Judäa haben sie das gelehrt, weil der (Bräutigam) sich (dort) mit ihr abgesondert hat 1 . Ein anderer hat gelehrt: man spricht den Hochzeitssegen im Haus des Bräutigams und den Verlobungssegen im Verlobungshaus. Was spricht man als Verlobungssegen? Rabin-bar-Rab-Ada und Rabbabar-Rab-Ada (beide B. um 350) haben beide im Namen von Rab Jehuda (B. gest. 299) gesagt: gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gebote geheiligt hat und uns über die Unzucht ein Gebot gegeben hat und uns die Verlobten (zum Beischlaf) verboten hat, aber uns die durch Traubaldachin und Anheiligung Angetrauten (zum Beischlaf) erlaubt hat... Die Rabbinen haben gelehrt: man spricht den Hochzeitssegen bei (Anwesenheit von) zehn (Personen) die ganzen sieben (Tage der Feier). Rab Jehuda hat gesagt: das (nur), wenn neue Gäste gekommen sind. Was spricht man? Rab Jehuda hat gesagt: gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der alles zu seiner Ehre erschaffen hat und den Menschen gebildet hat; der den Menschen in seinem Ebenbild, im Ebenbild seiner Gestalt gebildet hat; der von ihm ein Bauwerk für alle Ewigkeit errichtet h a t 2 ! Gepriesen seist du, Herr, der den Menschen gebildet hat! Freuen wird sich die Unfruchtbare und jauchzen in Freude beim Sammeln der Kinder in ihrer Mitte. Gepriesen seist du, Herr, der Zion durch seine Kinder erfreut! Erfreue die Liebenden, wie du vordem deine Geschöpfe im Garten Eden erfreut hast! Gepriesen seist du, Herr, der Bräutigam und Braut erfreut! Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der erschaffen hat Frohsein und Freude, Bräutigam und Braut, Jauchzen, Gesang, Lust, Fröhlichkeit, Liebe und Eintracht, Frieden und Freundschaft! Morgen, Herr, unser Gott, sollen in den Städten Judas und in den Straßen Jerusalems der Ruf des Frohsinns und der Ruf der Freude, der Ruf des Bräutigams und der Ruf der Braut, der Jubelruf der Bräutigame unter ihrem Traubaldachin und der Jünglinge beim Gastmahl gehört werden. Gepriesen seist du, Herr, der den Bräutigam mit der Braut erfreut. 1

Siehe Text III. 123.

2

Gemeint ist Eva.

Das Leben des Einzelnen

185

123. Liebe vor der Ehe Jeruschalmi Kethubboth 25 c,24—34: Im Anfang hat m a n 1 eine Religionsverfolgung über Juda beschlossen, denn sie haben eine Überlieferung von ihren Vätern gehabt, daß J u d a 2 den Esau 3 töten würde. Denn es steht geschrieben: deine ( = Judas) Hand sei am Rücken deiner Feinde (1.Mose 49,8). Und sie sind gekommen und haben sie geknechtet und haben ihre Töchter vergewaltigt. Und sie haben beschlossen, daß der (jeweilige römische) Befehlshaber (einem jüdischen Mädchen) zuerst beischlafe. M a n 4 hat angeordnet, daß ihr (Verlobter) Ehemann (zum Beischlaf) auf sie kommen solle, solange sie noch im Haus ihres Vaters sei 5 . Denn weil sie (dann) wisse, daß die Furcht ihres Ehemanns auf ihr sei, werde sie noch zu ihm hingezogen. Ergab sich (aber) nicht endlich (doch) allenthalben, daß sie vom Befehlshaber beschlafen wurde? Eine Vergewaltigte wurde sie 6 , und als Vergewaltigte war sie (hinterher) ihrem Haus 7 (zum Beischlaf) erlaubt. Was haben die Priesterfrauen getan 8 ? Sie haben sich versteckt. Und es haben sich (daraufhin) auch die Töchter Israels versteckt. Das Gerücht (davon) hat sich verbreitet, und die (römische) Regierung hat (davon) gehört, und diese und jene 9 gerieten in Bestürzung. Was für ein Zeichen haben die (Römer) gehabt? Das Gerücht (von der Anwesenheit) eines Bäckers in einer Stadt (zeigte an): es war dort ein Festmahl. Das Licht der Leuchte in Beror Chajil 1 0 : es war (dort) eine Beschneidungsfeier. Obwohl die Religionsverfolgung (später) aufhörte, hat der Brauch nicht aufgehört 1 1 . 1

2 Die Römer. Der Sohn Jakobs. Esau galt dem rabbinischen Judentum als Ahnherr Roms. 4 Die jüdischen Gelehrten. 5 Die Verlobte blieb bis zur Eheschließung im Haus ihres Vaters. 6 Weil der (verlobte) Ehemann sie bereits beschlafen hatte, konnte der Beischlaf mit dem römischen Befehlshaber als Vergewaltigung gelten. 7 Dem Ehemann. 8 Sie waren nach einer Vergewaltigung ihren Männern verboten. 9 Priesterfrauen und Töchter Israels. 10 Ein Ort in der Nähe von Jabne. 11 Der freizügige Verkehr unter Verlobten hat sich also erhalten. 3

124. Mindestmaß

der Aussteuer

Mischna Kethubboth VI, 5: Wer seine Tochter stillschweigend 1 verheiratet, gebe ihr nicht weniger als fünfzig „Sus" 2 . Hat der Bräutigam vereinbart, er werde sie nackt nehmen, sage er nicht: wenn ich dich in mein Haus genommen habe, kleide ich dich in Gewänder. Vielmehr kleide er sie noch im Haus ihres Vaters. Und ebenso gebe, wer eine Waise verheiratet, ihr nicht weniger als fünfzig „Sus". Wenn (aber genug) in der Kasse ist, stattet man sie nach ihrer Ehre ( = Stand) aus. 1

Ohne Vereinbarung über die Höhe der Mitgift.

2

Das entspricht etwa 50 Silberdenaren.

186

III. Das rabbinische Judentum

125. Judäische und galiläische

Hochzeitssitten

Thosephtha Kethubboth I,4a (M.S.Zuckermandel 261): Rabbi Jehuda (T. um 150) hat gesagt: in Judäa hat man im Anfang den Bräutigam und die Braut eine Stunde 1 allein gelassen, damit sein Herz zutraulich zu ihr werde. Aber in Galiläa hat man so nicht verfahren. In Judäa hat man den Bräutigam und die Braut eine Stunde, bevor sie das Brautgemach betreten haben, untersucht 2 . Aber in Galiläa hat man so nicht verfahren. In Judäa hat man zwei Brautführer aufgestellt, einen vom Haus des Bräutigams und einen vom Haus der Braut. Gleichwohl hat man sie nur für die Vermählung aufgestellt. Aber in Galiläa hat man so nicht verfahren. In Judäa haben die beiden Brautführer an dem Ort geschlafen, wo Bräutigam und Braut geschlafen haben. Aber in Galiläa hat man so nicht verfahren. Jeder, der nicht nach diesem Brauch verfuhr, konnte nicht wegen (fehlender) Jungfräulichkeit Klage erheben 3 . 1

Vor ihrem Eintritt in das Brautgemach.

2

Auf etwaige Blutspuren, die den Geschlechtsverkehr verboten hätten. 5 . M o s e 2 2 , 1 3 ff.

3

126. Standesgemäße

Heirat

Babli Pesachim 49 b: Die Rabbinen haben gelehrt: immer verkaufe ein Mensch alles, was er hat, und heirate die Tochter eines Weisenschülers. Findet er nicht eine Tochter eines Weisenschülers, heirate er die Tochter eines Großen der Generation. Findet er nicht eine Tochter eines Großen der Generation, heirate er die Tochter eines Synagogenvorstehers. Findet er nicht eine Tochter eines Synagogenvorstehers, heirate er die Tochter eines Almosenverwalters. Findet er nicht eine Tochter eines Almosenverwalters, heirate er die Tochter eines Kinderlehrers. Aber er heirate nicht die Tochter (von einem aus dem) Landvolk, denn sie sind ein Greuel, und ihre Frauen sind ein Greuel. Und über ihre Töchter sagt die (Schrift): verflucht ist, wer mit einem Vieh schläft (5.Mose 27,21)! 127.

Hochzeitsfreude

Babli Berakoth 6b: Rabbi Chelbo (P. um 300) hat im Namen von Rab Huna (B. gest. 297) gesagt: jeder, der vom Gastmahl eines Bräutigams genießt und ihn nicht erfreut, übertritt fünf Stimmen. Wie gesagt ist: Stimme der Wonne und Stimme der Freude, Stimme des Bräutigams und Stimme der Braut, Stimme derer, die sprechen: Dankt dem Herrn Zebaoth (Jer. 33,11). Und wenn er ihn erfreut, was ist sein Lohn? Rabbi Jehoschua-ben-Levi (P. um 250) hat gesagt: er ist der Thora würdig, die durch fünf Stimmen gegeben worden ist. Wie gesagt ist: und es geschah am dritten Tag, als es Morgen war, und da waren Stimmen1

Das Leben des Einzelnen

187

und Blitze und eine schwere Wolke auf dem Berg, und die Stimme der Posaune usw. und es war die Stimme der Posaune usw. Und Gott antwortete ihm in einer Stimme (2.Mose 19,16.19). 1

Der Plural meint zwei Stimmen.

128. Eheliche Pflicht Mischna Kethubboth V,6: Wer sich den Geschlechtsverkehr 1 mit seiner Frau abgelobt. Schammais (T. um 30 v.Chr.) Schule sagt: zwei Wochen (darf er das). Hillels (T. um 20 v.Chr.) Schule sagt: eine Woche (darf er das). Die Schüler bleiben ohne Einwilligung (der Frau) zum Studium der Thora dreißig Tage fort, die Tagelöhner eine Woche. Die eheliche Pflicht, die in der Thora gesagt ist 2 : Müßiggänger an jedem Tag, Tagelöhner zweimal in der Woche, Eseltreiber einmal in der Woche, Kameltreiber einmal in dreißig Tagen 3 , Seeleute einmal in sechs Monaten Worte von Rabbi Elieser (T. um 90). 1 2 3

Wörtlich: Bettbenutzung. 1.Mose 1,28. Die Kameltreiber waren bei ihrer Berufsausübung oft lange außer Haus.

129. Unreinheit der Frau Mischna Nidda II, 1 b - 5 : Üblicherweise brauchen die Töchter Israels beim Geschlechtsverkehr zwei Tüchlein 1 ; eines für ihn und eines für sie. Aber die Vorsichtigen bereiten ein drittes vor, um das „Haus" 2 (auch vorher) zu bereiten. Wird auf seinem (Tüchlein Blut) gefunden, sind sie unrein und ein Opfer schuldig; wird auf ihrem (Tüchlein) sogleich (Blut) gefunden, sind sie unrein und ein Opfer schuldig; wird auf ihrem (Tüchlein) nach einiger Zeit (Blut) gefunden, sind sie aus Zweifelsgründen unrein, aber vom Opfer frei. Was (bedeutet): nach einiger Zeit? Während sie aus dem Bett gestiegen ist und ihr „Gesicht" waschen kann. Und danach 3 ist sie vierundzwanzig Stunden unrein, aber sie verunreinigt nicht ihren Partner. Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: sie verunreinigt auch ihren Partner. Und die Weisen pflichten Rabbi Aqiba bei, daß sie ihren Partner verunreinigt, wenn sie einen Blutfleck sieht. Alle Frauen sind für ihre Ehemänner annahmeweise rein. Für die, die von einer Reise kommen, sind ihre Frauen annahmeweise rein. Schammais (T. um 30 v.Chr.) Schule sagt: sie braucht für jeden einzelnen Geschlechtsverkehr zwei Tüchlein, oder sie soll bei Lampenlicht verkehren. Hillels (T. um 20 v.Chr.) Schule sagt: sie hat die ganze Nacht an zwei Tüchlein genug. Die Weisen haben einen Vergleich über die Frau gesagt: „die Kammer", „der Vorraum" und „der Söller" 4 . Das Blut der „Kammer" ist unrein, das

188

III. Das rabbinische Judentum

Blut des „Söllers" ist rein 5 . Wird (Blut) im „Vorraum" gefunden, ist es aus Zweifelsgründen unrein, weil es annahmeweise aus der „Quelle" 6 stammen kann. 1 Wörtlich: Zeugen, d.h. Tüchlein, die nach dem Geschlechtsverkehr die Reinheit oder Unreinheit bezeugen sollen. 2 Dieser und die folgenden euphemistischen Ausdrücke für die Geschlechtsteile werden in Anführungszeichen gesetzt. 3 Wenn sie nach einiger Zeit Blut festgestellt hat. 4 Gebärmutter, Scheide, Harnblase (?). 5 6

130.

Es rührt von einer Verletzung her. Gebärmutter.

Scheidungsgründe

Mischna Gittin IX, 10: Schammais (T. um 30 v.Chr.) Schule sagt: ein Mensch verstoße seine Frau nur, wenn er eine schandbare ( = unzüchtige) Sache an ihr gefunden hat. Wie gesagt ist: weil er an ihr eine Schande der Sache gefunden hat (5. Mose 24,1). Und Hilleis (T. um 20 v.Chr.) Schule sagt: (er verstoße sie) auch, wenn sie (nur) eine Speise hat anbrennen lassen. Wie gesagt ist: weil er an ihr die Schande irgendeiner Sache gefunden hat (5. Mose 24,1). Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: (er verstoße sie) auch, wenn er eine andere schöner als sie gefunden hat. Wie gesagt ist: und wenn sie keine Anmut in seinen Augen gefunden hat (5. Mose 24,1) 1 So ist dieser Vers hier zu verstehen. Als weitere Scheidungsgründe sind möglich: für den Mann unwürdiges Verhalten der Frau, anhaltende Kinderlosigkeit der Frau, Heirat unter falschen Voraussetzungen oder Bedingungen. Die Frau kann rechtlich die Scheidung durchsetzen, wenn der Mann durch Krankheit oder Beruf Widerwärtigkeiten verursacht.

131. Der

Scheidebrief

Mischna Gittin III, 1 - 2 a: Jeder Scheidebrief, der nicht auf den Namen der Frau geschrieben ist, ist ungültig. Wieso? Es geht einer über die Straße und hört die Stimme der Schreiber, die rufen: der und der Mann entläßt seine Frau so und so aus dem und dem Ort —, und er sagt: das ist mein Name, und das ist der Name meiner Frau. (Dieser Scheidebrief ist trotzdem) für ihn zur Entlassung ungültig. Noch mehr: es hat einer (einen Scheidebrief) geschrieben, um seine Frau zu entlassen, aber er hat seine Meinung geändert, (und) es trifft ihn ein Sohn seiner Stadt ( = Mitbürger) und sagt zu ihm: mein Name ist wie dein Name, und der Name meiner Frau ist wie der Name deiner Frau. (Dieser Scheidebrief ist trotzdem) für ihn zur Entlassung ungültig. Noch mehr: es hat einer zwei Frauen, und ihre Namen sind gleich, (und) er schreibt (einen Scheidebrief), um mit ihm die ältere zu entlassen. Er kann damit nicht die jüngere entlassen.

Das Leben des Einzelnen

189

Noch mehr: es hat einer zum Schreiber gesagt: schreibe (einen Scheidebrief) für welche ich (dann) entlassen will 1 . (Dieser Scheidebrief ist trotzdem) für ihn zur Entlassung ungültig. Wer Formulare für Scheidebriefe schreibt, ist genötigt, Platz zu lassen für (den Namen) des Mannes und für (den Namen) der Frau und für den Zeitpunkt. 1

Bei gleichlautenden Namen der Ehefrauen, wobei der Ehemann sich vorbehält, welche von beiden er dann entlassen will.

132. Formular eines Scheidebriefs Scheideschriftstück 1 . Am X.Wochentag, am X.Tag des X.Monats, im X.Jahr seit Erschaffung der Welt nach der Zählung, nach der wir gewöhnlich zählen, an dem O r t N . N . habe ich, N . N . Sohn des N . N . , und welchen (anderen) Namen ich (sonst noch) haben mag, aus eigenem Entschluß, freiem Willen und ohne jeden Zwang dich, N . N . Tochter des N . N . , und welchen (anderen) Namen du (sonst noch) haben magst, freigelassen, entlassen und verstoßen aus dem Ort N . N . , die du vorher meine Frau gewesen bist. Und jetzt verstoße ich dich, dich N . N . Tochter des N . N . , und welchen (anderen) N a m e n du (sonst noch) haben magst, aus dem Ort N . N . , so daß du frei und vollmächtig bist zu gehen, um dich mit jedem (anderen) M a n n zu verheiraten, und kein Mensch soll dich (daran) hindern von diesem Tag an bis in Ewigkeit. Du bist jedermann erlaubt, und dieses sei meinerseits ein Schriftstück der Verstoßung, ein Brief der Freilassung und ein Dokument der Entlassung nach dem Gesetz Moses und Israels. Reuben-ben-Jaaqob als Zeuge. Eleasar-ben-Gilead als Zeuge. 1

Der Text ist P.Billerbeck I 311 f. entnommen (nach J. Lightfoot). Es handelt sich um ein Formular aus dem Thalmudkompendium von Alphasi (1013-1103) und entspricht weitgehend den rabbinischen Vorschriften.

133. Rückgängigmachung

der Scheidung

Mischna Gittin IV, 1—2 a: Hat einer seiner Frau einen Scheidebrief geschickt, und er trifft den Boten (unterwegs noch) oder schickt ihm einen (anderen) Boten nach und sagt zu ihm: der Scheidebrief, den ich dir gegeben habe, ist nichtig — siehe, der ist nichtig. Ist er bei seiner Frau vorher 1 angekommen, oder hat er einen (anderen) Boten zu ihr geschickt und zu ihr gesagt: der Scheidebrief, den ich dir gebe, ist nichtig — siehe, der ist nichtig. Wenn der Scheidebrief (aber bereits) in ihre H a n d gekommen ist, kann er ihn nicht mehr nichtig machen. Im Anfang bildete man ein Gerichtshaus von einem anderen O r t 2 , und das machte den (Scheidebrief) nichtig. Rabban Gamliel der Alte (T. um 30) hat angeordnet, daß man so nicht verfahren solle wegen der Ordnung der Welt 3 .

190

III. Das rabbinische Judentum

Vor dem Boten. D. h. in Abwesenheit von Frau und Boten. 3 Die Frau könnte, bevor ihr der Gerichtsbeschluß mitgeteilt worden wäre, eine neue Ehe eingegangen haben, was das soziale Gefüge in Unordnung bringen würde. 1

2

134.

Wiederverheiratung

Jeruschalmi Jebamoth 6b,37—40: Es geschah, daß die Frau von Rabbi Tarphon (T. um 110) gestorben ist. Als er (noch) an der Grabstelle war, hat er zu ihrer Schwester gesagt: tritt herein 1 und erziehe die Kinder deiner Schwester! Obwohl er sie (zur Frau) genommen hat, hat er sie nicht erkannt 2 , bis daß dreißig (Trauer)tage vorüber waren. 1 Eine Verlöbnisformel, die die Frau unter den Traubaldachin treten läßt. Waren kleine zu versorgende Kinder da, konnte der Witwer sofort wieder heiraten. 2 D. h. keinen Geschlechtsverkehr ausgeübt.

135. Listige Vermeidung der

Schwagerehe

Jeruschalmi Jebamoth 13 a, 40—44: Es ist ein Fall 1 vor Rabbi Chijja-bar-Vava (P. um 2 8 0 ) gekommen, und er hat zu ihm gesagt: mein Sohn, diese Frau will sich mit dir nicht auf dem Weg der Schwagerehe verheiraten; laß sie vielmehr einen Schuh ausziehen, nimm deine Verpflichtung 2 von ihr, und sie mag dich auf dem Weg einer (normalen) Heirat heiraten 3 . Als er sie hat einen Schuh ausziehen lassen, hat er zu ihm gesagt: wenn Mose und Samuel kommen würden, könnten sie (die Heirat) nicht erlauben. Und der hat über ihn gerufen: weise sind sie, Böses zu tun;

Gutes zu tun, verstehen sie nicht (Jer. 4,22)!

1 Ein Fall der Vermeidung der Schwagerehe durch die Zeremonie, daß die Frau einen Schuh auszieht. 5. Mose 2 5 , 5 - 1 1 . 2 Die Verpflichtung der Frau gegenüber ihrem Schwager, mit ihm die Ehe einzugehen. 3 Letzteres ist dann nicht mehr möglich.

136. Ein extremer Fall von

Schwagerehe

Jeruschalmi Jebamoth 6 b, 40—48: Es sind dreizehn Brüder gewesen, und zwölf sind ohne Kinder gestorben. Man ist gekommen und hat gewollt, daß der (letzte der Brüder) vor Rabbi (T. gest. um 2 1 7 ) die Schwagerehe schließe. Rabbi hat zu ihm gesagt: geh, schließe die Schwagerehe! Er hat zu ihm gesagt: ich habe keine Mittel. Aber die (zwölf Witwen) haben nacheinander gesagt: ich werde in meinem Monat für Nahrung sorgen. Er hat gesagt: aber wer sorgt im Monat eines Schaltjahrs 1 für Nahrung? Rabbi hat gesagt: ich sorge im Monat eines Schaltjahrs für Nahrung. Und er hat über sie ein Gebet gesprochen, und sie sind gegangen. Nach drei Jahren sind sie gekommen (und) haben sechsunddreißig Kinder getragen. Sie sind gekommen und haben sich vor der Wohnung von Rabbi aufgestellt. Man ist hinaufgegangen und hat zu ihm gesagt: unten will

Das Leben des Einzelnen

191

ein Dorf von Kindern dir den Friedensgruß entbieten. Rabbi hat aus dem Fenster geblickt und hat sie gesehen. E r hat zu ihnen gesagt: was ist euer Anliegen? Sie haben zu ihm gesagt: gib uns (Nahrung) für diesen M o n a t eines Schaltjahres! Und er hat ihnen für diesen Monat eines Schaltjahres (Nahrung) gegeben. 1

Im Schaltjahr wurde ein zusätzlicher Monat eingefügt.

c) Das

Berufsleben

Für die Sozialstruktur und das Berufsleben Palästinas sind die Gegebenheiten des Landes und die Erfordernisse der Thora bestimmend gewesen. Von großer Wichtigkeit waren die Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen Berufe. Das zeigt am deutlichsten die Anordnung der Traktate der von Rabbi (T. gest. um 217) redigierten Mischna. Nach einem das ganze Werk einleitenden Traktat über Gebete und Segensspriiche besteht die erste der sechs Ordnungen der Mischna nur aus Traktaten, die landwirtschaftliche Abgaben und die damit zusammenhängenden Probleme behandeln. Dort werden als Berufe genannt: der Hausherr ( = Besitzer von Grund und Boden), verschiedene Formen des Pächterwesens, Lohnarbeiter und andere Berufe, die beim Anbau von Getreide, Gemüse, Wein, Feigen und Oliven ausgeübt wurden. Auch die Städte boten, natürlich Arbeitsmöglichkeiten. Hier begegnen wir dem mittelständischen Handwerk und dem Handel; eine besondere Rolle für die Städte spielten die Fischer als Lieferanten (Texte III. 137—138). Neben diesen „normalen" Berufen gab es Berufe von geringerem Ansehen (Texte III. 139—140), zu denen u.U. auch der sonst angesehene Beruf des Schreibers gehören konnte (Text III. 141). Allgemein war bei den Rabbinen Palästinas und in der Diaspora das Handwerk als Beruf sehr angesehen (Texte III.47, 142), und auch die Rabbinen verdienten sich ihren Lebensunterhalt oft in einem Beruf, wie die folgende Aufstellung (nach P. Billerbeck II 745 f.) von verschiedenen Berufen zeigt: Tagelöhner, Nagelschmied, Flachshändler, Viehzüchter, Bäcker, Graupenhändler, Lederarbeiter, Dokumentenschreiber, Pantoffelmacher, Totengräber, Baumeister, Asphalthändler, Schneider, Arzt, Geldwechsler, Feldmesser, Schmied, Schuhmacher, Aderlasser, Beschneider, Zimmermann. 137.

Landläufige

Berufe

Jeruschalmi Chagiga 7 7 b, 14—17: Ist e r 1 in das Schulhaus gegangen und hat die Jungen vor dem Lehrer gesehen, hat er gesagt: was sitzen jene hier als Knechte? Ihr Handwerk ist, daß sie Baumeister sind! Ihr Handwerk ist, daß sie Meister sind! Ihr Handwerk ist, daß sie Fischer sind! Ihr Handwerk ist, daß sie Schneider sind! Und als sie das gehört hatten, haben sie ihn ( = ihren Lehrer) verlassen und sind fortgegangen. 1

138.

Der Ketzer Elischa-ben-Abuja alias Acher.

Die Fischer von

Tiberias

Jeruschalmi Pesachim 3 0 d,21—25: Die Fischer von Tiberias, die Graupenmacher von Sepphoris und die Grießmacher von Akko haben es auf sich genommen, keine Arbeit an den Zwi-

192

III. Das rabbinische Judentum

schenfeiertagen (zwischen Passa- und Laubhüttenfest) zu verrichten. Das ist richtig für die Graupenmacher vonSepphoris und die Grießmacher vonAkko; aber vermindern nicht die Fischer von Tiberias (dadurch) die Festfreude 1 ? Einer kann (ja) mit der Angel fangen, einer kann (ja) mit dem Fischergarn fangen 2 ! Vermindern sie nicht trotzdem die Festfreude 3 ? Rabbi Ammi (P. um 300) hat für sie (die Entscheidung) erleichtert, weil sie (sonst) die Festfreude vermindern würden. 1 2 3

Weil sie so zum Fest keine Fische liefern können. Damit wendet er keine besondere Mühe auf. Weil dadurch nicht genügend Fische gefangen werden.

