Tanz vernetzt: Das »balet comique de la royne« in der höfischen Kultur der Valois (1581/1582) 9783412214562, 9783412206413

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Tanz vernetzt: Das »balet comique de la royne« in der höfischen Kultur der Valois (1581/1582)
 9783412214562, 9783412206413

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Angelika Werden

Tanz vernetzt Das »balet comique de la royne« in der höfischen Kultur der Valois (1581/1582)

2011 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Anonym, Huwelijksbal van de hertog van Joyeuse (auch: Ball Heinrichs III.), 1501/1600, Öl (?) auf Leinwand (?), Maße: 750 x 1010 cm. Gaasbeek, Kasteel van Gaasbeek.

© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20641-3

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Inhalt

Vorwort.......................................................................................................................... 9

Einleitung....................................................................................................................... 13

I. I.1.

I.2.

I.3.

Das balet comique als Medium der Transformation und Narration Höfische Rahmenbedingungen ..................................................................... 25 1.1. Politisches Gefüge: Die Bedingungen von Herrschaft am frühneuzeitlichen Hof der Valois....................................................... 26 1.2. Soziales Gefüge: Das soziale Netz des Valois-Hofes ..................... 48 1.2.1. Ausmaße des Hofes, Hofhaltung und Hofreglement................................... 49 1.2.2. Adelige Strategien der Selbstbehauptung .................................................... 57 1.2.3. Wundersame Transformation: Vom mignon zum gewöhnlichen Ehemann.............................................................................. 65 1.2.4. Adelige Erziehungsgrundsätze der noblesse d’épée und de la robe............................................................................................ 76 1.3. Der Hof und das Fest: zwischen Außenund Innenwirkung ................................................................................ 83 1.4. Zusammenfassung................................................................................ 98 Das Festereignis von 1581 und das balet comique......................................... 100 2.1. Der Circe-Mythos als Motiv ............................................................... 106 2.2. Die Handlung und ihre dramatische Struktur.................................. 111 2.3. Akteure und Zuschauer ....................................................................... 123 2.4. Zusammenfassung................................................................................ 127 Von Vorläufern und Nachahmern: Das kulturelle Netzwerk .................. 128 3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx............................................ 130 3.2. Reflex einer gelungenen Karriere? – Clovis Hesteaus Enchantemens au Sieur de Beau-Joyeux....................... 174 3.3. Die Valois-Académien um Ronsard und de Baïf ............................ 185 3.3.1. Die Neuinszenierung ‚antiker‛ Musik in der Académie de Poésie et de Musique ............................................................. 186 3.3.2. Verbindendes und Trennendes in der Pléiade ............................................. 191 3.4. Giordano Brunos Circe (1582) ............................................................ 197 3.5. Giambattista Gellis Circe (1549).......................................................... 199

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I.4.

II. II.1. II.2. II.3.

II.4. III. III.1.

III.2. III.3.

III.4.

Inhalt

3.6. Zusammenfassung................................................................................ 202 Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique ...................... 203 4.1. Die Transformation von Vergessen: Das Geheimnis der Zahlen und Figuren .......................................... 203 4.2. Der stilisierte Kniefall: Der grand bal als höfischer Tanzanlass ...................................................................... 210 4.3. Der goldene Mittelweg: Zur Hoffähigkeit des gentilhommes ...................................................................................... 218 4.4. Zusammenfassung................................................................................ 230 Das Traktat des balets comique als Medium der Narration und Transformation Rahmenbedingungen: Schrift als Leitmedium im 16. Jahrhundert ......... 231 Inhaltliche und formale Rahmenbedingungen der Drucklegung: Das Traktat des balets comique von 1582 ....................... 234 Der narrative Speicher und seine Rhetorik.................................................. 246 3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582.......................... 246 3.1.1. Die Widmungsvorreden ............................................................................. 247 3.1.2. Die Vorrede an den Leser ......................................................................... 258 3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate......................................... 261 3.2.1. Die Vorrede im balet des polonais von 1573 ............................................. 261 3.2.2. Die Vorrede im Il Ballarino von 1581...................................................... 265 3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien.................................... 275 3.3.1. Szenerie und allegorische Figuren in den Kupferstichen ............................... 277 3.3.2. Zwischen Text und Bild: Zur Ausdeutung des gentilhomme fugitif..................................................................................... 281 3.3.3. Zwischen Text und Bild: Circe als Protagonistin des Königs.................................................................................................. 286 3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen im balet comique .............. 290 Zusammenfassung ........................................................................................... 310 Repräsentationen: Zur Rezeption des balets comique und seines Traktats Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste .......... 312 1.1. Verwobene Aufnahmen: die Valois-Tapisserien ............................. 312 1.2. Gemalte Aufnahmen: Tanzgesellschaften am Valois-Hof.............................................................................................. 333 Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen ........................... 358 Theoretische Aneignungen: Tanz – Memoria – Schrift Zwischen Transformation und Narration ................................................... 375 3.1. Tanz – Memoria.................................................................................... 375 3.2. Tanz – Schrift........................................................................................ 379 Zusammenfassung ........................................................................................... 383

Inhalt

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Quellenverzeichnis ....................................................................................................... 384

Abbildungsverzeichnis................................................................................................. 392

Literaturverzeichnis...................................................................................................... 397

Anhang A. B. C. D.

Nachweise zum Traktat von 1582 ..................................................... 418 Zeittafel zu den Festen und ballets (1501/2 – 1641) ....................... 422 Tänze....................................................................................................... 426 Akteure und Zuschauer im balet comique............................................ 429

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Vorwort

Danke zu sagen bedeutet mir in Bezug auf diese Arbeit mehr, als nur einer Konvention Folge zu leisten. All jenen, die mich mit ihrem fachlichen Rat und persönlichem Zuspruch während meiner mehrjährigen Untersuchungs- und Schreibphase unterstützt haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. An erster Stelle gilt mein Dank Frau Prof. Dr. Regina Schulte, die den Entstehungsprozess meiner Dissertation von Beginn an engagiert und kritisch begleitet hat. Sie hat mir vor allem durch ihre Forschungskolloquien an der RuhrUniversität Bochum immer wieder Gelegenheit zum konstruktiven, sachorientierten Austausch gegeben. Hier erfuhr ich sehr wertvolle Anregungen in intensiven, persönlichen Gesprächen. Auch bin ich glücklich, dass sie sich auf meine Begeisterung für den Tanz wie auf meine Denk- und Schreibweise eingelassen und mich über die Jahre immer wieder ermutigt hat, diese Arbeit fertig zu stellen. Frau Dr. habil. Monika Woitas danke ich für ihre Gesprächsbereitschaft und die Übernahme der Zweitbegutachtung der Dissertation. Während meiner Recherchen bin ich häufig auf Menschen getroffen, die sich für mein Anliegen interessiert haben, mir Zugang zu Bibliotheken und Archiven eröffneten und mir auch durch das persönliche Gespräch eine Hilfe waren. So möchte ich vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Institutionen danken, die mir in Frankreich, Österreich, Belgien, den Niederlanden sowie in den USA Einblicke in die 1582er Ausgabe des balets comique ermöglicht haben. Auch die freundliche Unterstützung in der J.R. Ritman Library in Amsterdam durch José Bourman und die mir hier ermöglichte Einsicht in weiterführende Traktate des 16. Jahrhunderts waren mir zu Beginn meiner Recherche hilfreich. In Fragen zum und über den Tanz war mir der langjährige Austausch im Anschluss an den Internationalen Tanzkongress in Gent im Jahr 2000 eine frühe und deshalb wertvolle und nachhaltige Anregung. Auch für die freundliche Unterstützung von Marieke Debeuckelaere, Kasteel van Gaasbeek, möchte ich mich bedanken, ebenso bei Verity Clarke, Penshurst Place & Gardens, Kent. Ohne den mühevollen Einsatz der Mitarbeiterinnen der Hochschulbibliothek in Aachen, stets im Bemühen herausfordernde Fernleihen doch noch zu realisieren, wäre meine Recherche wesentlich beschwerlicher gewesen. Michaela Bünger hat dankenswerter Weise das Korrektorat meines Manuskripts übernommen. Nielz Müller sei für den unermüdlichen Einsatz zur professionellen Drucklegung der Arbeit herzlich gedankt. Bei Frau Elena Mohr

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Vorwort

und Frau Sandra Hartmann vom Böhlau Verlag, Köln, möchte ich mich für die gute Kooperation und Betreuung bedanken. Freundschaftliche Unterstützung erfuhr ich immer wieder aus meinem persönlichen Umfeld. Namentlich möchte ich hier Julia Schuster, Dr. Barbara Verwiebe, Claudia Kranz und Dr. Hannfried von Hindenburg vor allem auch für ihre Übersetzungshilfen danken. Frau Dr. Christiane Kuhlmann, Theo Grütter, Ágnes Wirtz, Elisabeth Lantermann, Heidrun Opitz und besonders Oliver Münker danke ich für ihre kritischen Fragen und Anregungen im Laufe vieler Jahre. Auch allen anderen Freunden, die mich unterstützt und insofern zur Fertigstellung meiner Dissertation beigetragen haben, sei Dank. Besonders herzlich möchte ich meinen Eltern, Waltraud und Dieter Pfeiffer, dafür danken, dass ich so früh und dauerhaft mit dem Tanz in Berührung kommen durfte. Ihr stets großes Interesse, auch an meiner Arbeit und ihre zuversichtliche Haltung waren und sind mir oft eine große Hilfe. Was ich dem geliebten Mann an meiner Seite, Heinz Werden, verdanke, kann nur ermessen, wer ähnlich liebevolle Zuwendung und Unterstützung erfahren hat. Angelika Werden, Juli 2010

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Für Heinz und Kristian

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Einleitung

Einleitung

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Einleitung1

1. Das performative Potential des tänzerischen Ereignisses und die mögliche Verfügbarkeit des kulturhistorischen Objektes Tanz in seiner schriftlichen Fixierung erzeugen, betrachtet man dies von heute aus, eine Spannung, die ich in ihrer Relevanz für die Frühe Neuzeit genauer ergründen möchte. Den Untersuchungsrahmen der vorliegenden Arbeit bildet hierbei das Hofund Festleben des frühneuzeitlichen Frankreichs am königlichen Hof der Valois, insbesondere im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts: Zu diesem Zeitpunkt handelt es sich um den Hof Henris III. und seiner Frau Louise de VaudémontLorraine sowie der Königinmutter Caterina de Medici. Der Tanz, und hier primär das balet comique de la royne (1581/82) als ein frühes ballet2 an diesem frühneuzeitlichen Hof, soll analysiert und in der höfischen Kultur der Valois verortet werden: Der Tanz zeigt sich einerseits im höfischen Gefüge vielfältig vernetzt, wie er gleichzeitig das höfische Gefüge zu vernetzen und zu konsolidieren hilft: Tanz vernetzt. Konkret bedeutet dies, dass Gegenstand der Untersuchung zum Ersten das balet comique de la royne von 1581 als höfisches Tanz- und Festereignis3 einer vonKönig Henri III. arrangierten Hochzeit und als eines von Königin Louise in 1 2

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Diese Arbeit berücksichtigt die derzeit geltenden Regeln der reformierten Rechtschreibung und Zeichensetzung. Im Folgenden wird der frühneuzeitliche Begriff ballet [bei tradierten programmatischen Titeln auch balet] für jene Formen des Schautanzes verwendet, der sich mit Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte. In inhaltlicher Adaption der von Monika Woitas vorgeschlagenen Definition zum Terminus ‚Ballett‛, dass sich dieses nämlich „im und aus dem Kontext musiktheatralischer Formen entwickelte, wobei sich in der Folgezeit künstlerisch stilisierte Körperbewegung zu einem hochspezialisierten Zeichensystem verdichtete“, möchte ich gerade in Abgrenzung zu der hier angesprochenen späteren Entwicklung für die vorliegende Arbeit auf den Begriff ‚Ballett‛ zugunsten des zeitgenössischen Begriffs ballet/ balet verzichten. Zur Defintion von Monika Woitas siehe dies.: Schautanz. In: Tanz. Hg. v. Sibylle Dahms. Kassel u.a. 2001, S. 91. Die folgende Bibliografie gibt einen umfangreichen Überblick zum Forschungsstand des Festwesens: Watanabe-O’Kelly, Helen, Simon, Anne (Hg.): Festivals and ceremonies: a bibliography of works relating to court, civic and religious festivals in Europe 1500 – 1800. London 2000. Unter den online Ressourcen zum frühneuzeitlichen Fest bzw. sei an dieser Stelle exemplarisch verwiesen auf: Renaissance Festival Books online unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookList.aspx sowie das Portal der bibliothèque numérique de la Bibliothèque nationale de France unter URL: http://gallica.bnf.fr/. Siehe auch auf das jüngst installierte Portal URL: http://cour-de-france.fr/?lang=fr zu Dokumenten, Untersuchungen und wissenschaftlichen Quellen zum französischen Hof bis zum 19. Jahrhundert. (alle letzter Zugriff Juli 2010)

