Ambrosius von Mailand und Kaiser Gratian 9783666251320, 3525251327, 9783525251324

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Ambrosius von Mailand und Kaiser Gratian
 9783666251320, 3525251327, 9783525251324

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HYPOMNEMATA HEFT 40

H Y P O M N E M A T A U N T E R S U C H U N G E N ZUR ANTIKE U N D ZU IHREM NACHLEBEN

Herausgegeben von Albrecht Dihle / Hartmut Erbse Christian Habicht / Günther Patzig / Bruno Snell

Heft 40

V A N D E N H O E C K & RUPRECHT IN

GÖTTINGEN

GUNTHER GOTTLIEB

Ambrosius von Mailand und Kaiser Gratian

w®/ V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N

ISBN

3-525-25132-7

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ©

Vandenhoeck

& Ruprecht in Göttingen

1973. —

Printed in

Germany.

O h n e ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf f o t o - oder a kustomechanischem Wege zu vervielfältigen Gesamthersteüung: H u b e r t Sc Co., Göttingen

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist meine Habilitationsschrift, die im Sommersemester 1971 der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft der Universität Heidelberg vorgelegen hat. Ich habe sie nur geringfügig verändert. Für verschiedene Anregungen und kritische Hinweise bin ich Fritz Gschnitzer, Christian Habicht und Peter Kußmaul sehr verpflichtet. Den Herausgebern der ,Hypomnemata', insbesondere Christian Habicht, danke ich für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung einer Druckbeihilfe. Heidelberg, im Juni 1973

Gunther Gottlieb

5

Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis

8

Einleitung

9

Erstes Kapitel: Die politischen und kirchlichen Verhältnisse in den Donauprovinzen

12

Zweites Kapitel: Die Äußerungen des Ambrosius über die Entstehung von ,de fide' und ,de spiritu sancto' und über sein Verhältnis zu Kaiser Gratian

26

Drittes Kapitel: Die Gesetzgebung Gratians in Angelegenheiten der Kirche und des Glaubens

51

1. Gesetze gegen die Donatisten (Cod. Theod. XVI 5,4; 5,5 und 6,2)

52

a) Formelhafte Wendungen in Cod. Theod. XVI 5,5 . . . b) Christlicher Glaube und christliche Religion in den Gesetzen Valentinians I. und Gratians c) Die Bestimmungen gegen die Donatisten in Cod. Theod. XVI 5,5 d) Cod. Theod. XVI 5,4

52

e) Cod. Theod. XVI 6,2 2. Gratians Erlaß vom Herbst 378 und das Reskript von Sirmium

68

3. Das römische Synodalschreiben von 378 und die Antwort der Kaiser an den vicarius urbi Aquilinus 4. Die übrigen vor 380 erschienenen Konstitutionen (Cod. Theod. XVI 2,23 und 24)

56 60 63

71 80 82

Zusammenfassung

83

Literaturverzeichnis

88

Indices

90

7

Abkürzungsverzeichnis Für die Namen der griechischen und lateinischen Autoren und für die Sammelwerke werden die allgemein üblichen Abkürzungen verwendet. Die epistula Gratiani (cupio valde) und die epistula Ambrosii (non mihi adfectus) an Gratian sind jetzt zu lesen in: CSEL L X X I X (Ambrosius, De Spiritu Sancto, rec. O. Faller) 3 f und 5*—7*. Folgende Abkürzungen werden außerdem benutzt: Cod. Theod. = Theodosiani libri XVI, hrsg. von Th.Mommsen und P.M.Meyer. 2. Aufl. Berlin 1954. Dessau ILS = Inscriptiones Latinae Selectae, ed. H.Dessau. 2. Aufl. Berlin 1954/55. DThC = Dictionnaire de Theologie Catholique. Paris. Gothofredus = Johannes Gothofredus, Codex Theodosianus cum perpetuis commentariis. Leipzig 1743. Mansi, collectio = J. D. Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio I — X X X I , Florenz/Venedig 1757ff. PL = Patrologiae cursus completus (etc.), ed. J. P. Migne — Series Latina. RE f. protest. Theol. = Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. 3. Aufl. hrsg. von A. Hauck, Leipzig 1896 ff. Urkunden zur Geschichte des arianischen Streits = Urkunden zur Geschichte des arianischen Streits bis 328. Athanasius Werke III 1, herausgegeben von H . G . O p i t z , Berlin und Leipzig 1934. Urkunden zur Entstehungsgeschichte des Donatismus = Urkunden zur Entstehungsgeschichte des Donatismus, herausgegeben von H . von Soden, 2. durchgesehene Auflage von H . von Campenhausen. Berlin 1950.

8

Einleitung Das vierte Jahrhundert nach Christus erlebte den Streit zwischen Nicaenern und Arianern um den dogmatischen Inhalt des christlichen Glaubens. In der westlichen Reichshälfte waren die Arianer immer in der Minderheit. Nur in Illyrien und Oberitalien hatten sie seit Constantius II. Erfolge: Mailand war ungefähr zwei Jahrzehnte von einem Arianer besetzt. Als Ambrosius das Bistum übernahm, gab es dort eine arianische Gemeinde, die längere Zeit bestanden hat. 386 versuchten noch die Arianer, Ambrosius aus Mailand zu vertreiben. Valentinian II. und die arianisch gesinnte Mutter des Kaisers, Iustina, waren damals seine Gegner. Der Streit um den Glauben war heftig und erbittert. Von der Reichsgewalt wurde erwartet, daß sie ausgleiche oder entscheide, weil die christliche Kirche seit Konstantin d. Gr. unter dem Schutz der Kaiser stand. Sie haben sich dieser Verpflichtung nicht entzogen; aber unterschiedlich waren der Eifer und die Tatkraft, mit denen die Kaiser sich der Glaubensfragen annahmen. Constantius II. und Valens haben mit ihrer Autorität und mit den Mitteln des Staates die Arianer gefördert. Gratian, in den letzten Jahren seiner Regierung, und Theodosius I. haben dasselbe für die Nicaener getan. Valentinian I. hielt sich zurück. Jede Seite hatte bedeutende Bischöfe. Ihr Einfluß war sehr groß, so oft sie die Kaiser für sich einnehmen und auf ihre Entscheidungen wirken konnten. Das Verhältnis des Vertrauens zwischen einem Bischof und dem Kaiser war dann der Anlaß für kirchenpolitische Vorteile, die sonst versagt blieben oder sich auf das Selbstverständliche beschränkten. Ursacius von Singidunum und Valens von Mursa hatten unter Constantius II. ein hohes Ansehen. Sie waren sich seiner Hilfe im Kampf gegen das nicaenische Bekenntnis sicher. Ambrosius erreichte seine Erfolge gegen die Arianer (und später gegen die heidnischen Kulte in Rom) durch die Gunst Kaiser Gratians. Das Verhältnis zwischen Ambrosius und Gratian ist das Thema der Arbeit; insbesondere, wann und unter welchen Umständen es begonnen hat. Die Geschichte der Mailänder Kirche seit 380 und der Auseinandersetzung zwischen Ambrosius und den Arianern kann nicht geschrieben werden, wenn nicht vorher erklärt worden ist, wie Ambrosius bei Gratian einflußreich wurde. 9

Gratian übernahm 375 die Herrschaft über die westlichen Reichsteile. Er blieb in Gallien. Seine Residenz war Trier, in die er noch bis 380 aus den Feldzügen nach Illyrien zurückkehrte. Erst 381 verlegte er den Hof nach Mailand und Aquileia. Ernste kirchenpolitische Probleme kannte Gallien nicht. Es gab dort keinen christologischen Streit, also in der Kirche keine Parteien, welche um die Gunst des Kaisers für ihren Glauben wetteiferten. Erst 378 kam Gratian in eine Umwelt starker kirchenpolitischer Bewegung. Er zog nach Illyrien, weil ihn Kaiser Valens, sein Onkel, gegen die Goten zu Hilfe gerufen hatte. Nach dem Tod des Valens in der Schlacht bei Adrianopel blieb er zunächst bis Juni 379 in den Provinzen an der Donau und war dann im Sommer 380 wieder in diesen Ländern. Gratian hielt sich damals auch in Mailand und Aquileia auf. Nicaener und Arianer benutzten seine Anwesenheit in Illyrien und Oberitalien, um ihren Einfluß zu suchen. Auf einem dieser Feldzüge nach Illyrien traf Gratian mit Ambrosius zusammen, der ihm bald darauf den ersten Teil von ,de fide' auf den Kriegsschauplatz sandte. Ambrosius hat den Gotenkrieg und Gratians Teilnahme erwähnt. Er hat auch die kirchlichen Verhältnisse in Illyrien berücksichtigt. Kirche und Reich sind also ein wichtiges Thema und zugleich der Rahmen, in den Ambrosius die dogmatische Abhandlung eingefügt hat. Gratian dankte, nachdem er den Traktat gelesen hatte, mit einem eigenhändig geschriebenen Brief, auf den Ambrosius wieder geantwortet hat. Nach diesem Briefwechsel schrieb Ambrosius zunächst den zweiten Teil ,de fide', dann die drei Bücher ,de spiritu sancto'. Das war Ende 380 und im Frühjahr 381. Dies sind die festen Punkte in der Chronologie 1 . Alles übrige ist unsicher: Wann und wo die Aussprache zwischen Ambrosius und Gratian stattfand; wann Ambrosius die beiden ersten Bücher ,de fide' verfaßt hat und wie der Brief Gratians und die Antwort des Ambrosius datiert werden können. Die Vorschläge, die bisher gemacht worden sind, weichen teils geringfügig, teils erheblich, voneinander ab: 1. Die Aussprache zwischen Ambrosius und Gratian Juli 378 in Sirmium (Palanque und Dudden); Herbst 378 in Sirmium (Faller) 2 2. De fide I und II abgefaßt Juni/Juli 378 (von Campenhausen); Sommer 378, aber

nach

der

1 De fide III-V werden übereinstimmend auf Ende 380 datiert (dazu ausführlich Dudden, St. Ambrose 193 ff. und Faller, Prolegomena II 3-6 zu ,de fide' — C S E L L X X V I I I , p. 8 S '-10*). Im Frühjahr 381 schrieb Ambrosius ,de spiritu sancto' (vgl. Faller, Prolegomena III zu ,de spiritu sancto' — C S E L L X X I X , p. 15*-17*). 2 Palanque, St. Ambroise 50 ff., 496 f.; Dudden, St. Ambrose 189 f.; Faller, Prolegomena II 1 zu ,de fide* ( C S E L L X X V I I I , p. 6* und 7*).

10

Schlacht bei Adrianopel (Palanque und Dudden); Herbst 378 (Paredi); erbeten etwa im September 378 und vor Ablauf desselben Jahres geschrieben (Faller) 3 3. epistula Gratiani (cupio valde) geschrieben 1. Hälfte 379, vor der Rückkehr Gratians nadi Mailand (von Campenhausen); Januar 380 (Palanque, Dudden und Paredi); Ende 378 oder Anfang 379 (Faller) 4 4. epistula Ambrosii (non mihi adfectus) geschrieben 1. Hälfte 379, vor der Rückkehr Gratians nach Mailand (von Campenhausen); Ende März 380 bzw. vor dem 24. April 380 (Palanque, Dudden und Paredi); Sommer 379 (Faller) 5

So ist eine erneute Erörterung sinnvoll. Sie gilt zunächst ,de fide', ,de spiritu sancto' I, dem Brief Gratians und der Antwort des Ambrosius. Im ersten Kapitel wird erklärt, was Ambrosius über die kirchlichen und politischen Verhältnisse in Illyrien mitgeteilt hat. Daraus folgen einige allgemeine Kriterien für eine neue chronologische Ordnung. Diese wird im zweiten Kapitel aufgestellt. Es wird gezeigt, wann und unter welchen Umständen die Beziehungen zwischen Ambrosius und Gratian begonnen haben. Die zweite Gruppe von Texten, in denen man Auskunft über das Verhältnis zwischen Ambrosius und Gratian gesucht hat, sind die Gesetze Gratians in Angelegenheiten der Kirche und des Glaubens. In ihnen hat man den Einfluß des Ambrosius sehr deutlich sehen wollen. Sie werden ausführlich erklärt; insbesondere Cod. Theod. XVI 5,5, ein Gesetz, das man immer als antiarianisches kirchenpolitisches Programm Gratians verstanden hat, und das dort erwähnte Reskript von Sirmium, das man für den Toleranzerlaß Gratians vom Herbst 378 hält. Die hier vorgelegte Untersuchung achtet vor allem, weil das bisher nicht geschehen ist, auf das Formale in den Gesetzen und auf die verschiedenen Formen der kaiserlichen Gesetzgebung. Sie gewinnt dadurch einen neuen Zugang zum Verständnis dieser Texte. 3

Von Campenhausen, Ambrosius 40 f.; Palanque, a.a.O. 55 ff., 498 f.; Dudden a.a.O. 189 f. und 698; Paredi, S. Ambrogio 253 f.; Faller, Prolegomena II 1.2 zu ,de fide' (CSEL LXXVIII, p. 5*-8*)· 4 Von Campenhausen, a.a.O. 43; Palanque, a.a.O. 67 f. und 501 f.; Dudden, a.a.O. 192 f.; Paredi, a.a.O. 260 f.; Faller, Prolegomena II 1-10 zu ,de spiritu sancto' (CSEL L X X I X , p. 8*-14*). 5 Von Campenhausen, a.a.O. 43 ff.; Palanque, a.a.O. 69 f., 501 f.; Dudden, a.a.O. 193; Paredi, a.a.O. 263; Faller, Prolegomena II 1-10 zu ,de spiritu sancto' (CSEL L X X I X , p. 8*-14*).

11

ERSTES

KAPITEL

Die politischen und kirchlichen Verhältnisse in den Donauprovinzen Ambrosius hat in den ersten beiden Büchern ,de fide' seine Aufmerksamkeit auch auf die politischen und kirchlichen Verhältnisse gerichtet: Der Kaiser, schreibt Ambrosius, bitte um eine Abhandlung über den Glauben, während er in den Krieg ziehe; denn er wisse, daß der Glaube des Herrschers mehr als die Tapferkeit der Soldaten den Sieg gewährleiste 1 . Ambrosius beweist dies mit Beispielen aus der Geschichte: Abraham habe mit geringer Mannschaft die zahlreichen Feinde vernichtet und Josua sei wegen seines Glaubens Herr über Jericho geworden 2 . Auch Gratian, der Christus anbete und den Glauben schütze und bewahre, schicke sich an zu siegen3. Er selbst, Ambrosius, werde sich der heiligen Pflicht unterziehen, in den Streit über den Glauben, oder sagen wir: in die Erörterung von Glaubensfragen einzutreten, obwohl darin nur unsichere Hoffnung liege 4 . Ambrosius erklärt den Zustand, in dem sich Kirche und Reich befanden, als er den ersten Teil ,de fide' schrieb. Er spricht vom Sieg des Kaisers und erwartet die Niederlage der Feinde. Die Beispiele sollen dies bestätigen. Die Texte zeigen ihre rhetorische Färbung, ohne Zweifel; aber man überhört nicht, daß damals begründete Aussichten auf einen Erfolg bestanden haben. Am Ende des zweiten Buches beschreibt Ambrosius noch einmal, und ausführlicher, die politischen Umstände und die Lage der katholischen 1 De fide I 3: Petis a me fidei libellum, sancte imperator, profecturus ad proelium. Nosti enim fide magis imperatoris quam virtute militum quaeri solere victoriam. 2 A.a.O. I 3: Nam et Abraham trecentos decem et octo duxit ad bellum et ex innumeris tropaea hostibus reportavit signoque dominicae crucis et nominis quinque regum victriciumque turmarum subacto robore et ultus est proximum et filium meruit et triumfum. Iesus quoque, filius Nave, hostes, quos totius exercitus manu valida superare non poterat, Septem tubarum sacerdotalium sono vicit, ubi ,ducem militiae caelestis' agnovit. 3 A.a.O. I 3: Ergo et tu vincere paras, qui Christum adoras, vincere paras, qui fidem vindicas, cuius a me libellum petisti. 4 A.a.O. I 4 : Mallem quidem cohortandi ad fidem subire officium quam de fide disceptandi; in altero enim religiosa confessio est, in altero incauta praesumptio. Sed quoniam neque tu cohortatione indiges neque ego excusandi über, ubi pietatis officium est, audax negotium verecunda occasione suscipiam, ut de fide pauca disceptem, de testimoniis plura contexam.

12

Kirche. Er sagt, welche Ereignisse er im Auge hat: die römischen Provinzen an der Donau, die vom Einfall der Goten betroffen sind 5 . Dieses Unglück und schon die Aufnahme von Goten in das römische Reich haben ernste Folgen für die römische Herrschaft und für die katholische Kirche gebracht. Otto Faller hat in einem ,conspectus librorum' den Ausgang des zweiten Buches in drei Abschnitte geteilt 6 . Die beiden folgenden sind hier wichtig: 1. Epistula ad Gratianum de toto opere (II 129-135) und de Gotborum victoria (II 136-140) 2. Oratio pro imperatore (II 141-143). 1. Ambrosius entschuldigt sich für die Eile, mit der er seine Gedanken niedergeschrieben habe. E r sagt auch, daß die Arianer seinen T r a k t a t als unfertig kritisieren werden, zumal sie ihre Augen verschließen und Aufruhr anzetteln, sooft die Heilsbotschaft verkündet w i r d 7 . Die Haeretiker sind die ,antechristi': Johannes habe dies sdion gesagt und damit voraussdiauend die Arianer gekennzeichnet. Alles, was die Arianer tun, gleicht daher den Taten des Antichristen; diese Haeresie sammelt ihr Gift aus allen anderen Haeresien 8 . Der Kaiser soll, gerüstet mit dem Sdiwert des Glaubens, dem Sieg entgegenziehen. Die Verwüstungen, der Krieg gegen die Goten und der Sieg über sie sind von Hesekiel geweissagt worden. Die Goten sind Gog, von dem der Prophet schreibt, daß er mit Gottes Beistand vernichtet werde ·. Es ist nicht zweifelhaft, daß die ,catholici', welche die Strafe für den Unglauben anderer ertragen haben, bei Gratian Hilfe für den rechten Glauben finden. Der Glaube an G o t t und die Treue zum ,imperium Romanum* können nicht voneinander geschieden werden. W o die Treue zu G o t t gebrochen worden ist, dort ist auch zuerst die Treue zum römischen Imperium mißachtet worden 1 0 . 5 De fide I I 1 3 7 : bella Gothorum. 1 3 8 : Gog iste Gothus est, quem iam videmus exisse. 1 4 0 : Nonne de Thraciae partibus per ripensem Daciam et Mysiam omnemque Valeriam Pannoniorum totum illum limitem sacrilegis pariter vocibus et barbaricis motibus audivimus inhorrentem? β Prolegomena V I I I 1 zu ,de fide' ( C S E L L X X V I I I , p. 54*). 7 D e fide I I 129 und 130: Haec ego, imperator auguste, carptim et breviter inpolita magis proposui quam enodata digessi. Quod si qua Arriani inconsummata arbitrantur, ego vix fateor incohata. Si qua adhuc superesse opinantur, ego prope omnia; infidelibus enim totum deest, sed abundat fidelibus. (130) . . . Namque more Iudaeico aures suas Arriani claudere solent aut serere tumultus, quotienscumque verbum salutis auditur. 8 D e fide I I 135: E t Iohannes dicit haereticos esse antechristos, Arrianos utique designans. H a e c enim haeresis post omnes haereses coepit et ex omni haeresi venena collegit. Sicut enim de antechristo scriptum est: quia aperuit os suum in blasphemia ad deum blasphemare nomen eius et bellum facere cum sanctis eius, ita et isti et filio dei derogant nec martyribus pepercerunt et, quod fortasse ille non faciet, scripturas falsavere divinas. 9 D e fide I I 136-138: Progredere plane ,scuto fidei' saeptus et gladium spiritus habens, progredere ad victoriam superioribus promissam temporibus et divinis oraculis profetatam. Namque et futuram nostri depopulationem et bella Gothorum Ezediiel illo iam tempore provetavit . . . Gog iste Gothus est, quem iam videmus exisse, de quo promittitur nobis futura victoria etc. 1 0 A.a.O. I I 139: Nec ambiguum, sancte imperator, quod, qui perfidiae alienae poenam excipimus, fidei catholicae in te vigentis habituri sumus auxilium. Evidens enim antehac

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Man mag nicht an Tod, Qual und Verbannung der Bekenner, nicht an das Priestertum der Gottlosen und die Dienste der Verräter erinnern. Die ,res Romana' (sei es die Kirche oder das Reich) kann nicht sicher sein, wenn an den Grenzen des Reiches Gottlosigkeit herrscht. Von Thrakien bis zur Provinz Valeria hörte man das Gesdirei der Barbaren 2. Wer den Glauben (das heißt: das nicaenische Bekenntnis) verletzt, bleibt nicht ungestraft. G o t t weiß, daß die Rechtgläubigen längst mehr als genug durdi ihr Blut und ihr Sterben den T o d der Bekenner, die Vertreibung der Priester und das Unrecht solcher Gottlosigkeit gesühnt h a b e n 1 2 . Jesus Christus soll das römische Heer führen. Jesus Christus hat Italien, dessen Glauben zwar einst angefochten, aber niemals verändert wurde, schon lange vor den gottlosen Feinden verteidigt und jetzt auch befreit. D e r Glaube des Kaisers ist unerschütterlich fest 1 3 .

Man hat immer gefragt, wann Ambrosius diesen Bericht geschrieben hat. In den Mittelpunkt der Diskussion stellte man die römische Niederlage bei Adrianopel. Der erste Teil von ,de fide' soll entweder vor oder bald nach dieser Schlacht entstanden sein 14 . Hans von Campenhausen hat gesehen, daß Ambrosius die Zeit v o r einem wichtigen Ereignis dargestellt hat, als Gratian auf dem Weg in die Donauprovinzen war 1 5 . E r hat aber nicht begründet, warum er den Text auf den ersten Feldzug Gratians nach Illyrien im Sommer 378 bezieht. Er hat auch nicht erklärt, wo und wann die persönliche Aussprache zwischen Ambrosius und Gratian stattgefunden hat, von der Ambrosius sagt, daß sie der Niederschrift seines Büchleins unmittelbar vorausgegangen sei. Sie hätten sich in Sirmium treffen können, als Gratian dort vier Tage anhielt 16 . Das war aber kurze Zeit vor der Schlacht bei Adrianopel (Gratian kam nur bis in die Gegend von castra Martis in Moesia superior) 17 und Ambrosius hätte den Traktat nicht mehr divinae indignationis causa praecessit, ut ibi primum fides Romano imperio frangeretur, ubi fracta est deo. 1 1 A.a.O. I I 1 4 0 : N o n libet confessorum neces, tormenta, exilia recordari, impiorum sacerdotia, munera proditorum. Nonne de Thraciae partibus per ripensem Daciam et Mysiam omnemque Valeriam Pannoniorum totum illum limitem sacrilegis pariter vocibus et barbaricis motibus audivimus inhorrentem? Quid poterat nobis vicinia tam feralis invehere, aut quemadmodum res Romana tali tuta poterat esse custodia? 1 2 A.a.O. I I 1 4 1 : Sed iam satis superque, omnipotens deus, nostro exitio nostroque sanguine confessorum neces, exilia sacerdotum et nefas tantae impietatis eluimus. Satis claruit eos, qui violaverint fidem, tutos esse non posse. 1 3 A.a.O. I I 1 4 2 : N o n hic aquilae militares neque volatus avium exercitum ducunt, sed tuum, domine Iesu, nomen et cultus, non hic infidelis aliqua regio, sed ea quae confessores mittere solet Italia. Italia aliquando temptata, mutata numquam, quam dudum ab hoste barbaro defendisti, nunc etiam vindicasti, non hic in imperatore mens lubrica, sed fides fixa. 1 4 Vgl. S. 31 ff. 1 5 Ambrosius 40 f. 1 6 Ammianus X X X I 11,6. 1 7 Ammianus X X X I 11,6 (Gratian zieht über Sirmium bis Castra Martis); 12,1-10 (Valens zieht mit seinem Heer nach Adrianopel; Richomer meldet die baldige Ankunft Gratians; Valens beschließt, noch vor der Ankunft seines Neffen zu kämpfen).

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vor Valens' Tod und dem Untergang des römischen Heeres abschließen können 18 . Wie am Anfang von ,de fide' spricht Ambrosius mit Gewißheit von den zu erwartenden Erfolgen des Kaisers gegen die Goten. Mit Zuversicht beurteilt er auch die Angelegenheiten der Kirche. Er hat die Beispiele wieder entsprechend gewählt. Die Hinweise auf die Voraussage des Hesekiel und die Strafe, welche die Gegner des Glaubens und des römischen Imperium treffen werde, hat er durch die Nachricht ergänzt, daß der Kaiser sich ganz den militärischen Aktionen widmen müsse und daran denke, die Siegeszeichen aufzurichten; er wolle ihn daher nicht länger mit dogmatischen Fragen aufhalten: I I 136: N e q u e vero te, imperator, pluribus tenere debeo bello intentum et victricia de barbaris t r o p a e a meditantem.

Christus solle, so schließt Ambrosius das zweite Buch, jetzt ein Zeichen seiner Herrschaft geben, damit der, der ihn als den wahren und ewigen Gott anerkenne, mit seiner Hilfe den Sieg als Lohn für seinen Glauben empfange 1 9 . Ambrosius sagt dies von Gratian. Zweimal hat er in diesem Abschnitt die Siegeszeichen (tropaea) erwähnt, wenn er vom Kaiser spricht; zunächst an der eben zitierten Stelle (II 136), dann in I I 143: Ostende nunc evidens tuae maiestatis indicium, ut is, qui te v e r u m .virtutum dominum' et ,caelestis militiae ducem', is, qui te v e r a m dei virtutem credit esse a d q u e sapientiam, non temporalem utique nec creatam, sed ,sempiternam', sicut scriptum est, ,Dei virtutem et divinitatem', tuae maiestatis fultus auxilio fidei suae t r o p a e a mereatur.