139. Ansehen der Berufe Mischna Qidduschin IV, 1 4 b : Jeder, dessen Beschäftigung mit Frauen (zu tun hat) 1 , sei nicht mit Frauen allein, und ein Mensch lehre seinen Sohn kein Frauenhandwerk. Rabbi Meir (T. um 150) sagt: immer lehre ein Mensch seinen Sohn ein sauberes und leichtes Handwerk, und er bete zu dem, dem Reichtümer und Besitztümer gehören, denn es gibt kein Handwerk, bei dem nicht Armut und Reichtum sind. Denn die Armut ist nicht vom Handwerk, und der Reichtum ist nicht vom Handwerk, sondern alles ist nach seinem ( = des Ausübenden) Verdienst. Rabbi Schimeon-ben-Eleasar (T. um 190) sagt: hast du zu deinen Lebtagen ein Lebewesen oder einen Vogel gesehen, der ein Handwerk hätte? Aber sie werden ohne Mühen ernährt. Und ist es nicht (so): sie sind nur erschaffen worden, um mich zu bedienen!? Und ich, der ich erschaffen worden bin, um meinem Herrn ( = Gott) zu dienen, ist nicht der Schluß (da richtig), daß ich ohne Mühen ernährt werde? Aber weil ich meine Taten böse gemacht habe, habe ich meine Ernährung beeinträchtigt. Abba Gorjon aus Zadjan (T. um 180) sagt im Namen von Abba Schaul (T. um 150): nicht lehre ein Mensch seinen Sohn (das Handwerk vom) Eseltreiber, Kameltreiber, Töpfer 2 , Seemann, Hirte und Krämer; denn ihr Handwerk ist ein Räuberhandwerk. Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt im eigenen Namen: die Eseltreiber sind meistens Frevler und die Kameltreiber meistens ehrlich. Die Seeleute sind meistens fromm 3 . Der beste der Ärzte ist für die Hölle, und der ehrlichste der Schlachter ist ein Genösse Amaleqs 4 . Rabbi Nehorai (T. um 150) sagt: ich lasse jedes Handwerk in der Welt und lehre meinen Sohn nur die Thora; denn ein Mensch ißt von ihrem Lohn in dieser Welt, und das Wesentliche bleibt ihm in der zukünftigen Welt, was bei den übrigen Handwerken nicht so ist. 1

Ζ . B. Goldschmiede und Haarschneider.

2

Bessere Lesart: Kutscher, Fuhrmann. Wegen der mit ihrem Beruf verbundenen Lebensgefahr. 2 . Mose 1 7 , 8 ff.

3 4

Das Leben des Einzelnen

140. Zweifelhafte

193

Berufe

Thosephtha Qidduschin V , 1 4 a (M. S. Zuckermandel 343): Jeder, dessen Beschäftigung mit Frauen (zu tun hat), sei nicht mit Frauen allein. Wie etwa: die Schleiermacher, die Seidenweber, die Weber, die Gewürzhändler, die Mühlsteinschleifer, die Schneider, die Haarschneider und die Bader.

141. Verschiedene

Berufe

Thosephtha Bikkurim 11,15-16 (M.S.Zuckermandel 102): Wer sein Thorabuch verkauft, sieht nie ein Segenszeichen. Die Schreiber von Büchern, Gebetsriemen 1 und Türpfostenkapseln 2 , sie und deren Händler und die Händler von deren Händlern, und alle, die sich für das Hohe beschäftigen 3 , sehen nie ein Segenszeichen. Wenn sie sich (damit) für die Himmel ( = Gott) beschäftigen, sind sie, siehe, in der Gemeinschaft des Segens. Gassenhändler und die, die gute Bäume niederhauen, und Kleinviehzüchter sehen nie ein Segenszeichen. ' A n den Gebetsriemen (2.Mose 1 3 , 1 6 ; 5 . M o s e 6 , 8 ; 11,18) sind kleine Kästchen, die kleine mit Schriftversen beschriftete Pergamentröllchen enthalten. 2 Eine Kapsel an der Tür des jüdischen Hauses, die kleine mit dem Text des täglichen Gebets „Höre Israel" beschriftete Pergamentröllchen enthält. Siehe Text III. 74. 3 Einer, der sich beruflich mit Ritualien befaßt.

142. Lobpreis des

Handwerks

Thosephtha Qidduschin 1,11 b (M.S.Zuckermandel 3 3 6 ) : R a b b a n 1 Gamliel (T. um 90) sagt: jeder, der mit seiner Hand ein Handwerk ausübt, welcher (Sache) gleicht der? Einem Weinberg, der mit einer Mauer umgeben ist, und einem Garten, der mit einem Zaun umgeben ist. Rabbi Jose (T. um 150) sagt im Namen von Rabban Gamliel: jeder, der mit seiner Hand ein Handwerk ausübt, welcher (Sache) gleicht der? Einer Frau, die einen Ehemann hat: sowohl, wenn sie sich schön macht, als auch, wenn sie sich nicht schön macht, beachtet sie (doch) niemand (anderes); (aber) wenn sie sich nicht schön macht, wird ihr das zum Fluch 2 . Und jeder, der nicht mit seiner Hand ein Handwerk ausübt, welcher (Sache) gleicht der? Einer Frau, die keinen Ehemann hat: sowohl, wenn sie sich schön macht, als auch, wenn sie sich nicht schön macht, beachtet sie (doch) jeder: aber wenn sie sich schön macht, wird ihr das zum Fluch 3 . Rabbi Eleasar-be-Rabbi-Zadoq (T. um 150) sagt im Namen von Rabban Gamliel: jeder, der mit seiner Hand ein Handwerk ausübt, welcher (Sache) gleicht der? Einem ummauerten Weinberg, den kein Vieh und kein Lebewesen betritt, und bei dem die Vorübergehenden und die Verweilenden nicht essen, was darin ist, und sie nicht sehen, was darin ist. Und jeder, der nicht mit seiner Hand ein Handwerk ausübt, welcher (Sache) gleicht der? Einem 13

Kippenberg, Textbuch

194

III. Das rabbinische Judentum

Weinberg (mit) zerrissen(en Zäunen), den Vieh und Lebewesen betreten, und bei dem die Vorübergehenden und die Verweilenden essen, was darin ist, und sie alle sehen, was darin ist. 1 2 3

Dieser Text schließt an Text III. 118 an. Weil ihr Ehemann sich dann von ihr abwendet. Sie wird zur Hure.

143. Arbeiten der Frau Mischna Kethubboth V , 5 : Dieses sind die Arbeiten, die die Frau für ihren Ehemann tut: mahlen, backen, waschen und kochen, ihren Sohn säugen, ihm das Bett bereiten und mit Wolle arbeiten. Hat sie ihm eine Sklavin mitgebracht, mahlt sie nicht, bäckt sie nicht und wäscht sie nicht. (Bei) zwei (Sklavinnen) kocht sie nicht und säugt sie nicht ihren Sohn. (Bei) drei (Sklavinnen) bereitet sie ihm nicht das Bett und arbeitet sie nicht mit Wolle. (Bei) vier (Sklavinnen) sitzt sie im Sessel. Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: auch wenn sie ihm hundert Sklavinnen mitgebracht hat, zwinge er sie, mit Wolle zu arbeiten, denn der Müßiggang führt zur Unzucht. Rabbi Schimeon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt: auch wenn er seine Frau zum Gelöbnis nötigt, keine Arbeit zu tun, entlasse er sie und gebe ihr die Mitgift zurück, denn Müßiggang führt zum Irrsinn.

144. Formen des Reichtums Babli Schabbath 2 5 b: Die Rabbinen haben gelehrt: wer ist ein Reicher? Jeder, der an seinem Reichtum einen ruhigen Geist ( = Zufriedenheit) hat - Worte von Rabbi Meir (T. um 150) . . . Rabbi Tarphon (T. um 110) sagt: jeder, der hundert Weinberge, hundert Felder und hundert Knechte hat, die auf ihnen arbeiten. Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: jeder, der eine Frau hat, die im Betragen schön ist. Rabbi Jose (T. um 150) sagt: jeder, der eine Toilette nahe bei seinem Tisch hat.

d) Tod und Begräbnis Die direkte oder indirekte Berührung mit einem Leichnam verunreinigt den Menschen (Text III. 1 4 5 ) . Trotzdem haben die Rabbinen den T o d eines Menschen nicht tabuisiert, sondern die Herrichtung einer Leiche zum Begräbnis sogar am Sabbat erlaubt (Text III. 1 4 6 ) . Der Trauer wurde großer W e r t beigemessen, und einen Toten zum Friedhof zu begleiten und ihn zu begraben, galt als fromm (Text III. 1 4 7 ) . Der Trauerzug (Text III. 1 4 8 ) , die Trauerfeier (Text III. 1 4 9 ) und die Grabrede (Text III. 1 5 1 ) hatten deshalb große Bedeutung. Dieses galt jedoch nicht bei einem toten Sklaven oder einer toten Sklavin (Text III. 1 5 0 ) .

145. Unreinheit der Toten Mischna Ohaloth 1,1—3 a: Z w e i 1 (Dinge) werden durch einen Toten unrein: eines wird mit siebentägiger) Unreinheit unrein, und eines wird bis zum Abend unrein.

Das Leben des Einzelnen

195

Drei (Dinge) werden durch einen Toten unrein: zwei werden mit siebentägiger) Unreinheit unrein, und eines wird bis zum Abend unrein. Vier (Dinge) werden durch einen Toten unrein: drei werden mit siebentägiger) Unreinheit unrein, und eines wird bis zum Abend unrein. Wie (bei) zwei (Dingen)? Berührt ein Mensch einen Toten, ist er mit sieben (tägiger) Unreinheit unrein, und ein Mensch, der ihn berührt, ist bis zum Abend unrein. Wie (bei) drei (Dingen)? Berühren Geräte einen Toten und Geräte (diese) Geräte, sind sie mit sieben(tägiger) Unreinheit unrein; das dritte, ob Mensch oder Geräte, ist bis zum Abend unrein. Wie (bei) vier (Dingen)? Berühren Geräte einen Toten und ein Mensch (diese) Geräte und (diese) Geräte einen Menschen, sind sie mit sieben(tägiger) Unreinheit unrein; das vierte, ob Mensch oder Geräte, ist bis zum Abend unrein. 1 Im folgenden werden verschiedene Möglichkeiten der Unreinheit angeführt, wobei ein Ding das andere Ding verunreinigt.

146. Herrichtung der Leiche Mischna Schabbath X X I I I , 5: Man tut alles für einen Toten Nötige (auch am Sabbat): man salbt und wäscht ihn, aber nur, wenn man kein Glied an ihm bewegt; man nimmt das Polster unter ihm weg und läßt ihn auf dem Sand liegen, damit er unversehrt bleibt; man bindet das Kinn fest, nicht, damit es gehoben wird, sondern damit es nicht weiter (herabfällt); und ebenso stützt man einen gebrochenen Balken mit einer Bank oder mit einem Seitenbrett des Bettes, nicht, damit er gehoben wird, sondern damit er nicht weiter (durchbricht). Man schließt am Sabbat einem Toten nicht (die Augen) und an einem Wochentag nicht einem Sterbenden. Wer einem Sterbenden (die Augen) schließt, ist, siehe, ein Blutvergießer! 147. Das letzte Geleit Babli Kethubboth 17 a: Die Rabbinen haben gelehrt: man hört mit dem Studium der Thora auf, um einen Toten hinauszugeleiten und um eine Braut (unter den Traubaldachin) hereinzuführen. Man hat über Rabbi Jehuda-bar-Elai (T. um 150) gesagt, daß er mit dem Studium der Thora aufzuhören pflegte, um einen Toten hinauszugeleiten und um eine Braut (unter den Traubaldachin) hereinzuführen. Worüber sind die(se) Worte gesagt? Wenn nicht genug dabei sind; aber wenn genug dabei sind, hört man nicht auf. 148. Der

Trauerzug

Jeruschalmi Sanhedrin 2 0 b, 42—45: Der eine Gelehrte hat gelehrt: (im Trauerzug) gehen die Frauen zuerst und die Männer hinter i h n e n U n d der andere Gelehrte hat gesagt: die Männer zu-

196

III. Das rabbinische Judentum

erst und die Frauen hinter ihnen. Der, der gesagt hat „die Frauen zuerst", (hat es gesagt,) weil sie den Tod für die Welt verursacht haben 2 . Der, der gesagt hat „die Männer zuerst", (hat es gesagt) wegen der Ehre der Töchter Israels, damit die (Männer) nicht (während des Trauergeleits) auf die Frauen blicken. 1 2

Die einen vor, die anderen hinter dem Sarg. Beim Sündenfall.

149. Die Trauerfeier Mischna Moed qatan 111,7—9: Nur die Verwandten eines Toten reißen (am Halbfest die Kleider) ein, entblößen (die Schulter) und stärken sich (beim Trauermahl). Man stärkt sich (beim Trauermahl) n u r 1 auf einem aufgerichteten Bett. Und man bringt (die Speisen) in das Trauerhaus nicht auf einem Tablett, nicht auf einem Teller und nicht in einem Rohrkorb, sondern in Weidenkörben. Und man sagt am Halbfest nicht den Trauersegen, aber man stellt sich in einer Reihe auf, man tröstet, und man verabschiedet die Menge. Man stellt die Bahre nicht auf den Marktplatz, um nicht die Trauerklage herbeizuführen, und die (Bahre) von Frauen niemals wegen der Ehre 2 . Frauen stimmen am Halbfest den Trauer(gesang) an, aber sie schlagen sich nicht (an die Brust). Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) sagt: die bei der Bahre stehen, schlagen sich (an die Brust). An Neumondstagen, am Chanukkafest 3 und am Purimf est 4 stimmen sie (den Trauergesang) an und schlagen sich (an die Brust). An diesem und jenem stimmen sie kein Klagelied an. Ist der Tote begraben, stimmen sie nicht (den Trauergesang) an und schlagen sich nicht (an die Brust). Was ist das Anstimmen (des Trauergesangs) ? Wenn sie alle auf einmal anstimmen. Das Klagelied? Wenn eine (zuerst) singt und sie alle nach ihr einstimmen. Wie gesagt ist: und lehrt eure Töchter den Wehegesang und eine Frau ihre Nachbarin das Klagelied (Jer. 9,19). Aber über die kommende Zukunft 5 sagt die (Schrift): er wird den Tod vernichten für immer, und der Herr, Gott, wird von jedem Angesicht die Tränen wischen usw. (Jes. 25,8). 1

Die Lesarten schwanken zwischen „nur" und „nicht". Die Bahre wurde von Männern getragen. 3 Ein Fest, das an die Wiedereinweihung des Tempels nach seiner Entweihung durch Antiochos IV. Epiphanes ( 1 7 5 - 1 6 3 v. Chr.) erinnert. 4 Esther 9 , 2 0 ff. 5 Die messianische Zeit. 2

150. Trauer um eine Sklavin Babli Berakoth 16 b: Die Rabbinen haben gelehrt: wegen Sklaven und Sklavinnen stellt man sich nicht in einer Reihe auf, und man sagt über sie nicht den Trauersegen, und man tröstet nicht die Trauernden.

Das Leben des Einzelnen

197

Es geschah, daß die Sklavin von Rabbi Elieser (T. um 90) gestorben war. Seine Schüler sind eingetreten, um ihn zu trösten. Als er sie gesehen hat, ist er in den Söller hinaufgestiegen, und sie sind hinter ihm her hinaufgestiegen; er ist in das Vorzimmer eingetreten, (und) sie sind hinter ihm her eingetreten; er ist in den Empfangsraum eingetreten, (und) sie sind hinter ihm her eingetreten. Er hat zu ihnen gesagt: mir schien es, daß ihr euch mit lauem Wasser verbrühen würdet; jetzt verbrüht ihr euch auch nicht mit kochend heißem Wasser! Habe ich euch nicht so gelehrt: wegen Sklaven und Sklavinnen stellt man sich nicht in einer Reihe auf, und man sagt über sie nicht den Trauersegen, und man tröstet nicht die Trauernden? Vielmehr: wie man zu einem Menschen, dessen Ochse oder dessen Esel gestorben ist, sagt: der Erhabene möge dir deinen Schaden ersetzen —, so sagt man zu ihm bei seinem Sklaven oder seiner Sklavin: der Erhabene möge dir deinen Schaden ersetzen. 151. Die

Grabrede

Jeruschalmi Berakoth 5 b, 7 2 - 5 c, 9: Als Rabbi Chijja-bar-Ada (P. um 250), der Schwestersohn von Bar-Qappara (P. um 220) entschlafen ist, hat Resch-Laqisch (P. um 250) seinetwegen (die Tröstungen) empfangen, denn er ist sein Lehrer gewesen. Es 1 ist gesagt worden: der Schüler eines Menschenkinds ist ihm so lieb wie sein Sohn. Er ist heraufgekommen und hat über ihn den Abschied ( = Grabrede) gesagt: mein Geliebter ist in seinen Garten hinabgestiegen zu den Balsambeeten, um in den Gärten zu weiden (und um Lilien zu sammeln) (Hoheslied 6,2). Es wäre nur nötig gewesen „mein Geliebter ist in seinen Garten hinabgestiegen, um in den Gärten zu weiden"! (Aber gemeint ist:) „Mein Geliebter": das ist der Heilige, gepriesen sei er. „Ist in seinen Garten hinabgestiegen": das ist die Welt. „Zu den Balsambeeten": das sind die Israeliten. „Um indenGärten zu weiden": das sind die Weltvölker. „Und um Lilien zu sammeln": das sind die Gerechten, die er aus ihrer Mitte hinwegnimmt. Man hat ein Gleichnis gesagt: wem gleicht die Sache? Einem König, der einen Sohn gehabt hat, und er hat ihn übermäßig geliebt. Was hat der König getan? Er hat ihm einen Garten gepflanzt. In der Zeit, wo der Sohn den Willen seines Vaters tat, ist der in der ganzen Welt herumgegangen; und hatte er eine schöne Pflanze in der Welt gesehen, hat er sie mitten in seinen Garten gepflanzt. Aber in der Zeit, wo er ihn verärgert hat, hat er all seine Pflanzen niedergehauen. So geht in der Zeit, wo die Israeliten den Willen des Heiligen, gepriesen sei er, tun, er in der ganzen Welt herum; und sieht er einen Gerechten unter den Weltvölkern, bringt er ihn herbei und schließt ihn Israel an. Wie etwa Jithro 2 und Rahab 3 . Aber in der Zeit, wo sie ihn verärgern, nimmt er die Gerechten aus ihrer Mitte weg.

1 2 3

Dieses geläufige W o r t ist sicher eine spätere Einfügung. 2 . M o s e 18. J o s . 2 und 6 , 1 7 ff.

198

III. Das rabbinische Judentum

4. Die Kabbinen und das Christentum Die Problematik, die in dieser Uberschrift liegt, ist komplex und reicht bis in die theologischen Diskussionen der Gegenwart. Auch wenn man sich auf die Zeit des rabbinischen Judentums in einem relativ frühen Stadium beschränkt, bleiben noch so viel Probleme, daß eine Vorbemerkung für eine Darstellung nicht ausreicht. Schon der Ausgangspunkt entscheidet hier. Die Titel zweier Untersuchungen von K . H r u b y machen das deutlich: Juden und Judentum bei den Kirchenvätern; Die Stellung der jüdischen Gesetzeslehrer zur werdenden Kirche (beide Zürich 1 9 7 1 , Schriften zur Judentumskunde B d . 2 bzw. 4). In dem vorliegenden Abschnitt wird einmal versucht, eine Auswahl der rabbinischen Traditionen über Jesus und die Christen auch bei legendärem oder fiktivem Charakter darzubieten. Zum zweiten erschien es auch wichtig, die Vorstellungen, wo Berührungspunkte (Übereinstimmung oder Polemik) möglich waren, darzubieten. Das geschieht für die Themenbereiche Messias, Endzeit, Verhältnis zum Mitmenschen und Staat, Gott. Es geschieht nicht mit der Intention, einen dogmatischen Lehrenvergleich zu ermöglichen, sondern mit der Intention, aufzuweisen, wie die Rabbinen auf den Gebieten theologisch gedacht haben, die auch für Christen interessant waren und sind. Der Inhalt (das „ w a s " ) dieser Gedanken ist mit neutestamentlichen, frühkirchlichen oder heutigen Inhalten nur in der Weise vergleichbar, daß man in jedem Fall die jeweilige historische Distanz kritisch wahrt. Rabbinisches Denken vollzieht sich nicht dogmatisch und findet nicht in einer Systematik seinen Ausdruck. D a ß es gleichwohl ernsthaft theologisch sein kann, mögen die ausgewählten Beispiele zeigen.

a) Rabbinisches zu Jesus Bemerkenswert ist, daß am Umfang des rabbinischen Schrifttums gemessen, nur eine winzige Menge der Traditionen sich mit Jesus und den Christen in irgendeiner Weise beschäftigt. Andere Ketzer, Ketzereien und Religionen werden durchweg ausführlicher und häufiger behandelt. Hauptgründe dafür dürften sein: in der frühen Zeit die Tatsache, daß das Christentum im Unterschied zum Judentum im römischen Staat eine nicht erlaubte Religion von zunächst geringer und peripherer Bedeutung gewesen ist; in der späteren Zeit, als Babylonien zum Zentrum des rabbinischen Denkens geworden war, die Tatsache, daß dort das Christentum als eine westliche und römisch-hellenistische Religion erschien, die im Staat der Parther und Sasaniden praktisch unbedeutend und deshalb weitgehend unbekannt war. Das erklärt auch, warum in den babylonischen Traditionen Unwissenheit und unklare Vorstellungen über Jesus und die Christen vorherrschen. Wer sich in Palästina und in Babylonien zu dieser Zeit polemisch durchzusetzen hatte, um Bedeutung zu erlangen, war nicht das rabbinische Judentum, sondern das Christentum. Die meisten der rabbinischen Traditionen über Jesus wurden sehr viel später durch kirchliche Maßnahmen zensiert (Texte III. 1 5 2 - 1 5 4 , 1 5 6 , 1 5 8 - 1 6 0 ) : der Name „ J e s c h u " wurde gestrichen oder durch einen anderen ersetzt, ganze Textteile wurden gestrichen. Doch scheinen einige frühe rabbinische Traditionen bereits ein Pseudonym für Jesus gewählt zu haben, was einer durchaus geläufigen Praxis gegenüber Ketzern und Abtrünnigen entsprach. Bei diesen Pseudonymen ist Jesus wohl nur bei den „Ben-Pandera-Traditionen" gemeint. Bei der Identifizierung von Ben-Stada und Jesus liegt eine alte Verwechslung vor (Text III. 152), und die „Bileam-Traditionen" sind zu allgemein, als daß mit Sicherheit global von Pseudonymen Jesus-Traditionen gesprochen werden könnte. Die wenigen überkommenen Traditionen sind nicht in ihrem Wortsinn zu verstehen;

Die Rabbinen und das Christentum

199

es sind Legenden und Phantasien, die den Ton auf die Polemik, nicht auf eine ausführliche Auseinandersetzung legen. Hinter einigen Angaben verbergen sich vielleicht christliche Traditionen wie etwa die Flucht nach Ägypten (Text III. 1 5 2 ) , Maria als die Mutter Jesu (Text III. 1 5 2 ) , Wunderheilungen (Text III. 1 5 5 ) , Jünger (Text III. 1 5 6 ) , T o d (Text III. 1 5 8 - 1 5 9 ) . D o c h um mehr als Andeutungen oder polemische Spekulationen handelt es sich hier nicht. D a diese Traditionen jedoch oft unkritisch im theologischen Gespräch verwendet werden, seien sie jeweils vorher kurz skizziert und ihr historischer W e r t charakterisiert (weitgehend nach K . H r u b y , der auch die ältere Forschung referiert).

152. Herkunft Jesu Babli Schabbath 104 b: Pseudonyme Ben-Stada und Ben-Pandera. Polemische Spekulation über die Herkunft Jesu. Schon aus chronologischen Gründen historisch ohne Belang.

Es wird gelehrt: Rabbi Elieser (T. um 90) hat zu den Weisen gesagt: aber hat nicht Ben-Stada Zaubereien aus Ägypten durch die Ritzung seines Fleischs herbeigebracht 1 ? Sie haben zu ihm gesagt: ein Narr ist er gewesen, und man bringt keine Beweise von Narren. Ben-Stada 2 ? Ben-Pandera ist es gewesen! Rab Chisda (B. gest. 309) hat gesagt: der Ehemann war Stada, der Liebhaber war Pandera. Der Ehemann war (doch) Pappos-ben-Jehuda (T. um 110)! Seine Mutter war Stada. Seine Mutter war (doch) Mirjam die Haarflechterin 3 für Frauen! W i e 4 man in Pumbeditha 5 gesagt hat: sie hat gehurt weg („setath da") von ihrem Ehemann. 1 2 3 4 5

Diese Frage ist ein Einwand gegen eine entsprechende Vorschrift der Mischna. Der nun folgende Abschnitt findet sich nicht in den zensierten Texten. Der Ausdruck „megadla" spielt wohl nicht auf Maria Magdalena an. Begründung, daß die Mutter doch Stada hieß. Stadt in Babylonien mit einer berühmten Gelehrtenschule (ab 260).

153. Ein legendärer

Bericht

Babli Sanhedrin 107 b: Aus chronologischen Gründen historisch ohne Belang.

Die Rabbinen haben gelehrt: immer stoße die Linke fort und bringe die Rechte nahe; und nicht wie Elisa, der Gehasi mit beiden Händen fortgestoßen hat 1 , und 2 nicht wie Rabbi Jehoschua-ben-Perachja (T. 1 0 4 - 7 8 v.Chr.), der Jeschu mit beiden Händen fortgestoßen hat. 1

2. Kg. 5 , 1 9 f f .

154. öffentliche

1

Das folgende findet sich nicht in den zensierten Texten.

Ketzerei Jesu

Babli Sanhedrin 103 a: Späte Tradition, die Jesus nur beispielhaft für Ketzerei anführt.

Und Rab Chisda (B. gest. 309) hat gesagt, Rabbi Jirmja-bar-Abba (B. um 2 5 0 ) habe gesagt: was (bedeutet das), was geschrieben steht: es wird dir kein

200

III. Das rabbinische Judentum

Unheil begegnen, und eine Plage wird sich deinem Zelt nicht nahen (Ps. 9 1 , 1 0 ) ? . . . Es wird dir kein Unheil begegnen. Unheilvolle Träume und unheilvolle Gedanken werden dich nicht ängstigen. Und eine Plage wird sich deinem Zelt nicht nahen. Du wirst keinen Sohn oder Schüler haben, der seine Speise öffentlich verbrennt 1 wie etwa Jeschu der Nazarener. 1 Bildhafter Ausdruck für Ketzerei. Die nun folgenden W o r t e fehlen in den zensierten Texten.