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Einleitung

Auftrag gegebenen balets4 ist. Gegenstand der Untersuchung ist zum Zweiten das zum balet comique entstandene Druckwerk von 1582. Für diese schriftlich niedergelegte Beschäftigung und Behandlung, herkömmlich als Festbericht, Festdokumentation oder auch festival book5 bezeichnet, wird im Folgenden, sicherlich nicht als treffendste Lösung, der aber semantisch weiter gefasste Terminus ‚Traktat‛ verwendet.6 Detailliert richtet sich der Blick der Untersuchung damit auf das wohl

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Siehe hierzu auch Ute Daniel: „Eine systematische Analyse höfischer Feste muss diese Feste, ihre Semiotik und ihre Praxis ebenso ernst nehmen wie die ‚formalisierteren‛ Versionen festlicher Aktivität. Hier sind noch (fast) alle Fragen offen.“ Aus: Daniel, Ute: Überlegungen zum höfischen Fest der Barockzeit. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Hg. v. Hist. Kommission für Niedersachsen und Bremen. Bd. 72. Hannover 2000, S. 45–67. Helen Watanabe-O’Kelly schlägt vor, solche Werke als eigene Textgattung zu beschreiben und von ihnen als „festival books “ zu sprechen. Diese Festbücher definiert sie als „the official printed account of the festival produced by the body which commissioned the festival itself.“ […]„It is consequently necessary to consider the festival book as a textual genre, to see it within the context of the early modern court, to sketch in its history and to offer some pointers as to how to read it. “ Aus: Watanabe-O’Kelly, Helen: The early modern festival book: function and form. In: Europa Triumphans. Court and civic Festivals in early modern Europe. Vol. I. Hg. v. John R. Mulryne, Helen Watanabe-O’Kelly, M. Shewring. Publications of the Modern Humanities Research Association. Bodmin/Cornwall 2004, S. 3–19, hier S. 3. Helen Watanabe-O’Kelly weist darauf hin, dass sich die Forschung mit dem Umstand, hier ein eigenes Textgenre vorzufinden bisher wenig beschäftigt habe; Ausnahmen bilden: Watanabe-O’Kelly, Helen: Festival Books in Europe from Renaissance to Rococo, in: Seventeenth Century, 3 (1988), S. 181–201 sowie Rahn, Thomas: Fortsetzung des Festes mit anderen Mitteln. Gattungsbeobachtungen zu hessischen Hochzeitsberichten. In: Frühneuzeitliche Hofkultur in Hessen und Thüringen. Hg. v. Jörg Jochen Berns und Detlef Ignasiak. Jenaer Studien. Bd.1 Erlangen, Jena 1993, S. 233–48. Siehe auch Stähler, Axel: „Perpetuall Monuments“. Die Repräsentation von Architektur in der italienischen Festdokumentation (ca. 1515–1640) und der englischen court masque (1604– 1640). Diss. Bonn. Studien zur englischen Literatur. Hg. v. Dieter Mehl. Bd. 12. Münster 2000, hier S. 11–20. Meines Erachtens gestaltet sich jedoch die Verwendung der genannten Komposita schwierig, da sich das Determinativkompositum im Deutschen wie im Englischen so bestimmt, dass das Erstglied (Determinans/Bestimmungswort) das Zweitglied (Determinatum/Grundwort) näher bestimmt – im Unterschied zu romanischen Sprachen, hier ist es umgekehrt. Die durch das Determinans eingeschränkte Semantik des Determinatum betont folglich im konkreten Fall die Determinaten „Bericht“, oder „Dokumentation“ oder „Book“. Diese verweisen m.E. jedoch semantisch entweder auf eine unangemessene Form, nämlich gerade erst auf den mit der Abfassung intendierten Authentizitätsanspruch des Werks (Bericht, Dokument) oder auf einen unscharfen Bezeichnungsakt (Buch). Entgegen der herkömmlichen Praxis verwende ich vorliegend den Begriff ‚Traktat‛, der (oder das) sich von seinem lateinischen Ursprung her als „Behandlung, Beschäftigung mit“ übersetzen lässt. Das Traktat bestimmt sich dabei „über die Behandlung eines einzelnen Themas zu einem bestimmten Zweck“ und wurde meist mit Wertungs- und Appellform ausgestattet. Im Laufe seiner Verwendung wurde es so weit gefasst, dass „schließlich alle bekannten Wissensgebiete auf eine mehr oder weniger sachlich orientierte, einem festen Weltbild ver-

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bekannteste Beispiel, nämlich auf das am 15.10.15817 im großen Saal des Palais de Bourbon nahe des Louvres – anlässlich der Hochzeit von Anne d’Arques de Batarnay, duc de Joyeuse mit Marguerite de Vaudémont-Lorraine, einer Stiefschwester der Königin Louise –, zur Aufführung gebrachte balet comique de la royne. Den mehrtägigen Feierlichkeiten kam besondere Beachtung zu, da sie einen Favoriten des Königs zu einem Mitglied der königlichen Familie machten und politisch in Verbindung mit dem Beginn der schwersten Periode der sog. ‚Religionskriege‛ in Frankreich standen. Viele moderne Untersuchungen betonen für das Tanzereignis im Oktober 1581, dass es einen Höhepunkt in der französischen Festkultur darstellt, da angeblich erstmalig in dieser Aufführung das Zusammenspiel von Poesie, Musik, Tanz und technischer Dekoration in dramatischer Kohärenz verwirklicht worden sei.8 Nicht zuletzt verdankt das balet seinen Bekanntheitsgrad einer überdurchschnittlich guten Quellenlage: Das als achtes von insgesamt siebzehn Veranstaltungen innerhalb der fünfzehntägigen Festlichkeiten zur Aufführung gebrachte Werk ist das einzige Ereignis, das als 152seitiges Traktat durch Baltasar de Beaujoyeulx (eigentlich ital. Balthazarini) abgefasst und von Adrian Le Roy, Robert Ballard und Mamert Patisson mit königlichem Privileg vom 13. Februar 1582 gedruckt wurde.9 Zentral für die vorliegende Untersuchung sind hierbei Fragen, die insbesondere auf die Herausgabe und Intention der Festschrift den Fokus richten und in den Blick nehmen, was im Druckwerk des balets comique gespeichert oder auch erst qua Schriftlichkeit konstruiert werden sollte. Das mit diesen verschriftlichten Festdarstellungen verbundene Kernproblem umreißt Mark

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pflichtete Art und Weise im Traktat verhandelt werden konnten.“ Hier aus: Keller, Jost: „Traktat“ als elektronische Ressource unter URL: http://www.uni-duisburg-essen.de/einladung/Vorlesungen/washeisst/traktat.htm (letzter Zugriff Juli 2010). Dieses (korrigierte) Datum wird von Pierre de L’Éstoile für das Jahr 1581 angegeben. Hier nach: L'Éstoile, Pierre de: Mémoires-Journaux : 1574 – 1611. Bd. II. 1581 – 1586. Hg. v. Raymond Jouaust. ND der Ausg. 1875–1899. Paris 1982, S. 22. Ursprünglich war die Aufführung des balets bereits für den 24. September und somit wenige Tage nach der eigentlichen Hochzeit am 18. September geplant. Stellvertretend für viele sei genannt: Pastori, Jean-Pierre: L’homme et la danse. Le danseur du XVIe siècle. Fribourg 1980, S. 28. Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de Vaudemont sa soeur. Paris 1582. Eines der neun Exemplare der 1582er Ausgabe aus der Bibliothèque nationale de France mit der elektronische Ressource unter NUMM 111073: URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k1110737 (letzer Zugriff Juli 2010). Eine Nachweisauflistung der 1582er Ausgabe unter Ergänzung der jeweils besonderen Merkmal der Exemplare findet sich im Anhang A dieser Arbeit.

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Greengrass, wenn er konstatiert: „Through their descriptions, we see only what their authors intended us to see.“10 Was zeigt sich uns also? Kaum eine Untersuchung zum höfischen Fest kommt heute, unter nahezu inflationärer Nutzung, ohne den Begriff der ‚Repräsentation‛ aus. Dies gilt auch für die vorliegende Arbeit, wenngleich der Repräsentationsbegriff selbst kritisch reflektiert werden soll. Ausgehend von der Überlegung, dass die Geschichte der europäischen Höfe „selbst die Form einer Geschichte, einer Erzählung“11, angenommen hat, was verlangt, nach den Inhalten und narrativen Mustern und Strukturen dieser Erzählung ‚höfischen Lebens‛ im Gegensatz zu den Inhalten der höfischen Feste selbst zu fragen, will die vorliegende Arbeit auch den Begriff der Repräsentation als heuristisches Konstrukt verstanden wissen.12 Zunächst bedeutet dies, einmal mehr darauf zu verweisen, dass die vorliegenden Ausführungen durchaus im Bewusstsein entstanden sind, dass über kaum ein anderes frühneuzeitliches Tanzereignis bereits soviel geschrieben worden ist wie über das balet comique. Insofern handelt es sich durchaus um die Wiedervorlage eines zumindest der Tanzforschung vertrauteren Gegenstandes.13 10

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Greengrass, Mark: Henri III. Festival Culture and the Rhetoric of Royality. In: Europa triumphans: court and civic festivals in early modern Europe. Bd. 1. Publications of the Modern Humanities Research Association. Hg. v. James Ronald Mulryne. London 2004, S. 105–115, hier S. 105. Daniel 2000, a.a.O., S. 46. So betont auch Ute Daniel: „Der Begriff Repräsentation und die auf ihm beruhende Interpretation höfischen Lebens, dies scheint mir das Problem zu sein, macht vorschnell vertraut mit Zusammenhängen und Sinnhorizonten, deren Fremdheit und Andersartigkeit damit aus dem Blick gerät.“ Aus: Ebda., a.a.O., S. 47. Zu den grundlegenden Arbeiten gehören zum einen die der Herausgeber von Faksimileausgaben bzw. Übersetzungen. Hier sind in chronologischer Folge zu nennen: Beaujoyeulx, Baltasar de: Balet Comique de la Royne 1582. A cura di Giacomo Alessandro Caula.Turin 1965; Balet Comique de la Royne. Musicological Studies and Documents. Hg. .v. Carol und Lander MacClintock. Englische Übersetzung. New York 1971; McGowan, Margaret, M.: Le Balet Comique by Balthazar Beaujoyeulx, 1581. Center for Medieval & Early Renaissance Studies. Faksimile der Ausg. Paris 1582. Italienische Übersetzung in: Dellaborra, Mariateresa: Une invention moderne: Baldassarre da Belgioioso e il Balet comique de la Royne. Con una prefazione di Piero Gargiulo. Strumenti della ricerca musicale, 4. Lucca 1999. Binghamton 1982. An modernen Darstellungen zum balet comique, z. T. im Rahmen einer Behandlung des sog. ‚ballet de cour‛ sind in chronologischer Folge zu nennen: Leclerc, Ludovic (pseud. L. Celler): Les origines de l'opéra et le ballet de la reine 1581: Étude sur les danses, la musique aux XVI. siècle. Paris 1868; Prunieres, Henry. Le Ballet de Cour en France Avant Benserade et Lully. Paris 1914; Sazonova, Julie: La vie de la danse: du ballet comique de la reine. Paris 1937; Yates, Francis A. The French Academies of the Sixteenth Century. London 1947; Yates, Frances A. The Valois Tapestries. London 1959; Leclerc, Hélène: ‚Circé‛, ou Le ballet comique de la royne(1581): metaphysique du son et de la lumière. In: Theatre ResearchRecherches Théâtrales 3, Nr.2 (1961) S. 101–120; McGowan, Margaret, M.: L'Art du Ballet de Cour en France 1581– 1643. Paris 1963; Lacroix, Paul: Ballets et Mascerade de Cour de Henri III à Louis XIV. Bd. 1. Geneva 1968; Delmas, Charles: Le Ballet comique de la

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Der Blick auf die höfischen Feste der Valois zeugt davon, dass in diesen Herrschaft14 als Gegenmodell zu Krieg verstanden werden sollte: Es sind Erzählungen vom friedlichen Miteinander wie von ‚guter Herrschaft‛. Tanz fungiert hier häufig als Medium der Vermittlung mythischer Versatzstücke, wobei gerade das balet comique auch auf seine Vorläufer verweist. Darüber hinaus stellt der Tanz den