Anscheinend hatten sich die Verhältnisse in den Donauprovinzen zugunsten der römischen Herrschaft entwickelt. Das bedeutet, daß die Kaiser Erfolge erzielt hatten. Ernste militärische Rüdsschläge waren vermutlich nicht mehr zu erwarten. Otto Faller hat den Text auch so verstanden 20 . Er will aber beweisen, daß der Bericht des Ambrosius auf die Verhältnisse gleich n a c h der Schlacht bei Adrianopel passe 21 . Uber den ersten Eindruck hinaus gibt der Text deutlichere Anhaltspunkte: Die römische Herrschaft und die katholische Kirche haben in den Provinzen an der Donau ein gemeinsames Schicksal. Das Unglück der einen ist auch die N o t der anderen, die Feinde des Reiches sind auch die Feinde der Kirche, der Rechtgläubigen 22 . Dieser Zusammenhang ist entV g l . S . 2 6 f f . ausführlich zur Begegnung zwischen Ambrosius und G r a t i a n . D e fide I I 143. 2 0 Prolegomena I I 2 zu ,de fide' ( C S E L L X X V I I I , p. 7 * f.). 2 1 Prolegomena I I 1 und 2 zu ,de fide' ( C S E L L X X V I I I , p. 5 * ff.). 2 2 D e fide I I 139: E v i d e n s enim antehac divinae indignationis causa praecessit, ut ibi p r i m u m fides R o m a n o imperio frangeretur, ubi f r a c t a est deo. I I 140: Q u i d p o t e r a t 18

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standen, weil die Goten, die in das Reich eingedrungen sind oder sich gegen den Kaiser erhoben haben, soweit sie dort schon aufgenommen worden waren, dem arianischen Bekenntnis folgen. Im Verein mit den in Illyrien noch einflußreichen Arianern badrohen sie die Rechtgläubigkeit und haben die katholischen Bischöfe und Priester in großes Leid gestürzt 23 . Wenn Ambrosius daher sagt, es sei nicht mehr ungewiß, daß Gratian dem rechten Glauben helfen werde 24 , dann setzt das einen (politisch und militärisch) günstigen Vorgang voraus: Die Rechtgläubigen haben die Strafe für den fremden Irrglauben ertragen, sie haben mehr als genug durch ihren Untergang gesühnt25. Die Zeitgenossen empfanden die Schlacht bei Adrianopel und die durch sie verursachten Nöte als furchtbares Unglück. Eine ,exitialis pugna' nennt sie A m m i a n u s 2 6 : Das römische Heer bot keinen Widerstand mehr. Nur einigen Städten gelang es, sich zu verteidigen und die Feinde abzuwehren 27. Uberall zogen die Goten und Alanen durchs Land, verwüsteten und plünderten die Siedlungen und Felder. Bis zu den Iulischen Alpen, also an die Grenze Italiens, herrschten sie nach ihrem Belieben28, während sie noch vor der Schlacht bei Adrianopel zunächst nur die Dioezese Thraciae und die unmittelbar angrenzenden Teile der Dioezese Dacia besetzt hatten 29 . A u s o n i u s berichtet, daß Gratian mitten im schwersten Krieg gestanden habe, als er ihn Ende 378 zum Konsul ernannte: alle Barbaren, die an der Donau wohnten, seien ins Reich eingedrungen, Illyrien sei vom Waffenlärm erfüllt gewesen30. T h e m i s t i u s vernobis (sc. catholicis) vicinia tarn feralis invehere, aut quemadmodum res Romana tali tuta poterat esse custodia? II 1 4 1 : Satis claruit eos, qui violaverint fidem, tutos esse non posse. Convertere, domine, fideique tuae adtolle vexilla. 2 3 De fide II 140 und 141. 24 De fide II 139. 2 5 De fide II 1 4 0 und 141. 26 Ammianus X X X I 15,1. 27 Ammianus X X X I 1 5 ; 16,1-6. 28 Ammianus X X X I 16,7: . . . exinde digressi sunt effusorie per arctoas provincias, quas peragravere licenter ad usque radices Alpium Iuliarum, quas Venetas appellabat antiquitas. 29 Die Goten fielen 376/377 in die Dioezese Thrakien ein (Ammianus X X X I 6); K ä m p f e in Thrakien; auf Bitten des Valens schickte Gratian den dux Frigeridus und dann den comes domesticorum Ridiomer mit Truppen nach Thrakien (a.a.O. 7,3 und 4); weitere Kämpfe in Thrakien (in den Provinzen Scythia und Moesia), Raubzüge der Goten in Thrakien, an denen auch Alanen und Hunnen teilnahmen (a.a.O. 8, vor allem 2.4.9); Frigeridus zog von Thrakien nach Illyricum; er befestigte den Paß von Succi zwischen Serdica und Philopoppolis, um die Provinzen Illyriens zu schützen (a.a.O. 9 und 10,21); Thrakien auch a.a.O. 10,1 und 11,6 genannt. 30 Grat, actio 42: tu, Auguste venerabilis, districtus maximo bello, adsultantibus tot milibus barbarorum, quot Danuvii ora praetexitur, comitia consulatus mei armatus exerces. Tributa ista, quod in urbe Sirmio geruntur, an, quod in procinctu, centuriata dicentur? etc. A.a.O. 51 (MGH, A A V 2, 24 f.).

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gleicht in einer Rede, die er im Frühjahr 379 hielt, Theodosius mit Achill, bis zu dessen Eingreifen die Feinde siegreich gewesen seien 31 , und er lobt Gratian, weil er in der großen Gefahr, in der sich das römische Reich damals befand, den besten, Theodosius, zur Herrschaft ausgewählt habe 32 . Es scheint, daß auch Ambrosius die Schlacht bei Adrianopel, oder noch deutlicher: ihre Folgen anspricht und als ,poena alienae perfidiae' und ,exitium nostrum' verstanden hat, zumal sie das Schicksal der Rechtgläubigen und des Reiches gleichermaßen beeinflußt hatte. Das gerade wollte Ambrosius zeigen. Ambrosius übergeht, daß Kaiser Valens selbst das arianische (homoeische) Bekenntnis unterstützt hatte. Er muß dies mit Rücksicht auf Gratian, und er kann das tun, weil Valens tot ist. Vielleicht deutet er das religiöse Verhalten des Valens an, wenn er im Gebet an Gott sagt, der Kaiser, der jetzt herrsche (nämlich Gratian), sei nicht wankenden Sinnes, sondern im Glauben fest 33 . Auch Gratian ist durch Valens' Tod der Rücksichtnahme gegenüber seinem Onkel enthoben. Das Bekenntnis des Valens beeinflußte audi deshalb nicht das Urteil über die Schlacht bei Adrianopel, weil sie für das römische Heer unglücklich verlief und die Goten, die Feinde des Reiches und der katholischen Kirche, dann in die Donauprovinzen vordringen konnten. Ambrosius beendet das zweite Buch mit einer Bitte um Gottes Beistand für Gratian. Er spricht dort von Italien als dem Land der Bekenner: Gott hat Italien längst vor den Barbaren verteidigt und jetzt audi befreit 34 . Otto Faller sieht darin einen Hinweis auf Gratians Sieg über die Alamannen im Frühjahr 378 und auf Valens' Tod in der Schlacht bei Adrianopel 35 . Das würde heißen, daß Ambrosius die Alamannen als ,hostis barbarus' bezeichnet hat, vor dem Italien geschützt worden ist. Das Ereignis, das Italien befreit habe, sei die römische Niederlage bei Adrianopel und Kaiser Valens' Tod gewesen. Das ist nicht möglich: Faller hat in den Prolegomena selbst festgestellt, daß Ambrosius mit,poena perfidiae alienae', welche die Orthodoxen ertragen haben, und mit ,exitium nostrum' die Schladit bei Adrianopel und ihre Folgen beschreibe36. Ambrosius hätte aber niemals von diesem Vorgang sagen können, daß er Italien befreit 3 1 Themistii orationes (ed. W. Dindorf) 223, 15 ff.: οΰκ ήν μύθος ποιητικός, τάραχον έμβαλεϊν τόν 'Αχιλλέα καϊ έμβοήσαντα μόνον τοις βαρβάροις τέως νικώσιν. 3 2 A.a.O. 224, 17 ff.: και σοφώς Γρατιανός καΐ πολιάς, ού νεότητας επαξίως, δτι μή τον οικειότατον άριστον, άλλα τί>ν άριστον ύπέλαβεν οικειότατον. 3 3 De fide II 142: non hie in imperatore mens lubrica, sed fides fixa. 34 De fide II 142: non hic infidelis aliqua regio, sed ea quae confessores mittere solet Italia, Italia aliquando temptata, mutata numquam, quam dudum ab hoste barbaro defendisti, nunc etiam vindicasti. 3 5 Erläuterungen Fallers im apparatus fontium zum Text ( C S E L L X X V I I I 1 0 7 ) . 38 Prolegomena II 2 zu ,de fide' ( C S E L L X X V I I I 7 f.»).

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oder geschützt habe, zumal die Goten erst nach der römischen Niederlage Illyricum durchzogen haben und bis an die Iulischen Alpen vorgestoßen sind 37 . Die Alamannen sind auch nicht der ,hostis barbarus'. Ambrosius hat sie sonst nirgends in ,de fide' erwähnt 38 . Sie wären hier ohne verständlichen Grund eingeführt worden; denn sie waren nicht in Pannonien, Moesien und Thrakien eingedrungen, auf deren Schicksal Ambrosius zeigt. Italien brauchte nicht vor ihnen verteidigt zu werden; ihre Angriffe richteten sich damals immer gegen die Grenze am Oberrhein und gegen die gallischen Provinzen 39 . Die Alamannen haben auch nichts zu tun mir den Glaubensfragen, die Ambrosius dargestellt hat; er beschreibt die Arianer, und die Goten sind als Arianer Feinde des Reiches und des katholischen Glaubens. Die ,res Romana' kann nicht sicher sein, sagt Ambrosius, wo ihre ,sacrilegae voces' und ,barbarici motus' zu hören sind 40 . Der Feind, der Italien b e d r o h t e , waren die Goten. ,Ab hoste barbaro defendisti' bezieht sich auf diese Gefahr. ,Vindicasti' (oder deutlicher: ,ab hoste barbaro vindicasti') entspricht formal und inhaltlich dem ersten Teil des Gedankens, weil das — im Ergebnis wertvollere — ,vindicare' dem zeitlich früheren ,defendere' gefolgt ist. Das Zeitverhältnis wird durch ,dudum' und ,nunc' festgesetzt. Dann waren die Goten auch der Gegner, von dem Gott Italien b e f r e i t hat. Es entsteht ein vernünftiger Zusammenhang, der sonst fehlte. Die Abwehr der Goten vollzog sich in zwei Stufen. Ambrosius spricht sicher nicht von der Zeit v o r der Schlacht bei Adrianopel oder von diesem Ereignis selbst. Wenn Gott Italien vor den Goten verteidigt und audi befreit hat, dann war das n a c h der römischen Niederlage. Sie war die Ursache für eine bis an die Iulischen Alpen, also die Grenze Italiens, flutende Invasion der Goten. Nach Italien drangen sie nicht vor; aber die Gefahr war nahe und Gratian konnte zunächst nicht helfen und eingreifen 41 . In den beiden folgenden Jahren änderten sich die Umstände: Gratian und Theodosius errangen 379 wichtige Siege; 380 waren Gratians Ammianus X X X I 16,7. Epist. 24,8 spricht Ambrosius einmal von Grenzangelegenheiten in Gallien und von den Alamannen. Er war damals in diplomatischer Mission am Hofe des Usurpators Maximus in Trier. 39 Die Lentienses, gegen die Gratian damals kämpfte, wohnten in der Gegend des Bodensees (vgl. Ammianus X Y 4). Ammianus berichtet, daß sie den Rhein überschritten. Die entscheidende Schlacht war in der Nähe des heutigen Colmar. Vgl. audi die Berichte Ammians über die Einfälle der Alamannen unter Valentinian I. ( X X V I I 2,4; X X V I I 10). 4 0 De fide II 140. 4 1 Vgl. S . 1 6 f f . ; Joh. Straub, Philol. 95 (N. F. 49), 1943, 257-258: de fide II 142 setze voraus, daß die Goten nicht über die Julischen Alpen vorgedrungen seien. 37

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Offiziere Bauto und Arbogast erfolgreich und Gratian zog selbst wieder nach Illyrien 4 2 . Anscheinend hat Ambrosius diese Vorgänge andeuten wollen. Er sagt, daß Gott zunächst Italien vor den Barbaren verteidigt hat. Dann verweist er auf die für Italien und die katholische Kirche günstige Entwicklung. Der Kaiser soll verstehen, daß die Goten und der arianische Irrglaube ebenso zusammengehören wie Italien und die Rechtgläubigkeit. Erfolge mußten nach der durch die Invasion der Goten eingetretenen Lage einer entschlossenen und wirkungsvollen Kirchenpolitik der Orthodoxen vorausgehen. Wenn dagegen richtig ist, was man bisher noch immer glaubt: daß die ,peroratio' des zweiten Buches vor der Schlacht bei Adrianopel oder unter dem Eindruck dieser Schlacht entstanden ist, dann hat Ambrosius die Verhältnisse nicht dargestellt wie sie im Jahre 378 wirklich waren: nämlich ausweglos, unabsehbar, für Kaiser und Reich im höchsten Grad bedrohlich 43 , sondern wie sie erhofft wurden. Er hätte die Lage, in der sich Gratian befand, denkbar günstig erklärt, obwohl das Gegenteil vor aller Augen war. Der Inhalt der ,peroratio J müßte dann als Zuspruch verstanden werden, der sich auf die fromme Zuversicht gegründet hätte, daß dies alles einmal eintreten werde. Dabei wird nicht bedacht, daß die Aufgabe, die Ambrosius sich gestellt hatte, durchaus eine politische war, und er sich darauf einzurichten hatte, daß nur zählen werde, was erreichbar und beweisbar ist, wenn über Einfluß und Macht, Erfolg oder Mißerfolg entschieden wird. Ambrosius hätte nicht vom Sieg des Kaisers und der Niederlage der Goten sprechen können, wenn diese nicht wirklich zu erwarten gewesen wären. Wie leicht hätten ihn seine arianisdien Gegner unglaubwürdig machen können! Er wollte den Kaiser für seine kirchenpolitischen Ziele gewinnen und den Gegnern der Kirche den Kampf antragen, die er auch als Gefahr für die Sicherheit des Reiches bezeichnet, um den Kaiser gegen sie einzunehmen. Das ließ sich freilich am besten erreichen, indem er seine Betrachtungen mit den politischen Realitäten begründete, sofern diese günstig waren für diesen Zweck. Greifbare Ergebnisse im Kampf gegen die Arianer waren möglich, wenn der Kaiser die Kirche unterstützte. Das lehrte die Erfahrung. Ambrosius wußte, daß es von der Glaubenshaltung des Kaisers, vom Einfluß am Hofe und — für 'den Augenblick — von den politischen Verhältnissen im Donauland abhing, ob er diese notwendige Hilfe erhoffen konnte. Wenn die vorteilhaften politischen Umstände, von denen Ambrosius spricht, eingetreten waren, konnte es nicht schwer sein, Gratian in den dogmati42 43

Jordanes, Getica 140-142 (MGH, A A V 1,95); Zos., hist. IV 31,2-32,1; 33,1 f. Vgl. S. 16 ff.

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sehen Fragen zu überzeugen und ihn fortan zu beeinflussen. Hans von Campenhausen hat ebenfalls hervorgehoben, daß die Möglichkeiten des Ambrosius, auf den Kaiser einzuwirken, durchaus von der Gunst oder Ungunst der politischen und militärischen Verhältnisse abhängig waren. Da von Campenhausen de fide I und II in den Juli 378 datiert, nimmt er an, daß das Bemühen des Ambrosius lange ohne Erfolg geblieben ist. Wenn sich Gratian erst im August 379 von der Richtigkeit dessen, was Ambrosius in de fide II 139 und 140 gesagt hatte, habe überzeugen lassen, so sei dazu die verbesserte politisch-strategische Lage die wesentlichste Voraussetzung gewesen44. Dann hätte zwischen Empfang und Wirkung der Botschaft ein Jahr gelegen: Das ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil Ambrosius sein Buch auf Verlangen des Kaisers niedergeschrieben hatte. Ein Vorfall, der sich im Jahre 351 anläßlich der Schlacht bei Mursa ereignete und in der Kirchengeschichte sehr bekannt geworden ist, kann die Situation, in der sich Ambrosius befand, noch deutlicher hervorheben und eindringlicher erklären: Constantius II. war nicht in der Schlacht selbst anwesend, sondern hielt sich abseits in einer Kirche auf, wohin sich auch Valens, der Bischof des Ortes, damals eifrigster Arianer, begeben hatte. Valens hatte einen gut organisierten Meldedienst eingerichtet, um dem Kaiser eher, als es den kaiserlichen Boten möglich gewesen wäre, den günstigen oder ungünstigen Ausgang der Schlacht mitteilen und sich entsprechend verhalten zu können. Selbstverständlich kam es ihm dabei vor allem auf den Vorteil an, den eine gute Nachricht einbringen konnte. Das ist auch vom zeitgenössischen Berichterstatter so verstanden und erklärt worden. Als der Kaiser, von Furcht erfüllt, in tiefer Sorge bei den wenigen Begleitern weilte, überbrachte ihm Valens die Botschaft, daß die Gegner in die Flucht geschlagen seien. Auf die Frage des Kaisers, wer dem Bischof dies angezeigt habe, antwortete dieser, ein Engel sei der Bote gewesen. Constantius fühlte sich Valens sehr verpflichtet und hielt ihn fortan in hohem Ansehen: facilis ad credendum Imperator, palam postea dicere solitus, se Valentis meritis, non virtute exercitus vicisse45. Im einzelnen sind die Ereignisse und Umstände verschieden; Ambrosius hat auch keinen Trick angewandt: Aber wesentliche Merkmale haben sie gemeinsam. Sie sind darin beispielhaft für den Eifer der Kirchenmänner, der Nicaener wie Arianer, für die von ihnen verfolgten Ziele. Ambrosius schreibt dem Kaiser über den Glauben. An den Arianern erklärt er dabei den Irrglauben. Andere Haeresien hat er nur erwähnt, so44 45

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Ambrosius 46. Sulp. Sev. Chronica II 38, 4-7 (CSEL I 91 f.).

weit es erforderlich war, auf ihre Eigenarten im Rahmen des Themas hinzuweisen 4β . Die einzelnen Abschnitte der beiden Bücher sollen die Arianer widerlegen. Die Arianer haben sich zwar in verschiedene Gruppen geteilt, die ihre Lehrmeister haben. Aber sie sind alle abtrünnig vom Glauben, lehren falsdies Zeugnis und haben sich gegen die Kirche Gottes verschworen 4 7 . Sie entfachen Aufruhr und Unruhe, sooft die Heilsbotschaft verkündet wird; man muß sie meiden, weil sie Fragen auszustreuen pflegen und auch daran als Haeretiker erkannt werden 4 8 : de fide I I 130.131 und 1 3 4 : Namque more Iudaeico aures suas Arriani claudere solent aut serere tumultus, quotienscumque verbum salutis auditur. E t quid mirum, si humanis vocibus credere non soleant infideles qui non credunt divinis? Tales deserendos apostulus dicit, qui quaestiones serant: hos esse hereticos.

Zu Beginn des dritten Buches wiederholt Ambrosius diesen Vorwurf: de fide I I I 2 : Sed quoniam mens prava quorundam serendis intenta quaestionibus stilo lacessit uberiore c o n f i c i , . . . ea quae perstricta paucis superius sunt, placuit paulo latius exsequi.

E r bezieht sich dabei auf die gegen den ersten Teil von ,de fide' gerichtete Schrift des Palladius, die inzwischen herausgegeben worden war, und benutzte diese, um dem Kaiser zu beweisen, wie richtig er die Arianer beurteilt hat. In ihnen sieht Ambrosius den eigentlichen Gegner, und er richtet seine Aufmerksamkeit auf die politischen und kirchlichen Verhältnisse in den Donauprovinzen, weil die Arianer dort nach wie vor einflußreich waren. Sie hielten noch immer einige Bistümer: Palladius war in Ratiaria Bischof 49 , Secundianus in Singidumjm 50 , Iulianus Valens in Poetovio 5 1 , Au4 6 Arius und Arianismus neben den Irrlehren und ihren Urhebern: de fide I 6 . 5 7 ; I I 33.80.86.117 ff. Die folgenden Abschnitte hat Ambrosius ganz der arianisdien Lehre und den Arianern gewidmet: I 10-33 (Ambrosius leitet das Kapitel ,de D e o uno' ein mit dem S a t z : ,unum ergo deum, non duos aut tres deos dicimus, ut impia Arianorum heresis, dum criminatur, incurrit.'); 3 4 - 4 2 (Expositio dogmatis Ariani); 44.45.48.58 ff. (ein fingiertes Gespräch mit einem Haeretiker, dessen arianische Gedanken Ambrosius widerlegt); 85.100.114.119 (Arri perfidia, impietas Arriana); 120-131 (Expositio qua Arrii perfidia damnata est); I I 16.29.49.108 ff. 4 7 D e fide I 4 4 : una perfidia, impietate non dissonans . . . non dissimilis fraude; I 4 6 : ideo quoniam communiter adversus ecclesiam dei, quibus inter se ipsos non convenit, conspirarunt. 4 8 Außer dem oben zitierten T e x t vgl. de fide I 3 4 : nunc consideremus, quas Arriani dei filio inferant quaestiones. 4 9 Ambros., de fide I 4 5 ; ep. 10,2; Diss. M a x . 1.116 (nam unus [sc. Palladius] eorum post undecim annos presbyterii . . . ) . 140. Uber Palladius ausführlich M . Meslin, Les Ariens d'Occident 85 ff. 5 0 Secundianus wird in den gesta concilii Aquileiensis und in der Diss. M a x . immer zusammen mit Palladius genannt (vgl. Diss. M a x . 80.89.98.109.117 — alter [sc. Secundianus] ab adulescentia clericus — ) . 5 1 Ambros. ep. 10,9 (hier wird, wie in ,de fide' I I 139, .römisch' und ,christlich' gleichgesetzt). J . Zeiller, Les Origines chretiennes 150; M. Meslin, Les Ariens d'Occident 97.

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xentius, neben Palladius einer der führenden Arianer, in Durostorum 5 2 . Damals lebte auch noch Wulfila, der vor allem in den östlichen Donauprovinzen wirkte. Arianisch gesinnte Illyrier hatten sich in Norditalien angesiedelt. Ambrosius spricht in dem Brief an einen Bischof Constantius von ihren Umtrieben in Forum Cornell 5 3 . Die Arianer wurden jetzt außerdem durch die in das arianische Bekenntnis eingeführten Goten unterstützt 54 . Ambrosius hat in ,de fide' auf die Leiden der Gläubigen (das sind alle, die sich zur ,fides catholica' bekennen) und das Treiben der Arianer hingewiesen 55 und in einem seiner Briefe das Verhalten des arianischen Bischofs Iulianus Valens beim Einfall der Goten beschrieben: dieser habe seine Stadt und die Bürger verraten; in gotischer Tracht sei er vor dem römischen Heer erschienen und habe verachtet, was römische Sitte ist. Dies sei eines Christen unwürdig und gottloser Frevel 56 . Audi Mailand selbst war noch nicht frei von Arianern. Auxentius hatte viele Jahre das Bistum verwaltet 57 . Er hatte eine Gemeinde hinterlassen. Diese meint anscheinend Ambrosius, wenn er in ,de fide' von den Erben seines Unglaubens spricht 58 . Sie trat auch noch später in Mailand hervor und war für die Gegner des Ambrosius ein wichtiger Rückhalt 59 . Die rechtgläubigen Bischöfe hatten sich seit dem Tod Constantius II. lebhaft bemüht, die Arianer in Norditalien und Illyrien aus den Kirchenämtern zu verdrängen. Dies war nur zum Teil gelungen 60 , da unter Valentinian I. von der Reichsgewalt keine wirksame Hilfe erhofft werden 5 2 Diss. M a x . 65 u n d 140 (der bei A m b r o s . de fide I 45 erwähnte Auxentius war der frühere Bischof v o n M a i l a n d — vgl. S . 2 2 , A n . 58). Ausführlich M. Meslin, Les Ariens d'Occident 47 ff. 5 3 Ambros., ep. 2, 27-29. 5 4 Vgl. ζ. B. den Bericht über Iulianus Valens v o n P o e t o v i o (Ambros. ep. 10,9). J . Zeiller, Les Origines chretiennes 308 f f . ; H . v o n C a m p e n h a u s e n , Ambrosius 39 f. 5 5 D e fide I I 139-141. 5 9 A m b r o s . ep. 10,9 (vgl. S . 2 2 , A n . 51). 5 7 V o n 355-373. V g l . v o n C a m p e n h a u s e n , Ambrosius 18 f . ; M. Meslin, Les Ariens d'Occident 41 ff. 5 8 D e fide I 4 5 : alii P a l l a d i u m vel D e m o p h i l u m adque A u x e n t i u m vel perfidiae eius heredes secuntur. A u f den ehemaligen Bischof v o n M a i l a n d , den V o r g ä n g e r des A m b r o sius, bezieht diese Stelle auch Fr. K a u f f m a n n , A n m e r k u n g e n zu Diss. M a x . 140 (S. 118). Palladius wirft Ambrosius v o r , er habe sich undeutlich ausgedrückt, so d a ß m a n nicht wisse, welchen Auxentius er meine: den noch lebenden Auxentius v o n D u r o s t o r u m oder den schon toten Auxentius v o n M a i l a n d (Diss. M a x . 140). D a Ambrosius v o n den ,perfidiae eius (sc. A u x e n t i ) heredes' spridit, k a n n er nur den verstorbenen M a i l ä n d e r Bisdiof gemeint haben. A n d e r s O . Faller, Erläuterungen zu de fide I 45 (im: a p p a r a t u s f o n t i u m ) ; unentschieden M . Meslin, Les Ariens d'Occident 47, A n . 93. 5 9 M. Meslin, Les Ariens d'Occident 44 ff. 8 0 D a b e i w a r nicht einmal die Besetzung M a i l a n d s mit Ambrosius ein Verdienst der Orthodoxen.

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konnte, um den zumeist in den Donauländern erfolgreichen Widerstand der Arianer zu brechen. Der Kaiser hielt sich in kirchenpolitischen und dogmatischen Angelegenheiten zurück 61 . Erst der Auftrag Gratians an Ambrosius, ein Buch über den Glauben zu schreiben, gab einem ehrgeizigen und militanten Anhänger des Nicaenum Gelegenheit, die arianischen Gegner herauszufordern, den Kampf mit ihnen einzuleiten und sich der Unterstützung des Kaisers zu versichern. Dieses Ziel haben die beiden ersten Bücher,de fide' mehr noch als der zweite Teil. Die Eigenschaften der Arianer werden dabei besonders deutlich beschrieben. Die Ansicht, daß die Ordnung der Kirche und die Glaubensgemeinschaft durch unnötige Fragen und Streitereien um Gottes Wort oder die kirchlichen Ämter gestört würden, ist auch von den Kaisern oft vertreten worden. Konstantin d. Gr. verurteilte in einem Brief an Alexander, Bischof von Alexandria, und Arius unnützes Fragen und Antworten als Ursache der Zwietracht, während die Eintracht der Diener Gottes auch dem Staatswesen dienlich sei. Solche Fragen schreibe nicht irgendein Gesetz vor, sondern die Streitsucht 62 . Der Kaiser sah sich als Schiedsrichter, der zwischen den Parteien zu vermitteln habe. Er fühlte sich, da er die Kirche, die jetzt Staatskirche war, zu schützen übernommen hatte, verpflichtet, ihren inneren Frieden zu sichern. In diesem Sinne handelten auch seine Nachfolger: Die Bemühungen Constantius' II. und der späteren Kaiser um die dogmatische Einheit der Kirche dienten dem gleichen Zweck. Constantius II. befahl anläßlich einer Synode dem Bischof Basilius von Ankyra zu schweigen, da er verantwortlich sei für die Unruhe in den Gemeinden 63 . Den in Ariminum (359) versammelten Bischöfen untersagte der Kaiser, Beschlüsse zu fassen, die im Gegensatz zu den Ansichten der 61

J. Zeiller, Les Origines chretiennes 292-327 (vor allem 306 ff. zum Widerstand der arianisch gesinnten Bischöfe); H. von Campenhausen, Ambrosius 13-19 und 30 ff.; L. Herrmann, Ambrosius von Mailand als Trinitätstheologe 14 ff. Zu Valentinian I. vgl. von Campenhausen, a.a.O. 15 f.; A. Nagl, RE VII A 2, 2198 ff. 62 Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites, Nr. 17,1 (εΐ κοινήν . . . όμόνοιαν καταστήσαιμι, καί ή των δημοσίων πραγμάτων χρεία σύνδρομον ταϊς απάντων εύσεβέσι γνώμαις τήν μεταβολήν καρπώσεται . . .). 6 (ö-9-εν της έν ύμϊν διχονοίας έγερθείσης ή μεν σύνοδος ήρνήθη, ό δέ άγιώτατος λαός εις άμφοτέρους σχισθείς έκ της τοϋ κοινού σώματος αρμονίας έχωρίσθη). 8 (τάς γαρ τοιαύτας ζητήσεις, όπόσας μή νόμου τίνος άνάγκη προστάττει, άλλ' άνωφελοϋς άργίας έρεσχελία προτίθησιν); vgl. weitere Briefe Konstantins bei Theod. h. e. I 10,1 und Optatus, Appendix X (CSEL X X V I 214,1 ff. und 22 ff.).