155. Heilung und Ketzerei Thosephtha Chullin 11,20-24 (M.S.Zuckermandel 503): Eine Tradition, aus der nur zu entnehmen ist, daß Christen zu Beginn des zweiten Jahrhunderts Heilungen im Namen Jesu vornahmen. Fleisch, das in der Hand ( = im Besitz) eines Heiden befindlich ist, ist zur Nutznießung1 erlaubt. In der Hand eines Ketzers (befindlich) ist es zur Nutznießung verboten. Was aus einem Haus des Götzendienstes herauskommt, das ist, siehe, Fleisch von Totenopfern 2 , weil man gesagt hat: die Schlachtung eines Ketzers ist Götzendienst, ihr Brot Brot des Samaritaners und ihr Wein Trankspendenwein (für Götzen), und ihre Früchte sind unverzehntet, und ihre Bücher sind Bücher der Zauberer und ihre Söhne Hurenkinder. Man verkauft ihnen nicht und kauft nicht von ihnen, und man nimmt nichts von ihnen und gibt ihnen nichts. Und man lehrt ihre Söhne kein Handwerk, und man Iäßt sich nicht von ihnen heilen; weder eine Heilung von Geld noch eine Heilung von Leben (sind erlaubt). Es geschah bei Rabbi Eleasar-ben-Dama (T. um 130), daß ihn eine Schlange gebissen hat, und Jaaqob von Kephar-Sama ist gekommen, um ihn im Namen des Jeschua-ben-Pantera 3 zu heilen, aber Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) 4 hat es nicht zugelassen. Man hat zu ihm ( = Eleasar) gesagt: du hast keine Erlaubnis (für diese Heilung), Ben-Dama! Er hat zu ihm ( = Jischmael) gesagt: ich bringe dir einen (Schrift)beweis, daß er mich heilen darf! Aber er hatte (noch) nicht den Beweis bringen können, als er (schon) gestorben ist. Rabbi Jischmael hat gesagt: heil dir, Ben-Dama, daß du in Frieden (aus der Welt) gegangen bist und nicht den Beschluß der Weisen durchbrochen hast, denn jeder, der den Zaun der Weisen durchbricht, auf den kommt schließlich die (göttliche) Bestrafung. Wie gesagt ist: und wer den Zaun durchbricht, den beißt die Schlange (Prediger 10,8). Es geschah bei Rabbi Elieser (T. um 90), daß er wegen ketzerischer Worte gefangen gesetzt worden ist. Und man hat ihn vor ein (römisches) Tribunal zur Verurteilung gebracht. Jener Statthalter hat zu ihm gesagt: ein Alter ( = Gelehrter) wie du sollte sich mit diesen Worten beschäftigen? Er hat zu ihm gesagt: ein wahrhaftiger Richter ist über mir. Jener Statthalter dachte, daß er es nur über ihn gesagt hätte, aber er hatte (dabei) nur seinen Vater in den Himmeln im Sinn gehabt. Er hat zu ihm gesagt: weil du zu mir wahrhaftig gewesen bist, sage ich es über dich auch so; vielleicht sind jene Irrenden

Die Rabbinen und das Christentum

201

durch jene Worte umgekehrt; „dimos" 5 , siehe, du bist frei. Und als er von dem Tribunal freigelassen worden war, hat es ihn bekümmert, daß er wegen ketzerischer Worte gefangen gesetzt worden war. Seine Schüler sind eingetreten, um ihn zu trösten, aber er hat (den Trost) nicht angenommen. Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) ist eingetreten und hat zu ihm gesagt: Rabbi, ich sage ein Wort vor dir, vielleicht bist du (dann) nicht (mehr) besorgt. Er hat zu ihm gesagt: sprich! Er hat zu ihm gesagt: vielleicht hat einer von den Ketzern dir ein ketzerisches Wort gesagt, und es hat dir gefallen? Er hat gesagt: (bei den) Himmeln, du erinnerst mich! Einmal bin ich auf einer Straße von Sepphoris gegangen (und) habe Jaaqob von Kephar-Siknin getroffen, und der hat ein ketzerisches Wort im Namen von Jeschua-ben-Pantiri gesagt, und es hat mir gefallen, und ich bin wegen ketzerischer Worte gefangen gesetzt worden; denn ich hatte die Worte der Thora übertreten: halte fern von ihr deinen Weg und nahe dich nicht der Tür ihres Hauses (Sprüche 5,8), denn es sind viele Erschlagene, die sie gefällt hat usw. (Sprüche 7,26). Denn Rabbi Elieser pflegte zu sagen: für immer fliehe der Mensch das Häßliche und das, was dem Häßlichen gleicht! 1 2 3 4 5

Etwa zum Verkauf, aber nicht zum Verzehr. Ps. 1 0 6 , 2 8 . Es ist ebenfalls zur Nutznießung verboten. Rabbinische Bezeichnung für Jesus. Der Onkel des Kranken. Ein griechisches W o r t , das ein mit einer Amnestie verbundenes Fest bezeichnet.

156. Jünger Jesu Babli Sanhedrin 43 a: Eine Identifizierung mit bestimmten Jüngern Jesu (z.B. den fünf ausdrücklich berufenen) ist nicht möglich. Die Namen sind Phantasieprodukte, die Zahl eine häufig vorkommende Zahl der Schüler.

Die 11 Rabbinen haben gelehrt: fünf Schüler hat Jeschu gehabt: Mathai, Nakai, Nezer, Buni und Thoda. 1

Dieser T e x t findet sich nicht in den zensierten Thalmudausgaben.

157. Bileam - Jesus Babli Sanhedrin 106 a: Es liegt kein Grund vor, die Tradition mit Jesus zu verbinden.

Und den Bileam, den Sohn Beors, den Wahrsager (Jos. 13,22). Wahrsager? Ein Prophet ist er gewesen! Rabbi Jochanan (P. gest. 279) hat gesagt: zuerst ist er Prophet und am Ende ist er Wahrsager gewesen. Rab Pappa (B. gest. 376) hat gesagt: das ist es, was die Leute sagen: von Großen und Herrschern stammt sie, mit Tischlern hat sie gehurt.

202

III. Das rabbinische Judentum

158. Tod Jesu Babli Sanhedrin 43 a: Weder Anklage noch Todesart treffen für Jesus zu. Eine Rekonstruktion des Todes Jesu, wie er nach rabbinischem Recht für Zauberer und Volksverführer vorgesehen war. Unerklärt ist der Aufschub der Hinrichtung. Am 1 (Vor) abend des Passa hat man Jeschu gehängt. Und der Herold ist vierzig Tage vor ihm her hinausgegangen (und hat ausgerufen): er geht hinaus, um gesteinigt zu werden wegen Zauberei, und weil er Israel verführt und verlockt hat. Jeder, der eine Rechtfertigung für ihn weiß, komme und soll es über ihn lehren. Aber sie haben keine Rechtfertigung für ihn gefunden. Und sie haben ihn am (Vor)abend des Passa gehängt. 1

Der Text findet sich nicht in den zensierten Thalmudausgaben.

159. Ein anderer Bericht vom Tod Jesu Babli Sanhedrin 67a: Das Pseudonym Ben-Stada meint nicht Jesus (s. Einleitung). Und 1 ebenso hat man bei Ben-Stada in Lydda verfahren, und man hat ihn am (Vor)abend des Passa gehängt 2 . 1 2

Dieser Text findet sich nicht in den zensierten Thalmudausgaben. Es schließt sich eine Parallele zu T e x t III. 152 an.

160. Jesus und Israel Babli Gittin 5 6 b / 5 7 a : Historisch ohne Belang. Jesus erscheint als Typus in einer Reihe mit einem römischen Kaiser und dem biblischen Urbild für Ketzer. Polemische Darlegung zum Thema „Israel und die Weltvölker".

Onqelos-bar-Qaloniqos, der Schwestersohn des Titus 1 , hat Proselyt werden wollen. Er ist gegangen (und) hat Titus durch Totenbeschwörung heraufkommen lassen. Er hat zu ihm gesagt: wer ist angesehen in jener Welt? Er hat zu ihm gesagt: Israel. Wie kann man sich ihm anschließen? Er hat zu ihm gesagt: ihre Worte sind viele, und du erreichst es nicht, sie zu erfüllen; geh und bekriege sie in jener ( = dieser) Welt, und du wirst ein Oberhaupt werden. Denn es steht geschrieben: ihre Bedränger sind zum Oberhaupt geworden usw. (Klagelieder 1,5). Jeder, der Israel bedrängt, wird zum Oberhaupt gemacht. Er hat zu ihm gesagt: worin besteht dieses Mannes ( = dein) Gericht? Er hat zu ihm gesagt: in dem, was er selbst für sich bestimmt hat 2 . Jeden Tag trägt man seine Asche zusammen, richtet ihn, verbrennt sie (wieder) und zerstreut (sie) über die sieben Meere. Er ist gegangen (und) hat Bileam durch Totenbeschwörung heraufkommen lassen. Er hat zu ihm gesagt: wer ist angesehen in jener Welt? Er hat zu ihm gesagt: Israel. Wie kann man sich ihm anschließen? Er hat zu ihm gesagt: suche nicht ihren Frieden und ihr Heil alle Tage (5.Mose 23,7)! Er hat zu ihm

Die Rabbinen und das Christentum

203

gesagt: worin besteht dieses Mannes ( = dein) Gericht? Er hat zu ihm gesagt: in siedendem Samen 3 . Er 4 ist gegangen (und) hat durch Totenbeschwörung Jeschu heraufkommen lassen. Er hat zu ihm gesagt: wer ist angesehen in jener Welt? Er hat zu ihm gesagt: Israel. Wie kann man sich ihm anschließen? Er hat zu ihm gesagt: suche ihr Heil, ihr Unheil suche nicht! Jeder, der sie anrührt, ist wie einer, der seinen Augapfel anrührt. Er hat zu ihm gesagt: worin besteht dieses Mannes ( = dein) Gericht? Er hat zu ihm gesagt: in siedendem Kot. Denn 5 der Meister hat gesagt: jeder, der über die Worte der Weisen spottet, wird in siedendem Kot gerichtet. Komm (und) sieh, was die Abtrünnigen Israels von den Propheten der Weltvölker unterscheidet! 1 Titus regierte von 79 bis 81. Er bekämpfte als Heerführer Vespasians 69/70 Aufständische in Israel. Siehe Text III. 35. 2 Die folgende Schilderung der Unterweltsqual des Titus ist einer diesem Text vorangehenden Tradition entnommen. 3 Bileam hat Israel zur Unzucht verführt. 4. Mose 25. 4 Der folgende Abschnitt bis einschließlich des Meister-Wortes ist in den zensierten Texten eingeklammert. Der Name „Jeschu" ( = Jesus) wird durch „die Abtrünnigen Israels" ersetzt. 5 Dieser Ausspruch ist eine spätere Glosse. „Meister" ist der Ehrentitel eines Anonymus. Ein entsprechender Ausspruch wird an anderer Stelle von Rab Acha-bar-Ulla (B. um 300) überliefert.

b) Antichristliche

Polemik

Auch bei den wenigen Traditionen, in denen man eine ausdrückliche antichristliche Polemik der Rabbinen vermuten kann, hat eine spätere Zensur (siehe Einleitung zu Abschnitt III 4 a) eingegriffen. Einigermaßen gesichert ist die Bezugnahme auf Christus als den Menschensohn (Text III. 1 6 1 ) , doch ist diese Tradition recht spät. In ihr begegnet auch eine Polemik gegen die Himmelfahrt, die jedoch (Text III. 1 6 2 ) auch für M o s e und Elia gilt. Die verschiedensten Deutungen hat Tradition III. 1 6 3 erfahren. Die meisten Interpreten sehen hier eine Anspielung auf die Evangelien, doch läßt sich letzte Sicherheit nicht erreichen. Das Kontaktverbot „mit den N a z a r e n e r n " (Text III. 1 6 4 ) ist allerdings wohl auf die Christen zu beziehen, aber es gilt erst für die Zeit, in der die Rabbinen ausdrücklich auf Abgrenzung zu ihnen drängten (Text III. 2 1 ; vgl. T e x t III. 5 1 Abs. 12).

161. Der

Menschensohn

Jeruschalmi Thaanith 65 b, 6 8 - 7 0 : Rabbi Abbahu (P. um 300) hat gesagt: wenn ein Mensch zu dir sagt „Gott bin ich", lügt er; (sagt er) „Menschensohn bin ich", wird er es schließlich bereuen; (sagt er) „daß ich zum Himmel hinaufsteige", so sagt er es, aber er erfüllt es nicht. 162. Die

Himmelfahrt

Mekiltha Jithro Bachodesch § 4 (H.S.Horovitz-I.A.Rabin 217): Rabbi Jose (T. um 150) sagt: siehe, die (Schrift) sagt: der Himmel ist der Himmel des Herrn, und die Erde hat er den Menschenkindern gegeben (Ps.

204

III. Das rabbinische Judentum

115,16). Nicht ist Mose und (nicht ist) Elia nach oben hinaufgestiegen, und nicht ist die Herrlichkeit (Gottes) nach unten herabgestiegen. 163. Ein

Evangeliumszitat

Babli Schabbath 116ab: Imma-Schalom, die Frau von Rabbi Elieser (T. um 90) (und) Schwester von Rabban Gamliel (T. um 90) hat in ihrer Nachbarschaft einen Philosophen 1 gehabt, der hatte den Ruf, daß er keine Bestechung annehme. Sie 2 wollten sich über ihn lustig machen. Sie hat ihm eine goldene Lampe gebracht, ist vor ihn hingetreten (und) hat zu ihm gesagt: ich möchte, daß man mir einen Anteil am Vermögen des Fürstenhauses 3 gibt. Er hat zu ihr gesagt: teilt es! Sie hat zu ihm gesagt: bei uns steht geschrieben: wo ein Sohn ist, soll die Tochter nicht erben 4 . Er hat zu ihr gesagt: seit dem Tag, da ihr von eurem Land in das Exil gegangen seid, ist die Lehre des Mose aufgehoben, und es ist eine andere Lehre 5 gegeben worden, und in der steht geschrieben: Sohn und Tochter sollen zusammen erben 6 . Am folgenden Tag hat er ( = Rabban Gamliel) ihm einen lybischen Esel gebracht. Der (Philosoph) hat zu ihm gesagt: ich habe das Buch bis zum Ende durchforscht, und es steht darin geschrieben: ich, Evangelium 7 , bin nicht gekommen, die Lehre des Mose zu vermindern; ich bin gekommen, zur Lehre des Mose hinzuzufügen 8 , und in der steht geschrieben: wo ein Sohn ist, soll die Tochter nicht erben. Sie ( = Imma-Schalom) hat zu ihm gesagt: laß dein Licht leuchten wie die Lampe 9 ! Rabban Gamliel hat gesagt: der Esel 1 0 ist gekommen und hat die Lampe umgestoßen. 1 Ein Heidenchrist. Es liegt wohl nicht eine Verwechslung von „philosophus" und „episcopus" ( = Bischof) vor, wie vermutet worden ist. 2 Rabban Gamliel und seine Schwester. 3 4

Rabban Gamliel führte den Ehrentitel „Fürst". Vgl. 4. Mose 2 7 , 1 - 1 1 .

5 So der zensierte Text. Unzensierte Textzeugen lesen einen Ausdruck, der eine bewußte Verstümmelung aus „Evangelium" ist. 6 7 8

Eine solche Vorschrift findet sich nirgends in der Bibel. Die zensierten Texte haben hier entweder eine Lücke oder lesen: ein anderes Buch. Vgl. M t . 5 , 1 7 .

Vgl. M t . 5 , 1 4 - 1 6 . Das aramäische W o r t „ c h a m r a " ist eine Anspielung auf das hebräische W o r t für Scheffel „chomer". Es liegt also eine Verkehrung von Mt. 5 , 1 5 vor. 9

10

164.

Kontaktverbot

Babli Aboda sara 6 a : Rab Thachlipha-bar-Ebdimi (B. um 280) hat gesagt, Schemuel (B. gest. 254) habe gesagt: nach den Worten von Rabbi Jischmael (T. gest. um 135) ist (der Handel) mit den Nazarenern 1 für immer verboten. 1

Der zensierte T e x t ist an dieser Stelle ohne Sinn.

Die Rabbinen und das Christentum

205

c) Herkunft und Titel (Name) des Messias Auf die biblische Herkunft des Messias legten die Rabbinen großen Wert, was sich auch aus der allgemeinen Hochschätzung der Abstammung erklären läßt (vgl. Abschnitt III 3 a). Vor allem bei den Rabbinen des 3. und 4 . Jahrhunderts war die Herkunft des Messias ein beliebtes Diskussionsthema, wobei durchaus verschiedene Thesen vertreten und begründet wurden. Mit der Herrschaft Davids wird der Messias eng verbunden (Text III. 165), was kunstvoll aus der Schrift belegt wird (Text III. 166). Aber auch andere Vorfahren wie Nachschon und Perez (Ruth 4 , 1 8 - 2 2 ) werden erwähnt (Text III. 1 6 6 - 1 6 7 ) . David erscheint so als Verbindung zwischen den älteren Angehörigen des Stammes Juda und dem Messias, der auch aus dem Stamm Juda erwartet wird (Text III. 168). Indem man den Messias in jedem Fall erst in der Zukunft erwartete (Text III. 1 6 9 Ende!), war für die Gegenwart sein Name von großer Bedeutung, denn aus ihm konnte man ersehen, welcher Art die messianische Herrschaft sein würde (Texte III. 1 6 9 - 1 7 0 ) . Hatte man den Namen aus der Schrift erschlossen, gab diese wiederum Aufschluß über den erwarteten Messias.

165. Ruth als Ahnfrau des Messias Babli Sanhedrin 93 ab: Rabbi Thanchum (P. um 280) hat gesagt, Bar-Qappara (T. um 220) habe in Sepphoris vorgetragen: was (bedeutet), was geschrieben steht: diese sechs Gersten hat er mir gegeben (Ruth 3,17)? Was (sind diese) „sechs Gersten"? Soll man sagen: es waren wirklich sechs Gerstenkörner? Aber wie? War es die Weise des Boas, als Geschenk sechs Gerstenkörner zu geben? Vielmehr waren es sechs Sea ( = ca. 72 kg)! Aber wie? Ist es die Weise einer Frau, sechs Sea zu tragen? Vielmehr hat er ihr einen Wink gegeben, daß zukünftig sechs Söhne aus ihr hervorgehen würden, die mit sechs Segnungen gesegnet sein würden. Und dieses sind sie: David und der Messias, Daniel, Chananja, Mischael und Asarja 1 . 1

Dan. 3 , 8 ff.; 1 , 6 f. Es folgt jetzt ein ausführlicher Schriftbeweis wie in T e x t III. 1 6 6 .

166. Schriftbeweis

zur

Herkunft

Bemidbar Rabba 13,11 (Wilna53a): Warum ist „Böcke" (4. Mose 7,17) voll geschrieben, (der Buchstabe) „vav" ist (doch) überflüssig1? Entsprechend den sechs Söhnen aus Nachschon 2 , den Inhabern von sechs Segnungen. Und das sind sie: David, Messias, Daniel, Chananja, Mischael und Asarja. David, denn es steht geschrieben: er verstehet zu spielen usw. (l.Sam. 16,18). Messias, denn es steht geschrieben: und auf ihm wird der Geist des Herrn ruhen (Jes. 11,2). Ein Geist der Weisheit und Einsicht (Jes. 11,2): siehe, zwei. Ein Geist des Rats und der Stärke (Jes. 11,2): siehe, (zusammen) vier. Ein Geist des Wissens und der Furcht des Herrn (Jes. 1,2): siehe, (zusammen) sechs. Woher Daniel, Chananja, Mischael und Asarja? Wie geschrieben steht: und es waren unter ihnen von den Söhnen

206

III. Das rabbinische Judentum

Judas: Daniel, Chananja usw. (Dan. 1,6). Kinder, an welchen war, und die in aller Weisheit nachdachten usw. (Dan. 1,4).

kein

Fehl

1 Das hebräische W o r t für „Böcke" kann mit oder ohne den Buchstaben „ v a v " (voll oder vermindert) geschrieben werden. Dieser Buchstabe hat zugleich den Zahlenwert 6, worauf die folgende Deutung fußt. 2

4 . Mose 7 , 1 2 - 1 7 ; Ruth 4 , 1 8 - 2 2 .

167. Perez als Ahnherr des Messias Schemoth Rabba 30,3 (Wilna 52b): Du findest: jedes (Wort) „Abstammungen" in der Schrift ist vermindert geschrieben, außer (bei) zwei (Stellen): jenes sind die Abstammungen des Himmels und der Erde (1. Mose 2,4). Und jenes sind die Abstammungen des Perez (Ruth 4 , 1 s ) 1 . Und die (Stellen) haben einen großen ( = gewichtigen) Grund. Warum? Die (Schrift) hat gesagt: jenes sind die Abstammungen des Himmels und der Erde (1.Mose 2,4). (Das Wort „Abstammungen" ist hier) voll (geschrieben), weil der Heilige, gepriesen sei er, seine Welt erschaffen hatte, aber der Todesengel noch nicht in der Welt war. Und deshalb ist das (Wort hier) voll geschrieben. Aber als Adam und Eva gesündigt hatten, hat der Heilige, gepriesen sei er, jedes (Wort) „Abstammungen" in der Schrift (um den Buchstaben „vav") vermindert. Aber als Perez erstand, wurde sein (Wort) „Abstammungen" voll geschrieben, denn aus ihm ersteht der Messias, und in dessen Tagen verschlingt der Heilige, gepriesen sei er, den Tod. Wie gesagt ist: er verschlingt den Tod auf ewig (Jes. 25,8). 1 Das W o r t „Abstammungen" kann mit oder ohne den Buchstaben „ v a v " (voll oder vermindert) geschrieben werden.

168. Messias aus dem Stamm Juda Thanchuma Vajjescheb § 13 (S.Buber 92 b): Und dort sah Juda (1.Mose 38,2). Einer hat geliebt und ist belohnt worden, und einer hat geliebt und hat Schaden genommen. Einer hat gestohlen und ist belohnt worden, und einer hat gestohlen und hat Schaden genommen. Einer hat gestohlen und ist belohnt worden. Das war Pinchas 1 . Einer hat gestohlen und hat Schaden genommen. Das war Akan 2 . Einer hat geliebt und hat Schaden genommen. Das war Simri 3 . Einer hat geliebt und ist belohnt worden. Das war Juda 4 . Denn aus ihm sind Perez und Chezron erstanden, die zukünftig David und den Messias-König erstehen lassen sollen. Der (letztere) wird zukünftig Israel erlösen. Siehe, wieviel Umwege der Heilige, gepriesen sei er, gemacht hat, bevor er den Messias-König aus Juda erstehen lassen kann, den, über den geschrieben steht: und auf ihm wird der Geist des Herrn ruhen (Jes. 11,2)! 1 2

4 . Mose 2 5 , 7 f . Josua 7 , 1 ff.

3

l.Kg. 16,9ff.; 2.Kg. 9,30ff.

4

1 . M o s e 3 8 , Iff.

Die Rabbinen und das Christentum

207

169. Name und Herkunft des Messias Jeruschalmi Berakoth 5 a, 1 0 - 2 9 : Die Rabbinen 1 sagen: dieser König, der Messias: wenn er von den Lebenden sein wird, ist sein Name David, (und) wenn er von den Entschlafenen sein wird, ist sein Name David. Rabbi Thanchuma (P. um 380) hat gesagt: ich sage den Grund: der Gnade tut an seinem Messias, dem David (Ps. 18,51). Rabbi Jehoschua-ben-Levi (P. um 250) hat gesagt: „Zemach" ( = Sproß) ist sein Name 2 . Rabbi Judan (P. um 350) hat im Namen von Rabbi Aibo (P. um 320) gesagt: „Menachem" ( = Tröster) ist sein Name 3 . Chanina-birja-de-Rabbi-Abbahu (P. um 340) hat gesagt: aber das ist keine Meinungsverschiedenheit! Der Zahlenwert von diesem (Wort „zemach") ist wie der Zahlenwert von jenem (Wort „menachem") 4 . Jenes (Wort) „zemach" ist (wie) jenes (Wort) „menachem". Aber dieses unterstützt das, was Rabbi Judan im Namen von Rabbi Aibo gesagt hat: es geschah bei einem Juden, der dastand (und) gepflügt hat, (und) seine Kuh hat gebrüllt. Ein Araber ist vorbeigegangen und hat ihr Geschrei gehört. Er hat zu ihm gesagt: Jude, Jude, schirr deine Kuh ab und schirr deine Pflugschar ab, denn das Haus des Heiligtums ist zerstört! Sie hat wiederum gebrüllt. Er hat zu ihm gesagt: Jude, Jude, schirr deine Kuh an und schirr deine Pflugschar an, denn der Messias-König ist geboren! Er hat zu ihm gesagt: wie ist sein Name? „Menachem". Er hat zu ihm gesagt: und wie ist der Name seines Vaters? Er hat zu ihm gesagt: Hiskia. Er hat zu ihm gesagt: von wo ist er? Er hat zu ihm gesagt: aus dem Königspalast von Bethlehem in Judäa. Er ist gegangen, hat seine Kuh verkauft und hat seine Pflugschar verkauft und ist zum Leinenverkäufer für Kinder geworden. Und er ist von Stadt zu Stadt gegangen, bis er in jene Stadt (Bethlehem) gekommen ist. Und alle Frauen haben (von ihm) gekauft, aber die Mutter von Menachem hat nichts (von ihm) gekauft. Er hat das Geschrei der Frauen gehört, wie sie sagten: Mutter Menachems, Mutter Menachems, komm (und) kaufe für deinen Sohn! Sie hat gesagt: ich möchte ihn erwürgen, den Feind Israels, denn an dem Tag, da er geboren wurde, ist das Haus des Heiligtums zerstört worden. Der (Jude) hat zu ihr gesagt: wir sind sicher, daß es seinetwegen zerstört worden ist und seinetwegen (wieder) erbaut werden wird. Sie hat zu ihm gesagt: ich habe kein Geld. Er hat zu ihr gesagt: aber weshalb sorgst du dich? Komm und kaufe für ihn! Wenn du heute keines hast, komme ich nach einigen Tagen und nehme es. Nach einigen Tagen ist er in jene Stadt (zurück)gekommen. Er hat zu ihr gesagt: was macht das Kind? Sie hat zu ihm gesagt: von der Stunde an, da du mich gesehen hast, sind Winde und Stürme gekommen und haben es aus meinen Händen gerissen. Eine Parallele hat als Tradent Rabbi Schemuel-bar-Jizchaq (P. um 300). Sach. 6 , 1 2 . 3 Klagelieder 1,16. 4 Hebräische Buchstaben sind zugleich Zahlen. Beide Worte („zemach" und „menachem") haben denselben Zahlenwert 138. 1

2

208

III. Das rabbinische Judentum

170. Namen des Messias Eka Rabbathi 1,52 (S. Buber 4 4 b - 4 5 b ) : Denn fern von mir ist der Tröster, der meine Seele labt (Klagelieder 1,16). Was ist der Name des Messias-Königs? Rabbi Abba-bar-Kahana (P. um 310) hat gesagt: Herr ist sein Name. Wie gesagt ist: und dieses ist sein Name, mit dem man ihn ruft: Herr, unsere Gerechtigkeit (Jer. 23,6). Denn Rabbi Levi (P. um 300) hat gesagt: es ist gut für einen Bezirk, wenn sein Name wie der Name seines Königs und der Name seines Königs wie der Name seines Gottes ist. Es ist gut für einen Bezirk, wenn sein Name wie der Name seines Königs ist. Denn es steht geschrieben: und der Name der Stadt soll von heute an sein: Herr ist ihr Name1 (Hesekiel 48,35). Und der Name seines Königs wie der Name seines Gottes. Wie gesagt ist: und dieses ist sein Name, mit dem man ihn ruft: Herr, unsere Gerechtigkeit (Jer. 2 3 , 6 ) 2 . In der Schule von Rabbi Schela (B. um 220) hat man gesagt: „Schilo" ist der Name des Messias. Wie gesagt ist: bis daß Schilo kommt (1. Mose 49,10). „Schela" steht geschrieben 3 ! In der Schule von Rabbi Chanina (P. um 225) hat man gesagt: „Chanina" ( = Erbarmen) ist sein Name. Wie gesagt ist: der ich euch nicht „Chanina" geben werde (Jer. 16,13) 4 . In der Schule von Rabbi Jannai (P. um 225) hat man gesagt: „Jinnon" ist sein Name. Denn es steht geschrieben: vor der Sonne war Jinnon sein Name (Ps. 92,17). Rabbi Bibi von Serungin (P. 4. Jh.?) hat gesagt: „Nehira" ( = Erleuchteter) ist sein Name. Wie gesagt ist: und „Nehora" wohnt mit ihm (Dan. 2,22). „Nehira" steht geschrieben 5 ! 1 Das im Text stehende hebräische W o r t kann auch so verstanden werden. Der Bibelvers meint: Der Herr ist dort. 2 3

Es folgt jetzt mit Abweichungen eine Parallele zu T e x t III. 1 6 9 , die hier nicht übersetzt ist. Im Bibeltext steht „schela" geschrieben. Gelesen wurde jedoch immer „schilo".

