Tarocchi: Spielerische Herrschaftsdemonstration der Herzöge von Mailand 1395-1500 9783534450244, 9783534450251, 3534450248

Tarocchi sind die ältesten überlieferten, gemalten Spielkarten. Sie entstanden in der adeligen Gesellschaft Oberitaliens

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Tarocchi: Spielerische Herrschaftsdemonstration der Herzöge von Mailand 1395-1500
 9783534450244, 9783534450251, 3534450248

Table of contents :
Cover
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Herzlichen Dank
Vielen Dank an die hilfreichen AnsprechpartnerInnen
Zusammenfassung
1 Einleitung
2 Formale Annäherung an gemalte Blickfänger
2.1 Aufbau und Verbreitung des Spiels
2.2 Begriffsklärung: Tarocchi, Tarock oder Tarot
Tarot
Tarock
Tarocchi
2.3 Herstellungstechnik gemalter Spielkarten
3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot
3.1 Forschungsgeschichte
3.2 Quellenbelege für gemalte und gedruckte Spielkarten
3.3 Überlieferte Spielkarten
3.3.1 Gemalte Spielkarten
3.3.2 Ungeschnittene Holzschnittbögen mit mehreren Spielkartenmotiven
3.3.3 Gedruckte und geschnittene Spielkarten
3.4 Nach der Forschungswelle offen gebliebene Fragen
3.4.1 Die Ursprünge dieses Kartenspiels
3.4.2 Zwischen Schriftquellen und überlieferten Bildern
3.4.3 Die Gesamtzahl der Karten im Spiel
3.4.4 Kartenspiel oder Repräsentationsobjekte
3.4.5 Die Bedeutung der Bilder der Trumpfreihe
3.4.6 Tradierung und Aufbewahrung erhaltener Spiele der Tarocchi
3.4.7 Die Trumpfreihe im Zentrum der Forschung
3.5 Das Wahrsagen mit Karten
4 Gesellschaftsspiele zwischen Vergnügen und Verderb
5 Das Spielen der Karten mit den Trümpfen
5.1 Das Gedicht von Flavio Alberto Lollio, Venedig 1550
5.2 Die ältesten bekannten Spielregeln von 1637
„Regeln des Spiels mit den Tarots“
5.3 Die ersten deutschen Spielregeln von 1754
5.4 Vom „Spiel mit den Tarots“ zum Tarot und Tarock
5.5 Charakteristik dieses Kartenspiels und seine Spieltaktik
5.6 Anspielungen und Analogien zur Gesellschaftsordnung
6 Die erhaltenen Spiele der Tarocchi als Quellenfundus
6.1 Methodik und angewandte Quellenkriterien
6.2 Ecksteine der Datierung
7 Stichworte zu Oberitalien im 15. Jahrhundert
7.1 Die geografische Lage Mailands
7.2 Die Staatsform der Stadtstaaten und die Territorialkriege
7.3 Die Condottieri
7.4 Das Künstlerdasein im Quatrocento
7.5 Eheschließung und Eheführung im adeligen Umfeld der Tarocchi
8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi
8.1 Die Selbstdarstellung des Adels in den Tarocchi
8.2 Das Wappen der Visconti
8.3 Impresen
8.4 Landschafts- oder Stadtansichten
8.5 Eingearbeitete Wappenfarben
8.6 Die Monogramme einiger Spielfragmente
9 Herzöge von Mailand 1395–1500
9.1 Gian Galeazzo Visconti
9.2 Giovanni Maria Visconti
9.3 Filippo Maria Visconti
9.4 Die Sforza übernehmen das Haus Visconti
9.4.1 Muzio Attendolo: Ursprung von Namen und Wappen der Sforza
9.4.2 Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza
9.5 Galeazzo Maria Sforza
9.6 Gian Galeazzo Maria Sforza
9.7 Ludovico Maria Sforza „il Moro“
9.8 Die Visconti und die Sforza, ihre Vergnügungen und die Tarocchi
10 Tarocchi der Herzöge von Mailand
10.1 Die Sammlung Tozzi
10.1.1 Das Spielfragment
10.1.2 Marie Louise d’Otranges Lesart des Monogramms des Schwert-König
10.1.3 Wappen und Impresen
10.1.4 Hinweise auf Gian Galeazzo Visconti
10.2 Das Brambilla
10.2.1 Das Spielfragment
10.2.2 Wappen und Impresen
10.2.3 Drei Herzöge und ein Spiel von Tarocchi
10.3 Das Visconti di Modrone
10.3.1 Das Spielfragment
10.3.2 Wappen und Impresen
10.3.3 Filippo Maria Visconti und das Visconti di Modrone
10.3.4 Die „Liebenden“
10.3.5 König Sigismund als der „Herrscher“
10.3.6 Die Welt des Filippo Maria Visconti
10.4 Das Visconti-Sforza
10.4.1 Das Spielfragment
10.4.2 Sechs Trümpfe eines anderen Künstlers
10.4.3 Wappen und Impresen
10.4.4 Bianca Maria und Francesco Sforza und das Visconti-Sforza-Spiel
10.5 Muzeum Narodowe w Warszawie und Musée Français de la Carte à Jouer
10.5.1 Das Spielfragment
10.5.2 Galeazzo Maria Sforza
10.6 Museum August Kestner
10.6.1 Das Spielfragment
10.6.2 Wappen und Wappenfarben
10.6.3 Gian Galeazzo Maria Sforza als Besitzer
10.7 Museo Fournier de Naipes de Álava
10.7.1 Das Spielfragment
10.7.2 Impresen
10.7.3 Ludovico Maria Sforza und die Karten des Museo Fournier de Naipes de Álava
11 Spiele von Mittlern und Helfern auf Francesco Sforzas Weg zum Herzog
11.1 Alessandro Sforza
11.1.1 Das Spielfragment
11.1.2 Wappen und Ähnlichkeiten
11.1.3 Die problematische Interpretation der Darstellung von Personen
11.1.4 Alessandro Sforza und das Spiel in Catania
11.2 Bartolomeo Colleoni
11.2.1 Das Spielfragment, Wappen und Motto
11.2.2 Die Waffengefährten Bartolomeo Colleoni und Francesco Sforza
11.3 D’Este
11.3.1 Das Spielfragment
11.3.2 Wappen
11.3.3 Filippo Maria Visconti, Francesco Sforza und das Haus d’Este
12 Spiele ohne Insignien eines Machthabers
12.1 Die Goldschmidt-Karten und Guildhall Library Tarocchi Cards
12.1.1 Die Goldschmidt-Karten
12.1.1.a Das Spielfragment
12.1.1.b Wappen, Ähnlichkeiten und Andeutungen
12.1.2 The Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards
12.1.2a „Guildhall narrow“
12.1.2b „Guildhall wide“
12.1.3 Beziehungen zwischen Goldschmidt-Karten und „Guildhall wide“
12.1.4 Kardinal Ascanio Maria Sforza
12.1.5 Die Goldschmidt-Karten und Kardinal Ascanio Sforza
12.2 „Tarot dit de Charles VI“
12.2.1 Das Spielfragment
12.2.2 Wappen: Die These von einem Spiel der Medici
12.2.3 Was gegen ein Medici-Spiel spricht
12.2.4 Valentina Visconti und das „Tarot dit de Charles VI“
13 Kleine Spielfragmente und einzelne Karten
13.1 Sammlung Cocchi
Wappen und Impresen
13.2 Einzelne Karten
13.3 Zwei Karten aus einer Online-Auktion
14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven
14.1 Der „Gehängte“
14.2 Die „Päpstin“
14.2.1 Das Motiv und mögliche Vorbilder
14.2.2 Stilistische Gegenüberstellung der beiden erhaltenen Motive
14.3 Das Motiv der „Welt“
14.4 Der Schwert-König
14.5 Das Schwert-As
15 Zusammenfassung der Ergebnisse
15.1 Die Herzöge von Mailand im Zentrum der Tarocchi
15.2 Die Sforza und die Visconti-Tradition der Tarocchi
15.3 Die Größe der Tarocchi
15.4 Material und Gestaltung
15.5 Bewegte Bilder:
15.6 Tarocchi und die Kunst ihrer Zeit
16 Schlussbemerkung
17 Kommentierter Quellenkatalog
17.1 Sammlung Tozzi
17.2 Die Sammlung Cocchi
17.3 Das Brambilla
17.4 Das Visconti di Modrone
17.5 Das Visconti-Sforza
17.6 Visconti-Sforza: Sechs Trümpfe eines anderen Künstlers
17.7 Muzeum Narodowe w Warszawie, Musée Français de la Carte à Jouer und unbekannte Privatsammlung
17.8 Museo Fournier de Naipes de Álava
17.9 Museum August Kestner
17.10 Die Goldschmidt-Karten
17.11 The Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, Acquisition No. 507
17.12 „Tarot dit de Charles VI“
17.13 Das Alessandro Sforza
17.14 Bartolomeo Colleoni
17.15 D’Este
17.16 Zwei Karten aus einer online-Auktion
18 Anhänge
18.1 Anhang 1: Regles du jeu des Tarots, Dupuy 777, Folio 94–97
18.2 Anhang 2: Insignien der Visconti und Sforza in den Tarocchi
Literaturverzeichnis
Kartenspiele und Spielkarten: Faksimile und Digitalisate
Literatur und Archivgut
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Gemälde
Literarische Rezeption
Backcover

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Sabine Abele-Hipp studierte an der Universität Konstanz Geschichte und Politische Wissenschaft. Während der Mitarbeit im familieneigenen Betrieb promovierte sie an der Universität Konstanz.

www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-45024-4

9 783534 450244

Sabine Abele-Hipp Tarocchi

Tarocchi sind die ältesten überlieferten Spielkarten, sie sind gemalt und gehören zu der Familie der Tarocke und des späteren Tarot. Prächtig ausgeführt, faszinieren sie bis heute. Dieses Buch zeigt anhand der auf den Karten dargestellten Wappen, Impresen oder Landschaftsausschnitten die Auftraggeber dieser Spielkarten auf. Die Analyse der ältesten Spielregeln des Kartenspiels erbringt erstaunliche Analogien der Spielweise zu der adeligen Gesellschaftsordnung in Oberitalien im 15. Jahrhundert. Die Autorin erschließt der Geschichtswissenschaft eine neue Quellengattung und erarbeitet eine transdisziplinäre Methode, die der kulturhistorischen Erforschung der Tarocchi und der Spielkartenforschung neue Aspekte hinzufügt.

Sabine Abele-Hipp

Tarocchi Spielerische Herrschaftsdemonstration der Herzöge von Mailand 1395–1500

Sabine Abele-Hipp Tarocchi

Sabine Abele-Hipp

Tarocchi Spielerische Herrschaftsdemonstration der Herzöge von Mailand 1395–1500

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) vorgelegt von Sabine Abele-Hipp an der

Geisteswissenschaftliche Sektion Fachbereich Geschichte, Soziologie, Sportwissenschaft und empirische Bildungsforschung Konstanz, 03. 02. 2021

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar

wbg Academic ist ein Imprint der wbg © 2022 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Umschlagsabbildung: Detail of the „World“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University. Foto: Marie-France Lemay, Paper Conservator, Yale University Library, Center for Preservation & Conservation Satz und eBook: SatzWeise, Bad Wünnenberg Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-45024-4 Elektronisch ist folgende Ausgabe erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-45025-1

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzlichen Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vielen Dank an die hilfreichen AnsprechpartnerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 Formale Annäherung an gemalte Blickfänger 2.1 Aufbau und Verbreitung des Spiels . . . . . 2.2 Begriffsklärung: Tarocchi, Tarock oder Tarot Tarot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarocchi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Herstellungstechnik gemalter Spielkarten . .

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Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot . . . . . . . . . . . . . Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenbelege für gemalte und gedruckte Spielkarten . . . . . . . . . . . . Überlieferte Spielkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Gemalte Spielkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Ungeschnittene Holzschnittbögen mit mehreren Spielkartenmotiven 3.3.3 Gedruckte und geschnittene Spielkarten . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Nach der Forschungswelle offen gebliebene Fragen . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Die Ursprünge dieses Kartenspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Zwischen Schriftquellen und überlieferten Bildern . . . . . . . . . . . 3.4.3 Die Gesamtzahl der Karten im Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Kartenspiel oder Repräsentationsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Die Bedeutung der Bilder der Trumpfreihe . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.6 Tradierung und Aufbewahrung erhaltener Spiele der Tarocchi . . . . 3.4.7 Die Trumpfreihe im Zentrum der Forschung . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Das Wahrsagen mit Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gesellschaftsspiele zwischen Vergnügen und Verderb . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3 3.1 3.2 3.3

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5 Das Spielen der Karten mit den Trümpfen . . . . . . 5.1 Das Gedicht von Flavio Alberto Lollio, Venedig 1550 5.2 Die ältesten bekannten Spielregeln von 1637 . . . . . „Regeln des Spiels mit den Tarots“ . . . . . . . . . . . 5.3 Die ersten deutschen Spielregeln von 1754 . . . . . . 5.4 Vom „Spiel mit den Tarots“ zum Tarot und Tarock . .

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Inhaltsverzeichnis

5.5 Charakteristik dieses Kartenspiels und seine Spieltaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Anspielungen und Analogien zur Gesellschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6 Die erhaltenen Spiele der Tarocchi als Quellenfundus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Methodik und angewandte Quellenkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Ecksteine der Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Stichworte zu Oberitalien im 15. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . Die geografische Lage Mailands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Staatsform der Stadtstaaten und die Territorialkriege . . . . . Die Condottieri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Künstlerdasein im Quatrocento . . . . . . . . . . . . . . . . . Eheschließung und Eheführung im adeligen Umfeld der Tarocchi

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Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi . Die Selbstdarstellung des Adels in den Tarocchi Das Wappen der Visconti . . . . . . . . . . . . Impresen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landschafts- oder Stadtansichten . . . . . . . Eingearbeitete Wappenfarben . . . . . . . . . Die Monogramme einiger Spielfragmente . . .

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Herzöge von Mailand 1395–1500 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gian Galeazzo Visconti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Giovanni Maria Visconti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Filippo Maria Visconti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sforza übernehmen das Haus Visconti . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.1 Muzio Attendolo: Ursprung von Namen und Wappen der Sforza 9.4.2 Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza . . . . . . . . . . . Galeazzo Maria Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gian Galeazzo Maria Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ludovico Maria Sforza „il Moro“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Visconti und die Sforza, ihre Vergnügungen und die Tarocchi . .

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Die Sammlung Tozzi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Marie Louise d’Otranges Lesart des Monogramms des Schwert-König 10.1.3 Wappen und Impresen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.4 Hinweise auf Gian Galeazzo Visconti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Das Brambilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Wappen und Impresen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Drei Herzöge und ein Spiel von Tarocchi . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10.3 Das Visconti di Modrone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Wappen und Impresen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.3 Filippo Maria Visconti und das Visconti di Modrone . . . . . . . . . . . . . . 10.3.4 Die „Liebenden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.5 König Sigismund als der „Herrscher“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.6 Die Welt des Filippo Maria Visconti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Das Visconti-Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Sechs Trümpfe eines anderen Künstlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.3 Wappen und Impresen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.4 Bianca Maria und Francesco Sforza und das Visconti-Sforza-Spiel . . . . . . . 10.5 Muzeum Narodowe w Warszawie und Musée Français de la Carte à Jouer . . . . . . 10.5.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.2 Galeazzo Maria Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Museum August Kestner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.2 Wappen und Wappenfarben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.3 Gian Galeazzo Maria Sforza als Besitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Museo Fournier de Naipes de Álava . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7.2 Impresen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7.3 Ludovico Maria Sforza und die Karten des Museo Fournier de Naipes de Álava

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11 Spiele von Mittlern und Helfern auf Francesco Sforzas Weg zum Herzog 11.1 Alessandro Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Wappen und Ähnlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Die problematische Interpretation der Darstellung von Personen 11.1.4 Alessandro Sforza und das Spiel in Catania . . . . . . . . . . . . 11.2 Bartolomeo Colleoni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Das Spielfragment, Wappen und Motto . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Die Waffengefährten Bartolomeo Colleoni und Francesco Sforza 11.3 D’Este . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Wappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Filippo Maria Visconti, Francesco Sforza und das Haus d’Este . .

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12 Spiele ohne Insignien eines Machthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Die Goldschmidt-Karten und Guildhall Library Tarocchi Cards . . . . . . . . . 12.1.1 Die Goldschmidt-Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.1.a Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.1.b Wappen, Ähnlichkeiten und Andeutungen . . . . . . . . . . . . 12.1.2 The Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards 12.1.2a „Guildhall narrow“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.2b „Guildhall wide“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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12.1.3 Beziehungen zwischen Goldschmidt-Karten und „Guildhall wide“ 12.1.4 Kardinal Ascanio Maria Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.5 Die Goldschmidt-Karten und Kardinal Ascanio Sforza . . . . . . 12.2 „Tarot dit de Charles VI“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Das Spielfragment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.2 Wappen: Die These von einem Spiel der Medici . . . . . . . . . . 12.2.3 Was gegen ein Medici-Spiel spricht . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.4 Valentina Visconti und das „Tarot dit de Charles VI“ . . . . . . .

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13 Kleine Spielfragmente und einzelne Karten 13.1 Sammlung Cocchi . . . . . . . . . . . . . Wappen und Impresen . . . . . . . . . . 13.2 Einzelne Karten . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Zwei Karten aus einer Online-Auktion . .

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Der „Gehängte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Die „Päpstin“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Das Motiv und mögliche Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2 Stilistische Gegenüberstellung der beiden erhaltenen Motive 14.3 Das Motiv der „Welt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Der Schwert-König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Das Schwert-As . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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15 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Die Herzöge von Mailand im Zentrum der Tarocchi . . . . . . . 15.2 Die Sforza und die Visconti-Tradition der Tarocchi . . . . . . . . 15.3 Die Größe der Tarocchi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Material und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Bewegte Bilder: Imposante Inszenierungen verschiedener Anlässe 15.6 Tarocchi und die Kunst ihrer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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16 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 17 Kommentierter Quellenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Sammlung Tozzi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Die Sammlung Cocchi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Das Brambilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Das Visconti di Modrone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5 Das Visconti-Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.6 Visconti-Sforza: Sechs Trümpfe eines anderen Künstlers . . . . . . . . . . 17.7 Muzeum Narodowe w Warszawie, Musée Français de la Carte à Jouer und unbekannte Privatsammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.8 Museo Fournier de Naipes de Álava . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.9 Museum August Kestner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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17.10 Die Goldschmidt-Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.11 The Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, Acquisition No. 507 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.12 „Tarot dit de Charles VI“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.13 Das Alessandro Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.14 Bartolomeo Colleoni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.15 D’Este . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.16 Zwei Karten aus einer online-Auktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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18 Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 18.1 Anhang 1: Regles du jeu des Tarots, Dupuy 777, Folio 94–97 . . . . . . . . . . . . . 231 18.2 Anhang 2: Insignien der Visconti und Sforza in den Tarocchi . . . . . . . . . . . . . 234 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kartenspiele und Spielkarten: Faksimile und Digitalisate Literatur und Archivgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homepages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemälde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literarische Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Der „Gehängte“, Visconti-Sforza. The Morgan Library & Museum, New York 19 Abbildung 2: Die „Liebenden“, Visconti-Sforza. The Morgan Library & Museum, New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abbildung 3: Biscione, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 357. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . 66 Abbildung 4: Ausschnitt Schwert-König, Tozzi. ungekannte Privatsammlung . . . . . . . 69 Abbildung 5: Ausschnitt „Sonne“, „Guildhall wide“. The Collection of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Abbildung 6: Ausschnitt „Sonne“, Goldschmidt-Karten. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Abbildung 7: Ausschnitt „Wagen“, „Tarot dit de Charles VI“. Bibliothèque nationale de France, Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Abbildung 8: Medaillon der Cotogna, Außenwand der Apsis, S. Maria delle Grazie, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Abbildung 9: Sole raddiato, Apsis Dom zu Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Abbildung 10: Wappen Comunitas mediolani, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 18. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . 86 Abbildung 11: Vollwappen von Gian Galeazzo Visconti als Conte di Virtù. Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 3. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Abbildung 12: Corona ducale coi piumai, Säulenkapitell Cortile Ducale Castello Sforzesco, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Abbildung 13: Vollwappen von Gian Galeazzo Visconti als Conte di Pavia. Stemmario Trivulziano Codice 2168, c. 2v. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Abbildung 14: „Rad des Schicksals“, Tozzi, unbekannte Privatsammlung . . . . . . . . . . 90 Abbildung 15: Wappen der Kommune Pavia, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 18. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . 92 Abbildung 16: Schwert-König, Tozzi, unbekannte Privatsammlung . . . . . . . . . . . . . 92 Abbildung 17: Stab-Reiter, Brambilla. © Pinacoteca di Brera, Mailand . . . . . . . . . . . 95 Abbildung 18: Münz-8, Brambilla. © Pinacoteca di Brera, Mailand . . . . . . . . . . . . . 96 Abbildung 19: Fiorino von Gian Galeazzo Visconti als Cont di Virtù und Signore von Mailand. Gabinetto Numismatico e Medagliere, Raccolte Artistiche Castello Sforzesco, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Abbildung 20: Colomba nel fiammante, Außenwand Apsis S. Maria delle Grazie,Mailand . 99 Abbildung 21: Arma Regis Frantie data Illustrissimo patre domini filipi marie de vicecometibus, Stemmario Trivulziano, Cidice 1390, p. 5. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Abbildung 22: Die „Liebenden“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University . . . . . . . . . . . . . . 101

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 23: Ausschnitt Gewand des Bräutigams, Die „Liebenden“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 24: Infrarotaufnahme die „Liebenden“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 25: Hochzeit von Anna und Joachim, Banco Rari 397, f.1r. Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 26: Der „Herrscher“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 27: Hl. König Sigismund von Burgund, Turmfassade Münster Freiburg und Lapidarium Münsterbauverein Freiburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 28: König Sigismund, Fresko in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg i. Allgäu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 29: Die „Welt“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 30: Tre anelli intrecciati, Stemmario TrivulzianoCodice 2168, c. 17r. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . Abbildung 31: La Scopetta und die Wellen des Herzogs, Außenwand der Apsis von S. Maria delle Grazie, Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 32: Semprevivi, Stemmario Trivulziano Codice 2168, c. 18v. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand . . . . . Abbildung 33: Münz-Reiter. Collection of the National Museum in Warsaw . . . . . . . . Abbildung 34: Il Morso, Außenwand der Apsis S. Maria delle Grazie, Mailand . . . . . . . Abbildung 35: Münz-Bube. © Museum August Kestner, Hannover . . . . . . . . . . . . . Abbildung 36: Rückseite einer Karte. Archivo fotográfico del Museo Fournier de Naipes de Álava, Vitoria Gasteiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 37: Münz-As. Archivo fotográfico del Museo Fournier de Naipes de Álava, Vitoria Gasteiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 38: Turm der Basilika Santa Barbara, Palazzo Ducale Mantua . . . . . . . . . . Abbildung 39: Camera degli sposi, Lünette mit Turm, Palazzo Duccale Mantua . . . . . . Abbildung 40: Castello Sforzesco, Mailand. Außenansicht des Haupteingangs mit Turm, Außenmauer und südlicher Eckturm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 41: Vorderansicht des Castello Sforzesco vor 1521. Einlegearbeiten im Chorgestühl der Kathedrale von Cremona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 42: Turm von Vigevano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 43: Turm in Cusago . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 44: Gevierteltes Wappenschild, Brunnen der Villa Imperiale, Pesaro mit kaiserlichem Adler und steigenden Löwen der Sforza . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 45: Gevierteltes Wappenschild, Brunnen der Villa Imperiale, Pesaro mit Diamantring und Blüte und Sforza-Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 46: Deckengemälde Erdgeschoss Villa imperiale, Pesaro . . . . . . . . . . . . . Abbildung 47: Hauptportal Palazzo Ducale, Pesaro. Kette aus Diamantringen. Palazzo Ducale, Pesaro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 48: Kelch-As, Bartolomeo Colleoni Tarocchi. Victoria and Albert Museum, London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 49: Schwert-Königin, Tarocchi d’Este. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 50: Wappen d’Este auf dem Daus von Herz und Schelle eines satirischen Kartenspiels aus Deutschland, 1545 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 51: Schwert-Königin, Tarocchi d’Este. Hochauflösendes Digitalisat . . . . . . . Abbildung 52: Schwert-König, Tarocchi d’Este. Hochauflösendes Digitalisat . . . . . . . . Abbildung 53: Stab-5, Goldschmidt-Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 54: Der Falkner, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 55: Das gekrönte Untier, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 56: Die Betende, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 57: Die Stifterin, Goldschmidt-Karten, Deutsches Spielkartenmuseum. Leinfelden-Echterdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 58: Die „Welt“, „Guildhall narrow“. London Metropolitan Archives . . . . . . . Abbildung 59: Bogenschütze, „Guildhall narrow“. London Metropolitan Archives . . . . . Abbildung 60: Bischof, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 61: Sonne, Goldschmidt-Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 62: Kelch-As, „Guildhall wide“. London Metropolitan Archives . . . . . . . . . Abbildung 63: Kelch-As, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 64: Schwert-As, „Guildhall wide“. London Metropolitan Archives . . . . . . . Abbildung 65: Schwert-As, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 66: Nubia raggiante, Säulenkapitell Cortile ducale Castello Sforzesco, Mailand Abbildung 67: „Wagen“, „Tarot dit de Charles I“. Bibliothèque nationale de France, Paris Abbildung 68: Die „Liebenden“, „Tarot dit de Charles VI“. Bibliothèque nationale de France, Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 69: Die „Päpstin“, Visconti-Sforza. The Library & Museum, New York . . . . . Abbildung 70: Die „Päpstin“. Archivo fotográfico del Museo Fournier de Naipes de Álava . Abbildung 71: Schwert-König, Alessandro Sforza, Castello Ursino, Catania . . . . . . . . Abbildung 72: Schwert-König, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 73: Schwert-König, Visconti-Sforza. The Morgan Library & Museum, New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 74: Schwert-König, Tarocchi d’Este. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 75: Schwert-As, Brambilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 76: Schwert As, Visconti di Modrone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 77: Johannes de Sacrobosco, de Sphaera Mundi, S. 6. Bayrische Staatsbibliothek Abbildung 78: Cane sedente sotto il pino, Stemmario Trivulziano . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 79: Seite aus dem Stundenbuch der Visconti, Landau Finaly 4v. Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 81: Schwert-As, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum Abbildung 80: Schwert-As, „Guildhall wide“. London Metropolitan Archives . . Abbildung 82: Schwert-As, „tarot Noblet“ um 1659, St. Germain. Gallica, Bibliothèque nationale de France, Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 83: Biscione, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 357 . . . . . . . Abbildung 84: Comunitas Mediolani, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 18 Abbildung 85: Fiammante, Stemmario Trivulziano Codice 2168, c. 16v . . . . . . Abbildung 86: Corona ducale coi piumai, Stemmario Trivulziano 2168, c. 22v . . Abbildung 87: Velo annodato, Stemmario Trivulziano 1390, p. 4 . . . . . . . . . Abbildung 88: Colomba nel fiammante, Stemmario Trivulziano 2168, c. 2r . . . Abbildung 89: Melagrana e Rossa, Stemmario Trivulziano 1390, p. 5 . . . . . . . Abbildung 90: (Mela) Cotogna, Stemmario Trivulziano 2168, c. 19r . . . . . . . . Abbildung 91: Vollwappen Sforza, Stemmario Trivulziano 2168, c. 14v . . . . . . Abbildung 92: Tre anelli intrecciati, Stemmario Trivulziano 2168, c. 17r . . . . . Abbildung 93: Il Morso, Stemmario Trivulziano, c. 15v . . . . . . . . . . . . . . .

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Herzlichen Dank

Meiner Familie, meinen Freunden und unseren Tieren für ihre vielfältige Unterstützung. Meiner Doktormutter Professor Dorothea Weltecke, Humboldt-Universität zu Berlin und meinem Gutachter Professor Steffen Bogen, Universität Konstanz.

Meinem Vorsitzenden der Disputation Professor Jürgen Klöckler, Universität Konstanz. Meiner Lektorin Dr. Annette Köger, Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen.

Vielen Dank an die hilfreichen AnsprechpartnerInnen Marie-France Lemay, Center for Preservation and Conservation, Yale University Library, New Haven. Thierry Depaulis, President of the International Playing Card Society, Paris. Edurne Martín Ibarraran, Museo Fournier de Naipes de Álava, Vitoria-Gasteiz. Paul Bostock und Annie Prouse, The worshipful Company of Makers of Playing Cards, London. Gwenaël Beuchet, Attaché de conservation, Musée Français de la Carte à Jouer, Issy les Moulineaux. Cesare Maiocci, Piera Antonelli und dem Team der Pinacoteca di Brera, Mailand. Ada Bielikoska und Michał Przygoda, Muzeum Narodowe w Warszawie. Anne-Viola Siebert, Museen für Kulturgeschichte, Museum August Kestner, Hannover. Anne Marie Menta und Angela Moore, Access Services, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University, New Haven. Emilia Maggio, Council Member of the International Paying Card Society, Palermo. Gigliola Siragusa, Fotografa, Palermo. Alessandra Laurenzi, Palazzo Ducale, Pesaro. Alessandra Castelbarco Albani, Villa Imperiale, Pesaro. Isabella Fiorentini, Archivico Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand.

Laura Basso und Luciana Gerolami, Castello Sforzesco, Mailand. Giulia Valli, Gabinetto Numismatico e Medagliere, Racolte Artistiche, Castello Sforzesco, Mailand. David Speranzi, Manoscritti, Rari e Fonde Antiche, Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze. Chris Gebel, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Martin Stahl, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München. Marilyn Palmeri and Kaithlyn Krieg, The Morgan Library & Museum, New York. Harald Derschka, Außerplanmäßiger Professor der Universität Konstanz. Professor Thomas Frenz, Universität Passau. Martina Pichler, Albertina Museum, Wien. Erich Weber, Museum Blumenstein, Solothurn. C. Hopkins, London Metropolitan Archives, London. Camélia Choukri, Bibliothèque nationale de France, Paris. V&A images, Victoria & Albert Museum, London. Johanna Bauer, Universität Konstanz. Heike Mittmann und Lena Hipp, Münsterbauverein Freiburg. Sandy Valerie Lunau und dem weiteren Team der wbg Publishing Services.

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Zusammenfassung

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen die frühen gemalten Spielkarten der Tarotfamilie aus Italien. Die Arbeit nähert sich diesen gemalten Spielkarten aus verschiedenen Gesichtspunkten. Zunächst unter formalen Aspekten, dann wird das Kartenspiel in Relation mit anderen zeitgenössischen Gesellschaftsspielen gesetzt. Hierbei wird besonders der Kontrast zwischen gedruckten und gemalten Spielkarten und deren Nutzung durch unterschiedliche Gesellschaftsschichten deutlich. In einem nächsten Schritt werden die frühen bekannten Spielregeln dieses Kartenspiels erläutert, die Analogien zur damaligen Gesellschaftsordnung offenlegen. Das Hauptinteresse liegt in der Ergründung des historischen Kontextes dieser Kartenspiele. Sie sind Einzelanfertigungen und lassen unterschiedliche Gestaltungen der standardisierten Kartenmotive erkennen, was den Ansatzpunkt der Untersuchung darstellt. Bisher wurden diese Kartenspiele von der Spielkartenforschung, Kunsthistorikern und Kartensammlern aus ihrer jeweiligen Sichtweise betrachtet mit entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen. Aufgrund der eingearbeiteten Wappen erkannten diese Forschungsansätzen übergeordnet das Umfeld dieser Kartenspiele in der Familie Visconti und damit auch den geografischen Bereich

von Mailand. Dies ist der grobe historische Rahmen, der bisher bekannt war. Eine weiterführende und eingehende Erforschung des historischen Kontextes dieser Spielkarten gibt es bisher nicht. Die Interpretation der eingearbeiteten Impresen und anderen auffälligen Gestaltungsdetails wie etwa Landschaftsausschnitte in der vorliegenden Arbeit entfaltet umfassend und differenziert das historische Umfeld dieser Kartenspiele. Es zeigen sich enge und teilweise höchst persönliche Bezüge der Herzöge von Mailand von 1395 bis 1500 zu den erhaltenen gemalten Spielkarten der Tarotfamilie. Das methodische Vorgehen ist für die Geschichtswissenschaft ungewöhnlich, weil zunächst Bilder, besser Gestaltungsdetails, der Kartenmotive als Grundlage der Untersuchung betrachtet werden. Erst im nächsten Arbeitsschritt werden diese Darstellungen mit den Schriftquellen zusammengebracht. Die Vorgehensweise Bilder und Schriftquellen ergänzend zu nutzen ist für diese außergewöhnlichen Forschungsobjekte jedoch höchst gewinnbringend. Weder die Bilder noch die Schriftquellen allein hätten für die Erhellung des historischen Hintergrundes dieser Spielkarten die differenzierten und neuen Erkenntnisse dieser Arbeit erbringen können.

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1 Einleitung

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen die frühen gemalten Spielkarten der Tarotfamilie aus Italien. Sie sind mithin die ältesten überlieferten Spielkarten. Jedoch ist keines dieser Kartenspiele vollständig erhalten, weshalb diese Arbeit auch von Spielfragmenten der Tarocchi spricht. Ihre Darstellungen sind höchst sorgsam ausgearbeitet, verziert mit Blattgold und Silberauflage. Noch heute sind diese prächtigen Kleinode eindrückliche Blickfänger. Es sind insbesondere die Motive dieser Spielkarten, die den Betrachter aufmerksam werden lassen. Zu den besonders einprägsamen Motiven gehört beispielsweise die „Päpstin“. Dieses Motiv zeigt eine Frau in klösterlicher Kleidung auf einer Art Thron sitzend. Sie trägt auf ihrem Haupt eine detailliert ausgearbeitete Tiara und ist damit klar als Frau in Papstkleidung zu erkennen. Ebenso auffällig und rätselhaft ist das Motiv des „Gehängten“. Ein junger adelig gekleideter Mann hängt kopfüber an einem Gestell, an dem er mit einem Fuß festgebunden ist. Seine missliche Lage scheint ihm wenig anzuhaben, jedenfalls sind die Gesichtszüge offen und freundlich dargestellt und auch seine Körperhaltung ist recht entspannt. Beim Anblick dieser und weiterer auffälligen Motive stellen sich dem Betrachter Fragen wie: „Was stellen diese Motive dar und was bedeuten sie?“, „Woher kommen diese Spielkarten?“, „Wer hat solche Spielkarten besessen?“ oder „Was hat man mit diesen Karten damals gemacht?“ Die ursprünglichen Bedeutungen dieser Motive werden durch den heutigen Gebrauch der Karten und auch der geläufigen esoterischen Deutung völlig überdeckt. Bisher wurden diese Kartenspiele von Spielkartenforschern, ambitionierten Spielkartensammlern oder Kunsthistorikern betrachtet, jeweils aus der ihnen eigenen Sichtweise. Alle diese Betrachtungen begannen beim heute gewohnten Erscheinungsbild der gedruckten Tarotspiele und gingen zeitlich rückwärts, um die frühen gemalten Spiele zu untersuchen, weil sie davon ausgingen diese Kartenspiele zeigten über die Jahrhunderte zurückblickend ohnehin immer die gleichen Motive. Dieses Vorgehen erbrachte zwar allgemeine Erkenntnisse zu Tarotspielen, ließ aber lediglich Aus-

sagen über die Gesamtstruktur dieser Kartenspiele zu. Die gemalten Spiele sind jedoch Einzelanfertigungen. Zwar unterscheiden sich die Motive in der Gesamtstruktur des Kartenspiels nicht, wohl aber die Gestaltung der einzelnen Motive in verschiedenen Spielen. Diese unterschiedliche Gestal-

Abbildung 1: Der „Gehängte“, Visconti-Sforza. The Morgan Library & Museum, New York. Foto: akg-images

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1 Einleitung

tung der einzelnen Motive können einerseits einen gewissen künstlerischen Freiraum aufzeigen oder aber den Wünschen der Auftraggeber entspringen. Die Individualisierung der standardisierten Kartenmotive ist Ansatzpunkt dieser Arbeit. Um neue Erkenntnisse zu gewinnen, ist es also sinnvoll zuerst die frühen gemalten Spiele von den späteren gedruckten Tarotspielen zu lösen und danach die Gesamtstruktur der gemalten Spiele aufzubrechen. So können die Darstellungen der Motive einzeln betrachtet, gegebenenfalls verglichen und interpretiert werden. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist es den historischen Kontext der gemalten Kartenspiele der Tarotfamilie zu ergründen. Bisher ist das historische Umfeld dieser Spielkarten kaum erforscht. Der weiterführenden Erforschung dieser Spielkarten liegt die Annahme zugrunde, in der unterschiedlichen Gestaltung der einzelnen Motive finden sich auch Hinweise auf Besitzer, den gesellschaftlichen und zeitlichen Rahmen dieser Spielkarten oder gar auf bestimmte Ereignisse. Die in die Spiele eingearbeiteten Wappen sind ein sehr auffälliges Merkmal, das die verschiedenen Spiele unterscheidet. Die Wappen waren deshalb das zuerst ausgewählte Merkmal für die Untersuchung. Schnell erwiesen sich eingearbeitete Impresen, Landschaftsausschnitte und andere auffällige Bilddetails als ebenso wichtig und gewinnbringend für die Untersuchung des Umfeldes dieser Kartenspiele. Die in den gemalten Spielen dargestellten Wappen sind offensichtliche Wegweiser zu der Familie Visconti und damit zum geografischen Umfeld von Mailand. Somit ist ein grober gesellschaftlicher, geografischer und zeitlicher Rahmen für die Entstehung der gemalten Spiele der Tarotfamilie abgesteckt. Grundlegender Arbeitsschritt dieser Arbeit ist die Bildbetrachtung, die Erfassung der Gesamtkomposition eines Kartenbildes, wie auch der Gestaltungsdetails und der Unterschiede einzelner Motive. Dabei liegt das Augenmerk auf der Übermittlung von Bildinhalten. Hierzu dienlich wird der Vergleich der Kartenbilder mit anderen zeitgenössischen Kunstwerken sein. Aber auch die Buchmalerei kann für Vergleiche herangezogen werden, obwohl sie bis-

her wenig in den Zusammenhang mit Spielkarten gebracht wurde. Für die vergleichende Betrachtung sind folglich zeitgenössische Darstellungen in Kirchen, Wandmalereien und Fresken, Gemälde, Stundenbücher, Wappen, also vielfältige bildliche Darstellungen möglich. Im folgenden Arbeitsschritt wird dann nach schriftlichen Belegen im Umfeld der Tarocchi gesucht, die die entsprechende Darstellung in den Tarocchi stützen können. Ein zentraler Aspekt bei der Bildbetrachtung ist, dass in der Entstehungszeit der frühen gemalten Kartenspiele Bilder an sich, also bildliche Darstellungen im weitesten Sinne, noch einen völlig anderen Stellenwert hatten als in unserer Zeit. Ein Pendant dürften die Darstellungen der gemalten Spielkarten in sakralen Darstellungen finden. Konrad Kunze beschreibt die Ausstattung der Kirchengebäude als „Schrift für Analphabeten“. 1 Ab dem 13. Jahrhundert wurden Heiligendarstellungen bestimmte Kennzeichen und Attribute beigegeben, die das Abbild der Person mit deren Lebensgeschichte oder ihres Martyriums in Verbindung bringen. 2 Selbst der gesellschaftliche Stand des Abgebildeten kann so gezeigt werden, beispielsweise durch einen Bischofsstab. Die Darstellungen folgen bestimmten Regeln, ein Heiliger wird immer mit denselben Attributen oder Symbolen dargestellt, die Gesamtkomposition einer Abbildung war festgelegt. Bei dieser Art der Darstellung trägt jedes Bilddetail eine Information, oft eine beabsichtigte Aussage. Der damalige Betrachter konnte diese „Bilder lesen“ und somit verstehen. Das dafür nötige Wissen der Heilsgeschichte und Heiligenlegenden wurde den Anwesenden während der Messe mündlich übermittelt in der Predigt oder in Liedern. Dem heutigen Betrachter erschließen sich solche Bildinformationen nicht mehr auf den ersten Blick, weil uns die ihnen zugrunde liegende Heilsgeschichte und die Heiligenlegenden heute weniger geläufig sind. Und selbstverständlich auch, weil wir gewohnt sind Inhalte durch Lesen zu erfassen. Ähnlich einer Fremdsprache müssen wir uns das Wissen wieder aneignen, um bildliche Inhalte verstehen zu können. Nun beschreibt Konrad Kunze eine Tradition der Darstellung in Süddeutschland

Kunze/Vomstein, Himmel in Stein, S. 43. Kunze schätzt hier, dass in einer Stadt wie Freiburg im 14. Jahrhundert nur etwa 5–10 % der Bevölkerung lesen und schreiben konnten. 2 Wimmer/Knoflach-Zingerle, Kennzeichen und Attribute der Heiligen, S. 7. 1

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1 Einleitung

aus dem 14. Jahrhundert für den sakralen Kontext. Die ersten bekannten gemalten Spielkarten werden jedoch auf den Beginn des 15. Jahrhundert datiert und entspringen einem profanen Umfeld. Ebenso darf man für das höfische Milieu der gemalten Spielkarten eine höhere Bildung annehmen als bei der Mehrzahl der Kirchenbesucher der damaligen Zeit. Gleichwohl sei eine gewisse Gegenüberstellung erlaubt, wenn man davon ausgeht, dass die Darstellungen der Spielkarten ebenso wie sakrale Darstellungen einer bestehenden Tradition entspringen, die die Kunst im Süden Deutschlands und Italiens gleichermaßen beeinflusst hat. Dann wiederum müssten sich in den Darstellungen der gemalten Spielkarten aber auch Stilmittel und Darstellungskonventionen der italienischen Kunst jener Zeit finden. Gleichzeitig könnten dann die eingearbeiteten Erkennungszeichen wie Wappen oder Landschaftsausschnitte auch auf andere Weise Rückschlüsse auf gesellschaftspolitische Machtverhältnisse und kulturhistorische Hintergründe widerspiegeln. Die Darstellungen der Spielkarten können folglich auch als sozialgeschichtliches Zeitdokument angesehen werden, was in der bisherigen Tarotforschung nicht berücksichtigt wurde. Diese Arbeit ist methodisch interdisziplinär angelegt. Während die Kunstgeschichte die Bilder analysiert, zieht die Geschichtswissenschaft üblicherweise schriftliche Quellen heran, um Erkenntnisse zu gewinnen. Die angewandte Methode hingegen wertet traditionelle Quellen der Kunstwissenschaft (also Bilder) mit geschichtswissenschaftlicher Fragestellung aus. Diese interdisziplinäre Herangehensweise unter Verwendung bildlicher und schriftlicher Quellen lassen neue Sichtweisen auf diese Spielkartenfamilie zu. Denn auch sie entstehen in einer Zeit und in einem Umfeld, in dem die Bildkompositionen streng organisiert sind und damit jedes dargestellte Detail eine Bedeutung hat. Es ist also zu erwarten, in den Darstellungen tiefer gehende Aussagen zu finden als die bloße Ansicht zunächst erahnen lässt. Mit welchen Stilmitteln gearbeitet wird, um die im Bild beabsichtigte Aussage zu untermauern, wird im Einzelnen zu erläutern sein. Darüber hinaus lassen die Spielkarten wahrscheinlich Rückschlüsse auf die Herrschaftshäuser zu, für die sie geschaffen wurden. Gerade bei diesem Aspekt ist ein Abgleich mit schriftlichen Quellen hilfreich, um die Hintergründe der Abbildungen zu beleuchten.

Es ist aus mehreren Gründen nicht möglich, alle der etwa 300 erhaltenen Tarocchi in die Untersuchung einzubeziehen, auch um den Umfang der Arbeit überschaubar zu halten. Nicht zuletzt deshalb wurden für die Betrachtung die aussagekräftigen Stilmittel von Wappen, Impresen und andere markante Darstellungsdetails als vielversprechender Ansatzpunkt ausgewählt. Diese Arbeit nähert sich den gemalten Kartenspielen der Tarotfamilie aus verschiedenen Blickwinkeln. Zunächst blickt sie auf formale Aspekte dieser Spielkarten, den Aufbau des Kartenspiels, dessen Materialität und Begrifflichkeit. Nach Skizzierung des Forschungsstandes und auch der Erläuterung der offen gebliebenen Fragen, werden Aspekte des Spielens dargestellt. Kartenspiele allgemein werden in Bezug zu anderen Gesellschaftsspielen gesetzt, die frühen bekannten Spielregeln für Karten der Tarotfamilie werden vorgestellt und schließlich werden die in diesen Spielregeln implizierten Analogien zu der damaligen Gesellschaftsordnung herausgearbeitet. Die eingearbeiteten Wappen der gemalten Spiele verweisen vordergründig auf die Familie Visconti. Deshalb werden einige Stichworte zu Oberitalien erläutert und die Herzöge von Mailand in einem weiteren Kapitel kurz vorgestellt. Im Hauptteil der Arbeit werden die erhaltenen Spielfragmente in den historischen Kontext eingebracht, indem unterschiedliche Darstellungsmerkmale der einzelnen Spiele interpretiert und mit einer Person in Verbindung gebracht werden. Dieser Teil der Arbeit eignet sich zum Querlesen, weil alle Kapitel über erhaltene Spiele gleich aufgebaut sind. Sie beginnen mit einer Beschreibung des fragmentarisch überlieferten Spiels, aufgeführt werden Stichworte zu der Geschichte dieser Spielkarten, Anzahl der bewahrten Karten, Aufbewahrungsort und Erhaltungszustand. Für einen schnellen Überblick über die erhaltenen Spiele können die Unterkapitel „Das Spielfragment“ nacheinander gelesen werden. Zu einigen auffälligen und oft diskutierten Motiven dieser Kartenspiele werden am Ende der Ausführungen noch einige Anmerkungen hinzugefügt. Schließlich werden die neu gewonnen Erkenntnisse zusammengefasst. Der kommentierte Quellenkatalog ergänzt die formalen Angaben zu den einzelnen Spielen aus den Abschnitten „Das Spielfragment“ vor allem mit Angaben zu Erwähnungen in der Literatur und die aktuelle analoge oder digitale Zugänglichkeit der Kartenspiele. Am 21

1 Einleitung

Ende der Arbeit stehen zwei Anhänge. Der erste mit der Abschrift des französischen Textes der Spielregeln aus dem 17. Jahrhundert und dessen wörtliche Übersetzung, die im Abschnitt „Die ältesten bekannten Spielregeln von 1637“ zum besseren

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Verständnis paraphrasiert wird. In Anhang 2 werden die in den Spielkarten gefundenen Wappen und Impresen in der Reihenfolge ihrer chronologischen Anwendung aufgeführt und abgebildet.

2 Formale Annäherung an gemalte Blickfänger 2.1 Aufbau und Verbreitung des Spiels Ein Kartenspiel der Tarot- oder Tarockfamilie setzt sich zusammen aus 4 Spielsätzen von As bis 10 in den italienischen Farben Stäbe, Kelche, Schwerter und Münzen, die sogenannten Zahlenkarten oder Zählkarten. 16 Hofkarten in jeder Spielfarbe König, Königin, Reiter (englisch „knight“) und Bube. 22 Bildkarten mit den Motiven „Narr“, „Gaukler“, „Päpstin“, „Herrscherin“, „Herrscher“, „Papst“, „Liebende“, „Wagen“, „Gerechtigkeit“, „Eremit“, „Rad des Schicksals“, „Kraft“, „Gehängter“, „Tod“, „Mäßigkeit“, „Teufel“, „Turm“, „Stern“, „Mond“, „Sonne“, „Gericht“ und „Welt“. 1 Ein solches Kartenspiel umfasst folglich 78 Karten und lässt sich anhand der 22 Bildkarten und den Reitern der einzelnen Spielfarben leicht erkennen und so von anderen Kartenspielen unterscheiden.

Die Motive der Bildreihe haben sich seit Bekanntwerden des Kartenspiels kaum verändert. Lediglich in der Motivgestaltung der verschiedenen Spiele gibt es gelegentlich Unterschiede, auch die Reihenfolge der Bilder kann lokal variieren. In seiner Glanzzeit zwischen 1730 und 1830 wurden diese Spiele in Norditalien, Ostfrankreich, der Schweiz, Deutschland, Österreich und weiteren Ländern Europas gespielt. 2 Solche Spiele werden im genannten Verbreitungsgebiet auch heute noch gespielt, sie muten jedoch sehr nostalgisch an und sind wenig gebräuchlich. Gespielt werden sie in klar abgegrenzten Regionen, wie beispielsweise das Cego im Schwarzwald in Baden-Württemberg. 3 Das Cego-Blatt hat französische Farben und eine reduzierte Anzahl von 54 Karten. Bei den Spielregeln gibt es zahlreiche örtliche Varianten.

2.2 Begriffsklärung: Tarocchi, Tarock oder Tarot Die Bildreihe ist namensgebend für dieses Spiel. Durch die Verbreitung der Spielkarten in Italien, Frankreich und deutschsprachigen Regionen finden sich heute in der Literatur und im Sprachgebrauch verschiedene Begriffe für das Kartenspiel und die

Bildkarten. Die Vielzahl der Bezeichnungen stiftet leicht Verwirrung, deshalb soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, die Begriffe zu ordnen. Ergänzend zu Robert Steele ergeben sich folgende Bezeichnungen:

Wie bereits ersichtlich wurde, werden die Bezeichnungen der Bildkarten der Tarocchi kursiv und in Anführungszeichen gesetzt. Bildkarten späterer Ausgaben von Kartenspielen der Tarotfamilie oder Eigennamen anderer Sprachen werden lediglich in Anführungszeichen gesetzt. Auf diese Weise ist leicht erkennbar, wenn von Bildkarten der Tarocchi oder von Bildkarten weiterer Kartenspiele gesprochen wird. 2 Dummett, The game of Tarot, S. 225–226. 3 Cego (z. B. von F. X. Schmidt) in Baden, vor allem im Schwarzwald. Das Beispiel Cego wird hier angeführt, weil die Autorin mit diesem Spiel vertraut ist. 1

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2 Formale Annäherung an gemalte Blickfänger

Sprache

Überbegriff für das Kartenspiel Singular/Plural

Überbegriff für die Bildkarten Singular/Plural

Latein 4

Ludus triumphorum/- - -

- - -/triumphi

Italienisch 15. Jahrhundert 16. Jahrhundert 5

- - -/carta da trionfi 6

trionfo/trionfi Tarocco/Tarocchi

Französisch

Tarot/Tarots

atout/atouts 7

Deutsch

Tarock/- - -

Trumpf/Trümpfe (Truck/Trucks beim Cego)

Englisch

Tarot/Tarots

trump/trumps

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden folgende Bezeichnungen als Überbegriffe wie folgt verwendet: Tarot für alle Spiele dieser Kartenfamilie. Dieser Begriff bezeichnet allerdings im heutigen deutschen Sprachgebrauch lediglich diejenigen Kartenspiele, die als Orakel benutzt werden. Im französischen Sprachgebrauch werden die Orakel-Spiele „Tarot ésotherique“ genannt. Tarock für Spiele aus dem deutschsprachigen Raum, die in diesem Verbreitungsgebiet noch gespielt werden. In der französischen Sprache werden diese Spiele schlicht als „Tarot“ bezeichnet. Die Spiele von Tarot und Tarock sind gedruckt. Ältere Versionen aus Frankreich zeigen die Anfänge des Holzdruckes, indem nur die Konturen gedruckt wurden und die Flächen von Hand später koloriert wurden. Tarocchi für die ältesten bekannten Spielkarten dieser Kartenfamilie aus Italien im 15. Jahrhundert. Diese Spiele sind gemalt. Interessanterweise stellen die geläufigen Bezeichnungen in der Literatur nur wenig Bezüge zur Her-

kunft oder Entstehungszeit der erhaltenen Kartenspiele her. Zu erwarten wäre beispielsweise, dass die italienischen Karten nur mit dem Begriff „Tarocchi“, die französischen Spiele nur mit „Tarot“ benannt werden. Die verschiedenen Autoren bezeichnen jedoch alle Spiele konsequent in ihrer jeweiligen Landessprache. Hoffmann etwa spricht stets von „Tarock“ und englische Autoren immer von „Tarot“ oder „trumps“. Im heutigen deutschen Sprachgebrauch hat sich das französische „Tarot“ als Überbegriff für die gesamte Kartenfamilie durchgesetzt. Im divinatorischen Zusammenhang wird die Bildreihe als „Große Arkana“ 8, die Hofkarten zusammen mit den Zahlenkarten als „Kleine Arkana“ bezeichnet. Für die historischen französischen Spiele ist die Bezeichnung „Tarot“ gleichwohl passend. In Italien sind Tarotkarten in der Gegenwart als „Tarocchi“ bekannt. Insbesondere für die italienischen, gemalten Karten ist der Begriff „Tarot“ meines Erachtens unpassend, wünschenswert wäre hier eine durchgängige Bezeichnung „Tarocchi“ oder „trionfi“. Deshalb wird in dieser Arbeit der Begriff „Tarocchi“ für die farbig gefassten Spiele des 15. Jahrhunderts aus Italien verwendet, wie sich diese Bezeichnung in der neueren Literatur und dem hiesigen Sprachgebrauch als Überbegriff auch abzuzeichnen beginnt. Ebenso wenig passt der Begriff „Tarot“ für noch gespielten Kartenspiele im süddeutschen Raum, wo die Bezeichnung Tarock zutrifft und gebräuchlich ist.

Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity, 1900, S. 188. Kaplan, Encyclopedia I, S. 61. 6 Dummett, The game of Tarot, S. 67. 7 Herzmanovsky-Orlando, „Tarock“, S. 30–31. Der Begriff „Tarocchi“ taucht nach dieser Angabe erstmals 1516 in Ferrara im „Registro di Guardaroba“ auf. 8 Das Wort „Arkana“ ist das Plural des lateinischen Begriffs „arkanum“, das Geheimnis. Die Verwendung des Plurals für eine Kartengruppe impliziert, jede einzelne Karte beinhalte „ein Geheimnis“. In einer Legung als Orakel wird der „Großen Arkana“ (den 22 Karten der Bildreihe) eine gewichtigere Bedeutung zugemessen als der „Kleinen Arkana“ (den Hof- und Zahlenkarten). Vgl. hierzu auch Banzhaf, Das Tarot-Handbuch, S. 9. 4 5

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2 Formale Annäherung an gemalte Blickfänger

2.3 Herstellungstechnik gemalter Spielkarten Bei den meisten der bekannten gemalten Spielkarten ist die Herstellungstechnik ähnlich. Sie bestehen aus mehreren übereinandergelegten und zusammengeleimten Papierschichten, sodass eine Art Karton entsteht. Für die Zwischenlagen wurde keineswegs neues Papier verwendet, sondern oftmals auch gebrauchtes und beschriftetes Papier. Diese Papierschichten werden dann sichtbar, wenn die Karten im Laufe der Zeit an den Rändern beschädigt sind und die Papierschichten sich lösen. Wie noch zu zeigen sein wird, können diese verwendeten beschriebenen Papierschichten wertvolle Informationen über Herkunft und Datierung solcher Kartenspiele liefern. Die unterste Lage dieser Papierschichten bildet bei der späteren Spielkarte die Rückseite, welche für alle Spielkarten eines Spiels gleichermaßen einfarbig bemalt wird. Oftmals ist die Rückseite in einem Farbton rot oder rot-braun gehalten, was mit Menninge erreicht wird. Bei italienischen Karten, wie auch beim Ambraser Hofjagdspiel 9, ist diese unterste Papierschicht etwas größer gehalten. Sie wird nach dem Bemalen nach vorne umgebogen und verleimt, es entsteht die sogenannte italienische Falte. Auf der Vorderseite ist dann ein Rand zu sehen, der das eigentliche Bild einrahmt. Dieser Rand ist bei den Tarocchi deutlich zu sehen und wird gelegentlich noch durch einen nachfahrenden Pinselstrich verstärkt. Auf die Vorderseite wird das eigentliche Bild der Spielkarte gemalt. Mit feinen Federstrichen werden die Konturen von Figuren und Landschaften vorgezeichnet, das spätere Motiv weicht von dieser Unterzeichnung mitunter deutlich ab. Lediglich für das Stuttgarter Spiel ist zur Grundierung und als Träger für die Unterzeichnung ein feiner Kreidegrund belegt. 10 Über diese Konturzeichnung wird eine Goldoder Silberschicht gelegt, die durch Punzierung weiter verziert wird und erst dann bemalt wird. Wenn sich im Laufe der Zeit durch Gebrauch oder Reibung die Gold- oder Silberauflage löst, wird der rote Haftgrund darunter sichtbar. Solche Karten oder die beschädigten Stellen der Oberfläche wirken, als wären sie rot ausgemalt. Dieser Effekt ist sehr gut bei der Karte der „Liebenden“ des Viscon9 10

Abbildung 2: Die „Liebenden“, Visconti-Sforza. The Morgan Library & Museum, New York.

Röttgen/Witz, Das Ambraser Hofjagdspiel, S. 9; und Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 35. Röttgen/Witz, Das Ambraser Hofjagdspiel, S. 9, Anmerkung 10; nach Geisberg, Alte Spielkarten, S. 21.

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2 Formale Annäherung an gemalte Blickfänger

ti-Sforza sichtbar. Bei einfacherer Ausfertigung ohne Gold- oder Silberauflage liegt die Bemalung direkt auf der obersten Papierschicht, die wiederum „höchstens mit Leimwasser bestrichen ist“. 11

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Einige Spiele der Tarocchi zeigen einen ähnlichen Kanon an Motiven, deshalb ist anzunehmen, dass in den Werkstätten der Künstler auch nach Musterbüchern oder Musterzeichnungen gearbeitet wurde. 12

Dies gilt für das Ambraser Hofjagdspiel, siehe Röttgen/Witz, Das Ambraser Hofjagdspiel, S. 9. Hens, Tarocchi. Spiel mit Bildern, in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 37.

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

Die Erkenntnisse der Forschung sollen hier kurz zusammengefasst und damit der aktuelle For-

schungsstand skizziert werden. Die Aufzählung ist im Hinblick auf diese Forschungsarbeit ausgewählt.

3.1 Forschungsgeschichte Während die esoterische Literatur über Tarotkarten in unserer Zeit unzählige Bücher umfasst und immer neue Details der Karten interpretiert werden, ist die wissenschaftliche Literatur hingegen überschaubar. Zunächst richtet die Spielkartenforschung in Deutschland ihren Blick auf die Tarotkarten im Rahmen der Untersuchung von Spielkarten allgemein. 1 Hervorzuheben sind hier vor allem die Werke von Detlef Hoffmann, die den kulturgeschichtlichen Hintergrund der Spielkarten aufhellen. Bald jedoch kristallisiert sich das Tarot als eigenes Forschungsthema heraus, im Zeitraum von etwa 1965 bis 1990 zeigte sich eine recht kurze Phase intensiver Forschung. Angefacht wurde die Tarotforschung auch von der Hippiebewegung, jener Zeit mit ihrem großen Interesse an esoterischen Themen, wie sich auch in anderen Bereichen, beispielsweise dem Musical „Hair“ („Aquarius“) zeigt. Das Tarot und das Kartenlegen wurden damals zur Massenbewegung einer ganzen Generation. Zu Beginn der Tarotforschung werden kunstgeschichtliche Aspekte ergründet, wie die Datierung und Herkunft der Karten, Analyse der Farben, Arbeitstechniken und Trägermaterial, sowie die Zuordnung zu ausführenden Malern. In dieser Zeit entstehen auch die beiden wegweisenden Grundlagenwerke, die noch heute Gültigkeit haben und die einen Großteil der wissenschaftlichen Literatur mit Blick auf die gesamte Quellenlage darstellen: Im Jahr 1978 wird Stuart Kaplan’s „Encyclopedia of Tarot“ publiziert. Dies ist der erste, der später auf vier Bände anwachsenden Enzyklopädie. Das Werk fasst erstmals Informationen zum Tarot

1 2 3

zusammen, so z. B. die erhaltenen Spielfragmente und Quellen, sowie deren Hintergründe. Ungewöhnlich und noch immer hilfreich sind die vielen Abbildungen der Karten (meist in schwarz-weiß), die bis dahin nur in Archiven zu bewundern waren oder unzugänglich in Privatsammlungen lagen und teilweise noch liegen. Stuart R. Kaplan ist Gründer der Firma US-Games Systems, ein Verlag, der bis heute zahlreiche Tarotspiele weltweit vertreibt. Er selbst bezeichnet sich als Sammler von Tarotkarten. 2 Entsprechend ist sein Werk eine Ansammlung von Informationen und Dokumenten, die ihresgleichen sucht. Die „Encyclopedia of Tarot“ erfährt mehrere Auflagen, findet dadurch eine breite Leserschaft und ist mithin bis heute Grundlage des allgemeinen Wissensstandes über die Tarotkarten. Nur zwei Jahre später veröffentlicht Michael Dummett sein Buch „The game of Tarot“, es entstand unter der Mitarbeit von Sylvia Mann. Michael Dummett war 19791992 „Wykeham Professor of Logic in the University of Oxford“ 3, entsprechend akribisch recherchiert und sorgsam belegt ist dieses Werk. Sein Augenmerk liegt dabei auf der Entwicklung des Kartenspiels mit Karten der Tarotfamilie. Allerdings erfährt dieses Buch nur eine kleine Auflage und ist inzwischen vergriffen, lediglich im Antiquariat sind heute noch gebrauchte Exemplare erhältlich. Dies hat zur Folge, dass Michael Dummetts Werk nur bedingte Verbreitung und Leserschaft findet. Ein weiterer Anhaltspunkt, der das starke Interesse in den 1980er Jahren belegt, sind die großen Ausstellungen, die den Tarotkarten gewidmet waren. Die begleitenden Ausstellungskataloge sind

Schreiber, Die ältesten Spielkarten. Die Tarotkarten werden beschrieben S. 99–106. Ebenso bei Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 15–22. Vgl. Kaplan, Encyclopedia I, S. xii, und Kaplan, Tarot classic, S. ix. Vgl. Decker/Dummett, A history of the occult tarot, Umschlagtext.

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

gleichsam Bestandsaufnahmen der veranstaltenden Museen und werden ebenfalls anschauliche Grundlagenwerke zu den Karten selbst: 1984: „Tarocke mit französischen Farben“, Deutsches Spielkartenmuseum Leinfelden-Echterdingen. Detlef Hoffmann und Margot Dietrich geben den gleichnamigen Ausstellungskatalog heraus. 1984: „Tarot. Jeu et Magie“, Bibliothèque nationale de France, Paris. Verantwortlich für die Ausstellung sind Marie-Claude Atger-Ravel und Thierry Depaulis, der auch den gleichlautenden Ausstellungskatalog verfasst. Das Vorwort stammt von Michael Dummett. 1987: „I Tarocchi. Le Carte di Corte. Gioco e Magia alla Corte degli Estense“, Castello Estense, Ferrara. Für das Projekt und die Auswahl der Ausstellungsstücke zeichnet Andrea Vitali verantwortlich, im wissenschaftlichen Komitee sitzen unter anderem Giuliana Algeri, Giordano Berti und Michael Dummett. 1987: „Tarot-Tarock-Tarocchi“, Tarocke mit italienischen Farben, Deutsches Spielkartenmuseum Leinfelden-Echterdingen. Die Ausstellung und der gleichnamige Katalog sind bearbeitet von Margot Dietrich und Detlef Hoffmann. Für Rat und Hilfe bedanken die beiden sich unter anderem bei Sylvia Mann, Thierry Depaulis, Stuart R. Kaplan und Michael Dummett. Diese Aufzählung zeigt deutlich, wie klein der Zirkel der Forscher um die Tarotkarten in jener Zeit ist. Ende der 1980er Jahre flaut die wissenschaftliche Diskussion ab, die Zahl der Veröffentlichungen und Ausstellungen werden weniger.

Die Pinacoteca di Brera in Mailand präsentiert die von ihr aufbewahrten Spiele von Tarocchi auch nach dem großen internationalen Interesse in verschiedenen Ausstellungen. Sie beginnt im Jahr 1999 mit einer Ausstellung der Spiele, die Bonifacio Bembo zugeschreiben werden. 4 Im neuen Jahrtausend folgen noch zwei Ausstellungen. Im Jahr 2012 zeigt sie das Sola-Busca-Tarot 5 und 2013 das Brambilla-Spiel 6. Neuere schriftliche Arbeiten gibt es ebenfalls in lockerer Abfolge. Sie verfolgen jedoch weniger allgemeine Aspekte zu den Karten der Tarotfamilie, sondern zeigen viel spezifischere Fragestellungen als frühere Werke 7. Allerdings untersuchen auch die späteren Werke diese Spielkarten oftmals vor dem Hintergrund der Entwicklung als Orakel, sodass der historische Kontext lediglich aus diesem Blickwinkel betrachtet wird. 8 In weiterem großem zeitlichem Abstand eröffnet im Dezember 2021 das Musée Français de la Carte à Jouer in Issy-les-Moulineaux unter der Leitung von Thierry Depaulis die Ausstellung „Tarots Enluminés, Chefs-d’oeuvre de la Renaissance Italienne“. Diese Ausstellung zeigt einige ausgewählte der weltweit aufbewahrten Tarocchi und der zugehörige Katalog 9 spiegelt den neuesten Stand der Diskussion über diese Spielkarten. In jüngster Zeit hat sich der Schwerpunkt der Diskussionen über Tarotkarten ins Internet in verschiedene Foren und Blogs verlegt. 10 Am Ende der großen Forschungswelle sind die erhaltenen Tarocchi und Archivalien mit direktem Bezug zu ihnen im Wesentlichen lokalisiert und gesichtet. Soweit die Tarocchi in öffentlichen Einrichtungen liegen, sind sie gesichert und katalogisiert, die Ergebnisse der Forschung festgehalten und publiziert. Es wurde dokumentiert, wo Spielfragmente

Bandera Bistoletti, I tarocchi. Il caso e la fortuna. Il secreto dei secreti, In: http://pinacotecabrera.org/wp-content/uploads/2015/05/document9.pdf (acc. 5. 8. 2016). 6 I tarocchi dei Bembo, In: http://pinacotecabrera.org/mostra/i-tarocchi-dei-bembo/ (acc. 5. 8. 2016). 7 Beispiele hierfür sind Olsen, Carte da trionfi; Poncet, La scelta di Lorenzo. 8 Vergleiche hierzu beispielhaft Farley, A cultural history; Huson, Mystical origins of the Tarot. 9 Depaulis, Tarots enluminés. Die Eröffnung der Ausstellung wurde aufgrund der aktuell herrschenden Pandemie um ein Jahr auf 2021 verschoben. Durch diese Verschiebung erschien der Katalog zeitgleich mit der Drucklegung dieses Buches, sodass Inhalt und Forschungsergebnisse des Kataloges nicht gänzlich eingearbeitet werden konnten. Der Verdienst dieser Ausstellung ist es mehrere Spielfragmente des weltweiten Bestandes der Tarocchi an einem Ort und teilweise erstmals zu zeigen. Die Forschenden betten im Ausstellungskatalog die Tarocchi in die weitere Spielkartenforschung, zeitgenössische Quellen, wie Urkunden und deren Miniaturen oder Malereien ein. Gleichwohl liegt das Augenmerk methodisch noch immer auf der Frage nach den ausführenden Künstlern und der geografischen Provenienz der Tarocchi. Die Auftraggeber sind bei diesem Forschungsansatz nachgeordnet. 10 Die Zahl der Internetseiten über Tarot ist recht groß, die Intentionen unterschiedlich, beispielhaft sei an dieser Stelle die Seite Trionfi aufgeführt, die sich um die seriöse Aufarbeitung des Tarot, auch in historischer Sicht verdient macht: Trionfi: History and Origin of Tarot, In: http://trionfi.com/ (acc. 1. 9. 2020). 4 5

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

und einzelne Karten aufbewahrt werden, ebenso Angaben über deren Größe und die Rückseitengestaltung. Diese Angaben sind überaus hilfreich, um versprengte Fragmente eines Kartenspiels einander zuordnen zu können. Erkenntnisse über Bildträger, verwendete Arbeitsmaterialien und Techniken, heraldische Insignien erlauben bis da-

hin eine grobe Datierung und die Zuordnung zu ihren ursprünglichen Besitzern. Darüber hinaus konnten für einige Spielfragmente der ausführende Maler ausfindig gemacht werden. Auf diese Ergebnisse der Forschungswelle in den 1980er Jahren bauen alle weiteren Arbeiten zu den Tarocchi auf.

3.2 Quellenbelege für gemalte und gedruckte Spielkarten Die Spielkartenforschung berichtet von frühen Belegen des Kartenspiels in Europa. Diese Belege entstammen zum Großteil aus Verboten oder kirchlichen Traktaten gegen das Kartenspiel. Die ältesten Erwähnungen belegen das Kartenspiel in Europa im Jahr 1377. Dabei handelt es sich zum einen um ein Spielverbot der Stadt Florenz 11, zum anderen um die Abhandlung des deutschen Dominikanermönches Johannes von Rheinfelden „De moribuset disciplina humanae conversationis id est ludus cartularum“ 12. Zeitlich schließen sich daran zahlreiche urkundliche Belege aus dem 14. und 15. Jahrhundert für das Kartenspiel an. Sie stammen etwa aus dem süddeutschen Raum (unter anderem Konstanz, Augsburg, Ulm), der Schweiz (Zürich, St. Gallen), dem Elsass (Straßburg), Italien (Viterbo, Venedig), ebenso aus Österreich, Dänemark und Schweden. 13 So ist beispielsweise aus dem Jahr 1388 die Bestrafung einer Frau in Konstanz (Baden) belegt, weil sie Juden in ihrem Haus gestattete, Karten zu spielen. 14 Wilhelm Schreibers Ausführungen lassen eine weite Verbreitung der Spielkarten im Westen Europas bereits zum Ende des 14. Jahrhunderts erkennen. Detlef Hoffmann zufolge können wir

„sicher ab 1400, wenn nicht schon früher, […] mit einer allgemeinen Verbreitung des Bilddrucks rechnen.“ 15

Er hält es für wahrscheinlich, dass sich die Verbote des letzten Drittels des 14. Jahrhunderts bereits auf Holzschnittkarten beziehen 16, denn in einigen Teilen Frankreichs wurden 1423 bereits gedruckte Spielkarten zum Kauf angeboten. 17 Etwa gleichzeitig finden sich die gemalten Tarocchi, also der vermeintliche Entwicklungsschritt vor den gedruckten Karten. Diese gemalten Karten entstammen eindeutig der höfischen Tradition Italiens. Somit waren bereits gedruckte Spielkarten im Umlauf, als die gemalten Spiele in Italien aufkamen. Bei den Gegebenheiten der Überlieferung bleibt hervorzuheben: Erstens berichten diese schriftlichen Quellen nichts über das Aussehen der damaligen Kartenspiele. Zweitens stellen die gemalten Tarocchi die ältesten bekannten Spielkarten dar. Und weiter berichten die frühen Quellen nichts über die Nutzung der Karten, wie Spielregeln oder Ähnliches.

3.3 Überlieferte Spielkarten Dieser Abschnitt soll einen Überblick geben, mit welchen Herstellungstechniken die überlieferten

Spielkarten angefertigt sind. Erhalten sind aus der frühen Zeit zunächst gemalte Spielkarten, darauf

Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 74; und weitere z. B. Hoffmann/Dietrich, Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte, S. 18–19. Benutzt wird auch die Bezeichnung „Ludus cartularum moralisatus“. Vgl. Jönsson, Ludus cartularum, in: Detlef Hoffmann (Hg.): Schweizer Spielkarten, S. 135. 13 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, Kapitel III, urkundliche Belege S. 31–80. 14 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 40. 15 Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 18. 16 Hoffmann/Dietrich, Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte, S. 50. 17 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 107–108. 11

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

folgen ungeschnittene Druckbögen, die mehrere Karten „am Stück“ zeigen und schließlich Kartenspiele als frühe Zeugnisse von Holzschnitt und Kupferstich.

3.3.1 Gemalte Spielkarten Die ältesten erhaltenen Spielkarten sind gemalt, prächtig ausgestattet und oft mit Gold verziert. Anhand der gezeigten Bildszenen und der Kleidung sind sie alle in das höfische Umfeld einzuordnen. Sie zeigen Jagdszenen, prächtige Pferde oder Menschen in Machtpositionen. Aufgrund der gezeigten Kleidung werden sie etwa in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert. Einige Spiele wurden auch mithilfe technischer Methoden untersucht, für andere kunsthistorische Gutachten erstellt. Auffällig ist die Größe der einzelnen Karten, die unsere heutigen Vorstellungen von der Größe der Spielkarten weit überschreitet. Gemalte Spielkarten waren Repräsentationsgegenstände, ihre Pracht und Einmaligkeit untermauern die Macht und den Reichtum des Besitzers. Als wertvolle Kleinode wurden sie sorgsam verwahrt und in den Nachlässen der Familien weitergegeben. Als älteste Vierfarbspiele sind erhalten das Stuttgarter Kartenspiel um 1430 18 und das Ambraser Hofjagdspiel 1440/1445 19. Beide Spiele seien hier zur Vollständigkeit erwähnt, da sie keine Trumpfreihe aufweisen. Sie werden lediglich für Gegenüberstellungen in dieser Arbeit herangezogen.

3.3.2 Ungeschnittene Holzschnittbögen mit mehreren Spielkartenmotiven Holzschnitt ist bei Spielkarten in vielfacher Weise und in unterschiedlichen Entwicklungsschritten belegt. Ein Übergangsschritt von gemalten Karten hin zu Holzschnittkarten zeigt sich in Spielkarten, deren Konturen der Motive mittels Holzschnittes gedruckt sind. Solche Drucke waren dafür vorgesehen, die Innenflächen später von Hand oder mit Farbschablonen zu kolorieren. Diese Technik ist sehr gut erkennbar, weil die Farbflächen oftmals über die Konturen hinaus gemalt sind. Wohl aus der Gegend des Oberrheins ist das älteste bekannte Kartenspiel in Holzschnitt das Liechtensteiner Spiel erhalten. Es wird unterschiedlich zwischen 1440 und 1465 datiert. 20 Überliefert sind zwei „Makulatur-Bögen“ 21, wie Wilhelm Schreiber es nennt, mit je acht Karten in den 5 Spielfarben Schwerter, Stöcke, Becher, Münzen und Wappen. Die fünfte Spielfarbe der Wappen ist bis heute in der Schweiz gebräuchlich. Auf diesen Bögen sind nur die Konturen mit schwarzer Farbe gedruckt. Druckbögen mit Motiven der Tarotkarten sind mehrfach erhalten, meist datiert am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert. Aus Bologna um 1500 sind zwei Drückbogen 22 erhalten mit je sechs Kartenmotiven. Bei diesen Druckbögen sind lediglich die Konturen aufgedruckt, einige der Motive ähneln auffällig dem gemalten Spiel „Le Tarot dit de Charles VI“. Der aus Mailand überlieferte Druckbogen um 1500 wird auch „ITA-Sheet“ oder „Cary-Sheet“ 23 genannt. Diese Bezeichnung lehnt sich an den Aufbewahrungsort der Cary-Collection of Playing Cards, der Yale University, New Haven und die dortige Signatur „ITA“ an. Er zeigt sechs ganz erhaltene Kartenmotive und an den Rändern insgesamt

Hoffmann, Das Stuttgarter Kartenspiel, Begleitheft S. 39; und auch Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 34–35 und Abb. 10 und 11. Röttgen/Witz, Das Ambraser Hofjagdspiel, Begleitheft S. 7; und auch Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 38 und Abb. 12. 20 Hoffmann, Das Stuttgarter Kartenspiel, Begleitheft S. 18. Diese Datierung stammt aus dem Jahr 1979. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 16 und Tafel III und IV datiert dieses Spiel auf das Jahr 1465. Nach Angaben des Begleitheftes des Stuttgarter Spiels liegen die Originale im Museé du Louvre, Paris. 21 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 16. 22 Druckbogen Bologna, Coll. Rothschild, In: http://arts-graphiques.louvre.fr/detail/oeuvres/26/518901-Cartes-de-tarots-max (acc. 20.1. 2021). Druckbogen Bologna, Beaux Arts, In: http://www.ensba.fr/ow2/catzarts/voir.xsp?id=00101–20321&qid=sdx_q0&n=3&sf=&e (acc. 25. 8. 2020). In der Literatur sind beide Bögen besprochen beispielsweise bei Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 105; Dummett, The game of Tarot, 76, Anmerkung 30; Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, 9, Abb. 2 und 3; und Depaulis, Jeu et magie, S. 54 und 57. 23 ITA Sheet 3S, In: http://brbl-dl.library.yale.edu/vufind/Record/3835917 (acc. 9. 9. 2020) In der Literatur findet der Bogen unter anderem Erwähnung bei Dummett, The game of Tarot, S. 76; oder Depaulis, Jeu et magie, S. 53. 18

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

14 angeschnittene Motive zumeist der Bildreihe, die teilweise noch zu erkennen sind und die sich bis in neuere Spiele des Tarot de Marseille erhalten. Auf diesem Bogen sind ebenfalls nur die Konturen gedruckt. Aus Florenz um 1500 ist der sogenannte Rosenwald-Bogen 24 erhalten. Die schwarz gedruckten Konturen zeigen 24 Motive aus der Trumpfreihe und den Hofkarten. Eine Gruppe von mehreren Druckbögen ist aus Ferrara oder Venedig überliefert, auch sie werden ebenfalls um 1500 datiert. Sie alle gehören offensichtlich zum gleichen Spiel. Zwei Bögen werden im Metropolitan Museum of Art in New York und zwei weitere im Museum of Fine Arts in Budapest aufbewahrt. Einer der Bögen in New York 25 zeigt teilweise in rot, blau und braun nachkolorierten Flächen. Von der Trumpfreihe und den Hofkarten sind acht Motive ganz erhalten, weitere zehn angeschnitten und nur teilweise erkennbar. Von diesem Bogen haben sich zwei weitere Kopien in Budapest 26 erhalten, die anders geschnitten sind, sodass einige Randmotive gegenüber dem Bogen in New York besser erkennbar sind. Die Motive in Budapest sind allerdings nur in schwarzen Konturen gedruckt. In New York liegt ein weiterer Druckbogen, der zu dieser Gruppe gehört. 27 Er zeigt elf ganze und acht angeschnittene Motive, die nur teilweise erkennbar sind. 28

Zur Vollständigkeit seien hier drei Druckbögen erwähnt, die im British Museum in London aufbewahrt werden. Sie stammen aus dem späten 19. Jahrhundert und sind für den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit zu jung. 29 Die Bögen zeigen mit schwarzen Konturen insgesamt 50 ganze Motive in recht guter Qualität.

3.3.3 Gedruckte und geschnittene Spielkarten Bevor sich verschiedene Druckverfahren für Spielkarten endgültig durchsetzen, sind einige einzelne Spielkarten, Spielfragmente oder ganze Spiele überliefert, an denen sich die Entwicklung der Spielkarten und deren Herstellungstechniken ablesen lassen. Die sogenannten Rothschild-Karten 30 aus Florenz um 1480 werden aufbewahrt in der Collection Rothschild der Museen des Louvre. Ihre Bezeichnung lehnt sich an den Aufbewahrungsort an. Dort sind acht Karten erhalten aus Holzschnitt mit nachkolorierten und vergoldeten Flächen. Die Motive ähneln deutlich den Tarocchi des Visconti-Sforza, ihre Größe mit 189 � 90 mm erinnert ebenfalls an dieses Spiel. Das Motiv des Schwert-Buben zeigt den Heiligen St. Georg, wie er hoch zu Pferd den Drachen mit einem Speer tötet. Die größte und bekannteste Gruppe der Holzschnittkarten sind die frühen Spiele des Tarot de

Rosenwald-Bogen, In: https://www.nga.gov/content/ngaweb/Collection/art-object-page.41321.html (acc. 20.1. 2021). In der Literatur beschrieben bei Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, 19, Abb. 4; Dummett, The game of Tarot, S. 75; Dummett, Tarocchi populari, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, 88, Cat. 17 Abb. S. 90. 25 Anonymous, Tarocchi Cards, In: http://www.metmuseum.org/art/collection/search/385140?rpp=30&pg=1&ft=26.101.5&pos=1 (acc. 1. 9. 2020). Abgebildet ist hier der Bogen mit der Signatur 26.101.5, der Bogen mit der Signatur 31.54.159 ist im Online-Katalog der MET ohne Abbildung aufgeführt. Ein weiterer in der Literatur erwähnter Bogen mit der Signatur 26.101.4 fehlt im Online-Katalog der MET gänzlich. In den untenstehenden Literaturangaben werden gelegentlich die Signaturen unter den Abbildungen falsch angegeben, die Motive der beiden vorhandenen Bögen sind jedoch anhand der Abbildungen nachvollziehbar. In der Literatur finden sich Informationen bei Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, 20, Abb. 6; Dummett, The game of Tarot, S. 75–76; Depaulis, Jeu et magie, S. 54; Dummett, Tarocchi populari, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 88, Abb. 84. 26 Budapester Druckbögen, In: https://tarotmeditations.wordpress.com/decks/budapest-metropolitan/#jp-carousel-745 (acc. 20.1. 2021). 27 Metropolitan Museum New York, Signatur 31.54.159. Dieser Bogen ist online leider ohne Abbildung. Zu sehen ist er bei Dummett, Tarocchi populari, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, 27, Cat 16, (farbig, aber wohl nur ein Ausschnitt) und Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, 20, Abb. 5, (Hoffmann gibt hier als Signatur 31.54.126 an, die nachweislich falsch ist.). 28 Sofern die Abbildung dieses Bogens bei Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, 20, Abb. 5, den ganzen Bogen zeigt. 29 Anonymous 1, Woodcut, In: http://www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_object_details.aspx?assetId=766916001& objectId=3221651&partId=1 (acc. 20.1. 2021); Anonymous 2, Woodcut, In: http://www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_ object_details.aspx?assetId=766918001&objectId=3221649&partId=1 (acc. 20.1. 2021); Anonymous 3, Woodcut, In: http://www.britishmuseum.org/ research/collection_online/collection_object_details.aspx?assetId=766917001&objectId=3221650&partId=1 (acc. 20.1. 2021). 30 Rothschild-Karten, In: http://arts-graphiques.louvre.fr/detail/oeuvres/17/518871-Carte-a-jouer-Saint-Georges (acc. 20.1. 2021). Dort ist nur der Schwert-Bube abgebildet. Weitere Beschreibungen in der Literatur: Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 102–103; Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18; Dummett, The game of Tarot, S. 69; Depaulis, Jeu et magie, S. 41; Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, 39, Cat 5, S. 39, Abb. Seite 22; Kaplan, Encyclopedia I, S. 121–122. 24

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

Marseille. Erhalten sind mehrere Spiele verschiedener Kartenmacher aus weiten Teilen Frankreichs. Viele dieser Spiele sind vollständig erhalten und werden in der Bibliothèque nationale de France aufbewahrt. Beispielhaft seien die wohl ältesten Spiele hier aufgeführt: Das Tarot de Paris von einem unbekannten Kartenmacher zwischen 1600–1650 hergestellt. 31 Auffällig ist bei diesem Spiel der schwarz-weiß gekachelte Rand um die Kartenmotive. Weiter das Tarot de Marseille von Jean Noblet angefertigt um 1620. 32 Das berühmteste Spiel und Meilenstein für die weitere Entwicklung des Tarot ist allerdings das vollständig erhaltene Tarot de Marseille von Nicolas Conver aus dem Jahr 1761 33, weil die Reihenfolge und Namen der Trümpfe dieses Spiels in den nachfolgenden Spielen übernommen werden. Es ist in Holzschnitt hergestellt und von Hand mit Schablonen koloriert.

Erwähnenswert ist hier noch das legendäre Spiel „Sola Busca“ 34, so genannt, da es zunächst der Familie Sola und später der Familie Busca gehörte. Es ist ein Beispiel für sehr frühen Kupferstich aus dem Jahr 1491. Dieses Spiel besteht wie die anderen Tarotspiele aus 78 Karten, die alle erhalten sind und in der Pinacoteca di Brera in Mailand aufbewahrt werden. Es enthält nicht den üblichen Bilderkanon des Tarot, sondern zeigt völlig eigene und einmalige Bilder mit Namen aus dem römischen Kontext. Die Ausstellung der Pinacoteca di Brera 2012/2013 konzentrierte sich auf den alchemistisch geprägten Inhalt der Bilder aus der italienischen Renaissance. 35 Berühmt wurde dieses Spiel vor allem, weil erstmals alle Karten, auch die Zahlenkarten bebildert sind und diese nicht nur die entsprechende Anzahl der Farbsymbole zeigen, wie es bei zeitgenössischen Spielen der Tarotfamilie sonst üblich ist.

3.4 Nach der Forschungswelle offen gebliebene Fragen Wie sich bisher gezeigt hat, gibt es bereits umfangreiche Forschung zu Spielkarten im Allgemeinen und den Tarotkarten im Besonderen, die das Quellenmaterial hinlänglich durchgesehen und sichere Ergebnisse erbracht hat. Neue Schriftquellen, die die Erkenntnisse weiterführen sind nur mit einer sehr aufwändigen Suche zu erwarten. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass der Ertrag in keinem Verhältnis zum Aufwand stehen würde. Doch selbst anhand der bisher bereits geleisteten Forschung, bleiben viele Fragen bezüglich der Entstehung, der Herkunft und des Gebrauchs der Karten unbeantwortet. Deshalb seien hier naheliegende, aber weitgehend offene Fragen um die Entstehung des Tarot und der Tarocchi kurz zusammengefasst.

3.4.1 Die Ursprünge dieses Kartenspiels Die Struktur der Trumpfreihe wird zwar nach Europa, besser nach Italien verortet, die Quellenlage kann jedoch bisher weder einen geografischen noch einen zeitlichen Ursprung des Tarot belegen. Die frühen Spiele der Tarocchi enthalten bereits eine Trumpfreihe, ohne dass man Vorläufer oder wenigstens Fragmente einer Entwicklung entdeckt hat. So bleibt es bei eingrenzenden Vermutungen, wie sie beispielsweise Micheal Dummett in seinem Werkes The game of Tarot in dem bezeichnend überschriebenen Kapitel „History and Mistery“ zusammengefasst hat. 36 Ebenso wenig ist derzeit bekannt, wer und zu welchem Anlass die Tarocchi entworfen hat.

Tarot parisien, In: http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43572887s (acc. 20.1. 2021). „tarot Noblet“, In: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b105109641.r=tarot%20noblet?rk=21459;2 (acc. 31.1. 2020). 33 „tarot Conver“, In: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10513817z/f93.item.r=tarot%20conver (acc. 31.1. 2020). 34 Mayer, Sola-Buca Tarot, Faksimile 492/700. 35 Nachzulesen im Ausstellungskatalog: Il secreto dei secreti, In: http://pinacotecabrera.org/wp-content/uploads/2015/05/document9.pdf (acc. 5. 8. 2016) Gnaccolini, Il segreto dei segreti, in: Laura Gnaccolini (Hg.): Il segreto dei segreti, S. 15–61. 36 Dummett, The game of Tarot, Part I „History and Mistery“, S. 3–164. 31

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

3.4.2 Zwischen Schriftquellen und überlieferten Bildern Die ältesten Belege der Spielkarten stammen von dem Dominikanermönch Johannes von Rheinfelden von 1377 und einem Verbot der Stadt Florenz um Jahr 1377. 37 Seitdem berichten zahlreiche Quellen immer wieder vom Kartenspiel. Die Spielverbote, Erlasse und Bestrafungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert 38 wurden sicherlich nicht für die höfische Gesellschaft ausgesprochen, sondern beziehen sich vielmehr auf den massenhaften Gebrauch von Spielkarten, auch im Sinne des Glücksspiels. In einer Vielzahl waren allerdings nur gedruckte Spielkarten verfügbar. Die Schriftquellen belegen das Aussehen der Karten nicht. Die Beschreibungen der Kartenspiele bei Johannes von Rheinfelden lassen vermuten, bei den gedruckten Kartenspielen handelt es sich um Kartenspiele mit vier Spielfarben, wie wir sie bis heute in noch ähnlicher Weise kennen. 39 Die ältesten bekannten Bilder aus dem Holzdruck zeigt das Liechtensteiner Spiel mit fünf Spielfarben, es wird frühestens datiert zwischen 1440 und 1450 40. Neuere Funde von Quellenbelegen lassen jedoch vermuten, dass bereits 1422 in Palermo Spielkarten gedruckt wurden und am Hof der Este in Ferrara 1436 mit gedruckten Karten gespielt wurde. 41 Als älteste gemalte Vierfarbspiele sind das Stuttgarter Kartenspiel um 1430 42 und das Ambraser Hofjagdspiel 1440/1445 43 überliefert. Gemalte Spielkarten im höfischen Umfeld waren im Gegensatz zu Spielkarten im Holzschnitt teure Unikate, die ältesten Spiele sind in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert. Erste überlieferte Druckbögen, die Motive des Tarot zeigen, stammen etwa aus dem Jahr 1500 und sind damit deutlich jünger,

als die ältesten Spiele der Tarocchi. Einige Motive des Bologneser Druckbogens ähneln denen des Spiels „Le Tarot dit de Charles VI“ auffällig, so das Motiv des „Gehängten“ mit Geldsäcken in Händen haltend. Auf dem Motiv der „Mond“ halten die abgebildeten Astronomen Messinstrumente in die Höhe. Das Motiv der „Welt“ zeigt eine stehende Figur mit einem Zepter in der rechten und einem Reichsapfel in der linken Hand auf einem Weltenkreis. 44 Weitere Motive der Druckbögen gleichen Darstellungen späterer Ausgaben des Tarot de Marseille. Diese Auflistung zeigt, gemalte und gedruckte Spielkarten sind gleichzeitig im Umlauf, haben jedoch verschiedene Rezipienten. Während die Überlieferung der Kartenspiele mit vier oder fünf Spielfarben eine nachvollziehbare Entwicklung von Schriftquellen, gedruckten und gemalten Spielen bis hin zum Massengebrauch aufzeigt, stehen die Bilder der gemalten Tarocchi isoliert. Es fehlen Schriftquellen, die die Entwicklung der Tarocchi nachzeichnen, wie Beauftragung oder Abrechnungen eines Malers, Skizzenblöcke oder Ähnliches. Erst lange nach den gemalten Tarocchi lassen sich Druckbögen mit solchen Motiven nachweisen und damit die Weiterentwicklung zum Tarot de Marseille zumindest als wahrscheinlich annehmen. Die Fragen, ob es parallel zu den gemalten Tarocchi bereits gedruckte Spiele dieser Art gab und ob die Maler der Tarocchi sich dann eventuell auf gedruckte Vorlagen stützen konnten, bleiben somit offen. So bleiben Erkenntnislücken aus dem Spannungsfeld des Kartenspiels der Bevölkerung für die Schriftquellen überliefert sind einerseits und der gemalten Spielkarten der höfischen Gesellschaft andererseits. Weder ist bisher geklärt, wie die Spiel-

Eine der frühesten Erwähnungen des Kartenspiels ist die Abhandlung des deutschen Dominikanermönchs Johannes von Rheinfelden aus dem Jahre 1377 „De moribus et disciplina humanae conversationis id est ludus cartularum“ oder „Ludus cartularum moralisatus“, vgl hierzu Jönsson, Ludus cartularum, in: Detlef Hoffmann (Hg.): Schweizer Spielkarten, S. 18. 38 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, besonders S. 7 und Teil III „Urkundliche Belege“. 39 Lt. Jönsson, Ludus cartularum, in: Detlef Hoffmann (Hg.): Schweizer Spielkarten, S. 138. Das Original der Abhandlung des Johannes von Rheinfelden muss Zeichnungen enthalten haben. Leider fehlen Abbildungen jedoch in den erhaltenen Abschriften. 40 Hoffmann, Das Stuttgarter Kartenspiel, Begleitheft S. 18. Diese Datierung stammt aus dem Jahr 1979; Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 16 und Tafel III und IV datiert dieses Spiel 1937 auf das Jahr 1465. 41 Depaulis, Imprimait-on des cartes, in: The Playing Card, Volume 40, No. 4, S. 252–256. 42 Hoffmann, Das Stuttgarter Kartenspiel, Begleitheft S. 39. 43 Röttgen/Witz, Das Ambraser Hofjagdspiel, Begleitheft S. 7. 44 Hier seien nur die auffälligsten Übereinstimmungen aus Details der Kartenmotive des Druckbogens aus Bologna und dem „Tarot dit de Charles VI“ beispielhaft herausgegriffen. Weitergehende Vergleiche von Motiven gehen über den Rahmen dieser Arbeit hinaus. 37

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

karten, über die die Traktate und Verbote berichten, ausgesehen haben. Noch gibt es Quellen irgendeiner Art, die die Erkenntnisse über die Tarocchi und deren Entwicklung nachzeichnen. Bis heute ist ungeklärt, wie und ob die Vierfarbspiele und die Tarocchi zu Beginn des 15. Jahrhundert in Verbindung stehen oder ob beide Kartenspiele sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Im Abschnitt „Gesellschaftsspiele zwischen Vergnügen und Verderb“ wird die Parallelität von gedruckten und gemalten Spielkarten noch einmal deutlich. Ein herausragendes Beispiel für die Kluft zwischen schriftlichen Quellen und bildlicher Überlieferung in Bezug auf die Tarocchi bildet das „Kartenspiel mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“. Mehrere und vielzitierte Quellenbelege deuten auf dieses gemalte Kartenspiel, das Ähnlichkeiten mit dem Aufbau der Spiele von Tarocchi aufweist und gleichzeitig tief in die Spielkultur von Oberitalien im 15. Jahrhundert, genauer an den Hof von Filippo Maria Visconti blicken lässt. Decembrio, Sekretär von Filippo Maria Visconti, erwähnt in seiner Lebensbeschreibung von Filippo Maria Visconti ein Kartenspiel mit „Götterbildern, Tieren und Vögeln“ ausgeführt von seinem Vorgänger als Sekretär Marziano da Tortona. Filippo Maria Visconti soll für dieses Spiel 1500 Dukaten bezahlt haben. 45 Decembrio gibt keine weiteren Erklärungen zu diesem Spiel. Gleichwohl wird diese kleine Passage in der Literatur vielfach aufgegriffen 46, weil die hohe Summe von 1500 Dukaten selbst für ein gemaltes Spiel erstaunen lässt. Bereits im Jahr 1895 berichtete Paul Durrieu auf einer Konferenz in Paris von einem Brief aus dem Jahr 1449 des venezianischen Söldnerführers Jacopo Antonio Marcello an Königin Isabella von Lothringen. 47 Zusammen mit dem Brief sendete er ihr ein prächtiges Kartenspiel gemalt von Michelino da Besozzo für Filippo Maria Visconti, sowie eine Beschreibung der Karten und ihrer Spielweise. Jacopo Antonio Marcello berichtet von sechzehn Karten eingeteilt in vier Gruppen von Göttern und wei-

teren Karten mit Tierfiguren und Vögeln. Dieser Brief und die Beschreibung haben sich erhalten in der Bibliothèque nationale de France mit der Signatur Codex Lat. 8745. Gertrude Moakley vermutet erstmals, die Quellenbelege von Decembrio und Jacopo Antonio Marcello beschreiben das gleiche Spiel. 48 Dies ist der Wissensstand zu diesem Kartenspiel geschildert von Franco Pratesi in seinem Aufsatz „The Earliest Tarot Pack Known“ 49, bevor ihm das Dokument der Bibliothèque nationale de France Codex Lat. 8745 im Rahmen seiner Forschungsarbeiten erneut in die Hände fällt. Für das „Kartenspiel mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“ sind zwei Teile des Dokuments an dieser Stelle von Bedeutung: Der Brief von Jacopo Antonio Marcello und die Vorrede der Abhandlung von Marziano da Tortona. Der Brief von Jacopo Antonio Marcello enthüllt die Geschichte des „Kartenspiels mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“. Demnach erstellte Filippo Maria Visconti das Schema für dieses Spiel selbst, welches er an seinen ehemaligen Sekretär, Gelehrten und Astrologen Marziano da Tortona weitergab mit der Bitte das Kartenspiel schriftlich zu erklären. Darüber hinaus beauftragte Filippo Maria Visconti den Maler Michelino da Besozzo mit der Gestaltung der Bilder seines Kartenspiels. 50 Mit dieser Darlegung wird erstmals deutlich, dass sich Decembrios Erwähnung und das Kartenspiel gemalt von Michelino da Besozzo auf das gleiche Spiel beziehen. Auf irgendeine unbekannte Weise schaffte es Jacopo Antonio Marcello nach dem Tod von Filippo Maria Visconti die Abhandlung von Marziano da Tortona und die gemalten Karten von Michelino da Besozzo an sich zu bringen. Beides legte er seinem Brief bei und schickte seine Sendung über einen Boten an Königin Isabella von Lothringen. Natürlich soll das Geschenk an die Königin nicht nur ihrer Zerstreuung von den anstrengenden Regierungsgeschäften dienen, Jacopo Antonio Marcello bittet die Königin in dem Brief auch um eine Empfehlung seiner Person bei ihrem Ge-

Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 46. Beispielsweise Hargrave, History of playing cards, S. 225–226; Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity, S. 189–190; nach Decembrio/Funk a. a. O.; Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 40, nach Steele a. a. O. 47 Durrieu, Michelino da Besozzo, in: Mémoires de l’Institut national de France, S. 373 und 376–377. 48 Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 46 und Anmerkung 10. 49 Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part I, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 1, Part I und II. Der Brief und die Beschreibung dieses Kartenspiels wird in der Literatur mehrfach aufgegriffen, so beispielsweise Farley, A cultural history S. 35–39; Olsen, Carte da trionfi, S. 1–3. 50 Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part I, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 1, S. 31. 45

46

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

mahl. 51 Der Brief von Jacopo Antonio Marcello und die Abhandlung von Marziano da Tortona sind im Dokument der Bibliothèque nationale de France erhalten, das Kartenspiel von Michelino da Besozzo ist jedoch verloren.

Der Vorrede der Abhandlung von Jacopo Antonio Marcello entnimmt Franco Pratesi einige Details über die Struktur dieses Kartenspiels: Sechzehn Karten sind in vier Gruppen von Göttern aufteilt: 52

1.

Tugenden:

Jupiter

Apollo

Mercury

Herkules

2.

Reichtümer:

Juno

Neptun

Mars

Äolus

3.

Jungfräulichkeit:

Pallas

Diana

Vesta

Daphne

4.

Freuden:

Venus

Bacchus

Ceres

Cupido

Die Abhandlung führt Könige im Spiel auf, die unter den Göttern stehen. Franco Pratesi nimmt an, dass diese Könige repräsentativ für die Hofkarten erwähnt sind. 53 Unter diesen Karten rangieren vier Vögel, die Bezüge zu den vier Gruppen herstellen. Für die Tugenden steht der Adler, für die Reichtümer der Phoenix, für die Jungfräulichkeit (im Sinne von Enthaltsamkeit oder Mäßigung) die Schildkröte und für die Freuden die Taube. Franco Pratesi geht davon aus, diese Vögel bilden jeweils einen ganzen Satz von Zahlenkarten mit wahrscheinlich Karten von 1–10, denn die Beschreibung erwähnt in der Spielpraxis für Adler und Schildkröten eine Wertung aufwärts, hingegen eine Wertung abwärts für Phönix und Tauben. 54 Im Spielverlauf werden die Götter entsprechend der obigen Tabelle entlang der Spalten gewertet, also Jupiter als höchste und Cupido als niedrigste Wertung. Einige der Götter seien doppelt oder gar mehrfach im Spiel vorhanden. Die Götter zeigen damit eine Reihenfolge innerhalb der Gruppe, ähnlich den Hofkarten und bilden damit eine Art „Super-Hofkarten“ 55. Franco Pratesi errechnet mit großer Wahrscheinlichkeit anhand der Angaben in der Abhandlung eine Gesamtzahl von 72 Karten für diese Spiel: Sechzehn Trümpfe, vier Sätze mit je vier Hofkarten und vier Sätze mit je zehn Zahlenkarten. 56 Er misst dieser Beschreibung des „Kartenspiels mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“ große Bedeutung bei, denn es sei die erste und damit früheste Beschreibung eines Kartenspiels in der Art des Tarot, also mit einer

Trumpfreihe. Deshalb wählte er den Titel für seinen Aufsatz „The Ealiest Tarot Pack known“. Christina Olsen stimmt Franco Pratesi in Bezug auf die Bedeutung des Briefes von Jacopo Antonio Marcello und der Abhandlung von Marziano da Tortona zu. Sie bezweifelt jedoch, dieses Spiel sei ein Spiel von Tarot, weil die Anzahl der Trümpfe von denen des Tarot abweicht und weil einige der Götter mehrfach vorhanden sind. 57 Tatsächlich stellt sich dem versierten Kartenspieler sofort die Frage, wie im Spiel mehrfach vorkommende Karten im Spielverlauf gewertet wurden. Auch in die hypothetische Gesamtzahl von 72 Karten im Spiel sind die mehrfach vorhandenen Götterbilder nicht eingerechnet. Festzuhalten bleibt, der Brief von Jacopo Antonio Marcello und die Abhandlung von Marziano da Tortona stellen bisher die ältesten Quellenbelege dar, die höchst detailliert Aufschluss über Aussehen, Aufbau und Spielverlauf eines solchen Kartenspiels geben. Das geschilderte Kartenspiel ist jedoch kein Spiel mit der standardisierten Struktur der Spiele der Tarotfamilie. Auch fehlen zu diesen schriftlichen Beschreibungen die Spielkarten selbst, die einen optischen Eindruck geben könnten und die Beschreibungen vervollständigen würden. Die Bewertung des Artikels von Franco Pratesi muss zwangsläufig einigen Ergebnissen dieser Arbeit skizzenhaftvorgreifen, was jedoch zur Einordnung des Artikels in die aktuelle Forschungsdiskussion unerlässlich ist. Zunächst widerspricht Franco Pratesis Einschätzung „The Earliest Tarot Pack known“

Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part I, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 1, S. 31–32. Durrieu, Michelino da Besozzo, in: Mémoires de l’Institut national de France, S. 376 und Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part II, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 2, S. 34. 53 Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part II, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 2, S. 36. 54 Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part II, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 2, S. 34. 55 Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part II, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 2, S. 35. 56 Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part II, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 2, S. 37. 57 Olsen, Carte da trionfi, S. 143–144. 51

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

den Ergebnissen dieser Arbeit. Die Gliederung führt die erhaltenen Spielfragmente chronologisch auf und es ist ersichtlich, dass mindestens ein Spielfragment älter ist als das „Kartenspiel mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“. Hingegen stärkt dieses verschollene Kartenspiel Filippo Maria Visconti als zentrale Persönlichkeit für die Entwicklung von Kartenspielen in Oberitalien zu jener Zeit, sein Spieleifer fachte auch seine Experimentierfreude an. Im Abschnitt „Die Visconti und die Sforza, ihre Vergnügungen und die Tarocchi“ wird dieser Sachverhalt eingehender ausgeführt. Offenbar gab es in der Anfangsphase der Entwicklung dieser Spielkartenfamilie mehrere Varianten, die sich von der sich später durchsetzenden Struktur der Tarocchi unterschieden, wie auch das Visconti di Modrone, das Mantegna-Tarot oder das Sola-Busca zeigen. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang zwei Fakten, die Franco Pratesi eher nebensächlich erwähnt, die jedoch für die weitere Entwicklung der Kartenspiele und der Tarotfamilie im Besonderen von Bedeutung sind: In das „Kartenspiel mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“ wurden große Götterpersönlichkeiten eingefügt mit der Absicht der Herzog möge während des Spiels nicht nur Ablenkung erleben, sondern auch von deren Stärke, Mut und anderen Eigenschaften erfahren. Vor allem aber sollte er während des Spiels ihren Tugenden folgen lernen, etwa der Mäßigung. 58 Dieses Spiel soll folglich im Spielverlauf auch beabsichtige Werte und Tugenden bei den Spielern vermitteln und einüben. Mit dieser Absicht ähnelt es sehr den bekannten Lehrkartenspielen späterer Jahre, die immer wieder und mit wechselnden Inhalten aufgelegt wurden und werden. Höchst interessant für die Spielpraxis mit den Kartenspielen mit der Trumpfreihe ist die Erwähnung, zwei Reihen der Zahlenkarten werden aufwärts gewertet, die anderen beiden jedoch abwärts gewertet. Dies ist bisher der früheste Hinweis auf eine solche Zählweise. Wie sich im Abschnitt „Das Spielen der Karten mit den Trümpfen“ zeigen wird, ist diese Zählweise seit Bekanntwerden der Spielregeln gängige Praxis. Wenn auch diese Arbeit Franco Pratesis Ansicht widerspricht, in dem „Kartenspiel mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“ das älteste Tarot zu

sehen, so erbringt seine neuerliche Analyse des Textes des Codex Lat. 8745 der Bibliothèque nationale de France doch wertvolle Hinweise zu einer frühen Version eines Spiels der Spielkartenfamilie mit Trümpfen. Darüber hinaus bekräftigt dieses Spiel das höfische Umfeld der gemalten Kartenspiele. Trotz all dieser durchaus weiterführenden Erkenntnisse bleibt dieses Spiel jedoch auch ein Beispiel, dass schriftliche Quellen zu den Karten der Tarotfamilie nicht mit erhaltenen Tarocchi zusammengebracht werden können.

3.4.3 Die Gesamtzahl der Karten im Spiel Die Frage nach der Gesamtzahl der Karten in einem Spiel der Tarocchi beinhaltet zwei Aspekte: Zunächst geht der Blick zur Trumpfreihe und die Frage, ob diese schon immer 22 Bildkarten beinhaltete. Weiter ist damit offen, ob ein Spiel der Tarocchi schon immer 78 Karten umfasste. Betrachten wir zuerst die Bildreihe. So wie die Bildreihe mit ihren Bildern und deren Reihenfolge heute geläufig ist, sind sie erstmals festgeschrieben im Tarot de Marseille, spätestens mit der Ausgabe von Nicolas Conver 1761. Die Forschung geht von der Annahme aus, die Bildreihe im Tarot de Marseille wurde aus den älteren Spielen übernommen. Aber in keinem Fragment der gemalten Spiele ist die Bildreihe vollständig erhalten und nur im Visconti-Sforza-Spiel ist das Motiv des „Teufels“ erhalten oder enthalten. Der früheste weitere bildliche Beleg der Karte des „Teufels“ ist auf dem Druckbogen von Bologna um 1500. 59 Fehlt also der „Teufel“ folglich in fast allen erhaltenen Spielfragmenten oder wird er erst später in den Bildkanon aufgenommen? Weitere Motive, die bei dieser Fragestellung ins Blickfeld rücken sind der „Turm“ (erhalten bei „Le Tarot dit de Charles VI“ und Visconti-Sforza), die „Päpstin“ (erhalten im Museo Fournier de Naipes de Álava in Spanien und im Visconti-Sforza) und die Tugenden „Glaube“, „Liebe“ und „Hoffnung“ (nur im Visconti di Modrone). Zeigen folglich die erhaltenen Spielfragmente auch eine Entwicklung innerhalb der Familie der Tarocchi, wie Micheal Dummett annimmt, wenn er schreibt:

Pratesi, The Earliest Tarot Pack, Part II, in: The Playing Card, Volume XVIII, Nr. 2, S. 34. Druckbogen Bologna, Coll. Rothschild, In: http://arts-graphiques.louvre.fr/detail/oeuvres/26/518901-Cartes-de-tarots-max (acc. 20.1. 2021). Der „Teufel“ befindet sich unten links.