*3 Theod. h. e. II 2 7 , 5 : . . .έχαλέπηνε μέν ό Κωνστάντιος (sc. τω Βασιλείω), σιγήσαι δέ προσέταξε τόν Βασίλειον, ώς ζάλης αίτιον ταϊς έκκλησίαις γιγνόμενον.

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Bischöfe des Ostens stünden, damit das Fragen beendet werde und die Doppelsinnigkeit ruhe: Die Einheit des Glaubens, befreit von allen Fragen, diene dem Wohl der Völker 6 4 . Valentinian I. hat während des Streites um den römischen Bischofsstuhl zwischen Damasus und Ursinus mehrfach an die kaiserlichen Beamten in Rom geschrieben. Er hat in seinen Briefen die Einheit der Kirche, ihren inneren Frieden, ihre Sicherheit und Ruhe gepriesen; Zwietracht, Aufruhr und Tumult unter den Christen hat er verurteilt, da sonst auch die »publica securitas' und ,publica disciplina' gefährdet seien β5 . Die Gedanken des Ambrosius zeigen, daß die Nicaener das Verhalten, das Konstantin und die anderen Kaiser als Repräsentanten staatlicher Ordnung an den Geistlichen getadelt hatten, als Eigenschaft ihrer arianischen Gegner bezeichneten und als Anschuldigung gegen sie erhoben. Sie benutzten dieses Argument, um die Kaiser in ihrem Sinne überzeugen und gegebenenfalls zum Eingreifen gegen die Arianer veranlassen zu können. Ambrosius erwartete heftige Reaktionen der Arianer auf seine Abhandlung und deutet auch dies dem Kaiser gegenüber an: de fide II 129: Haec ego, imperator auguste, carptim et breviter inpolita magis proposui quam enodata digessi. Q u o d si qua Ariani inconsummata arbitrantur, ego vix fateor incohata. Signa adhuc superesse opinantur, ego prope omnia; infidelibus enim totum deest, sed abundat fidelibus...

Eine von Palladius, dem Bischof von Ratäaria, verfaßte Entgegnung erschien bald. Sie veranlaßte dann Ambrosius, die Betrachtungen über den Glauben fortzusetzen und die Grundlagen der nicaenischen Lehre in den Büchern III-V erschöpfend darzulegen. Nach herkömmlicher Ansicht hat Ambrosius die beiden ersten Bücher ,Uber den Glauben' unmittelbar v o r oder gleich n a c h der Schlacht bei Adrianopel verfaßt. Dieser Zeitansatz wird hier in Frage gestellt. Zunächst wurde besprochen, was Ambrosius über die politischen und kirch64 Collect. Antiar. A V I I I ( C S E L L X V , 94): (1) discurret namque cunctorum prosperitas ubique populorum et concordia fida servabitur, cum penitus amputatis de huiusmodi quaestionibus cunctis sectanda commoverit. (2) . . . non enim de Orientalibus episcopis in concilio vestro patitur ratio aliquid definiri . . . respondere vel tractare de fide, ut exitu competenti omnis quaestio terminetur et ambiguitas sopiatur. 6 5 Coll. Avell. V 1,2; V I 2 (. . . quoniam pro publica securitate metuendum est, ne aliqui hinc iterum tumultus oriatur); V I I 1.2; V I I I 1.2 (tu [Olybri] . . . p r a e s t a r e voluisti, ut nulla in urbe Roma possit esse discordia Christianorumque populus profunda in otio securitate gaudere . . . tumultibus cunctis procul longeque summotis certa pax p l e b i . . . tribuetur); I X 1.3 und X 1.

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liehen Verhältnisse in den Donauprovinzen mitgeteilt hat. Vorerst steht folgendes fest: Ambrosius hat ,de fide' I und II geschrieben, als Gratian nach Illyrien zog; n a c h der Schlacht bei Adrianopel, aber zu einer Zeit, als sich die politische und militärische Lage zugunsten der römischen Kaiser verändert hatte. Weitere Hinweise dürfen von dem Beitrag über das Verhältnis zwischen Ambrosius und Gratian erhofft werden. Dann wird auch erklärt, unter welchen Umständen Gratian am ehesten den Wunsch hatte, über den Glauben belehrt zu werden und wann er zu antihomoeischen Initiativen geneigt gewesen sein könnte; genauer gesagt: ob ein solches Verhalten zu Lebzeiten des Valens von Gratian erwartet werden durfte.

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ZWEITES

KAPITEL

Die Äußerungen des Ambrosius über die Entstehung von ,De Fide' und ,De Spiritu Sancto' und über sein Verhältnis zu Kaiser Gratian Ambrosius hat die Umstände, unter denen Gratian den Wunsch nach einer Abhandlung über den Glauben vortrug, zweimal erwähnt: in den Vorreden zum ersten und zum dritten Buch, in denen er den Kaiser als Empfänger anspricht. In der Vorrede zum dritten Buch unterscheidet Ambrosius zwei zeitlich voneinander getrennte Ereignisse: Zunächst habe Gratian ihn aufgefordert, seine Gedanken über den Glauben niederzuschreiben, damit er in den Fragen des Glaubens unterwiesen werde: de fide III 1: Quoniam, clementissime imperator, instruendi tui gratia aliqua de fide mihi scribenda mandaveras.

Ambrosius erfüllte den Wunsch des Kaisers nicht sofort. Er berichtet, daß er sich scheu und ehrfurchtsvoll zurückgehalten habe und der Kaiser ihn danin persönlich ermahnt habe, seiner Bitte zu folgen: de fide III 1: et verecundantem coram etiam ipse fueras (sc. Gratianus) adhortatus 1 .

In der Vorrede zum ersten Buch werden die zeitlichen Umstände dargestellt, unter denen diese Begegnung stattfand: Gratian befand sich auf einem Feldzug (in die von den Goten bedrängten Gebiete Ulyriens 2 ), dessen gutes Gelingen damals erwartet wurde; er war noch nicht auf dem Kriegsschauplatz angelangt: de fide I 3: Petis a me fidei libellum, sancte imperator, profecturus ad proelium.

Ambrosius folgte dann sehr rasch der Bitte Gratians und schrieb unmittelbar nach dieser Begegnung, gleichsam in Bereitschaft versetzt, zwei Bücher über den Glauben: de fide III 1: ideo quasi in procinctu positus duos tantum conscripsi libellos, quibus vias quasdam fidei et semitas demonstrarem. 1

H . Dudden hat ebenfalls auf diese Stelle aufmerksam gemacht (St. Ambrose 189). Der Kriegsschauplatz wird ausdrücklich genannt de fide II 137-140 (vgl. audi das erste Kapitel). 2

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,Quasi in procinctu positus' wird gesagt vom ,miles Christi' 3 , als den sich Ambrosius bekennt und zielt hier auf die Gegner des rechten Glaubens, welche die Einheit der Kirche dort bedrohen, wo auch Gratian kämpfen muß: im Donauland. Ambrosius wiederholt, was er in der ,praefatio' zum ersten Buch im gleichen Zusammenhang erklärt hatte: daß er den Streit um den Glauben aufnehmen wolle und dies seine Pflicht sei: de fide I 4: Mallem quidem cohortandi ad fidem subire officium quam de fide disceptandi . . . Sed quoniam neque tu (sc. Gratianus) cohortatione indiges neque ego excusandi liber, ubi pietatis officium est, audax negotium verecunda occasione suscipiam, ut de fide pauca disceptem, de testimoniis plura contexam.

Auf den früheren Anlaß bezieht sich, was Ambrosius gleich zu Beginn des ersten Buches mitgeteilt hat: Der Kaiser habe seine Glaubensgrundsätze hören wollen und es für gut gehalten, wenn er über den Glauben schreibe: de fide I 1: Tu quoque, sancte imperator Gratiane, veteris imitator historiae, fidem meam audire voluisti. Sed non ego Solomon, cuius mirere sapientiam; neque tu unius gentis, sed totius Orbis Augustus fidem libello exprimi censuisti, non ut disceres, sed probares.

Er vergleicht den Kaiser mit Vorbildern aus dem Alten Testament: mit der Königin Saba, die zu Salomo gekommen sei, um seine Weisheit zu hören, und mit dem König Hiram von Tyros, der seine Knechte zu Salomo geschickt habe, um diesen kennenzulernen. Zugleich hebt Ambrosius die Unterschiede hervor zwischen jenen Herrschern, die nur ein Volk oder einen Stamm regierten, und Gratian, dem,totius orbis Augustus' 4 . Gratian wandte sich an Ambrosius mit der Bitte, über den Glauben belehrt zu werden. Zunächst wollen wir die Umstände erklären, die Gratian veranlaßten, dies zu tun, und die dann den Einfluß des Bischofs auf den Kaiser eingeleitet haben: Gratian residierte anfangs nicht in Mailand, sondern in Trier und hielt sich bis Sommer 378, als er über Raetien nach Illyrien zog, fast nur in den östlichen Provinzen der gallischen Diözese 3 Johannes Cassianus, de institutis I 1,1: . . . itaque monachum ut militem Christi in procinctu semper belli positum accinctis lumbis iugiter oportet incedere. Andere Ausdrücke aus der Sprache der ,militia Christi' audi bei Ambrosius, de fide II 136 und 143: scutu fidei saeptus et gladium spiritus habens — caelestis militiae dux. Vgl. II. Cor. 10,3-6 und Ephes. 6,10-18. Über procinctus als militärischen t.t. H. G. Pflaum, Libyca 3, 1955, 135 ff.; über ,miles Christi' als Name der Christen A. von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums 428 ff. 4

De fidel 1.

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auf 5 . Während dieser Zeit gab es noch keine Kontakte zwischen Ambrosius und dem kaiserlichen Hof, anscheinend auch nicht anläßlich des kurzen Aufenthaltes des Kaisers in Mailand im Jahre 376 6 . Man hat daher geglaubt, Gratian habe, bevor er 378 ins Donauland zog, um Valens gegen die Goten zu unterstützen, in einem Brief Ambrosius um eine Abhandlung über den Glauben gebeten. Er habe gewußt, daß er vor den gescheiten und gewandten Arianern in Illyrien und am Hofe seines Onkels nicht werde bestehen können, wenn er nicht zuvor die dogmatischen Grundlagen des katholischen Glaubens ausführlich kennengelernt habe. Auf Ambrosius sei seine Wahl gefallen, weil dieser als Streiter für das nicaemische Bekenntnis bekannt gewesen sei. Das ist die These Homes Dudden's 7 und Jean-Remy Palanque's 8 . Sie setzt voraus, daß Gratian schon 378 ein überzeugter Anhänger dieser Glaubensrichtung war, die Angelegenheiten der Kirche und des Glaubens gut kannte und die Absicht hatte, das Bemühen der Nicaener um Einfluß in den illyrischen Kirchen zu seiner eigenen Sache zu machen. Gratian hat aber vor 380 keine selbständige oder von kirchlicher Seite ihm nahegebrachte Kirchenpolitik betrieben. Seine Gesetzgebung in Angelegenheiten der Kirche und des Glaubens ergänzte die von seinen Vorgängern behandelten Gegenstände 9 und folgte den von seinem Vater eingeführten Grundsätzen der Gleichheit der Bekenntnisse10. Gratian stand auch, solange er sich ständig in Trier und in den gallischen Provinzen aufhielt, unter dem Einfluß des Ausonius, der ihn erzogen hatte 11 . Ausonius konnte den jungen Kaiser nicht in die dogmatischen Gegensätze zwischen Nicaenern und Arianern einführen, und in Trier hatte man auch von kirchlicher Seite damals keinen Anlaß, dies zu tun. Der Bischof von Trier ist in der fraglichen Zeit nicht hervorgetreten und gehörte nicht zu denen, 5 O. Seeck, Regesten zu den Jahren 375-378. Fast alle Gesetze sind in Trier veröffentlicht. 6 Ambrosius hat nirgends von einer Zusammenkunft gesprochen; auch in den übrigen Quellen gibt es keine Hinweise. Vgl. von Campenhausen, Ambrosius 36 f. 7 St. Ambrose 189. 8 St. Ambroise 50 und 498. Es sei nicht bekannt, warum der Kaiser Ambrosius ausgewählt habe. Er hätte auch im gallischen Episkopat Leute finden können, die fähig gewesen wären, ihn zu belehren (ζ. B. Phoebadius von Agen). Gratian habe jedoch Ambrosius vorgezogen. Der Wunsch des Kaisers nach einer Abhandlung über den Glauben sei Ambrosius Anfang 378 übermittelt worden; aber man wisse nicht, ob der Kaiser persönlich geschrieben habe und ob Ambrosius geantwortet habe. Im Gegensatz zu dem Briefwechsel aus dem Jahre 380 sei kein Schreiben erhalten. 9 Donatisten, Gerichtsstand der Geistlichen, Befreiung niederer Kleriker von Steuern (Cod. Theod. X V I 5,4.5; 6,2; X V I 2,23 und 24); ausführlich zu diesen Texten S . 5 1 f f . 10 Vgl. S. 71 zum Toleranzgesetz von Sirmium. 11 Dazu S. 84.

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die sich im Streit gegen die illyrischen Arianer eingesetzt haben 12 . Eine antihomoeische Initiative Gratians war daher zunächst nicht zu erwarten, während doch schon die Bitte des Kaisers an Ambrosius, ihn über den Glauben zu belehren, als solche verstanden werden müßte. Man ist überzeugt, daß der rechtgläubige Eifer Gratians, der dann bei den Vorbereitungen der Synode von Aquileia deutlich hervortrat 13 , immer vorhanden gewesen ist 14 . Es zeigt sich aber, daß er für die ersten Regierungsjahre Gratians nicht nachgewiesen werden kann. Vielmehr haben alle, die von ihm gesprochen haben, ihn entweder nur behauptet oder ihn aus der falschen Interpretation der Gesetze Gratians abgeleitet. Hans von Campenhausen hat gesehen, daß der Auftrag an Ambrosius, wenn er ihm im Sommer 378 gegeben wurde, und die religionspolitischen Absichten des Kaisers im Herbst 378, wo in Sirmium ein Gesetz über die Freiheit aller Glaubensrichtungen veröffentlicht wurde, Gegensätze sind 15 . Er hat sie lösen wollen, indem er Gratians Verhalten im Herbst 378 als Änderung seiner bisherigen Politik erklärte, als „Versuch einer kirchlichen Unions- und Versöhnungspolitik unter Ausschaltung der dogmatischen Gegensätze" 1β. Die meisten Gelehrten stellen also fest, daß Gratian im Sommer 378 die Grundlagen des nicaenischen Glaubens kennenlernen wollte und Ambrosius aufforderte, ihn darin zu unterweisen. Er habe dies sogar getan, um gegen die Arianer am Hofe seines Onkels Valens gerüstet zu sein17, deutlicher gesagt: da Valens noch lebte, auch gegen Valens selbst, der die (arianisierende) homoeische Kirchenpartei immer gefördert hatte 18 . Das wäre eine klare Willensäußerung gewesen und Gratian hätte den Anspruch erhoben, den rechten Glauben zu vertreten. Er hätte sich nicht bemüht, die Religionspolitik seines Onkels zu respektieren oder einen möglichen Konflikt um dogmatische Fragen zu vermeiden, obwohl gerade damals der Krieg gegen die Goten die ganze Aufmerksamkeit der Kaiser verlangte. Das ist nicht wahrscheinlich. Gratian war vielmehr, wir haben das schon angedeutet, in den Fragen des Glaubens zunächst eher zurückhaltend: Er folgte dem Vorbild des Vaters, und die an der Regierung beteiligten Mit12 Damals war Britto Bischof von Trier. Er nahm audi nicht am Konzil von Aquileia teil, obwohl gallische Bischöfe eingeladen worden waren. Duchesne, Fastes episcopaux III 36. 13 Gratian wies die Arianer schließlich ab und folgte einer Petition des Ambrosius (vgl. gesta concilii Aquileiensis). 14 J. Zeiller, Les Origines diretiennes 320; v. Campenhausen, Ambrosius 42 f. 15 Ambrosius 42 f. 16 A.a.O. 42. 17 Vgl. S. 28. 18 Assunta Nagl, RE VII A 2, 2132 ff.

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glieder der Familie Valentinians I. hatten auch bisher nicht wegen der heiklen Glaubensfragen Streit angefangen. Das spätantike Regierungssystem setzte, da nur die Kompetenzen in der Verwaltung abgegrenzt waren, das gute Einvernehmen der Kaiser oder die gegenseitige Rücksichtnahme voraus. Natürlich haben besondere Ereignisse Gratian veranlaßt, sich an Ambrosius zu wenden. Nur ist das n a c h der Katastrophe des Kaisers Valens und n a c h dem ersten Aufenthalt Gratians in Illyrien, wo die arianischen Bischöfe sich vermutlich um den Kaiser bemühten (was sie bis zur Synode von Aquileia noch weiter eifrig taten 19 ), viel verständlicher. Diese Umstände haben den Sinn des Kaisers geöffnet für die dogmatischen Probleme und für die Diskussion über den Glauben; vielleicht in ihm den Wunsch aufkommen lassen, auch die Grundsätze des nicaenischen (das heißt: des eigenen) Glaubens zu erfahren. Ambrosius hat zu Beginn des ersten und dritten Buches angedeutet, wie die Beziehungen zwischen ihm und Gratian begonnen haben. Anscheinend hat eine Begegnung stattgefunden, einige Zeit vor der Zusammenkunft, die der Niederschrift von ,de fide' dann unmittelbar voraufging. Ambrosius beschreibt dies durch die Wahl der Beispiele und sagt von Gratian, er habe seinen Glauben hören wollen: Tu quoque, sancte Imperator Gratiane, veteris imitator historiae, fidem meam audire voluisti20. Es soll dies trotzdem nicht so verstanden werden, als habe Gratian nur von sich aus die Begegnung mit Ambrosius angestrebt; Ambrosius könnte durchaus selbst eine Gelegenheit wahrgenommen haben, um Kontakte zum Kaiser zu knüpfen. Er konnte erwarten, daß dies der Kirche nützen und die eigenen kirchenpolitischen Pläne fördern werde. Ambrosius würde das ebenso dargestellt haben, weil er, und daran lag ihm, den Kaiser freundlicher und schmeichelhafter ansprach, wenn er ihn die persönliche Begegnung suchen ließ, und den Eindruck vermied, als habe er, Ambrosius, eine politisch motivierte Absicht verfolgt. Dann hat der Kaiser den Bischof von Mailand erst um ein Büchlein über den Glauben gebeten, als er Ambrosius persönlich kannte und dieser den Kaiser für sich eingenommen und ihm die dogmatischen Grundsätze seines Bekenntnisses dargelegt hatte: Ambrosius hatte in Gratian sicher einen aufgeschlossenen Zuhörer; denn Gratian war jung und gebildet. Aber er war — wenn wir uns an das halten, was Ambrosius mitteilt — noch nicht im christlichen Glauben unterwiesen worden 21 . Ambrosius 19 20 21

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Ambrosius, gesta concilii Aquileiensis 2-4.5-8 und 11 (PL 16,955-959). De fidel 1. Vgl. S.41, An. 62.

schreibt davon sehr zurückhaltend und feinsinnig dem Kaiser, damit dieser erkennen sollte, daß er gleichwohl von Gott von Geburt an für das Heilige und den Glauben vorbereitet sei und diese Gabe nur zu entfalten brauche: I 2 : Q u i d enim discas, imperator auguste, q u a m ab ipsis incunabulis pio fovisti semper a d f e c t u ? Prius q u a m te, inquit, f o r m a r e m in utero matris tuae, novi te, et p r i u s q u a m exires de v u l v a , sanctificavi te. E r g o sanctificatio non traditur, sed infunditur. E t ideo divina dona custodi! Q u o d enim nemo te docuit, utique deus auctor infudit.

Zusammengefaßt: Ambrosius berichtet von zwei verschiedenen Vorgängen, die sich ereigneten, bevor die beiden ersten Bücher ,de fide' geschrieben wurden. Zwischen ihnen lag ein zunächst nicht näher bestimmbarer Zeitraum. Warum Ambrosius die Bitte Gratians nicht gleich erfüllte, sondern zögerte, wird später zu überlegen sein. Der zweite Anlaß war eine persönliche Begegnung zwischen dem Bischof und dem Kaiser. Wahrscheinlich trifft dies auch für den ersten Anlaß zu. Seine Bitte hat Gratian dann vielleicht in einem Brief vorgetragen, den er dem Bischof nach dem ersten persönlichen Kontakt übergeben ließ. Bei der zweiten Begegnung war der Kaiser auf dem Weg in die Donauprovinzen. Ambrosius schrieb das Buch über den Glauben (de fide I und II), als der Kaiser aus der Stadt, in der sie sich getroffen hatten, aufbrach. Nachdem der Kaiser die Abhandlung empfangen und gelesen hatte, dankte er Ambrosius mit einem Handschreiben, das auch erhalten ist 2 2 . Es soll daher erklärt werden, wo und wann die Begegnungen zwischen Ambrosius und Gratian stattgefunden haben können; oder: wo und wann Ambrosius Gelegenheit hatte, dem Kaiser den christlichen Glauben vorzutragen. Die Datierung von ,de fide' wird sich daraus ergeben. Den Schlüssel zum Verständnis hat man oft in der Anrede ,totius orbis Augustus' (de fide I I ) gesehen. Nach Jean-Remy Palanque und Homes Dudden hat Otto Faller dies in den Prolegomena zur Edition von ,de fide' neu bekräftigt: Gratian müsse, da er von Ambrosius ,totius orbis Augustus' genannt werde, damals Regent der beiden Teile des Reiches gewesen sein. ,Totius orbis Augustus' könne sich also nur auf die Zeit zwischen dem Tod des Valens in der Schlacht bei Adrianopel und dem Amtsantritt des Theodosius am 19. Januar 379 beziehen. Die beiden ersten Bücher seien innerhalb dieser Frist geschrieben worden 2 3 . Nach der Schlacht bei Adrianopel habe Gratian zunächst Ambrosius zu sich nach Sirmium geE p i s t u l a G r a t i a n i imperatoris ( C S E L L X X I X 3 f.). Faller, P r o l e g o m e n a I I 1 zu de fide ( C S E L L X X V I I I 5 * - 7 * ) . Außer Faller haben P a l a n q u e , St. Ambroise 498 f. und D u d d e n , St. A m b r o s e 189 f., ,totius orbis Augustus' so erklärt. 22

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rufen und um eine Abhandlung über den Glauben gebeten. Diese Begegnung werde in de fide III 1 erwähnt: . . . er verecundantem (Ambrosium) coram, etiam ipse fueras adbortatus. Mit ,profecturus (Gratianus) ad proelium' könne deshalb nicht der Winter 377/78 24 oder der Sommer 378 gemeint sein25, sondern es werde von den Kämpfen gesagt, die Gratian von Sirmium aus im August/September 378 zur Befreiung Illyriens vorbereitet habe. Faller, Palanque und Dudden haben also die Anrede ,totius Orbis Augustus' auf einen bestimmten Sinn festlegen wollen. Das geht nicht. Jedes zum Augustus erhobene Mitglied des Kaiserkollegiums war Augustus totius imperii oder totius orbis. ,Augustus' war ein vom Amtsbereich des jeweiligen Kaisers unabhängiger Beiname, der Hoheit, Würde und Herrschaft bezeichnete. Er konnte mit dem Zusatz ,totius orbis' versehen werden, ohne daß darin festgelegt war, ob der betreffende Herrscher allein das Imperium regierte oder einen oder auch zwei Mitkaiser hatte; so wie es andererseits keinen auf administrative Einheiten bezogenen einschränkenden Begriff gab, der zu ,Augustus' hätte hinzutreten können. Die Kollegialität im Kaiserkollegium verminderte grundsätzlich nicht den Rang der Regenten. Wenn dagegen die administrative Gewalt des einzelnen Kaisers auf fest abgegrenzte Verwaltungsbezirke beschränkt wurde, dann geschah das aus praktischen und organisatorischen Gründen und beruhte auf einer Absprache der Beteiligten26. Auf eine solche Übereinkunft konnte freilich auch verzichtet werden. So regierte Valentinian I. fast ein halbes Jahr lang gemeinsam mit seinem Bruder das Reich, ohne daß beide zunächst eine Abrede getroffen hatten. Erst im Sommer 364 zogen die Kaiser nach Naissus und Sirmium und teilten in beiderseitigem Einvernehmen Verwaltung und Heer. Die Inhaber der hohen zivilen und militärischen Ämter unterstanden fortan dem einen oder dem anderen Herrscher 27 . Valentinian und Valens waren nach diesem Beschluß ebenso wie vorher ,Augusti totius orbis' (sc. imperii). 24

Angelo Paredi, S. Ambrogio 253. Von Campenhausen nimmt an, daß de fide I und II im Juni/Juli 378 geschrieben wurden. ,Profecturus (sc. Gratianus) ad proelium' und ,totius orbis Augustus' hat v. Campenhausen nidit erklärt. 26 W. Seston, Diocletien et la Tetrarchie 231-247 und R A C 3, 1038 ff. Diokletian hat unabhängig von der administrativen Gliederung die Einheit des Reiches erhalten. Dazu ein Beispiel: Paneg. III 6: qui germani geminive fratres indiviso patrimonio tam aequabiliter utuntur quam vos (sc. Diocletianus et Maximianus) orbe Romano? . . . vobis Rhenus et Hister et cum gemino Tigris Eufrate et uterque qua diem accipit et reddit oceanus et, quidquid est inter ista terrarum et fluminum et litorum, tam facili sunt aequanimitate communia quam sibi gaudent esse communem oculi diem. 27 Ammianus X X V I 4,3.4; 5,1.2.4. 25

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Texte aus Ammianus zeigen, daß unabhängig von der Zuständigkeit in einem bestimmten Verwaltungsbereich von der Verpflichtung der Kaiser für das ,Romanum imperium' oder den ,Orbis Romanus' 2 8 gesprochen wurde und die maiestas jedem Mitglied des Kaiserkollegiums ungeteilt zukam: Ammianus X X V I I 6,12 (aus einer Rede, die Ammian den Kaiser Valentinian I. anläßlich der Erhebung Gratians zum Augustus vor dem Heer halten läßt): et assuesce impavidus . . . sanguinem spiritumque considerate pro his impendere quos regis, nihil alienum putare, quod ad Romani imperii pertinet statum. Ammianus X X V I I 6,16: In hoc tarnen negotio, Valentinianus morem institutum antiquitus supergressus, non Caesares sed Augustos germanum nuncupavit et filium, benevole satis. Nec enim quisquam antehac adscivit sibi pari potestate collegam, praeter principem Marcum, qui Verum, adoptivum fratrem, absque diminutione aliqua maiestatis imperatoriae, socium fecit.