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Reine (1581), structure et signification. In: Revue d’histoire du théâtre, Vol. 22, Nr.2 (1970), S. 142–156; Anthony, J.R., French Baroque Music from Beaujoyeulx to Rameau. London ²1973; Zur Lippe, Rudolf: Naturbeherrschung am Menschen. 2 Bde. Frankfurt/M. 1974; Jacquot, Jean, Konigson, Elie (Hg.): Les fêtes de la Renaissance III. Paris 1975; Hardy, Camille: Balet comique de la Reine: A Primer on Subtext and Symbol. In: Proceedings, Dance History Scholars, Fifth Annual Conference: Harvard University, 13–15 February, 1982. Hg. v. Christena L. Schlundt. Cambridge 1982, S. 137–147. Christout, MarieFrançoise: Le Balet Comique de la Royne and the Ballet de Cour. In: Dance Chronicle, 6.3 (1983), S. 267–272; Prudhommeau, Germaine: A propos du Balet comique de la Reine. In: La Recherche en Danse, 3 (1984), S. 15–24; Woodruff, Dianne L.: The Ballet Comique in the Petit Bourbon: A Practical View. In: Proceedings of the Society of Dance History Scholars (1986), S. 91–129; Franko, Mark: The dancing body in Renaissance choreography. Birmingham 1986; Zur Lippe, Rudolf: Vom Leib zum Körper. Naturbeherrschung am Menschen in der Renaissance. Reinbeck 1988; Strong, Roy: Feste der Renaissance. (Engl. Ausg. Boston 1975). Freiburg, Würzburg 1991;. Franko, Mark: Dance as text : ideologies of the baroque body. Cambridge u.a. 1993, S. 32–51; Canova-Green, Marie-Claude: Le ballet de cour en France. In: Spectacvlvm Evropævm (1580 – 1750). Theatre and spectacle in Europe. Histoire du spectacle en Europe. Hg . v. Pierre Béhar. Wiesbaden 1999, S. 485– 512; Daye, Anne: Honneur à la danse: A Choreographic Analysis of the Ballet Entries of Le Balet Comique de la Royne. In: Terpsichore 1450–1900. International Dance Conference Ghent. 11.–18.4.2000. Unveröffentlichter Tagungsbericht. Hg. v. Barbara Ravelhofer. Gent 2000, S. 71–83; Knecht, Robert Jean: Court Festivals as political spectacle: the example of sixteenth-century France. In: Europa triumphans: court and civic festivals in early modern Europe. Hg. v. James Ronald Mulryne. Aldershot 2004, S. 19–31; McGowan, Margaret M.: L’essor du ballet à la cour de Henri III. In: Henri III mécène: des arts, des sciences et des lettres. Hg. v. Isabelle de Conihout, Paris 2006, S. 82–89. Im vorliegenden Zusammenhang erscheint es mir geeignet, gerade wegen der Betonung kommunikativer und interaktiver Aspekte, mit einem Herrschaftsbegriff zu arbeiten, wie ihn Ralf Pröve und Markus Meumann in ihrem jüngst vorgelegte Band zur „Herrschaft in der Frühen Neuzeit“ vorschlagen: „Herrschaft wird [.] als soziale Praxis begriffen, die Herrschende und Beherrschte in einer kommunikativen und sich wandelnden, allerdings durch obrigkeitlich gesetzte Normen einerseits sowie ungeschriebenen Traditionen andererseits begrenzten Beziehung verband. Diese soziale Praxis entwickelte sich innerhalb der Grenzen eines Herrschaftsgebietes, oftmals aber zunächst innerhalb des kleineren Rahmens rechtlich, ökonomisch und sozial in sich geschlossener, voneinander abgegrenzter räumlicher und sozialer Einheiten. Um Herrschaft präzise beschreiben zu können, erscheint es daher ratsam, sie im Rahmen solcher Einheiten zu untersuchen, die oftmals zugleich Herrschaftsraum wie Herrschaftsinstrument sein konnten. Besonders gilt dies für Formationen, die sich aufgrund von Selbstbeschreibung und Sinnstiftung, aber auch ihrer funktionalen und kommunikativen Binnenstrukturen als ‚soziale Systeme‛ charakterisieren lassen.“ Aus: Meumann, Markus, Pröve, Ralf: Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit. In: dies. (Hg.): Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamischkommunikativen Prozesses. Münster 2004, S. 5.

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‚Kitt‛ sowohl im theatralen, dramatisch kohärenten Gefüge, besonders an der Schnittstelle von Spiel und höfischer Wirklichkeit dar, als soziale wie ästhetische Praxis im Gefüge des Hofes. Der Tanz wird als Medium der Transformation komplexen, innerhöfischen Wirkungsabsichten gerecht. Zudem nehmen konkret im balet comique gerade diese Wirkungsabsichten über die Thematisierung der physischen Körper des Königs und der Königin Gestalt an. Mehrfach scheint dies in einem Akt der Stellvertretung über das Brautpaar Joyeuse-Vaudémont im Verbund diverser Symbolisierungen zu geschehen. Abgesehen davon, dass kaum eine umfassendere Darstellung und Untersuchung des balets comique aus dem deutschsprachigen Raum vorliegt, geriet das Druckwerk zum balet comique als eigenständiges Medium selten in den Blick. Das Traktat lässt vielfältige Lesarten zu. So zeugt es, versteht man es als ‚höfische Presseerklärung‛ (Daniel), auch vom Bemühen um Innovation, motiviert in der Absicht außerhalb des Valois-Hofes Eindruck zu erzielen. Bei der hiermit berührten Frage nach den auch ‚überregionalen‛ Adressaten der Inszenierung gerät der Hof in seiner sozialen Binnenstruktur und mit seiner sozialen Praxis ebenso in den Blick wie das Moment des Erzählens selbst zum wichtigen Indikator wird: „Miteinander und übereinander zu reden und zu schreiben war ein zentrales Bedürfnis der europäischen Hofelite […].“15 Einblick in die Bedingtheit des Erzählens als konstitutives, gemeinschaftsbildendes Element humanistisch ausgerichteter Gemeinschaften von Tanzschaffenden wie Akademiemitgliedern ermöglicht hierbei exemplarisch die Biografie des Tanzmeister Baltasar de Beaujoyeulx. Seine Biografie und ihre Rezeption werden über die kulturellen Netzwerke des Valois-Hofes hinaus wahrgenommen und durch seine italienische Herkunft als Musiker und Tanzmeister beeinflusst und bedingt. Das in Tanz und angemessenem Benehmen zu belehrende adelige Personal ist Akteur wie Zuschauer. Der Tanzmeister mit seinen kultivierten Produktionen hilft, das soziale Gefüge des Hofes mit seiner besonderen kommunikativen Struktur zu stützen. Mit dem, vom Tanzmeister selbst verfassten Druckwerk kann vor allem auch eine breitere adelige Öffentlichkeit erreicht werden. Das gilt für reale Lesergruppen wie für fiktive. Hierbei beschwören gerade die Traktate selbst eine für die Rezeption des gedruckten Werks wie für die Partizipation und Anteilnahme am Tanz notwendige Disposition: die Fähigkeit zur Imagination. Exemplarisch kann dies an den fiktiven, aber symbolisch verdichteten Zahlenangaben in den Szenenbeschreibungen des balets comique gezeigt werden und gilt zudem für unrealistische Angaben von Größenordungen, wie sie sich z. B. im

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Ebda., S. 49.

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Phänomen des imaginierten Publikums zeigen.16 Korrespondierend hierzu lassen sich seit dem 15. Jahrhundert Ausführungen von italienischen Tanzmeistern wie Domenico da Piacenza nachweisen, die dieser Fähigkeit beim Tanzenden selbst besonderes Gewicht beimessen. Um das ereignisförmige Fest nicht auf seine Inszenierung zu reduzieren, ist besonders intensiv nach der Kontextualisierung und den Bedeutungszusammenhängen zu fragen, in die das Fest und mithin seine Repräsentationsleistung zu verorten ist.17 Die Wirkungsabsicht, die mit der Beschreibung, dem Druck und der Visualisierung des Festablaufs verbunden wurde, kann für das balet comique weit entfaltet werden. Neben den intendierten Transformationsprozessen, die das Ereignis selbst anstoßen will, ist gerade das Spannungsverhältnis von Bild und Schrift in der Druckfassung des balets vielschichtig. Auch stellt sich die Frage, inwiefern der Tanz selbst durch Narration und schriftliche Fixierung transformiert wird. 2. Als kulturelle Artefakte verstanden sind die ballets und die zu ihnen entstandenen Schriftwerke „Darstellungsformen kultureller Selbstauslegung“, die die Bedingtheit „eines komplexen Netzwerkes sozialer und diskursiver Verknüpfungen“ offenlegen wie auch selbst durch diese bestimmt werden.18 Von dieser Annahme ausgehend, soll die Untersuchung des balet comique auch als eine kulturanthropologische und damit holistisch ausgerichtete verstanden werden. Wesentlich ist zudem ein diskursanalytischer Zugriff19, der den Zusammenhang von Tanz als kulturellem Handeln und sprachlicher Form fokussiert. Hierbei interessiert besonders die Abgrenzung des Diskurses um das balet als ereignisförmiges Phänomen gegenüber dem Text als sprachliche Struktur. Gefragt werden soll auch nach dem, was in den Redeweisen nicht gesagt wird oder nicht sagbar ist. Weitere Kontextualisierungen sollen im Zugriff auf Disziplinen wie die Historische Anthropologie, die Hof- und Festgeschichte sowie die Mediengeschichte 16 17

18

19

Daniel 2000, a.a.O., S. 49. Siehe hierzu auch Daniel: „Gerade hier [.] ist die Pseudoerklärung ‚Repräsentation‛ und ihre Gleichsetzung mit Prunkentfaltung zwecks Machtdemonstration und –steigerung dem Verständnis hinderlich […]. Es (ein Fest. A.W.) muss vielmehr in einen weiteren historischen Zusammenhang gestellt werden, der neben anderem Veranlassungen und Vorbereitungen, die verschiedenen Bedeutungen, die es für verschiedene Personen(kreise) hat, und die verschiedenartigen Folgen, die es für verschiedene Personen und Gruppen zeitigt, enthält.“ Aus: Daniel 2000, a.a.O., S. 53. Vergleichbar für die Musikwissenschaft formulierten dies bereits Corinna Herr und Annette Kreutziger-Herr. Siehe hierzu Herr, Corinna, Kreutziger-Herr, Annette: Methoden, Konzepte, Perspektiven – ein Dialog. In: Musik mit Methode. Neue kulturwissenschaftliche Perspektiven. Hg. v. Corinna Herr u. Monika Woitas. Köln u.a. 2006, S. 1–43, hier S. 21 und S. 32. Steinmetz, Willibald: Diskurs. In: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe. Hg. v. Stefan Jordan. Stuttgart 2000, S. 56–61.

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erfolgen.20 Außer im angloamerikanischen Raum finden sich wissenschaftliche Studien zum Tanz bisher primär in der Theater- und Musikwissenschaft. Monika Woitas skizziert die bisherige Entwicklung wie folgt: „Das Interesse der älteren Tanzwissenschaft war nahezu ausschließlich auf biografische Aspekte oder regionale Chroniken fixiert, in denen eine Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen des Tanzes generell und des theatralischen Tanzes im Besonderen gar nicht oder nur sporadisch erfolgte. Informationsdefizite und Fehlinterpretationen21, die nicht selten von einem Autor zum nächsten weitergereicht wurden, waren die Folge und stellen neben den fehlenden Standardwerken immer noch das größte Hindernis für die wissenschaftliche Auseinandersetzung dar.“22

Tanzforschung ist stets interdisziplinär, worin Schwierigkeiten wie Erkenntnismöglichkeiten begründet sein können. 3. Vor diesem Hintergrund sind Korrektive und somit die Hinzunahme anderer Quellenarten unbedingt notwendig. Für die vorliegende Untersuchung wurden, neben einer historisch-kritischen Lektüre des Traktates der Ausgabe von 1582, folgende Quellen fruchtbar gemacht: vergleichbare Festbeschreibungen des französischen Hofes aus dem näheren zeitlichen Umfeld, frühneuzeitliche Tanz20

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Verzichtet wird auf eine systematische Verwendung des Begriffes der Performanz wie er nach dem sog. ‚performative turn‛ häufiger in der Fest- und Ritualforschung zu finden ist, setzt dieser doch streng genommen zunächst die (Re)konstruktion der Quellen voraus. Vgl. Martschukat, Jürgen, Patzold, Steffen (Hg.): Geschichtswissenschaft und ‚performative turn‛: Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Köln u.a. 2003, hier S. 1–32. Auch im Zusammenhang mit dem balet comique finden sich häufig fehlerhaft Angaben. Exemplarisch seien genannt: Gregor, Joseph: Kulturgeschichte des Balletts, Wien 1944, S. 160 hier wird das „balet de la Reine“ schon 1573 für die polnischen Gesandten aufgeführt; in: Kindermann, Heinz: Theatergeschichte Europas. Salzburg 1957, S. 147 wird das balet comique nach Versailles verlegt. Bei Klein, Gabriele: FrauenKörperTanz Weinheim u.a. 1992 wird gesagt, der König habe in der Rolle des Jupiters mitgetanzt. Bei Liechtenhan, Rudolf: Vom Tanz zum Ballett, Stuttgart, Zürich 1983, S. 34 wird dargestellt, der König sei als „Adler“ herbeigeflogen, dabei wird er auf Wolke herabgesenkt. In der von demselben Autor verfassten Ballettgeschichte im Überblick. Wilhelmshaven 1990, S. 21 wird Caterina de Medici zur Auftraggeberin. So auch Kindermann 1957, a.a.O., S. 148. In Stähler 1999, a.a.O., S. 460 heißt es „eines in Versailles aufgeführten ballet de cour“, auch wird angegeben, die „Radierungen und 18 Emblemata“ seien von „Claude Gelées (i.e. Claude Lorraine)“; dieser wird aber erst 1600 geboren. Aber auch Robert Jean Knecht spricht vom „Balet Comique de la Reyne for which Caterina de’Medici was responsible“ spricht. Aus: Knecht 2004, a.a.O., S. 26. Woitas, Monika: Im Zeichen des Tanzes. Zum ästhetischen Diskurs der darstellenden Künste zwischen 1760 und 1830. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Musik. Bd. 6. Herbolzheim 2004, S. 6. Hier auch mit dem bibliografischen Hinweis zum Forschungsstand der Tanzwissenschaft in Europa: Art. Tanzforschung. In: Neue MGG Bd.9, Kassel 1998, Sp. 248ff sowie Bayerdörfer, H.-P., Jeschke, C.: Bewegung im Blick. Beiträge zu einer theaterwissenschaftlichen Bewegungsforschung. Berlin 2000, S. 7–12.