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

„The Visconti di Modrone pack dates from a time when the game of tarot was still an innovation.“ 60

An welchem Punkt dieser Entwicklung wurden dann aber die Motive der Bildreihe festgeschrieben? Wann war die Entwicklung der Reihe zu Ende? Das Visconti di Modrone stellt unter allen erhaltenen Spielen das einzige dar, das in jeder Spielfarbe dem Reiter und dem Buben ihre weibliche Entsprechung, eine weibliche Partnerin mit dem Motiv der Reiterin und der Zofe zur Seite stellt. Somit umfasst jede Spielfarbe sechs anstatt der sonst üblichen vier Hofkarten. Klärend in der Frage der Anzahl der Trümpfe, der weiteren Karten und damit der Gesamtzahl der Karten im Spiel überhaupt, wäre eine verlässliche Datierung des Steele-Manuskripts (siehe Abschnitt „Die Trumpfreihe im Zentrum der Forschung“). Beinhaltet es doch die früheste schriftliche Beschreibung der Bildreihe. Denn es ist von entscheidender Bedeutung, ob die Struktur dieser Reihe bereits 1450 (der frühen Zeit der Tarocchi) festgeschrieben ist oder erst um 1500 festgehalten wird, als die Tarocchi bereits im Niedergang begriffen sind. Wäre das Steele-Manuskript erst um 1500 entstanden, wäre genug Zeit für eine Entwicklung der Trumpfreihe mit all den verschiedenen Versionen, über die die Quellen bis heute rätseln lassen. So aber erlauben die Lücken in der Quellenlage weiten Raum für vielerlei Spekulationen und Rechenspiele über die Anzahl der Karten in der Bildreihe und den frühen Tarotspielen.

3.4.4 Kartenspiel oder Repräsentationsobjekte Bislang konnte nicht geklärt werden, ob die aufwändig verarbeiteten Tarocchi überhaupt zum Kartenspielen im heute bekannten Sinne benutzt wurden. Da die gemalten Karten recht groß gehalten sind, ist es sehr schwierig mehrere Karten in der Hand zu halten und sie gleichzeitig aufzufächern. Zudem ist es leicht vorstellbar, dass die Goldauflage beim Übereinanderlegen der Karten abgerieben

wird. Wie noch zu zeigen sein wird, gibt es für das 15. Jahrhundert keine Spielregeln. Schriftliche Quellen zum Kartenspiel beziehen sich wahrscheinlich auf das Spiel der unteren Bevölkerungsschichten. Die Quellenlage erweist sich in dieser Frage als lückenhaft. Es gibt ein Wandgemälde, das in der Literatur immer wieder als Beweis für das Kartenspiel mit den Tarocchi angeführt wird. Das Bild „Il gioco dei Tarocchi“ der Fresken „Il ciclo dei giochi“ im Casa Borromeo in Mailand um 1445/1450 zeigt eine höfische Gesellschaft beim Kartenspiel. 61 Der Erhaltungszustand des Freskos ist inzwischen recht kritisch, Einzelheiten der Spielkarten, die die Spielgemeinschaft in der Hand hält, sind nicht mehr zu erkennen. Obwohl der Titel auf das Kartenspiel mit Tarocchi schließen lässt, ist nicht (mehr) ersichtlich, ob die höfische Runde tatsächlich mit Tarocchi oder einem anderen Kartenspiel spielt. Der außenstehende Betrachter kann nur die Kartenrücken in den Händen der Spieler sehen und der Erhaltungszustand des Freskos lässt die Karten in der Mitte des Tisches nicht mehr eindeutig erkennen. 62 Somit ist auch dieses Fresco kein eindeutiger Belegfür das Spielen der Tarocchi in Form des geläufigen Kartenspiels. Aus heutiger Sicht erscheint es unwahrscheinlich, dass mit den Tarocchi im heute üblichen Sinne gespielt wurde. Vielmehr eignet sich die Machart der Tarocchi, um die Karten großflächig auszulegen und die Bilder zu betrachten, denn diese Art der Verwendung schont die empfindliche Oberfläche der Spielkarten. Derart nebeneinander gelegt zeigen die Karten zudem immer neue Bildkombinationen. Durch die Darstellung der Bilder auf den einzelnen Karten (ob sich beispielsweise die Personen zugewandt sind, oder sich den Rücken zuwenden) entstehen immer wieder andere Konstellationen von Freund-Feind-Beziehungen, auch Liebeleien und anderen Szenen. Eine Vielzahl von Kombinationen ist so möglich, was Grundlage wäre für unzählige Geschichten, die sich anhand der Karten erzählen ließen und sicher viele vergnügliche Stunden höfischen Müßigganges garantieren würden. 63 Die

Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 15. Dummett, The game of Tarot, Titelbild Buchumschlag; Il ciclo dei Giocchi nel Palazzo Borromeo, In: http://www.storiadimilano.it/Arte/ giochiborromeo/giochiborromeo.htm (acc. 2. 9. 2020). 62 Vgl hierzu auch: Dummett, The game of Tarot, S. 68. 63 Eine ähnliche Weise die Kartenbilder als Grundlage für Geschichten aneinanderzulegen beschreibt das belletristische Buch von Calvino, Das Schloß, darin sich Schicksale kreuzen. 60 61

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prachtvolle Ausstattung der Tarocchi und das höfische Szenario, das die Karten präsentieren, zeigen den adeligen Kreis der Rezipienten überdeutlich auf. Insgesamt betrachtet würden sich die Tarocchi für diese Art des Gebrauchs ausgezeichnet eignen und anbieten. Ein solches Auslegen der Karten, um sie als Grundlage für Erzählungen zu nutzen, hätte mit dem späteren Kartenlegen als Orakel durchaus Ähnlichkeit. Die esoterische Interpretation einiger Kartenmotive (z. B. Der „Herrscher“) lässt ebenfalls Anklänge an das höfische Milieu erkennen. Mit der beschriebenen Spielweise wäre zu vermuten, das Auslegen der Karten auf dem Tisch hätte sich als Spielart beim Kartenlegen als Orakel fortgesetzt. Die inhaltliche Interpretation der Karten unterscheidet sich bei der höfischen Spielweise des 15. Jahrhundert und beim späteren Orakel jedoch grundlegend.

rätsel, das bewusst für die Allgemeinheit unverständlich gehalten wird, um einzelne Kreise gegeneinander abzugrenzen. 65 Allerdings ist Detlef Hoffmanns Erkenntnis von 1988 zu der inhaltlichen Gesamtaussage der Trumpfreihe noch immer aktuell:

3.4.5 Die Bedeutung der Bilder der Trumpfreihe

3.4.6 Tradierung und Aufbewahrung erhaltener Spiele der Tarocchi

Liegt in der Bildreihe der Trümpfe eine Gesamtaussage? Und wenn es einen Aussagebogen der 22 Bilder gibt, was wollten die Väter der Tarocchi damit vermitteln? Diese Fragen gehören mit zu den drängendsten, die die bisherige Forschung sich stellt. Man kann die Trumpfreihe unter verschiedenen Aspekten betrachten. Ihre Bilder sprechen einen höfischen Aspekt besonders an, die Bildung. In der Zeit der frühen Tarocchi waren die Betrachter von Bildern es gewohnt, verschiedene Bedeutungsebenen in den Bildern zu erkennen. 64 Nicht nur die vordergründige Darstellung eines Motivs war wichtig zu sehen, auch Allegorien, Personen aus der Geschichte und Figuren aus der Mythologie, moralische Belehrungen, Szenen und Ideale aus dem höfischen Leben wurden in die Darstellungen eingearbeitet. Ebenso konnten Anspielungen auf Familienbezüge in diese Kartenbilder hineingelegt werden. So gesehen, beinhalten die Bilder der Tarocchi beste Voraussetzungen langer und unterhaltsamer Mußestunden für Rezipienten mit entsprechender Bildung. Denkbar ist auch eine Art Bilder64 65 66

Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 41. Hoffmann/Dietrich, Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte, S. 61. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 41.

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„… [wir] wissen nichts mehr von der Entstehungszeit und dem möglichen Programm der Bildfolge.“ 66

Schon dem Autor des Steele-Manuskripts (also zwischen 1450 und 1500) war das Bildprogramm unbekannt, so Hoffmann weiter. Bei diesem Erkenntnisstand ist es im Großen und Ganzen bis heute geblieben. Die Bildfolge bleibt rätselhaft und gibt reichlich Anlass zu vielerlei Spekulationen, auf deren Nährboden vielfache Interpretationen von verschiedenen Zeit- und Geistesströmungen gedeihen konnten und können.

Einige Spiele der Tarocchi wurden im Laufe der Zeit durch Schenkungen oder Vermächtnisse in öffentliche Institutionen gegeben. Dort konnten sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sowie sachgemäß erhalten oder restauriert werden. Einige Spiele gelangten in den Kunsthandel und wurden dort für private Sammlungen erworben. Aus Sicht des Historikers birgt der Kunsthandel mehrere unerwünschte Aspekte. In privaten Sammlungen sind die Kartenspiele nicht öffentlich zugänglich, die Aufbewahrung und Erhaltungssituation ist meist kritisch anzusehen. Aufgrund des hohen Handelswertes werden ganze Spiel oft aufgeteilt und als Fragment weitergegeben. Dadurch wird es schwierig, das ursprüngliche Spiel als Ganzes aufzufinden und zu betrachten. Die größten Widrigkeiten zeigen sich jedoch bei der Namensgebung gehandelter Tarocchi. Es ist üblich die Kartenspiele nach ihrem Besitzer zu nennen. Ursprünglich waren die Spiele dann nach dem Auftraggeber oder der Person benannt, für die sie einst angefertigt wurden oder der sie gewidmet waren. Wenn aber nach dem Erwerb

3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

einige Tarocchi wieder nach dem neuen Besitzer oder Aufbewahrungsort bezeichnet werden, wechseln die Karten im Laufe der Zeit möglicherweise mehrfach ihren Nahmen. Dieser Umstand macht es beschwerlich, gehandelte Spielfragmente oder einzelne Spielkarten zu identifizieren. Gleichzeitig wird erkenntlich, wie begehrt die gemalten Spielkarten als Sammelobjekte noch immer sind. Die erhaltenen Tarocchi und Tarotkarten liegen in verschiedenen Archiven der westlichen Welt verstreut, oft noch in Ländern ihres Ursprungs, aber auch an Orten wohin sie gehandelt oder vererbt wurden: Italien verfügt noch über eine stattliche Anzahl solcher Spiele und Spielfragmente. (Nicht alle werden in dieser Arbeit besprochen.) Einige werden in Privatsammlungen gehütet, andere in Museen und Archiven aufbewahrt. Darunter sind auch Archive, die den Familien gewidmet sind, für die die Karten ursprünglich angefertigt wurden, z. B. das Castello Sforzesco in Mailand oder das Castello Estense in Ferrara. Meist haben diese italienischen Einrichtungen Internetseiten, ihre Bestände sind jedoch kaum digitalisiert. Hingegen sind die italienischen Forscher derzeit noch aktiv in der Forschung tätig. Sie veröffentlichen ihre Ergebnisse auch auf Internetseiten 67 oder die Institutionen organisieren aktuell Ausstellungen. Frankreich bewahrt viele seiner Spiele aus der Gruppe des Tarot de Marseille in der Bibliothèque nationale de France in Paris auf. Deren Bestände sind gut katalogisiert und digitalisiert, somit sind sie sehr leicht einzusehen. Französische Forscher arbeiten ebenfalls aktuell am Tarot, hervorzuheben ist hierbei Thierry Depaulis. Oftmals konzentrieren sich französische Forscher jedoch auf die Kartengruppe des Tarot de Marseille. Christophe Poncet vergleicht die Kunst des 15. Jahrhundert der italienischen Renaissance mit den Motiven des Tarot de Marseille und kommt so zu ebenso fundierten, wie erstaunlichen Ergebnissen, die die Tradition dieser Kartenspiele und ihre Bezüge zur Kunst und prominenten Familien der Renaissance aufzeigen. In Deutschland liegen nur wenige Karten der Tarotfamilie. Die sogenannten Goldschmidt-Karten wurden im Deutschen Spielkartenmuseum in Leinfelden-Echterdingen, ein Zweigmuseum des Lan-

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desmuseum Württemberg aufbewahrt. Aufgrund von Sanierungsarbeiten nach Gebäudeschäden wurden die Goldschmidt-Karten zunächst vorübergehend in das Landesmuseum Württemberg nach Stuttgart verlegt. Anlässlich der Drucklegung dieses Buches wurden dort die Reproduktionen angefertigt, die im entsprechenden Kapitel zu sehen sind. Digital zugänglich sind die Goldschmidt-Karten bisher allerdings nicht. Ob die Goldschmidt-Karten in das Deutsche Spielkartenmuseum in LeinfeldenEchterdingen zurückverlegt werden, ist zum Zeitpunkt der Drucklegung fraglich. Zwei weitere Karten werden im Museum August Kestner in Hannover aufbewahrt. Es handelt sich um zwei Buben, genannt die „Kestner-Buben“. Sie sind seit Kurzem digital einzusehen. In die USA gelangten einige der wichtigen gemalten Spiele durch Kunsthandel. In keinem anderen Land sind die Karten für Privatsammlungen so begehrt und dort sind sie noch immer Statussymbol einiger weniger Sammler. Auch einige öffentliche Institutionen der USA bewahren Tarocchi auf, sie haben ihre Bestände fast standartmäßig digitalisiert, sodass auch zu den so aufbewahrten Karten leichter Zugang besteht. Großbritannien verwahrt ebenfalls einige Spielfragmente und Archivalien mit Bezug zu den Karten der Tarotfamilie, einige ihrer Bestände sind allerdings jünger als die Tarocchi. Die großen Museen sind auf Internetrecherche ausgerichtet und viele Bestände sind online verfügbar. Diese kurzen Erläuterungen mögen einen Überblick der Aufbewahrung und den Zugang in den Ländern geben, die einige wichtige Kartensätze aufbewahren.

3.4.7 Die Trumpfreihe im Zentrum der Forschung Die 22 Bildkarten, die Tarocchi oder Trümpfe also, sind für die Forschung bisher von so herausragender Bedeutung, dass sie sich vornehmlich auf diese Karten und deren Darstellungen konzentriert. Allenfalls rücken die Hofkarten noch ins Blickfeld, um beispielsweise anhand der dargestellten Kleidung die Karten zu datieren. Die Zahlenkarten sind für die Forschung von nachrangiger Bedeutung.

Z. B. die Seite von Andrea Vitali, LE TAROT Associazione, In: http://www.letarot.it/index.aspx?lng=ENG (acc. 1. 9. 2020).

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3 Forschung und Erkenntnisse zu Tarocchi und Tarot

Die Bildreihe wird erstmals im sogenannten Steele-Manuskript erwähnt. 68 Es handelt sich um ein Manuskript eines anonymen Verfassers, dessen Aufbewahrungsort leider unbekannt ist, welches jedoch Robert Steele gleichwohl seinem Artikel zugrunde legt. Nach Robert Steeles Veröffentlichung kann Stuart R. Kaplan das Manuskript in seiner Encyclopedia I noch abdrucken 69, danach verliert sich die Spur des Dokumentes. Eventuell ist es im Kunsthandel für eine Privatsammlung erworben worden. Datiert wird das Dokument zwischen 1450 70 und 1500 71. Dieses Dokument unterscheidet ausdrücklich zwischen Tarocchi und anderen Kartenspielen. Sowohl der lateinische Begriff des sogenannten Steele-Manuskripts „ludus triumphorum“ und auch das lateinische Wort „trionfo/trionfi“ spielen auf einen Triumpf an. Unter diesem Gesichtspunkt diskutieren Forscher bis heute, ob die Kartenbilder der Trumpfreihe die Triumphzüge Italiens im 15. Jahrhunderts wie Jacob Burckhardt sie beschreibt 72 als Vorbild haben. Gertrude Moakley betrachtet die Karten in ihrer Arbeit erstmals unter kunstgeschichtlichen Aspekten und vergleicht die Visconti-Sforza-Karten mit zeitgenössischer Literatur. Sie legt dar, dass es Parallelen zu Petrarca’s Gedicht „I trionfi“ gibt und dieses Gedicht möglicherweise die Kreation der Karten beeinflusst hat. 73 Die Übereinstimmungen zwischen dem Gedicht und den Kartenbildern werden in der Forschung durchaus anerkannt, doch herrscht keine Einigkeit in welchem Maße das Gedicht tatsächlich Einfluss auf die Entstehung der Karten genommen hat. 74 Gertrude Moakley’s Ansicht, die Trumpfreihe stelle

einen Karnevalszug nach, wie man ihn in der Renaissance Italiens aufführte, 75 findet in der nachfolgenden Forschung keine Zustimmung. Die Bildreihe der gemalten Karten des 15. Jahrhunderts ist weder mit Nummern noch mit Namen versehen. Erst im Tarot de Marseille des 17. Jahrhunderts sind die „Atouts“ mit Nummern am oberen Bildrand und den Namen am unteren Bildrand beschriftet, wobei das Motiv des „Narren“ stets ohne Nummer bleibt. Da in der Bildreihe der „Teufel“ und das „Gericht“ vorkommen, meint Wilhelm Schreiber, lege das einen Ursprung der Karten in Europa nahe. 76 Andere Spielkartenforscher kommen zu dem Schluss, die Trumpfreihe sei eine italienische Erfindung. 77 Fraglos folgen die Bilder der Trümpfe der westlichen Ikonografie 78 und zeigen eine weitgehend christliche Tradition. Außerdem bildet die Trumpfreihe eine gesellschaftliche Hierarchie ab, mit dem „Narren“ und dem „Gaukler“ am unteren Ende der Bildreihe. Darüber steht als weltliches Herrscherpaar „Herrscherin“ und „Herrscher“ und über ihnen wiederum die kirchliche Führung „Päpstin“ und „Papst“. Die beiden Motive des „Teufels“ und des „Gerichts“ in dieser Reihe geben Grund zur Annahme, hiermit werden für die Zeit nach dem Tod erstrebenswerte Ideale gezeigt. Seit frühchristlicher Zeit ist es in der Darstellungstradition der Kunst üblich, das Höhere (anzustrebende Werte im Leben) über dem Niedrigeren (bereits überwundene Mühsal) darzustellen. 79 Demzufolge ist durchaus eine sinnvolle Reihe in den Trumpfkarten zu erkennen, an deren Ende das Jüngste Gericht steht. Hier wird entschieden, ob dem Menschen

Diese Bezeichnung findet sich bei Wörner, Dame im Spiel, S. 454; und Dummett, The game of Tarot, S. 136. Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity. Robert Steele sagt in diesem Artikel, das Manuskript befinde sich im Besitz von Stuart Kaplan. In Kaplan, Encyclopedia I, S. XVI, findet sich eine Abbildung, ohne Angabe über den Aufbewahrungsort. Depaulis, Jeu et magie, S. 39 erwähnt lediglich, es werde in Cincinnati aufbewahrt. Genaue Angaben über den heutigen Verbleib des Dokuments fehlen. 70 Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity, S. 185; Hoffmann/Dietrich, Tarot-TarockTarocchi, S. 41 datieren das Dokument zwischen 1450–1470. 71 Vitali/Berti, Le variante regionali in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 136; und Kaplan, Encyclopedia I, S. XVI bestimmen 1500 als Entstehung. 72 Burckhardt, Cultur der Renaissance, Band II, S. 138–144, 5. Abschnitt „Die Geselligkeit und die Feste“, 8. Kapitel „Die Feste“, „Weltliche Trionfi“, S. 138–144. 73 Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 43–54. 74 Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 26. 75 Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 13–16 Undocumented Prelud. 76 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 98. 77 Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 25; und Dummett, The game of Tarot, S. 65, sie alle folgen Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity, S. 187–188. 78 Hoffmann/Dietrich, Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte, S. 62. 79 Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 26. 68

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nach seinem Tod Ruhm und Ehre zuteil wird und er so in die Ewigkeit eingeht. Dieser Mensch könnte dann über das Erreichte in seinem Leben triumphieren. Eine weitere plausible Erklärung für die Namensgebung der Bildreihe als „trionfi“ ergibt sich aus den bekannten Spielregeln, denn ein Trumpf übersticht im Spiel immer die Hof- und Zählkarten, sowie die darunterliegenden Trümpfe. (Näheres hierzu im Abschnitt „Das Spielen der Karten mit den Trümpfen“.) Hieraus ergibt sich in jeder Spielrunde ein kleiner Triumpf für den Spieler, der einen Trumpf ausspielen kann. In der Literatur entsteht eine Diskussion um die abgebildeten Tugenden, mehr noch der fehlenden Tugenden in der Bildreihe. Von den üblichen sieben Tugenden sind lediglich drei Kardinaltugenden als Kartenmotive abgebildet: Die „Kraft“, die „Gerechtigkeit“ und die „Mäßigkeit“. In der Ikonografie jener Zeit ist es jedoch üblich, entweder alle sieben oder vier der Tugenden darzustellen. 80 Aber in jedem erhaltenen Spielfragment fehlt die Klugheit.

Die Frage, die nun alle Tarotforscher umtreibt, ist folglich jene nach dem Verbleib der Klugheit in der Bilderreihe. Weiter angefacht wird die Diskussion durch die Tatsache, dass die Bildreihe des Visconti di Modrone-Spiels darüber hinaus die drei theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung beinhaltet. Michael Dummett meint, das Visconti di Modrone-Spiel zeige eine frühere Entwicklungsstufe der anderen erhaltenen Spiele. 81 Die Theorien über das Fehlen der Klugheit reichen von der Mutmaßung, die „Päpstin“ habe die Klugheit in der Bildreihe verdrängt, 82 bis hin zu der Auffassung, die „Päpstin“ selbst sei eine Allegorie der Klugheit. 83 Diese Erläuterungen mögen hier einen Überblick geben, welchen Stellenwert die Bildreihe in der Forschung bisher eingenommen hat und welcher Art die Fragen sind, mit der die Forschung an die Bildreihe herangetreten ist. Bis heute jedoch fehlen abschließende und eindeutige Erkenntnisse zur Bedeutung der Bildreihe.

3.5 Das Wahrsagen mit Karten An dieser Stelle sind einige Stichworte zum Kartenlegen angebracht, wie es heute genannt wird oder etwas altmodischer zum Wahrsagen, dem Vorhersagen der Zukunft mit den Karten. Seit dem Ende des 15. Jahrhundert sind Losbücher bekannt, die der Weissagung dienen. Das wohl älteste ist das „Losbuch. Ein scherzhaftes Wahrsagebuch“ von Martin Flach, Basel um 1485. 84 Aus dem Stapel der Karten soll der Nutzer eine Karte ziehen und kann im Losbuch anschließend die Bedeutung dieser Karte für die Zukunft nachschlagen. 85 Aber auch ohne Karten lässt sich mit dem Losbuch etwas über die Zukunft erfahren. Das Losbuch von Martin Flach hat (wie fast alle Exemplare aus dieser Zeit 86) eine Seite mit einer Art Glücksrad. Das Rad ist zusammengesetzt aus einem äuße-

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ren Kreis, der so viele Unterteilungen hat, wie es Karten im Spiel gibt. Auf diesen Feldern sind Tiernamen notiert. In der Mitte des Kreises ist ein zweites kleineres Rad darübergelegt und befestigt, sodass dieses kleinere Rad drehbar wird. Es zeigt einen Drachenkopf mit heraushängender Zunge. Wenn nun das kleinere Rad gedreht wird, zeigt die Zunge des Drachens auf ein Feld mit einem Tiernamen auf dem darunterliegenden größeren Kreisfeld. Jeder notierte Tiername ist im Buch mit einem kleinen, scherzhaften Gedicht beschrieben, das das Tier charakterisiert und die Zukunft deutet. Bücher dieser Art dürften wohl eher der unterhaltsamen und geselligen Tischrunde gedient haben als große Schicksalsereignisse aus den Karten zu lesen. Ebenso berichten bald nach den Losbüchern

Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 27. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 15. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 15. Wörner, Dame im Spiel, S. 138. Nachdruck: Voulliéme, Losbuch. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 68. Dummett, The game of Tarot, S. 95.

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italienische Quellen aus Bologna von Kartenbedeutungen für das Wahrsagen. 87 Genannt werden 35 Karten mit ihren Bedeutungen als Orakel, aber über das Vorgehen der Weissagung berichten die Quellen nichts. Die hier beschriebenen Bedeutungen kommen den später bekannten Deutungen der Karten als Orakel schon recht nahe. Bei dem okkulten oder esoterischen Kartenlegen wird in jede Karte eine symbolische Bedeutung, ein tieferer unsichtbarer Sinngehalt hineingelegt. Die Kunst der Weissagung besteht darin, durch die Kombination mehrerer ausgelegter Karten und ihrer Bedeutung bestimmte Ereignisse für die Zukunft vorauszusagen. Nach Martin Flach sollte es noch fast 300 Jahre dauern, bis diese Methode Karten zu legen, mit ihnen zu wahrsagen in Frankreich in großem Stil in Mode kommt. Court de Gebelin legt in seinem mehrere Bände umfassenden Werk „Le monde pri-

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mitif, analisé et comparé avec le monde moderne“ den Grundstein zur okkulten Interpretation, indem er sinngemäß sagt, das Tarot sei ägyptischen Ursprungs und beinhalte alte Lehren der ägyptischen Gesellschaft und Kultur. Diese alten Lehren seien überliefert aus einem längst zerstört geglaubten Buch einer alten Bibliothek. 88 Dies ist eine Legende und entspringt wohl mehr dem damals allgemein aufkommenden Interesse für Ägypten. Seine Überlieferungen rücken jedoch das Tarot erstmals vor jenen geheimnisvollen Hintergrund, dass nur „Eingeweihte“ in möglichst abgeschlossenen Gruppen die Karten als Orakel verstehen und deuten könnten. Diese Legende von Geheimbünden und Geheimwissen um das Tarot hält sich fortan hartnäckig. Orakeln mit Tarotkarten entwickelt im Laufe der Zeit gleichwohl eine blühende Tradition und ist bis heute die bekannteste Verwendung dieser Kartenfamilie.

Decker u. a., A wicked pack of cards, S. 48–49, Pratesi, Tarot in Bologna, in: The Playing Card, Volume XVII, Nr. 4, 1989, S. 136–145. Vgl. hierzu Dummett, The game of Tarot, 102 und 103; Decker u. a., A wicked pack of cards, S. 52–64; Kaplan, Encyclopedia I, S. 12–14, 137, 139.

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4 Gesellschaftsspiele zwischen Vergnügen und Verderb

Bis zur Entstehungszeit der Tarocchi im 15. Jahrhundert ist bereits eine reiche Spielkultur bekannt. Alfons X, genannt „der Weise“, König von Kastilien gibt bereits im 13. Jahrhundert in seinem „Buch der Spiele“ einen Überblick über Spiele, die zu jener Zeit bekannt sind und gespielt werden. 1 Der Blick soll hier jedoch auf Spiele der räumlichen und zeitlichen Mitwelt der Tarocchi gelenkt werden. Bekannt sind beispielsweise Kegeln, Losen, Puffbrett oder Backgammon. Wenn in dieser Zeit jedoch von „spielen“ die Rede ist, so ist damit allgemein das Würfelspiel gemeint. Es wird durch fahrendes Volk sowie auf Jahrmärkten verbreitet und ist bereits Mitte des 12. Jahrhunderts in Wirtshäusern üblich. Gewürfelt wird verbreitet mit zwei oder dreiseitigen Würfeln. Das Spiel folgt einfachen Regeln, denn es werden nur die gewürfelten Augen zusammengezählt, 2 jeder Spieler konnte also jederzeit gewinnen. Eine drastische Bestimmung für die Truppen der Hussitenkriege in den Reichsabschieden von 1431 lässt die Brisanz des „Spielens“ zu jener Zeit erschließen: „So soll nieman in den heren spilen, wer das dete, dem soll man ein hand abhouven.“ 3

Ein Würfelspieler überlässt sich ganz dem Zufall, legt sein Schicksal völlig in die Hand der Göttin Fortuna, die nach Lust und Laune entscheidet. Auf sie ist demnach kein Verlass. Diesem Spiel frönen folglich nur Menschen, die so unzuverlässig sind, wie Fortuna selbst, eben Landstreicher, Narren oder Dummköpfe. Das Spiel mit Würfeln ist ein Glücksspiel, die Spieleinsätze fordern Gewinnsucht und Falschspiel geradezu heraus. 4 Wo gewürfelt wird sind folglich Trinkgelage, Streit und Betrug nicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9

weit. 5 Würfeln an öffentlichen Plätzen ist demnach eher ein Spiel der einfachen Leute. Die Stimmung ist stets agonal, auf des Messers Schneide zwischen Geselligkeit und Zeitvertreib hin zu Unruhe und Streitigkeiten. Dem gegenüber steht die Spielkultur der höheren Gesellschaftsschichten. Diese spielen zwar zur Unterhaltung auch mit Würfeln oder Spielkarten, aber sie bleiben bei ihren Tischrunden unter sich. Die Spielsituation in ihren Kreisen und Räumen gestaltete sich abgegrenzt und eher kontrolliert, beherrscht und damit auch beherrschbar. Bei Edelleuten ist das ruhige und besonnene Schachspiel sehr beliebt. Nichts wird hier dem Zufall überlassen, es verlangt „Providentia“, also Voraussicht, Planung und Strategie. Die Dinge rational vorausberechnen zu können, das Geschehen im eigenen Sinne lenken zu können, sind damals Fähigkeiten, die man von einem guten Herrscher oder Kriegsherren erwartet. Beim Schachspiel verlässt sich der Spieler auf seine weise Voraussicht, was damit gleichgesetzt wird, dass er auch im Leben entsprechend handeln kann. Nicht zuletzt deshalb gilt Schach als das vornehmste Spiel, 6 als königliches Spiel. 7 Das Kartenspiel hingegen vereint Kalkül und Zufall. 8 Wilhelm Schreiber erläutert, es sei die „goldene Mitte“, da es nicht „so viel geistiges Nachdenken“ erfordert wie das Schach, aber „auch nicht alles dem Zufall überlässt wie das Würfeln“. 9 Für Abwechslung sorgen kurze Spielrunden mit immer neuen Kombinationsmöglichkeiten, jedoch ist zum Gewinnen trotzdem eine gute Portion Strategie erforderlich. Aber vor allem bringen die Spielkarten im Wortsinn Bilder ins Spiel! Durch diese Bilder wird

Alfonso X., Buch der Spiele. Hoffmann/Dietrich, Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte, S. 13. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 4. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 1–5. Holländer, Mit Glück und Verstand, in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 15. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 5. Holländer, Mit Glück und Verstand, in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 11. Holländer, Mit Glück und Verstand, in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 11 und 61. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 6.

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4 Gesellschaftsspiele zwischen Vergnügen und Verderb

das Spiel anschaulich gemacht, was der Beliebtheit des Kartenspielens förderlich ist. Nach dem Aufkommen der Kartenspiele verbreiteten sie sich rasch und stellen bald „das Würfeln in den Schatten“. 10 Doch soll es noch bis zum späten 16. Jahrhundert dauern, bis eine Quelle berichtet, dass in den Tavernen Italiens ein neues Kartenspiel, genannt Tarocchi, gespielt wird. 11 Diese Schilderungen des Kartenspiels jener Zeit legen nahe, dass die breite Bevölkerung wohl mit gedruckten Spielkarten gespielt haben wird. Sie waren in einer Vielzahl gleichartiger Spiele verfügbar und vergleichsweise preiswert. Gedruckte Spielkar-

ten waren Gebrauchsgegenstände, zwar leicht transportabel und überall einsetzbar, aber dadurch auch einem hohen Verschleiß unterworfen. Wurden einzelne Spielkarten beschädigt oder gingen verloren, wurde dadurch das ganze Kartenspiel wertlos. Die übrigen Karten eines solchen Spiels wurden schließlich achtlos weggeworfen oder weiterverwendet, beispielsweise als Notizzettel. 12 All dies steht in völligem Gegensatz zu den individuell angefertigten und sorgsam gehandhabten Tarocchi. Dieser Gegensatz zwischen gedruckten und gemalten Spielkarten bestätigt auch die höfische Tradition der Tarocchi.

Hoffmann/Dietrich, Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte, S. 14. Garzoni Tomaso, La Piazza Universale di Tutte de Professioni del Mondo, e nobili et ignobili, Venedig 1585, beschreibt das Spiel Tarocco und die Trumpfreihe. Erwähnt bei Dummett, The game of Tarot, S. 379; Kaplan, Encyclopedia II, S. 188; Hens, Tarocchi. Spiel mit Bildern, in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 136; Pratesi, Il gioco italiano in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 136; Wörner, Dame im Spiel, S. 62. 12 Das verstärkte Papier von Spielkarten war teuer in der Herstellung und für die Zweitverwendung höchst begehrt. Die Zweitverwendung von einzelnen Spielkarten war vielfältig, teilweise wurden kleine Stücke ausgeschnitten und auf der Rückseite mit Portraits bemalt, die in Medaillons als Schmuck getragen wurden. Ungeschnittene Makulaturbögen wurden bevorzugt in den Ledereinband von Büchern eingearbeitet. Die Bandbreite der Zweitverwendung zeigt das Buch: van Diggele, Kleine kaartjes, grote verhalen. 10 11

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5 Das Spielen der Karten mit den Trümpfen

Zu den spannungsreichsten Aspekten bei der Beschäftigung mit den Tarocchi gehört die Frage, wozu diese Spielkarten im 15. Jahrhundert benutzt wurden. Diese Frage stellt sich immer wieder an verschiedenen Stellen der Arbeit, gerade weil es bisher keine abschließende Antwort gibt. Über die

Verwendung der Tarocchi im 15. Jahrhundert sind bisher weder Quellenbelege, Traktate oder andere Berichte bekannt. In diesem Abschnitt soll auf das Kartenspiel mit der Trumpfreihe eingegangen werden, um dessen Charakteristik und damit den besonderen Reiz des Spiels aufzuzeigen.

5.1 Das Gedicht von Flavio Alberto Lollio, Venedig 1550 Eine der ersten Informationen über das Spiel mit den Tarocchi findet sich in dem Gedicht von Flavio Alberto Lollio „Invettiva di Flavio Alberto Lollio ferraese contra il giuoco del tarocco“, veröffentlicht in Venedig 1550. 1 Wie dem Titel zu entnehmen ist, handelt es sich bei diesem Gedicht um eine Schmährede gegen das Spiel „Tarocco“. Es schildert den Ablauf des Spiels aus Sicht eines verzweifelten Verlierers und dementsprechend legt der Text wenig Wert auf die Darstellung der Spielregeln. Einige Grundzüge des Spiels sind aus dem Text gleichwohl herauszulesen: Das Kartenspiel hatte die italienischen Spielfarben und Trümpfe mit den geläufigen Namen wie der „Narr“, der „Wagen“ oder die „Päpstin“. Der Autor berichtet, während des Spiels „müsse man die beiden Mitspieler bedienen“, daraus lässt sich schließen, dass die angespielte Farbe bekannt werden musste. Ausgegeben wurden die Karten in Gruppen zu mehreren Karten und wenn jeder Spieler die erste Gruppe (zu drei oder fünf Karten) aufgenommen und begutachtet hatte, wurde ein Spiel angeboten/gesteigert. Die anderen Mitspieler konnten das angebotene Spiel akzeptieren oder aus der Steigerung ausscheiden. Daraufhin wurden weitere Karten ausgeteilt und weiter gesteigert, die noch mitsteigernden Spielern konnten

wieder akzeptieren oder passen. Das Austeilen der Karten in Gruppen mit dem Steigern, Akzeptieren oder Passen wurde so lange praktiziert, bis alle Karten verteilt waren. Michael Dummett schließt aus diesem Text darüber hinaus, jeder Spieler hätte zu Beginn des Spiels schließlich 25 Karten auf der Hand gehabt. Der Geber bekam drei Karten mehr ausgeteilt als die Mitspieler und musste vor dem Ausspielen wieder drei Karten seiner Wahl aus der Handkarte ablegen. 2 Der Kontext lässt erkennen, dass mit drei Spielern gespielt wurde. Gegen Ende seiner Aufzeichnungen zählt Flavio Alberto Lollio einige Namen von Trümpfen auf, die den damals üblichen italienischen Namen entsprachen: „il Bagatello, e’l Matto“ … „la Papessa Il Carro, il Traditor, la Ruota, il Gobbo: La Fortezza, la Stella, il Sol, la Luna, E la Morte, e l’Inferno“. 3

Seine Aufzählung der Trümpfe lässt die Schlussfolgerung zu, dass Flavio Alberto Lollio von einem geläufigen Kartenspiel mit 78 Karten sprach.

Lollio, Flavio Alberto, Invettiva die Flavio Alberto Lollio ferrarese contra il giuoco del tarocchi, in Venetia; appresso Gabriel Giolito di Ferrarii, MDL [1550], 14 Seiten nicht nummeriert, Folio 8. Siehe hierzu: Berti u. a., I tarocchi Nr. 44, S. 125; Depaulis, Jeu et magie, Nr. 21, S. 56. Nachdruck italienisch: Singer, Samuel, Weller, Researches into the history, S. 354–356; Englische Übersetzung: Kaplan, Encyclopedia II, S. 29–30. 2 Dummett, The game of Tarot, S. 423–424. 3 Singer, Samuel, Weller, Researches into the history, S. 356. Die Rechtschreibung des Zitats ist dem italienischen Nachdruck von Samuel Singer entnommen. 1

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5.2 Die ältesten bekannten Spielregeln von 1637 Etwa 80 Jahre nach Flavio Alberto Lollio’s Traktat finden sich die ersten ausführlichen Spielregeln, welche in der Bibliothèque nationale de France, Département Archive et Manuscript unter der Signatur Dupuy 777, Folio 94–98 aufbewahrt werden. Die Bezeichnung Dupuy bezieht sich auf den Namen der Brüder August (1581–1641), Pierre (1582–1651) und Jacques (1591–1656) Dupuy 4 aus Paris. Es handelt sich um einen Faszikel mit privater Korrespondenz verschiedener Angelegenheiten hauptsächlich von Pierre Dupuy unter anderem mit König Ludwig XIV. Den Brüdern Dupuy unterlag die Verwaltung der königlichen Bibliothek, privat sammelten sie Manuskripte und zeitgenössische Drucke. Weiter teilten sie wohl auch eine Leidenschaft für Gesellschaftsspiele, denn wie aus der Inhaltsangabe der Bibliothèque nationale de France des Faszikels zu ersehen ist, enthält das Faszikel auch Regeln für mehrere Gesellschaftsspiele. 5 In diesem Faszikel fand Thierry Depaulis in den 1980er Jahren das achtseitige gedruckte Heft „REGLES DV IEV DES TAROTS“ mit zwei handschriftlich ergänzten Seiten. 6 Zunächst datierte er es vorsichtig um das Jahr 1655, spätere Forschungsarbeiten erlaubten ihm, den Drucker und die Druckwerkstatt ausfindig zu machen und so die Datierung des Dokumentes auf das Jahr 1637 zu korrigieren. 7 Das bedeutet, die ältesten bisher bekannten Regeln des Spiels mit den Trumpfkarten stammen aus dem Jahr 1637 und sind somit mehr als hundert Jahre jünger, als die ältesten bekannten Tarocchi. Um einen Einblick in das Spiel geben zu können, sind an dieser Stelle einige Textpassagen zusammengefasst, welche Eigenart und Spielweise dieses Kartenspiels darlegen. Die hier aufgegriffenen Textpassagen sind im Anhang als Abschrift des Originals angeführt und dort auch übersetzt wiedergegeben (siehe Anhang 1: Regles du jeu des Tarots, Dupuy 777, Folio 94–97,). Als Anmerkung sei an dieser Stelle noch hinzugefügt, der Original-

text spricht immer wieder davon, dass die Spieler sich gegenseitig „une marque“ oder „des marques“ ausbezahlten. Gemeint ist ein Spielwert, den die Spieler vor dem Spiel absprachen. Heute würde man wohl um einen Cent als entsprechender Einheit spielen. In der Übersetzung wird, um es möglichst authentisch auszudrücken, von „einer Marke“ oder „Marken“ gesprochen werden. „Regeln des Spiels mit den Tarots“ Das beschriebene Kartenspiel bestand aus 78 Karten, die sich in fünf Gruppen aufteilen ließen. Zu der ersten und wertvollsten Gruppe gehörten die 22 Trümpfe. Darüber hinaus gab es weitere vier Gruppen in den Spielfarben Schwerter, Stäbe, Kelche und Münzen mit je 14 Karten: König, Königin, Reiter und die Buben, dazu jeweils die restlichen Karten von 10 bis zum As (Eins). Der Reiz des Spiels lag darin, mit den Trümpfen und besonders den zählenden unter ihnen „le Monde, le Math und le Bagat“ 8, sowie den Königen starke Karten zu haben. Denn die Trümpfe überstiegen den Wert der anderen Spielfarben, wenn ein Spieler die angespielte Farbe nicht bekennen konnte. Für die Trümpfe „le Monde, le Math und le Bagat“ und die Könige konnte ein Spieler außerdem Marken ausbezahlt bekommen, die der Spieler als Guthaben auch weiter im Spiel einsetzen konnte. Denn jedes Mal, wenn diese Karten im Spiel auftauchten, musste ihnen (und damit dem Spieler, der sie auf der Hand hatte) ein Tribut gezahlt werden. Auch derjenige der sie verlor, musste einen Tribut an seine Mitspieler bezahlen. Der besondere Wert dieser sieben Karten trug ihnen den Namen „Tarots par excellence“ oder auch „die sieben Tarots“ ein. Gespielt wurde mit drei oder mehr Spielern, zu zweit, so der Text, sei das Spiel nicht sehr vergnüglich. Dann mussten die beiden Spieler einen weiteren hinzuziehen, den sie den „Toten“ nannten. Ihm wurden ebenfalls Karten ausgeteilt, wie den anderen Spielern auch und die Spieler zogen aus seinem

Depaulis, Quand l’abbé de Marolles, in: Le Vieux Papier, XXXVI, 2012. S. 320. Beschreibung der Bibliothèque nationale de France des Dokuments: Dupuy 777, In: https://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc88892s (acc. 15.1. 2019). 6 Depaulis, Jeu et magie, Nr 36, S. 66. 7 Depaulis, Quand labbé de Marolles, in: Le Vieux Papier, XXXVI, 2012, S. 321–322. 8 Die Trümpfe „Monde“ mit der Nr. 21 („Monde“), „Math“ mit dem Motiv des „Narren“ und stets ohne Nummer im Deutschen Excuse, Sküs oder ähnlich genannt; sowie „Bagat“ der niedrigste Trumpf mit der Nr. 1, in italienischen Spielen „Il bagatello“ bezeichnet. 4 5

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Stapel wahllos, wenn er Karten ausspielen sollte. Dabei war wichtig, dass die Karten des „Toten“ verdeckt liegen blieben und, wie der Text besagt „der Stärkste zieht die Karten“. Womit wohl derjenige Spieler gemeint war, der den letzten Stich machte. Für einen erfreulicheren Spielverlauf mit zwei Spielern war es jedoch sinnvoll zwölf nicht unbedingt benötigte Karten, von jeder Farbe die drei niedrigsten, auszusortieren: Die Zehn, Neun und Acht von Kelchen und Münzen, sowie die Drei, Zwei und As von den Schwertern und Stäben. Denn, so der Text, die Hohen von Kelchen und Münzen waren nicht mehr wert als die Niedrigen von Schwertern und Stäben. Durch Abheben wurde der erste Geber ermittelt, es gewann derjenige, der die höchste Karte gezogen hatte. Alle 78 Karten mussten ausgeteilt und in Gruppen zu drei oder fünf Karten an die Spieler ausgegeben werden. Der Geber hatte schließlich 24 Karten auf der Hand, er musste vor Spielbeginn vier beliebige Karten wieder ablegen. Die Mitspieler bekamen jeweils 21 Karten und mussten eine wieder ablegen. Die Punkte der abgelegten Karten zählten am Ende des Spiels für den Spieler, der sie abgelegt hatte. Jeder Spieler hatte also bei Spielbeginn 20 Karten auf der Hand. Von den sieben Tarots und anderen Trümpfe durften keine weggelegt werden, dies kostete sonst eine Strafe von zwei Marken an jeden Spieler. Bevor die Karten ausgespielt wurden, sagte jeder Spieler bestimmte Kartenkombinationen an, die er auf der Hand hatte, beispielsweise: Wer unter seinen Karten das Münz-As fand, genannt die „Schöne“, gewann von den anderen Spielern je eine Marke. Dabei war es egal, ob der Spieler im Spielverlauf „die Schöne“ gewann oder sie verloren ging. Vier Könige, Damen, Reiter oder Buben auf der Hand eines Spielers, nannte sich „L’Imperiale“, dieser Spieler bekam eine Marke von jedem Mitspieler ausbezahlt. Hatte ein Spieler nur einen der Trümpfe „le Monde, le Math oder le Bagat“, musste er dem Spieler, der die zwei anderen auf der Hand hatte, eine Marke bezahlen. Denn, so sagt der Text, der erste Spieler „hatte den Seinen“. Dies bedeutet, er hatte einen Trumpf der eigentlich zu dem Spieler mit den anderen beiden Trümpfen gehört. 9

Die Kombination der vier höchsten oder die vier niedrigsten Trümpfe auf einer Hand nannte sich „Brizigole“ und das war von jedem anderen Spieler eine Marke wert. „Le Math“, das Bildmotiv des Narren, hatte im Spiel eine Sonderstellung, er konnte nicht stechen oder gestochen werden. Aber diese Karte zählte immer für den Spieler, der sie ausgeteilt bekommen hatte und auf der Hand hielt. Der Spieler legte diese Karte an einem für ihn geeigneten Zeitpunkt im Spielverlauf in den Stich ohne Farbe oder Trumpf zu bekennen und durfte sie gleich wieder zu seinen abgelegten Karten zurücknehmen. Sein Mitspieler gewann dann den Stich und der Ausspieler des „Le Math“ gab stattdessen eine nichts zählende Karte aus seinen eigenen bereits erspielten Karten zum Stich des Mitspielers. 9 Dieser Spielzug nannte sich „s’excuser“, also „sich entschuldigen“. Der Spieler jedoch, der sich „nicht entschuldigen“ konnte, musste zwei Marken an jeden Spieler bezahlen. Ein Spieler, der vergaß seine Kartenkombinationen auf der Hand vor dem Ausspielen zu zeigen und anzumelden, konnte dies nicht mehr nachholen und am Ende des Spiels weder deren Punkte zählen oder Marken dafür einnehmen. Am Ende des Spiels wurden die Punkte gezählt. Jeder der sieben Tarots zählte 5 Punkte, die Königinnen jeweils vier, Reiter drei und die Buben zwei Punkte. Alle weiteren Karten zählten nichts oder keine Punkte, so muss zu den Informationen des Textes angefügt werden. Damit die zählenden Karten ihre Punkte behielten, mussten sie jeweils von zwei nicht zählenden Karten begleitet werden. Das bedeutet, sämtliche Karten eines Spielers (auch die abgelegten) wurden in Gruppen zu drei Karten ausgelegt und nur wenn zwei keine Punkte zählenden Karten eine zählende Karte ergänzten, behielt die zählende Karte ihre Punktzahl. Ein Stich mit drei nichts zählenden Karten war einen Punkt wert. Wie die Punkte einer Kombination aus zwei Punkte zählenden und einer nichts zählenden Karte gewertet wurden, darüber sagt der Text nichts aus, jedoch müsste bei einem solchen Stich von der Gesamtzahl der Punkte vermutlich ein Punkt abgezogen werden. Jeder Spieler musste am Ende des Spiels nach dieser Zählweise 25 Punkte erspielt haben. Mehr als 25 Punkten galten als gewonnen, weniger als verloren. Ein Spieler, der 21–24 Punkte erspielt hatte,

Dummett, The game of Tarot, S. 199 und 215; sowie Mayr/Sedlaczek, Das große Tarock-Buch S. 20.

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bezahlte nichts an seine Mitspieler, mit 16–20 Punkten zahlte er eine Marke an jeden Mitspieler, mit 15–19 Punkten zwei Marken und 10–14 Punkte kosteten drei Marken. Der Text sagt ebenfalls nichts darüber aus, ob und wieviel zu bezahlen war bei unter 10 erspielten Punkten. Auch wie die letzten drei Karten gezählt wurden, die eventuell durch den Spielverlauf auf mehrere Spieler verteilt sind (also kein Spieler mehr eine Dreiergruppe legen konnte), erwähnt der Text nicht. Einige für den Spielverlauf interessante Informationen impliziert der Text von 1637 lediglich, deshalb seien sie hier ergänzend hervorgehoben. Das Spiel mit den Tarots war ein Stichspiel, bei dem jeder Spieler für sich so viel Punkte wie möglich erspielte. Wichtig ist auch zu erwähnen, es gab (noch) kein Ersteigern von Spielen durch das Reizen. Hierbei nimmt ein Einzelspieler durch Anbieten eines höheren Spiels die Spielrunde an sich und spielt dann gegen die anderen beiden Spieler allein. Thierry Depaulis liegt daran zu betonen, dass Tarock nach diesen frühen Regeln „without bidding“, also ohne ein solches Reizen oder Bieten gespielt wurde. 10 Wenn ein Spieler den Mitspielern ein Spiel anbot, so spielten trotzdem alle Spieler die Runde gemeinsam und gleichberechtigt, es erhöhte sich aber wahrscheinlich der Wert der Spielrunde. Stattdessen führt der Text eine Vielzahl von Kartenkombinationen auf, für die ein Spieler von den Mitspielern „Marken“ gewinnen konnte, falls er eine solche Kartenkombination selbst auf der Hand hatte. Oder aber ein Spieler musste Marken einem Mitspieler ausbezahlen, falls der andere eine entsprechende Kartenkombination besaß. Selbstredend mussten

die Karten offengelegt werden, bevor sie Marken einbrachten. Die Bezahlung erfolgte sofort nach dem Aufdecken, jeder Spieler musste demnach ein Häufchen mit Geld oder Spielmarken bei sich liegen haben. Erst nach dem Aufdecken der Karten und der Zahlung von Tributen begann das Ausspielen der Karten. Dieses Aufdecken der Karten ermöglichte einem Spieler Einsicht in die Karten der Mitspieler zu nehmen, deren Karten zu memorieren und eine gewinnbringende Spieltaktik für die kommende Runde zu entwickeln. Eine angespielte Spielfarbe musste bedient werden. Hatte ein Spieler diese Farbe nicht, so musste er einen Trumpf dazu werfen. Denn schließlich lag der Reiz des Spiels, so der Text, eben gerade darin in den Trümpfen starke Karten zu haben, wenn man die Farben „nicht bedient“. Das bedeutet also, die Trümpfe waren stärker als die Spielfarben. Ausdrücklich zählt der Text die Wertung der Zählkarten vom As bis zur Zehn auf. Während bei Schwertern und Stäben aufwärts gewertet wurde (As sticht 10), ist die Wertung bei Kelchen und Münzen umgekehrt, sie wurden abwärts gewertet (10 sticht As). Auch die Art und Weise der Auszählung der erspielten Punkte ist bemerkenswert, denn zunächst wurden die Karten in Dreiergruppen ausgelegt. Dann musste eine Punktekarte zwingend von zwei nicht zählenden Karten begleitet werden, um ihre Punkte zu erhalten. Schließlich war die Einteilung der Gewinn- und Verlustrechnung in 5er-Schritten ungewöhnlich für Kartenspiele. Ebenso ungewöhnlich war, dass die Höhe des Gewinnes oder Verlustes in den entsprechenden 5er-Schritten bezahlt wurde.

5.3 Die ersten deutschen Spielregeln von 1754 In Leipzig erschienen im Jahr 1754 die ersten deutschen Spielregeln: „Regeln bey dem Taroc-Spiele“ 11. Auch dieses Spiel wurde mit 78 Karten und drei bis vier Spielern gespielt. Ausgegeben wurden die Karten in 5er-Gruppen, der Geber gab sich selbst zuletzt acht Karten und legte davon drei wieder ab. Taroc, wie die Trümpfe hier bezeichnet wurden, durften bei bestimmten Kombinationen abgelegt werden. Auch die drei herausragenden Trümpfe 10 11

„Pagat, Sckis und 1 Taroc“ durften in dieser Weise abgelegt werden. Nach dem Ablegen der Karten folgten die Ansagen der Kartenkombinationen, die die Spieler auf der Hand hatten. Vergaß ein Spieler eine Kombination anzusagen, konnte er dies nicht nachholen. Angespielte Spielfarben mussten bekannt werden, „solange man die Couleur hat, die gefordert wird“. Der „Skis oder Excuse“ konnte nicht gestochen werden und selbst auch nicht ste-

Thierry Depaulis in einer persönlichen Email an die Verfasserin vom 20.12. 2018. Regeln bey dem Taroc-Spiele, In: http://www.tarock.info/Tarock_1754.htm (acc. 1. 9. 2020).

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chen, er konnte aber bei Gelegenheit abgelegt und gegen ein „ungültig Blatt“ ausgetauscht werden. „Pagat, Excuse“ und Trumpf 21 (Trumpf 21 heißt in den Regeln von 1637 „Le Monde“) wurden hier „3 Matador“ genannt. Könige, Pagat, Excuse und Trumpf 21 zählten jeweils 5 Punkte, Damen (nicht mehr Königin genannt) zählten 4, Cavall 3 und Valet (Bube) 2 Punkte, für alle weiteren Blätter wurde nichts gerechnet. Hatte ein Spieler König, Dame, Cavall und Valet auf der Hand, so hatte er eine „Cavallerie“. Auch diese Spielregeln zählen einige Kartenkombinationen auf, für die sich die Spieler gegenseitig ausbezahlen mussten. Ebenso kannten sie Strafen beispielsweise für falsches Geben sowie weitere Bestimmungen, wann im Spielverlauf die Matadore ausgespielt werden durften oder ausgespielt werden mussten. Am Ende des Spiels musste jeder Spieler 26 Punkte erspielt haben, je mehr darüber, je höher galt das Spiel als gewonnen. Je weniger Punkte andererseits unter 26 erspielt wurden, galten entsprechend als verloren. Zum Auszählen wurde neben „ein gültig Blat und zwey ungültige zusammen gezählet“, die Karten wurden also ebenfalls in 3er Gruppen zusammengelegt werden. Eine Punkte zählende Karte musste neben zwei nichts zählenden liegen, erst dann zählten die Punkte dieser Karte. Wie es scheint, wurden bei diesem Spiel jedoch die Karten zum Auszählen bewusst in die gebotenen

Kombinationen gelegt und so das Zählen vereinfacht. Auf diese Weise in Dreier Gruppen gezählt waren insgesamt 78 Punkte im Spiel. Diese kurze Zusammenfassung mag genügen, um einen Eindruck in das Tarockspiel von 1754 zu geben. Die Ähnlichkeit mit den französischen Spielregeln von 1637 ist deutlich. Thierry Depaulis erklärt sogar, es seien die gleichen Regeln wie aus Frankreich von 1637, aus dem Französischen entnommene Ausdrücke wie „Excuse, Cavallerie, Honneurs oder Couleur“ würden dies noch unterstreichen. 12 Wolfgang Mayr und Robert Sedlaczek sprechen von der „Urform des nördlich der Alpen gespielten Tarock“. 13 Diese „alten“ Tarockregeln sollten noch einige Jahre Bestand haben, denn nach ähnlichen Regeln soll selbst Wolfgang Amadeus Mozart oft und gerne „tarockiert“ haben. 14 Das Lizitieren, das Steigern oder Reizen, die Spielform eines Alleinspielers gegen seine Mitspieler wurde wohl in der Lombardei erfunden, wo es jedoch bald wieder in Vergessenheit geriet. Um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert wurden die veränderten Spielregeln dann in Österreich und Deutschland erstmals bei dem Spiel „L’Hombre“ in Büchern mit Anleitungen zu Gesellschaftsspielen gedruckt und für ein breites Publikum zugänglich gemacht. Das Lizitieren setzt sich als Spielform aber erst nördlich der Alpen und erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch. 15

5.4 Vom „Spiel mit den Tarots“ zum Tarot und Tarock Das Kartenspiel nimmt seinen Ausgang in Oberitalien im 15. Jahrhundert, dort als „trionfi“ bezeichnet. Zentren der Entstehung der Spielkarten waren Ferrara, Bologna, Florenz und Mailand 16, deren Kartenspiele sich lediglich in Details unterschieden. Die mailändische Version der „trionfi“ wanderte über die Alpen und begann sich zu Anfang des 16. Jahrhunderts in Frankreich auszubreiten, wo diese Spielkarten zur Basis des Tarot de Marseille

mit italienischen Spielfarben wurden. 17 Dort wurden sie fortan von Kartenmachern in verschiedenen Städten mit Holzschnitt gefertigt. Wohl ausgehend von Lyon verbreitete sich das Tarot über Frankreich, wo es sich zwischen 1550 und 1650 vor allem in den höheren Gesellschaftsschichten zu einem sehr beliebten Spiel entwickelte. Nach 1680 flaute diese Mode und Interesse an diesem Spiel stark ab,

Depaulis/McLeod, Le tarot révélé S. 46. Mayr/Sedlaczek, Das große Tarock-Buch S. 96. 14 Mayr/Sedlaczek, Kulturgeschichte des Tarockspiels, S. 319. 15 Mayr/Sedlaczek, Das große Tarock-Buch S. 98; Dummett, Kartenspiele des 15. Jahrhunderts, in: S. 68; Dummett/McLeod, A history of games I, S. 125–128. 16 Dummett, The game of Tarot, S. 195. 17 Dummett, The game of Tarot, S. 197. 12 13

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nur im Osten von Frankreich erhielt sich dieses Kartenspiel weiterhin. 18 In der Schweiz fand das Spiel etwa ab dem 17. Jahrhundert Verbreitung, 19 zunächst in den französisch-sprachigen Kantonen, die protestantisch geprägt waren. Erst später drang es in die katholischen, deutsch-sprachigen Kantone. Auch in der Schweiz erfreute sich das Spiel großer Beliebtheit und wurde vielfach gefertigt. 20 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wanderte das Tarot de Marseille vom Osten Frankreichs in das Elsass. Vor allem in Straßburg hatten sich nach dem Dreißigjährigen Krieg zahlreiche Kartenmacher niederlassen. Sie produzierten eine große Anzahl der Kartenspiele und suchten für ihre Spielkarten neue Absatzmärkte. In diesem Zug übersprang das Spiel die Barriere des Rheins und erreichte Südbaden, 21 wie beispielsweise das „Tarot Rhenan“ 22 von Ignaz Krebs aus Freiburg im Breisgau zeigt. Die französischen Bezeichnungen, die auf den Karten aufgedruckt sind 23 und die Gallizismen des Spieljargons, wie sie in den deutschen Spielregeln von 1754 verwendet werden, 24 können als Beleg für diese Entwicklung gewertet werden. Diese Kartenspiele haben 78 Karten und italienische Spielfarben. Die Trumpfkarten dieser Spiele sind mit römischen Ziffern am oberen Bildrand nummeriert. Am unteren Bildrand findet sich die französische Bezeichnung der Karte. Auch hier bleibt das Bildmotiv des Narren ohne Nummer. Beim Kartenspiel in Frankreich bezeichnete der Name „les tarots“ sieben Karten: Die vier Könige und die Trümpfe „Le Mat“, „Le Monde“ und „Le Bagat“. Die Schreibweise des Begriffs „tarots“ war noch im 17. Jahrhundert keineswegs einheitlich, denn es sind dokumentiert „taraults“, „Tarauds“ oder „taros“. 25 Alle Schreibweisen sind jedoch im Plural gehalten, was zeigt, dass diese sieben Karten

namensgebend sind und das Spiel folglich nach diesen Karten benannt ist. In Ausdrücken wie „Tarots par exellence“ oder „das Siebenkönigspiel“ 26 wird der hohe Wert dieser Spielkarten besonders hervorgehoben. Aufgrund der überwiegend römisch-katholischen Bevölkerung im Elsass zu Beginn des 18. Jahrhundert entstand eine Variante des Tarot de Marseille, das sogenannte „Tarot de Besançon“. Die ursprünglich zur Trumpfreihe gehörenden Motive „Päpstin“/„La Papesse“ und „Papst“/„Le Pape“ wurden durch Darstellungen von Juno und Jupiter ersetzt. Eines der ältesten erhaltenen Spiele dieser Art fertigte Johann Pelagius Mayer aus Konstanz etwa in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 27 Weitere deutsche Kartenmacher kopierten die französischen Spiele und nannten sie „TAROS“, die Zeichen und Signete der Kartenmacher finden sich jeweils auf der Kelch-2 oder der Münz-2. Die Kartenspiele der Familie Tarot de Marseille gehören zu jenem Zweig der Spielkarten, der noch heute als „Tarot“ bezeichnet wird und der kaum mehr zum Spielen mit Karten an sich verwendet wird. Für das Wort „Tarot“ gibt es bis heute kein entsprechendes deutsches Wort. Die entscheidende Veränderung vom Spiel mit den Tarots zu Tarock fand in der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert statt. Thierry Depaulis vermutet jüngst, 28 Kartenmacher aus Straßburg ersetzten die italienischen durch französische Spielfarben und die neue Variante des Spiels verbreitete sich von der Rheinebene ausgehend weiter über Deutschland, Österreich und andere Länder Europas. Diese Entwicklung wäre von der geografischen Lage und den beiden Kartenmachern aus Konstanz und Freiburg durchaus naheliegend anzunehmen. Michael Dummett vermutete hingegen früher, durch den Frieden von Utrecht 1713, bei dem Mailand Öster-

Depaulis, When (and how) did Tarot, in: The Playing Card, Volume 39, No. 2, S. 76. Dummett/McLeod, A history of games I, S. 17; Depaulis/McLeod, Le tarot révélé S. 27, 36–41. 20 Dummett, The game of Tarot, S. 217. 21 Depaulis/McLeod, Le tarot révélé S. 46. 22 Krebs, Tareau fin fait par Ignaz Krebs. 23 Dummett, The game of Tarot, S. 217. 24 Depaulis, When (and how) did Tarot, in: The Playing Card, Volume 39, No. 2, 2010–2011, S. 70. 25 Alle diese Bezeichnungen sind zu finden bei Depaulis, Quand l’abbé de Marolles, in: Le Vieux Papier, XXXVI, 2012. S. 314. 26 Herzmanovsky-Orlando, „Tarock“, S. 31. 27 Dummett, The game of Tarot, S. 217 gibt für die Fertigung des Spiels ca. 1680 an. Kaplan, Encyclopedia II, S. 215,320,325 nennt einen aktiven Zeitraum für Johannes Pelagius Mayer ca. 1720–1750. Depaulis, When (and how) did Tarot, in: The Playing Card, Volume 39, No. 2, 2010–2011, S. 69 führt einen dokumentierten Zeitraum für J. P. Mayer von 1720–1765 an. 28 Depaulis, When (and how) did Tarot, in: The Playing Card, Volume 39, No. 2, 2010–2011, S. 80. 18

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reich zugeschlagen wird, 29 sei das Kartenspiel mit den Trümpfen nach Österreich gelangt. Im Detail lässt sich die Verbreitung dieser Spielkarten bisher nicht nachvollziehen. Aber dieses Kartenspiel breitete sich im 18. Jahrhundert auch in Österreich aus, wo sich daraufhin das deutsche Wort Tarock ausprägte. Hier erfuhr das Kartenspiel weitere entscheidende Veränderungen, die noch heute gelten. 30 Zunächst wurde die Gesamtzahl der Karten von 78 auf 54 reduziert, indem jeweils die sechs niedrigsten Zählkarten einer Spielfarbe weggelassen wurden. Wie bereits erwähnt, wurden italienische Spielfarben durch die französischen Farben Pik, Kreuz, Herz und Karo ersetzt. Dies geschah wohl auch, um die Fertigung der Karten zu vereinfachen und sie damit kostengünstiger produzieren und anbieten zu können. Denn im Gegensatz zu den italienischen Farben, die in Holz geschnitten oder in Kupfer gestochen werden mussten, konnten die französischen Zeichen mit Schablonen aufgemalt werden. 31 Die dritte Veränderung betrifft die Karte des „Narren“. In den Spielregeln von 1637 diente er noch als „Excuse“, der am unteren Ende der Trümpfe eingereiht war. Er konnte nicht stechen oder abgestochen werden. Der „Excuse“ durfte an passender Stelle im Spielverlauf ausgespielt werden und der Ausspielende konnte ihn anschließend wieder zu seinen Karten zurücknehmen. Stattdessen tauschte dieser Spieler für den Gewinner des Stichs den „Excuse“ durch eine nichts zählende Karte aus seiner Handkarte aus. Anschließend nahm er den „Excuse“ zurück zu seinen eigenen Karten und konnte die Punkte der Karte für sich zählen. Folglich blieben

die Punkte des „Excuse“ immer bei dem Spieler, dem diese Karte beim Austeilen der Karten gegeben wurde. Im 18. Jahrhundert wurde der Narr ans Ende der Trumpfreihe gesetzt und obwohl er ohne Nummer blieb, wurde er so zum höchsten Trumpf im Spiel. Die Beschriftungen der Trümpfe mit Namen wie am unteren Bildrand des Tarot de Marseille und bei Tarotkarten entfällt beim Tarock. Somit bildeten sich zwei Stränge in der Spielkartenentwicklung aus. Zum einen erscheinen die Tarotspiele mit 78 Karten und italienischen Farben. Ihnen gegenüber steht das Tarockspiel mit meist 54 Karten und französischen Farben. Tarockspiele in mehreren Varianten finden sich seit dem 18. Jahrhundert in weiten Teilen Europas, so in Italien, Frankreich, Österreich, Schweiz, in der Region Baden in Deutschland, Dänemark, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. 32 Zur Verdeutlichung der deutschen Sprachtradition beim Tarockspiel seit dem 17. Jahrhundert seien hier noch einige Gallizismen aus dem Sprachgebrauch des Cego, dem Tarockspiel Badens aufgeführt: Den Trumpf mit der Nummer 21 bezeichnet die Regel von 1637 als „Le Monde“, im Cego wird daraus „Der Mond“. Aus dem französischen „L’Excuse“ für den höchsten Trumpf entwickelt sich im Cego zunächst der „Sküs“ 33, heute auch geläufig als der „Gstieß“ oder „Stieß“. Der niedrigste Trumpf nannte sich 1637 „Le Petit“ oder „Le Bagat“, hier schwingt noch deutlich der ältere italienische Name „il bagatto“ oder „il Bagatello“ mit. Im Cego spricht man noch heute vom „kleinen Mann“ oder dem „Pagat“.

5.5 Charakteristik dieses Kartenspiels und seine Spieltaktik Eine gewisse Ähnlichkeit lässt sich bei den vorgestellten Spielregeln aus unterschiedlichen Ländern und Zeiträumen durchaus erkennen. Bis heute zeigt das Tarockspiel einige Eigenheiten, die in allen Regeln zu finden sind. Herausragendes Merkmal eines Tarockspiels ist die 22 Karten umfassende Trumpfreihe mit Bild29 30 31 32 33

motiven. Seit der Ausbildung des Tarot de Marseille sind diese Karten von 1 bis 21 durchnummeriert, wieder bleibt das Bildmotiv des Narren ohne Nummer. Dazu kommen vier meist französische Spielfarben mit den jeweils vier Kartenbildern König, Königin oder Dame, Reiter oder Cavall und Bube oder Valet.

Dummett, The game of Tarot, S. 218. Dummett, The game of Tarot, S. 437–438. Mayr/Sedlaczek, Das große Tarock-Buch S. 39. Vgl. hierzu Dummett, The game of Tarot, S. 438; Mayr/Sedlaczek, Das große Tarock-Buch S. 65–192. Schlager, Cego, S. 2; Mayr/Sedlaczek, Das große Tarock-Buch S. 20–21.

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Die Gesamtzahl der Karten im Spiel wird oftmals durch Weglassen von niedrigen Zählkarten reduziert. Als Stichspiel beabsichtigen die Spieler, soviel Punkte wie möglich zu erspielen. Typischerweise werden die Karten in Gruppen zu drei, fünf oder mehr Karten ausgegeben. Eine weitere Eigenheit besteht darin, dass häufig gegen den Uhrzeigersinn ausgegeben und gespielt wird. Es besteht Farbzwang. Hat ein Spieler die angespielte Farbe nicht, muss er einen Trumpf ausspielen. Erst wenn ein Spieler weder die angespielte Farbe noch Trumpf hat, kann er eine beliebige Karte dazu werfen. Die Trümpfe überstechen sich gegenseitig entsprechend ihrer Nummernfolge und darüber hinaus alle Farben. Besondere Bedeutung haben immer die Trümpfe der Pagat (Nr. 1), die Nummer 21 („Le Monde“) und das Bildmotiv des Narren. Diese drei Trümpfe zählen immer gleichviel Punkte. Die Könige erhalten die gleiche Wertung, wie die drei zählenden Trümpfe. Königin oder Dame, Reiter oder Cavall, Bube oder Valet zählen in absteigender Folge jeweils einen Punkt weniger. Alle anderen Karten, auch die übrigen stechenden Trümpfe zählen nichts. Oftmals ist die Wertung der Zählkarten unterschiedlich, bei den Spielfarben Kelche und Münzen (die französisch Spielfarben in Rot Herz und Karo) ist das As (Eins) die höchste Karte. Es sticht alle höheren Zahlwerte dieser Spielfarben. Bei Schwertern und Stäben (die französischen Spielfarben in Schwarz Kreuz und Pik) hingegen hat die Zehn den höchsten Wert und sticht alle Zahlenwerte darunter. Ebenso eigentümlich ist die Auslegung der gewonnen Stiche in 3er-Gruppen, um die Punkte auszuzählen. Bei diesen drei Karten muss eine Punktekarte mit zwei nichts zählenden Karten gruppiert sein, damit die Punktekarte ihre Punkte behält. Eine Gruppe mit drei nichts zählenden Karten zählt immer einen Punkt. Wenn zwei zählende Karten und eine nichts zählende Karte in einer Gruppe liegen, muss von den Punkten dieser 3er-Gruppe einer abgezogen werden. Bei den derart ausgezählten Punkten aller in der Spielrunde erspielten Karten muss eine Mindestzahl erreicht werden, entweder von jedem Spieler ein Drittel oder von dem Alleinspieler über die Hälfte der Gesamtzahl der Punkte im Spiel. Erst wenn ein Spieler diese Mindestpunktzahl erspielt hat, hat er auch gewonnen. Je mehr oder je weniger die erspielte Punktzahl eines Spielers von dieser Mindestpunktzahl abweicht, 52

desto höher hat er gewonnen oder verloren. Der Gewinn oder Verlust von dieser Mindestpunktzahl wird in 5er-Schritten nach oben oder unten berechnet. Heute werden diese 5er-Schritte als Spielfächer bezeichnet, aber schon die Spielregeln von 1637 rechnen mit diesen 5er-Schritten. Ein Spieler beispielsweise, der damals zwischen 21–24 Punkte erspielt hatte, hatte einfach verloren und musste eine Marke bezahlen. Hatte er zwischen 25–29 Punkten erspielt, so hatte er einfach gewonnen und konnte von seinen Mitspielern eine Marke einziehen. In der heutigen Form des Spiels, bei dem ein Alleinspieler gegen die anderen spielt, muss der Alleinspieler mindestens 36 Punkte (bei 70 Gesamtpunkten im Spiel) erspielen, um zu gewinnen. Zwischen 36–39 Punkten hat er einfach gewonnen oder zwischen 30–34 Punkten einfach verloren. Das bedeutet eine Spielmarke Gewinn oder Verlust. Der Gewinner bekommt seinen Gewinn immer sofort von allen Verlierern ausbezahlt, er kann am Ende eines einfach gewonnen Spiels mit drei Spielern also 2 Spielmarken einnehmen. Für den Aufbau einer Spieltaktik sind die drei Tarots oder Trümpfe „Le Bagat“ (später die Nummer 1), „Le Monde“ (später Nummer 21) und „Le Mat“, der „Narr“, seit je her von zentraler Bedeutung. Ihre heutige Gewichtung im Kartenspiel enthält jedoch einige Tücken. Sie zählen jeweils gleich viel Punkte (meist 5) und der Spieler, der sie auf der Hand hat, möchte natürlich diese Punkte auch einspielen. Dabei sei wiederum betont, dass die Trümpfe alle anderen Karten und zudem sich selbst entsprechend ihrer Zahlenfolge überstechen. In den Spielregeln bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hatte „Le Mat“ die Rolle des „Excuse“. Der Spieler, der ihn auf die Hand bekam, hat die Punkte dieser Karte sicher. Der Spieler konnte ihn an beliebiger Stelle im Spiel in den Stich werfen, sofern er weder die angespielte Farbe noch einen anderen Trumpf hatte. Anschließend tauschte er den „Excuse“ gegen eine Karte ohne Punkte aus und nahm den „Excuse“ zu seinen eigenen bereits abgelegten Karten zurück. In modernen Spielvarianten wird diese Karte zum niedrigsten Trumpf und kann von allen anderen Trümpfen überstochen werden. Es ist folglich recht schwierig, die Punkte dieser Karte „nach Hause zu bringen“. „Le Monde“ ist in diesen alten Spielregeln der höchste Trumpf, seine Punkte waren seinem Besitzer ebenfalls sicher. Ab der zweiten Hälfte des

5 Das Spielen der Karten mit den Trümpfen

18. Jahrhunderts rückt die Karte mit dem Motiv des Narren an das obere Ende der Trumpfreihe und wird so zum höchsten Trumpf, damit sind nun die Punkte dieser Karte dem Besitzer sicher. Der „Bagat“ wird damit niedrigster Trumpf im Spiel und somit ist dies jene Trumpfkarte, deren Punkte am schwierigsten zu behalten oder „nach Hause zu bringen“ sind. Die entscheidende Veränderung erfährt der Trumpf Nummer 21, denn nach dieser Regeländerung ist er lediglich der zweithöchste Trumpf und kann vom höchsten Trumpf abgestochen werden. Ein Spieler, der die Nummer 21 nun auf der Hand hat, muss eine entsprechende Taktik entwickeln, um sich die Punkte dieser Karte zu sichern. Ein Spieler, der den niedrigsten Trumpf auf der Hand hält, wird damals wie heute Sorge tragen, mit ihm stechen zu können. Dies gelingt nur, wenn er einen Farbstich übertrumpfen kann. Folglich wird dieser Spieler vor Beginn der Spielrunde Farbkarten ablegen, (denn diese zählen am Ende des Spiels für ihn selbst) und so möglichst „farbfrei“ zu sein. Farbfrei zu sein bedeutet unter Kartenspielern keine Karte einer bestimmten Spielfarbe auf der Hand zu halten. Wird nun diese Spielfarbe angespielt, die der Spieler nicht mehr auf der Hand hat, kann er mit dem „Bagat“ stechen. Diese Taktik war in den frühen Regeln schwieriger, da ja die Kartenkombinationen eines Spielers offengelegt werden mussten, um den Tribut für sie zu erhalten. Der Trumpf mit der Nummer 21 wird nach den neuen Regeln zum zweithöchsten Trumpf. Dieser Trumpf kann lediglich von der Karte mit dem Bildmotiv des Narren abgestochen werden. Für einen Spieler, der diesen Trumpf auf der Hand hält, ist es essenziell herauszufinden, welcher seiner Mitspieler den höchsten Trumpf auf der Hand hat. Die Spielregeln ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert haben einen Alleinspieler und zwei Gegenspieler, die sich gegenseitig unterstützen. Nur der Alleinspieler kann vor Beginn der Spielrunde Karten ablegen. Wenn der Alleinspieler die Nummer 21 auf der Hand hat und insgesamt nur wenige Trümpfe, wird er diese Karte vermutlich ablegen, um sich diese Punkte zu sichern. Ausspielen wird ein Spieler die Nummer 21 möglichst nur, wenn er diese Karte als letzter in den Stich legen kann. Die Gefahr ist sonst zu groß, dass ein anderer Spieler nach ihm 34

den höchsten Trumpf ausspielt und die Nummer 21/den Mond damit absticht. Der sogenannte „Mondfang“ ergibt in einigen modernen Spielvarianten sogar zusätzliche Bonuspunkte. 34 Für den Spieler, der den „Excuse“, (der in späteren Spielregeln zum höchsten Trumpf wird) auf der Hand hält, sind dessen Punkte in allen Spielregeln sicher. Die Einsatzmöglichkeiten im Spielverlauf sind für die Karte als höchsten Trumpf größer als für den früheren „Excuse“. Um den „Excuse“ auszuspielen musste der Spieler in den frühen Regeln warten, bis er im Spielverlauf weder Trumpf noch die angespielte Farbe auf der Hand hatte. Als höchster Trumpf ist es möglich das Motiv des Narren heute auszuspielen, wann immer Trumpf ins Spiel gebracht werden kann. Zudem besteht die Möglichkeit mit dieser Karte den zweithöchsten Trumpf abzustechen, was für den Spielverlauf höchst reizvoll und spannend ist. Weiter wird ein Alleinspieler nach den neuen Regeln darauf achten vor Beginn der Spielrunde möglichst viele Punkte abzulegen, um am Ende des Spiels bereits einen Großteil der erforderlichen Mindestpunktzahl vom Gewinn erreicht zu haben. Zum Ablegen eignen sich besonders Könige einer langen Spielfarbe auf der Hand, weil es dann wahrscheinlich ist, dass die Mitspieler diese Farbe nicht mehr haben und trumpfen müssen. Ebenso werden einzelne (blanke) Damen gerne abgelegt, da sie ziemlich sicher abgestochen werden, sobald die entsprechende Spielfarbe angespielt wird. Um von einer Spielfarbe keine Karte mehr auf der Hand zu haben (farbfrei zu sein) ist es durchaus eine Überlegung wert, eine Zählkarte ohne Punktwert abzulegen. Denn dann kann der Alleinspieler Karten dieser Spielarbe bereits beim ersten Anspiel übertrumpfen. Trümpfe wird ein Spieler selbstredend auf der Hand behalten. Lediglich bei dem Niedrigsten und dem Zweithöchsten wird er sich überlegen, sie aus dem bereits beschriebenen Kalkül abzulegen. Diese Beschreibungen machen deutlich, dass das Spiel mit den Tarots, mehr noch das spätere Tarock recht variantenreich ist. Ein Spieler muss sich vor dem Ausspielen eine gute Spielstrategie zurechtlegen, um zu gewinnen. Das erfordert eine gute Portion Vorausschau und sicheres Memorieren der abgelegten und ausgespielten Karten.

Mayr/Sedlaczek, Kulturgeschichte des Tarockspiels, S. 314 und 173.

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5 Das Spielen der Karten mit den Trümpfen

5.6 Anspielungen und Analogien zur Gesellschaftsordnung Die Sprache des Kartenspiels ist kriegerisch, jedenfalls bei Stichspielen. Dies ist wenig verwunderlich, denn das Kartenspiel scheint ein beliebter Zeitvertreib von Soldaten gewesen zu sein. Ersichtlich wird dies beispielsweise an der hartnäckigen Legende, spanische Truppen hätten im Napoleonischen Krieg das Cego nach Baden gebracht. 35 Andere Dokumente von Kriegsgefangenen in russischen Lagern nach dem zweiten Weltkrieg berichten über selbstgefertigte, improvisierte Spielkarten aus zurecht geschnittenen Zementsäcken. An Weihnachten beispielsweise spielten sie mit diesen Karten um zurückgelegte Kartoffeln und Tabakkrümel. 36 Im Spieljargon macht der Spieler einen Stich oder sticht eine Karte ab. Ein Spieler jagt auch einem anderen eine hohe Karte ab, um nur einige sprachliche Ausdrucksweisen zu nennen. Bei Kartenspielen mit italienischen Spielfarben symbolisieren die einzelnen Spielfarben des Kartenspiels seit jeher die gesellschaftlichen Stände, so stehen die Kelche für den Klerus, die Schwerter für den Adel, die Münzen für Händler und die Stäbe für das Bauerntum. 37 Alle Stände und Figuren eines Kartenspiels werden im Spielverlauf zusammen auf den Tisch geworfen, ein friedliches Miteinander liefern sie sich dort jedenfalls genauso wenig wie in der damaligen Gesellschaft oder im Kriegsgeschehen. Auch die französischen Spielregeln von 1637 attestieren dem Spiel mit den Tarots Analogien zur damaligen Gesellschaftsordnung: „… le Roy, la Royne, le Cheualier, & le Faon, qui s’appellent aussi les quatre honneurs & le reste depuis le dix iusques à laz, n’ayant pas peu de rapport à ce petites gens de la lie du people, qui sont beaucoup plus à charge qu’à plaisir, principallement quand il s’en rencontre de toutes les liurées auec peu de triomphes …“. 38

Kartenspiele mit Trumpfreihe im Allgemeinen zeichnen das Bild einer damaligen gesellschaftlichen Ständeordnung nach. Hierbei sind die Zählkarten die unteren Schichten der Gesellschaft,

Unfreie, die den höher gestellten Ständen dienen. Darüber hinaus sichert dieser untere Stand mit seinen Diensten die Existenz der höher gestellten Persönlichkeiten. Die eigentümliche Auszählung der Punkte bei Kartenspielen mit Trumpfreihe, wenn eine Bildkarte von zwei nichts zählenden Karten flankiert sein muss, um ihre Punkte zu behalten, spiegelt diesen Umstand recht deutlich. Der höhere Stand zeigt Adelige (im Kartenspiel Könige und Königinnen oder Amazonen), Reiter (Chavalle) und andere Vasallen (Buben). Diese Bildkarten können mit einem bunten, unruhigen Volk von mehr oder weniger niedrigem Adel, deren Günstlingen oder anderen Emporkömmlingen gleichgesetzt werden. Sie stehen immer in Konkurrenz zueinander und trachten danach, die Gunst der Stunde zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ihr Treiben bleibt so lange unbehelligt, solange dies von dem höheren Stand toleriert wird. Die Trümpfe repräsentieren den gesellschaftlich höchsten Stand. Hier finden sich autoritäre und durchgreifende Machthaber, die durch Anordnungen das muntere Treiben der Untertanen in Schranken weisen oder beenden können. Entsprechend sticht im Kartenspiel ein Trumpf eine Bildkarte ab. Von den unteren Schichten der Bevölkerung, den Zählkarten, ist dieser herrschende Stand weit entfernt. Jedoch baut auch deren Existenz auf den Diensten der kleinen Leute auf. Denn auch ein Trumpf braucht zwei Zählkarten, damit seine Punkte gewertet werden. Allein können weder die kleinen Leute (Zählkarten), noch der herrschende Stand (Trümpfe) eine Gesellschaft bilden, besagt die Gesellschaftsanalogie der Kartenspiele mit der Trumpfreihe. Schließlich zählt eine Dreiergruppe nur mit Zählkarten oder Trümpfen lediglich einen Punkt im Spiel. Nur der allerhöchste Machthaber einer Gesellschaft, im Kartenspiel der höchste Trumpf, kann sich seines Tuns ganz sicher sein. Er allein kann niemals überstochen oder angefochten werden. Ironischerweise zeigt das Kartenspiel ab dem 18. Jahrhundert in der bildlichen Darstellung den höchsten Trumpf oder Machthaber als Narren.

Dummett, The game of Tarot, S. 490. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 136. 37 D’Allemagne, Les Cartes a jouer, Tome I, S. 197. 38 Bibliothèque nationale de France, Departément manuscrit, Dupuy 777, p. 3, zitiert nach: Depaulis, Quand l’abbé de Marolles, in: Le Vieux Papier, XXXVI, 2012, S. 320, 324. 35

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Teilweise zeigen die Spielregeln gesellschaftlich umstürzlerisches Potential, wenn beispielsweise der „Bagat“/der „Narr“ einen König „absticht“. Überwiegend spiegeln die Hofkarten und die Trumpfreihe jedoch die damalige höfisch adelige Gesellschaft und Werte. Männliche Figuren stehen über den weiblichen. Lediglich die „Herrscherin“ kann einen König stechen und der „Herrscher“ muss sich nur einer Frau, der kirchlichen Institution der „Päpstin“ geschlagen geben. Die Alten (König und Königin, Herrscher und Herrscherin) stehen über jungen Figuren (Reiter und Buben). Erst wenn der gesellschaftlich höher Stehende gestorben oder aus dem Spiel ist, haben die Nachgeordneten die Möglichkeit zu regieren oder Punkte einzuspielen. Wird der „Herrscher“ mit dem Kaiser gleichgesetzt, so kann in der Realität wie im Spiel, der König nur erfolgreich regieren oder im Spiel stechen, wenn der „Herrscher“ aus dem Spiel ist oder sich heraushält. Der „Herrscher“ oder Kaiser muss also den König und sein Handeln anerkennen und tolerieren. Das entspricht ziemlich genau dem Streben der Herzöge nach der kaiserlichen Anerkennung ihres Titels. In der Trumpfreihe stehen kirchliche Würdenträger („Päpstin“ und „Papst“), das Heilsgeschehen („Tod“, „Teufel“, Engel oder das „Jüngste Gericht“) und auch die der damaligen Astronomie bekannten Himmelskörper („Mond“, „Sonne“ und „Stern“) über den Menschen und Herrschenden. Die Darstellung der Hofkarten und Trumpfbilder entspricht der damaligen Gesellschaftsordnung aus dem Blickwinkel des Adels. Diese Darstellungsweise bekräftigt den höfischen Ursprung dieser Spielkarten und einer Gesellschaft, die sich in geschlossenen Kreisen bewegt. Obwohl aus dem 15. Jahrhundert keine Spielregeln überliefert sind, entstehen im Spielverlauf durch die Kombinatorik des Kartenspiels immer wieder Spielzüge mit Anspielungen zu der Gesellschaftsordnung Oberitaliens jener Zeit: Machthaber adeln ihre Günstlinge und tolerieren ihr Handeln. Adelige beseitigen ihre Konkurrenten mit dem buchstäblichen Schwerthieb oder sie schmieden Intrigen, um sich Vorteile zu verschaffen. Die zahlreichen Condottieri jener Zeit wechseln nach Gutdünken und je nach Höhe des gebotenen Solds ihren Dienstherren. Dabei ist es gut möglich, dass ein Condottiere gegen den vorigen Dienstherrn mit dem (höheren) Sold des Folgenden zieht. Ähnliches gilt für die vielen nichts zählenden Trümpfe im

Spiel, die gemäß ihrer Nummer im Spiel sowohl selbst stechen können und genauso gut überstochen werden können, je nach Spielsituation. Auch für Königinnen im Kartenspiel und Frauenschicksalen der adeligen Gesellschaft in der damaligen Zeit lassen sich Analogien finden. Ein abgelegter (gedrückter) König in diesem Kartenspiel kommt einem verstorbenen König der damaligen Realität gleich. Er hinterlässt die Königin als Witwe, die nun seinen Besitz und Ländereien übernimmt. Für das weitere Schicksal der Königin kennt das Kartenspiel, sowie die damalige Gesellschaft mehrere Möglichkeiten. Die Königin/Dame im Kartenspiel ist nun die höchste der Hofkarten, ihre Punkte sind im Spiel frei und ungeschützt, was gleichzusetzen ist mit dem geerbten Besitz der Königswitwe. Ihre Punkte im Spiel, wie auch der Besitz der Königin sind also begehrtes Gut. Spielt ein Spieler nun die Königin/Dame aus, so kann sie die unter ihr liegenden Hofkarten überstechen und dem Spieler ihre und die Punkte der anderen Hofkarten im Stich sichern. Entsprechend hätte damals wohl die Königswitwe den Hofstaat hinter sich versammelt und die Regentschaft (vielleicht für ihren Sohn und Thronfolger) übernommen, solange bis ein Mann sie wieder absetzt. Im Kartenspiel wäre dies der Fall, wenn in der nächsten Spielrunde die Königin/Dame mit dem König ihrer Spielfarbe oder einem Trumpf abgestochen wird. Eine weitere Möglichkeit im Kartenspiel zum Gewinn einer Königin/Dame besteht, wenn der König ihrer Spielfarbe noch im Spiel (also nicht abgelegt) ist. Wird die Königin/Dame als erste Karte eines Stiches ausgespielt, wird sie ziemlich sicher und sofort vom König ihrer Spielfarbe oder einem Trumpf überboten und damit abgestochen (wie die Kartenspieler es nennen). Ihre Punkte gehen dann zu dem Spieler, der die höchste Karte in den Stich geworfen hat. Auch die damalige Adelsgesellschaft im Umfeld der Tarocchi kennt solche Gegebenheiten. Beispielsweise wenn eine legitim geborene Adelstochter bereits in Kindertagen mittels eines Heiratsvertrages mit einem Jungen oder auch viel älteren Mann verbunden wird. Solche Heiratsverträge werden meist ohne Rücksicht auf die Gefühle der beiden Verlobten abgeschlossen, wohl aber mit Blick auf politische Bündnisse. Eine andere Gegebenheit besteht darin, dass die Witwe eines Machthabers wieder verheiratet wird und ihr Besitz aus ihrer früheren Ehe von ihrem neuen Ehemann vereinnahmt wird. Filippo 55

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Maria Visconti heiratet in erster Ehe Beatrice von Tenda, die Witwe seines Condotiero Facino Cane. Damit übernimmt er das Erbe und das Heer vom verstorbenen Ehemann der Beatrice von Tenda. Auch Francesco Sforza heiratet Bianca Maria Visconti, einziges Kind von Filippo Maria Visconti in der Hoffnung ihr Erbe zu übernehmen. Beim Tod Filippo Maria Viscontis übernimmt er später nicht nur ihren Besitz, sondern auch den Titel des Herzogs von Mailand von seinem Schwiegervater. Im Kartenspiel, wie in der damaligen Realität ist eine solche „blanke“ Dame oder Königin ein satter Gewinn. Nur sehr selten wird sich die Königswitwe nach dem Tod ihres Gatten in ein Kloster zurückgezogen haben und ihr Besitz dem Kloster zugefallen sein. Im Kartenspiel ist diese Situation nur möglich, nach den Regeln von 1537, bei denen der Geber zwei Karten wieder ablegen kann. Denn die Königin, die sich im Kloster dem adeligen Ränkespiel entzieht, wäre gleichzusetzen mit der Spielsituation in der die Königin/Dame abgelegt worden ist. Die Punkte der Königin/Dame (ihr Besitz) verbleiben

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entweder bei jenem Spieler, der die Karten ablegte oder ihr Besitz fiel dem Kloster zu. Selbst für Farbkarten, die keine Punkte zählen und im die Cego passenderweise „Leere“ genannt werden, finden sich vergleichbare Situationen in der damaligen Adelsgesellschaft. Eine Leere kommt einer alleinstehenden Frau gleich (aus gelösten Verlobungen oder eine Witwe), die keinen Besitz mehr hat. Ihr Kapital ist im Kartenspiel, wie in der damaligen Realität, sie selbst. Die Frau kann bestenfalls noch Kinder bekommen und dem Mann, mit dem sie wiederverheiratet wird, einen Thronfolger oder Stammhalter gebären. Im Kartenspiel wird eine entsprechende Leere zu bereits ausgespielten Farbkarten eines Stiches geworfen und sichert damit einem Mitspieler die Punkte dieses Farbstiches. Sowohl die wieder verheiratete Frau, die einem legitimen Sohn das Leben schenkt und damit ihrem Ehemann einen Nachfolger sichert und auch die Leere im Kartenspiel verhalten sich auf diese Weise loyal und „bekennen Farbe“.

6 Die erhaltenen Spiele der Tarocchi als Quellenfundus 6.1 Methodik und angewandte Quellenkriterien Alle erhaltenen Spielkarten und Spielfragmente zu erfassen gestaltet sich schwierig, denn sie liegen weit verstreut in verschiedenen Institutionen. Nur einige dieser Spielkarten sind digital verfügbar, andere aus Magazinen verschiedener Archive und Kunstsammlungen können nur nach Anmeldung besichtigt werden. Karten in Privatbesitz sind nicht öffentlich zugänglich und lediglich im Glücksfall in hinlänglicher Qualität publiziert. Einige Spielkarten gehen unter den Augen der Forschung sogar verloren. In der Literatur werden für das gleiche Spiel (Stichwort Kunsthandel, siehe Abschnitt „Tradierung und Aufbewahrung erhaltener Spiele der Tarocchi“) unterschiedliche Bezeichnungen verwendet. Gelegentlich werden auch mehrere Fragmente zu einem ursprünglichen Kartenspiel aufgrund von stilistischen Merkmalen, Maßen der Karten oder der Gestaltung des Kartenrückens zusammengeführt. All diese Umstände machen die Erhaltungssituation der Tarocchi unübersichtlich. Michael Dummett führt 22 nennenswerte Fragmente von Spielen oder Druckbögen auf, 1 Stuart Kaplan spricht im Jahr 1978 von über 250 einzelnen Karten. 2 Bis heute wurden einige weitere Karten entdeckt, die zu den bereits bekannten Spielen zuzuordnen sind. Keines dieser Kartenspiele ist vollständig erhalten und der Begriff „Spielfragment“ ist deshalb zutreffend.

Diese Arbeit benutzt die Bilder der erhaltenen Spielfragmente als Grundlage, ähnlich wie dem Historiker schriftliche Überlieferungen als Quelle für seine Arbeit dienen. Allerdings werden die Bilder nicht inhaltlich interpretiert, wie dies in der Kunstgeschichte und -wissenschaft üblich ist. Herausgegriffen werden lediglich Bilddetails, anhand derer der historische Kontext der Dynastie Visconti und Sforza ersichtlich wird. So betrachtet werden die Bilder, besser die herausgegriffenen und bearbeiteten Bilddetails zur historischen Quelle, die die Tarocchi als Präsentationsmedium offenlegen und sie mit der Geschichte ihrer Besitzer zusammenführen. Damit ein Spielfragment in die Argumentation dieser Arbeit aufgenommen wird, müssen folgende Kriterien erfüllt sein: 3 • Das Spielfragment ist in mindestens einer wissenschaftlich nutzbaren Veröffentlichung beschrieben, die ein Großteil der einzelnen Karten zeigt und auf deren Abbildungen die Bilddetails einigermaßen gut erkennbar sind. • Eine einzelne Veröffentlichung wird von nachfolgenden Autoren aufgegriffen und inhaltlich bestätigt. • Ein einzeln erwähntes Spielfragment passt stilistisch oder die Größe der einzelnen Karten zu einem anderen bereits bekannten Spiel, sodass man davon ausgehen kann, es handelt sich um

Dummett, The game of Tarot, S. 68–76 und 90–92. Kaplan, Encyclopedia I, S. 62–63; und Kaplan, Encyclopedia II, S. 44–45. 3 In diesem Zusammenhang ist die Dokumentation mehrerer Spielfragmente kritisch, weil sie lediglich einmal in der Literatur nachgewiesen sind. Alle diese Spiele befinden sich in Privatbesitz und sind öffentlich nicht zugänglich, wodurch sich die Angaben der Autoren als nicht nachprüfbar erweisen. Es handelt sich zum Einen um die Fragmente Tozzi (D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954) und Cocchi (Algeri, Tre carte figurante, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi). Bei beiden Fragmenten haben die einzelnen Karten jedoch die gleiche Größe und den gleichen Stil, es gibt keine Überschneidungen der Motive, sodass man davon ausgehen kann, es handelte sich ursprünglich um ein Spiel. Deshalb wurden sie in den Quellenkatalog dieser Arbeit aufgenommen. Weitaus problematischer sind die Spielfragmente, die Stuart Kaplan aufführt: Das Fragment Rosenthal (Kaplan, Encyclopedia I, S. 99), in welchem einzelne Karten stilistisch an mehrere andere Spielfragmente erinnern, sodass deren Authentizität und damit dieses Spielfragments selbst anzuzweifeln ist. Der überaus kritische Kommentar von Michael Dummett (Dummett, The game of Tarot, Appendix 1 S. 87–89) ist berechtigt. Übereinstimmend hierzu will auch Thierry Depaulis das Rosenthal-Fragment nicht auf seriös geführte Auflistungen erhaltener Spiele setzen (Depaulis/Kaplan, Cary Yale Visconti Tarocchi, 2. Aufl., S. 27). Darüber hinaus hat Stuart Kaplan nach eigener Darstellung erst nach der Veröffentlichung der Encyclopedia I weitere Fragmente entdeckt: Lombardy I, II und III (Kaplan, Encyclopedia II, S. 11–24). Die Abbildungen der Karten sind schlecht und somit Details kaum zu erkennen, es ist lediglich sichtbar, dass diese Karten stilistisch mehr oder weniger eng an das Visconti-Sforza angelehnt sind. Deshalb bleiben diese Fragmente hier unberücksichtigt. Die Existenz eines anderen Fragmentes, der Bonomi-Karten, das Stuart Kaplan erwähnt (Kaplan, Encyclopedia II, S. 22), wird zwar von Micheal Dummett bestätigt (Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 138), eine weitere Diskussion dieser Karten fehlt jedoch in der Literatur gänzlich. Auch diese Kartengruppe bleibt deshalb weiterhin unberücksichtigt. 1

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6 Die erhaltenen Spiele der Tarocchi als Quellenfundus



ein weiteres Fragment eines bereits erfassten Spiels. Einzelne erhaltene Spielkarten, deren Motive deutlich als Kopie bereits bekannter Fragmente zu erkennen sind, bleiben hier unberücksichtigt. Denn es ist anzunehmen, dass sie in größere Fragmente eingeordnet werden können oder möglicherweise Nacharbeiten darstellen, die verlorene Karten ersetzen.

An dieser Stelle sei betont, dass die Aussagen dieser Arbeit auf den bekannten Karten der Tarocchi beruhen. 4 Jeder neuerliche Kartenfund kann diese Aussagen relativieren, aber ebenso verfestigen. Mög-

licherweise ging ein angefertigtes Spiel gänzlich verloren und kann deshalb nicht mehr berücksichtigt werden. Ebenso denkbar ist, ein angefertigtes und damals bekanntes Spiel wurde – aus welchen Gründen auch immer – aus dem Umlauf genommen. Solche Spiele verfälschen den heutigen Gesamteindruck der erhaltenen Tarocchi und es ist jederzeit möglich, dass bisher unbekannte Karten auftauchen. Anhand der bekannten und verfügbaren Tarocchi sind zu Beginn dieser Arbeit einige Bezüge zu ihren Besitzern bereits bekannt. Zu weiteren Spielfragmenten haben sich im Laufe der Arbeit neue Bezüge zu bestimmten Personen im Umfeld der Visconti und Sforza erarbeiten lassen.

6.2 Ecksteine der Datierung Entgegen den Erwartungen der Wissenschaft können die einzelnen Spielfragmente der Tarocchi nicht exakt datiert werden, da auf den einzelnen Karten weder Künstlersignaturen noch Jahreszahlen oder Ähnliches vermerkt sind. Bisher wurden keine Quellenbelege gefunden, etwa Einträge in Rechnungsbüchern oder Beauftragungen von Künstlern, die sich eindeutig einem Spiel der Tarocchi zuordnen lassen. Beispielhaft zu erwähnen ist an dieser Stelle vor allem die noch heute gelegentlich herangezogene Kassennotiz aus dem Jahr 1392. Danach habe Jacquemin Gringonneur für den König Charles VI drei Kartenspiele angefertigt. 5 Diese Notiz wurde lange Zeit mit dem Spielfrag-

ment „Le Tarot dit de Charles VI“ in Verbindung gebracht, was sich jedoch als falsch erwiesen hat. Auch weiteren Quellenbelegen, wie dem Brief von Jacopo Antonio Marcello lässt sich bisher kein bekanntes Spiel der Tarocchi zuordnen. Umgekehrt findet sich für kein erhaltenes Spielfragment der Tarocchi ein Quellenbeleg, der in irgendeiner Weise Auskunft über Herkunft oder Alter der Karten gibt. Gefundene Quellenbelege zu Kartenspielen und erhaltene Spielfragmente der Tarocchi stehen sich folglich isoliert gegenüber. Überdies sind für die meisten der erhaltenen Spielfragmente die ausführenden Maler bisher unbekannt, sodass auch eine Datierung über die Maler und deren Schaffensperi-

Zur Finissage der Ausstellung „Tarots enlumiés. Chefs d’oeuvre de la Renaissance Italienne“ im Musée Français de la Carte à Jouer wurde am 11. März 2022 ein „Journée d’étude“ mit verschiedenen Vorträgen abgehalten, die Einblicke in die neueste Forschung zu den Tarocchi gaben. Neben den im Katalog publizierten Ergebnissen berichtete die Papierkonservatorin der Beinecke Rare Book and Manuscript Library über gemeinsam mit The Morgan Library & Museum laufende naturwissenschaftliche Untersuchungen der dort verwahrten Spiele Visconti di Modrone und ViscontiSforza. Die Publikation der Ergebnisse ist in Planung, wird jedoch noch einige Zeit auf sich warten lassen. Thierry Depaulis berichtet in seinem Vortrag (Vrai ou faux? Copies et imitation des tarots Visconti.), dass die umstrittenen Rosenthal-Karten 2016 im Kunsthandel aufgetaucht sind. Vor dem weiteren Verkauf wurden die Karten einer naturwissenschaftlichen Untersuchung unterzogen mit dem Ergebnis, dass die verwendeten Farben um 1875 angemischt wurden. Die Rosenthal Karten sind somit eindeutig Kopien früherer Tarocchi. Darüber hinaus zweifelt er in seinem Referat die Echtheit weiterer kleinerer auch in dieser Arbeit besprochenen Spielfragmente an (darunter Tozzi, Museo Fournier de Naipes de Álava, Bartolomeo Colleoini und die Karten der Worshipful Company of Makers of Playing Cards, auch bekannt als Guildhall Library Tarocchi Cards). Er begründet seine Zweifel mit der Tatsache, dass im Kunsthandel schon mehrfach Fälschungen von Tarocchi aufgetaucht sind und teuer verkauft wurden. Seine Argumentation beruht auf der augenscheinlichen Bildbetrachtung dieser Spielfragmente, der Ähnlichkeit mehrerer Kartenmotive in verschiedenen Spielfragmenten und damit lediglich auf Vermutungen. Somit sind seine Argumente derzeit wenig überzeugend. Für einige der von Thierry Depaulis angezweifelten Spielfragmente sind keine weiteren Untersuchungen geplant (Bartolomeo Colleoni, Guildhall Library Tarocchi Cards) oder gar nicht möglich (Tozzi, in Privatbesitz), der Kenntnisstand über diese Spielfragmente wird sich in absehbarer Zeit folglich nicht verändern. Die laufenden Untersuchungen der Beinecke Rare Book and Manuscript Library und The Library & Museum, sowie die geplanten Untersuchungen des Museo Fournier de Naipes de Álava sind deshalb höchst bedeutsam und deren Ergebnisse werden die Diskussion um die Tarocchi nachhaltig beeinflussen. Bis allerdings die Ergebnisse dieser Untersuchungen vorliegen, ist der Forschungsstand zu den Tarocchi, wie den entsprechenden Kapiteln dieser Arbeit beschrieben, noch immer aktuell. 5 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101, hier auch Anmerkung 47. 4

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6 Die erhaltenen Spiele der Tarocchi als Quellenfundus

oden kaum möglich ist. Hin und wieder werden in der Literatur konkrete Jahreszahlen zur Entstehung bestimmter Spiele genannt, aufgrund der Unsicherheit der meisten dieser Daten sei hier lediglich auf die entsprechende Literatur verwiesen. 6 Anstatt nach konkreten Jahreszahlen zu fragen, erscheint die Verwendung der Termini „ante quem“ und „post quem“ sehr viel sinnvoller. Die Karten selbst zeigen Wappen und persönliche Zeichen, Kleidung mit modischen Details oder andere stilistische Merkmale. Unter Heranziehung dieser schon früh erkannten Hinweise kann nach Prüfung des historischen Hintergrundes zumindest eine relative Chronologie einiger der erhaltenen Spielfragmente erschlossen werden. Gleichzeitig wird so der Zeitraum der Hochphase der Tarocchi abgesteckt. Zur Datierung der erhaltenen Spielfragmente schreibt Michael Dummett: „… from Milan come the earliest surviving tarot cards […]. One, which is known as the Brambilla pack after a former owner, … was certainly painted for Filippo Maria Visconti, duke of Milan form 1412 until his death in 1447. The other, the Visconti di Modrone pack, also named after a former owner, … this pack [was] also painted for Filippo Maria Visconti.“ 7

und weiter: „These two hand-painted packs [are] closely related to the Visconti-Sforza pack.“ 8

Wilhelm Schreiber im Jahr 1937 9 und Michael Dummett 1980 10 stimmen überein, wenn sie das Visconti di Modrone als ältestes Spiel angeben, nahe hierbei zunächst das Brambilla, dann das Visconti Sforza-Spiel. Diese drei Spiele werden allgemein Bonifacio Bembo zugeschrieben und Sandrina Bandera ordnet sie der spätgotischen Hofkul-

tur zu. 11 Mit der Datierung des Visconti di Modrone Spiels ist ein Eckstein für die Einordnung der weiteren Spiele gesetzt. Zudem ergibt sich eine Gruppe von drei Spielen mit dem Visconti di Modrone, dem Brambilla und dem Visconti-Sforza, die zeitlich eng zusammenrücken. Sie stehen im Mittelpunkt der Tradition der Tarocchi und haben im Laufe der Jahre wie ein Brennglas die Aufmerksamkeit innerhalb der erhaltenen Spielfragmente auf sich gezogen. Weitere Spiele, die den beiden Autoren bereits bekannt sind, schätzen sie ebenfalls gleich ein. So zählen beide Autoren das sogenannte „Tarot dit de Charles VI“ mit zu den ältesten Spielen. Weitere Spiele schätzen sie gleichermaßen jünger ein, beispielsweise das Spiel der d’Este, und die beiden Karten im Nationalmuseum Warschau. Das Nationalmuseum in Warschau gibt einen Entstehungszeitraum für seine beiden Tarocchi zwischen 1450 bis 1500 an 12 und bestätigt damit die Einschätzung beider Autoren, wonach die Karten in Warschau deutlich jünger sind, als das Visconti di Modrone. Darüber hinaus ist dieser Entstehungszeitraum zwischen 1450 und 1500 der jüngst genannte bei den Datierungen der Tarocchi überhaupt. Somit ist schon zu Beginn dieser Arbeit die Region, das herrschaftliche Umfeld und der Zeitraum der Tarocchi recht klar umgrenzt: Die Entstehung wird im frühen 15. Jahrhundert und das ungefähre Ende der Ära der Tarocchi um 1500 gesetzt. Die Blütezeit der gemalten Tarocchi umfasst also bei vorsichtiger Einschätzung der genannten Datierungen demnach etwa einhundert Jahre oder anders ausgedrückt das 15. Jahrhundert. Durch die auffällige Darstellung der Herrscherfamilien Visconti und Sforza können die Tarocchi zudem als höfische Eigenart im Umfeld dieser Adelsfamilien in jenem Zeitraum bezeichnet werden.