Die Kaiser haben auch die Siegesnamen ihrer Mitkaiser übernommen. Valentinian, Valens und Gratian tragen in einer Inschrift aus dem Jahre 369 die gleichen Siegesnamen, obwohl Valens nicht an den Kämpfen seines Bruders gegen die Alamannen teilgenommen hatte, Valentinian nicht gegen die Goten gezogen war und Gratian noch nicht selbständig Krieg führen konnte, weil er gerade erst zehn Jahre alt war 2 9 . Die Tetrarchie Diokletians kannte schon diese Gepflogenheit 30 . Nicht die Herrschaft war geteilt, sondern die Administration des Reiches. Wenn die Anrede .Augustus' (imperator oder dominus) ergänzt wurde, dann geschah es, um ein bestimmtes Motiv darzustellen. Die Anrede gibt wieder, was der jeweilige Sprecher sagen will, hält sich aber an gültige Regeln. Texte aus einem von Ammianus wiedergegebenen Gespräch des comes Theodosius mit Igmazen, dem König der Isaflenzes, aus der ,Dissertatio Maximini' und aus einem Gedicht des Ausonius, aus Texten also, deren Eigenart die Einleitung zu ,de fide' durchaus entspricht, erklären dies deutlich:

28 Die beiden Begriffe bedeuten, wenn sie auf das römische Reich bezogen werden, das gleiche. Dazu ausführlich Werner Suerbaum, Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff 162 ff. 29 Dessau ILS 771 (369): Domini nostri imperatores Caesares Fl. Valentinianus pius felix maximus victor ac triumf. semper Aug., pontif. maximus, Germanic, max., Alamann. max., Franc, max., Gothic, max., trib. pot. VII, imp. VI, cons. II, p.p.p., et Fl. pius felix max. victor ac triumf. semper Aug., pontif. maximus, Germanic, max., Alamann. max., Franc, max., Gothic, max., trib. pot. VII, imp. VI, cons. II, p.p.p., et Fl. Gratianus pius felix maximus victor ac triumf. semper Aug., pontif. maximus, Germanic, max., Alamann. max., Franc, max., Gothic, max., trib. pot. III, imp. II, cons, primum, p.p.p. pontem felicis nominis Gratiani in usum senatus ac populi Rom. constitui dedicarique iusserunt. 30 Über Konstantin d. Gr. Chr. Habicht, Hermes 86, 1958, 371.

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1. Ammianus X X I X 5,46:,Comes', ait, .Valentiniani sum (orbis terrarum domini) ad opprimendum latronem funereum missus; quem nisi statim reddideris, ut invictus statuit imperator, peribis funditus cum gente quam regis'.

Neben Valentinian, der hier genannt wird, waren damals Valens und Gratian als Augusti Mitglieder des Kaiserkollegiums. Valentinian und Valens hatten nur die Verwaltung des Reiches, die ,res publica', wie Symmachus einmal sagt 31 , unter sich geteilt. 2. Ausonius, lectori (III, ed. Schenkl) 31 ff.: Alcides Atlantis et Aeacides Chironis, paene love iste satus, filius ille Iovis, Thessaliam Thebasque suos habuere penates: at meus hic toto regnat in orbe suo.

Ausonius spricht von Gratian: der herrsche ,in toto orbe', welcher sein Eigen sei. ,Totus orbis' ist nicht ein Teil des Reiches und auch kein Ausdruck der administrativen Sprache. Ausonius vergleicht, wie Ambrosius, die Herren kleiner Länder mit Gratian, der ein Weltreich regiert. Das Gedicht hat Ausonius nach seinem Konsulat geschrieben (379 — vgl. v. 35-38). Gratian regierte zusammen mit Theodosius und Valentinian II. Es gab drei Geschäftsbereiche; aber jeder Kaiser war Herrscher des ganzen römischen Reiches. 3. Dissertatio Maximini 73: Hoc et factum est, ut et Theodosius imperator per orbem terrarum daret legem, quae concordaret praeceptis Gratiani.

Dieses Stück der Dissertatio wurde 382/83 geschrieben32. Dem Kaiserkollegium gehörten Gratian, Valentinian II. und Theodosius an. Jeder der drei Augusti und imperatores hatte einen festen Amtsbereich. Der rangälteste Kaiser war Gratian. In diesem Sinne sollen wir den Text aus Ambrosius verstehen: Neque tu unius gentis, sed totius orbis Augustus ist eine Anrede, deren Inhalt ein Vergleich ist: Ambrosius wollte den Unterschied zu den alten Vorbildern erklären; auf dereinen Seite Fürsten eines einzigen Stammes, auf der anderen Seite ein Herrscher des römischen Reiches33. Wenn Ambrosius diese Formel sonst nicht in den Gratian gewidmeten dogmatischen Schriften gebraucht, so beweist auch das nichts, da er sie an der einen Stelle mit besonderer Absicht eingesetzt hatte. T h e o d o s i u s wird weder im zweiten Teil von ,de fide' noch in der Abhandlung über den Heiligen Geist genannt, obwohl er damals längst Kaiser war. Selbst dort, 31

Symmachus, laudatio in Gratianum 11 (MGH, AA VI 1). Dazu Κ. K. Klein, ZfdA 83, 1951/52, 251. 33 Ambrosius meint zweifellos mit ,totus orbis' das römische Reich. Diese Ausdrucksweise entspricht dem Sprachgebraudi der Zeit. Dazu J. Vogt, Vom Reichsgedanken der Römer 201-0rbis 168-, 32

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wo Ambrosius von Konstantinopel spricht, das jetzt wieder dem Wort des Herrn folge und den Feind Athanarich in seinen Mauern als Bittsteller und Sterbenden gesehen habe, erfährt der Leser nichts über den Kaiser der östlichen Reichshälfte34. Man darf daher keineswegs ausschließen, daß Theodosius schon Kaiser gewesen ist, als Ambrosius die Einleitung zu ,de fide' schrieb. Ambrosius wendet sich dort und in ,de spiritu sancto' nur an Gratian, dem er auch beide Schriften gewidmet hat. Die Frage, wann die beiden ersten Bücher ,de fide' geschrieben wurden, kann nicht mit Hilfe der Formel ,totius Orbis Augustus' gelöst werden. Die erste Hypothese hat eine zweite nach sich gezogen: Wenn, wie man glaubt, ,de fide' I und II zwischen August 378 und Januar 379 geschrieben wurden, dann konnte die persönliche Begegnung zwischen Ambrosius und Gratian nur im Sommer oder Herbst 378 stattgefunden haben. Otto Faller glaubt daher, daß Ambrosius und Gratian sich im September 378 in Sirmium getroffen haben. Er denkt nur an e i n e Zusammenkunft 35 . Das würde heißen, daß Gratian den Bischof, den er noch nicht einmal persönlich kannte, nach Sirmium gerufen hat, ihn gemahnt hat, seinen Wunsch nach einer Abhandlung über den Glauben zu erfüllen und ihn dann wieder nach Mailand entlassen hat. Dort hätte Ambrosius in den verbleibenden Monaten des Jahres 378 den ersten Teil des Büchleins verfaßt und dem Kaiser nach Illyrien geschickt. — Faller hat die Ereignisse auf mehrere Monate verteilt. Er hat dabei übersehen, daß profecturus (sc. Gratianus) ad proelium und quasi in procinctu positus duos tantum conscripsi (sc. Ambrosius) libellos Handlungen sind, die gleichzeitig ausgeführt wurden. Dem Hinweis, daß der Kaiser um eine Schrift über den Glauben bitte, während er in den Krieg ziehe, entspricht der zweite Hinweis, daß Ambrosius, nachdem der Kaiser ihn noch einmal persönlich dazu gemahnt hatte, gleichsam in Bereitschaft versetzt zwei Bücher ,de fide' verfaßt hat: Ambrosius schrieb seine Glaubensgrundsätze nieder, als Gratian zum Kriegsschauplatz aufbrach; er hat sein Vorhaben in aller Eile verwirklicht und zunächst nur die wesentlichsten Gedanken als Wege zum Glauben vorgetragen und erläutert 36 . — Man wird weiter einwenden, daß Faller zu wenig beachtet hat, was Ambrosius über die militärischen und politischen Verhältnisse mitgeteilt hat 37 . Ambrosius sagt

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De spiritu sancto 1 1 7 . Prolegomena II 1 zu ,de fide* (CSEL L X X V I I I 6* f.). 36 De fide III 1: Quoniam . . . verecundantem coram etiam ipse fueras adhortatus, ideo quasi in procinctu positus duos tantum conscripsi libellos, quibus vias quasdam fidei et semitas demonstrarem. 37 Vgl. die ausführliche Interpretation S. 14 ff. 35

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von Gratian: profecturus ad proelium — nosti enim fide magis imperatoris quam virtute militum quaeri solere victoriam — ergo et tu vincere paras — neque vero te .. . pluribus teuere debeo hello intentum et victricia de barbaris tropaea meditantem — progredere ad victoriam — ostende (sc. domine Jesu) nunc evidens tuae maiestatis indicium, ut is (sc. Gratianus) . .. tuae maiestatis fultus auxilio fidei suae tropaea mereatur. Es ist keineswegs selbstverständlich, aber bisher niemals bezweifelt worden, daß Ambrosius dies in der Zeit nach der Schlacht bei Adrianopel, also unter dem Eindruck dieses Ereignisses, geschrieben habe. Doch abgesehen davon, daß dies alles so wenig zu den wirklichen Umständen nach der Niederlage von Adrianopel paßt, entspricht insbesondere das, was über die Vorhaben des Kaisers gesagt wird, nicht den Tatsachen: das römische Heer war nicht einsatzbereit, Gratian zunächst völlig machtlos gegen die siegreichen Goten, die auf ihren Streifzügen bis an die Iulischen Alpen kamen, und er war nicht in der Lage, sie anzugreifen und ihnen zuversichtlich entgegenzutreten, wie es Ambrosius dargestellt hat. Gratian kehrte, als ihm der Untergang des römischen Heeres und der Tod seines Onkels Valens gemeldet wurden, nach Sirmium zurück und blieb während der folgenden Monate in dieser Stadt. — Schließlich: wenn Ambrosius tatsächlich vom Kaiser nach Sirmium gerufen worden wäre, warum hat er diese Stadt nicht genannt und nicht einmal die Reise angedeutet! Das müßte erklärt werden. Der wirkliche Ablauf der Begebenheiten ist auch von jenen nicht gesehen worden, die annehmen, Ambrosius habe Gratian im J u l i 378 in Sirmium getroffen und ,de fide' I und II seien Ende August/September 378 entstanden38. Im Unterschied zu Fallers These ist nur der Zeitplan um zwei bis drei Monate zur Mitte des Jahres hin verschoben worden. Die Ergebnisse stützen sich aber auf die gleichen Beweise: man hält es vor allem deshalb für erwiesen, daß die ersten Bücher unmittelbar nach Valens' Tod geschrieben wurden, weil Ambrosius die Anrede ,totius orbis Augustus' verwendet habe. Die persönliche Begegnung muß man dann einige Zeit vorher ansetzen. Mailand kommt dafür nicht in Frage, da Gratian nicht dort gewesen sein kann. So weicht man auf Sirmium aus, wo Gratian im Juli 378 für vier Tage anhielt. Palanque hat versucht, diesen Vorschlag für Zeit und Ort der Aussprache zwischen Ambrosius und Gratian noch genauer zu bestimmen. Er nimmt an, daß jene Synode von Sirmium, die nach den Urkunden darüber im Jahre 375 stattfand, im Juli 378 gehalten

»8 Palanque, St. Ambroise 50 ff.; 496 f. Dudden, St. Ambrose 189 f.

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wurde, unter Anwesenheit des Kaisers Gratian, der bei dieser Gelegenheit mit Ambrosius verhandelt habe 3 9 . Palanque folgt den Ansichten Jaques Zeillers 40 . Gegen diese Ansicht, Ambrosius und Gratian hätten sich im Juli 378 in Sirmium getroffen und der erste Teil von ,de fide' sei im August/September des gleichen Jahres geschrieben worden, gelten zunächst die gleichen Einwände wie gegen Fallers These: daß die Ereignisse auseinandergerissen werden, die nach dem Text zeitlich dicht zusammengehören: die dringende Bitte des Kaisers und sein Aufbruch zum Kriegsschauplatz einerseits, die Niederschrift der beiden Bücher durch Ambrosius andrerseits; daß die Aktualität, welche die Umstände zweifellos für Ambrosius hatten, und auf die von ihm auch hingewiesen worden ist, übersehen wird; daß Ambrosius den Kaiser als Angreifer gegen die Goten dargestellt hat, der ihnen die Freiheit des Handelns genommen hat, dies aber nicht unmittelbar nach der römischen Niederlage bei Adrianopel geschrieben worden sein könne; daß Ambrosius den vermeintlichen Ort der Begegnung, Sirmium, nicht genannt, nicht einmal die Reise dorthin angedeutet hat und dies erklärt werden müßte 4 1 . Die Argumente, mit denen die umstrittene Synode von Sirmium in den Sommer 378 datiert wird, beweisen nicht viel. Ludwig Herrmann hat dann in einer sorgfältigen Diskussion der Texte theologischen Inhalts gezeigt, daß die orthodoxe Synode von Sirmium sicher vor 378 stattgefunden hat 4 2 . Von der Teilnahme Gratians an dieser Synode ist sonst nichts bekannt. Sie ist nur eine moderne These und ist entstanden, weil man in Gratian einen überzeugten und eifrigen Förderer des nicaenischen Bekenntnisses sah 43 . Nicht Valentinian I., der in Fragen der Religion neutral gewesen sei, sondern nur Gratian habe den mit den Dokumenten der Synode veröffentlichten kaiserlichen Brief an Bischöfe östlicher Provinzen

3 9 Palanque, a.a.O. 50 ff.; 496 ff. (gegen von Campenhausen, Ambrosius 31 ff. und 93 ff.). 4 0 Les Origines chretiennes 310-327. 4 1 Von Campenhausen hat die persönliche Begegnung zwischen Ambrosius und Gratian, die vor der Niederschrift von ,de fide' I und II stattgefunden hat, nicht berücksichtigt (Ambrosius 40 f.). Zu der von ihm vorgeschlagenen Chronologie vgl. S. 14. 4 2 Ambrosius von Mailand als Trinitätstheologe 54 ff. (vor allem die An. 16 und 17). Herrmann stützt sich auf die Interpretation der Anathematismen, deren heutige Gestalt durch eine römische Synode vom Jahre 377 bestimmt worden sei. Andere Argumente gegen 378 als Datum der Synode bei von Campenhausen, Ambrosius 32 ff. und 93 ff. 4 3 Zeiller, Les Origines chretiennes 3 2 0 ; Palanque, St. Ambroise 50 ff. Gegen dieses Urteil über Gratian vgl. S. 58 ff.

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schreiben können 44 . Dieser Ansicht zuliebe hielt man die überlieferte inscriptio für falsch: die Reihenfolge der Kaiser (Valentinian, Valens und Gratian) sei vertauscht worden. V a l e n t i n i a n müsse der letzte Name sein; denn es sei Valentinian II. gemeint 45 . Gratian blieb im Juli 378 vier Tage in Sirmium 46 . Er war auf dem Vormarsch nach Thrakien, wo er seinen Onkel gegen die Goten unterstützen sollte und hatte schon Boten vorausgeschickt, die Valens seine baldige Ankunft meldeten 47 . Wenn zur nämlichen Zeit in Sirmium eine Synode stattgefunden hat, müßte der Termin entweder mit Gratian vereinbart worden sein, als er noch am Rhein war und gegen die Alamannen kämpfte oder die Begegnung zwischen dem Kaiser und den Bischöfen wäre rein zufällig gewesen. Man wird audi einwenden, daß Gratian mit einem wichtigen und eiligen militärischen Unternehmen beschäftigt war, das seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte; daß Gratian — entgegen der herkömmlichen Ansicht — die dogmatischen Probleme noch nicht kannte und erst hätte eingeführt werden müssen; daß ein Brief über Glaubensfragen an Bischöfe östlicher (kleinasiatischer) Provinzen ein Eingriff in den Amtsbereich des Valens gewesen wäre und diese Initiative von Gratian nicht erwartet werden darf 4 8 . Ammian erwähnt einen Grund für den Aufenthalt in Sirmium. Er berichtet, daß Gratian, während er mit den leichtbewaffneten Truppen donauabwärts fuhr und Bononia, Sirmium und schließlich Castra Martis

44 Der Text des kaiserlichen Briefes bei Theodoret, h. e. I V 8; die Quellen zusammengestellt bei L. Herrmann, Ambrosius von Mailand als Trinitätstheologe 55 und An. 17. Vgl. auch S. 57 f. 4 5 Zeiller, Les Origines chretiennes 319 f. Palanque, St. Ambroise 51 (und 496 f.), nimmt an, daß Theodoret selbst Valentinian an den Anfang der inscriptio gestellt hat, weil er Valentinian I. für den Verfasser des Briefes gehalten habe. Zeiller hat auf Gothofredus (Codex Theodosianus I, Chronologia p. X C V I I I ) verwiesen, der nodi andere Gesetze nenne, wo ebenfalls die Kaisernamen vertauscht seien. Dort ist aber kein Beispiel, das Zeillers These bestätigen könnte. 4 8 Ammianus X X X I 11,6. 4 7 Ammianus X X X I 12,4: Gratianum impatienter operiens (sc. Valens), Richomerem comitem domesticorum suscepit, ab eodem imperatore praemissum cum litteris, ipsum quoque venturum mox indicantibus. Valens war damals schon bei Adrianopel angekommen. 4 8 Dazu S. 29 f. V. Campenhausen hat, Ambrosius 94 f., auf die äußeren Schwierigkeiten hingewiesen, die im Sommer 378 der Einberufung eines orthodoxen Konzils nach Sirmium entgegenstanden. Zwar hat Palanque, St. Ambroise 497, recht, wenn er sagt, die Goten seien erst nach der Schlacht bei Adrianopel über die Grenzen Thrakiens nadi Westen vorgedrungen; aber die allgemeine Bevölkerungsbewegung hatte dodi die ganze Donaugrenze in Unruhe versetzt, audi wenn nicht überall die Barbaren gleich ins Reich eingefallen waren.

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erreichte, am Wechselfieber gelitten hat 49 . Die Krankheit könnte ihn veranlaßt haben, den Feldzug in Sirmium zu unterbrechen. — Wahrscheinlich waren auch damals noch Iustina und Valentian II., Gratians Stiefmutter und sein 375 zum Augustus erhobener minderjähriger Stiefbruder, in dieser Stadt. Ambrosius nennt nicht den Namen der Stadt, in der er mit Gratian zusammengetroffen war. Er sagt auch nicht, daß der Kaiser ihn einmal an den Hof gerufen habe und er in eine andere Stadt gereist sei, um den Kaiser zu sehen. Ambrosius hatte keinen Anlaß, die Stadt zu nennen, weil beide Begegnungen vermutlich in Μ a i 1 a η d gewesen sind. Das wird später noch einmal besprochen. Zunächst werden der Brief Gratians an Ambrosius und dessen Antwort auf diesen Brief erklärt. Beide Texte berichten ebenfalls über das persönliche Verhältnis zwischen Ambrosius und dem Kaiser. Die Beziehungen zwischen Ambrosius und Gratian waren bald freundschaftlich und herzlich. Der junge Kaiser faßte bewundernde Zuneigung zu dem Bischof. Ambrosius hatte den ersten Teil von ,de fide' auf den Kriegsschauplatz in die Donauprovinzen geschickt. Gratian schrieb an Ambrosius, nachdem er die beiden Bücher gelesen hatte; er ist lebhaft und tief beeindruckt. Gratian wünscht eine neue Begegnung mit Ambrosius und wiederholt auch einiges über die Göttlichkeit Christi, damit der Bischof erkenne, daß er den Glauben verstanden habe. Er bittet darüberhinaus den Bischof, noch mehr über den Glauben zu schreiben50 und dabei auch die Göttlichkeit des Heiligen Geistes ausführlich zu erklären 51 . 49

Ammianus X X X I 11,6: ipse (sc. Gratianus) . . . permeato Danubio, delatus Bononiam, Sirmium introiit, et quadriduum ibi moratus, per idem flumen ad Martis castra descendit, febribus intervallatis afflictus. 50 Epist. Gratiani 3. Rogo te, ut mihi des ipsum tractatum, quem dederas: augendo illic de sancto spiritu fidelem disputationem scripturis adque argumentis deum esse convince. — Das heißt sicher nicht, daß Gratian noch einmal um die beiden ersten Bücher gebeten habe, weil er das ihm von Ambrosius zugedachte Exemplar an Theodosius weitergegeben habe (vgl. Otto Faller, CSEL L X X I X , S. 4, Kommentar zu Zeile 16). 51 Epistula Gratiani (CSEL L X X I X 3 f.): 1. Cupio valde, quem recordor absentem, ut, cum quo mente sum, cum eo etiam corpore sim praesenti. Festina igitur ad me, religiose dei sacerdos, ut doceas doctrinam veram credentem, non quo contentioni studeam aut velim magis deum verbis quam mente conplecti, sed ut magis aperto pectori revelatio divinitatis insidat. 2. Docebit enim me ille, quem non nego, quem fateor deum ac dominum esse meum, non ei obiciens quam in me video creaturam, qui Christo nihil me addere posse confitear, velle tarnen, ut etiam patri me commendarem filium praedicando. N o n ego in deo verebor invidiam, non me talem laudatorem putabo, qui divinitatem verbis augeam. Ego infirmus et fragilis, quantum possum, praedico, non quantum est ipsa divinitas. 3 . . . . Divinitas te servet per multos annos, parens et cultor dei aeterni, quem colimus, Iesu Christi. 39

Ambrosius beantwortete den Brief des Kaisers: Er hat die Zuneigung des Kaisers verstanden. Ihm liegt daran, sie zu vertiefen. Ambrosius verweist auf die beiden Bücher ,de fide', die er dem Kaiser geschickt habe und für die er nicht fürchte, da Gratian sie gebilligt habe 52 . Die Abhandlung über den Heiligen Geist wird für später in Aussicht gestellt. Der Brief schließt mit einigen dogmatischen Grundsätzen, die den Kaiser daran mahnen sollen, was rechter Glaube ist 53 . Ambrosius erwähnt außerdem die allgemeinen Umstände: er habe die täglichen Berichte gelesen, in Gedanken sei er im Lager des Kaisers gewesen; wenn er auch Gratian bei dessen Rückkehr nicht entgegengeeilt sei, so sei er doch mit Herz und Sinnen und im Gebet, 'das die höchste Pflicht des Priesters sei, zu ihm gekommen 54 . — Ambrosius will sagen, daß der Kaiser zurückgekehrt ist, ohne daß er ihn getroffen hat. Gratian kam aus Illyrien. Das erklärt die besorgte Anteilnahme, mit der Ambrosius das Unternehmen verfolgt hat. Davon berichtet er jetzt. Der Kaiser hatte eine Begegnung gewünscht. Ambrosius entschuldigt sich; er ist in Mailand geblieben und hat nicht versucht, den Kaiser unterwegs zu sehen. Revertenti (sc. Gratiano) .. . non occurri (sc. Ambrosius) kann auch nicht heißen, daß Gratian auf dem Weg von Gallien n a c h Illyrien gewesen war. Trier war damals noch die Residenz; dort begannen und endeten die Feldzüge des Kaisers. Gratian ist also wieder in Trier und ist dieses Mal nicht über Mailand gezogen. Sonst hätte Ambrosius nicht den Brief geschrieben. Anders hat revertenti (sc. Gratiano) tarnen si non occurri (sc. Ambrosius) vestigio keinen Sinn: in Mailand hätte Ambrosius dem Kaiser persönlich begegnen müssen, ohne ihm .entgegenzueilen'. Daraus folgt, daß der Brief nicht im Sommer 379 geschrieben wurde, als Gratian auf dem Rückweg von Illyrien nach Gallien in Mailand anhielt, und nicht im Frühjahr 380, als Gratian Trier wieder verließ und über Mailand nach Illyrien zog. Nur im Herbst 380 hielt sich Gratian nicht in Mailand auf. Er war im Sommer in Aquileia und ist Ende Oktober in Trier. Ambrosius fügt noch hinzu: er habe auch dem Kaiser als Bischof, also als Inhaber des geistlichen Amtes, und persönlich zu danken; denn der Kaiser habe ihm die ,quies ecclesiae' wiedergegeben und die Ungläubigen ver52 Epistula Ambrosii 7: misi autem duos libellos, quorum iam, quia tuae clementiae sunt probati, periculum non verebor. 53 Epistula Ambrosii 8 und 9; Ambrosius zitiert dort auch aus dem Brief des Kaisers. 54 Epistula Ambrosii 1: . . . non, inquam, mihi adfectus defuit, sed adfectum verecundia retardavit, quominus clementiae tuae occurrerem. Revertenti tarnen si non occurri vestigio, occurri animo, occurri voto, in quo maiora sunt officia sacerdotis... Tuum cottidianum iter legebam, nocte ac die in tuis castris cura et sensu locatus orationum excubias praetendebam, etsi invalidus merito, sed adfectu sedulus.

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stummen lassen 55 . Man hat reddidisti enitn mihi quietem ecclesiae mit verschiedenen Ereignissen in Zusammenhang gebracht und auch als Hinweis auf die Rückgabe einer Kirche an die orthodoxe Gemeinde von Mailand und ihren Bischof verstanden 56 . Die Kirche war im Herbst 378 5 7 oder später 58 auf Befehl Kaiser Gratians der rechtgläubigen Gemeinde abgenommen worden. Faller glaubt, daß Gratian die Kirche im Sommer 379 zurückgab und Ambrosius noch vor der Ankunft des Kaisers in Mailand dafür gedankt hat. Palanque, Dudden und Meslin nehmen an, daß die Gemeinde die Kirche erst während Gratians Aufenthalt in Mailand im Juli/August 379 erhielt. Ambrosius habe seinen Brief im Frühjahr 380 geschrieben, als der Kaiser von Trier aus nach Mailand kam 5 9 . Für die Rückgabe der Basilika hat Ambrosius im ersten Buch seiner im Frühjahr 381 entstandenen Schrift ,de spiritu sancto' dem Kaiser gedankt. Auf folgende Einzelheiten soll besonders hingewiesen werden: 1. Ambrosius versichert, daß er den Wunsdi Gratians, über den Heiligen Geist belehrt zu werden, bald erfüllen werde; der Kaiser hat daraufhin die Rüdegabe der Basilika angeordnet 60 . 2. Ambrosius sieht darin das Werk des Heiligen Geistes: dessen Dank für den Glauben des Kaisers und den Lohn (praemium) für den eigenen Glauben. 3. Der Kaiser hatte zwar die Basilika den Rechtgläubigen abgenommen, aber jetzt durch die Rückgabe der Basilika seinen Glauben bewiesen 01.