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lehrbücher23 und Benimmschriften, ästhetische und tanztheoretische frühneuzeitliche Schriften, in denen der historisch-philosophische Kontext des Phänomens Tanz thematisiert wird (vor allem aus Italien und Frankreich), literarische Quellen wie Memoiren und Gedichte, vor allem auch im Umfeld der Académie de Poésie et de Musique von Jean-Antoine de Baif, Diplomatenberichte wie Briefe, normative Quellen wie Ordonanzen, Bibliotheksbestandsübersichten wie Gehaltslisten, frühneuzeitliche Traktate, z. B. zu philosophischen Gegenständen, die Rezeption des Traktats von 1582 im Wiederabdruck des Jahres 1612 sowie Wiederaufnahmen aus nachfolgenden Jahrhunderten, ikonographische Quellen (z. B. Kupferstiche des Traktats; Gemälde zum bal als höfischem Tanzereignis, der umfangreiche Zyklus der sog. Valois-Tapisserien.) 4. Der Aufbau der Darstellung folgt der dichotomen Struktur des Gegenstandes, wobei das höfische Tanzereignis wie sein Traktat in ihrer Vielschichtigkeit sukzessive durchdrungen und einer möglichen inneren Logik folgend ‚von Außen nach Innen‛, sodann als Medien der Transformation und Narration miteinander in Beziehung gesetzt, betrachtet werden sollen. Folglich wird im ersten Kapitel nach den politischen Rahmenbedingungen gefragt: Wie gestalteten sich die Bedingungen von Herrschaft und ihrer Verdichtung seit Beginn der 60er Jahre des 16. Jahrhunderts bis zum Ende der 80er Jahre am französischen Hof? Der Hof als Ort einer Ansammlung von Personen verschiedenster sozialer Gruppierungen lenkt den Blick auf die Frage nach der Hofhaltung wie auf die Strategien der Selbstbehauptung und Bewegungs- und Erziehungsgrundsätze von Hofmitgliedern innerhalb einer, noch genauer zu bestimmenden, höfischen Gesellschaft Ende der 1580er Jahre. Hierbei wird den königlichen Favoriten, unter ihnen der Bräutigam Anne de Joyeuse, eine besondere Rolle und Funktion zukommen. Denn gerade das Reden über die mignons und den König, aber auch die Wahrnehmung der Königin und die Kommunikation über sie zeigen, in welchem Maße sprachliche und konzeptuelle Festlegungen die politische und soziale Realität des späten Valois-Hofes geprägt haben. In dem so gefassten politischen wie sozialen Rahmen des Hofes bilden das Fest und der mit ihm präsentierte Tanz ein Ereignis mit Innen- wie Außenwirkung. Feste in der Frühen Neuzeit hatten eine zentrale Funktion für die politischsoziale Identitätsbildung einer Gesellschaft. Feste und theatrale Inszenierungen boten zugleich einen institutionalisierten Rahmen, in dem Normen und Werte 23

Frühneuzeitliche Tanzlehrbücher finden sich als online Ressource z. B unter An American Ballroom Companion, einem Portal der Library of Congress, Washington für den Zeitraum von 1490 bis 1920 URL: http://memory.loc.gov/ammem/dihtml/dihome.html; Weiterführende links zu digitalisierten Quellen der Tanzforschung und Transkriptionen der bekanntesten Tanzschriften des 16. Jahrhunderts finden sich auch unter: URL: http://www.rendance.org/primary.html (letzter Zugriff Juli 2010).

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eines Gemeinwesens gleichzeitig symbolisch und anschaulich ausgehandelt werden konnten. Es wird deutlich werden: Das balet comique bezieht seine Bilder und Gestaltungselemente wie die mythologischen Versatzstücke aus vorherigen magnificences am Hof. Seine besondere Ausprägung erhält es in seinem Anspruch auf dramatische Kohärenz sowie durch seine konkrete personelle Besetzung und Ausgestaltung im Rahmen seines politisch-sozialen Kontextes. Hier offenbaren sich enge Verbindungen zwischen den einzelnen königlichen Haushalten und den ihnen zugeordneten Personen, sodass der Hof auch als administrativer Ort in den Blick gerät. Ein biografischer Zugriff auf die Person Baltasar de Beaujoyeulx, als Schöpfer des balets comique, offenbart Ambiguitäten und Widersprüche sowie mannigfaltige Vernetzungen im kulturellen Netzwerk des Hofes, wie an den Valois-Akademien erkennbar wird, die sich im ästhetischen Spannungsfeld von Tradition und Innovation bewegen. Künstlerische Kooperationen wie Rivalitäten von Musikern und Dichtern legen zudem den Blick frei auf spezifische frühneuzeitliche Funktionen der Fama. Beaujoyeulx wird hier auch zum ‚Ab-schöpfer‛: Clovis Hesteaus Enchantemens au sieur de Beau-Joyeux, ein bisher selten in den Blick genommener Text, begünstigt und reflektiert die Fama des italienisch-französischen Musikers und Tanzmeisters de Beaujoyeulx. Vorbilder und Einflüsse dieses kulturellen Umfeldes bedingen die multifunktionale Anlage des balets comique mit. Sie offenbart sich tanztheoretisch wie gesellschaftspolitisch besonders in dessen Verhältnis zu konstruierten Maß- und Zahlenverhältnissen. Die mit dem Ereignis balet comique intendierten Transformationsprozesse sind vielgestaltig und bedingen die Fähigkeit zur Imagination ihrer Rezipienten. Die Antizipierung höfischer Realität als wesentlicher Bestandteil dieser Imagination ist für den grand bal als höfischen Tanzauftritt, den Schlussakt auch des balets comique markierend, kennzeichnend. Diese Hof-fähigkeit des gentilhommes, gerade in seinem Verhältnis zu seinen „Anschauer(n)“24 ist hier wesentlich, sind diese doch Indikator seines Ruhms. Der zweite Teil der Untersuchung ist dem zweiten Schwerpunkt und seiner Beschäftigung mit dem 1582 schriftlich verfassten Traktat des balets comique gewidmet. Mit dem gedruckten Wort wurde das Ereignis erst konstruiert und perpetuiert: Über die Augenzeugenschaft hinaus wurde das Ereignis universeller zugänglich bei gleichzeitiger Demonstration der Exklusivität der Partizipation am Ereig-

24

Pasch, Johann Georg: Anleitung sich bei grossen Herren Höfen und andern beliebt zu machen. Hg. v. Uwe Schlottermüller. Freiburg 2000 (ND der Ausgabe 1659), S. 37.

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nis selbst. Inwiefern transformiert das Buch die Bedeutung des Geschriebenen oder bildlich Dargestellten und wie steuert dies die Rezeption? Ein intensiver Blick auf die bibliographie matérielle (Vogel) sowie auf die Anlage des umfangreichen Vorredenteils mit Widmungsrede und Vorrede an den Leser soll hierbei Antwortmöglichkeiten aufzeigen und das Werk als ein humanistisch durchaus ambitioniertes ausweisen, das sich an Vorbildern im Umfeld des eigenen Hofes wie aus dem Kreis vornehmlich italienischer, tanztheoretischer Schriften orientiert. Die Aussagefähigkeit der Quellenart soll exemplarisch anhand der Vorwortanalyse zu Carosos Il Ballarino (September-Fassung 1581 und Oktober-Fassung 1581) vergleichend erfolgen. Das interdependente Verhältnis von Schrift und verwendeten Bildern macht ein weiteres wesentliches Produktions- wie Rezeptionsmoment von Tanztraktaten aus. Scheinbar paradox findet im gedruckten Wort zudem die eigentliche Repräsentation des Tanzes statt: In Abwesenheit des Körpers, so Mark Franko25, wird der Tanz medial vermittelt. In dieser gedanklichen Folge wird der Tanz durch den Akt der Imagination vergegenwärtigt und als performativer Gesamtakt präsent gehalten. Dieses Moment findet sich modifiziert auch im symbolisch hochverdichteten Akt der Devisenvergaben des balets comique durch die die Devisen übergebenden Tänzerinnen wieder. Hier ist besonders auffällig, wie das tranformative Potential dieser Vergabeakte in die Nähe zu alchemistischem Ideengut gerückt werden kann. In diesem Sinne repräsentiert das Traktat den Tanz auf eigenwillige Weise und Beaujoyeulx gibt dem Tanz offenbar tatsächlich die herausragendste Rolle im Gesamtspektakel. Ein nachfolgendes Kapitel widmet sich der ikonografischen und schriftlichen Rezeption des balets comique und seines ereignisförmigen Umfeldes. Hiermit weitet sich der Blick ausgehend vom eng gesteckten zeitlichen Rahmen des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts auf die Rezeption des balet comiques in nachfolgenden Jahrhunderten und legt Details zur Wirkung der ikonografischen wie schriftlichen Medien frei. Die abschließenden ‚Theoretischen Aneignungen‛ der Verfasserin wollen schließlich als Synthese aus dem eingangs in Aussicht gestellten Verständnis von Tanz „als kulturellem Handeln“26 wie als Reflexion über seine Fixierung im Neben- und Miteinander in Form von Tanz – Schrift – Memoria verstanden sein. Verweist der den frühneuzeitlichen Tanzbeschreibungen entnommene Begriff

25 26

Franko, Mark: The dancing body in Renaissance choreography. Birmingham 1986, S. 10. Herr, Kreutziger-Herr 2006, a.a.O., S. 34.

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der memoria auch auf mnemotechnische Aspekte27, lenkt er darüber hinaus den Blick auf den Tanz als Verhaltensmetapher für bestimmte und unbestimmtere Regulative. Hiermit kommt ihm ein Ort im durch Medien gestützten kulturellen Gedächtnis frühneuzeitlicher Gesellschaft zu.

27

Zur Unterscheidung von memoria und Mnemonik sowie Mnemotechnik siehe Berns, Jörg Jochen, Neuber, Wolfgang (Hg.): Ars memorativa: zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Gedächtniskunst 1400 – 1750. Tübingen 1993, hier S. 745–761.

25

I.

Das balet comique als Medium der Transformation und Narration

I.1.

Höfische Rahmenbedingungen

Vorstellungsweltliche Ordnungen (Schmale) sind zeitgebunden, sie verändern sich. Gerade deshalb bleibt gleichzeitig das Bedürfnis sie zu erzeugen. In diesem Sinne ist es im Folgenden ein zentrales Anliegen, die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen aufzuzeigen, in welche das balet comique de la royne am französischen Hof der Valois zu Beginn der 80er Jahre des 16. Jahrhunderts eingebettet werden kann. Zu fragen ist hierbei vor allem nach externen wie internen Indikatoren: Wie gestalten sich die Bedingungen von Herrschaft28 und ihrer Verdichtung seit Beginn der 60er Jahre des 16. Jahrhunderts bis zum Ende der 80er Jahre am französischen Hof?29 Mit den bereits in Aussicht gestellten Kriterien einer strukturierten Annäherung an das Phänomen des frühneuzeitlichen Hofes30 erscheint neben dem Blick auf seine Funktion als Regierungs- und Verwaltungssitz, die Beschreibung des physischen Ortes an dem ‚Hof gehalten‛ wird und der auf die personelle Konstellation besonders erfolgversprechend. In Anlehnung hieran soll für das vorliegende Vorhaben nach den internen Bedingungen des Hofes, seiner Binnenstruktur, gefragt werden: Was ist über den Valois-Hof der 80er Jahre des 16. Jh. als umfangreiches soziales Gefüge mit seinen vielschichtigen Vernetzungen und Beziehungsgeflechten zu erfahren? Fragen, die sich aus der Funktion des Hofes als Verwaltungssitz und Ort der Justiz ergeben, müssen weitgehend ausgeblendet werden. Vor allem soll die Funktion des Hofes als Ort von Festgestaltungen beleuchtet werden: Wie gestaltete sich das Verhältnis von Hof und Fest? Was ist über den locus Hof als architektonischen Festort zu erfahren? 28 29

30

Siehe hierzu, wie in der Einleitung erläutert, die zugrunde gelegte Begriffsklärung nach Markus Meumann und Ralf Pröve. Aus: Meumann, Pröve 2004, a.a.O., S. 5. In Anknüpfung an die vorgelegte Definition des Begriffes „Herrschaft“ nach Meumann, Pröve 2004, soll der, wenn auch in sich schon idealtypische Begriff „Hof“ als ein solch „soziales System“ im Folgenden begriffen und verwendet werden, sodass neben den in den herkömmlichen Forschungsansätzen primär genutzten Ressourcen aus Institutionen, Normsetzungen und fiskalischen Quellen vor allem auch Sinnstrukturen und Symbole als Mittel der höfischen Kommunikation in den Blick genommen werden. Daniel 2000, a.a.O. sowie dies.: The baroque court festival: the example of german courts around 1700. In: Europa triumphans: court and civic festivals in early modern Europe. Bd. 1. Hg. v. James Ronald Mulryne. Publications of the Modern Humanities Research Association. London 2004, S. 34–46, hier besonders S. 34.