Siehe hierzu Wörner, Dame im Spiel, S. 72; Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 12–15; Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 23; Berti u. a., I tarocchi S. 24–25. 7 Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 5. 8 Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 5. 9 Hier und im Folgenden siehe Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 99–103. 10 Dummett, The game of Tarot, S. 68–76. 11 Bandera Bistoletti, I tarocchi. Il casa e la fortuna, Titelangabe. 12 Kuratorische Beschreibung des Muzeum Narodowe w Warszawie, Anhang einer Email an die Verfasserin vom 27.11. 2017. 6

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7 Stichworte zu Oberitalien im 15. Jahrhundert

Im vorigen Abschnitt wurde die grobe, bereits bekannte Datierung der Spielfragmente von Tarocchi vorgestellt. Aufgrund dieser bekannten Fakten über Zeit und Umfeld der Tarocchi soll im Folgenden dieses Umfeld näher beschrieben werden. Diesem Abschnitt liegt es fern die Geschichte Italiens auf-

zurollen. Vielmehr sollen Stichworte in einer Art Glossar erläutert werden, die bei der Beschäftigung mit den Tarocchi von Bedeutung sind. Dadurch sollen Geschehnisse und Zeitgeist mit Blick auf die Tarocchi punktuell beleuchtet werden.

7.1 Die geografische Lage Mailands Mailand ist ein zentraler Verkehrsknoten in Europa inmitten der Poebene, sowohl von Norden nach Süden über die Alpen, ebenso wie von Westen nach Osten. In Como treffen zunächst alle Routen der damals begehbaren Alpenpässe ein, bevor der Weg weiter über Mailand in den Süden Italiens führt. Westlich und östlich von Mailand liegen die damals bedeutenden Hafenstädte Genua und Venedig, sodass sich eine West-Ost Achse dieser Handelsstädte ergibt. Auch auf dieser Achse bildet Mailand das

Zentrum. 1 Die zentrale Lage im Knotenpunkt dieser Verkehrswege und damit auch des Handels förderte die Stadtentwicklung Mailands. Die Stadt gehörte im 14. Jahrhundert bereits zu den bevölkerungsreichsten Städten in Europa und war die wirtschaftlich bedeutendste Stadt in der Poebene. 2 Mitte des 15. Jahrhundert war sie weithin bekannt für ihre Webereien und ihre Waffenanfertigungen, aber auch für die Herstellung von Spielkarten. 3

7.2 Die Staatsform der Stadtstaaten und die Territorialkriege Zwischen der Mitte des 13. Jahrhundert und dem Ende des 15. Jahrhundert war in Nord- und Mittelitalien die Staatsform der Signorie weit verbreitet. Sie war ein typisch italienisches Phänomen. 4 Der Signore als Führungsperson stand einer Kommune und ihrer Zentralverwaltung vor. Er war ein Amtsträger, der die Stadtkommune mit alleiniger Zuständigkeit regierte, die Verwaltung und Exekutive kontrollierte und zwischen aufstrebenden Gruppierungen der Kommune für Interessenausgleich sorgen sollte. Der Signore brauchte die Zustimmung der Bürgerschaft durch die Ratsversammlung. Auch war die Signoria zeitlich begrenzt, sie musste neu

gegründet werden, wenn sie durch Vertreibung, Tod oder Verzicht des Signore endete. 5 Zunehmend übernahmen aufstrebende Adelsfamilien wie die Este in Ferrara, die della Scala in Verona oder die Visconti in Mailand das oberste Amt der Stadt. Die Signore des Adels verfolgten jedoch neben der Verwaltung der Stadt auch das Ziel, die Signoria an ihre Nachkommen vererben zu können. Deshalb und auch um die Ratsversammlung umgehen zu können, strebten sie nach der Anerkennung ihrer Stellung durch den Kaiser oder den Papst. Dadurch war eine zweite Legitimation gegeben. So entstand eine Mischung aus einer repu-

Zu den Verkehrswegen und den begehbaren Alpenpässen jener Zeit siehe Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Verkehrs, S. 17–22. Goez, Grundzüge der Geschichte Italiens, S. 209. 3 Schelle, Die Sforza, S. 134. 4 Die Ausführungen in diesem Abschnitt stützen sich im Wesentlichen und soweit nicht anders angegeben auf die Artikel Lunari, Signorien und Fürstentümer, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 7, cols. 1891–1894; Chittolini Giorgio, Podesta, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 7, cols. 30–32. 5 Goez, Grundzüge der Geschichte Italiens, S. 194. 1

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7 Stichworte zu Oberitalien im 15. Jahrhundert

blikanischen und einer monarchischen Staatsform, 6 wobei sich das Machtgefüge immer weiter zu einer monarchischen Regierungsweise verschob. Die Signore erreichten nach und nach die Erblichkeit ihrer Stellung an ihre Nachkommen und bahnten damit adeligen Dynastien den Weg. In diesem Prozess wurden die Bürgerschaft und die Ratsversammlung zunehmend umgangen und so schleichend entmachtet. Gelegentlich gewährte ein Signore auch Gefälligkeiten oder bediente sich gewaltsamer Mittel, um seine Machtstellung innerhalb der Bürgerschaft und gegenüber der Bevölke-

rung zu festigen. Die herrschenden Signore strebten darüber hinaus oft danach, sich weitere Städte zu unterwerfen. Auf diese Weise entstanden langjährige Territorialkriege um die Vorherrschaft in einer Region. Kennzeichnend für diese kriegerische Zeit waren ständig wechselnde Bündnisse mit der Absicht ein politisches oder wirtschaftliches Gleichgewicht erreichen zu können. Gelegentlich leitete sie auch die Hoffnung mit einem solchen Zusammenschluss einen gemeinsamen Widersacher zurückdrängen zu können.

7.3 Die Condottieri Ebenso wie die Signorien waren die Condottieri typisch für jene Zeit in Italien. Das Zurückdrängen der städtischen Verwaltungsstrukturen und damit auch der städtischen Miliz einerseits und der Ehrgeiz zur territorialen Erweiterung der Signorien andererseits ließen ein Söldnerwesen entstehen. Die Stadtherren brauchten Soldaten, um die gewünschten Gebiete zu erobern. 7 Dazu engagierten sie einen Söldnerführer, den Condottiere, der mit dem Kriegswesen seinen Lebensunterhalt verdiente. Beide Partner standen folglich in einer wechselseitigen Zweckbeziehung. Der Condottiere rekrutierte seine eigenen Truppen, unterhielt diese und führte sie auch an. Der Soldherr schloss mit dem Condottiere einen zeitlich begrenzten Vertrag, die Condotta. Nach Ablauf der festgelegten Frist wurde der Vertrag entweder verlängert oder der Condottiere suchte sich einen neuen Soldherrn. Bot ein anderer Soldherr einen höheren Sold, war es gut möglich, dass ein Condottiere vor Vertragsende zu dem besser zahlenden Soldherren überging. Genügte hingegen ein Condottiere den Ansprüchen des Soldherren nicht mehr, entledigte sich dieser des Condottiere oft auch vor Vortragsende, meist durch dessen Gefangennahme. So war das Verhältnis zwischen den Soldherren und ihren Condottieri häufig von gegenseitigem Argwohn und Misstrauen geprägt.

Das Verhältnis der Soldaten zu ihrem Condottiere hingegen war loyal, solange ihr Sold rechtzeitig ausbezahlt wurde. Der Zusammenhalt im Heer war groß. Starb oder fiel der Hauptmann, schworen die Soldaten oftmals seinem Sohn und Nachfolger die Treue, der dann das Heer übernahm. Das Amt des Condottiere wurde also häufig vererbt. Meist nannte sich das Heer nach seinem Condottiere. Der Wettbewerb unter den Condottieri war groß, deren ehrgeiziges Streben nach Ruhm und Reichtum verbreitet. Dabei entschieden die Heerführer im Kriegsgeschehen recht eigenständig über Recht und Unrecht, ihre Macht war höchst ausgeprägt. Reichtum erlangten die Condottieri nicht nur durch ihren hohen Sold, sondern auch durch Beute nach militärischen Erfolgen oder Einnahmen von Lösegeldern nach Gefangennahme bedeutender Persönlichkeiten. Vielfach nahmen sie auch Bestechungsgelder an. Die Condottieri bemühten sich um Grundbesitz. Sie erwarben selbst Burgen, Schlösser oder auch ganze Signorien. Gelegentlich erhielten sie für erfolgreiche Kriegszüge auch Grundbesitz, Lehen oder andere Schenkungen von ihrem Soldherrn. Alfred Semerau nennt die Condottieri den „Schwertadel“ jener Zeit. 8 Der Aufstieg der Condottieri und ihres Kriegswesens begann nach dem Tod von Gian Galeazzo Visconti zu Beginn des 15. Jahrhundert. Ihre Macht in Italien dauerte etwa

Goez, Grundzüge der Geschichte Italiens, S. 193. Dieser Abschnitt basiert soweit nicht anders angegeben auf Teilen der Einleitung des Werkes von Alfred Semerau, die das Wesen der Condottieri treffend beschreibt und zusammenfasst: Semerau, Die Condottieri, S. 3–13. Eine ebenfalls gute und kurze Beschreibung findet sich bei Goez, Grundzüge der Geschichte Italiens, S. 212–214. 8 Semerau, Die Condottieri, S. 7. 6 7

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7 Stichworte zu Oberitalien im 15. Jahrhundert

zweihundert Jahre. Einige von ihnen waren in ganz Italien bekannt und auch von ihren Gegnern gefürchtet, allen voran Francesco Sforza. Aber auch beispielsweise Muzio Attendolo Sforza, Niccolo Pic-

cinino und seine Söhne Jacopo und Francesco, Bartolomeo Colleoni und Sigismondo Malatesta waren große Condottieri jener Zeit, von denen an gegebener Stelle noch zu berichten sein wird.

7.4 Das Künstlerdasein im Quatrocento Künstler, wie Maler, Architekten oder Bildhauer fertigten in dieser Zeit vor allem Auftragsarbeiten. Sie wurden von einem Auftraggeber für ein bestimmtes Werk oder einen bestimmten Auftrag engagiert und bezahlt. Für die Dauer des Auftrages reisten sie an den Ort seiner Ausführung. Nach Fertigstellung des beauftragten Werkstückes mussten sie sich einen neuen Auftraggeber oder Auftrag suchen und gegebenenfalls an einen neuen Ausführungsort reisen. Zünfte der Handwerker in den Städten, zu denen auch die Maler gehörten, unterlagen strengen Reglementierungen. Eine eigene Werkstatt oder ein eigenes Atelier durfte nur eröffnen, wer den Meistertitel vorzuweisen hatte. Auch die Anzahl der Werkstätten in einer Stadt wurde von den Zünften begrenzt und überwacht. 9 Die Werkstätten, auch Malerwerkstätten, bildeten Gesellen aus, die nach ihrem Abschluss meist übernommen wurden. Konnte ein Geselle nicht übernommen werden, bemühte er sich freischaffend um Auftragsarbeiten. An einem Auftrag einer Werkstatt arbeitete der Meister und je nach Größe des Auftrages mehrere Gesellen mit. Lehrlinge waren für die Bereitstellung der Arbeitsmaterialien, die Instandsetzung des benötigten Werkzeuges und bei Malern für die Zubereitung der Farben zuständig. Glücklich konnten sich jene Künstler schätzen, die an einem Hof oder Adelssitz als Hofkünstler angestellt wurden. Sie entkamen nicht nur den Reglementierungen der Zünfte, ihre Engagements

dauerten auch länger an. Darüber hinaus stellte der Auftraggeber eine Wohnung, Kleidung und Verpflegung. Mit Glück bekamen die Hofkünstler auch ein regelmäßiges und sicheres Gehalt ausbezahlt. Darüber hinaus hatten diese Künstler einen größeren Schaffensfreiraum, sie unterlagen bei der Entfaltung ihres Ideenreichtums lediglich dem Geschmack des Auftraggebers. Herausragendes Beispiel für einen Hofkünstler ist Andrea Mantegna in Diensten des Hofes von Ludovico Gonzaga in Mantua. Gelegentlich werden Malereien von der heutigen Forschung lediglich einer bestimmten Werkstätte oder auch nur einer bestimmten Kunstschule zugeschrieben, wie Thierry Depaulis das Spiel des „Le Tarot dit de Charles VI“ einer „Schule aus Ferrara“ zuweist. 10 Eine solche Feststellung sagt dann zwar aus, wo dieser Maler gelernt hatte und in welcher Tradition er arbeitete. Sie sagt jedoch nichts darüber aus, wo dieses (bewegliche) Kunstwerk entstanden ist, denn der Maler konnte an einem unbekannten Ort engagiert gewesen sein und gearbeitet haben. Auch der Maler selbst bleibt bei einer solchen Aussage oft genug unbekannt. Dies ist einer der Gründe, weshalb diese Arbeit nicht vorrangig nach ausführenden Malern der Tarocchi fragt. Die Identifizierung des Besitzers eines Spiels erscheint lohnender, da über diese Erkenntnis hinaus der Zeitraum der Entstehung und gegebenenfalls am Hof arbeitende Maler erschlossen werden können.

7.5 Eheschließung und Eheführung im adeligen Umfeld der Tarocchi Der historische Kontext der Tarocchi erlaubt Einblicke in Bräuche der adeligen Eheschließung und dem Verhältnis zwischen Mann und Frau, besser

von Machthabern und deren Gemahlinnen. Deshalb soll die Tradition der Eheschließung und die vielfältige Gestaltung des Ehelebens hier kurz vor-

Vergleiche zu diesem Abschnitt Hauschild, Maler, Modelle, Mäzene, S. 72–73. Hofkünstler, in: Jürgen Hotz/Eva Bambach Horst (Hg.): Der Brockhaus Kunst. 10 Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 268. 9

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7 Stichworte zu Oberitalien im 15. Jahrhundert

gestellt werden. Dies geschieht mit Blick auf die Ehefrauen, denn über ihre Ehemänner wird in den folgenden Kapiteln noch viel gesprochen werden. An dieser Stelle sollen die Gattinnen genannt und so sie für einen kurzen Moment aus dem Schatten ihrer Ehemänner geholt werden. Ehen in oberitalienischen Adelshäusern wurden von den Eltern arrangiert. 11 Solche Verbindungen zwischen Adelshäusern waren meist politisch motiviert, um das Bündnis der beiden Häuser zu stärken. Sie verpflichteten zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die politischen Interessen und sollten den Zusammenhalt der Häuser intensivieren. Verlobungen wurden oft schon im Kindesalter des späteren Brautpaares verabredet. Bianca Maria Visconti war etwa acht Jahre alt, als sie Francesco Sforza zur Frau versprochen wurde. Auf die Gefühle der beiden Verlobten nahmen solche Heiratsverträge kaum Rücksicht. Nur selten scheint den Kindern das Recht eingeräumt worden zu sein, dem Arrangement der Eltern zu widersprechen. Jedoch weigerte sich Carlotta von Aragon 1468 die Ehe mit Cesare Borgia einzugehen. 12 Als frühester Hochzeitstermin, vielmehr der körperliche Vollzug der Ehe, ist wohl die einsetzende Menstruation der Braut anzunehmen. In der Hochzeitsnacht wurde das Mädchen dann einem (mehr oder weniger) jungen und vielleicht ungestümen Mann überlassen, den sie oftmals noch nie zuvor gesehen hatte. 13 Beatrice d’Este war beispielsweise bei der Hochzeit mit Ludovico Maria Sforza fünfzehn Jahre alt. 14 Es kam oftmals vor, dass der Bräutigam zur Trauung einen Stellvertreter schickte und die Trauung durch Prokuration stattfand. So war etwa bei der Trauung von Bianca Maria Sforza mit König Maximilian im Jahr 1494 der Bräutigam nicht anwesend. 15

Während ihrer Ehe hatten die Frauen viele Geburten, beispielsweise schenkte Regina della Scala sechzehn legitimen Kindern das Leben. 16 Doch die Kindersterblichkeit war hoch, so überlebten von den acht Kindern der Valentina Visconti lediglich vier. 17 Jede Geburt war eine Gefahr für das Leben der Mutter, viele Frauen starben im Kindbett. Stellvertretend für mehrere Frauen in den Familien der Tarocchi sei hier Beatrice d’Este angeführt. 18 Das eheliche Zusammenleben, die Stimmung in der Ehe, umfasste eine große, individuelle Bandbreite. Verliebtheit wäre nach unserem heutigen Verständnis zu erwarten, wurde jedoch selten gelebt. Ein Beispiel für Zuneigung zu seiner Gemahlin war Ludovico Maria Sforza, der sich offensichtlich in Beatrice d’Este verliebt hatte. 19 Auch gegenseitiger Respekt und Vertrautheit waren anzutreffen, Bernabo Visconti vertraute seiner Gattin Regina della Scala Ländereien zur Verwaltung an. 20 Francesco Sforza legte darüber hinaus Wert auf den Rat seiner Frau Bianca Maria Visconti in politischen und militärischen Angelegenheiten. 21 Das unentwegte Kämpfen der Valentina Visconti für eine Anklage des Mörders ihres Mannes zeugte von großer Loyalität zu ihrem Gatten Louis d’Orleans. 22 Ebenso wird das Auseinanderleben der Ehegatten und getrennte Lebensführung in einem Schloss geschildert: Nachdem Ippolita Sforza ihrem Gatten Alfonso II drei Kinder geboren hatte, zog sie sich auf dem Schloss in ihre eigenen Gemächer zurück und die „eheliche Beziehung hörte auf“. 23 Über Filippo Maria Visconti wird berichtet, er habe seine zweite Ehefrau Marie von Savoyen von sich fern gehalten und vollzog die Ehe mit ihr nicht. 24 Als letztes Extrem während der Ehe wird die Tötung eines Ehepartners geschildert, vornehmlich der Gattin. So besagte ein hartnäckiges Gerücht jener Zeit, Sigis-

Duby, Frau ohne Stimme, S. 82–86. Schelle, Die Sforza, S. 235. 13 Duby, Frau ohne Stimme, S. 86. 14 Schelle, Die Sforza, S. 162. 15 Schelle, Die Sforza, S. 175. 16 Muir, History of Milan, Genealgie der Visconti, Faltblatt am Ende des Buches. 17 Muir, History of Milan, S. 216–218. 18 Schelle, Die Sforza, S. 187. 19 Schelle, Die Sforza, S. 165. 20 Muir, History of Milan, S. 68. 21 Schelle, Die Sforza, 106 und 119; Semerau, Die Condottieri, S. 302–303. 22 Muir, History of Milan, S. 217. 23 Vogt-Lüerssen, Bianca Maria Visconti, S. 119. 24 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 25. 11

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7 Stichworte zu Oberitalien im 15. Jahrhundert

mondo Malatesta habe seine Ehefrau Polissena Sforza, eine illegitime Tochter von Francesco Sforza, ermordet. 25 Die Gatten hatten neben der Ehefrau zahlreiche Mätressen und zeugten auch mit ihnen eine große Zahl außereheliche, sogenannte „natürliche“ oder illegitime Kinder. Von Bernabo Visconti wird erzählt, er habe über dreißig legitime und natürliche Kinder gezeugt, 26 auch Francesco Sforza soll zweiundzwanzig illegitime Nachkommen haben. 27 Zum Aufgabenbereich der Gattin des Machthabers gehörte, die Erziehung der Kinder an ihrem Hof zu organisieren und zu überwachen. Da auch die illegitimen Kinder ihres Gatten an den Hof gebracht wurden, war sie für alle Nachkommen ihres Gatten verantwortlich. Sie nahm auch verwaiste Kinder aus der näheren Verwandtschaft an ihrem Hof auf. Valentina Visconti wuchs unter der Obhut ihrer Großmutter Bianca von Savoyen am Hof von Gian Galeazzo Visconti auf. 28 Auch Battista Sforza war erst achtzehn Monate alt, als ihre Mutter im Kindbett starb und sie an den mailändischen Hof zu ihrer Tante Bianca Maria Visconti gebracht wurde und dort aufwuchs. 29 Selbst für illegitime Nachkommen wurde eine gute Partie zur Eheschließung gesucht. Francesco Sforza verheiratete etwa seine uneheliche Tochter Drusiana mit dem Condottiere Jacopo Piccinino. 30 Aber auch „abgelegte“ Mätressen und ihre Kinder, die nicht am Hof aufwuchsen, wurden in eine abgesicherte soziale Stellung verheiratet. Francesco und Alessandro Sforza wuchsen am Hof von Niccolo d’Este auf. Sie waren dort untergebracht bei ihrer Mutter Lucia di Torscania (oder auch Lucia Terziani), die von Muzio Attendolo Sforza mit Marco Fogliani, dem Hoflehrer der d’Este, vermählt wurde. 31 Frauen hingegen, die auch nur des vermeintlichen Ehebruchs bezichtigt wurden, drohte die Hinrichtung. Niccolo d’Este ließ seine viel jüngere

Ehefrau Parisina und seinen Sohn Ugo hinrichten, weil sie angeblich eine Liaison hatten. 32 Und auch Filippo Maria Visconti ließ seine erste Ehefrau Beatrice von Tenda und ihren vorgeblichen Liebhaber nach einem Prozess hinrichten. Die Prozessakten wurden nach dem Tod der beiden vernichtet. 33 In den Adelshäusern im Umfeld der Tarocchi wurden also junge Frauen, die gerade die Pubertät hinter sich hatten, von den Eltern an den Hof ihres zukünftigen Gatten in ein ungewisses Schicksal geschickt. Auf die Gefühle der Frauen wurde hierbei kaum Rücksicht genommen. Die Aufgabe der Frau an der Seite ihres Angetrauten war es, Kinder und damit männliche Nachkommen für die Machterhaltung oder Töchter für die taktische Verheiratung zu gebären. Mit der Kinderzahl stieg auch das Ansehen der Frau. Sie war vornehmlich Gemahlin des Machthabers, die Frau an seiner Seite und Mutter der Nachkommen. Der politische Handlungsspielraum dieser Frauen war begrenzt. Einige konnten zeitweise politisch gestalten, wenn sie beispielsweise ihre Gatten bei dessen Abwesenheit vertraten oder sie als Regentin für ihre Söhne regierten. Andere nahmen indirekt politischen Einfluss, wenn ihr Gatte Wert auf ihren Rat legte. Aber keine der Ehefrauen im Umfeld der Adelsfamilien der Tarocchi erreichte eine politisch von ihrem Mann unabhängige Stellung. Auch als Mäzeninnen der Kunst wurde ihnen ein gewisser Freiraum zugestanden, in dem sie eigenständig handeln und entscheiden konnten. Diese Frauen hatten dann einen gewissen Einfluss auf den damaligen Zeitgeist. Der Hof bot jedoch vor allem den geachteten Müttern einen geschützten Rahmen für das Großziehen der Kinder. Soweit es die Umstände und das medizinische Wissen der Zeit zuließen, genossen die adeligen Gemahlinnen dadurch einen gewissen Schutz für ihr eigenes Leben.

Schelle, Die Sforza, 76 und Genealogie der Sforza S. 329. Muir, History of Milan, S. 67. 27 Schelle, Die Sforza, S. 98. 28 Muir, History of Milan, S. 94 und 214. 29 Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 85. 30 Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 78. 31 Sforza, Alessandro, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/alessandro-sforza_(Dizionario-Biografico) (acc. 7.11. 2019) Schelle, Die Sforza, Genealogie der Sforza S. 329. 32 Este, Niccolò d’, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/niccolo-d-este_(Dizionario-Biografico)/ (acc. 8. 5. 2020). 33 Muir, History of Milan, S. 140. 25

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8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi Anhand der in die Tarocchi zahlreich eingearbeiteten Erkennungszeichen konnten die Tarotforschung bereits einige Spiele bestimmten Personen zuordnen, wie das Visconti di Modrone zu Filippo Maria Visconti, das Visconti-Sforza-Spiel zu Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza, das Spiel von Alessandro Sforza und das Spiel des Bartolomeo Colleoni. Damit skizziert die bisher geleistete Forschung den gesellschaftlichen Rahmen, die involvierten Familien, sowie das geografische und zeitliche Umfeld der Tarocchi. Die Anregungen und Erkenntnisse der bisherigen Forschung sollen aufgenommen, differenziert und weitergeführt werden. Als geeigneter

Ansatzpunkt erscheinen die unterschiedliche Gestaltung verschiedener Kartenmotive der standardisierten Kartenbilder, in der Annahme in dieser individuellen Gestaltung lassen sich Bezüge zu bestimmten Personen finden. Die untersuchten Darstellungsdetails erlauben eine weit über die bisherige Forschung hinausgehende Zuordnung der Spiele zu einzelnen Personen und Adelshäusern. Alle bearbeiteten Spielfragmente werden auf die nachfolgend angeführten Erkennungszeichen untersucht. Weitere gefundene und aussagekräftige Gestaltungsdetails werden bei den entsprechenden Spielfragmenten dargelegt.

8.1 Die Selbstdarstellung des Adels in den Tarocchi Die Motive der Tarocchi zeigen Figuren in edler Kleidung, sie tragen Kronen, halten Reichsapfel und Zepter, männliche Figuren präsentieren sich in Rüstung ein Schwert haltend oder reiten auf schmuckvoll ausgestatteten Pferden. Auch Anspielungen auf die Jagd mit Hunden oder Falken finden sich. All das sind Standessymbole des Adels. Nicht zuletzt zeugen die Namen der Motive, wie die „Herrscherin“ und der „Herrscher“ oder die „Päpstin“ und der „Papst“ von der oberen Gesellschaftsschicht. Damit wird deutlich, der Adel präsentiert sich in den Tarocchi selbst. Auch Materialität der teuren gemalten Unikate dieser Kartenspiele unterstreicht, die Tarocchi wurden vom Adel angefertigt und waren für den Gebrauch am Hofe bestimmt. Ganz gleich, ob Tarocchi tatsächlich in höfischen

Mußestunden zum Zeitvertreib gespielt wurden, ob sie als Basis für höfische Geschichtserzählung dienten oder ob sie einen ganz anderen Verwendungszweck hatten, ihre Botschaft lieferten die Bilder der Tarocchi beiläufig mit. Die adelige Gesellschaft wusste diese Bilder der höfischen Stilmittel zu verstehen. Die in die Tarocchi eingearbeitete Botschaft wurde genau auf diese Rezipienten abgestimmt und entfaltete so subtil, aber zielgerichtet ihre Wirkung. Die Tarocchi lassen sich folglich als Statussymbole der adeligen Gesellschaft bezeichnen. Sie sind aber auch Medium der Selbstdarstellung und Macht, sowie der Untermauerung der politischen und kulturellen Bedeutung einzelner Familien und Personen.

8.2 Das Wappen der Visconti Besonders auffällig sind die in die Tarocchi eingearbeiteten Wappen. Sie verweisen auf Adels- oder Herrschaftsfamilien. Diese Wappen werden von Generation zu Generation vererbt und bilden so die Dynastie über einen längeren Zeitraum ab. 1

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Als immer wiederkehrendes Wappen in den Spielfragmenten der Tarocchi wird der sogenannte „Biscione“ gezeigt, gelegentlich auch „Biscia“ genannt, dessen heraldische Beschreibung lautet:

Schroeder, Kleine Wappenkunst S. 80.

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8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi

Carlo Maspoli blasoniert dieses Wappen noch genauer: Auf silbernem Grund eine sich windende blaue Schlange mit goldener Krone und roten Schuppen, an deren Körper entlang ein goldener (Licht-)Streifen glänzt. In ihrem Maul hält sie einen zur Hälfte verschluckten nackten Sarazenen in rot, der mit erhobenen Armen um Hilfe sucht. 3 Die Anzahl der Windungen der Schlange variiert in verschiedenen Darstellungen 4, ebenso wird die Schlange mit und ohne Krone dargestellt. 5 Dieses Wappen ist höchst auffällig und deshalb sehr leicht zu erkennen. Es gehört der Fürstenfamilie Visconti in Mailand. Wann immer es in die Tarocchi eingearbeitet ist, wird es auf einem Wappenschild oder dem einer Münze gleichenden Rund dargestellt. Die Visconti-Schlange wird immer in einer Umrandung gezeigt, die in irgendeiner Weise an ein stilisiertes Wappenschild erinnert. Darüber hinaus finden sich im Spiel der Este von Ferrara das Wappen d’Este und der Anjou von Neapel, 6 im Spielfragment des Victoria & AlbertMuseums in London das Wappen des Bartolomeo Colleoni. 7 Abbildung 3: Biscione, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 357. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved. „in Silber eine goldgekrönte blaue Schlange, einen Sarazenen in natürlichen Farben halb verschlingend.“ 2

Rückert, Antonia Visconti, S. 214. Vgl. hierzu auch Kaplan, Encyclopedia I, S. 60–62; und Kaplan, Encyclopedia II, S. 48–50: Stuart Kaplan nennt in seinen Werken die Visconti-Schlange „Biscia“, dies ist jedoch die allgemeine Bezeichnung für eine Natter oder Schlange. Nach Auskunft von Piera Antonelli, Mitarbeiterin der Pinacotheca di Brera, wird das Wappentier der Visconti als „Biscione“ bezeichnet und ist zu einem vielfältigen Symbol für Mailand geworden. Der Biscione findet sich noch heute beispielsweise im Logo von Alfa Romeo, Name und Darstellung tauchen auch gelegentlich im Zusammenhang mit dem Fußballclub Inter Mailand auf. 3 Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 282 und 513; De Vicecomentibus, In: http://graficheincomune.comune.milano.it/Grafiche InComune/immagine/Cod.+Triv.+1390,+p.+357 (acc. 3. 9. 2019). 4 Eine umfangreiche Monografie zur Heraldik der Visconti und Sforza 1277–1535 liegt mit der Dissertaion von Gabriele Reina vor. Er beschreibt das Wappen der Visconti eingehend: Reina, Le imprese araldiche, S. 65–68. Für verschiedene Darstellungsweisen der Biscione siehe in diesem Werk, S. 185–186. 5 Vgl. hierzu die Darstellungen der Wappen verschiedener Herrscher aus dem Hause der Visconti, Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 1390. In: graficheincomune.comune.milano.it (acc. 14. 8. 2019)., p. 3–5, und p. 360. 6 Depaulis, Jeu et magie, S. 39. 7 Berti u. a., I tarocchi S. 42. 2

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8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi

8.3 Impresen Neben den Wappen sind eine Vielzahl von Sinnbildern in die Tarocchi eingearbeitet, wie sie Bestandteil von Impresen sind. Die Imprese ist eine Mode ausgehendend von der Heraldik, die im späten 14. Jahrhundert im burgundischen und französischen Adel aufkommt und nach ganz Europa überspringt. 8 Abgeleitet ist der Begriff von dem lateinischen Verb „imprendere“, etwas unternehmen. Eine solche Imprese besteht immer aus zwei Bestandteilen: Ein Sinnbild verknüpft mit einem Wahlspruch, 9 dieser wird auch als Devise oder Motto bezeichnet. Auf italienisch finden sich die Bezeichnungen „corpo“ (Körper) für ein farbiges und lebendiges Bild mit durchaus esoterischem oder alchemistischem Kontext, welches Tiere und Pflanzen, manchmal auch die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft darstellt. Der Sinnspruch wird „anima“ (Seele) genannt, er ist kurz und prägnant formuliert. 10 Bei einer Imprese kann eigentlich weder das Bild noch der Spruch alleine stehen. 11 Italienische Autoren sprechen jedoch auch dann von einer Imprese, wenn nur der Spruch oder das Sinnbild abgebildet ist. 12 Über solche bildlichen Darstellungen werden in dieser Weise Überzeugungen und Vorstellungen wiedergegeben, ein knapper Sinnspruch ergänzt oder erklärt die Aussage des Bildes. Oftmals wird dieser Sinnspruch in einer fremden Sprache gehalten, um Bildung zu demonstrieren. So soll aber auch sichergestellt werden, dass nur Gleichgesinnte oder Auserwählte den Spruch verstehen. Die Bezeichnung Imprese etabliert sich erst im 16. Jahrhundert, die aufkommende Mode des Sinnbildes mit einem Wahlspruch fällt jedoch in die Blütezeit der Herrschaftsfamilie Visconti und Sforza und auch der Tarocchi. Im Gegensatz zu den Wappen verweisen die Impresen nicht auf die Herrschaftsfamilie oder Dy-

nastie, sondern sind für einzelne Personen erstellt und ergänzen so das Familienwappen. Impresen wurden gelegentlich auch für ein bestimmtes Ereignis oder Vorhaben kreiert, sodass es durchaus möglich ist, dass eine Person mehrere Impresen besitzt. Impresen oder auch nur das persönliche Sinnbild wurden beispielsweise an Bauwerken auf verschiedene Weise eingearbeitet, in Schriftstücke gemalt, auf Kleidung gestickt oder auf Portraits abgebildet. In Portraits wurden sie bevorzugt auf der Kopfbedeckung oder an der Schulter eingearbeitet, wenn es galt auf eine Person rühmlich zu verweisen oder sie überhaupt kenntlich zu machen. Durch solche Darstellungen sind einzelne Persönlichkeiten einer Herrscherfamilie individuell hervorgehoben. Darüber hinaus lassen auch die Bildgestaltung oder die inhaltliche Aussage des Sinnspruches hin und wieder Rückschlüsse auf das Machtverständnis oder die Festigkeit der Machtposition jener Person zu. Gelegentlich griffen nachfolgende Machthaber auf das Sinnbild oder die Devise eines Vorgängers zurück, wenn sie ihre Macht im Verständnis des Vorgängers präsentieren wollten. Nur selten kam es hingegen vor, dass ein Besitzer eine Imprese oder eines ihrer Teile aus Wohlwollen oder als Dank zur weiteren Verwendung verschenkt. Die Tarocchi entstammen aus dem 15. Jahrhundert und damit aus einer Zeit, in der sich die Impresen noch in ihrer Entwicklung befanden und die einzelnen Bestandteile der Imprese noch nicht fest definiert waren. Deshalb können sich in Darstellungen der Tarocchi auch nur die Devisen, weitaus öfter aber nur die persönlichen Sinnbilder einzelner Personen finden. Die Mehrzahl der in den Tarocchi abgebildeten Impresen verweisen auf die Familien Visconti und Sforza.

Büttner/Gottdang, Einführung Ikonographie, S. 136. und Warncke, Symbol, Emblem, Allegorie S. 33. Büttner/Gottdang, Einführung Ikonographie, S. 136. 10 Le „imprese“ Visconti-Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese02.htm (acc. 9. 9. 2020). 11 Warncke, Symbol, Emblem, Allegorie S. 33. 12 Le „imprese“ Visconti-Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese02.htm (acc. 9. 9. 2020) und Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 64 und 321. 8

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8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi

8.4 Landschafts- oder Stadtansichten Ein weiteres Detail, das auf die Herkunft der Tarocchi hinweist, sind dargestellte Ansichten von Landschaften oder Städten, die Veduten. Eine Vedute stellt die charakteristischen Merkmale eines Ortes, sei es ein Platz, eine Stadt oder eine Landschaft naturgetreu dar. Wichtigstes Gestaltungsmerkmal ist hierbei die Wiedererkennbarkeit dieses Ortes. Dazu können auch „verschiedene in Wirklichkeit nicht zusammengehörende Bauten […] vereinigt werden, oder es kann eine ideale Ansicht dargestellt werden“. 13 In der Portraitmalerei der Renaissance wurden Landschaftsausschnitte

häufig bei der portraitierten Person dargestellt und sollten so vermitteln, dass die abgebildete Person Land besitzt. 14 Auch diese gemalten Landschaften heben charakteristische Merkmale des Landbesitzes oder Herrschaftsbereiches hervor, wie entsprechende Bauwerke mit Bezug zur Person. Aber auch Kirchen, Flüsse oder Seen werden in der Darstellung dieser Landschaften hervorgehoben. 15 Allerdings sind Darstellungen von Landschaften in den Tarocchi recht selten. Gleichwohl geben auch die wenigen gemalten Ansichten durchaus Einblicke in den lokalen Hintergrund der Tarocchi.

8.5 Eingearbeitete Wappenfarben Auf Personendarstellungen und anderen Gemälden der Renaissance wurden auch die Muster oder Farben der Gewänder symbolhaft in die Darstellung eingearbeitet, um dargestellte Personen kenntlich zu machen. So können Gewandmuster den Motiven des Sinnbildes der Imprese entnommen sein. Beispielsweise wurden stilisierte Pflanzen auf der Kleidung dargestellt. Sind bestimmte und sich wiederholende Farben dargestellt, entsprechen sie meist jenen, die im Wappen der dargestellten Person enthalten sind. Beliebt waren Darstellungen von jungen Männern in Mipati mit verschiedenfarbigen Beinen. Dieses Stilmittel der Kunst folgte der Mode für junge Herren an den italienischen Höfen der frühen Renaissance, wo hautenge und auch mehrfarbige Beinkleider große Mode waren. Die Farben dieser Beinkleider waren in authentischen Wappenfarben gehalten. 16 Auch auf einigen Motiven der Tarocchi finden sich derartige Darstellungen. Selbst bei höfischen Festlichkeiten wurden Kleider in Wappenfarben getragen. So richtete Gian Galeazzo Visconti 1362 ein Ritterturnier aus, bei dem achtzig Ritter gegeneinander antraten. Die eine Hälfte der

Ritter war dabei in rot gekleidet, die andere Hälfte in weiß. 17 Als Galeazzo Maria Sforza und Bona von Savoyen im Jahr 1471 den Hof in Florenz besuchten, zogen sie mit einem großen Zug zu Pferd ein, prächtig in Gold und Silber gekleidet. Ihre zahlreichen Bediensteten wurden für diesen Anlass eigens neu eingekleidet. Für ihre neue Kleidung wurde Seide in den Sforza-Farben verarbeitet. 18 Rot und weiß waren beliebte Farben jener Zeit und sind häufig als Wappen mit rotem Kreuz auf weißem Grund zu finden, wie das Stemmario Trivulziano cod. 1390 zeigt. Auf silbernem oder weißem Grund ein rotes Kreuz ist das Wappen der „Comunitas mediolani“, 19 der Stadt Mailand und Zentrum des Herzogtums der Visconti und Sforza. In den Tarocchi finden sich Darstellungen dieser Farben, bei denen männliche Figuren auf Trümpfen, Reiter und Buben rot-weiße Mipati tragen, von denen ein Bein rot und das andere weiß gemalt ist. Diese Art die Beinkleider zu tragen, entsprach offensichtlich auch der Gewohnheit von Filippo Maria Visconti, wie Decembrio sein Sekretär wissen ließ:

Vedute, In: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/vedute (acc. 7. 9. 2020). Wilhelmi, Porträts der Renaissance, S. 32. 15 Wilhelmi, Porträts der Renaissance, S. 27. 16 Männer in Strumpfhosen, Mode der Renaissance, in: Spiegel Geschichte, 6, 2013, S. 94–95; Welch, Art and authority, S. 7. 17 Muir, History of Milan, S. 98. 18 Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 100. 19 Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 64 links oben, 66 links oben und 321; und Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 1390. In: graficheincomune.comune.milano.it (acc. 14. 8. 2019). 13

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8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi

„Seine Strümpfe waren zweifarbig“. 20

Das Brambilla und das Visconti di Modrone zeigen einige solcher Figuren mit zweifarbigen Strümpfen. Immer ist die Farbgebung sehr konsequent das rechte Bein in weiß und das linke Bein in rot dargestellt. 21 Selbst bei Reitern in seitlicher Darstellung, bei denen nur ein Bein sichtbar ist, lässt sich diese Anordnung der Farben noch erkennen. Diese Farbverteilung entsprach genau der Gewohnheit von Filippo Maria Visconti das rechte Bein weiß zu kleiden. Etwas später als die beiden bereits genannten Spiele, entsteht das Visconti-Sforza-Spiel. Es zeigt ebenfalls rot-weiße Mipati, jedoch wird hier die konsequente Darstellung leicht aufgelockert. Sind bei dem Stab-Reiter und dem Kelch-Reiter in seitlicher Darstellung noch das rechte Bein in weiß sichtbar, kleidet der Kelch-Bube umgekehrt sein rechtes Bein in rot und das linke in weiß. Bei

der Figur des Münz-Buben lässt sich die ursprüngliche Farbgebung der Beinkleider aufgrund von Abrieb nur noch schwer erkennen. Vermutlich war aber das rechte Bein rot, das linke Bein hingegen zeigt von Fuß bis zum Knie blaue Farbe und am Oberschenkel weiß. Dieses Spiel wird Francesco Sforza und seiner Gemahlin Bianca Maria Visconti zugeordnet. Das in diesem Spiel hinzukommende Blau ist auf Francesco Sforza zurückzuführen. Blau kombiniert mit Weiß in wellenförmigen Linien war ein Zeichen und Farben der Sforza. Eindrücklich abgebildet ist dieses Zeichen beispielsweise auf der Weste des Francesco Sforza auf einem Altarbild von S. Sigismondo in Cremona und auf dem SforzaTriptychon von Rogier von den Weyden, Musèes Royeaux des Beaux Arts, Brüssel. Bis zu den jüngsten Spielen der Tarocchi findet sich die Gewohnheit verschieden farbige Beinkleider darzustellen.

8.6 Die Monogramme einiger Spielfragmente In einigen Spielfragmenten zeigen sich auf verschiedenen Karten Buchstabenfolgen, möglicherweise Initialen mit Verweisen auf den Titel einer Person. Die Signete bestehen alle aus drei Buchstaben. Leider ist die Mehrzahl dieser Spielfragmente lediglich in dürftigen Abbildungen dokumentiert, wodurch das Lesen der Buchstaben beeinträchtigt wird. Darüber hinaus sind die gotischen Majuskeln mehrdeutig zu interpretieren, was die Erfassung der Bedeutung der Buchstaben zusätzlich erschwert. Auf dem Schwert-König des Tozzi-Fragments ist der Sockel des Throns auf dem der König sitzt mit drei Buchstaben verziert. Links steht der Buchstabe „A“. Dieser Buchstabe ähnelt zwar auch dem

Abbildung 4: Ausschnitt Schwert-König, Tozzi. ungekannte Privatsammlung. Entnommen aus d’Otrange, Thirteen Tarot Cards

„F(i)“ aus der Signatur „F(i)–M–D–M“ [Filippo Maria Dux Mediolani], 22 mit dem Filippo Maria Visconti an anderen Stellen zeichnet, so im Stundenbuch der Visconti 23 und auf seiner Münze Fio-

Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 37. Wenn auch die weiteren Angaben aus Decembrio/Funk: „der rechte glänzte in weiß, der linke war amethystfarben“, nicht mit den Darstellungen der Tarocchi übereinstimmen, so ist doch anzunehmen, dass die Gewohnheit Filippo Maria Viscontis zweifarbige Strümpfe zu tragen zur damaligen Zeit eigentümlich genug war, in die Tarocchi aufgenommen zu werden. Nach der Beschreibung von Decembio/Funk bevorzugte Filippo Maria Visconti purpurfarbene oder amethystfarbene Kleidungsstücke. Wenn nun die Farben der Strümpfe oder ihre Anordnung mit den Tarocchi nur in einer Farbe übereinstimmen, mag die Gewohnheit zweifarbige Strümpfe zu tragen, dem Maler der Tarocchi Anlass gewesen sein, hier die Wappenfarben in künstlerischer Freiheit einzuarbeiten. 21 Die entsprechenden Darstellungen sind im Brambilla Münz-Bube, in seitlicher Darstellung beim Münz-Reiter linkes Bein in rot sichtbar und StabReiter linkes Bein in weiß sichtbar. Das Visconti di Modrone zeigt mit zweifarbigen Mipati die drei Untertanen des „Herrschers“; der Bräutigam der „Liebenden“; Münz-König und sein Untertan; Untertanen des Schwert-König und des Stab-Königs, Stab-Bube; weiter in seitlicher Darstellung der Münz-Reiter, das sichtbare rechte Bein in weiß; ebenfalls in seitlicher Darstellung der Kelch-Reiter und der Reiter mit Standarte auf dem Motiv der „Welt“, bei diesen beiden Karten ist das linke Bein sichtbar in rot. 22 Di Domenico, Il libro d’ore. Schede descritive, S. 149. 23 Meiss u. a., The Visconti Hours, LF 72. 20

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8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi

Abbildung 5: Ausschnitt „Sonne“, „Guildhall wide“. The Collection of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, London. Reproduced with kind permission.

rino, 24 die auch im Münzsatz des Visconti di Modrone abgebildet ist. Doch lassen der waagerechte durchgezogene Deckenbalken und der ausgeprägte rechte Fuß des linken Schafts nur den Schluss eines „A“ zu. 25 Unter der Fußspitze des linken Beins des Königs verbirgt sich der zweite Buchstabe „I“. Dieser Buchstabe fiel bereits Ron Decker auf, er ist Kunsthistoriker und ehemals Kurator der Sammlung antiker Spielkarten der United States PlayingCard Company in Cincinnati. 26 Auch er liest ein „I“ oder ein „V“. 27 Den Buchstaben als „V“ zu interpretieren, ist kaum möglich, da dies im Kontext, der in den Tarocchi verwendeten Abkürzungen der Visconti und Sforza unüblich ist. Rechts davon befindet sich der dritte Buchstabe, als „C“ oder „G“ zu interpretieren. Die Buchstabenfolge könnte folglich „A–I–C“ oder „A–I–G“ lauten. Das Motiv der „Sonne“ der „Guildhall wide“ zeigt oberhalb der Sonne ebenfalls drei Buchstaben. Links ist deutlich ein „M“ und rechts deutlich ein „A“ zu lesen. In der Mitte steht ein „I“, eventuell auch ein „C“, wobei der Abkürzungsstrich über dem Buchstaben zu beachten ist. So lautet diese Buchstabenfolge „M–I–A“ oder „M–C–A“. Wenig Schwierigkeiten zu lesen, bereitet die Buchstabenfolge auf dem Motiv der „Sonne“ der Goldschmidt-Karten. Auf einem Dreiberg stehen die Buchstaben „M–A–C“. Die Karte des Wagens im „Le Tarot dit de Charles VI“ zeigt möglicherweise ebenfalls Initialen. Die Figur steht auf einem Sockel mit auffälliger Bemalung. In deren Mitte ist ein dick gestaltetes

Abbildung 6: Ausschnitt Sonne, Goldschmidt-Karten. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

Zeichen in Gold zu sehen, das als Buchstabe „I“ gelesen werden kann. Rechts und links davon sind Zeichen gemalt, die auf den ersten Blick als gespiegelt angeordnete Blumenornamente angesehen werden können. Doch sind sie recht asymmetrisch gestaltet und deshalb eher von anderer Bedeutung. Buchstaben sind durchaus in Betracht zu ziehen. Rechts wäre dann ein „G“ aufgebracht. Das linke Zeichen ist sehr viel undeutlicher, möglich ist hier ein „F“ mit einem höchst schmuckvoll auslaufenden Querbalken oben. Ebenso möglich, ist ein „A“ mit dem schwungvollen Schnörkel als rechten Balken. Als dritte Möglichkeit stünde links ein schmückendes Ornament und rechts der mit Schnörkeln kaschierte Buchstabe „G“. Demnach ergeben sich als mögliche Kombinationen von Zeichen und Buchstaben: „�–I–�“; „F–I–G“; „A–I–G“ oder „�–I–G“. Beachtenswert ist die Kombination „A–I–G“, die auch für die Unterschrift des Schwert-Königs im Tozzi-Fragment möglich ist. Trotz intensiver Recherche, dem Abgleich von Schriftbildern im Stundenbuch der Visconti und auf verschiedenen Münzen, sowie Schriftwechsel mit Paläographen 28 konnten die Buchstaben nicht

Crippa, Le monete di Milano, S. 119–120. Private Email an die Verfasserin von Prof. Dr. Harald Derschka vom 06.12. 2016. 26 Decker/Dummett, A history of the occult tarot, Angaben auf hinterem Buchdeckel. 27 Decker, Early Tarots, in: The Playing Card, Volume IX, No. 1, 1980, S. 25. 28 Schriftverkehr durch private Emails der Verfasserin mit Prof. Dr. Thomas Frenz, Universität Passau vom 16./18.1. 2017 und Prof. Dr. Harald Derschka, Universität Konstanz vom 6.12. 2016. 24 25

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8 Bildliche und andere Signaturen der Tarocchi

eindeutig interpretiert werden. Im Stundenbuch und auf Münzen der Visconti werden ebenfalls Buchstabenkombinationen als Abkürzung für Person und Titel verwendet. Jedoch finden sich keine entsprechenden Abkürzungen oder Buchstabenkombinationen in den für diese Arbeit verwendeten Quellen oder der Literatur. Die hoffnungsvoll begonnene Recherche brachte keine Klarheit und hinterlässt die Bedeutung der Buchstaben noch immer rätselhaft. Augenscheinlich bestätigen die Buchstaben lediglich ein eher frühes Umfeld der Visconti und Sforza. Als Kriterien der Erkennung und Zuordnung der Spielfragmente scheiden sie für diese Arbeit somit leider aus. Es bleiben lediglich einige Vermutungen, die an gegebener Stelle zur Einordnung der entsprechenden Spielfragmente formuliert werden.

Abbildung 7: Ausschnitt „Wagen“, „Tarot dit de Charles VI“. Bibliothèque nationale de France, Paris

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9 Herzöge von Mailand 1395–1500

Der folgende Abschnitt dient dazu, einen Überblick über die Herzöge Visconti und Sforza zu geben, die mit den Tarocchi in Verbindung gebracht werden können. An dieser Stelle sollen jedoch lediglich kurze biografische Abrisse vorgestellt werden, für ausführliche Biografien sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. Vielmehr erscheint es angebracht, Aspekte ihrer Persönlichkeiten zu betonen, die in der Überlieferung, Literatur und Biografien

eher nebensächlich erwähnt werden. Denn im Verlauf dieser Arbeit hat sich gezeigt, dass aus Sicht der Besitzer der Tarocchi subjektiv als wichtig empfundene Gesichtspunkte gerne in die Tarocchi aufgenommen wurden. Solche Lebensumstände eines Herrschers, die sich direkt an einem Tarocco ablesen lassen, werden an entsprechender Stelle bei Beschreibung des Spiels ausgeführt.

9.1 Gian Galeazzo Visconti Gian Galeazzo Visconti wurde 1351 geboren. Er wuchs im Kastell zu Pavia auf, welches sein Vater Galeazzo II erbaut hatte. In jungen Jahren widmete er sich den Studien der Geisteswissenschaften, der Rechtswissenschaft, griechischen Werken von Plato oder Virgil, ebenso wie Schriften von den Kirchenvätern St. Ambrosius und St. Augustinus. 1 Er hegte eine große Liebe zur Wissenschaft und sammelte Handschriften. In Pavia gründete er die damals berühmte Universität und die dazugehörige bedeutende Bibliothek. 2 Schon früh wurde er mit Isabella von Valois aus Frankreich verheiratet. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Zunächst die Tochter Valentina, die später an den französischen Hof verheiratet wurde. Danach drei Söhne, die alle im Kindesalter starben. Isabella starb bei der Geburt des dritten Sohnes und Gian Galeazzo Visconti wurde bereits im Alter von 21 Jahren Witwer. Seine zweite Ehe schloss er mit seiner Cousine Caterina Visconti, einer Tochter von Bernabo Visconti und Regina della Scala. Diese Ehe blieb lange Zeit kinderlos, doch Gian Galeazzo Visconti brauchte dringend einen männlichen Erben. Er galt als sehr religiös, unternahm Wallfahrten und stiftete mehrere Kapellen in seinem Herrschaftsbereich. So legte er ein Gelübde ab, sollte er weitere Kinder bekommen, wolle er sie alle nach der Jung1 2 3 4

frau Maria nennen. Er wolle dann auch der Muttergottes eine große Kathedrale bauen und sie ihr weihen. 3 Als Caterina dem lang ersehnten Sohn und Thronfolger das Leben schenkte, wurde er auf den Namen Giovanni Maria getauft. Auch der zweitgeborene Sohn Filippo Maria wurde zu Ehren der Jungfrau benannt. Bei allen weiteren Nachkommen der Visconti und selbst später bei den Sforza wurde diese Tradition weiter befolgt. Gian Galeazzo Visconti begann nach der Geburt von Giovanni Maria mit dem Bau des Doms von Mailand. Der Charakter von Gian Galeazzo Visconti wird als diplomatisch beschrieben, klug, weitsichtig und umsichtig agierend. Sein Regierungsstil wird überliefert als organisatorisch leitend und lenkend, die Ausführung seiner Anweisungen habe er delegiert. Seine Umgebung habe ihm Respekt gezollt und er gewann dadurch eine natürliche Autorität. Seit dem Tod seines Vaters leitete er seine Armeen nicht mehr selbst, sondern übergab deren Leitung an Heerführer. Dies begünstigte das Aufkommen das Kriegswesen der Condottiere in ganz Italien jener Zeit. Gleichwohl bediente er sich auch taktischer Kniffe bis hin zu derben Maßnahmen, um seine politischen Gegner auszuschalten und die Politik in die von ihm beabsichtigte Richtung zu lenken. 4

Burckhardt, Cultur der Renaissance, Bd. 1, S. 13; Muir, History of Milan, S. 90. Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XIV; Muir, History of Milan, S. 233. Meiss u. a., The Visconti Hours, S. 23; Muir, History of Milan, S. 108. Muir, History of Milan, S. 105.

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9 Herzöge von Mailand 1395–1500

Sein Vater Galeazzo II teilte sich die Macht in Mailand mit seinem Bruder Bernabo, nach dem Tod von Galeazzo II übernahm Gian Galeazzo Visconti den väterlichen Teil der Macht von Mailand und regierte zusammen mit seinem Onkel. Alfred Hagelstange lobt Gian Galeazzo Visconti, er sei „zweifellos die bedeutendste Erscheinung unter Mailands Herrschern aus dem Hause Visconti“. 5 Die Innenpolitik von Gian Galeazzo Visconti zeichnete sich durch eine verlässliche und konsequente Staatsführung, weitreichende Reformen und Steuerentlastungen aus, die auch der Bevölkerung zugutekamen. Gleichwohl sanktionierte seine Regierung Verbrechen mit harten Strafen. 6 Die Außenpolitik von Gian Galeazzo Visconti war auf Expansion des Visconti-Territoriums gerichtet, mit den Jahren eroberte er einige Städte in Oberitalien für die Visconti. Seine politische Vision war die eines vereinten italienischen Nationalstaates. 7 Im Jahre 1385 erkaufte er sich von König Wenzel den Titel des Herzogs von Mailand. Dieser Titel war erblich und wurde an den erstgeborenen Sohn

weitergegeben. 8 Den Titel des Herzogs zu erlangen, war der Höhepunkt seiner politischen Laufbahn. Auf einem seiner Eroberungszüge starb er 1402 in Melegnano plötzlich. Wie es heißt „an einem Fieber“, 9 einer nicht weiter erklärbaren Krankheit. Gian Galeazzo Visconti starb völlig unerwartet auf dem Zenit seiner Macht. In seinem Testament aus dem Jahr 1401 teilte er seinen Herrschaftsbereich auf. Giovanni Maria als Erstgeborener wurde Herzog von Mailand, Filippo Maria bekam das Kastell und Ländereien in Pavia. Seine Witwe Caterina erbte eine große Summe Geld und wurde Regentin von Herzog Giovanni Maria. Sein Testament enthält einen Passus, sollten seine Söhne keine männlichen Nachkommen haben, möge das Erbe an die Nachkommen seiner Tochter Valentina und damit an den französischen Hof fallen. 10 Dieser Passus sollte sich in der weiteren Erbfolge noch als schwierig und Grund für langandauernde Spannungen zwischen den Herrschern des Herzogtum Mailand und Frankreich erweisen.

9.2 Giovanni Maria Visconti Giovanni Maria Visconti wurde im Jahr 1388 als erster Sohn und lang ersehnter Thronfolger von Gian Galeazzo Visconti und seiner zweiten Frau Caterina Visconti geboren. Er war beim Tod seines Vaters erst 14 Jahre alt, deshalb wurden ihm Regenten zur Seite gestellt, darunter seine Mutter und der Condottiere Facino Cane. Mit seiner Mutter überwarf er sich später, die sich daraufhin nach Monza zurückzog. Dort wurde sie gefangen gesetzt und starb schließlich 1404. Gerüchte für ihren Tod verantwortlich zu sein, blieben an Giovanni Maria haften. 11 Sein Wesen wird allgemein als grausam be-

schrieben, es heißt er sei ein „furchtbarer Wüterich“ 12 gewesen, getrieben von „wahrem Blutdurst“. Er besaß Hundemeuten, die er auf Menschen gehetzt haben soll. 13 Mit Antonia Malatesta ging er eine Ehe ein, die jedoch kinderlos blieb. Nach dem Tod seiner Mutter lag die Regentschaft und damit die Macht über Mailand in den Händen von Facino Cane. Als dieser schwer erkrankte, geriet Giovanni Maria zwischen die Fronten konkurrierender Gruppen um die Macht. Er wurde am 16. Mai 1412 im Alter von 24 Jahren beim Kirchgang auf den Stufen von San Gottardo

Hagelstange, Holzschnitt-Portraits der Visconti, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, S. 92. Muir, History of Milan, S. 180. 7 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XVII; Muir, History of Milan, S. 90–91. 8 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XV; Muir, History of Milan, S. 101. 9 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XVII; Hagelstange, Holzschnitt-Portraits der Visconti, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, S. 94; Muir, History of Milan, S. 118. 10 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XVIII; Muir, History of Milan, S. 125. 11 Muir, History of Milan, S. 209. 12 Hagelstange, Holzschnitt-Portraits der Visconti, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, S. 95. 13 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XIX. 5

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9 Herzöge von Mailand 1395–1500

in Mailand ermordet. Es heißt, Mailand sei bei der Nachricht seines Todes ruhig geblieben. Facino Cane starb am gleichen Tag wie Giovanni Maria. 14

Von Giovanni Maria Visconti sind eigene Münzen als Herzog von Mailand mit seinen Initialen überliefert, jedoch keine eigenen Impresen.

9.3 Filippo Maria Visconti Filippo Maria Visconti wurde im September 1392 15 als zweiter Sohn von Gian Galeazzo Visconti und seiner Ehefrau Caterina Visconti geboren und wuchs im Kastell der Familie in Pavia auf. Nach dem Tod seines Vaters 1402 erbte er dieses Kastell und die Grafschaft Pavia. Als Zweitgeborener erlebte er fernab der Politik eine unbekümmerte Kindheit und Jugend, während sein älterer Bruder Giovanni in Mailand regierte. Die Wendung im Leben von Filippo Maria Visconti erfolgte, als sein Bruder 1412 ermordet wurde und er als dritter Herzog von Mailand seine Nachfolge antrat. Er regierte die folgenden Jahre bis zu seinem Tod 1447 und ist damit derjenige Herzog der Dynastie Visconti-Sforza, der die Politik Mailands am längsten lenkte. Seinen Wohnsitz wechselte er mit Beginn seiner Regierung in das Kastell zu Mailand (heute Castello Sforzesco). Mit knapp 20 Jahren katapultierten ihn die Ereignisse in die Politik und die Geschicke Mailands lagen unerwartet in seinen Händen. In den ersten Jahren seiner Herrschaft verfolgte er das politische Ziel, das Territorium seines Vaters zurückzuerobern, denn in der Regierungszeit seines Bruders war der Herrschaftsbereich zunehmend zerfallen. Später sah er sich mehr und mehr im Widerstreit mit den großen politischen Mächten der Zeit in Oberitalien Florenz und Venedig, um die Grenzen seines Herzogtums zu festigen. Er sollte bis zum Ende seiner Herrschaft in Territorialkriege verwickelt sein und einige Condottieri in seinem Sold verschleißen. Bei seinen politischen Ambitionen bewegte er sich gänzlich in der Tradition seines Vaters. Filippo Maria Visconti heiratete zweimal, zunächst Beatrice von Tenda, später Maria von Savoyen. Beide Ehen waren politisch motivierte Verbindungen, die kinderlos bleiben. Mit einer seiner

Geliebten Agnese del Maino hatte er eine illegitime Tochter Bianca Maria, die er später von König Sigismund legitimieren ließ. 16 Er verlobte sie aus machtpolitischem Kalkül im Kindesalter mit dem erfolgreichen Condottiere Francesco Sforza. Damit wollte er sich die Loyalität des Condottiere in den Territorialkriegen sichern. Durch Taktieren hielt er Francesco Sforza jedoch hin und zögerte die Hochzeit hinaus, die erst zehn Jahre nach der Verlobung stattfinden sollte. Filippo Maria Visconti galt Zeit seines Lebens als Sonderling, ängstlich, menschenscheu und abergläubisch. Sein Sekretär Decembrio beschrieb dessen Leben und Charakter mit großer Freude am Detail. Danach zeichnet sich von Filippo Maria Visconti auch ein Bild als eigentümlicher Herrscher. Er wird als äußerlich ruhig beschrieben, seinen Mitmenschen gegenüber jedoch misstrauisch. Darüber hinaus soll er über ein gutes Gedächtnis verfügt haben und konnte deshalb auch nachtragend gewesen sein. 17 Seine Höflinge mussten damit rechnen, dass er sie bloßstellte. Er galt als findig für strategische Winkelzüge, was ihn für seine Mitmenschen und besonders für seine Kriegsgegner unberechenbar erscheinen ließ. Sein politisches Handeln wirkte deshalb, wie Phillip Funk es ausdrückt, wie eine „Schachbrettpolitik“. Auch bescheinigt Phillip Funk Filippo Maria Visconti eine „übergroße Pfiffigkeit“ mit der er seine politischen Gegner gegeneinander ausspielen konnte und sie taktierend in Schach hielt. Diese politische Begabung beruhte auf seiner ihm eigenen Beobachtungsgabe mit einer Scharfsinnigkeit bis zum Argwohn. Er hatte die Fähigkeit Eventualitäten der mitwirkenden Kräfte im Voraus zu erkennen, um dann mit Entschlossenheit und vor allem schnell zu handeln. Nach diesen Berichten hatte Filippo Maria Visconti die von Zeitgenos-

Vgl. hierzu Muir, History of Milan, S. 131–132; und Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XX. Die Angaben über den genauen Tag der Geburt variieren in den verschiedenen Quellen, deshalb wird hier nur der Monat und das Geburtsjahr angegeben. Alle Angaben, soweit nicht anders belegt sind den folgenden Quellen entnommen: Vaglienti, Filippo Maria Visconti, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 8, cols. 1721–1722; Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 40–45. 16 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 6 und 23–24. 17 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 27. 14 15

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9 Herzöge von Mailand 1395–1500

sen wenig geschätzte Gabe, sehr gut einschätzen zu können, wenn eine Person in seinem Umfeld nach zu viel Macht griff und wenn ihm ein Gegner oder eine Person gefährlich werden konnte. Dann handelte er schnell und zielstrebig, um sich der Gefahr oder der Person gegebenenfalls auch unsanft oder gar grausam zu entledigen. 18 Seit seiner Kindheit hatte er Missbildungen an den Füßen, war kränklich und schwächlich. Oft stützte er sich beim Gehen auf einen Diener. In jungen Jahren war er noch schlank und hatte Freude an Pferden oder der Jagd. Im Alter wurde er jedoch zunehmend korpulent, was das Reiten und damit

auch die Jagd unmöglich machten. Einige Zeit vor seinem Tod erblindete er und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. 19 Filippo Maria Visconti starb, krank und in das Innerste des Kastells in Mailand zurückgezogen im August 1447. Bei der Bevölkerung Mailands war Filippo Maria Visconti ein ungeliebter Herrscher. Als die Mailänder von seinem Tod erfuhren, stürmten sie das Kastell und zerstörten es. Während dieser Unruhen wurde sein Leichnam aus Angst vor einer Schändung eiligst in den Dom zu Mailand gebracht und ohne weitere Begräbnisfeierlichkeiten beigesetzt. 20

9.4 Die Sforza übernehmen das Haus Visconti 9.4.1 Muzio Attendolo: Ursprung von Namen und Wappen der Sforza Der Familienname und das Wappen der Sforza gehen auf Muzio Attendolo, Vater von Francesco Sforza zurück. Muzio war Sohn des kinderreichen Bauern Attendolo im Dorf Cotigniola in der Emilia-Romagna. Als eines Tages die Armee an dem Dorf vorbeizog, verließ der etwa zwölfjährige Muzio sein Elternhaus und schloss sich der Armee an, um das Kriegshandwerk zu erlernen. Zu Beginn seiner Laufbahn wurde er im Armeelager in einen Streit verwickelt. Als der General Alberico da Barbiano hinzukam, verteidigte Muzio, das was er für sein Recht hielt. Daraufhin gab Barbiano ihm den Beinamen „Sforza“. 21 Dieser Beiname sollte ausdrücken, dass sich Muzio sogar seinem General trotzig entgegenstellte, spielte aber auch auf Muzios Mut und Kraft an. Fortan hieß er Muzio Attendolo Sforza, wobei sich der ursprüngliche Familienname Attendolo mit der Zeit verliert und sich stattdessen Sforza auch bei seinen Nachkommen durchsetzt. Muzio Attendolo Sforza führte als Zeichen eine (Apfel-)Quitte, italienisch „cotogna“, in Anlehnung an den Namen seines Heimatdorfes Cotigniola. Im Jahr 1401 schenkte ihm König Rupprecht das Wappen eines steigenden Löwen. Ein Löwe sei „würdig seiner Kraft“, so der König. Weiter gab Kö18 19 20 21 22

Abbildung 8: Medaillon der Cotogna, Außenwand der Apsis, S. Maria delle Grazie, Mailand. Foto: Sabine Abele-Hipp

nig Rupprecht dem Löwen eine Quitte in die linke Pranke. 22 Zehn Jahre später konnte Gegenpapst Johannes XXIII den Sold nicht bezahlen, deshalb belehnte er Muzio mit seinem Heimatort Cotignola

Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XXIII. Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 27–36 und 40–42. Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 56. Schelle, Die Sforza, S. 13–14; Semerau, Die Condottieri, S. 263–264. Schelle, Die Sforza, S. 15; Semerau, Die Condottieri, S. 265.

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und erhob ihn zum Grafen. Sowohl das Wappen als auch der Titel des Grafen waren erblich und gingen auf seine Nachkommen über. 23 Das Vollwappen der Sforza ist beispielsweise auf dem Mittelteil des Sforza-Triptichon von Rogier van der Weyden aus der Mitte des 15. Jahrhundert dargestellt, aufbewahrt in Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel. 24 Das Wappen befindet sich im Mittelbild unten rechts, auf dem grünen Wappenschild ist der steigende Löwe in Gold mit der Quitte in der Pranke dargestellt. Muzio Attendolo besiegte und tötete im Auftrag von Niccolo d’Este den Tyrannen von Parma und Reggio Ottobouno Terzo. Als Dank verbesserte Niccolo d’Este das Wappen der Sforza im Jahr 1409 mit einem Zeichen des Hauses d’Este, indem er ihnen das Recht gab, fortan einen Diamantring im Wappen zu führen. 25 Noch viele Jahre diente Muzio Attendolo Sforza wechselnden Dienstherren erfolgreich als Condottiere und verdiente sich so Ansehen, Lehen und Ländereien. Im Jahr 1424 traf er am Fluss Pescara auf die feindliche Armee seines alten Freundes und Zeltkameraden Andreas Braccio. Von hinten bedrängt, wollte Muzio mit seiner Armee über den Fluss setzen. Zu Pferd ging er voran und als er einen strauchelnden Pagen retten wollte, zog es den Mann in Rüstung selbst in die Fluten. Muzio und der Page wurden von dem Fluss mitgerissen und ertranken. 26 Nach den beiden damals legendären Condottieri Braccio und Sforza sind Stile der Waffenkunst benannt, die Bracceschi und die Sforzeschi. Sie standen sich gegenüber und waren damals richtungsweisend im Kriegswesen. Dies vermag die Bedeutung von Muzio Attendolo Sforza als Condottiere aufzuzeigen. Mit ihm begann der soziale Aufstieg der Sforza. Er legte den Grundstein für Ansehen und Besitz, auch an adeligen Symbolen, wie dem Wappen. Auf diesem Fundament konnten die nachfolgenden Generationen aufbauen. Sein Schicksal sei hier lediglich zur Vollständigkeit aufgeführt, denn keines seiner erworbenen Wappen-

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zeichen wird in den Tarocchi erscheinen. Auch dieses Ausblenden der väterlichen Zeichen ist eine Aussage, deren tiefere Bedeutung sich in der weiteren Entwicklung der Tarocchi noch erschließen wird.

9.4.2 Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza Bianca Maria Visconti erblickte am 31. März 1425 27 als einziges und illegitimes Kind von Filippo Maria Visconti das Licht der Welt, nach ihrer Legitimierung durch König Sigismund war sie eine adelige Prinzessin. Sie erhielt eine entsprechende Bildung und wuchs auf dem Kastell ihres Vaters in Abbiategrasso in der Nähe von Mailand auf, wo ihre Mutter über ihre Erziehung wachte. Francesco Sforza wurde am 4. Januar 1401 geboren als Sohn des Muzio Attendolo. Er wuchs am Hof von Niccolo d’Este auf, über seine Kindheit und Jugend ist darüber hinaus wenig bekannt. Mit elf Jahren holte ihn sein Vater in die väterliche Armee, wo er ebenfalls das Kriegshandwerk erlernte. Nach dem tragischen Tod seines Vaters übernahm er im Jahr 1424 die väterliche Armee. Die Soldaten akzeptierten ihn als ihren Anführer. Unter wechselnden Dienstherren, darunter Filippo Maria Visconti und der Republik Venedig, erkämpfte er sich den Rang eines der erfolgreichsten und bekanntesten Condottiere der Zeit. Um sich in den wechselnden Bündnissen die Loyalität von Francesco Sforza zu sichern, versprach Filippo Maria Visconti ihm seine Tochter Bianca Maria zur Frau. Francesco willigte ein und die Verlobung fand um 1431 statt. 28 Ihre Mitgift, die unter anderem aus der Stadt Cremona bestand, wurde zwar sofort übergeben, doch die Braut war noch zu jung für eine Hochzeit. So ging Francesco Sforza weiter seinem Beruf als Condottiere nach. Auch Filippo Maria Visconti kämpfte weiter unvermindert, um in den Territorialkriegen die Macht Mailands zu festigen und auszuweiten. Schließlich fand die Hochzeit von Bianca Maria und Francesco

Schelle, Die Sforza, S. 16; Semerau, Die Condottieri, S. 277. Sforza Triptych, In: https://www.wga.hu/html_m/w/weyden/rogier/13variou/7sforza1.html (acc. 8. 4. 2020). Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 7; Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 38. Schelle, Die Sforza, S. 22; Semerau, Die Condottieri, S. 286. Soldi Rondinini, Bianca Maria Visconti, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 2, cols. 37–38. Muir, History of Milan, S. 219; Schelle, Die Sforza, S. 88; Semerau, Die Condottieri, S. 288.

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am 24. Oktober 1441 in der Kirche San Sigismondo in Cremona statt, 29 die Braut war 16 Jahre und der Bräutigam 40 Jahre alt. Die Ehe war eine politisch motivierte Heirat, ein Zweckbündnis zwischen Filippo Maria Visconti und Francesco Sforza. Deren Verhältnis war bereits vor der Hochzeit schlecht, Filippo Maria nahm deshalb nicht an der Trauungszeremonie teil und blieb stattdessen im Kastell zu Mailand. Als Zweckbündnis zwischen den Männern begonnen, entwickelte sich in der Ehe zwischen Francesco und Bianca ein „wundervolles Einverständnis“. Bianca wird beschrieben als „virago“, eine „tapfere Frau, die hoch zu Ross inmitten der Soldaten“ ritt. Sie galt als „bemerkenswerte Persönlichkeit“, die Francesco in Abwesenheit bei Regierungsgeschäften vertrat. 30 Francesco zeigte ihr gegenüber eine „achtungsvolle Liebe“, nannte sie eine „unvergleichliche Frau“ und legte bei Regierungsgeschäften und sonstigen Schwierigkeiten stets Wert auf ihren Rat. 31 Eine derart einander liebevoll zugewandte, sich gegenseitig respektierende Paarbeziehung war für Ehen jener Zeit recht ungewöhnlich. Im Januar 1444 kam das erste Kind der beiden zur Welt, der Sohn erhielt den Visconti-Namen Galeazzo und als Zweitnamen Maria. Diese Namensgebung zeigt das Bemühen von Francesco Sforza um die Stärkung und Betonung der Visconti-Linie, ebenso wie seinen Anspruch auf seine legitime Stellung und damit letztlich auf die Nachfolge des Herzogs. Als nur wenige Jahre später im August 1447 Filippo Maria Visconti starb und seine Nachfolge völlig ungeregelt war, schien für Francesco Sforza das Ziel Herzog zu werden in unerreichbare Ferne gerückt. Doch er schaffte es nach Überwindung vieler Widrigkeiten und einiger Kampfhandlungen, die nach dem Tod von Filippo Maria Visconti von der mailändischen Bevölkerung ausgerufene Ambrosia-

nische Republik zu bezwingen. Am 22. März 1450 zog er feierlich in Mailand ein, in einem ebenso feierlichen Gottesdienst im Dom bekam er die Visconti-Insignien des Herzogs überreicht: Das Zepter, die viergeteilte Standarte mit der Visconti-Schlange und dem kaiserlichen Adler und weiter das Siegel und die Schlüssel der Stadt. Die Mailänder und die meisten Herrscher Italiens erkannten ihn als Herzog von Mailand an. Lediglich Neapel und Venedig verweigerten die Anerkennung. Frankreich hielt die Ansprüche, die aus dem Testament von Gian Galeazzo Visconti hervorgingen aufrecht, bedrohte Mailand jedoch nicht aktiv. 32 Kaiser Friedrich III versagte Francesco Sforza Zeit seines Lebens die kaiserliche Anerkennung. 33 Noch einige Jahre schwelten in und um Mailand Konflikte, während Francesco Sforza um Frieden bemüht war. Jedoch erst der Frieden von Lodi am 4. April 1454 brachte für die nächsten Jahre Frieden zwischen Mailand und Venedig. Florenz und Mantua schlossen sich an und Neapel folgte etwas später. 34 Weitere neun Jahre später schloss Francesco Sforza Freundschaft mit Frankreich und bekam Genua als Lehen. 35 Francesco Sforza war auf dem Höhepunkt seiner Macht, er hatte in Italien politisch freie Hand. Genua brachte ihm die Herrschaft über weite Teile der westlichen Küste Italiens. Er beherrschte im Mittelmeer nun so viele Gebiete, dass er nur hinter Venedig zurückstehen musste. Er wurde in alle politischen Entscheidungen des Landes einbezogen. 36 Nun konnte Francesco Sforza seine Macht innenpolitisch festigen. Darüber hinaus stiftete er Hospitäler und widmete sich der Kunst und Literatur. Gleichzeitig war Bianca ihren Untertanen gegenüber freigiebig, sie spendete beispielsweise Töchtern von bedürftigen Adeligen eine Mitgift. 37 Diese Jahre brachten einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung für das Herzogtum. Mailand kam unter der Herrschaft von Francesco

Schelle, Die Sforza, S. 98; Soldi Rondinini, Bianca Maria Visconti, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 2, cols. 37–38; Schmid, Sforza Francesco, in: Verlag Traugott Bautz GmbH (Hg.): Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band IX, Spalten 1576–1578. 30 Semerau, Die Condottieri, S. 302–303. 31 Schelle, Die Sforza, 106 und 119. 32 Schelle, Die Sforza, S. 112. 33 Schmid, Sforza Francesco, in: Verlag Traugott Bautz GmbH (Hg.): Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band IX, Spalten1576–1578. 34 Schelle, Die Sforza, S. 117; Schmid, Sforza Francesco, in: Verlag Traugott Bautz GmbH (Hg.): Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band IX, Spalten1576–1578. 35 Schelle, Die Sforza, S. 127. 36 Schelle, Die Sforza, S. 127–128. 37 Semerau, Die Condottieri, S. 302. 29

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Sforza zu Wohlstand. Doch diese Machtfülle und der innere Frieden währten nur kurz. Im Jahr 1466 wurde Francesco Sforza krank und starb innerhalb weniger Tage. Bianca Maria legte ihm auf dem Totenbett symbolträchtig das Zepter in die rechte Hand. 38 Sie schaffte es noch alles Nötige für die Nachfolge zu regeln, indem sie Boten zu den Herrschern Italiens aussandte, mit der Bitte ihren ältesten Sohn Galeazzo Maria als Nachfolger anzuerkennen. Dann, so schreibt Klaus Schelle, brach sie zusammen und ihr Weinen war im ganzen Kastell zu hören. 39

Bianca und Francesco hatten zusammen acht Kinder. In der ersten Zeit nach Francescos Tod assistierte sie ihrem Sohn bei den Regierungsgeschäften. Aber es kam zu Spannungen zwischen den beiden. Galeazzo brach mit seiner Mutter und zwang sie 1467 Mailand zu verlassen. Sie wollte sich nach Cremona zurückziehen. Auf der Reise dorthin erkrankte sie und starb unerwartet in der Stadt Melegnano nahe Mailand. 40 Mit ihr starb die letzte Visconti, die Linie ging auf die Herrschaft der Sforza über.

9.5 Galeazzo Maria Sforza Galeazzo Maria Sforza wurde am 24. Januar 1444 in Fermo geboren, während des Feldzuges seines Vaters Francesco Sforza um die Mark Ancona mit Bianca Maria Visconti an seiner Seite. 41 Dem Kind wurde eine höfische Bildung zuteil, sein Erzieher Guinford Borizza schilderte das Kind als folgsam, fleißig und redegewandt. Besucher des Hofes waren beeindruckt von diesem intelligenten und wohlerzogenen Knaben. 42 Im jugendlichen Alter unternahm er Reisen zu den Höfen in Florenz und Ferrara. In dieser Zeit verändert er sein Wesen. Er entwickelte Eitelkeit und einen exklusiven Lebensstil mit Hang zum Luxus. Seine Interessen galten der Jagd und den Frauen. Francesco Sforza hatte wenig Vertrauen in die militärischen Fähigkeiten seines Sohnes. 43 Frühe Heiratspläne mit dem Haus Gonzaga wurden nicht verwirklicht. 44 Galeazzo Maria war 22 Jahre alt, als sein Vater starb und er ihm als Herzog von Mailand nachfolgte. Die Unterstützung seiner Mutter bei Regierungsgeschäften führte zu immer mehr Spannungen zwischen Mutter und Sohn bis Bianca Maria schließlich den Hof in Mailand verließ. Als sie auf ihrer Reise nach Cremona erkrankte, schaffte es

Galeazzo Maria noch an ihr Sterbebett zu reisen. Bianca Maria Sforza legte die Regierungsgeschäfte endgültig in seine Hände, bevor sie starb. 45 Bald darauf heiratete Galeazzo Maria im Jahr 1468 Bona von Savoyen. 46 Es war eine Heirat mit politischer Absicht. Galeazzo Maria Sforza hoffte so, die ständigen Spannungen mit Frankreich zu besänftigen, denn Bonas Schwester war mit dem französischen König verheiratet. Im Jahr darauf 1469 wurde ihr erster Sohn Gian Galeazzo Maria Sforza geboren, bei dessen Taufe Lionello d’Este Pate stand. Außenpolitisch profitierte Galeazzo Maria Sforza von dem Vertrag des Friedens von Lodi, den sein Vater geschlossen hatte und der in Italien das Gleichgewicht der politischen Kräfte zusammenhielt. Somit war die Zeit der ständig währenden Territorialkriege Mailands vorüber. Mit Frankreichs König Ludwig XI und Karl von Burgund kam es jedoch zu einigen Geplänkeln ohne größere Auswirkungen. Innenpolitisch konnte Galeazzo Maria Sforza einige Erfolge verzeichnen. Beispielsweise ließ er in der Lombardei Maulbeerbäume zur Seidenherstellung pflanzen. Und er erweiterte den be-

Semerau, Die Condottieri, S. 297. Schelle, Die Sforza, S. 132. 40 Muir, History of Milan, S. 220 Soldi Rondinini, Bianca Maria Visconti, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 2, cols. 37–38. 41 Schelle, Die Sforza, S. 133. Weiter im Folgenden auch Hogg, Sforza, Galeazzo Maria, in: Verlag Traugott Bautz GmbH (Hg.): Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band IX, Spalten 1579–1583. 42 Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 94. 43 Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 95 und 100. 44 Schelle, Die Sforza, S. 135. 45 Schelle, Die Sforza, S. 124. 46 Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 97; Schelle, Die Sforza, S. 135. 38

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stehenden Kanal von Mailand über Binasco nach Pavia. Von da an konnte er auf dem Wasserweg von Mailand in die Besitzungen von Pavia reisen. Während seiner Regierungszeit hielt er zweimal wöchentlich öffentliche Audienzen im Castello zu Mailand ab, bei denen er sich um die Angelegenheiten der mailändischen Bevölkerung kümmerte und gegebenenfalls Streitigkeiten schlichtete. Er veranlasste Bauarbeiten am Castello in Mailand, legte dabei allerdings hauptsächlich Wert auf prunkvolle Innenausstattung. Sein favorisierter Raum war die „Sala delle Columbine“, auf dessen Deckenbemalung die Imprese der Taube vielfach dargestellt ist. Das Castello wurde Schauplatz rauschender Feste und dort empfing er auch namhafte Besucher der Zeit. Galeazzo Maria Sforza konnte jedoch auch

sehr grausam sein. Es gibt Berichte über einen Priester, den er verhungern ließ. Oder er ließ Übeltätern ihre Hände als Strafe abschlagen, auch andere brachiale Vergeltungsmaßnahmen sind überliefert. Durch seinen Lebensstil und seinen Charakter genoss Galeazzo Maria Sforza wohl bereits bei Zeitgenossen einen ambivalenten Ruf. 47 Am Stefanstag des Jahres 1476 wollte er wie gewohnt an dem Weihnachtsgottesdienst in der Kirche San Stefano in Mailand teilnehmen. In der Kirche warteten bereits drei Männer, die aus verschiedenen Gründen an ihm Rache nehmen wollten. Beim Betreten der Kirche überwältigten sie ihn blitzschnell und stachen mit Dolchen auf den völlig überraschten Herzog ein. Galeazzo Maria Sforza starb noch in der Kirche. 48

9.6 Gian Galeazzo Maria Sforza Gian Galeazzo Maria Sforza wurde am 20. Juni 1469 als erster Sohn von Galeazzo Maria Sforza und Bona von Savoyen geboren. 49 Er war erst sieben Jahre alt, als sein Vater ermordet und er selbst im Januar 1477 zum Herzog ernannt wurde. Im April 1478 erfolgte eine öffentliche Inthronisierungszeremonie. Die Regierungsgeschäfte als Herzog übte er jedoch nie aus, denn zunächst übernahm seine Mutter die Regentschaft. Aber sein Onkel Ludovico Sforza bemächtigte sich nach und nach ihrer Regentschaft, indem er Bona ins Exil schickte, ihr die Vormundschaft für Gian Galeazzo

Maria abnahm und später die Regierungsgeschäfte gänzlich führte. Gian Galeazzo Maria genoss während dessen ein Leben des höfischen Müßigganges, am liebsten bei der Jagd. Im Herbst 1488 wurde er mit Isabella von Aragon vermählt. Mit ihr zeugte er mehrere Kinder, darunter seinen Erstgeborenen und eigentlichen Nachfolger Francesco, genannt „il Ducchetto“, der von Ludovico in der Erbfolge jedoch übergangen wurde. Gian Galeazzo Maria Sforza, der von Kind an kränklich war, starb im Oktober 1494 an einer rätselhaften Darmkrankheit.

9.7 Ludovico Maria Sforza „il Moro“ Ludovico Maria Sforza wurde 1451 oder 1452 als vierter Sohn von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza geboren. 50 Den Beinamen „il Moro“ verdankte er wohl seinem Vater in Anspielung auf seinen dunklen Teint, seine schwarzen Augen und Haare. Bis zum zehnten Lebensjahr war er kränklich, gleichwohl wird er als geistig wach und von

sanftem Charakter beschrieben. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er repräsentative Aufgaben für das Herzogtum. Beispielsweise vertraten Ludovico und seine anderen Brüder den Herzog Galeazzo Maria Sforza in dessen Abwesenheit bei den regelmäßig stattfindenden Audienzen. Weiter holte er Bona von Savoyen in Genua ab und begleitete sie

Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 105–106. Auch Schelle, Die Sforza, S. 137–138. Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 111–114; Schelle, Die Sforza, S. 143–145. 49 Hier und im Folgenden siehe Schelle, Die Sforza, S. 148; Vaglienti, Gian Galeazzo Maria, in: Instituto della Enciclopedia Italiana (Hg.): Dizionario Biografico degli Italiani. 50 Die Quellenangaben über Geburtsdatum und Geburtsort differieren. Vgl. hierzu folgenden Artikel, auf den sich diese Ausführungen soweit nicht anders angegeben im Wesentlichen stützen: Ludovico Sforza, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/ludovico-sforza-detto-il-moro-duca-dimilano_(Dizionario-Biografico) (acc. 20.1. 2021). 47

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nach Mailand, wo im Juli 1468 deren Vermählung mit Galeazzo Maria stattfand. In seiner Jugend hegte er große Leidenschaft für die Jagd und Pferde. Er spielte gerne „a triomphi“. – Dies ist die einzige Erwähnung des Kartenspiels mit Trümpfen bei den Höfen der Visconti und Sforza. Der Wendepunkt in seinem Leben kam, als sein älterer Bruder und Herzog von Mailand Galeazzo Maria Sforza ermordet wurde. Zunächst schwor er zusammen mit seinen Brüdern Bona von Savoyen und Regentin ihres kleinen Sohnes Gian Galeazzo Maria die Treue. Alle Brüder bekamen eine jährliche Pension zugesprochen, doch sie waren nicht einverstanden mit Bonas Regierung und unzufrieden mit ihrer eigenen Situation. Deshalb zettelten sie einen Aufstand an, der jedoch misslang. In der Folge mussten sie Mailand verlassen. Ottaviano ertrank auf der Flucht. Sforza Maria zog sich in sein Herzogtum Bari zurück, wo er bald darauf starb. Filippo Maria entschwand ohne weitere politische Ambitionen aus dem öffentlichen Leben. Übrig blieben die politisch ehrgeizigen Brüder Ludovico und Ascanio, die aus Mailand verbannt wurden. Ludovico musste nach Pisa gehen, Ascanio nach Perugia. 51 Nur etwa ein Jahr später kehrte Ludovico 1479 an den Hof nach Mailand zurück und schaffte es, sich mit Bona von Savoyen zu versöhnen. Bona überließ ihm die Vormundschaft für den jungen Herzog. Daraufhin wurde sie angewiesen ihren Wohnsitz in Abbiategrasso zu nehmen und „il Duchetto“ wurde in das Schloss nach Pavia geschickt. Faktisch war Ludovico nun Regent des Herzogtums Mailand, der Titel des Herzogs blieb jedoch bei seinem Neffen. Die kaiserliche Anerkennung der Sforza als Herzöge von Mailand, die schon Francesco Sforza erbeten hatte, erfolgte jedoch erst viele Jahre später. Erst im Jahr 1495 vergab Kaiser Maximilian I nach seiner Heirat mit Bianca Maria Sforza, Tochter von Galeazzo Maria und Nichte von Ludovico, die Anerkennung als Herzog von Mailand an Ludovico Maria Sforza. Im Januar 1491 heiratete Ludovico Beatrice d’Este. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, Mas-

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similiano und Francesco II. Als seine Gattin nach nur kurzer Ehe im Kindebett 1497 starb, war Ludovico tief betrübt und verfiel in langanhaltende Lethargie, die alle seine Tätigkeiten und Ambitionen dämpfte. 52 Politisch war die Zeit der Amtsgeschäfte Ludovicos von territorialen Begehrlichkeiten verschiedener Parteien einerseits und seiner Suche nach Bündnissen andererseits geprägt. Als verhängnisvoll sollte sich das Bündnis mit dem französischen König Karl VIII erweisen. Ludovico beabsichtigte mit der Unterstützung der Franzosen seine eigene Macht gegen die Witwe seines Neffen Isabella von Aragon stärken. Sie kämpfte für ihren Sohn Francesco „il Duchetto“ als rechtmäßigen Erben des Herzogtums Mailand. Damit allerdings hätte auch das Königreich Aragon Zugriff auf das Herzogtum Mailand bekommen, was Ludovico unbedingt verhindern wollte. Der Bündnispartner König Karl VIII seinerseits wollte das Königreich von Aragon wieder für die Franzosen einnehmen. Dessen Italienfeldzug scheiterte jedoch in der Schlacht bei Fornovo im Sommer 1495 und er zog sich wieder nach Frankreich zurück. 53 Wenn dieser Feldzug von Karl VIII auch erfolglos war, so zeichneten sich doch die französischen Absichten in Italien deutlich ab. Im Frühjahr 1498 starb König Karl VIII und Ludwig XII folgte ihm nach. Mit ihm wurde ein Enkel von Valentina Visconti König von Frankreich. 54 Er wollte die Erbansprüche seines Hauses aus dem Testament von Gian Galeazzo Visconti durchsetzen und griff unverhohlen nach dem Herzogtum Mailand. 55 Dazu verbündete er sich mit Papst Alexander VI und Venedig gegen Mailand und marschierte in Italien ein. Weitreichende italienische Gebiete fielen an Frankreich. Als die französischen Truppen vor Mailand standen, entschloss Ludovico sich zur Flucht aus Mailand. Sein Weg führte ihn nach Innsbruck zur Residenz von Kaiser Maximilian I. Im September besetzten die Franzosen schließlich Mailand und bereits im Oktober hielt auch der französische König dort feierlich Einzug. Doch die Stimmung in Mailand wendete sich

Schelle, Die Sforza, S. 148–149. Beltrami/Bellini, Guida storica, S. 72. Siehe auch Schelle, Die Sforza, S. 176–185. Muir, History of Milan, Stammtafel der Visconti, S. 250. Eine ausführliche Beschreibung dieser Ereignisse findet sich bei Schelle, Die Sforza, S. 233–249.

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schnell gegen Ludwig XII und die französischen Truppen. Die Bevölkerung wünschte sich den Herzog der Sforza zurück. Ludovico mobilisierte neue Truppen und marschierte auf Mailand zu. Bei Como gelang es den Sforza und ihren Truppen im Februar 1500 die Franzosen so weit zurückzudrängen, dass Ludovico wieder im Mailand Einzug halten konnte und von der Bevölkerung freudig begrüßt wurde. Nach seiner Rückkehr verließ Ludovico die Stadt schon bald wieder. Sein Ziel war es, weitere Truppen zu rekrutieren mit deren Hilfe er die Franzosen endgültig aus dem Herzogtum vertreiben könnte. Zunächst gelang es ihm auch, den Franzosen die Stadt Novara wieder abzunehmen. Dabei geriet er jedoch in einen Hinterhalt und wurde in der Stadt eingeschlossen. Durch Verrat seiner schweizerischen Söldner fiel Ludovico Sforza im April 1500 den Franzosen in die Hände und wurde gefangengenommen. In verschiedenen Gefängnissen musste er seine Zeit als Gefangener verbringen, ohne je mit dem französischen König Ludwig XII sprechen zu können. Am 27. Mai 1508 starb Ludovico Maria Sforza il Moro in französischer Gefangenschaft in Loches. Mit der Gefangennahme Ludovicos endete die Ära Sforza und mit ihr die Tradition der Visconti, die mit Gian Galeazzo Visconti begonnen hatte und auf die Sforza übergegangen war. Die Macht der Sforza war zu Ende. Zwar kam nach der Vertreibung der Franzosen aus Mailand und Italien im Dezember 1512 mit Massimiliano, dem Erstgeborenen Ludovicos ein Sforza nach Mailand als Herzog zurück. Doch an die Bedeutung und den Glanz seiner Vorgänger konnte er nicht mehr anknüpfen. Er

musste nach einer neuerlichen Invasion von Frankreich bereits im Oktober 1515 nach nur drei Jahren Mailand wieder verlassen. Massimiliano ging nach Frankreich und verbrachte dort den Rest seines Lebens. Auch mit dem Zweitgeborenen von Ludovico Francesco II kam noch einmal ein Sforza auf den Thron des Herzogs von Mailand. Wie sein Bruder blieb er jedoch ein blasser Herrscher und starb 1530 kinderlos. Mit ihm starb auch diese Linie der Sforza aus. 56 Den Untergang des Sforza-Imperiums konnten die beiden Söhne von Ludovico Maria Sforza und Beatrice d’Este nicht aufhalten. Der Hof von Ludovico il Moro galt als der „glanzvollste Hof der Renaissance“ 57, als Zentrum der Kultur in Oberitalien. Hier wurden glanzvolle und üppig ausgestattete Feste gefeiert, Ludovico baute die Anwesen der Sforza um und aus. Er war Mäzen der Kunst und engagierte bedeutende Künstler der Zeit, wie Bramate oder Leonardo da Vinci. Das Grabmal in der Certosa in Pavia, das Beatrice d’Este neben ihrem Ehemann liegend darstellt, lässt facettenreich auf das Leben des Ludovico Maria in der Tradition der Visconti und Sforza blicken. Es zeigt zunächst das Selbstbewusstsein und Geltungsbedürfnis von Ludovico Maria als Herzog von Mailand. Weiter stellt er durch dieses Grabmal sein Kunstverständnis und die Rolle seines Hofes in der Kunst der Renaissance dar. Ebenso deutlich belegt der Bestattungsort noch vier Generationen nach Gian Galeazzo Visconti, dem Erbauer der Certosa und eigentlichen Begründer des Herzoghauses von Mailand, wie sich die nachfolgenden Herzöge der Sforza auf ihn und die Tradition der Visconti beriefen.

9.8 Die Visconti und die Sforza, ihre Vergnügungen und die Tarocchi Für die Freizeit- und Spielkultur am Hofe der Visconti gibt es keine Forschungsarbeiten, wie sie beispielsweise für die Kunst oder das Münzwesen vorliegen. Vielmehr geben anekdotenhaft eingestreute Schilderungen oder Randbemerkungen vereinzelt Einblicke in Zeitvertreib und Mußestunden der Herrscherfamilie. Eine sehr beliebte und vornehmliche Freizeitbeschäftigung der Visconti war die Jagd. Bernabo 56 57

Visconti soll von der Jagd regelrecht besessen gewesen sein. Er jagte am liebsten Wildschweine und verhängte hohe Strafen für Wilderei. Weiter kaufte er Habichte und ging mit ihnen auf Fasanenjagd, auch tauschte er mit den Gonzaga deren Hunde gegen seine mailändischen Pferde. Seine Leidenschaft für Jagdhunde ist legendär, er soll über 5000 Hunde bei Einwohnern Mailands in Pflege gegeben haben. Die Pfleger dieser Hunde mussten ihm regelmäßig

Schelle, Die Sforza, S. 281 und 324. Schelle, Die Sforza, S. 147.

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Bericht über Fütterung und Wohlergehen der Hunde erstatten und sie hatten harte Strafen zu fürchten, sollte ein Hund eingehen. 58 Bernabos Bruder Galeazzo II ließ eigens Hirsche züchten, um sie in seinem weitläufigen und mit Mauern umgebenen privaten Park des Schlosses in Pavia als Jagdbeute aussetzen und jagen zu können. Galeazzo II, Gian Galeazzo und Filippo Maria Visconti jagten bevorzugt in diesem Park. Filippo Maria Visconti untersagte das Fällen von Eichen, damit im Winter genug Eicheln als Futter für die Wildschweine, seiner bevorzugten Jagdbeute, im Revier vorhanden waren. Im Winter ließ er das Wild füttern. Das Aufscheuchen von Hasen, Vögeln oder Wild stand bei ihm unter Strafe, er beschäftigte sogar Wächter gegen Wilderei. 59 Für seine große Anzahl Pferde ließ er Sattelwerk an die Statur der Pferde anpassen und er war stolz auf ebenso passendes Zaumzeug für jedes seiner Pferde. Er kaufte „edle Vögel und Taubenfalken“ aus Ungarn und ihre Haltung kostete monatlich eine stattliche Summe. Auch hielt er edle Hunde, die er sogar aus England bezog. Es wird allerdings berichtet, er habe unfolgsame Hunde und widerspenstige Pferde gelegentlich auch eigenhändig gezüchtigt. 60 All diese Schilderungen geben einen Eindruck des hohen Stellenwertes der Jagdkultur im Hause der Visconti. Für dieses Vergnügen waren sie bereit hohe Geldsummen auszugeben. Der Hof der Visconti und später der Sforza beschäftigte sich als Zeitvertreib auch mit Spielen. Dame und Schach sind von Galeazzo II belegt. Es wird berichtet, er hätte 1363 eine feindliche Attacke bei Montferrat nicht bemerkt, weil er und sein Hofstaat beim Schachspiel saßen. 61 Im Stundenbuch von Gian Galeazzo wird König David mit zwei Jagdhunden gezeigt und im unteren Bildteil spielen zwei Hofdamen Schach. 62 Von Filippo Maria Visconti wird berichtet, er spielte von Jugend an Kugelspiele und Ballspiele. Gelegentlich spielte er Würfel und

auch Schach, wobei er bei letzterem die Rolle des Zuschauers vorzog. Vor allem aber schien er große Freude am Kartenspiel gehabt zu haben: „Cards were one of the favorite relaxations of Filippo Maria, who when entertaining the two captive princes of Navarre and Aragon lost to them in one game 1500 monete d’oro.“ 63

Eine ebenso große Summe bezahlte Filippo Maria Visconti für das „Kartenspiel mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“, das im Abschnitt „Zwischen Schriftquellen und überlieferten Bildern“ bereits ausführlich besprochen wurde. Erst eine Generation später im Jahr 1450 wies Francesco Sforza seinen Sekretär ausdrücklich an, ihm zwei Spiele Tarocchi zu besorgen und sie ihm mit einem berittenen Boten zuzusenden. Nur wenn er keine Tarocchi finden könne, sollte er doch bitte zwei andere Spiele erstehen. In einem weiteren Brief bedankte sich Francesco Sforza bei seinem Sekretär für die Zusendung von zwei Kartenspielen. 64 Offensichtlich sandte der Sekretär keine Tarocchi, denn Francesco Sforza bedankte sich lediglich für Kartenspiele und im damaligen Sprachgebrauch wurde zwischen Tarocchi und Kartenspielen deutlich unterschieden. Aber sehr wahrscheinlich bestellte Francesco Sforza in diesen Briefen gedruckte Spiele, da die Lieferung schnell erfolgen und mit berittenem Boten überbracht werden sollte. Beauftragte, gemalte Tarocchi könnten nicht in dieser Kürze geliefert werden und waren zudem auch nicht irgendwo käuflich zu erwerben. Weitere 45 Jahre später, im Jahr 1495, bat der Sohn Francesco Sforzas Ludovico Maria Sforza seinen Schwiegervater Ercole d’Este, Herzog von Ferrara, für ihn 12 Kartenspiele zu kaufen. 65 Auch diese Erwähnung lässt offen, welche Art Kartenspiele Ludovico haben will. Ziemlich sicher aber bestellte auch er gedruckte Spiele, dafür spricht das

Muir, History of Milan, 68–69 und 195. Die 5000 Hunde Bernabos werden in der Literatur gerne als Anekdote aufgegriffen und stammen wohl aus dem Bericht von Decembrio, siehe Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XIII. 59 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 46. 60 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 44–45. 61 Muir, History of Milan, S. 185. 62 Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 120v, Psalm CXXI. 63 Muir, History of Milan, S. 185. 64 Kaplan, Encyclopedia II, S. 4–6, nach Briefen von Francesco Sforza vom 11. und 15. Dezember 1450 in Vol. II/4 der Archivico Ducale Sforzesco Regestri Delle Missive, veröffentlicht Archivico di Stato Milan 1982. 65 Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 24. 58

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Jahr 1495, als keine Tarocchi mehr angefertigt wurden. Auch die Anzahl der bestellten Spiele spricht für Kartenspiele, die in Masse gefertigt wurden. All diese Schilderungen führen zu der Frage, wozu die gemalten Tarocchi bei Hofe benutzt wurden. Ob man mit ihnen überhaupt gespielt hat, in dem Sinne wie in unserer Zeit das Kartenspiel geläufig ist. Bis heute hat die Forschung hierzu keine klare Erkenntnis. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden sich bei Renovierungsarbeiten im Castello Sforzesco in Mailand gedruckte Spielkarten aus dem 15. bis zum 17. Jahrhundert. 66 Darunter ist eine Karte mit dem Motiv der „Welt“, wie sie aus dem Tarot de Marseille bekannt ist. Eine Frau in einem Lorbeerkranz stehend, in den äußeren Ecken des Bildmotivs die Symbole der vier Evangelisten. 67 Alle diese gefundenen Karten „had suffered real use“, wie Gertrude Moakley betont. Dagegen zeigen die Karten des Visconti-Sforza-Spiels im The Mor-

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gan Library & Museum (ehemals Pierpont The Morgan Library & Museum Library), die sie selbst begutachtete, kaum Gebrauchsspuren. Sie wurden wohl auch sehr sorgfältig aufbewahrt, Gertrude Moakley meint „they were treasured very highly“. 68 Wie aus späteren Spielregeln zu entnehmen ist, hatte jeder Spieler damals mindestens zwanzig Karten auf der Hand. Die Spielkarten des Visconti-SforzaSpiels messen 175 � 87 mm und sind damit viel größer als heute übliche Spielkarten. Bei einer solchen Größe ist es kaum möglich zwanzig oder mehr Karten in der Hand aufzufächern. Auf diese Weise gehalten, werden die Kartensymbole bei dieser engen Haltung verdeckt. Zudem hätte sich die Gold- und Silberauflage bei dieser Spielweise recht schnell abgerieben. Dies alles spricht für einen sparsamen Gebrauch der Tarocchi und eher gegen das Spiel mit diesen Karten im heute üblichen Sinne.

Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 24. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 20, Abb. 7. Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 24.

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand 10.1 Die Sammlung Tozzi 10.1.1 Das Spielfragment Die sogenannten Tozzi-Karten sind äußerst schwierig zu erfassen, da sie seit ihrem Bekanntwerden in Privatsammlungen aufbewahrt werden und somit der Öffentlichkeit nie zugänglich waren. Aufgrund mehrfacher Veräußerungen im Kunsthandel wechselte dieses Fragment ebenso mehrfach den Namen oder wurde einfach nur als „Spiel aus dem amerikanischen Kunsthandel“ bezeichnet. 1 Schließlich wurden auch nur einzelne Karten weiterverkauft. Somit ist der Verbleib der einzelnen Karten dieses Fragments höchst unübersichtlich. Einzige Grundlage der Kenntnisse über dieses Spielfragment bildet der Artikel von Marie Louise d’Otrange aus dem Jahr 1954, 2 der diese Karten abbildet und beschreibt. Marie Louise d’Otranges Artikel enthält jedoch mehrere oberflächliche bis hin zu offensichtlich falschen Angaben. So gibt sie bei den Bildunterschriften beispielsweise an, erhalten wäre ein „Knight of Swords“, also ein Schwert-Reiter, obwohl auf der Abbildung die Figur als Schwert-Bube zu erkennen ist. Weiter führt sie aus, die Tozzi-Karten seien für Galeazzo Maria Sforza angefertigt worden, 3 ohne diese Aussage näher zu belegen. Die Ergebnisse dieser Arbeit können Galeazzo Maria Sforza aufgrund seiner Imprese jedoch ein anderes Spielfragment zuordnen (Vgl. hierzu Abschnitt „Galeazzo Maria Sforza“), welches auch stilistisch sehr viel jünger ist und sich damit stimmig in den Zeitablauf der Herzöge von Mailand und den erhaltenen Spielfragmenten einreiht. Wie noch zu zeigen sein wird, interpretiert Maria d’Otrange darüber hinaus das Wappen eines weißen Kreuzes auf rotem Grund vorschnell als das Wappen von Savoyen. 4 Die Stärke und der Wert des Artikels liegen jedoch in der Beschreibung der Farben der Karten, so macht sie Details deutlich, die auf den schwarzweiß Abbildungen unkenntlich sind. Lediglich der 1 2 3 4 5 6

Schwert-König und das „Rad des Schicksals“ werden in Farbe und vergrößert gezeigt. Aufgrund der Qualität aller Abbildungen lässt sich jedoch nur wenig über die Darstellungen der Karten aussagen. Nach den Abbildungen zu schließen, erscheint der Erhaltungszustand zur Zeit der Publikation recht gut. Ein Nagelloch am oberen Rand der Karten, das viele andere Tarocchi aufweisen, fehlt den Tozzi-Karten. Dies spricht dafür, dass dieses Spielfragment vor dieser Beschädigung aus den Beständen der weiteren Tarocchi herausgenommen wurde. Das Spielfragment besteht aus dreizehn bekannten Karten. Bei der Herstellung wurde Pergament eingearbeitet. Zum frühesten Zeitpunkt der Dokumentation befinden sich die Karten im Besitz von Baron Pietro von Bartsch, der es an Piero Tozzi, einen Kunsthändler aus New York, weiterreicht. Piero Tozzi wiederum veräußert in den frühen 1960er Jahren elf Karten an einen unbekannten Mailänder Kunsthändler. 5 Die Karte der „Mäßigkeit“ erwirbt im Jahr 1949 das Montreal Museum of Arts und der Kelch-Bube wird in die Privatsammlung von Mr. F. Cleveland Morgan aus Montreal verkauft. 6

10.1.2 Marie Louise d’Otranges Lesart des Monogramms des Schwert-König Um das Tozzi-Fragment ranken sich vielerlei Spekulationen in der Literatur. Bei einem Forschungsgegenstand, der sich den Augen der Forscher entzieht, ist das jedoch kaum verwunderlich. Marie Louise d’Otrange erkennt in dem Signet am Sockel des Schwert-Königs die Buchstaben „A–C“. Für die Interpretation dieser Buchstaben greift sie auf eine Erwähnung im Werk von Graf Leopold Cicognara, Memorie spettanti alla storia della calcografica aus

Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18. D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 54–60. D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 59. D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 57. Kaplan, Encyclopedia I, S. 100 und 101. D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 58; Kaplan, Encyclopedia I, S. 102.