Dieser Vers steht in einer Gerichtsrede über Israel. Das geschriebene „nehira" wurde „nehora" gelesen. Es folgt jetzt eine Parallele zu T e x t III. 1 6 9 . 4

5

d) Typen der

Messiasvorstellung

Die Erwartung des Messias fand zu verschiedenen Zeiten und Umständen verschiedenen Ausdruck. Die Form dieser Traditionen ist in der Regel homiletisch-exegetisch, was die historische Einordnung der jeweiligen Tradition erschwert oder unmöglich macht. Die vorliegenden Beispiele können also nichts anderes sein als eine Auswahl aus dem Spektrum der Vorstellungsmöglichkeiten, die sich aus dem W o r t „Messias" ergeben haben. Wir finden seine Präexistenz bezeugt in einer Art Kosmologie präexistenter „Geschöpfe" (Text III. 171), doch ist „Messias" wesentlich eher eine futurische Größe. Über die Art seines Kommens werden Überlegungen angestellt (Text III. 172), und seine Herrschaftsdauer reicht in den verschiedenen Meinungen von 4 0 Jahre bis 7 0 0 0 Jahre (Text III. 173). Von den „Tagen des Messias" wurde Entscheidendes, aber nicht Endgültiges erwartet (vgl. aber Text III. 193). Auf eine ganz eigene Weise

Die Rabbinen und das Christentum

209

und aus eigenen Gründen haben die Rabbinen in ihrem Denken ein ähnliches Modell hervorgebracht wie die Theologen des frühen Christentums. Bedingt durch die Nichtübereinstimmung von „Gottes Zeit" und „Jetztzeit" und durch die Einsicht, daß es sich hierbei um zwei nur im Endpunkt zusammenlaufende Größen handelt, wurde von den Rabbinen, die nicht vor dem Problem einer Verzögerung des Wiederkommens Christi (Parusieverzögerung) standen, ebenfalls eine dreifache Zeitfolge angenommen: Jetztzeit, Tage des Messias, die zukünftige Welt als der endgültige Herrschaftsbereich Gottes (Text III. 173). Es konnte so zu globalen Weltbetrachtungen kommen, wie sie bereits im Alten Testament angelegt und in der Apokalyptik breit ausgemalt wurden, in denen den gegenwärtige Weltreichen die Herrschaft des zukünftigen Messias entgegengestellt wird (Text III. 174). Das Entscheidende (das Ende der Weltreiche) ist Tat des Messias, das Endgültige (die Herrschaft Gottes) die zwingende Folge daraus (Text III. 175). Daß sich beides gelegentlich überdeckt, so daß bereits mit dem Kommen des Krieg führenden Messias die endgültige Herrschaft für Israel eintritt, ist die Eigenart solcher Modelle, die eine komplizierte Entstehungsgeschichte haben (Text III. 176). So kann auch Gott den entscheidenden Krieg führen und der Messias (scheinbar!) passiv die Thora wie ein Rabbi studieren (Text III. 177). Hier treffen die beiden Größen der gegenwärtigen Offenbarung Gottes (die Thora) und der erwarteten Heilszukunft konkurrierend aufeinander. Es handelt sich jedoch nicht um sich ausschließende Größen, sondern, wie die kunstvollen Auslegungen der Schrift in dem vorherigen und in diesem Abschnitt zeigen, um zwei sich ergänzende Größen in dem Sinn, daß „Messias" von der Thora aus erklärt wird (vgl. Text III. 178). Eine messianisch erklärte Thora ist den Rabbinen fremd; es werden nur einzelne Stellen messianisch gedeutet. Die im rabbinischen Judentum eigenartig wirkenden Gedanken eines an seinem eigenen Verzögertwerden leidenden Messias oder eines leidenden und getöteten Messias (Texte III. 179—181) sind erst im 2. Jahrhundert mit Sicherheit nachweisbar; ihr Hintergrund ist noch nicht eindeutig erklärt. Einzelne Stimmen, die die Ankunft (oder Wiederkunft?) des Messias überhaupt in Frage stellen, werden nicht akzeptiert und widerlegt (Text III. 182). Die Hauptrichtung geht dahin, daß der Grad der Erwartung und die Fragestellung („wann kommt der Messias?" o.ä. in den Texten III. 1 7 3 - 1 7 5 , 179, 183) Ungeduld und Hoffnung wach gehalten haben. Man begnügte sich nicht mit Vertröstungen, sondern drang auf Verwirklichung des Erhofften, wie aus der Zeichenforderung besonders deutlich wird (Text III. 183).

171.

Präexistenz

des

Messias

Babli Pesachim 5 4 a: Es wird gelehrt: sieben Dinge sind erschaffen worden, bevor die Welt erschaffen worden ist. Und das sind sie: die Thora und die Buße und der Garten Eden und die Unterwelt und der (Gottes)thron der Herrlichkeit und das Heiligtum und der N a m e des Messias 1 . Die Thora, denn es steht geschrieben: der Herr hat mich gebildet als Erstling seines Weges (Sprüche 8 , 2 2 ) . Die Buße, denn es steht geschrieben: bevor die Berge geboren waren (Ps. 9 0 , 2 ) . Und es steht geschrieben: du läßt den Menschen bis zum Staub Buße tun und sprichst: tut Buße, Menschenkinder (Ps. 9 0 , 3 ) ! Der Garten Eden, denn es steht geschrieben: und der Herr, Gott, pflanzte einen Garten in Eden nach Osten hin2 ( 1 . M o s e 2 , 8 ) . Die Unterwelt, denn es steht geschrieben: denn längst ist die Brandstätte bereitet worden (Jes. 3 0 , 3 3 ) . Der 14

Kippenberg, Textbuch

210

III. Das rabbinische Judentum

(Gottes)thron der Herrlichkeit und das Heiligtum, denn es steht geschrieben: ein Thron der Herrlichkeit, erhaben von Anfang an, ist der Ort unseres Heiligtums (Jer. 17,12). Der Name des Messias, denn es steht geschrieben: sein Name sei in Ewigkeit, vor der Sonne sproßte sein Name (Ps. 72,17). 1 Für „ N a m e des Messias" hat die spätere Parallele Midrasch Thehillim 9 3 , 3 (S. Buber 2 0 7 b) die Lesart: der Messias-König. 2 Der Ausdruck „nach Osten hin" kann im Hebräischen auch die Bedeutung „vordem" haben.

172. Das Kommen des Messias Babli Sanhedrin 98 a: Rabbi Aleksandrai (P. um 270) hat gesagt, Rabbi Jehoschua-ben-Levi (P. um 250) habe einen Widerspruch festgestellt. Es steht geschrieben: und siehe, er kam mit den Wolken des Himmels heran wie ein Menschensohn (Dan. 7,13). Und es steht geschrieben: demütig ist er und reitet auf einem Esel (Sach. 9,9). Haben sie ( = Israel) Verdienst, (kommt er) mit den Wolken des Himmels; haben sie kein Verdienst, (kommt er) demütig und reitet auf einem Esel. 173. Die Tage des Messias Thanchuma Eqeb § 7 (Warschau 105 a): Und wie lange (dauern) die Tage des Messias? Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) sagt: vierzig Jahre. Wie Israel vierzig Jahre in der Wüste verbracht hat. Und der (Messias) schleppt sie fort und läßt sie in die Wüste hinausziehen und läßt sie Salz und Ginster essen. Wie gesagt ist: sie pflücken Salz am Strauch, und Ginsterwurzel ist ihr Brot (Hi. 30,4). Rabbi Elieser (T. um 90) 1 sagt: hundert Jahre. Rabbi Berekja (P. um 340) sagt im Namen von Rabbi Dosa (P. um 300): sechshundert Jahre. Rabbi (T. gest. um 217) sagt: vierhundert Jahre. Wie gesagt ist: wie in den Tagen deines Auszugs aus Ägyptenland will ich es Wunder sehen lassen (Mi. 7,15). Wie (der Aufenthalt in) Ägypten vierhundert Jahre (betrug), (so dauern) auch die Tage des Messias vierhundert Jahre. Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: tausend Jahre. Wie gesagt ist: erfreue uns (solange) wie die Tage unserer Bedrückung (Ps. 9 0 , 1 5 ) 2 ! Rabbi Abbahu (P. um 300) sagt: siebentausend Jahre. Wie gesagt ist: wie der Bräutigam an der Braut seine Freude hat, so werden deine Kinder an dir ihre Freude haben (Jes. 62,5). Wie die Tage des (Hochzeits)gelages sieben Tage (betragen), (so dauern) auch die Tage des Messias siebentausend Jahre. Unsere Lehrer haben gesagt: zweitausend Jahre. Wie gesagt ist: denn der Tag der Rache ist in meinem Herzen, und das Jahr meiner Erlösung ist gekommen (Jes. 63,4) 3 .

Die Rabbinen und das Christentum

211

Und nach den Tagen des Messias kommt die zukünftige Welt, und der Heilige, gepriesen sei der, wird in seiner Herrlichkeit aufstrahlen und seinen Arm sehen lassen. Wie gesagt ist: entblößt hat der Herr seinen heiligen Arm vor den Augen aller Heiden, Und alle Enden der Erde sehen die Hilfe unseres Gottes (Jes. 52,10). In jener Stunde sehen die Israeliten den Heiligen, gepriesen sei er, in seiner Herrlichkeit. Wie gesagt ist: denn Auge in Auge werden sie sehen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt (Jes. 52,8). Hier ist wohl Eleasar (T. um 150) zu lesen. Dieses Zitat ist mit dem weiter unten folgenden Zitat Jes. 6 3 , 4 zu vertauschen. Der Plural „Tage" (Ps. 9 0 , 1 5 ) meint 2 0 0 0 Jahre, der Singular „ T a g " (Jes. 6 3 , 4 ) meint 1 0 0 0 Jahre. Siehe Ps. 9 0 , 4 . 1

2

3

Siehe die vorherige Anmerkung.

174. Der Messias und die

Weltreiche

Bereschith Rabba 2 , 4 (J.Theodor-Ch. Albeck 16f.): Rabbi Schimeon-ben-Laqisch (P. um 250) hat einen Schriftvers auf die Königreiche gedeutet: und die Erde war Wüstes (1.Mose 1,2). Das ist Babylon. Wie gesagt ist: ich sah die Erde, und siehe, Wüstes (Jer. 4,23). Und Leeres („bohu") (l.Mose 1,2). Das ist Medien. Und man eilte („jabhilu"), Haman zu bringen (Est. 6,14). Und Finsternis (l.Mose 1,2). Das ist Griechenland, das die Augen von Israel durch seine Beschlüsse verfinstert hat, denn es hat zu Israel gesagt: schreibt auf das Ochsenhorn, daß ihr keinen Anteil am Gott Israels habt 1 ! Auf dem Angesicht der Urflut (l.Mose 1,2). Das ist diese frevlerische Herrschaft ( = Rom). Wie diese Urflut unermeßlich ist, ist auch die frevlerische Herrschaft unermeßlich. Und der Geist Gottes schwebte (l.Mose 1,2). Das ist der Geist des Messias. Das ist es, was du sagst: und auf ihm ruht der Geist des Herrn (Jes. 11,2). Durch welches Verdienst nähert er sich, auf dem Angesicht der Wasser schwebend? Durch das Verdienst der Umkehr, die mit dem Wasser verglichen wird 2 . Wie gesagt ist: schütte aus wie Wasser dein Herz (Klagelieder 2,19)! 1 Eine Anspielung auf einen hellenistischen Kult in Palästina, in dem der Abfall vom Judentum öffentlich dokumentiert wurde. 2

Hier ist wohl an Bußtränen gedacht.

175. Der Messias als

Kriegsheld

Debarim Rabba 1,20 (Wilna 100a): Die Israeliten haben vor dem Heiligen, gepriesen sei er, gesagt: Herr der Welt, wie lange werden wir durch seine ( = Roms) Hand geknechtet sein? Er hat zu ihnen gesagt: bis jener Tag kommt, über den geschrieben steht: hervorgetreten ist ein Stern aus Jakob, und ein Stab erhob sich aus Israel (4. Mose 24,17). Wenn ein Stern aus Jakob ( = der Messias) hervorgekommen ist und das Stroh von Esau ( = Rom) verbrannt hat. Woher? Wie gesagt ist: und das Haus Jakob wird Feuer sein, und das Haus Josephs wird Flamme sein

III. Das rabbinische Judentum

212

usw. (Obadja 18). Der Heilige, gepriesen sei er, hat gesagt: in jener Stunde lasse ich meine Herrschaft erstrahlen und werde über euch König sein. Wie gesagt ist: und Helfer werden auf den Berg Zion steigen usw. (Obadja 21). 176. Der Messias als Kriegskönig Thanchuma Theruma § 6 (S.Buber 46b): Und er ( = Daniel) hat den Messias-König gesehen. Wie gesagt ist: du hast geschaut, bis daß ein Stein losgerissen wurde usw. (Dan. 2,34). Resch-Laqisch (P. um 250) hat gesagt: das ist der Messias-König. Und er traf das Bild an seinen Füßen (Dan. 2,34). Alle Königreiche, die auf dem Bild abgebildet waren. Und durch welches Verdienst ist der Messias-König mit einem Stein verglichen worden? Durch das Verdienst Jakobs. Wie gesagt ist: von wo der Hirt, der Stein Israels (1. Mose 49,24). Der Stein wurde vom Felsen losgerissen (Dan. 2,45). Denn er wird die ganze Welt vernichten. Wie gesagt ist: und er schlägt das Land mit dem Stab seines Mundes (Jes. 11,4). In jener Stunde wird Israel in Ruhe und Sicherheit wohnen. Wie gesagt ist: und sie wohnen darauf in Sicherheit (Hesekiel 28,26). 177. Der Messias als Friedensfürst Midrasch Thehillim 110,4 (S.Buber 233 b): Und so sagt er ( = Gott) zum Messias: und hergerichtet worden ist sein Thron durch Gnade, und er wird darauf sitzen mit Wahrheit im Zelt Davids (Jes. 16,5). Der Heilige, gepriesen sei er, hat gesagt: er wird sitzen, und ich werde Krieg führen. Darum: und er wird darauf sitzen mit Wahrheit im Zelt Davids (Jes. 16,5). Und was soll er tun? Lesen und lernen in der Thora, die Wahrheit genannt wird. Wie gesagt ist: die Rechte des Herrn sind Wahrheit (Ps. 19,10). Und es steht geschrieben: Wahrheit erwirb und verkaufe sie nicht (Sprüche 23,23). Das meint: under wird darauf sitzen mit Wahrheit (Jes. 16,5). 178. Ein messianischer

Hohepriester

Babli Sukka 52 b: Und der Herr ließ mich vier Schmiede sehen (Sach. 2,3). Wer sind diese vier Schmiede? Rab Chana-bar-Bisna (B. um 260) hat gesagt, Rabbi Schimeon der Fromme (B. um 210) habe gesagt: das sind der Messias-ben-David, der Messias-ben-Joseph, (der in der Endzeit erwartete Prophet) Elia und der Priester der Gerechtigkeit ( = der messianische Hohepriester). 179. Der leidende Messias Babli Sanhedrin 98 a: Rabbi Jehoschua-ben-Levi (P. um 250) hat den (Propheten) Elia getroffen, der am Eingang der Höhle von Rabbi Schimeon-ben-Jochai (T. um 150) stand ... Er hat zu ihm gesagt: wann kommt der Messias? Er hat zu ihm gesagt: geh, frage ihn selber! Und wo befindet er sich? Am Eingang der Stadt 1 . Und was ist sein Zeichen? Er sitzt bei den Elenden, die mit Krankheiten be-

Die Rabbinen und das Christentum

213

laden sind, und sie alle binden (ihre Wunden) auf einmal auf und (dann wieder) zu. Aber er bindet (jeweils) eine auf und (dann wieder) zu. Er sagt: vielleicht werde ich (zur Erlösung) verlangt, dann soll es sich nicht verzögern. Er ist zu ihm gegangen (und) hat zu ihm gesagt: Friede sei über dir, Rabbi und Meister! Er hat zu ihm gesagt: Friede sei über dir, Bar-Levi! Er hat zu ihm gesagt: wann kommt der Meister? Er hat zu ihm gesagt: heute. Er ist zu Elia (zurück)gegangen. Der hat zu ihm gesagt: was hat er zu dir gesagt? Er hat zu ihm gesagt: Friede sei über dir, Bar-Levi! Er hat zu ihm gesagt: er hat dich und deinen Vater 2 der zukünftigen Welt versichert. Er hat zu ihm gesagt: er hat mich belogen, denn er hat zu mir gesagt: heute komme ich —, und er ist nicht gekommen. Er hat zu ihm gesagt: dieses hat er zu dir gesagt: heute, wenn ihr auf seine Stimme hören werdet (Ps. 95,7). 1 2

Andere Textzeugen lesen: Am Eingang Roms. „Levi" ist der Vatername von Jehoschua.

180. Der Messias

Ben-Joseph

Babli Sukka 52 a: Die Rabbinen haben gelehrt: zum Messias-ben-David, der schnell, in unseren Tagen offenbar werden soll, sagt der Heilige, gepriesen sei er: erbitte etwas von mir, und ich werde es dir geben! Wie gesagt ist: ich werde den Beschluß erzählen usw. Ich habe dich heute gezeugt. Erbitte es von mir, und ich gebe dir die Völker zum Erbe (Ps. 2,7f.)! Aber wenn er sieht, wie der Messiasben-Joseph getötet wird, sagt er vor ihm: Herr der Welt, ich wünsche mir von dir nur Leben. Er sagt zu ihm: bevor du „Leben" gesagt hast, hat dein Vater David bereits über dich phrophezeit. Wie gesagt ist: Leben erbat er von dir, du hast es ihm gegeben usw. (Ps. 21,5). 181. Trauer um den getöteten

Messias-ben-Joseph

Babli Sukka 52a: Und das Land wird trauern (Sach. 12,12) ... Was ist mit dieser Trauer? Darüber sind Rabbi Dosa (T. um 180) und die Rabbinen geteilter Meinung gewesen. Einer hat gesagt: über den Messias-ben-Joseph, der getötet wird. Und einer hat gesagt: über den bösen Trieb, der getötet wird. 182. Leugnung der

Wiederkunft

Babli Sanhedrin 99 a: Rabbi Hillel (P. um 300) sagt: es gibt keinen Messias (mehr) für Israel, denn sie haben ihn bereits in den Tagen Hiskias genossen. Rab Joseph (B. gest. 333) hat gesagt: sein Herr ( = Gott) möge ihm, dem Rabbi Hillel, vergeben! Wann ist Hiskia gewesen? Während des ersten Tempels! Aber Sacharja hat (noch danach) während des zweiten Tempels prophezeit und gesagt: freue dich sehr, Tochter Zion, juble, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und helfend ist er, demütig ist er und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen der Eselinnen (Sach. 9,9).

214 183.

III. Das rabbinische Judentum

Zeichenforderung

Babli Sanhedrin 9 8 ab: Seine Schüler haben den Rabbi Jose-ben-Qisma (T. um 110) gefragt: wann kommt der Sohn Davids? Er hat gesagt: ich fürchte, ihr wünscht ein Zeichen von mir! Sie haben zu ihm gesagt: wir wünschen kein Zeichen von dir. Er hat zu ihnen gesagt: wenn dieses T o r fällt und erbaut wird, fällt und erbaut wird, fällt, und es nicht gelingt, es zu erbauen — dann kommt der Sohn Davids. Sie haben zu ihm gesagt: unser Lehrer, gib uns ein Zeichen! Er hat zu ihnen gesagt: aber habt ihr nicht zu mir gesagt, daß ihr von mir kein Zeichen wünscht? Sie haben zu ihm gesagt: trotzdem! Er hat zu ihnen gesagt: wenn es so ist, werde ich das Wasser der Pamjashöhle 1 in Blut verwandeln. Und es ist in Blut verwandelt worden. 1

Pamjas oder Panjas bezeichnet Caesarea Philippi.

e) Die

Endzeit

Das rabbinische Denken über die Endzeit erschöpft sich nicht in der Messianologie. Indem der Messias zwar entscheidende aber nicht endgültige Funktion und zudem eine ausschließlich futurische Eigenschaft hat, kommt es zu einer Eschatologie, in der Gott das Zentrum ist. Wenn in der Eschatologie des Christentums der Wiederkommende mit dem Gekommenen korrespondiert, korrespondiert bei den Rabbinen der alleinige Gott der Endzeit mit dem alleinigen Gott des biblischen Bekenntnisses (5.Mose 6,4). Damit ist eine breitere Ausmalung der endzeitlichen Geschehnisse möglich als in einer allein auf den Messias zentrierten Eschatologie (Text III. 184). Was geschehen wird, hat seinen Schwerpunkt nicht in dem Tun des Messias, sondern in den Taten in der endzeitlichen Welt. „Messias" ist zu einer eschatologischen Chiffre geworden. Gedankengut der Apokalyptik wird aufgegriffen wie etwa die „messianischen Wehen" (Texte 111.185,192) und die gegenwärtigen Leiden als Vorstufe (Text III. 186), und in der homiletischen Exegese findet sich der schon bei der rabbinischen Messianologie beobachtete Grundzug, daß sich Thora und Endzeit gegenseitig auslegen (Text III. 187), was sich auch in der Typologie vom ersten und letzten Erlöser niederschlägt (Texte 111.188,189). Das Gericht am vorläufigen oder endgültigen Ende der Zeit wird in verschiedenen Vorstellungen entfaltet. Aus der Fülle der Aspekte können hier nur einige wenige dargeboten werden, die Hauptmerkmale aufzeigen. Gottes Gericht ist durch ständigen Bezug zur Welt gekennzeichnet und insofern auch präsentisch (Text III. 191; vgl. Text III. 97). Das eschatologische Gericht jedoch ist weltweit gedacht (Text III. 192), wobei die weltweite Vernichtung der Heiden entweder in den Tagen des Messias (Text III. 193) oder in der theozentrisch konzipierten Endzeit (Texte III. 194.195) erfolgt. Auch hier ist aber im Gedanken des eschatologischen Gerichts der Zusammenhang von Gott und Israel nicht aufgegeben, so daß beide sogar zusammen als Richter auftreten können (Text III. 194). Dieser Gedanke ist keineswegs ungewöhnlich, sondern wurzelt im Gedanken der richterlichen Übereinstimmung von himmlischem und irdischem Gerichtshof, wie er im Thalmudtraktat Sanhedrin ( = Gerichtshof) mehrfach ausgeführt ist (vgl. Text III. 88). Besonders beliebt war die Berechnung des endzeitlichen Anfangs, die schon bei den Tagen des Messias eine große Rolle gespielt hat (Text III. 190; vgl. Text III. 173). Doch gegen diese Berechnungen wurde polemisiert, weil sich die Hoffnung auf Gott nicht in Zeit-

Die Rabbinen und das Christentum

215

räumen berechnen läßt (Text III. 196; vgl. Einleitung zu Abschnitt III 4d). Daß es sich hier aber keineswegs um ein Hoffen jenseits der Weltwirklichkeit handelt, sondern daß diese Hoffnung an die Wirklichkeit gebunden bleibt, zeigt eine kunstvolle Auslegung Rabbi Aqibas (Text III. 197). Die durch die gescheiterten Aufstände der Jahre 70 und 135 enttäuschte Hoffnung auf eine Konstituierung des messianischen Reichs wurde zu einer beständigen Hoffnung auf die endgültige Gottesherrschaft. 184. Ein eschatologischer

„Fahrplan"

Babli Megilla 1 7 b / 1 8 a: Es 1 steht geschrieben: und ihr, Berge Israels, laßt euer Laub sprießen und tragt eure Frucht für mein Volk Israel, denn sie sind nahe zu kommen (Hesekiel 36,8). Und wenn die Exulanten versammelt sind, wird über die Frevler Gericht gehalten. Wie gesagt ist: und wiederum wende ich meine Hand gegen dich, und ich schmelze deine Schlacken im Ofen (Jes. 1,25). Und es steht geschrieben: und wiederum gebe ich deine Richter wie zu Anfang (Jes. 1,26). Und wenn das Gericht über die Frevler gehalten ist, verenden die Abtrünnigen und die Gottlosen mit ihnen. Wie gesagt ist: und verderben über die Abtrünnigen und Sünder zusammen (Jes. 1,28). Und wenn die Abtrünnigen verendet sind, erhebt sich das Horn der Gerechten. Denn es steht geschrieben: und alle Hörner der Frevler will ich abhauen, die Hörner der Gerechten sollen erhoben sein (Ps. 75,11). Und die gerechten Proselyten 2 sind mit den Gerechten! Wie gesagt ist: vor einem grauen Haupt sollst du dich erheben und die Erscheinung eines Alten ehren (3.Mose 19,32). Und danach: und wenn ein Proselyt bei dir weilt (3.Mose 19,33). Und wo erhebt sich ihr Horn? In Jerusalem. Wie gesagt ist: erbittet Frieden für Jerusalem; die dich lieben, sollen Ruhe haben (Ps. 122,6). Und wenn Jerusalem (wieder) erbaut ist, kommt David. Wie gesagt ist: danach werden die Kinder Israels umkehren und werden den Herrn, ihren Gott, und David, ihren König, suchen (Hos. 3,5). Und wenn David gekommen ist, kommt das Gebet. Wie gesagt ist: und ich bringe sie zu meinem heiligen Berg, und ich erfreue sie in meinem Bethaus (Jes. 56,7). Und wenn das Gebet gekommen ist, kommt der (Tempel)dienst. Wie gesagt ist: ihre Brandopfer und ihre Schlachtopfer sind wohlgefällig auf meinem Altar (Jes. 56,7). Und wenn der (Tempel)dienst gekommen ist, kommt das Dankopfer. Wie gesagt ist: wer Dank opfert, ehrt mich (Ps. 50,23). 1 Diese Zusammenstellung eschatologischer Ereignisse ist einer Debatte über das Achtzehngebet e n t n o m m e n . Kommentiert werden die 10. bis 17. Benediktion. Siehe Text III. 51. 2 Siehe Abschnitt III. 2 f.