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

26

Eine Kurzdarstellung der Genese des französisch-höfischen Festwesens kann hierbei erste Einblicke in die Struktur der sogenannten magnificences vermitteln, die wiederum den Ereignisrahmen für den genau zu betrachtenden Gegenstand, nämlich das im Zentrum der Untersuchung stehende balet comique de la royne aus dem Jahre 1581 bilden. Der Fokus auf das Festereignis des balet comique lässt zudem weitere, tanzhistorische Fragestellungen wichtig werden: Was ist über den Tanz und seine Inszenierung am Hofe zu erfahren? Wie sind hier die Bedingungen seiner Entstehung sowie seiner Rezeption?31 Diese Fragen sollen Anlass sein, auf die Suche nach den ersinnenden, ausführenden und zuschauenden Personen in ihren jeweiligen Kontexten zu gehen, um somit diverse Lesarten des eigentlichen Ereignisses aufzuspüren. Im weiteren Verlauf gilt es im Sinne einer notwendigen Kontextualisierung aufzuzeigen, inwiefern das Phänomen Tanz hier auf gesetzte Rahmenbedingungen rekurriert und möglicherweise über diese hinausgeht, indem es soziale, politische und ästhetische Wirksamkeit entfaltet. Konkreter gefragt heißt dies auch: Inwiefern handelt es sich um systematische und aufeinander abgestimmte Verwendungen? Was genau wird mit welchem Inhalt re-präsentiert und wem gilt dies?

I.1.1.

Politisches Gefüge: Die Bedingungen von Herrschaft am frühneuzeitlichen Hof der Valois

Caterina de Medici32 schrieb 1563/64 in einem Brief an ihre Tochter Elisabeth:

31

32

Wenn bei Ute Daniel die Frage nach der Außen- und Innenwirkung der höfischen Feste anklingt, so räumt sie zwar für Frankreich eine mögliche primäre „Innenwirkung“ ein, geht aber für die deutsche Entwicklung davon aus, dass die Adressaten der Feste primär die Mitglieder anderer Höfe waren. Siehe Ute Daniel 2004, a.a.O., S. 34. Für eine primär nach innen gerichtete Wirkungsabsicht des späten Valois-Hofes plädiert Le Roux, z. B. in: Le Roux, Nicolas: Henri III and the rites of monarchy. In: Mulryne 2004, a.a.O., S. 116–121. Auf die unterschiedlichen Erzählungen um die Person Caterinas im Laufe der Jahrhunderte, von der ‚Giftmischerin‛ und ‚grausamen Mörderin‛ über ein ‚staatsmännisches Genie‛ bis zur ‚unverstandenen, verkannten Königin‛ kann im vorliegenden Rahmen nicht detailliert eingegangen werden, siehe jedoch die Ausführungen bei Knecht, Robert Jean: Catherine de Medici. London u.a. 1998; auch Mahoney, Irene: Katharina von Medici. Königin von Frankreich. Kreuzlingen u.a. 1977 sowie Leonie, Frieda: Catherine de Medici. London 2003 und Paulson, Michael G: Catherine de Medici: five portraits. New York u.a. 2002. Die Briefe Caterinas finden sich abgedruckt in: Lettres de Catherine de Médicis. Hg. v. Hector de la Ferrière u. Baguenault de Puchesse. 10 Bde. Paris 1880–1909. Zur Biografie Catherinas außerdem zu den o.G.: Cloulas, Ivan: Catherine de Médicis. Paris 1979, Mariéjol, Jean-H.: Catherine de Médicis (1519–1589). Paris 1920, Sutherland, Nicola Mary: Catherine de' Medici and the Ancien Régime. London 1966 und Garrisson, Janine: Catherine de Médicis. L'impossible harmonie. Paris 2002.

1.1. Politisches Gefüge

27

„Gott [...] hat mir drei kleine Kinder und ein zutiefst zersplittertes Königreich gegeben, in dem es nicht eine Menschenseele gibt, der ich vertrauen kann oder die nicht ihre eigenen Zwecke verfolgt.“33

Der Satz ist komplex. Verrät er doch Wesentliches über das Fremd- und Selbstbild Caterinas und mögliches, politisches Kalkül, das in diesen Worten steckt.34 Zunächst beschreibt sie hier eine Sicht der Situation, wie sie zu Beginn der 60er Jahre möglich gewesen wäre: Mit dem unerwarteten Tod ihres Mannes Henri II., der während eines Turniers 1559 verunglückte35, wurde der erst 15-jährige, aber nicht minderjährige Erstgeborene als François II. König von Frankreich, seit einem Jahr mit der gleichaltrigen Maria Stuart verheiratet. Nach nur anderthalb Jahren verstarb ihr erstgeborener Sohn Charles II. jedoch. Am 5.12.156036 wurde der erst 10-jährige und damit minderjährige Charles als Charles IX. zum König bestimmt. Nun stellte sich die Frage der Regentschaft ganz offiziell und der Geheimrat gewährte Caterina, auf deren Intitiative hin, „in Anbetracht der großen Tugenden, der Klugheit, des besonnenen Verhaltens […] und der tiefen Zuneigung, die sie stets gezeigt hat“37, offiziell eine Vorrangstellung durch den Titel einer Statthalterin Frankreichs. Betrachtet man das Urteil des Geheimrats, so wird deutlich, dass die jahrelang geübte Rolle als „bescheidene und untadelige Gattin und [.] liebevolle Mutter“38 sich spätestens nun, nach anstrengenden Jahren neben der einflussreichen Rivalin Diane de Poitiers, bezahlt gemacht hatte.39 Mit Unterstützung ihres Kanzlers 33 34

35

36

37 38 39

Auszüge des ca. 1563/64 verfassten Briefes hier zit. nach: Strong, Roy: Feste der Renaissance. Freiburg, Würzburg 1991, hier S. 183. Lynne Magnussen macht deutlich, dass der Brief in der Frühen Neuzeit vornehmlich ein öffentliches Dokument darstellte. Siehe Magnusson, Lynne: Shakespeare and Social Dialogue: Dramatic Language and Elizabethan Letters. Cambridge 1999, S. 91–113. Siehe hierzu: Warhafftige Newe Zeittung von dem Großmechtigen König zu Franckreich. Wie seine Königliche Maiestat zu Pariß im Thurnier von einem Edelmann und Capitan beschedigt worden den Eylfften tag des Hewmonats dieses Neun und fünffzigsten Jars durch ein zuschlahendt tödtlich Fieber in Gott seliglich verschieden [etc]. Nuremberg, 1559. Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookDetails.aspx?strFest=0023 (letzter Zugriff Juli 2010). Chaix, Gerald: Der französische König Heinrich III (1574–1589). In: Der Herrscher in der Doppelpflicht. Europäische Fürsten und ihre beiden Throne. Hg. v. Heinz Durchhardt. Mainz 1997, S. 77–96, hier S. 77. Hier zit. nach: Muhlstein, Anka: Königinnen auf Zeit. Frankfurt/M. 2003, a.a.O., S. 38. Muhlstein 2003, a.a.O., S. 38. Interessant erscheint mir die Frage, inwiefern Caterina dieses Bild allerdings auch in Spiegelfunktion zu Diane de Poitiers entwarf und wirksam werden lassen konnte. Immerhin lässt sie sich nach Henris Tod nur die Kronjuwelen und Schloss Chenonceaux von Diane zurückgeben. Weitaus gravierendere, durchaus probate Maßnahmen gegen Diane hätten ihr jedoch zur Verfügung gestanden. Vorliegend kann diese Idee jedoch leider nicht weiter verfolgt werden.

28

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Michel L’Hôspital gelang es ihr zudem, weit darüber hinaus als eigentlich maßgebliche politische Lenkerin wahrgenommen zu werden, glaubt man z. B. den Worten des venezianischen Botschafters: „In der Regierung wird die Königinmutter als diejenige angesehen, deren Willen bei allen als höchster gilt; sie wird bei den Verhandlungen das letzte Wort haben.“40 Diesen Anspruch auf Ausübung politischer Macht unterstreicht sie nicht zuletzt durch die immer gleiche Weise, wie sie sich nach dem Tode Henris bis zu ihrem Tod darstellen ließ: Ganz schwarz gekleidet, mit Ausnahme des weißen Kragens, habe sie „eher als Minister und nicht als Königin“ 41 gewirkt, so der venezianische Gesandte Barbaro. Augenscheinlicher hätte sie den Anspruch auf eigene Politikfähigkeit im Verbund eines Entwurfes als Witwe Henri II. nicht darstellen können. Hierbei scheint gerade in der Verknüpfung dieser beiden Ideen überhaupt die Möglichkeit ihrer Realisierung zu liegen. Was Regina Schulte für den doppelten Körper der Königin, in Aufnahme der berühmten Studie von Ernst Kantorowicz42 herausarbeitet, scheint auch für Caterina zu gelten: „Es will nämlich so scheinen, als würde die politische Strahlkraft dieses besonderen Körpers (der Königin. A.W.) immer wieder auf seine ‚natürliche‛ zurückverwiesen, auf seine besondere geschlechtliche Dimension, als sei es ihre Weiblichkeit, die die Politikfähigkeit des Körpers der Königin in die Schranken verweist. Seine politische Kraft scheint der Nähe zu einem männlichen Körper zu bedürfen – als Gemahlin des Königs, als Mutter zukünftiger Herrscher, als Witwe und Hüterin königlichen oder dynastischen Erbes.“43

Caterina wird sich in diesem Gefüge stets gleichzeitig zweifach absichern: erinnert die Witwentracht, die ihren weiblichen, natürlichen Körper weitgehend bescheiden zurücknimmt, ihre Umgebung sichtbar an den königlichen Körper – „[…] in seiner Idealgestalt immer ein männlicher […]“44 – wird ein Großteil ihrer Aktivitäten sich auf ihr Selbstverständnis als Mutter aktueller wie zukünftiger Könige richten. Wollte sie auch zukünftig eine respektable Rolle am Hofe und im Staat45 innehaben, war diese Strategie politisch gesehen überlebensnotwendig. 40

41 42 43

44 45

Baschet, Armand: La diplomatie vénitienne. Les princes de l’Europe au XVIe siècle. François Ier, Philippe II, Catherine de Médicis, les papes, les sultans, etc., après les rapports des ambassadeurs vénitiens. Paris 1862, S. 508, hier zit. nach Muhlstein 2003, a.a.O., S. 38. Layard, Austen Henry (Hg.): Despatches of Michele Suriano and Marc Antonio Barbaro. Venetian Ambassadors at the Court of France. 1560–1563. Lymington 1891, S. 96. Siehe Kantorowicz, Ernst H.: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters. (1957). Dt. Ausgabe München 1990. Schulte, Regina: Der Körper der Königin – konzeptionelle Annäherungen. In: dies. (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500. Campus Historische Studien. Bd. 31. Frankfurt/M. 2002, S. 11–23, hier S. 11. Schulte 2002, a.a.O., S. 11. Auf die Schwierigkeit im Umgang mit differenzierten Arbeitsbegriffen in der Geschichtsforschung, gerade um die Denkfigur ‚Staat‛ verwiesen auch Markus Meumann und Ralf