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dem Jahr 1831 zurück. Leopold Cicognara zitiert hier einen Eintrag aus einer Chronik von Cremona, der besagt, Antonio Cicognara (ein Vorfahr des Grafen) habe ein Spiel von Tarocchi gemalt und es Kardinal Ascanio Sforza als Geschenk überlassen. 7 Antonio Cicognara war Maler und spezialisiert auf Miniaturen. Die Buchstaben seien Marie Louise d’Otrange zufolge ein Signet des Malers Antonio Cicognara, 8 sie könnten aber auch nach Stuart Kaplan weiterführend als „Ascanius Cardinal“ gedeutet werden. 9 Sowohl über die Echtheit der Chronik und deren Eintrag als auch über die Interpretation der Buchstaben entspinnt sich in der nachfolgenden Literatur eine heftige Diskussion. 10 Gleichwohl ist die Interpretation von Marie d’Otrange bis heute im Wissensfundus über die Tarocchi fest verankert. Die wissenschaftliche Diskussion über Echtheit der Chronik und Zuordnung des Monogramms an dieser Stelle wieder zu geben, erübrigt sich aus verschiedenen Gründen: Wie bereits im Abschnitt „Die Monogramme einiger Spielfragmente“ ausgeführt, zeigen alle Monogramme, die sich in den Tarocchi finden, drei Buchstaben. Ein Signet mit nur zwei Buchstaben auf dem Schwert-König zu sehen, ist deshalb schlicht falsch. Zudem verweist ein Signet stets nur auf eine Person. Es ist völlig unüblich, dass ein Maler absichtlich mit einem Signet zeichnet, das im doppelten Sinne auf ihn selbst und den Empfänger des Werkes zu deuten ist. Ob Antonio Cicognara tatsächlich der ausführende Maler dieses Kartensatzes ist, bleibt indes über die Diskussion der Bedeutung der Buchstaben hinaus, völlig offen.

10.1.3 Wappen und Impresen Vor den Ausführungen im folgenden Abschnitt bedarf es einer Anmerkung: Die Impresen und anderen Erkennungszeichen des Tozzi-Spielfragments erschließen sich in ihrer Gänze erst nach eingehender Betrachtung und Kenntnis der Darstellungsformen in anderen Spielfragmenten der Tarocchi. Obwohl dieses Fragment an die erste Stelle der chronologischen Aufzählung der Tarocchi rücken muss,

Abbildung 9: Sole raddiato, Apsis Dom zu Mailand. Foto: Sabine Abele-Hipp

erfolgte die Auswertung erst gegen Ende des Arbeitsprozesses. Es ist daher möglich, dass einige Zeichen in den nachfolgenden Kapiteln genauer beschrieben werden als in diesem Abschnitt. Wappen, Impresen oder andere Erkennungszeichen, die für diese Arbeit von Bedeutung sind und hervorgehoben werden, werden in Anhang 2 aufgeführt und erläutert. Entsprechend der chronologischen Abfolge der Spiele in der Gliederung sind die beim ersten Spiel, indem sie zu finden sind, eingeordnet. Wappendarstellungen in Form eines Vollwappens oder eines Wappenschildes fehlen im TozziFragment. Stattdessen enthält dieses Fragment ein Motiv, das in allen erhaltenen Tarocchi einmalig ist. Es handelt sich um das Motiv eines gekrönten Biscione, der die gesamte Spielkarte ausfüllt und der sich über den vermutlich mit Gold oder Silber gepunzten Hintergrund schlängelt. Unter der Schlange

Cicognara, Memorie spettani, S. 158. D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 54. 9 Kaplan, Encyclopedia I, S. 100. 10 Vgl. hierzu Dummett, The game of Tarot, S. 70 und Appendix 2, S. 89–90; Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 27–33, besonders Anmerkung 10. 7

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Abbildung 10: Wappen Comunitas mediolani, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 18. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

ist eine Art Pfeilspitze oder Schwertknauf zu erkennen, was diese Karte wahrscheinlich als As eines dieser Kartensätze der Stäbe oder Schwerter kennzeichnet. Diese Karte steckt jedenfalls das Umfeld der Visconti auf einen Blick deutlich ab. Auf der Schwert-5 ist das Visconti-Motto „a bon droyt“ auf ein Spruchband geschrieben, das die Mitte der Schwerter umschlingt und das Visconti-Umfeld bekräftigt. Dieses Motto findet sich in weiteren Spielen der Tarocchi und in dem Stundenbuch der Visconti 11 häufig. Mehrere Karten zeigen die für die Visconti wichtige Imprese „fiammante (radiato)“ auch „Sole raggiante“ genannt. Es handelt sich um eine stilisierte Sonne mit kranzförmig angeordneten Strahlen, wie sie beispielsweise in der Apsis des Doms zu Mailand als buntes Glasfenster eingearbeitet ist. Sie geht zurück auf Gian Galeazzo Visconti und damit auf den Stammvater der herzoglichen Visconti-Dynastie. Diese Imprese wird zum wichtigsten und heraus11 12 13

ragenden Erkennungszeichen in verschiedenen Darstellungsvarianten, so verschmilzt sie später zusammen mit dem Visconti-Motto und der weißen Taube zu der noch zu beschreibenden Imprese „Colomba nel fiammante“. Sehr deutlich ist diese Imprese „fiammante (radiato)“ oder „Sole raggiante“ im TozziFragment auf der Münze der Münz-Königin und auf einer der Fahnen der Posaunenengel der Karte das „Gericht“ zu sehen. Als Gewandmuster ist die Strahlensonne auf weiteren Karten zu erkennen. Auf dem Motiv das „Gericht“ zeigen zwei Posaunenengel Fahnen an ihren Posaunen hängend, eine der Fahnen mit dunklem Kreuz auf hellem Hintergrund. Marie Louise d’Otrange beschreibt es als „rotes Kreuz auf silbernem Grund“ 12. Nach dieser Beschreibung ist auf der Fahne das Wappen der Kommune Mailand dargestellt, wie es das Stemmario Trivulziano cod. 1390 aufführt. 13 Die Strümpfe des Kelch-Buben sind selbst auf der schwarz-weiß Abbildung als zweifarbig auszumachen. Zu erwarten wären die Farben weiß und rot, wie es im Visconti di Modrone mehrfach dargestellt wird. Die Beinkleider des Jünglings zeigen somit sehr wahrscheinlich ebenfalls die Wappenfarben von Mailand.

10.1.4 Hinweise auf Gian Galeazzo Visconti Beim Betrachten der Tozzi-Karten wird deutlich, weshalb namhafte Autoren von Kopien der Visconti-Sforza-Karten sprechen. Alle Motive der Tozziund Visconti-Sforza-Karten entsprechen einander. Jedoch gibt es einige charakteristische Details, die beide Kartensätze unterscheiden und die das Tozzi-Fragment als älter ausweisen. Das Tozzi-Fragment enthält einige Hinweise auf Gian Galeazzo Visconti, der bisher von der Forschung nicht mit den Tarocchi in Verbindung gebracht wurde. Auf der Pferdedecke des Kelch-Reiters ist eine Krone dargestellt, aus deren Mitte zwei Zweige nach oben herausragen, ein Olivenzweig als Symbol des Friedens und ein Palmzweig als Zeichen für Demut. Es handelt sich hierbei um die Imprese „Corona ducale coi piumai“ oder „piumai“. In der neueren Literatur wird diese Imprese üblicherweise Filippo Maria Visconti zugeschrieben, doch Luca

Beispielsweise auf dem Rahmen des Folianten Br. 3, Psalm 1, abgebildet bei Meiss u. a., The Visconti Hours. D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 57. Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, Wappen S. 64, Blasonierung S. 312.

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Beltrami nennt Gian Galeazzo Visconti als ersten Nutzer dieser Imprese. 14 Carlo Maspoli weist auf diese Erwähnung hin, betont jedoch gleichzeitig, dass diese Zuordnung in neuerer Zeit zurückgezogen wurde. 15 Die Betrachtung des Kelch-Reiters der Tozzi-Karten hinterlässt hingegen den Eindruck, Luca Beltramis Zuordnung der Imprese zu Gian Galeazzo Visconti habe noch immer Bestand. Auch wenn Gian Galeazzo Visconti diese Imprese eher selten benutzt haben soll, stammt sie aus der Zeit seiner großen Eroberungszüge in der Toskana. Mit dem Symbol des Olivenzweigs verspricht Gian Galeazzo den eroberten Ländereien Friede, wie der Palmzweig aussagt, sofern sie sich unter die Herrschaft von Gian Galeazzo Visconti begeben. Die Krone symbolisiert die alles zusammenhaltende, über den Gebieten schwebende Staatsgewalt der Visconti. 16 Somit ist die Imprese „Corona ducale coi piumai“ zwar noch ein vager Hinweis auf Gian Galeazzo Visconti, sie stellt jedoch ein Mosaikstein unter mehreren Hinweisen auf den Stammvater der Herzöge von Mailand dar. Aufschlussreich ist weiter das Vollwappen, das er als Conte di Virtù führte. 17 Den Titel „Conte di Virtù“, Graf von Vertus, führte er seit der Heirat mit Isabella von Valois, die die Grafschaft Virtù als Mitgift mit in die Ehe brachte. 18 In einem Wappenbrief vom 27. Januar 1394 erweiterte König Karl VI das Wappen der Visconti und erlaubte ihm die französische Lilie im Wappen zu führen. Der Wappenbrief zeigt von Schrift umgeben in der Mitte das zukünftige Wappen der Visconti mit einem viergeteilten Wappenschild. Auf Platz eins und vier steht die französische Lilie, auf Platz zwei und drei die Visconti-Schlange, 19 wie es auf dem Wappenschild des abgebildeten Wappens zu sehen ist. Dessen Überschrift lautet: „D[omin]us, d[omin]us Iohanes Galeaz Viceco[–] … mes mediolanum et ast et vicente verone et pise d[omin]us.“ 20

Abbildung 11: Vollwappen von Gian Galeazzo Visconti als Conte di Virtù. Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 3. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

Beltrami, Il Castello di Milano sotto il dominio …, S. 722. Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 33–34, Anmerkung 22. 16 Filippo Maria Visconti, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese06.htm (acc. 11. 3. 2020). 17 Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 61 oben Mitte. 18 Vaglienti, Familie Visconti, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 8, cols. 1717–1727. 19 Wappenbrief für Gian Galeazzo Visconti, In: https://www.monasterium.net/mom/IlluminierteUrkunden/1394–01–27_Paris/charter?q=visconti% 201395 (acc. 10. 3. 2020). 20 Maspoli, Arme e imprese, in: Archives héraldiques siusses-Schweizer Archiv für Heraldik-Archivio araldico svizzera-Archivum heraldicum, 110, 1996, S. 140. 14 15

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Abbildung 12: Corona ducale coi piumai, Säulenkapitell Cortile Ducale Castello Sforzesco, Mailand. Foto: Sabine Abele-Hipp

An derselben Stelle wird die Helmzier blasoniert: „Cimero un pennacchio ridontante di piume di Struzzo rosse, faccolte e foggia d’alberello e cosparse di gocce d’oro.“

Die Helmzier besteht demnach aus einem überreichen Federbusch aus roten Federn vom Strauß,

zusammengebunden und geformt wie ein Bäumchen und bestreut mit Goldtropfen. Einen ebensolchen Federbusch zeigt das Wappen, das Gian Galeazzo Visconti als Conte di Pavia führt. 21 Zu Pavia hat Gian Galeazzo Visconti einen intensiven Bezug. Vor ihm teilen sich die Brüder Galeazzo II Visconti, Gian Galeazzos Vater, und Bernabo Visconti die Macht. Bernabo residiert in Mailand. Um Abstand zu seinem Bruder zu gewinnen, baut Galeazzo II ein Kastell in Pavia, das heute noch als Museum besteht. Dieses Kastell wird Wohnsitz dieses Zweigs der Familie und später auch von Gian Galeazzo Visconti als Conte di Pavia und Herzog von Mailand. Das Kastell war einst umgeben von beachtenswerten, weitläufigen Parkanlagen, die von einer Steinmauer eingegrenzt wurden. In den Parkanlagen gab es verschiedene Bereiche, etwa Fischteiche oder Hasengehege. Weiterhin existierten Wälder, in denen verschiedene Tierarten für die adelige Jagd gehalten wurden, beispielsweise Hirsche. Auch Pfauen lebten in den Parkanlagen, gehalten zur Augenweide der Parkbesucher, sie finden sich aber auch auf dem Speiseplan der Visconti bei Festmahlen. 22 Der Pfau ist auch im Stundenbuch der Visconti gezeigt, 23 weiter werden seine Federn einzeln oder als Bündel, ebenso wie das Pfauenrad dargestellt. Bei Gian Galeazzo Visconti ist der Pfau oder dessen Federn als Zeichen besonders beliebt. 24 Der Pfau führt auch zum SchwertBuben des Tozzi-Fragments. Auf diesem Motiv steht ein junger Knappe in Rüstung dem Betrachter frontal gegenüber. Mit seiner rechten Hand umgreift er den Schwert-Knauf und stellt die Spitze lässig nach unten gerichtet neben seinen rechten Fuß. Auffällige Details an seiner Rüstung sind die Achselstücke und die Kniekacheln, die jeweils mit sieben Punkten versehen sind (Vgl. hierzu Abschnitt „Le Tarot dit de Charles VI“), die möglicherweise ein stilisiertes Visconti-Zeichen darstellen 25. Ebenfalls ins Auge fällt der große Hut des Schwert-Buben, bestehend aus waagerecht zusammen gesteckten Federn. Sehr deutlich ist selbst auf

Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 62 oben links. Muir, History of Milan, S. 195. 23 Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 35v, LF 41 und LF 130. 24 Vogt-Lüerssen, Bianca Maria Visconti, S. 174. 25 Eine ähnliche Anordnung von Punkten findet sich als Gewandmuster auf einer Medaille von Gian Galeazzo Visconti und auf einem im Jahr 2018 ausgestellten Säulenkapitell im Cortile Ducale des Castello Sforzesco. Um einen Punkt als Blütenmitte sind fünf Punkte als Blütenblätter angeordnet, entsprechend der fünf Blütenblätter einer Rose. Nach G. A. Vergani soll das Gewandmuster der Medaille auf die Imprese der Rose von Gian Galeazzo Visconti anspielen. Vergleiche hierzu Vergani, Scheda 502. Medaglione, in: Museo d’Arte del Castello Sforzesco, II, S. 67. 21

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Abbildung 13: Vollwappen von Gian Galeazzo Visconti als Conte di Pavia. Stemmario Trivulziano Codice 2168, c. 2v. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

der schwarz-weiß Abbildung das für Pfauenfedern typische Auge erkennbar. 26 Der Zusammenhang mit dem Vollwappen des Gian Galeazzo Visconti als Graf von Pavia wird erst auf den zweiten Blick deutlich, denn „piume di struzzo“ bedeutet übersetzt „Federn des Strauß“. Jedoch wird ein Vogel Strauß im Kontext der Visconti nie erwähnt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Wappen und persönliche Zeichen solche Gegenstände zeigen, die 26 27

dem damaligen Umfeld entnommen sind. So sind mit „piume di struzzo“ wohl Pfauenfedern gemeint. Auch die Blasonierung des Federbündels als „bestreut mit Goldtropfen“ im Sinne vom Auge der Pfauenfedern, deutet darauf hin. Das Pfauenrad im Stundenbuch auf Foliant LF 130 27 zeigt markante Ähnlichkeit mit dem Federbusch des Wappens von Gian Galeazzo Visconti als Graf von Pavia. Die Pfauenfedern und das Wappen mit dem Feder-

D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 58. Meiss u. a., The Visconti Hours, LF 130.

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busch können folglich als weiterer Hinweis auf Gian Galeazzo Visconti gewertet werden. Weitere Hinweise auf Gian Galeazzo Visconti enthält das Motiv „Rad des Schicksals“. In der Bildmitte hält eine geflügelte Fortuna mit verbundenen Augen das Rad. Am unteren Bildrand kriecht ein Greis auf allen Vieren und balanciert das Rad auf seinem Rücken. Links steigt ein adelig gekleideter Jüngling mit dem Rad nach oben. Er findet sein Pendant in dem Jüngling auf der rechten Seite, der jedoch kopfüber am Rad in der Abwärtsbewegung hängt. Über dem Kopf der Fortuna sitzt oben auf dem Rad eine weibliche Figur. Sie ist gekleidet mit einem langen Umhang, der ihr bis zu den Füßen fällt und auch ihre Hände verdeckt. Ihr Haar wird geziert durch einen schmalen Reif, den sie ähnlich wie eine kleine Krone trägt. An den Seiten scheint es, als wachsen aus diesem Reif eine Art Hörner oder seltsam geformte Tierohren. Interessant sind jedoch die Gewandmuster dieser weiblichen Figur und der Fortuna. Auf dem Gewand der weiblichen Figur ist oberhalb und unterhalb des Gürtels je eine Leiter dargestellt. Dieser Hinweis ist überdeutlich, denn das sprechende Wappen der Familie della Scala aus Verona ist so markant, wie einzigartig. Es zeigt auf rotem Grund eine goldene Leiter mit vier Sprossen, deren unterste Sprosse breiter ist als die Oberste. 28 Das Wappen verweist auf die Ehefrau von Bernabo Visconti Regina della Scala. Nach dem Tod seines Vaters Galeazzo II und Mitregenten von Bernabo folgte Gian Galeazzo Visconti auf seinen Vater und sollte nun zusammen mit Bernabo regieren. Doch es gab Spannungen zwischen dem jungen aufstrebenden Machthaber und dem älteren Bernabo. Deshalb setzte Gian Galeazzo Bernabo eines Tages gefangen, um die alleinige Macht in Mailand einnehmen zu können. Marie Louise d’Otrange erkennt das Wappen der della Scala auf dem Gewand, fragt jedoch: Abbildung 14: „Rad des Schicksals“, Tozzi, unbekannte Privatsammlung. Entnommen aus d’Otrange, Thirteen Tarot Cards

„Why should the Della Scala family, defeated in 1387 by the Duke Gian Galeazzo Visconti, be thus honoured in a set of tarot cards […]?“ 29

Vordergründig ist ihre Frage berechtigt, vor einer abschließenden Antwort sei das Gewand der blin28 29

Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, Wappen S. 175 oben links, Blasonierung S. 417. D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 57.

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den Fortuna allerdings näher betrachtet. Obwohl es sich um eine farbige Abbildung handelt, sind die Einzelheiten des Gewandmusters nur äußerst schlecht kenntlich. Zunächst ist die sechseckige Umrandung der stilisierten Strahlensonne mehrfach erkennbar. Marie Louise d’Otrange beschreibt das Muster jedoch genauer: „… the blind figure of Fortune does wear the rayed sun on her robes, but each sun inset with a central motif showing a silver cross on red ground.“ 30

Wenngleich Marie Louise d’Otrange in dem Artikel von dem Wappen der Savoyen spricht, verwechselt sie die Wappen des Hauses Savoyen und der Kommune von Mailand (beide Wappen zeigen ein Kreuz vor der Hintergrundfarbe des Wappenschildes und die Wappenfarben silber/weiß und rot, jedoch in exakter Umkehrung). Deshalb übersieht sie auch, dass auf dem Gewand der Fortuna tatsächlich das Wappen von Savoy, ein silbernes Kreuz auf rotem Grund, dargestellt ist (Vgl. hierzu Abschnitt „Die Liebenden“). Die Darstellung dieses Wappens an dieser Stelle kann jedoch nur aufgrund der Biografie von Gian Galeazzo Visconti in das Tozzi-Fragment eingeordnet werden. Er war in zweiter Ehe mit seiner Cousine Caterina Visconti verheiratet, Tochter von Bernabo Visconti und Regina della Scala. 31 Bernabos Eheschließung war die Einzige der Visconti mit dem Haus della Scala. Die Leiter als Wappen auf dem Gewand der Fortuna kann folglich nur für Regina della Scala stehen. Weiter war Gian Galeazzo Viscontis Mutter und Ehefrau von Galeazzo II Bianca von Savoyen. Bezeichnenderweise verschmilzt das Visconti-Zeichen der Strahlensonne nach der Beschreibung von Marie Louise d’Otranges mit dem Wappen der Savoyen auf dem Gewand der Fortuna. Ihre oben zitierte Frage erfährt folglich eine recht einfache Antwort: Mit den Wappen der della Scala und des Hauses Savoyen werden beide Mütter des Ehepaares Caterina und Gian Galeazzo Visconti, namentlich Regina della Scala und Bianca von Savoyen geehrt! Denn so grausam dieses Zeitalter gegenüber in Un-

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gnade gefallenen Frauen sein konnte, so sehr verehrten die Visconti im Gegensatz dazu ihre Ehefrauen und die Stamm-Mütter ihrer Dynastie. Diese Ehre erwarben sich Frauen entweder durch die Geburt einer großen Zahl von Nachkommen. Oder aber wenn sie sich um die Erziehung und Ausbildung aller, auch der illegitimen, Nachkommen am Hof des Herrschers kümmerten. Regina della Scala gebar Bernabo sechzehn legitime Kinder. 32 Darunter Caterina, die Gian Galeazzo später selbst den langersehnten Thronfolger gebären sollte. Bianca von Savoyen kümmerte sich fürsorglich um die Frauen an Gian Galeazzos Hof, um ihre eigene Tochter Violante, weiter um die erste Ehefrau von Gian Galeazzo Isabella von Valois. Nach Isabellas Tod erzog sie auch die kleine Valentina, Tochter von Gian Galeazzo und Isabella. 33 Sowohl Regina della Scala, als auch Bianca von Savoyen hatten demnach eine besondere Bedeutung für Gian Galeazzo Visconti und verdienten sich damit die Ehre, in diesem Kartenspiel dargestellt zu werden. Der Auftraggeber, wie auch der ausfrührende Künstler des Tozzi-Spiels werden den Doppelsinn des Wappens von Savoyen gekannt und wohl auch deshalb in das Spiel aufgenommen haben. Denn das Wappen der „Comunitas Papie“ 34, der Gemeinde von Pavia, ist ebenfalls ein silbernes Kreuz auf rotem Grund. Dies lässt zurück blicken zu dem eingangs beschriebenen Vollwappen von Gian Galeazzo Visconti als Graf von Pavia. Das gespaltene Wappenschild zeigt links die Biscione und rechts übereinander drei kaiserliche schwarze Adler. Über dem geschlossenen Helm flattert locker eine rote Helmdecke an den Enden mit Quasten verziert. Am oberen Bildrand stehen drei Buchstaben. Links neben dem Federbäumchen sind ein A und ein P mit Abbreviatur zu lesen, rechts ein M, ebenfalls mit Abkürzungsstrich. Aus dem eingangs erwähnten Vollwappen lässt sich Folgendes ablesen: Das A verweist auf Angera, eine Stadt am Lago Maggiore, die Papst Clemens VI im Jahr 1350 an Caterina Visconti übergibt. Damit erhielt Gian Galeazzo Visconti den Titel Conte di Angera, welcher fortan an den Erstgeborenen des Grafen von Angera vererbt

D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 57. Muir, History of Milan, S. 68. Muir, History of Milan, S. 67 und 201. Muir, History of Milan, S. 210–212. Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, Wappen S. 66 Mitte, Blasonierung S. 322.

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Abbildung 15: Wappen der Kommune Pavia, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 18. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

wurde. 35 Das M mit Abbreviatur bezieht sich offensichtlich auf Mailand und impliziert den Titel Dominus oder Signore. Schließlich steht der Buchstabe P mit Abkürzungsstrich für Papie, wie es das Wappen der Kommune Pavia ausweist. Der Träger dieses Wappens war demnach Conte di Angera, Conte di Papie und Dominus (lateinisch) oder Signore (italienisch) von Mailand. Diese Kombination Graf von Angera, Graf von Pavia und Stadtherr von Mailand trifft für Gian Galeazzo Visconti zu. Bei der Betrachtung des Schwert-Königs des Tozzi-Fragments mit diesen Erkenntnissen, gewinnt das Monogramm zu seinen Füßen neue Bedeutung. Wie schon im Abschnitt „Die Monogramme einiger Spielfragmente“ ausgeführt, ist die Buchstabenfolge A–I–G wahrscheinlich. Gian Galeazzo ist eine Abkürzung des Namens Giovanni Galeazzo. 36 Der lateinische Name für Giovanni ist Johannes, damals Io(h)anes geschrieben. Folglich

Abbildung 16: Schwert -König, Tozzi, unbekannte Privatsammlung. Entnommen aus d’Otrange, Thirteen Tarot Cards

können die Buchstaben A–I–G auf dem SchwertKönig dargestellt sein und als Abkürzung für A[ngera]–I[o(h)nes]–Galeazzo stehen. Lediglich mit einzelnen Buchstaben auf Titel und Namen zu verweisen ist zwar durchaus ungewöhnlich, das Kleinformat der Spielkarte mag dafür Grund gewesen sein. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse lässt sich darüber hinaus der zeitliche Rahmen der Ent-

Crippa, Le monete di Milano, S. 120 und 346. Muir, History of Milan, S. 88; Hagelstange, Holzschnitt-Portraits der Visconti, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, 1904, S. 95 und 96, Abb. 9.

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stehung des Tozzi-Spiels eingrenzen. Die Person von Gian Galeazzo Visconti tritt in mehreren Aspekten deutlich hervor. In den Wappen und Signeten fehlt jedoch der Verweis auf den Titel des Herzogs „DVX“, der stets angegeben ist, sofern es sich um Schriftstücke oder Münzen eines Herzogs im Zeitraum der Tarocchi handelt. In diesem Fragment zeichnet er lediglich mit „Dominus“ oder „Signore“. Das Spiel muss folglich zu einer Zeit entstanden sein, bevor Gian Galeazzo Visconti 1395 Herzog von Mailand wurde. Verglichen mit den urkundlichen Erwähnungen des Kartenspiels, die 1377 unter anderem in Florenz beginnen und bei denen vom Kartenspiel als Glücksspiel auszugehen ist, wird die Entwicklung der Tarocchi noch einige Jahre gedauert haben. Schätzungsweise ist das Tozzi-Spiel wohl erst kurz vor der Ernennung Gian Galeazzo Viscontis zum Herzog in Auftrag gegeben worden. Damit ist das Tozzi-Spiel das älteste Spiel der Tarocchi. Ob es jedoch bei seiner Ernennung zum Herzog bereits fertiggestellt war, ist fraglich. Möglicherweise wurde dieses Spiel durch die Ernennung zum Herzog sozusagen wertlos und ein prächtigeres Spiel mit den Signeten des Herzogs in Auftrag gegeben. Eine solche Entwicklung würde auch erklären, weshalb das Spiel eher achtlos verwahrt wurde und Spielball des Kunsthandels werden konnte. Denn für die weiteren Spiele der Tarocchi ist eine sorgfältige Verwahrung durch die Visconti und Sforza nachzuweisen.

Mit Gian Galeazzo Visconti beginnt die Tradition der Tarocchi deutlich früher als von der Forschung bisher angenommen. Jedoch lässt Gian Galeazzo Visconti mit dem Beginn der Tradition der Tarocchi gut vereinbaren: Er war der große Erneuerer der Signorie Mailand. Als Stammvater des letzten Zweigs der Visconti setzte er Maßstäbe, die alle ihm nachfolgenden Herrscher der Visconti und der Sforza übernahmen. Beispielsweise begann er die Tradition, alle Nachkommen auf den Namen Maria zu taufen. Diesen Namen trugen selbst männliche Nachfolger noch vier Generationen nach ihm. Gian Galeazzo Visconti erkaufte sich den Titel des ersten Herzogs von Mailand und vergrößerte das Territorium des Herzogtums Mailand. Weiter reformierte er 1396 das Rechtssystem, das erst 1498 von seinem Urenkel Ludovico Maria Sforza wieder verändert wurde. 37 Gian Galeazzo Visconti hatte weitreichende Strahlkraft, Willen zur Erneuerung und große politische Ambitionen. Es heißt, er strebte ein vereintes Königreich von Italien an, dessen Königsthron er einnehmen wollte. 38 Auch hatte er Sinn für überdauernde Statussymbole, so begann er den Bau des Doms von Mailand, baute in Pavia die Certosa und gründete dort die damals große und berühmte Universität mit ihrer bedeutenden Bibliothek. Seine Persönlichkeit hat das Format, auch die Tarocchi zu initiieren.

10.2 Das Brambilla 10.2.1 Das Spielfragment Die Bezeichnung „Brambilla“ ist allgemein gebräuchlich, sie geht auf den Namen eines früheren Besitzers zurück, der das Spiel 1903 von einem Antiquitätenhändler erworben hat. 39 Im Jahre 1971 kaufte die Pinacoteca di Brera die Karten an 40 und widmete ihnen 2013 die Ausstellung „I Tarocchi dei Bembo“. Es ist eines der wenigen Spiele der Tarocchi, bei denen der ausführende Maler Bonifacio

Bembo bekannt ist. Von diesem Spiel sind 48 Karten erhalten, darunter lediglich zwei Trümpfe. Seine künstlerische Ausführung und Art der Darstellung zeigt Ähnlichkeit mit dem Visconti di Modrone, deshalb wird der Entstehungszeitraum dieser beiden Spiele von der Forschung nahe zusammengerückt. Allerdings zeigt das Brambilla einige Eigentümlichkeiten in der Darstellung gegenüber anderen Spielen. So sind die Gewänder der Figuren recht

Muir, History of Milan, S. 183. Muir, History of Milan, S. 120; Hagelstange, Holzschnitt-Portraits der Visconti, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, 1904, 94; Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XVII. 39 Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 246. 40 Gnaccolini, Il segreto dei secreti, S. 13. 37

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einfach verziert, bei den männlichen Figuren der Hofkarten fallen die großen Hüte auf. Weiter ist die Spielfarbe der Stäbe als Pfeile dargestellt und die Zahlenkarten der Schwerter zeigen fast ausschließlich Krummschwerte, anstatt der sonst üblichen geraden Schwerter. Abbildungen des Brambilla sind schwieriger zu erfassen als die anderer Spiele, da in der Literatur nur wenige Bilder veröffentlicht und die Originale der Pinacoteca di Brera nicht digitalisiert sind. Allerdings sind in dem Katalog zur Ausstellung der Pinacoteca di Brera „I tarocchi di Bembo“ 41 alle Karten in guter Qualität abgebildet. Nach eigener Betrachtung der Brambilla-Tarocchi in der Pinacoteca di Brera 42 lässt sich festhalten, diese Tarocchi sind in einem außergewöhnlich guten Erhaltungszustand, die selten Spuren von Abrieb auf der Farbfläche und nur wenige an den Ecken oder Kanten aufweisen. Leider tragen die Brambilla-Karten wie einige andere bedeutende Visconti-Spiele am oberen Rand ein Loch, das augenscheinlich wirkt als wären die Karten einst mit einem Nagel durchstochen worden. Ihre Aufbewahrung ist beispielhaft. In klimatisierten Räumen werden alle Karten einzeln aufbewahrt, in eigens für die Spiele Brambilla und Sola Busca angefertigten Kassetten mit mehreren herausnehmbaren Etagen. Diese Etagen haben für jede Karte eine Vertiefung an deren Boden ein Band befestigt ist, mit dem man die einliegende Karte anheben und so schadlos entnehmen kann. Bei ihrer künstlerischen Ausführung fällt eine sehr feine Strichführung mit detailreicher Darstellung vor allem bei den Pferdedecken der beiden Reiter auf. Die beiden erhaltenen Trümpfe „Herrscher“ und das „Rad des Schicksals“, sowie die Hofkarten haben einen mit Gold belegten und gepunzten Hintergrund. Die Zahlenkarten sind mit Silber unterlegt und gepunzt. Auf den Gewändern der Trümpfe und Hofkarten dominieren die Farben gold und blau, die Muster sind hier allerdings auffällig einfacher gehalten als bei dem Visconti di Modrone oder dem Visconti-Sforza-Spiel.

41 42 43 44

10.2.2 Wappen und Impresen In das Brambilla sind zahlreiche Erkennungszeichen eingearbeitet und obwohl der Biscione in den erhaltenen Karten fehlt, ist das Spiel deutlich als eines der Visconti zu erkennen. Wie bereits im Tozzi-Fragment finden sich im Brambilla folgende Kennzeichen wieder: Die männlichen Jünglinge der Hofkarten tragen rot-weiße Mipati in den Wappenfarben der „Comunitas Mediolani“. Weiter zeigen das Schwert- und Stab-As, sowie Kelch-vier das Visconti-Motto „a bon droyt“. Gewandmuster sind aus stilisierten Blüten und Pflanzenornamente gearbeitet, anstatt der Strahlensonne. Die Imprese „fiammante“ ist jedoch auf der Pferdedecke des Kelch-Reiters dargestellt. Auffällig platziert sind die Pfauenfedern. Der Münz-Reiter und Münz-Bube tragen einen Umhang, der aus einer Vielzahl von Federn zusammengesteckt ist. Sie weisen das typische Auge von Pfauenfedern auf, sodass die Umhänge wirken, als seien sie von Punkten übersäht. Die Münzen der Münz-Karten zeigen anstatt der im Tozzi-Fragment üblichen Strahlensonnen den Fiorino von Filippo Maria Visconti, sein Monogramm „F(i)M DM“ (Filipus Maria Dux Mediolani 43) ist auf den gemalten Karten der Pinacoteca di Brera beispielsweise auf der Münz-Acht sehr gut zu lesen sind. Ebenfalls dargestellt ist die Imprese „Corona ducale coi piumai“, die die Pferdedecke des Münz-Reiters schmückt. Auf der gemalten Karte fällt dieses Detail durch seine höchst sorgfältige Ausführung mit einer besonders feinen Strichführung auf. Erstmals erscheinen im Brambilla zwei weitere Signete. Zum einen der (blaue) Adler auf dem Hut des „Herrschers“, der eigentlich schwarz sein sollte und den „Herrscher“ als zum deutschen Kaisertum gehörig ausweist. 44 Das Visconti di Modrone greift dieses Motiv später offenbar auf, denn auf dem Hut des „Herrschers“ ist der schwarze Adler ebenfalls in gleicher Weise zu sehen (Vgl. hierzu die Abbildung in Abschnitt „König Sigismund“ als der „Herrscher“). Ein dreifacher schwarzer Adler ist auch auf dem Wappen von Gian Galeazzo Visconti als Conte di Pavia dargestellt, wie es im vorigen Ab-

Bandera/Tanzi, Quelle carte de triumphi. Bei einem persönlichen Besuch der Verfasserin in der Pinacoteca di Brera am 14. 02. 2018 wurden ihr die Tarocchi im Grafikkabinett gezeigt. Di Domenico, Il libro d’ore. Schede descritive, S. 149. Wörner, Dame im Spiel, S. 90.

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schnitt abgebildet wurde. Dieser schwarze Adler belegt, dass der Kaiser den Titel anerkannt hat und der Auftraggeber dieses Spiels damit zum Tragen dieses Signets berechtigt wurde. Es ist davon auszugehen, es handelt sich um den Titel des Herzogs von Mailand. Eine weitere neu auftretende Imprese zeigt sich auf der Pferdedecke des Stab-Reiters, der geknotete Schleier oder „Velo annodato“. Diese Imprese zeigt einen zum Kreis gewickelten und geknoteten Schleier, die beiden langen Enden hängen an den Seiten schmuckvoll drapiert herab. Gian Galeazzo Visconti nimmt diese Imprese an, nachdem er zum Herzog ernannt wird. Später wird diese Imprese von Filippo Maria Visconti übernommen und sollte einer seiner bevorzugten bildlichen Signaturen werden. 45 Festzuhalten bleibt, alle im Brambilla gezeigten Impresen und Signete gehen auf Gian Galeazzo Visconti zurück.

10.2.3 Drei Herzöge und ein Spiel von Tarocchi Die Frage für wen das Visconti di Modrone angefertigt wurde, beschäftigt die Forschung seitdem das Spiel bekannt ist. Ein gewichtiges Argument für Filippo Maria Visconti als Auftraggeber sieht Michael Dummett in den dargestellten Münzen der entsprechenden Spielfarbe. Die auf den Karten gezeigten Münzen sind einer Münze nachempfunden, die von Filippo Maria Visconti überliefert ist. Bei der Münzreihe der Spielkarten ist abwechselnd die Vorder- und die Rückseite der geprägten Münze gezeigt. Aufgrund dieser Darstellung der Münze wird in der bisherigen Forschung Filippo Maria Visconti als Auftraggeber für das Brambilla angesehen. Michael Dummett fasst die Meinung der Forschung im Hinblick auf die im Brambilla dargestellte Münze stellvertretend zusammen: „It therefore seems quite certain that it was painted for Filippo Maria.“ 46

45 46

Abbildung 17: Stab -Reiter, Brambilla. © Pinacoteca di Brera, Mailand

Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 32–33. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 12.

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Abbildung 18: Münz-8, Brambilla. © Pinacoteca di Brera, Mailand

Die Ergebnisse dieser Arbeit widersprechen dieser allgemeinen Auffassung der bisherigen Forschung. Obwohl das Brambilla als Visconti-Spiel erkennbar ist und sicher in den Besitz von Filippo Maria Visconti gelangt ist, kommen für das Brambilla drei Herzöge von Mailand als Auftraggeber in Betracht, wenn deren Lebensumstände, ihre Monogramme und die eingearbeiteten Impresen einander gegenübergestellt werden. Denn gerade die Rückseite der Münze auf den Karten der Spielfarbe, stützt diese Vermutung mehrerer möglicher Auftraggeber. Bereits als Gian Galeazzo Visconti Signore von Mailand war, ließ er die Münze eines „Fiorino“ (Abbildung 19) prägen, die der Münze im Brambilla entspricht. Auf der Vorderseite des Fiorino von Gian Galeazzo Visconti ist die rechte Seite eines Reiters in Rüstung zu sehen, der im Galopp mit erhobenem Schwert davonreitet. Die Pferdedecke ist mit dem Biscione verziert, die Umschrift lautet „GALE AZ VICECO M ES“. In die Rückseite der Münze eingeprägt ist das Vollwappen der Visconti mit dem Biscione auf dem Wappenschild, Helm und Helmkrone, als Helmzier ein aufgerichteter Drache mit einer hochaufragenden stachelartigen Mähne und einem roten Menschen im Maul, die Helmdecke ist der Schwanz des Drachens. Als Umschrift ist zu lesen „DOMINUS M EDIOLANI C’“. Das C’ am Ende ist eine numismatische Abkürzung für „eccetera“, was sich auf weitere Titel von Gian Galeazzo Visconti bezieht. Die eingeprägten Initialen sind links von dem Wappen sind ein „G“ und rechts ein „Z“. Auch Giovanni Maria Visconti, zweiter Herzog von Mailand, lässt die Münze in gleicher Weise erneut prägen, die Umschrift der Vorderseite lautet bei ihm „IOHA N NES: M A RIA“, auf der Rückseite ist zu lesen „DVX:MED:IOLANI:3C“ (3C steht wieder für eccetera“ und den Verweis auf weitere Titel). Er ersetzt die Initialen seines Vaters auf der Rückseite jedoch mit seinem eigenen Monogramm „IM A“ 47. Bemerkenswert ist hier die Angabe des Titels „DVX“, wo bei Gian Galeazzo Visconti noch „Dominus“ steht. Als Filippo Maria Visconti dritter Herzog von Mailand ist, prägt er ebenfalls eine Münze im gleichen Entwurf, wie sie das Brambilla zeigt, geändert sind lediglich die Umschrift aus der Vorderseite „FILIPV’M MARI AN GLV’“ und auf der Rückseite „DVX MED IOLA NI ZC“, sowie 47

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Chiaravalle, La Zecca e le monete, Nr. 211, S. 117.

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Abbildung 19: Fiorino von Gian Galeazzo Visconti als Cont di Virtù und Signore von Mailand. Gabinetto Numismatico e Medagliere, Raccolte Artistiche Castello Sforzesco, Mailand

das Monogramm auf der Rückseite in „FI MA“. 48 Allein anhand der Betrachtung der Münze lässt sich folglich keine gesicherte Aussage treffen, für wen die Anfertigung das Brambilla ursprünglich beabsichtigt war. Weiterführende schriftliche Quellen fehlen, sodass auch der Auftraggeber des Brambilla völlig offenbleibt. Als möglicher Auftraggeber rückt zunächst Gian Galeazzo Visconti in den Blickpunkt. Er hat das Tozzi-Spiel vor seiner Ernennung zum Herzog in Auftrag gegeben, folglich wäre es durchaus möglich, dass er als erster Herzog von Mailand das Brambilla als zweites Spiel für sich erarbeiten ließ. Alle eingearbeiteten Insignien, wie der schwarze Adler auf dem Hut des „Herrschers“ oder die Impresen haben ihren Ursprung bei ihm. Da Gian Galeazzo Visconti nur sieben Jahre als Herzog von Mailand lebte, war das Spiel bei seinem Tod jedoch sehr wahrscheinlich noch in Arbeit. Dies ermöglichte dem nachfolgenden Besitzer in den Arbeitsprozess einzugreifen und das Spiel nach eigenen Wünschen nachgestalten zu lassen. Ähnlich wie das Stundenbuch der Visconti, das von Gian Galeazzo Visconti in Auftrag gegeben und bei dessen Tod unvollendet war. Erst viele Jahre später ließ sein Sohn Filippo Maria Visconti als dritter Herzog von Mailand dieses Stundenbuch von einem anderen Künstler fertig stellen. 49 Als weiterer Besitzer des Brambilla kommt Giovanni Maria Visconti in Betracht. Denkbar sind bei dieser Annahme mehrere Möglichkeiten. Die erste, Gian Galeazzo Visconti beauftragte dieses Spiel für 48 49

sich, wurde soeben genannt. Ebenso wäre möglich, Gian Galeazzo Visconti ließ dieses Spiel für Giovanni anfertigen, in Anbetracht der Tatsache, dass Giovanni ihm als Herzog nachfolgen wird. Bei dieser Annahme ist ebenfalls davon auszugehen, das Spiel war beim Tod Gian Galeazzo Viscontis noch nicht fertiggestellt. Eine weitere, wenn auch eher unwahrscheinliche Möglichkeit besteht darin, Giovanni Maria lässt als Herzog das Spiel selbst anfertigen. Nach den Schilderungen seines Charakters fehlte ihm jedoch der feingeistige Sinn für derartigen Zeitvertreib wie Spielkarten, ebenso wie für die Machtsymbolik der Tarocchi. Darüber hinaus war er sehr jung, als sein Vater starb. Er wurde Spielball seiner Regenten und war kein eigenständiger Herrscher. In seiner kurzen Regierungszeit fällte er kaum staatstragende Entscheidungen, auch eigene Impresen als Herzog sind von ihm nicht belegt. Selbst wenn er das Spiel in Auftrag gegeben hatte, war es sehr sicher noch in Arbeit, als er 1412 ermordet wurde. Letztendlich bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Filippo Maria Visconti das Brambilla unvollendet als Herzog übernommen hat und es fertigstellen ließ. Die Imprese „Il Velo“, die neben der Münze stets ein Argument der Forschung ist, dieses Spiel Filippo Maria Visconti zuzuordnen, geht jedoch ebenfalls auf Gian Galeazzo Visconti zurück. Filippo übernahm sie lediglich und sie wurde zu seiner persönlich bevorzugten Imprese. Möglicherweise hatte bereits Gian Galeazzo Visconti diese Imprese einarbeiten lassen.

Chiaravalle, La Zecca e le monete, Nr. 225, S. 121; Crippa, Le monete di Milano, S. 119. Meiss u. a., The Visconti Hours, S. 7–8.

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Oder aber Filippo Maria Visconti hatte sie, wie seine Initialen auf der Münze, auf der Pferdedecke des Stab-Reiters im neu aufgenommenen Arbeitsprozess nachträglich einarbeiten lassen. Die Darstellung der Münze auf den Karten des Brambilla, des von den ersten drei Herzögen von Mailand geprägten „Fiorino“, lässt keine eindeutige Aussage über den Auftraggeber zu. Die Tatsache, dass die ersten drei Herzöge von Mailand einen Fiorino in gleicher Gestaltung lediglich mit unterschiedlichen Monogrammen hatten prägen lassen, festigt die These

von drei möglichen Herzögen von Mailand als Besitzer des Brambilla. Eine nachträgliche Bearbeitung der fertigen Bilder durch einen nachfolgenden Besitzer ist ausgeschlossen, da die Karten nach Augenschein keinerlei Spuren von Übermalung zeigen. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass Filippo Maria Visconti das Brambilla selbst in Auftrag gegeben hat, denn mit dem Visconti di Modrone ließ er sich später selbst ein prächtiges und mit seinen persönlichen Bezügen und bevorzugten Insignien reich verziertes Spiel anfertigen.

10.3 Das Visconti di Modrone 10.3.1 Das Spielfragment Das Visconti di Modrone-Spiel gilt als eines der ältesten gemalten Spiele (Vgl. auch den Abschnitt „Ecksteine der Datierung“). Nach Ansicht von Michael Dummett ist es ein Spiel aus der Entstehungsphase der Tarocchi. Er nimmt ebenfalls an, dass dieses Spiel mehr als 78 Karten hatte. 50 Für eine höhere Gesamtzahl der Karten sprechen die in der Trumpfreihe die Darstellungen der theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung. Auch besteht jede Spielfarbe der Hofkarten aus sechs Motiven, zu den üblichen Darstellungen von König und Königin, zeigen Reiter und Buben weibliche Partnerinnen. Den Reitern werden Reiterinnen hinzugestellt und die Buben werden von Zofen begleitet. Diese Darstellungen der Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung, Reiterinnen und Zofen sind eine Besonderheit und einmalig in den erhaltenen Spielfragmenten. Allgemein wird das Visconti di Modrone von der Forschung Filippo Maria Visconti als Auftraggeber oder Besitzer zugeschrieben. Sie beruht auf der Darstellung zahlreicher Erkennungszeichen, die in diesem Spielfragment mehr als in anderen Spielen der Tarocchi dargestellt sind. Ebenso reichhaltig ist die Ausstattung des Visconti di Modrone, die Trümpfe und Hofkarten zeigen einen goldgepunzten Hintergrund, auch die kostbare Farbe blau wird reichlich verwendet. Auffällig sind die großen Hüte der Figuren in den Hofkarten und die stets weiß dargestellten Pferde. Alle noch erhaltenen 67 Karten werden in der Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale 50

Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 15.

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University, New Haven, USA aufbewahrt und sind digital verfügbar. Der Erhaltungszustand der Karten ist sehr gut, allerdings haben alle Karten ein Nagelloch am oberen Bildrand. Hervorzuheben ist für das Visconti di Modrone, dass es in der Motivgestaltung der Karten recht eigenständig ist und nur einige Motive denen in anderen Spielfragmenten ähneln.

10.3.2 Wappen und Impresen Das Visconti di Modrone greift einige Kennzeichen auf, die bereits das Tozzi und das Brambilla zeigen. Erstaunlicherweise ist der Biscione lediglich dreimal dargestellt, auf den Karten Kelch-As, MünzAs, sowie auf der Münz-zwei. Auch das ViscontiMotto „a bon droyt“ findet sich nur wenig prominent auf der Kleidung von dargestellten Bediensteten des Motivs des „Herrschers“ und der MünzKönigin, oder sehr dezent auf dem oberen Saum der Pferdedecke des Münz-Reiters am Hals des Pferdes. Im Gegensatz dazu ist die Imprese „fiammante“ überschwänglich gezeigt, als Gewandmuster der Motive Glaube und Hoffnung, sowie auf den Münzen der Münzserie, aber auch stilisiert auf dem gepunzten Hintergrund der Trümpfe und Hofkarten. Erwartungsgemäß findet sich der schwarze Adler auf den Motiven des „Herrschers“ und der „Herrscherin“. Auch die Pfauenfedern sind in die großen Hüte des Münz-Königs und -Buben, des Kelch-Reiters und des Stab-Buben eingearbeitet, allerdings sehr viel weniger auffällig als im Tozzi-

10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

und Brambilla-Fragment. Obwohl das Wappen der Comunitas Mediolani fehlt, tragen die Herren der Hofkarten und einige Höflinge rot-weiße Mipati in den Wappenfarben Mailands. Im Visconti di Modrone deuten einige Hinweise direkt auf Filippo Maria Visconti. Die Zahlenkarten der Münzen verbildlichen den Fiorino von Filippo Maria Visconti. Teilweise lässt sich auf den digitalisierten Karten das Monogramm „F(i)M DM“ erkennen. Die Ausmalung der Münz-zwei ist neben dem silbernen Hintergrund und den goldenen Umrandungen der Münzen gänzlich in blau gehalten. Auf der oberen Münze, wie bereits erwähnt, erscheint der Biscione, auf der unteren Münze ist zudem die Imprese „El velo“/„Velo annodato“ dargestellt. Beide Darstellungen sind wesentliche Aspekte, dieses Spiel Filippo Maria Visconti zuzuschreiben, denn wenngleich diese Imprese nachweislich auf Gian Galeazzo Visconti zurück geht, greift Filippo Maria Visconti sie auf und nutzt sie als eines seiner bevorzugten Zeichen weiter. Wie im Tozzi-Fragment erscheint das Wappen des Hauses Savoyen, hier auf der Karte der „Liebenden“. Es verweist auf die zweite Ehefrau von Filippo Maria Visconti Marie von Savoyen. Diese Eheschließung ist eine politisch motivierte Ehe, um Frieden zwischen Mailand und Savoyen zu erhalten und so schien es wohl geboten, dies auch in den Karten zu betonen. Auf den verschiedenen Kartensätzen sind jeweils konsequent die gleichen Impresen dargestellt, dies ist einmalig in den erhaltenen Spielfragmenten. So zeigen die Hofkarten der Kelche die bereits bekannte „Corona ducale coi piumai“, entweder wie der Kelch-Bube auf der Brust der Kleidung oder auf den Umhängen der Figuren und der Pferdecke des Reiters. Wie zur Bestätigung dieser Regel, trägt ausnahmsweise auch der Stab-König die Krone mit den Zeichen auf der Brust. Darüber hinaus enthält das Visconti di Modrone weitere Impresen, die erstmals aufgenommen werden. Die Gewänder der Hofkarten der Münzen zeigen die „Colomba nel fiammante“ mit dem Visconti-Motto „a bon droyt“ als Muster mehrfach auf den Motiven. Bei dieser Imprese fliegt eine Taube im Zentrum der Strahlensonne, darunter oder im Schnabel der Taube befindet sich das Spruchband mit dem Motto. Auf

Abbildung 20: Colomba nel fiammante, Außenwand Apsis S. Maria delle Grazie, Mailand. Foto: Sabine Abele-Hipp

dem Motiv des Wagens findet sich die „Colomba nel fiammante“ ein weiteres Mal. Diese Imprese wird für Gian Galeazzo Visconti entworfen, sie wird neben dem Biscione zu einem der Hauptmerkmale der Visconti. 51 Stab-Königin, -Reiterin und -Bube, sowie das Gewand des Bräutigams der „Liebenden“ zeigen einen sechseckigen Brunnen, in dessen Mitte eine Säule emporragt. Aus dieser Säule fließen seitlich zwei Wasserstrahlen in die Brunnenschale zurück. Im engeren Sinne ist dieser Brunnen keine Imprese, wird jedoch in den Tarocchi immer wieder dargestellt und im Abschnitt über „Die „Liebenden“ eingehender besprochen. Die genaue Bedeutung des Brunnens bleibt im Zusammenhang der Tarocchi jedoch unklar. Die Hofkarten der Schwertreihe zeigen das Zeichen des Granatapfels und der Rose, bei den weiblichen Figuren als Gewandmuster. Der Granatapfel gilt als Symbol „der Aufrichtigkeit, der Liberalität, der Harmonie, der Einheit und des großmütigen Herzens“. Er erscheint immer wieder bei den Visconti und später den Sforza und es ist schwierig zu

Giangaleazzo Visconti, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese05.htm (acc. 9. 9. 2020); Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 33.

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beliebt bei Francesco Sforza. 52 Zur Verdeutlichung sei ein Vollwappen von Filippo Maria Visconti (Abbildung 21) aufgeführt. 53 Er schmückt das Vollwappen, das der französische König seinem Vater gewährt hat (Vgl. Abbildung 12: Vollwappen von Gian Galeazzo Visconti als Conte di Virtù) mit dem Granatapfel und der Rose aus, wodurch er zum einen seine Nachfolge in der Visconti-Tradition bekräftigt, zum anderen wird der Übergang von Imprese zum symbolischen Ornament des Granatapfels und der Rose besonders deutlich. Beachtenswert ist auch das Aufgreifen der Pfauenfedern Filippo Maria Viscontis in der Tradition von Gian Galeazzo Visconti. Der Schwert-König des Visconti di Modrone sitzt dem Betrachter frontal auf einem Thron gegenüber. Er ist in Rüstung gekleidet und auf seinem Brustpanzer ist der Granatapfel ebenfalls dargestellt. Dieses Motiv verdeutlicht, wie eigenständig die Karten des Visconti di Modrone gestaltet sind, es zeigt keine Ähnlichkeit mit anderen erhaltenen Motiven. (Abbildungen im Abschnitt „Der SchwertKönig“.) Zusammenfassend lässt sich festhalten, Filippo Maria Visconti ist als Auftraggeber oder Besitzer des Visconti di Modrone sicher zu belegen. Jedoch gehen alle dargestellten Impresen auf seinen Vater Gian Galeazzo Visconti zurück. Filippo Maria Visconti greift die Zeichen zur Bekräftigung der Visconti-Tradition und seiner eigenen Legitimation auf. Auch wenn er später weitere Impresen für sich entwerfen lässt, fügt er keine seiner Eigenen in das Spiel ein. Abbildung 21: „Arma Regis Frantie data Illustrissimo patre domini filipi marie de vicecometibus“, Stemmario Trivulziano, Cidice 1390, p. 5. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

unterscheiden, ob es sich lediglich um ein Ornament oder eine echte Imprese handelt. Bei der Rose sollen der Duft und die Üppigkeit der Blüte betont werden. Weder der Granatapfel noch die Rose erscheinen allein, sie werden stets mit anderen Signeten kombiniert. Die Rose ist später besonders

10.3.3 Filippo Maria Visconti und das Visconti di Modrone Als junger Herzog ging Filippo Maria Visconti gerne auf die Jagd, er liebte Pferde, Falken, Hunde und andere exotische Tiere. Zur Entspannung spielte er gerne und am allerliebsten Kartenspiele, aber auch Kugel- oder Würfelspiele und gelegentlich Schach. Seine Spielleidenschaft ist legendär. Für sein selbst entworfenes „Kartenspiel mit Götterbildern, Tieren und Vögeln“ bezahlte er seinem ehemaligen Sekre-

Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 35. Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 63; Maspoli, Arme e imprese, in: Archives héraldiques siusses-Schweizer Archiv für HeraldikArchivio araldico svizzera-Archivum heraldicum, 110, 1996, S. 140 und 157–158.

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tär Marziano da Tortona 1500 Dukaten für die Beschreibung des Spiels. 54 Außerdem beauftragte er den Maler Michelino da Besozzo mit der künstlerischen Ausführung dieses Kartenspiels. So verdeutlicht dieser Quellenbeleg nicht nur seine Leidenschaft für das Kartenspiel an sich, das er sein eigenes Kartenspiel entworfen hat. Deutlich wird auch seine Bereitschaft hohe Geldsummen für das Kartenspiel zu investieren, denn neben dem Honorar für Marziano da Tortona, wird er auch dem Maler ein gebührendes Honorar bezahlt haben. Auch die Begebenheit, als er eines Abends mit den Prinzen von Navarra und Aragon spielte und dabei 1500 Goldstücke verlor, zeugt von Filippo Maria Viscontis großer Spielleidenschaft und überdies von hohen Spieleinsätzen. 55 Im Spiel des Visconti di Modrone sind zahlreiche Impresen gezeigt, sie wirken in der Tradition der Adelsfamilie angemessen platziert.

10.3.4 Die „Liebenden“ Im Zentrum der Diskussion um die Datierung des Spiels steht die Karte der „Liebenden“ des Visconti di Modrone, sie ist damit die wohl meistdiskutierte Karte in der Forschung. Die Frage der Datierung dieser Karte hat eine weitreichende Bedeutung über das Spiel Visconti di Modrone hinaus. Denn die Zusammengehörigkeit der Spiele Brambilla, Visconti di Modrone und Visconti-Sforza (Vgl. hierzu Abschnitt „Ecksteine der Datierung“) hat sich als schlüssig erwiesen. Die „Liebenden“ des Visconti di Modrone ist eine der wenigen Karten innerhalb der erhaltenen Tarocchi, die einen auffälligen und konkreten Hinweis auf ein damaliges Ereignis zeigt. Dies wäre ein Anhaltspunkt, womit sich auf bestimmte Personen schließen ließe. Deshalb erhält die Datierung dieser Karte eine zentrale Bedeutung für Datierung des Visconti di Modrone und weiter für die zeitliche Abfolge der erhaltenen Spielfragmente der Tarocchi überhaupt. Auf dieser Karte ist ein Paar unter einem Baldachin stehend dargestellt, wie es sich die Hand reicht. Der Rand des Baldachins ist verziert mit herunterhängenden Wappenschilden, die abwech-

Abbildung 22: Die „Liebenden“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 46; Muir, History of Milan, S. 185. Eine ausführliche Besprechung dieses Spiels erfolgt in Abschnitt „Zwischen Schriftquellen und überlieferten Bildern“. 55 Muir, History of Milan, S. 185 54

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Abbildung 23: Ausschnitt Gewand des Bräutigams, Die „Liebenden“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

selnd die Schlange der Visconti und ein weißes Kreuz auf rotem Grund zeigen. Zu Füßen des Paares springt ein kleiner Hund im Gras und über dem Baldachin schwebt ein Cupido mit einer Augenbinde. In der Forschung und Literatur wird allgemein akzeptiert, dass dieses Motiv eine Hochzeit darstellt. Zu dieser Festlegung trägt die dargestellte Geste des Brautpaares bei, das sich die rechte Hand reicht. Diese Geste sei, so Christophe Poncet, die „dextrarum junctio“ 56, das Handreichen der Brautleute, das seit der römischen Antike die Heirat besiegelt. Ausgehend von der Annahme, dass beide Wappen dem Brautpaar zuzuordnen sind, entsteht jedoch eine kontroverse Diskussion, wem das Wappen des weißen Kreuzes auf rotem Grund zuzuweisen ist. Schließlich kommt die Forschung zu dem

Ergebnis, dass nur das Wappen des Hauses Savoyen dargestellt sein kann. In der Linie Visconti und Sforza finden sich jedoch mehrere Vermählungen mit dem Hause Savoyen, wovon zwei in den Zeitraum der Blütezeit der Tarocchi fallen. Daraus ergibt sich ein weiterer Aspekt, wie dieses Spiel zu datieren ist. Nachdem Herzog Filippo Maria Visconti im Jahr 1428 Maria von Savoyen geheiratet hatte, 57 ehelichte sein Enkel Galeazzo Maria Sforza im Jahr 1468 Bona von Savoyen. 58 Das Motiv der „Liebenden“ zeigt auf dem Hut des Bräutigams das Visconti-Motto „a bon droyt“ (selbst in der digitalen Vergrößerung der Reproduktionen ist dies leider nur sehr undeutlich zu erkennen). Auf seiner Weste ist ein Brunnen dargestellt, in Form einer auf der Erde stehenden massiven sechseckigen Brunneneinfassung mit einer Säule in ihrer Mitte. Am oberen Ende der Säule ist ein Knauf, aus dem zwei Wasserstrahlen entspringen und in die Brunnenschale fließen. Ein solcher Brunnen findet sich ebenfalls auf dem Gewand der Stab-Königin, Stab-Reiterin, Stab-Dame und StabBube. (Es ist als wahrscheinlich anzunehmen, dass auf allen Hofkarten der Stab-Serie, also auf dem verlorenen Stab-König und Stab-Reiter der Brunnen auf dem Gewand ebenfalls aufgemalt war.) Giuliana Algeri meint, dass die Zahlenkarten für Filippo Maria Visconti angefertigt wurden, die Trümpfe und Hofkarten jedoch viel später zum Spiel hinzugefügt worden seien. 59 Sie legt sich bei ihrer Interpretation und Datierung des Motivs darauf fest, die Karte der „Liebenden“ zeige die spätere Hochzeit, denn der Brunnen sei ein Symbol der Sforza. Die Kombination dieser beiden Symbole sei nur bei Galeazzo Maria Sforza als Bräutigam möglich. 60 Auch Stuart Kaplan spricht von dem Brunnen als einem Sforza-Symbol. Angeblich wurde es Francesco Sforza verliehen, nachdem er den Feldzug, bei dem sein Vater ertrank, erfolgreich zu Ende geführt hat. 61 Stuart Kaplan stiftet an dieser Stelle jedoch Verwirrung, weil er zwei verschieden gestal-

Poncet, La scelta di Lorenzo, S. 14. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 12. 58 Vgl. hierzu Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 13–14. 59 Vgl. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 15. 60 Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 28, Anmerkung 12. In diesem Text werden zwei Literaturangaben als Quelle für den Brunnen als Wappenzeichen oder Imprese der Sforza angegeben: Algeri, Algeri Gli Zavattari. S. 93, Anmerkung 30. Hier gibt Giuliana Algeri als Quelle für diese Information an: AA.VV., Gli Zavattari a Milano, Mailand 1978, S. 307. Dieses Buch war für die vorliegende Arbeit nicht verfügbar. Die weitere Referenz in der gleichen Fußnote „Algeri 1986“, fehlt im Literaturverzeichnis von Giordano Berti, I tarocchi. In keinem der für diese Arbeit gesichteten Wappenbüchern und anderen Dokumenten ist ein Brunnen als Zeichen der Sforza vermerkt. 61 Kaplan, Encyclopedia I, S. 62. 56 57

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tete Brunnen als Sforza-Symbol anführt. Die zweite Ausführung des Brunnens steht auf einem filigranen sechseckigen Fuß, der sich nach oben verjüngt und am Ende sich zu einer Kugel formt. Hierauf ist die sechseckige Brunnenschale befestigt, in deren Mitte sich eine Säule erhebt. Das Ende der Säule ist kugelförmig und obenauf sitzt ein kleiner Vogel mit gespreizten Flügeln zum Abflug bereit. Aus der Säule sprudeln zwei Wasserstrahlen in die Brunnenschale. Diese Abbildung gleicht der Darstellung des Kelch-As im Visconti-Sforza, und zeigt weiter entfernte Ähnlichkeit mit den Kelch-Assen der Spiele Goldschmidt, Bartolomeo Colleoni und Guildhall. Im Folgenden wird von dem ebenerdig stehenden Brunnen die Rede sein, wie er auf dem Gewand des Bräutigams zu sehen ist. Denn ein Familiensymbol oder Imprese ist immer auf die gleiche Weise dargestellt. Obwohl die Imprese des Sforzesco-Brunnens in der Literatur erwähnt wird, ließ sich diese Imprese anhand der Quellen, die für diese Arbeit zur Verfügung standen, nicht nachprüfen. 62 Nun mag das Argument der Kombination des Visconti-Mottos und des Sforza Brunnens auf den ersten Eindruck schlüssig klingen. Bei genauerer Betrachtung sind Giuliana Algeris Argumente zur Datierung des Motivs und des Spielfragments Visconti di Modrone (Vgl. hierzu „Die Welt des Filippo Maria Visconti“), nicht mehr haltbar. Da selbst die Beinecke Rare Book and Manuscript Library als aufbewahrende Institution das Spiel zwischen 1428–1447 datiert und damit den biografischen Daten Filippo Maria Viscontis zuordnet, aber auch, weil sich im Laufe dieser Arbeit ein anderes Spiel Galeazzo Maria Sforza zuordnen ließ, wird Giuliana Algeri’s Argumentation hier nicht weiterverfolgt. Die Infrarotaufnahme des Motivs mit einer Wellenlänge von 830 nm 63 lässt kaum Unterzeichnungen erkennen, erweckt jedoch den Eindruck eines flüssigen und einheitlichen Arbeitsprozesses an den Gewändern der Figuren. Somit ist ein nachträgliches Aufbringen des Brunnens unwahrscheinlich. Interessanterweise lässt die Unterzeichnung bei den Wappen des Baldachins jedoch Varianten

Abbildung 24: Infrarotaufnahme die „Liebenden“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library. Foto: Marie-France Lemay, Yale University Library, Center of Preservation and Conservation

Weder das Stemmario Trivulziano Cod. Triv 1390, noch Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 2168 führen einen Brunnen als Zeichen der Sforza auf: Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 1390. In: graficheincomune.comune.milano.it (acc. 14. 8. 2019); Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 2168. In: graficheincomune.comune.milano.it. 63 Marie-France Lemay, Paper Conservator, Yale University Library fertigte diese Aufnahme auf Anfrage und stellte sie in einer privaten Email an die Autorin vom 7. 3. 2017 zur Verfügung. Dateiname: ITA109_Love_Refl_IR_f11_8s2.jpg 62

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zur oberen Malschicht erkennen. Die ViscontiSchlangen sind deutlich, aber lediglich das Wappen zwischen der zweiten und dritten Schlange von links lässt das weiße Kreuz auf rotem Grund der Savoyen erahnen. Auf den weiteren hellen Wappenschilden scheinen andere Wappen skizziert zu sein, doch auch in der digitalen Vergrößerung der Infrarotaufnahmen bleiben sie undeutlich. Weitere Infrarotaufnahmen mit tiefer gehendem Infrarotlicht könnten über diesen Aspekt mehr Aufschluss geben. Wie es scheint, wurden diese Wappenschilde auf der obersten Malschicht der Spielkarte überarbeitet. Eine weitergehende Untersuchung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, die Datierung des Spiels insgesamt bleibt durch die darüberhinausgehenden Argumente bestehen. Einen Hinweis zur Deutung des Brunnens auf dem Gewand des Bräutigams erwähnt Emilia Maggio, indem sie sagt, ein sechseckiger Brunnen sei als „Fountain of Love“ im späten Mittelalter und der frühen Renaissance ein häufiges Motiv in der Kunst. 64 Ähnlich äußert sich Stuart Kaplan, wenn er „The Fountain of Youth“ als populäres Thema in der Kunst dieser Zeit bezeichnet. 65 Das Eintauchen in das Wasser des Jungbrunnens soll Unsterblichkeit, Jugend und Gesundheit verleihen. 66 Ob nun auf dem Gewand des Bräutigams der Liebesbrunnen, der Jungbrunnen oder eine Anspielung auf beide Varianten dargestellt ist, sei dahingestellt. Es ist wohl ein eine nette Geste, dem jungen Paar mit dieser Darstellung die (ewige) Liebe für ein gedeihliches Zusammenleben zu wünschen und den Bräutigam symbolisch mit Jugend und Gesundheit auszuweisen. Beides sind Eigenschaften, die Manneskraft garantieren und diese braucht ein junger Adeliger, der männliche Nachkommen für sein Erbe zeugen soll. Etwa zur gleichen Zeit wie das Visconti di Modrone entstand um 1430 67 das Fresco „Fontane della Giovanezza“ an der Südwand des Sala Baronale im Castello della Manta 68. Es zeigt einen dieser Jungbrunnen, in der sechseckigen Brunnenschale

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entspringt eine Säule, deren Spitze ein mit Pfeilen schießender Cupido krönt. Der Aufbau der Darstellung ähnelt stark dem Brunnen auf dem Gewand des Bräutigams. Auf der linken Seite des Brunnens steigen alte Männer und Frauen in den Brunnen, auf der rechten Seite entsteigen ihm junge, kraftvolle Menschen. Im Brunnen selbst nimmt bereits das Liebestreiben einiger Paare seinen Lauf. Die Darstellungen des sechseckigen Brunnens auf dem Motiv der „Liebenden“ und im Castello della Manta zeigen, dass der Mythos von ewiger Jugend bei dem Adel in Oberitalien ein präsentes Thema ist. Abschließend sei noch auf die Ähnlichkeit des Motivs der „Liebenden“ im Visconti di Modrone mit der Darstellung der Hochzeit von Anna und Joachim im Stundenbuch der Visconti hingewiesen. 69 Inmitten einer Hochzeitsgesellschaft steht vorn das Brautpaar und mit seiner Rechten steckt Joachim der Braut einen Ring an ihre rechte Hand. Die Geste zeigt eine gewisse Übereinstimmung mit der Geste des Brautpaares auf dem Motiv der „Liebenden“. Ebenso steht der Bräutigam vom Betrachter aus gesehen auf der rechten Seite und die Braut links. Doch anstatt des schwebenden Cupidos auf dem Motiv der „Liebenden“ steht über dem Brautpaar hier die Visconti-Strahlensonne. Mit der „Hochzeit der Jungfrau“ zeigt das Stundenbuch eine weitere Szene der Vermählung eines Paares. 70 Auch auf dieser Darstellung ist das Hochzeitspaar umringt von Menschen, der Bräutigam steht vom Betrachter aus gesehen rechts und steckt mit seiner rechten Hand auf die Rechte seiner Frau den Ring. Allerdings zeigt diese Darstellung als Hintergrund eine Stadtansicht. Beide Darstellungen im Stundenbuch zeigen die Geste, dass sich die Brautleute mit der rechten Hand berühren, was die Darstellung einer Hochzeit auf dem Motiv der „Liebenden“ bestärkt.

Maggio, The Stag Rider, in: The Playing Card, Volume 42, No. 4, 2013–2014, S. 247. Kaplan, Encyclopedia II, S. 51. Becker, Lexikon der Symbole S. 48. Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, Unterschrift Fig. 11, S. 263. Il misterioso affresco, In: https://www.piemonteitalia.eu/en/curiosita/il-misterioso-affresco-nel-castello-della-manta (acc. 6. 8. 2019). Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 1. Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 90.

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Abbildung 25: Hochzeit von Anna und Joachim, Banco Rari 397, f.1r. Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

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10.3.5 König Sigismund als der „Herrscher“

Abbildung 26: Der „Herrscher“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

In der Tarotforschung gibt es hin und wieder Versuche, die dargestellten Figuren der Karten als Personen aus dem historischen Kontext der Tarocchi zu erkennen. Auf der Karte des „Herrschers“ des Visconti di Modrone sei König Sigismund dargestellt, so erklärt Emilia Maggio. Erkennbar sei er an den Insignien Zepter und Reichsapfel, sowie an seinem großen Kopfputz und seinem zweigeteilten Bart. Festgehalten sei auf dem Tarocco das Ereignis, als ein knieender Untertan dem angehenden Kaiser Sigismund die Krone der Lombardei darreicht, als Voraussetzung für die Kaiserkrönung in Rom. 71 Emilia Maggio geht für ihre Deutung von der Karte der „Herrscherin“ aus, die sich 2015 im Palazzo Abatellis in Palermo fand und dem Spiel des Alessandro Sforza zugeordnet wird. (siehe Abschnitt „Alessandro Sforza und das Spiel in Catania“.) Die Figur der „Herrscherin“, deren Haartracht und Gesichtszüge zeige Ähnlichkeit mit Barbara von Cilli, der Gattin König Sigismunds von Luxemburg, so Emilia Maggio 72. Ihre Argumentation stützt sie auf eine Darstellung von Barbara von Cilli und König Sigismund von Luxemburg in der Wiener Handschrift der Chronik des Konzils in Konstanz 1414–1418 von Ulrich Richental 73. Sie zieht diese Schlussfolgerung, obwohl der „Herrscher“ im Alessandro Sforza-Spiel fehlt, auch aufgrund von Vergleichen weiterer Darstellungen in verschiedenen Spielen. Sie vermutet weiter der „Herrscher“ des Alessandro Sforza-Spiels müsste etwa gleich gestaltet sein, wie der „Herrscher“ des Visconti di Modrone. Eine Identifizierung von Personen anhand der gemalten Gesichtszüge, kann jedoch nur ein vorsichtiger Anhaltspunkt für weitergehende Untersuchungen sein. Denn im Zeitraum der Entstehung der Tarocchi ist immer mit schematischen Darstellungen der Personen zu rechnen. Auch in Anbetracht, dass solche Darstellungen oft Jahre nach dem Ereignis angefertigt wurden, ist eine schematische Darstellung mit tradierten Erkennungs-

Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 261. Weiter sieht beispielsweise Gertrude Moakley im „Herrscher“ des Visconti-Sforza-Spiel Kaiser Friedrich III, obwohl die heraldischen Muster der Gewänder von „Herrscher“ und „Herrscherin“ dieses Spiels keinen Zweifel daran lassen, dass das Herrscherpaar des Hauses Visconti-Sforza dargestellt sein soll. Vgl. hierzu Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 71; und Wörner, Dame im Spiel, S. 94. 72 Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 264. 73 Barbara von Cilli und König Sigismund ziehen zum Weihnachtsgottesdienst in das Konstanzer Münster ein. Fol. 44v, Richental, Chronik Konstanzer Konzil, Wiener Handschrift. 71

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zeichen einer Person wahrscheinlicher als ein authentisches Portrait. In der Darstellung des „Herrschers“ des Visconti di Modrone König Sigismund zu sehen, ist eine diskussionswürdige Möglichkeit, die zwar in den historischen Kontext passt, ob sich diese Sichtweise in den Zusammenhang des Spiels dieser Tarocchi einfügen lässt, soll im Folgenden untersucht werden. Im politischen Kontext lässt sich anmerken, das Verhältnis zwischen König Sigismund und Filippo Maria Visconti war seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Filippo Maria im Jahr 1412 bis zum Tod Sigismunds 1437 geprägt von Unstimmigkeiten und Spannungen bis hin zum persönlichen und politischen Zerwürfnis. Zum Überblick seien hier die Ereignisse in Bezug auf das Verhältnis der beiden kurz zusammengefasst. Im Jahr 1412, nachdem Giovanni Maria Visconti, 2. Herzog von Mailand ermordet worden war, übernahm Filippo Maria Visconti die Regierungsgeschäfte Mailands. Er bat König Sigismund um die Bestätigung der Herzogswürde und die Privilegien seines Bruders auf ihn zu übertragen. Sigismund wartete ab, da die Bestätigung für Filippo Maria Visconti seine eigenen gegnerischen Lager aufgebracht hätte. 74 Hiermit begann ein wechselseitiges Taktieren, gegenseitiges Hinhalten und Hintertreiben beider mit Rücksicht auf ihre jeweiligen politischen Bündnisse und finanziellen Abhängigkeiten. Filippo Maria Visconti trat sogar einem politischen Bündnis bei, das eine Kaiserkrönung von König Sigismund verhindern wollte. Gleichwohl leistete er im Jahr 1415 während des Konstanzer Konzils König Sigismund den Huldigungseid. 75 Im Gegenzug legitimierte König Sigismund am 15. Februar 1416 die lombardischen Titel und Privilegien von Filippo Maria Visconti. 76 Als Venedig 1425 entgegen bestehender Bündnisvereinbarungen Mailand angriff und damit den Frieden in ganz Oberitalien gefährdete, unterstützte König Sigismund gezwungenermaßen das Herzog-

tum Mailand. 77 Die ständigen Kriege in Oberitalien, in die Filippo Maria Visconti verwickelt war, spielen König Sigismund in die Hände, denn sie banden die Kräfte Mailands. So hielten sich die kriegführenden Staaten selbst in Schach. Dies wiederum gab Sigismund Freiraum, sich um seine eigenen Auseinandersetzungen (beispielsweise mit den Hussiten) zu kümmern. Erst im Jahr 1426 stellte Sigismund eine Urkunde mit der Bestätigung der Herzogswürde und aller Rechte, die König Wenzel einst Gian Galeazzo Visconti gewährt hatte aus. Aber er hielt die Urkunde zunächst zurück. Ein Jahr später händigte er 1427 das Schriftstück an Filippo Maria Visconti aus, jedoch mit der Bitte es geheim zu halten. Gleichzeit stellte Sigismund Truppenhilfe für den Krieg mit Venedig in Aussicht. Filippo Maria Visconti war militärisch schwer bedrängt, das Dokument sollte ihn im Konflikt gegen Venedig bestärken. 78 Schließlich kam König Sigismund im November 1431 nach Mailand, um die lombardische Krone, auch die „Eiserne Krone“ genannt zu empfangen. Diese Krone galt als Voraussetzung zur Kaiserkrönung in Rom. Am 25. November 1431 fand die Krönungszeremonie in der Basilika des Klosters S. Ambrogio in Mailand statt. 79 Filippo Maria Visconti blieb ihr fern, er hatte zuvor die Stadt verlassen und sich auf seinen Landsitz nach Abbiategrasso zurückgezogen. Die Meinungsverschiedenheiten vertieften sich weiter, auch weil die Unterstützung Sigismunds für Filippo Maria Visconti gegen Venedig ausblieb. Sigismund verließ Mailand an Weihnachten 1431 wieder und zog weiter nach Piacenza, wo er wegen eines Gichtanfalls bis Ende März 1432 bleiben musste. Jedoch kam es weder in Mailand noch in Piacenza zu einem persönlichen Treffen zwischen König Sigismund und Filippo Maria Visconti. Filippo Maria als Gastgeber wurde aufgrund der von Sigismund geforderten Unterstützungszahlung für sich und seinen Begleittross immer ungehaltener, deshalb drängte er Sigismund zur Weiter-

Hoensch, Kaiser Sigismund S. 171. Diese Quelle wurde für die Kurzbeschreibung der Beziehungen zwischen Filippo Maria Visconti und König Sigismund in dieser Arbeit gewählt. Bei Kagelmacher, Filippo Maria Visconti und König Sigismund findet sich eine ausführliche Dokumentation der Beziehung zwischen dem König und dem Herzog. Beide Quellen decken sich in Ablauf der Ereignisse und der Stimmung im Verhältnis von Filippo Maria Visconti und König Sigismund. 75 Hoensch, Kaiser Sigismund S. 214. 76 Vaglienti, Filippo Maria Visconti, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 8, cols 1721–1722. 77 Hoensch, Kaiser Sigismund S. 237. 78 Hoensch, Kaiser Sigismund S. 337–339. 79 Hoensch, Kaiser Sigismund S. 376, nach Cognasso, Francesco: Storia di Milano, Bd. VI, Milano 1955, S. 280 ff. und Deutsche Reichstagsakten X, Nr. 116 ff.; und Kagelmacher, Filippo Maria Visconti und König Sigismund, S. 118. 74

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reise. Dazu stellte er einen Reisewagen für Sigismund und entsprechenden Begleitschutz zur Verfügung. 80 König Sigismund verließ schließlich Piacenza, blieb aber in Oberitalien. Während dieser Zeit schaukeln die Forderungen Sigismunds nach Unterhaltszahlungen und weiteren Geleitschutz, sowie Filippo Maria Viscontis Erwartung der Truppenunterstützung die Situation weiter hoch. Sigismund ließ es im Januar 1433 zum Bruch mit Mailand kommen und Filippo Maria Visconti schloss daraufhin notgedrungen Frieden mit Venedig und Florenz. 81 Am 31. Mai 1433 wurde König Sigismund in Rom zum Kaiser gekrönt. 82 Vor dem Hintergrund des jahrelangen Zwistes zwischen König Sigismund und Filippo Maria Visconti und schließlich dem Zerwürfnis vor Sigismunds Kaiserkrönung, erscheint es kaum denkbar, dass Filippo Maria Visconti den späteren Kaiser Sigismund mit einem Bildnis, in dem sonst sehr persönlich gehaltenen Spiel der Tarocchi Visconti di Modrone ehrt. Das Motiv des „Herrschers“ zeigt darüber hinaus einige heraldische Merkmale der Visconti. Emilia Maggio sieht in der großen Kopfbedeckung auf der Darstellung des „Herrschers“ jedoch ein Zeichen für König Sigismund, da er häufig mit solch großem Kopfputz dargestellt würde. 83 Bei starker Vergrößerung der digitalisierten Tarocchi zeigt sich jedoch, dass der Kopfschmuck des „Herrschers“ aus vielen Pfauenfedern besteht. Auch die Figuren Münz-König, Münz-Reiter, Kelch-Reiter und StabBube dieses Spiels sind mit ähnlich gestaltetem überdimensioniertem Kopfschmuck dargestellt. Bei all diesen Kopfbedeckungen sind die Pfauenfedern so nebeneinander gesteckt, dass am oberen Rand des Hutes die für Pfauenfedern typischen Augen eine abschließende Reihe bilden. Wie bereits im Abschnitt über das Tozzi-Fragment ausgeführt, wurden Pfauen in den Parkanlagen des Schlosses

der Visconti in Pavia gehalten, welches Galeazzo II Visconti hatte errichten lassen. 84 Dort lebten Generationen der Visconti von Galeazzo II, über Gian Galeazzo Visconti und auch Filippo Maria Visconti verbrachte dort seine Kindheit und Jugend. Auf Gian Galeazzo Visconti geht auch das Sinnbild der Imprese von langen zu einem Strauß zusammengebundenen Federn als Helmschmuck zurück. 85 Später übernahm zunächst sein Sohn Filippo Maria Visconti dieses charakteristische Sinnbild. Im Stundenbuch der Visconti ist der Pfau oder dessen Federn auch in Umrahmungen des Bildgeschehens abgebildet, so beispielsweise auf dem Folianten „Anna und Joachim danken Gott. 86 Ein weiteres Merkmal, das den abgebildeten „Herrscher“ als Mitglied der Familie Visconti ausweist, lässt sich (wenn auch schemenhaft) ebenfalls in der Vergrößerung des Digitalisats erkennen: Auf dem Brustpanzer des „Herrschers“ ist eine Zeichnung zu sehen, wobei es sich um die „Colomba nel fiammante“ handelt, die fliegende Taube im Strahlenkranz. 87 Rechts und links der Taube sind Buchstaben auszumachen, die das zu diesem Sinnbild gehörende Visconto-Motto „a bon droyt“ erahnen lässt. Darüber hinaus tragen drei der abgebildeten Untertanen rot-weiße Mipati als weiteres Zeichen der Zugehörigkeit der Familie Visconti. Der Untertan, der auf Knien dem „Herrscher“ die Krone reicht, müsste nach Emilia Maggio’s Interpretation Filippo Maria Visconti sein. Wie bereits erwähnt, entzog er sich jedoch der Krönungszeremonie Sigismund zum König der Lombardei. Aus heraldischer Sicht ist die Darstellung eines „Herrschers“ des Hauses Visconti sehr viel wahrscheinlicher als die Darstellung König Sigismunds. Ikonografisch vermischen sich in der Kunst die bildlichen Darstellungen des Hl. Sigismund von Burgund († 524) 88 mit jenen des Königs und späteren Kaisers Sigismund von Luxemburg (* 1368,

Hoensch, Kaiser Sigismund S. 380. Hoensch, Kaiser Sigismund S. 386–387. 82 Hoensch, Kaiser Sigismund S. 395. 83 Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 264. 84 Vogt-Lüerssen, Bianca Maria Visconti, S. 174. 85 Vgl. Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 30 „Le piume di struzzo“ wird eigentlich übersetzt als die Feder eines Straußes. Vermutlich handelt es sich um eine Doppeldeutigkeit der Übersetzung „struzzo“, im Sinne von Pfau. 86 Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 35v. 87 Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, 31 und 42, Abb. Mitte links. 88 Zum Hl. Sigismund von Burgund hier und im folgenden siehe Wimmer/Knoflach-Zingerle, Kennzeichen und Attribute der Heiligen, S. 261; und Ökumenisches Heiligenlexikon, In: https://www.heiligenlexikon.de/ (acc. 1. 9. 2020). 80 81

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† 1437) 89. Der Hl. Sigismund war König von Burgund und bekehrte sich zum katholischen Glauben. Er ließ sich aufgrund höfischer Intrigen dazu hinreißen seinen Sohn zu töten. Als Buße stiftete er das Kloster St. Maurice im Wallis. Später wurde sein Reich durch Feinde bedrängt. Er wurde schließlich von Frankenkönig Chlodomir gefangengenommen, der ihn in einen Brunnen stürzen und ertränken ließ. Sigismund von Burgund gilt deshalb als Märtyrer, dargestellt wird er mit Krone, Zepter und Reichsapfel. Das Zepter ist gelegentlich durch ein blankes Schwert als Zeichen eines Märtyrers ersetzt. Eine frühe Darstellung des Hl. Sigismund von Burgund findet sich im Uhrengeschoss an der Westfassade des Westturms des Freiburger Münsters, wo die Statue im Nord-Westen zu finden ist. Da das Original abgenommen und in das Lapidarium des Münsterbauvereins Freiburg gebracht wurde, kann sie dort im Detail und aus der Nähe betrachtet werden. Die Figur stammt etwa aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, dargestellt in einfacher, jedoch als königlich kenntlicher Kleidung, eine Krone auf dem Haupt, in den Händen hält sie Reichsapfel und Schwert. Weiter trägt die Figur die „Burgundische Haartracht“ bestehend aus kinnlangem lockigem Haar. 90 Sein Vollbart teilt sich unterhalb des Kinns in zwei lockige Strähnen. Aufgrund der Entstehungszeit dieser Figur noch vor Lebzeiten des Königs und späteren Kaisers Sigismund, ist hier sicher der Hl. Sigismund von Burgund dargestellt. Der charakteristisch geteilte Bart ist folglich schon zu dieser Zeit ein benutztes Stilmittel. Ein weiteres erwähnenswertes Bildnis findet sich in der Dreifaltigkeitskirche in Konstanz. An deren Nordwand zeigt ein Fresco das Bildnis des Hl. König Sigismund von Burgund dargestellt als König Sigismund von Luxemburg. Obwohl das Portrait ausdrücklich beide Persönlichkeiten vereint, gilt es als recht authentisches Bildnis König Sigismunds vom Luxemburg, da er die Ausmalung der Kirche während des Konzils in Konstanz 1414–1418 stiftete. 91 König Sigismund ist abgebildet in königlicher Kleidung, Reichsapfel und Zepter in den Händen haltend. Seine Krone ist recht groß, darunter quellen lange lo89 90 91 92 93 94

Abbildung 27: Hl. König Sigismund von Burgund, Turmfassade Münster Freiburg und Lapidarium Münsterbauverein Freiburg. Foto: Sabine Abele-Hipp

ckige Haare hervor. Er trägt einen langen Vollbart, der sich unterhalb des Kinns in zwei Haarstränge aufteilt. König Sigismund von Luxemburg wird hier mit zwei Merkmalen gezeigt, die Emilia Maggio als seine Erkennungszeichen beschreibt: die große Kopfbedeckung und den unter dem Kinn geteilten Doppelbart. In der Darstellungstradition König Sigismunds von Luxemburg mag das Merkmal der großen oder eigenwilligen Kopfbedeckungen einigermaßen verlässlich sein, der Doppelbart als Erkennungszeichen ist allerdings höchst unsicher. Dies lässt sich auf dem Portrait, das ursprünglich Pisanello zugeschrieben wurde, ebenfalls sehr gut sehen. 92 Auf diesem Gemälde trägt Sigismund ebenfalls eine große Pelzmütze, jedoch keinen Doppelbart. Auch in der Konstanzer Ausgabe der Richentalchronik des Konstanzer Konzils wird König Sigismund von Luxemburg stets mit Krone, langem Haar und langem Bart ohne Teilung dargestellt. 93 Die St. Georgener Handschrift der Richentalchronik stellt König Sigismund ebenfalls mit langem ungeteilten Vollbart dar. 94 Die Darstellung König Sigismunds von Luxemburg mit Doppelbart in der Wiener Handschrift der Richentalchronik muss so-

Siegmund – Enzyklopädie – Brockhaus, In: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/siegmund-20 (acc. 1. 9. 2020). Kreuzer, Deutung einiger Standbilder, in: Freiburger Münsterblätter, 0007, 1913, S. 24–25. Derschka, Konzilsfresken der Dreifaltigkeitskirche, S. 1–2 und hintere Umschlagseite. Kaiser Sigismund (1369–1437), In: http://www.khm.at/objektdb/detail/1457/?offset=76&lv=list (acc. 1. 9. 2020). Klöckler, Konstanzer Handschrift der Konzilschronik, in: Jürgen Klöckler (Hg.): Chronik des Konzils zu Konstanz 1414–1418. Ulrich von Richental, Handschrift St. Georgen, In: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbhs/content/titleinfo/1188078 (acc. 1. 9. 2020) (acc. 14.11. 2018)

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Abbildung 28: König Sigismund, Fresko in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg i. Allgäu. Foto: Erwin Reiter, Haslach

mit als Interpretation des Chronisten angesehen werden. Darüber hinaus ist die Darstellung eines Doppelbartes auch in weiteren Kunstwerken häufig zu sehen. Sie wird auch bei verschiedenen Persönlichkeiten gezeigt und somit keineswegs nur auf König und Kaiser Sigismund von Luxemburg zu beziehen. Weitere Portraits mit Doppelbart im Umfeld der Visconti oder Spielkarten finden sich mehrfach. Allein im Ambraser Hofämterspiel finden sich vier Kartenfiguren mit Krone, auch mit mehr oder we-

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niger großen Kopfbedeckungen, ebenso mit den schematischen Merkmalen lockiges Haar und einem zweigeteilten langen Bart: Lilienwappen auf blauem Grund König und Hofmeister, Wappen schwarzer Adler auf gelbem Grund Hofmeister und Wappen weißer Löwe auf rotem Grund Hofmeister. 95 Keine dieser Darstellungen dürfte auf König Sigismund von Luxemburg anspielen. Auch der „Herrscher“ der Brambilla-Tarocchi trägt einen Doppelbart. 96 Im Stundenbuch der Visconti finden sich zwei Portraits von Gian Galeazzo Visconti bei Psalm CIX und Psalm 137 mit Doppelbart und langem Haar, freilich ohne Krone. 97 Das Portrait bei Psalm 137 ist eingerahmt von den Strahlen seines Sinnbilds der Strahlensonne und somit eindeutig als Gian Galeazzo Visconti zu interpretieren. Wie es scheint entspringen die Darstellungen eines Doppelbartes und langen Haaren einer zeitgenössischen Mode und Darstellungsweise. Nach all diesen Ausführungen mutet es seltsam an, dass Filippo Maria Visconti durch eine Darstellung im Visconti di Modrone König Sigismund Anerkennung gewährt und ihm überdies auch noch auf dem Motiv des „Herrschers“ die lombardische Krone reichen soll. Denn weiter lassen sich in dem Motiv des „Herrschers“ des Visconti di Modrone mehrere Visconti Symbole erkennen, ebenso wie die anderen zehn erhaltenen Trumpfkarten reich ausgestattet sind mit Impresen von Gian Galeazzo Visconti und Filippo Maria Visconti. Tarocchi sind Medien, die der Selbstdarstellung des Herrscherhauses dienen. Auch in anderen Spielen ist jeweils ein Herrscherhaus oder dessen Ahnenpaar dargestellt (beispielsweise Visconti-Sforza-Spiel, das d’Este). Warum also sollte Filippo Maria Visconti einen König in sein persönliches Spiel aufnehmen, mit dem er ständig in Querelen verwickelt war? Ein weiterer problematischer Aspekt in dieser Diskussion ist die Datierung des Visconti di Modrone, die Emilia Maggio von Cristina Dorsini übernimmt. 98 Die Anfertigung zwischen 1442 und 1447 ist zu spät, wenn die historischen Ereignisse in Betracht gezogen werden. Filippo Maria Visconti vermählt sich mit Maria von Savoyen 1428, König

Ambraser Hofämterspiel, Ambraser Hofämterspiel. Bandera/Tanzi, Quelle carte de triumphi, S. 36. Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 105 Psalm CIX und Br 128 Psalm 137. Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 260 Anmerkung 10; nach Dorsini, Visconti di Modrone Tarot.

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Sigismund weilt 1431 in Mailand 99 und Filippo Maria Visconti stirbt 1447. Kaiser Sigismund als den „Herrscher“ abzubilden ist nur bei dieser späten Datierung des Spiels möglich, denn er wurde erst 1433 zum Kaiser gekrönt. Eine Anfertigung des Visconti di Modrone um 1428 eventuell auch bereits vor Sigismunds Ankunft in Mailand 1431 ist in Anbetracht aller heraldischen Insignien, die auf Filippo Maria Visconti hinweisen, jedoch sehr viel wahrscheinlicher. Und auch weitere Aspekte sprechen gegen eine Darstellung des „Herrschers“ als Kaiser Sigismund in diesem Spiel, diese werden im entsprechenden Abschnitt „Die problematische Interpretation der Darstellung von Personen“ ausgeführt. Es lassen sich darüber hinaus noch andere mögliche Aspekte in dem Motiv des „Herrschers“ erkennen. Denkbar ist das Motiv des „Herrschers“ als anzustrebendes Idealbild mit den moralischen Anforderungen eines Herrschers, sei er Herzog, König oder auch Kaiser. Diese Darstellung wäre bei jeder Betrachtung Erinnerung und Mahnung an die Verpflichtung des Titels, ganz gleich welches Amt der Betrachter bekleidet. Zu dieser Aufgabe des Herrschers, dem Idealbild nachzustreben, passen die in der weiteren Trumpfreihe abgebildeten Tugenden „Gerechtigkeit“ (Iustitia), „Stärke“ (Fortitudo) und „Mäßigkeit“ (Temperantia). Ein Herrscher, der diese Tugenden beherzigt, wird als guter Herrscher in die Geschichte eingehen. Mehr noch wird sein Ruhm den Tod überdauern und er kann auf Wiederauferstehung nach seinem Tod hoffen. Ähnlich wie es die Fresken der „Guten Regierung“ von Ambrogio Lorenzetti im Palazzo Publico in Siena darstellen. Möglicherweise handelt es sich bei der Darstellung des „Herrschers“ auch um eine Anspielung auf visionäre Machtansprüche der Visconti, denn Gian Galeazzo Visconti strebte angeblich den Thron des Königs eines vereinigten Königreichs von Italien an. 100 Denkbar wäre folglich auf der Karte des „Herrschers“ eine fiktive Szene, in der Filippo Maria Visconti seinem Vater Gian Galeazzo Visconti im Kreise von Visconti-Nachkommen die Königskrone darbietet – und damit bildlich darstellen lässt, dass er im Sinne seines Vaters weiter regieren möchte.

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10.3.6 Die Welt des Filippo Maria Visconti Die Gestaltung des Motivs der „Welt“ im Visconti di Modrone ist innerhalb der erhaltenen Spielfragmente der Tarocchi einzigartig. Dieses Motiv ist das älteste erhaltene dieser Art, wobei der Bezug des Spiels im Allgemeinen und dem Motiv im Besonderen zu Filippo Maria Visconti ersichtlich ist. Deshalb soll dieses Motiv hier eingehend erläutert werden. Im unteren Teil des Bildes ist eine Landschaft zu sehen mit verschiedenen Bauwerken. Links unten zeigt sich ein langgezogener See, auf dem ein mit zwei Menschen besetztes Boot schwimmt. Ein weiterer Mann angelt am linken Ufer. In der Bildmitte trabt ein Reiter auf einem weißen Pferd mit wehender Standarte von rechts kommend auf den See zu. Sein linkes Bein ist sichtbar und rot gekleidet. Der See schlängelt sich Richtung Bildmitte zwischen zwei Bauwerken hindurch auf eine große befestigte Stadt zu. Auch sie ist umflossen mit Wasser, eine Zugbrücke öffnet über den Graben das Eingangstor. Die umlaufende Mauer ist mit Ecktürmen versehen, von denen drei sichtbar sind. Innerhalb der Anlage ist ein großer Bau mit Zierfenstern zu erkennen, weitere zwei Türme überragen die Mauer weithin sichtbar. In weiterer Entfernung ist das Meer dargestellt, worauf einige Segelschiffe zu sehen sind. Markant erhebt sich an der Küste rechts ein hoher Turm. Dieses Landschaftsbild ist durch eine halbkreisförmige Kontur nach oben abgegrenzt. In der oberen Mitte ragt eine Krone durch diese Kontur in das Landschaftsbild herab. Abgeschlossen wird diese Krone mit einem Band, das aussieht, als wären Muscheln gegeneinandergesetzt und aneinandergereiht. Darüber wiederum erhebt sich eine adelig gekleidete Frau, die den Betrachter frontal anblickt. In ihrer rechten Hand hält sie eine Art Zepter und in ihrer Linken eine Krone, wie sie mehrfach in den weiteren Karten des Spiels dargestellt ist. Der Hintergrund dieser Figur ist aus gepunztem Goldgrund gestaltet, wie es bei den weiteren Karten ebenfalls üblich ist. Zum Verständnis dieses Motivs, insbesondere der Vedute und der darüber schwebenden Frau müssen die frühen Jahre des Filippo Maria Visconti als dritter Herzog von Mailand genauer betrachtet

Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 265; und Hoensch, Kaiser Sigismund, S. 377. Muir, History of Milan, S. 121.

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Abbildung 29: „Die Welt“, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

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Muir, History of Milan, S. 125. Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XIX. Muir, History of Milan, S. 132. Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 5. Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 41.

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werden. Als im Jahr 1402 Gian Galeazzo Visconti stirbt, steht er auf dem Höhepunkt seines Machtstrebens, sein Tod trifft seine Umgebung unverhofft. Gemäß seiner testamentarischen Verfügung beerbt ihn sein ältester Sohn Giovanni Maria Visconti als Herzog von Mailand und übernimmt einen Großteil des Machtgebietes des Herzogtums. Filippo Maria Visconti bekommt die Ländereien und das Schloss von Pavia, wo er auch seinen Wohnsitz nimmt. Da Giovanni zu diesem Zeitpunkt erst 14 Jahre alt ist, wird seine Mutter und Gian Galeazzo’s Witwe Caterina Visconti als Regentin eingesetzt. 101 Doch im Herzogtum brechen seit langem schwelende innere Spannungen mit anderen lombardischen Städten wieder auf. 102 Auch die Nachkommen Bernabo’s bedrängen den jungen Herzog und die Regentin. Außenpolitisch setzen Venedig und Florenz das Herzogtum Mailand unter Druck, infolgedessen verlieren Giovanni und Caterina einige Städte und damit einen erheblichen Teil ihres Territoriums. Im Jahre 1404 flieht Caterina nach einem Tumult aus Mailand nach Monza, wo sie schon bald darauf unter mysteriösen Umständen stirbt. Danach übernimmt der Condotierre Facino Cane die Regentschaft für Giovanni. Beide sterben am 16. Mai 1412, Facino Cane an Krankheit und Giovanni Maria Visconti wird ermordet. 103 Das Reich des Gian Galeazzo Visconti ist zu diesem Zeitpunkt in Auflösung begriffen. Als zweitgeborener Sohn war es für Filippo Maria Visconti nicht vorgesehen Herzog zu werden. Gleichwohl hätte ihn sein Vater gerne als Herzog gesehen, weil er nach Gian Galeazzo’s Ansicht charakterlich besser für das Amt geeignet war als sein Bruder Giovanni. 104 Auch seine Mutter entwickelte eine besondere Zuneigung zu ihm, denn er war als Kind kränklich und schwächlich, weshalb sie ihn mit besonderer Aufmerksamkeit und Fürsorge bedachte. 105 Auch Filippo Maria Visconti selbst zeigt ein ausgeprägtes Verhältnis zu seinen Eltern, er liebte seine Mutter sehr. Das Andenken an den Vater „war ihm heilig“, wie sein Sekretär Decembrio später berichten wird. Die mysteriösen Umstände

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ihres Todes entfachen seinen Zorn bis hin zu Rachegelüsten. 106 Im Jahr 1412 wurde Filippo Maria Visconti im Alter von 20 Jahren folglich dritter Herzog von Mailand. Seine Voraussetzungen waren wenig aussichtsreich: Er war gänzlich unvorbereitet und ohne familiäre Vertraute auf außenstehende Berater angewiesen. Zudem befand sich das Herzogtum in desolatem Zustand und ihm fehlte die kaiserliche Legitimation. Aber er fasste den Vorsatz, das Territorium seines Vaters zurückzuerobern. 107 Zunächst heiratete er die Witwe von Facino Cane, Beatrice von Tenda. Diese Heirat brachte die Ländereien Cane’s in den Visconti-Besitz, ebenso wie die Truppen und Streitmächte, die Cane befehligte. Diese schworen Filippo Maria Visconti die Treue, was ihn militärisch stärkte. 108 Dann begann er seinen Eroberungszug. Im ersten Schritt holte er Mailand zurück, Zentrum des Herzogtums und Stammsitz der Visconti, das zwischenzeitlich von Bernabo’s Nachkommen Estore und Gian Carlo Visconti ergriffen worden war. In den nächsten zehn Jahren eroberte er westlich von Mailand die Städte Novarra, Alessandria, Vigevano und Tortona, nördlich gewann er unter anderem Varese, Como, Lecco, Monza und Bergamo, östlich von Mailand fielen ihm unter anderem die Städte Brescia, Piacenza und Cremona zu. 109 Somit waren weite Teile des Territoriums von Gian Galeazzo Visconti zurückerobert. Im Jahr 1421 gelang ihm ein Erfolg, der sogar seinem Vater verwehrt geblieben war: Nach langer Zeit von kriegerischen Auseinandersetzungen ergab sich Genua und kam so unter die Herrschaft von Filippo Maria Visconti. 110 Der Besitz von Genua war bedeutend und ein großer Triumpf für Filippo Maria Visconti, denn nun hatten die Visconti Zugriff auf den bedeutenden Hafen und Zugang zum Meer und Seehandel. Damit konnten sie im Handel ein Gegengewicht zu Venedig setzen. Genua unter seiner Kontrolle zu haben, bildete den Höhepunkt der militärischen Erfolge von Filippo Maria Visconti. Je-

doch erwachte damit auch der Widerstand der angrenzenden Staaten, die eine weitere Ausdehnung des Visconti verhindern wollten. Für den Rest seiner Herrschaft wird Filippo Maria Visconti in Territorialkriege verwickelt gewesen sein. Vor diesem historischen Kontext wird die Bedeutung des Motivs der Karte der „Welt“ erkenntlich. Für Filippo Maria Visconti waren die ersten Jahre als Herzog eine erfolgreiche Zeit. Er zeigt auf dem Motiv das Territorium seines Herzogtums, das er so erfolgreich wiedererobert hatte und damit die alte Größe des Herzogtums seines Vaters nicht nur zurückerlangt, sondern noch übertroffen hatte! Der Maler zeigt dem Betrachter den Ausblick, der sich von Norden am unteren Bildrand der Vedute einem an der Grenze zum Herzogtum Mailand ankommenden Reisenden als Erstes zeigt. Freilich wird weder der Standort des Malers auszumachen sein, noch wird die Realität einen solchen Ausblick erlauben. Es spricht für die kartografischen Kenntnisse der Zeit, die den Maler einen solchen imaginären Blick künstlerisch ausgestalten lassen. Der Betrachter steht an der nördlichen Grenze des Herzogtums, der Blick gleitet Richtung Süden über den Comer See, weiter über die Stadt Mailand als Zentrum, bis nach Genua mit ihrem Wahrzeichen des Leuchtturms, deren Eroberung Filippo Maria Visconti mit so viel Genugtuung erfüllte. Ein Vergleich mit zeitgenössischen Karten von Rom zeigt, es war durchaus üblich Norden an den unteren Bildrand der Darstellung zu rücken. 111 Ebenso scheinen die Darstellungen von Landschaften oder Stadtansichten dieser Zeit gelegentlich für einen politischen Zweck erarbeitet zu sein, so lässt beispielsweise Kaiser Ludwig der Bayer seinen Krönungsweg nach Rom auf einer Münze nachbilden. 112 Bei einigen Darstellungen von Rom fällt auf, dass das Kolosseum in die leicht nach oben versetzte Mitte der Karten gerückt wird und so den Blick des Betrachters auffängt und leitet. 113 Aus dieser Perspektive betrachtet, steht die Landschaftsdarstel-

Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 25–26. Muir, History of Milan, S. 187. 108 Muir, History of Milan, S. 136. 109 Muir, History of Milan, S. 114–145 und Black, Absolutism in Renaissance S. 73–74. 110 Black, Absolutism in Renaissance, S. 74.; Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XXI und S. 9; Muir, History of Milan, S. 145. Sie datiert die Übernahme von Genua auf 1422. 111 Vgl. hierzu Bogen/Thürlemann, Rom, Stadt in Karten, S. 11, Karte Nr. 6 von 1328, S. 35 (6.1) und 212. 112 Bogen/Thürlemann, Rom, Stadt in Karten, S. 11. 113 Karte Nr. 6 aus dem Jahr 1328, S. 35 (6.1) und 212. Bogen/Thürlemann, Rom, Stadt in Karten, Karte Nr. 6 Ludwig der Bayer, S. 36 (6.1); Goldbulle 106 107

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lung des Motivs der „Welt“ in einem zeitgenössischen Darstellungskontext: Norden ist unten, die Vedute hat eine politische Bedeutung und das Zentrum des politischen Geschehens Mailand wird als Sitz des Herzogs und Zentrum der Macht folgerichtig in der Bildmitte platziert. Das Landschaftsbild auf dem Motiv der „Welt“ lässt sich demnach wie folgt interpretieren: Vom gedachten Standort an der nördlichen Grenze des Herzogtum Mailand sieht der Betrachter oder der Reisende, zunächst auf den Ausläufer des Comer Sees und Como. Das Boot auf der Darstellung zeigt die Nutzung des Sees, der Angler steht symbolisch für den Fischfang. „Fisch aus Como“ findet sich als Speise beispielsweise bei Festmahlen der Visconti. 114 Sehr wahrscheinlich wurde der See auch mit größeren Schiffen befahren. In der Stadt Como laufen die damals bereits lang bekannten und begangenen Nord-Süd-Routen aus der Innerschweiz, dem Bodenseeraum, der Gegend um Ulm und Franken über die Bündner Alpenpässe zusammen. Westlich sind dies die Routen über den Gotthard, den Lukmanier und den San Bernadino über Bellinzona nach Como. Östlich führen die Passrouten von Splügen, Septimer, Julier und Maloja über Chiavenna nach Como. 115 Como in Besitz zu haben, bedeutet folglich für Filippo Maria Visconti einen Großteil des Verkehrs und Handels, der von Norden über die Alpen nach Italien kommt, kontrollieren zu können. Gleich an diesem so wichtigen Eingangstor zum Herzogtum Mailand zeigt der Reiter, der auf der Darstellung der Landschaft auf den Comer See zureitet, wessen Territorium der Reisende betreten wird. Der Reiter gibt sich für unser heutiges Verständnis subtil, aber doch mit Bestimmtheit als Visconti zu erkennen. In extremer digitalter Vergrößerung 116 ist zu sehen, dass die Visconti-Schlange auf die wehende Standarte eingepasst ist (siehe Titelbild). Das linke Bein des Reiters ist in rot gekleidet.