185. Die messianischen

Wehen

Babli Sanhedrin 9 6 b / 9 7 a : Rab Nachman (B. gest. 320) hat zu Rabbi Jizchaq (P. um 300) gesagt: hast du vielleicht gehört, wann der Sohn der Verfallenen 1 kommt? Er hat zu ihm gesagt: wer ist der Sohn der Verfallenen? Er hat zu ihm gesagt: der Messias.

216

III. Das rabbinische Judentum

Du nennst den Messias Sohn der Verfallenen? Er hat zu ihm gesagt: ja, denn es steht geschrieben: an jenem Tage werde ich die verfallene Hütte Davids aufrichten (Am. 9,11). Er hat zu ihm gesagt: so hat Rabbi Jochanan (P. gest. 279) gesagt: in der Generation, in der der Davidssohn kommt, werden die Weisenschüler weniger werden, und die übrigen Augen werden in Trauer und Klage verenden; viel Not und schwere Beschlüsse werden sich (ständig) erneuern: bevor die erste vorüber ist, eilt die zweite bereits herbei. Die Rabbinen haben gelehrt: in der Jahrwoche 2 , in der der Davidssohn kommt, erfüllt sich (im) ersten (Jahr) dieser Schriftvers: und ich lasse regnen auf die eine Stadt, und auf die andere Stadt lasse ich nicht regnen (Am. 4,7). (Im) zweiten (Jahr) werden die Hungerpfeile ausgeschickt. (Im) dritten (Jahr) wird der Hunger groß sein, und sterben werden Männer, Frauen und Kinder, Fromme und Männer der Tat, und die Thora wird vergessen von denen, die sie lernen. Im vierten (Jahr) wird eine Sattheit und (doch) keine Sattheit sein. Im fünften (Jahr) wird eine große Sattheit sein, und man wird essen und trinken und sich freuen, und die Thora wird zurückkehren zu denen, die sie lernen. Im sechsten (Jahr) werden Stimmen sein 3 . Im siebenten (Jahr) werden Kriege sein. Am Ausgang des siebenten (Jahrs) kommt der Davidssohn. Rab Joseph (B. gest. 333) hat gesagt: es sind doch viele Jahrwochen so gewesen, und er ist nicht gekommen!? Abaje (B. gest. 338/39) hat gesagt: sind im sechsten (Jahr) Stimmen und im siebenten (Jahr) Kriege gewesen, und sind die (Ereignisse) auch nach ihrer (vorgesehenen) Ordnung erfolgt 4 ? Es 5 wird gelehrt: Rabbi Jehuda (T. um 150) sagt: in der Generation, in der der Davidssohn kommt, wird das Lehrhaus zum Hurenhaus werden, Galiläa wird zerstört werden, und Gablan 6 wird verödet sein, die Männer des Grenzgebiets werden von Stadt zu Stadt wandern und werden nicht Erbarmen finden, die Weisheit der Schriftgelehrten wird sinnlos werden, die Sündenscheuen werden verachtet werden, und das Aussehen der Generation wird wie das Aussehen eines Hundes sein, und die Wahrheit wird vermißt werden. Wie gesagt ist: und die Wahrheit wird vermißt werden, und wer Böses meidet, wird wahnsinnig sein (Jes. 59,15). Was (bedeutet): und die Wahrheit wird vermißt werden („needereth") (Jes. 59,15)? Die Schule von Rab (B. gest. 247) hat gesagt: das lehrt, daß sie Herde (um) Herde („adarim") weggehen wird. Was (bedeutet): und wer Böses meidet, wird wahnsinnig sein (Jes. 59,15)? Die Schule von Rabbi Schila (B. um 210) hat gesagt: jeder, der Böses meidet, wird bei den Geschöpfen für wahnsinnig gehalten werden ... Es 7 wird gelehrt: Rabbi Nehorai (T. um 150) sagt: in der Generation, in der der Davidssohn kommt, werden Junge das Gesicht der Alten beschämen, und Alte werden vor Jungen aufstehen, die Tochter tritt auf gegen ihre Mutter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter, und das Aussehen der Generation wird wie das Aussehen eines Hundes sein, und der Sohn wird sich nicht vor seinem Vater schämen. Es 7 wird gelehrt: Rabbi Nechemja (T. um 150) sagt: in der Generation, in der der Davidssohn kommt, wird die Frechheit viel werden und die Teuerung

Die Rabbinen und das Christentum

217

(oder: Hochachtung) ausarten, der Weinstock wird seine Früchte geben, aber der Wein wird teuer sein, und die ganze Herrschaft ( = Rom) wird sich zum Wissen der Sadduzäer8 hinwenden, und eine Zurechtweisung wird nicht mehr sein. Das unterstützt Rabbi Jizchaq (P. um 300), denn Rabbi Jizchaq hat gesagt: der Davidssohn kommt nicht eher, als bis die ganze Herrschaft sich zum Wissen der Sadduzäer hingewendet hat. Raba (B. gest. 352) hat gesagt: was ist der (begründende) Schriftvers? Hat er sich ganz zu Weiß gewendet, ist er rein (3.Mose 13,13). Die Rabbinen haben gelehrt: denn der Herr wird sein Volk richten usw. Wenn er sieht, daß der Halt fort ist und Verschlossenes und Verlassenes verloren sind (5. Mose 32,36). Der Davidssohn kommt nicht eher, als bis die Angeber viel geworden sind. Eine andere Auslegung. Als bis die Schüler wenig geworden sind. Eine andere Auslegung. Als bis jede „Peruta" 9 aus dem Geldbeutel verschwunden ist. Eine andere Auslegung. Als bis man an der Erlösung verzweifelt. Wie gesagt ist: und Verschlossenes und Verlassenes verloren sind (5.Mose 32,36). Es wird sozusagen keine Stütze und Hilfe für Israel geben. Wenn Rabbi Seira (P. um 300) die Rabbinen fand, wie sie sich damit 1 0 beschäftigten, hat er zu ihnen gesagt: ich bitte euch, schiebt es nicht hinaus, denn es wird gelehrt: drei kommen unerwartet, (und) das sind sie: der Messias, ein Fund und ein Skorpion. 1 Der Ausdruck „bar niphle" ist ein Anklang an das griechische „nephele" und bedeutet dann „Wolkensohn" (vgl. Dan. 7 , 1 3 ) oder an das hebräische „naphil" und bedeutet dann „Riesensohn". 2 Eine Periode von sieben Jahren. 3 Entweder Himmelsstimmen oder der Lärm der Gerichtsposaune (Jes. 2 7 , 1 3 ) . 4 Das nun (olgende Zitat von Ps. 8 9 , 5 2 ist eine spätere Glosse und wird hier nicht übersetzt. 5 Text III. 35. 6 Siehe Text III. 35 Anm. 7. 7 Text III. 35. 8 Eine durch die spätere Zensur des Thalmud bedingte Abschwächung. Gemeint ist die Hinwendung Roms zum Christentum. Ein entsprechender Ausdruck hat hier gestanden. Vgl. die Parallele Text III. 35. 9 Kleinste jüdische Kupfermünze. 1 0 Mit messianischen Problemen.

186. Leiden und Endzeit Mekiltha Jithro Bachodesch § 10 (H.S.Horovitz-I.A.Rabin 240): Rabbi Schimeon-ben-Jochai (T. um 150) sagt: beliebt sind die Leiden, denn drei gute Gaben sind Israel gegeben worden, und die Weltvölker begehren sie, und sie sind ihnen nur durch Leiden gegeben worden. Und das sind sie: die Thora, das Land Israel und die zukünftige Welt. Woher die Thora? Weil geschrieben steht: um zu erkennen Weisheit ( = Thora) und Leid1, um einzusehen verständige Rede (Sprüche 1,2). Und (die Schrift) sagt: heil dem

218

III. Das rabbinische Judentum

Mann, den du, Herr, leiden läßt und aus deiner Thora belehrst (Ps. 94,12). Woher das Land Israel? Weil geschrieben steht: der Herr, dein Gott, läßt dich leiden (5. Mose 8,5). Und (die Schrift) sagt: denn der Herr, dein Gott, bringt dich in ein gutes Land (5.Mose 8,7). Woher die zukünftige Welt? Weil geschrieben steht: denn eine Leuchte ist das Gebot und die Thora ein Licht, und der Weg des Lebens ist zurechtweisendes Leiden (Sprüche 6,23). Du sagst: welches ist jener Weg, der den Menschen zum Leben der zukünftigen Welt bringt? Es ist zu sagen: das sind die Leiden. 1 Das hebräische W o r t hat die beiden Bedeutungen „Leiden" und „Züchtigung, Z u c h t " . In den folgenden Zitaten ist es im Sinn der rabbinischen Auslegung mit „Leiden" übersetzt.

187. Gegenwart und Endzeit in der Predigt Thanchuma Debarim § 1 (Warschau 99 a): Dieses sind die Dinge (5.Mose 1,1). Gesegnet sei der Name des Königs aller Könige, des Heiligen, gepriesen sei er! Gesegnet sei er und erhöht sei sein Gedenken! Denn alle Wunder, die er an Israel in der Wüste getan hat, wird er an ihnen zukünftig in Zion ebenso tun. Über die Wüste steht geschrieben: Dieses sind die Dinge (5.Mose 1,1). Und über Zion steht geschrieben: ich mache Finsternis vor dir zu Licht und Unebenes zur Ebene; dieses sind die Dinge; ich habe sie getan und verlasse sie nicht (Jes. 42,16). Über die Wüste steht geschrieben: und das ganze Volk sah die Stimmen (2. Mose 20,18). Und über Zion steht geschrieben: eine Stimme der Freude und eine Stimme der Fröhlichkeit (Jer. 7,34). Über die Wüste: die Erde erbebte, auch tropfen die Himmel (Ps. 68,9). Und über Zion: ich lasse erheben die Himmel und die Erde (Hag. 2,6). Uber die Wüste: der Herr geht vor ihnen her bei Tage (2.Mose 13,21). Und über Zion: denn er geht vor euch her, der Herr, und er wird euch sammeln (Jes. 52,12). Über die Wüste: denn der Herr wird zurückkehren zur Freude an dir (5.Mose 30,9). Und über Zion: und ich jauchze über Jerusalem und freue mich an meinem Volk (Jes. 65,19). 188. Der erste und der letzte

Erlöser

Qoheleth Rabba 1,9 (Wilna4d): Rabbi Berekja (P. um 340) hat im Namen von Rabbi Jizchaq (P. um 300) gesagt: wie der erste Erlöser, so der letzte Erlöser! Wie (über den) ersten Erlöser gesagt ist: und Mose nahm seine Frau und seine Söhne und ließ sie auf dem Esel reiten (2. Mose 4,20), so (über den) letzten Erlöser. Wie gesagt ist: demütig ist er und reitet auf einem Esel (Sach. 9,9). Wie der erste Erlöser das Manna herabkommen ließ — wie gesagt ist: siehe, ich lasse euch Brot vom Himmel regnen (2.Mose 16,4) —, (so) läßt auch der letzte Erlöser das Manna herabkommen. Wie gesagt ist: Weizenbrot wird auf der Erde sein (Ps. 72,16). Wie der erste Erlöser den Brunnen heraufsteigen ließ 1 , (so) läßt auch der letzte Erlöser das Wasser heraufsteigen. Wie gesagt ist: und eine Quelle geht aus vom Haus des Herrn und tränkt das Akaziental (Joel 4,18). 1

4. Mose 2 0 , 1 1 .

219

Die Rabbinen und das Christentum

189. Die ägyptische Erlösung als Vorbild der endzeitlichen

Erlösung

M e k i l t h a B o Pischa § 14 ( H . S . H o r o v i t z - I . A . Rabin 5 2 ) : Eine Nacht der Bewahrung ist es für den Herrn (2. Mose 1 2 , 4 2 ) . In ihr 1 sind sie erlöst worden, und in ihr werden sie zukünftig erlöst werden — Worte von Rabbi Jehoschua (T. um 90). 1

In der Passanacht.

190. Weltzeit und Endzeit Babli Sanhedrin 9 7 a b : Rab Qattina (B. um 2 7 0 ) hat gesagt: sechstausend Jahre wird die Welt sein, und eintausend Jahre) wird sie zerstört sein. Wie gesagt ist: und erhaben wird der Herr allein an jenem Tag sein ( J e s . 2 , I I ) 1 . Abaje (B. gest. 3 3 8 / 3 9 ) hat gesagt: zweitausend Jahre) wird sie zerstört sein. Wie gesagt ist: er wird uns

lebendig machen nach (zwei) Tagen, am dritten Tag wird er uns aufrichten,

und wir werden vor ihm leben (Hos. 6 , 2 ) 2 . Es wird wie das von Rab Qattina gelehrt: wie das Siebentjahr 3 ein Brachjahr ist, ein Jahr von sieben Jahren, so wird die Welt tausend Jahre von siebentausend Jahren brach liegen. Wie

gesagt ist: und erhaben wird der Herr allein an jenem Tag sein (Jes. 2,11).

Und (die Schrift) sagt: ein Psalm, ein Lied für den Sabbattag (Ps. 9 2 , 1 ) . Ein Tag, der ganz Sabbat ist 4 . Und (die Schrift) sagt: denn tausend Jahre sind in

deinen Augen wie der gestrige Tag, denn sie gehen vorbei (Ps. 90,4).

In der Schule von Elia 5 wird gelehrt: sechstausend Jahre wird die Welt sein. Zweitausend (Jahre) Wüstes 6 , zweitausend (Jahre) Thora, zweitausend (Jahre) Tage des Messias. Aber wegen unserer Sünden, die zahlreich sind, ist von ihnen vergangen, was vergangen ist 7 . Elia hat zu Rab Jehuda, dem Bruder von Rab Sala dem Frommen (B. um 320) gesagt: die Welt wird nicht weniger als fünfundachtzig Jobeljahre 8 sein, und im letzten Jobeljahr kommt der Davidssohn. Er hat zu ihm gesagt: an seinem Anfang oder an seinem Ende? Er hat zu ihm gesagt: ich weiß es nicht. Wird das (letzte Jobeljahr) vollständig sein, oder wird es nicht vollständig sein? Er hat zu ihm gesagt: ich weiß es nicht. Rab Aschi (B. gest. 4 2 7 ) hat gesagt: so hat er zu ihm gesagt: bis dann 9 hoffe nicht auf ihn, von da an und ferner hoffe auf ihn! Rab Chanan-bar-Thachlipha (B. l . H . 4 . J h . ) hat zu Rab Joseph (B. gest. 333) geschickt (und ihm sagen lassen): ich habe einen Menschen gefunden, und in seiner Hand ist eine Schriftrolle gewesen geschrieben in Assyrisch 1 0 und in der heiligen Sprache ( = Hebräisch). Ich habe zu ihm gesagt: woher hast du sie? Er hat zu mir gesagt: ich habe in Sold im Heer Persiens 1 1 gestanden, und zwischen den Archiven Persiens habe ich sie gefunden. Und in dieser stand geschrieben: nach viertausendzweihunderteinundneunzig Jahren seit der Erschaffung der W e l t 1 2 wird die Welt verwaist ( = zerstört) sein. Danach sind die Kriege der Seeungeheuer, danach sind die Kriege von Gog und M a g o g 1 3 , und der Rest sind die Tage des Messias. Aber der Heilige, ge-

220

III. Das rabbinische Judentum

priesen sei er, wird seine Welt erst nach siebentausend Jahren erneuern. Rab Acha-birja-de-Raba (B. um 4 0 0 ) hat gesagt: nach fünftausend Jahren 1 4 . Außer Gott wird es nichts geben, alles andere ist zerstört. Die Zeit ohne Leben beträgt zwei Gottestage, also 2 0 0 0 Jahre. 3 3.Mose25,Iff. 4 Text III. 30. 5 Der biblische Prophet Elia ist in der rabbinischen Literatur eine bekannte eschatologischprophetische Gestalt. 6 Der biblische Ausdruck aus 1. Mose 1 , 2 kennzeichnet hier die Zeit vor der Gabe der Thora am Sinai. 7 Nach der vorherigen Berechnung hätten die Tage des Messias mit dem Jahr 2 4 0 ( = 4000 nach der Schöpfung) begonnen. Wegen der Sünden sind die seither vergangenen Jahre ohne sichtbares Zeichen eines Anbruchs der messianischen Zeit gewesen. Ein interessantes Beispiel für den Problembereich der Parusieverzögerung. Siehe Einleitung zu Abschnitt III 4 d . 8 3.Mose 25, lOff. 1 Jobeljahr = 50 Jahre. 9 Bis zum Beginn des letzten Jobeljahrs. Die hier geäußerte Meinung, die Tage des Messias betrügen 5 0 Jahre, ist singular. 1 0 Gemeint ist die Quadratschrift, die Esra eingeführt haben soll. Es handelt sich um die „aramäische Reichsschrift" (P. Billerbeck), also um eine Art Druckschrift gegenüber der hebräischen Schreibschrift. Im obigen Text soll die gleichzeitige Traditionsverbundenheit und Aktualität durch beide Schriftarten angedeutet werden. 1 1 Eine durch die Thalmudzensierung bedingte Abschwächung. Gemeint ist Rom. 1 2 Das entspricht dem Jahr 531 n. Chr. 13 Hesekiel 3 8 f . Vgl. Text III. 192. 1 4 Es schließt sich unmittelbar Text III. 196 an. 1

2

191.

Gottes Gericht

Pirqe Aboth III, 16: (Rabbi Aqiba, T. gest. um 135) pflegte zu sagen: alles ist als Unterpfand gegeben, und das Netz ist über alles Leben ausgebreitet 1 . Der Laden (Himmel) ist offen, und der Krämer (Gott) leiht aus; die Schreibtafel ist aufgedeckt, und die Hand schreibt, und jeder, der leihen will, kommt und leiht. Aber die Diener (Strafengel) gehen ständig an jedem Tag umher und strafen den Menschen mit seinem Wissen und ohne sein Wissen; und sie haben etwas, worauf sie sich (bei ihrer Bestrafung) stützen können 2 . Das Gericht (Gottes) ist ein Gericht der Wahrheit, und alles ist für das (endzeitliche) Mahl bereit. 1 2

Keiner entgeht der göttlichen Gerichtsbarkeit. Nämlich die Schreibtafel, auf der die Übertretungen der Menschen verzeichnet sind.

192. Das große

Weltgericht

Mekiltha Beschallach Vajjasa § 5 (H.S.Horovitz-I.A. Rabin 170): Rabbi Elieser (T. um 90) sagt: wenn ihr den Sabbat bewahrt, werdet ihr vor drei Strafen gerettet werden: vor den Wehen des Messias 1 , vor dem Tag Gogs 2 und vor dem Tag des großen Gerichts. 1 2

Vgl. Text III. 185. Hesekiel 38 f. Vgl. Text III. 190.

Die Rabbinen und das Christentum

221

193. Das Gericht über die Völker in den Tagen des Messias Thosephtha Thaanith III (II), 1 (M. S. Zuckermandel 218 f.): Rabbi Jose (T. um 150) sagt: eine Wasserflut wird er ( = Gott) nicht bringen, aber er wird eine Pestflut über die Weltvölker in den Tagen des Messias bringen. Wie gesagt ist: und er nimmt seinen Stab „Freundlichkeit", zerbricht ihn, um seinen Bund aufzuheben, den er mit allen Völkern geschlossen hat (Sach. 11,10 var.). 194. Gott und Israel als endzeitlicher

Gerichtshof

Thanchuma Schemoth § 29 (Warschau 71 a): Rabbi Abin (P. um 325) hat gesagt: zukünftig ( = in der Endzeit) wird der Heilige, gepriesen sei er, die Ältesten Israels wie (das Halbrund) eine(r) Tenne aufstellen1, er wird an der Spitze von ihnen allen sitzen wie der Gerichtspräsident, und sie werden die Weltvölker richten. Wie gesagt ist: der Herr kommt in das Gericht mit den Ältesten seines Volkes und seinen Fürsten (Jes. 3,14). „Gegen (,äl l ) die Ältesten seines Volkes und seine Fürsten" steht hier nicht geschrieben, sondern „mit (,iml) den Ältesten seines Volkes und seinen Fürsten". Und (dann) werden sie die Weltvölker richten. 1

Das ist die Sitzordnung des großen Gerichtshofs. Vgl. Text III. 88.

195. Das Gericht über die Völker in der Endzeit Thanchuma Schophetim § 10 (S. Buber 16b): Und vor ihm werfen sich alle Götter nieder (Ps. 97,7). Wenn er ( = Gott) die Weltvölker richtet, wird er ihre Götter mit ihnen richten. Wie gesagt ist: denn mit Feuer richtet der Herr usw. (Jes. 66,16). Wenn sie im Feuer nicht bestehen können, fliehen sie, aber der Heilige, gepriesen sei er, schickt Engel mit Halseisen und mit Ketten, und die werfen jene in das Licht ( = Feuer) hinein. Wie gesagt ist: und verbrennen wird sie der Tag, der kommt usw. (Mal. 3,19). 196. Reaktion auf

Endzeitspekulationen

Babli Sanhedrin 97b: Es 1 wird gelehrt: Rabbi Nathan (T. um 160) sagt: dieser Schriftvers durchbohrt und geht in die Tiefe 2 : denn noch ist das Gericht zur Zeit, aber es drängt zum Ende und wird nicht trügen. Wenn es sich verzögert, hoffe darauf, denn es kommt, ja kommt und bleibt nicht dahinten (Hab. 2,3). Nicht 3 wie unsere Lehrer, die vorgetragen haben: Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit (Dan. 7,25). Und nicht wie Rabbi Szimlai (P. um 250), der vorgetragen hat: du läßt sie Tränenbrot essen und tränkst sie dreifach4 durch Tränen (Ps. 80,6). Und nicht wie Rabbi Aqiba (T. gest. um 135), der vorgetragen hat: noch eine kurze (Zeit) ist es, und ich lasse Himmel und Erde erbeben (Hag. 2,6). Sondern: die erste Herrschaft 5 siebzig Jahre, die zweite Herrschaft 6 zweiundfünfzig Jahre und die Herrschaft von Ben-Kosba ( 1 3 2 135) zweieinhalb Jahre.

222

III. Das rabbinische Judentum

Was (bedeutet): aber es drängt („japheach") zum Ende und wird nicht trügen (Hab. 2,3)? Rabbi Schemuel-bar-Nachmani (P. um 260) hat gesagt, Rabbi Jonathan (P. um 220) habe gesagt: weggeblasen („thipheach") werden die Knochen der End(zeit)enberechner, die, wenn das Ende gekommen ist, aber der (Messias) nicht gekommen ist, sagen: er kommt nicht mehr. Sondern: hoffe auf ihn! Wie gesagt ist: wenn es sich verzögert, hoffe darauf (Hab. 2,3)! 1

Dieser Text schließt an T e x t III. 1 9 0 unmittelbar an.

E r zeigt in seiner Unergründlichkeit die Unmöglichkeit auf, den Endzeitpunkt zu berechnen. 3 Es folgen drei Schriftstellen, an die die Gelehrten Spekulationen über den Endzeittermin angeknüpft haben. Art und Inhalt dieser Vorträge sind nicht mehr erkennbar. 2

4 Der Gelehrte bezieht dieses W o r t vielleicht Diese Deutung ist möglich, weil „schalisch" ( = ist. 5 Die Hasmonäer. Die Jahreszahlen für sie allen anderen Zeugnissen. Hier sollen sie aber Schriftzitate widerlegen. 6

197.

auf die drei Exile (Ägypten, Babylon, Jetztzeit). übermäßig) mit „schalosch" ( = drei) verwandt und die Herodianer widersprechen allerdings die (unbekannten) Auslegungen der vorherigen

Die Herodianer.

Weissagungen

Babli Makkoth 24 b: Einmal sind sie 1 nach Jerusalem hinaufgegangen. Als sie den Zophimberg 2 erreicht hatten, haben sie ihre Kleider zerrissen3. Als sie den Tempelberg erreicht hatten, haben sie einen Fuchs gesehen, der aus dem Allerheiligsten kam. Sie haben angefangen zu weinen, aber Rabbi Aqiba lachte. Sie haben zu ihm gesagt: weshalb lachst du? Er hat zu ihnen gesagt: weshalb weint ihr? Sie haben zu ihm gesagt: an dem Ort, über den geschrieben steht „und der Fremde, der sich nähert, soll getötet werden (4.Mose 1,51)"? gehen jetzt Füchse, und wir sollten nicht weinen? Er hat zu ihnen gesagt: deshalb lache ich! Weil geschrieben steht: und ich werde mir wahrhaftige Zeugen nehmen, den Priester Urija und Sekarjahu-ben-Jeberekjahu (Jes. 8,2). Aber wie? Weshalb ist Urija bei Sekarja? Urija (lebte) in (der Zeit) des ersten Tempels 4 , und Sekarja in (der Zeit) des zweiten Tempels 5 . Vielmehr hat die Schrift die Prophezeiung von Sekarja an die Prophezeiung von Urija gehängt. Bei Urija steht geschrieben: darum wird euretwegen Zion zum Feld umgepflügt werden (Mi. 3,12) 6 . Bei Sekarja steht geschrieben: ferner werden alte Männer und alte Frauen auf den Plätzen Jerusalems sitzen (Sach. 8,4). Bevor nicht die Prophezeiung von Urija erfüllt sein würde, fürchtete ich, daß die Prophezeiung von Sekarja nicht in Erfüllung gehen würde. Jetzt, wo die Prophezeiung von Urija erfüllt worden ist, ist es gewiß, daß die Prophezeiung von Sekarja in Erfüllung gehen wird. Bei dieser Rede haben sie zu ihm gesagt: Aqiba, du hast uns getröstet, Aqiba, du hast uns getröstet. 1 Rabban Gamliel (T. um 9 0 ) , Rabbi Eleasar-ben-Asarja (T. um 100), Rabbi Jehoschua (T. um 9 0 ) und Rabbi Aqiba (T. gest. um 135). 2 Erhebung nördlich von Jerusalem. 3 Als Zeichen der Trauer beim Anblick der zerstörten Stadt.