Ambrosius erklärt das Verhalten des Kaisers; er tut das mit bemerkenswerter psychologischer Kunst. Er will befestigen, was Gratian über den Glauben gelernt hat. Als Ambrosius damit begann, den jungen Kaiser im Glauben zu unterweisen, trug dieser nur unbewußt das Verständnis für die göttlichen Gaben in sich e2 . Wenn Gratian in diesem Zustand der Ge55 Epistula Ambrosii 2: Seit ipse nostri arbiter . . . refici viscera mea tua fide, tua salute, tua gloria meque non solum officio publico debitas pendere preces, sed etiam amore privato. Reddidisti enim mihi quietem ecclesiae, perfidorum ora — atque utinam et corda — clausisti, et hoc non minore fidei quam potestatis auetoritate fecisti. 56 Palanque, St. Ambroise 64; Dudden, St. Ambrose 191 mit An. 6; Faller, Prolegomena II 7-10 zu ,de spiritu sancto' (CSEL L X X I X 12*-14*); Meslin, Les Ariens d'Occident 46. 57 Faller, Prolegomena II 8 zu ,de spiritu sancto' (CSEL L X X I X 13*); Meslin, Les Ariens d'Occident 46. 58 Von Campenhausen, Ambrosius 57 (im Jahre 380); Palanque, St. Ambroise 501 (Ende 378/Anfang 379); Dudden, St. Ambrose 190 (Anfang 379). 59 Palanque, a.a.O. 501; Dudden, a.a.O. 192. Gegen diese Datierung vgl. auch S. 47. 60 De spiritu sancto I 19: non morabor, praesertim cum ita te adsertione istiusmodi testificatus sis proxime delectatum, ut basilicam ecclesiae sine ullo monitore praeeeperis reformari. 61 A.a.O. 121: Nec superioris temporis damna deploro, quandoquidem sequestratio illa basilicae cuiusdam faenoris traxit usuras. Etenim basilicam sequestrasti, ut fidem probares. 82 De fide I 2.

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meinde in Mailand eine Basilika entriß, so entsprach diese Tat nicht seinem Willen. Was sein Wille und die Grundsätze seines Handelns sind, ist ihm durch die Glaubenslehre bewußt geworden 63 . So ist der Erfolg, den Ambrosius sich erhoffte, eingetreten: der Kaiser handelt, wie es ihm als rechtgläubigem Regenten zu handeln gebührt und gemäß ist. In seinem Brief an Gratian spricht Ambrosius dagegen nicht von der Rückgabe einer Kirche, wenn er sagt, der Kaiser habe ihm die quies ecclesiae wiederhergestellt. Reddidisti enim mihi quietem ecclesiae ist zunächst eine allgemeine Aussage, deren konkreter Inhalt den Zeitgenossen des Ambrosius verständlich war, von den Späteren aber erschlossen werden muß. Ecclesia heißt hier ,Gemeinde', ,Gemeinschaft der Christen eines bestimmten Ortes oder einer bestimmten Gegend'. In diesem Sinne wird das Wort häufig in den Berichten über die innerkirchlichen Auseinandersetzungen und die Machtkämpfe zwischen den christlichen Bekenntnissen gebraucht. So wird von den Nicaenern dem Aufruhr der Arianer gegen die christliche Gemeinde (ecclesia) das Bemühen um ihre Einheit, Ruhe und Ordnung (quies), entgegengestellt, die vor allem die Kaiser durchsetzen und verwirklichen wollten 64 . Gratian habe, so sagt Ambrosius, ihm die quies ecclesiae zurückgegeben und die andersgläubigen Gegner verstummen lassen. Er spricht vermutlich von seiner Mailänder Gemeinde, wenn er dies bekennt, und dem Kaiser mitteilt, wie sehr er ihm persönlich verpflichtet sei. Der Arianer Auxentius war fast zwanzig Jahre Bischof von Mailand. Ambrosius schreibt, Auxentius habe die Gemeinde (Mediolanensem ecclesiam) mit Gewalt in Besitz genommen: De spiritu sancto III 59: E o enim tempore, quo impiae infidelitatis Auxentius Mediolanensem ecclesiam armis exercituque occupaverat etc. 6 3 De spiritu sancto I 21: N e c fructum amisi et iudicium teneo, patuitque Omnibus in quadam facti discretione discretam tibi numquam fuisse sententiam. Patuit, inquam, Omnibus et tuum non fuisse, cum sequestrares, et tuum esse, cum redderes. 4 4 Coli. Avell. 13,6: Parmensis e p i s c o p u s . . . ecclesiam de qua iudicio sanctorum praesulum deiectus est, inquietat. Ambrosius, epist. 10,12: reverentiam primum ecclesiae catholicae, deinde etiam legibus vestris deferri iubeatis, ut et vos, Deo praesule, triumphetis, qui paci ecclesiarum quietique consulitis; epist. 21,7: taceo (sc. Ambrosius) quia pater pietatis tuae quietem futuram spopondit, si electus susciperet sacerdotium. Socrates, h. e. II 6,4 : Έ κ τούτου μείζων φιλονεικία περί χειροτονίας γίνεται επισκόπου, καΐ τήν έκκλησίαν διετάραττεν (in Konstantinopel); h. e. IV 13, 3 - 7 : . . . κατά δέ τήν Άλεξάνδρειαν πρόσταγμα έπάρχων σπουδή Εΰδοξίου πεμφθέν τήν έκκλησίαν έτάραξεν . . . μαθών ό βασιλεύς στυγνάζειν διά τοϋτο (die Abwesenheit des Athanasius) τήν Άλεξάνδρειαν . . . καΐ τοϋτ' (Rückkehr des Athanasius) ήν αίτιον τοϋ μή ταραχθήναι τήν Άλεξανδρέων έκκλησίαν, έως της 'Αθανασίου τελευτής.

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Die Arianer hatten sich nach Ambrosius' Wahl zum Bischof nicht aus Mailand zurückgezogen65. Zeitweise hielten sich sogar arianische Bischöfe aus den Donauprovinzen, zunächst Iulianus Valens von Poetovio, später Auxentius von Durostorum 60 , in Mailand auf 67 . Valens war in Poetovio in gotischer Tracht vor dem römischen Heer erschienen68. In Mailand hat er zusammen mit Ursinus, dem Gegner des Damasus, versucht, die katholische Gemeinde zu stören. Ambrosius sagt von Ursinus, daß er sich den Arianern angeschlossen habe 69 . Der Vorfall in Mailand wird nicht genau datiert. Er begab sich aber vor der Synode von Aquileia — denn Ambrosius hat ihn in einem Synodalschreiben an die Kaiser erwähnt 70 — und nach 378, weil Ursinus damals noch in Köln im Exil gewesen ist 71 . Die Arianer bemühten sich audi eifrig um die Gunst Gratians und suchten ihn gegen Ambrosius einzunehmen. Sie traten besonders hervor, als der erste Teil von ,de fide' bekannt geworden war. Ambrosius hat das angedeutet 72 ; in der Dissertatio Maximini wird dasselbe von den Wortführern der Gegenseite dargestellt 73 . Palladius hatte sofort einen Traktat verfaßt, der als Antwort der Arianer auf die Abhandlung des Ambrosius herausgegeben wurde 74 . Gratian hat aber die Gegner des Ambrosius abgewiesen. Die von Ursinus angestiftete Unruhe in Mailand war vermutlich mit Hilfe Gratians beigelegt worden. Ambrosius berichtet in einem der Synodalbriefe aus

65 Fast 20 Jahre (von 355-373) war der Arianer Auxentius Bischof von Mailand. Er wurde von Constantius II., aber auch von Valentinian I. gegen Angriffe der Orthodoxen geschützt. Ein Teil der Mailänder Gemeinde war daher arianisch, daran änderte sich auch in der folgenden Zeit nichts. Ober die Arianer in Mailand auch H . von Campenhausen, Ambrosius 18 f. 26-31 und M. Meslin, Les Ariens d'Occident 44 ff. 66 Zur Person des Auxentius Κ. K. Klein, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache 75, 1953, 165 ff. 67 Auxentius war während des Mailänder Kirchenstreites Gegenbischof des Ambrosius. Uber Auxentius ausführlich Κ. K. Klein in dem An. 66 genannten Aufsatz. 68 Ambrosius, epist. 10,9. 69 Ambrosius, epist. 11,3: Qui (sc. Ursinus) plerumque (sicut in hoc concilio cognovimus et vidimus) cum Arianis copulatus atque coniunctus erat eo tempore, quo turbare Mediolanensem ecclesiam coetu detestabili moliebatur cum Valente. 70 Im Anschluß an das Konzil von Aquileia wurden drei Briefe an die Kaiser geschickt. Darin berichten die Synodalen über die in Aquileia behandelten Angelegenheiten. Zu diesen Briefen gehört epist. 11. 71 Coli. Avell. 13,6 (Antwort Gratians und Valentinians II. auf ein Synodalschreiben aus Rom). 72 De fide III 2: Sed quoniam mens prava quorundam serendis interna quaestionibus stilo lacessit uberiore etc. 73 Von Campenhausen, Ambrosius 49 und 51 f; M. Meslin, Les Ariens d'Occident 87 ff. 74 Dazu Κ. K. Klein, ZfdA 83, 1951/52, 256 f.

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Aquileia über die Maßnahmen der Kaiser gegen die Arianer 7ä . Er meinte vermutlich nicht nur die Gesetze des Theodosius, sondern auch Beschlüsse Gratians, den er vor allem ansprach. Palladius wirft nämlich Ambrosius vor, er habe durch ein praeceptum des Kaisers erreicht, daß kein Rechtgläubiger und Lehrer der Wahrheit gegen ihn gehört werden dürfe 76 . (Palladius nannte natürlich sich und seine Glaubensgenossen Rechtgläubige' und ,Lehrer der Wahrheit' 77 .) Der Dank des Ambrosius für die wiederhergestellte ,quies ecclesiae' gehört anscheinend in diese Zusammenhänge 78 . Wieviel die Arianer in Mailand erreichen konnten, hing, da sie das Bischofsamt in Mailand nicht in ihrer Hand hatten und Mailand um 380 noch nicht Residenz war, von den Umständen in Illyrien ab und vom Einfluß der illyrischen Arianer beim Kaiser. Ambrosius hatte daher seinen Bericht zugleich in einen weiteren Zusammenhang eingeordnet .und den Feldzug des Kaisers in den Donauprovinzen erwähnt. Er hatte die Zuneigung Gratians in einem Augenblick gewonnen, als die Autorität der römischen Herrschaft dort wiederhergestellt worden war. Die Antwort an Gratian läßt ebenso wie der Schlußteil des zweiten Buches daran keinen Zweifel. Es war abzusehen, daß dies auf die kirchlichen Verhältnisse einwirken werde. Natürlich könnte Gratian damals, 380, die Mailänder Kirche, die er den Rechtgläubigen entzogen hatte, zurückgegeben haben; aber man übersieht, daß zuvor folgendes erklärt werden müßte: Warum Ambrosius diese Einzelheit hinter der allgemeinen Aussage ,quietem ecclesiae reddidisti' verborgen hat. Warum Ambrosius nicht in seinem Brief an Gratian, unter dem Eindruck des kaiserlichen Gunstbeweises, auch nicht in ,de fide' III bis V deutlich und ausführlich über die Rückgabe der Kirche gesprochen hat, sondern erst lange Zeit später in ,de spiritu sancto'. Ambrosius beschreibt in ,de spiritu sancto' die Rückgabe der Basilika als ein eben eingetretenes Ereignis. Die Mailänder Gemeinde war überrascht von der Tat des Kaisers, Ambrosius beeilte sich, dem Kaiser zu danken: 75 Ambrosius, epist. 11,1: Provisum est quidem, clementissimi principes, vestrae tranquillitatis statutis, ne Arianorum perfidia possit ulterius vel latere vel serpere. 76 Diss. Max. 84: Cur praeterea ab imperatore veniam postulas, cum ne tu impiaetatis arguaris, eius precepto nullus catolicus veritatisque doctor adversum te a quoquam audiatur etc. 77 Vgl. Hilarius, Collect. Antiariana A VI 2 (CSEL L X V 87): nos, qui veritatem catholicam tenemus (aus einem Brief des Arianers Valens von Mursa und anderer Glaubensgenossen an den Kaiser Constantius). 78 Von Campenhausen, Ambrosius 43, hat ,quietem ecclesiae reddere' audi so verstanden; den in Diss. Max. angesprochenen Vorfall hat er in den Herbst 378 datiert (Ursinus und Valens erwähnt von Campenhausen in diesem Zusammenhang nicht).

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I 19 u n d 2 0 : ut basilicam ecclesiae sine ullo monitore praeceperis reformari. . . . N e q u e enim aliud possumus dicere nisi sancti spiritus hanc fuisse g r a t i a m , q u o d ignorantibus omnibus subito basilicam reddidisti.

Nichts deutet darauf hin, daß die Rückgabe der Kirche länger zurückliegen könne. Die anderen Ereignisse, die Ambrosius in der Einleitung zu ,de spiritu sancto' angesprochen hat: Ankunft und Tod des Goten Athanarich in Constantinopel im Januar 381 und das Osterfest des gleichen Jahres, fallen ebenfalls in die Zeit unmittelbar bevor oder während Ambrosius ,de spiritu sancto' schrieb. In ,de fide' und in dem Brief an Gratian hat er die gleiche Gewohnheit: jeweils die aktuellen politischen oder kirchlichen Verhältnisse zu berichten. Ambrosius weist darauf hin, daß er selbst den Anstoß zur Rückgabe der Kirche gegeben habe, als er dem Kaiser gegenüber seine Absicht bekräftigt habe, bald eine Schrift über den Heiligen Geist zu veröffentlichen 79 . Anscheinend bezieht sich Ambrosius auf den Besuch Gratians in Mailand im Frühjahr 381 80 , wo er mit Gratian zusammentraf und ihn sicher als Teilnehmer am Gottesdienst ansprechen konnte; Ambrosius hat zweimal auf eine solche Gelegenheit hingewiesen, wo er für die Rückgabe der Basilika dankt 8 1 : I 19: . . . non m o r a b o r , praesertim cum ita te adsertione istiusmodi testificatus sis p r o x i m e delectatum, ut basilicam ecclesiae sine ullo monitore praeceperis r e f o r m a r i . I 2 0 : Spiritus, inquam, sancti hoc munus, hoc opus est, qui a nobis quidem tunc p r a e dicabatur, sed in te o p e r a b a t u r .

Ambrosius hat außerdem in ,de spiritu sancto' I 20 und 21 Gedanken vorgetragen, die er bereits im fünften Buch ,de fide' dargestellt hatte: Er sieht die Gunst des Kaisers als Lohn (praemium) für seinen eigenen Glauben an. Die Enteignung der Kirche hat Gewinn eingetragen, weil der Kaiser durch die Rüdsgabe des Gotteshauses seinen Glauben bezeugen konnte 82 . Ambrosius hat demnach den Lohn eingeholt, und er kann den Gewinn vorweisen 83 . Ganz anders waren die Umstände, als er in ,de fide' von ,praemium', ,usurae' und ,faenus' sprach. Dort entwirft er das Bild 7 9 Außer in dem Brief an G r a t i a n (7) hat Ambrosius im letzten Buch ,de fide', das er E n d e 380 mit den Büdiern I I I und I V an den Kaiser schickte, gesagt, d a ß er die A b handlung über den Heiligen Geist noch zurückgestellt habe (de fide V 7 u n d 34; vgl. O . Faller, P r o l e g o m e n a I I I 1 zu ,de spiritu sancto' — C S E L L X X I X 1 5 * ) . 8 0 G r a t i a n w a r im M ä r z 381 in M a i l a n d (O. Seeck, Regesten). 8 1 S o auch v. Campenhausen, Ambrosius 6 0 : im M ä r z 381 habe Ambrosius vor G r a tian gepredigt und b a l d d a r a u f sei die B a s i l i k a den N i c a e n e r n zurückgegeben worden. 8 2 D e spiritu sancto I 2 1 : N e c superioris temporis d a m n a deploro, q u a n d o q u i d e m sequestratio illa basilicae cuiusdam faenoris traxit usuras. Etenim basilicam sequestrasti, ut fidem probares. 8 3 D e spiritu sancto I 2 0 : fidei itaque tuae gratiam, nostrae praemium iam tenemus; 2 1 : nec f r u c t u m amisi et iudicium teneo.

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dessen, der auf den Ertrag des gut angelegten Vermögens wartet und ihn noch nicht für sich gutschreiben kann: Die fünf Bücher über den Glauben sind für Ambrosius die fünf Talente, von denen der Apostel Matthaeus spricht. Sie sind ihm anvertraut, damit er sie mehre und die Früchte seines Bemühens und seines Glaubens sehen könne. Er möchte zu seinem Herrn sagen: Domine, quinque talenta mihi dedisti, ecce alia quinque lucratus sum und ihm zeigen, daß seine Lehre erfolgreich gewesen ist. So genüge ihm der Lohn, der ihm zufalle, wenn jene, die er den Glauben gelehrt habe, selbst im Glauben fortschreiten: Satis est mihi praemium de vestro profectu84. Es ist ausgeschlossen, daß die Kirche zurückgegeben war, als Ambrosius dies schrieb; denn die Rückgabe der Basilika bedeutete für ihn die Verwirklichung dessen, was er, als er in ,de fide' vom Lohn des Glaubens sprach, sich erst erhoffte, aber noch nicht erworben hatte. Die Rückgabe wurde vom Kaiser im Frühjahr 381 während seines Aufenthaltes in Mailand oder bald danach angeordnet. Sie war noch nicht vollzogen, als Ambrosius den Brief Gratians beantwortete. Ambrosius hat über diese Angelegenheit erst gesprochen, nachdem sie bereinigt war. Die politischen Verhältnisse, auf die Ambrosius in seinem Brief an Gratian hingewiesen hat, waren etwa folgende: Gratian hat das Unternehmen, das bevorstand, als er mit Ambrosius sprach und um ein Büchlein über den Glauben bat, jetzt erfolgreich abgeschlossen und ist zurückgekehrt. Zu diesem Zeitpunkt schrieb Ambrosius den erwähnten Brief. Daß dies der Zusammenhang der Ereignisse ist, wird aus dem Inhalt der Texte, und aus der gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Stücke erklärt: Gratian hat die Gegner der Kirche besiegt und verstummen lassen, fides und potestas des Kaisers haben sich durchgesetzt; dies wurde vom Kaiser erhofft und kündigte sich an, als Ambrosius ,de fide' I und II schrieb. Die Aussprache zwischen Ambrosius und Gratian, die zwei Bücher über den Glauben, die bald darauf abgefaßt wurden, der Brief Gratians und Ambrosius' Antwort sind Glieder einer festen chronologischen Ordnung. Zeitlich parallel dazu verlief ein Feldzug, an dessen Anfang der Kaiser in Mailand mit Ambrosius gesprochen hatte. Beginn und Ende des Zeitraumes, in dem ,de fide' I und II, der Brief Gratians und Ambrosius' 8 4 De fide V 7 : quinque igitur libros . . . digerimus . . . ut credita nobis quinque fidei talenta quasi quadam horum quinque sorte librorum humanis faeneremus adfectibus, ne forte, cum venerit dominus . . . dicat mihi: ,Serve male et piger' . . . (8) beatus itaque ille, qui tales faenoris sui cernit usuras, beatus et ille, qui fructus sui operis intuetur . . . (9) vos nobis estis omnia, qui haec auditis aut legitis, vos faeneratoris usurae . . . in vestris meritis sacerdotalis summa laboris est, in vestris animis fructus episcopalis operis enitescit . . . vos ergo facietis faeneratorem divitem . . . (11) satis est mihi praemium de vestro profectu.

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Antwort entstanden sind, werden demnach durch ein in seiner zeitlichen Ausdehnung recht genau meßbares Ereignis bestimmt: nämlich Gratians Reise von Trier nach Ulyrien über Mailand und sein Aufenthalt in Illyrien im Jahre 380. Dem individuellen Verständnis der zeitlichen Abfolge sind insoweit Grenzen gesetzt. Der zeitliche Abstand der einzelnen Vorgänge zueinander war gering. Sie behalten dann den aktuellen Zusammenhang, der ihre besondere Eigenart ausmacht. Ambrosius soll den Brief an Gratian vor August 379 oder im März/ April 380 geschrieben haben. In beiden Vorschlägen wird vorausgesetzt, daß ,de fide' I und I I im Sommer oder Herbst 378 entstanden sind. Sie unterscheiden sich darin, daß die einen annehmen, der Brief des Ambrosius müsse geschrieben worden sein, als Gratian 379 vom illyrischen Kriegsschauplatz zurückkehrte, die anderen, der Kaiser habe nach der Zusammenkunft in Mailand (August 379) in seinem Dankschreiben an Ambrosius diesen nach Trier eingeladen; Ambrosius sei dem Ansinnen nicht gefolgt, sondern habe erst geantwortet, als Gratian im Frühjahr 380 von Gallien aus wieder ins Donauland aufbrach. Der zweite Vorschlag übersieht den Zusammenhang mit den Ereignissen im Donaiuland. Man hat daher mißverstanden, was Ambrosius in seinem Brief über den Feldzug schrieb und den Hinweis auf die Erfolge des Kaisers nicht beachtet. Mit Gallien, wo sich Gratian im Winter 379/80 aufhielt, hat das nichts zu tun. Die Arianer (oder Homoeer) hatten in Gallien keinen Einfluß. Die katholische Kirche war in diesem Reichsteil nicht gefährdet; um die Alamannen oder Franken hat sich Ambrosius damals nicht gekümmert; sie waren auch unbeteiligt am christologischen Streit. Die Vertreter des ersten Vorschlags haben richtig erkannt, daß Ambrosius in seinem Brief die Rückkehr des Kaisers aus Illyrien erwähnt hat; aber sie haben — neben anderem — übersehen, daß Ambrosius den Brief geschrieben hat, weil Gratian nicht über Mailand gekommen war: also nicht im Sommer 379, sondern im Herbst 3 80 8 5 . Nach dem Briefwechsel zwischen Ambrosius und Gratian hat Ambrosius das Büchlein über den Glauben erweitert. Gratian hatte darum gebeten 8 8 ; er wollte zugleich über die Göttlichkeit des Heiligen Geistes belehrt werden. Diesen Brief hat Gratian geschrieben, nachdem er den ersten Teil von ,de fide' gelesen hatte. Nach der herkömmlichen Chronologie hat Ambrosius eine lange Zeit verstreichen lassen, fast zwei Jahre 8 7 , bis er Vgl. S . 4 9 und Seeck, Regesten zum Jahre 380. Epistula Gratiani 3 (vgl. den Text S. 39, An. 51). 8 7 In der Chronologie Palanque's und Dudden's wäre es nicht ganz ein J a h r gewesen; aber sie haben den Brief des Ambrosius ganz abwegig datiert (Anfang 380). Ihr Vorschlag wird daher nicht berücksichtigt (vgl. auch S. 11 und 40 f.). 85

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den Wunsch des Kaisers erfüllte. Ambrosius hat den Vorgang anders dargestellt. Er teilte dem Kaiser mit, daß er nicht gleich über den Heiligen Geist schreiben werde und entschuldigte sich dafür 88 . In der Vorrede zum dritten Buch ,de fide' hat er dann folgendes gesagt: Er habe zunächst in Eile nur zwei Bücher geschrieben89. Da aber die Gegner durch ihre Veröffentlichung ihn herausfordern, das Werk zu vollenden (oder: abzuschließen) und auch der Kaiser ihn dazu aufrufe, habe er das zuvor in knapper Form Gesagte weiter ausgeführt 90 . Das kann nicht sehr lange nach dem Briefwechsel gewesen sein. Die Gegner des Ambrosius hatten auf die ersten Bücher schnell reagiert. Gratian hatte bald gedankt. Auf diese Vorgänge folgte die Niederschrift der Bücher III bis V. Ambrosius hat selbst die fünf Bücher in einer Weise als Einheit verstanden, die einen großen Abstand zwischen der Niederschrift des ersten und des zweiten Teiles ausschließt91. Das Buch über den Heiligen Geist hat er zurückgestellt; aber sicher nicht, wie man bisher mit Rücksicht auf die herkömmliche Datierung von Ambrosius' Brief an Gratian annehmen mußte, für etwa zwei Jahre. So lange hätte Ambrosius den Kaiser auch nicht hinhalten können! Die Einwände richten sich daher gegen alle Entwürfe für einen Zeitplan der Jahre 378 bis 381. Diese Kritik stützt sich auf die Interpretation einiger Stellen aus ,de fide' und ,de spiritu sancto', der epistula Gratiani und der Antwort des Ambrosius. Die Ergebnisse sind folgende: 1. Ambrosius und Gratian trafen sich zweimal, bevor Ambrosius ,de fide' I und II schrieb. 2. Die Darstellung der militärischen, politischen und kirchlichen Verhältnisse in den Donauprovinzen, die in ,de fide' I und II gegeben wird, kann nicht auf die Lage des Reiches und der Kirche v o r oder unmittelbar n a c h der Schlacht bei Adrianopel bezogen werden. Als Ambrosius schrieb, hatten sich die militärischen und politischen Umstände zugunsten von Reich, Kaiser und katholischer Kirche verändert. 3. Die zweite Begegnung fand statt, als Kaiser Gratian auf dem Weg in die Donauprovinzen war; wichtige Ereignisse standen bevor. Ambro8 8 Epistula Ambrosii 7: De spiritu vero interim veniam scriptioni peto, quoniam quem iudicem mei sim sermonis habiturus, agnovi. 89 De fide I U I : . . . ideo quasi in procinctu positus duos tantum conscripsi libellos etc. 9 0 De fide III 2 : Sed quoniam mens prava quorundam serendis intenta quaestionibus stilo lacessit uberiore confici, tuae quoque pia me cura clementiae ad cetera vocat volens in pluribus experiri, quem in paucis probasti, ea quae perstricta paucis superius sunt, placuit paulo latius exsequi, ne ea quasi diffidentia adsertionis deseruisse potius quam securitate fiduciae proposuisse videamur. 9 1 De fide V 7 : Quinque igitur libros de patris et fili ac spiritus sancti inseparabili divinitate digerimus, sequestrata interim pleniore disputatione de spiritu.