Wie bereits mehrfach erwähnt, ist in den übrigen Karten des Spiels eine zweifarbige Beinkleidung links rot, rechts weiß dargestellt als Wappenfarben von Mailand gebräuchlich. Folglich ist es wahrscheinlich, dass auch diese Darstellung der Gewohnheit der weiteren Karten dieses Spiels folgt. Zudem trug Filippo Maria Visconti für gewöhnlich zweifarbige Beinkleider (vgl. hierzu Abschnitt „Eingearbeitete Wappenfarben“). Ein weiteres Detail lässt auf einen Visconti schließen: Sie waren Pferdeliebhaber, in allen erhaltenen Spielfragmenten sind sie und später auch die Sforza auf weißen Pferden reitend dargestellt. Filippo Maria Visconti ließ seine Pferde sorgfältig pflegen und betrieb erheblichen Aufwand für die Ausstattung seiner Pferde, gerne besichtigte er die Pferde seiner Stallungen auch selbst. In jungen Jahren hatte er große Freude am Reiten, wie sein Sekretär Decembrio berichtet. 117 Demnach ist der Reiter auf der Landschaftsdarstellung mit großer Wahrscheinlichkeit Filippo Maria Visconti selbst, der sein eigenes Territorium bei Como präsentiert, diesem ersten und wichtigen Eingangstor zum Herzogtum Mailand von Norden über die Bündner Pässen aus kommend. Von Como aus gehen alle diese Routen weiter in südlicher Richtung direkt auf Mailand zu. Mailand ist Mittelpunkt des Herzogtums, darüber hinaus der Lombardei und der weiteren Poebene. Die Stadt liegt auch im Zentrum der Verkehrswege jener Zeit, sowohl von Norden nach Süden durch die Poebene auf die weitere Halbinsel Italiens als auch in west-östlicher Richtung aus den westlichen Alpen oder Genua kommend Richtung Venedig und jeweils in umgekehrter Richtung. Aloys Schulte bezeichnet Mailand deshalb als „Stadt der Mitte“ 118. Folgerichtig stellt der Maler Mailand in die Mitte der gemalten Landschaft, in den Mittelpunkt der Darstellung auch für den Betrachter der Vedute. Es gestaltet sich schwierig, die dargestellten Stadtanlagen und Bauwerke eindeutig zu bestim-

Friedrich I, 10. Jahrhundert, S. 36 (6.2); Karte Nr. 7 Taddeo di Bartolo 1414, S. 39 und 212; Karte Nr. 10 Alessandro Strozzi 1474, S. 53 und 213; ebenso Pietro del Massaio „Roma“ 1472, S. 54 (10.1). Bei Darstellungen des Kolosseums im Zentrum rückt der Vatikan an den unteren Bildrand. 114 Muir, History of Milan, S. 195. 115 Zu der Begehbarkeit und Nutzung der Bündner Alpenpässe siehe Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Verkehrs, 178; und Büttner, Die Büdner Alpenpässe, in: Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz, S. 242–252; Eine übersichtliche Bündner Landkarte findet sich bei Schwade Straßen und Wege, In: http://www.altwege.de/mittelalter-handelswege/handelswege-schweiz.html (acc. 3. 7. 2019). 116 Eine hochauflösende Detailaufnahme des Reiters mit Standarte fertigte die Papierkonseratorin Marie-France Lemay der Beinecke Rare Book and Manuskript Library auf Anfrage an und schickte sie in einer privaten Email am 19. 4. 2022 an die Verfasserin. 117 Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 43–45. 118 Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Verkehrs, S. 22.

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men. Zum einen ist davon auszugehen, dass der zeitgenössische Zustand der Städte und Gebäude dargestellt ist, der heute nur noch schwer nachzuvollziehen ist. Zum anderen werden auf dieser kleinen Darstellung der Spielkarte nur sehr herausragende Merkmale festgehalten sein. Für Mailand sind die Stadtansicht von Pietro del Massaio von 1469 und 1472 119 hilfreich. Beide Stadtansichten von Pietro del Massaio sind so gedreht, dass am obersten Punkt der eingezeichneten Stadtmauer das Castello von Mailand gezeigt wird. Das Castello befindet sich jedoch auf heutigen genordeten Stadtkarten im Nord-Westen der Stadt. Im Zentrum der Stadtansichten Mailands von Pietro del Massaio ist eine drei-schiffige Kirche zu sehen, 1472 unterschrieben mit „sā maria“. Diese Kirche ist heute geläufig als „Dom von Mailand“, der Mutter Gottes geweiht und die einzige drei-schiffige Kirche in Mailand. Auf beiden Stadtansichten stellt Pietro del Massaio die Kirche mit einem hohen Turm auf der Dachmitte dar, wohl der heutige Vierungsturm. Der Bau des Doms von Mailand wurde von Gian Galeazzo Visconti initiert und 1387 begonnen, von der Apsis ausgehend über das Querschiff und die Längsschiffe. Auf seiner Rückreise vom Konzil zu Konstanz nach Italien weiht Papst Martin V im Oktober 1418 den Hochaltar ein, der Vierungsturm wurde zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert fertiggestellt und erst im späten 18. Jahrhundert wurde die berühmte Madonnina aufgesetzt. 120 Die Stadtansicht von Pietro del Massaio kann also lediglich einen Bauabschnitt, einen Entwurf oder eine Vision des Doms von Mailand zeigen. Jedoch es ist ein weiteres Detail in den Darstellungen, das auf den Dom hinweist und damit Mailand in der Vedute der Spielkarte die „Welt“ des Visconti di Modrone erkennen lässt: Auf dem Motiv der „Welt“ erhebt

sich über dem Stadttor in der bildlichen Darstellung Mailands die Hauptfassade des Gebäudes. Diese Fassade ist mit einer großen, auffälligen Rosette verziert. Die Darstellungen von Pietro del Massaio zeigen eine solche Rosette ebenfalls. In der Miniaturmalerei müssen aufgrund der Größe Details stilisiert werden, um als Merkmal kenntlich zu bleiben. Bei der Rosette auf beiden Darstellungen handelt es sich um die zur Rosette stilisierte Imprese „Fiammante“ von Gian Galeazzo Visconti und Initiator des Baus. (siehe Anhang 2: Insignien der Visconti und Sforza in den Tarocchi) Noch heute ziert die Westfassade über dem Hauptportal seine Imprese der Strahlensonne als buntes Glasfenster. Mailand als Mittelpunkt der Landschaftsdarstellung auf dem Motiv der „Welt“ ist somit hinlänglich erklärt. Der Blick des Betrachters wandert auf der Landschaftsdarstellung weiter Richtung Horizont, um dort das Meer mit einigen Segelschiffen zu sehen. Zwischen zwei Segelschiffen steht auf einer hellen Erhebung ein hoher, eckig anmutender Turm. An dieser Stelle der Landschaftsdarstellung liegt geografisch übertragen Genua. Das Wahrzeichen von Genua ist ein Leuchtturm, genannt „La Lanterna“, der auf einem hohen Felsen steht und 1543 nach einer Zerstörung wieder aufgebaut wurde. 121 Diese Vermutung bestätigt sich mit einem Blick auf den Holzstich der Darstellung von Genua in Hartmann Schedels Buch der Cronicken von 1493. 122 Von der Seeseite auf Genua blickend, sieht der Betrachter den dreistöckigen quadratischen Turm mit gemauertem Fundament auf einem Felsvorsprung stehen. 123 Zinnen umgeben die beiden wohl schon damals begehbaren Aussichtsplattformen, eine Turmspitze bildet das dritte Geschoss. Noch heute hat der wieder erbaute Leuchtturm

Es sind zwei fast identische Stadtansichten Mailands von Pietro del Massaio in den Sammlungen der vatikanischen Bibliothek erhalten, die beide digitalisiert sind. Aus dem Jahr 1469 in Ptolemaeus, Claudius, Cosmographia, Libri VIII, In: https://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.5699 (acc. 1. 9. 2020). Diese Ansicht ergänzt er 1472 um einige Einzelheiten und Beschriftungen an Bauwerken: Cosmographia, In: https://digi.vatlib.it/view/ MSS_Urb.lat.277/0001 (acc. 1. 9. 2020), Foliant 129v, „Mediolanus“. 120 The Cathedral, Duomo di Milano, in: Veneranda Fabbrica del Duomo di Milano (Hg.): Duomo di Milano. 121 Comune di Genova La Lanterna di, In: http://www.visitgenoa.it/de/lanterna (acc. 19. 7. 2019). 122 Das buch der Cronicken, In: https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0005/bsb00059084/images/index.html?seite=00001&l=de (acc. 18. 7. 2019). 123 Dieses Buch ist im eigentlichen Sinne keine verlässliche Quelle für Stadtansichten, da einige Holzstiche mehrfach für verschiedene Städte verwendet werden, beispielsweise zeigen die Stadtansichten von Mantua Blat LXXXIIII, Sena [Siena] Blat LXXX und Ferraria [Ferrara] Blat CLIX den gleichen Holzstich, ebenso wie Pisa (Das Drit alter) [vor Blatt XXXXVI] und Verona Blat LXVIII. Da der Holzstich für Genua jedoch nur einmal verwendet wird und der Leuchtturm als Wahrzeichen der Stadt tragend ist, hat diese Stadtansicht Hartmann Schedels als Quelle Bestand. Die Stadtansicht Genuas im Werk von Hartmann Schedel zeigt zwei Türme, rechts und links der Hafeneinfahrt. Die Landschaftsdarstellung der Karte der „Welt“ zeigt jedoch nur einen Turm, wie auch heute nur ein Leuchtturm an der Hafeneinfahrt zu Genua steht. Hartmann Schedel wird, wie 119

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von Genua eine quadratische Form und drei Geschosse, Besucher können auf die erste Plattform aufsteigen. Die Gegenüberstellung des historischen Hintergrundes der Landschaftsdarstellung auf dem Motiv die „Welt“, namentlich die Eroberung Filippo Maria Visconti von Genua, Hartmann Schedels Holzstich, sowie Standort und Aussehen des heutigen Leuchtturms von Genua bestätigen, dass die Vedute der Spielkarte Genua und das weiter offene Mittelmeer zeigt. Die Szene wirkt idyllisch, dürfte jedoch eher eine Verdeutlichung des Seehandels sein, an dem das Herzogtum Mailand nun teilhaben kann. Die weiteren Stadtanlagen oder Bauwerke, die auf der Landschaftsdarstellung zu sehen sind, zeigen sehr wahrscheinlich die Grenzen des Herzogtum Mailands. Aufgrund der geografischen Lage und der Anordnung in Blickrichtung von Nord nach Süd auf der Spielkarte sind ziemlich sicher in der linken Bildhälfte (östliche Grenze des Herzogtums) zunächst Como/Comer See, dann Brescia und schließlich Cremona. In der rechten Bildhälfte (westliche Grenze des Herzogtums) ist Novara anzunehmen, dahinter wohl Alessandria. Alle diese genannten Städte hat Filippo Maria Visconti in seinen ersten Jahren wieder für das Herzogtum Mailand zurückerobert. Über dem dargestellten Meer wird die Landschaft von einer halbkreisförmigen Kontur abgegrenzt. In ihrer Mitte schwebt von oben eine Krone in die Darstellung des Meeres hinein, deren Reif noch am oberen Rand der Landschaftsdarstellung sichtbar ist. Ihre Zacken reichen schon über die Horizontlinie hinaus und sind nur recht undeutlich erkennbar, da sie mit dem gepunzten Goldhintergrund der Spielkarte verschmelzen. Wie großzügig auf die Zacken aufgesteckt wirkt das zweifarbige Band, das die Krone nach oben abschließt. Darüber erhebt sich eine weibliche Figur, es scheint, als erwachse diese Figur aus der Krone. Doch zunächst zu der Interpretation des Bandes, dessen Gestaltung an nebeneinander gesetzte Muscheln erinnert, die versetzt zueinander aufgereiht sind. Die aufgereih-

ten vermeintlichen Muscheln erweisen sich als stilisierte Wolken, zu einem Band zusammengesetzt. Ein solches Wolkenband ist in der zeitgenössischen Kunst der Tarocchi ein häufig verwendetes Stilmittel. Das Band dem Motiv der „Welt“ zeigt oben blaue Muschel-Wolken, die untere Reihe weist deutlichen Abrieb auf, die Farbe war vermutlich früher rot. Im Stundenbuch der Visconti ist ein solches Wolkenband mehrfach zu sehen, dort rahmt beispielsweise ein blau-rotes Wolkenband, ähnlich dem auf dem Motiv der „Welt“, das Portrait von Gian Galeazzo Visconti ein. 124 Einige Folianten zeigen König David, wie er zu Gott betet. Bei diesen Darstellungen ist Gott an den oberen Bildrand gesetzt, auf König David herabblickend und nach unten zu König David mit einem Wolkenband umrahmt. 125 In der sakralen Kunst finden sich ebenfalls derartige Wolkenbänder. Ein Tafelbild an einem Flügelaltar vom Oberrhein aus dem Jahr 1490 mit Szenen aus dem Marienleben und der Passion zeigt die Heiligen Dominikus, Thomas von Aquin und Petrus. Bei der Darstellung der Himmelfahrt Christi greifen sie scheinbar nach oben und schauen hinauf zu Christus, der auf einem blauen Wolkenband dargestellt ist und zu zwei Engeln in den Himmel hinauf schwebt. 126 Für die Bildhauerkunst sei die Darstellung der Himmelfahrt Christi der Kathedrale in Notre Dame in Chartres am linken Westportal im Tympanon angeführt. 127 Zwei Engel halten ein Band, das die Wolken symbolisiert, über das Christus sich erhebt. All diese Wolkenbänder sind ein Stilmittel der Bildgestaltung und eine Trennungslinie zwischen unten und oben, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Wolken sind die sichtbare Grenze für den Blick der Menschen, bevor die Sphären der himmlischen Wesen beginnen. Darüber hinaus können Wolken auch eine Horizontlinie symbolisieren. In zeitgenössischen gedruckten Werken finden sich ebenfalls derart gestaltete Wolkenbänder, beispielsweise in Johannes de Sacrobosco, Sphaera mundi. 128 Die erste Abbil-

andere Autoren auch, auf mündliche Berichte oder andere ungenaue Quellen zurückgegriffen haben. Ebenso ist möglich, dass es sich bei den zwei Türmen der Hafeneinfahrt von Genua um Entwürfe gehandelt hat. 124 Meiss u. a., The Visconti Hours, S. und Br 115. Psalm CXVIII:81. 125 Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 36. Psalm XXXVIII; Br 76v. Psalm LXXX; Br 108v. Psalm CXIV; und Br 128. Psalm CXXXVII. 126 Flügelaltar mit Szenen des Marienlebens und der Passion, Oberrhein um 1490, Objekt 11503, Augustinermuseum, Freiburg im Breisgau. 127 Sauerländer, Gotische Skulptur Frankreich, Abb. 7. 128 Sacrobosco, Sphaera mundi, In: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10198042?page=6 (acc. 10.1. 2022).

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dung im Werk zeigt ein entsprechendes Band mit muschelförmigen Wolken, worüber zahlreiche Sterne und der Mond schweben. Auch in den gedruckten Rosenwald-Bögen finden sich die Motive der Trumpfreihe der „Stern“ und der „Mond“ mit stilisierten Wolkenbändern umrahmt. 129 Bei diesen Darstellungen wirkt das Wolkenband als Horizontlinie eher naturwissenschaftlich beeinflusst und trennt die Erde von den Gestirnen am Firmament. Wer aber könnte die Person über dem Wolkenband des Motivs der „Welt“ im Visconti di Modrone sein? Nachdem das Motiv der „Liebenden“ bereits die Vermählung von Filippo Maria Visconti mit Maria von Savoyen zeigt, wäre es naheliegend an ein Portrait seiner Gemahlin zu denken. Jedoch war diese Heirat eine politische Heirat, um die westliche Grenze des Herzogtums Mailand im Krieg gegen Venedig zu befrieden. Filippo Maria Visconti sah seine Gattin kaum, weigerte sich mit ihr die Ehe zu vollziehen. Im Gegenteil grenzte er sie von sich und weiteren Kontakten am Hof ab, indem er ihr ein eigenes Haus mit eigenem Personal zuwies, in späteren Jahren wurde sie ihm sogar zur Last. 130 Deshalb ist es wenig wahrscheinlich, dass Filippo Maria Visconti seiner zweiten Gemahlin Maria von Savoyen eine derart prominente Darstellung in seinem Spiel der Tarocchi zugesteht. Wegweisend in dieser Frage ist das Wolkenband, über das sich die adelig gekleidete Frau erhebt als Trennungslinie zwischen der Realität oder sichtbaren Welt (das Landschaftsbild) und dem Himmel, Aufenthaltsort unsichtbarer Wesen. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass die so real wirkende Person

bei der Entstehung der Darstellung bereits tot ist und aus dem Himmel auf die Landschaft schaut. Einige Tatsachen weisen auf die dargestellte Person hin: Die Zuneigung von Filippo Maria Visconti zu seinen Eltern wurde bereits erwähnt. Er erobert das Territorium seines Vaters zurück, welches er stolz in der Landschaftsdarstellung als sein neues eigenes Machtgebiet präsentiert. Die mysteriösen Umstände des Todes seiner Mutter entfachen seinen Zorn. So ist mit großer Wahrscheinlichkeit Caterina Visconti die Frauengestalt über dem Wolkenband. Sie hält in ihrer linken Hand die Krone, die sie als Gattin von Gian Galeazzo Visconti des ersten Herzogs von Mailand getragen und nach dessen Tod als Regentin versucht hat zu erhalten. Sie hält diese Krone für Filippo Maria Visconti bereit, wenn er nach langer Zeit des Taktierens die Anerkennung als Herzog von Kaiser Sigismund endlich bekommen soll (Vgl. hierzu Abschnitt „König Sifismund als der „Herscher““). Mit der Darstellung seiner Mutter auf einem Motiv der Tarocchi folgt Filippo Maria Visconti seinem Vater Gian Galeazzo Visconti, der ebenfalls Insignien seiner eigenen Mutter und die seiner Schwiegermutter in die Tarocchi einarbeiten ließ. Zusammenfassend lässt sich festhalten, das Motiv die „Welt“ im Visconti di Modrone zeigt das Machtgebiet des jungen Filippo Maria Visconti auf dem Höhepunkt seiner militärischen Erfolge. Es zeigt damit indirekt auch die Verbundenheit zu seinen Eltern und das Anliegen das Herzogtum Mailand im Sinne seines Vaters zu erhalten und weiter zu regieren.

10.4 Das Visconti-Sforza 10.4.1 Das Spielfragment Dieses Spiel bildet den größten erhaltenen und zusammenhängenden Kartensatz. Es ist mit 74 von 78 Karten fast vollständig erhalten. Darüber hinaus haben die prachtvolle Ausstattung, die Sorgfalt der Ausführung und damit der hohe künstlerische Wert zu seiner heutigen Berühmtheit beigetragen. Es kann als das wichtigste erhaltene Spielfragment 129 130 131

mit herausragender Bedeutung bezeichnet werden. Sein Bekanntheitsgrad überragt die anderen erhaltenen Spiele deutlich. Gertrude Moakley spricht die Ausführung des Kartenspiels dem Künstler Bonifazio Bembo zu 131, ihre Zuordnung wird inzwischen allgemein anerkannt. Geschaffen wurde das Spielt wohl für Francesco Sforza und Bianca Maria Visconti, wie eingearbeitete Insignien zeigen. Die Ent-

Rosenwald-Bogen, In: https://www.nga.gov/content/ngaweb/Collection/art-object-page.41321.html (acc. 20.1. 2021). Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 24–25. Muir, History of Milan, S. 150, 158–159. Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 20.

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stehung wird in der Zeit zwischen 1440–1460 angenommen. 132 Über das Spiel war nichts bekannt, bis es im 17. Jahrhundert im Besitz des Grafen Alessandro Colleoni in Bergamo wiederauftauchte. In der Familie Colleoni wurde das Spiel über mehrere Generationen vererbt, bis ein Nachfahre Colleonis sich im 19. Jahrhundert überreden ließ, 13 dieser Karten gegen ein Portrait einer Ahnin einzutauschen. Diese getauschten Karten wurden später der Accademia Carrara in Bergamo vermacht. Im Jahr 1911 erwarb die Pierpont Morgan Library, die heutige The Morgan Library & Museum in New York 35 weitere Karten des Spiels von einem Kunsthändler aus Hamburg, der die Karten lt. Gertrude Moakley „zweifellos“ der Familie Colleoni abgekauft hatte. Die restlichen 13 noch erhaltenen Karten liegen bis heute im Privatbesitz der Familie Colleoni. 133 Es ist durchaus als Ausnahme zu werten, wenn die Geschichte eines Kartenspiels in dieser Weise nachvollziehbar wird. Sie zeigt gleichzeitig beispielhaft, den Einfluss des Kunsthandels mit der Tendenz zur Aufteilung der Kartenspiele, was den Wert der Karten als heute noch immer begehrtes Sammelobjekt und Statussymbol belegt. Auf den ersten Blick fällt die reiche Ausstattung des Spiels auf, die Trumpfkarten und Hofkarten zeigen einen mit Gold belegten und gepunzten Hintergrund. Deutliche Abriebspuren des goldenen Hintergrundes zeigt die Karte die „Liebenden“, hier tritt die rotbraune Farbe des Haftgrundes hervor. Auf den Zahlenkarten sind die Farbsymbole mit goldener Farbe ausgemalt, bei einigen Karten mit niedrigen Zahlenwerten ist ein geschlungenes Spruchband mit dem Motto „a bon droyt“ abgebildet. Auch die Farbe Blau wird häufig, beispielsweise auf den Gewändern verwendet. Der Erhaltungszustand der Karten ist sehr gut, Ecken und Ränder der Karten sind unbeschädigt, wie auch der Farbauftrag. Allerdings weisen alle Karten am oberen Rand in der Mitte (wie einige andere Spiele auch)

ein Loch auf, als wären sie irgendwann mit einem Reisnagel auf eine Unterlage geheftet worden. 134 Im Spiel des Visconti-Sforza sind einige Impresen eingearbeitet, die meisten gehen auf die Tradition der Visconti zurück, aus der Sforza-Linie findet sich hingegen nur eine. Die Vielzahl der heraldischen Insignien lässt den Nachdruck erkennen, mit dem Francesco Sforza die Tradition der Visconti betonen und hervorheben will.

10.4.2 Sechs Trümpfe eines anderen Künstlers Sechs der vorhandenen Karten weichen stilistisch von den übrigen Karten ab, es sind dies: die „Kraft“, die „Mäßigkeit“, die „Sonne“, der „Stern“, der „Mond“ und die „Welt“. Sie stammen von einem anderen, wohl späteren Künstler. 135 Ob diese Karten nachgearbeitet wurden, um verloren gegangene zu ersetzen oder aber um das Spiel später zu ergänzen, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Da diese Karten immer wieder hervorgehoben und gesondert besprochen werden, ist es sinnvoll Guiliana Algeri zu folgen und diese Karten hier gesondert aufzuführen. 136 In der Chronik von Cremona aus dem Jahr 1484 wird erwähnt, der Künstler Antonio Cicognara habe ein solches Spiel entworfen und gemalt. 137 Es handelt sich bei dieser Erwähnung nachweislich um ein anderes als das Visconti-Sforza-Spiel, 138 gleichwohl gibt die Literatur weiterhin Cicognara als ausführenden Künstler der sechs Trümpfe an. Der Künstler, der diese Karten gemalt hat, ist jedoch bis heute unbekannt.

10.4.3 Wappen und Impresen Beim Betrachten der Karten des Visconti-Sforza fallen eine Vielzahl von Impresen ins Auge, das Spiel wirkt geradezu überladen von Erkennungszeichen.

Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101–102; und Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18. Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 20; und Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 246. 134 Diese gut sichtbare Beschädigung wird auch erwähnt bei Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 20; und Kaplan, Encyclopedia I, S. 46–47. 135 Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 24; und Dummett, The game of Tarot, S. 69. 136 Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 42–43. 137 Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 246. 138 Vgl. hierzu Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 42–43. 132 133

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Erst auf den zweiten Blick fällt hierbei auf, dass der Bischione in den Darstellungen gänzlich fehlt, im Spiel sind lediglich Impresen und Motto gezeigt. Die hohen Zahlenkarten, in der Regel ab einem Zahlenwert von sechs, sind ohne Impresen oder sonstige Zeichen. Die häufig benutzte Imprese „fiammante“ erscheint stilisiert auf Gewandmustern der Trümpfe und Hofkarten, ebenso wie im gepunzten Hintergrund dieser Karten. Sie ist ebenfalls auf den Münzen dieses Spiels zu finden und ist die am meisten dargestellte Imprese der Visconti. Auf den niederen Zahlenkarten ist das ViscontiMotto „a bon droyt“ präsentiert, vierzehn Mal auf den erhaltenen Karten. Lediglich zweimal ist die Taube dargestellt, einmal als Imprese „Colombina nel fiammante“ als Brustbild auf dem Gewand des Stab-Königs und eine Taube mit gespreizten Flügeln ziert auf dem Kelch-As die Säule des Brunnens. Einmal findet sich die Imprese „Corona coi piumai“ auf der Pferdedecke des Kelch-Reiters. Auf dem Motiv des „Gerichts“ ist eine Fahne mit einem Kreuz erkennbar. Obwohl die Farben des Kreuzes fehlen, ist mit der Darstellung des Kreuzes der „Comunitas Mediolani“, das rote Kreuz auf weißem Grund, zu rechnen. Die in Rüstung gekleideten jungen Männer Schwert-Reiter und -Bube tragen übergroße Hüte aus Pfauenfedern, wie sie aus den vorhergehenden Speilen bekannt sind. Soweit die Aufzählung der aus den früheren Spielen gekannten Impresen und anderen Zeichen der Visconti. Doch das Spiel zeigt auch einige Eigentümlichkeiten, so erscheint auf drei Karten ein unbekanntes Wappenschild. Das Münz-As, die Pferdedecken des Schwert-Reiters und des Stab-Reiters zeigen ein gespaltenes Wappenschild, das linke Feld in rot, die Farbe auf dem rechten Feld ist kaum mehr kenntlich. Jedoch ist auf dem Münz-As auf dem linken Feld der rote Haftgrund beispielsweise für Blattsilber zu sehen. Folglich dürfte das Wappenschild die Farben rechts rot und links weiß gezeigt haben. Das entspricht den Wappenfarben Mailands und der Seitenaufteilung der Mipati, die der Kelch-Bube in diesem Spiel trägt und auch den rot-weißen Strumpfhosen der Jünglinge in den vorhergehenden Spielen. Rätselhaft bleibt die Darstellung des aufrechten Löwen auf dem Wappenschild des Schwert-Königs. Auf dem Faksimile und den Digitalisaten wirkt es, 139

als hielte er ein Buch in den Pranken und sei mit einem Heiligenschein versehen. Dieser Löwe unterscheidet sich deutlich von dem steigenden Löwen der Sforza, außerdem entspricht das Motiv und das Wappenschild ziemlich genau dem des SchwertKönigs im Tozzi-Fragment. Stuart Kaplan ist der Ansicht, es handle sich um den Markuslöwen. 139 Er vermutet weiter, dieser Löwe gehe auf Francesco Sforza und seine Verbindung zu Venedig zurück. Die Ergebnisse dieser Arbeit haben jedoch bereits gezeigt, dass zum einen das Tozzi-Spiel älter ist, als das Visconti-Sforza und das Motiv folglich aus dem Tozzi-Spiel übernommen wurde. Zum anderen dürfte Francesco Sforza Venedig kaum zu solchem Dank verpflichtet gewesen sein, dass er Venedig in diesem Spiel ehren wollte. Stuart Kaplans Vermutung dürfte sich damit als unrichtig erwiesen haben. Unter den Aspekten der Wappen und Impresen sind die Motive der „Herrscher“ und die „Herrscherin“ interessant. Der „Herrscher“ sitzt im Dreiviertelportrait nach links blickend auf einem erkennbar sechseckigen Thron. Sein goldenes Gewand mit blauen Ärmelaufschlägen fällt ihm bis zu den Füßen, die darunter hervorschauen. Er ist dargestellt als alter Mann mit weißem lockigem Haar und einem langen Bart. Auf seinem Haupt sitzt ein großer Hut, den ein schwarzer kaiserlicher Adler ziert. In seiner rechten Hand hält er ein Zepter und in seiner Linken einen Reichsapfel. Die „Herrscherin“ ist als junge Frau gezeigt und trägt das gleiche goldene Gewand mit blauen Ärmelaufschlägen, wie der „Herrscher“. Sie sitzt dem Betrachter jedoch frontal gegenüber, den Blick nach unten gerichtet. Ihr Haar ist von einem gold-gelben Schleier bedeckt, der auch über ihre Schultern fällt und um den Hals geschlagen ist. Sie trägt eine Krone. Locker legt sie ihre rechte Hand auf die Armlehne ihres Throns, mit ihrer linken Hand hält sie dem Betrachter ein Medaillon mit dem schwarzen kaiserlichen Adler entgegen. Ob ihre Hände in grüne Handschuhe gekleidet sind oder ob es sich bei der grünen Farbe um einen Alterungsprozess oder Abrieb handelt, lässt sich schwer feststellen. Aufschlussreich bei beiden Motiven ist das Gewandmuster. Beide Gewänder zeigen abwechselnd die Impresen „Corona coi piumai“ und drei ineinander verschlungene Ringe. Von den Visconti übernom-

Kaplan, Encyclopedia II, S. 51.

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Abbildung 30: Tre anelli intrecciati, Stemmario TrivulzianoCodice 2168, c. 17r. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

men wird die Imprese der Krone mit dem Olivenund dem Palmzweig, wie sie auch in den vorangegangenen Spielen dargestellt ist. Die Imprese der drei verschlungenen Ringe hingegen weist eindeutig auf Francesco Sforza, der diese Imprese für sich angenommen hat. 140 Ihre Provenienz ist weniger klar als die der Visconti-Impresen. Wie bereits ausgeführt übergab Niccolo d’Este den Diamantring als Wappenzeichen an Muzio Attendolo Sforza (Vgl. hierzu Abschnitt Muzio Attendolo: Ursprung von Namen und Wappen der Sforza). Der Diamant

oder auch der Diamantring war zu jener Zeit sehr rar und damit ein begehrtes und bedeutendes Statussymbol des Adels. Die Familie d’Este führt den Diamantring in ihren eigenen Wappen. 141 Auch drei ineinander verschlungene Ringe, wie sie auch das Stemmario Trivulziano Cod. 2168 zeigt, finden sich mehrfach in den Wappen bedeutender Familien Italiens jener Zeit. 142 Zunächst deuten die drei Ringe als Zeichen auf die Stadt Cremona, Mitgift von Bianca Maria Visconti und damit auch im Besitz von Francesco Sforza. Filippo Maria Visconti kaufte die Stadt einst dem Stadtherren und Grafen Cabrino Fondulo ab, von dem eine Münze mit den drei verschlungenen Ringen erhalten ist. 143 Weiter sind die drei verschlungenen Ringe Bestandteil des Wappens der Familie Borromeo. 144 Sowohl die Visconti, als auch Francesco Sforza haben zahlreiche Verbindungen zu den Borromeo. So war Filippo Maria Visconti über seine erste Frau Beatrice von Tenda mit dem Hause Borromeo verschwägert. Ihre Schwester Talda oder Taddea von Tenda war mit Filippo di Lazzaro Buonromei verheiratet. Er war Stammvater der Borromeo und kam aus Rom, daher der Name Buonromei, der später in Borromeo umgewandelt wurde. Sein Sohn Giovanni baute in Mailand ein Handels- und Bankenimperium mit Zweigstellen in ganz Europa auf. Er adoptierte seinen Neffen Vitaliano, der auch sein Erbe wurde. Vitaliano Borromeo war langjähriger Schatzmeister von Filippo Maria Visconti. Gleichzeitig leisteten die Banco Borromeo vielfältige Hilfe an den Hof von Filippo Maria Visconti, beispielsweise in Form von Lebensmitteln und Waffen für die herzogliche Armee. Als Gegenleistung bekam Vitaliano Borromeo neben Rückzahlungen auch Ländereien und Privilegien oder Steuererleichterungen. So kam er zu beträchtlichem Vermögen. Die Ländereien sind noch heute im Familienbesitz und hauptsächlich am Lago Maggiore gelegen. Auch Francesco Sforza profitierte in der letzten Phase der Ambrosianischen Republik von der Hilfe des Vitaliano Borromeo, um in Mailand als Herzog einziehen zu

Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020); Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 35, Abb. S. 42; Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 38. 141 La Bibbia di Borso d’Este, In: https://cantiereestense.it/cantiere/la-bibbia-di-borso-deste-in-mostra-a-ferrara/ (acc. 24. 4. 2020). 142 „tre anelli intrecciati“, In: http://graficheincomune.comune.milano.it/GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c.+17r. 143 Bandera Bistoletti, I tarocchi. Il casa e la fortuna, S. 21; Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020). 144 Famiglia Borromeo, In: https://www.borromeo.it/#LASTORIA (acc. 21. 4. 2020) Borromäische Ländereien, In: https://www.isoleborromee.it/de/ uber-uns/geschichte/ (acc. 23. 4. 2020). 140

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können. Jedoch starb Vitaliano Borromeo im Oktober 1449, nur wenige Monate vor dem Ende der Ambrosianischen Republik und erlebte den Erfolg von Francesco Sforza nicht mehr. 145 Darüber hinaus trägt auch Cosimo di Medici, der langjährige Freund von Francesco Sforza, drei verschlungene Ringe in seiner Imprese. 146 Der einzelne Diamantring und auch die drei verschlungenen Ringe zeigen demnach vielfältige Bezüge zu den Visconti und den Sforza. Ob nun Francesco Sforza den einzelnen Ring, den sein Vater von Niccolo d’Este bekam, verdreifacht, ob er sich auf das Zeichen von Cremona bezieht oder ob er mit den drei Ringen „die Freundschaft der Visconti und der Sforza mit den Borromeo“ 147 bekräftigen wollte, bleibt dabei offen. Möglicherweise nutzte Francesco Sforza die Mehrdeutigkeit dieses Zeichens auch geschickt aus, ähnlich wie Gian Galeazzo Visconti im Tozzi-Spiel das weiße Kreuz auf rotem Grund, um mehrere Beziehungen anklingen zu lassen. Die Imprese der drei verschlungenen Ringe wird in dieser Form jedoch im Umfeld der Visconti und Sforza einzig von Francesco Sforza genutzt und ist deshalb ein eindeutiger Hinweis auf ihn. Auf den Motiven des „Herrschers“ und der „Herrscherin“ wird der schwarze kaiserliche Adler dargestellt. Abschließend mag der Hinweis erlaubt sein, dass das Führen des kaiserlichen Adlers Francesco Sforza nicht zusteht. Denn Kaiser Friedrich III verweigerte ihm die kaiserliche Anerkennung als Herzog.

10.4.4 Bianca Maria und Francesco Sforza und das Visconti-Sforza-Spiel Das Visconti-Sforza-Spiel spiegelt die Anfangszeit von Francesco Sforza als Herzog von Mailand wider, zu einem Zeitpunkt als er seine Machtstellung festigen und betonen wollte. Im eigentlichen Sinne hatte er Mailand als Condottiere erobert, die Ambrosianische Republik mit Kriegsstrategie in die Knie gezwungen. Das war sein Verdienst! Darüber hinaus war er von einigen Bürgern Mailands als

Abbildung 31: La Scopetta und die Wellen des Herzogs, Außenwand der Apsis von S. Maria delle Grazie, Mailand. Foto: Sabine Abele-Hipp

neuer Machthaber gewollt, wie ihre Kapitulationsverhandlungen mit Francesco Sforza in den letzten Tagen der Republik zeigen. 148 Aber das Herzogtum Mailand war auch das Erbe seiner Frau Bianca Maria, sein Bestreben sich in die Visconti-Tradition einzufügen wird in den Darstellungen dieses Spiels deutlich. Der selbstbewusste Herzog und souveräne Staatsmann Francesco Sforza der späteren Jahre seiner Regierung, soviel lässt sich hier vorwegnehmen, spricht nicht aus dem Visconti-Sforza-Spiel. Die Auswahl und vor allem die Auslassung von Impresen im Visconti-Sforza lassen Rückschlüsse auf Francesco Sforzas Befindlichkeiten mit den Visconti und auf seine Stellung in deren Machtgefüge zu. In seiner Präsentation und Korrespondenz als Herzog nutzt er einige eigens für ihn gestaltete Impresen. Eindrückliches Beispiel hierfür ist „La Scopetta“ 149, eine Art Besen, dessen Borsten nach unten gerichtet sind. Begleitet wird die Imprese von

Borromeo, Vitaliano, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/vitaliano-borromeo_%28Dizionario-Biografico%29/ (acc. 23. 4. 2020). Histoire des hommes, In: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=gri.ark:/13960/t76t11w5q&view=1up&seq=1 (acc. 10. 2. 2020). 147 Vogt-Lüerssen, Bianca Maria Visconti, S. 183. 148 Schelle, Die Sforza, S. 110–111. 149 Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020); Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 37, Abb. S. 43. 145

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Abbildung 32: Semprevivi, Stemmario Trivulziano Codice 2168, c. 18v. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

dem Motto „Merito et tempore“. Dargestellt ist diese Imprese auch auf dem Portrait Francesco Sforzas, das ehemals Andrea Mantenga zugeschrieben und diese Zuschreibung aber inzwischen widerrufen wurde. 150 Auf dem Brustpanzer ist ein Scharnier angebracht, auf dem die Scopetta dargestellt ist. Die Scopetta findet sich ebenfalls auf den Medaillons der Außenwand der Apsis von S. Maria delle Grazie in Mailand, beispielhaft ist hier das Medaillon mit der Scopetta und den Wellen des Herzogs gezeigt. Diese Wellen des Herzogs schlagen eine Brücke zu dem Altarbild von S. Sigismondo in Cremona, auf dem die Hochzeit von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza dargestellt ist. Auf der Weste von

Francesco Sforza sind ebenfalls die Wellen wiedergegeben und auch die Imprese „Cane sedante sotto il pino“ oder auch „Il Veltro“, der Windhund (Abbildung in Abschnitt „Das Schwert-As“). Der unter einer Pinie sitzende Hund geht zurück auf Bernabo Visconti, Francesco Sforza nahm diese Imprese zum eigenen Gebrauch wieder auf. 151 Das Altarbild zeigt eine weitere gerne von Francesco Sforza genutzte Imprese. Auf dem Rock von Bianca Maria ist, wenn auch auf Abbildungen und Digitalisaten nur schwerlich, die Imprese „Semprevivi“ erkennbar. 152 Sie zeigt auf drei Erhöhungen, wobei die mittlere die höchste ist, die Pflanze Sempervivum tectorum, ein Hauswurzgewächs mit hochaufragenden Blütenständen. Diese Sukkulente kann lange Zeit ohne Wasser überleben, um dann nach der kleinsten Wassergabe oder Regen zu erblühen. Bezeichnenderweise wird diese Imprese durch das Motto „MIT ZAIT“ („Mit Zeit“) ergänzt. Die Imprese erinnert so an die „Durststrecken“ des Francesco Sforza, der langen Verlobungszeit mit Bianca Maria und der Zeit der Ambrosianischen Republik, bis er sein Lebensziel Herzog von Mailand zu werden, erreichen und selbst „erblühen“ konnte. Es erscheint höchst auffällig, dass Francesco Sforza keine seiner väterlichen Insignien, wie die Quitte oder den steigenden Löwen im ViscontiSforza abbilden ließ. Auf die Betonung seiner väterlichen Herkunft legte er an dieser Stelle keinen Wert. Auch Impresen, die er selbst in Dokumenten oder an Gebäuden oft und gerne nutzte, ließ er im Visconti-Sforza-Spiel aus. Selbst das Wappen der Visconti verbannte er aus dem Spiel. In diesem Spiel sind keine von Filippo Maria Visconti bevorzugten Impresen wie das Capitergium/„il velo“ zu finden. Offenbar war Francescos Groll auf seinen Schwiegervater so groß, dass Francesco Sforza und Bianca Maria Visconti fortan die Erinnerung an Filippo Maria Visconti auf ein unbedingt erforderliches Maß einschränken, welches der Adel und die Tradition eines Herrscherhauses unbedingt erforderten. Gleichwohl waren beide um die Wahrung der Tradition der Visconti bemüht. Beim Aufgreifen von Impresen ebenso, wie bei der Namens-

Francesco Sforza, In: https://www.nga.gov/collection/art-object-page.1141.html (acc. 25. 4. 2020). Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020); Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 39–40, Abb. S. 43. 152 Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020); Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 38–39, Abb. S. 43. 150 151

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gebung ihrer Kinder bezogen sie sich vorzugsweise auf Generationen der Visconti vor Filippo Maria Visconti. Der erstgeborene Sohn wurde nach seinem Ururgroßvater mütterlicherseits Galeazzo genannt mit dem Zusatz Maria nach der Tradition seines Urgroßvaters. Erst der zweitgeborene Sohn erhielt den Namen Filippo Maria. Francesco Sforza schien eine ungeschriebene Regel formuliert zu haben, Filippo Maria Visconti möglichst zu umgehen. Noch über seine Söhne und seine Enkel lässt sich dieses Vorgehen nachverfolgen. Diese sehr persönlich geprägte und eigentümliche Betonung der Visconti-Tradition zeigt einerseits den Respekt vor den Visconti und seiner Frau Bianca Maria. Andererseits lässt sich daran durchaus eine noch wenig gefestigte Machtstellung auf dem Thron des Herzogs als einem Nachfolger der Visconti ablesen. Selbst bei der Gestaltung des Visconti-Sforza-Spiels griff Francesco Sforza auf das Tozzi-Spiel zurück und vermied damit die stark von Filippo Maria Visconti beeinflussten Motive des Brambilla und des Visconti di Modrone. Bei der Gegenüberstellung der Motive wird klar, weshalb Michael Dummett von Kopien der Tozzi-Karten im Visconti-Sforza-Spiel spricht. 153 Die chronologische Abfolge der Spiele belegt jedoch, dass es sich umgekehrt verhalten muss: Das Visconti-Sforza orientiert sich an den Motiven des Tozzi-Spiels. An diese Vorgaben halten sich auch die später nachfolgenden Spiele der Tarocchi, die von oder für Nachkommen der Sforza angefertigt wurden. Bianca Maria Visconti ehrte ihren Francesco auf der Münz-zwei mit der Aufschrift „amor myo“. Eine ähnliche Aufschrift findet sich auf der Münzzwei des Cocci Fragments, hier jedoch in der weiblichen Form „amor mea“. Eine solche Widmung erscheint lediglich in diesen beiden Spielen. Während sich die Widmung des Visconti-Sforza klar an Francesco Sforza richtete, findet sich im Zeitraum der Tarocchi entsprechend bei Gian Galeazzo Visconti und Caterina Visconti eine ähnlich respektvolle und einander zugewandte Paarbeziehung. Auch

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dies würde ein konsequentes Zurückgreifen von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza auf die Generation der Visconti vor Filippo Maria Visconti aufzeigen. Das Visconti-Sforza-Spiel zeigt den Zenit der erhaltenen Tarocchi, dies gilt für die Anzahl der erhaltenen Karten, für die künstlerische Ausfertigung, aber vor allem für die Machtdemonstration innerhalb des Spiels. Dies war für Francesco Sforza unter den Besitzern von Tarocchi überaus wichtig. In den vorhergehenden Spielen wirkt das Platzieren von Wappen, Impresen und anderen adeligen Merkmalen eher unangestrengt lässig und zum Stand des Adels dazugehörend. Den Motiven des ViscontiSforza ist die absichtliche Betonung des Standes und des Herzogs anzusehen. Die nachfolgenden Sforza-Generationen nutzen diese Insignien bereits wieder sehr viel weniger angestrengt und demonstrativ. Ikonografisch höchst interessant ist aus heutiger Sicht die Mehrdeutigkeit, die vornehmlich in die Motive der Trümpfe eingearbeitet ist. Diese Darstellungsweise ist in diesem Spiel einzigartig und besonders ausgeprägt. Beispielsweise könnten bei den Motiven der „Herrscher“ und die „Herrscherin“ idealisierte Portraits von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza dargestellt sein. Auch der gestaltete Altersunterschied des Paares würde dann passen. Ebenso könnten allegorische Archetypen mit den Eigenschaften, die die damalige Gesellschaft von einem Herrscher und einer Herrscherin erwartet, in die Darstellung gearbeitet sein. Weitere Motive der Trumpfreihe sind ebenso vieldeutig, exemplarisch genannt seien die Motive der „Gehängte“, die „Päpstin“ oder die „Welt“. Sie werden im Abschnitt „Anmerkungen zu ausgewählten Motiven“ detailliert besprochen. In dieser Vieldeutigkeit der Motive wird die künstlerische Finesse der Zeitströmung deutlich, die die Freude der Interpretation, je nach dem Blickwinkel des Betrachters bis heute anfacht.

Dummett, The game of Tarot, S. 70 no 8.

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10.5 Muzeum Narodowe w Warszawie und Musée Français de la Carte à Jouer 10.5.1 Das Spielfragment Ein zusammengehörendes Fragment bestehend aus vier Karten wird an verschiedenen Orten aufbewahrt. Das Muzeum Narodowe w Warszawie, das Nationalmuseum Warschau, besitzt zwei Karten, eine Kelch-Königin und einen Münz-Reiter, die es 1946 von der Familie Potocki erworben hat. 154 Von der Existenz dieser beiden Karten wusste die Forschung schon seit dem 19. Jahrhundert, wie Wilhelm Schreiber berichtet. 155 Im Musée Français de la Carte à Jouer in Issy-les-Moulineaux wird eine Karte mit dem Motiv des „Wagens“ aufbewahrt, die das Museum im Jahr 1992 erworben hat. 156 Eine Münz-Königin wurde 2005 bei Christie’s in Paris versteigert und befindet sich heute in Privatbesitz. Für diese einzelne Karte bezahlte der Käufer mehr als 280 000 Euro. 157 Darüber hinaus ist über dieses aufgeteilte Spielfragment allerdings recht wenig bekannt. Dies gilt vor allem für die beiden erst in neuerer Zeit gefundenen Karten. Das Muzeum Narodowe w Warszawie gibt bei den Abbildungen für seine Karten die Herkunft Florenz und die Datierung 1450–1500 an. Thierry Depaulis ist hingegen der Ansicht, die Karten hätten ihren Ursprung in Ferrara. 158 Lediglich diese beiden Karten sind digital auf der Internetseite des National Museums Warschau einzusehen. 159 Alle vier Karten sind außerordentlich fein gestaltet, stilistisch weisen sie sich als jüngeres Spiel innerhalb der erhaltenen Fragmente der Tarocchi aus. Merkmale der Ausgestaltung, wie Gesichter, Hände oder Faltenwürfe zeigen, dass diese Karten zum gleichen Spiel gehören. Die Abbildungen lassen einen recht guten Erhaltungszustand erkennen, die Farben sind kräftig, der goldene Hintergrund wirkt jedoch leicht matt. Alle Karten weisen abgestoßene Kanten auf, an einigen Stellen ist die Farbschicht abgesplittert und der darunterliegende Karton schadhaft. 154 155 156 157 158 159 160

Die beiden Karten im National Museum Warsaw zeigen die Kelch-Königin und den Münz-Reiter. Die Kelch-Königin sitzt auf einem erkennbar sechseckigen Thron mit einem roten Vorhang in ihrem Rücken und blickt vom Betrachter ausgesehen nach rechts. Ihr blaues Kleid ist in der Taille gegürtet und fällt locker über ihre Füße. Sie trägt lockiges Haar und eine Krone. Eine Bedienstete reicht ihr einen übergroßen Kelch, nach dem sie greift. Der Münz-Reiter zeigt einen Reiter in adeliger Kleidung vor einem goldgepunzten Hintergrund. Er trägt Mipati, ein in der Taille gegürtetes rotes Hemd und einen Umhang mit blauen Ärmeln, zudem hat er auffällige Sporen an den Schuhen. Unter seinem roten Hut fällt das halblange Haar locker hervor. Das Gesicht ist fast frontal zum Betrachter dargestellt, wobei sein Blick auf die Münze gerichtet ist, die er mit seiner rechten Hand hochhält. Einige Gestaltungsdetails reihen sich in die Tradition der Tarocchi ein: Er sitzt auf einem weißen Pferd, wie alle Darstellungen der Visconti und Sforza in den Spielfragmenten. Weiter ist das sichtbare linke Bein in rot gehalten, was vermuten lässt, das rechte Bein wäre weiß oder weiß-blau. Im Musée Français de la Carte à Jouer wird eine Karte mit dem Motiv des „Wagens“ aufbewahrt. 160 Der goldgepunzte Hintergrund der Karte mit blumigen Ornamenten ist fast völlig mit der Darstellung der Figuren überdeckt. Durch die Bildgestaltung entsteht eine horizontale Zweiteilung des Motivs. In der unteren Bildhälfte sind zwei Knaben auf Pferden zu sehen, offensichtlich ziehen sie den Wagen, denn sie treiben ihre Pferde mit Gerten an. Auf dem Wagen sitzt eine Frau umringt von vier Gesellschafterinnen. Nur über dieser etwas größer dargestellten Frau in der Mitte erhebt sich ein Dach, eine Art Baldachin, der jedoch wohl aufgrund des Erhaltungszustandes der Karte nur noch undeutlich zu erkennen ist. Sie trägt ein rotes Kleid, dessen Faltenwurf mit weißen Schattierungen sorgsam ausgestaltet ist. In ihrer rechten Hand hält sie ein

Dummett, The game of Tarot, S. 73 (16). Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 103. Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 268. Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 264, Anmerkung 1. Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 269. Karta do gry w Tarocca, In: https://cyfrowe.mnw.art.pl/pl/katalog/522082 (acc. 29.10. 2020). Abbildung: Depaulis, Tarots enluminés, S. 81.

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Schwert mit der Spitze nach oben, mit ihrer linken Hand präsentiert sie eine Münze. Für diese Arbeit hat das Museum der Autorin eine digitale Abbildung zur genaueren Betrachtung der Münze zur Verfügung gestellt. Die Münze ist mit einer Darstellung ausgestaltet, die jedoch recht undeutlich und selbst in der erhaltenen digitalen Vergrößerung kaum mehr kenntlich ist. Über die Münz-Königin aus der Auktion bei Christie’s gibt es kaum Informationen, Abbildungen von ihr sind rar. 161 Als Königin kenntlich trägt sie eine Krone, ihr langes Haar ist im Nacken zusammengebunden. Sie sitzt auf einer Sitzgelegenheit, die gänzlich von ihrem roten Kleid überdeckt wird und das ihr locker über die Füße fällt. Es hat goldfarbene Ärmel, die ein auffälliges stilisiertes Blumenmuster zeigen. Hinter ihrem Rücken erhebt sich ein blauer Vorhang, ähnlich dem Vorhang auf dem Motiv der Kelch-Königin in Warschau, jedoch blickt die Münz-Königin vom Betrachter ausgehend nach links. Ihre linke Hand liegt entspannt auf ihrem Kleid über dem linken Knie. Vom linken Bildrand tritt eine Bedienstete ins Bild, die der Königin eine Münze reicht, nach der die Königin mit ihrer rechten Hand greift. Auch bei diesem Motiv ist der goldgepunzte Hintergrund der Karte fast völlig von den Figuren überdeckt. Der goldene Hintergrund ist in einem Fantasiemuster gestaltet und zeigt nicht mehr, wie in früheren Spielen, die Strahlensonne der Visconti.

10.5.2 Galeazzo Maria Sforza Dieses Spielfragment gehört zu den wenigen Spielen, für die ein ausführender Maler genannt wird. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erklärt Wilhelm Schreiber die Ausführung dieser Karten würde Benozzo Gozzoli zugesprochen. 162 Damit liefert Wilhelm Schreiber einen Hinweis, mit dem weiterführende Informationen zu diesem Spielfragment erschlossen werden können. Benozzo Gozzoli (ca. 1421 Florenz – 1497 Pistoia) 163 malte im Zeitraum 1459–1462 die Kapelle des Palazzo Medici Riccardi mit den Fresken „Der

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Abbildung 33: Münz-Reiter. Collection of the National Museum in Warsaw. Foto: Piotr Ligier (NMW)

Siehe Depaulis, Tarots enluminés, S. 85; Münz-Königin bei Christie’s, In: http://trionfi.com/0/j/d/christie/ (acc. 2.12. 2019). Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 103. Benozzo Gozzoli In: https://www.nga.gov/collection/artist-info.1355.html (acc. 1. 9. 2020).

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Abbildung 34: Il Morso, Außenwand der Apsis S. Maria delle Grazie, Mailand. Foto: Sabine Abele-Hipp

Zug der heiligen drei Könige“ aus. 164 In diese Fresken arbeitete er einige Portraits von berühmten bedeutenden Persönlichkeiten jener Zeit ein. An der Ostwand der Kapelle finden sich Piero und Cosimo di Medici, Galeazzo Maria Sforza und Sigismondo Malatesta, deren Portraitdarstellungen als gesichert gelten. 165 Die Darstellungen des Zuges der heiligen drei Könige lehnte sich möglicherweise an das historische Ereignis an, als im April 1459 der damals 15-jährige Galeazzo Maria Sforza, ältester Sohn des Herzogs von Mailand Francesco Sforza, auf der Durchreise zum Konzil von Mantua an der Grenze zu Bologna von florentinischen Bürgern abgeholt und nach Florenz begleitet wurde. Nach Angaben eines anonymen Geschichtsschreibers umfasste dieser Begleitzug über tausend prächtig gekleidete Bürger aus Florenz. In der Stadt wurde der Zug und mit ihm Galeazzo Maria Sforza feierlich empfangen. 166

164 165 166 167 168

Außerdem verband Cosimo de Medici und Francesco Sforza eine langjährige Freundschaft, die bis zum Tod von Cosimo im Jahr 1464 andauerte. 167 Vor diesem Hintergrund erscheint es möglich, die Medici ließen Galeazzo Maria Sforza in die Darstellungen des Dreikönigszuges einarbeiten, um die Sforza mit dieser Geste zu ehren und die Freundschaft beider Familien zu bekräftigen. Das Portrait von Galeazzo Maria Sforza befindet sich an der Ostwand am linken unteren Bildrand. Dort sind nebeneinander zwei Reiter auf einem braunen und einem weißen Pferd dargestellt, die förmlich auf den Betrachter zureiten. Der Reiter des weißen Pferdes ist Galeazzo Maria Sforza, er trägt eine rote Mütze. Auffallend ähnlich sind die Gesichtszüge von Galeazzo Maria Sforza auf dem Fresko von Benozzo Gozzoli und auf der Karte des Münz-Reiters aus Warschau. Über den Stil des Künstlers hinaus, sollte demnach auch eine gewisse Ähnlichkeit mit den Gesichtszügen des jungen Galeazzo Maria Sforza in den Darstellungen vorhanden sein. Galeazzo Maria Sforza wurde nach dem Tod seines Vaters Francesco Sforza im Jahr 1466 Herzog vom Mailand. Ein weiteres Detail der Darstellungen auf den Motiven der Karten Münz-Königin und Münz-Bube verweist auf seine Person als Herzog von Mailand. Beide Figuren halten eine Münze, auf der die Imprese „Il Morso“ zu erkennen ist. Diese Imprese ist festgehalten im Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 2168 168 und auch an der Kirche Santa Maria delle Grazie an der Außenwand der Apsis. Sie stellt das Gebiss und die Backenriemen des Zaumzeugs von Pferden dar. Hierbei wird das Gebiss nach oben zeigend und davon ausgehend die Backenriemen an den Seiten dachförmig angeordnet dargestellt. Diese Imprese geht zurück auf Gian Galeazzo Visconti, der sie jedoch nur gelegentlich nutzte. Galeazzo Maria Sforza griff „Il Morso“ auf und fügte ihr zunächst das Motto „VERGES NIT“ („io non dimentico“, „Ich Vergies Nit“) hinzu. Noch später wurde die Imprese zudem von einem zweiten Motto „Hic Eten Ches“ („io mangio formaggio“,

Cardini, Die Heiligen Drei Könige, S. 14. Marchand, Gebärden in der Florentiner Malerei, S. 227 und Anmerkung 137. Marchand, Gebärden in der Florentiner Malerei, S. 226 und Schelle, Die Sforza, S. 121. Schelle, Die Sforza, S. 129. „Morso“, In: http://graficheincomune.comune.milano.it/GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c.+15v (acc. 3. 9. 2019).

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„Ich esse Käse“) begleitet, wie sie im oben erwähnten Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 2168 zu sehen ist. 169

Aufgrund der angeführten Belege lässt sich das Spielfragment zweifelsfrei Galeazzo Maria Sforza, dem 5. Herzog von Mailand zuordnen.

10.6 Museum August Kestner 10.6.1 Das Spielfragment Das Museum August Kestner in Hannover bewahrt zwei Karten auf, einen „Schwerter-Bube“ und einen „Münzen-Bube“, wie das Museum in seiner Beschreibung angibt. Diese Karten sind auffallend schön, ihr goldgepunzter Hintergrund glänzt, die Farben sind heller gehalten als bei anderen Spielfragmenten. Die Gesichter und Hände der Figuren sind sehr fein ausgearbeitet, was den stilistischen Gesamteindruck eines jüngeren Spiels unterstützt. Kanten und Ecken der Karten sind leicht berieben, der Erhaltungszustand jedoch als gut zu bezeichnen. Beide Karten sind oben in der Mitte durch ein Nagelloch beschädigt. Darüber hinaus sind nur wenig Informationen über diese Karten verfügbar. Das Museum August Kestner stellt beide Karten jüngst digital zur Verfügung. 170 Auf der Internetseite werden die Karten zwischen 1440 und 1460 datiert. In einem älteren Kommentar des Bestandskataloges des Museums werden die Karten in die Mitte des 15. Jahrhundert datiert, gefertigt von einem unbekannten Künstler. 171 Ein geografischer Bezug zu Italien und der Lombardei ist festgehalten und die Echtheit der Karten durch Korrespondenz mit dem Doerner-Institut München von 1957 bestätigt.

10.6.2 Wappen und Wappenfarben Der Schwert-Bube steht vor dem Hintergrund einer Landschaft, er trägt blaue Stiefel, rote Mipati und eine blaue Weste mit einem auffälligen goldenen Muster und Gürtel in der Taille. Sein jungenhaft gestaltetes Gesicht der Darstellung spielt sehr wahrscheinlich auf das tatsächliche Alter eines Jünglings

Abbildung 35: Münz-Bube. © Museum August Kestner, Hannover

an. Mit der rechten Hand hält er sein Schwert lässig, die Spitze nach unten neben sich aufgestellt. Der Münz-Bube hingegen steht in einem Raum auf einem grün-gold gekachelten Fußboden vor einer, wahrscheinlich mit Holztafeln, verzierten Wand. Auch er ist dargestellt mit dem Gesicht eines

Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 36 und S. 42 unten Mitte. Münzen-Bube, Museum August Kestner, In: https://nds.museum-digital.de/index.php?t=objekt&suinin=46&oges=5970&cachesLoaded=true (acc. 7.10. 2020) Schwerter-Bube, Museum August Kestner, In: https://nds.museum-digital.de/index.php?t=objekt&suinin=46&oges=5971& cachesLoaded=true (acc. 7.10. 2020). 171 Zugesandt in einer privaten Email an die Verfasserin am 2. Juni 2015 von Dr. Anne Viola Siebert, Museum August Kestner, Hannover. 169 170

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

Jünglings und trägt eine gegürtete Weste. In seiner rechten Hand hält er ein kurzes, nach unten gerichtetes Schwert. Mit seiner linken Hand zeigt er dem Betrachter eine Münze, die mit einer ViscontiSchlange verziert ist. Er trägt Strumpfhosen, bei denen das linke Bein rot und das rechte Bein an der Außenseite weiß und die Innenseite blau dargestellt ist.

10.6.3 Gian Galeazzo Maria Sforza als Besitzer Nach dem ersten Eindruck eines jüngeren Spielfragments anhand der stilistischen Ausarbeitung der Karten erlaubt der Münz-Bube eine weitergehende Einschätzung. Die Münze mit dem Biscione deutet auf das Umfeld der Visconti, ebenso die Strumpfhosen mit den Farben rot (der ViscontiTradition entsprechend links) und weiß (rechts). Allerdings kommt hier das Blau der Sforza hinzu, 172 was den Eindruck eines späteren Spiels verfestigt. Der Münz-Bube gibt folglich den Hinweis auf einen Sforza. Sehr wahrscheinlich deutet es auf einen Herzog dieser Ahnenreihe noch während der Blütezeit der Tarocchi, also vor dem Jahr 1500. Berichte über Festlichkeiten im Leben des Gian Galeazzo Maria Sforza lassen erahnen, wie prunkvoll er und sein Hofstaat ausgestattet wurden. Zeremonien, Ausstattung und Kleidung wurden immer auch im Hinblick auf die Visconti-Tradition ausgerichtet, um die Rechtmäßigkeit des jungen Herzogs auf dem Thron zu untermauern. Bereits als

Kind repräsentierte Gian Galeazzo Maria Sforza an der Seite seines Vaters auf höfischen Festen. Bei diesen Gelegenheiten war er prächtig gekleidet und ausgestattet mit Damast und mit gestickten heraldischen Insignien versehen. Herausragend war die feierliche Zeremonie seiner Inthronisierung im Jahr 1478 in Mailand. Er wurde von einem großen Gefolge zu Fuß und zu Pferd vom Kastell zur Kathedrale begleitet, wo er Zepter und Schwert überreicht bekam. Gekleidet war er zu diesem Anlass in Damast und Hermelin. Auch anlässlich seiner Hochzeit mit Isabella von Aragon 1488 wurden die Brautleute von einem großen Hofstaat in festlicher Robe in Mailand empfangen. Herzog Gian Galeazzo Sforza trug als Bräutigam ein Gewand aus kostbarem Brokat, zudem schmückten Diamanten, Perlen und andere Edelsteine seine Kleidung. Das Kleid der Herzogin war aus Goldbrokat gefertigt, sie trug ein Diadem aus Perlen und Edelsteinen. 173 Die Schilderungen der überaus prachtvollen Ausstattung von Gian Galeazzo lassen es als wahrscheinlich annehmen, dass auch für ihn als Herzog ein ebenso prächtiges Spiel von Tarocchi angefertigt wurde. Dann ist es als wahrscheinlich anzunehmen, es sind die beiden Buben im Museum August Kestner, die von seinem Spiel heute noch erhalten sind. Denn allen weiteren Herzögen von Mailand in den Jahren 1395 bis 1500 konnte ein Spiel von Tarocchi zugeordnet werden. Die wenigen Hinweise auf ein junges Spiel und die Sforza-Farben der Mipati, lassen das Spiel und den Herzog sozusagen zueinander finden.

10.7 Museo Fournier de Naipes de Álava 10.7.1 Das Spielfragment Das Museo Fournier de Naipes de Álava in Spanien bewahrt sechs Tarocchi auf, die das Museum nach Michael Dummetts Aussagen 1974 von einem Mailänder Händler gekauft hat. 174 Die Motive entsprechen dem Visconti-Sforza, doch lassen Ausführung

und stilistische Merkmale dieser Karten auf ein deutlich jüngeres Fragment, als das Visconti-Sforza schließen. Bei Betrachtung dieser Karten fallen sofort die Farben dieses Spielfragments auf. Sie sind heller gestaltet als die der anderen erhaltenen Tarocchi, trotzdem sind die Farben kräftig und strahlend. Die Gestaltung zeichnet sich durch eine de-

Die Gestaltung der Beinkleider des Münz-Buben entsprechen der späteren Darstellung von Massimilano Sforza und anderen Jünglingen der Sforza in weiß-blau/roten Beinkleidern bei Grammatica, Codice Trivulziana 2167, Folio 29r, In: http://graficheincomune.comune.milano.it/ GraficheInComune/scheda/Cod.+Triv.+2167,+c.+29r (acc. 3.11. 2021). 173 Schelle, Die Sforza, S. 150 und 158–159. 174 Dummett, The game of Tarot, S. 72, noo 10. Das Museum selbst macht in seiner Beschreibung der Karten keine Angaben zum Erwerb, vgl. hierzu und für die weiteren folgenden Angaben über die Karten: Tarot milanés del grupo Visconti-Sforza, In: https://apps.euskadi.eus/v09aNucleoWar/ ciuVerFicha.do?idMuseo=2&ninv=44599 (acc. 1. 9. 2020). 172

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

tailreiche Ausmalung und insgesamt eine sehr feine Strichführung aus. Nach der Beschreibung des Museums bestehen fünf Karten aus Haut, also Pergament, was für Spielkarten ungewöhnlich ist. Lediglich von den Goldschmidt-Karten und dem Tozzi-Fragment ist dieses Material bisher ebenfalls sicher bekannt. Frühere Untersuchungen des Museums zeigen unter Streiflicht parallel gezogene Linien auf den inneren Schichten der Spielkarten, wie sie zur unteren Linienführung von Schriftzeichen gezogen werden. 175 Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, es handelt sich um wieder verwendetes Material. Neuere Nachforschungen haben ergeben, dass wohl nur die oberste und bemalte Schicht der Spielkarten aus Pergament besteht. Die inneren Schichten bestehen sehr wahrscheinlich aus beschriftetem und wiederverwendetem Papier. Schwarze Schriftzeichen drücken sich durch die Rückseite der Spielkarten und werden sichtbar. Leider sind die Schriftzeichen bisher unleserlich. Das Museum möchte in einem anstehenden Forschungsprojekt die Beschaffenheit der Spielkarten und die Schriftzeichen genauer untersuchen. 176 Die Karte mit dem Motiv der „Päpstin“ gehört jedoch zu einem anderen Spiel, denn sie ist aus Papier gefertigt. Im Gegensatz zu den schwarzen Rücken der fünf anderen Karten weist die „Päpstin“ eine rot-braune Rückenfarbe auf. 177

10.7.2 Impresen Auffällig bei diesen Tarocchi ist zunächst die Münzzwei mit dem geschwungenen Spruchband zwischen den Münzen und der Aufschrift „a bon droit“. Dieses Motto geht auf Gian Galeazzo Visconti zurück, der es jedoch „a bon droyt“ schrieb. Möglicherweise handelt es sich hier um eine neuere (italienische) Schreibweise, bei der das „y“ durch ein „i“ ersetzt wurde, denn im Stundenbuch der Visconti, das auf die ersten Herzöge der Visconti zurückgeht, findet sich lediglich die Schreibweise mit „y“. Die Rückenfarbe der Karten ist nach der

Abbildung 36: Rückseite einer Karte. Fotografie des Museo Fournier de Naipes de Álava, Vitoria Gasteiz

Beschreibung des Museums einfarbig, aber in unterschiedlichen Farben von braun, schwarz-grau und rot. Bereits Michael Dummett fiel die rote Rückenfarbe der „Päpstin“ auf und er war sich deshalb unsicher, ob diese Karte zu den übrigen des Fournier-Museums gehören würde. 178 Das Museum

Beschreibung der Karten des Museo Fournier de Naipes de Alava: Museo Fournier de Naipes de Álava, In: https://web.araba.eus/es/web/ fourniermuseoa (acc. 1. 9. 2020). 176 Information und Fotografie von Edurne Martín Ibarraran, Museo Fournier de Naipes de Álava in privaten Emails vom 15. 9. 2020 und 21. 9. 2020. 177 Depaulis/Kaplan, The Cary-Yale Visconti, S. 27; Dummett, The game of Tarot, S. 72, noo 10. 178 Dummett, The game of Tarot, S. 72, noo 13. 175

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

za-Spiels (siehe auch „Herstellungstechnik gemalter Spielkarten“). Eine fleckig erscheinende Farbfläche würde dann für eine abgeriebene Deckschicht sprechen, eine gleichmäßige rote Farbfläche könnte bedeuten, die letzte Farbschicht in der Farbe der anderen Karten würde fehlen – aus welchem Grund auch immer. Die Imprese „fiammante“, die Strahlensonne der Visconti, ist auf den Münzen dargestellt und auch auf dem Gewandmuster des „Herrschers“. Auf dem Hut des „Herrschers“ ist zudem der schwarze Adler zu sehen.

10.7.3 Ludovico Maria Sforza und die Karten des Museo Fournier de Naipes de Álava Durch das Motto „a bon droit“ ist das Spiel in die Visconti-Tradition einzureihen, auch der kaiserliche schwarze Adler auf dem Hut des „Herrschers“ und die Imprese „fiammante“ als Gewandmuster und auf Münz-zwei und Münz-acht zeigen die Linie der Herzöge von Mailand. Außer den stilistischen Merkmalen fehlen weitere Anhaltspunkte zur näheren Bestimmung jedoch auf den ersten Blick. Folglich muss eine mögliche Zuordnung anhand anderer Merkmale vorgenommen werden. Die Darstellungsweise der Motive steht in der Tradition der älteren Spiele der Tarocchi. Wie bereits im Visconti di Modrone und im Visconti-Sforza wird die Münze von dem Münz-As dazu benutzt, ein Erkennungszeichen einzuarbeiten. Allerdings zeigt das Münz-As aus dem Museo Fournier de Naipes de Álava kein Wappen, in der Mitte der Münze ist lediglich ein dreistufiger Turm mit Zinnen dargestellt. Ronald Decker schreibt im Jahr 1980 über die Darstellung auf dem Münz-As: Abbildung 37: Münz-As. Archivo fotográfico del Museo Fournier de Naipes de Álava, Vitoria Gasteiz. © de la fotografía Museo Fournier de Naipes de Álava

selbst räumt diese Unsicherheit in seiner Beschreibung ebenfalls ein. In Erwägung zu ziehen ist hierbei auch, ob es sich bei der roten Farbe um Haftgrund handeln könnte, der sichtbar geworden ist, ähnlich wie bei den „Liebenden“ des Visconti-Sfor179

Decker, Early Tarots, in: The Playing Card, Volume IX, No. 1, S. 27.

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„[The Ace of Coins] has one large medallion picturing a tower with crenellations. This is possibly a Gonzaga device.“ 179

Was Ron Decker noch als Möglichkeit ansah, wird von nachfolgenden Autoren ohne weitere Prüfung als Faktum übernommen. 180 Sogar das Museo Fournier de Naipes de Álava übernimmt diese Erwägung der Zuordnung in seiner Beschreibung des Spiel-

10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

fragments. 181 Ronald Deckers Vermutung zu hinterfragen erscheint an dieser Stelle angebracht. Dazu lohnt ein genauerer Blick auf die Architektur und eine Beschreibung, die den Details der Darstellung gerecht wird. Das Münz-As des Fournier-Museums zeigt einen Turm in frontaler Ansicht mit eckigem Grundriss. Zum Haupttor des Bauwerks führt ein langer, dunkel gezeichneter Weg. Der Turm hat drei stufenförmig angeordnete Geschosse, die jeweils mit Zinnen abgeschlossen sind. In der Mitte des untersten Stockwerkes ist ein Rundbogentor, rechts und links des Tores sind je zwei Fenster zu sehen. In den Fenstern der Rundbogen ist Maßwerk zu sehen, was allerdings lediglich in digitaler Vergrößerung deutlich wird. Das mittlere Geschoss ist mit einer Reihe von fünf Fenstern versehen. Darüber erstreckt sich das dritte Geschoss, deutlich schmaler und höher dargestellt, mit einer hohen Fensteröffnung, darin ein ähnliches Maßwerk wie in den Fenstern des untersten Geschosses. Auffällig an der Darstellung ist die recht massive Bauweise aus gleichmäßigem Mauerwerk und die rote Farbe des Gebäudes. Diese Farbe erinnert an Backsteine. Durch die ausgeprägt und zahlreich dargestellten Zinnen ist das Bauwerk als Wehrturm oder Turm einer Wehranlage gekennzeichnet. Ausgehend von der Annahme, die Darstellung des Münz-As zeigt zumindest wesentliche Züge des dargestellten Bauwerkes, können diese Merkmale mit realen Bauwerken verglichen werden. Zunächst wurde das Wappen der Familie Gonzaga überprüft. Jedoch zeigt das Wappen der Gonzaga keinen Turm. Es zeigt ein Wappenschild mit sechs Balken in den Farben weiß und schwarz wechselnd, beginnend mit einem weißen Balken am Schildhaupt und abschließend mit einem schwarzen Balken am Schildfuß. 182 Falls der Turm also ein Zeichen der Gonzaga ist, so liegt die weitergehende Vermutung nahe, es handelt sich um ein Bauwerk der Familie. In Mantua, dem Sitz der Familie Gonzaga kommt für den Vergleich mit der

Darstellung auf dem Münz-As der Turm des Palazzo Ducale in Frage. Dieser Turm präsentiert sich als schmales hoch aufragendes Bauwerk mit drei Geschossen, dem obersten runden Geschoss ist zudem eine Kuppel aufgesetzt. Das oberste Geschoss hat hochgezogene Fenster mit Rundbogen, das zweite Geschoss hat je zwei Fensteröffnungen an den Seiten. Im untersten Geschoss finden sich hochgezogene Maueröffnungen mit Rundbogen, die jedoch zugemauert sind. Zinnen sucht der Betrachter an diesem Turm vergebens. Die gesamte Bauweise ist sehr viel filigraner als diejenige auf der Darstellung des Münz-As. Ein wesentlicher weiterer Unterschied besteht darin, dass der Turm des Palazzo Ducale in Mantua ein Campanile, also ein Glockenturm ist. Er gehört zur Basilika Santa Barbara des Palazzo. Darüber hinaus wurde die Basilika zwischen 1561 und 1572 erbaut und der Turm 1565 fertiggestellt. 183 Wie im Abschnitt „Ecksteine der Datierung“ dargelegt, war zu diesem Zeitpunkt die Blütezeit der Tarocchi bereits vorüber. Die Darstellung des Campanile des Palazzo Ducale in Mantua auf den etwa einhundert Jahre älteren Tarocchi ist wegen der unterschiedlichen Entstehungszeit, ebenso wie der Verschiedenartigkeit der Türme auszuschließen. Als Bezug der Visconti zu den Gonzaga lässt sich im Zeitraum der Tarocchi lediglich eine gelöste Verlobung des Galeazzo Maria Sforza nachweisen, was für die entsprechenden Darstellungen in den Tarocchi jedoch kaum Bedeutung haben kann. 184 Bedauerlicherweise lässt Ron Decker in seinem Artikel den Quellennachweis vermissen, auf den sich seine Mutmaßung stützt. Nach einem persönlichen Gespräch sandte er der Verfasserin den Quellennachweis zu. 185 Seine These eines GonzagaTurmes auf dem Münz-As des Museo Fournier de Naipes de Álava stützt sich demnach auf das Werk von Niny Garavaglia, The complete paintings of Mantegna. Bei der Abhandlung der „Camera degli sposi“ im Palazzo Duccale in Mantua zeigt sie ein Diagramm der Deckengemälde, wo auf einer Lü-

Frühe Belege hierfür, die in der späteren Literatur stetig weiter verwendet werden sind: Kaplan, Encyclopedia I, S. 103 und Dummett, The game of Tarot, S. 72 (10). 181 Tarot milanés del grupo Visconti-Sforza, In: https://apps.euskadi.eus/v09aNucleoWar/ciuVerFicha.do?idMuseo=2&ninv=44599 (acc. 1. 9. 2020). 182 Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, 157 (a). 183 Provincia di Mantova In: http://www.turismo.mantova.it/index.php/risorse/scheda/id/311 (acc. 1. 9. 2020). 184 Vogt-Lüerssen, Bianca Maria Visconti, S. 103–106. 185 Das Gespräch führte die Verfasserin mit Ron Decker am 21. September 2019 in Catania anlässlich der IPCS-Convention, danach übersandte er eine persönliche Email an die Verfasserin vom 3.10. 2019. 180

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Abbildung 38: Turm der Basilika Santa Barbara, Palazzo Ducale Mantua. Foto: Lena Hipp

nette ein Turm dargestellt ist und dieser somit lokalisiert werden kann. Die Beschreibung des Turmes liest sich wie folgt: „[49 D]: Tower: A grey tower with double-pointed (as opposed to square) crenellations, set on a white field (which, however, may originally have been red). The tower itself appears to be either pentagonal or hexagonal. Such a tower, flanked by two very leafy trees, was a very common Gonzaga emblem.“ 186

Schon diese Beschreibung lässt Zweifel aufkommen, ob der Turm in der „Camera degli sposi“ und der Turm auf dem Münz-As Ähnlichkeit zeigen. Leider findet sich bei Niny Garavaglia keine Abbil186 187

dung der Lünette mit dem Turm, immerhin wird die Provenienz der These von Ron Decker und des Gemäldes deutlich. Dankenswerterweise ist das Werk von Mantegna und auch die „Camera degli sposi“ im Palazzo Duccale in Mantua kunstgeschichtlich gut aufbereitet, sodass sich die Abbildung, die Niny Garavaglia vermissen lässt, ermittelt werden kann. Michele Cordaro arbeitet beispielsweise den Raum im Detail auf. Der gesuchte Turm findet sich an der Westwand in der rechten Lünette unter dem Gewölbe. 187 Es zeigt sich ein massiver rechteckiger Turm aus grauem Mauerwerk, der diagonal zum Betrachter steht. So erklärt sich Niny Garavagias Beschreibung, er wirke pentagonal, weil der Betrachter auf eine Ecke des massiven rechteckigen Turmes blickt.

Garavaglia, The complete paintings of Mantegna, S. 104. Mantegna/Cordaro, Mantegna, Camera degli sposi, S. 217, Abbildungen S. 15 und 216.

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

Abbildung 39: Camera degli sposi, Lünette mit Turm, Palazzo Duccale Mantua. Foto: Cristina Garilli, abgebildet „Su concessione del Ministero della Cultura – Palazzo Ducale di Mantova“

Der obere Umgang ist mit Schwalbenschwanzzinnen versehen, wie sie am Mauerwerk des Palazzo Duccale in Mantua allgemein zu finden sind. Auf den ersten Blick wird jedoch deutlich, die Darstellung des Turmes in der „Camera degli sposi“ unterscheidet sich erheblich von der Darstellung auf dem Münz-As des Museo Fournier de Naipes de Álava. Es handelt sich offensichtlich um zwei verschiedene Türme und der Turm auf dem Münz-As des Tarocco ist folglich keine Darstellung eines Gonzaga-Turmes! Gelegentlich wurde der Turm auf der Darstellung des Münz-As mit dem Castello di San Giorgio in Cesena der Familie Malatesta in Verbindung gebracht, das bereits 1489 zerstört wurde. 188 Jedoch fehlen dem Turm des Castello di San Giorgio 189 die charakteristischen Stockwerke des Turmes auf dem Münz-As des Museo Fournier de Naipes de Álava. Eine Darstellung von San Giorgio der Malatesta ist folglich höchst unwahrscheinlich. Die Frage ist demnach weiterhin offen, ob das Münz-As einen realen Turm zeigt. Eine Präsentation von eigenen Besitzungen der Visconti oder Sforza in den Tarocchi ist als wahrscheinlich anzunehmen. Der Blick auf die Bauwerke dieser Familien erscheint Erfolg versprechend, naheliegend ist das 188 189 190

Castello der Familie in Mailand. Es ist als Wehranlage mit Exerzierplatz im Innenhof erbaut. Zusammen mit dem Dom prägt und beherrscht das Castello Sforzesco, wie es heute genannt wird, noch immer das Erscheinungsbild der Altstadt Mailands. Dom und Castello sind über eine große Prachtstraße (heute Via Dante) miteinander verbunden. Über dem Haupteingang des Castello Richtung Via Dante und Altstadt erhebt sich ein stufig aufgebauter Turm. Allerdings entstammt das heutige Erscheinungsbild des Turms einer Rekonstruktion aus dem Jahre 1905, durchgeführt von dem Architekten Luca Beltrami. 190 Benannt ist dieser neue Turm nach dem italienischen König „Torre Umberto I“. Gleichwohl zeigt der heutige Turm auffällige Ähnlichkeit mit der Darstellung auf dem Münz-As des Museo Fournier de Naipes de Álava. Das Castello selbst hat eine bewegte und wechselvolle Geschichte, in deren Verlauf das Castello mehrfach umgebaut, ergänzt oder teilweise zerstört wurde. Auf die Geschichte des Castellos soll an dieser Stelle in kurzer Form mit Aufmerksamkeit auf Bau und Erscheinung des Turms näher eingegangen werden. Schließlich war das Castello im 15. Jahrhundert zur Blütezeit der Tarocchi Residenz der Herzöge von Mailand Visconti und Sforza. Möglicherweise

Neuerlich wieder bei Depaulis, Vrai ou faux? Il castello di San Giorgio, In: https://www.cesenatoday.it/foto/cronaca/il-castello-di-san-giorgio/#img_1495.html (acc. 25. 4. 2022). Sito Ufficiale Castello In: https://www.milanocastello.it/en/content/filarete-tower (acc. 1. 9. 2020).

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Abbildung 40: Castello Sforzesco, Mailand. Außenansicht des Haupteingangs mit Turm, Außenmauer und südlicher Eckturm. Foto: Sabine Abele-Hipp

lassen sich so Analogien zwischen dem Castello und den Tarocchi finden. Vor der Rekonstruktion des Turmes befasste sich Luca Beltrami eingehend mit dem Castello. Er hat mit seinen Recherchen wesentliche Informationen zur Baugeschichte zusammengetragen. Der Bau des Castello an der Porta Giovia von Mailand ging auf Bernabo Visconti zurück. Dieser erbaute um 1368 eine quadratische Festung, um die Stadt verteidigen zu können. Sein Nachfolger Gian Galeazzo Visconti ließ einige Anbauten hinzufügen, unter anderem eine Zitadelle, womit wohl die heutige Rocchetta gemeint ist. Obwohl Gian Galeazzo Visconti seinen Wohnsitz in der von ihm erbauten Certosa di Pavia nahm, weilte er zeitweise im Castello in Mailand. Hier wurde beispielsweise sein 191

Beltrami/Bellini, Guida storica, S. 18–21.

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Sohn Filippo Maria geboren. Gian Galeazzo Visconti baute das Castello als künftigen Wohnsitz für seine beiden legitimen Söhne aus. Mit dem Älteren der beiden, Giovanni Maria Visconti, bezog erstmals ein Herzog von Mailand das Castello als ständigen Wohnsitz. Nach dessen Ermordung bewohnte Filippo Maria Visconti als dritter Herzog von Mailand das Castello. 191 Filippo Maria Visconti veranlasste im Castello Ausbauarbeiten in größerem Umfang. Dazu engagierte er Filippo Bruneleschi, ein bekannter und erfolgreicher Architekt der damaligen Zeit aus Florenz. Es sind weder Dokumente noch Modelle erhalten, auch die Quellen das Castello betreffend enthalten nur spärliche Angaben über den Bau, weshalb nur wenig über das Aussehen der Anlage

10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

zu Lebzeiten von Filippo Maria Visconti bekannt ist. Weitere hier erwähnenswerte Residenzen aus dem Familienbesitz der Visconti, an denen Filippo Maria Visconti bauen ließ, sind das Schloss in Cusago und der Palast in Vigevano. 192 Filippo Maria Visconti residierte bis zu seinem Tod im Castello in Mailand und als er im August 1447 dort starb, wird das Castello von der Bevölkerung Mailands unmittelbar danach gestürmt, geplündert und teilweise zerstört. Die Bevölkerung Mailands rief daraufhin die Ambrosianische Republik aus. Deren Regierung ließ zu, dass Teile der Burg als Baumaterial abgetragen wurden. 193 Die Zerstörung der Anlage nach dem Tod von Filippo Maria Visconti muss erheblich gewesen sein. Francesco Sforza, Schwiegersohn von Filippo Maria Visconti, bezwang die Ambrosianische Republik, er zog 1450 als Stadtherr und von der Bevölkerung als Herzog anerkannt in Mailand ein. Auch er nahm das Castello als Wohnsitz. Er begann sofort mit dem Wiederaufbau der Anlage auf den noch vorhandenen Fundamenten. Dabei legte er Wert auf militärische Belange, das Castello sollte einem Angriff von außen standhalten können. Darüber hinaus wünschte Francesco Sforza einen auffälligen Turm an der Vorderseite des Castellos zu bauen, dessen Ansicht die militärisch ausgerichtete Erscheinung des Castellos zur Stadt hin mildern sollte. Für die Arbeiten engagierte er Antonio di Pietro Averlino, genannt Filarete, namhafter Bildhauer, Ingenieur und Architekt jener Zeit. Filarete kam 1452 aus Rom, wo er am Petersdom gebaut hatte. 194 Filarete plante den Bau des Turmes. Noch im gleichen Jahr berichten Quellen von Unstimmigkeiten zwischen ihm und den ausführenden Architekten über Zeitplan und statische Fragen des Projektes. 195 Über das Aussehen dieses „Torre Filarete“ ist ebenfalls wenig bekannt. Luca Beltrami beschreibt lediglich einen quadratischen Grundriss, die Wände seien bei der Front Richtung Stadt sehr viel dicker als an den Seiten und zum Innenhof. 1452 war der Turm wohl bis zur Höhe der Außen-

Abbildung 41: Vorderansicht des Castello Sforzesco vor 1521. Einlegearbeiten im Chorgestühl der Kathedrale von Cremona. Entnommen aus Beltrami, Indagini e Documenti, S. 45

mauer des Castellos gebaut und auf 22 „braccia“ 196 hoch geplant. Nach Wünschen von Francesco Sforza sollte er jedoch acht bis neun „braccia“ höher gebaut werden, als die Planungen vorsahen. Zu welchem Zeitpunkt der Turm fertiggestellt wurde, ist ungewiss. Terracotta, so Luca Beltrami, war zu jener Zeit das wichtigste und somit das meist verwendete Baumaterial der Architektur in Mailand. 197 Die charakteristische Farbe dieser Bauwerke erwähnt auch Dorothy Muir, indem sie das Castello beschreibt: „[…] the great Castello of the Porta Giovia, whose red walls and towers rose above the city streets.“ 198

Francesco Sforza starb, bevor die Arbeiten am Castello beendet waren. Sein Sohn und Nachfolger Galeazzo Maria Sforza lenkte die Bauarbeiten wiederum in seinem Sinne, er legte mehr Wert als sein Vater auf den Innenausbau, wie Ausstattung der Räume mit Malereien und andere Prunkausstattung. Unter seiner Regentschaft gewann das Castello

Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XLXIII und 22. Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 55–56, S. 55–56 und Beltrami/Bellini, Guida storica, S. 22–24. 194 Beltrami/Bellini, Guida storica, S. 28–31. 195 Beltrami, Castello di Milano, S. 51. 196 „braccia“ (in dieser Schreibweise) ist eine Längeneinheit mit unbekannter Bemaßung. Für eine vage Vorstellung mag die Übersetzung „Armlänge“ passend sein. Vgl. Beltrami, Indagini e Documenti, S. 12. 197 Beltrami/Bellini, Guida storica, S. 32. 198 Muir, History of Milan, S. 137. 192 193

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

Abbildung 43: Turm in Cusago. Entnommen aus Beltrami, Indagini e Documenti, S. 32

Abbildung 42: Turm von Vigevano. Entnommen aus Beltrami, Indagini e Documenti, S. 36

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

an Außenwirkung und beherbergte namhafte Gäste, darunter den Papst. 199 Galeazzo Maria Sforza wurde 1476 ermordet, ihm folgte sein erst neunjähriger Sohn Gian Galeazzo Maria Sforza als Herzog von Mailand unter der Regentschaft seiner Mutter Bona von Savoyen. Wieder erfuhr das Castello tiefgreifende Umbauten. Von nun an sollte die herzogliche Familie auch gegen Verschwörungen von innen geschützt sein. Hierzu ließ Bona von Savoyen einen Turm im Innenhof des Castello errichten, der nach ihr benannt wurde und als Rückzugsort für sie und ihren Sohn diente. Doch der Onkel des jungen Herzoges, Ludovico Maria Sforza schaffte es trotz der Sicherheitsvorkehrungen ins Castello zu gelangen, Mutter und Sohn zu trennen und Gian Galeazzo Maria Sforza unter seine Regentschaft zu nehmen. Bona von Savoyen musste das Castello verlassen. Ludovico Maria Sforza veranlasste weitere Ausbauarbeiten an dem Bauwerk. Auch ihm lag wie zuvor seinem Bruder Galeazzo Maria daran, die Außenwirkung des Castellos zu entfalten, es mit Pracht und Annehmlichkeiten auszustatten. Er ließ auch die Gartenanlagen neu gestalten. Das Castello sollte ein Zentrum der Kunst und der Wissenschaft werden. Es war ebenso Schauplatz von großen strahlenden Festen, wie die Verlobung seines Neffen mit Isabella von Aragon. Als Garant für wirkungsvolle Arbeiten am und im Castello engagierte Ludovico Maria Sforza den schon damals berühmten Leonardo da Vinci. Auch Donato Bramate, angesehener Baumeister, Maler und Architekt jener Zeit, arbeitete am Castello. 200 In Hinblick auf den Turm begannen unter Ludovico Maria Sforza Umbauarbeiten, die das Aussehen des Turmes nachvollziehbar machen. Wie bereits vor ihm Filippo Maria Visconti ließ er zudem auch auf den Anwesen der Familie in Cusago und Vigevano bauen. In beiden Anlagen errichtete er mit großem Ehrgeiz Türme, die an die Konstruktion des heutigen Torre Umberto des Castello in Mailand erinnern. 201 Alle Türme dieser Anwesen haben einen quadratischen Grundriss. Sie sind dreistufig aufgebaut und die unterste Ebene ist mit Zinnen oder einem zinnenartigen Umgang abgeschlossen.

199 200 201 202 203

In Mailand und Vigevano ist die zweite Ebene ebenfalls mit Zinnen abgeschlossen und an der Front mit einer Uhr verziert. Die dritte Ebene hat bei allen Türmen eine hochgezogene Öffnung mit Rundbogen. Weitere Ähnlichkeiten zeigen in Mailand und Vigevano die dritte Ebene, denen eine Kuppel aufgesetzt ist. In Cusago ist die Anordnung der Fenster auffällig. Über dem Haupteingangstor mit Rundbogen ist auf jeder Ebene über diesem Tor eine Maueröffnung mit Rundbogen eingearbeitet, sodass sich eine gerade Sichtachse entlang der Ebenen nach oben ergibt. Bei allen drei Anwesen führt ein gerader Weg von außen auf das Haupteingangstor zu. Das Anwesen in Cusago teilt ähnliche Gegebenheiten mit dem Castello in Mailand, denn nach dem Tod von Filippo Maria Visconti wurden beide zerstört. Ludovico Maria Sforza ließ Cusago als Jagdschloss neu aufbauen. Es war ein beliebter Aufenthaltsort von ihm, dort wie in Mailand empfing und beherbergte er prominente Gäste. Für das Anwesen in Vigevano hatte Ludovico Maria Sforza weitreichende Pläne, er wollte es als Residenz für seinen Bruder Kardinal Ascanio Maria Sforza ausbauen. 202 Zu den Bauarbeiten in Cusago existieren Dokumente, die Ludovico als Auftraggeber bestätigen. In Mailand und Vigevano finden sich außerdem Friese und andere Dekorationen, die sich ähneln und die Ludovico bevorzugt anbringen ließ. Einige Reste solcher Dekorationen sind auch in Cusago noch erhalten. An die Anwesen in Cusago und Vigevano ließ Ludovico Maria Sforza eine elegante Loggia anbauen, die nachweislich vom gleichen ausführenden Architekten stammen. Erhaltene Dokumente aus dem Archiv in Vigevano belegen, dass der Turm in Vigevano eine Kopie des Turmes in Mailand darstellt. Luca Beltrami kommt folglich zu dem Schluss, dass die Türme in Cusago und Vigevano dem Turm des Castello in Mailand nachempfunden sind. Sie waren von Ludovico Maria Sforza in Auftrag gegeben und darüber hinaus von den gleichen Meistern ausgeführt worden. 203 Donatello Bramate war einer dieser möglichen ausführenden Meister, ihm wird der Turm in Vigevano üblicher-

Beltrami/Bellini, Guida storica, S. 47–54. Beltrami/Bellini, Guida storica, S. 61–66. Beltrami, Indagini e Documenti, S. 18. Schofield, Ludovico il Moro and Vigevano, in: Arte Lombarda Nuova Serie, S. 103. Beltrami, Indagini e Documenti, S. 32 und 33.

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10 Tarocchi der Herzöge von Mailand

weise zugeschrieben. Allerdings ist für Luca Beltrami diese Zuweisung nicht für den gesamten Turm gesichert. 204 Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, Ludovico Maria Sforza baute in drei seiner Anwesen etwa gleichzeitig Türme nach offensichtlich den gleichen Plänen und mit den gleichen Baumeistern. Alle drei Türme waren Prestigeobjekte, die er mit großen Ambitionen verfolgte. Die Darstellung des Turmes auf dem Münz-As ähnelt mit seinem dreistufigen Aufbau den drei Türmen der Anwesen auffällig. Eine weitere markante Analogie ist die Ziegelbauweise des Turms des Münz-As mit der typischen Terracotta-Färbung, die schon bei Filippo Maria Visconti für das Castello charakteristisch war. Nach Luca Beltrami war Terracotta das wichtigste Baumaterial in Mailand jener Zeit. Er hielt es für so herausragend, dass er seine Rekonstruktion des Turmes im Castello von Mailand ebenfalls aus diesem Material erbaute, welches das Aussehen des Turmes noch heute prägt. Da die anderen Motive des Spielfragments im Museo Fournier de Naipes de Álava eine deutliche Anlehnung an das Visconti-Sforza-Spiel zeigen, ist der Bezug der Darstellung auf dem Münz-As zu den Sforza und deren Besitzungen als naheliegend und als offenkundig zu bezeichnen. Das Münz-As des Fournier Museums zeigt folglich ziemlich sicher den Turm des Castello in Mailand. Eine Schwierigkeit bei der eindeutigen Bestimmung des Turmes ist die Baugeschichte des Castello. Zeichnungen oder andere Belege der Entstehungszeit existieren nicht mehr. Nur die Abbildungen des – wie es heißt – authentisch wieder aufgebauten Turmes aus der letzten Restaurierung stehen für Vergleiche zur Verfügung. Doch selbst auf diesen Darstellungen lässt sich die deutliche Ähnlichkeit der Darstellung auf dem Münz-As und dem Turm des Castello in Mailand erkennen. Gleichwohl zeigen sich Abweichungen der Darstellung auf dem Münz-As, wie beispielsweise die Zinnen auf allen drei Ebenen und dem Erscheinungsbild der Türme in Mailand, Vigevano und Cusago. Sie können darauf zurückzuführen sein, dass der Turm auf der Spielkarte auf alten und verlorenen Zeichnungen beruht oder der Planungsphase einer der Türme entstammen. Ebenso ist möglich, das Aussehen des Turmes wurde lediglich in mündli204 205

Beltrami, Indagini e Documenti, S. 30. Beltrami, Indagini e Documenti, S. 33.

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chen Beschreibungen an den ausführenden Maler der Tarocchi weitergegeben. Denkbar wäre auch, die Darstellung des Münz-As spielt auf alle drei Türme an und vereint Merkmale aller Türme. Vielleicht nahm sich der Maler auch nur die künstlerische Freiheit, den Turm mit Details der eigenen Vorstellung auszugestalten. Gleichwohl zeigen die realen Türme und die Kartendarstellung so viele Ähnlichkeiten in markanten Details (bis hin zu dem breiten und geraden Weg, der zum Haupttor des Turmes führt), dass von einer Übereinstimmung des Turms in Mailand als bauliche Vorlage für Vigevano und Cusago und dem Münz-As auszugehen ist. Ludovico Maria Sforza verfolgte den Bau der Türme in Vigevano und Cusago mit solch großem Eifer, dass sie sicher eine Präsentation in den Tarocchi wert waren und das Spielfragment im Museo Fournier de Naipes de Álava ihm zugeordnet werden kann. Ludovicos Bautätigkeiten fanden ein jähes Ende, als seine Gemahlin Beatrice d’Este im Jahr 1497 im Kindbett starb und er in tiefe Trauer bis hin zu depressiven Phasen verfiel. Als die Franzosen Mailand besetzten, verlor er im Jahr 1500 das Castello, die Stadt und damit das gesamte Herzogtum Mailand. Der Turm des Castello wurde durch eine Explosion im Jahr 1521 völlig zerstört. 205 Die bewegte Geschichte des Castellos nahm ihren weiteren Lauf, bis der Turm 1905 rekonstruiert wurde und das heutige Museum „Castello Sforzesco“ eröffnet wird. In dem Bestattungsort von Ludovico Maria Sforza und Beatrice d’Este in der Certosa in Pavia schließt sich der Kreis der Dynastie Visconti-Sforza ebenso wie symbolhaft der Kreis der Tarocchi. Hier ruhen der erste Herzog von Mailand Gian Galeazzo Visconti und der letzte bedeutende Herzog von Mailand Ludovico Maria Sforza, gleichermaßen Besitzer von Spielen der Tarocchi. Von Ludovico Maria Sforza sind weitere bedeutenden Kunstwerke überliefert. Mit seinem Grabmal, das Ludovico Maria Sforza und Beatrice d’Este nebeneinanderliegend darstellt und dem Gemälde Madonna mit Kind des Master of Pala Sforzesco 1494 in der Pinacoteca di Brera reihen sich die Tarocchi im Museo Fournier de Naipes de Álava in die Reihe der berühmtesten Kunstwerke der Renaissance vom Hof des Ludovico Maria Sforza ein.

11 Spiele von Mittlern und Helfern auf Francesco Sforzas Weg zum Herzog „Es gehörte zur ganzen Veranlagung eines Condottiere, daß er mehr werden wollte, als ein bezahlter Feldhauptmann im Dienste eines Fürsten: jeder wollte selbst Fürst und Gründer einer Dynastie werden.“ 1

Für Francesco Sforza war der erste wegweisende Schritt zu diesem Ziel die Verlobung mit Bianca Maria Visconti. Ob er diese Verlobung bereits aus Zielstrebigkeit einging, ist aus den Quellen schwer herauszulesen. Nach dem Tod von Filippo Maria Visconti traten seine Ambitionen jedoch klar hervor, das Erbe seiner Frau zu retten und selbst Herzog zu werden. Gegen die aufkommenden Begehrlichkeiten verschiedener Gruppierungen auf das Herzogtum Mailand um das Erbe seiner Frau zu kämpfen, wäre in seinem Sinne gewesen. Aber das Ausrufen der Ambrosianischen Republik durchkreuzte seine Pläne. Sein Ziel wohl im Auge behaltend diente er der Republik zunächst als Condottiere. Später kämpfte er in seinem eigenen Interesse und bezwang die Republik unter dramatischen Umständen. An entscheidenden Wegmarken zu seinem Ziel verhalfen ihm Freunde und treue Weggefährten zum Erfolg. Ihre Hilfe war unterschiedlicher Art und ihre Unterstützung kam Francesco Sforza auch in verschiedenen Phasen seines Aufstiegs zugute. Gemeinsam war ihrer Hilfe jedoch, dass sie die Weichen zu Gunsten seines Lebensweges stellten. Mit ihrer Hilfe gelang Francesco Sforza „was keinem seiner Berufskollegen glückte. Er erwarb sich ein bedeutendes Herrschaftsgebiet, wurde Herzog von Mailand und wandelte sich vom Con-

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dottiere zum geachteten und gebildeten Staatsmann […].“ 2

Die Besitzer von drei Spielen der Tarocchi waren Protagonisten solcher Hilfestellungen, ihnen gebührte der Dank von Francesco Sforza. Unter diesen Aspekten betrachtet, ist es höchst wahrscheinlich, dass Francesco Sforza zu den im Folgenden aufgeführten Spielen einen engen Bezug hatte. Entweder hatte er die Spiele selbst anfertigen lassen und sie in fertigem Zustand verschenkt. Dies ist wenig wahrscheinlich, denn die Anfertigung eines Spiels war kostspielig und ein Herzog, der erst kurz im Amt war, sollte seine Staatsfinanzen eher zusammenhalten. Die künstlerische Gestaltung dieser Spiele weicht von dem üblichen Kanon der Tarocchi ab. Deshalb ist es wahrscheinlicher Francesco Sforza gab den zukünftigen Besitzern lediglich die Erlaubnis ein solches Spiel anzufertigen zu lassen. Der Adressat konnte dann selbst einen Maler beauftragen und die Motive einzelner Karten im Rahmen der Vorgaben für die Kartenbilder auch selbst ausgestalten. Ein solches Vorgehen wäre Dank und Ehrung für den Empfänger des Kartenspiels ohne die Staatskasse zu belasten. Diese Betrachtungsweise zeigt den überaus hohen Stellenwert der Tarocchi überhaupt und eines individuellen, eigenen Spiels im Besonderen. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Befugnis zur Herstellung eines Spiels bei den Herzögen von Mailand liegt. Sie ging also von den Visconti aus. Francesco Sforza übernahm diese Tradition wie viele andere der Visconti.

Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. XXVII. Schelle, Die Sforza, S. 9.

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11.1 Alessandro Sforza 11.1.1 Das Spielfragment Dieses Spiel beinhaltet ein sehr auffälliges und in keinem anderen Spiel vorkommendes Motiv, den sogenannten „Hirschreiter“. Die Karte zeigt eine nackte Frau, die rückwärts auf einem Hirsch reitet. In der rechten Hand hält die Figur ein Gefäß aus dem Flüssigkeit herausläuft und an den Beinen und auf der Seite des Hirsches hinunterfließt. Ikonografisch ist dieses Motiv einzigartig in der Kunst der Renaissance. Weder ist in der weiteren Kunst eine Figur zu finden, die rückwärts auf einem Hirsch reitet, noch ist eine reitende Figur nackt dargestellt. 3 Aus dem Gefäß in der rechten erhobenen Hand der Figur läuft Flüssigkeit heraus, deshalb wurde diese Karte oftmals als eine Darstellung der „Mäßigkeit“ interpretiert. 4 Neuere Forschungen widersprechen dieser Auffassung und merken an, die Nacktheit der Figur, das Reiten rückwärts, sowie der Schmuck in Form einer Halskette passen nicht zur Ikonografie einer Tugend. Vielmehr müsse in Betracht gezogen werden, es könnte sich um die Darstellung eines Lasters handeln, der Unmäßigkeit, sozusagen als Gegenpol zur Tugend der Mäßigkeit. 5 Diese These können Schandbilder aus Deutschland in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert stützen. Ein häufiges Motiv ist ein sogenannter „Schandritt“, bei dem ein (bekleideter) Übeltäter oder Schuldner meist auf einer Sau oder einem Pferd mit dem Gesicht zum Hinterteil des Tieres sitzt. 6 In Italien waren in jener Zeit solche Schandritte wohl ebenfalls bekannt, wie eine Anekdote vom Hof der Visconti zeigt. Als der Hofnarr von Gian Galeazzo Visconti namens Tricano eines Tages weglief und Zuflucht in Mantua suchte, schrieb Gian Galeazzo den Marquis von Mantua an, mit der Bitte den Hofnarren zurückzuschicken: Schändlich festgebunden auf dem Rücken eines Esels. 7 In dieser Anekdote soll allerdings der Narr (keine

Frau) auf einem Esel festgebunden werden und er wird bei seinem Ritt wohl auch bekleidet gewesen sein. Ob der Narr rückwärts auf dem Esel reiten soll, darüber sagt die Anekdote nichts aus. Eine eindeutige Interpretation des Hirschreiters ist bis heute trotz vielfältiger Diskussion in der Forschung nicht möglich, auch weil nur wenige Karten des Spiels von Alessandro Sforza erhalten geblieben sind und deshalb der Kanon der Bilder dieses Spiels nicht rekonstruiert werden kann. Abbildungen dieses Spiels zu betrachten, gestaltet sich schwierig, da die Bestände des Castello Ursino nicht digitalisiert sind. Gleichzeitig sind die verfügbaren Abbildungen in der Literatur qualitativ höchst unterschiedlich. Zu erkennen ist in den diversen Veröffentlichungen jedoch der schlechte Erhaltungszustand dieses Spiels, die Ränder der Karten sind stark beschädigt. An der Karte des Hirschreiters sind die Ränder so stark aufgebrochen, dass die einzelnen Papierlagen teilweise freigelegt sind. Sichtungen zeigen bereits beschriebenes Papier aus notariellen Schriftstücken mit dem Datum von 1428. 8 Diese Datierung ist folglich als „terminus post quem“ vorzumerken. Im Jahr 2015 entdeckte Emilia Maggio im Palazzo Abatellis in Palermo zwei gemalte Karten mit Motiven der Tarocchi, die sie als die „Herrscherin“ und die Stab-zwei des Alessandro Sforza-Spiels identifizierte. Dass die beiden neu entdeckten Karten zu diesem Spiel gehören, begründet Emilia Maggio zunächst mit den übereinstimmenden Maßen beider Spielfragmente und mit stilistischen Merkmalen. So zeigen das Motiv der „Welt“ des Alessandro Sforza-Spiels in Catania und die „Herrscherin“ aus Palermo auffällige Ähnlichkeiten der Figuren in Kleidung, Haartracht und Darstellung der Person. Der Erhaltungszustand der beiden Karten im Palazzo Abatellis in Palermo ist ähnlich schlecht, wie jener der Karten im Castello Ursino in Catania. Auch bei den beiden Karten im Palazzo Abatellis können aufgrund der Beschädi-

Zur Interpretation der Ikonografie des Hirschreiters siehe Maggio, The Stag Rider, in: The Playing Card, Volume 42, No. 4, S. 247. Vgl hierzu z. B. Bottari, Tarocchi di Castello Ursino, in: Emporium, 113, Fig. 4, Hens, Weltenmodell in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 254, nach Bottari a. a. O.; oder Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 50. 5 Maggio, Der Hirschreiter, in: 2013 IPCS Convention-La tour de Peilz, 20.–22. September 2013, S. 33. 6 Lentz, Konflikt, Ehre, Ordnung, Nr. 82/S. 238, Nr. 91/S. 240 oder Nr. 141/S. 280. 7 Muir, History of Milan, S. 185. 8 Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 258, Anmerkung 7. Hiernach fand das Personal des Palazzo Abatellis einen unveröffentlichten Bericht von Ludwig Pollack aus den 1940er Jahren, worin diese Informationen festgehalten sind. 3

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gungen an den Rändern die verwendeten und bereits beschrifteten Papierlagen eingesehen werden. Es finden sich ebenfalls schriftliche Datierungen der Jahre 1427 und 1428. 9 Dies ist ein weiteres Indiz für die Zusammengehörigkeit beider Fragmente. Die beiden Karten des Palazzo Abatellis wurden für die jährlich stattfindende Zusammenkunft der International Playing Card Society, die IPCS Convention 2015 restauriert. 10 Von dem Alessandro Sforza-Spiel sind demnach an zwei Aufbewahrungsorten insgesamt 17 Karten erhalten. Einige dieser Karten sind in der Ausstellung des Castello Ursino in Catania „Il mondo in mano“ vom 21. September 2019 bis 6. Januar 2020 gezeigt worden. Im Katalog zur Ausstellung werden erstmals alle Karten dieses Spiels abgebildet, die im Castello Ursino aufbewahrt werden. 11

11.1.2 Wappen und Ähnlichkeiten Im Jahr 1994 gelang es Giuliana Algeri das Wappen auf dem Schild des Schwert-Königs zu identifizieren. Es zeigt, so führt sie aus, die Blüte einer Gewürznelke in der Mitte eines mit einem Edelstein besetzten Rings. Die Blätter der Blüte sind an den Seiten in den Ring geschlungen. Dieses Wappen führte aus dem Hause Sforza lediglich Alessandro Sforza. 12 Nach der Wappenverbesserung zu schließen, die Muzio Attendolo von Niccolo d’Este erhalten hatte, muss es sich um einen Ring mit einem Diamanten handeln. Auf der Karte und deren Abbildungen ist dieses Detail schwer zu erkennen. Seit dem Artikel von Giulia Algeri hat sich für dieses Spiel die Bezeichnung „Spiel des Alessandro Sforza“ allgemein durchgesetzt. Stefano Bottari schreibt die Bilder bereits im Jahr 1951 Bonifazio Bembo oder zumindest seiner Werkstatt zu. 13 Diese Zuordnung ist jedoch bisher nicht gesichert. Auffällige Übereinstimmungen dieses Spiels finden sich bei den Motiven der „Eremit“ und der „Welt“ mit dem Spiel „Tarot dit de Charles VI“. 14

Darüber hinaus ist auf dem Kelch-As und der Münz-zwei ein Vogel dargestellt, der einer Darstellung im Stundenbuch der Visconti auffällig gleicht. 15 Diese Darstellungsweisen unterstreichen deutlich das Zurückgreifen der Sforza auf die Tradition der Visconti.