Die Rabbinen und das Christentum

223

2 . Kg. 1 6 , 1 0 ff. Rabbi Aqiba denkt hier an den Propheten Sacharja (hebr. Sekarja). 6 Vgl. Jer. 2 6 , 1 8 . Aus Jer. 2 6 , 2 0 geht hervor, daß Urija das gleiche prophezeit hat wie Jeremia und wie oben Micha. 4

5

f) Nächstenliebe und Verhältnis zum Staat Das Verhältnis der Rabbinen zur Umwelt ist grundsätzlich bestimmt durch den Gedanken der Erwähltheit Israels, der die alttestamentliche Bundesvorstellung fortsetzt. Das bedingt eine Abgrenzung zu den Weltvölkern (Heiden) und eine Betonung des inneren Zusammenhalts Israels. Dieses Denken der Rabbinen läßt wohl die Duldung der Heiden zu, nicht aber das Gebot der Liebe zu ihnen (vgl. Mt. 5,43—48); es ist eher dem frühchristlichen Gedanken des Cyprianus (210/15—258) verwandt, daß außerhalb der Kirche kein Heil sei. Die Liebe zum Nächsten (3.Mose 19,18) wird in diesem Rahmen von Rabbi Aqiba als Zentrum der Thora angesehen (Text III. 198), ähnlich als „goldene Regel" schon der ältere Hillel (Text III. 199). In späterer Zeit wird die Nächstenliebe ein selbstverständlicher Bestandteil der listenförmig definierten Frömmigkeit (Text III.200). Die Ausübung von Liebeswerken erscheint neben den klassischen rabbinischen Kategorien „rein-unrein", „erlaubt-verboten" (Text III.201). Sofern das durch die Rabbinen definierte Verhältnis Israels zu seiner Umwelt nicht durch die Komplexe „Ketzer" (Abschnitt III l d ) und „Heiden/Proselyten" (Abschnitt III 2f) bestimmt ist, ist bereits früh ein zwiespältiges Verhältnis zur heidnischen Umwelt zu beobachten. Wohl schätzte man gelegentlich die griechische Philosophie und Sprache sowie die römische Kultur (Texte 111.202,204), doch rigoros wurde das heidnische Kultwesen als Götzendienst abgelehnt. Verständlicherweise spitzte sich dieser Gegensatz dann zu, wenn die römische Besatzungsmacht die Ausübung der Thoragebote erschwerte oder verbot (Texte 111.203,209). Der heidnische Staatskult wurde in jedem Fall als Vielgötterei in scharfem Ton verspottet oder abgelehnt (Texte 111.204,205), was oft auch in Form eines Gesprächs mit angeblichen Philosophen erfolgte (Texte III.206). Später ist das Verhältnis zur jeweiligen Regierungsmacht nicht so eindeutig. Zwar gibt es die Skepsis der „Vorläufigkeit der Weltreiche" (siehe Abschnitt III 4d), doch auch die Anerkennung gegenwärtiger Realitäten (Text III. 207) und ihrer Machtkompetenzen (Text III. 208). Diese Zeugnisse späterer Zeit sind nicht denkbar ohne die Erfahrung des politischen Scheiterns, in dem gleichwohl die Glaubensaussage immer konzentrierter und präziser wurde (Text III. 209).

198. Das Gebot der Nächstenliebe Jeruschalmi Nedarim 4 1 c , 36—38: Und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst ( 3 . M o s e 1 9 , 1 8 ) . R a b b i Aqiba (T. gest. um 1 3 5 ) sagt: das ist ein großer Grundsatz in der T h o r a . BenAssai (T. um 1 1 0 ) sagt: das ist das Buch der Menschengeschlechter (l.Mose 5 , 1 ) . Dieser Grundsatz ist größer als jener.

199. Nächstenliebe als Kern der Thora Babli S c h a b b a t h 3 1 a: Wiederum geschah es bei einem Heiden, der vor S c h a m m a i (T. um 3 0 v . C h r . ) k a m (und) zu ihm gesagt hat: mache mich zu einem Proselyten 1 unter der Bedingung, daß du mich die ganze T h o r a insgesamt lehrst, während ich auf

224

III. Das rabbinische Judentum

einem Fuß stehe. Er hat ihn mit der Elle, die er in der H a n d hatte, fortgejagt. Er ist vor Hillel (T. um 2 0 v.Chr.) gekommen. E r hat ihn zum Proselyten gemacht (und) zu ihm gesagt: was dir nicht lieb ist, tue deinem Genossen nicht. Das ist die ganze T h o r a insgesamt, und das andere ist ihre Auslegung. Geh und lerne! 1

Siehe Abschnitt III 2 f.

200. Ein Tugendkatalog Babli Schabbath 1 2 7 a : R a b Jehuda-bar-Schila (P. 4 . J h . ) hat gesagt, Rabbi Assi (P. um 3 0 0 ) habe gesagt, R a b b i J o c h a n a n (P. gest. 2 7 9 ) habe gesagt: von sechs Dingen ißt der Mensch ihre Früchte in dieser Welt, und das Kapital bleibt ihm bestehen für die zukünftige Welt. Und dieses sind sie: Aufnahme der Wanderer, Besuch der Kranken, Gebetsandacht, früher Besuch des Lehrhauses, Erziehung seiner Söhne zum Thorastudium und die Beurteilung seines Genossen zum Guten.

201. Lohn der Liebeswerke Ruth R a b b a 2 , 1 4 (Wilna 5 b): Rabbi Seira (P. um 3 0 0 ) hat gesagt: in nichts (über) Unreinheit, nichts (über) nichts (über) Erlaubtes. Und warum ist wie groß der gute Lohn für die Ausübung

dieser Rolle ( = das Buch Ruth) ist Reinheit, nichts (über) Verbotenes, sie geschrieben? Um dich zu lehren, von Liebeswerken ist.

202. Israel und die Umwelt Babli Sota 4 9 b: D i e 1 Rabbinen haben gelehrt: als die . Könige des hasmonäischen Hauses einander bekämpft h a b e n 2 , war Hyrkanos außerhalb und Aristobulos innerhalb (Jerusalems). An jedem T a g haben sie Denare in einem K o r b herabgelassen und (Tiere für das) beständige O p f e r 3 heraufgezogen. Es ist dort ein Alter gewesen, der in der griechischen Weisheit kundig war. Er hat sich mit ihnen ( = den Belagerern) in griechischer Weisheit verständigt. Er hat zu ihnen gesagt: die ganze Zeit, wo die (Belagerten) sich mit dem (Opfer)dienst beschäftigen, werden sie nicht in eure H a n d übergeben werden. Am nächsten T a g haben sie Denare in einem Korb herabgelassen und ein Schwein 4 heraufgezogen. Als es die Mitte der M a u e r erreicht hatte, hat es seine Klauen (dagegen) gestemmt. Das Land Israel hat vierhundert Parasangen 5 (im Quadrat) gebebt. 1 Der Text kommentiert das Verbot für einen Vater, seinen Sohn die griechische Sprache zu lehren. Siehe Text III. 35. 2 In den Jahren 67-63 v. Chr. 3 Text III. 27. 4 Ein kultisch unreines Tier. 5 Ca. 2 2 0 0 km.

Die Rabbinen und das Christentum

203. Verfolgung unter

225

Hadrian

Mekiltha Jithro Bachodesch § 6 (H.S.Horovitz-I.A. Rabin 227): Rabbi Nathan (T. um 160) sagt: die mich lieben und meine Gebote halten (2. Mose 20,6). Das sind die Israeliten, die im Land Israel wohnen und ihr Leben wegen der Gebote hingeben. Weshalb wirst du hinausgeführt, um getötet zu werden? Weil ich meinen Sohn beschnitten habe. Weshalb wirst du hinausgeführt, um verbrannt zu werden? Weil ich in der Thora gelesen habe. Weshalb wirst du hinausgeführt, um aufgehängt zu werden? Weil ich Ungesäuertes gegessen habe. Weshalb erhältst du hundert Geißelhiebe 1 ? Weil ich den Feststrauß 2 genommen habe. Und (die Schrift) sagt: so werde ich geschlagen im Haus derer, die mich lieben (Sach 13,6). Die Schläge haben es mit bewirkt, von meinem Vater in den Himmeln geliebt zu werden. Der Text ist verderbt, die Übersetzung folgt einem Verbesserungsvorschlag. 3. Mose 2 3 , 4 0 .

1 2

204.

Verhältnis zum

Staatskult

Mischna Aboda sara III, 1—5: Alle Bildwerke sind (zur Nutznießung) verboten, weil sie einmal im Jahr angebetet werden — Worte von Rabbi Meir (T. um 150). Aber die Weisen sagen: es sind nur die verboten, die in der Hand einen Stab oder einen Vogel oder einen Globus halten 1 . Rabbi Schimeon-ben-Gamliel (T. um 140) sagt: auch die, die in der Hand irgendeine Sache halten. Wer Bruchstücke von einem Bildwerk findet: siehe, die sind erlaubt. Findet er das Abbild einer Hand oder das Abbild eines Fußes: siehe, die sind verboten, weil sie angebetet worden sind. Wer Geräte findet, auf denen das Bild der Sonne, das Bild des Mondes (oder) das Bild einer Schlange 2 ist, werfe sie ins Salzmeer. Rabbi Schimeonben-Gamliel sagt: wenn es auf wertvollen (Geräten) ist, sind sie verboten; wenn es auf minderwertigen (Geräten) ist, sind sie erlaubt. Rabbi Jose (T. um 150) sagt: er zerreibe (sie) und zerstreue (sie) in die Luft oder werfe (sie) ins Meer. Man hat zu ihm gesagt: aber es wird (doch dann) zu Abfall gemacht? Wie gesagt ist: nichts soll an deiner Hand kleben vom Bannbelegten (5.Mose 13,18)! Peruqlos, der Philosoph, hat den Rabban Gamliel (T. um 90) in Akko gefragt, als er im Bad der Aphrodite badete. Er hat zu ihm gesagt: es steht in eurer Thora geschrieben: nichts soll an deiner Hand kleben vom Bannbelegten (5. Mose 13,18). Weshalb badest du im Bad der Aphrodite? Er hat zu ihm gesagt: man gibt im Bad keine Antwort 3 . Aber als er hinausgegangen war, hat er zu ihm gesagt: ich bin nicht in ihren Bereich gekommen, sie ist in meinen Bereich gekommen 4 ! Man sagt nicht: wir wollen ein Bad für Aphrodite machen, sondern sagt: wir wollen eine Aphrodite für das Bad machen. Eine andere Sache: wenn man dir eine Menge Geld geben würde, würdest du doch nicht vor deinen Götzen nackt und vom Samenerguß behaftet treten und vor ihm urinieren!? Diese (Aphrodite aber) steht an der Rinne, und alles Volk 15

Kippenberg, Textbuch

226

III. Das rabbinische Judentum

uriniert vor ihr! Es ist nur gesagt: ihre Götter (5.Mose 7,16 u.ö.). Was man als Gottheit behandelt, ist verboten; was man nicht als Gottheit behandelt, ist erlaubt. Die von Heiden angebeteten Berge und Hügel sind erlaubt, aber was auf ihnen ist, ist verboten. Wie gesagt ist: du sollst nicht Silber und Gold auf ihnen begehren (5. Mose 7,25)! Rabbi Jose der Galiläer (T. um 110) sagt: ihre Götter auf den Bergen (5. Mose 12,2). Die Berge sind nicht ihre Götter! Ihre Götter auf den Hügeln (5.Mose 12,2). Die Hügel sind nicht ihre Götter! Und weshalb ist die Aschera 5 verboten? Weil an ihr Bearbeitung von Menschenhand ist, und alles, woran Bearbeitung von Menschenhand ist, ist verboten. Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) hat gesagt: ich will es vor dir einsichtig machen und erläutern: jeder Ort, den du findest, einen hohen Berg, einen erhabenen Hügel, einen grünen Baum: wisse, daß dort ein Götze ist. 1 Stab, Vogel und Globus sind geläufige, heidnische (vor allem römische) symbole.

Herrschafts-

Ein geläufiges Emblem römischer Kohorten. Fragen der Thoraauslegung sollen nicht in dieser Umgebung beantwortet werden. 4 Die Aphrodite-Statue ist erst nach Erbauung des Bades aufgestellt worden. 5 Heiliger Baumstamm neben einem Altar und Sinnbild einer kanaanitischen Göttin. Nach der vorherigen Auslegung von 5 . M o s e 1 2 , 2 wäre auch hier zu folgern: die Baumstämme sind nicht ihre Götter. 2

3

205. Auseinandersetzung

um die Götzen

Mischna Aboda sara IV, 7: Man hat die (jüdischen) Ältesten in Rom gefragt: wenn er ( = Gott) keinen Gefallen am Götzendienst hat, warum vernichtet er ihn nicht? Sie haben zu ihnen gesagt: wenn sie eine Sache anbeten würden, die die Welt nicht benötigt, würde er sie vernichten; siehe, sie beten (aber) Sonne, Mond, Sterne und Planeten an; sollte er seine Welt wegen der Narren zerstören? Sie haben zu ihnen gesagt: gleichwohl sollte er eine Sache, die die Welt nicht benötigt, zerstören, und eine Sache, die die Welt benötigt, belassen!? Sie haben zu ihnen gesagt: auch wir würden (dann) die Diener von jenen 1 bestärken, denn sie könnten sagen: erkennt, daß sie Gottheiten sind, denn sie sind, siehe, nicht vernichtet worden. 1

Von Sonne, Mond, Sternen und Planeten.

206. Aus der Polemik gegen

Götzen

Babli Aboda sara 54 b / 55 a: Ein Philosoph hat den Rabban Gamliel (T. um 90) gefragt: in eurer Thora steht geschrieben: denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, ein eifernder Gott ist er (5. Mose 4,24). Weshalb eifert er gegen seinen ( = des Götzen) Anbeter und eifert nicht gegen ihn (selbst)? Er hat zu ihm gesagt: ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit ist die Sache zu vergleichen? Mit einem König von Fleisch und Blut, der einen Sohn gehabt hat, und jener Sohn hat

Die Rabbinen und das Christentum

227

einen Hund großgezogen und hat ihm als Namen den Namen seines Vaters gegeben. Und wenn er geschworen hat, sagte er: beim Leben meines Vaterhundes! Als der König das gehört hatte, wem zürnte er? Zürnte er dem Sohn, oder zürnte er dem Hund? Du mußt sagen: dem Sohn zürnte er! Er hat zu ihm gesagt: einen Hund nennst du jenen (Götzen)? Aber ist nicht (doch) etwas an ihm dran? Er hat zu ihm gesagt: und was hast du gesehen? Er hat zu ihm gesagt: einmal ist in unserer Stadt ein Feuer ausgebrochen, und die ganze Stadt ist abgebrannt, aber jenes Haus des Götzen ist nicht abgebrannt! Er hat zu ihm gesagt: ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit ist die Sache zu vergleichen? Mit einem König von Fleisch und Blut, gegen den sich eine Stadt empört hatte. Wenn er Krieg führte: führte er ihn mit den Lebenden, oder führte er ihn mit den Toten? Du mußt sagen: er führte ihn mit den Lebenden! Er hat zu ihm gesagt: einen Hund nennst du jenen, einen Toten nennst du jenen! Wenn das so ist, sollte er ihn aus der Welt zerstören! Er hat zu ihm gesagt: wenn sie eine Sache, die die Welt nicht benötigt, anbetep würden, würde er sie, siehe, vertilgen! Siehe, sie beten (aber) Sonne, Mond, Sterne, Planeten, Bäche und Täler an! Sollte er seine Welt wegen der Narren zerstören? Und so sagt die (Schrift): soll ich sammeln, sammeln alles vom Angesicht der Erde, Ausspruch des Herrn, sammeln Mensch und Vieh, sammeln die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres, und das Straucheln der Frevler usw. (Zeph. 1,2). Aber wie? Weil die Frevler durch sie straucheln, sollte er sie aus der Welt zerstören? Und beten sie nicht (auch) Menschen an? Und ich rotte den Menschen vom Angesicht der Erde aus usw. (Zeph. 1,3)! Der Feldherr Agrippa 1 hat den Rabban Gamliel (T. um 90) gefragt: in eurer Thora steht geschrieben: denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, ein eifernder Gott ist er (5. Mose 4,24). Eifersüchtig ist doch nur ein Weiser auf einen Weisen, ein Kriegsheld auf einen Kriegshelden und ein Reicher auf einen Reichen!? Er hat zu ihm gesagt: ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit ist die Sache zu vergleichen? Mit einem Menschen, der eine (zweite) Frau neben seiner Frau genommen hat. Ist die (Nebenfrau) besser als die (erste Frau), ist die nicht eifersüchtig auf sie; ist die (Nebenfrau) geringer als die (erste Frau), ist die eifersüchtig auf sie. 1

Wohl Agrippa II. (50-94), der Urenkel des Königs Herodes I.

207. Verhältnis zur Obrigkeit Babli Berakoth 58 a: Die Rabbinen haben gelehrt: wer die Weisen Israels sieht, sage: gepriesen sei der, der von seiner Weisheit denen Anteil gibt, die ihn fürchten. (Bei) Weisen der Weltvölker sage er: gepriesen sei der, der von seiner Weisheit seinen Geschöpfen gibt. Wer die Könige Israels sieht, sage: gepriesen sei der, der von seiner Herrlichkeit denen Anteil gibt, die ihn fürchten. (Bei) Königen der Weltvölker sage er: gepriesen sei der, der von seiner Herrlichkeit seinen Geschöpfen gibt.

228

III. Das rabbinische Judentum

Rabbi Jochanan (P. gest. 279) hat gesagt: immer sei ein Mensch darauf bedacht, den Königen Israels entgegenzulaufen. Aber nicht nur den Königen Israels entgegen, sondern auch den Königen der Weltvölker entgegen; denn wenn er Verdienst hat, wird er zwischen den Königen Israels und den Königen der Weltvölker unterscheiden können. 208. Heidnisches

Recht

Babli Baba qamma 113 a: Schemuel (B. gest. 254) hat gesagt: das Recht der Herrschaft ( = Regierung) ist (geltendes/ gültiges) Recht 1 . 1 Dieser Ausspruch Schemuels wird im rabbinischen Schrifttum sehr häufig in verschiedenen Zusammenhängen angeführt.

209. Das Martyrium von Rabbi

Aqiba

Babli Berakoth 61 b: Die Rabbinen haben gelehrt: einmal hat die frevlerische Regierung ( = Rom) beschlossen, daß die Israeliten sich nicht mehr mit der Thora beschäftigen sollten. Pappos-ben-Jehuda (T. um 110) ist gekommen und hat Rabbi Aqiba (T. gest. um 135) gefunden, der öffentlich Versammlungen abhielt und sich (auf ihnen) mit der Thora beschäftigte. Er hat zu ihm gesagt: Aqiba, fürchtest du dich nicht vor der Regierung? Er hat zu ihm gesagt: ich will dir ein Gleichnis sagen. Womit ist die Sache zu vergleichen? Mit einem Fuchs, der am Ufer eines Flusses entlangging. Er hat die Fische gesehen, die sich von Ort zu Ort versammelt haben. Er hat zu ihnen gesagt: vor was flieht ihr? Sie haben zu ihm gesagt: vor den Netzen, die die Menschenkinder über uns bringen. Er hat zu ihnen gesagt: es möge euer Wille sein, daß ihr aufs Trockne kommt, und wir, ich und ihr, wollen (zusammen) wohnen, wie meine Väter mit euren Vätern gewohnt haben! Sie haben zu ihm gesagt: bist du es, von dem man sagt, er sei der Klügste unter den Tieren? Du bist nicht klug, sondern dumm! Wenn wir uns (schon) an dem Ort unseres Lebens fürchten, um wieviel mehr an dem Ort unseres Todes! Auch wir! (Wenn wir uns) jetzt (schon fürchten), wo wir sitzen und uns mit der Thora beschäftigen, in der geschrieben steht: denn die (Thora) ist dein Leben und die Länge deiner Tage (5.Mose 30,20), so ist es um so mehr so, wenn wir gingen und uns von ihr abwenden würden! Man hat gesagt: nur wenige Tage sind es gewesen, da hat man Rabbi Aqiba festgenommen und in das Gefängnis gesperrt. Und man hat Papposben-Jehuda festgenommen und hat ihn zu ihm gesperrt. Er hat zu ihm gesagt: Pappos, wer hat dich hierhergebracht? Er hat zu ihm gesagt: heil dir, Rabbi Aqiba, daß du wegen der Worte der Thora festgenommen worden bist! Weh ihm, dem Pappos, daß er wegen nichtiger Dinge festgenommen worden ist! In der Stunde, als man Rabbi Aqiba zur Hinrichtung geführt hat, ist es Zeit für das Lesen des „Höre" 1 gewesen, und man hat sein Fleich mit eisernen Kämmen zerrissen. Aber er hat das Joch der himmlischen Herrschaft auf sich

Die Rabbinen und das Christentum

229

genommen. Seine Schüler haben zu ihm gesagt: unser Lehrer, bis hierher (soll die Erfüllung der Thora gehen)? Er hat zu ihnen gesagt: all mein Lebtag habe ich mich über diesen Vers gegrämt: Mit deiner ganzen Seele ( 5 . M o s e 6,5). Auch wenn er ( = Gott) deine Seele nimmt! Ich habe (mir) gesagt: wann kommt mir (die Gelegenheit), und ich will es erfüllen? Und jetzt, w o mir (die Gelegenheit) gekommen ist, soll ich es nicht erfüllen!? Er dehnte (die Silben) beim „Einer" ( 5 . M o s e 6,4) (so lange), bis seine Seele bei (dem Wort) „Einer" ausging. Eine Offenbarungsstimme ist ergangen und hat gesagt: heil dir, Rabbi Aqiba, daß deine Seele bei (dem Wort) „Einer" ausgegangen ist! Die Dienstengel haben vor dem Heiligen, gepriesen sei er, gesagt: das ist die Thora, und das ist ihr Lohn 2 !? Von den Sterblichen? (Von) deiner Hand, Herr3! Von den Sterblichen usw. (Ps. 17,14)? Er hat zu ihnen gesagt: ihr Anteil ist im Leben (Ps. 17,14)! Eine Offenbarungsstimme ist ergangen und hat gesagt: heil dir, Rabbi Aqiba, daß du für das Leben der zukünftigen Welt bestimmt bist! ' D a s tägliche Gebet bestehend aus 5.Mose 6 , 4 - 9 ; 11,13-21; 4. Mose 15,37—41, einleitenden und abschließenden Segenssprüchen. 2 Vgl. Text III. 18. 3 Rabbi Aqiba sollte wegen seines Verdienstes um die Thora nicht durch Menschen, sondern von Gottes Hand sterben.

g)

Gott

Das biblische Bekenntnis der Einzigkeit Gottes (5. Mose 6,4f.) ist der Ausgangsund Orientierungspunkt der rabbinischen Aussagen von Gott. Die Erwähltheit Israels als des mit dem einen Gott korrespondierenden einen Gottesvolks wird nicht allein im Bundesgedanken entfaltet, sondern auch im Liebesgedanken, wie er bereits im Bekenntnis selbst angelegt ist. So kommt es zu Glaubensaussagen des Vertrauens (Text III. 210), und die Bezeichnung Gottes als Vater ist geläufig (Texte III. 35, 54, 203, 210, 211 und sehr häufig im rabbinischen Schrifttum). In all diesen Aussagen liegt die Betonung auf der Nähe Gottes zu Israel (Text III. 212). Diese Nähe ist nicht denkbar ohne die Vermittlung der Thora. Deshalb kann sie auch anthropomorph entfaltet werden, indem die im Liebesgedanken angelegte Korrespondenz zwischen Gott und Israel mit Hilfe der Offenbarung Gottes (der Thora) so gefaßt wird, daß Gott sich wie ein Rabbi dem Studium der rabbinischen Traditionen widmet (Text III.213; vgl. den die Thora studierenden Messias in Text III. 177). Hinter diesen nur scheinbar simplen oder anstößigen Aussagen, die Gott als rabbinischen Gelehrten zeigen, liegt ein komplizierter traditionsgeschichtlicher Sachverhalt. Die kultisch verankerte Unaussprechlichkeit des Namens Gottes mündet nicht in den Gedanken eines weltfernen Gottes ein, sondern mit Hilfe der Thora in Gedanken ein, in denen Thora und Weltwirklichkeit sowie Thora und Name Gottes miteinander korrespondieren. Der ursprüngliche Eigenname Gottes wird hier zum Namen Gottes, der auslegbar ist (die Texte III. 214, 215 zeigen die beiden grundsätzlichen Auslegungsmöglichkeiten der Analyse und der Entfaltung). Der schon bei der rabbinischen Messianologie bemerkte Grundzug, daß sich Thora und Wirklichkeit gegenseitig auslegen, wird in diesem späten Stadium rabbinischen Denkens auch in der eigentlichen Theologie wirksam. Was auf den ersten Blick wie Spielerei oder spitzfindige und weltferne „Buchstabentheologie" aussieht, ist der von soteriologischem Geist erfüllte Versuch,

230

III. Das rabbinische Judentum

den einzigen und einigen Gott mit einer komplexen Weltwirklichkeit durch Gottes Offenbarung zu vermitteln (Text III. 216). Was sich in der schlichten Frömmigkeit der homiletischen Geschichtsbetrachtung (Text III. 217) und in der komplizierten „Korrespondenztheologie" zeigt und als Entfaltung aus dem biblischen Bekenntnis gewonnen ist, ist beidemal derselbe Gedanke, daß im Erlösungsgeschehen der Welt Israel und sein Gott die alleinigen Faktoren von Bedeutung sind. 210.