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sius schrieb gleich nach dieser Begegnung, während der Kaiser weiterzog, ,de fide' I und II. Die beiden Bücher können daher nicht in der Zeit unmittelbar n a c h der Schlacht bei Adrianopel verfaßt worden sein. 4. Die Anrede an Gratian ,totius orbis Augustus' bedeutet nicht, daß Gratian damals keinen Mitkaiser in der östlichen Reichshälfte gehabt haben könne. Diese Anrede konnte auch nach Theodosius' Erhebung zum Kaiser verwendet werden. 5. Ambrosius beantwortete das Schreiben Gratians, als der Kaiser von den Donauprovinzen zurückgekehrt war, also n a c h militärischen und politischen Ereignissen, an denen Gratian teilgenommen hatte. Der Kaiser war damals nicht über Mailand gekommen. Ambrosius hatte Mailand nicht verlassen, um den Kaiser, wie der es gewünscht hatte, zu sehen. 6. Von einer Reise des Ambrosius zu Kaiser Gratian während der Aufenthalte des Kaisers in Illyrien zwischen 378 und 380 ist nichts bekannt. Anhaltspunkte können auch nicht erschlossen werden. Die Begegnungen zwischen Ambrosius und Gratian müssen in M a i l a n d stattgefunden haben. 7. Ambrosius hat demnach die ersten beiden Bücher ,de fide' nicht im Sommer oder Herbst 378 geschrieben. Das Jahr 379 scheidet ohnehin aus: Gratian zog damals nicht nach Illyrien, da er sich seit August 378 dort aufhielt. V o r Juli und August 379, als Gratian einige Zeit in Mailand blieb, fand auch keine persönliche Begegnung zwischen Ambrosius und Gratian statt. Sie nachzuweisen ist unerläßlich, um eine chronologische Ordnung aufzustellen. Über die Aufenthaltsorte Gratians zwischen 378 und 381 ist folgendes bekannt: 378: Von Januar bis April wurden die Gesetze in Trier publiziert. Im Sommer zog Gratian vom Oberrhein, wo er mit den Alamannen gekämpft hatte, über Raetien zu Schiff nach Illyrien (Sirmium). Dort blieb er bis in den Sommer 379. 379: Von Illyrien zog Gratian über Aquileia nach Mailand. Ab September war der Kaiser wieder in Trier. 380: Von Theodosius zu Hilfe gerufen, zog Gratian von Trier aus mit seinem Heer nach Illyrien. Er nahm den Weg über Mailand und Aquileia. Im Oktober war Gratian wieder in Trier. 49

381: Gratian reiste im Frühjahr von Trier über Mailand nach Aquileia, wo er sich auch noch am Ende desselben Jahres aufhielt 92 . Ambrosius und Gratian haben sich vermutlich zum ersten Mal im Sommer 379 getroffen. Die zweite Begegnung zwischen ihnen, die Ambrosius in ,de fide' erwähnt, war dann im Frühjahr 380. Unmittelbar nach dieser Aussprache hat Ambrosius die beiden ersten Bücher ,de fide' verfaßt und auf den Kriegsschauplatz geschickt. Das Dankschreiben Gratians und die Antwort des Ambrosius sind zwischen Sommer und Herbst 380 während und nach der Rückkehr des Kaisers aus Illyxien geschrieben worden. Ambrosius hat seinen Brief wahrscheinlich in die Residenz Gratians, nach Trier, geschickt.

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Vgl. O. Seeck, Regesten, w o auch alle Quellenbelege zusammengestellt sind.

DRITTES

KAPITEL

Die Gesetzgebung Gratians in Angelegenheiten der Kirche und des Glaubens * Gratian hat wenige Gesetze herausgegeben, die sich mit Angelegenheiten der Kirche und des Glaubens befassen. Zwischen 376 und 379 waren es in der Reihenfolge des Erscheinens folgende Texte: 1. 2. 3. 4. 5.

Cod. Theod. XVI 2,23 (Trier, 17. Mai 376) Cod. Theod. XVI 5,4 (Trier, 22. April 376 oder 378) Cod. Theod. XVI 2,24 (5. März 377) Cod. Theod. XVI 6,2 (17. Oktober 377) Socrat. hist. eccl. V 2,1; Sozom. hist. eccl. VII 1,3 (sog. Toleranzedikt, Sirmium, Herbst 378) 6. Collectio Avellana 13 (Sirmium?, zwischen August und Dezember 378) 7. Cod. Theod. XVI 5,5 (Mailand, 3. August 379).

Aus der Zeit zwischen 380 und 383 steht im 16. Buch des Codex Theodosianus nur ein Gesetz Gratians 1 . Es wurde wenige Monate vor dem Tode des Kaisers veröffentlicht und befaßt sich mit Juden und Manichaeern. Sonst sind nur Reskripte aus dieser Zeit bekannt 2 . Hier werden die bis 379 erschienenen Texte besprochen: Zunächst die Gesetze gegen die Donatisten. Es wird nachgewiesen, daß audi Cod. Theod. XVI 5,5 zu ihnen gehört. Ein besonderer Abschnitt gilt dem Reskript von Sirmium, das Gratian in Cod. Theod. XVI 5,5 zurückgenommen hat. Diese Texte * Vor wenigen Monaten, als ich diese Arbeit zur Drucklegung durchsah, ist mir die Dissertation von Karl-Leo Noethlichs, Die gesetzgeberischen Maßnahmen der christlichen Kaiser des vierten Jahrhunderts gegen Häretiker, Heiden und Juden (Diss. Köln 1971) bekannt geworden. Ich habe die Arbeit aber nicht mehr in den Anmerkungen berücksichtigt. Noethlichs kommt in der Interpretation der Gesetze Gratians ein gutes Stück im Sinne der hier vorgelegten Ergebnisse voran (99-112). Er ist audi der Meinung, daß Gratian in der Religionspolitik zunächst die Konzeption seines Vaters weitergeführt habe (99 f.). 1 Cod. Theod. X V I 7,3 (Padua, 21. Mai 383). Die übrigen in das 16. Buch des Cod. Theod. aufgenommenen Texte aus den Jahren 380 bis 383 sind Gesetze des Theodosius. 2 Gesta conc. Aquil. 2-4. 5-8. 11 (Reskript Gratians über das in Aquileia geplante Konzil); Sulp. Sev., Chron. II 47,6 (Reskript Gratians gegen die Priscillianisten); Ambros. ep. 17,5 (PL 16, 1002/1003) (Reskript Gratians gegen die heidnischen Kulte in Rom).

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sind wichtig, wenn der Einfluß des Ambrosius auf die kirchenpolitischen Entscheidungen Gratians bestimmt werden soll: wann er angefangen hat und wo er nachgewiesen werden kann. Nur kurz erwähnt werden Cod. Theod. XVI 2,23, XVI 2,24 und Coli. Avell. 13, weil sie hier nicht viel beitragen. Die späteren Konstitutionen bleiben ganz beiseite. Man weiß, wie sich das Verhältnis zwischen Ambrosius und Gratian nach 380 entwickelt hat. Die Urteile darüber unterscheiden sich nicht 3 . 1. Gesetze gegen die (Codex Theodosianus

Donatisten

XVI 5,4; 5,5 und 6,2)

a) Formelhafte Wendungen in Cod. Theod. XVI 5,5 Die Konstitutionen Gratians sind in der einschlägigen Literatur besprochen worden. Dabei hat man nach dem Einfluß des Ambrosius gefragt. So war man einerseits überrascht, daß noch nicht die kaiserliche Konstitution vom Herbst 378, sondern erst das Gesetz vom August 379 den Einfluß des Ambrosius zeige 4 : und zwar deshalb überrascht, weil man glaubte, es habe bereits im Herbst 378 ein persönliches Verhältnis zwischen Ambrosius und Gratian bestanden und ,de fide' I und II seien damals geschrieben gewesen. Andrerseits hat man von der „frommen Fügsamkeit" gesprochen, in der Gratian schon im Herbst 378 dem Bischof seiner Residenzstadt Mailand ergeben gewesen sei5. Dagegen wird ausnahmslos festgestellt, daß Ambrosius auf das am 3. August 379 in Mailand veröffentlichte Gesetz Einfluß genommen habe 6 . Uns geht es zunächst um Anfang und Schluß des überlieferten Textes: Darin heißt es am Anfang, daß alle durch göttliche und kaiserliche Gesetze verbotenen Haeresien ruhen sollen 7 . Im 3

Vgl. ζ. B. von Campenhausen, Ambrosius 98 ff.; J.-R. Palanque, St. Ambroise 78 ff. Vgl. von Campenhausen, Ambrosius 42. 5 Erich Caspar, Geschichte des Papsttums 212. Caspar übersieht dabei auch, daß Mailand damals noch nicht die Residenzstadt Gratians war. Gratian hielt sich erst von 381 an fast ständig in Oberitalien auf. Vgl. Seeck, Regesten. ® Vgl. u . a . von Campenhausen, Ambrosius 45; J.-R. Palanque, St. Ambroise 66 (Ambrosius sei der ,auctor' des Mailänder Gesetzes gewesen; nur werde dies nicht unmittelbar bezeugt); H . Dudden, St. Ambrose 191 f.; G. Bardy und J.-R. Palanque in: Fliche-Martin III, 280 f.; W. Ensslin, Die Religionspolitik des Kaisers Theodosius d. Gr. 10; H. Lietzmann, Geschichte der alten Kirche IV 50; J. Gaudemet, L'Eglise dans l'Empire Romain 13; Ed. Schwartz, Gesammelte Schriften IV 88 (Sch. führt das Verbot der Haeresien und die Rücknahme des Reskriptes von Sirmium auf Theodosius zurück); P. R. Coleman-Norton, Roman State and Christian Church I, Nr. 166; A.M.Ritter, Das Konzil von Konstantinopel 28 (R. urteilt über den Einfluß des Theodosius vorsichtiger als Schwartz). 7 Cod. Theod. X V I 5,5 (Zeile 2 und 3): Omnes vetitae legibus et divinis et imperialibus haereses perpetuo conquiescant. . . 4

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letzten Teil ist van einem Reskript die Rede: Gratian hebt es auf und fügt hinzu, es dürfe nur das als ,katholisch' bestehen bleiben, was sein Vater und er gleich oft in zahlreichen Gesetzen als ewig dauernd (den Untertanen) verordnet hätten 8 . Von Campenhausen, Palanque, Dudden und andere haben das als programmatische, kirchenpolitisch richtungsweisende Verfügungen bezeichnet 9 . Das Reskript, das der Kaiser zurücknahm, sei das Toleranzedikt des Vorjahres gewesen 10 . Den mittleren Teil des Textes haben die Gelehrten nicht berücksichtigt: Zunächst wird dort festgesetzt, daß derjenige, der die Botschaft Gottes durch sein strafwürdiges Unterfangen vermindere, sein schändliches Tun für sich behalten und nicht bei anderen verbreiten solle 11 . Dasselbe erwartet der Kaiser von allen, die es für nötig halten, die Taufe zu wiederholen. Audi sie sollen nicht andere durch diese gottlose Einrichtung verderben, und alle, die entweder als ,magistri' oder als ,ministri' diesem Irrglauben folgen, sei es, daß sie den Bischofstitel schänden, indem sie sich diese geistliche Würde anmaßen, sei es, daß sie unter dem Vorwand, ,presbyteri' zu sein, Glauben und Gottesverehrung vortäuschen, oder sich ,diaconi' nennen, obwohl sie nicht einmal als Christen angesehen werden, sollen sich der Versammlungen für ihre längst verurteilte Lehre enthalten 12 . Anfang und Schluß des Stückes zeigen die Form, in der die Kaiser oft in ihren Gesetzen von den Haeresien und vom christlichen Glauben sprachen. Der Text beginnt mit einem allgemeinen Hinweis, oder sagen wir besser: Grundsatz (Omnes vetitae legibus et divinis et imperialibus haereses perpetuo conquiescant . . . ) . Darauf bezieht sich auch der nächste 8 Zeile 11-13: Denique antiquato rescripto, quod apud Sirmium nuper emersit, ea tantum super catholica observatione permaneant, quae perennis recordationis pater noster et nos ipsi victura in aeternum aeque numerosa iussione mandavimus. ,Numerosus' wird im Cod. Theod. immer in der Bedeutung ,zahlreich' verwendet. ,Numerosa iussio' steht für den Plural. Ebenso der Singular für den Plural in Cod. Theod. X V I 5,52 (412): manentibus his, quae iam dudum super hoc definita sunt, et veterum principum sanctione servata etc. 9 H. von Campenhausen, Ambrosius 45 f.; J.-R. Palanque, St. Ambroise 64 ff.; H. Dudden, St. Ambrose 191 f. 10 Vgl. dazu den Abschnitt über das Reskript von Sirmium (S. 71 ff.). 11 Zeile 3-5: Quisquis opinionem plectibili ausu dei profanus inminuit, sibi tantummodo nocitura sentiat, aliis obfutura non pandat. 12 Zeile 5-11: Quisquis redempta venerabili lavacro corpora reparata morte tabificat, id auferendo quod geminat, sibi solus talia noverit, alios nefaria institutione non perdat. Omnesque perversae istius superstitionis magistri pariter et ministri, seu illi sacerdotali adsumptione episcoporum nomen infamant seu, quod proximum est, presbyterorum vocabulo religionem mentiuntur, seu etiam se diaconos, cum nec Christiani quidem habeantur, appellant, hi conciliabulis damnatae dudum opinionis abstineant.

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Satz (Quisquis opinionem plectibili ausu dei profanus inminuit, sibi tantummodo nocitura sentiat, aliis obfutura non pandat). Der Text wendet sich dann dem besonderen Anlaß zu (Quisquis redempta venerabili lavacro corpora reparata morte tabificat, id auferendo quod geminat, sibi solus talia noverit, alios nefaria institutione non perdat). Für den konkreten Teil des Gesetzes war der erste Satz unerheblich. Er hat nur einen allgemeinen Inhalt, aber einen eindrucksvollen rhetorischen Klang. Darin gleicht er den Anfängen anderer Gesetze gegen Haeretiker und Schismatiker: 1. Cod. Theod. X V I 5,6: Nullus haereticis mysteriorum locus, nulla ad exercendam animi obstinatioris dementiam pateat occasio . . .

Der Anfang wird erst dadurch deutlich und juristisch relevant, daß im Gesetz der verbindliche Glaubensinhalt festgelegt wird und verschiedene religiöse Gruppen als Haeretiker bezeichnet werden 13 . 2. Cod. Theod. X V I 5,63: Omnes haereses omnesque perfidias, omnia schismata superstitionesque gentilium, omnes catholicae legi inimicos insectamur errores . . .

Zunächst wird gesagt, in welchen Formen der Irrglaube erscheint. Namen der Sekten werden nicht mitgeteilt. Der Kaiser verfolgt alle, sie Feinde der katholischen Religion sind. Das Gesetz richtet sich gegen bestimmte falsche Lehren im römischen Africa, da es an den consul Africae adressiert worden war.

Die weil aber pro-

3. Cod. Theod. X V I 6,4: Adversarios catholicae fidei exstirpare huius decreti auctoritate p r o s p e x i m u s . . .

Die folgenden Sätze beschreiben dann den Anlaß des Gesetzes: es galt den Donatisten, deren religiöse Eigenart sorgfältig erklärt wird, bevor die einzelnen Maßnahmen aufgezählt werden. 4. Const. Sirmond. 12: Profanos haereticorum spiritus superstitionemque gentilium vel sola quidem religiosorum virorum sacerdotum dei in observandis sollicitudo criminibus, sedulitas in monendo, auctoritas in docendo emendare d e b u e r a t . . .

Im Anschluß an 'die Vorrede allgemeinen Inhalts werden die Donatisten, Manichaeer, Priscillianisten und Heiden genannt. Der letzte Text ist, wie fast alle Gesetze in der Sirmondianischen Sammlung, vollständig erhalten 14 . Das zitierte Stück leitet die Vorrede ein. Im Codex Theodosianus ist das anders. Theadosius II. hatte Richtlinien für die redaktionelle Arbeit der Kommission, welche die Gesetze 1 3 Wie sehr es auf die genauen Termini ankam, zeigt Cod. Theod. X V I 5,11: Omnes omnino, quoscumque diversarum haeresum error exagitat, id est Eunomiani, Ariani, Macedonian!, Pneumatomachi, Manidiaei, Encratitae . . . nullis circulis coeant. 14 A. J . Fridh, Terminologie et Formules 21.

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sammeln sollte, herausgegeben: die konkreten Verordnungen und Rechtsvorschriften sollten in den Codex aufgenommen, überflüssiges Beiwerk sollte gestrichen werden 15 . Die Redaktoren des Codex Theodosianus haben daher die Texte gekürzt. Sie haben sie auf verschiedene Bücher und Titel verteilt und in der Regel die Präambel weggelassen 16 . Auf Cod. Theod. X V I 5,5 und die anderen Beispiele angewendet heißt das, daß die formelhaften Anfänge vielleicht in den Prooemien standen, daß dies aber nicht bewiesen werden kann. Nun geht es aber um einen Satz allgemeinen Inhalts, der ohnehin nicht die Rechtspraxis regeln sollte. Dann ist es gleichgültig, ob der Anfang von Cod. Theod. X V I 5,5 ein Teil der Präambel war oder nicht. Die Interpretation des Satzes wird davon nicht berührt. Die Irrlehren werden in Cod. Theod. X V I 5,5 nicht aufgezählt. Es wird auch nicht der gültige Glaubensinhalt dogmatisch bestimmt. Darin unterscheidet sich dieser Text sehr deutlich von späteren Gesetzen, vor allem denen des Theodosius 1. 17 . Wie wichtig es war, einen Katalog der Haeresien aufzustellen, bezeigt das Bemühen des Ambrosius in „de fide". Ihm lag daran zu beschreiben, worin die falschen Bekenntnisse vom einzigen und wahren Glauben abweichen und unter welchen Namen sie zu fassen sind 18 . Die kaiserliche Gewalt konnte wirksam eingesetzt werden, wenn auch durch kaiserliches Gesetz die ,fides catholica' rechtsverbindlich bekannt gemacht worden war und zugleich die Namen der Haeresien veröffentlicht wurden. Natürlich war erwiesen, was etwa Konstantin d. Gr. meinte, wenn er in Briefen an die Bischöfe um Maiorinus von Karthago und Donatus von Casae Nigrae die ,lex catholica' als Richtschnur nannte: Nämlich das, was die Synoden von Rom und Arles über die Taufe ausgesagt hatten. Begriffe wie ,lex catholica' und ,fides catholica' wurden aber im dogmatischen Streit wieder relativiert, weil auch die Arianer Anspruch auf den richtigen Glauben erhoben und die Haltung der Kaiser nicht einheitlich war. Welche Irrlehren in Cod. Theod. X V I 5,5 gemeint waren, könnte allenfalls aus den kaiserlichen Konstitutionen festgelegt werden, die früher gegen bestimmte Haeresien oder Schismen erlassen worden waren: Cod. Theod. I 1,5 und 6. Fridh, a.a.O. 21 ff. A. J . Fridh, a.a.O. 19 ff. Vergleichen kann man natürlich nur dann, wenn der im Cod. Theod. gegebene Text an anderer Stelle vollständig überliefert ist. Das ist selten der Fall. » Cod. Theod. X V I 1,2.3; 5,6. 1 8 Ambros. de fide I 44-45; II 117-119. 15

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Manichaeer19, Donatisten 20 , Eunomianer 21 , Photinianer 22 und einige andere Gruppen, die Konstantin einmal nennt 23 . Aber auch das ist nicht die Absicht des Textes, sondern es ist ein Gesetz gegen die Donatisten. Auf sie bezieht sich der konkrete Teil, der noch besprochen wird. b) Christlicher Glaube und christliche Religion in den Gesetzen Valentinians I. und Gratians Christlicher Glaube und christliche Religion werden in den Gesetzen Valentinians I., auf den sich Gratian beruft, und Gratians selbst mit den Formeln umschrieben, welche die kaiserliche Kanzlei seit Konstantin d. Gr. zu verwenden pflegte 24 : sanctissima lex und catholica lex 25 ; religio 19 Cod. Theod. XVI 5,3 (Valentinian I., 372); Socrat. h. e. V 2,1 und Sozom. h. e. VII 1,3 (Gratian, im Herbst 378). 20 In den Gesetzen jener Zeit wird nur von denen gesprochen, welche die Taufe wiederholen. Gemeint sind natürlich die Donatisten. Einige Texte enthalten auch nur einen Hinweis auf Africa (vgl. ausführlich S. 60 ff.). Die wichtigsten Texte Konstantins d. Gr. sind zusammengestellt in: Urkunden zur Entstehungsgeschichte des Donatismus; vgl. auch Cod. Theod. XVI 2,7. Optatus III 3 und 4 — CSEL X X V I 73.81 ff. (Constans); Cod. Theod. XVI 6,1 (Valentinian I., 373); Cod. Theod. XVI 5,4 und 5; 6,2 (Gratian, 376 [?], 379 und 377). 21 Socrat. h. e. V 2,1 und Sozom. h. e. VII 1,3 (Gratian, im Herbst 378). H . Lietzmann hat in einem Hinweis auf das sog. Toleranzedikt Gratians Eunomianer und Arianer gleichgesetzt (Geschichte der alten Kirche IV 25). Das geht nicht. Wenn den Eunomianern untersagt wurde, ihre Lehre auszuüben, so heißt das nicht, daß alle Anhänger des arianischen Bekenntnisses fortan verboten gewesen wären. Eunomianer und Arianer waren nicht eins; sie werden z.B. ausdrücklich unterschieden bei Ambros. de fide I 44 und 45; Cod. Theod. XVI 5,6.8.11 und 12. 22 Hieron., de vir. ill. 107 (Valentinian); Socrat. h. e. V 2,1 und Sozom. h. e. VII 1,3 (Gratian, im Herbst 378). 23 Euseb, vita Const. 3,64.65 (Η. Dörries, Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins 82 ff.): Novatianer, Valentianer, Marcioniten, Montanisten. 24 Konstantin d. Gr. hatte an den dogmatischen Fragen Interesse, soweit sie die Einheit der christlichen Kirche bedrohten. Sie durch Gesetze zu regeln, hat er nicht beabsichtigt. Er rief zur Einheit und zum Frieden in den Gemeinden auf. Die theologischen Meinungsverschiedenheiten waren ihm geringfügig im Vergleich zu dem Ziel, für das er warb (vgl. Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites Nr. 17,4.6-8; Optatus, Appendix X — CSEL X X V I 213/214). Was Konstantin im Anschluß an das Konzil von Nicaea gegen Arius und seine christologischen Ansichten verkündete (ζ. B. in einem Brief an die katholische Gemeinde in Alexandria), wurde wieder aufgehoben, da er die arianische Lehre und ihre Vertreter nicht konsequent verfolgte und Arius auch schließlich ein besseres Verhältnis zum Kaiser hatte. Unter Constantius II. wurde ohnehin dann versucht, ein homoeisches Bekenntnis allgemeinverbindlich zu machen. Eine Kontinuität dessen, was in Glaubenssachen Recht war und was nicht, gab es also nicht. Darin unterscheidet sich Konstantin auch von Theodosius d. Gr. (ζ. B. Theodosius in den Gesetzen Cod. Theod. XVI 1,2 und 5,6). Zu Konstantin u. a. J. Vogt, RAC s. v. Constantinus d. Gr. 338 ff.; E. Stein, Histoire I 107. 25 Cod. Theod. XVI 2,5 und XVI 5,1; Optatus, Appendix III — CSEL X X V I 204, 20f. und Appendix V — X X V I 209,4; Urkunden zur Gesch. des arian. Streites Nr. 17,3;

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catholicae sanctitatis 26 ; religio, quam nos iure veneramur 27 ; catholica observatio und religio 28 . Y a l e n t i n i a n hat sonst nur bekanntgegeben, daß in Glaubensfragen in Kraft sein solle, was am Ende der Regierungszeit des Constantius (II.) gültig gewesen sei, nicht dagegen, was beschlossen wurde, als der heidnische Geist (Julian) sich gegen das heiligste Gesetz erhoben habe 29 . Oder er hat in einer Konstitution gegen die Donatisten auf die ,instituta omnium' als Richtschnur im Glauben verwiesen 30 . Valentinian hat auch nicht in den Streit um das christliche Dogma eingegriffen; er hat nicht einmal das Christentum einseitig bevorzugt 31 . In Mailand förderte Bischof Auxentius den Arianismus. Valentinian hat nichts gegen ihn getan 32 . Als sich nach dem Tode des Auxentius (373) Arianer und Nicaener um die Nachfolge stritten 33 , war die Wahl des Ambrosius dem Kaiser erwünscht, weil von Ambrosius erwartet werden konnte, daß er die Mailänder Gemeinde ordnen werde. Dabei wollte Valentinian ihm helfen 34 . Von derselben zurückhaltenden Art ist ein Brief, den Valentinian anläßlich der 375 in Sirmium gehaltenen Synode an Bischöfe östlicher Provinzen geschrieben haben soll 35 . Der Kaiser teilte den Bischöfen mit, er habe angeordnet, die Homousie zu verkünden; aber er fügte hinzu: niemand solle sagen, er sei dem Glauben des Herrschers dieser Erde gefolgt und habe nicht auf den geachtet, der die Vorschriften des Heils gebracht habe. Das bezeigt nicht den Willen, mit kaiserlicher ό της ίερας θρησκείας νόμος (Konstantin d. Gr.). Cod. Theod. X V I 2,18 und Coli. Avell. 10,1 (Valentinian I.). 26 Optatus, Appendix III — CSEL X X V I 205,20 und 206,21 f. (Konstantin d. Gr.). Cod. Theod. X V I 5,4 (Gratian). 27 Coli. Avell. 13,7 (Gratian). 28 Coli. Avell. 6,2 (Valentinian I.). Cod. Theod. X V I 5,5 (Gratian). 29 Cod. Theod. X V I 2,18 (17. Febr. 370). 30 Cod. Theod. X V I 6.1. 31 Cod. Theod. I X 16,9 (371) . . . Testes sunt leges a me in exordio imperii mei datae, quibus unicuique, quod animo inbibisset, colendi libera facultas tributa est. Ammianus X X X 9,5 . . . quod inter religionum diversitates medius stetit . . . neque et hoc coleretur, imperavit aut illud: nec interdictis minacibus subiectorum cervicem ad id, quod ipse coluit, inclinabat (vgl. ähnlich Suda, s. ν . Οΰαλεντινιανός). Vgl. dazu Cl. Vatin, Β C H 86, 1962, 238 ff., über eine Weihinschrift der Gemeinde Delphi für Valentinian. 32 H . v. Campenhausen, Ambrosius 15-18. 33 Rufin. h. e. X I 11: nadi dem Tode des Auxentius habe eine ,dissensio gravis et periculosa seditio' die Mailänder Gemeinde erschüttert. Vgl. M. Meslin, Les Ariens d'Occident 44 f. 34 Ambros., ep. 21,7: . . . taceo quia pater pietatis tuae quietem futuram spopondit, si electus (sc. Ambrosius) susciperet sacerdotium. Vgl. H. v. Campenhausen, Ambrosius 15 ff. und 29. 35 Theod., h. e. IV 8,1-7.