11.1.3 Die problematische Interpretation der Darstellung von Personen Auf einer der 2015 in Palermo gefundenen Karten mit dem Motiv der „Herrscherin“ sei, so Emilia Maggio, die Gattin König Sigismunds Königin Barbara von Cilli zu erkennen. Sie stützt ihre These auf eine Darstellung in der Wiener Handschrift der Chronik des Konstanzer Konzils 1414–1418 von Ulrich Richental. 16 König Sigismund und Barbara von Cilli sind dort dargestellt, wie sie nach ihrer Ankunft in Konstanz in den Weihnachtsgottesdienst des Münsters einziehen. Barbara von Cilli ist gezeigt als Königin in jungen Jahren. Sie trägt eine Krone darunter braune Haare, die mit einem Haarnetz zusammengehalten werden. Diese Darstellung ähnelt dem Motiv der „Herrscherin“ aus Palermo, deren braunes lockiges Haar allerdings offen unter der Krone herabfällt. Im Spiel von Alessandro Sforza fehlt die Karte des „Herrschers“. Aufgrund ikonografischer Ähnlichkeiten im Alessandro-Sforza-Spiel und dem Visconti di Modrone schließt Emilia Maggio auf mögliche Ähnlichkeit des Motivs des „Herrschers“ in beiden Spielen. Im Abschnitt „König Sigismund als der „Herrscher““ wurden die Schwierigkeiten und Unsicherheiten reale Personen anhand schematischer Darstellungsdetails zu identifizieren bereits beschrieben. Bei der Darstellung der Barbara von Cilli in der Richental Chronik ist davon auszugehen, dass es sich ebenfalls um schematische Darstellungen handelt. Ähnlichkeiten in solchen schematischen Darstellungen (wie Haarfarbe, Gesichtszüge oder Kronen) können zur Zeit der Entstehung der Ta-

Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 259. Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 258. 11 Maggio/Bonaccorsi, Il mondo in mano. 12 Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 33. 13 Bottari, Tarocchi di Castello Ursino, in: Emporium, 1951, S. 112. 14 Vgl hierzu auch Depaulis, Jeu et magie, S. 40. 15 Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 151. 16 Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 264, Fig. 14. 9

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rocchi nur Anhaltspunkt für das Erkennen realer Personen in einem größeren historischen Kontext sein. Die Person auf der Karte der „Herrscherin“ aus Palermo als Barbara von Cilli zu sehen ist lediglich eine theoretische Möglichkeit, jedoch keineswegs eine gesicherte Erkenntnis. Bei Manuskripten jener Zeit, wie der Richental-Chronik, soll das historisch bedeutende Ereignis illustriert werden. Personen werden durch Wappen, Impresen, Werkzeug und andere Standesbezeichnungen, sowie Kleidung, Gesten oder die Darstellung des Gefolges kenntlich gemacht. Eine Person kann so mit verschiedenen Haartrachten, Männer beispielsweise einmal mit und ohne Bart dargestellt werden. Ähnlichkeiten der Physiognomie sind jedoch nicht zwingend zu erwarten. Portraits mit den realen Gesichtszügen der portraitierten Person entwickeln sich erst später. 17 Emilia Maggio vermutet weiter, auf der fehlenden Karte des „Herrschers“ im Alessandro Sforza Spiels wäre folgerichtig Kaiser Sigismund zu finden. Das Spiel sei deshalb zu datieren zwischen der schriftlichen Datierung der inneren Beschriftung der Papierlagen von 1428 und der Kaiserkrönung König Sigismunds im Jahr 1433 spätestens bis zu seinem Tod 1437. Sie stützt diese Datierung auch auf die Darstellungen der Motive „Herrscher“ und „Papst“ des Spiels „Tarot dit de Charles VI“, die angebliche Ähnlichkeit mit zeitgenössischen Portraits der beiden zeigen würden. Emilia Maggio formuliert ihre These weiter aus, indem sie sagt Alessandro Sforza selbst sei auf dem Schwert-König (anhand des Wappens) gezeigt und auf den drei fehlenden Königen dieses Spiels könnten andere Adelige jener Zeit abgebildet sein. Sie hofft auf weitere Kartenfunde, die ihre These weiter stützen könnten. 18 Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit widersprechen allerdings der These von Emilia Maggio in mehrfacher Hinsicht. Das Jahr 1428 als „terminus post quem“ sagt nichts über die Lagerzeit des Papiers aus, bis es wiederverwendet wurde. Bei notariellen Schriftstücken ist eher von einer mehrere Jahre oder gar Jahrzehnten andauernden Aufbewahrung auszugehen, bis das Papier wiederverwendet wurde. Eine Datierung des Spiels zwischen der Kaiserkröung 1433 und dem Tod 1437 Sigismunds erscheint hierfür zu früh. Weiter stützt Emi17 18 19

lia Maggio ihre Datierung auf Personendarstellungen der Tarocchi, die Ähnlichkeit mit beschriebenen Personen in anderen Quellen zeigen würden. Die Möglichkeit von schematischen Darstellungen der Personen zieht sie nicht in Betracht. Sie ist vielmehr der Ansicht die Personendarstellungen der Tarocchi seien gesichert. Auch ihre Vermutung, wonach in einem Kartenspiel Könige verschiedener Adelsfamilien dargestellt sind, ist anzuzweifeln. Vielmehr zeigt sich anhand der Ergebnisse dieser Arbeit, dass sich in den verschiedenen Spielfragmenten jeweils eine Familie präsentiert, gegebenenfalls die männliche und die weibliche Seite des machthabenden Paares. Deshalb ist anzunehmen, dass auch die fehlenden Könige des Spiels von Alessandro Sforza weitere Facetten der Familie oder Ahnenreihe von ihm zeigen.

11.1.4 Alessandro Sforza und das Spiel in Catania Alessandro Sforza als Persönlichkeit zu erfassen, gestaltet sich schwierig, denn zu sehr steht er in der Dokumentation im Schatten seines älteren Bruders Francesco. Stets war er an dessen Seite zu finden und half Francesco über viele Jahre loyal dessen Ambitionen durchzusetzen. Abseits der militärischen Unterstützung von Alessandro für seinen Bruder, soll an dieser Stelle versucht werden, sein Leben zu skizzieren. Alessandro Sforza wurde 1409 in Cotignola geboren als Sohn von Muzio Attendolo Sforza, sein Bruder Francesco war acht Jahre älter. Zusammen mit Francesco wuchs er am Hof von Niccolo d’Este auf und bekam dort eine höfische Bildung. In den Jahren 1420 bis 1422 war er im Gefolge von Papst Martin V und kehrte im Jahr 1433 zu seinem Bruder zurück. 19 Er war seinem Bruder behilflich die Mark Ankona zu erobern. Dies war für Francesco Sforza ein wichtiges Gebiet, das er nach der Eroberung regiert. Von diesem Zeitpunkt ab war Alessandro über viele Jahre für seinen Bruder an vielen Kriegsschauplätzen militärisch tätig und war somit ständig auf Kriegszügen unterwegs. Am 8. Dezember 1444 heiratete er Constanza da Varano. Nur kurze Zeit davor hatte Francesco

Portrait, Portrait 2015, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 3, Spalte 448. Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 267. Hier und im Folgenden Sfòrza Alessandro, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/sforza-alessandro-signore-di-pesaro (acc. 7.11. 2019).

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Sforza ihrem Großvater mütterlicherseits Galeazzo Malatesta die Stadt Pesaro abgekauft und sie an Alessandro, sozusagen als Hochzeitsgeschenk, weitergegeben. Das frisch vermählte Paar bezog den Palazzo Ducale in Pesaro und Alessandro regierte dort als Stadtherr bis zu seinem Tod. Auch Bianca Maria Visconti mit ihren Kindern Galeazzo Maria und Ippolita wohnten zeitweise am Hof in Pesaro. Im Jahr 1446 wurde das erste Kind von Alessandro Sforza und Constanza da Varano geboren, ihre Tochter Battista. Bereits im Juli 1447 kam ihr zweites gemeinsames Kind, der Sohn Constanzo zur Welt. Die junge Mutter überlebte diese Geburt nur wenige Tage und starb mit einundzwanzig Jahren. Schon wenige Monate nach ihrem Tod heiratete Alessandro Sforza im Januar 1448 Sveva da Montefeltro. Während er an der Seite von Francesco gegen die Ambrosianische Republik kämpfte, blieb sie in Pesaro zurück und vertrat Alessandro bei den Regierungsgeschäften. Die Ehe blieb kinderlos. Es kam zu Spannungen und schließlich zum Zerwürfnis zwischen den Ehepartnern, wohl auch wegen einer Geliebten von Alessandro. Sveva zog sich im Jahr 1457 ins Kloster der Klarissen in Pesaro zurück, wo sie 1478 als Äbtissin starb. Im Herbst 1457 irritierte Alessandro Sforza seinen Bruder, als er zu einer längeren Reise nach Frankreich aufbrach und Gast bei König Karl VII war, denn Frankreich war eine ständige latente Bedrohung für das Herzogtum Mailand. Seine Rückreise führte ihn im Frühjahr 1458 über Deutschland und Venedig nach Mailand, um sich mit seinem Bruder auszusöhnen. Dann kehrte Alessandro Sforza wieder nach Pesaro zurück. Der Tod von Francesco Sforza veränderte das politische Gleichgewicht in Italien und Alessandro musste sich neu orientieren. Er ging in die Dienste von Venedig und verbündete sich mit Bartolomeo Colleoni. Nach kurzer Zeit jedoch zog es ihn wieder nach Pesaro zurück. Nach dem unerwarteten Tod seiner Tochter Battista bei der Geburt eines Sohnes, verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Alessandro Sforza. Entgegen dem Rat seiner Ärzte trat er eine Reise nach Venedig an. Auf dieser Reise starb Alessandro Sforza am 6. Juli 1473 in Torre della Tossa, nahe Ferrara. Die Brüder Alessandro und Francesco Sforza waren zeitlebens unzertrennlich, außer der Irritation über die Reise Alessandros nach Frankreich gab

Abbildung 44: Gevierteltes Wappenschild, Brunnen der Villa Imperiale, Pesaro mit kaiserlichem Adler und steigenden Löwen der Sforza. Courtesy Villa Imperiale Pesaro. Foto: Alessandra Castelbarco Albani

es nie Verstimmungen zwischen den beiden. Francesco Sforza konnte sich auf die Loyalität und Hilfe von Alessandro blind verlassen. Alessandro Sforza handelte stets im Sinne seines Bruders und stellte seine eigenen Interessen zurück. Als Dank für die Loyalität schenkte Francesco Sforza seinem Bruder bereits die Herrschaft von Pesaro. Es ist wohl eine stille Selbstverständlichkeit, dass Francesco Sforza Alessandro auch ein Spiel von Tarocchi als Dank überließ. Ebenfalls ist es möglich, dass aufgrund der Beziehungen zwischen den Brüdern das Alessandro-Sforza-Spiel das erste Spiel von Tarocchi außerhalb der Familie des Herzogs war, für dessen Anfertigung Francesco Sforza sein Einverständnis gegeben hat. Für dieses Spiel lässt sich anhand der historischen Ereignisse ein Zeitraum abstecken, in dem es mit hoher Wahrscheinlichkeit entstanden ist. Zunächst sind zwei bestehende Jahresangaben zu be143

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Abbildung 45: Gevierteltes Wappenschild, Brunnen der Villa Imperiale, Pesaro mit Diamantring und Blüte und Sforza-Wellen. Courtesy Villa Imperiale Pesaro. Foto: Alessandra Castelbarco Albani

rücksichtigen, die beschrifteten Zwischenlagen der Karten von 1428 und Francesco Sforzas Eroberung von Mailand im Frühjahr 1450. Eine weitere für Alessandro Sforza höchst wichtige Begebenheit rückt bei dieser Betrachtung in den Blickpunkt: Im Jahr 1468 reiste Kaiser Friedrich III durch Italien nach Rom. Auf seiner Hinreise kam er mit einer großen Kavalkade am 16. Dezember in Pesaro an und war Gast von Alessandro Sforza im Palazzo Ducale. Dieser hatte eigens für den Kaiser ein Zimmer herrichten lassen, das später das „Kaiserzimmer“ genannt werden wird. Während dieser Reise verlieh der Kaiser Ehrungen und Titel als Dank an 20 21 22

seine Gastgeber. Auf diese Weise gestattete Kaiser Friedrich III auch Alessandro Sforza das Recht, den kaiserlichen schwarzen Adler in sein Wappen aufzunehmen. Bereits zwei Tage später am 18. Dezember reiste der Kaiser weiter nach Rom. Alessandro Sforza ließ daraufhin eilends ein Wappen mit dem kaiserlichen Adler anfertigen und kaufte innerhalb weniger Tage ein Anwesen etwas außerhalb der Stadt von Pesaro. Als der Kaiser auf seiner Rückreise am 23. Januar 1469 wieder bei Alessandro Sforza zu Gast war, legte der Kaiser auf dem eiligst gekauften Anwesen den Grundstein zur „Villa Imperiale“, der neuen Residenz von Alessandro Sforza. Noch heute ist das Gebäude unter diesem Namen in Pesaro bekannt und das Wappen mit dem kaiserlichen Adler kombiniert mit den SforzaInsignien hängt über dem Hauptportal und am Brunnen des Anwesens. 20 In der Villa Imperiale findet sich auch der Diamantring mit Blüte und die Sforza-Wellen sowohl auf einem Wappenschild als auch in dem Deckengemälde eines Zimmers im Erdgeschoss wieder. Über dem Portal des Palazzo Ducale in Pesaro, dem langjährigen Wohnsitz von Alessandro Sforza ist das Zeichen des Diamantrings in einer Vielzahl zu einer Kette zusammengefügt mit der Blüte im obersten Ring, die den Bogen des Hauptportals überspannt. 21 Die Zuordnung des Wappens auf dem Schild des Schwert-Königs zu Alessandro Sforza bestätigt sich demnach an seinen Gebäuden in Pesaro. Alessandro Sforza musste sehr stolz gewesen sein auf das Recht den kaiserlichen Adler in seinem Wappen zu tragen. War es doch die erste Ehrung eines Sforza durch einen Herrscher, seit sein Vater Muzio Attendolo Sforza im Jahr 1401 von König Rupprecht den Löwen als Wappentier verliehen bekam. Nicht einmal seinem großen Bruder und Herzog von Mailand wurde die Ehre zuteil den kaiserlichen Adler in sein Wappen aufnehmen zu dürfen. Denn Kaiser Friedrich III verweigerte Zeit seines Lebens Francesco Sforza die kaiserliche Anerkennung als Herzog. 22 Darüber hinaus wurde mit dieser Wappenverbesserung das Wappen von Alessandro Sforza nun gleichwertig mit den Wappen der Familien seiner besten Freunde, darunter die Montefeltro und die d’Este. Die schnelle Anfertigung

Eiche, Villa Imperiale of Alessandro Sforza, S. 240–246. Eiche, Villa Imperiale of Alessandro Sforza, Abbildungen 24, 28 und 34. Schmid, Sforza Francesco, in: Verlag Traugott Bautz GmbH (Hg.): Biographisches-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band IX, Spalten 1576–1578.

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Abbildung 46: Deckengemälde Erdgeschoss Villa imperiale, Pesaro. Courtesy Villa Imperiale Pesaro. Foto: Alessandra Castelbarco Albani

Abbildung 47: Hauptportal Palazzo Ducale, Pesaro. Kette aus Diamantringen. Palazzo Ducale, Pesaro. Foto: Alessandra Laurenzi

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des neuen Wappens, die umgehende Abwicklung des Kaufes seines Anwesens, die Grundsteinlegung durch den Kaiser und der Name des Anwesens zeugen von diesem Stolz. Aufgrund dieser Gegebenheit lässt sich für das Alessandro-Sforza-Spiel ein Entstehungszeitraum zwischen 1450 und 1469 erschließen. Die anderen erhaltenen Spielfragmente der Tarocchi präsentieren Wappen und persönliche Insignien ihrer Besitzer reichlich und auffällig in die Motive eingearbeitet. Schließlich zeigen diese Erkennungszeichen den Status und die gesellschaftliche Bedeutung des Besitzers oder dessen Familie. Hätte Alessandro Sforza bereits bei der Anfertigung des Spiels über das Recht den kaiserlichen Adler im Wappen zu führen verfügt, so er hätte diese Art der öffentlich wirk-

samen Selbstdarstellung mit Sicherheit genutzt. Ein wahrscheinliches Motiv für die Darstellung des kaiserlichen Adlers ist die verlorene Karte des „Herrschers“ dieses Spiels. Aber auch das Motiv der erhaltenen „Herrscherin“ und das Wappenschild des prestigeträchtigen Schwert-Königs sind zu erwartende Positionen für eine solche Darstellung. Jedoch ist der kaiserliche Adler auf keinem der erhaltenen Motive zu finden. Dies legt den Schluss nahe, Alessandro Sforza durfte bei Anfertigung des Spiels den kaiserlichen Adler noch nicht führen. Die beschrifteten Zwischenlagen der Karten haben folglich eine Lagerzeit zwischen dreiundzwanzig und zweiundvierzig Jahren, was für notarielle Aufzeichnungen ein angemessener Zeitraum sein dürfte.

11.2 Bartolomeo Colleoni 11.2.1 Das Spielfragment, Wappen und Motto Das Spielfragment, welches Bartolomeo Colleoni zugeordnet wird, umfasst vier Karten. Es wird heute im Victoria & Albert Museum in London aufbewahrt. Auf der Internetseite des Museums können die Abbildungen der Tarocchi digital eingesehen werden. 23 Das Museum selbst schreibt die Ausführung dem Maler Antonio Cicognara zu. 24 Künstlerisch sind die Karten von feiner Ausführung, der Erhaltungszustand ist als sehr gut zu bezeichnen. Diesem Kartensatz fehlt das Nagelloch am oberen Rand, welches viele andere Tarocchi aufweisen. Stilistisch ist das Fragment als jüngeres der erhaltenen Spielfragmente zu erkennen. Zwei der Motive sind recht eigentümlich und weichen erheblich von dem sonst üblichen Schema der Tarocchi ab. Erhalten ist der Münz-Bube, der dem entsprechenden Motiv des Visconti-Sforza-Spiels weitgehend nachempfunden ist. Dies veranlasste die Forschung schon früh und bis heute dazu, von einer Kopie des Visconti-Sforza zu sprechen, was jedoch nicht belegt ist. Das linke Bein des Jünglings ist in einen weiß-blauen Strumpf, sein rechtes Bein

in einen roten Strumpf gekleidet. Das Gewandmuster des Umhangs lässt ebenso wie die hochgehaltene Münze, eine stilisierte Strahlensonne der Visconti erkennen. Ein großer Hut bedeckt sein Haupt und erinnert an die großen Kopfbedeckungen, wie sie bereits im Visconti di Modrone dargestellt sind. Allerdings bestätigt die Kombination der ViscontiZeichen mit den Sforza-Farben blau-weiß am linken Bein einen späteren Entstehungszeitraum dieser Tarocchi innerhalb der erhaltenen Spielfragmente auch bildlich. Giuliana Algeri gibt einen Entstehungszeitraum zwischen 1460 und 1470 an. 25 Weiter ist die Karte der „Stern“ erhalten. Auf diesem Motiv steht ein adelig gekleideter und gekrönter Herr vor einer Landschaft im Hintergrund. In seiner Rechten hält er einen Stern hoch, auf seinem linken Unterarm sitzt sein Falke. Das dritte Motiv zeigt ein Skelett, das auf einem schwarz-weiß gekachelten Boden leichtfüßig tänzelt. Seine rechte Knochenhand hält eine Art Pilgerstab über die Schulter. Die Figur ist mit einem roten Umhang bekleidet und trägt einen roten Prälatenhut mit flachem Kopf und großer Krempe. An den Seiten des Hutes hängen je 15 Quasten. Dieser Hut und die 15 Quasten

Bartolomeo Colleoni Tarocchi, In: http://collections.vam.ac.uk/ (acc. 14.11. 2019). Vgl. Ace of Cups, Bartolomeo Colleoni Tarocchi, In: http://collections.vam.ac.uk/item/O761806/ace-of-cups-tarot-card-cicognara-antonio/ (acc. 14.11. 2019). 25 Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 42. Zu dieser Einschätzung passt die späte Datierung von 1490 in der Beschreibung des Visctoria and Albert Museums (siehe Anmerkung 325). Allerdings muss dieses Spiel früher angefertigt worden sein, denn Barolomeo Colleoni starb 1475. 23

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zeichnen den Träger als Kardinal aus. Doch offensichtlich ist der Hutträger tot, was die Figur rätselhaft macht. Aus der Mundhöhle der Knochenfigur weht ein Spruchband in Richtung der oberen linken Bildecke. Es könnte sich hierbei um ein Sudarium (Schweißtuch) handeln, wie es in Wappen kirchlicher Würdenträger gelegentlich dargestellt ist. 26 Die Aufschrift besteht aus zwei Worten und ist selbst in der digitalen Vergrößerung nur undeutlich zu erkennen. Michael Dummett gibt sie mit „son fine“ an. 27 Schließlich ist das Kelch-As erhalten, es ist das Schlüsselmotiv dieses Spielfragments. Die Gestaltung der Karte, insbesondere der Kelch selbst ähnelt den Visconti- und Sforza-Spielen. Auf einem zweistufigen sechseckigen Fuß erhebt sich eine Säule, auf der die Kelchschale ruht. Eine Wasserfontäne entspringt in der Schalenmitte und steigt steil nach oben. Hier teilt sich die Fontäne und ergießt sich rechts und links in die Schale zurück. In der Mitte der aufsteigenden Fontäne wird ein Pfeil emporgetragen. Zwei Putti stehen am Kelchsockel, der Putto rechts hält ein Wappenschild. Dieses geteilte Wappenschild zeigt am Schildhaupt auf rotem Grund zwei deutlich erkennbare Hoden in weiß und am Schildfuß ist auf weißen Grund ein roter Hoden dargestellt. Der zweite Putto zeigt auf den Kelchschaft, darauf geschrieben steht: „nec spe nec metu“.

Dieses Motiv irritierte die Forschung lange Zeit, schienen doch die Informationen auf der Karte widersprüchlich zu sein. Bereits Michael Dummet legte dar, das Motto führe zu Isabella d’Este (1478– 1539), Gattin des Francesco Gonzaga und Herzogin von Mantua. Sie nutzte dieses Motto. In dem Wappen allerdings erkannte er dasjenige der Familie Colleoni. Er mutmaßte deshalb, es bestünde die Möglichkeit, das Spiel könnte für Bartolomeo Colleoni (1400–1475) angefertigt worden sein. Da er keine Verbindung zwischen Isabella d’Este oder und Bartolomeo Colleoni herstellen konnte, blieb er bei der Vermutung das Spiel eher Isabella d’Este

Abbildung 48: Kelch-As, Bartolomeo Colleoni Tarocchi. Victoria and Albert Museum, London

Leonhard, Buch der Wappenkunst, S. 328. Dummett, The game of Tarot, 72 (12), Anmerkung 25. Kaplan, Encyclopedia I, S. 104, gibt die Aufschrift als „sine fine“-ohne Ende, an. Stuart Kaplans Deutung ist höchst zweifelhaft, da die Inschrift sicher nur aus sieben Buchstaben besteht, wobei das erste Wort wahrscheinlich drei Buchstaben umfasst. Die Abbildung ist an dieser Stelle verwischt. Eine sichere Interpretation ist, wie einige andere Inschriften der Tarocchi, äußerst schwierig, da weitere Buchstaben zum Vergleich des Schriftbildes im Spielfragment fehlen. Deshalb bleibt auch unklar, ob die Inschrift in lateinisch oder italienisch gehalten ist.

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zuzuschreiben. 28 Erst einige Jahre später gelang es Giuliana Algeri nachzuweisen, dass Bartolomeo Colleoni schon vor Isabella d’Este dieses Motto führte. 29 Mit dieser Erkenntnis konnte das Spielfragment zweifelsfrei Bartolomeo Colleoni zugeordnet werden. Bartolomeo war erfolgreicher Condottiere mit legendärem Ruf. Sein Stammsitz war die Burg Malpaga in Bergamo. Schon zu Lebzeiten wurde seine strategische und teils einfallsreiche Kriegskunst gerühmt, die von zahlreichen Erfolgen gekrönt war. Er galt Zeitgenossen als kühn und mutig. Seine Erscheinung wird mit ausgeprägter Männlichkeit dargestellt. In der Literatur findet sich ein weiterer Beleg für das Wappen Colleoni’s, das er selbst im Jahr 1454 wie folgt beschreibt: „armam et insignias nostras et parentele nostre, videlicet duos colionos albos in campo rubeo de supra et unum colionum rebeum in campo albo infra ipsum campum rubeum“. 30

Bartolomeo Colleoni beschrieb also selbst sein Wappen und Kennzeichen, wie auch das seiner Familie, seien zwei weiße Hoden auf einem roten Feld oben und einem roten Hoden auf einem weißen Feld unter dem roten Feld. Dieses Wappen der Familie Colleoni ist ein sprechendes Wappen, denn die Aussprache des Familiennamens klingt sehr ähnlich wie „coglione“, dem italienischen Wort mit dem in der Renaissance die Hoden bezeichnet wurden. 31 Bartolomeo Colleoni’s legendärer Ruf seiner Männlichkeit und seines Mutes begründete sich weiter in einer zeitgenössischen Sage, er hätte tatsächlich drei Hoden besessen. Leonardo da Vinci erklärte in seiner Anatomia „wie die Hoden Ursache des Mutes“ eines Mannes seien. 32 Fälschlicherweise hielt die aufkommende anatomische

Wissenschaft einen Nebenhoden für einen weiteren, dritten Hoden. Sie attestierte diese Anomalie auch weiteren Männern jener Zeit, darunter einigen Verwandten von Bartolomeo Colleoni. 33 Einige Jahre später, als nach der Renaissance der Zeitgeist schamhafter geworden war, wurden die drei Hoden des Colleoni-Wappens in drei umgekehrte Herzen abgewandelt. 34 Das Wappen mit den drei Hoden verweist in mehrfacher Hinsicht auf Bartolomeo Colleoni. Schon Generationen vor ihm bestand das sprechende Wappen mit Anspielung auf die Aussprache des Familiennamens. Darüber hinaus weist es auf ihn persönlich, auf seine vermeintliche Triorchidie und damit auf seine ausgeprägte Männlichkeit. Und auch das Münz-As gibt das Motto wieder, das er benutzte. All dies zusammen dürfte hinreichend bestätigen, dass dieses Spielfragment für Bartolomeo Colleoni angefertigt worden ist. Offen bleibt zunächst jedoch die Frage nach dem Anlass der Anfertigung.

11.2.2 Die Waffengefährten Bartolomeo Colleoni und Francesco Sforza Als Condottiere stand Bartolomeo Colleoni unter wechselnden Dienstherren, lange Zeit aber tat er Dienst für die Republik Venedig. Venedig entlohnte seine Erfolge teils mit Lehen. Diese Lehen und seine eigenen Gebietseroberungen oder Lösegelder für namhafte Geiseln bildeten die Grundlage seines Wohlstandes. 35 Einige Jahre standen Bartolomeo Colleoni und Francesco Sforza gemeinsam im Dienst Venedigs. Jedoch blieb Venedig Bartolomeo Colleoni einen Teil des Soldes schuldig, was Filippo Maria Visconti die Gelegenheit gab, ihn von Venedig abzuwerben und bei Filippo Maria Visconti in

Dummett, The game of Tarot, S. 72 (12), Anmerkung 25. Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 42. 30 Belloni, Über das Wappen, in: Centaurus, 1, S. 44; Belotti, Vita di Colleoni. Beschrieben in einem Aktenstück vom 1. Juni 1454, niedergelegt von Notar Antonio Caffi, Bergamo. 31 Belloni, Über das Wappen, in: Centaurus, 1, S. 47. Zur Vollständigkeit sei hier eine weitere Konnotation des Namens Colleoni mit „Co’leone“ angeführt, darauf anspielend erscheint als Insignum von Bartolomeo auch gelegentlich zwei Löwenköpfe, teilweise auch in Kombination mit der Darstellung von Hoden. 32 Belloni, Über das Wappen, in: Centaurus, 1, 1950, S. 51. 33 Belloni, Über das Wappen, in: Centaurus, 1, 1950, S. 53. 34 Belloni, Über das Wappen, in: Centaurus, 1, 1950, S. 51. 35 Semerau, Die Condottieri, S. 204–210. Ebenso Mallet Michael E., Colleoni Bartolomeo, in: Instituto della Enciclopedia Italiana (Hg.): Dizionario Biografico degli Italiani Manselli, Colleoni Bartolomeo, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 3, cols. 43– 44. 28

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Dienst zu treten. Auch Francesco Sforza diente zu dieser Zeit bereits unter Filippo Maria Visconti. Als Filippo Maria Visconti selbst gegen Venedig zog, ließ er aus Angst vor Illoyalität Bartolomeo Colleoni gefangen nehmen. Noch während Bartolomeo Colleoni in Haft war, starb Filippo Maria Visconti. In den Wirren nach seinem Tod konnte Colleoni entkommen. In Mailand wurde die Ambrosianische Republik ausgerufen. Francesco Sforza ließ sich von ihr als Condottiere anwerben und auf sein Anraten nahm die Ambrosianische Republik Mailand auch Bartolomeo in ihre Dienste. Beide kämpften zunächst Seite an Seite für die Ambrosianische Republik, sie unterwarfen ihr einige Städte und sicherten ihr Territorium. Auch der Herzog von Orleans, Sohn der Valentina Visconti und ihrerseits Halbschwester von Filippo Maria Visconti, wollte seine Erbansprüche durchsetzen und attackierte die Republik. Gemeinsam schlugen die beiden Condottieri diese französische Invasion zurück. Doch es kam zu Spannungen zwischen der Ambrosianischen Republik und ihren Condottieri. Bartolomeo Colleoni trat daraufhin wieder in die Dienste Venedigs. Im Jahr 1448 unterzeichnete Francesco Sforza ebenfalls einen Vertrag mit Venedig, der die Machtaufteilung zwischen Sforza und Venedig zugunsten von Francesco Sforza regelte. Francesco Sforza kämpfte nun im eigenen Interesse gegen die Ambrosianische Republik, um das Erbe seiner Frau Bianca Maria zu sichern und Mailand selbst einzunehmen. Francesco Sforza und Bartolomeo Colleoni standen sich nun als Condottieri gegenüber, als die entscheidende Phase im Kampf um Mailand begann. Es war das Ziel von Francesco Sforza Mailand ohne Kampf einzunehmen, deshalb schnitt er der Stadt die Zufuhr von Lebensmitteln ab. In der Stadt selbst spitzte sich die Lage im Laufe der Zeit zu. Dem Rat der Herzoginwitwe Maria von Savoyen folgend, wurde ihr Vater Amadeus um Hilfe gebeten. Dieser schickte Truppen Richtung Mailand, doch Bartolomeo Colleoni mit der venezianischen Armee drängte diese Truppen vor Mailand zurück und zersprengte sie. Venedig fürchtete nun jedoch eine Erstarkung Mailands, sollte es Francesco Sforza gelingen, dort die Macht zu übernehmen. Venedig zog deshalb die gegenüber Francesco Sforza gemachten

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Zusagen zurück. Fortan hatte Francesco Sforza mit der Republik von Venedig einen weiteren mächtigen Gegner. Als Francesco Sforza einen Vorort von Mailand stürmte, verweigerte Bartolomeo Colleoni den Befehl zum Gegenangriff Venedigs mit der Begründung, dass Vorverhandlungen zum Frieden zwischen Venedig und Mailand bereits zu Einigkeit geführt hätten. 36 Der venezianische Angriff war damit im Keim erstickt und Francesco Sforza profitierte von Bartolomeo Colleonis Hilfe. Im Jahr 1450 wurde die Lage in Mailand so prekär, dass die Stadt Francesco Sforza ihre Tore öffnete, ihn mit Jubel als neuen Machthaber begrüßte und anerkannte. Bartolomeo Colleoni ging zurück in die Dienste von Francesco Sforza, dem neuen Herzog von Mailand. Nach einigen Jahren, noch im Sold bei Sforza führte Colleoni heimlich Verhandlungen mit Venedig. Schließlich verließ er Francesco Sforza und kehrte als Generalkommandant der Armee nach Venedig zurück. Erst der Frieden von Lodi im Jahr 1454 brachte für die nächsten Jahre Frieden zwischen Mailand und Venedig. Bartolomeo Colleoni blieb fortan in den Diensten Venedigs. Sein dortiger Verbleib soll wesentlich zum politischen Gleichgewicht zwischen Mailand und Venedig in diesen Jahren beigetragen haben. 37 Das Verhältnis zwischen Venedig und Bartolomeo Colleoni war über lange Zeit durchaus von Spannungen geprägt. Im Laufe der Kriegswirren hatte Venedig seine Frau und seine Kinder als Geiseln behalten. Die Republik achtete jedoch darauf, dass die Besitzungen Colleoni’s auf dem Gebiet Venedigs unversehrt blieben. Francesco Sforza hielt sein Versprechen nicht, die Geiseln zu befreien. Das mag ein Grund für Colleonis Entschluss gewesen sein, endgültig nach Venedig zurückzukehren. Bartolomeo Colleoni starb ohne männliche Nachkommen und vermachte Venedig einen Teil seines Vermögens. Als Bedingung für das Erbe wollte er ein Reiterstandbild von sich in Venedig aufgestellt haben. Venedig kam diesem Wunsch nach, wenn auch die Stadt mit dem von Bartolomeo Colleoni gewünschten Standort des Denkmals nicht einverstanden war. Gleichwohl wurde das Reiterstandbild an anderer Stelle auf dem Platz der „Basilica dei Santi Giovanni e Paolo“ aufgestellt und sicherte so

Schelle, Die Sforza, S. 106–108. Mallet Michael E., Colleoni Bartolomeo, in: Instituto della Enciclopedia Italiana (Hg.): Dizionario Biografico degli Italiani.

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Venedig das Erbe. 38 An diesem Platz steht das Reiterstandbild noch heute. Dargestellt ist ein kräftig gebauter Reiter in Rüstung auf einem drahtigen Pferd. Er blickt grimmig vorwärts, als würde er auf feindliche Linien zureiten. Bis in die Gegenwart lässt sich in diesem Denkmal eindrücklich die Männlichkeit und Entschlossenheit nachvollziehen, die Bartolomeo Colleoni zu Lebzeiten zugeschrieben wurde. An diesem Reiterstandbild ist auch eine Wappenverbesserung von Bartolomeo dargestellt: Am Schildhaupt des Wappens ist ein Balken mit den französischen Lilien über dem roten Balken mit den zwei weißen und dem weißen Balken mit dem roten Hoden. Die Erlaubnis französischen Lilien in seinem Wappen zu tragen, erteilte ihm der französische König René von Anjou in seinen letzten Lebensjahren, als er sich bereits zum Ruhestand nach Malpaga zurückgezogen hatte. 39 Wie bereits eingangs erwähnt, finden sich im Spielfragment des Bartolomeo Colleoni auf dem Münz-Buben sowohl Insignien der Visconti-Tradition als auch Sforza-Farben. Hinzu kommen Wappen und Motto des Bartolomeo Colleoni auf dem Kelch-As. Diese Kombination lässt den Schluss zu, dass Francesco Sforza als Herzog von Mailand und Entscheidungsträger bei der Anfertigung dieses Spielfragments in irgendeiner Weise beteiligt war. Wahrscheinlich erteilt er Bartolomeo Colleoni die Erlaubnis, ein solches Spiel anfertigen zu lassen. Die Abweichung der Colleoni-Tarocchi vom üblichen Schema der Motive – beispielsweise das Skelett als das Motiv des „Todes“ – spricht für eigene Interpretationen von Bartolomeo Colleoni bei der Gestaltung der einzelnen Motive. Bartolomeo Col-

leoni half während der Zeit der Ambrosianischen Republik mehrfach zu Gunsten von Francesco Sforza, was Anlass für den Dank und eine solche Ehrung sein könnten. So war er bei der Abwehr der französischen Invasion beteiligt. Dieser militärische Erfolg bewahrte die Ambrosische Republik in der frühen Phase vor der französischen Besetzung und sicherte damit indirekt Mailand auch für Francesco Sforza. Hätten sich jedoch die Franzosen Mailands bemächtigen können, wären auch die Ambitionen von Francesco Sforza in Mailand zu herrschen zunichte gemacht worden. Weiter vertrieb Colleoni die Truppen von Savoyen, als sie Mailand gegen Francesco Sforza zu Hilfe eilen wollten. Gewichtig dürfte auch die Weigerung von Bartolomeo Colleoni gewesen sein, den venezianischen Befehl zum Angriff gegen die Truppen von Francesco Sforza auszuführen. Francesco Sforza war Colleoni ohne Zweifel zu Dank verpflichtet. Ein Spiel von Tarocchi für Bartolomeo Colleoni könnte diesen Dank zum Ausdruck gebracht haben. Der Zeitraum einer solchen Schenkung ist recht genau einzugrenzen: Francesco Sforza übernahm im Frühjahr 1450 die Macht in Mailand 40 und im Februar 1454 kündigte Bartolomeo Colleoni in einem Schreiben seinen Dienst bei Francesco Sforza 41. Für das Spiel der Tarocchi als Schenkung oder die Erlaubnis für eine Anfertigung durch Francesco Sforza kommt folglich der Zeitraum von 1450 bis 1454 in Frage, die Wappenverbesserung des Coleoni-Wappens mit den französischen Lilien erweist sich als „terminus ante quem“. Die historischen Ereignisse zeigen demnach einen sehr viel genaueren, aber nur unwesentlich früheren Datierungszeitraum als kunsthistorische Einschätzungen des Spielfragments bisher.

11.3 D’Este 11.3.1 Das Spielfragment Von diesem Spiel sind sechzehn Karten erhalten. Nachdem sie einige Privatsammlungen durchlaufen haben, werden sie inzwischen in der Beinecke Rare

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Book and Manuscript Library der Yale University, New Haven, USA aufbewahrt. Die Bibliothek selbst datiert dieses Fragment in ihrer Beschreibung um das Jahr 1450. 42 Abbildungen sind auf der Internetseite digital abrufbar. Auf den ersten Blick wirken

Mallet Michael E., Colleoni Bartolomeo, in: Instituto della Enciclopedia Italiana (Hg.): Dizionario Biografico degli Italiani. Trease, The Condottieri, S. 295. Menniti Ippolito, Francesco I Sforza, in: Instituto della Enciclopedia Italiana (Hg.): Dizionario Biografico degli Italiani. Mallet Michael E., Colleoni Bartolomeo, in: Instituto della Enciclopedia Italiana (Hg.): Dizionario Biografico degli Italiani. Este Tarot, In: https://brbl-dl.library.yale.edu/vufind/Record/3432692 (acc. 10.1. 2021).

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die Farben dieser Karten recht dunkel; rot, rotbraun, blau und grün dominieren den Eindruck. Es hat den Anschein, als hätten die Karten im Laufe der Zeit sehr gelitten. Sehr wahrscheinlich waren die Farben, als die Karten noch in Gebrauch waren, sehr viel kräftiger und hatten eine glänzende Goldauflage. Auch Wilhelm Schreiber beschreibt ein solches Erscheinungsbild der Karten. 43 Diese matten Farben scheinen durch Abrieb oder Lichteinfall entstanden zu sein. Die Kanten der Karten sind teilweise abgestoßen. Am oberen Rand und mitunter auch am unteren Bildrand haben die Karten ein Nagelloch. Bei einigen Karten ist dieses Nagelloch bis zur Kante völlig ausgerissen. Im Gesamten gesehen wirkt der Erhaltungszustand mäßig. Die Karten sind im Hinblick auf die erhaltenen Spielfragmente mittelgroß. Diese Arbeit stützt sich im folgenden Abschnitt auf drei Versionen von Abbildungen der erhaltenen Karten. Zunächst die Abbildungen der Internetseite der Beinecke Rare Book and Manuscript Library. Weiter auf Reproduktionen „Tarots italien du XVo siecle“ von Henry-René d’Allemagne in „Les Cartes a jouer du XVo au XXo siecle“ und schließlich auf unveröffentlichte Digitalisate in hochauflösender Qualität der Beinecke Rare Book and Manuscript Library.

11.3.2 Wappen Zu Beginn dieses Abschnittes ist anzumerken: Das Spielfragment der d’Este zeigt keine Impresen. Auf sechs Motiven sind Wappenschilde dargestellt, allerdings sind aufgrund der verdunkelten Farben nur noch wenige Details der Gestaltung dieser Wappenschilde erkennbar.

Stuart Kaplan bildet zwölf Reproduktionen der „Tarots italien du XVe siècle“ 44 ab, die er von Henry-René d’Allemagne, Les cartes a jouer du XIVo au XXo siecle von 1906 entnommen hat. 45 Erstaunlicherweise sind auf diesen monochromen Reproduktionen mehr Einzelheiten abzulesen, als auf den Abbildungen der Internetseite der Beinecke Rare Book and Manuscript Library. Henry-René d’Allemagne und Stuart Kaplan sprechen von dem Wappen der Familie d’Este und nachfolgende Autoren stimmen dem zu. Die Interpretation des Wappens von Henry-René d’Allemagne legt zu Beginn des 20. Jahrhundert den Grundstein für die Zuordnung dieses Spiels zum Hause d’Este in Ferrara. In Wappenbüchern des 15. Jahrhunderts wird das Wappen der Familie d’Este, des Markgrafen von Ferrara und Herzog von Modena gezeigt als viergeteiltes blaues Wappenschild. 46 Oben rechts und unten links auf blauem Grund drei goldene französische Lilien in der Anordnung 2–1, jeweils umfasst von einem quadratischen Rahmen in denen rote und gelbe Dreiecke abwechselnd gegeneinander gelegt sind. Oben links und unten rechts ist ein weißer Adler mit ausgebreiteten Schwingen dargestellt, welcher das eigentliche Zeichen der Este ist. Dieser weiße Adler auf blauem Grund ist auf den Karten der Schwert-Königin, Stab-König und Stab-Reiter zu erkennen, allerdings befindet er sich in der Mitte des Wappenschildes. Im Jahr 1984 verifiziert Thierry Depaulis das Wappen d’Este und ermittelt gleichzeitig auf dem Wappenschild des Schwert-Reiters das Wappen des Hauses Anjou von Neapel. 47 Nur wenig später präzisiert Giulia Algeri, bei der Kombination der Wappen der Häuser d’Este und Aragon könne es sich nur um die Präsentation der Heirat von Ercole I

Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 103. Kaplan, Encyclopedia I, S. 118. Die Arbeitsweise von Stuart Kaplan erweist sich bei diesem Fragment einmal mehr als oberflächlich. Zwar folgt er dem Hinweis von Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 118, Anmerkung 56; zu sechs Abbildungen, freilich ohne Quellenangabe. Schließlich lässt er in seiner Encyclopedia I Angaben von Bandnummer und Seitenzahl bei d’Allemagne (siehe nächste Anmerkung) vermissen. Weiter spricht er von einem erhaltenen „Herrscher“, obwohl die Figur deutlich erkennbar eine Tiara trägt und drei Finger zu einer segnenden Geste erhoben hat. Somit stellt diese Figur einen „Papst“ dar. 45 D’Allemagne, Les cartes a jouer, Tome II, Abbildungen zwischen S. 12/13 und 38/39. 46 Das Wappen findet sich in verschiedenen Wappenbüchern: BSB Cod.icon, In: https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0004/bsb00043104/ images/index.html?seite=00001&l=de (acc. 28. 4. 2020) Wappenbuch Conrads von Grünenberg, In: https://daten.digitale-sammlungen.de/0003/ bsb00035320/images/index.html?id=00035320&groesser=&fip=193.174.98.30&no=&seite=1 (acc. 7. 5. 2020) Das Wappen der Familie d’Este befindet sich auf Bildnummer (image) 114. Die Entwicklung und Veränderung des Wappens der Familie d’Este wird gezeigt bei: D’Est. Mod. 293, In: http:// www.armoriale.it/wiki/File:BNVE_ms_321_pag._025.JPG (acc. 7. 5. 2020). 47 Depaulis, Jeu et magie, S. 39. Die Bezeichnung „Anjou von Neapel“ ist falsch, da es sich um das Wappen der Aragon von Neapel handelt. Thierry Depaulis korrigiert später seine Bezeichnung und schreibt von dem Wappen der Aragon von Neapel: Depaulis/McLeod, Le tarot révélé, S. 23. 43

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Abbildung 49: Schwert-Königin, Tarocchi d’Este. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

d’Este und Eleonora von Aragon im Jahr 1473 handeln. 48 Sie erklärt weiter, hierdurch sei eine genaue Datierung dieses Spiels gegeben. Die beiden Bezeichnungen „Anjou von Neapel“ und „derer von Aragon“ zusammengenommen, stiften jedoch einige Verwirrung, weil das Haus von Anjou und die Aragonesen im Königreich Neapel konkurrierende

Kräfte waren. Das Haus Anjou hatte das Nachsehen, denn im Jahr 1442 bestieg Alfons V, König von Aragon und Sizilien als erster Aragonese den Thron in Neapel. In Neapel wurde er Alfonso I genannt. 49 Er war Adoptivsohn von Königin Johanna II. Sein illegitimer Sohn Ferrante I folgte ihm auf den Thron von Neapel. 50 Die Halbschwester Ferrantes und legitime Tochter von Alfonso I heiratete schließlich Ercole d’Este. Nach dem Wappenbuch Conrads von Grünenberg zeigt das Wappen des Königs von Aragon zu Beginn des 15. Jahrhunderts vier rote Pfähle auf einem goldenen Wappenschild. 51 Das Jahr 1473 ergibt eine recht späte Datierung für den Zeitraum der Tarocchi. Allerdings spricht die differenzierte Gestaltung der Wappen mit mehrfach aufgeteilten Wappenschilden des StabKönigs, der Schwert-Königin und dem Stab-Reiter in den Tarocchi ebenfalls für eine späte heraldische Gestaltung. Diese differenzierte Wappengestaltung würde folglich zu einer späten Datierung des Spiels passen. Die verdunkelten Abbildungen der Internetseite geben nur wenig Auskunft über die Gestaltung der Wappenschilde. Die Schwert-Königin präsentiert auf ihrem linken Knie ein Wappenschild, das sie mit ihrer linken Hand festhält, während sie in der rechten Hand das Schwert mit erhobener Spitze gegen ihre rechte Schulter lehnt. Ihr Wappenschild ist in mehrere Plätze aufgeteilt, in der Mitte ist noch recht deutlich der weiße Adler der Este erkennbar. Der blaue Grund auf dem wahrscheinlich die Fleur de Lys dargestellt sind, sind oben links und unten rechts ebenfalls auszumachen. Weitere Details auf diesen Plätzen sind allerdings völlig unkenntlich. Auch auf den anderen Plätzen sind lediglich weiße Farbfelder zu erkennen. Der Stab-König zeigt das gleiche mehrfach aufgeteilte Wappenschild mit dem weißen Adler in der Mitte. In prächtiger Kleidung, mit einer Krone auf dem Haupt sitzt er nach links blickend und hält mit seiner rechten Hand einen Stab aufrecht in die Höhe. Mit seiner linken Hand hält er das Wappenschild fest, das er neben sich am Boden abgestellt hat. Auch auf dem Stab-Reiter ist der weiße Adler

Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 36. Schelle, Die Sforza, S. 55. 50 Schelle, Die Sforza, S. 55. 51 Wappenbuch Conrads von Grünenberg, In: https://daten.digitale-sammlungen.de/0003/bsb00035320/images/index.html?id=00035320& groesser=&fip=193.174.98.30&no=&seite=1 (acc. 7. 5. 2020) Die Abbildung des Wappens von Aragon und des Königs von Neapel befindet sich auf Bildnummer (image) 45. 48

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in der Mitte des Wappenschildes noch zu entdecken, außer weißen Farbflächen bleiben weitere Gestaltungsdetails jedoch ebenfalls unkenntlich. Das Wappenschild der Schwert-Königin lässt in der digitalen Vergrößerung noch die meisten Details dieses Wappens erkennen. Deshalb wird ihr Wappenschild der Este im Folgenden beispielhaft für diese drei Karten untersucht. Die Abbildungen der Tarocchi von Schwert-König, Schwert-Reiter, sowie Stab-Bube zeigen ein viergeteiltes Wappenschild. Auf einigen Plätzen der Wappenschilde ist die Aufteilung in mehrere Pfähle noch zu erahnen. Am deutlichsten ist bei dem Schwert-Reiter in der Vergrößerung das Wappen zu erkennen. Auf Platz eins und vier sind rote Pfähle und damit das Wappen von Aragon zu entdecken. Die Plätze zwei und drei zeigen ebenfalls drei Pfähle, wobei auf dem mittleren die blaue Grundfarbe und drei übereinanderliegende französische Lilien erkennbar sind. Im Wappenbuch Conrads von Grünenberg ist das Wappen in Kombination mit dem bereits erwähnten Wappen von Aragon zu sehen. Es ist das Wappen des Königs von Neapel. Das geviertelte Wappenschild des SchwertReiters verweist in dieser Kombination auf einen spanischen König in Neapel, allerdings ist ein früherer Zeitraum als das bisher angenommene Jahr 1473 für die Entstehung des Spiels durchaus möglich. Im Hinblick auf sein Werk fertigt Henry-René d’Allemagne von zwölf Motiven der Tarocchi d’Este monochrome Reproduktionen an und arbeitet hierfür die Wappen detailliert nach. Für einen Vergleich der Wappenschilde der Reproduktionen und den Tarocchi der Internetseite der Beinecke Rare Book and Manuscript Library verbleiben die Schwert-Königin, Schwert-König und -Reiter, sowie der StabBube. Auf der Reproduktion der Schwert-Königin zeigt sich das Wappenschild in sieben Plätze unterteilt mit dem weißen Adler in der Mitte. Oben rechts und unten links ist ein Doppelkopfadler dargestellt. Oben links und unten rechts finden sich jeweils drei französische Lilien in der Anordnung 2–1. Am Schildhaupt in der Mitte ist eine Tiara festzustellen, auf dem mittleren Platz am Schildfuß werden zwei Ringe deutlich. Es muss sich um zwei ringförmige Schlüsselgriffe handeln, die Schäfte der 52

Abbildung 50: Wappen d’Este auf dem Daus von Herz und Schelle eines satirischen Kartenspiels aus Deutschland, 1545. Entnommen aus: Henry-René d’Allemagne, Les cartes a jouer, I, zwischen Seiten 26 und 27

Schlüssel kreuzen sich unter dem Platz mit dem weißen Adler und die Schlüsselbärte sind oben rechts und links neben der Tiara dargestellt. Dieses Wappen der Este erscheint in einem, wie HenryRené d’Allemagne es nennt „satirischen Kartenspiel aus Deutschland aus dem Jahr 1545“. 52 Es wird ersichtlich, dass die Reproduktion des Wappens auf der Schwert-Königin von Henry-René d’Allemagne und das in dem satirischen Kartenspiel deutliche Ähnlichkeit zeigen. Es wäre naheliegend, die Wappendarstellung im satirischen Kartenspiel von 1545 war ihm Vorlage für seine Reproduktion in seinem Werk über Kartenspiele. Die Wappenschilde von Schwert-Reiter und Stab-Bube erweisen sich auch auf den Reproduktionen von Henry-René d’Allemagne wenig detailliert

D’Allemagne, Les Cartes a jouer, Tome I, Abbildungen zwischen S. 26 und 27.

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Abbildung 51: Schwert-Königin, Tarocchi d’Este. Hochauflösendes Digitalisat bereitgestellt durch die Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

und aufschlussreich. Lediglich auf dem Schild des Schwert-Reiters lassen sich auf Platz eins und vier drei Pfähle erkennen, wobei der mittlere sich dunkler gestaltet als die beiden äußeren. Eine Aussage über die Bedeutung dieses Wappens lässt sich an dieser Stelle nicht treffen. Jedoch ist das Wappen des Schwert-Reiters auf den Digitalisaten der Tarocchi noch am besten kenntlich, die dort erkennbaren Fleurs de Lys zeigt Henry-René d’Allemagne nicht. Höchst detailliert nachgearbeitet ist auch das Wappenschild der Reproduktionen von Henry-Re154

né d’Allemagne des Schwert-Königs. Es ist geviertelt und zeigt auf den Plätzen links oben und rechts unten zwischen hellen Pfählen vier dunkle Pfähle. Hiermit ist wohl das Wappen von Aragon gemeint. Der Platz rechts oben zeigt drei Pfähle, der mittlere ist dunkler. Wie bereits erwähnt, ist dieses Wappen bisher unbekannt. Auf dem Platz links unten sind wieder drei Pfähle dargestellt, jener am äußersten linken Rand des Wappens hell, der mittlere irgendwie gemustert. Einer dieser Pfähle zu der Mitte des Wappens hin, ist in acht Balken in abwechselnd zwei Farben aufgeteilt. Sie beginnen oben mit einem hellen Balken und enden unten mit der dunklen Farbe. Dieser Teil des Wappenschildes muss bei Henry-René d’Allemagne eine umfassende Interpretation erfahren haben, denn in den Abbildungen der Tarocchi der Beinecke Rare Book and Manuscript Library ist an dieser Stelle keine verlässliche Aussage über das Aussehen des Wappens möglich. Bei aller Unsicherheit, die die Nachbearbeitungen der Wappen von Henry-René d’Allemagne hinterlassen, sei es aufgrund der monochromen Abbildungen, sei es durch Interpretation durch den Autor, bieten diese Reproduktionen gleichwohl einige Hinweise für die weitere eingehende Untersuchung der Abbildungen der Tarocchi selbst. Zur weiterführenden Betrachtung hat die Beinecke Rare Book and Manuscript Library der Autorin dankenswerterweise Digitalisate der sechs Hofkarten in hochauflösender Qualität überlassen. Unter erheblicher digitaler Vergrößerung sollten Einzelheiten der gemalten Karten des d’Este-Fragments untersucht werden, mit der Absicht die ursprüngliche Gestaltung der Wappenschilde klären zu können. Bei Betrachtung der Wappen zeigen sich in den hochauflösenden Digitalisaten unerwartete Ergebnisse. Zunächst bestätigt sich die Interpretation bei der Nachbearbeitung der Wappen von Henry-René d’Allemagne für seine Reproduktionen. Das in den hochauflösenden Digitalisaten vorgefundene Wappen der Este ist tatsächlich eine verbesserte Variante des Wappens aus dem 16. Jahrhundert. Für die anderen in den Tarocchi d’Este abgebildeten Wappen sind durch die hochauflösenden Digitalisate keine weitergehenden Erkenntnisse möglich. Dieser Arbeitsschritt der Betrachtung der hochauflösenden Digitalisate ergibt jedoch überraschende Einblicke, welche auch die handwerkliche Fer-

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tigung der Karten ersichtlich werden lässt. Die Ränder der Karten legen an einigen Stellen die Papierschichten frei. An den Ecken zeigt sich bei einigen Karten eine Lücke der nach vorn geklappten unteren Papierlage der italienischen Falte. Die Karte der Schwert-Königin legt so an der oberen rechten Ecke vier Papierlagen frei. Unter der bemalten Papierschicht liegen zwei mittlere Lagen. Darunter die Lage der Rückseite, die für die Fertigung der italienischen Falte etwas größer gehalten ist als die drei darüberliegenden Papierlagen. Dann wurden die überstehenden Ränder nach vorn geklappt und verklebt, so entsteht ein sauberer Rand der Spielkarten. Bei der Karte des Schwert-Königs ist an der oberen rechten Ecke zu erkennen, dass die rückwärtige Papierlage nach der Bemalung nach vorn geklappt wurde, denn das Papier überdeckt die Bemalung des Motivs an einigen Stellen. Die mittleren Papierlagen scheinen mit der bemalten vorderen und der rückwärtigen Lage einheitlich zu sein. Sie liegen völlig flach und zeigen keinerlei Anzeichen von Wiederverwendung, wie beispielsweise eine Beschriftung. Es hat den Anschein, als sei für diese Karten erstverwendetes Papier aus gleicher Fertigung und Qualität verarbeitet worden. Wohlgemerkt handelt es sich bei diesen Erkenntnissen um Beobachtungen im Größenbereich von wenigen Millimetern, gleichwohl sind diese Einblicke neu und durchaus aufschlussreich. Bei Betrachtung der hochauflösenden Digitalisate erscheint der Farbauftrag der gemalten Tarocchi bei Kleidung, Gesichtern und Händen, sowie dem gemalten Hintergrund gleichmäßig und linear. Diese Farbe scheint leicht aufzutragen gewesen zu sein. Hingegen unterscheidet sich der Farbauftrag an einigen äußeren Stellen der Wappenschilde deutlich. Dort ist er ungleich dicker, was an der Deckkraft der Farbe liegen könnte. Die Farbe scheint jedoch sehr zähflüssig aufzutragen gewesen zu sein. Vor allem auf den hellen Farbflächen der Wappenschilde, ursprünglich wohl weiß, ist die Farbe rissig und aufgeblättert. Die Wappen der Este bei Stab-König und Schwert-Königin zeigen in der Mitte deutlich den weißen Adler auf blauen Grund, wobei die für den Vogel verwendete Farbe die gleiche leicht zu verteilende Viskosität aufweist, wie bei Kleidung und Händen. Oben links und unten rechts ist jeweils ein blauer Platz des Wappens zu sehen, teilweise noch andeutungsweise die Bemalung mit den französischen Lilien. Ebenfalls ledig-

Abbildung 52: Schwert-König, Tarocchi d’Este. Hochauflösendes Digitalisat bereitgestellt durch die Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

lich schemenhaft lässt sich auf dem weißen, aufgeblätterten Farbauftrag oben rechts und unten links eine schwarze Bemalung erahnen. Der StabReiter zeigt ebenfalls ein Wappen der Este, das auf der Abbildung der Internetseite der Beinecke Rare Book and Manuscript Library kaum mehr kenntlich ist. Erst auf dem hochauflösenden Digitalisat in maximaler Vergrößerung ist der weiße Adler in der Mitte auszumachen und schemenhaft zwei gekreuzte Linien darunter etwas ringförmiges, möglicherweise Schlüssel. Ebenfalls erschließen lassen sich die französischen Lilien unten rechts. Eine ent155

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sprechende Variante des Este-Wappens wird zweimal auf den ersten Folianten der Bibel des Borso d’Este dargestellt. 53 Hier zeigt sich das Wappen aufgeteilt in sieben Plätze, die Mitte gebührt dem weißen Adler d’Este auf blauem Grund. Oben links und unten rechts auf blauem Grund drei französische Lilien, oben rechts und unten links ein schwarzer Doppelkopfadler auf gelbem/goldenen Grund. In der Mitte zeigen sich über und unter dem weißen Adler rote Plätze zu einem Pfahl verbunden. Zwei Schlüssel sind auf diesem roten Grund dargestellt, sich unter dem Adler kreuzend. Am Schildfuß sind die Ringe wiedergegeben und am Schildhaupt die Bärte der Schlüssel. Eine Tiara, wie Henry-René d’Allemagne sie wiedergibt, ist weder im Wappen der Tarocchi, noch in der Bibel von Borso d’Este zu finden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, das in den Tarocchi der Este dargestellte Wappen weist auf einen Zeitraum der Herrschaft von Borso d’Este. Er übernimmt die Herrschaft 1450 und stirbt 1471. 54 Nach diesen Ergebnissen steht die Betrachtung der Wappen auf dem Schwert-König und -Reiter der hochauflösenden Digitalisate aus. Beide Wappenschilde sind geviertelt. Bei dem Schwert-Reiter waren bereits auf der Abbildung auf der Internetseite oben rechts und unten links drei Pfähle erkennbar, bei denen der mittlere Pahl drei französische Lilien übereinander auf blauem Grund zeigt. Die hochauflösenden Digitalisate wird dieses Wappen noch deutlicher. Die beiden äußeren Pfähle bleiben unkenntlich, wirken jedoch jeweils einfarbig, ohne weitere Musterung. Die Plätze oben rechts und unten links geben vier rote Pfähle auf hellem Grund. Der helle Farbauftrag dieser Pfähle bricht wieder deutlich auf, er wirkt sehr zähflüssig und dick aufgetragen. Mit Kenntnis dieses Wappenschildes lässt sich nun auch jenes des Schwert-Königs betrachten und feststellen, dass es sich um das gleiche Wappen handelt. Demnach bestätigt sich das Wappen des Königs von Neapel, wie es im Wappenbuch Conrad Grünenberg abgebildet ist. Anhand der Regierungszeit von Alfons I von Neapel 1442–1458 und Borso d’Este 1450–1471 lässt sich folglich ein vorsichtiger Datierungszeitraum für dieses Spiel zwischen 1450–1458 ableiten. Allerdings irritiert der dicke, aufgeblätterte Farbauftrag 53 54

bei den Wappen dieses Fragments. Die Konturen aller Wappenschilde sind deutlich dicker und schwarz, während die übrigen Konturen der Karten von bräunlicher dünnflüssiger Farbe im Ton des gemalten Hintergrundes gehalten sind. Als aufschlussreich erweist sich das Wappen auf dem hochauflösenden Digitalisat des Schwert-Königs, genauer der aus heraldischer Sicht gesehene rechte schwarze Bogen des Wappenschildes. Es scheint hier, als wäre die dicke Farbschicht nicht bis an die Kontur aufgetragen, es ergibt sich innen ein kleiner Rand, bei dem die Farbe des gemalten Hintergrundes durchschimmert. Diese winzige Stelle auf der Karte, zusammen mit den ungewöhnlich dicken schwarzen Konturen und aufgebrochenen Farbschichten verstärkt jedoch den Eindruck, der sich bereits seit Beginn der Betrachtung der hochauflösenden Digitalisate aufdrängt: Die Wappenschilde der Tarocchi d’Este könnten nachgearbeitet, vergrößert und mit anderer, als für die übrigen Flächen des Motivs verwendeten Farbe übermalt worden sein. Feststellen ließe sich eine solche Übermalung anhand von Infrarotaufnahmen, die von diesen Karten jedoch bisher nicht angefertigt wurden. Vor einer weiteren Bewertung dieser These sollen jedoch die Beziehungen der Visconti und der Sforza zu der Familie d’Este und Alfonso I betrachtet werden.

11.3.3 Filippo Maria Visconti, Francesco Sforza und das Haus d’Este Aufgrund der fehlenden Impresen lassen sich bei diesem Spielfragment keine konkreten Bezüge zu Personen ermitteln. Wie noch deutlich werden wird, wäre es jedoch aus Sicht des Forschenden gerade bei diesem Spiel höchst wünschenswert, Personenbezüge herausarbeiten zu können. Die Datierung in das Jahr 1473 von Giuliana Algeri ist, wie bereits erwähnt, recht spät für den Zeitraum der Entstehung dieses Spiels innerhalb des gesamten Zeitraums der Tarocchi. Darüber hinaus gilt es die These zu prüfen, ob Francesco Sforza an der Entstehung dieses Spiels Einfluss genommen haben könnte. Francesco Sforza starb jedoch 1466 und war folglich zu der von Giuliana Algeri angegebenen Datierung bereits sieben Jahre tot.

La Bibbia di Borso d’Este, In: https://cantiereestense.it/cantiere/la-bibbia-di-borso-deste-in-mostra-a-ferrara/ (acc. 24. 4. 2020). Bocchi, Este, Borso, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 4, col. 29.

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Sowohl Filippo Maria Visconti, als auch Francesco Sforza pflegten unabhängig voneinander langwährende Beziehungen zum Hause d’Este. Während der anhaltenden Territorialkriege zwischen Mailand und Venedig verhielt sich der Markgraf und Signore von Ferrara Niccolo d’Este neutral, mehr noch machte er sich immer wieder durch intensive und kluge Vermittlung zwischen den beiden Kriegsgegnern verdient. 55 In jungen Jahren ging Filippo Maria Visconti auch gerne in den Parkanlagen mit dem viel jüngeren Leonello d’Este jagen. 56 Im Jahr 1440 vermittelte Niccolo d’Este schließlich zwischen Filippo Maria Visconti und Francesco Sforza, als sich die Verlobungszeit mit Bianca Maria so sehr in die Länge zog und die Spannungen zwischen Filippo Maria Visconti und seinem künftigen Schwiegersohn zunehmend wuchsen. In dieser Zeit scheint auch eine freundschaftliche Annäherung zwischen Niccolo d’Este und Filippo Maria Visconti stattgefunden zu haben, denn Niccolo hatte fortan einen günstigen Einfluss auf Filippo Maria Visconti. 57 Niccolo d’Este wurde während dieser Verhandlungen für die Hochzeit im Dezember 1440 eine Tochter geboren. Um die Braut zu ehren, taufte er sie ebenfalls Bianca Maria. 58 Seine Vermittlung zwischen Filippo Maria Visconti und Francesco Sforza war erfolgreich, denn im Oktober 1441 konnte die Hochzeit von Francesco Sforza und Bianca Maria Visconti im Oktober 1441 stattfinden. Auch die Sforza unterhielten rege Beziehungen zum Hause d’Este. Wie bereits ausgeführt stand Muzio Attendolo Sforza bei Niccolo d’Este als Condottiere unter Vertrag. (Siehe hierzu Abschnitt „Muzio Attendolo: Ursprung von Namen und Wappen der Sforza“) und dieser fügte dem Sforza-Wappen nach militärischen Erfolgen des Sforza den Diamantring als Zeichen der Verbundenheit und des Dankes hinzu. Muzio Attendolo Sforza zeigte seine Verbundenheit, indem er seine Söhne Francesco und Alessandro zur Erziehung an den Hof

von Niccolo d’Este schickte. Bis Francesco elf Jahre alt war, wächst er in der Obhut des Hofes der Este zusammen mit der großen Schar von Kindern des Niccolo auf und erhielt dort eine höfisch geprägte Bildung. 59 Doch Niccolo d’Este starb bereits am 26. Dezember 1441 60 nur wenige Wochen nach der Hochzeit von Francesco und Bianca Maria. Er erlebte deshalb auch den Erfolg von Francesco Sforza Herzog von Mailand zu werden nicht mehr. Niccolos Nachfolger und damit Markgraf und Signore von Ferrara wurde sein natürlicher und später legitimierter Sohn Leonello d’Este. Als Markgraf von Ferrara und Herzog von Modena trug er das Wappen, wie es in den angeführten Wappenbüchern der Zeit abgebildet ist: Ein gevierteltes Wappenschild mit zwei weißen Adlern auf blauem Grund und zwei Plätzen mit französischen Lilien diagonal versetzt. Leonello d’Este heiratete in zweiter Ehe 1444 Maria von Aragon, eine illegitime Tochter von Alfonso I. Dies war die erste eheliche Verbindung zwischen den Häusern Este und Aragon. Sie brachte für beide Seiten Vorteile, vornehmlich wurde das Bündnis von Ferrara und dem Königreich Neapel besiegelt. Für Alfonso I war dieses Bündnis höchst wertvoll. Denn er konnte nach langem Ringen gegen das Haus Anjou erst zwei Jahre zuvor den Thron von Neapel einnehmen. Zudem war er erst kurz vor dieser Eheschließung seiner Tochter von Papst Eugen IV mit Neapel belehnt worden. Leonello d’Este seinerseits profitierte von dieser Eheschließung, indem er seine beiden viel jüngeren Halbbrüder und legitimen Söhne von Niccolo d’Este, Ercole und Sigismondo an den Hof von Alfonso I zur Erziehung schickten konnte. Mit diesem Schachzug waren sie vom Hof in Ferrara entfernt und konnten ihm die Erbfolge nicht mehr streitig machen. Ercole und Sigismondo d’Este blieben viele Jahre am Hof von König Alfonso I. Doch der Vorteil dieser Ehe von Leonello d’Este währte nur kurz, denn Maria

Este, Niccolò d’, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/niccolo-d-este_(Dizionario-Biografico)/ (acc. 8. 5. 2020). Muir, History of Milan, S. 195. 57 Schelle, Die Sforza, S. 95. 58 Este (d’), Stammtafel, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 4, cols 27–32; Bianca Maria d’Este, In: http:// www.treccani.it/enciclopedia/bianca-maria-d-este_(Dizionario-Biografico) (acc. 6. 5. 2020). 59 Ady/Armstrong, History of Milan under the Sforza, S. 7; Decembrio/Funk, Leben des Filippo Maria Visconti, S. 61. 60 Schelle, Die Sforza, S. 98–99. 55

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von Aragon starb im Dezember 1449 ohne Nachkommen geboren zu haben. 61 Auch Leonello starb nur ein Jahr später, im Herbst 1450. Ihm folgte sein Halbbruder Borso d’Este als Regent von Ferrara nach. Kaiser Friedrich III verlieh ihm 1452 den Titel Herzog von Modena und Reggio und Papst Paul II ernannte ihn 1471 zum ersten Herzog von Ferrara. 62 Noch im selben Jahr starb Borso und sein Bruder Ercole d’Este wurde Herzog von Ferrara. Abschließend sollen nun die Eckdaten der Dynastie d’Este mit den Erkenntnissen aus den hochauflösenden Abbildungen der Karten zusammengeführt werden. Wenn Francesco Sforza an der Entstehung des Este-Spiels beteiligt war, so galt seine Verbundenheit folglich in erster Linie Niccolo d’Este. War Niccolo doch sein Ziehvater und erfolgreicher Vermittler bei der Heirat mit Bianca Maria. Vermutlich wird Francesco Sforza die Bewilligung zur Fertigung des Spiels bald nach seiner Ernennung zum Herzog von Mailand im März 1450 gegeben haben. Doch Niccolo d’Este erlebte diese Ehrung nicht mehr. An seines Vaters statt wird wohl Leonello d’Este die Ermächtigung entgegengenommen haben und das Spiel anfertigen haben lassen. Leonello d’Este und Francesco Sforza kannten sich bekanntlich bereits aus gemeinsamen Kindertagen am Hof der Este. Ein enger Bezug beider zueinander ist deshalb anzunehmen. Möglicherweise war das Spiel beim Tod von Leonello d’Este in Anfertigung begriffen, mit der Weisung das Wappen seiner bereits verstorbenen Gattin Maria von Aragon in das Spiel einzuarbeiten. Dies sollte die anhaltende Verbundenheit der d’Este mit dem Hause Aragon betonen, denn Ercole und Sigismondo d’Este waren noch immer am dortigen Hof zur Erziehung. Auch politisch war es geboten, diese Verbindung aufrecht zu erhalten, um eine Achse innerhalb der unruhigen Bündnisse in den Territorialkriegen zu

bilden. Bildlich sichtbar wurde diese Verbundenheit dann beim Gebrauch der Karten zur Schau gestellt. Als Borso d’Este Herzog von Ferrara wurde, änderte sich das Wappen und der weiße Adler rückte in die Mitte des Schildes. Die kaiserliche Anerkennung berechtigte ihn zum Tragen des schwarzen Adlers. Die gekreuzten Schlüssel im Wappen wiesen zudem auf seine päpstliche Ernennung zum Herzog von Ferrara hin. Diese Wappenverbesserung rechtfertigte eine Übermalung der Tarocchi, wobei lediglich die Wappenschilde mit dem Wappen der Este überarbeitet und differenziert wurden. Die Gestaltung der übrigen Flächen der Motive und Karten ohne Wappen wurde beibehalten, wie die hochauflösenden Aufnahmen zeigen. Borso d’Este wurde 1471 zum Herzog von Ferrara ernannt, demnach wurde auch das Wappen um diesen Zeitpunkt übermalt. Diese Erkenntnisse rücken die spätere Ehe von Ercole d’Este mit Eleonora von Aragon in Bezug auf die Tarocchi in den Hintergrund. Der Eheschließung von Ercole d’Este mit Eleonora von Aragon ist nicht zwingend für die Datierung des Spiels der Este. Wie die weiteren Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, erfuhren die Tarocchi mit der Ernennung Francesco Sforzas zum Herzog von Mailand einen Entwicklungsschub. Die Verbindungen von Francesco Sforza zu Niccolo d’Este sprechen für eine Bewilligung Francesco Sforzas zur Anfertigung des Este-Spiels. Der Zeitpunkt nach der Eroberung von Mailand im Jahr 1450 fügt sich in den Zeitrahmen der weiteren Spiele. Diese Datierung der Anfertigung der Karten stimmt auch mit der Einschätzung der Beinecke Rare Book and Manuscript Library des Jahres 1450 überein. Allerdings ist das Spiel somit um einige Jahre jünger und hat einen anderen Personenbezug, als von der Forschung bisher angenommen.

Leonello d’Este, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/leonello-d-este_%28Dizionario-Biografico%29/ (acc. 6. 5. 2020). Ercole I d’Este, In: http:// www.treccani.it/enciclopedia/ercole-i-d-este-duca-di-ferrara-modena-e-reggio_(Dizionario-Biografico) (acc. 6. 5. 2020). 62 Borso d’Este, In: http://www.treccani.it/enciclopedia/borso-d-este_%28Dizionario-di-Storia%29/ (acc. 6. 5. 2020). 61

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Einige Spielfragmente zeigen keine offensichtlichen oder auch nur auf den zweiten Blick kenntlichen Erkennungszeichen. Vor dem bisher erarbeiteten historischen Kontext der Tarocchi lassen sich aller-

dings die Darstellungen dieser Spielfragmente aus einem erweiterten Blickwinkel betrachten. Auf diese Weise ergeben sich weiterreichende Aspekte und es lassen sich neue Schlussfolgerungen ziehen.

12.1 Die Goldschmidt-Karten und Guildhall Library Tarocchi Cards 12.1.1 Die Goldschmidt-Karten 12.1.1.a Das Spielfragment Die sogenannten Goldschmidt-Karten sind nach ihrem letzten Besitzer Victor Goldschmidt aus Heidelberg benannt. Er veröffentlichte erstmals Abbildungen dieser neun Karten in seinem Werk „Farben in der Kunst“ 1929 1 ohne Angaben über ihre Herkunft zu machen oder zu erwähnen, wie sie in seinen Besitz gelangten. Seitdem beschäftigen diese Karten die Forschung, weil ihre Motive vom üblichen Gestaltungschema der Tarocchi erheblich abweichen. Heute werden die Karten im Deutschen Spielkartenmuseum in Leinfeldern-Echterdigen, Zweigmuseum des Landesmuseums Württemberg aufbewahrt. Sie sind jedoch nicht digital verfügbar. Lediglich bei einem Besuch des Museums mit Voranmeldung werden die Karten in den Räumen des Museums dem Besucher gezeigt. Vorgelegt werden dann meist die Reproduktionen der Karten aus dem 20. Jahrhundert, die zur Schonung der Originale angefertigt wurden. Der Erhaltungszustand der Karten ist gut, ein Nagelloch fehlt ihnen. Weitere Abbildungen dieser Karten sind lediglich noch in antiquarischen meist vergriffenen Büchern oder Rarabeständen von Bibliotheken zu finden. Nach eigenem Augenschein der Originale sind die Karten im Bezug zu anderen Tarocchi auffallend klein, ihre Farben aber noch immer präsent. Im Museum sind die Karten einzeln in Seidenpapier eingeschlagen, klimatisiert und dunkel aufbewahrt.

Die Karten liegen nicht glatt auf, die Bildseite wölbt sich erheblich nach oben. Am linken Rand des Motivs des Bischofs sind noch deutlich Schriftzeichen zu erkennen. Gemalt sind die Karten auf Palimpset, ein zum zweiten Mal verwendetes Pergament. Ein Gutachten von 1955 bestätigt die Echtheit der Originale und datiert sie in die Mitte des 15. Jahrhundert. 2 Detlef Hoffmann zufolge sind gemalte Spielkarten auf Pergament eine Seltenheit. 3 Von den erhaltenen Tarocchi wurde lediglich für jene im Museo Fournier de Naipes de Álava und dem Tozzi-Framgent ebenfalls teilweise Pergament verwendet. Alle Motive der Goldschmidt-Karten zeigen einen schematisch aufgebauten Hintergrund von Goldpunzen. Fünf der neun erhaltenen Motive weisen einen Fußboden mit Schachbrettmuster auf. Auffällig ist die Darstellung des Fußbodens bei den einzelnen Motiven, denn die Größe der Kacheln unterscheidet sich auf allen erhaltenen Karten. Die Kacheln zeigen sowohl die Verwendung von Perspektive als auch schwarz-weiße Quadrate, die lediglich ohne Perspektive übereinander angeordnet sind. 12.1.1.b Wappen, Ähnlichkeiten und Andeutungen Die Motive der Goldschmidt-Karten seien an dieser Stelle kurz beschrieben: Die Stab-5 ist die einzige erhaltene Zahlenkarte. Zu sehen sind fünf Stäbe in der Anordnung 2–1–2 mit oben abgerundeten Enden. An deren Seiten sind deutlich erkennbare abgeschnittene Austriebe

Goldschmidt, Farben in der Kunst, Tafel 66 und 67. Besuch der Verfasserin in Deutschen Spielkartenmuseum am 17.10. 2013 und Gespräch mit der Leiterin des Deutschen Spielkartenmuseums Frau Dr. Köger. Dieses Gutachten wird auch erwähnt bei: Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 52. Für das Gutachten des Doerner-Instituts wurde eine spektralanalytische Untersuchung durchgeführt. 3 Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 54. 1

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Abbildung 53: Stab-5, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

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oder Äste dargestellt. Michael Dummett vermutet in dieser Darstellung eher die spanische Spielkartenfarbe der Keulen, 4 die dargestellten Austriebe sprechen jedoch gegen diese Annahme. Wilhelm Schreiber bestätigt Schwankungen der Gestaltung der italienischen Spielkartenfarben, 5 sodass diese Spielkartenfarbe weiterhin als Stäbe bezeichnet wird. Auf einem Motiv ist die Darstellung eines Jünglings in höfischer Jagdkleidung zu sehen, er steht auf dem schwarz-weiß gekachelten Fußboden vor dem goldgepunzten Hintergrund. An seinen Beinen springt ein Hund hoch, mit seiner linken Hand scheint er den Hund mit Futter anzulocken. Sein rechter Arm ist angewinkelt, auf dieser Hand trägt er einen Falken, der dazugehörige Futterbeutel hängt an seinem Gürtel. Michael Dummett ist deshalb der Ansicht, bei diesem Motiv handelt es sich um die Darstellung eines Falkners. Um seine Taille schwingt ein weit ausladender Ring, der wie es scheint an seinen Schultern mit Seilen befestigt ist. Die Funktion dieses auffälligen Details ist unbekannt. Auf der Brust des Jünglings findet sich das einzige Wappen dieses Spielfragments. Am Schildhaupt ist ein roter Balken mit Zinnen zu sehen, darunter sind vier Schrägbalken in zwei Farben dargestellt, die aus heraldischer Sicht gesehen von links oben nach rechts unten verlaufen. Diese Richtung der Schrägbalken ist ungewöhnlich, die allgemein bevorzugte Richtung von Schrägbalken bei Wappen ist von oben rechts ausgehend. Trotz eingehender Recherche war dieses Wappen in keinem der für diese Arbeit durchgesehenen Wappenbüchern zu finden und seine Bedeutung zu klären. Es lässt sich lediglich die Tendenz feststellen, dass in deutschen Wappen die dargestellte Richtung der Schrägbalken überhaupt nicht verwendet wird. Bei italienischen Wappen wird diese Richtung der Schrägbalken gelegentlich dargestellt. Diese Beobachtung festigt so die Vermutung einer italienischen Tradition. Der Jüngling trägt zweifarbige Mipati, sein rechtes Bein in weiß und das linke Bein in rot, dies ist als erster vorsichtiger Hinweis auf das Umfeld der Visconti zu werten, möglicherweise auch später der Sforza. Dummett, The game of Tarot, S. 73 no 19. Der Autor beschreibt an dieser Stelle die Goldschmidt-Karten und seine Ansichten ausführlich. Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich alle weiteren in diesem Abschnitt aufgegriffenen Ansichten von Michael Dummett auf diese Quellenangabe. 5 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 100. 4

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Neben der rechten Schulter des Falkners ist ein kleines Rad dargestellt, ähnlich dem Rad des Schicksals. Die Bedeutung dieses Details ist unbekannt. Es ist anzunehmen, dass das Motiv des Falkners mit großer Wahrscheinlichkeit im Vergleich mit anderen Tarocchi einen Buben, also eine Hofkarte darstellt. Das gekrönte Untier zeigt eine Art springenden Delfin, der eine Krone trägt. Seine Flossen sind fantasievoll ausgestaltet, in der weit geöffneten Schnauze blitzen oben und unten eine Reihe spitzer Zähne. Dieses Wesen erinnert ein wenig an die motivfüllende Visconti-Schlange aus dem Tozzi-Fragment, wenngleich es deutlich jünger, künstlerisch gereift und stilisiert wirkt. Es beinhaltet jedoch auch zahlreiche Anspielungen auf die christliche Ikonografie. Die ausgeprägt dargestellten Flossen und Zähne könnten ein Hinweis auf das im Meer lebende Ungeheuer „Säge“ sein, wie es der Physiologus beschreibt. 6 Möglich ist auch, das Motiv spielt auf die „filii Delphini“ an, die geistigen Söhne des Bischofs Delphinus. Ebenso könnte das Tier auf das Wortspiel „die Söhne großen Fisches Christus“ hinweisen und damit die Christen im Allgemeinen bezeichnen. 7 Ob eine dieser Interpretationen zutrifft und in welchem Maße, lässt sich schwer klären. Belegen lässt sich lediglich die Möglichkeit solcher Andeutungen. Auf diesem Motiv zeigt sich einer der Hinweise auf die Betonung des christlichen Hintergrundes und der Goldschmidt-Karten. Die Sonne (Abbildung siehe „Beziehungen zwischen Goldschmidt-Karten und „Guildhall wide“) leuchtet dem Betrachter auf dem entsprechenden Motiv förmlich entgegen. Sie ist umrahmt von vielen Strahlen und einem freundlichen Gesicht in der Mitte. An ihrem untersten Strahl hängt ein Tatzenkreuz, welches die Sonne mit einem grünen Dreiberg verbindet. Dieser Dreiberg steht auf einem Boden mit schwarz-weißen Quadraten, die ohne Perspektive übereinander vor dem goldgepunzten Hintergrund dargestellt sind. Jeder der drei Berge ist mit einem roten Buchstaben versehen, zu lesen als „M–A–C“. Die Sonne dieses Motivs erinnert an die Imprese der Strahlensonne der Visconti, wie beispielsweise im Visconti di Modrone. Auch der Dreiberg ähnelt den Erhebungen der Imprese

Abbildung 54: Der Falkner, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

Schönberger, Physiologus, Kapitel 39, S. 74–75. Delphin, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 3, Spalte 503.

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Abbildung 55: Das gekrönte Untier, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

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„Semprevivi“, die Francesco Sforza benutzt (Abbildung im Abschnitt „und das Visconti-SforzaSpiel“). Beide Details, die Sonne und die drei Erhebungen sind gestalterisch schon recht weit entfernt von den älteren Darstellungen dieser Impresen. Wie die Buchstabenfolge zu interpretieren ist, bleibt bis heute rätselhaft. Festzuhalten bleibt lediglich, der Buchstabe „M“ steht in einer bisher nicht definierten sprachlichen Form für Mailand. Auch dieses Motiv präsentiert demnach Hinweise auf die Herkunft des Spiels im Umfeld der Visconti oder deren Nachfolder der Sforza. Ein weiteres Motiv zeigt einen Bischof (Abbildung siehe „Beziehungen zwischen GoldschmidtKarten und „Guildhall wide“), zu erkennen an der Mitra und dem Krummstab in seiner rechten Hand. Die linke Hand hat er zu einer segnenden Geste erhoben. Er trägt ein Pluviale, dessen vorderer Rand reich mit Heiligenfiguren bestickt ist. Unter dem Umhang trägt er ein bodenlanges weißes Untergewand. Bei dieser Karte besonders auffällig ist die linke Längskante, wo Schriftzeichen zu erkennen sind und somit die Wiederverwendung des Pergamentes deutlich wird. Über der linken Hand der Figur ist ein kleines Ankerkreuz dargestellt, auf dessen Kreis ein dreiarmiges Pontifikalkreuz aufgesetzt ist. Bei dieser Karte besonders interessant ist die Darstellung des Schachbrettmusters des Fußbodens. Die Fluchtlinie der drei gänzlich sichtbaren übereinanderliegenden Quadrate laufen aus dem Motiv heraus. Hier treffen sie sich mit der Blickachse der Figur, die über die segnende Handgeste ebenfalls auf den Fluchtpunkt zuläuft. Vorstellbar ist demnach eine kniende Figur vor dem Bischof. Der Fluchtpunkt der Perspektive liegt dann etwa auf der Höhe des Scheitels dieser außenstehenden Figur. Die Betende kniet auf einer Betbank, die einen geschnitzten Sockel aufweist, welcher die Unterkante des Motivs bildet. Die Dame ist adelig gekleidet und trägt ein bodenlanges Gewand, einen gemusterten Umhang und eine Krone. Ihr Blick richtet sich auf ein aufgeschlagenes Buch in ihren Händen, in dem Schriftzeichen zu sehen sind. Hinter ihr steht eine deutlich einfacher gekleidete Frau, wohl eine Zofe, sie blickt über die Schulter der Herrin ebenfalls in das aufgeschlagene Buch. Die Zofe selbst hält ein geschlossenes Buch in ihren Händen. Auf diesem Motiv sind weder Anspielungen auf Impresen oder andere Erkennungszeichen zu se-

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hen, die Rückschlüsse erlauben. Lediglich das aufgeschlagene Buch, in das die beiden Frauen so konzentriert blicken, kann als Medium gesehen werden, das Informationen an die Frauen weiterleitet. Die aufgeschlagenen Seiten zeigen Schriftzeichen, jedoch keine Illustrationen. Der Kontext des Motivs lässt an religiöse Inhalte denken. Welcher Art diese Informationen sind, bleibt jedoch offen. Das folgende Motiv zeigt wieder das Schachbrettmuster, dessen Quadrate wie bei der Karte der „Sonne“ lediglich übereinandergelegt dargestellt sind. Es gibt eine adelig gekleidete Frau wieder, die ein goldgelbes gemustertes und bodenlanges Gewand trägt. Sie hält dem Betrachter ein Modell eines Klosters, eines städtischen Palazzo oder eines befestigten Castells mit großem Eingangstor entgegen. Damit präsentiert sie sich als Stifterin. Hinter ihr steht eine zweite Frau, ebenfalls gut gekleidet, sie hält die Schleppe der Stifterin in den Händen. Ein sehr schlanker Hund mit offensichtlich kurzem Fell und langer Schnauze steht halb verdeckt links neben der Stifterin und blickt freudig zu ihr nach oben. Die Linienführung im unteren Teil der Darstellung unterstreicht die Bedeutung des Modells. Am rechten Bildrand führt eine imaginär gezogene Linie über die Stirn und Schnauze des Hundes direkt auf das Modell zu. Eine weitere gedachte Linie führt im Bild links von der Trennlinie des Gewandes der Stifterin und ihrer Zofe über die mit grün abgesetzte Ärmelkante der Stifterin ebenfalls auf das Modell zu. Am großen Eingangstor des Modells treffen beide Linien aufeinander. Wie es scheint, ist die Stifterin im Begriff, ihre Stiftung in Form ihres Modells zu übergeben. Ihr Blick, der fest auf das Modell geheftet ist, unterstreicht diese Absicht. Die Darstellung folgt damit der christlichen Ikonografie, bei der die Opfergabe in Form eines Buches oder Architekturmodells an einen Höhergestellten übergeben wird. 8 Doch wem will sie ihre Stiftung überreichen? Ganz offensichtlich wird hier ein außenstehender Betrachter in das Bildgeschehen einbezogen, welcher der beabsichtigte Empfänger der Stiftung ist. Allerdings bleibt der Empfänger der Stiftung für die Stifterin selbst fremd. So ist denkbar, hier wird das Stifterwesen an sich gewürdigt oder auch die demütige Hingabe an höhere Institutionen, beispielsweise die Kirche.

Abbildung 56: Die Betende, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

Dedikationsbild, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 3, Spalte 491.

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Abbildung 57: Die Stifterin, Goldschmidt-Karten, Deutsches Spielkartenmuseum. Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

Anzumerken ist an dieser Stelle, dass das zu überreichende Modell eine gewisse Ähnlichkeit mit der Außenansicht des Kastells in Mailand und dem Wohnsitz der Herzöge Visconti und Sforza aufweist. Das Kastell ist erbaut mit einem dreistufigen Hauptturm in der Mitte, der über ein großes Tor verfügt. Die umlaufende Mauer wird von runden Seitentürmen unterbrochen. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, so bekräftigt diese Darstellung den engen Bezug der Goldschmidt-Karten zu den Karten des Museo Fournier de Naipes de Álava über das verbindende Element des Pergaments hinaus. Nähere Ausführungen hierzu siehe im Abschnitt „Ludovico Maria Sforza und die Karten des Museo Fournier de Naipes de Álava“. Doch wie so oft in Bezug auf die Tarocchi, bleibt auch hier die Aussage der Darstellung über die Beobachtung hinaus, offen. Auf dem Motiv des Kelch-As (Abbildung siehe „Beziehungen zwischen Goldschmidt-Karten und „Guildhall wide“) erscheint wieder ein schwarzweiß gekachelter Boden in Zentralperspektive, deren Fluchtlinien auf der Mitte der Kelchschale zusammenlaufen. Der dargestellte Kelch zeigt große Ähnlichkeit mit dem auf dem Kelch-As des Colleoni-Fragments. Über einem sechseckigen geschwungenen Fuß erhebt sich die ebenfalls sechseckige Kelchschale. Der ganze Kelch ist mit einem durchbrochenen Muster verziert, das mit Maßwerk vergleichbar ist. Aus der Kelchschale steigen zwei Fontänen aus roter Flüssigkeit auf, die seitlich zurück in die Kelchschale fließen. In der Mitte der Fontänen wird ein Pfeil hinaufgetragen. Um die schmale Stelle des Kelchfußes windet sich ein Uroboros, eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. Dieser Schlangenring ist in der antiken Literatur Symbol für die Zeit oder Ewigkeit und wird in der humanistischen Strömung im 15. Jahrhundert wieder aufgegriffen. 9 Damit passt die Darstellung in die Entstehungszeit der Tarocchi. Das Schwert-As (Abbildung im Abschnitt „Beziehungen zwischen Goldschmidt Karten und „Guildhall wide“) ist auf eigentümliche Weise dargestellt. Motivfüllend wird ein Schwert präsentiert an dessen Spitze am unteren Bildrand befindet sich eine Art Reichsapfel. In der unteren Bildhälfte ist an die blanke Schwertklinge ein Totenkopf gekettet, Uroboros, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 4, Spalte 408. 9

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der den Betrachter frontal ansieht. Die Parierstange bildet in etwa zwei Drittel die Horizontlinie des Motivs. Sie ist, wie auch der Knauf, kunstvoll gearbeitet und verziert. Vor den Schwertknauf sind zwei gekreuzte Knochen dargestellt. Denkbar ist eine Aussage des Motivs, Schwert und Tod seien untrennbar verbunden. Wie diese Beschreibungen deutlich machen, unterscheiden sich die Motive erheblich von dem üblichen Kanon der Tarocchi. Sie zeigen nur ein einziges Wappen, das bisher nicht identifiziert werden kann. Die Motive enthalten für den heutigen Betrachter allenfalls subtile Einflechtungen, die nur schwer zu interpretieren sind. Allerdings ist es möglich, den Rahmen der Goldschmidt-Karten zu erweitern und aus diesem erweiterten Kontext weitere Erkenntnisse zu erzielen.

12.1.2 The Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards Diese vier Tarocchi wurden ehemals im Guildhall Library in London aufbewahrt. Inzwischen wurden die Karten in die London Metropolitan Archives verbracht, sie sind im Besitz der Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards mit der Signatur aquisitation No. 507. Auf der Internetseite der Gesellschaft sind die Karten in guter Qualität zu ersehen. 10 Allerdings sind diese Abbildungen durch die Namensänderung schwierig aufzufinden. Diese Reproduktionen zeigen einen recht guten Erhaltungszustand der Karten, die Ränder sind gerade und kaum aufgebrochen. Gleichwohl wellen sich die Karten stark und an einigen Stellen blättert die Farbauflage auf. Ein Nagelloch fehlt diesen Karten. Der Bezeichnung „Guildhall Library Tarocchi Cards“ entstammt der Internetseite „The World of Playing Cards“ 11, wo auch alle vier Karten ebenfalls digital, aber in mäßiger Qualität betrachtet werden können. Diese Abbildungen sind im Internet leichter aufzufinden. Als Arbeitsbegriff und zum leichteren Auffinden der Karten in der weiteren Literatur wird diese Bezeichnung übernommen. Die im Folgenden darüber hinaus verwendeten Bezeich10 11 12

Abbildung 58: Die „Welt“, „Guildhall narrow“. London Metropolitan Archives. The collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, London. Reproduced with kind permission.

nungen „Guildhall narrow“ (141 � 66 mm) und „Guildhall wide“ (138 � 72 mm) prägte Michael Dummett in Anlehnung an die Maße der beiden Kartenpaare. 12 Auf allen Abbildungen wird der Größenunterschied beider Kartenpaare allerdings

WCMPC Collection Acquisition, In: http://www.playingcardmakerscollection.co.uk/Cardhtml/W0507.html (acc. 2. 9. 2021). Perspectives on Tarot, In: https://www.wopc.co.uk/tarot/index (acc. 31.1. 2020). Dummett, The game of Tarot, S. 72–73 noo 14 und S. 73 noo 15.

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Abbildung 59: Bogenschütze, „Guildhall narrow“. London Metropolitan Archives. The collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, London. Reproduced with kind permission.

kaum deutlich. Die Gestaltung der Karten entfernt sich bei zwei Motiven vom üblichen Kanon der Tarocchi, was im Detail noch zu besprechen sein wird.

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12.1.2a „Guildhall narrow“ Bei der Gegenüberstellung der Maße der Goldschmidt-Karten 137 � 65 mm 13 und der beiden Karten „Guildhall narrow“ 138 � 66 mm lässt sich schon anhand des ungewöhnlich kleinen Formats der Karten vermuten, diese Fragmente stammen ursprünglich aus einem Spiel. Nach Auskunft der Leiterin des Deutschen Spielkartenmuseums Frau Dr. Köger in Leinfelden-Echterdingen gehören diese beiden Fragmente tatsächlich zusammen. 14 Das Motiv der „Welt“ bei „Guildhall narrow“ entspricht recht genau dem Motiv des Visconti Sforza-Spiels, zwei Putti halten eine runde Scheibe in die Höhe, auf der das Bild einer befestigten Stadt gezeigt ist. Michael Dummett merkt allerdings an, dass das Motiv im Vergleich zum Visconti-SforzaSpiel seitenverkehrt dargestellt ist. 15 Der goldgepunzte Hintergrund zeigt liegende Quadrate mit diagonalen Innenlinien. Gleichwohl verdeutlicht dieses Motiv die Nähe beider Spielfragmente zueinander und rückt damit auch die GoldschmidtKarten einmal mehr in das Umfeld der Visconti oder Sforza. Bei der zweiten Karte des Paares von „Guildhall narrow“ handelt es sich um einen Schützen mit Armbrust, der dem Betrachter frontal gegenübersteht. Er ist umgeben von Pflanzen, die ihm Deckung geben. Mit seinem Pfeil zielt er auf einen Vogel in der rechten unteren Bildecke. Die Darstellung dieses Vogels ähnelt auffallend jenen von Reihern im Stundenbuch der Visconti, 16 ebenso wie den Vögeln auf dem Kelch-As des Alessandro-SforzaSpiels. Der goldgepunzte Hintergrund zeigt liegende, gemusterte Quadrate. In der linken oberen Bildecke, über der rechten Schulter des Schützen erhebt sich ein Stab mit Austrieben, wie dieser auch bei der Stab-5 der Goldschmidt-Karten dargestellt ist. Bei diesem Detail ist anzunehmen, es handelt sich um das Symbol der Spielkartenfarbe. Zu diesen beiden Fragmenten lässt sich möglicherweise ein Münz-Bube einreihen, der mit den Maßen 140 � 65/66 mm auffallend klein ist und fast den Maßen der Goldschmidt-Karten und dem Paar „Guildhall narrow“ entspricht. Diese Karte befindet sich nach letzten Informationen im Privatbesitz von

Eigene Messung bei Sichtung der Karten. Mündliche Auskunft von Frau Dr. Köger am 16. 05. 2018 bei einem Besuch des Deutschen Spielkartenmuseums. Dummett, The game of Tarot, S. 73, no 15. Vgl. hierzu Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 151 und LF 41.

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Francesco Andrioletti in Mailand und ist damit der Öffentlichkeit entzogen. Das Motiv zeigt einen Buben mit großem Hut, gekleidet in einen Umhang, dessen Muster an die Visconti-Strahlensonne erinnert. Er hält in seiner rechten Hand eine Münze noch. Das Motiv entspricht dem des Visconti-Sforza Münz-Buben, ist jedoch seitenverkehrt dargestellt. Weitere Einzelheiten sind auf der einzigen verfügbaren schwarz-weiß Abbildung bei Stuart Kaplan nicht zu erkennen. 17 12.1.2b „Guildhall wide“ Das weitere Paar der Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, die sogenannten „Guildhall wide“. Sie sind mit dem Maßen 138 � 72 mm sichtlich breiter als das schmale Paar. Ihre Größe passt zu keinem weiteren erhaltenen Fragment der Tarocchi. Ein Motiv zeigt ein Kelch-As (Abbildung im Abschnitt Beziehungen zwischen GoldschmidtKarten und „Guildhall wide“), das durchaus Ähnlichkeit mit dem Motiv der Goldschmidt-Karten zeigt. Auf einem schwarz-weiß gekachelten Boden steht ein Kelch mit geschwungenem, sich verjüngendem Fuß mit vier Ausläufern und einer sechseckigen Kelchschale. Die Verzierung der Kelchoberfläche gleicht steinernem Maßwerk, wenn auch grober, als bei dem Goldschmidt-Motiv. Hinter der schmalen Stelle des Kelchfußes ist ein Spruchband mit gewundenen Enden, aber ohne Beschriftung dargestellt. Aus der Kelchschale entsteigen zwei rote Fontänen, in deren Mitte ein Pfeil hinaufgetragen wird. Neben der rechten Fontäne oben in der Bildecke ist ein kleines Schwert dargestellt, neben der linken Fontäne ein kleiner Anker. Das Schwert-As (Abbildung im Abschnitt Beziehungen zwischen Goldschmidt-Karten und „Guildhall wide“) zeigt in der oberen Bildhälfte eine Sonne mit zahlreichen Strahlen und einem freundlich lächelnden Gesicht. Darüber finden sich drei rote Buchstaben „M–I–A“, wahrscheinlicher aber „M–C–A“, da sich über dem mittleren Buchstaben ein Abkürzungsstrich erkennen lässt. (Anmerkungen zu den Buchstaben siehe auch Abschnitt „Die Monogramme einiger Spielfragmente“) Die untere Bildhälfte wird bestimmt durch die Darstellung eines Schwertes mit reich verzierter Parierstange und Schwertknauf. Um die Schwertklinge schlän17

gelt sich ein Uroboros und um die Parierstange windet sich ein Schriftband mit der Aufschrift „vim vi“ (ausführliche Beschreibung und Interpretation des Motivs findet sich im Abschnitt „Das SchwertAs“). Die unteren Strahlen der Sonne berühren den Schwertknauf, dieser Übergang markiert etwa die Horizontlinie des Motivs.

12.1.3 Beziehungen zwischen Goldschmidt-Karten und „Guildhall wide“ Bei den beiden Karten „Guildhall wide“ handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um verworfene Motive für die Goldschmidt-Karten. Eine ganze Reihe auffälliger und einzigartiger Gestaltungsdetails sprechen hierfür. Bei einer Gegenüberstellung der Motive werden die Gemeinsamkeiten der Darstellungen deutlich: Zunächst fällt beim Kelch-As der GoldschmidtKarten und der „Guildhall wide“ die Ähnlichkeit des Schachbrettmusters am Boden ins Auge. Ebenso ist die Gestaltung des Kelches sehr gleichartig, auch die Verzierung, die wie steinernes Maßwerk wirkt. Die Darstellung der aus der Kelchschale aufsteigenden Fontänen ist identisch, lediglich der kleine Anker und das Schwert in den Bildecken des „Guildhall wide“ Kelch-As fallen beim Goldschmidt-Motiv weg. Der Anker findet sich auf dem Motiv des Bischofs der Goldschmidt-Karten wieder. Das Spruchband um den Kelchfuß bei „Guildhall wide“ weicht dem Uroboros der Goldschmidt-Karte. Dieses Gestaltungsdetail ist nur in diesen beiden Spielfragmenten dargestellt. Es war dem Auftraggeber offenbar derart wichtig, dass es im Spiel erhalten bleiben musste. Etwas komplexer gestalten sich die Entsprechungen der Darstellungsdetails beim Schwert-As der „Guildhall wide“ in Bezug auf die GoldschmidtKarten. Das Schwert der „Guildhall wide“ findet sich in nahezu identischer Gestaltung auf dem SchwertAs der Goldschmidt-Karten wieder, besonders auffällig ist die gleiche Verzierung an der Parierstange und dem Schwertknauf. Auch die Gestaltung der Sonne mit den zahlreichen Strahlen und dem Gesicht in ihrer Mitte ist in den Goldschmidt-Karten und „Guildhall wide“ einzigartig und übereinstimmend. Die Buchstabenfolge „M–A–C“ auf dem

Dummett, The game of Tarot, S. 73 no 18; Kaplan, Encyclopedia I, S. 105.

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Abbildung 60: Bischof, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

Abbildung 62: Kelch-As, „Guildhall wide“. London Metropolitan Archives. The collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, London. Reproduced with kind permission.

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Abbildung 63: Kelch-As, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

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Abbildung 61: Sonne, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

Abbildung 64: Schwert-As, „Guildhall wide“. London Metropolitan Archives. The collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, London. Reproduced with kind permission.

Abbildung 65: Schwert-As, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

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Motiv der „Sonne“ der „Guildhall wide“ findet sich in nur leicht veränderter Reihenfolge „M–C–A“ auf der „Sonne“ der Goldschmidt-Karten wieder. Weshalb die Motive der „Guildhall wide“ verworfen wurden, lässt sich nur vermuten. Möglicherweise missfiel dem Auftraggeber das Format. Oder er akzeptierte die Gestaltung der Motive nicht. Eventuell waren die „Guildhall wide“ auch lediglich künstlerische Entwürfe zur Vorlage bei dem Auftraggeber. Wie auch immer sich der Bezug gestaltet, die gemeinsam und alleinig in diesen beiden Spielfragmenten vorkommenden Details machen die Nähe beider Spielfragmente deutlich. Bereits im vorigen Abschnitt wurde ausgeführt, dass die Goldschmidt-Karten und die Karten „Guildhall narrow“ zusammengehören. Überdies wurden die beiden Kartenpaare „Guildhall narrow“ und „Guildhall wide“ zusammen in einer Truhe in Sevilla gefunden. 18 Das kann nur bedeuten, dass auch diese beiden Paare einen engen Bezug zueinander und eine gemeinsame Aufbewahrung aufweisen. Infolgedessen gehören wohl alle drei Spielfragmente in irgendeiner Weise zusammen. Das Goldschmidt-Guildhall-Fragment besteht demnach aus 13 Karten und zwei verworfenen Motiven. Es enthält alle vier italienischen Spielfarben Stäbe (Stab-5 der Goldschmidt-Karten und Bogenschütze der „Guildhall narrow“), Schwerter (Schwert-As, Goldschmidt), Kelche (Kelch-As, Goldschmidt) und Münzen (Münz-Bube, Andrioletti). Darüber hinaus entsprechen die Motive Münz-Bube und der „Welt“ bei „Guildhall narrow“ dem Visconti-Sforza-Spiel. Die übrigen Motive zeigen eine Eigenständigkeit in der Gestaltung. Eine besondere Betonung der christlichen Ikonografie findet sich übergroß in den Goldschmidt-Motiven der Bischof, die Betende und die Stifterin. Diese drei Karten gehören sehr wahrscheinlich in die Trumpfreihe des Spiels. All diese aufgeführten Argumente weisen auf eine Persönlichkeit im Umfeld der Visconti oder der Sforza. Wahrscheinlich lebt diese Person jedoch abseits der Herrscherlinie, denn ein Herrscher oder Herzog hätte seine Insignien deutlich in die Karten einarbeiten lassen. Darüber hinaus lassen die feine

Ausführung der Goldschmidt-Karten auf ein sehr junges Spiel innerhalb der Reihe der Tarocchi schließen und damit rücken die Sforza in den Blickpunkt. Aufgrund der Betonung der kirchlichen Szenen und der christlichen Religion soll im Folgenden untersucht werden, ob Ascanio Maria Sforza als Besitzer dieser Tarocchi in Frage kommt.