Gottvertrauen

Mischna Rosch ha-schana III, 8 a : Und sobald Mose seine Hand erhoben hatte, ist Israel stark gewesen usw. (2.Mose 1 7 , 1 1 ) . Aber wie? Haben die Hände von Mose den Krieg geführt oder den Krieg entschieden? Vielmehr, um dir zu sagen: immer, wenn die Israeliten nach oben geschaut haben und ihr Herz ihrem Vater in den Himmeln unterworfen haben, sind sie stark gewesen; und wenn nicht, sind sie gefallen. Wie daraus hervorgeht, was du sagst: mache dir eine Schlange und stecke sie auf einen Stab; und jeder, der gebissen worden ist und sie sieht, wird leben ( 4 . M o s e 2 1 , 8 ) . Aber wie? Hat die Schlange getötet, oder hat die Schlange lebendig gemacht? Vielmehr: immer, wenn die Israeliten nach oben geschaut haben und ihr Herz ihrem Vater in den Himmeln unterworfen haben, sind sie geheilt worden; und wenn nicht, sind sie dahingesiecht. 211.

Gott als Vater

Israels

Schemoth Rabba 3 2 , 5 (Wilna 6 0 c): Rabbi Jizchaq (P. um 300) hat eröffnet: und ich habe gesagt: wie werde ich dich an Söhnestatt setzen; fürwahr, ein Weib betrügt seinen Freund (Jer. 3 , 1 9 f . ) . Und ich habe gesagt: wie werde ich dich an Söhnestatt setzen (Jer. 3 , 1 9 ) . Alle Wunder und Großtaten, die ich euch getan habe, (habe ich getan) nicht, damit ihr (mir) meinen Lohn (dafür) geben sollt, sondern, damit ihr mich ehren sollt wie Söhne und mich euren Vater nennen sollt. 2 J 2 . Nähe

Gottes

Jeruschalmi Berakoth 13 a, 1 7 - 2 1 . 2 5 - 2 8 : Rabbi Pinchas (P. um 360) hat im Namen von Rab Jehuda-bar-Simon (P. um 320) gesagt: der Götzendienst erscheint nahe, aber er ist nichts als fern. Was ist der Grund? Sie heben ihn ( = den Götzen) auf die Schulter, tragen ihn usw. (Jes. 4 6 , 7 ) . Schließlich ist sein Gott mit ihm in einem Haus, und er schreit (zu ihm), bis er stirbt, aber der hört nicht und hilft (ihm) nicht in seiner Not. Aber der Heilige, gepriesen sei er, erscheint fern, aber keiner ist näher als er. (Es folgt hier ein Passus über die Ausmaße des Himmels, der Gottes scheinbare Ferne veranschaulichen soll.) Und betritt ein Mensch das Versammlungshaus und tritt hinter eine Säule und betet im Flüsterton, hört der Heilige, gepriesen sei er, sein Gebet. Wie gesagt ist: und Hanna redete in ihrem Herzen, nur ihre Lippen bewegten sich, aber ihre Stimme war nicht zu hören ( l . S a m . 1 , 1 3 ) . Aber der Heilige, gepriesen sei er, hat ihr Gebet gehört.

Die Rabbinen und das Christentum

231

213. Gott als Rabbi BabliChagiga 15 b: Rabba-bar-Schila (Β. l . H . 4.Jh.) hat (den Propheten) Elia getroffen. Er hat zu ihm gesagt: was tut der Heilige, gepriesen sei er? Er hat zu ihm gesagt: er sagt Lehren aus dem Mund von allen Rabbinen, aber aus dem Mund von Rabbi Meir (T. um 150) sagt er nichts. Er hat zu ihm gesagt: warum? Weil der Lehren aus dem Mund des (Ketzers) Acher (um 120) gelernt hat. 214. Die Zerlegung des Namens Babli Menachoth 29 b: Denn durch (die Buchstaben) JHist der Herr der Fels der Welten (Jes. 26,4) 1 ... Rabbi Jehuda-bar-Rabbi-Eleai (T. um 150) hat vorgetragen: das ( = die zwei Buchstaben JH) sind die zwei Welten, die der Heilige, gepriesen sei er, erschaffen hat: eine durch (den Buchstaben) „he" und eine (durch den Buchstaben) „jod". Aber ich weiß nicht, ob die zukünftige Welt durch „jod" und diese Welt durch „he" oder diese Welt durch „jod" und die zukünftige Welt durch „he". Doch da sagt die (Schrift): dieses sind die Entstehungen des Himmels und der Erde, als sie erschaffen worden sind (1.Mose 2,4). Lies nicht „als sie erschaffen worden sind", sondern: durch „he" hat er sie erschaffen 2 . Das meint: diese Welt durch „he" und die zukünftige Welt durch „jod". 1 So ist der Vers im folgenden verstanden. „ J H " ( = „jod" und „he") sind die ersten beiden Buchstaben des vierbuchstabigen Gottesnamens „JHVH". 2 Der hebräische Ausdruck in 1. Mose 2 , 4 kann auch so verstanden werden.

215. Die Kombination

des Namens

Babli Qidduschin 71a: Die Rabbinen haben gelehrt: früher hat man den Namen aus zwölf Buchstaben 1 jedem Menschen überliefert. Seit die Zuchtlosen viel geworden waren, hat man ihn (nur) den Frommen in der Priesterschaft überliefert, und die Frommen in der Priesterschaft verschluckten ihn bei der Melodie ihrer Brüder, den Priestern. 1

Es ist hierbei an ein geometrisches Gebilde zu denken, das wohl zu magischen Zwecken verwendet wurde und etwa diese Gestalt haben konnte: HJ HVHJ JHVH JH.

216. Erlösung durch den „großen

Namen"

Bereschith Rabba 44,19 (J.Theodor-Ch.Albeck 443): Den, dem sie dienen, werde ich richten („DN") (1.Mose 15,14). Rabbi Eleasar (P. um 270) im Namen von Rabbi Jose-bar-Simra (P. um 220): durch

232

ΠΙ. Das rabbinische Judentum

jene zwei Buchstaben („DN") hat der Heilige, gepriesen sei er, unserem Vater Abraham versichert, daß er seine Söhne erlösen werde, und daß er sie, wenn sie Umkehr tun würden, durch zweiundsiebzig Buchstaben erlösen werde. Denn Rabbi Judan (P. um 350) hat gesagt: von „Zu kommen, sich ein Volk zu holen mitten aus einem Volk (5.Mose 4 , 3 4 ) " bis „Große Fruchtbarkeiten (5.Mose 4 , 3 4 ) " findest du die zweiundsiebzig Buchstaben des Heiligen, gepriesen sei er 1 . Und wenn zu dir ein Mensch sagt, das seien ja fünfundsiebzig (Buchstaben), sage zu ihm: nimm von ihnen das zweite (des zweimal erscheinenden Ausdrucks) „ein Volk" aus 2 , denn es ist nicht mitzuzählen. Rabbi Abin (P. um 325) hat gesagt: durch seinen Namen erlöst er sie, denn der Name des Heiligen, gepriesen sei er, (besteht aus) zweiundsiebzig Buchstaben. 1 2

Der zitierte Vers hat hebräisch 7 5 Buchstaben. Siehe das folgende Argument. Der Ausdruck hat hebräisch drei Buchstaben.

217. Erlösung allein durch

Gott

Midrasch Thehillim 3 6 , 6 (S.Buber 125b): Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht sehen wir Licht (Ps. 36,10). Rabbi Jochanan (P. gest. 279) hat gesagt: es geschah bei einem, der eine Leuchte anzündete, und sie verlosch. Er zündete sie (noch einmal) an, aber sie verlosch (wieder). Er hat gesagt: wie lange soll ich mich mit jener Leuchte abmühen? Ich warte auf das Licht der Sonne und gehe (dann) bei ihrem Licht. So wurden die Israeliten in Ägypten geknechtet, aber Moses ist erstanden und hat sie erlöst. Aber wiederum wurden sie in Babylon geknechtet, aber Daniel, Chananja, Mischael und Asarja sind erstanden und haben sie erlöst. Aber wiederum wurden sie durch Elam, Medien und Persien geknechtet: es sind Mordekai und Esther erstanden und haben sie erlöst. Wiederum wurden sie durch Griechenland geknechtet, aber der Hasmonäer 1 und seine Söhne sind erstanden und haben sie erlöst. Wiederum wurden sie durch das frevlerische Edom ( = Rom) geknechtet. (Da) haben die Israeliten gesagt: siehe, wir sind ermüdet von unserem Geknechtetsein und Erlöstsein und wieder Geknechtetsein! Jetzt wollen wir nicht (mehr von) Fleisch und Blut erlöst werden, sondern der Herr erlöse uns, Zebaoth ist sein Name, Heiliger Israels! 1 Der Stammvater des hasmonäischen Königshauses Mattathias, über den das erste Makkabäerbuch berichtet.

Literatur und Textsammlungen C.K.Barrett, Die Umwelt des Neuen Testaments, Tübingen (1959). R. Brunner, Gesetz und Gnade im Alten Testament und im jüdischen Denken, Zürich (1969). L. Goldschmidt, Das Buch der Schöpfung, Nachdruck Darmstadt (1969). K.Hruby, Juden und Judentum bei den Kirchenvätern, Schriften zur Judentumskunde 2, Zürich (1971). Ders., Die Stellung der jüdischen Gesetzeslehrer zur werdenden Kirche, Schriften zur Judentumskunde 4, Zürich (1971). E.Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, 2 Bände, Tübingen (1900). K.Latte, Die Religion der Römer, Religionsgeschichtliches Lesebuch, hrsg. von A. Bertholet, Tübingen (1927). J. Leipoldt und W. Grundmann, Umwelt des Christentums, 3 Bände, Berlin (1965). E.Lohse, Umwelt des Neuen Testaments, Grundrisse zum Neuen Testament, N T D Ergänzungsreihe 1 3 , Göttingen (1977). J. Maier, Geschichte der jüdischen Religion, Berlin (1972). T. Reinach, Textes d'auteurs grecs et romains relatifs au Judaisme, Paris (1895). G. Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt a. M. (1967). Ders., Das Buch Bahir, Nachdruck Darmstadt (1970). M.Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, Band I, Jerusalem (1974). H.L. Strack, P. Billerbeck, Kommentar zum N T aus Talmud und Midrasch, 6 Bände, München (1974-1978). K.Wilhelm, Jüdischer Glaube, Sammlung Dieterich 228, Bremen (1961).

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Sachwortregister der neutestamentlichen Bezüge (Die Hinweise beziehen sich auf Teil und Quelle) Abgaben: Mt 1 7 , 2 4 - 2 7 ; Rom 13,7 Abstammung: Mt 1 , 1 - 1 7 ; L k 3 , 2 3 - 3 8 Ausland: s. Diaspora Archelaos (ca. 23 v . - 1 5 n.Chr.): Mt 2,22 Bauern: s. Grundbesitz Begräbnis: s. Tod Beschneidung: Lk 1,59; 2 , 2 1 - 2 4 ; Joh 7 , 2 2 f ; Apg7,8; 15,1.5; 21,21; Rom 2 , 2 5 - 2 9 ; 3 , 1 ; 4 , 9 - 1 2 ; l.Kor. 7,18 f; Gal 2 , 3 ; 5 , 2 - 6 . 1 1 f; Eph 2,11; Phil 3 , 2 - 5 ; Kol 2,11; 3,11 Christentum: s. Jesus Diaspora: Ehe: Mt 2 2 , 1 - 1 4 ; 2 5 , 1 - 1 3 ; Lk 1 4 , 1 6 - 2 4 ; Joh 2, 1 - 1 1 ; l.Kor 7 , 1 - 9 . 2 5 - 4 0 ; E p h 5 , 2 2 - 3 3 ; Kol 3, 18 f; l.Petr 3,1—7; Hebr 13,4; Offb 1 9 , 7 - 9 Ehescheidung: Mt 5 , 2 7 - 3 2 ; 1 9 , 3 - 1 2 ; Mk 1 0 , 1 - 1 2 ; Lk 16,18; l.Kor 7 , 1 0 - 1 6 Eid (Schwur): Mt 5 , 3 3 - 3 7 ; 2 3 , 1 6 - 2 2 Endzeitvorstellungen: passim Feste: Lk 2 , 4 1 f ; Joh 2,13; 7 , 1 0 - 1 4 ; l l , 5 5 f Frau: l.Kor 14,34f; Eph 5 , 2 2 - 3 3 ; Kol 3,18f Garizim-Kult: Joh 4,20 Galiläa: Mt 26,69; Mk 14,70; Lk 1 3 , 1 - 3 ; 23,6; Apg 5 , 3 7 Gebote: s. Thora Gebete (Hymnen): Mt 6 , 5 - 1 5 ; 7 , 7 - 1 1 ; 2 6 , 3 6 - 4 6 ; Mk l l , 2 5 f ; 1 4 , 3 2 - 4 2 ; Lk 1 , 4 6 - 5 5 . 6 8 - 8 0 ; 2, 2 8 - 3 2 ; 9,53; 1 1 , 2 - 4 . 9 - 1 3 ; 2 2 , 4 0 - 4 6 ; A p g 2 , 4 2 ; 4 , 2 3 - 3 1 ; Rom 1 1 , 3 3 - 3 6 ; 1 6 , 2 5 - 2 7 ; Phil 2 , 5 - 1 1 ; Eph 5 , 1 4 - 2 1 ; Kol 4 , 2 - 4 ; l.Tim 2,1 - 7 ; 3,16; l.Joh 5 , 1 3 - 1 5 Geburt: s. Schwangerschaft Gerichtsbarkeit (lokale): Mt 10,17; Mk 13,9 Gerichtshof („Hoher Rat"): Mt 5,22; 26,59; Mk 14, 55; 15,1; Lk 2 , 4 1 - 5 2 ; 22,66; Joh 11,47; Apg 5, 21 - 4 1 ; 6 , 1 2 - 1 5 ; 2 2 , 3 0 - 23,22; 24,20 Gesetz: s. Thora Gott: passim Gottesfürchtige: s. Proselyten Grundbesitz: Mt 13,44; 2 0 , 1 - 1 6 ; Mk 1 2 , 1 - 1 2 ; Lk 14,18; 15,11 ff

I. 2 - 8 , 1 4 - 1 8 , 26, 35, 3 8 - 4 0 , 44, 5 8 - 6 1 , 6 8 - 7 2 , 92f, 103 III.110-112 I. 60, 63

I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6

I. 77f; III. 1 2 - 1 4 , 3 6 II. 1; III. 122, 1 2 4 - 1 2 9

III. 1 3 0 - 1 3 3 1.54 I. 104; II. 16; III. 1 8 4 - 1 9 7 I. 85; III. 3 1 , 9 7 - 1 0 9 111.117,120-136,143 II. 1 - 5 , 33 1.79-81

II. 11; III Abschn. 2 c

I. 36f, 57, 95; III. 9 0 - 9 1 I. 56, 57; III. 8 8 - 9 6

II. 30; III. 35, 54, 2 1 0 - 2 1 7 1.127-136

238

Sachwortregister

Handel: Mt 13,45; Jak 4,13 ff; Offb 1 8 , 1 1 - 2 3 Handwerk: Apg 10,6 u. ö. Herodes (73 - 4 v. Chr.): Mt 2,16 Herodes Antipas (ca. 23 v . - 4 0 / 4 5 n. Chr.): Mt 14, 1 - 6 ; Mk 3 , 6 ; 8 , 1 5 f u . ö . Herodesanhänger: Mt 22,16; Mk 3 , 6 ; 8,15; 12,13 Hirten: Mt 9,36; 25,32; 26,31; Mk 6,34; 14,27; Lk 2 , 8 - 2 0 ; Joh 1 0 , 1 - 3 0 Hochzeit: s. Ehe Hohepriester: Mt 21,23; Mk 11,27; Lk 3,2; 20,1; Apg 4 , 6 ; 5,27; Hebr 4 , 1 4 - 5 , 1 0 ; 7 , 2 6 - 8 , 6 ; 13,11 Hoher Rat: s. Gerichtshof Huren: Mt 21,31 f; Lk 15,30 Hymnen: s. Gebete Ischarioth: s. Zeloten Jesus: passim Kanaanäer: s. Zeloten Ketzer: Mt 9,3; Mk 2 , 6 f ; Lk 5,21 Königtum: Mt 2,2; 4 , 8 - 1 0 ; 4,17; 21,5; 27,11; Joh 19,15 u.ö. Landvolk: Mt 5 , 3 ; Lk 6,20; Joh 7,49 Laubhüttenfest: Joh 5,1 (?); 7 , 2 . 1 4 . 3 7 Leviten: s. Priester Messias: passim Messiasproklamation: Mt 11,3; 27,54; Mk 15,39; Lk 7,19; 23,47; Joh 6,69 Mose: passim Nächstenliebe: passim Opfer: Rom 3,21 - 2 6 ; Hebr 9,11 ff Ordination: Apg 6,6; l.Tim 4,14; 2.Tim 1,6 Passafest: Mt 2 6 , 2 . 1 7 - 1 9 ; Mk 14, l f . 1 2 - 1 6 ; Lk 2, 41 f; 2 2 , l f . 7 - 1 3 ; J o h 2 , 1 3 . 2 3 ; 6 , 4 ; 11,55f; 12,1; 13,1; 18,39; 19,14; Apg 12,3 f; l . K o r 5 , 7 f ; Hebr 11,28 Pharisäer: passim Pilatus (26—36 n.Chr. Procurator): Lk 13,1—5 u.ö. Predigt: passim Priester und Leviten: Mt 8,4; Mk 1,44; L k 5 , 1 4 ; 17, 14; Joh 1,19; Apg 4 , 1 ; 6,7; Hebr 7,11 - 1 7 Procurator: Lk 2,2; 3 , 1 ; Mt 2 7 , 2 - 5 8 ; Apg 2 3 , 2 4 27,32 Prophetenerwartung: Joh 4 , 1 9 Proselyten: Mt 23,15; Apg 2,11; 6,5; 13,43.50; 16,14; 17,4 Rabbi: Mt 2 3 , 7 f ; 26,25.49; M k 9 , 5 ; 10,51; 11,21; 14,45; Joh 1,38.49; 3 , 2 . 2 6 ; 4,31; 6,25; 9,2; 11,8; 20,16 Römische Herrschaft: Rom 1 3 , 1 - 7 ; l.Petr5,13; Offb 17,5; 18,2 Sabbat: Mt 1 2 , 1 - 1 4 ; 24,20; 28,1; Mk 1,21; 2 , 2 3 28; 3 , 1 - 6 ; 6,2; 15,42; 16,1; Lk 4,16.31; 6 , 1 - 1 1 ; 1 3 , 1 0 - 1 7 ; 1 4 , 1 - 6 ; 23,54.56; J o h 5 , 9 - 1 8 ; 7 , 2 2 f ; 9 , 1 4 - 1 6 ; 19,31; Apg 1,12; 13,14.27.42.44; 15, 21; 16,13; 17,2; 18,4; Kol 2,16

1.129,139-142 1.51,85; III. 1 3 7 - 1 4 4 1.46-55,61 f 1.52 III Abschn. 1 b III. 6

I. 1 , 2 7 - 2 9 , 4 3 f, 75 f, 8 4 , 8 8 ; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 III. 5

III. 1 5 2 - 1 6 4 III. 1 5 - 1 9 , 53 1 . 2 2 , 3 0 - 3 4 , 4 7 , 6 1 f, 130 III. 1 - 4 , 2 9 , 3 5 , 1 2 6 III. 1 0 2 - 1 0 3 I. 1 0 9 - 1 1 1 ; II. 2 1 f ; III. 1 6 5 - 1 8 3 I. 9 6 - 9 8 , 1 0 6 - 1 0 8 II. 1 7 - 1 9 III. 1 9 8 - 2 0 1 I. 84; III. 2 7 - 2 8 , 99 III. 79 III. 9 9 - 1 0 0

I. 2 5 , 4 3 ; III Abschn. l b I. 65 III. 4 2 - 4 6 1.1 - 5 , 1 9 ; II. 12 f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 1.57,63-66 I. 21; II. 20 III. 2 9 , 7 4 - 7 9 , 1 6 0 , 1 8 4 III. 7 9 - 9 6 I. 20,35 - 4 1 , 61, 63 - 6 6 , 75f, 102 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9

Sach Wortregister Sadduzäer: Mt 3,7; 16,1-12; 22,23-34; Mk 8, 14-21; 12,18-27; Lk 20,27-40; Apg 4 , 1 - 4 ; 5,17f; 2 3 , 6 - 1 0 Samaria (Sebaste): Apg 8 , 5 . 9 . 1 4 Samaritaner: passim Schaubrote: Mt 12,4; Mk 2,26; Lk 6,4; Hebr 9,2 Schulden, Schuldrecht: Mt 5,25f; 18,23-35 Schwagerehe: Mt 22,23 - 3 0 ; Mk 12,18-25; Lk 20, 27-35 Schwangerschaft und Geburt: Mt 1,18.23; 24,19; Mk 13,17; Lk 1,30.41.57; 2,5; 21,23; l.Thess 5,3; Offb 12,2 Sikarier: s. Zeloten und Widerstandsbewegungen Simon Magus: Apg 8 , 9 - 1 3 Sklaven: passim Söldner: Mt 8,9; 27,27.65; Lk 3,14; 2. Tim 2,3 f Staat (siehe auch römische Herrschaft): passim Staatspacht: Mt 18,23-25 Stadt: passim Synagoge: Mt 4,23; 6,2.5; 9,35; 10,17; 12,9; 13,54; 23,34; Mk 1,21.29.39; 3,1; 6,2; 13,9; Lk 4,15 f. 33.44; 6,6; 7,5; 12,11; 21,12; Joh 6,59; 18,20; Apg 6,9; 9,2.20; 13,5.14; 17,1.10.17; 18,4.19; 19,8; 22,19; 26,11 Synagogenausschluß: Lk 6,22; Joh 16,2 Synagogenbeamte.· Mt 9,18; Mk 5,22.35-38; Lk 4, 20; 8,41.49; 13,14; Apg 18,8.17 Synagogenvorstand: Tempel: passim Tempelgeräte: Hebr 9,1 - 5 Tempelhauptmann: Lk 22,4.52; Apg 4,1; 5,24.26 Tempelpersonal, -einrichtungen: Hebr 9 , 6 - 1 0 Tempelsteuer: Mt 17,24-27; Hebr 7 , 5 - 9 Tempelvorhänge: Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45; Hebr 6,19 Tempelzerstörung: M t 2 4 , l - 3 ; Mk 1 3 , 1 - 4 ; Lk21, 5-7 Thora: Mt 5 , 1 7 - 1 9 ; 7,12; 1 5 , 1 - 9 ; M k 7 , l - 1 3 ; Rom 3 , 1 9 - 4 , 2 5 ; 5,13.20; 7 , 1 - 2 5 ; 9,4.31; 10,4f; 13,8-10; Gal 2 , 1 5 - 4 , 7 . 2 1 - 3 1 ; 5,3.14.18.23; 6,2; Phil 3,5 f Tiberias: Joh 6,23 Tod: Mt 9,23 - 25; 2 2 , 2 3 - 3 3 ; 23,29; 2 7 , 7 - 9 . 5 7 66; 2 8 , 1 - 1 0 ; Mk 2 , 3 5 - 4 2 ; 12,18-27; 15,42-47; 1 6 , 1 - 8 ; Lk 5 , 4 9 - 5 5 ; 16,19-31; 20,27-40.47; 23,50 - 5 6 ; 2 4 , 1 - 1 1 ; Joh 4 , 4 6 - 5 3 ; 11,1-44; 19,30-42; 2 0 , 1 - 1 2 Todesstrafe: Mt 27,1 f; Joh 18,31; Apg 7,58f; 12,2 Trauer: s. Tod Umwelt: s. Staat Verlobung: Mt 1,18; Lk 1,27; 2,5 Versöhnungstag: Rom 3,25; vgl. Apg 27,9; Hebr 7, 1-10.18 Vorsteher: s. Synagogenbeamte

ΠΙ. 8 - 9

1.49f Teil Π ΠΙ. 2 5 - 2 6 1.85,112-118,126 ΠΙ. 134-136 ΠΙ. 113

11.28 1.119-125 » 1.23,30 ΠΙ. 202-209 1.15f, 38 1.17,35,51,73f 1.83; Π. 11; III Abschn. 2 b

HI. 21.51 HI. 4 1 - 4 2 HI. 41,126 I. 9 f. 49,76; III Abschn. 2 a ΠΙ. 24 I. 84; III. 29 HI. 2 2 , 2 9 - 3 0 I. 9; HI. 3 3 - 3 4 HI. 23 HI. 35 I. 11-13, 81; ΙΠ. 5 6 - 7 3 ; 198,199 Verweise bei ΠΙ Abschn. 2e

1.52,79 ΠΙ. 145-151

1.56 f, 63

III. 120-123 III. 98

240

Stellen register

Wallfahrten: Lk 2,41; Joh 7 , 1 - 1 3 Widerstandsbewegungen (s. auch Zeloten): Lk 6,15 f; Apg 5,37; 21,38 Wochenfest: Apg 2,1; 20,16; l.Kor 16,8 Zeloten (s. auch Widerstandsbewegungen): Mt 10,4; 11,12; Mk 3 , 1 8 f ; Lk 6,15f; Apg 1,13; 21,38 Zöllner: M t 5 , 4 6 ; 9 , 9 - 1 3 ; 10,3; 11,19; 18,17; Mk 2, 1 3 - 1 7 ; Lk 3 , 1 2 f ; 5,27—32.39; 7 , 2 9 f . 3 4 ; 15, l f ; 18,9-14

Π. 9f; III. 31 1.56,62,64, 7 9 - 9 1 III. 101 III. 1 0 - 1 1 III. 5 - 6

Stellenregister der neutestamentlichen Bezüge (Die Hinweise beziehen sich auf Teil und Quelle) Matthäus