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Macht die Einheit des Glaubens zu verwirklichen 36 . Es ist auch zweifelhaft, ob die von Theodoret überlieferten Dokumente des Konzils von Sirmium, zu denen der Brief Valentinians gehört, echt sind 37 . G r a t i a η hat am 3. August 379 (Cod. Theod. XVI 5,5) bekannt gemacht, es solle nur das als ,katholisch' fortdauern, was er und sein Vater in zahlreichen Verordnungen als ewig während befohlen hätten 38 . Vor 379 hat er über den Glauben gesagt, daß dieser den ,praecepta apostolorum' und der ,evangeliorum et apostolorum fides et traditio incorrupta' zu entsprechen habe 39 und nicht gegen die ,divina praecepta' verstoßen dürfe, indem die Taufe erneuert werde 40 . Die Christen sollen denen folgen, die den Glauben billigen, ohne die Taufe zu verändern 41 . Er fügte in dem Gesetz vom 17. Oktober 377 (Cod. Theod. X V I 6,2) hinzu, daß sich in diesem Sinne auch frühere Kaiser: Constantinus (Konstantin d. Gr.), Constantius (oder Constans) 42 und Valentinian geäußert hätten. Wenn sich Gratian daher 379 auf die eigenen Befehle und die des Vaters berief, wo er vom Glauben spricht, so hat er an die Vorschriften in den 36

Ähnlich beurteilt v. Campenhausen die Haltung Kaiser Valentinians. Alles passe vortrefflich zu der bekannten Eigenart seiner Kirchenpolitik (Ambrosius 34). 37 Uber die Synode in Illyrien berichtet Theodoret, h. e. IV 7,6-9,9 (Sirmium wird nicht erwähnt). Der Anlaß der Synode sei ein Streit zwischen Bischöfen in Asien und Phrygien um das christliche Dogma gewesen. Theodoret hat drei Urkunden dieser Versammlung im Wortlaut mitgeteilt. L. Parmentier hat einiges Wichtige zu diesen Texten gesagt (Einleitung zur Ausgabe von Theodorets Kirchengeschichte LXXX-LXXXI). Er hält das dort überlieferte griechische Glaubensbekenntnis nicht für ein Werk des Valentinian oder seiner abendländischen Umgebung. In dem Brief Valentinians glaubt er Anspielungen auf das Ende des Valens erkennen zu können (LXXXI). Die sechs Arianer, die das Konzil abgesetzt haben soll, sind sonst nicht bekannt. Ebenso unbekannt sind die im Brief Valentinians genannten Bischöfe (a.a.O. IV 8,6: τοϋτο προσετάξαμεν επί Ά μ ι γ η τ ί ο υ καί Κικερωνίου και Δαμάσου καί Λάμπωνος καί Βρεντησίου, άκροατών γενομένων); Ambrosius, der auf diesem Konzil vor allem hervorgetreten sein soll, wird nicht erwähnt. Vgl. auch v. Campenhausen, Ambrosius 16 und 32ff.; L.Herrmann, Ambrosius von Mailand 54 ff. (H. hat den Anteil Kaiser Valentinians an der Synode sehr hoch bewertet) und oben S. 37 f. 38 Vgl. S. 53, An. 8. 39 Cod. Theod. XVI 6,2 (377). 40 Coli. Avell. 13,8 (378); so auch in dem römischen Synodalschreiben, das der Antwort Gratians vorausging: contra scripturae praecepta divinae, contra iura evangelica (Mansi, collectio 3, 626 A). Die ,divina praecepta' nannte auch Konstantin d. Gr. in einem Brief über die Donatisten (CSEL X X V I 214,26; 215,7 f.; 216,4). 41 Cod. Theod. XVI 6,2: Eorum quippe institutiones sequendae sunt, qui apostolicam fidem sine intermutatione baptismatis probaverunt. 42 Vgl. den Kommentar von J. Gothofredus zu Cod. Theod. XVI 6,2 (Bd. VI 215). Constans wird in anderen Quellen, die sich mit den Donatisten befassen, erwähnt: Optatus III 3 (CSEL X X V I 73,13 ff. und 74,11 ff.); passio Marculi sacerdotis Donatistae (PL 8,761 B). Auch O. Seeck ist überzeugt, daß in Cod. Theod. XVI 6,2 Constans gemeint war; S. hält es aber nicht für erforderlich, den Text zu ändern: ein Gesetz des Constans sei ebenfalls überschrieben gewesen mit ,Imperatores Constantius et Constans 58

früheren Texten erinnern wollen 43 . Diese Gesetze Gratians haben alle die Donatisten zum Thema 44 , wie die Gesetze seiner Vorgänger, auf die er verweist (Honorius tat 412 in einem Erlaß gegen die Donatisten das Gleiche 45 ). Darum wird auch die Taufe erklärt. Dem von den Donatisten geübten Brauch, die Taufe zu wiederholen, werden die ,praecepta apostolorum' und die Evangelien, die dies nicht lehren 46 , als Grundlage des richtigen christlichen Glaubens entgegengestellt 47 . Ähnlich haben die afrikanischen katholischen Bischöfe, die sich 348 in Karthago versammelten, ihren Glauben beschrieben und diejenigen, welche die Taufe erneuerten, verurteilt. Sie sprechen von der ,fides Evangelii', ,Apostolorum doctrina' und ,catholica disciplina' 48 . Den dogmatischen Streit vermochte eine Formel, wie sie in Cod. Theod. XVI 5,5 steht, nicht zu beeinflussen. Es hätte sich auch jeder auf sie berufen können. Das war nicht mehr möglich, nachdem Theodosius 380 in einem ,edictum' festgesetzt hatte, was geglaubt werden sollte. Er ließ dazu eine sorgfältige, dogmatisch einwandfreie Definition des nicaenischen Bekenntnisses in das betreffende Gesetz aufnehmen. Auch dort wird von der ,apostolica disciplina' und der ,evangelica doctrina' gesprochen; aber sie werden, das ist das Wesentliche, im Sinne der homousianischen Theologie erklärt 49 . Wer des Irrglaubens angeklagt wurde, hatte dann nur die Wahl, entweder zu bekennen, was der Kaiser angeordnet hatte oder sich einer bestimmten Haeresie zuweisen zu lassen. Augusti'. In dem späteren Gesetz habe man wahrscheinlich nur Constantius genannt, weil er als der rangältere an der ersten Stelle in der ,inscriptio' stand (Untergang 3,525 zu S. 343,13). 43 Cod. Theod. XVI 6,2: Nihil enim aliud praecipi volumus, quam quod euangeliorum et apostolorum fides et traditio incorrupta servavit, sicut lege divali parentum nostrorum Constantini Constanti Valentiniani decreta sunt. Cod. Theod. XVI 5,5: . . . ea tantum super catholica observatione permaneant, quae perennis recordationis pater noster et nos ipsi victura in aeternum aeque numerosa iussione mandavimus. 44 In Coli. Avell. 13 ist der gegen die Donatisten gerichtete Text nur ein Teil des umfangreichen kaiserlichen Briefes (a.a.O. 8 f.) an den vicarius urbis Romae. 45 Cod. Theod. XVI 5,52: . . . et manentibus his, quae dudum super hoc definita sunt, et veterum principum sanctione servata . . . 4 * Ζ. B. Eph. 4,5 (είς κύριος, μία πίστις, βάπτισμα). 47 Zu Cod. Theod. X V I 6,2 vgl. audi S. 68 ff. 48 Carlos Garcia Goldaraz, Los Concilios de Cartago 59,4.8. 49 Cod. Theod. XVI 1,2 (edictum ad populum urbis Constantinopolitanae, 27. Februar 380): Cunctos populos, quos clementiae nostrae regit temperamentum, in tali volumus religione versari, quam divinum Petrum apostolum tradidisse Romanis religio usque ad nunc ab ipso insinuata declarat quamque pontificem Damasum sequi claret et Petrum Alexandriae episcopum virum apostolicae sanctitatis, hoc est, ut secundum apostolicam disciplinam euangelicamque doctrinam patris et filii et spiritus sancti unam deitatem sub parili maiestate et sub pia trinitate c r e d a m u s . . .

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Weiter heißt es in Cod. Theod. XVI 5,5, daß der Haeretiker, auch derjenige, welcher die Taufe wiederhole, seine verderbliche Lehre für sich behalten und niemand anderem damit schaden solle50. Auch dies hat Gratian schon in einem früheren Gesetz ausgesprochen. Er sagt dort: „ . . . Wenn sie aber ihren Irrtum lieben, dann sollen sie in häuslicher Abgeschiedenheit, für sich allein, das Gift ihrer gottlosen Lehre wärmen" 51 . Das ist grundsätzlich noch die gleiche Tendenz, die Valentinian I. in einer 371 publizierten Konstitution bekanntgegeben hatte: Er stellte es dem einzelnen Bürger frei, welcher Religion er folgen und welche Art der Gottesverehrung er ausüben wollte. Verboten war nur (wie dort im Falle der Haruspizin), dies in schädlicher Weise zu tun 52 . c) Die Bestimmungen gegen die Donatisten in Cod. Theod. XVI 5,5 Gratian wandte sich in dem Gesetz vom 3. August 379 ausdrücklich gegen diejenigen, welche die Taufe wiederholen. Das waren die Donatisten. Der Kaiser erklärt ihr religiöses Verhalten. Der Text entspricht, teils dem Sinn nach, teils wörtlich, dem Abschnitt über den donatistischen Bischof Claudianus in der Antwort Gratians auf ein Synodalschreiben aus Rom, die im Herbst 378 gegeben wurde: X V I 5,5 Quisquis redempta venerabili lavacro corpora reparata morte tabificat, id auferendo quod g e m i n a t . . .

Coli. Avell. 13,8 . . . cum religionis sanctissimae disciplinam non cumulet iteratio sed evertat . . . perdit animos corporum redemptorum.

In keinem anderen Gesetz gegen die Donatisten wird die Formel corpora redempta' verwendet. Sie scheint hier aus einem Brief der 378 in Rom versammelten Bischöfe entnommen worden zu sein. Die Synodalen hatten in ihrer Eingabe an den Kaiser gesagt, daß der donatistische Bischof 50

Cod. Theod. X V I 5,5: Quisquis opinionem plectibili ausu dei profanus inminuit, sibi tantummodo nocitura sentiat, aliis obfutura non pandat. Das wird im nächsten Satz, der sich dann auf die Donatisten bezieht, wiederholt: Quisquis redempta venerabili lavacro corpora reparata morte tabificat, id auferendo quod geminat, sibi solus talia noverit, alios nefaria institutione non perdat. 51 Cod. Theod. X V I 6,2 (17. Oktober 377): . . . Quod si errorem suum diligunt, suis malis domesticoque secreto, soli tarnen, foveant virus impiae disciplinae. 52 Cod. Theod. I X 16,9 (Valentinian äußert sidi über die Haruspizin und über die verschiedenen Formen der Gottesverehrung; das Gesetz ist inhaltlich weiter gefaßt als Gratians Gesetz vom Oktober 377): Haruspicinam ego nullum cum maleficiorum causis habere consortium iudico neque ipsam aut aliquam praeterea concessam a maioribus religionem genus esse arbitror criminis. Testes sunt leges a me in exordio imperii mei datae, quibus unicuique, quod animo inbibisset, colendi libera facultas tributa est. N e c haruspicinam reprehendimus, sed nocenter exerceri vetamus.

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Claudianus (einer der ,sacrilegi rebaptizatores' aus Afrika) die durch die T a u f e erkauften Menschen entgegen den Vorschriften der Evangelien noch einmal taufe (contra scripturae praecepta divinae . . . et redemptos rebaptizare non veretur) 5 3 . Die kaiserliche Kanzlei hat den eigenen Text nach dem Vorbild des Synodalschreibens formuliert 5 4 . Die Lehre derer, die das Taufsakrament erneuern, bezeichnet Gratian als ,superscitio' 55 . Statt ,baptisma' steht im Text das synonyme ,lavacrum', das auch sonst gebräuchlich w a r 5 6 . Gratian tadelt dann den Mißbrauch des Priesteramtes 5 7 . D a s hatte bereits Valentinian I. in ähnlicher Form in einem nach Africa gerichteten Erlaß getan: Antistitem, qui sanctitatem baptismi inlicita usurpatione geminaverit et contra instituta omnium earn gratiam iterando contaminaverit, sacerdotio indignum esse censemus 5 8 .

Die Donatisten waren damals die einzigen, welche die T a u f e zu erneuern pflegten. Andere Sekten, idie dies getan hätten, sind in keinem Teil des Reiches bekannt geworden. Erst in einigen nach 400 veröffentlichten Gesetzen werden die Novatianer und Eunomianer beschuldigt, daß sie die T a u f e wiederholen. Diese Texte sind aber im Ostteil des Reiches erlassen worden, da beide Sekten anscheinend nur dort Gemeinden hatten; Empfänger waren die praefecti praetorio Orientis 5 9 . Die Gesetze gegen die Donatisten wurden immer an Beamte in A f r i c a (vicarius Africae 6 0 , conMansi, collectio III 626 A. Baptisma und lavacrum nebeneinander in Cod. Theod. X V I 6,2 (377); lavacrum häufig ζ. B. bei Cyprian oder bei Optatus IV 6 ( C S E L X X V I 110,7-12); V 3 (124,12-125, 1) u. a. 5 5 Zeile 5-7: Quisquis redempta venerabili lavacro corpora reparata morte tabificat . . . Omnesque perversae istius superstitionis magistri . . . Vgl. Cod. Theod. X V I 5,39: Donatistae superstitionis haereticos . . .; Cod. Theod. X V I 5,54: Donatistas . . . et a conventu publico segregandos. E a vero loca, in quibus dira superstitio nunc usque servata e s t . . . 56 Cod. Theod. X V I 6,1 (373); vgl. Konstitutionen Theodosius' I. und Theodosius' II. gegen die Apollinarianer, Eunomianer und andere Haeretiker (Cod. Theod. X V I 5,14388- und X V I 6,7-413-). 5 7 Zeile 7-8: Omnesque perversae istius superstitionis magistri pariter et ministri, seu illi sacerdotali adsumptione episcoporum nomen i n f a m a n t . . . 5 8 Cod. Theod. X V I 6,1 (373); vgl. Konstitutionen Theodosius' I. und Theodosius' II. gegen die Apollinarianer, Eunomianer und andere Haeretiker (Cod. Theod. X V I 5,14388-und X V I 6,7-413-). 5 9 Cod. Theod. X V I 6,6 und 7 (Constantinopel, 21. und 29. März 413) an den praefectus pr. Orientis Anthemius; Cod. Theod. X V I 5,58 (Constantinopel, 6. N o v . 415) an den praefectus pr. Orientis Aurelianus. 6 0 Optatus, App. V ( C S E L X X V I 210, 11 f.: dedi l i t t e r a s . . . ad eum, qui vicariam praefecturam per Africam tuetur); Optatus, App. V I I (nach 313); Cod. Theod. X V I 6,2 (377). 53

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sularis Numidiae 61 , proconsul Africae e2 ) oder die für Africa zuständigen praefecti praetorio 63 geschickt. Die Donatisten haben sich niemals über die afrikanischen Provinzen hinaus verbreitet. Nur zeitweise erschienen sie audi anderswo — aber dann nur einzelne, anscheinend vertriebene Leute 64 . Ein donatistischer Bischof beunruhigte um 378 die römische Gemeinde. Kaiser Gratian wurde von einer römischen Synode aufgefordert, gegen ihn einzuschreitene5. Africa und Italia gehörten im August 379 noch zum Verwaltungsbereich des Hesperius, der zusammen mit seinem Vater Ausonius seit einiger Zeit den beiden westlichen Präfekturen vorstand. Schon wegen der Vorschriften über die Taufe konnte diese Konstitution nur an einen Beamten gerichtet werden, in dessen Verwaltungsgebiet auch Africa lag ββ . In einigen Gesetzen — auch in Cod. Theod. XVI 5,5 — wird nur vom Mißbrauch der Taufe berichtet. Der Name derer, die das taten, wird nicht mitgeteilt. Erst nach 400 werden sie in den kaiserlichen Erlassen ,Donatistae' genannt 67 . Das war im 4. Jh. nicht üblich. Die Texte beschreiben nur die Eigenart der umstrittenen Lehre 68 oder kennzeichnen die Donatisten mit den auch sonst üblichen Begriffen 69 . Das ist, soweit es sich nach81 Optatus, App X (CSEL X X V I 215,24 ff.); Cod. Theod. XVI 2,7 (330); inhaltlich übereinstimmend mit dem Opt. App. X zitierten früheren Schreiben Konstantins. 82 Optatus I 27 (CSEL X X V I 29,6 f.): tunc Constantinus ad Aelianum proconsulem scripsit, ut . . . de vita Felicis Autumnitani publice quaereretur. Cod. Theod. XVI 5,39 (405). 41 (407). 44 (408). 54. 55 (414); XVI 6,1 (373). 83 Cod. Theod. XVI 5,5 (379). 37 (400). 43 (408). 46 (409). 52 (412); XVI 6,4 und 5 (405). 64 Brief einer römischen Synode an Kaiser Gratian (378): Per Africam rursum sacrilegos rebaptizatores nutu Dei praecepistis expelli: sed ab expulsis Claudianus est ordinatus, et ad perturbandam urbem Romam quasi episcopus destinatur (Mansi, collectio 3,626 A; vgl. audi die nächste Anm.). Cod. Theod. XVI 5,52 (412), Zeile 15-18: . . . Clerici vero ministrique eorum ac perniciossimi scerdotes, ablati de Africano solo, quod ritu sacrilego polluerunt, in exilium viritim ad singulas quasque regiones sub idonea prosecutione mittantur . . . ; XVI 5,54 (414), Zeile 5-8. 65 Mansi, collectio 3,626 A; die Antwort Gratians: Coli. Avell. 13,8 (vgl. auch S.60). 66 Es ist nicht ausgeschlossen, daß Hesperius als zuständiger Praefekt maßgeblich an dieser Konstitution beteiligt war, sie zumindest auf einen entsprechenden Bericht von ihm zustande gekommen ist. Zu Hesperius' und Ausonius' Doppelpraefektur haben das Richtige gesagt O. Seeck, Rh. Mus. 69, 1914, 14 ff. und E. Stein, Rh. Mus. 74, 1925, 367 f. 67 Cod. Theod. XVI 5,37 (400 oder 405). 38 (405, edictum). 39.41.43.44.46.52.54 und 55; XVI 6,4 und 5. ββ Cod. Theod. XVI 5,5; XVI 6,1 und 2: die Erneuerung der Taufe. Im 378 verfaßten Synodalschreiben aus Rom heißt es: ,sacrilegi rebaptizatores' (Mansi, collectio 3,626 A). 69 Cod. Theod. XVI 2,7 (haeretici); Konstantin d. Gr. in einigen an afrikanische Bischöfe und Beamte gerichteten Briefen, in denen er die katholische Kirche gegen die Donatisten verteidigt: haeretici; schismatici; proditores; ii, qui a veritate dei digressi errori

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prüfen läßt, die in der Kirche übliche Terminologie. In den Akten des Konzils von Karthago (348) heißt es nur: consideremus primum titulum rebaptizationis und illicitas esse sancimus rebaptizationes70. Erst auf dem Konzil von Hippo Regius, ungefähr fünfzig Jahre später (393), spricht man von den ,Donatistae' 71 . Fast um dieselbe Zeit erscheint dieser Name auch in den Gesetzen72. Die kaiserliche Kanzlei richtete sich also anscheinend nach der Sprache der Synodalbeschlüsse. Die Redaktoren des Codex Theodosianus haben nicht alle Gesetze gegen .die Donatisten oder andere Sekten, welche die Taufe zu erneuern pflegten, in den 6. Titel des 16. Buches aufgenommen 73 . In diesem Titel stehen nur Texte, in denen die Begriffe ,baptismaV,rebaptizare' verwendet wurden; gemäß der für diesen Titel gewählten Überschrift: ne sanctum baptisma iteretur 74 . Wir fassen zusammen: Cod. Theod. XVI 5,5 ist ein Gesetz gegen die Donatisten. Gratian griff mit ihm nicht in den dogmatischen Streit zwischen Nicaenem und Arianern ein und veröffentlichte darin auch keine kirchenpolitischen Grundsätze 75 . d) Cod. Theod. XVI 5,4 Am 22. April 376 oder 378 wurde in Trier ein Gesetz Gratians publiziert, das folgenden Inhalt hat: Der Kaiser habe längst zugunsten der katholischen Religion befohlen, daß, falls Zusammenkünfte der Haeretiker in den Städten oder auf dem offenen Land außerhalb der Kirchen stattfänden, alle örtlichkeiten, in denen unter dem falschen Vorwand, die Religion auszuüben, Altäre aufgestellt würden, dem Staat zufallen sollen. Wenn dieser Mißbrauch aber eintritt, sei es, weil die Richter die Vorgänge nicht zur Kenntnis nehmen, oder durch die Unredlichkeit von Privatleuten, soll die Strafe die gleiche sein 7e . se pravissimo dederunt, und andere ähnliche Formeln (vgl. z . B . CSEL X X V I 214,3 ff. 22 ff.; 215,11 ff. 29 f. 34). 70 Carlos Garcia Goldaraz, Los Concilios de Cartago 59,1 f. und 7 f. 71 Vgl. concilium Carthaginiense III, Kap. XLVIII (PL 84,198). 72 Vgl. An. 67. 73 Cod. Theod. X V I 2,7; X V I 5,5.37.38.39.41.43.44.46.52.54 und 55 (vgl. An. 68). 74 Im Unterschied zu diesen Texten steht in keinem der in den 5. Titel (de haereticis) aufgenommenen Gesetze gegen die Donatisten ,baptisma' und .rebaptizare', dafür aber — außer in X V I 5,37 und 38 — immer ,haeretici'. 75 Ober das Reskript von Sirmium vgl. den zweiten Abschnitt des Kapitels (S. 71 ff.). 76 Cod. Theod. X V I 5,4: Olim pro religione catholicae sanctitatis, ut coetus haeretici usurpatio conquiesceret, iussimus, sive in oppidis sive in agris extra ecclesias, quas nostra pax obtinet, conventus agerentur, publicari loca omnia, in quibus falso religionis obtentu altaria locarentur. Quod sive dissimulatione iudicum seu profanorum inprobitate contigerit, eadem erit ex utroque pernicies. 63

Das Datum ist unsicher. Das Gesetz wurde an Hesperius ausgestellt. In der inscriptio wird er als praefectus praetorio angesprochen; als Jahr wird 376 angegeben (Valente V et Valentiniano AA conss.). Hesperius verwaltete 376 und 377 die Provinz Africa proconsularis 77 ; er wurde erst 378 praefectus praetorio Italiae, Africae et Illyrici 78 . So kann das Konsulat der Kaiser Valens und Valentinian falsch sein; es müßte dann in ,Valente VI et Valentiniano II AA. conss.' geändert werden; oder die Redaktoren des Codex haben .praefectus praetorio' für ,proconsul Africae' geschrieben. Das ist möglich; denn sie haben auch in einem anderen Gesetz die Ämter des Hesperius vertauscht: er wird Cod. Theod. VIII 5,34 (vom 27. Februar 377) praefectus praetorio genannt, obwohl der Inhalt des Textes, in dem die Provinz Africa proconsularis erwähnt wird 7 9 , und ein am 8. Juli 377, also fünf Monate später, erschienenes Gesetz nachweisen, daß er damals noch proconsul Africae war 8 0 . Gegen 376 ist vorgebracht worden, daß die Kanzlei Gratians das Gesetz nicht mit ,olim iussimus' hätte einleiten können, wenn es im April 376 herausgegeben worden wäre; Gratian habe damals erst seit einem halben Jahr den Westteil des Reiches selbständig regiert: ,olim iussimus' setze voraus, daß ein längerer Zeitraum zwischen dem früheren Text, auf den verwiesen werde, und dem späteren liege 81 . ,Olim' bezeichnet aber einen Abstand von unbestimmter Dauer. Der Zeitpunkt, den der Sprecher festhalten will, kann ,Profani' steht hier als Gegensatz zu ,iudices'; es kann also nicht ,Ungläubige' heißen. Die substantivierte Form des Adjektivs ,profanus' erscheint im Cod. Theod. nur zweimal: in unserem Text und in I 15,8 (377 oder 379). Audi dort werden die ,profani' den ,iudices' gegenübergestellt: Et relationes iudicum libenter audimus, ne administratorum decrescere videatur auctoritas, si eorum consulta veluti profanorum preces a nostris adytis repellamus. 7 7 Cod. Theod. X V 7,3 vom 10. März 376; I 32,2 vom 8. Juli 377. 7 8 Am 30. Januar 378 wird Hesperius' Schwager Thalassius als proconsul Africae genannt (Cod. Theod. X I 36,23-25). Vgl. O.Seeck, Rh.Mus 69, 1914, 18 f. 7 9 Cod. Theod. V I I I 5,34: Quia in omnibus aliis provinciis veredorum pars quarta reparatur, in proconsulari provincia tantum detur, quantum necessitas postulaverit . . . Iam vero mancipum non ab ordine nec a magistratibus accipienda videntur obsequia, sed ab officio proconsulari qui missione donantur. 8 0 Cod. Theod. I 32,2 (Trier, 8. Juli 377). Die Kompilatoren des Codex Theodosianus haben audi oft die Titel praefectus praetorio (ppo) und praefectus urbi (pu) an die Stelle anderer Titel gesetzt. O. Seeck hat mehrere Beispiele zusammengestellt (Regesten 115/ 116); sie zeigen, daß die Kompilatoren in anderen Fällen das gleiche Versehen begangen haben wie bei Hesperius: also praefectus praetorio statt proconsul Africae geschrieben haben. 8 1 J . Gothofredus im Kommentar zu Cod. Theod. X V I 5,4 (Bd. VI, pars. I, S. 127 f.); G. Rauschen, Jahrbücher 30; J . - R . Palanque, Revue Historique 168, 1931, 88; M. Fortina, Graziano 224 ff., An. 37 (zu S. 184), wo alle Ansichten ausführlich dargestellt werden.