12.1.4 Kardinal Ascanio Maria Sforza Ascanio Sforza erblickte als fünfter Sohn von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza im Jahr 1455 das Licht der Welt. Bereits im Alter von zehn Jahren wurde er in die kirchliche Laufbahn gebracht und zunächst zum Abt der Abtei in Chiaravalle ernannt. Kurz darauf wurde er als apostolischer Pronotar berufen. Schon in jungen Jahren entwickelte er seine Leidenschaft für die Jagd und das Reiten, offenbar war Ascanio Sforza später auch dafür bekannt mit Hunden zu jagen und diese für die Jagd abzurichten. 19 Er scheint Gefallen am Spiel gefunden zu haben, denn 1467 musste ihm sein Bruder und Herzog Galeazzo Maria Sforza das Spielen verbieten. 20 Welcher Art von Spiel Ascanio verfallen war, wird allerdings nicht genannt. Nach dem Aufstand der Sforza-Brüder im Jahr 1477 gegen die Regentschaft von Bona von Savoyen wurde Ascanio Sforza nach Perugia verbannt. Er zeigte schon früh politisches Geschick und Interesse am Erhalt des Herzogtums Mailand, das sein Schicksal später eng an das seines Bruders Ludovico binden sollte. Seine Ernennung zum Kardinal 1484 mehrte das gesellschaftliche Ansehen der Familie Sforza erheblich. Darüber hinaus hatten die Sforza und damit Ludovico Sforza als Herzog nun einen direkten Fürsprecher für ihre Belange im Vatikan. 1492 starb Papst Innozenz III. Im folgenden Konklave fiel nach mehreren erfolglosen Wahlgängen Kardinal Sforza eine Schlüsselrolle zu, da er einige Stimmen des Konklaves steuern konnte. Kardinal Rodrigo Borgia buhlte mit viel Geld und anderen Gütern um die Gunst von Ascanio Sforza. Der Spanier wurde schließlich zum Papst gewählt

Dummett, The game of Tarot, S. 73, no 15. 19 Wesentliche Informationen schöpfen diese Ausführungen auch im Weiteren aus: Pellegrini, Sforza, Ascanio Maria, in: Instituto della Enciclopedia Italiana (Hg.): Dizionario Biografico degli Italiani. 20 Schelle, Die Sforza, S. 136. 18

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und nahm den Namen Alexander VI an. Zum Dank für die Wahlhilfe ernannte Papst Alexander VI Kardinal Sforza zum Vizekanzler der Kirche, damit wurde Ascanio Sforza zum mächtigsten Kardinal im Vatikan. 21 Er war auf dem Zenit seiner Macht angelangt. Im gleichen Jahr schmiedete Herzog Ludovico Sforza für Mailand das Bündnis mit dem französischen König Karl VIII. Durch dieses Bündnis wollten beide Parteien das Haus Aragon und damit die Krone von Neapel daran hindern, durch die Witwe von „il Duchetto“ Isabella von Aragon weitere Ansprüche auf Mailand stellen zu können. Als sich Papst Alexander VI im Sommer 1493 mit seinem Kontrahenten der Papstwahl Giuliano della Rovere versöhnte, büßte Ascanio Sforza erheblichen Einfluss im Vatikan ein. 22 Nun begann eine unruhige Zeit für den Sforza-Kardinal, denn die politischen Wirren und wechselnden Bündnisse in Italien beeinflussten auch seine Geschicke. Je nach Bündnis oder Gegnerschaft hatte er mehr oder weniger Einfluss im Vatikan. Der erste Einmarsch der Franzosen von König Karl VIII konnte von der Liga gegen Mailand, zu der auch der Papst gehörte, bei Fornovo 1495 zurückgedrängt werden. Der Einfluss von Alessandro Sforza im Vatikan schwächte sich jedoch weiter ab. Ein weiteres richtungsweisendes Ereignis für das Herzogtum Mailand war der Tod des französischen Königs Karl VIII im Jahr 1498. Sein Nachfolger König Ludwig XII erhob aus dem Testament des Gian Galeazzo Visconti die Erbansprüche seiner Großmutter Valentina Visconti auf das Herzogtum Mailand. In dieser für Mailand politisch schwierigen Lage kehrte Ascanio im Herbst 1499 nach Mailand zurück. Er wollte seinem Bruder Ludovico beistehen und das Herzogtum für die Sforza bewahren. Das Schicksal der beiden Brüder war nun auf das Engste verknüpft. Im folgenden Jahr begann die zweite französische Invasion in Italien und König Ludwig XII marschierte auf Mailand zu. Ascanio und Ludovico retteten sich an den habsburgischen Hof zu Kaiser Maximilian I nach Innsbruck, während Ludwig XII feierlich in Mailand Einzug hielt. 23

Daraufhin ritt Ascanio Sforza im Januar 1500 durch Tirol nach Feldkirch im Vorarlberg und weiter rheinaufwärts nach Chur, um weitere Soldaten zu rekrutieren. Er überquerte mit seinen neu gewonnenen Truppen im Winter die verschneiten Alpenpässe und erreichte Anfang Februar den Comer See. Vor der Stadt Como trafen sie auf ein französisches Heerlager, das den Weg weiter nach Süden Richtung Mailand versperrte. Ascanio entschloss sich zum Angriff auf die Franzosen. Ludovico kam Ascanio von Süden her zu Hilfe und sie schafften es, die Franzosen zurückzuschlagen. Damit war der Weg nach Mailand frei, wo die Bevölkerung die französischen Besatzer ebenfalls aus der Stadt vertrieben hatte. Ludovico kehrte als Herzog nach Mailand zurück, bei dem Fest nach dem triumphalen Einzug las Kardinal Sforza eine feierliche Messe. Ascanio übernahm anschließend die Verwaltung von Mailand, während Ludovico ausritt, um weitere Soldaten anzuwerben mit dem Ziel, die Franzosen endgültig aus dem Herzogtum verjagen zu können. Im Kastell zu Mailand hatten sich jedoch einige Franzosen verschanzt. Das Kastell aber war uneinnehmbar, dafür hatten Ludovicos letzte Bauarbeiten gesorgt. Die französischen Scharmützel zermürbten die Bevölkerung und lähmten die Stadt. Nachdem Ludovico mit seinen neugewonnenen Truppen die Stadt Novara eingenommen hatte und gefangengenommen wurde, schickte Ascanio die beiden Söhne Ludovicos in die Obhut von Kaiser Maximilian I. Indem er die Erben Ludovicos in Sicherheit brachte, sorgte Ascanio für die Rückkehr der Sforza nach Mailand vor. Dann entschloss auch er sich Mailand zu verlassen und versuchte an einen sicheren Ort zu entkommen. Auf seiner Flucht wurde er jedoch im April 1500 von der Republik Venedig gefangen genommen. In den Händen Venedigs erfuhr er, dass die Franzosen Mailand wieder eingenommen hatten und das Herzogtum Mailand für die Sforza verloren war. Anschließend wurde er nach Venedig gebracht, bevor er dem französischen König Ludwig XII ausgeliefert wurde. 24 Ascanio Sforzas Gefangenschaft in Frankreich gestaltete ich im Vergleich zu der seines Bruders

Schelle, Die Sforza, S. 167 und 205. Schelle, Die Sforza, S. 170. 23 Schelle, Die Sforza, S. 230–238 und 324. 24 Die Ereignisse um die letzte Phase der Sforza in Mailand schildert eindrücklich Zitzlsperger, Deus dedit, deus abstulit, in: Arne Karsten (Hg.): Jagd nach dem roten Hut, S. 14–18. 21

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Abbildung 66: Nubia raggiante, Säulenkapitell Cortile ducale Castello Sforzesco, Mailand. Foto: Sabine Abele-Hipp

recht angenehm. An den französischen Hof gebracht, wurde er zunächst unter Hausarrest gestellt. Er erwarb sich jedoch die Sympathie von König Ludwig XII und wurde sogar königlicher Jagdbegleiter. 25 Als im Jahr 1503 Papst Alexander VI starb, war Kardinal Sforza verpflichtet nach Rom zu reisen und am Konklave teilzunehmen. Aufgrund des Versprechens gegenüber dem französischen König seine Stimme dem französischen Kardinal Georges d’Amboise zu geben, wurde er freigelassen und nach Rom entsandt. Doch Ascanio Sforza hatte selbst die Absicht Papst zu werden und sammelte im Konklave zunächst Stimmen für sich. Dieses Vorhaben gab er erst auf, als sich Giuliano della Rovere als Favorit abzeichnete. Um seinen Kontrahenten als Papst zu verhindern, begann er mit Diplomatie und Bestechungen das Konklave zu domi-

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nieren. Es gelang ihm, dass der alte und kranke Francesco Todeschini Piccolomini zum Papst Pius III gewählt wurde. Sein Versprechen gegenüber dem französischen König seine Stimme Kardinal d’Amboise zu geben, hatte er gleichwohl gehalten. 26 Das Jahr 1503 sollte ein Jahr mit drei Päpsten werden, denn Pius III starb im Oktober nur knapp vier Wochen nach seiner Wahl. 27 Im folgenden Konklave rechnete sich Ascanio Sforza noch einmal Chancen aus, zum Papst gewählt zu werden. Schnell musste er jedoch feststellen, dass sich Giuliano della Rovere wieder als Favorit herauskristallisierte. Dieser wurde schließlich am 1. November 1503 zum Papst Julius II gewählt. 28 Ascanio Sforza starb noch vor seinem Bruder Ludovico nach kurzer schwerer Krankheit am 28. Mai 1505. Papst Julius II ließ ihm in der Kirche S. Maria del Popolo in Rom ein monumentales Grabmal errichten, 29 das noch heute zu bewundern ist. Kardinal Ascanio Maria Sforza führte als Imprese die „Nubia raggiante“, eine nach oben gebogene sichelförmige Wolke in Regenbogenfarben. Sie ist umrahmt von einem stilisierten muschelförmigen Wolkensaum, jenem auch bei der „Hand Gottes“ benutzten Stilmittel, um Erde und Himmel bildlich voneinander zu trennen. Auf dem roten Hintergrund sind Strahlen dargestellt, wie sie sich bereits in den frühen Impresen der Visconti finden. Sein Kardinalswappen besteht aus dem Kardinalshut mit den seitlich herabhängenden fünfzehn Knoten. Unter dem Hut befindet sich ein gevierteltes Wappenschild auf dem abwechselnd die Visconti-Schlange und der schwarze kaiserliche Adler zu sehen ist. Auf das Wappenschild ist ein Kardinalskreuz mit zwei Querbalken aufgesetzt und darunter weht ein Spruchband. Beide Insignien sind an den Seiten seines Grabmals auf der Tafel mit Inschrift am Sockel eingearbeitet. Für zwei Ziele hatte Ascanio Sforza in den letzten Jahren seines Lebens mit aller Kraft gekämpft: Sein persönliches Ziel war die eigene kirchliche Laufbahn als Papst zu krönen. Er erlebte drei Kon-

Zitzlsperger, Deus dedit, deus abstulit, in: Arne Karsten (Hg.): Jagd nach dem roten Hut, S. 20. Zitzlsperger, Deus dedit, deus abstulit, in: Arne Karsten (Hg.): Jagd nach dem roten Hut, S. 23. Schelle, Die Sforza, S. 324. Zitzlsperger, Deus dedit, deus abstulit, in: Arne Karsten (Hg.): Jagd nach dem roten Hut, S. 24. Zitzlsperger, Deus dedit, deus abstulit, in: Arne Karsten (Hg.): Jagd nach dem roten Hut, S. 27.

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klaven und nahm dort reichlich Einfluss, trotzdem verfehlte er seine eigene Wahl zum Papst. Die Wiedergewinnung des Herzogtums Mailand und die Wiedereinsetzung seines Bruders Ludovico als Herzog war die weitere politische Perspektive, für die er kämpfte. Auch dieses hart umkämpfte Ziel erreichte Ascanio für seinen Bruder nicht. Alle seine ambitionierten Pläne, für die er so viel Energie aufwendete, scheiterten an den politischen Umständen der Zeit.

12.1.5 Die Goldschmidt-Karten und Kardinal Ascanio Sforza Der Bezug der Goldschmidt-Karten zu den Visconti wird in den Motiven der „Sonne“ durch die stilisierte Imprese der Visconti-Strahlensonne und Ähnlichkeiten in den Motiven der „Welt“ und des Münz-Buben deutlich. Die Ausführung der feinen Gestaltung der Karten ist Ausdruck für ein sehr junges Spiel der Tarocchi. Obwohl die Insignien von Kardinal Ascanio Maria Sforza sowohl in den Goldschmidt-Karten, als auch in den Guildhall Library Tarocchi Cards fehlen, sind es insbesondere die Darstellungen der Goldschmidt-Karten in Tradition der christlichen Ikonografie, wie der Bischof, die Betende oder die Stifterin, die an ihn als Besitzer denken lassen. Er war einer der letzten Vertreter der Sforza-Dynastie, was zur Einschätzung eines jungen Spiels der Tarocchi passt. Sollte dieses Spiel tatsächlich für ihn angefertigt worden sein, so wurde es sicherlich mit Wissen, Billigung oder der Einwilligung von dem Herzog Ludovico Sforza in Auftrag gegeben worden. Als Zeitspanne lassen sich die Jahre zwischen 1492 und 1500 vermuten. Nach der Papstwahl 1492 hatte Ascanio Sforza als Vizekanzler im Vatikan zunächst genug Machtfülle, um Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen. Als er an Einfluss einbüßte, kämpften die beiden Brüder gemeinsam um den Erhalt des Herzogtums Mailand für die Sforza. Die Eroberung Mailands durch die Franzosen und die Gefangennahme Ludovicos beendeten jedoch die Macht der Sforza. Dieser Zeitpunkt setzt damit auch den „terminus ante quem“ für die Entstehung für die Goldschmidt-Karten. Die spektralanalytische Untersuchung datiert die Goldschmidt-Karten recht grob 30

in die Mitte des 15. Jahrhunderts. Wenn auch die Eingrenzung des Entstehungszeitraumes anhand der Biografie Ascanio Sforzas und der politischen Ereignisse einerseits und die Einschätzung des Alters der Goldschmidt-Karten anhand der spektralanalytischen Untersuchung andererseits nicht gänzlich übereinstimmen, ergibt sich doch recht nahe beieinanderliegende, sich ergänzender Zeitraum für die Entstehung des Spielfragments. Die Tatsache, dass das Spiel nicht für einen Herzog angefertigt wurde, erlaubt eine gewisse Freiheit in der Motivgestaltung, die die eigenwilligen und einzigartigen Darstellungen der Motive erlaubten. Eine ähnliche Arbeitsweise lässt sich beispielsweise auch in den Karten des Bartolomeo Colleoni erkennen. Auch Ascanio Sforzas Leidenschaft für die Jagd könnte sich im Motiv des Bogenschützens widerspiegeln. Ebenso könnte auch seine Hingabe für das Abrichten von Hunden auf dem Motiv des Falkners und der Betenden repräsentiert sein. Darstellungen von Hunden fehlen in den anderen erhaltenen Spielfragmenten, obwohl die Leidenschaft für Hunde schon früh für die Visconti belegt ist. Lediglich eine weitere Darstellung eines Hundes erscheint in den weiteren Spielfragmenten: Der kleine Hund zu Füßen der Braut auf dem Motiv der „Liebenden“ im Visconti di Modrone. Darstellungen von kleinen Hunden auf Bildern von Verlöbnissen, bei Ehepaaren oder auf Portraits zu Füßen der Dame sind auf Gemälden im 15. Jahrhundert und auch später als Symbol für Gattentreue anzusehen, 30 was im Kontext der „Liebenden“ im Visconti di Modrone durchaus passend erscheint. Ein einmaliges Gestaltungsdetail in den erhaltenen Tarocchi ist als gewichtiger Hinweis auf Ascanio Sforza zu sehen: Das Ankerkreuz mit dem aufgesetzten Pontifikalkreuz in der rechten oberen Bildecke des Motivs des Bischofs. Wie bereits erwähnt, finden sich in den Goldschmidt-Karten und den Guildhall Library Tarocchi Cards alle italienischen Farbsymbole eines Kartenspiels wieder, sodass dieses Ankerkreuz nicht als Spielfarbe gedeutet werden kann. Der Anker gilt den Christen als Sinnbild des Glaubens und als Zeichen der Hoffnung, das Ankerkreuz stellt die Hoffnung auf eine Verbindung zum gekreuzigten Christus dar. Als Attribut der Tugend „spes“, der Hoffnung gewinnt der Anker im

Dittrich/Dittrich, Lexikon der Tiersymbole, S. 227 und 232–235.

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15. Jahrhundert an Bedeutung. 31 Das Symbol Hoffnung zeichnet sich in dem Detail deutlich ab. Nun ist aber dem Ankerkreuz ein Kreuz mit drei Querbalken, also ein Pontifikalkreuz aufgesetzt. Spiegelt dieses Pontifikalkreuz Ascanio Sforzas Hoffnung selbst Papst zu werden wider? Dann wäre Kardinal Ascanio Sforza symbolhaft auf dieser Karte selbst dargestellt. Und schließlich wäre dann das Motiv des Bischofs wohl als der „Papst“ der Trumpfreihe anzusehen, der sich wie selbstverständlich in die Motive der Trümpfe einfügt. So bleibt am Ende dieses Abschnitts die Frage noch einmal aufzugreifen, weshalb die beiden Motive der „Guildhall wide“ wohl als verworfen anzusehen sind. Als Schlüsselkarte für die Antwort erweist sich das Schwert-As. Der Uroboros ist im 15. Jahrhundert, Zeichen eines unendlichen Kreislaufes, Symbol für die Zeit, die Ewigkeit und auch für die Auferstehung nach dem Tod. 32 Um die Schwertklinge geschlungen mag damit der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, alle durch das Schwert Getöteten werden irgendwann wieder auferstehen. Zusammen mit dem „vim vi“, das eigene Recht und gegebenenfalls sich selbst zu verteidigen, könnte aus diesem Motiv gelesen werden: Es wäre legitim alle Gegner in einem als gerecht angesehenen Kampf mit dem Schwert zu töten, denn sie würden ja wieder auferstehen. Für einen Kardinal, der christlichen Werten verpflichtet war und zu dessen „Alltagsrepertoire die Hofetikette und Destinktion“ 33 gehörten, wäre eine solche Aussage unpassend und zu kriegerisch. Deshalb wird der Uroboros auf das Kelch-As der heutigen GoldschmidtKarten übertragen, das Symbol der Ewigkeit verbindet sich auch passend dort mit dem Zeichen des Jungbrunnens. Es ist ungewöhnlich genug, dass Ascanio Sforza als Kardinal in den letzten Kämpfen um das Herzogtum in seiner Verzweiflung selbst zu den Waffen griff, in der Hoffnung die Macht der Sforza erhalten zu können. Aber das Motto „vim vi“ auf den Karten darzustellen, offenbart diese Haltung allzu deutlich und musste entfernt werden.

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Das Schwert-As der Goldschmidt-Karten mildert diese kriegerische Aussage erkennbar ab. Noch immer wird das Schwert mit dem Tod verbunden, wie der an die Schwertklinge gekettete Totenkopf zeigt. Auch die gekreuzten Knochen über dem Schwertgriff wirken für den heutigen Betrachter makaber. Ein damaliger Betrachter aber wird daraus andere Schlüsse gezogen haben. Sowohl der Totenkopf als auch die gekreuzten Knochen sind jedoch mit dem Tod und folglich mit Sterblichkeit und Vergänglichkeit 34 in Verbindung zu bringen und damit beim Schwert passend platziert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, die Goldschmidt-Karten und die Guildhall Library Tarocchi Cards gehören höchstwahrscheinlich zu einer Kartengruppe mit den Goldschmidt-Karten und den „Guildhall narrow“ als ein Spiel von Tarocchi. Die Karten „Guildhall wide“ gehören als verworfene Entwürfe ebenfalls in diese Kartengruppe. Kardinal Ascanio Sforza als Besitzer dieser Kartengruppe ist sehr gut vorstellbar, denn in den erhaltenen Karten sind einige Bezüge zu seiner Biografie auszumachen. Ein weiteres Argument spricht für die enge Beziehung der Tarocchi von Ludovico Maria Sforza mit den Goldschmidt- und Guildhall-Karten. Denn bei diesen beiden Spielen wurde Pergament verwendet. Neueste Forschungen des Museo Fournier de Naipes de Álava belegen die Verarbeitung von erstverwendetem Pergament mindestens in der Deckschicht der Karten von Ludovico Maria Sforza. (Vgl. hierzu Abschnitt Museo Fournier de Naipes de Álava „Das Spielfragment“). Bei den Goldschmidt-Karten zeigt der Bischof zweitverwendetes und beschriftetes Pergament. Dem Herzog selbst gebührte wohl die Verwendung von neuem Pergament für sein Spiel der Tarocchi. Für den zweiten Mann im Herzogtum Mailand und Bruder des Herzogs genügt sozusagen bereits beschriftetes Pergament. Dieses für Spielkarten außergewöhnliche Material bezeugt die räumliche, wie auch die zeitliche Nähe beider Spielfragmente.

Anker, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 1, Spalte 119. Uroboros, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 4, Spalten 408–409. Zitzlsperger, Deus dedit, deus abstulit, in: Arne Karsten (Hg.): Jagd nach dem roten Hut, S. 20. Totenkopf, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 4, Spalte 343.

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12.2 „Tarot dit de Charles VI“ 12.2.1 Das Spielfragment Die Schreibweise der Bezeichnung unterscheidet sich von einigen älteren Bezeichnungen dieses Spielfragments. Sie wurde von der Bibliothèque nationale de France übernommen, die dieses 17 Karten umfassende Spielfragment aufbewahrt. Dorthin gelangte es im Jahr 1711 mit der Sammlung des Gelehrten Roger de Gaignières. 35 Beschrieben wurde dieses Spielfragment in der Literatur bereits 1698, als es sich noch in der Sammlung Gaignières befand. 36 Erstaunlicherweise wird die Bezeichnung dieses Fragments nicht, wie sonst üblich mit dem ehemaligen Besitzer in Verbindung gebracht. Aus dem Jahr 1392 stammt ein Kassenbeleg in den Rechnungsbüchern von König Charles VI von Frankreich mit einer Zahlung an den Maler Jacquemin Gingonneur, um für den König drei Kartenspiele herzustellen. 37 Aufgrund dieser Notiz schlug der französische Historiker und Sammler von Büchern und Spielkarten Constant Leber im Jahr 1842 vor, in diesen Spielkarten jene zu sehen, die von Charles VI bei Gringonneur in Auftrag gegeben wurden. 38 Diese Annahme stellte sich zwar als Fehleinschätzung heraus, denn es ließ sich keine Verbindung zwischen den Karten und dem Quellenbeleg finden. Zudem schätzte Robert Steele den bezahlten Betrag für drei Spiele von „trionfi“ als zu gering ein. 39 Dennoch blieben diese Karten lange mit dem Namen Gringonneur verbunden, nur langsam verliert sich in der Literatur diese Bezeichnung. Ebenso bleibt die namentliche Verbindung zu König Charles VI bestehen, denn die Bilder dieser Karten sollten zur Erheiterung des kranken Königs beigetragen haben. 40 Die italienische Herkunft dieser Karten ist unbestritten, unklar bleibt, aus welcher Stadt sie stammen. Neueste Untersuchungen vermuten aufgrund

des künstlerischen Stils die Herkunft aus einer Werkstatt in Florenz. 41 Wilhelm Schreiber schätzt das Alter dieser Karten anhand der abgebildeten Kleidung auf einen Entstehungszeitraum zwischen 1475 und 1500. 42 Eine Untersuchung der Farbpigmente in den Laboren der französischen Museen kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich ein Entstehungszeitraum des 15. Jahrhunderts festgelegt werden kann. Die Temperafarben seien von hoher Qualität und mit Ei fixiert, der Karton bestehe aus mehrschichtigem Papier und weise einen italienischen Umschlag der untersten Papierschicht auf die Vorderseiten der Karten auf. 43 Beim Betrachten der Karten fällt auf den ersten Blick das Format dieser Karten auf, sie sind größer als die anderen Formate erhaltener Fragmente. Die Bilder sind mit einem goldgepunzten Hintergrund versehen, vorherrschend in der Gestaltung sind die Farben rot, grün und blau. Um die Motive ist ein brauner Rahmen angelegt, die Figuren sind über diesen Rahmen hinaus bis zum Rand des Papiers gemalt, was die Karten noch größer wirken lässt. Alle Karten sind in dem Katalog „gallica“ der Bibliothèque nationale de France digital verfügbar. Nach diesen Abbildungen zu schließen, ist bei einigen Karten der Rand beschädigt, der Erhaltungszustand des Fragments erscheint insgesamt jedoch gut. Den Karten fehlt das Nagelloch am oberen Bildrand, welches einige der anderen Fragmente aufweisen.

12.2.2 Wappen: Die These von einem Spiel der Medici Offenkundige Wappenzeichen oder Impresen fehlen in diesem Fragment. Allenfalls der Schwert-Bube könnte eingearbeitete Insignien tragen. Das florale Muster seines Oberteils könnte für eine be-

Tarot dit de Charles VI, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb403537867 (acc. 1. 9. 2020) Nachweise für die einzelnen Bilder der Karten sind im Quellenkatalog aufgeführt. 36 Depaulis, Jeu et magie, S. 40; Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 55; Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101. 37 Dummett, The game of Tarot, S. 65–66; Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101. 38 Depaulis, Jeu et magie, S. 40 Hoffmann, Gemalte Spielkarten, 55, Anmerkung 37; nach Leber, M. C. Etudes Historiques sur les Cartes à Jouer Francaises, Paris 1842, S. 20, Anmerkung 1. 39 Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity, 1900, S. 189. 40 Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 56. 41 Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 269. 42 Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101. 43 Depaulis, Jeu et magie, S. 40–41. 35

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Abbildung 67: „Wagen“, „Tarot dit de Charles I“. Bibliothèque nationale de France, Paris

stimmte Familie stehen, diese bleibt jedoch anhand des für diese Arbeit durchgesehenen Materials unbekannt. Ebenso könnte sein Schild nach dem Vorbild anderer Tarocchi ein Bild getragen haben, der Erhaltungszustand der Karte lässt auch diesen Aspekt offen. Ein Blickfang ist das Band unter seinem rechten Knie auf seinen Beinkleidern, wo einige Buchstaben zu sehen sind, die jedoch auf der Ab-

bildung der Bibliothèque nationale de France trotz digitaler Vergrößerung unkenntlich bleiben. Bisher haben sich für die erhaltenen Spielfragmente enge Bezüge zu den Herzögen von Mailand gezeigt. Es würde naheliegen, dass dies auch für das „Tarot dit de Charles VI“ zutrifft. Denkbar sind zwei Szenarien, die zu zwei Herzögen von Mailand führen. Die erste Vermutung soll im Folgenden besprochen werden, die zweite und wahrscheinlich eher zutreffende in einem eigenen Abschnitt dargelegt werden. Innerhalb der erhaltenen Spielfragmente fehlt ein Bezug zu den Medici, der berühmten und mächtigen Bankiersfamilie aus Florenz im 15. Jahrhundert. Deshalb ist es nachvollziehbar nach dieser Familie und ihren Insignien in den erhaltenen Spielfragmenten zu suchen. In den Mittelpunkt dieser Überlegungen rückt das Motiv des „Wagens“. Auf den weißen, grünen und blauen Schilden der Schabrake des „Wagens“ sind jeweils sieben rund angeordnete goldene Punkte dargestellt, ebensolche Punkte finden sich auch auf dem Gewand der Tugend „Mäßigkeit“. Alain Bougearel, Buchautor und Tarotexperte aus Frankreich 44 ist der Überzeugung in diesen Karten ein Insignium von Piero de Medici, „il Gottoso“, zu finden. Er argumentiert, diese sieben Punkte auf den Schabraken des „Wagens“ entsprächen jenen, wie sie Benozzo Gozzoli auf dem Zug der Heiligen drei Könige in der Kapelle des Palazzo Medici Ricchardi am Zaumzeug des Pferdes von Piero di Medici dargestellt hat. 45 Auf dem Fresco an der Ostwand der Kapelle reiten Cosimo de Medici, der Ältere auf einem braunen Maulesel und sein Sohn Piero de Medici mit roter Kappe auf einem weißen Pferd hinter Lorenzo de Medici, der prächtig in weiß gekleidet und ebenfalls auf einem weißen Pferd reitend den Zug anführt. Das weiße Pferd von Piero de Medici trägt rotes Zaumzeug, auf dem die sieben Punkte zu sehen sind und darunter das Motto „Semper“. Tatsächlich ist Piero de Medici auf der Darstellung des Dreikönigszuges sicher identifiziert 46 und er benutzt auch das Motto „Semper“ in seiner Imprese. 47 Hingegen variiert das Wappen der Medici, wie es Dar-

LE TAROT Associazione, In: http://letarot.it/page.aspx?id=23&lng=eng (acc. 1. 9. 2020). Le Tarot dit de „Charles VI“, In: http://forum.tarothistory.com/viewtopic.php?f=11&t=1154&sid=27144ab6aaae2fc9bf619e76e2db5cfd (acc. 12. 2. 2020). 46 Marchand, Gebärden in der Florentiner Malerei, S. 225. 47 Histoire des hommes, In: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=gri.ark:/13960/t76t11w5q&view=1up&seq=1 (acc. 10. 2. 2020). 44 45

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stellungen beispielsweise an der Außenfassade und im Innenhof des Palazzo Medici-Ricchardi, sowie in der Fürstenkapelle und der Alten Sakristei von San Lorenzo in Florenz zeigen. Im Laufe der Dynastie der Medici ändert sich die Anzahl der Kugeln im Wappen, jeder Patriarch der Familie übernimmt für sich eine bestimmte Anzahl der Kugeln. Für Piero de Medici finden sich verschiedene Angaben für die Anzahl der Kugeln im Wappen. Es heißt, er habe sieben Kugeln 48 übernommen, wie auch Alain Bougearel angibt, jedoch findet sich auch die Angabe, er habe sechs Kugeln in seinem Wappen dargestellt. 49 Wie es scheint, bedarf es einer eingehenden Kenntnis der Darstellungen des Wappens der Medici, um eine bestimmte Person sicher aus diesen verschiedenen Wappendarstellungen erkennen zu können. Auch vor diesem Hintergrund ist das Argument von Alain Bougearel bezüglich des Medici-Wappens in diesem Kartenspiel recht schwach. Blasoniert wird das Wappen der Medici folgendermaßen: Auf goldenem Grund sechs rote Kugeln (italienisch „palle“) in der Anordnung 1–2–2–1. Durch eine Wappenverbesserung bleiben nach 1465 die unteren Kugeln in rot, die oberste an der Spitze stehende Kugel wird blau mit drei Lilien in Gold 50, nachdem der französische König Ludwig XI den Medici das Recht verliehen hatte, die Fleur de Lys in ihr Wappen aufzunehmen. 51 Ein anderes wohl früheres Medici-Wappen zeigt eine einzige goldene Kugel in der Mitte eines roten Wappenschildes. 52 Es lassen sich folglich eine Reihe von Aspekten aufzählen, die der Interpretation der sieben Punkte auf den Schilden der Schabrake des „Wagens“ und der übrigen Karten dieses Fragments als Zeichen der Medici entgegenstehen. Zunächst widerspricht die Darstellung auf der Karte der heraldischen Tradition. Die Wappenfarben der Medici sind rot und gold/gelb. Benozzo Gozzoli benutzt die Farbgebung gold auf rot für die Darstellung auf dem Zaumzeug des Pferdes. Dies ist ungewöhnlich, mag jedoch der farblichen Gestaltung des Motivs entgegenkommen.

Niemals werden jedoch heraldische Farben ausgetauscht oder ersetzt, wenn sie sich auf ein konkretes Wappen beziehen. Das Motiv des „Wagens“ zeigt jedoch grüne, blaue und weiße Untergrundfarben für die sieben goldenen Punkte. All dies macht einen Bezug zum Medici-Wappen unwahrscheinlich. Weiter verlangt die sieben-Punkt-Variante in der Anordnung 2–3–2 des Medici-Wappens von Piero de Medici, dass die mittlere Kugel blau mit den Fleurs de Lys dargestellt wird. Diese Variante wird an der Decke der Villa Medici in Poggio a Caiano, Italien gezeigt. Die Darstellung im Dreikönigszug von Benozzo Gozzoli muss demnach eine Vereinfachung oder Stilisierung des Wappens der Medici sein. Zudem finden sich derartige sieben-Punkte-Anordnungen auf den meisten Karten des Tozzi-Fragments am Rand des Hintergrundes, ebenso wie auf dem Motiv der „Liebenden“ des Cocci-Fragments. Auch auf dem goldenen oder silbernen Hintergrund in den Spielfragmenten Brambilla (deutlich zu sehen auf der Kelch-Vier), dem Visconti di Modrone (Stab-As) und dem goldenen Rahmen der Trumpfreihe der Visconti-Sforza-Karten sind derartige sieben-Punkte-Anordnungen eingearbeitet. Bei diesen Karten stammen die Punkte offensichtlich von einer Punze, um den Goldoder Silberhintergrund zu befestigen. Auf dem Stab-As sind die Punkte in die goldenen Blüten integriert, dies erweckt den Eindruck, dass das handwerklich Nützliche (das Befestigen des Untergrundes) mit einem einfachen Element der Verzierung kombiniert wird.

12.2.3 Was gegen ein Medici-Spiel spricht Das Fragment „Tarot dit de Charles VI“ (gelegentlich auch kurz das „Charles VI“ genannt) enthält mithin die größten erhaltenen Karten. Diese auffällige Größe der Karten lässt ein älteres Spiel in der Chronologie der Tarocchi erwarten. Im Vergleich mit anderen Spielen passt die Größe sehr viel besser

Lo stemma dei Medici, In: https://curiositasufirenze.wordpress.com/2012/04/12/lo-stemma-dei-medici-le-palle-che-cambiano-di-numero/ (acc. 12. 2. 2020). 49 Cardini, Die Heiligen Drei Könige, S. 69. 50 Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, Wappen S. 209 Mitte, Blasonierung S. 448–449. 51 Lo stemma dei Medici, In: https://curiositasufirenze.wordpress.com/2012/04/12/lo-stemma-dei-medici-le-palle-che-cambiano-di-numero/ (acc. 12. 2. 2020). 52 Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, Wappen S. 209, Blasonierung S. 448. 48

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zu älteren Spielen, wie das beispielsweise dem Visconti di Modrone. Es passt weniger zu jüngeren Spielen mit tendenziell kleineren Spielkarten, wie das d’Este oder die Goldschmidt-Karten. Denkbar ist, der erwartete Bezug dieses Spielfragments zu einem Herzog von Mailand ließe sich durch die vielschichtigen Beziehungen zwischen den Sforza und den Medici finden. So zeigt der Dreikönigszug den Besuch von Galeazzo Maria Sforza bei den Medici auf seiner Durchreise zu dem Konzil von Mantua. Galeazzo Maria Sforza ist als erstgeborener Sohn von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza rechtmäßig zukünftiger Herzog von Mailand, ihm gebührt eine entsprechende Ehrerbietung am Hof der Medici. Darüber hinaus verbindet Cosimo di Medici und Francesco Sforza eine langjährige Freundschaft (nähere Ausführungen hierzu siehe Abschnitt „Galeazzo Maria Sforza“). Von einer langjährigen finanziellen Unterstützung der Medici-Bank an das Haus Sforza ist auszugehen. Das Portal der mailändischen Niederlassung der Medici-Bank mit Bildnissen von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza, das heute im Castello Sforzesco ausgestellt ist, zeigt dies eindrücklich. Eine Erlaubnis zur Anfertigung eines Spiels von Tarocchi oder ein Geschenk von Francesco Sforza an Cosimo de Medici wäre folglich durchaus möglich, ähnlich wie es für die Fragmente Alessandro Sforza, d’Este und Bartolomeo Colleoni gezeigt wurde. Die Antwort lässt sich im Verhalten von Cosimo di Medici finden, als Francesco Sforza gegen die Ambrosianische Republik kämpft. Zunächst noch im Dienste Venedigs, dann in eigener Sache, kämpft Francesco Sforza gegen die Ambrosianische Republik. In der letzten und entscheidenden Phase schneidet er schließlich Mailand von der Zufuhr von Waren und Lebensmittel ab, um die Stadt in die Knie zu zwingen. Cosimo di Medici bezeugt dem Freund Solidarität und schickt eine offizielle Repräsentanz in das Lager der Armee mit der Order „so lange zu bleiben, bis Francesco Sforza sein Ziel erreicht habe“. Francesco Sforza hätte jedoch dringend Geld benötigt. Finanzielle Hilfe schickte Cosimo de Medici allerdings nicht, da der Krieg mit Neapel die Stadtkasse von Florenz vollkommen erschöpft hatte, wie er Francesco Sforza mitteilen ließ. 53 Cosimo di Medici blieb also passiv 53 54

Schelle, Die Sforza, S. 107. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101.

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in der für Francesco Sforza alles entscheidenden Phase beim Bezwingen der Ambrosianischen Republik. Niccolo d’Este, Bartolomeo Colleoni und Alessandro Sforza, die die Erlaubnis zur Anfertigung eines Spiels der Tarocchi bekamen, leisteten hingegen aktive Hilfe für Francesco Sforza. In diesem passiven Verhalten von Cosimo di Medici könnte der Grund zu finden sein, weshalb Francesco Sforza den Medici die Einwilligung zur Anfertigung von Tarocchi versagte. In Florenz präsentieren sich die Medici gerne und prunkvoll. Abschließend stellt sich die Frage, ob sie sich mit einer solch dezenten Darstellung ihrer Familie, wie sie im Spielfragment „Tarot dit de Charles VI“ gezeigt ist, zufriedengegeben hätten. Dies ist nicht anzunehmen. Somit dürften sowohl die Darstellung des Medici-Wappens in diesem Spielfragment als auch eine Schenkung Francesco Sforzas an Cosimo di Medici als widerlegt gelten.

12.2.4 Valentina Visconti und das „Tarot dit de Charles VI“ Es ist ein reizvoller Gedanke, das „Tarot dit de Charles VI“ dem Besitz von Valentina Visconti zuzuschreiben. Auf den ersten Blick widersprechen die wenigen Datierungen, die es für dieses Spiel gibt, dieser These. Wie bereits erwähnt, datiert ein Gutachten der Bibliothèque nationale de France die Karten recht grob in das 15. Jahrhundert. Wilhelm Schreiber datiert es anhand der dargestellten Kleidung zwischen 1475 und 1500. Zum Zeitpunkt dieser Datierungen war Valentina Visconti bereits lange tot. Jedoch ist die Datierung der Bibliothèque nationale de France mit dem 15. Jahrhundert sehr weit gefasst und auch Wilhelm Schreiber merkt zu seiner späten Datierung an „das Alter der Karten [werde] heute noch meist überschätzt“ 54. Dies impliziert, das Spiel könnte durchaus älter sein, als diese Schätzungen besagen. Auch die Arbeit eines Malers aus einer Werkstatt von Florenz sagt nichts über den Besitz oder das Alter des Spiels aus. Deshalb erscheint es lohnend, das Umfeld der Visconti und die Karten des „Tarot dit de Charles VI“ näher zu betrachten, denn es finden sich einige dezente Hinweise auf die Visconti. Die

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Initialen auf dem Podest der Karte des „Wagens“ ähneln auffällig jenen des Schwert-Königs im Tozzi-Fragment (Siehe hierzu Abschnitt „Die Monogramme einiger Spielfragmente“). Auf beiden Karten bleibt jedoch die Bedeutung der Buchstabenfolge unbekannt. Das Motiv der „Liebenden“ zeigt weiter einen Höfling links vorn mit einer rot-weißen Strumpfhose. Auch die sieben-Punkte-Anordnung auf den Schabraken der Karte des „Wagens“ und dem Gewandmuster der „Mäßigkeit“ gleichen jenen auf den Spielen der Visconti. Warum aber steht Valentina Visconti im Zentrum der Überlegungen für das „Tarot dit de Charles VI“? Nachdem das Tozzi-Fragment Gian Galeazzo Visconti zugeordnet werden konnte, fächert sich ein breites Spektrum von Aspekten auf, die auf diese These hinweisen. Zunächst spricht das Fehlen von Wappen und Impresen dagegen, dass dieses Spiel für einen Herrscher angefertigt wurde, denn er hätte das Medium zur Selbstdarstellung genutzt. Darüber hinaus konnte allen legitimen männlichen Nachfolgern von Gian Galeazzo Visconti und späteren Herzögen von Mailand bereits ein Spiel von Tarocchi zugeordnet werden. Hingegen passen weitere Details, die über das Spiel bekannt sind, zu Valentina Visconti. So ist das Spiel schon früh in Frankreich dokumentiert. Im Jahr 1698 berichtete der englische Arzt Martin Lister, er habe dieses Spiel in der Sammlung von Roger de Gaignières in Paris besichtigt. Es gelangte durch eine Schenkung Roger de Gaignières 1711 in die Bibliothèque nationale de France. 55 Deutlich sichtbar fehlt den Karten dieses Spiels das Nagelloch am oberen Bildrand, das viele Tarocchi aufweisen. Auch das ist ein Beleg für eine frühe Separation des Charles VI aus italienischen Beständen. Und weiter schlug erst der Spielkartenforscher Constant Leber im Jahr 1842 vor, die siebzehn erhaltenen Karten „Tarot dit de Charles VI“ zu nennen. Er bezog sich bei seinem Namensvorschlag auf den Quellenbeleg in den Rechnungsbüchern von König Charles VI aus dem Jahr einer Zahlung an Jacquemin Gingonneurs für drei Kartenspiele. Wie sich später herausstellte, konnte zwischen dem Ein-

Abbildung 68: Die „Liebenden“, „Tarot dit de Charles VI“. Bibliothèque nationale de France, Paris

trag in den Rechnungsbüchern und den Tarocchi kein Zusammenhang hergestellt werden. 56 Die Bezeichnung „Spiel des Königs Charles VI“ hat sich dennoch erhalten. Gleichwohl weist eine mögliche Verbindung dieses Spiels mit Valentina Visconti an den Hof von König Charles VI. Valentina Visconti wurde 1370 als Tochter von Gian Galeazzo Visconti und seiner ersten Ehefrau Isabella von Valois geboren. 57 Aus dieser Ehe gingen weitere Kinder hervor, von denen jedoch keines

Depaulis, Jeu et magie, S. 40; Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101. Depaulis, Jeu et magie, S. 101. 57 Hier und im Folgenden stützen sich die Ausführungen neben den angegebenen Quellen auch auf Autrand, Valentina Visconti, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias (Hg.): Lexikon des Mittelalters online, Vol. 8, cols. 1726–1727. 55

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das Kindesalter überlebte. Auch Isabella von Valois starb früh und die Mutter von Gian Galeazzo Visconti namens Bianca von Savoy übernahm die standesgemäße Erziehung der kleinen Valentina. Durch eine Vermählung Valentinas an den französischen Hof wollte Gian Galeazzo Visconti die italienischfranzösische Allianz stärken. Valentina wurde mit Louis von Orleans, Bruder des französischen Königs Charles VI verlobt. Als die Heiratsverhandlungen 1386 begannen, war Valentina die einzige Erbin von Gian Galeazzo Visconti, was die französischen Begehrlichkeiten durchaus schürte. Ein Jahr später wurde der Heiratsvertrag zwischen Valentina und Louis von Orleans geschlossen. Valentina verließ Italien jedoch erst im Jahr 1389, zu einem Zeitpunkt als ihr Halbbruder Giovanni Maria Visconti bereits geboren war und Gian Galeazzo Visconti somit einen männlichen Erben hatte. Valentina bekam die größte Mitgift, die die Visconti bis dahin je bezahlten, 58 was die Bedeutung dieser Heirat unterstreicht. Am französischen Hof lebte sie zunächst zusammen mit ihrem Gatten Louis d’Orleans, seinem Bruder dem König Charles VI und dessen Gattin Isabella von Bayern, in Frankreich genannt Isabeau de Bavière. Im Jahr 1392 begann Charles VI Anzeichen einer Geisteskrankheit zu zeigen. Valentina war seit ihrer Ankunft am Hof Gesellschafterin des Königs und ein beliebter Zeitvertreib der beiden war das Kartenspiel. Ulrike Wörner hebt hervor, es habe sich hierbei um bemalte Spielkarten gehandelt. 59 Während der Schübe seiner Krankheit lehnte Charles I ab seine Frau zu sehen und bevorzugte die Anwesenheit von Valentina. 60 Doch Gerüchte am Hof bezichtigten Valentina den König behext oder vergiftet zu haben und sie musste 1396 den Hof verlassen. Sie zog sich auf die Schlösser ihres Gemahles zurück, wo sie von nun an lebte. Im Jahr 1407 wurde Louis d’Orleans ermordet. Um zu erreichen, dass der Mörder zur Rechenschaft gezogen wird, reiste sie nach Paris an den Hof. Der kranke König war jedoch nicht mehr handlungsfähig und konnte sie sich nicht anhören. Es kam zu keiner Anklage des Mörders, der bekannt war und sich der Tat rühmte. Valentina erreichte am Hof lediglich, in die Lehen 58 59 60 61 62

ihres Mannes eintreten zu können und bekam die Vormundschaft für ihre Kinder zugesprochen. Sie kämpfte weiter vergeblich den Mörder ihres Mannes anklagen zu können und starb verbittert 1408 nur ein Jahr nach ihrem Mann. Deshalb erlebte sie nicht mehr, wie Louis d’Orleans 1419 rehabilitiert wurde und der Mörder von den Anhängern ihres Mannes ebenfalls getötet wurde. Valentina Viscontis Schicksal ist tragisch zu nennen. Zunächst Erbin des Herzogtums Mailand und begehrte Braut in Frankreich, bekam Gian Galeazzo Visconti doch noch einen männlichen Erben. Gleichwohl lebten Valentina Visconti und Louis d’Orleans in Zuneigung und Loyalität zueinander. Später wurde ihr Gatte ermordet, sie konnte für ihn keine Gerechtigkeit erreichen und starb in großer Verzweiflung. Als schließlich die männliche Linie der Visconti ausstarb und für diesen Fall das Testament Gian Galeazzo Viscontis die männlichen Nachkommen von Valentina begünstigte, legte dieser Umstand die Basis vieler spannungsreicher Jahre zwischen dem Herzogtum Mailand und Frankreich. Denn Valentina Visconti und Louis d’Orleans hatten zusammen acht Kinder, von denen nur vier überlebten. Ihr ältester Sohn war Charles d’Orleans, Dichter und Herzog. Dessen Sohn und Enkel Valentinas wurde König Ludwig XII. Er machte im Jahr 1500 seine Erbansprüche geltend, eroberte das Herzogtum Mailand und beendete die Macht der Sforza. 61 Für die Spielkartenforschung ist der Hof von Charles VI und Isabeau de Bavière von großer Bedeutung. Das Augenmerk richtet sich hierbei auf die Heiratspolitik des Bernabo Visconti. Für seine legitimen Kinder arrangierte er planvoll Ehen mit Adelshäusern nördlich der Alpen. Isabeau de Bavière aus dem Hause Wittelsbach war Tochter von Stefan III von Bayern-Ingoldstadt, genannt „der Kneisel“ und Taddea Visconti, 62 ihrerseits Tochter von Bernabo Visconti und Regina della Scala. Der Bruder von Isabeau, Ludwig der Bärtige begleitete seine Schwester im Brautzug nach Frankreich und blieb fast drei Jahrzehnte in der Rolle ihres Beraters in Frankreich, bevor er als Ludwig VII in Bayern die Regierung antrat. 63 Der Spielkartenforscher Hell-

Muir, History of Milan, S. 94 und 214. Wörner, Dame im Spiel, S. 193. Muir, History of Milan, S. 99 und 215. Muir, History of Milan, S. 216–218. Maier, Die Visconti und Herzöge von Bayern, in: Peter Rückert (Hg.): Antonia Visconti († 1405) – ein Schatz im Hause Württemberg, S. 90.

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mut Rosenfeld sieht in Ludwig dem Bärtigen den Auftraggeber des Stuttgarter Spiels. 64 Bernabo Visconti arrangierte über die Ehe von Taddea Visconti hinaus weitere Ehen seiner legitimen Kinder mit dem Hause Wittelsbach. Im Umfeld von Herzog Friedrich von Bayern-Landshut wurden allein zwei Ehen geschlossen. Der Herzog selbst vermählte sich mit Bernabos Tochter Elisabeta. Bernabos ältester Sohn Marco wiederum wurde mit Elisabeth, Tochter von Herzog Friedrich verheiratet. Bernabos Tochter Verde heiratete darüber hinaus den Habsburger Herzog Leopold III. 65 Eine weitere Tochter Bernabos, Antonia wurde mit Eberhard III von Württemberg vermählt. 66 Durch diese Eheschließungen der Kinder von Bernabo Visconti zeichnete sich ein Kulturaustausch über die Alpen am Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts ab. Mit den Bräuten und ihren Brautschätzen reiste die Kultur an den Hof ihres künftigen Gatten mit, es fand ein Kulturaustausch sozusagen im Nebeneffekt statt. Der französische Hof von Charles VI und Isabeau de Bavière war hierbei das Drehkreuz, wo sämtliche kulturellen Einflüsse durch die Eheschließungen zusammenliefen. Valentina Visconti befand sich demnach in einem Brennpunkt der europäischen Kultur jener Zeit. Die jungen Frauen, die als Bräute den Hof ihrer Eltern verließen und zu dem Hof ihres zukünftigen Gatten übersiedelten, wurden vor ihrem Brautzug vom Elternhaus reich ausgestattet. Neben ihrer Mitgift in Form von Geld wurde ihnen ein persönlicher Brautschatz mitgegeben. Er beinhaltete beispielsweise Leibwäsche, prachtvolle Kleider für verschiedene Anlässe und Schmuck. Diese Brautschätze enthielten meist auch ein wertvoll gefertigtes Gebetsbuch. Vor allem aber wurden der Braut Gegenstände zum persönlichen Gebrauch in ihren zukünftigen Gemächern mit-

gegeben, wie Kämme, Nähzeug, Taschen, Kelche oder Bücher. Darüber hinaus hatten die Bräute ein großes Bedürfnis sich in ihren Gemächern mit Vertrautem zu umgeben, dazu gehörten wohl auch Erinnerungen an den heimischen Hof. 67 Es ist deshalb gut vorstellbar, dass sich in dem Brautschatz von Valentina Visconti auch ein Kartenspiel, das „Tarot dit de Charles VI“, befunden hat. Die Inventurlisten der Brautschätze führten höchst genau auf, was eine Braut an ihren zukünftigen Hof mitbrachte. 68 Von dem Brautschatz Valentinas ist allerdings kein Inventarverzeichnis erhalten. Jedoch war das Kartenspiel am Hof ihres Vaters und auch am Hof ihres Gatten sehr beliebt, möglicherweise enthielt ihr Brautschatz deshalb ein Kartenspiel. Denkbar ist aber auch, ein von Valentina mitgeführtes Kartenspiel gehörte zu den höchst persönlichen Gegenständen der Erinnerung, die nirgends vermerkt waren. Auch ein Hochzeitsgeschenk von Gian Galeazzo Visconti an seine Tochter ist vorstellbar, die Zeitspanne vom Beginn der Hochzeitsverhandlungen 1386 bis zu ihrer Hochzeit 1389 hätte ausgereicht das Spiel anfertigen zu lassen. Wenn dieses Spiel tatsächlich durch Valentina Visconti an den Hof des Königs Charles VI gekommen ist, ergibt sich hierfür der Zeitraum zwischen 1389 mit ihrer Ankunft am Hof und etwa 1396, als sie den französischen Hof verlassen musste. Beide hypothetischen Möglichkeiten, das Spiel im Brautschatz oder als Hochzeitsgeschenk, passen in den zeitlichen Rahmen der Geschehnisse am französischen Hof, sowie zu den Biografien von Valentina Visconti und Gian Galeazzo Visconti. Damit wäre das „Tarot dit de Charles VI“ eines der ältesten Spiele der Tarocchi. Die Entstehungszeit fiele zusammen mit dem Tozzi-Spiel von Gian Galeazzo Visconti.

Wörner, Das Stuttgarter Spiel, in: Bayrisches Jahrbuch für Volkskunde, S. 28. Wörner, Das Stuttgarter Spiel, in: Bayrisches Jahrbuch für Volkskunde, S. 29–30. Sie stellt diese These vor, die zurückgeht auf Rosenfeld, Max Geisberg, in: Max Geisberg (Hg.): Alte Spielkarten, S. 7. Hier berichtet Hellmut Rosenfeld von Wasserzeichen in den Schichten der Karten aus der Ravensburger Papiermühle Hifthorn, die zwischen 1427 und 1437 aktiv war. Diese Datierung und die mögliche Besitzfolge des Stuttgarter Spiels lässt Ludwig den Bärtigen als Besitzer möglich erscheinen. Heribert Meurer ist dieser These gegenüber sehr skeptisch, nennt aber gleichwohl die Herzöge von Bayern vor 1598 als mögliche Besitzer des Spiels, siehe Hoffmann, Das Stuttgarter Kartenspiel, S. 13–14. 65 Neueste Forschungen rücken Jacobäa von Bayern, Großnichte und Schwiegertochter der Isabeau de Bavière als Auftraggeberin und Besitzerin anlässlich ihrer Hochzeit mit Frank II van Bursselen in Jahr 1432 ins Blickfeld. Ausführungen hierzu im bisher unveröffentlichten Manuskript von Bogen, Steffen; Die Topologie des Spielens, Konstanz, 2008, Kapitel 5: Das Stuttgarter Kartenspiel: Schicksale einer glücklosen Prinzessin, S. 106–131, besonders S. 126. Wörner, Das Stuttgarter Spiel, in: Bayrisches Jahrbuch für Volkskunde, S. 28. 66 Klein, Mailändisches und einheimisches Geld, in: Peter Rückert (Hg.): Antonia Visconti († 1405) – ein Schatz im Hause Württemberg, S. 45. 67 Sandtner, Zum Brautschatz der Antonia Visconti, in: Peter Rückert (Hg.): Antonia Visconti († 1405) – ein Schatz im Hause Württemberg, S. 72. 68 Vgl. hierzu die Inventarlisten der Brautschätze von Antonia und Taddea Visconti: Sandtner, Zum Brautschatz der Antonia Visconti, in: Peter Rückert (Hg.): Antonia Visconti († 1405) – ein Schatz im Hause Württemberg, S. 72–77 und 93. 63

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Aber wie so oft in der Forschung über Tarocchi bleibt es bei der Vermutung Valentina Visconti könnte die Besitzerin des Charles VI gewesen sein. Ein interessanter Quellenbeleg hierzu findet sich allerdings bei Wilhelm Schreiber. Ein Inventar des Herzogs von Louis d’Orleans aus dem Jahr 1408 enthält folgenden Eintrag: „Ung jeu de quartes Sarasins. – Unes quartes de Lombardies.“ 69 Dies ist nicht als sicherer Beleg für ein Spiel zu sehen, dass das „Tarot dit de Charles VI“ tatsächlich Valentina Visconti gehörte. Dieser Eintrag sagt auch nichts

über das Aussehen des Kartenspiels aus. Gleichwohl ist im höfischen Umfeld bei einem Kartenspiel aus der Lombardei ein Spiel von Tarocchi sehr gut möglich oder gar wahrscheinlich. Damit rückt der Eintrag das Kartenspiel „Tarot dit de Charles VI“ noch einmal näher an Valentina Visconti, sodass die Summe der Hinweise aus dem historischen Kontext auf Valentina Visconti diese These erwägenswert macht.

Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 70. Auf diesen Eintrag macht Ulrike Wörner aufmerksam: Wörner, Dame im Spiel, 194, Anmerkung 32. Allerdings findet er sich nicht, wie dort angegeben bei Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 30.

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13 Kleine Spielfragmente und einzelne Karten 13.1 Sammlung Cocchi Im Zuge der Ausstellung „I Tarocchi“ im Jahr 1987 werden fünf weitere Karten entdeckt. Auch diese Karten werden in einer Privatsammlung aufbewahrt und sind damit der Öffentlichkeit nicht zugänglich, der Besitzer ist Amedeo Cocchi. Diese Erwähnung ist die einzige Dokumentation, ebenso wie Abbildungen von vier der fünf Karten. 1 Zwar sind die Abbildungen in Farbe, doch lässt ihre Qualität nur wenig detaillierte Aussagen zu. Auch diesen Karten fehlt augenscheinlich ein Nagelloch am oberen Rand, der Erhaltungszustand erscheint nach den Abbildungen recht gut und ohne Gebrauchsspuren. Wappen und Impresen Die Motive entsprechen in ihrer Gestaltung den Motiven der Visconti- und Sforza-Karten, was auf den Motiven der „Liebenden“ und der „Sonne“ sehr deutlich wird. Jedoch wirkt die Ausarbeitung älter als jene der Visconti- und Sforza-Karten. Die Gewandmuster des Bräutigams und der Braut lassen auf eine Strahlensonne der Visconti schließen, auf der Münz-fünf steht deren Motto „a bon droyt“. Vor allem bei Betrachtung der Ausarbeitung der Gesichter und unter dem Aspekt der Größe würden diese Karten stilistisch zu dem Tozzi-Fragment passen. Die Cocchi-Karten sind knapp zwei Millimeter breiter, jedoch meint Micheal Dummett, eine Ab-

weichung von ein bis zwei Millimetern sei bei gemalten und handgeschnittenen Karten akzeptabel. 2 Allerdings sind von den fünf erhaltenen Karten des Cocchi-Fragments nur vier abgebildet, der nicht gezeigte Schwert-Bube wäre demnach in beiden Fragmenten erhalten. In Betracht zu ziehen sind immer auch vom Auftraggeber verworfene Karten, die nie mit dem fertigen Kartenspiel in Gebrauch genommen wurden. Was in der Dokumentation der Karten auch häufig vorkommt, ist eine falsche Bezeichnung der Motive. Auch dies wäre möglich, wie der Artikel von Marie d’Otrange bei der Beschriftung der Abbildung des Schwert-Buben als „SchwertReiter“ eindrücklich zeigt. 3 Bis zu einer besseren Dokumentation beider Fragmente (was kaum zu erwarten ist), bleibt die Vermutung der Zusammengehörigkeit beider Fragmente zumindest bestehen. Gestützt wird die Vermutung auch durch die auffällige Beschriftung „amor mea“ der Kelch-zwei. Diese Aussage würde gut zu Gian Galeazzo Visconti passen, der seiner zweiten Ehefrau Caterina Visconti liebevoll zugetan war. Ihre Entsprechung findet diese Karte in der Kelch-zwei des Visconti-Sforza Spiels mit der Aufschrift „amor myo“ und verweist auf Bianca Maria Visconti, die ihrem Ehemann Francesco Sforza ebenfalls in Liebe verbunden war. Eine solche Beschriftung kommt lediglich in diesen beiden Spielfragmenten vor.

13.2 Einzelne Karten Einige Karten bleiben isoliert, ohne dass sie sicher einem erhaltenen Spielfragment zugeordnet werden können. Diese Karten sind schlecht dokumentiert, das Hauptkriterium für eine Einbindung in andere Spielfragmente ist die Größe der Karten. Zu nennen ist zunächst die „Päpstin“ im Museo Fournier de Naipes de Álava mit den Maßen 170 � 85 mm. Bereits Micheal Dummett macht auf 1 2 3 4

die rote Rückseite der Karte aufmerksam, die sich von den anderen Karten des Museums unterscheidet. 4 An gleicher Stelle erwähnt Michael Dummett zwei weitere Karten. Einen Kelch-König (170 � 86 mm) aus der Sammlung Mr. N. Biedak in Los Angeles und einen Stab-Bube (170 � 85 mm) aus der Sammlung Signora C. Marzoli in Mailand. Bei-

Algeri, Tre carte figurante, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, Cat 7, S. 41 und Abbildungen S. 23. Dummett, The game of Tarot, S. 72 (10). D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, 133, 1954, S. 58, No. VII. Dummett, The game of Tarot, S. 72 (10).

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13 Kleine Spielfragmente und einzelne Karten

de Karten zeigt Stuart Kaplan in schwarz-weiß Abbildungen, die nur wenige Details erkennen lassen. 5 Der Kelch-König trägt erkennbar zweifarbige Mipati, was an die Darstellungen der Visconti denken lässt. Die Motivgestaltung beider Karten entspricht ebenfalls dem Kanon der Visconti- oder SforzaKarten, beide Figuren blicken jedoch für Tarocchi unüblich nach links. Stilistisch wirken sie wie eine frühe Arbeit innerhalb der erhaltenen Tarocchi. Nach letzten Informationen in der Literatur hat Stuart Kaplan beide Karten für seine Privatsammlung erworben. 6 Stuart Kaplan beschreibt und bildet ein Spielfragment von vier Karten ab mit den Motiven der „Welt“, „Gerechtigkeit“, Kelch-König und MünzAcht, das in der Privatsammlung von Bianchi Bonomi in Mailand aufbewahrt wird. 7 Die Gestaltung

der Motive ähneln dem Visconti-Sforza Spiel, besonders deutlich wird dies bei dem Motiv der „Welt“. Michael Dummett erwähnt dieses Spielfragment ebenfalls und gibt an, es sei in einem Mailänder Katalog abgebildet, ohne seine Angaben zu präzisieren. 8 Eine weitergehende Einschätzung dieses Spielfragments ist aufgrund der spärlichen Informationen und schlechten Abbildungen an dieser Stelle nicht möglich. Alle diese genannten einzelnen Karten gehören mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem der bereits beschriebenen Spiele. Jedoch gibt es zu wenige Informationen über diese Karten, auch die Aufbewahrung in Privatsammlungen erschwert eine weiterreichende Einschätzung. Darüber hinaus ist kaum anzunehmen, dass diese einzelnen Karten die Gesamtaussage dieser Arbeit in Frage stellen können.

13.3 Zwei Karten aus einer Online-Auktion Bei einer Online Auktion wurden im Jahr 2009 zwei gemalte Karten aus einer Privatsammlung versteigert, ein Stab-Bube und ein Schwert-Bube. Diese beiden Karten zeigen in ihrer Gestaltung der Motive auffällige Ähnlichkeit mit denen des Spiels „Tarot dit de Charles VI“. Jedoch ist ihre Ausführung sehr viel einfacher gehalten als die Karten des Charles VI. Nach der Auktion gingen sie wieder in eine Privatsammlung, dessen Besitzer anonym blei-

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ben möchte. Für eine Sichtprüfung und fotografische Dokumentation überließ der neue Besitzer die Karten für kurze Zeit Thierry Depaulis, der sie in einem Artikel mit Abbildungen beschreibt und somit den Bestand dokumentiert. 9 Nach Einschätzung von Thierry Depaulis sind die beiden Karten authentisch. Ihr Erhaltungszustand ist mäßig, die Ränder sind stark beschädigt.

Kaplan, Encyclopedia I, S. 63. Bembo/Kaplan, Cary-Yale Visconti Tarocchi Deck, Beiheft S. 4–6. Kaplan, Encyclopedia II, S. 22–23. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 138. Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 263–270.

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

In diesem Abschnitt sollen auffällige Motive der Trumpfreihe der Tarocchi angesprochen werden, die den Betrachter irritieren oder in der Forschung mehrfach diskutiert werden. Diese Ausführungen

sollen den Kontext dieser Motive beleuchten, um gegebenenfalls die Aufnahme der Motive in die Trumpfreihe erklären zu können.

14.1 Der „Gehängte“ Das Motiv des „Gehängten“ ist für den Betrachter ein höchst auffälliges Motiv (Abbildung siehe Abschnitt „Einleitung“). Ein junger Mann in adeliger, sauberer Kleidung hängt an den Füßen angebunden kopfüber an einem galgenartigen Gestell. Auf der Visconti-Sforza-Karte hat er die Hände auf dem Rücken verschränkt. Gertrude Moakley macht darauf aufmerksam, das Motiv heißt auf Italienisch „Il Traditore“ – „Der Verräter“. Sie beschreibt weiter, in Italien, aber auch in Deutschland und Schottland war es damals üblich, Verurteilte für einen Meineid an den Füßen aufzuziehen und zu schlagen. Nach dem Tod blieben die Bestraften als Abschreckung hängen. Wenn ein Delinquent seiner Strafe entkommen war oder seine Schulden nicht bezahlte, wurde ein Abbild, das den Beschuldigten an den Füßen aufgehängt zeigt, an eine gut sichtbare Stelle, beispielsweise an eine Mauer oder ein Stadttor gemalt. Ein solches Bild soll es von Muzio Attendolo, dem Vater Francesco Sforza’s an den Brücken und Stadttoren Roms gegeben haben, als er in Konflikt mit dem Papst geriet, so Gertrude Moakley weiter. 1 Auch Klaus Schelle berichtet von einer Puppe, die der Papst anfertigen ließ, als Muzio Attendolo im Jahr 1411 zu König Ladislaus überlief. Die Puppe wurde mit dem rechten Fuß an einem Galgen aufgehängt und mit einer Tafel versehen, darauf zu lesen war: „Ich bin Sforza, Bauer aus Cotignola.“ Sforza soll über diese Darstellung unbändig gelacht haben. 2

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Neuere Studien belegen eine derart öffentliche Herabwürdigung: „hanging by the neck was the punishment reserved for vulgar distributers of the public peace.“ 3

Das Motiv des „Gehängten“ der Tarocchi zeigt demnach ein sogenanntes Schandbild. Im 15. Jahrhundert kam diese Art der Strafe in Europa allgemein in Mode. 4 Auch in deutschen Quellen finden sich zahlreiche Belege solcher Schandbilder aus dieser Zeit. 5 Immer ging es bei diesen Abbildern um Konflikte von säumigen Schuldnern oder nicht eingehaltenen Zusagen. Ziel dieser Art von öffentlich gemachten Konflikten und entehrenden Bildern war es einerseits den Übeltäter zum Einlenken zu bewegen und seine Zusagen einzuhalten. Üblicherweise war der Beschuldigte auf der Darstellung durch Wappen kenntlich gemacht. Andererseits sollte die Öffentlichkeit vom Konflikt mit der abgebildeten Person in Kenntnis gesetzt und so gleichzeitig vor weiteren Geschäften mit der Person gewarnt werden. 6 In Italien hatte die Praxis der Schandbilder einen Höhepunkt im 12. und 13. Jahrhundert und wurde sehr viel umfassender gehandhabt als in Deutschland. 7 Hier war ein solches Bild eine eigenständige Strafe, unter vielen ausführenden Künstlern soll sogar Sandro Boticelli mit der Fertigung

Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 95. Schelle, Die Sforza, S. 17. Edgerton, Pictures and punishment, S. 129. Edgerton, Pictures and punishment, S. 93. Lentz, Konflikt, Ehre, Ordnung, Nr. 34, 51, 59 und 66, im Quellenkatalog. Lentz, Konflikt, Ehre, Ordnung, S. 159. Edgerton, Pictures and punishment, S. 92–93; Lentz, Konflikt, Ehre, Ordnung, S. 159.

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

eines solchen Bildes beauftragt worden sein. 8 Giangaleazzo Visconti soll verboten haben, solche beleidigenden Bilder in seinem Machtbereich zu malen. Später hob Francesco Sforza 1470 dieses Verbot wieder auf. 9 Die Ausführungen mögen verdeutlichen, dass Schandbilder in Europa im Zeitraum der Entstehung der Tarocchi übliche Praxis waren und auch die Familien Visconti und Sforza solche Bilder kannten und manchmal auch nutzten. In der Literatur wird dieses Kartenmotiv auch immer wieder in Zusammenhang mit Judas Iskariot gebracht. Besonders hervorzuheben ist hier die Darstellung im Spiel „Tarot dit de Charles VI“, bei dem der „Gehängte“ in jeder Hand einen Geldsack hält. Dies ist als deutliche Anspielung auf den Judaslohn für seinen Verrat an Jesus Christus zu verstehen und der italienische Name des Motivs „Der Verräter“ ist hier besonders passend. In der Kunst gibt es für Judas zwei Varianten des Motivs, wenn sein Tod dargestellt werden soll. Entweder hängt er mit dem Kopf nach unten als Schandbild des Verräters an einem Gestell oder einem Baum. Oder er

ist am Hals aufgehängt und zeigt dann einen aufgeschnittenen Bauch, aus dem die Eingeweide heraushängen. Eine solche Darstellung findet sich beispielsweise am Freiburger Münster im Tympanon des Westportals. Hier purzeln zur weiteren Verdeutlichung überdies Münzen aus seiner rechten Hand als Hinweis für den Lohn des Verrates. Beide Darstellungsweisen implizieren die zeitgenössische Vorstellung, die Seele steige nach dem Tod nach oben aus dem Körper hinauf in den Himmel. Die Mitteilung dieser Art der Darstellung von Judas an den Betrachter lautet: „eine so scheußliche Seele durfte nicht aus dem Mund heraus, der Jesus mit einem (wenn auch verräterischen) Kuss berührt hatte.“ 10

Ob auf dem Motiv des „Gehängten“ eine Person aus dem Umfeld der Tarocchi dargestellt wird, oder auf Judas angespielt wird, bleibt offen. Sicher aber zeigt dieses Motiv ein Schandbild, wie es im 15. Jahrhundert üblich war.

14.2 Die „Päpstin“ 14.2.1 Das Motiv und mögliche Vorbilder Dieses Motiv zeigt eine sitzende Frau in Ordenstracht gekleidet. Die Tiara auf ihrem Haupt weist sie eindeutig als einen weiblichen Papst, also als „Päpstin“ aus. Für den Betrachter wie für die Forschung in den 1980er Jahren ist diese Darstellung gleichermaßen verwunderlich. Trotz vieler Diskussionen und Mutmaßungen ist nicht geklärt, ob ihre Darstellung aufgrund der bis heute populären Legende der Päpstin Johanna in die Bildreihe aufgenommen wurde oder ob es sich um das Abbild der Mayfreda von Pirovano handelt.

Die Legende der Päpstin Johanna stammt aus dem neunten Jahrhundert. Quellenberichte aus dem 13. Jahrhundert schildern, dass eine als Mann verkleidete Frau in ein Kloster eintrat. Dort eignete sie sich großes Wissen an und erwarb sich durch Vorlesungen auch großes Ansehen. Im Jahr 855 wurde sie aufgrund ihrer großen Gelehrsamkeit und ihres Ansehens zum Papst gewählt. Noch im gleichen Jahr gebar sie während einer Prozession vom Petersdom zum Lateran ein Kind und starb anschließend. 11 Diese Legende wurde im Volksglauben lange Zeit als wahr angenommen. Inzwischen ist jedoch wissenschaftlich widerlegt, dass eine Frau als Päpstin Johanna gelebt hat.

Hens, Tarocchi. Spiel mit Bildern, in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 42, nach Ortalli, Gherardo: Pingatura in Palatio. La pittura infamante die secoli XIII–XVI, Rom 1979, S. 107. 9 Edgerton, Pictures and punishment, S. 92. 10 Kunze/Vomstein, Himmel in Stein, S. 117. 11 Johanna, In: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/johanna-20 (acc. 20.10. 2020); Herbers, Das Geheimnis der Päpstin Johanna, in: epoc, Das Magazin für Archäologie und Geschichte, besonders S. 54 Klaus Herbers zitiert an dieser Stelle die „Kaiser-Papst-Chronik“ des Geschichtsschreibers Martin von Troppau (gestorben 1278). Nach seinen Angaben werden hier alle wesentlichen Punkte erzählt, die später in die Legende Eingang gefunden haben. 8

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Mayfreda von Pirovano 12 war eine Cousine von Matteo Visconti „il Magno“ (1250–1322) 13. Mayfreda war nach Vileminas Tod (italienisch Guglielma) Anführerin von deren kleiner Anhängerschaft geworden, die Gruppe nannte sich entsprechend Vilemiten oder Gulielmiten. 14 Vilemina kam zwischen 1260 und 1270 aus Böhmen nach Mailand, ihre Anhänger sprachen ihr Stigmen und Wesensgleichheit mit Jesus zu. Sie sahen in ihr die weibliche Inkarnation des Heiligen Geistes. 15 Nach dem Tod Vileminas verteilte Mayfreda bei Zusammenkünften der Gruppe in einer der Eucharistie ähnlichen Zeremonie Hostien, salbte die Anwesenden im Gedenken an Vilemina und predigte ihr Vermächtnis. Die Anhänger der Gruppe sahen Mayfreda als Autorität an und küssten ihr schließlich die Füße. 16 All das war eine Anmaßung Mayfredas gegenüber der Kirche, denn die Feier der Eucharistie war geweihten Priestern vorbehalten und die Huldigung des Fußkusses steht nur dem Oberhaupt der Kirche, also dem Papst zu. Mehr noch, bei dem Inquisitionsprozess gestand einer der Anhänger, dass die Gruppe Mayfreda sogar als Papst einsetzen wollte. 17 Mayfreda und weitere Mitglieder der Gruppe wurden der Ketzerei verurteilt und 1300 bei lebendigem Leib in Mailand öffentlich verbrannt. 18 Es ist durchaus vorstellbar, dass die Geschichte der Mayfreda in der Familie Visconti weitererzählt und wachgehalten wurde. Die Visconti lagen über Generationen immer wieder mit der Kirche im Streit und mehrere Machthaber dieser Familie wurden exkommuniziert. 19 Möglicherweise waren die Selbstverständlichkeit und Unerschrockenheit, mit der Mayfreda der Kirche die Stirn bot, als Vorbild tauglich. Das Gedenken an sie war dann wohl Anlass für ein Motiv der Tarocchi.

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14.2.2 Stilistische Gegenüberstellung der beiden erhaltenen Motive Das Motiv der „Päpstin“ ist zweimal erhalten: Im Spielfragment des Visconti-Sforza und im Museo Fournier de Naipes de Álava. Beim Betrachten beider Karten ist ihre Ähnlichkeit augenfällig. Das Motiv zeigt eine Frau, die dem Betrachter frontal gegenübersitzt. Sie sitzt auf einer kaum sichtbaren Sitzgelegenheit, die rechts und links erkennbaren Kanten der Sitzfläche bilden die Horizontlinie des Motivs. Unterhalb dieser Linie, etwa in einem Drittel der Bildhöhe, ist ein grüner Waldsteifen dargestellt, der den Horizont überdeckt und darüber zeigt sich der goldgepunzte Hintergrund wie bei vielen Trumpfbildern der erhaltenen Tarocchi. Auf der Grasfläche ist eine sechseckige Platte gelegt, darauf steht ihr Sitz. Gekleidet ist die Frau in den liturgischen Habit einer Nonne, ihre Tunika ist mit einer Kordel gegürtet. Darüber trägt sie einen vorn geöffneten Umhang, der wie ihre Tunika bis zum Boden reicht und ihre Füße verdeckt. Ihr Gesicht wird umrahmt von einem Schleier mit darunter getragenem Wimpel, ihr Haupt ist mit einer Tiara gekrönt. In ihrer linken Hand hält sie ein geschlossenes Buch, das sie mit dem Buchrücken auf ihrem linken Knie abstützt. Mit der rechten Hand hält sie einen Kreuzstab aufrecht neben sich, dessen Ende mit einem geschmiedeten Tatzenkreuz verziert ist. Das Kreuz ähnelt dem Kreuz des Templerordens, jedoch sind die Enden halbkreisförmig nach innen gewölbt und vier Kugeln angesetzt, was es zu einer eigenständigen Kreuzform macht. Eine solch eigenständige Kreuzform spräche möglicherweise für die Interpretation der Figur als Mayfreda von Pirovano. Im Spielfragment Visconti-Sforza sind die Konturen der Maltechnik auffallend und ausgeprägt, es gibt kaum Farbverläufe. Durch diese klaren Konturen lassen sich Details sehr gut darstellen, auf der Grasfläche sind sogar einzelne Pflanzen zu erkennen. Allerdings wirkt das Motiv dadurch etwas

Vgl hierzu Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 72–73. Wörner, Dame im Spiel, S. 64. Muraro, Vilemína und Mayfreda S. 16. Muraro, Vilemína und Mayfreda S. 26–27 und 35. Muraro, Vilemína und Mayfreda S. 51–61. Muraro, Vilemína und Mayfreda S. 83. Muraro, Vilemína und Mayfreda S. 109. Muir, History of Milan, S. 72.

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 69: Die „Päpstin“, Visconti-Sforza. The Morgan Library & Museum, New York. Bild: akg-images

Abbildung 70: Die „Päpstin“. Archivo fotográfico del Museo Fournier de Naipes de Álava. © de la fotografía Museo Fournier de Naipes de Álava, Vitoria-Gasteiz

hart und zweidimensional. Die braune Tracht der „Päpstin“ ist in einer Ton-in-Ton-Maltechnik gehalten. Der braune Farbton scheint das Motiv zu dominieren, auch weil sich mit dem Gold des Hintergrundes nur wenig farbliche Kontraste innerhalb des Motivs ergeben. Um die Taille ist ihre Tunika mit einer Kordel zusammengehalten, die drei Knoten aufweist und so an das Zingulum des Franziskaner-Ordens erinnert. 20 Sehr fein ausgearbeiteten

Details am Gesicht, der Tiara und dem Kreuz des Kreuzstabes stehen einer recht groben Ausführung der Hände gegenüber. Auf der Darstellung der „Päpstin“ im Museo Fournier de Naipes de Álava zeigt der Habit in der Farbgestaltung mehr Nuancen. Die Außenseite ist tiefrot bis rot-braun, die Innenseite dunkelgrün. Auch auf dieser Karte beherrscht die Farbe der Kleidung das Motiv. Die Knoten der Kordel fehlen.

Habit – Ordenstracht, In: http://www.kloster-aktuell.de/habit-ordenstracht.html (acc. 19.12. 2019). Die drei Knoten am Zigulum der Franziskaner symbolisieren die Verpflichtungen der Ordensregel zu Armut, Keuschheit und Gehorsam.

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Gesicht und Hände sind sorgsam gestaltet. Bei der Ausarbeitung dieser Karte wurde wohl eine Mischtechnik verwendet. Vor allem die Kleidung zeigt einen Faltenwurf mit weichen Farbverläufen, Spitzenlichtern und Tiefenschatten, der Stoff wirkt plastisch. Bei diesem Motiv tritt die Kontur zurück, es ist flächiger gemalt und wirkt insgesamt räumlich. Der Hintergrund erscheint als goldene Fläche, ob es sich um gepunztes Blattgold handelt, bleibt unklar. Die Kanten der Sitzgelegenheit zeichnen

sich vor diesem goldenen Hintergrund kaum von der Kleidung ab. Auch der grüne Untergrund des sechseckigen Sockels wird zur grünen einfarbigen Fläche. Die „Päpstin“ des Visconti-Sforza ist offensichtlich Vorlage für diese Karte, sowohl für die Figur der „Päpstin“, als auch für die Aufteilung der Proportionen. Es ist vor allem die Maltechnik, der Gebrauch der Farben mit weichen Linien, die die Karte des Museo Fournier de Naipes de Álava jünger als das Visconti-Sforza ausweist.

14.3 Das Motiv der „Welt“ Das Motiv der „Welt“ ist ein viel diskutiertes Motiv, welches in der Entwicklung der Kartenspiele der Tarocchi mehrfach Umgestaltungen erfährt. Als gemalte Karte ist das Motiv sechsmal erhalten. In den beiden Spielfragmenten Visconti-Sforza und „Guildhall narrow“ sind die Motive gleichartig. Eine weitere Ausprägung mit ersichtlichen Gemeinsamkeiten findet sich in den Spielen „Tarot dit de Charles VI“, Alessandro Sforza und d’Este. In den gedruckten Spielen des späteren Tarot de Marseille ist das Motiv gänzlich verändert, Ähnlichkeiten zu den gemalten Karten erschließen sich erst auf den zweiten Blick. Bei den erhaltenen Motiven ist die Gestaltung im Spiel des Visconti di Modrone einzigartig. Es zeigt in der unteren Bildhälfte einen Landschaftsausschnitt mit einem eine Standarte tragenden Reiter. Darüber, durch ein Wolkenband getrennt, blickt eine Frau mit Zepter und Reichsapfel in den Händen auf die Landschaft darunter. Eine ausführliche Besprechung dieses Motivs der „Welt“ findet sich im Abschnitt „„Die Welt“ des Filippo Maria Visconti“, wo die engen Bezüge der Motivgestaltung zum Herrschaftsgebiet von Filippo Maria Visconti dargelegt sind. Die Umgestaltung des Motivs im Spiel seines Nachfolgers Francesco Sforza ist deshalb erklärbar und aus Sicht des neuen Herzogs von Mailand zwingend. Das Visconti-Sforza-Spiel zeigt zwei Putti in einer Landschaft mit Hügeln stehend, ein rundes

Bild auf ihren Händen emporhebend. 21 Im unteren Innenteil des Kreises sind Wasser und Wellen eines Meeres dargestellt und über dem Horizont erstreckt sich ein mit Sternen bedeckter Himmel. In der Mitte beherrscht die Ansicht einer befestigten Stadt das runde Bild. Die Stadt ist umgeben von einem Graben und einer Stadtmauer mit mehreren Türmen sowie einem Stadttor. Innerhalb der Stadtmauer befindet sich ein Sakralbau mit Kuppeldach und Kirchturm. Die Architektursymbolik jener Zeit stellt häufig formelhafte Stadtbilder mit einzelnen markanten Merkmalen wie Türmen, Kirchen oder die Stadtmauer eines Stadtbildes dar. Deshalb ließe sich zunächst an eine zeitgenössische Stadtansicht Mailands denken, das Kuppeldach zu San Lorenzo gehörend. Jedoch fehlt der Vedute dieses Motivs der „Welt“ des Visconti-Sforza-Spiels die Darstellung der Gebäude mit hohem Wiedererkennungswert des Doms oder des Kastells zu Mailand. Das Kastell wird in anderen Stadtansichten jener Zeit stets prominent gezeigt, so beispielsweise innerhalb der Tarocchi dem auf Münz-As des Museo Fournier de Naipes de Álava. Aber auch auf der Stadtansicht von Mailand in Claudius Ptolemäus, Cosmographia von 1469 ist die Darstellung des Castello deutlich. 22 Bei Stadtansichten dieser Zeit kann jedoch auch immer Jerusalem als Ansicht der himmlischen Stadt angedeutet sein. Gertrude Moakley beschreibt es so:

Zu beachten ist, dass die Karte der „Welt“ im Visconti-Sforza-Spiel eine der sechs Karten ist, die von einem anderen Künstler stammen, als die meisten Karten des Spiels. Nach derzeitigem Forschungsstand ungeklärt ist, ob diese Karten verlorene Karten ersetzten oder das Spiel später um diese Karten ergänzt wurde (Vgl. Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 20.) Für die Bedeutung des Motivs erscheint der ausführende Künstler jedoch kaum von Belang zu sein. 22 Ptolemaeus, Claudius, Cosmographia, Libri VIII, In: https://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.5699 (acc. 1. 9. 2020). 21

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

„Two putti hold up an image of the World. It is the „new heaven and new earth“ in the midst of which is the Heavenly Jerusalem, where Francesco and Bianca Sforza are literally to live happily for ever after, with all the reedemed.“ 23

Das Stadtbild, das die Putti hochhalten, hat durchaus Ähnlichkeit mit der Stadtansicht von Jerusalem, wie sie in Hartmann Schedels Buch der Cronicken von 1493 gezeigt ist. 24 Nach der Offenbarung des Johannes gilt für das Himmlische Jerusalem die Vorstellung von einer befestigten Stadt. Als typisch gelten ein quadratischer, manchmal auch eckiger Grundriss, eine gerade Zahl von Türmen, ein Sakralbau in der Mitte und ein von Türmen flankiertes Stadttor. 25 All diese Merkmale zeigt die Darstellung der Schedel’schen Weltchronik, wie auch das Stadtbild auf dem Motiv der „Welt“ des ViscontiSforza-Spiels, wodurch ersichtlich wird, dass beide Darstellungen Jerusalem darzustellen beabsichtigen. Das Motiv der „Welt“ im Visconti-Sforza-Spiel zeichnet jedoch eher die damalige Vorstellung vom Sitz Gottes als einer Stadt, eben dem Himmlischen Jerusalem, als eschatologisches Ziel des irdischen Daseins nach. Diese Stadt Gottes wird gezeigt, wie die Darstellung auf der Karte auch „an der Schnittstelle zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Erde und Himmel“ und galt als „Symbol für die Gegenwart Gottes auf Erden“. 26 Somit macht Gertrude Moakley zu Recht auf die Darstellung des Himmlischen Jerusalems auf der Welt aufmerksam. Eben diese Darstellung in gerade diesem Spiel zeigt aber auch, wie sehr sich Bianca Maria Visconti und ihr Ehemann Francesco Sforza am Anfang ihrer Regierungszeit (dem wahrscheinlichen Entstehungszeitraum des Spiels) das Geleit Gottes für ihr Wirken und damit Anerkennung ihrer Autorität gewünscht haben. Die weiteren gemalten Motive der „Welt“ sind in den Spielen Este, dem „Tarot dit de Charles VI“ und Alessandro Sforza erhalten. Sie zeigen jeweils ein Kreisrund, darin Darstellungen unterschiedli-

cher hügeliger Landschaften mit mehr oder weniger deutlich erkennbaren Bauwerken, deren Bezüge zu realen Ländereien schwer auszumachen sind. Im „Tarot dit de Charles VI“ und Alessandro Sforza erhebt sich eine Frau mit Zepter in der rechten und Reichsapfel in der linken Hand, darunter sind Wellen angedeutet, wohl als Anspielung auf das Meer und damit auf das Element Wasser. Im Fragment d’Este sitzt ein kleiner Engel mit Zepter in der linken und Reichsapfel in der rechten Hand über dem runden Bildausschnitt. Er sitzt auf einer Art Kissen, das auf dem Rund aufliegt und ein wellenförmiges Muster zeigt. Seine Beine baumeln in die Landschaftsdarstellung. Unter dem Kreis steht ein Greifvogel, möglicherweise ein Adler, das Wappentier der Este, und balanciert die Landschaft und den Engel auf seinen ausgebreiteten Schwingen. Bei dieser Motivgestaltung sind einige Details auffällig ähnlich mit den Bildern im Werk von Barthélemy l’Anglais, Les Propriétaire des Choses von 1482. 27 Auf der Illustration „La creation des catres elements“ 28 ist Christus zu sehen, wie er auf einer Kugel steht und die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft erschafft, die in runden Bilddetails in den Ecken dargestellt sind. Wie es scheint, greifen die Maler der Tarocchi auf bekannte Bildtypen zurück, die auch in anderen wohl populären Werken jener Zeit bereits üblich sind. Allerdings nehmen sie sich dabei durchaus die Freiheit, Bedeutungen und Anordnungen der Bilddetails verändern. Bei den gedruckten Spielen des Tarot de Marseille erfährt das Motiv der „Welt“ eine völlige Umgestaltung. Hier zeigt das Motiv eine Art ovalen Lorbeerkranz, darin tänzelt ein gelegentlich androgynes und nur spärlich bekleidetes menschliches Wesen. Die Ausgabe von Nicolas Conver von 1761 präsentiert eine fast nackte Frau, nur mit einem wehenden Schal umgeben. In den Bildecken des gedruckten Motivs um den Lorbeerkranz sind die Symbole der vier Evangelisten abgebildet. Ein Schriftbalken am oberen Rand der Karte zeigt die Zahl „XXI“, in einem Schriftbalken unter dem Bild steht „LE MONDE“ geschrieben. Dieses Motiv

Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 112. Das buch der Cronicken, In: https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0005/bsb00059084/images/index.html?seite=00001&l=de (acc. 18. 7. 2019), Fol 17. 25 Behringer, Bild der Stadt, S. 46. 26 Behringer, Bild der Stadt, S. 30–31. 27 Le Propriétaire des Choses, In: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b2200015s (acc. 22. 5. 2019). 28 Le Propriétaire des Choses, In: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b2200015s/f4.item (acc. 3. 6. 2019). 23

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

ohne die Beschriftung ähnelt deutlich der „Majestas Domini“ 29, wie es beispielsweise im Tympanon mittleren Westportals der Kathedrale Notre Dame von Chartres dargestellt ist. 30 Der auffällige Unterschied beider Darstellungen liegt allerdings darin, dass im Westportal der Kathedrale von Chartres Christus in der Mandorla sitzt und den Betrachter frontal ansieht, während in dem einer Mandorla ähnelnden Lorbeerkranz des Tarot de Marseille eine Frau (also ein Mensch) schreitet und ihren Blick nach unten wendet. Was die Änderung des bekannten christlichen und älteren Motivs der „Majestas Domini“ im Tarot de Marseille herbeiführte und welche Aussage diese Karte dem Betrachter vermitteln will, lässt sich nur vermuten. Eine weitere Analogie der „Welt“ des Tarot de Marseille mit zeitgenössischen Werken findet sich ebenfalls in dem bereits erwähnten Werk von Barthélemy l’Anglais. Während die Karte der „Welt“ in den Bildecken die Symbole der vier Evangelisten zeigt, findet sich in der Illustration des Barthélemy l’Anglais „La matière et sa forme“ ein runder Bildausschnitt, darin sind unten eine Landschaft mit Hügeln und Bauwerken, darüber Strahlen und Wolkenbänder dargestellt, womit sichtlich die Elemente Feuer, Wasser Erde und Luft angedeutet sind. In den Ecken des Bildes außerhalb des Kreises blasen vier Winde das runde Bilddetail an. Auch die vier Winde haben offensichtlich Bezug zu den Elementen, geben sie doch auf diese Art und Weise der Welt Gestalt. Ein weiteres Mal scheinen sich die Maler der Tarocchi Inspiration bei zeitgenössischen Motiven zu holen.

Obgleich all diese Motive unterschiedlich gestaltet sind, weisen sie doch Gemeinsamkeiten auf. In jedem dieser Motive ist eine mehr oder weniger reale Landschaft in unterschiedlicher Ausprägung dargestellt, jedoch bisher nur im Visconti di Modrone ist diese Landschaft als Herrschaftsgebiet deutlich zu erkennen. Weiter ist der Himmel zu sehen als Reich Gottes oder auch als Andeutung des Jenseits. Die Landschaft lässt sich folglich als die Schöpfung Gottes interpretieren. Stets ist der Himmel von der realen Welt als Lebenswelt des Menschen abgegrenzt, durch das Wolkenband im Visconti di Modrone, durch die Putti in den ViscontiSforza-Tarocchi, durch ein breites rundes Band im „Tarot dit de Charles VI“, Alessandro Sforza und Este und schließlich durch einen Lorbeerkranz im Tarot de Marseille. Stets wachen Wesen in menschlicher Gestalt aus dem Himmel über die Landschaft. Dies können himmlische Wesen als Putti dargestellt sein (Visconti-Sforza-Tarocchi und d’Este), oder auch Regentinnen mit Reichsapfel und Zepter in Händen (Visconti di Modrone, „Tarot dit de Charles VI“ und Alessandro Sforza). Dieses Motiv mag darstellen, dass der Besitzer des jeweiligen Spiels wohl himmlischen Beistand für seinen Herrschaftsbereich und seine Regentschaft erbittet. In den gedruckten Spielen des Tarot de Marseille wird diese Bitte dann auf die Menschen allgemein ausgeweitet, die göttliche Führung durch die Evangelisten angedeutet.

14.4 Der Schwert-König Dem Schwert-König scheint eine besondere Funktion innerhalb der Könige eines Spiels von Tarocchi zuzufallen. Wie bereits beim Alessandro-Sforza Spiel ausgeführt, zeigt dieser auf dem Schild das Wappen des Besitzers des Spiels. Emilia Maggio vermutet, in einem Spiel könnten mehrere Könige verschiedener Familien abgebildet sein. Die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit widersprechen dieser Vermutung, denn ein Spiel mit Königen mehrerer Adelsfamilien wäre ein anonymes Spiel ohne Erkennungswert für den Besitzer, ähnlich den heute 29 30

üblichen Kartenspielen. Die Beobachtung der Darstellungsweise in den Tarocchi widerspricht Emilia Maggio’s These gänzlich. Zum einen sind Spiele der Tarocchi gemalte Unikate, von einer Person in Auftrag gegeben und damit ist die Individualisierung eines solchen Spieles mehr als wahrscheinlich. Weiter sind Tarocchi Medien zur Selbstdarstellung eines Machthabers, sodass auch deshalb eine Kenntlichmachung bis hin zur Glorifizierung seiner Person und seiner Ahnenlinie zu erwarten ist. In

Duchet-Suchaux u. a., Lexikon der Bibel und Heiligen, S. 219–220. Sauerländer, Gotische Skulptur Frankreich, Abb. 5.

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 71: Schwert-König, Alessandro Sforza, Castello Ursino, Catania. Foto: Gigliola Siragusa, Palermo

welcher Weise der Schwert-König eines Spiels herausragt soll im Folgenden kurz erörtert werden. Der Schwert-König ist in den verschiedenen Spielfragmenten insgesamt fünfmal erhalten, im Spiel des Alessandro-Sforza, weiter im Tozzi (vgl Abschnitt „Hinweise auf Gian Galeazzo“), dem Visconti di Modrone, dem Visconti-Sforza-Spiel und dem Este-Spiel. In den Spielen Tozzi, Visconti di Modrone und Visconti-Sforza, alle aus der Visconti-Tradition, ist der Schwert-König in Rüstung abgebildet. Auffällig 31

Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 35.

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ist die Ähnlichkeit der Motive im Tozzi- und im Visconti-Sforza-Fragment. Das Motiv des Visconti di Modrone ist wesentlich bescheidener dargestellt, auf dem Brustpanzer des Königs des Visconti di Modrone ist ein Granatapfelzweig gemalt, ein Zeichen zuerst gebraucht von Filippo Maria Visconti. 31 Auf dem Achselstück der Rüstung ist die Strahlensonne erkennbar, die linke Hand des Königs liegt locker an seiner Seite. Der Untertan am rechten unteren Bildrand trägt eine rot-weiße Mipati und zeigt damit die Farben der Visconti. Es sieht aus, als hätte er den Helm von der Rüstung des Königs über seinen eigenen Kopf gestülpt. Alle Schwert-Könige sitzen auf einem Thron, tragen eine Krone und halten ein Schwert mit der Klinge nach oben zeigend in ihrer rechten Hand. Mit der linken Hand halten die Könige des Tozzi, Visconti-Sforza-Spiel, Alessandro Sforza und d’Este ein Schild auf dem ein Wappen kenntlich ist. In den erhaltenen Karten aller Spiele finden sich lediglich heraldische Zeichen einer Familie, namentlich des herrschenden Familienoberhauptes oder des Ahnenpaares, das die entsprechende Linie begründet. Nach dieser für die Tarocchi beobachteten Darstellungsweise wäre im Alessandro Sforza-Spiel allenfalls ein heraldischer Hinweis auf eine seiner angetrauten Gemahlinnen in den verlorenen Karten zu erwarten. Wie bereits ausgeführt, repräsentiert das Motiv der „Herrscher“ das anzustrebende Idealbild eines Herrschers. Die entsprechenden Familieninsignien erscheinen als eine Ermahnung an den Regierenden, dieses Versprechen auch einzuhalten. Hingegen wird das Motiv des Schwert-Königs bei allen erhaltenen Karten genutzt, um den Regenten als Person im Amt darzustellen und damit sehr wahrscheinlich auch den Besitzer des Spiels aufzuzeigen. Dieser derart präsentierte König (die Könige der Visconti- und Sforza-Linie sogar in Rüstung) soll als souveräner Anführer seines Hofstaates, seiner Truppen und weiteren Untertanen gezeigt werden. Er will die Tugenden Stärke und Mut, aber auch Gerechtigkeit, die in der Trumpfreihe als anzustrebendes Ideal gezeigt werden, in seiner Person und seinem Handeln real vereinen. Die Könige der weiteren Spielfarben sind, wenn überhaupt, gegenüber den im Schwert-König gezeigten Wappen und Impresen lediglich mit nachrangig genutzten Impresen des Besitzers gekenn-

14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 74: Schwert-König, Tarocchi d’Este. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

Abbildung 72: Schwert-König, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

Abbildung 73: Schwert-König, Visconti-Sforza. The Morgan Library & Museum, New York

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

zeichnet. Möglicherweise sollen die Könige der anderen Spielfarben auch andere Facetten der Persönlichkeit des Regenten zeigen, wie seine Fähigkeiten den Handel zu fördern, seine Religiosität oder Einstellung zur Kirche und sein Verhältnis zu seinen für ihn arbeitenden Untertanen. 32

Bei dieser Art der Darstellungen von Spielkartenfarben innerhalb der Hofkarten eines Spiels deutet sich eine Hierarchie der Spielkartenfarben an, wie sie bei den später aufkommenden Skatregeln gängige Spielpraxis wird.

14.5 Das Schwert-As Das Motiv des Schwert-As zeigt mehrere Eigentümlichkeiten. Dies gilt insbesondere für die zeitübergreifende Betrachtung der einzelnen Motive beginnend mit den Visconti-Spielen bis zu verschiedenen Ausgaben des Tarot de Marseille. In den gemalten Spielfragmenten des Brambilla, dem Visconti di Modrone und dem Visconti-Sforza ist das Motiv in ähnlicher Gestaltung erhalten, wobei die aussagekräftigen Details in den Unterschieden der Motivgestaltung zu finden sind. Das Motiv dieser Spielfragmente zeigt vor dem Hintergrund aus Ornamenten mit verschieden gestalteten Blumenranken ein Schwert, um dessen Klinge sich ein wehendes Spruchband mit mehreren Windungen schlängelt. Bei den Fragmenten des Brambilla und des Visconti di Modrone besteht der Hintergrund aus Blattsilber, in den die Blumenornamente mit goldenen Blüten gestochen sind. Hingegen ist der Hintergrund des Visconti-Sforza von weißer Farbe, die Blattranken und Blüten sind gemalt. Das Brambilla zeigt das Schwert mit aufgerichteter Klinge, die von zwei beschrifteten Bändern verziert wird. Während das untere Spruchband das bereits mehrfach dargestellte Motto der Visconti „a bon droyt“ wiedergibt, bleibt die Inschrift des oberen Bandes auch nach eingehender Recherche rätselhaft. Die Buchstabenfolge liest sich etwa „phote mante(?)“.

Die Stelle, an der das Fragezeichen eingetragen ist, zeigt ein halbverdecktes Zeichen, möglicherweise handelt es sich um eine stilisierte Blüte, wie sie bei beiden Inschriften am Anfang dargestellt ist und auf dem unteren Spruchband ebenfalls rechts die Schriftzeichen eingrenzt. Jedoch ist weder erkenntlich, ob der obere Spruch in Lateinisch oder einer anderen Sprache verfasst ist, noch lässt sich dessen Bedeutung erschließen. Emilio di Parravicino vermutet bereits im Jahr 1903 hinter der Buchstabenfolge den französischen Satz „il faut mantenir“. 33 Interessanterweise kommt Harald Derschka, APL Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Konstanz, zu dem gleichen Ergebnis. 34 Meines Erachtens ist eine französische Inschrift eher unwahrscheinlich, denn alle Spielfragmente der Tarocchi dieser Zeit zeigen lateinische oder italienische Inschriften. Der rätselhafte Spruch ist zudem einmalig in den Tarocchi, deshalb fehlen Vergleichsmöglichkeiten. Gleichwohl würde der französische Spruch „il faut mantenir“ mit dem italienischen Motto der Visconti „a bon droyt“ durchaus einen Zusammenhang ergeben, so könnte die Bedeutung etwa lauten, das gute (legitime) Recht solle aufrechterhalten werden. Diese Aussage führt das Augenmerk wieder zurück zu dem aufrecht gestellten Schwert des Motivs. Wie noch zu zeigen sein wird, sollte dieser Interpretation und Darstellung im Motiv durchaus Bedeutung beigemessen werden.

Zur Interpretation der Spielkartenfarben ermittelte die Spielkartenforschung weit zurückreichende Versuche die Spielkartenfarben mit den gesellschaftlichen Ständen gleichzusetzen: Schwerter und Adel, Kelche und Klerus, Münzen und Handel, sowie Stäbe und Bauern/Arbeiter. Eine weitere Interpretation setzt die Spielkartenfarben mit Tugenden gleich: Schwerter und Gerechtigkeit, Kelche und Mäßigkeit, Stäbe und Kraft, Münzen (aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Form mit einem Spiegel) mit Klugheit. Beide Auslegungsarten der Spielkartenfarben lassen sich feststellen ab dem 19. Jahrhundert in Frankreich, sie finden besonderen Anklang bei okkultem Gebrauch der Tarotkarten. Von italienischen Höfen der Renaissance ist allerdings die rege Befragung von Astrologen bekannt, sodass eine solche Deutungstradition der Spielkartenfarben bereits in den Tarocchi durchaus möglich ist. Vgl. zu Spielkartenfarben als gesellschaftliche Stände oder Tugenden: Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 35; Wörner, Dame im Spiel, S. 136; D’Allemagne, Les Cartes a jouer, Tome I, S. 197; oder Trismegistus, Das Geheimnis des Kartenschlagens, S. 26. Eine Zusammenfassung der frühen Quellen bei Hoffmann, Welt der Spielkarte, 178, Anmerkung 3. Zur Astrologie bei den Visconti siehe Azzolini, The Duke and the stars. 33 Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 251. 34 Prof. Dr. Harald Derschka in einer privaten Email an die Verfasserin vom 14.1. 2020. 32

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 75: Schwert-As, Brambilla. © Pinacoteca di Brera, Mailand

Das Visconti di Modrone- oder Cary-Yale-Spiel wird in der Beinecke Rare Book and Manuscript Library der Universität in Yale, U.S.A. aufbewahrt. Auf deren Internetseite sind alle 67 erhaltenen Karten des Spiels zu betrachten, alle Zahlenkarten der Schwertreihe von 1–10 sind erhalten und werden gezeigt. 35 Alle Karten der Schwertreihe zeigen gerade Schwerter. Auf jedem Motiv sind die Klingen der dargestellten Schwerter in der Mitte gekreuzt oder umeinander geflochten. Bei Karten mit geraden Zahlen weisen alle Schwertspitzen nach unten. 35 36

Hingegen zeigt bei den ungeraden Zahlen jeweils die Spitze des mittleren Schwertes nach oben, die weiteren Schwerter mit der Spitze nach unten. Jedoch weist die Spitze des Schwert-As auf der Abbildung der Internetseite der Beinecke Rare Book and Manuscript Library nach unten, wobei das unbeschriftete Spruchband keinerlei Auskunft über die beabsichtigte Ausrichtung der Darstellung des Schwertes gibt. 36 Aufgrund der Gestaltung der Schwertreihe liegt die Vermutung nahe, dass auch das einzelne Schwert des Schwert-As mit der Schwertspitze nach oben zeigen müsste. Bei genauerer Betrachtung fallen in der oberen linken Bildecke in einem Halbkreis angeordnete blaue tropfenförmige Farbtupfer neben einer etwa rechteckigen, ebenfalls blauen Farbfläche auf. Die digitale Vergrößerung der Karte auf der Internetseite ist beim Erkennen dieser Details äußerst hilfreich, jedoch lässt sich diese Abbildung nicht drehen. Die einzelne Karte des Faksimiles hingegen lässt sich mit der Schwertspitze nach oben legen. So betrachtet, zeigt sich eine blaue Schwertklinge mit goldener Spitze, goldener Parierstange und ebenfalls goldenem Knauf. Um die Klinge ist ein Band in den Farben gold und blau mehrfach locker geschlungen. Das Heft, das bei allen anderen Zahlenkarten der Schwerter dieser Reihe blau gestaltet ist, ist bei dem Schwert-As kaum zu erkennen. Die zuvor obere linke Bildecke befindet sich nun unten rechts, die tropfenförmigen blauen Farbflächen sind dadurch als Teil von Ärmelrüschen zu erkennen, welche in einer Manschette stecken. Erst nach Entdeckung dieser Ärmelrüschen realisiert das Auge des Betrachters links davon ein Bündel von hellen, durchscheinenden Konturlinien, die fast mit dem silbernen Hintergrund verschmelzen. Nach eingehender Betrachtung formen diese Konturlinien den Daumen und die Finger einer rechten Hand, die das Heft des Schwertes umgreifen, ein Stück des blauen Heftes bleibt dabei frei. Bemerkenswert an dieser Darstellung sind zwei Elemente: Das aufrecht gehaltene Schwert und die das Schwert darbietende Hand. Beide Elemente sollen im Folgenden näher kurz betrachtet werden. In Bezug auf das Schwert ist eine vielfältige Symbolik festzustellen, wobei hier lediglich die für diesen Zusammenhang aussagekräftigen Aspekte

Beinecke Rare Book & Manuscript Library, In: http://beinecke.library.yale.edu (acc. 1. 9. 2020). Schwert-As, Visconti-Tarot, In: http://brbl-dl.library.yale.edu/vufind/Record/3432584 (acc. 27.11. 2020).

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 76: Schwert As, Visconti di Modrone. Cary Collection of Playing Cards, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University

betrachtet werden sollen. So gilt das Schwert seit frühester Zeit als „ausgesprochenes Machtsymbol“ 37 und ist den herrschenden Gesellschaftsständen, also vor allem dem Adel vorbehalten. Oberitalien erlebt im 15. Jahrhundert eine politisch unruhige Zeit. Es ist die Zeit der ständigen Kriege, in der die legendären Condottieri in den Diensten ihrer Soldherren kämpfen. Ihr Ziel ist es möglichst 37 38 39

viel Territorium zu erobern, um die Macht des Soldherren zu vergrößern oder sein Machtgebiet gegen angreifende Truppen zu verteidigen. Alfred Semerau spricht gar von den Condottieri als „Schwertadel“ 38, auf deren Gunst wiederum die Soldherren angewiesen waren, um an der Macht zu bleiben. Das Schwert ist die Hauptwaffe dieser Kriegsführung, bei der Mann gegen Mann gekämpft wird. Getragen wird das Schwert vornehmlich von den Condotteri, Rittern und anderen Kriegsherren. Damit wird es zum Symbol für männliche Tugenden, besonders von Kraft und Tapferkeit. Ein anderer Aspekt des Schwertes ist die scharf schneidende Klinge, die Dinge auseinandertrennt. Das umfasst auch symbolisch das Auseinanderhalten von Gut und Böse, womit das Schwert einen Richterspruch und Gerechtigkeit versinnbildlicht. Für Herrschende und Würdenträger hat das Schwert deshalb auch eine rituelle Bedeutung. Das Reichsschwert wird beispielsweise seit dem 12. Jahrhundert während der Zeremonie der Kaiserkrönung als Zeichen der Amtswürde dem künftigen Kaiser übergeben. In Darstellungen der Kunst wird das Schwert demjenigen Herrscher als Attribut gegeben, der berechtigt ist, Gericht zu halten. Damit wird das Schwert Zeichen der weltlichen Gewalt und Zeichen der Hochgerichtsbarkeit. Davon ausgehend wird es Sinnbild für Gerechtigkeit, denn mit der Übergabe der Macht war die Hoffnung verbunden, der Herrscher möge umsichtig und gerecht zum Wohle aller regieren und entscheiden. Im Alten Testament steht das Schwert auch gelegentlich für Krieg oder Rache. 39 Das aufrecht präsentierte Schwert, wie es beispielsweise das Reiterstandbild von Graf Eberhard im Bart im Innenhof des Neuen Schlosses in Stuttgart darstellt, zeugt neben Selbstbewusstsein, Kraft und Entschlossenheit seines Trägers, auch von dessen Kampfbereitschaft. Ein Schwert dagegen, mit der Spitze nach unten gerichtet spricht eher von Bedachtsamkeit und Waffenruhe, obwohl der Träger jederzeit von dem Schwert Gebrauch machen und in den Kampf eintreten könnte. Ebenso interessant ist die Darstellung der rechten Hand. Vom rechten Bildrand aus umgreift die Hand den Schwertknauf, wie aus dem Nichts kom-

Das Schwert, Schwert, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 4, Spalte 136–137. Semerau, Die Condottieri, S. 7. Das Schwert, Schwert, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 4, Spalte 136–137.