1 , 1 - 1 7 : Abstammung III. 1 1 0 - 1 1 2 1,18: Verlobung III. 1 2 0 - 1 2 3 1,18.23: Schwangerschaft und Geburt ΠΙ. 113 2,2: Königtum 1 . 2 2 , 3 0 - 3 4 , 4 7 , 6 1 f, 130 2,16: Herodes 1 . 4 6 - 5 5 , 6 1 f 2,22: Archelaos I. 6 0 , 6 3 3,7: Sadduzäer III. 8 - 9 4 . 8 - 1 0 : Königtum I. 22, 3 0 - 3 4 , 4 7 , 61 f, 130 4,17: Königtum I. 2 2 , 3 0 - 3 4 , 4 7 , 6 1 f, 130 4,23: Synagoge I. 83; II. 1; III Abschn. 2 b 5 , 3 : Landvolk III. 1 - 4 , 2 9 , 3 5 , 1 2 6 5 , 1 7 - 1 9 : Thoral. 1 1 - 1 3 , 81; III. 56 - 73, 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2e 5,22: Gerichtshof („Hoher Rat") I. 56, 57; III. 8 8 - 9 6 5,25f.: Schulden, Schuldrecht I. 85, 1 1 2 118,126 5 , 3 3 - 3 7 : Eid (Schwur) 1.54 5,46: Zöllner III. 5 - 6 6,2.5: Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 6 , 5 - 1 5 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 7 , 7 - 1 1 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 7,12: Thora I. 1 1 - 1 3 , 81; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 199 u. Verweise bei Abschn. 2 e 8,4: Priester und Leviten I. 1 - 5 , 19; II. 12f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 8,9: Söldner I. 23, 30 9,3: Ketzer iii. 1 5 - 1 9 , 5 3 9 . 9 - 1 3 : Zöllner III. 5 - 6 9,18: Synagogenbeamte III. 4 1 - 4 2 9 , 2 3 - 2 5 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 9,35: Synagoge I. 83; II. 1; III Abschn. 2 b

9,36: Hirten III. 6 10,3: Zöllner III. 5 - 6 10,4: Zeloten III. 1 0 - 1 1 10,17: Gerichtsbarkeit (lokale) I. 36 f, 57, 95; III. 9 0 - 9 1 Synagoge I. 83; II. 1; III Abschn. 2 b 11,3: Messiasproklamationen I. 9 6 - 9 8 , 106-108 11,12: Zeloten III. 1 0 - 1 1 11,19: Zöllner III. 5 - 6 1 2 , 1 - 1 4 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 12,4: Schaubrote III. 2 5 - 2 6 12,9: Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 13,44: Grundbesitz I. 1 2 7 - 1 3 6 13,45: Handel I. 1 2 9 , 1 3 9 - 1 4 2 13,54: Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 14,1—6: Herodes Antipas I. 52 1 5 , 1 - 9 : Thora I. 1 1 - 1 3 , 81; III. 5 6 - 73, 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2 e 1 6 , 1 - 1 2 : Sadduzäer III. 8 - 9 1 7 , 2 4 - 2 7 : Abgaben I. 2 - 8 , 1 4 - 1 8 , 2 6 , 3 5 , 3 8 - 4 0 , 4 4 , 5 8 - 6 1 , 6 8 - 7 2 , 9 2 f , 103 Tempelsteuer I. 9; III. 3 3 - 3 4 18,17: Zöllner III. 5 - 6 1 8 , 2 3 - 2 5 : Staatspacht I. 15f, 38 1 8 , 2 3 - 3 5 : Schulden, Schuldrecht I. 85, 1 1 2 118,126 1 9 , 3 - 1 2 : Ehescheidung III. 1 3 0 - 1 3 3 2 0 , 1 - 1 6 : Grundbesitz I. 1 2 7 - 1 3 6 21,5: Königtum I. 2 2 , 3 0 - 3 4 , 4 7 , 61 f, 130 21,23: Hohepriester 1 . 1 , 2 7 - 29,43 f, 75f, 84, 88; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 21,31 f: Huren III. 5 2 2 , 1 - 1 4 : Ehe II. 1; III. 122, 1 2 4 - 1 2 9 Ehescheidung III. 1 3 0 - 1 3 3 22,16: Herodesanhänger III Abschn. 1 b 2 2 , 2 3 - 3 0 : Schwagerehe III. 1 3 4 - 1 3 6 2 2 , 2 3 - 3 3 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 2 2 , 2 3 - 3 4 : Sadduzäer III. 8 - 9

241

Stellenregister 2 3 , 7 f : Rabbi III. 7 9 - 9 6 2 3 , 1 5 : Proselyten III. 29, 74 - 7 9 , 1 6 0 , 184 2 3 . 1 6 - 2 2 : Eid (Schwur) 1.54 2 3 , 2 9 : T o d III. 1 4 5 - 1 5 1 2 3 , 3 4 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 2 4 , 1 - 3 : Tempelzerstörung III. 35 2 4 , 1 9 : Schwangerschaft und Geburt III. 113 2 4 , 2 0 : Sabbat I. 37; I I I 7 1 0 4 - 1 0 9 2 5 . 1 - 1 3 : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 2 5 , 3 2 : Hirten III. 6 2 6 , 2 : Passafest III. 9 9 - 1 0 0 2 6 . 1 7 - 1 9 : Passafest ΠΙ. 9 9 - 1 0 0 2 6 , 2 5 . 4 9 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 2 6 , 3 1 : Hirten ΙΠ. 6 2 6 , 3 6 - 4 6 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 2 6 , 5 9 : Gerichtshof („Hoher Rat") I. 5 6 , 5 7 ; III. 8 8 - 9 6 2 6 , 6 9 : Galiläa 1 . 7 9 - 8 1 27, l f : Todesstrafe I. 5 6 - 5 7 , 63 2 7 . 2 - 5 8 : Procurator 1.57, 6 3 - 6 6 2 7 , 7 - 9 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 2 7 , 1 1 : Königtum I. 2 2 , 3 0 - 3 4 , 4 7 , 6 1 f, 130 2 7 , 2 7 : Söldner I. 23, 30 2 7 , 5 1 : Tempelvorhänge III. 23 2 7 , 5 4 : Messiasproklamationen I. 9 6 - 9 8 , 106-108 2 7 , 5 7 - 6 6 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 2 7 , 6 5 : Söldner 1 . 2 3 , 3 0 2 8 , 1 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 2 8 , 1 - 1 0 : T o d III. 1 4 5 - 1 5 1 Markus 1,21: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 1 , 2 1 . 2 9 . 3 9 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 1,44: Priester und Leviten 1 . 1 - 5 , 19; II. 12f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 2 , 6 f : Ketzer ΠΙ. 1 5 - 1 9 , 5 3 2 , 1 3 - 1 7 : Zöllner III. 5 - 6 2 , 2 3 - 2 8 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 2 , 2 6 : Schaubrote III. 2 5 - 2 6 2 , 3 5 - 4 2 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 3 , 1 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 3 , 1 - 6 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 3 , 6 : Herodes Antipas I. 52 Herodesanhänger III Abschn. 1 b 3 , 1 8 f : Zeloten III. 1 0 - 1 1 5 , 2 2 . 3 5 - 3 8 : Synagogenbeamte III. 4 1 - 4 2 6 , 2 : Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 6 , 3 4 : Hirten III. 6 7 , 1 - 1 3 : T h o r a l . 1 1 - 1 3 , 8 1 ; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2 e

8 , 1 4 - 2 1 : Sadduzäerin. 8 - 9 8 , 1 5 : Herodesanhänger III Abschn. l b 8 , 1 5 f: Herodes Antipas I. 5 2 9 , 5 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 1 0 , 1 - 1 2 : Ehescheidung III. 1 3 0 - 1 3 3 10,51: Rabbi III. 7 9 - 9 6 11,21: Rabbi III. 7 9 - 9 6 l l , 2 5 f : Gebete (Hymnen) II. 11; ΠΙ Abschn. 2 c 11,27: Hohepriester I. 1 , 2 7 - 2 9 , 4 3 f, 7 5 f , 8 4 , 8 8 ; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 1 2 , 1 - 1 2 : Grundbesitz 1 . 1 2 7 - 1 3 6 12,13: Herodesanhänger III Abschn. 1 b 1 2 , 1 8 - 2 5 : Schwagerehe III. 1 3 4 - 1 3 6 1 2 , 1 8 - 2 7 : Sadduzäer III. 8 - 9 Tod ΠΙ. 1 4 5 - 1 5 1 13,1—4: Tempelzerstörung III. 35 13,9: Gerichtsbarkeit (lokale) I. 3 6 f , 5 7 , 95; III. 9 0 - 9 1 Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 13,17: Schwangerschaft und Geburt III. 113 14, l f : Passafest III. 9 9 - 1 0 0 1 4 , 1 2 - 1 6 : Passafest III. 9 9 - 1 0 0 14,27: Hirten III. 6 1 4 , 3 2 - 4 2 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 14,45: Rabbi III. 7 9 - 9 6 14,55: Gerichtshof („Hoher Rat") 1 . 5 6 , 5 7 ; III. 8 8 - 9 6 14,70: Galiläa 1 . 7 9 - 8 1 15,1: Gerichtshof („Hoher Rat") I. 5 6 , 5 7 ; III. 8 8 - 9 6 15,38: Tempelvorhänge III. 23 15,39: Messiasproklamationen I. 96—98, 106-108

15,42: Sabbat I. 37; ΠΙ. 1 0 4 - 1 0 9 15,42 - 4 7 : Tod ΠΙ. 1 4 5 - 1 5 1 16,1: Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 1 6 , 1 - 8 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 Lukas 1,27: Verlobung III. 1 2 0 - 1 2 3 1 , 3 0 . 4 1 . 5 7 : Schwangerschaft und Geburt III. 113 1 , 4 6 - 5 5 . 6 8 - 8 0 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 1,59: Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 2 , 2 : Procurator I. 57, 6 3 - 6 6 2 , 5 : Schwangerschaft und Geburt III. 113 Verlobung III. 1 2 0 - 1 2 3 2 , 8 - 2 0 : Hirten III. 6 2 , 2 1 - 2 4 : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 2 , 2 8 - 3 2 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c

242

Stellenregister

2 , 4 1 : Wallfahrten II. 9 - 1 0 ; ΠΙ. 31 2 , 4 1 f: Feste 1.85; DI. 3 1 , 9 7 - 1 0 9 Passafest III. 9 9 - 1 0 0 2 , 4 1 - 5 2 : Gerichtshof („Hoher Rat") 1.56, 57; III. 8 8 - 9 6 3 , 1 : Procurator 1.57, 63 - 6 6 3 , 2 : Hohepriester 1 . 1 , 2 7 - 2 9 , 4 3 f, 7 5 f , 84, 88; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 3 , 1 2 f : Zöllner III. 5 - 6 3 , 1 4 : Söldner I. 2 3 , 3 0 3 , 2 3 - 3 8 : Abstammung III. 1 1 0 - 1 1 2 4 , 1 5 f . 3 3 . 4 4 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 4 , 1 6 . 3 1 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 4 , 2 0 : Synagogenbeamte III. 4 1 - 4 2 5 , 1 4 : Priester und Leviten I. 1 - 5 , 19; II. 12f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 5 , 2 1 : Ketzer iii. 1 5 - 1 9 , 5 3 5 , 2 7 - 3 2 . 3 9 : Zöllner III. 5 - 6 5 , 4 9 - 5 5 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 6 , 1 - 1 1 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 6 . 4 : Schaubrote III. 2 5 - 2 6 6 , 6 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 6 , 1 5 f : Widerstandsbewegungen!. 56, 62, 64, 79-91 Zeloten III. 1 0 - 1 1 6 , 2 0 : Landvolk III. 1 - 4 , 2 9 , 3 5 , 1 2 6 6 , 2 2 : Synagogenausschluß III. 2 1 , 5 1 7 , 5 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 7 , 1 9 : Messiaspröklamationen 1 . 9 6 - 9 8 , 106-108 7 , 2 9 f. 34: Zöllner III. 5 - 6 8 , 4 1 . 4 9 : Synagogenbeamte III. 4 1 - 4 2 9 , 5 3 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 1 1 , 2 - 4 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 1 1 . 9 - 1 3 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 12,11: Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 1 3 , 1 - 3 : Galiläa 1 . 7 9 - 8 1 1 3 , 1 - 5 : Pilatus 1.65 1 3 . 1 0 - 1 7 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 13,14: Synagogenbeamte III. 41 - 4 2 1 4 , 1 - 6 : Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 1 4 , 1 6 - 2 4 : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 14,18: Grundbesitz 1 . 1 2 7 - 1 3 6 15, l f : Zöllner III. 5 - 6 15,11 ff: Grundbesitz 1 . 1 2 7 - 1 3 6 15,30: Huren III. 5 16,18: Ehescheidung III. 1 3 0 - 1 3 3 1 6 , 1 9 - 3 1 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 17,14: Priester und Leviten I. 1 - 5 , 19; II. 12f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 1 8 , 9 - 1 4 : Zöllner III. 5 - 6

2 0 , 1 : Hohepriester I. 1 , 2 7 - 2 9 , 43f. 75f, 84, 88; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 2 0 , 2 7 - 3 5 : Schwagerehe III. 1 3 4 - 1 3 6 2 0 , 2 7 - 4 0 : Sadduzäer III. 8 - 9 2 0 , 2 7 - 4 0 . 4 7 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 21,5—7: Tempelzerstörung III. 35 2 1 , 1 2 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 2 1 , 2 3 : Schwangerschaft und Geburt III. 113 22, l f : Passafest III. 9 9 - 1 0 0 2 2 , 4 . 5 2 : Tempelhauptmann I. 84; III. 29 2 2 , 7 - 1 3 : Passafest III. 99 - 1 0 0 2 2 , 4 0 - 4 6 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 2 2 , 6 6 : Gerichtshof („Hoher Rat") 1 . 5 6 , 5 7 ; III. 8 8 - 9 6 2 3 , 6 : Galiläa 1 . 7 9 - 8 1 2 3 , 4 5 : Tempelvorhänge III. 23 2 3 , 4 7 : Messiasproklamationen I. 9 6 - 9 8 , 106-108 2 3 , 5 0 - 5 6 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 2 3 , 5 4 . 5 6 : Sabbat I. 37; ΠΙ. 1 0 4 - 1 0 9 2 4 , 1 - 1 1 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 Johannes 1,19: Priester und Leviten I. 1 - 5 , 19; II. 12f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 1 , 3 8 . 4 9 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 2 , 1 - 1 1 : Ehe 1.1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 2 , 1 3 : Feste 1.85; III. 31, 9 7 - 1 0 9 2 , 1 3 . 2 3 : Passafest III. 9 9 - 1 0 0 3 , 2 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 3 , 2 6 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 4 , 1 9 : Prophetenerwartung 1.21; II. 2 0 4 , 2 0 : Garizim-Kult II. 1 - 5 , 3 3 4 , 3 1 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 4 , 4 6 - 5 3 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 5 , 1 (?): Laubhüttenfest III. 1 0 2 - 1 0 3 5 . 9 - 1 8 : Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 6 , 4 : Passafest III. 9 9 - 1 0 0 6 , 2 3 : Tiberias 1.52, 79 6 , 2 5 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 6 , 5 9 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 6 , 6 9 : Messiasproklamationen 1 . 9 6 - 9 8 , 106-108 7 , 1 - 1 3 : Wallfahrten II. 9 - 1 0 ; III. 31 7 , 2 . 1 4 : Laubhüttenfest III. 1 0 2 - 1 0 3 7 . 1 0 - 1 4 : Feste 1.85; III. 3 1 , 9 7 - 1 0 9 7 , 2 2 f : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 Sabbat 1.37; III. 1 0 4 - 1 0 9 7,37: Laubhüttenfest III. 1 0 2 - 1 0 3 7 , 4 9 : Landvolk III. 1 - 4 , 2 9 , 3 5 , 1 2 6 9 , 2 : Rabbi III. 7 9 - 9 6 9 , 1 4 - 1 6 : Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 1 0 , 1 - 3 0 : Hirten III. 6

Stellen register 1 1 , 1 - 4 4 : Tod ΙΠ. 1 4 5 - 1 5 1 11,8: Rabbi III. 7 9 - 9 6 11,47: Gerichtshof („Hoher Rat") I. 56, 57; III. 8 8 - 9 6 11,55 f: Feste 1.85; III. 3 1 , 9 7 - 1 0 9 Passafest III. 9 9 - 1 0 0 12,1: Passafest ΠΙ. 9 9 - 1 0 0 13,1: Passafest III. 9 9 - 1 0 0 16,2: Synagogenausschluß III. 21,51 18,20: Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 c 18,31: Todesstrafe I. 5 6 - 5 7 , 6 3 18,39: Passafest III. 9 9 - 1 0 0 19,14: Passafest III. 9 9 - 1 0 0 19,15: Königtum 1 . 2 2 , 3 0 - 3 4 , 4 7 , 6 1 f, 130 1 9 , 3 0 - 4 2 : Tod III. 145-151 19,31: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 2 0 , 1 - 1 2 : Tod III. 1 4 5 - 1 5 1 20,16: Rabbi III. 7 9 - 9 6 Apostelgeschichte 1,12: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 1,13: Zeloten III. 1 0 - 1 1 2,1: Wochenfest III. 101 2,11: Proselyten ΠΙ. 29, 7 4 - 7 9 , 1 6 0 , 1 8 4 2,42: Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 4,1: Priester und Leviten I. 1 - 5 , 19; II. 12f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 4 . 1 - 4 : Sadduzäer III. 8 - 9 4,6: Hohepriester 1 . 1 , 2 7 - 2 9 , 4 3 f, 75f, 84, 88; II. 6 - 8 ; ΙΠ. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 4 , 2 3 - 3 1 : Gebete (Hymnen) Π. 11; III Abschn. 2 c 5,17f: Sadduzäer ΙΠ. 8 - 9 5 , 2 1 - 4 1 : Gerichtshof („Hoher Rat") 1.56, 57; ΙΠ. 8 8 - 9 6 5,27: Hohepriester I. 1 , 2 7 - 2 9 , 4 3 f , 75f, 84, 88; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 5,37: Galiläa 1 . 7 9 - 8 1 Widerstandsbewegungen I. 56, 62, 64, 79-91 6,5: Proselyten III. 29, 74 - 7 9 , 1 6 0 , 184 6,6: Ordination III. 79 6,7: Priester und Leviten I. 1 - 5 , 19; II. 12f; ΠΙ. 2 7 - 3 0 , 4 0 6,9: Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 6 , 1 2 - 1 5 : Gerichtshof („Hoher Rat") 1.56, 57; III. 8 8 - 9 6 7,8: Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 7,58f: Todesstrafe 1 . 5 6 - 5 7 , 63 8,5.9.14: Samaria (Sebaste) 1.49f 8 , 9 - 1 3 : Simon Magus II. 28 9 . 2 - 2 0 : Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2 b 10,6: Handwerk I. 51, 85; III. 1 3 7 - 1 4 4

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12,2: Todesstrafe I. 5 6 - 5 7 , 63 12,3 f: Passafest III. 9 9 - 1 0 0 13,5.14: Synagoge I. 83; Π. 11; ΙΠ Abschn. 2 b 13,14.27: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 13,42.44: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 13,43.50: Proselyten III. 2 9 , 7 4 - 7 9 , 1 6 0 , 184 15,1.5: Beschneidung 1.24; ΠΙ. 1 1 4 - 1 1 6 15,21: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 16,13: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 16,14: Proselyten ΙΠ. 2 9 , 7 4 - 7 9 , 1 6 0 , 1 8 4 17,1.10.17: Synagoge I. 83; Π. 11; HI Abschn. 2 b 17,2: Sabbat I. 37; IH. 1 0 4 - 1 0 9 17,4: Pioseiyten HI. 2 9 , 7 4 - 7 9 , 1 6 0 , 1 8 4 18,4: Sabbat I. 37; III. 1 0 4 - 1 0 9 18,4.19: Synagoge I. 83; Π. 11; ΙΠ Abschn. 2 b 18,8.17: Synagogenbeamte ΠΙ. 4 1 - 4 2 19,8: Synagoge 1.83; U. 11; III Abschn. 2b 20,16: Wochenfest III. 101 21,21: Beschneidung I. 24; HI. 1 1 4 - 1 1 6 21,38: Widerstandsbewegungen!. 56, 62, 64,79-91 Zeloten III. 1 0 - 1 1 22,19: Synagoge I. 83; II. 11; ΠΙ Abschn. 2b 2 2 , 3 0 - 2 3 , 2 2 : Gerichtshof („Hoher Rat") 1.56,57; III. 8 8 - 9 6 2 3 , 6 - 1 0 : Sadduzäer ΙΠ. 8 - 9 2 3 , 2 4 - 2 7 , 3 2 : Procurator I. 57, 6 3 - 6 6 24,20: Gerichtshof („Hoher Rat") 1.56,57; III. 8 8 - 9 6 26,11: Synagoge I. 83; II. 11; III Abschn. 2b 27,9: Versöhnungstag III. 98 Römer 2 , 2 5 - 2 9 : Beschneidung 1.24; III. 1 1 4 - 1 1 6 3,1: Beschneidung 1.24; III. 1 1 4 - 1 1 6 3 , 1 9 - 4 , 2 5 : Thora I. 1 1 - 1 3 , 81; ΠΙ. 5 6 - 73, 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2e 3 , 2 1 - 2 6 : Opfer I. 84; III. 2 7 - 2 8 , 9 9 3,25: Versöhnungstag III. 98 4 , 9 - 1 2 : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 5,13.20: Thora 1 . 1 1 - 1 3 , 8 1 ; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2e 7 , 1 - 2 5 : Thora 1 . 1 1 - 1 3 , 8 1 ; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2e 9,4.31: Thora I. 11 - 1 3 , 81; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2e 10,4f: Thora I. 1 1 - 1 3 , 81; III. 56 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2e 1 1 , 3 3 - 3 6 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c

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Stellenregister

1 3 , 1 - 7 : Römische Herrschaft I. 2 0 , 3 5 - 4 1 , 6 1 , 6 3 - 6 6 , 75 f, 102 1 3 , 7 : Abgaben 1 . 2 - 8 , 1 4 - 1 8 , 2 6 , 3 5 , 3 8 - 4 0 , 4 4 , 5 8 - 6 1 , 6 8 - 7 2 , 9 2 f , 103 1 3 , 8 - 1 0 : Thora 1 . 1 1 - 1 3 , 81; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2 e 1 6 , 2 5 - 2 7 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c

1. Thessalonicker 5 , 3 : Schwangerschaft und Geburt III. 113

1. Timotheus 2 , 1 - 7 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2c 3 , 1 6 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 4 , 1 4 : Ordination III. 79

1. Korinther

2. Timotheus

5,7{: Passafest III. 9 9 - 1 0 0 7 . 1 - 9 : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 7 , 1 0 - 1 6 : Ehescheidung III. 1 3 0 - 1 3 3 7 , 1 8 f : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 7 , 2 5 - 4 0 : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 1 4 , 3 4 f : Frau III. 1 1 7 , 1 2 0 - 1 3 6 , 1 4 3 1 6 , 8 : Wochenfest III. 101

1 , 6 : Ordination III. 7 9 2 , 3 f : Söldner I. 23, 3 0

3 , 1 - 7 : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 5 , 1 3 : Römische Herrschaft 1 . 2 0 , 3 5 - 4 1 , 6 1 , 63 - 6 6 , 75 f, 102

Galater

I. Johannes

2 , 3 : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 2 , 1 5 - 4 , 7 : Thora 1 . 1 1 - 1 3 , 8 1 ; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2 e 4 . 2 1 - 3 1 : Thora 1 . 1 1 - 1 3 , 81; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2 e 5 . 2 - 6 : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 5 , 3 . 1 4 . 1 8 . 2 3 : Thora I. 1 1 - 1 3 , 8 1 ; III. 5 6 73, 1 9 8 - 1 9 9 u. Verweise bei Abschn. 2 e 5, l l f : Beschneidung I. 2 4 ; III. 1 1 4 - 1 1 6 6 , 2 : Thora I. 1 1 - 1 3 , 81; III. 5 6 - 7 3 , 1 9 8 199 u. Verweise bei Abschn. 2 e

5 . 1 3 - 1 5 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c

Epheser 2 , 1 1 : Beschneidung I. 2 4 ; III. 1 1 4 - 1 1 6 5 , 1 4 - 2 1 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 5 . 2 2 - 3 3 : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 Frau III. 1 1 7 , 1 2 0 - 1 3 6 , 1 4 3

Philipper 2 , 5 - 1 1 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c 3 , 2 - 5 : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 3 , 5 f : Thora I. 1 1 - 1 3 , 81; III. 56 - 7 3 , 1 9 8 199 u. Verweise bei Abschn. 2 e

1. Petrus

Hebräer 4 . 1 4 - 5 , 1 0 : Hohepriester I. 1, 2 7 - 2 9 , 4 3 f , 75 f, 84, 88; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 6 , 1 9 : Tempelvorhänge III. 23 7 , 1 - 1 0 , 1 8 : Versöhnungstag III. 98 7 , 5 - 9 : Tempelsteuerl. 9; III. 3 3 - 3 4 7 , 1 1 - 1 7 : Priester und Leviten I. 1 - 5 , 1 9 ; II. 12 f; III. 2 7 - 3 0 , 4 0 7 , 2 6 - 8 , 6 : Hohepriester I. 1, 2 7 - 2 9 , 43 f, 7 5 f , 84, 88; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9 9 , 1 - 5 : Tempelgeräte III. 24 9 , 2 : Schaubrote III. 2 5 - 2 6 9 , 6 - 1 0 : Tempelpersonal, -einrichtungen III. 2 2 , 2 9 - 3 0 9 , 1 1 ff: Opfer I. 84; III. 2 7 - 2 8 , 99 I I , 2 8 : Passafest III. 9 9 - 1 0 0 13,4: Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 1 3 , 1 1 : Hohepriester I. 1 , 2 7 - 2 9 , 4 3 f, 7 5 f , 84, 88; II. 6 - 8 ; III. 8 , 2 2 , 2 7 , 2 9

Jakobus 4 , 1 3 ff: Handel I. 129, 1 3 9 - 1 4 2

Kolosser

Offenbarung Johannes

2 , 1 1 : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 2 , 1 6 : Sabbat 1 . 3 7 ; III. 1 0 4 - 1 0 9 3 , 1 1 : Beschneidung I. 24; III. 1 1 4 - 1 1 6 3 , 1 8 f : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9 Frau III. 1 1 7 , 1 2 0 - 1 3 6 , 1 4 3 4 , 2 - 4 : Gebete (Hymnen) II. 11; III Abschn. 2 c

1 2 , 2 : Schwangerschaft und Geburt III. 113 1 7 , 5 : Römische Herrschaft I. 20, 3 5 - 4 1 , 61, 6 3 - 6 6 , 75 f, 102 1 8 , 2 : Römische Herrschaft I. 20, 3 5 - 4 1 , 61, 6 3 - 6 6 , 75 f, 102 1 8 , 1 1 - 2 3 : Handel I. 129, 1 3 9 - 1 4 2 1 9 , 7 - 9 : Ehe II. 1; III. 1 2 2 , 1 2 4 - 1 2 9