1.1. Politisches Gefüge

29

Wies man sie doch politisch in ihre Schranken, indem man sie in der Ausdeutung des salischen Rechts als vollgültige Herrscherin ausschloss.46 Um dennoch de facto regieren zu können, bedurfte es einiger Umformungen ihres Herrschaftsanspruches und der Art und Weise wie sie dies tat. Zu Lebzeiten ihres Ehemannes zwar in dessen Abwesenheit als Regentin von ihm benannt, hielt sie tatsächlich wenig Regierungsgewalt in Händen, da relevante Entscheidungen von Mehrheitsvoten abhingen.47 Es zeichnete sich früh ab, dass Caterinas Regentschaft von den Fähigkeiten abhing, die man als mütterliche konnotierte: Sie konnte wirksam werden als Beschützerin und Erzieherin ihres Sohnes, des Dauphins. Mit dem Tod ihres Ehemannes am 10.7.1559, wusste sie genau dies zu nutzen: „[…] Catherine came to the fore by transforming her disabilities into positive political assets.“48 Dieses Kapital, gewonnen aus der Umwidmung der eigenen Unfähigkeit zur Regentschaft wusste sie gekonnt einzusetzen, als am 5.12.1560 mit Charles IX. ein zehnjähriger Junge den französischen Thron bestieg: Sie verknüpfte den ihr verwehrten Regentschaftsanspruch mit der Idee mütterlicher Liebe und konnte so ihre Vormundschaftsrechte als eine „Gouvernante de France“49

46

47 48 49

Pröve, in: Meumann, Markus, Pröve, Ralf: Die Faszination des Staates und die historische Praxis. Zur Beschreibung von Herrschaftsbeziehungen jenseits teleologischer und dualistischer Begriffbildungen. In: dies. (Hg.): Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses. Münster 2004, S. 11– 49, hier S. 12. Das hier von den Autoren geäußerte Unbehagen an der Verwendung eines Staatsbegriffes bei der Beschreibung von Herrschaft scheint mir, vor allem aus der Konsequenz eines anderen Verständnisses von Herrschaft gedacht, nachvollziehbar, zur Zeit jedoch noch kaum auflösbar. Ob der vorgelegte Begriff von ‚Herrschaft‛ als Substituierung des Staatsbegriffes, bei aller alternativ entworfener Semantik, für die Frühe Neuzeit (und für die Gegenwart?) tatsächlich stets greifen kann oder ob dieser Begriff nicht doch teilweise zu allgemein ist, vermag ich momentan nicht abzusehen. Hier werden weitere Untersuchungen abzuwarten sein. Unlängst betonte Katherine Crawford mit Verweis auf die Analysen von Craig Taylor, dass es sich hierbei um einen nur scheinbaren Tatbestand handelt, da das salische Recht keinesfalls Frauen de jure ausschloss. Stattdessen wurde mit der Berufung auf salisches Recht dasselbe offensichtlich instrumentalisiert, um den Ausschluss der Frauen vom Thron, bereits seit 1322 gehörte dies zur politischen Praxis in Frankreich, zu rechtfertigen. Siehe Crawford, Katherine: Perilous performances: gender and regency in early modern France. Cambridge, Mass. u.a. 2004, S. 16. Im Unterschied zu dieser Position findet sich in den meisten anderen Publikationen der Hinweis auf die bewusste Thronverweigerungen für Frauen in Frankreich mit dem Hinweis auf das salische Recht, so z. B. bei Hanley, Sarah: The monarchic state in early modern France: marital regime government and male right. In: Politics, ideology and the law in early modern Europe. Rochester, New York u.a. 1994, S. 107–126 oder z. B. auch Alt, Peter-André: Der Tod der Königin : Frauenopfer und politische Souveränität im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts. Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte. Bd. 30. Berlin 2004, hier S. 15. Crawford 2004, a.a.O., S. 21. Crawford 2004, a.a.O., S. 24. Moroney, Davitt: Alessandro Striggios mass in forty and sixty parts. In: Journal of the American Musicological Society. Bd. 60. H. 1 (2007), S. 1–69, hier S. 13.

30

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

des ob seines Alters unfähigen Regenten an ihre Amtsführung knüpfen. Versuche, dies zu entkoppeln, wehrte sie erfolgreich ab:50 Katherine Crawford bewertet dieses Verhalten als Teil einer erfolgreichen, weiblichen Herrschaftsstrategie, wenn sie sagt: „[…] Catherine de Médicis, took the opportunity to reorganize the elements of regency such that she combined the King’s incapacity as a child with her incapacity as a woman and created a new logic of political entitlement based on her conformity with accepted notions of gender and power. […] She developed her image as a good woman as the basis of her authority, claimed political power to go with it, and worked hard to protect her position. Balancing her performance as a good woman with her untraditional role as a political actor proved difficult. In the end, however, Catherine de Médicis carved out a role for the queen mother as a category of political actor.51

Während ihrer Regentschaft in diesen Jahren hatte sie sich mit dem Problem der aufeinanderfolgenden sog. ‚Religionskriege‛52 auseinander zu setzen. Im vom Krieg erschöpften Frankreich galt es, sich den innenpolitischen Problemen zuzuwenden: Hierbei richtete sich die besondere Aufmerksamkeit der französischen Krone vorrangig auf Maßnahmen gegen die Verbreitung des Calvinismus, da seit dem Konkordat von 1516 die einträglichen Würden in der Verfügungsgewalt des Königs lagen.53

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Crawford 2004, a.a.O., S. 3 und S. 23. Crawford 2004, a.a.O., S. 24 und S. 25. 1. sog. Religionskrieg: 30. März 1562 bis 19. März 1563. 2. sog. Religionskrieg: 26. September 1567 bis 23.März 1568. 3. sog. Religionskrieg: 23. August 1568 bis 8. August 1570. 4. sog. Religionskrieg: 24. August 1572 (sog. ‚Bartholomäusnacht‛) bis 11. Juli 1573. 5. sog. Religionskrieg: 13. November 1574 bis 6. Mai 1576. 6. sog. Religionskrieg: 17. Januar 1577 bis 17.September 1577. 7. sog. Religionskrieg: 29. November 1579 bis 26. November 1580. 8. sog. Religionskrieg: 18. Juli 1585 bis 13. Juli 1598. Nach: Crouzet, Denis: Les guerriers de Dieu. La Violence au Temps des Troubles de religion (vers 1525 – 1610). 1. Bd. Seyssel 1990, S. 28–40. Zu den ‚Religionskriegen‛ als Bürgerkriege siehe: Schmale, Wolfgang: Geschichte Frankreichs. Stuttgart 2000, hier S. 106. Im 16. Jh. kam es in zahlreichen Ländern Europas zu Religionskriegen, siehe hierzu Burkhardt, Johannes: Religionskriege. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 28. Berlin, New York 1997, S. 681–687. Die reformatorische Bewegung, „die seit 1559 explizit calvinistisch war“, hatte sich in Frankreich immer weiter ausbreiten können. In den 1560er Jahren zählten wohl „rund eine Drittel der Bevölkerung“ dazu. Siehe Marc Venard in: ders.(Hg.): Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur. 8. Bd. Die Zeit der Konfessionen (1530–1620/30). Dt. Ausg. hg. v. Heribert Smolinksy. Freiburg/Br. u.a. 1992, S. 447–523; siehe auch Zeeden, Ernst Walter: Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe: 1556–1648. PropyläenGeschichte Europas. 2. Bd., Frankfurt/M. u.a. 1982, hier S. 151–176, bes. S. 153 und Holt, Mack P.: The French War of Religion, 1562–1629. Cambridge 1995. Zur Entwicklung des

1.1. Politisches Gefüge

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Auch der Umstand, dass Frankreich außenpolitisch von der wachsenden Macht Spaniens entlang beider Grenzen bedrängt wurde54, scheint ein – gerade für das vorliegende Vorhaben – historiographisch nicht zu vernachlässigender Aspekt zu sein, da scheinbar das französisch-spanische Hof-Verhältnis offensichtliche wie subliminale Anpassungs- und Abgrenzungsphänomene bedingte. Innenpolitisch wirkten mehrere, einander widerstrebende Kräfte, zu denen sich die Krone, und Caterina in den Jahren 1560 bis Anfang 1564 im Besonderen, zu verhalten hatten. Es ist wohl noch kein positivistischer Zugang, die drei Gruppierungen, die neben den ‚Großphänomenen‛ Reformation und Urbanisierung zu Beginn der 1560er Jahre maßgeblich für die von Caterina genannte „Zersplitterung“ verantwortlich waren, an dieser Stelle genauer zu benennen: Zum einen sind dies die Katholiken des lothringischen Herzoghauses Guise, die die Auseinandersetzung zwischen den französischen Protestanten mit reformiertem Bekenntnis, die als ‚Hugenotten‛55 bezeichnet wurden, und den Katholiken massiv verschärften.56 Als zweiter Verband, dessen Mitglieder größtenteils reformierte Protestanten waren, sind die von den adeligen Familien Bourbon, Condé und Chântillon angeführten Gruppen zu nennen.57 Zwischen diesen beiden konfessionellen Richtungen befand sich das Königshaus, deutlich wenig solvent und mit

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Calvinismus in Frankreich siehe knapp zusammengefasst: Engel, Josef (Hg.): Die Entstehung des neuzeitlichen Europas. 3. Bd. Stuttgart 1971, S. 761f. Seit der Teilung des Habsburgerreiches 1556 hatte sich wohl die Rivalität der Häuser Habsburg und Valois verlagert und zu einer zunehmenden Konkurrenz zwischen Frankreich und Spanien entwickelt, so Zeeden 1982, a.a.O., S. 13f. Zur ideologischen Prägung dieses Hegemonialkonfliktes siehe auch Kohler, Alfred: Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa, 1521–1648. München 1990, S. 10ff., auch: Burkhardt, Johannes: Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt 1992. Die in der 2. Hälfte des 16. Jh. gebräuchlich werdende Bezeichnung hugenots (Verschwörer) für die französischen Anhänger des Reformators Calvin lässt sich etymologisch wohl nicht eindeutig herleiten: „[…] Die in der Literatur meist zu findende Erklärung, das Wort stamme vom Begriff ‚Eydgenossen‛ ab, scheint aus sprachwissenschaftlicher Perspektive nur mehr schwer aufrechtzuerhalten zu sein. Ähnlich problematisch ist die Ableitung von dem Vornamen des französischen Königs Hugo Capet. Tatsächlich lässt sich der Begriff eindeutig wohl nicht herleiten. Erwähnt wurde er erstmals 1551 in einer Handschrift aus dem Périgueux, in der Bilderstürmer als ‚böse Hugenottenrasse‛ bezeichnet wurden.“ Aus: Lienhardt, Paul: Der Ursprung des Namens ‚Huguenot‛, in: Die Hugenottenkirche 45 (1992), S. 46–47. „Seit der Französischen Revolution wurden die Hugenotten offiziell Protestanten genannt, was sie auch als Selbstbezeichnung übernahmen.“ Hier aus: Gresch, Eberhard: Hugenotten. In URL: http://www.ekd.de/calvin/wirken/hugenotten.html (letzter Zugriff Juli 2010). Schieder, Theodor (Hg.): Handbuch der europäischen Geschichte. 3. Bd. Stuttgart 1968, S. 772–78, bes. S. 774 und 777. Siehe hierzu Schmale 2000, a.a.O., S. 126, auch Anderson, Perry: Die Entstehung des absolutistischen Staates. Dt. Ausg. Frankfurt 1979, S. 115.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

dem jungen Charles IX. an der Spitze.58 Der religiöse Dissens wuchs sich offensichtlich zu einer politisch-militärischen Krise aus, die von vielfältigen Auseinandersetzungen um die Macht im Staat begleitet war.59 Bevor die weitere Entwicklung fokussiert wird, soll, mit abschließendem Blick auf die frühen 1560er Jahre, noch einmal Caterinas eingangs zitierte Briefpassage vor dem Hintergrund des Dargelegten gelesen werden: Wie viele Zeitgenossen nutzte auch Caterina ihre handschriftlichen Briefe60 häufig als politisches Instrument, hier besonders im Sinne einer politischen Einflussnahme auf ihre Kinder. Sie richtete den auf 1563/64 datierten Brief, in einer Zeit nach dem Regierungsantritt unter Charles IX. und vor der grand voyage mit diesem 156461, an ihre Tochter Elisabeth, verheiratet mit Philipp II. von Spanien. Jean-Michel Ribera verwies jüngst nochmals darauf, dass trotz der stets vorhandenen Bedrohung Frankreichs durch Spanien, allerdings gerade die Jahre 1559 bis 1568 durch eine „Temps de L’Alliance“ gekennzeichnet gewesen seien.62 In einem milderen politischen Klima begegnet Caterina Elisabeth und mithin Philipp in mitleiderregenden Worten, scheinbar mit diesem Ton auch Projektionen zum Weiblichen abrufend. Sie verweist auf eigene, nämlich innenpolitische Schwierigkeiten und ihre scheinbar politisch isolierte Situation. Gleichzeitig lässt sie keinen Zweifel daran, wer durchaus legitim, weil Gott gegeben – in Antastung der Semantik politischer Diskurse um den männlichen König? – die Macht der Regentschaft innehat: Ihr habe „Gott […] ein Königreich gegeben“. Sie muss sich ihrer Position zu diesem Zeitpunkt folglich recht sicher gewesen sein. Ihre Selbstdarstellungsstrategie als ‚königliche Mutter‛ impliziert auch politisch ‚fürsorglich‛ erscheinen und damit 58