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

mend. Die bereits erwähnten Ärmelrüschen formen ein Band, das dem Wolkenband ähnelt, wie es bereits auf dem Motiv der „Welt“ dieses Spiels dargestellt ist (siehe Abbildung im Abschnitt „„Die Welt“ des Filippo Maria Visconti“). Wenn also das Schwert-As ein solches Wolkenband zeigt, das Himmel und Erde trennt, so liegt die Schlussfolgerung nahe, hier ist eine „Hand Gottes“ oder „Göttliche Hand“ dargestellt. In der Darstellungstradition der Kunst bis ins 13. Jahrhundert und vereinzelt auch später, entspricht die Hand Gottes der bildlichen Darstellung von Gottvater. Diese Darstellung geht auf verschiedene Stellen des Alten Testamentes zurück und symbolisiert die Stimme Gottes und sein aktives Eingreifen in das irdische Geschehen. 40 Bei solchen Darstellungsweisen durchbricht die Hand von oben ein Wolkensegment mit einer redenden oder handelnden Handgebärde und ist mit weiteren Bilddetails in der unteren Bildhälfte verbunden. Beispielsweise existieren Darstellungen, bei denen die Hand Gottes einem knieenden, zukünftigen Herrscher die Krone auf das Haupt setzt. 41 Stets ist dabei eine rechte Hand dargestellt, sie ist als ein Teil der ganzen Rechten Seite Gottes zu verstehen. Traditionell ist die Rechte Seite Gottes positiv konnotiert, wie es das apostolische Glaubensbekenntnis Gläubige noch heute beten lässt: Jesus Christus sitzt zur Rechten Gottes und des Allmächtigen Vaters. Dieser Tradition folgen auch die zahlreichen Darstellungen des Jüngsten Gerichts, wie beispielsweise in Tympana großer Kathedralen, wo stets zur Rechten Gottes die Seligen und Auferstehenden zu sehen sind. Im Gegensatz dazu finden sich auf der linken Seite von Gott die Verdammten und die zur Hölle Fahrenden. Auch die Bibel schreibt der Rechten Hand Gottes eine besondere Kraft zu: „Die Rechte des Herrn ist erhoben, die Rechte des Herrn wirkt mit Macht.“ (Ps 118,16) 42

Gottes Rechte Hand wird segnender und kommunikativer Teil Gottes, mit der er aktiv das irdische Geschehen lenkt. In dem Werk von Johannes

40 41 42 43 44

Abbildung 77: Johannes de Sacrobosco, de Sphaera Mundi, S. 6. Bayrische Staatsbibliothek. Münchener Digitasierungszentrum, Digitale Bibkliothek

de Sacro Bosco „de Sphaera Mundi“, ein weit verbreitetes Lehrbuch der Astronomie im 15. Jahrhundert 43 und später findet sich eine Abbildung, bei der die Hand Gottes ein Modell der Welt und des Zodiaks 44 hält. In diesem Zusammenhang macht die Hand Gottes Sinn: Gott selbst hält seine Schöpfung in Händen und präsentiert sie.

Duchet-Suchaux u. a., Lexikon der Bibel und Heiligen, S. 132. Hand Gottes, in: Engelbert Kirschbaum u. a. (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 3, Spalte 211–214. Die Bibel, Die Bibel 2015, S. 673. Vogel, Sphaera terrae, S. 153. Sacrobosco, Sphaera mundi, In: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10198042?page=6 (acc. 10.1. 2022).

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 78: Cane sedente sotto il pino, Stemmario Trivulziano Codice 2163, 20r. Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand

Selbst die Visconti machen von der Darstellung der Göttlichen Hand Gebrauch: Die Imprese „Il cane sedante sotto il pino“ zeigt eine Hand Gottes, die die Wolken nach unten gerichtet durchbricht. 45 Darunter sitzt ein Hund unter einer Pinie, seine Leine ist an der Pinie angebunden, Halsband und Leine liegen jedoch lose neben dem Hund. Die Darstellung wirkt, als hätte die Hand Gottes soeben nach der Leine gegriffen und sie vom Hals des Hundes gelöst. Nach Angaben von Carlo Maspoli an oben genannter Stelle geht die Imprese auf Bernabo Visconti zurück und wurde später von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza weiterverwendet.

Detlef Hoffmann beschreibt die Bilder der Trumpfreihe als mittelalterlich und der westlichen Ikonografie zugehörend. 46 Die Darstellung des Schwert-As zeigt exemplarisch, dass dies auch für die weiteren Darstellungen der Tarocchi zutrifft. Folglich müsste sich aufgrund der bekannten und beschriebenen Bedeutungen der Ikonografie eine Aussage aus der Darstellung des Schwert-As ableiten lassen. Zeitgenossen mag diese Darstellung noch verständlich gewesen sein, doch unserem heutigen Verständnis entzieht sich diese Aussage zunächst. Weitere Hinweise für eine mögliche beabsichtigte Aussage lassen sich in anderen Manuskripten der Visconti finden. Beispielsweise im zweiten Teil des Stundenbuches der Visconti, dem Teil des Werkes, das Filippo Maria Visconti nach dem Tod seines Vaters und Auftraggebers fertigstellen lässt. Auf dem Folianten LF 4v zeigt sich in der Initiale K (Kyrie eleyson) im oberen Teil des Buchstabens zeigt sich Gott in der Mandorla sitzend, wie er mit seiner Rechten Hand die ihn umgebenden Heiligen segnet. 47 Die Rahmengestaltung des Folianten stellt rechts und links neben der Initiale je einen Engel dar, die den Biscione nach unten reichen und dieser von Frauen entgegengenommen wird. In einer weiteren Miniatur eines anderen Manuskripts lässt sich Gian Galeazzo Visconti vom Jesuskind die Krone herabreichen und aufsetzen. 48 Solche Darstellungen zeigen den Anspruch der Visconti deutlich, ihre Herrschaft und ihr Handeln sei von Gott legitimiert. Auf dem Motiv des SchwertAs wird das Schwert von der Hand Gottes übergeben, somit ist dieses Schwert etwas Gottgegebenes und Gottes Hilfe ist diesem Schwertträger gewiss. In Kunst und Wissenschaft wird diskutiert, ob in dieser Darstellungstradition ein blankes aufgerichtetes Schwert die Herrschaftsachse zwischen Gott und einem irdischen König und Richter zu sehen ist und ob entlang dieser Achse göttliche Impulse den König leiten sollen. 49 Auch aus der Bibel lässt sich die Hilfe Gottes ableiten:

Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 39–40, Abbildung S. 43 Mitte. Hoffmann/Dietrich, Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte, S. 62. 47 Nach Meiss u. a., The Visconti Hours, Abbbildung und Kommentar zu LF 4v. 48 Bibliothèque nationale de France, cod. ms. lat. 5888 nach Maspoli, Arme e imprese, in: Archives héraldiques siusses-Schweizer Archiv für Heraldik-Archivio araldico svizzera-Archivum heraldicum, 110, 1996, S. 139, Fig. 11. 49 Paravicini, Schwert in der Krone, in: Franz J. Felten u. a. (Hg.): Institution und Charisma, 292 und 293. Werner Paravicini stellt hier die Diskussion 45

46

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 79: Seite aus dem Stundenbuch der Visconti, Landau Finaly 4v. Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

„Nun bin ich gewiss: der Herr schenkt seinen Gesalbten den Sieg, er erhört ihn von seinem heiligen Himmel her und hilft ihm mit der Macht seiner Rechten.“ (Ps 20,7) 50

Und weiter: „Deine Rechte, Herr, ist herrlich an Stärke; deine Rechte Herr, zerschmettert den Feind.“ (2Mo 15,6) 51

Es wird deutlich, sowohl die Herrschaft der Visconti als auch Kampfhandlungen in ihrem Namen sollen diesen Darstellungen zufolge von Gott gebilligt sein! Mehr noch, das Schwert der Visconti wird von Gott selbst geführt. Diese Aussage passt zu den zahlreichen Territorialkriegen, in die Filippo Maria Visconti verwickelt ist und die er zu Beginn seiner Herrschaft führt, um das aufgeteilte Herrschaftsgebiet nach dem Tode seines Vaters wiederherzustellen. Die weiteren erhaltenen Motive des Schwert-As stützen diese Interpretation. Auffällig ist zunächst, dass alle weiteren in den Tarocchi abgebildeten Schwertspitzen des Schwert-As nach unten weisen. In Anlehnung an die bereits beschriebenen Motive des Brambilla und Visconti di Modrone zeigt das Visconti-Sforza-Motiv eine recht unscheinbare Gestaltung. Der bereits erwähnte gemalte weißen Hintergrund ohne Blattsilber und Punzen ist mit ebenfalls gemalten grünen Blattranken, sowie roten und blauen Blüten verziert. Eine Hand, die das Schwert hält, fehlt in dieser Darstellung. In der Mitte steht motivfüllend das Schwert, umweht von einem Spruchband mit dem Visconti-Motto „a bon droyt“. Auf dieser Karte sind die Schwertspitze, Knauf und Parierstange, die sichtbare Rückseite des Spruchbandes und die Mitte der Blüten mit goldener Farbe belegt. Die abwärts gerichtete Schwertspitze zeigt eine friedvollere Gesinnung als das Schwert des Brambilla und des Visconti di Modrone. Dies passt auch zur Biografie von Francesco Sforza, denn nachdem er die Macht in Mailand übernommen

hat, zieht er lediglich noch in den Kampf, um Mailands Grenzen zu verteidigen. Das Schwert-As der Guildhall Library Tarocchi Cards, der „Guildhall wide“, verstärkt die Aussage des Visconti di Modrone noch. Dargestellt ist eine Schwertklinge, die am unteren Bildrand scheinbar tief im Untergrund steckt. Eine sich selbst in den Schwanz beißende Schlage umringt den sichtbaren Teil der Klinge. Parierstange und Knauf sind aufwändig gearbeitet und verziert, das Ende des Knaufes markiert eine Horizontlinie etwa in der Bildmitte. Hinter den Schwertknauf ist ein Spruchband mit eingeschlagenen Enden gelegt, auf dessen Beschriftung noch näher einzugehen sein wird. Über dem Schwertknauf beherrscht eine runde Sonne mit freundlichem Gesicht die obere Bildhälfte. Zwischen der Sonne und dem oberen Bildrand sind recht verschwommen drei Buchstaben zu erkennen, sie lauten in etwa „M I A“. (Siehe hierzu Abschnitt „Die Monogramme einiger Spielfragmente“.) Umgeben ist das Motiv von einem grünen Rahmen. Die Beschriftung des Spruchbandes zeigt fünf Buchstaben. Auf der linken Seite sind drei und rechts zwei Buchstaben zu sehen. Stuart Kaplan spekuliert die Buchstaben könnten „arm(o)ur(?)“ bedeuten. 52 Doch obwohl die verfügbaren Abbildungen der Karten von schlechter Qualität sind, ist Stuart Kaplans Deutung aufgrund der Buchstabengestaltung unhaltbar. Micheal Dummett hingegen liest „vim vi“ 53, dies ist stimmig, jedoch vermutet er darin ein Motto italienischer Familien. John Berry bestätigt diese Lesart auf der Internetseite der Worshipful Company of Makers of Playing Cards 54 und erklärt ebenso wie Harald Derschka, dass „vim vi“ die Verkürzung von „repellere liceat“ ist. Dies bedeutet es sei erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuschlagen. Hierbei handelt es sich um eine Notwehrbestimmung aus den Digesten, einer Sammlung von altrömischer Rechtsliteratur, die weitgehend Grundlage des Römischen Rechts wurden. 55 Mit dieser Auslegung einer Notwehr-

des aufrechten Schwertes als Achse zwischen Gott und dem König dar. Dieser Aspekt wird jedoch lediglich diskutiert und ist bisher nicht hinlänglich publiziert. 50 Die Bibel, Die Bibel 2015, S. 622. 51 Die Bibel, Die Bibel 2015, S. 67. 52 Kaplan, Encyclopedia I, S. 111. 53 Dummett, The game of Tarot, 72–73, no 14. 54 WCMPC Collection Acquisition, In: http://www.playingcardmakerscollection.co.uk/Cardhtml/W0507.html (acc. 2. 9. 2021). 55 Apl. Prof. Dr. Harald Derschka in einer privaten Email an die Verfasserin vom 6.12. 2016.

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14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 80: Schwert-As, „Guildhall wide“. London Metropolitan Archives. The Collection of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, London. Reproduced with kind permission

bestimmung können sämtliche Territorialkriege und andere Auseinandersetzungen der Visconti legitimiert werden. Gleichzeitig erhellt die Karte der „Guildhall wide“ die anderen Motive des SchwertAs und reiht sie in den ausgeführten Bedeutungszusammenhang ein. Die Bedeutung des motivfüllenden Schwertes mit den gekreuzten Knochen und dem Totenschädel des Goldschmidt-Fragments bleibt in der Reihe der erhaltenen Motive des Schwert-As rätselhaft.

Abbildung 81: Schwert-As, Goldschmidt-Karten. Deutsches Spielkartenmuseum, Leinfelden-Echterdingen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Hendrik Zwietasch

Jedoch ist die beabsichtigte Aussage dieses Motivs eine völlig andere als bei den übrigen Spielfragmenten. Um den Ausführungen zum Schwert-As einen weiteren Aspekt hinzuzufügen, ist ein kurzer Exkurs auf die gedruckten Spiele des Tarot de Marseille berechtigt. Kartenmacher in ganz Frankreich fertigten über einen langen Zeitraum zahlreiche Ausgaben des Tarot de Marseille. Mehrere Ausgaben zeigen eine interessante Spielart des Schwert-As, beispiel201

14 Anmerkungen zu ausgewählten Motiven

Abbildung 82: Schwert-As, „tarot Noblet“ um 1659, St. Germain. Gallica, Bibliothèque nationale de France, Paris

haft seien hierfür genannt das Tarot Noblet, erschienen um 1659 in St. Germain 56, das Tarot Dodal erschienen zwischen 1701 und 1715 in Lyon 57 und das für die Entwicklung aller späteren Tarotkarten als

Maßstab geltende Tarot von Nicolas Conver 58 erschienen 1761 in Paris. Diese Ausgaben zeigen eine rechte Hand, die vom linken Bildrand in die Bildmitte greift, der Betrachter blickt auf den Handrücken. Aus einem Wolkensaum, wie bereits bei den gemalten Spielen, als stilisierte Ärmelmanschette dargestellt, hält die Hand ein blankes Schwert aufrecht nach oben. 59 Im oberen Drittel des Motivs durchsticht die Schwertspitze eine von oben herabschwebende Krone. Auffällig sind die Zweige, die rechts und links in die Krone eingesteckt sind und an den Seiten herabfallen. Obwohl die verschiedenen Ausgaben in unterschiedlicher Qualität gestochen sind, ist stets eine unterschiedliche Gestaltung der beiden Zweige erkennbar. Damit erinnert diese Krone an die Imprese der Visconti „corona ducale coi piumai“, wie sie auch im Visconti di Modrone mehrfach dargestellt ist. Höchst interessant ist die Erweiterung des Motivs mit dem Schwert um die Krone, dazu in einer derart markanten Gestaltung. Die Spiele des Tarot de Marseille entstehen lange nach dem Untergang der Visconti- und Sforza Dynastie. Bisher stehen sich die gemalten Tarocchi und die Spiele in Holzschnitt des Tarot de Marseille ohne Verbindung gegenüber. Wie, so stellt sich die Frage, kommt die Visconti-Imprese in die Spiele des Tarot de Marseille? Vielleicht ein Bild des Triumpfes über die französische Übernahme von Mailand im Jahr 1500? Dennoch ist kaum anzunehmen, dass Kartenmacher in Frankreich mehr als einhundert Jahre nach dem Fall des letzten Herzogs der Sforza diese Imprese noch kannten und in ihre Spiele einarbeiteten. Offenbar fehlt in der Dokumentation der Kartenspiele ein Bindeglied zwischen den italienischen und französischen Spielen.

„tarot Noblet“, In: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b105109641.r=tarot%20noblet?rk=21459;2 (acc. 31.1. 2020). „tarot Arnoult“, In: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10510965g.r=tarot%20arnould?rk=21459;2 (acc. 31.1. 2020). 58 „tarot Conver“, In: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10513817z/f93.item.r=tarot%20conver (acc. 31.1. 2020). 59 Kaplan, Encyclopedia II, S. 50. Hier macht Stuart Kaplan auf das Motiv der Krone mit den Zweigen und dem Schwert aufmerksam, bleibt jedoch vage bei der Aussage das Tarot de Marseille bilde dies ab. Welches Spiel gemeint ist, bleibt unklar. 56 57

202

15 Zusammenfassung der Ergebnisse

Tarocchi sind auf den ersten Blick zunächst Spielkarten. Für unser heutiges Verständnis etwas groß im Format, aber doch eindeutig als Spielkarten zu erkennen. Ob sie zum Kartenspiel oder anderweitig benutzt wurden, ist bis heute unklar. Scheinbar wahllos sind in die Tarocchi Wappen, mehr noch Impresen oder andere individuelle Erkennungszeichen eingearbeitet. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass alle Spielfragmente mit solchen Erkennungszeichen versehen sind und weiter, dass die erhaltenen Spielfragmente sich über Generationen mit den Familien Visconti und Sforza über das gesamte 15. Jahrhundert in Verbindung bringen lassen. Jedes Spiel ist für einen bestimmten Besitzer angefertigt. Die Blütezeit der Herrschaft

der Visconti und Sforza deckt sich mit der Blütezeit der Tarocchi. So wird deutlich, die Tarocchi sind Statussymbole und Medien der adeligen Selbstdarstellung vornehmlich dieser beiden Familien. In der heutigen Zeit wäre wohl die Bezeichnung eines Instrumentes für Selbstmarketing treffend. Wenn auch der heutige Betrachter die in die Motive eingearbeiteten Aussagen nur noch punktuell und mühsam verstehen kann, bleiben die Tarocchi im materiellen und immateriellen Sinne ein wertvolles Kulturgut, vor allem aber noch immer faszinierende Kunstobjekte. Diese Arbeit trägt dazu bei, die Tarocchi in ihren historischen Kontext einzuordnen, die Ergebnisse sollen folgend zusammengefasst werden:

15.1 Die Herzöge von Mailand im Zentrum der Tarocchi Lange Zeit drängte sich der Forschung die These auf, Tarocchi wurden anlässlich von Hochzeiten in den Adelshäusern gefertigt. 1 Beflügelt wurde diese These durch das Motiv der „Liebenden“ insbesondere im Spiel Visconti di Modrone. Die vorliegende Arbeit relativiert diese These. Richtig bleibt, das Motiv der „Liebenden“ der Tarocchi zeigt Macht und Status des abgebildeten Paares an. Durch dessen Vermählung wird die Verbindung zweier Adelshäuser betont und die Verbindung sollte sich als wichtiges Ereignis zur Sicherung des Friedens, Festigung politischer Bündnisse, aber auch Ausdehnung des Herrschaftsgebietes oder Machteinflusses gegenüber anderen Adelshäusern präsentieren. Die abgebildeten Wappen von Gemahlinnen betonen den Status der Frau und ehren sie gleichzeitig als Stamm-Mutter der legitimen Nachkommen des Machthabers. Dies dürfte in der damaligen Zeit eine außergewöhnliche Ehrerbietung der Visconti und Sforza an ihre Gemahlinnen und am weiblichen Geschlecht überhaupt darstellen. Als weiterer infrage kommender formelle Anlass zur Fertigung eines Spiels der Tarocchi wurde 1 2

der Besuch König Sigismunds am Hof Filippo Maria Viscontis vermutet. 2 Dies kann nach den Ergebnissen dieser Arbeit jedoch nahezu ausgeschlossen werden. Vielmehr erweisen sich die Herzöge von Mailand von Gian Galeazzo Visconti bis zu Ludovico Maria Sforza als Besitzer im Zentrum der Tarocchi. Sie sind autorisiert für sich selbst oder für den nachfolgenden Herzog ein Spiel von Tarocchi in Auftrag zu geben oder ein Spiel zu Lebzeiten zu besitzen. Jeder Herzog von Mailand besitzt nur ein Spiel von Tarocchi. Anlass zur Fertigung ist die bevorstehende Erlangung oder die Ernennung des Titels Herzog von Mailand. Dieses Ereignis muss insbesondere dann besonders prachtvoll bildlich dargestellt werden, wenn dem angehenden Herzog dieser Titel nicht als natürlicher Erbe zusteht oder zuteil wird. So geschehen, als Gian Galeazzo Visconti den Titel erstmals von König Wenzel im Jahr 1395 erkauft. Er lässt das Tozzi-Spiel und damit das erste und älteste Spiel von Tarocchi fertigen. Später tritt Filippo Maria Visconti als dessen zweitältester Sohn die Nachfolge seines ermordeten Bruders an

Vgl. hierzu beispielsweise Kaplan, Encyclopedia I, S. 89, oder Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 13–14. Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 266.

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15 Zusammenfassung der Ergebnisse

und wird damit unerwartet 3. Herzog von Mailand. Das in seinem Besitz befindliche Visconti di Modrone ist eines der prächtigsten erhaltenen Spiele überhaupt und zeigt diese außergewöhnliche Wendung seines Lebenswegs deutlich. Francesco Sforza trat als 4. Herzog das Erbe Filippo Maria Viscontis an, jedoch nicht als dessen Nachfolger, sondern als dessen Schwiegersohn, der den Titel des Herzogs nach der Ambrosianischen Republik wieder in die Familie holen muss. Auch das Visconti-Sforza im Besitz von Francesco Sforza und Bianca Maria Visconti ist ein sehr prächtiges Spiel. Darüber hinaus ist es derzeit das berühmteste Spiel von Tarocchi, auch weil es fast vollständig erhalten ist. Auch für die Nachfahren von Francesco Sforza können erhaltene Spiele benannt werden: Galeazzo Maria Sforza, 5. Herzog von Mailand war im Besitz des Spieles, dessen erhaltene Karten im Museo Fournier de Naipes de Álava aufbewahrt werden. Sein Sohn Gian Galeazzo Maria Sforza, genannt „il Ducchetto“ gehörten wahrscheinlich die beiden Buben im Museum August Kestner in Hannover. Dem letzten bedeutenden Herzog von Mailand sind die Karten der Museen in Issy-les-Moulineaux und im Muzeum Narodowe w Warszawie, sowie eine Karte in Privatbesitz zuzuordnen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, Tarocchi wurden vornehmlich als Präsentationsmedium für die Erlangung der Herzogswürde gefertigt. Doch es gibt auch Spiele, die sich keinem Herzog von Mailand zuordnen lassen. Herausragend sind drei Spiele: Alessandro-Sforza-Tarocchi, die Tarocchi von Bartolomeo Colleoni und das Spiel d’Este. Die Besitzer dieser Spiele lassen sich in einen engen Bezug zu Francesco Sforza bringen, vornehmlich um die Niederringung der Ambrosianischen Republik und seine eigene darauf folgende Erlangung des Herzogstitels. Alle drei Besitzer sind

Helfer oder Waffengefährten beim Erreichen des Lebensziels von Francesco Sforza. Als Dank hat er ihnen wohl die Erlaubnis zur Anfertigung dieser drei Spiele vergeben. Francesco Sforza geht damit ähnlich vor, wie Kaiser Friedrich III gegenüber Alessandro Sforza, als er zum Dank für die Gastfreundschaft Alessandro Sforza die Erlaubnis erteilt, den kaiserlichen Adler im Wappen zu tragen. Eine solch großzügige Geste erhöht und ehrt den Empfänger, ohne dem Gebenden große Geldsummen abzufordern. Der moderne Ausdruck einer win-win-Situation ist demnach auch für das damalige Vorgehen durchaus passend. Weitere zwei Spiele sind keinem Herzog von Mailand zuzuordnen und auch nicht in Bezug zu Francesco Sforza zu bringen. Zunächst das „Tarot dit de Charles VI“. Möglicherweise hat es Gian Galeazzo Visconti in Auftrag gegeben, um es seiner Tochter Valentina an den Hof des französischen Königs Charles VI mitzugeben. Somit wäre das Spiel ebenfalls von einem mailändischen Herzog in Auftrag gegeben. Auch die Goldschmidt-Karten gehören mit Ascanio Sforza keinem Herzog von Mailand. Denkbar ist allerdings, dass für dieses Spiel sein Bruder und Herzog vom Mailand Ludovico Maria die Erlaubnis zur Fertigung erteilt hat, um Ascanios Hilfe im Ringen um das Herzogtum zu würdigen. Festzuhalten und zu betonen bleibt, die Tarocchi sind Objekte zur Selbstdarstellung der Herzöge von Mailand und deren Höfe. Zu bestimmten, herausragenden Ereignissen können die Herzöge von Mailand die Erlaubnis zur Herstellung eines Spiels von Tarocchi an verdiente Persönlichkeiten vergeben. Auch diese Spiele von Tarocchi dienen und zeugen indirekt von der herzoglichen Präsentation und als Erinnerung an den Anlass ihrer Fertigung.

15.2 Die Sforza und die Visconti-Tradition der Tarocchi Die Sforza als Herzöge von Mailand greifen auf die Wappenzeichen der Visconti zurück. In den Tarocchi werden fast ausschließlich Wappen und Impresen verwendet, die auf die Visconti Tradition zurückgehen gezeigt. Die von den Sforza eigens geführten Erkennungszeichen (beispielsweise „La Scopetta“ von Francesco Sforza) finden keinen Eingang in die Tarocchi. Als Ausnahme wird lediglich 204

die Imprese der drei verschlungenen Ringe von Francesco Sforza in das Visconti-Sforza aufgenommen. Die Art und Weise der Darstellung von Wappen und Impresen in Sforza-Spielen betont den Ursprung der Tarocchi bei den Visconti und zeigt gleichzeitig, wie sehr die Sforza nach Erlangung des Herzogtitels von Mailand ihre Legitimation als Erben der Visconti zu bekräftigen bemüht waren.

15 Zusammenfassung der Ergebnisse

15.3 Die Größe der Tarocchi Anhand der Ergebnisse dieser Arbeit lässt sich ein Aufeinanderfolgen der einzelnen Spiele der Tarocchi recht genau erkennen. Dabei weisen die älteren Spiele noch sehr große Maße der Karten auf. Die jüngeren die Spiele zeigen kleinere Formate. Zusammenfassend ist als Tendenz zu formulieren, je jünger die Spiele, desto kleiner werden die Karten. Dies ist insofern interessant, als die älteren großen Spielkarten sehr unhandlich und kaum in der Hand zu halten sind. Möglicherweise ist die Größe der Karten ein Hinweis auf einen sich veränderten Gebrauch dieser Karten. Kleinere Karten lassen sich besser zu mehreren in der Hand halten. Vielleicht hat sich erst im Verlauf der Entwicklung der Ta-

rocchi eine Gebrauchsweise entwickelt, bei der mehrere Karten zusammen aufgenommen wurden. Die ersten Spielregeln wurden erst etwa dreihundert Jahre nach der Blütezeit der Tarocchi aufgezeichnet. Möglich ist aber auch, die Spielregeln sind in den schriftlichen Quellen erst viel später nachweisbar, obwohl sie schon früher existierten, beispielsweise durch mündliche Weitergabe. Die späte Greifbarkeit der schriftlichen Spielregeln (vergleiche Abschnitt „Das Kartenspiel mit den Trümpfen“.) festigt die These der sich entwickelnden Spielweise mit mehreren und kleiner werdenden Karten lange nachdem die Tarocchi Bestandteil der höfischen Kultur waren.

15.4 Material und Gestaltung Für die Herstellung einzelner Spiele der Tarocchi wurden unterschiedlich wertige Papiere verwendet. Es zeigt sich ein Spektrum von einheitlichem und erstverwendetem Papier, wie es die hochauflösenden Digitalisate des Fragments der Este zeigen, bis hin zu wiederverwendeten und beschrifteten Mittelschichten des Alessandro Sforza-Fragments. Auch eine Mischung aus Pergament in den Deckschichten und zweitverwendetem Papier lässt sich bei den Karten den Museo Fournier de Naipes de Álava belegen. Ohne Zweifel werden diese unterschiedlichen Materialien zusammen mit der Papierqualität den Herstellungspreis beeinflusst haben. Dies erlaubt einerseits Einblicke in die finanziellen Mittel der Auftraggeber. Es zeigt aber auch den Wert, den der Auftraggeber in ein solches Spiel hineinlegt. Offensichtlich ist auch der Wert dieses Statussymbols bei den einzelnen Auftraggebern unterschiedlich. Ob sich die verwendete Papierqualität auf die Haltbarkeit der Karten auswirkt oder ob die

entsprechenden Spiele unterschiedlich beansprucht wurden, muss an dieser Stelle offenbleiben. Einige jüngere Spiele von Tarocchi zeigen Ähnlichkeit in der Motivgestaltung mit dem ViscontiSforza, welches sich offensichtlich an das ältere Tozzi-Spiel anlehnt. Alle dem Tozzi und dem ViscontiSforza nachfolgenden und in der Motivgestaltung entsprechenden Spiele sind den Herzögen von Mailand vorbehalten. Francesco Sforza übernahm demnach auch bei der Gestaltung seines Spiels von Tarocchi die Tradition der Visconti unter Auslassung seines Schwiegervaters Filippo Maria Visconti, wie er dies auch in anderer Hinsicht tat. Das ViscontiSforza stellt den Zenit der Spiele von Tarocchi dar. Danach wird das Privileg dieses Statussymbol zu besitzen an eine Reihe weiterer Adeliger im Umkreis von Francesco Sforza weitergegeben. Es fällt darüber hinaus auf, dass Spiele mit freier gestalteten Motiven, beispielsweise das Spiel von Bartolomeo Colleoni oder die Goldschmidt-Karten, sich nicht in die Linie der Herzöge einreihen.

205

15 Zusammenfassung der Ergebnisse

15.5 Bewegte Bilder: Imposante Inszenierungen verschiedener Anlässe Über die Frage, ob die Bilder der Trumpfreihe der Tarocchi eine Abhandlung oder einen anderen Zusammenhang zeigen, ist in der Forschung bereits oft und gerne diskutiert worden. Erinnert sei an Gertrude Moakley, die die Bilder der Trumpfreihe mit Petrarchas Gedicht „I trionfi“ in Einklang zu bringen versuchte. 3 Ihre These wurde von nachfolgenden Autoren rasch als nicht überzeugend verworfen.4 Dennoch sind bewegte Bilder, kleinere und größere Inszenierungen zur Veranschaulichung und Hervorhebung besonderer Ereignisse in der Spätgotik und frühen Renaissance beliebt und durchaus üblich. Im Kirchenjahr wurde zwischen Gründonnertag und Christi Himmelfahrt das Heilsgeschehen verbildlicht. Aus dem 14. Jahrhundert sind in Siena, Florenz und Lucca lebensgroße Kruzifixe erhalten, deren Christusfigur mit beweglichen Armen und Beinen versehen sind. Die Figur kann vom Kreuz abgenommen, die Arme an den Körper angelegt werden und Christus so „zu Grabe getragen werden“. In Siena findet sich auch die Figur des Auferstehenden Christus, die am Ostermontag symbolisch aus dem Grab erhoben und am Hauptaltar aufgestellt wurde. Als Höhepunkt der Inszenierung wurde diese Figur an Christi Himmelfahrt während des Gottesdienstes in das Deckengewölbe der Kirche hochgezogen und durch das sogenannte „Himmelsloch“ aus dem Kirchenraum und damit aus dem Blickfeld der Messebesucher entfernt. 5 Auch Jacob Burckhardt beschreibt Prozessionen an Fronleichnam, die in Italien zum Prachtumzug werden, mit maskierten Darstellern beispielsweise für die Tugenden oder die Apostel. Aus diesen kirchlichen Prozessionen entwickelt sich der eher weltlich ausgerichtete „Trionfo“, ein Zug durch die Straßen von Kostümierten zu Wagen und zu Fuß. Der Übergang von der Prozession zum „Trionfo“ und später zum

Karnevalszug, alle mit kostümierten Darstellern unterschiedlicher Themenbereiche, ist fließend. 6 Diese Schilderungen zeigen, außergewöhnliche Anlässe und Festgelegenheiten werden bewusst in Szene gesetzt, um als Bilder auf die Zuschauer eindrücklich wirken zu können. Über kirchliche und weltliche Anlässe hinaus lassen sich jedoch auch Züge unter politischen oder herrschaftlichen Aspekten feststellen. Beispielhaft seien folgend Züge angeführt, die sich bei der Dynastie Sforza finden. Ausschließlich politisch motiviert sind herrschaftliche Einzüge in ein besiegtes Gebiet. So reitet Francesco Sforza im Februar 1450 zu Pferd in Begleitung von Bianca Maria Visconti und weiterem Gefolge feierlich und umjubelt von Bürgern in einem festlichen Zug in Mailand ein, um das Amt des Herzogs zu übernehmen. 7 Detlef Hoffmann nennt als ähnliches Ereignis den feierlichen Einzug von Alfons I in Neapel 1443. 8 An dieser Stelle zu nennen sind auch die Begleitzüge zu weiteren und verschiedenen Anlässen, etwa herrschaftliche Reisen wie der Durchzug des Kaisers oder Brautzüge. Eine herrschaftliche Reise unternimmt auch Galeazzo Maria Sforza auf seiner Durchreise zum Konzil von Mantua, als er von zahlreichen Bürgern von Florenz in die Stadt begleitet wird (siehe auch Abschnitt „Galeazzo Maria Sforza“). Dieses Ereignis ist wahrscheinlich Vorlage für Benozzo Gozzolis Fresco „Zug der Heiligen Dreikönige“ im Palazzo Medici-Riccardi in Florenz. Weitere Anlässe für solche prächtigen Kavalkaden, eine Gruppe üppig ausgestatteter Reiter begleitet von Fußvolk sind belegt. Nach dem Tod von Francesco Sforza 1466 reitet eine Kavalkade mit Galeazzo Maria Sforza als künftiger Herzog an der Spitze in Mailand ein. 9 Am Stefanstag des Jahres 1476 reitet Galeazzo Maria Sforza mit Gefolge vom Castello zur Kirche San Stefano in Mailand, wo er ermordet wird. 10 Sein Sohn und

Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 45. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 26; Wörner, Dame im Spiel, S. 89. 5 Tripps, Das handelnde Bildwerk, S. 114–115, 117 und 148. 6 Burckhardt, Cultur der Renaissance, 124 und 139. 7 Burckhardt, Cultur der Renaissance, S. 140; Schelle, Die Sforza, S. 111. 8 Burckhardt, Cultur der Renaissance, Bd. I, S. 246–247.; Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi 26 und 40. 9 Schelle, Die Sforza, S. 133. 10 Schelle, Die Sforza, S. 143. 3

4

206

15 Zusammenfassung der Ergebnisse

Nachfolger Gian Galeazzo Maria Sforza reitet anlässlich seiner Hochzeit mit Isabella von Aragon in einem prachtvollen Hochzeitszug durch Mailand zum Dom. 11 Solche Begleitzüge von Herrschern zu Pferd mit ihrem Gefolge sind verschwenderisch ausgestattet. Sie tragen den Reichtum in Form der Pferde, der Kleidung, deren Stoffe und Verzierung mit Perlen und Edelsteinen regelrecht zur Schau. Diese Züge sind als Analogie für die Tarocchi weit besser geeignet als die eingangs erwähnten kirchlichen und weltlichen Feste. Denn Tarocchi und die herrschaftlich berittenen Züge haben einige Gemeinsam-

keiten: Sie sind reine Herrschaftsdemonstration in prachtvoller Ausstattung. Darüber hinaus sind sie beweglich, die Züge als bewegte Bilder, die Tarocchi sind transportabel und in immer neuen Kombinationen auszulegen. Mit den Tarocchi lassen sich auch fantastische Ausmalungen von künftig möglichen Herrschaftszügen ersinnen. Beides ist eindrücklich für die Zuschauer, die beiden Medien nutzen lediglich verschiedene Bühnen und wenden sich somit an verschiedene Rezipienten. Während die Herrschaftszüge die Öffentlichkeit suchen, liegen die Tarocchi auf den Tischen der geschlossenen höfischen Gesellschaft.

15.6 Tarocchi und die Kunst ihrer Zeit Die ältesten Tarocchi werden der spätgotischen Hofkultur zugeordnet, die jüngsten Spiele finden sich am glanzvollsten Hof der Renaissance. Offensichtlich vollzieht sich in der Blütezeit der Tarocchi eine Zeitenwende mit weitreichendem Wertewandel für Kunst und Kultur, Gesellschaft und auch der Politik. Die Tarocchi folgen dieser Zeitenwende nur begingt, denn die Struktur dieses Kartenspiels ist schon früh festgeschrieben, ebenso wie die Motive. Lediglich bei der Gestaltung der Motive hatten die Auftraggeber einen gewissen Freiraum, wie beispielsweise der Vergleich des Motivs der „Welt“ in verschiedenen Spielen oder der „Tod“ im ViscontiSforza und bei Bartolomeo Colleoni zeigen. Allerdings lassen sich jüngere Spiele von älteren Spielen unterscheiden, denn die Maltechnik entwickelt sich demnach sichtbar im Laufe der Zeit der Tarocchi. Gleichwohl reihen sich die Tarocchi in die Kunst und Geistesströmung ihrer Blütezeit ein, betrachtet man den Aspekt der Kunst als Medium der Präsentation von Macht und das Herausheben einer herrschenden Familiendynastie. Neu bei dem Aufkommen der Tarocchi ist ihr Material, das Papier. Als neues Medium sind sie

11

klein und beweglich und damit zu jedem gewünschten Ort und Anlass zu transportieren. Vor allem aber sind es ihre Inhalte und Aussagen, die das neue Medium der Tarocchi als Teil der Zeitströmung ausweisen. Schlüsselfigur ist Gian Galeazzo Visconti und das für ihn angefertigte Tozzi-Spiel. Dieses Spiel ist eines der ältesten der Tarocchi überhaupt. Gian Galeazzo Visconti nutzt dieses neue Medium für eine, wenn auch noch dezente Selbstdarstellung seiner Person, seiner Familie und später seines neuen Titels des ersten Herzogs von Mailand. Gleichzeitig hat sein Glaube, die Hingabe an die Muttergottes einen so hohen Stellenwert, dass er alle seine ersehnten Kinder mit Caterina Visconti auf den Namen Maria tauft. Er initiiert weiter ausgehend von dieser Dankbarkeit den Bau des Mailänder Doms. Dies sind Werte, die sich am untergehenden Zeitalter des Mittelalters orientieren. Bei späteren Besitzern von Tarocchi lässt sich ein derart hoher Stellenwert der Religiosität nicht mehr ersehen, die Gestaltung der Kartenmotive entwickelt sich hin zum Medium der männlichen Selbstdarstellung des Besitzers und Machthabers.

Schelle, Die Sforza, S. 159.

207

16 Schlussbemerkung

Wie sich gezeigt hat, sind Tarocchi kein alleinstehendes Phänomen in der Kunst im 15. Jahrhundert. Vielmehr sind sie eingebettet in die höfische Tradition der Herzöge von Mailand und damit in ganz Oberitalien, ebenso wie in die politischen Ereignisse um die Familien Visconti und Sforza. Sie entsprechen dem damaligen Zeitgeist in vielen Aspekten und zeigen eine selbstbewusste Präsentation des Herrschers, wie es damals auch an anderen Stellen üblich war, beispielsweise bei der Dekoration von Wohnräumen oder an Außenfassaden von Adelssitzen. Für die Demonstration ihrer Herrschaft benutzen die Herzöge von Mailand zusätzlich das neue außergewöhnliche Medium der Spielkarten, die zu dieser Zeit in Mode kamen. Die Inhalte der Aussagen entsprechen jedoch anderen Medien der Herrschaftsdemonstration.

208

Bisher wurden die Tarocchi von verschiedenen Disziplinen der Wissenschaft betrachtet, vor allem von der Spielkartenforschung und der Kunstgeschichte. Diese Arbeit zeigt ebenfalls, dass sich das Phänomen der Tarocchi einer Erforschung lediglich durch Betrachtung einzelner Wissenschaftsdisziplinen entzieht. Um die Tarocchi umfassend verstehen und in ihr Umfeld einordnen zu können, braucht es breit angelegte Betrachtungen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, wie sie sich derzeit abzuzeichnen beginnt. Denn die Tarocchi sind außergewöhnliche Forschungsobjekte, die der Wissenschaft ein bisher ungewohntes Maß der interdisziplinären Zusammenarbeit abverlangen, um sie in Gänze erfassen zu können.

17 Kommentierter Quellenkatalog

In diesem vom Hauptteil der Arbeit eigenständigen Abschnitt sollen für einen schnellen Überblick die formalen Informationen über die einzelnen Spielfragmente (soweit dies möglich ist) in der Art eines Lexikons systematisiert und zusammengeführt werden. Aufgenommen wurden von der Forschung gesicherte Informationen, ebenso wie neueste Erkenntnisse und aktuell diskutierte Thesen. Bei leeren Zeilen sind keine Informationen verfügbar oder in der genannten Literatur sind Angaben nicht hin-

länglich belegt, sodass auf einen Eintrag an dieser Stelle verzichtet wurde. Um ein Übermaß an Anmerkungen zu vermeiden, wird bewusst darauf verzichtet jede Angabe mit einer Fußnote zu versehen. Alle Angaben sind aus den Quellen entnommen, die unter der Rubrik „Beschreibung“ aufgeführt sind. Eine ausführliche Bibliografie der dort im Fußnotenformat angegebenen Literaturangaben findet sich im Literaturverzeichnis.

209

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.1 Sammlung Tozzi erhaltene Karten:

13

Trümpfe:

„Papst“, „Wagen“, „Rad des Schicksals“, „Mäßigkeit“, „Gericht“

Hofkarten:

Schwert-König, Schwert-Reiter, Schwert-Bube, Münz-Königin

Zahlenkarten:

gekrönte Visconti-Schlage (bildfüllendes Motiv), Schwert-5

Herkunft:

unbekannt

Datierung:

ein frühes Spiel, keine genaue Datierung

Maße in mm:

170 � 87

Rückseite:

schwarz 1

Material/Technik: Künstler:

Antonio Cicognara (fraglich)

andere Bezeichnungen: „von Bartsch“, „ein Spiel aus dem amerikanischen Kunsthandel“ 2 Aufbewahrung:

Unbekannte Privatsammlung. Schwert-König und Rad des Schicksals, die D’Otrange noch beschreibt, gelten nach Veröffentlichung des Artikels und einer späteren Veräußerung der Karten als verschollen.

Notiz: Besonderheit:

Gekrönte Visconti-Schlange als bildfüllendes Motiv auf einer Karte, Initialen am Sockel des Throns des Schwert-König

Wappensymbole:

„A bon droyt“ auf Schwert-5. „Sole raggiante“ auf mehreren Karten, dem goldenen Hintergrund einiger Motive und stilisiert auf dem Gewand der Göttin Fortuna auf dem „Rad des Schicksals“, ebenso wohl auch auf der Fahne der Karte „Das Gericht“.

Abbildungen:

D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, S. 133, 1954. Kaplan, Encyclopedia I, S. 100–102.

Beschreibung (Auswahl):

D’Otrange, Thirteen tarot cards in: (The) connoisseur, S. 133, 1954. Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 246. Dummett, The game of Tarot, S. 70 no 8 und Appendix 2, S. 89–90. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18. (nach Klein, siehe unten). Kaplan, Encyclopedia I, S. 100–102. Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 52. Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 33, Anmerkung 10.

1 2

Dummett, The game of Tarot, 72 no 10. Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 52.

210

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.2 Die Sammlung Cocchi erhaltene Karten:

5

Trümpfe:

„Liebende“ und „Sonne“

Hofkarten:

Schwert-Bube (ohne Abbildung)

Zahlenkarten:

Münz-5 („a bon droyt“)

Kelch-zwei (Spruch „amore mea“) Herkunft: Datierung: Maße in mm:

172 � 87

Rückseite: Material/Technik: Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Privatsammlung Amedeo Cocchi, Mailand

Homepage: Signatur: Notiz: Besonderheit:

Münz-2: Spruchband mit Aufschrift „amor mea“

Wappensymbole:

„a bon droyt“

Abbildungen und Beschreibung:

Algeri, Tre carte figurante, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, Cat 7, Abbildungen S. 23 und Beschreibung S. 41.

211

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.3 Das Brambilla erhaltene Karten:

48

Trümpfe:

„Herrscher“ und „Rad des Schicksals“

Hofkarten:

Stab-König, -Königin, -Reiter Kelch-Reiter und -Bube, Münz-Reiter und -Bube

Zahlenkarten:

Schwert-As bis 10, Stab-As bis 10, Kelch As bis 10, Münz-As bis 3 und -5 bis10

Herkunft:

Mailand

Datierung:

Um 1450

Maße in mm:

Ca 180 � 90 (leicht abweichende Angaben in der Literatur)

Rückseite: Material/Technik: Künstler:

Bonifazio Bembo

andere Bezeichnungen:

Brera-Brambilla

Aufbewahrung:

Pinacoteca di Brera, Mailand

Homepage:

Pinacoteca di Brera, In: http://pinacotecabrera.org/en/ (acc. 20. 1. 2021)

Signatur: Notiz:

Karten sind nicht digitalisiert.

Besonderheit:

Das Schwert-As zeigt zwei Spruchbänder: „a bon droyt“ und ein weiteres mit der Aufschrift „phote mante.“ 3

Wappensymbole:

Doppeltes Spruchband „a bon droyt“ auf Stab-As und Münz-4, Strahlensonne im goldgepunzten Hintergrund der Trümpfe und Hofkarten, Krone der Visconti mit Palmwedel und Lorbeerzweig auf Münz-Reiter, der schwarze Adler der kaiserlichen Legitination auf dem Hut des Herrschers.

Abbildungen:

Bandera/Tanzi, Quelle carte de triumphi, S. 36–49. (alle). Dummett, The game of Tarot, Abb. 9, 3. Reihe. Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903. Bembo, 48 tarocchi. Kaplan, Encyclopedia I, S. 96–98. (Auswahl).

Beschreibung (Auswahl):

Bandera/Tanzi, Quelle carte de triumphi. Bandera Bistoletti, I tarocchi. Il casa e la fortuna. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 12–15. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 49. Dummett, The game of Tarot, S. 68–69 no 2. Kaplan, Encyclopedia I, S. 96–98. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18 (nach Klein, Robert). Bembo, 48 tarocchi, Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 51. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101. Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 241–245.

Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 251. Er gibt die Aufschrift „phote mantenir“ an, kann aber den Sinn nicht herauslesen.

3

212

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.4 Das Visconti di Modrone erhaltene Karten:

67

Trümpfe:

„Herrscherin“, „Herrscher“, „Liebende“, „Kraft“, „Wagen“, „Tod“, „Welt“, „Gericht“, „Glaube“, „Liebe“, „Hoffnung“

Hofkarten:

Schwert-König, -Königin, -Reiterin, Zofe Stab-Königin, -Reiterin, -Bube, -Zofe Kelch-König, -Reiter, -Bube, -Zofe Münz-König, -Königin, -Reiter, -Reiterin, -Zofe

Zahlenkarten:

Schwert-As bis 10, Stab-As bis 10, Kelch-As bis 10, Münz-As, -2, -4 bis 10

Herkunft:

Mailand

Datierung:

Zwischen 1428 und 1447

Maße in mm:

190 � 90

Rückseite:

Einfarbig, helles ockergelb

Material/Technik: Künstler:

Bonifazio Bembo 4

andere Bezeichnungen:

Cary-Yale, Visconti-Pack, Cicognara, Countess Gonzaga

Aufbewahrung:

Beinecke Rare Book & Manuscript Library, In: http://beinecke.library.yale.edu (acc. 1. 9. 2020)

Homepage:

Beinecke Rare Book & Manuscript Library, In: http://beinecke.library.yale.edu (acc. 1. 9. 2020)

Signatur:

ITA 109

Notiz: Besonderheit:

In der Trumpfreihe die Motive Glaube, Liebe und Hoffnung, die Hofkarten jeder Spielfarbe bestehen aus 6 Karten und zeigen zusätzlich Reiterinnen und Zofen. Die in der Münzfarbe abgebildete Münze entspricht einer Münze, die Filippo Maria Visconti herausgegeben hat. Statt Stäben zeigt diese Spielfarbe Pfeile, die Schwerter sind gerade (anstatt wie üblicherweise gebogen) dargestellt.

Wappensymbole:

Münz-2: in der oberen Münze die Visconti-Schlange, in der unteren Münze ist die Imprese Capitergium/„il Velo“ abgebildet. Visconti-Schlange auch auf Münz- und Kelch-As. Strahlensonne auf dem goldgepunzten Hintergrund der Trümpfe und Hofkarten, ebenso auf dem Gewand und als Nimbus des Trumpfes „Glaube“. Taube mit Visconti-Motto „a bon droyt“ zusammen mit der Strahlensonne auf den Hofkarten der Münzen und dem Wagen. Krone mit Lorbeer- und Palmzweig auf den Hofkarten der Kelche und Schwert-As, Brunnen – Jungbrunnen auf der Spielfarbe der Stäbe. Schwarzer Adler in der Kopfbedeckung des „Herrschers“ und auf Schild der „Herrscherin“. Wappenfarben Mailands Rot-Weiß als Beinfarben der MiPati einiger männlicher Figuren.

Abbildungen farbig:

Visconti Tarot | Beinecke In: https://beinecke.library.yale.edu/collections/highlights/visconti-tarot (acc. 23. 8. 2018)

4

In der Diskussion, welchem Künstler die Karten zuerkannt werden, hat sich die Forschung inzwischen auf Bonifazio Bembo festgelegt.

213

17 Kommentierter Quellenkatalog

Beschreibung (Auswahl):

Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 28, Anmerkung 12. Depaulis, Jeu et magie, S. 37. Dummett, The game of Tarot, S. 68 no 1. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, S. 12–15. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 49. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 21. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18 (nach Klein, siehe unten) Kaplan, Encyclopedia I, S. 87–95. Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 51. Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 241–245. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 99. Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity, S. 1770–1992.

Faksimile:

Bembo/Kaplan, Cary-Yale Visconti Tarocchi Deck.

214

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.5 Das Visconti-Sforza erhaltene Karten:

74

Trümpfe:

20

Hofkarten:

15

Zahlenkarten:

39

Herkunft:

Mailand

Datierung:

1445–1485

Maße in mm:

175 � 87

Rückseite:

Einfarbig, rotbraun

Material/Technik:

Schwerer Pappkarton

Künstler:

Bonifazio Bembo

andere Bezeichnungen:

Visconti, Pierpont Morgan, Bergamo, Francesco Sforza, Colleoni-Baglioni

Aufbewahrung 5:

35 Karten in der The Morgan Library & Museum (früher Pierpont The Morgan Library & Museum Library), New York seit 1911 26 Karten in der Accademia Carrara, Bergamo (AC) 14 Karten im Privatbesitz der Familie Colleoni (FC) The Morgan Library & Museum 15 Trümpfe: „Narr“, „Gaukler“ („Mountbank“), „Herrscherin“, „Päpstin“, „Papst“, „Liebende“, „Wagen“, „Kraft“, „Eremit“ („The Old Man“), „Rad des Schicksals“, „Gehängte“, „Tod“, „Mäßigkeit“, „Sonne“, „Gericht“ („The Angel“) 8 Hofkarten: Schwert-König, -Königin, Stab-König, Kelch-Königin, -Reiter und -Bube, Münz-König und -Königin. 12 Zahlenkarten: Schwert-As und 10, Stab-As, 4 und 9, Kelch-As, 3, 5 und 9, Münz-7, 8 und 10. Accademia Carrara: 5 Trümpfe: „Herrscher“, „Gerechtigkeit“, „Stern“, „Mond“, „Welt“ 7 Hofkarten: Schwert-Reiter und -Bube, Stab-Königin, -Reiter und Bube, Kelch-König, Münz-Bube. 14 Zahlenkarten: Schwert-4, 5, 6 und 8, Stab-3, 5, 6 und 7, Kelch-2, 6 und 10, Münz-As, 5 und 9. Familie Colleoni: 13 Zahlenkarten: Schwert-2, 7 und 9, Stab-2, 8 und 10, Kelch-4, 7 und 8, Münz-2, 3, 4 und 6

Homepage:

The Morgan Library & Museum, In: http://www.themorgan.org (acc. 1. 9. 2020) Accademia Carrara di Bergamo, In: http://www.lacarrara.it/ (acc. 1. 9. 2020)

Signatur:

The Morgan Library & Museum: MS M.630.1 bis MS M.630.35

Notiz:

Parraviccino spricht 1903, ebenso wie Schreiber 1937 von drei fehlenden Karten: Teufel, Welt und Münz-Reiter. Erstmals erwähnt Gertrude Moakley 1966 vier fehlende Karten, als vierte Karte ist die Schwert-3 verschollen. Bei allen Karten mit goldgepunztem Hintergrund sind diagonal angeordnete Quadrate zu sehen, lediglich die Welt zeigt liegende Quadrate, ebenso wie die Sonne „Guildhall Library Tarocchi Cards, „Guildhall wide“.

Besonderheit:

Kelch-2 trägt das Spruchband „amor mio“.

Vgl hierzu Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo, S. 21; Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards, Curatorial description, In: http://corsair. morganlibrary.org/msdescr/BBM0630.htm (acc. 1. 9. 2020) und Bandera/Tanzi, Quelle carte de triumphi, S. 50–57.

5

215

17 Kommentierter Quellenkatalog

Wappensymbole:

Impresen: „fiammante“ als Hintergrund vornehmlich auf den Trümpfen und Hofkarten. „Tre anelli intrecciati“ auf dem Gewand des „Herrschers“. „Corona ducale“ auf dem Gewand der „Herrscherin“ und der Pferdedecke des Münz-Reiters. „Colombina nel fiammante“ auf Stab-König. Spruchband mit Motto „a bon droit“ hauptsächlich auf den Zahlenkarten der Schwerter. In den Hofkarten dargestellt sind: die Jünglinge tragen rot-weiße Strumpfhosen und einige ihrer Hüte zeigen Pfauenfedern.

Abbildungen, farbig:

The Morgan Library & Museum: Visconti-Sforza Tarot Cards, In: https://www.themorgan.org/collection/tarot-cards/thumbs (acc. 8. 12. 2020)

Beschreibung (Auswahl):

Depaulis, Jeu et magie, S. 38. Dummett, The game of Tarot, S. 69 no 3. Dummett, The Visconti-Sforza Tarot Cards. Hens, Weltenmodell in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 251–252. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 43–49. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 22. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18 (nach Klein). Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 51. Moakley, Tarot Cards by Bonifazio Bembo. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101–102. Di Parravicino, Three Packs, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol III, No. 9, Dez 1903, S. 237–251.

Faksimile:

Monumenta Langobardica, „I Tarocchi dei Visconti“. Kaplan, Visconti Sforza tarocchi Deck. Im Laufe der Jahre erscheinen weitere Nachdrucke, z. B.: Fiebig, Visconti-Tarot.

216

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.6 Visconti-Sforza: Sechs Trümpfe eines anderen Künstlers erhaltene Karten: Trümpfe:

„Stern“, „Mond“, „Welt“, „Kraft“, „Mäßigkeit“ und „Sonne“

Hofkarten: Zahlenkarten: Herkunft: Datierung: Maße in mm: Rückseite: Material/Technik: Künstler:

Bisher zugeschrieben: Antonio Cicognara

andere

Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Siehe Einzelheiten beim Spiel „Das Visconti-Sforza“

Homepage: Signatur: Notiz:

Es ist offen, ob diese Motive verloren gegangene Karten ersetzen, oder ob sie später zu den bestehenden Karten des Spiels hinzugefügt wurden.

Besonderheit: Wappensymbole: Abbildungen, farbig: Beschreibung (Auswahl):

217

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.7 Muzeum Narodowe w Warszawie, Musée Français de la Carte à Jouer und unbekannte Privatsammlung National Museum in Warsaw: erhaltene Karten 6:

2

Trümpfe: Hofkarten:

Kelch-Königin, Münz-Reiter

Zahlenkarten: Herkunft:

Florenz

Datierung:

1450–1500

Maße in mm:

170 � 84

Rückseite:

mit Staniol belegt

Material/Technik:

Karton, Tempera, Vergoldung

Künstler:

Benozzo Gozzoli

andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Muzeum Narodowe w Warszawie

Homepage:

National Museum in Warsaw, In: http://www.mnw.art.pl/en/ (acc. 2. 12. 2019)

Signatur:

Kelch-Königin: Min. 482 Münz-Bube: Min. 483

Notiz: Besonderheit: Wappensymbole:

„Il Morso“ auf der Münze des Münz-Buben und der Münz-Königin

Abbildungen:

Karta do gry w Tarocca, In: https://cyfrowe.mnw.art.pl/pl/katalog/522082 (acc. 29. 10. 2020) Kaplan, Encyclopedia I, S. 109.

Beschreibung (Auswahl):

Dummett, The game of Tarot, S. 73 no 16. Kaplan, Encyclopedia I, S. 108–109. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18. Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 52. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 103.

Musée Français de la Cartes à Jouer, Issy les Moulineaux: erhaltene Karten:

1

Trümpfe:

„Wagen“

Hofkarten: Zahlenkarten: Herkunft:

Florenz

Datierung: Maße in mm: Rückseite: Material/Technik: 6

Angaben des National Museum in Warsaw, Michal Przygoda, zugesandt in einer persönlichen Email an die Verfasserin vom 30. 8. 2018

218

17 Kommentierter Quellenkatalog

Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Musée Français de la Cartes à Jouer, Issy les Moulineaux

Homepage:

Musée Français de la Carte à Jouer, In: http://www.museecarteajouer.com/ (acc. 1. 9. 2020)

Signatur: Notiz: Besonderheit: Wappensymbole: Abbildungen, farbig:

Chariot, In: https://www.franceculture.fr/histoire/coeur-pique-dame-valet-atout-que-symbolisent-lescartes-a-jouer (acc. 3. 12. 2019)

Beschreibung (Auswahl):

Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 264 und 268–269.

Unbekannte Privatsammlung erhaltene Karte:

Münz-Königin, versteigert im Jahr 2005 bei Christie’s in Paris

Abbildungen, farbig:

Münz-Königin bei Christie’s, In: http://trionfi.com/0/j/d/christie/ (acc. 2. 12. 2019)

Beschreibung

Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 264.

219

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.8 Museo Fournier de Naipes de Álava erhaltene Karten:

6

Trümpfe:

„Herrscher“, „Päpstin“

Hofkarten: Zahlenkarten:

Stab-7; Münz-As, 2 und 8.

Herkunft: Datierung: Maße in mm:

170 � 86

Rückseite:

Einfarbig in unterschiedlichen Tönen: braun, schwarz-grau und rot (Päpstin). Lt. Katalog des Museo Fournier, siehe Link unten.

Material/Technik: Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Museo Fournier de Naipes, Vitoria-Gasteiz, Spanien

Homepage: Signatur:

44599

Notiz:

Das Museum räumt, ebenso wie Dummett die Möglichkeit ein, dass diese „Päpstin“ zu einem anderen Spiel gehören könnte.

Besonderheit:

Spruchband mit „a bon droit“ [statt „a bon droyt“] auf Münz-2.

Wappensymbole: Abbildungen s/w:

Kaplan, Encyclopedia I, S. 103.

Beschreibung (Auswahl):

Tarot milanés del grupo Visconti-Sforza, In: https://apps.euskadi.eus/v09aNucleoWar/ ciuVerFicha.do?idMuseo=2&ninv=44599 (acc. 1. 9. 2020) Dummett, The game of Tarot, S. 72 no 10 und no 13 („Päpstin“). Kaplan, Encyclopedia I, S. 103.

220

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.9 Museum August Kestner erhaltene Karten:

2

Trümpfe: Hofkarten:

Münzen-Bube, Museum August Kestner, In: https://nds.museum-digital.de/index.php?t= objekt&suinin=46&oges=5970&cachesLoaded=true (acc. 7. 10. 2020) Schwerter-Bube, Museum August Kestner, In: https://nds.museum-digital.de/index.php?t=objekt&suinin=46&oges=5971&cachesLoaded= true (acc. 7. 10. 2020)

Zahlenkarten: Herkunft:

Italien, Lombardei

Datierung:

Mitte 15. Jahrhundert

Maße in mm:

175 � 95

Rückseite: Material/Technik:

starker Karton, Deckfarben mit Ritzvorzeichnung 7

Künstler:

Benedetto Bembo (Bruder von Bonifazio Bembo) 8

andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Museum August Kestner, Hannover

Homepage:

Museum August Kestner, In: https://www.hannover.de/Museum-August-Kestner (acc. 21. 11. 2019)

Signatur:

Schwert-Bube, Inventar Nr. 4682a Münz-Bube, Inventar Nr. 4682b

Notiz: Besonderheit: Wappensymbole:

Visconti-Schlange auf der Münze des Münz-Buben

Abbildungen, farbig:

Westfehling, „Tarocchi“. Menschenwelt und Kosmos, S. 30–31. Dummett, The game of Tarot, Abb. 9, 2. Reihe. Kaplan, Encyclopedia I, S. 108 (s/w).

Beschreibung (Auswahl):

Dummett, The game of Tarot, S. 73 no 17. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18 (nach Klein, siehe unten) Kaplan, Encyclopedia I, S. 108. Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 52. Westfehling, „Tarocchi“. Menschenwelt und Kosmos, Nr. 33, S. 37.

7 8

Kuratorische Beschreibung des Kestner-Museums, Anhang einer Email an die Verfasserin vom 2. 6. 2015 Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 52.

221

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.10 Die Goldschmidt-Karten erhaltene Karten:

9

Trümpfe: Hofkarten: Zahlenkarten:

Stab-5

Herkunft: Datierung:

15. Jahrhundert

Maße in mm:

137 � 65

Rückseite:

dunkelrot

Material/Technik: Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Deutsches Spielkartenmuseum in Leinfeldern-Echterdigen (DSM).

Homepage: Signatur:

Inventarnummer: DSM B 226

Notiz:

Motive weichen vom üblichen Kanon der Tarocchi ab. Keine einheitliche Bezeichnung der einzelnen Motive.

Besonderheit:

Verwendung von Palimpset, zweitverwendetes Pergament. Schriftzeichen sichtbar bei dem Motiv des Bischofs am linken Bildrand.

Wappensymbole:

Auf der Brust des Falkners ist ein Wappen abgebildet, das nicht identifizierbar ist.

Abbildungen, farbig:

Depaulis, Jeu et magie, S. 23, Cat. no 6. Goldschmidt, Farben in der Kunst, Band III, Tafel 66 und 67. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 53. Hoffmann, Welt der Spielkarte, Bildtafel 9.

Beschreibung (Auswahl):

Depaulis, Jeu et magie, S. 39–40. Dummett, The game of Tarot, S. 73–75 no 19. Hens, Weltenmodell in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 253–254. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 52. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 24. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18–19. Kaplan, Encyclopedia I, S. 110. Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 100.

222

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.11 The Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards, Acquisition No. 507 erhaltene Karten:

2 � 2: Guildhall „narrow“ 9: „ein schießender Jäger“ und Sonne Guildhall „wide“: Kelch-As und Schwert-As

Trümpfe: Hofkarten: Zahlenkarten: Herkunft: Datierung: Maße in mm:

„Guildhall narrow“: 138 � 72 „Guildhall wide“: 141 � 66

Rückseite: Material/Technik: Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

London Metropolitan Archives.

Homepage: Signatur:

Acquisition No. 507

Notiz:

Diese Karten werden in der „Guildhall-Cards“ oder Guildhall Library Tarocchi Cards bezeichnet, nach ihrem früheren Aufbewahrungsort der Guildhall Library, London. Heute sind sie Bestandteil der Collections of the Worshipful Company of Makers of Playing Cards in London und zur Aufbewahrung in die London Metropolitan Archives verbracht. 10

Besonderheit:

Die Motive der Karten unterscheiden sich vom üblichen Kanon der Tarocchi und zeigen Ähnlichkeit mit den Goldschmidt-Karten.

Wappensymbole: Abbildungen, farbig:

WCMPC Collection Acquisition, In: http://www.playingcardmakerscollection.co.uk/Cardhtml/ W0507.html (acc. 2. 9. 2021)

Beschreibung (Auswahl):

Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, 43 Cat. 10. Dummett, The game of Tarot, S. 72–73 no 14 und 15. Kaplan, Encyclopedia I, S. 111.

Dummett, The game of Tarot, 72–73, no 14 und no 15. Diese Bezeichnungen gehen auf Micheal Dummett zurück, der die unterschiedlichen Maße der beiden Paare hervorhebt. Beide Paare gehören offensichtlich zu verschiedenen Fragmenten, deshalb werden diese Bezeichnungen übernommen. 10 Email von London Metropolitan Archives an die Verfasserin vom 26. 6. 2015. 9

223

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.12 „Tarot dit de Charles VI“ erhaltene Karten:

17

Trümpfe:

„Narr“, „Herrscher“, „Papst“, „Liebende“, „Wagen“, „Mäßigkeit“, „Gerechtigkeit“, „Eremit“, „Gehängte“, „Tod“, „Turm“, „Sonne“, „Mond“, „Gericht“, „Welt“

Hofkarten:

Schwert-Bube

Zahlenkarten: Herkunft:

Norditalien, eventuell Ferrara, eher Florenz 11

Datierung:

Zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts

Maße in mm:

Unterschiedliche Angaben, ca. 184 � 94

Rückseite:

Einfarbig weiß

Material/Technik:

Untersuchung anlässlich der Ausstellung 1984 in Bibliothèque nationale de France: Zwei Schichten Papier aufeinander geleimt, Vorzeichnungen mit schwarzer Sepia-Tinte, Vergoldung und Versilberung auf einem Untergrund von Gips und Hartleim aufgebracht. Farben sind aus Ei-Tempera. 12

Künstler: andere Bezeichnungen: Gringonneur, „Charles VI“ Aufbewahrung:

Bibliothèque nationale de France, Paris

Homepage:

Bibliothèque nationale de France, In: http://www.bnf.fr/fr/acc/x.accueil.html (acc. 1. 9. 2020)

Signatur: Notiz:

Motive zeigen Ähnlichkeit mit den Spielen d’Este, Alessandro Sforza (außer der „Welt“ und „Kraft“) und Sammlung Rothschild.

Besonderheit:

Einziges gemaltes Spiel, das Tod und Turm im Bildkanon zeigt. Ob diese Motive nur in diesem Spiel erhalten sind oder sie eine Ausnahme in der Bildreihe darstellen, ist unbekannt.

Wappensymbole: Abbildungen, farbig:

Le Fou, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43666772d (acc. 2. 11. 2020) L’Empereur, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667853n (acc. 2. 11. 2020) Le Pape, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667640r (acc. 2. 11. 2020) L’Amoureux, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb436678691 (acc. 2. 11. 2020) Le Chariot, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667718v (acc. 2. 11. 2020) La Justice, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667664r (acc. 2. 11. 2020) L’Ermite, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667875z (acc. 2. 11. 2020) La Force, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667835q (acc. 2. 11. 2020) Le Pendu, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb436678827 (acc. 2. 11. 2020) La Mort, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667952k (acc. 2. 11. 2020) La Tempérance, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667769r (acc. 2. 11. 2020)

Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101, gibt als Herkunft Norditalien, wahrscheinlich Ferrara an. Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 21, folgt dieser Auffassung. Neueste Arbeiten, darunter Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, S. 267, geben als Provenienz des Spiels in eine unbekannte Werkstatt aus Florenz um 1450/1460. 12 Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 57. 11

224

17 Kommentierter Quellenkatalog

La Maison-Dieu, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43668041p (acc. 2. 11. 2020) La Lune, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667580q (acc. 2. 11. 2020) Le Soleil, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667625v (acc. 2. 11. 2020) Le Jugement, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667939c (acc. 2. 11. 2020) Le Monde, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb43667886 m (acc. 2. 11. 2020) Valet d’Épée, In: https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb44278011d (acc. 2. 11. 2020) Beschreibung (Auswahl):

Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 23. (folgt Algeri). Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 21 und 25, Cat.3. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 55–57. Depaulis, Jeu et magie, 40–41, Kat-nr. 7. Dummett, The game of Tarot, S. 69 no 4. Kaplan, Encyclopedia I, S. 111–116 (mit s/w-Abbildungen). Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18 (nach Klein) und Bildtafel 17c (rechte Spalte). Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 52. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 101. Steele, A Notice of Ludus Triumphorum, in: Archaeologia: or Miscellaneous tracts relating to antiquity, S. 200.

225

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.13 Das Alessandro Sforza Castello Ursino, Catania erhaltene Karten:

15

Trümpfe:

„Eremit“, „Wagen“, „Welt“

Hofkarten:

Schwert-König, Kelch-Reiter

Zahlenkarten:

Schwert-7, 8; Stab-6, 9; Kelch-As, 10; Münz-2, 7 und 8;

Herkunft:

Ferrara

Datierung:

nach 1428 13

Maße in mm:

180 � 90

Rückseite: Material/Technik:

Tempera, dickes Papier in mehreren Schichten übereinander

Künstler: andere Bezeichnungen: Spiel aus Catania, Castello Ursino Aufbewahrung:

Museo Civico al Castello Ursino, Catania

Homepage: Signatur: Notiz:

Motive zeigen Ähnlichkeit mit den Spielen „Tarot dit de Charles VI“, d’Este. Besonders auffällig ist die Übereinstimmung des Motivs „Der Eremit“ mit dem Spiel „Tarot dit de Charles VI“.

Besonderheit:

Hirschreiter

Wappensymbole:

Alessandro Sforza auf dem Schild des Schwert-König

Abbildungen, farbig:

Maggio/Bonaccorsi, Il mondo in mano, S. 26–27 (Abbildungen aller erhaltenen Karten). Zangs, Mit Glück und Verstand, Kat.Nr G3. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, Bildtafel 18.

Beschreibung (Auswahl):

Maggio/Bonaccorsi, Il mondo in mano, S. 16–17. Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 258, Anmerkung 7. Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 32–33, Cat.2. Depaulis, Jeu et magie, S. 38. Dummett, The game of Tarot, S. 69–70 no 7 Hens, Weltenmodell, in: Christiane Zangs (Hg.): „Mit Glück und Verstand“, S. 253–255. Hoffmann, Gemalte Spielkarten, S. 50–52. Hoffmann, Welt der Spielkarte, S. 18 und Bildtafel 18. Hoffmann/Dietrich, Tarot-TarockTarocchi, S. 23. Kaplan, Encyclopedia I, S. 109. Klein, Les tarot enluminés, in: L’Oeil, S. 52. Abele-Hipp, Further aspects in dating the Alessandro-Sforza-Tarocchi, in: The playing Card, Volume 49 No. 1, July–Sept. 2020, S. 14–17.

Palazzo Abatellis, Palermo erhaltene Karten:

2

Trümpfe:

„Herrscherin“

Hofkarten: Zahlenkarten:

Stab-zwei

Herkunft: 13

Vgl. hierzu Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, S. 258, Anmerkung 7.

226

17 Kommentierter Quellenkatalog

Datierung:

Durch Beschädigung der Ränder werden Zwischenlagen aus beschriftetem Papier mit den Jahren 1427 und 1428 sichtbar.

Maße in mm: Rückseite: Material/Technik: Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Palazzo Abatellis, Palermo

Homepage: Signatur:

Herrscherin, Inv.-Nr. 7984, Stab-zwei Inv.-Nr. 7985

Notiz:

entdeckt 2015/2016

Besonderheit: Wappensymbole: Abbildungen und Beschreibung:

Maggio, New insights, in: The Playing Card, Volume 44, No. 4, 2016, Titelseite und S. 258.

Beschreibung (Auswahl):

227

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.14 Bartolomeo Colleoni erhaltene Karten:

4

Trümpfe:

„Tod“, „Stern“

Hofkarten:

Münz-Bube

Zahlenkarten:

Kelch-As

Herkunft: Datierung:

Zwischen 1460 und 1490 in Literatur, lt. dieser Arbeit zwischen 1450–1454.

Maße in mm:

170 � 85 lt. Beschreibung des Museums 167 � 85 14

Rückseite: Material/Technik:

Wasserfarbe und Firnis auf Karton

Künstler:

Antonio Cicognara, lt. Beschreibung des Museums

andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Victoria and Albert Museum, London

Homepage:

Victoria and Albert Museum, In: https://www.vam.ac.uk/ (acc. 18. 2. 2019)

Signatur:

Stern: E.1468–1926 Münz-Bube: E.1469–1926 Tod: E.1470–1926 Kelch-As: E.1471–1926

Notiz: Besonderheit: Wappensymbole:

Wappen und Motto „nec spe nec metu“ des Bartolomeo Colleoni auf Kelch-As

Abbildungen, farbig:

Kelch-As: Ace of Cups, Bartolomeo Colleoni Tarocchi, In: http://collections.vam.ac.uk/item/O761806/ace-of-cups-tarot-card-cicognara-antonio/ (acc. 14. 11. 2019) Tod: Death, Bartolomeo Colleoni Tarocchi, In: http://collections.vam.ac.uk/item/O761807/death-tarot-card-cicognara-antonio/ (acc. 14. 11. 2019) Stern: Stella, Bartolomeo Colleoni Tarocchi, In: http://collections.vam.ac.uk/item/O761809/stella-the-knave-of-pentacles-tarot-cardcicognara-antonio/ (acc. 14. 11. 2019) Münz-Bube: Knave of Pentacles, Bartolomeo Colleoni Tarocchi, In: http://collections.vam.ac.uk/item/O761808/the-knave-of-pentacles-tarot-card-cicognaraantonio/ (acc. 14. 11. 2019)

Beschreibung (Auswahl):

14

Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, Cat. 8, S. 42–43. Weitere abweichende Angaben in der Literatur.

228

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.15 D’Este erhaltene Karten:

16

Trümpfe:

„Narr“, „Gaukler“, „Papst“, „Mäßigkeit“, „Stern“, „Mond“, „Sonne“, „Welt“

Hofkarten:

Schwert-König, -Königin, -Reiter und -Bube; Stab Königin, -Reiter und -Bube; Kelch-Königin, Münz-König

Zahlenkarten: Herkunft:

Ferrara

Datierung:

ca. 1450

Maße in mm:

139 � 77

Rückseite:

einfarbig

Material/Technik:

mehrere Lagen Papier

Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University, New Haven, USA

Homepage:

Beinecke Rare Book & Manuscript Library, In: http://beinecke.library.yale.edu (acc. 1. 9. 2020)

Signatur:

ITA 103 Object ID’s 2003006–2003021 Beispielhaft sind hier die besprochenen Motive aufgeführt: Schwert-König: Object ID 203006 Schwert-Königin: Object ID 2003007 Schwert-Reiter: Object ID 2003008 Stab-König: Object ID 2003009 Stab-Reiter: Object ID 2003010 Stab-Bube: Object ID 2003011

Notiz:

Motive zeigen Ähnlichkeit mit den Spielen „Tarot dit de Charles VI“, Alessandro Sforza (außer der „Welt“ und „Kraft“) und Sammlung Rothschild.

Besonderheit: Wappensymbole:

Wappen der Este und Wappen von Aragon

Abbildungen, farbig:

Este Tarot, In: https://brbl-dl.library.yale.edu/vufind/Record/3432692 (acc. 10. 1. 2021)

Beschreibung (Auswahl):

Algeri, Un gioco per le corti, in: Giordano Berti u. a. (Hg.): I tarocchi, S. 36–37, Cat 4. Depaulis, Jeu et magie, S. 39. Dummett, The game of Tarot, S. 69, no 6. Hoffmann/Dietrich, Tarot-Tarock-Tarocchi, S. 23. Kaplan, Encyclopedia I, S. 117. Klein, Les tarot enluminés in: L’Oeil, S. 52. Schreiber, Die ältesten Spielkarten, S. 103.

229

17 Kommentierter Quellenkatalog

17.16 Zwei Karten aus einer online-Auktion erhaltene Karten:

2

Trümpfe: Hofkarten:

Schwert-Bube 137/134 � 67/70 mm

Stab-Bube 138/139 � 72/74 mm Zahlenkarten: Herkunft: Datierung:

nach Sichtung Mitte 15. Jahrhundert

Maße in mm: Rückseite: Material/Technik: Künstler: andere Bezeichnungen: Aufbewahrung:

privat, nach online-Auktion ca. 2009

Homepage: Signatur: Notiz:

Die Motive entsprechen denen des „Tarot dit de Charles VI“, die Karten sind jedoch einfacher in der Ausführung.

Besonderheit: Wappensymbole: Abbildungen und Beschreibung:

230

Depaulis, Two fifteenth-century Italian cards, in: The Playing Card, Volume 38, No. 4, 2010, S. 266.

18 Anhänge 18.1 Anhang 1: Regles du jeu des Tarots, Dupuy 777, Folio 94–97 Bibliothèque nationale de France, Departement des Manuscrits

Abschrift

Seite 95 (handschriftlich) in Dupuy 777 Seite 3 des gedruckten Regelheftes Übersetzung REGLES DV

Regeln des

IEV

Spiels

DES TAROTS

mit den Tarots

Ce jeu qui est compoſé de ſoixante & Dieses Spiel setzt sich aus 78 Karten zusammen, die sich in dix-huit Cartes, se peut diſtribuer en fünf Gruppen aufteilten. Die erste und vornehmste, Trümpfe cinq bandes, la premiere & la plus noble genannt, seien 22 Karten an der Zahl, die anderen vier Grupde tout appellée triomphes qui sont pen, die Farben nennen sich Schwerter, Stäbe, Kelche und au nombre de vingt-deux: & les quatre Münzen und jede von ihnen hat vierzehn Karten: König, Köautres, couleurs ſont nommées d’eſpées, nigin, Reiter, Bube, sie nennen sich auch die vier Ehrwürdibaſtons, coupes, & deniers, chacune deſquelles à gen und der Rest von 10 bis zum As, sie [diese Gruppen] quatorzecartes: Sçauoir le Roy, la Royne, le Cheuahaben keine große Verbindung ähnlich wie die kleinen Leute lier, & le Faon, qui s’appellent auſſi les quartes honam Grunde der Gesellschaft, die mehr schuften als Freude neurs & le reſte depuis le dix iuſques à laz, n’ayant pas haben, wenn der König auf die Bediensteten trifft ohne gropeu de rapport à ces petites gens de la lie du peuple, ßen Tr(i)umpf: Denn dann kann nicht einmal der König mit qui ſont beaucoup plus à charge qu’a plaisir, princiseinen Amazonen den gänzlichen Ruin eines Spielers verhinpallement quand il s’en recontre de toutes liurées dern, wenn er [der Spieler] sich beugen muss und keine anavec peu de triomhes: Car alors les Royes meſmes deren [Trümpfe] entgegen zu setzen hat. avec leurs Amazones n’y tout, leur empire ne peuuent empeſcher vne ruin entiere au joüeur, qui n’auroit peu flechir les autres a refaire. … Seite 4 des gedruckten Regelheftes La beauté de ce jeu eſt d’avoir force triomphes & Der Reiz dieses Spiels ist es mit den Trümpfen starke Karten principallement les hautes auec le Monde, le Math, zu haben, vor allem mit den hohen [Trümpfen] „Monde, & le Bagat, & quleques Roys: par ce qu’auec les Math, & Bagat“ 15 und einigen Königen, denn die Trümpfe triomphes on ſurmonte tous les efforts des quatres übersteigen den Wert aller vier Farben, wenn man die Farben peintures, quand on y fait des renonces. Et par le nicht bedient. Und mittels von „Monde, Math, & Bagat“ und moyen du Monde, Math, & Bagat, & les Roys, on den Königen kann man von den anderen Spielern Marken se fait payer autant de marques de chacun qu lon en ausbezahlt bekommen, die wiederum weiter im Spiel eingepeut leuer enjoüant, à cauſe de quoy les nomme setzt werden können. Deshalb heißen diese Karten [„Monde, Tarots par excellence. Et toutes fois qu’ils paMath, Bagat“ und die Könige] auch „Tarots par excellence“. roiſſant dans le jeu, il leur faut payer le tribute ou eux Und jedes Mal, wenn sie im Spiel auftauchen, muss ihnen ein meſmes sont constraints de payer leur rençon s’ils Tribut gezahlt werden, oder sie selbst sind gezwungen ihren tombent entre les mains de leurs ennemis, c’est a dire Preis zu bezahlen, wenn sie in die Hände ihrer Feinde fallen, que celuy qui les perd donne une marque à chacun. das bedeutet, der der sie verliert, zahlt eine Marke an jeden.

Die Trümpfe „Monde“ mit der Nr. 21 („Monde“), „Math“ genannt der Sküs oder Stieß und „Bagat“ der niedrigste Trumpf mit der Nr. 1, in italienischen Spielen „Il Bagatello“ („Bagat“) bezeichnet.

15

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Um aber mehr ins Detail dieses Spiels einzuführen, sollte ich Mais autant que d’entrer plus auant dans le deſtail übrigens erwähnen, dass nur drei oder mehr Personen spielen de ce jeu, il me ſemble a propos de dire qu’il n’y faut sollen, es ist nicht sehr vergnüglich zu zweit zu spielen. Dann eſtre que trois perſonnes au plus, & qu’il n’eſt pas fort agreable a deux eſtant meſme encore neceſſaire ist es nötig, einen dritten Spieler hinzuzuziehen, den man den Toten nennt. Von ihm zieht man dann zufällig so viele Kard’y en ſuppoſer un troiſieſme que l’on appelle ten, wie die anderen ausspielen. Der Stärkste von allen zieht le Mort, duquel l’on tire ſelon le hazard autant de cartes que les autres sont de mains pour eſtre empordie Karten. tées par celuy qui eſt le plus fort. … Mais afin de le trouuer plus agréable il est bon Um es aber schließlich erfreulicher zu machen, sei es gut, d’oſter douze cartes inutiles des quatre peinture, zwölf unnütze Karten der vier Farben auszusortieren, drei c’eſt a dire trois de chacunes, ſçavoir les dix, neuf, & von jeder Farbe. Es sind dies die Zehn, die Neun und die Acht huit des coupes & deniers, & les trois, deux, & az der Kelche und Münzen und die Drei, die Zwei und das As d’eſpées & baſtons qui sont les moindres de chacun [Eins] der Schwerter und Stäbe, dies sind die niedrigsten de ces points, par ce que les hautes des coupes & deKarten jeder Farbe, denn die Hohen von Kelchen und Münniers ne ſont pas de plus grande valeurs que les baſſes zen seien nicht von größerem Wert, als die Niedrigen von des Eſpées & baſtons. Schwertern und Stäben. Seite 96 (handschriftlich) in Dupuy 777 Seite 5 des gedruckten Regelheftes Et ainſi comm’il faut diſtribuer toutes les cartes Und natürlich müssen alle Karten unter den Spielern verteilt entre les joüeurs, il en demeurera vingt-quatre a celuy werden, so bleiben 24 für den der gibt und 21 Karten für qui faict, & vingt & vne a chacun des autres. Cette jeden anderen. Die eine, & und die vier über zwanzig dienen vne, & les quatres de plus que les vingt eſtant pour dazu, Karten wieder ablegen zu können, um nicht einen der faire les eſcarts, ſans toutefois qu’il foit loyſible d’eſsieben Tarots weglegen zu müssen, oder andere Trümpfe, carter aucun des ſept Tarots, ou des triomphes ſur denn dies steht unter der Strafe von zwei Marken an jeden. peine de deus marques a chacun. … Si l’on donne mal tout de meſmes, on perd le coup, & les Falls jemand sich vergibt, verliert er die Runde, die Karten cartes ne peuuent donner que trois a trois ou können nur in Gruppen zu drei oder fünf Karten ausgegeben cinq a cinq. werden. … Celuy qui à laz de deniers apellé la carte de la Derjenige, der das Münz-As hat, genannt die schöne Karte belle gaigne vne marque de chacun en la joüant ſoit gewinnt eine Marke von jedem, wenn er sie spielt, egal ob er qu’on la perde ou qu’on in ne la perde pas. sie gewinnt oder sie verloren geht. Trois Roys valent vne marque de chacun. Drei Könige sind eine Marke von jedem wert, Quatre Roys valent quatre marques de chacun a Vier Könige sind vier Marken von jedem wert, cause de l’Imperiale das nennt sich Imperiale [der Kaiser] … Seite 6 des gedruckten Regelheftes … Si quel’vn n’a l’vn des trois Tarots, Monde, Math, & Bagat, il paye vne marque a celuy qui en a deux, & cela s’appelle qui n’ale ſien.

Sofern einer nur einen der drei Tarots, Monde, Math oder Bagat hat, zahlt er eine Marke an jenen, der zwei hat. Man nennt das er hat den Seinen.

Qui a les quartre honneurs de chaque point ce qui s’appelle Imperiale gaigne vne marque de chacun. Qui a les quatre Roynes les quatre Cheualiers, ou les quatre Faons, qui s’appellent auſſi Imperiale, gaigne pareillement vne marque de chacun. Si quelqu’vn a les quatres hautes ou les quartes baſſes de triomphes, ce qui s’appelle Brizigole gaigne vne marque de chacun. …

Wer die vier Ehrwürdigen „les honneurs“ einer Farbe hat, nennt sich ebenfalls „Imperiale“ und gewinnt eine Marke von jedem. Wer die vier Königinnen, die vier Reiter oder die vier Buben habe, nennt sich auch „Imperial“ und gewinnt gleichermaßen eine Marke von jedem. Wenn jemand die vier höchsten oder die vier niedrigsten Trümpfe hat, nennt sich „Brizigole“ und gewinnt eine Marke von jedem.

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Seite 97 (handschriftlich) in Dupuy 777 Seite 7 des gedruckten Regelheftes Derjenige, der sich im Spiels nicht entschuldigen kann, zahlt Celuy qui ne s’est point excuſé en joüant en paye deux à chacun & cette excuſe se fait auec la carte du zwei [Marken] an jeden und diese Entschuldigung wird mit Math, qui eſt vn de sept Tarots, qui ne prent point der Karte des „Math“ ausgeführt, eine der sieben Tarots, die keine Punkte machen kann, auch von den Mitspielern nicht & ne peut eſtre pris, mais ſe preſente ſur la main des deux autres ioüeurs, & ſe remet dans les cartes qui genommen werden kann, aber den beiden anderen Spielern ſont leuèes. gezeigt werden muss und dann wieder zu den gelegten Karten zurückgegeben werden kann. Si quelqu’vn ne monſtre point ſes dix, quinze, ou Falls jemand seine Punkte der zehn, fünfzehn oder zwanzig vingt triompfes il ne les compte point. Trümpfe nicht zeigt, kann er sie am Ende der Runde auch nicht zählen. Et tout de meſme ſi quelqu’vn oublie aucune de Ebenso wenn jemand vergisst, seine „Imperiales“, „Brizigole“, ſes Imperialles, Brizigoles, trois Roys, deux Roys & drei Könige, zwei Könige und der „Math“, oder der die „Seile Math, ou qui n’ le ſien n’eſt plus recue à s’en ſounen“ zu zeigen, demjenigen bleibt später nur, sich an diese uenir. Karten zu erinnern. Et d’autant que le valeur des cartes eſt aussi conUnd auch, wieviel Wert die Karten haben ist zu beachten, fiderée lors il faut deſconter a la fin du coup, il eſt deshalb muss am Ende einer Spielrunde gezählt werden. neceſſaire de sçauoir que chacun des ſept Tarot vaut Wichtig zu wissen, jeder die sieben Tarots zählt fünf Punkte, cinq points, s’il joinct auec deux autres cartes de sofern sie von zwei Karten ohne Wert begleitet werden. Die nulle valeur. Les Roynes valent quatre: Les CheKöniginnen zählen vier, die Reiter drei und die Buben zwei ualiers trois, & les Faons deux, ſe trouuans pareillemet Punkte, alle müssen von zwei Karten ohne Wert begleitet sein. chacuns accompagnez de deux cartes sans prix. Et Eine Hand [wohl ein Stich] mit Karten ohne Wert zählt einen vne main toute ſimple vaut vn point. Punkt. Aber um am Ende einer Runde nicht eine seiner Karten Or afin de ne perdre aucune de ces cartes à la fin du [folglich Punkte] zu verlieren, ist es erforderlich, dass jeder coup, il eſt requis que chacun des trois perſonnes qui der drei mitspielenden Personen 25 Punkte aus seinem Spiel joüent aye vingt-cing de ces points dans ſon jeu: car gewonnen hat: denn wenn man fünf Punkte verliert, zahlt s’il en perd cinq il payera vne marque à celuy qui les man eine Marke an jenen, der sie gewonnen hat. Verliert man gaignera: S’il en perd dix, il payera deux marque, zehn, so bezahlt man zwei Marken und falls man 15 Punkte & s’il perd quinze il paera trois marque: mais verliert, so bezahlt man drei Marken. Verliert man drei oder s’il n’en perd que trois ou quatre il ne payera rien: & vier, bezahlt man nichts. Wenn man nur sieben, acht oder tout de meſmes s’il perd que sept, huict, ou neuf, neun Punkte verliert, bezahlt man trotzdem nur eine Marke il ne payera qu’vne marque: & dans ce deſcompte und die Trümpfe, außer „le Monde, Math & Bagat“ zählen les triomphes excepté le Monde, le Math, & Bagat, keine Punkte bei der beschriebenen Auszählung. sont nulle valeur pour les points que i’ay dits. Seite 8 des gedruckten Regelheftes Que ſi couppant pour voir qui fera il se rencontre Man hebt ab, um zu ermitteln, wer [zuerst] gibt. Die Trümpfe quelque triomphe elle ſera plus eſtimée qu’aucune zählen nach ihren Nummern, aber „le Math“ [der Narr] zählt des cartes du point, ſinon le Math qui ne vaut rien bei diesem Zusammentreffen überhaupt nichts. du tout en ce rencontre. Et ſi quelqu’vn à mauvais jeu il luy ſera permis de Falls einer ein schlechtes Spiel hat, sei es ihm erlaubt sich in prendre patience, & ſe deſennuyer à donner du plaiGeduld zu üben und sich zu langweilen, um den anderen das ſire aux autres, ſi on ne luy faict la grace de recommanVergnügen zu lassen, es sei denn er bekommt [von den ancer le coup en payant force marques. deren Spielern] die Gnade die Runde neu zu beginnen unter Bezahlung schmerzlicher Marken.

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18.2 Anhang 2: Insignien der Visconti und Sforza in den Tarocchi Wappen der Visconti: Biscione oder Biscia: Auf silbernem Grund eine sich windende Schlange in blau mit goldener Krone, im Maul einen halbverschluckten Sarazenen in rot. Träger: Seit Generationen das Wappentier der Visconti. Bezeichnungen: Visconti-Schlange. Quellen: Abbildung aus: Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 282 oben links und 513. De Vicecomentibus, In: http://graficheincomune.comune.milano.it/ GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+1390,+p.+357 (acc. 3. 9. 2019).

Abbildung 83: Biscione, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 357. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved Wappenfarben rot und weiß: Comuitas mediolani: Auf silbernem Grund ein rotes Kreuz. Träger: Kommune von Mailand. Quellen: Abbildung aus: Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 64 und 321. Comunitas mediolani, Comunitas mediolani, in: Stemmario Trivulziano Cod. Triv. 1390. In: graficheincomune.comune.milano.it (acc. 14. 8. 2019).

Abbildung 84: Comunitas Mediolani, Stemmario Trivulziano Codice 1390, p. 18. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

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Insignien, die die Visconti erhalten haben Schwarzer Adler: Fleurs de Lis, / französische Lilie:

Wird zu anderen Zeichen hinzugefügt, kein eigenständiges Wappen. König Karl VI erlaubt Gian Galeazzo Visconti am 29. Januar 1395 schriftlich seinen eigenen Wappen die französische Lilie hinzuzufügen. Quellen: Wappenbrief für Gian Galeazzo Visconti, In: https://www.monasterium.net/mom/ IlluminierteUrkunden/1394–01–27_Paris/charter?q=visconti%201395 (acc. 10. 3. 2020).

Motto der Visconti „a bon droyt“ „a bon droit“ „a droit“

Das Motto der Visconti und später von Francesco Sforza gehört eigentlich zu der Imprese „La Colomba nel fiammante“, wird jedoch auch alleinstehend dargestellt, dann meist auf einem geschwungenen Spruchband. Es bedeutet etwa „Mit gutem Recht“ und taucht sowohl in den Tarocchi (z. B. Sammlungen Tozzi und Cocchi, Visconti di Modrone, Visconti-Sforza), als auch im Stundenbuch der Visconti im Rahmen der Darstellungen immer wieder auf. Es geht zurück auf Gian Galeazzo Visconti, der es von seiner ersten Frau Isabella von Valois erhalten haben soll. Quellen: Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 35 Meiss u. a., The Visconti Hours, Br 3, 115, 120, 122; LF 17, 29, 74, 133, 134, 157v.

Sammlung Tozzi Imprese „Fiammante“ Die Imprese der strahlenden Sonne, mit einer variierenden Anzahl der Strahlen, geht auf Gian Galeazzo Visconti zurück. König Wenzel hat sie ihm anlässlich seiner Ernennung zum 1. Herzog von Mailand verliehen. Sie ist ein Zeichen der Pracht, der Größe und des Großmutes von Gian Galeazzo und ist prominent dargestellt in der Apsis des Domes von Mailand, dessen Bau Gian Galeazzo Visconti initiierte. In Mailand findet sich die Imprese auch an weiteren Bauten, die eng mit den Visconti oder Sforza verknüpft sind, beispielsweise im Castello Sforzesco und in der Kirche S. Amborgio. Alle Herzöge der Visconti und der Sforza machten Gebrauch von dieser Imprese. Sie wird isoliert dargestellt oder ist Untergrund der Imprese „colomba nel fiammante“.

Abbildung 85: Fiammante, Stemmario Trivulziano Codice 2168, c. 16v. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

Bezeichnungen: Fiammante radiato, Sole raggiante, radiante, raggieria in forma di sole, radia magna; auch Strahlensonne. In dieser Darstellung ist das Feld viergeteilt, die Imprese „Fiammante“ mit den Wappenfarben Mailands kombiniert, die abwechselnd als waagerechte rote und weiße Zackenlinien eingearbeitet sind. Quellen: Abbildung aus: fiammante, In: http://graficheincomune.comune.milano. it/GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c.+16v (acc. 3. 9. 2019). Giangaleazzo Visconti, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/ Imprese05.htm (acc. 9. 9. 2020).

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Imprese „Corona ducale coi piumai“ Eine mit Edelsteinen verzierte Krone, aus deren Mitte zwei Zweige emporragen. Ein Olivenzweig ist ein altes Symbol für Frieden und ein Palmzweig als Zeichen für Demut und Anpassungsfähigkeit. Diese Imprese benutzte bereits Gian Galeazzo Visconti. Er verspricht den eroberten Gebieten mit dem Olivenzweig Frieden, sofern sich die Städte seiner Herrschaft unterwerfen. Später wird sie eine bevorzugte Imprese vom Filippo Maria Visconti und steht in einem anderen Zusammenhang. Sie bekräftigt die Freundschaft zwischen Filippo Maria Visconti und Alfons V von Aragon, der nach der Niederlage in der Seeschlacht bei Ponza von Genua gefangen genommen und Filippo Maria Visconti nach Mailand ausgeliefert wurde. Filippo Maria Visconti ließ Alfons jedoch frei. Bezeichnungen: „piumai“

Abbildung 86: Corona ducale coi piumai, Stemmario Trivulziano 2168, c. 22v. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

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Quellen: Abbildung aus: „Corona ducale coi piumai“, In: http://graficheincomune. comune.milano.it/GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c. +22v (acc. 1. 9. 2020). Filippo Maria Visconti, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/ Imprese06.htm (acc. 11. 3. 2020) Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 35–36, Abb. S. 42 Mitte.

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Brambilla Imprese „Velo annodato“, oder „il Velo“ Auf dem Wappenschild des Vollwappen von Filippo Maria Visconti ist die Imprese „El Velo“ dargestellt, ein zum Kreis geschlungener und geknoteter Schleier, dessen lange Enden an den Seiten schmuckvoll herabfallen. Träger: 1. Die Imprese geht auf Gian Galeazzo Visconti zurück, er bekommt ein Capitergium mit Edelsteinen besetzt bei seiner Krönung zum Herzog überreicht, das er zu seiner Imprese macht und entsprechend nutzt. Das Capitergium ist eine Art Band, das um dem Kopf gewickelt wird, um dem Schweiß aufzufangen und das Gesicht trocken zu halten. In Mailand wurde dieses Tuch als „gassa“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Kopfbinde, die Herrschern verliehen wird, um ihre Souveränität und Macht zu bestätigen. 2. Filippo Maria Visconti übernimmt diese Imprese später, sie wird zu einem seiner bevorzugten Zeichen. Er besitzt eine Weste für festliche Anlässe, die mit dieser Imprese bestickt ist. 3. Francesco Sforza greift diese Imprese auf und nutzt sie regelmäßig, sie ist auch auf Säulenkapitellen der Rocchetta im Castello Sforzesco angebracht. Bezeichnungen: Velo annodato, Capitergium oder Capitergio, Fazolo, Sudarium oder Sudariolo, bei Stuart Kaplan „nodo“ oder auch „wreath“. Quellen: Abbildung aus: Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 32– 33. Giangaleazzo Visconti, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/ Imprese05.htm (acc. 9. 9. 2020). Kaplan, Encyclopedia II, S. 50.

Abbildung 87: Velo annodato, Stemmario Trivulziano 1390, p. 4. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

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Visconti di Modrone Imprese „colomba nel fiammante“ Eine weiße Taube fliegt in der Mitte der Visconti-Strahlensonne. Zu ihren Füßen oder in ihrem Schnabel befindet sich ein Spruchband mit dem Motto „a bon droyt“. Sie wird die bevorzugte Imprese der Visconti und der Herzöge von Mailand, dargestellt ist sie unter anderem im Cortile ducale des Castello Sforzesco und der Kirche S. Maria delle Grazie in Mailand. Träger: 1. Gian Galeazzo Visconti. Der Literat Francesco Petrarcha soll nach einem Besuch am Hofe von Gian Galeazzo Visconti für ihn diese Imprese mit dem Motto entworfen haben. Sie ist eigentlich eine Erweiterung der Imprese „fiammante“. 2. Filippo Maria Visconti nutzt diese Imprese weiter. 3. Auch die Sforza verwenden diese Imprese. Bona von Savoyen, Ehefrau von Galeazzo Maria Visconti versieht die Imprese mit einem neuen Motto „Sola Facta Solum Deum Sequor“, allein gelassen, folge ich nur Gott.

Abbildung 88: Colomba nel fiammante, Stemmario Trivulziano 2168, c. 2r. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

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Bezeichnungen: „Colomba nel fiammante“ Quellen: Abbildung aus: „Colomba nel fiammante“, In: http://graficheincomune. comune.milano.it/GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c. +2r (acc. 3. 9. 2019). Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 33. Giangaleazzo Visconti, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/ Imprese05.htm (acc. 9. 9. 2020).

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Imprese Melagrana e la Rosa Träger: Filippo Maria Visconti, später Francesco Sforza. Dieses Zeichen ist eines der wenigen von Filippo Maria Visconti, das Francesco Sforza weiter nutzt. G. A. Vergani allerdings liefert Hinweise, dass bereits Gian Galeazzo Visconti die Imprese der Rose benutzt hat, sie ist in Form einer Anordnung von Punkten als stiliesierte Blüte auf einer Medaille von Gian Galeazzo Visconti überliefert. Bezeichnungen: Die Rose ist kein eigenständiges Zeichen und wird nur in Verbindung mit Melagrana, dem Granatapfel, verwendet. Der Übergang vom Zeichen zum zierenden Ornament ist dabei fließend, besonders bei der späteren Verwendung durch Francesco Sforza. Eventuell sind die 7-Punkt-Anordnungen oder „Punkte-Blümchen“, auf vielen Karten, besonders in dem gepunzten Hintergrund eine stilisierte Rose, wie es bei Gian Galeazzo Visconti auf einer Münze als Gewandmuster gezeigt ist. Auffallend auch im Visconti-Sforza auf Schwert-As und dem Gewand der Münz-Königin. Quellen: Vergani, Scheda 502. Medaglione, in: Museo d’Arte del Castello Sforzesco, II, S. 67 Vollwappen von Filippo Maria Visconti, Graf von Angera: La melagrana e la rosa, In: http://graficheincomune.comune.milano.it/ GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+1390,+p.+5 (acc. 26. 4. 2020). Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 35.

Abbildung 89: Melagrana e Rossa, Stemmario Trivulziano 1390, p. 5. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved

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Wappen der Sforza (in keinem Spielfragment der Tarocchi gezeigt) „(mela) cotogna“ Die Apfelquitte „mela Cotogna“, Anspielung auf den Namen des Heimatdorfes „Cotignola“ von Muzio Attendolo Sforza. Träger: Muzio Attendolo Aforza und später alle Nachkommen. Später verwendet Francesco Sforza die „(mela) cotogna“ als persönliche Imprese. Quellen: Abbildung aus: „Mela cotogna“, In: http://graficheincomune.comune. milano.it/GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c.+19r (acc. 3. 9. 2019). Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 36–37, Abb. S. 42. Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/ Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020).

Abbildung 90: (Mela) Cotogna, Stemmario Trivulziano 2168, c. 19r. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved Vollwappen der Sforza Auf dem roten Wappenschild eine Quitte mit Stil und Blättern, darauf der Helm mit geschlossenem Visier. Die viergeteilte Helmdecke zeigt abwechselnd die weiß-blauen Wellen der Sforza und die Strahlen der Visconti-Imprese „fiammante“. Über dem Helmwulst erstreckt sich ein Drache mit Menschenkopf, er hält einen Diamantring in seinen Klauen. Der schuppige Körper des Drachens trägt einen Kamm mit Stacheln, an deren Enden jeweils ebenfalls ein Diamantring sitzt. Träger: Das Vollwappen auf dem Triptichon von Rogier van der Weyden zeigt auf dem Wappenschild einen steigenden Löwen mit der Quitte in der Pranke, dargestellter Träger ist wohl Muzio Attendolo Sforza. Das hier abgebildete Vollwappen aus dem Stemmario Trivulziano Cod. 2168 zeigt auf dem Wappenschild die „(mela) cotogna“, als Träger ist Francesco Sforza anzunehmen, der die Frucht als seine persönliche Imprese etabliert hat.

Abbildung 91: Vollwappen Sforza, Stemmario Trivulziano 2168, c. 14v. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

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Quellen: Abbildung aus: Sforza Vollwappen, Drache, In: http://graficheincomune. comune.milano.it/GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c. +14v (acc. 3. 9. 2019). Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, Abb. S. 43. Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/ Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020).

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Visconti-Sforza Imprese „Tre anelli intrecciati“ Träger: Francesco Sforza, er allein nutzt die drei verschlungen Ringe bei den Visconti und Sforza. Ein einzelner Diamantring oder auch drei verschlungen Ringe kommen bei italienischen Familien jener Zeit als Zeichen mehrfach vor. Bezeichnungen: Quellen: „tre anelli intrecciati“, In: http://graficheincomune.comune.milano.it/ GraficheInComune/immagine/Cod.+Triv.+2168,+c.+17r. Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 35–36. Francesco Sforza, In: http://www.storiadimilano.it/arte/imprese/ Imprese07.htm (acc. 9. 9. 2020).

Abbildung 92: Tre anelli intrecciati, Stemmario Trivulziano 2168, c. 17r. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved

Muzeum Narodowe w Warszawie Issy-les-Moulineaux und unbekannte Privatsammlung Imprese: „Il Morso“ Träger: Gian Galeazzo Visconti, 1. Herzog von Mailand, aufgenommen von Galeazzo Maria Sforza, 5. Herzog von Mailand Quellen: Stemmario Trivulziano Cod. Triv 2168: In: graficheincomune.comune. milano.it;. und Maspoli, Stemmario Trivulziano, Cod. Triv. 1390, S. 36, Abb. S. 42 Mitte unten.

Abbildung 93: Il Morso, Stemmario Trivulziano, c. 15v. Bild: Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Castello Sforzesco, Mailand. Copyright © Comune di Milano. All rights reserved.

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Museum August Kestner, Hannover: (Keine neuen Insignien gezeigt.)

Museo Fournier de Naipes de Álava: (Keine neuen Insignien gezeigt.)

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Sabine Abele-Hipp studierte an der Universität Konstanz Geschichte und Politische Wissenschaft. Während der Mitarbeit im familieneigenen Betrieb promovierte sie an der Universität Konstanz.

www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-45024-4

9 783534 450244

Sabine Abele-Hipp Tarocchi

Tarocchi sind die ältesten überlieferten Spielkarten, sie sind gemalt und gehören zu der Familie der Tarocke und des späteren Tarot. Prächtig ausgeführt, faszinieren sie bis heute. Dieses Buch zeigt anhand der auf den Karten dargestellten Wappen, Impresen oder Landschaftsausschnitten die Auftraggeber dieser Spielkarten auf. Die Analyse der ältesten Spielregeln des Kartenspiels erbringt erstaunliche Analogien der Spielweise zu der adeligen Gesellschaftsordnung in Oberitalien im 15. Jahrhundert. Die Autorin erschließt der Geschichtswissenschaft eine neue Quellengattung und erarbeitet eine transdisziplinäre Methode, die der kulturhistorischen Erforschung der Tarocchi und der Spielkartenforschung neue Aspekte hinzufügt.

Sabine Abele-Hipp

Tarocchi Spielerische Herrschaftsdemonstration der Herzöge von Mailand 1395–1500