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kürzer oder länger zurüdkliegene2. In unserem Text heißt ,olim iussimus' auch nicht, daß Gratian sich nur auf ein Gesetz beziehen konnte, das nach dem Tode seines Vaters veröffentlicht wurde. Vielmehr kann es ein Erlaß sein, der nach 367, seit Gratian dem Kaiserkollegium als Augustus angehörte, herausgegeben worden war. Da die Kaiser unter dem Namen aller Mitglieder des Kaiserkollegiums publizierten, wären Valens und Gratian auch in dem früheren Text genannt worden. Gratian hätte sich auf ein Gesetz berufen, an dem er selbst beteiligt war, wenn audi noch nicht als verantwortlicher Regent 83 . Ähnliche Formeln haben Arcadius und Honorius nach dem Tod ihres Vaters Theodosius verwendet 84 . Das Gesetz wird im allgemeinen auf die Donatisten bezogen 85 . Das würde auch dann passen, wenn der Erlaß an Hesperius nicht als proconsul Africae, sondern als praefectus praetorio geschickt worden wäre. Africa gehörte zu dessen Verwaltungsbereich8e. Anders haben den Inhalt Hans von Campenhausen und Jean-Remy Palanque verstanden. Von Campenhausen sagt etwa folgendes: Es fehle zwar eine klare Bestimmung dessen, was unter Haeretikern zu verstehen sei, und die Auslegung des Gesetzes bleibe in dieser Hinsicht vorerst noch dem Ermessen der weltlichen Richter überlassen. Aber Gratian habe schon damals angestrebt, die Kirche dogmatisch zu uniformieren, und das Ende der Toleranz sei proklamiert worVgl. An. 84. Ebenso E . S t e i n , Byzantion 9, 1934, 341, An. 1. Schon früher hatte O. Seedc diese Erklärung angedeutet ( R h . M u s . 69, 1914, 18 f . ) ; aber Seeck zögerte, sie gelten zu lassen, weil Gratian Gesetze, die vor dem Tod seines Vaters erschienen waren, auch dem Vater zugeschrieben habe, wenn er sie erwähnte (vgl. Cod. Theod. X V I 5,5 und 6,2). Allerdings werden in X V I 6,2 außer Valentinian I. noch Constantius und Constantin genannt, so daß der Zusammenhang doch nidit der gleiche ist; und auch in X V I 5,5 wird nicht ein bestimmtes Gesetz hervorgehoben. Gratian verweist auf alle Ansichten über den christlichen Glauben, die von Valentinian und nach dessen T o d von ihm selbst veröffentlicht worden waren. — Die 378 in R o m versammelten Synodalen schreiben in ihrem Brief an Gratian vom Judicium clementiae vestrae' (Mansi, collectio 3,625 C ) , wo sie einen noch zu Lebzeiten seines Vaters Valentinian publizierten E r l a ß meinen, durch den Ursinus verbannt wurde; oder sie verweisen im gleidien Brief auf die kaiserliche Entscheidung vom Jahre 371 im Prozeß des Isaak gegen Damasus mit den Worten: . . . igitur vestrae iudicio tranquillitatis probata est innocentia . . . Damasi (Mansi, collectio 3,626 B ) . 8 4 Cod. Theod. I I 8,22 (5 Monate nach Theodosius' T o d ) : olim lege reminiscimur imperasse. 8 5 J . Gothofredus zu X V I 6,2 (Bd. V I pars. I, S. 2 1 6 ) ; O. Seedc, Regesten 116; E . Stein, Byzantion 9, 1934, 341, An. 1; W. H . C. Frend, The Donatist Churdi 199 (vgl. unten S. 67, An. 9 9 ) ; M. Fortina, Graziano 226 (An. 37). 8 6 Die praefecti praetorio Italiae et Africae sind häufig Empfänger von kaiserlichen Erlassen gegen die Donatisten gewesen: Cod. Theod. X V I 5,5 (379). 37 (405). 43 (408). 46 (409). 52 (412); 6,4 und 5 (405). 82

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den 87 . Palanque hat dies noch stärker hervorgehoben 88 : Das Gesetz könne nicht in den ersten Jahren von Gratians Regierung entstanden sein, da der Kaiser zunächst eine liberale religiöse Haltung gezeigt habe. Ähnliche Maßnahmen hätten vorausgehen müssen. In der friedlichen Zeit in Trier hätte ein solches Gesetz, ein Verfolgungsgesetz, nicht entstehen können; erst seit dem Sommer 378 habeGratian über die Fragen der Religion anders gedacht. Palanque hält sowohl die inscriptio als auch die subscriptio für falsch: Nichts zeige an, daß dieses Gesetz sich nur auf einen Reichsteil beziehe. Wenn es gegen die Donatisten erlassen sei, so frage man sich, warum es an den proconsul Africae und nicht an den vicarius Africae oder praeses Numidiae geschickt wurde: Palanque übersieht, daß die proconsules Africae oft Gesetze gegen die Donatisten empfangen haben 89 , wenn nämlich innerhalb ihrer Provinzen ein bestimmter Anlaß gegeben war. Er ist überzeugt, daß dieser Text erst 380 herausgegeben wurde; aber er muß, um das Gesetz dort unterzubringen, fast alle Angaben verändern: Kaiser, Konsuln und Ort der Ausfertigung 90 . Palanque glaubt audi an den Einfluß des Ambrosius. Der Anfang des Textes ( . . . ut coetus haeretici usurpatio conquiesceret) sei dem Text in XVI 5,5 (omnes vetitae . . . haereses conquiescant) nachgebildet worden 91 . Was von Campenhausen und Palanque über die Religionspolitik Gratians sagen, wird nur vorausgesetzt, nicht bewiesen. Der Text enthält nicht, was beide in ihm sehen. Sie haben den konkreten Teil nicht erklärt. Formeln allgemeinen Inhalts dürfen nicht als religiöses Programm verstanden werden; sie sind selbstverständlich92. Wenn solche Formeln sich ähnlich sind, dann ist das vor allem eine Auskunft über die betreffende Kanzlei. ,Conquiescere' steht noch in zwei anderen, nicht dem Verbot der Haeresien gewidmeten Gesetzen Gratians. Es ist aber immer verwendet 8 7 Ambrosius 36. Von Campenhausen nimmt als selbstverständlich an, daß Gratian, wie auf anderen Gebieten audi in der Kirdienpolitik einen gegenüber seinem Vater völlig veränderten Kurs eingeschlagen hat. μ Revue Historique 168, 1931, 87-90. β» Cod. Theod. X V I 6,1 (373); X V I 5,39 (405). 41 (407). 44 (408). 54 und 55 (414). 90 Von den Jahren nach 378 schlägt Palanque 380 audi deshalb vor, weil es nach 378 — und vor Gratians Tod — das einzige Jahr ist, in dem zwei Kaiser Konsuln waren. 91 E. Stein hat auf die methodischen Fehler Palanque's hingewiesen und nadidrücklidi festgestellt, daß es sich um einen Erlaß aus dem Jahre 376 gegen die Donatisten handelt (Byzantion 9, 1934, 341, An. 1). Dies hält audi Μ. Fortina f ü r erwiesen. Er mödite jedoch Seedcs und Steins Ansicht mit der Palanque's verbinden. Er glaubt, daß zweimal der gleiche Text veröffentlicht worden sei: 376 gegen die Donatisten und 380 allgemein gegen die Haeretiker (Graziano 226, An. 37). Es erübrigt sich, diese Ansicht zu diskutieren. M. J. Higgins hat die bis dahin bekannten Ansichten referiert. Er selbst entscheidet sich — ohne eigene Argumente — für 376 (Byzantion 1 0 , 1 9 3 5 , 635 f.). 92 Vgl. die Beispiele S . 5 4 f f .

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worden, wenn verordnet wurde, daß etwas ruhen solle. Eine dogmatisch begründete Aussage über den Glauben fehlt in XVI 5,4; weder kirchenpolitische Motive noch die Anteilnahme an Glaubensfragen im strengen Sinne 93 können als Ursache dieser kaiserlichen Initiative nachgewiesen werden. Das in den Codex Theodosianus aufgenommene Stück ist andererseits sicher nicht der vollständige Wortlaut des Gesetzes94. Das heißt aber nicht, daß in einem verlorenen Teil des Textes, in dem wahrscheinlich noch andere Themen behandelt wurden, der christliche Glaube verbindlich erklärt gewesen sein müsse. Die Gesetze Theodosius' I. zeigen, daß die Redaktoren des Codex Glaubensformeln dogmatischen Inhalts berücksichtigt haben, wenn solche in den Konstitutionen standen e5 . Vor Theodosius hatte kein Kaiser das nicaenische Bekenntnis in die Gesetze aufgenommen. Theodosius selbst und die Nachfolger konnten sidi dann auf seine Erlasse berufen 96 . Im Westen konnten die Kaiser auf Gesetze, wie sie Theodosius zwischen 380 und 381 veröffentlichte, verzichten. Es bedurfte audi keines systematischen Angriffs auf die Haeretiker. Der nicaenische Glaube war dort seit langem allgemein anerkannt worden 97 . Es war die Regel, daß man gegen die Haeretiker oder Schismatiker vorging, wenn die Umstände dies nötig machten. Die Gesetze beziehen sich jeweils auf Vorfälle in dieser oder jener Provinz, welche die Kaiser veranlaßten, im Interesse des Staates zugunsten der kirchlichen Einheit einzugreifen 98 . Unter Valentian I. und Gratian gab es wieder Ärger mit den Donatisten. Sie hatten sich dem Aufstand des Firmus angeschlossen und bedrohten in den afrikanischen Provinzen die Ruhe und Ordnung 99 . Beide Kaiser wandten sich 93 Theodosius I. bezeigte Anteilnahme an Glaubensfragen im strengen Sinne. Er hat das nicaenische Bekenntnis in einige seiner Gesetze aufgenommen (vgl. Cod. Theod. X V I 1,2 und 5,6). 94 So audi E.Stein, Byzantion 9, 1934, 341, An. 1. 95 Cod. Theod. X V I 1,2.3; 5,6. 96 Ζ. B. Cod. Theod. X V I 5,15.(16).25.26.27.29.38.47.59.60. 97 Im Westteil des Reiches blieb man audi unter Constantius II. nicaenisdi. Freilich beugten sich viele vorübergehend dem harten Drude der staatlichen Gewalt. Auf die Situation in den westlichen Provinzen hat 381 Ambrosius hingewiesen (epist. 12,1: . . . in Occidentalibus autem partibus vix duo haeretici . . . sint reperti; 12,3: . . . per Occid e n t a l s partes duobus in angulis tantum, hoc est in latere Daciae Ripensis ac Moesiae, fidei obstrepi videbatur); vgl. Hilarius, de synodis 2 (PL 10,481): die gallisdien Bisdiöfe hätten die das Nicaenum preisgebenden Formeln (357/358) verurteilt; Socr. h. e. 3,10: Hilarius habe den Bischöfen in Gallien und Italien den rechten Glauben vorgetragen. 9e Die Donatisten gab es nur in den afrikanischen Provinzen (oder vereinzelt in Rom); die Manichaeer ebenfalls vor allem in Afrika, die Priscillianisten in Spanien, die Photinianer in Sirmium und den Donauprovinzen. 99 Auf den Zusammenhang der Gesetzgebung Valentinians I. und Gratians gegen die Donatisten mit den politischen Ereignissen in Afrika hat audi Frend hingewiesen (The

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daher mit einer Reihe von Gesetzen gegen sie 10°. Zu diesen Texten gehört Cod. Theod. X V I 5,4. Die konkreten Vorschriften entsprechen denen in einem anderen Gesetz Gratians gegen die Donatisten (Cod. Theod. X V I 6,2). In beiden Texten wird festgestellt, daß sich die Haeretiker vor allem außerhalb der Städte treffen, um ihre Zusammenkünfte zu halten 101 . Die Plätze, die dazu mißbraucht werden, sollen eingezogen werden 102 . Durch ,olim iussimus' wird das Gesetz auch formal in einen bestimmten, dem gleichen Gegenstand gewidmeten Zusammenhang gerückt 103 . Man wird also bekräftigen, was Gothofredus festgestellt hat: daß sich dieser Erlaß gegen die Donatisten richtete 104 . Gothofredus vermutet, daß diese Reihe in einem Erlaß an Nitentius, auf den in Cod. Theod X V I 6,2 hingewiesen wird, ihren Anfang habe und ihr demnach Cod. Theod. X V I 6,2, X V I 5,4 und 5 angehören 105 . e) Cod. Theod. X V I 6,2 Der ausführlichste dieser Texte ist Cod. Theod. X V I 6,2. Einige Vorschriften entsprechen denen in X V I 5,4 und 5. Im übrigen wird folgendes angeordnet: Der Irrtum derer, welche die Taufe wiederholen, wird verurteilt. Der vicarius Africae soll die von ihnen widerrechtlich angeeigneten Gotteshäuser an die katholische Kirche zurückgeben. (Dies hatte bereits Konstantin d. Gr. anordnen müssen loe .) D a sich viele Anhänger der Irrlehre unerlaubt auf den Gütern aufhalten, nachdem sie aus den christlichen Gemeinden ausgewiesen worden sind, sollen örtlichkeiten, an denen ihre strafwürdige Lehre geduldet wird, dem Staat zufallen l o r . Ein zuvor an Nitentius gerichteter Erlaß Gratians wird neu bekräftigt 1 0 8 . Donatist Church 199). Vor allem nach den Ereignissen von 403/404 setzte von neuem die Gesetzgebung gegen die Donatisten ein (Frend, a.a.O. 257 if.). 1 0 0 Vgl. auch Coli. Avell. 13,8 (dazu S . 8 0 f f . ) . 1 0 1 Cod. Theod. X V I 5,4: . . . sive in oppidis sive in agris extra ecclesias quas nostra pax obtinet, conventus agerentur, publicari loca o m n i a . . . ; X V I 6,2: . . . sed plerique expulsi de ecclesiis occulto tarnen furore grassantur, loca magnarum domorum seu fundorum inlicite frequentantes; quos fiscalis publicatio conprehendet.. . 1 0 2 Konfiskation der Güter wird auch in anderen Gesetzen gegen die Donatisten angedroht (Cod. Theod. X V I 5,52 und 54; X V I 6,4). 1 0 3 ,oIim' ist im Cod. Theod. oft so verwendet worden: ζ. Β. V I 30,11; X I 22,5 (quod olim meminimus constitutum, hac generali denuo legis praeceptione sancimus, ne cuiquam liceat . . . ) ; X I I I 5,13 (sicut olim de linteonibus et naviculariis divus Constantinus instituit, ita nunc . . . ) ; X V I 2,29; 2,30 (non novum aliquid praesenti sanctione praecipimus, quam ilia, quae olim videntur indulta, firmamus . . . ) ; 5,65; 10,13; 11,3. 1 0 4 J . Gothofredus zu X V I 6,2 (Bd. VI pars. I, S. 216). 1 0 5 J . Gothofredus zu X V I 5,4 und 6,2 (Bd. VI pars. I, S. 127 und 216). 1 0 8 Optatus, App. X ( C S E L X X V I , 213 ff.). 1 0 7 Cod. Theod. X V I 6,2: . . . Sed plerique expulsi de ecclesiis occulto tarnen furore grassantur, loca magnarum domorum seu fundorum inlicite frequentantes; quos fiscalis publicatio conprehendet, si piaculari doctrinae secreta praebuerint, nihil ut ab eo tenore 68

Der Empfänger dieses Gesetzes war nach den Handschriften des Codex Theodosianus der vicarius Africae Flavianus, nach den Handschriften des Codex Iustinianus (Cod. lust. I 6,1) ein Florianus, vicarius Asiae. Als Ort wird Constantinopel angegeben, als Datum der 17. Oktober 377. Die Handschriften des Codex Iustinianus verursachen hier doppelte Verlegenheit: Ort und Zeit passen nicht zusammen, da Valens sich im Oktober 377 nicht in Constantinopel aufhielt, sondern erst im Frühjahr 378 in diese Stadt kam l o e . Der Inhalt des Gesetzes schließt aus, daß ein vicarius Asiae der Empfänger gewesen sein könne; denn es befaßt sich mit denen, welche die Taufe erneuerten, also mit den Donatisten. Sie waren die einzigen, die sich damals dieses Mißbrauchs schuldig machten; sie sind in der Regel nur in Africa, aber niemals im Osten aufgetreten 110 . Schon Gothofredus hat daher die Uberlieferung des Codex Theodosianus bevorzugt. Andere sind ihm in dieser Ansicht, die sicher die richtige ist, g e f o l g t m . Welcher Ort dann an die Stelle von Constantinopel, das offenbar alle Handschriften nennen, treten könnte, ist für die Diskussion des Inhalts unwichtig. Der vicarius Africae Flavianus war der hochberühmte Virius Nicomachus Flavianus. Ammianus erwähnt ihn als vicarius Africae für die nämliche Zeit; Gratian beauftragte damals ihn und den proconsul Africae Hesperius, zwei Bürger von Leptis Magna anzuhören, um das durch den comes Romanus und andere verschuldete Schicksal dieser Stadt aufzuklären 112 . Die Stadt Leptis Magna hat Flavianus während seiner Amtszeit geehrt u s . Augustinus nennt Flavianus im Zusammenhang mit den Donatisten, die versucht hätten, bei ihm Einfluß zu gewinnen 114 . Man hält es für sicher, daß er die Donatisten begünstigt hat und Gratian deshalb nachdrücklich forderte, den an Nicentius ergangenen Auftrag zu befolgen 115 . sanctio nostra deminuat, qui dato dudum ad Nitentium praecepto fuerat constitutus. Quod si errorem suum diligunt, suis matis domesticoque secreto, soli tarnen, foveant virus impiae disciplinae. 1 0 8 Zu Nitentius vgl. J. Gothofredus zu Cod. Theod. X V I 6,2 (Bd. VI, pars. I, S. 216). 1 0 9 O. Seeck, Regesten 249 und 251. 1 1 0 U m 378 gab es in Rom einen donatistisdien Gegenbischof (vgl. S. 62). Anscheinend gab es in Rom — zumindest zeitweise — eine kleine donatistische Gemeinde (vgl. Optatus II 4 ( C S E L X X V I 37, 16 f.): Sed et habere vos in urbe Roma partem aliquam dicitis etc.). 1 1 1 Vgl. O. Seeck, Regesten 109 f. 1 1 2 Ammianus X X V I I I 6,28. 1 1 3 Julien Guey, Flavien Nicomaque et Leptis Magna ( R E A 52, 1950, 77 ff.). 1 1 4 August, ep. 87,8 ( C S E L X X X I V 2,403 f.): . . . quid ego? vos Flaviano quondam vicario, partis vestrae homini, quia legibus serviens nocentes, quos invenerat occidebat, non communicastis? 1 1 5 O. Seeck, R E s. v. Flavianus N r . 14 Sp. 2 5 0 7 ; W . H . C. Frend, The Donatist Church 171 und 200.

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Noch unter Konstantin d. Gr. war der Donatismus in einigen Provinzen Nordafrikas zu einer weitgreifenden Bewegung geworden, welche die katholische Kirche arg belästigte und vor allem die soziale Ordnung und Wirtschaft des Landes empfindlich störte. Die Tendenz der Donatisten, sich den mit der Kirche verbündeten Kaisern zu widersetzen, vermehrte die Schwierigkeiten u e . Die Kaiser griffen regelmäßig zugunsten der staatlich anerkannten Kirche e i n m . Diese garantierte die Einheit der Kirche und ihrer Organisation 118 ; sie unterstützte die Behörden und forderte kaiserliche Maßnahmen gegen die Donatisten 119 ; sie erkannte die römische Autorität an 120 und wirkte damit den antirömischen Absichten entgegen. Zugleich bedrohten die Donatisten die Prosperität der afrikanischen Landwirtschaft 121 : ein zweiter Grund für die Kaiser, die Donatisten zu verfolgen. Die großen Güter mußten frei sein von gefährlichen Unruhen, da der Staat nicht auf die landwirtschaftlichen Erträge Nordafrikas verzichten konnte. Beides, der Schutz der Kirche und der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, war ein Gebot der politischen Vernunft. Soweit die kirchlichen Verhältnisse in den gegen die Donatisten ergangenen Gesetzen oder Bescheiden behandelt werden, wird man daher in dem, was die Kaiser verfügten, nicht nach religiösen Motiven im strengen Sinn des Wortes für ihr Verhalten suchen dürfen und die Texte nicht so verstehen, als könne man aus ihnen etwas über die Glaubenshaltung der Herrscher — außer, daß sie Christen waren — lernen. Die Gesetze Gratians haben »« Vgl. dazu W. H. C. Frend, a.a.O. 171. 117 Dazu Augustins Hinweis ep. 105,9 (CSEL X X X I V 2,602): huic (Iuliano) successit Iouianus, qui quoniam cito mortuus est, nihil de rebus talibus iussit. deinde Valentinianus; legite, quae contra uos iusserit. inde Gratianus et Theodosius; legite, quando uultis, quae de uobis constituerint. Die Beispiele aus Augustins Schriften stehen hier und in den nächsten Anmerkungen für viele Zeugnisse dieser Art. 118 August, ep. 105,11 (CSEL X X X I V 2,602 f.): amemus pacem, quam omnis doctus et indoctus intellegit praeponendam esse discordiae, diligamus et teneamus unitatem. hoc iubent imperatores, quod iubet et Christus, quia, cum bonum iubent, per illos non iubet nisi Christus. 118 August, ep. 108,18 (CSEL X X X I V 2,632): Fugitur unitas, ut nos aduersus uestrorum — nolo enim uestras dicere — inprobitates quaeramus publicas leges et aduersus ipsas leges armentur Circumcelliones, quas eo ipso furore contemnant, quo in uos eas, cum furerent, excitarunt. fugitur unitas, ut contra possessores suos rusticana engatur audacia et fugitiui serui contra apostolicam disciplinam non solum a dominis alienentur etc. 120 Vgl. z . B . Augustinus, ep. 105,11 (An. 118). 121 Cod. Theod. X V I 5,52.54; X V I 6,4. Augustin., contra epist. Parmeniani I 17 (CSEL LI 39,7 ff.): . . . sed haec non tam multa sunt, quam multa cotidie per furiosos ebriosorum iuuenum greges quibus principes constituunt, qui primum tantummodo fustibus, nunc etiam ferro se armare coeperunt, qui circumcellionum notissimo nomine per totam Africam uagantur et saeuiunt, contra omnem ordinem legum potestatumque committunt.

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nur bekräftigt, was schon seine Vorgänger für notwendig erachtet und verkündet hatten. Sie förderten die katholische Kirche; aber sie enthalten kein dogmatisches Programm, das audi auf andere Haeresien hätte angewendet werden können. Sie waren ein Beitrag zu einem Problem der öffentlichen Ordnung und Ruhe in einem bestimmten Reichsteil, zu der auch die Sorge für das ungestörte Leben der christlichen Gemeinden in den afrikanischen Provinzen zählte. 2. Gratians Erlaß vom Herbst 378 und das Reskript von Sirmium Die Kirchenhistoriker Sokrates und Sozomenos berichten, daß Kaiser Gratian im Herbst 378 die wegen ihres Glaubens von dem arianisch gesinnten Valens ausgewiesenen Bischöfe122 zurückgerufen hat. Allen Bekenntnissen erlaubte er, sich frei und unbehindert zum Gottesdienst zu versammeln. Nur die Manichäer, Eunomianer und Photinianer sollten den Kirchen fernbleiben123. Dieser Erlaß wird oft als Toleranzedikt bezeichnet 124. Gratian habe ihn schon ein knappes Jahr später, in dem Gesetz vom 3. August 379 1 2 5 , unter dem Einfluß des Ambrosius126 wieder aufgehoben. Dort heißt es: Denique antiquato rescripto, quod apud Sirmium nuper emersit. Dies beziehe sich auf die bei Sokrates und Sozomenos erwähnte Verfügung 127 . Man glaubt dies, weil man Cod. Theod. X V I 5,5 und frühere Gesetze Gratians als Beiträge zum dogmatischen Streit versteht128, in den der Kaiser nun dadurch eingegriffen habe, daß er eine Freiheit zu1 2 2 Außer Bisdiöfen mögen audi andere Angehörige des geistlichen Standes betroffen gewesen sein. Sokrates und Sozomenos sprechen nur von den ,Verbannten'. 1 2 3 Socrat. h. e. V 2,1 :Γρατιανος δέ . . . καταγνούς τε τοϋ θείου Ούάλεντος της περί τούς Χριστιανούς ώμότητος, τους μέν ύπ' έκείνου έξορισθέντας άνεκάλει - νόμω τε έθέσπισε, μετά άδειας έκάστην των θρησκειών άδιορίστως έν τοις εύκτηρίοις συνάγεσθαΐ' μόνους δέ των εκκλησιών εΐργειν Εόνομιανούς, Φωτινιανούς, και Μανιχαίους. Sozomenos, h. e. V I I 1,3: Γρατιανύς δέ . . . ούκ έπαινέσας τόν θείον της γνώμης, ην περί τούς έτέρως αύτω δοξάζοντας διετέλεσεν ϊχων, πασι τοις έπ' έκείνου διά τήν θρησκείαν φεύγειν καταδικασθεϊσι, την κά&οδον άπέδωκε - και νόμον εθετο, μετά άδειας έκάστους θρησκεύειν ως βούλονται, και έκκλησιάζειν, πλην Μανιχαίων καί τών τά Φωτεινού και Εΰνομίου φρονούντων. 1 2 4 Η . von Campenhausen, Ambrosius 42 (Im Herbst 378 sei in Sirmium ein feierliches Edikt erschienen); J . - R . Palanque, St. Ambroise 6 4 ; H . Dudden, St. Ambrose 191 f.; M. Meslin, Les Ariens d'Occident 88. 1 2 5 Cod. Theod. X V I 5,5. 1 2 8 So z. B. von Campenhausen, Ambrosius 45; H . Dudden, St. Ambrose 191; M. Meslin, Les Ariens d'Occident 88. 1 2 7 Von J . Gothofredus (Kommentar zu Cod. Theod. X V I 5,5, Bd. V I pars 1,129) bis heute ist diese Ansicht immer wieder vertreten worden. 1 2 8 Vgl. S. 63 ff. über Cod. Theod. X V I 5,4.

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rücknahm, die er zuvor gewährt hatte 129 . Die Angaben über Zeit und Ort könnten passen: Gratian hat seine Gedanken zur Freiheit der Bekenntnisse nach Valens' Tod veröffentlicht; er hielt sich damals in Sirmium auf; Theodosius war noch nicht Kaiser — über den Beginn seiner Regierung schreiben Sokrates und Sozomenos anschließend130. Damit ist aber noch nicht bewiesen, daß Sokrates und Sozomenos den Inhalt des Reskriptes darstellen, von dem Gratian spricht. Dies wird insbesondere von der theologischen Forschung vorausgesetzt, aber nicht begründet. Verschiedenes ist nicht beachtet worden. 1. In Cod. Theod. X V I 5,5 wird das Wort ,rescriptum' verwendet. Denique antiquato rescripto, quod apud Sirmium nuper emersit ist der Text der kaiserlichen Kanzlei; die Terminologie ist die der Verwaltung. Er bezeichnet die frühere Verfügung, die für ungültig erklärt wird, als ,rescriptum'. Sie war also kein ,edictum' und kann nicht ein Toleranz e d i k t genannt werden, wenn man sie für identisch hält mit dem von Sokrates und Sozomenos zitierten Gesetz. Zunächst soll daher erklärt werden, was man unter einem Reskript verstand. Edikte und Reskripte sind zwar „Erscheinungsformen desselben kaiserlichen Willens" 131 ; aber die Begriffe sind nicht austauschbar. Es gibt wesentliche Unterschiede. So heißen die ersten Titel des Codex Theodosianus: De constitutionibus principum et edictis (I, 1); De diversis rescriptis (I, 2) und De mandatis principum (I,: 3). Die Kaiser haben auch deutlich erklärt, was bei den Reskripten beachtet werden soll, und welche Rechtskraft sie haben, wenn sie mit Gesetzen höheren Ranges, also etwa Edikten, konkurrieren 132 : Sie dürfen nicht ,contra ius' sein 133 . Wenn Reskripte vor dem Erscheinen eines Ediktes erbeten worden sind, dann bleiben sie wirksam 134 . Später gegebene Reskripte müssen mit