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Strong lässt sich zu dem Urteil über Charles hinreißen, dass dieser es weder vermochte, eindeutig Position für eine Seite zu beziehen und so einer politisch-religiösen Gruppe vorzustehen, noch sich von sämtlichen Bewegungen zu distanzieren und sich abseits von ihnen zu halten. Siehe hierzu: Strong 1991, a.a.O., S. 175. Zum Thema ‚Religionskriege‛ sind zahlreiche Publikationen erschienen; mit Beschränkung auf Frankreich seien genannt: Crouzet, Denis: La genèse de la Réforme française 1520– 1560. Paris 1996; ders. 1990, a.a.O., Diefendorf, Barbara: Beneath the Cross. Catholics and Huguenots in Sixteenth-Century Paris. New York 1991; Holt, Mack P. (Hg.): Renaissance and Reformation France: 1500–1648. Oxford 2002; ders 1995, a.a.O., Jouanna, Arlette: La France du XVIe siècle: 1483–1598. Paris 2002; dies: Histoire et dictionnaire des guerres de religion. Paris 1998; Knecht, Robert Jean: The french civil wars, 1562–1598. Harlow, München 2000. Médicis, Caterina de: Lettres. In: Collection des documents inédits de l’histoire de France. Paris 1891. Siehe hierzu Boutier, Jean, Dewerpe, Alain, Nordman, Daniel: Un tour de France royal. Le voyage de Charles IX 1564–1566. Paris 1984 und Graham, Victor E. (Hg.): The royal tour of France by Charles IX and Catherine de' Medici: festivals and entries 1564 – 6. Toronto 1979. Ribera, Jean-Michel: Diplomatie et espionnage. Les ambassadeurs du roi de France auprès de Philippe II du traité de Cateau-Cambrésis (1559) à la mort de Henri III (1589). Paris 2007, S. 359–464.

1.1. Politisches Gefüge

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friedlich agieren zu wollen.63 Auch wenn dieser intendierte politische Anspruch nicht weiter konkretisiert werden kann, lässt sich zusammenfassend festhalten, dass es sich wohl um den Ausdruck politischer Ansprüche im Gewand des Persönlichen handelt. Fest steht, dass in unmittelbarer zeitlicher Nähe der französische Hof mit dem spanischen König am 15.6.1564 in Bayonne zusammentreffen sollte. Die dort gegebenen magnificences von Bayonne sollten in politisch entspannterem Klima eine neue Allianz zwischen Spanien und Frankreich feiern64, die allerdings mit dem Tod Elisabeths wieder ein baldiges Ende finden sollte. Realpolitisch hatte diese Allianz somit kaum existiert, als sie 1568 von verdeckten und offenen Feindseligkeit wieder abgelöst wurde.65 Auch die Ausrichtung der Hoffeste, besonders die der 70er Jahre, greift das beschriebene politische Klima auf. Die in dieser Zeit veranstalteten frühen Valois-Feste sind vor diesem Hintergrund überwiegend so interpretiert worden, dass sie ein Thema, nämlich eine nach Frieden und Mäßigung strebende Politik66, versinnbildlichten.67 Die Lage des Königreiches hatte sich nicht bedeutend gebessert, als Charles IX. am 30.5.1574 starb und ihm sein Bruder als Henri III. durchaus unerwartet auf den Thron folgte. Der neue König Henri III. war am 19.9.1551 als dritter Sohn Henris II. und Caterinas als Alexandre-Édouard, Herzog von Orléans (bis 1566), auf Schloss 63 64 65 66

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Siehe auch Crawford 2004, a.a.O., S. 4 sowie S. 24–58. Siehe Ribera 2007, a.a.O., S. 411–442, bes. 426f. Siehe Ribera 2007, a.a.O., S. 465ff. Der Anspruch auf ein friedensstiftendes Selbstbild zeigt sich auch in Caterinas persönlichen Impresa, wie diese seit den 1580er Jahren nachweisbar ist: ein Regenbogen mit einem griechischen Motto, das verhieß: „Er bringt Frieden und Heiterkeit“. In: Ruscelli, Girolamo: Le imprese illustri, con esposizioni et discorsi. Venedig 1584, S. 11. Für die Zeit nach Henris Tod hat Caterina eine Impresa mit der Pictura einer zerbrochenen Lanze und dem Motto Lacrime hinc hinc dolor, das auf Heinrichs Tod durch eine Lanze und die hierdurch verursachte Trauer hinweist. Siehe: Luck, Johann Jakob: Sylloge numismatum elegantiorum. Straßburg 1620, S. 196. Für die früheren Jahre (nachweisbar 1561, 1566 und auch noch 1574) hat Caterina offensichtlich eine andere, von Simeoni geschaffene Impresa gewählt: Ein bekrönter Uroboros, ein Schlangenring, bei dem sich das Tier in den eigenen Schwanz beißt, Sinnbild für Unsterblichkeit, umfasst einen Stern. Darüber ist das auf Vergils Georgica I, 415f. zurückgehende Motto Fato Prudentia Maior zu erkennen. Abbildung der verschiedenen Imprese in: Giovio, Paolo: Dialogi dell’Imprese Militari et Amorose. Lyon 1574, S. 17 und S. 177 sowie bei Pittoni, Batista: Imprese di diversi prencipe, duchi […]. Venedig 1562, Nr. 42. Alle genannten Impresen als elektronische Ressourcen finden sich in der Emblemdatenbank des Münchener Digitalisierungszentrums der Bayerischen Staatsbibliothek s.v. „Katharina de’ Medici, Königin von Frankreich“ unter URL: http://mdz1.bib-bvb.de/~emblem/ (letzter Zugriff Juli 2010). Kate van Orden hat jüngst jedoch eine anders gewichtete Interpretation vorgelegt. Sie favorisierte unter besonderer Betonung der Gewalt am Hofe „an interpretation of ballet as ritual strife“, siehe Orden, Kate van: Music, discipline, and arms in early modern France. Chicago u.a. 2005, S. 104.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Fontainebleau geboren worden.68 Am 21.2.1574 wurde er als Herzog von Anjou (1566–1574) zum König von Polen69 gekrönt. Der Tod seines Bruders Charles IX. beendete seine Regentschaft in Polen70, so dass er faktisch dieses Amt nur 118 Tage innehielt. Trotzdem führte er bis zu seinem Tod den Titel eines Königs von Polen.71 Am 13. Februar 1575 wurde er als Henri III. in Reims inthronisiert und heiratete zwei Tage später Louise de Vaudémont-Lorraine (1553–1601), Tochter von Nicolas de Lorraine und seiner ersten Frau Jeanne d’Egmont (Abb. 1). Sie ist die Auftraggeberin des vorliegend untersuchten balets von 1581. Louise de Vaudémont-Lorraine72 wurde am 30.4.1553 geboren. 1563 wird sie an den Hof de Lorraine der Claude de Valois, einer Schwester Henri III., und ihres Mannes, des katholischen Herzogs Charles III. de Lorraine, ein Cousin Louises, geschickt. Durchaus unerwartet geriet die junge Frau in die Situation den gerade inthronisierten Henri III. 1575 zu heiraten. Dieser hatte sie nicht einmal ein Jahr zuvor am Hof seiner Schwester Claude in Nerac, auf seiner Durchreise 68

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Bereits als 9-jähriger erhielt er den Titel eines Herzogs von Orléans, vormals Herzog von Angoulême und wohnte 1560 der Eröffnungssitzung der Generalstände in Orléans bei. Begleitete er noch von März 1564 bis September 1566 seine Mutter und seinen Bruder Charles IX. auf einer großen Reise durch Frankreich, wurde er am 12.11.1567, seit 1566 den Titel eines Herzogs von Anjou tragend, zum Generalleutnant ernannt und nahm somit aktiver am militärischen und politischen Leben teil. Alle Angaben entnommen bei: Chaix 1997, a.a.O., S. 78. Siehe hierzu: La Pologne de François d’Amboyse Parisien. Au tresvictorieux roy Henry, sur les occurrences de l’election, et observations des choses plus dignes de memoire veües par l’autheur en son voyage. En diverses langues. Paris 1573 sowie Noailles, Emmanuel Henri Victurnien de: Henri de Valois et la Pologne en 1572. 3 Bde. Paris 1867. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k1257265 (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch die Angaben des zeitgenössischen Historiografen von Henri III, Scipion Dupleix (1569–1661), in: Dupleix, Scipion: Histoire de Henry III, roy de France et de Pologne. Paris o.J. (nach 1589), S. 7–17 und 48–56. Siehe auch: Bordonove, Georges: Henri III: roi de France et de Pologne. Paris (1988) 2008. Er soll in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni Krakau verlassen haben. Siehe hierzu Chaix 1997, a.a.O., S. 81; persönliche Note: Der subjektive Eindruck der Verfasserin nach einer Reise nach Warschau ist, dass sich bis heute dieses kurze Intermezzo des französischen Herrschers in einer wenig geneigten Rezeption der Person Henris niederschlägt, wie z. B ausgestellte Ausstellungstexte im Pokoj Marmurowy zu den 22 polnischen Herrscherportraits der permanenten Ausstellung im Zamek Królewski in Warschau nahelegen. Zu Henri als polnischem König: Filipczak-Kocur, Anna: Der polnische König (1573– 1574). In: Der Herrscher in der Doppelpflicht. Europäische Fürsten und ihre beiden Throne. Hg. v. Heinz Durchhardt. Mainz 1997, S. 53–76, hier S. 53. Grundlegend zu Louise siehe Boucher, Jacqueline: Deux épouses et reines à la fin du XVIe siècle: Louise de Lorraine et Marguerite de France. Saint-Étienne 1995. An älteren Darstellungen sind zu nennen: Malet, Antoine: La vie, pieté et sage oeconomie de Louyse de Lorraine Royne de France et de Pologne. Paris 1619; Coste, Hilarion de: Louyse de Lorraine, reyne de France et de Pologne. In: Les Eloges et les vies des reynes, des princesses, et des dames illustres en pieté, en Courage & en Doctrine, qui ont fleury de nostre temps, & du temps de nos Peres. 2. Bd. Paris ²1647, S. 107−157.

1.1. Politisches Gefüge

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nach Polen, kennengelernt. Sie war allerdings nicht seine erste Wahl. Zunächst hatte Henri versucht Marie de Clèves73 zu gewinnen.74 Diese war jedoch, bis zu ihrem plötzlichen Tod am 30.10.1574, mit dem zweiten Herzog von Condé, einem Neffen des Cardinal de Bourbon, verheiratet.75 Diese Ehe wurde im protestantischen Ritus am 12.8.1572, nur in Anwesenheit des Königs von Navarra, alle anderen Adeligen hatten sich entschuldigen lassen, in Blandy geschlossen.76 Dass die Hochzeit also nicht nur unter Ausschluss des Cardinal de Bourbon stattfand, sondern der Herzog von Condé zudem verlauten ließ, er benötige keine weitere Autorisation, führte zu Irritationen. Diese wurden unter Hinzunahme und den diplomatischen Bestrebungen des Cardinal de Lorraine in Rom beigelegt, sodass bereits am 17. August 1572 der Cardinal de Bourbon die Verlobung des Paares sowie die Unterzeichnung des Ehevertrags im Louvre vollzog.77 Caterina de Medici als Mutter Henris hätte zudem gern eine Verbindung mit der Schwester des schwedischen Königs gesehen. Darüber hinaus soll Caterina die durch eine Hochzeit mit Louise enger werdende Verbindung der Valois mit den Mitgliedern des Hauses Lothringen nicht unbedingt begrüßt haben.78

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Bereits seit Beginn des 15. Jahrhunderts hatten Marie d’Albret (1491–1549), Herzogin von Nevers und ihr Sohn François I. de Clèves mit geschickt gewählten Hochzeitsallianzen ein weites Netz aristokratischer Verbindungen mit den Familien de Bourbon-Vendôme, de Condé und de Guise, und damit auch mit dem französischen Herrscherhaus der Valois geknüpft. Die Verbindung 1564 von Henriette de Clèves mit dem Italiener Louis de Gonzague (Ludovico Gonzaga), eines Bruders des Herzogs von Mantua, war sogar erst auf Initiative Caterina de Medicis hin zustande gekommen. Vor diesem Hintergrund hätte eine Verbindung Henris III. mit Marie de Clèves eine dynastische vielversprechende Verbindung dargestellt. Zur Genese dieser Entwicklung siehe die sehr detailreiche Studie von: Boltanski, Ariane: Les Ducs de Nevers et l’État Royal. Genèse d’un compromis (ca. 1550– ca. 1600). Genève 2006, bes. S. 23–77, hier bes. S. 27, 55 und 63f. Jacqueline Boucher vertritt die Haltung, dass das Werben Henris um Marie de Clèves von „sentiments sincères“ geprägt gewesen sei. Inwiefern authentische. Zuneigung tatsächlich ausschlaggebend war bzw. inwiefern diese und die Trauer um Marie de Clèves im höfischen Kontext anderweitig funktionalisiert wurden, soll hier nicht genauer erörtert werden. In vergleichbar ähnlicher Verehrung habe Henri sich ca. zehn Jahre später Jeanne de Laval, dame de Sennecterre, verbunden gefühlt, welche jedoch auch bereits 1586 an Tuberkulose erkrankt, verstarb. In: Boucher, Jacqueline: Société et mentalités autour de Henri III. Bibliothèque littéraire de la Renaissance. Bd. 67. Paris 2007, S. 93–95. Siehe auch Boucher 2007, a.a.O., S. 94. Siehe Saulnier, Eugène: Le rôle politique du Cardinal de Bourbon (Charles X) 1523 – 1590. Paris 1912, S. 65. Siehe Saulnier 1912, a.a.O., S. 66. Nur sechs Tage später am 24.8.1572 ereignete sich die sog. ‚Bartholomäusnacht‛, wobei einem Zusammenhang dieser Ereignisse vorliegend nicht nachgegangen werden kann. Marie de Clèves, jetzt Prinzessin von Condé, schwor am 12.9., ihr Ehemann am 18. und der König von Navarra am 26.9. dem protestantischen Glauben ab und konvertierten, was Cardinal de Bourbon erfreut Papst Gregor XIII. mitteilte. Siehe ders., a.a.O., S. 68. Siehe Boucher 1995, a.a.O., S. 32f.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Die bei ihrer Hochzeit mit Henri kaum mit einer Mitgift ausgestattete Louise79 galt als schön und bereit die zeitgenössischen Tugenden auszubilden: „grande, de type nordique, Louise était parée de toutes les vertus morales.“80 Gerade diese Schönheit wird von den zeitgenössischen Gesandten häufig und gern in den ersten Jahren nach ihrer Hochzeit gepriesen, ebenso wie die demonstrierte und liebessemantisch gestützte Zuneigung des jungen Paares.81 Ihre besondere Mitgift scheint vornehmlich die des natürlichen, weiblichen Körpers der Königin zu sein. „On a vu en Louise un modèle d’amour conjugal, de piété et de charité“, formulierte ihr erster Biograf Antoine Malet 1619.82 In der Rolle der tugendreichen Ehefrau vermag ihre Anwesenheit auch Henris Erscheinung zu transformieren. So weiß der venezianische Botschafter im Sommer 1575 zu berichten, Henri sei nicht mehr (leichen)blass und melancholisch, sondern sehe belebter und ein wenig rundlicher aus: „[…] aussi blême, ni aussi mélancolique; il est plus blanc et animé; il a même pris un peu d’embonpoin.“83 Dieser sichtbar vitale Eindruck des Paares soll auch als Ausdruck ihrer Fähigkeit, Nachkommen zu zeugen, verstanden werden, um so der Sicherung des dynastischen Überlebens zu dienen.84 Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass sich gerade in diesen Diskursen zu Beginn der 1580er Jahre die öffentlichen Mutmaßungen zur Kinderlosigkeit des Paares und gynäkologischer Schwierigkeiten Louises im Besonderen entladen.85 Galt ihr Äußeres als schön und verführerisch, konstatierten die Gesandten nun, sie sei mager und das Gesicht sei gealtert.86 Und dies waren nur die Spitzen eines seit Sommer 1577 virulenten,

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Boucher 1995, a.a.O., S. 47. Boucher 1995, a.a.O., S. 35. Boucher 1995, a.a.O., S. 126. Zur öffentlich demonstrierten Innigkeit der beiden siehe Boucher 1995, a.a.O., S. 122f. Malet, Antoine: L'Oeconomie spirituelle et temporelle de la vie et maison, noblesse et religion des nobles et des grands du monde: dressée sur la vie de Louyse de Lorraine, royne de France et de Pologne. Paris 1619, o.S. (Kap.3). Tommaseo, N.: Relations des ambassadeurs vénetiens sur les affaires de France au XVIe siècle. 2. Bd. Paris 1838, S. 325. Bereits innerhalb der ersten drei Monate nach Louises Hochzeit, am 27. März 1575, glaubt sowohl der päpstliche Nuntius sowie vier Tage später der kaiserliche Botschafter Busbec, als auch am 11. April 1575 der englische Gesandte, möglicherweise eine Schwangerschaft Louises vermelden zu können. Hier nach Boucher 1995, a.a.O., S. 125. Louise soll es nach einer vielleicht 1575 erlittenen Fehlgeburt und eine im Zuge dieser erfolgten Infektion nicht mehr möglich gewesen sein, Kinder zu bekommen. Siehe hierzu Boucher 1995, a.a.O., S. 124, S. 133ff. Auch kursierten am Hof Gerüchte über eine mögliche Zeugungsunfähigkeit des Königs. Siehe die Ausführungen des venezianischen Botschafters L. Priuli aus dem Jahre 1582 im Vergleich zu denen seines Kollegen aus dem Jahre 1575. In: Albèri, Eugenio: Le relazioni degli ambasciatori veneti al senato […]. I, 14. Bd. Florenz 1860, S. 425. Hier nach Boucher 1995, a.a.O., S. 86f. Jacqueline Boucher verweist in diesem Zusammenhang auf das Port-

1.1. Politisches Gefüge

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innerhöfischen Diskurses über die mögliche Unfruchtbarkeit Louises. Anfang der 80er Jahre habe der Hof wohl ein zwiespältiges Verhältnis zu ihr gehabt, konstatiert Jacqueline Boucher. Einerseits verehrte man sie ob ihres tadellosen Lebenswandels, aber auch ob ihrer eleganten, vestimentären Extravaganz. Andererseits warf man ihr und mithin dem König die Kinderlosigkeit als zunehmend dynastisches Problem vor.87 Auch Louise war sich dessen deutlich bewusst. Dies zeigen sowohl Briefe88 als auch m. E. zwei Medaillen der Jahre 1576 und 1580 im Vergleich. Zeigte noch die 1576 auf einer Medaille nachgewiesene Devise Louises das ganz der o. g. Liebessemantik gewidmete Motto Amor Æquat Amantes, stellt sich die Frage, ob das für 1580 nachgewiesene Aspice ut Aspiciar im Verbund mit einer Sonnenabbildung89 den anmutigen Appell enthält, sie auch weiterhin zu beachten.90 Zu Lebzeiten versuchte Louise, zusätzlich zu diesen innerfamiliären Reaktionen, der drohenden Dysfunktionalität ihres natürlichen Körpers mindestens zweifach zu begegnen. Zum einen zeigte sie sich tief religiös und begab sich regelmäßig auf Wallfahrten oder gleichsam sakral inszenierten (Wasser)Kuren91 –

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rait Louises, heute im Louvre, das m. E. die Wirkvorlage des Gobelins Tournament der Valois-Tapisserien stellte. Siehe hierzu die Ausführungen im Kapitel III.1.1. dieser Arbeit. Siehe Boucher 1995, a.a.O., S. 130. Siehe hierzu auch die Briefe vom September 1580 an ihre Tante Anne d’Este, die Herzogin von Nemours, auch eine enge Vertraute Caterinas, deren „Gunst sie weiter erhoffe“ (Brief 5) aus Bourbon-Lancy, wohin sie sich wieder mal anlässlich einer Wasserkur zur Linderung ihres Leidens begeben hatte. Hierin spricht sie die Trauer über die ausbleibende Mutterschaft an (Brief 4). Aus: François, Michel: Cinquante lettres inédites d’une reine de France. (Louise de Vaudémont, femme de Henri III.) Annuaire-bulletin de la société de l’histoire de France, Bd. 79, Nr. 2 (1943), S. 127–165, hier S. 134f. (Brief 4) und S. 135 (Brief 5). Zitzlsperger verweist auf die lange Tradition des Sonnensymbols, wenn es er feststellt: „Bereits das Mittelalter bediente sich [.] des Sonnensymbols, das sowohl für Christus als auch den Herrscher stand. […] Das Sonnensymbol ist der Fixstern, von dem der Christusvergleich mit dem Herrscherlob seinen Ausgang nimmt. […] Der panegyrische Einsatz des Sonnensymbols alludierte auf die christliche Lichtmetaphysik und Justitia, denn das Christentum sieht von Anfang an in Christus die Inkarnation der Gerechtigkeit, […].“ Aus: Zitzlsperger, Philip: Dürers Pelz und das Recht im Bild. Kleiderkunde als Methode der Kunstgeschichte. Berlin 2008, S. 105f. Ergo wurde dieses Symbol auch in seiner staatstheoretischen Bedeutung eng mit Gerechtigkeit im Sinne ‚guter Herrschaft‛ verbunden. Zur Sonne als staatstheoretischem Symbol siehe auch Kantorowicz 1994, a.a.O., Kap. III.2, S. 115–117. Die Devisen werden hier zit. nach: Boucher 1995, a.a.O., S. 123, hier jedoch mit „Aspice et Aspiciar“. Siehe hier z. B. die bei L’Éstoile beschriebene Szene vom Januar 1582, wonach die Königin und der König, jeweils begleitet durch seine „trouppe, lui de princes et seingneurs, elle de princesses et dames“ zu Fuß von Paris nach Chartres gegangen seien, um „avec une grande dévotion et aveq humble et cordiale affection“ um Nachkommenschaft zu beten und zu bitten. In: L’Éstoile, Pierre de: Memoires-Journaux: édition pour la premiére fois complete et entièrement conformeaux manuscrits originaux. 3. Bd. Journal de Henri III:

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

gemäß eines zeitgenössischen theologischen Diskurses, der physische Leiden mit dem Glauben an eine Probe christlicher Tugenden in Verbindung brachte. Zum anderen, in Ergänzung oder in deutlichem Kontrast zu diesem religiösen Agieren, nutzten sowohl sie als auch der König die am Valois-Hof veranstalteten Festlichkeiten als Plattform und eigenes, glamouröses Betätigungsfeld.92 Die ihr zugeschriebenen Fähigkeiten als außerordentlich gute Tänzerin, „[.] la pieuse et vertueuse Louise fut une danseuse accomplie“93, brachte sie durch eigene Teilnahme an den balets, so auch im balet comique, sowie als Auftraggeberin derselben zum Ausdruck. Eine tanzende Königin hatte es bis dato nicht gegeben. Ihre Nachfolgerinnen ließen diverse Spektakel inszenieren, beteiligten sich auch an der Realisierung, aber sie waren nicht mehr Akteurinnen.94 So wird der Auftritt Louises im balet comique aufwändig inszeniert: Auf einem Brunnen zusammen mit elf anderen Nymphen sitzend, gezogen von Pferden und begleitet durch den Gesang der Tritonen beim Klang von zehn Violinen, tanzten alle Nymphen auf den Boden gezeichnete zwölf Figuren, heißt es.95 Darüber hinaus erklang eine Lobrede auf Louise: „Pallas (hier Caterina de Medici. A.W.) ceda l’honneur de pudicité, d’industrie et de gravité royale à la Royne, espouse de Jupiter de France, pour seconder les vertus de son mary et estre, comme elle est, des plus louées et admirées princesses de la terre.“96

Die ihr ergebenen Damen ihrer Entourage finden sich unter ihren Mittänzerinnen. Hierbei stellt sich die Frage, ob Louise z. B. die aktive Teilnahme am balet bewusst als Steuerungsinstrument im höfischen Gefüge der Gunsterweisungen nutzte. Am 23. und 24. August 1581, so einer Korrespondenz der Mme de SaintSulpice zu entnehmen, hätten die Damen, denen die Teilnahme am balet verwehrt worden sei, deutlich ihren Unwillen zum Ausdruck gebracht97 – zu diesen gehör-

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1587–1589 / Henri III. Hg. v. Pierre Gustave Brunet und Aimé Champollion-Figeac. Paris 1875, S. 56. Boucher urteilt: „Quoique dépourvue d’enfants, une reine de France avait à jouer un rôle dans la vie publique.“ Boucher 1995, a.a.O., S. 394. Boucher 1995, a.a.O., S. 396. Boucher 1995, a.a.O., S. 111. Hier nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. S. 38. Hier nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 76., auch Delmas 1970, a.a.O., S. 143–156. Brief von Mme Saint-Sulpice vom August 1581: „[…] la raison de son (Mme Villeroy. AW) exclusion doit être cherchée dans le fait que de plus grandes dames qu’elle, voire des princesses, avaient demandé aussi à participer à ce ballet. “ Dieser Brief in: Cabié, Edmond (Hg.): Guerres de religion dans le sud-ouest de la France et prinicpalement dans le Quercy d’apres les papiers des seigneurs de Saint-Sulpice de 1561 à 1590. Paris 1906, S. 68, S. 690– 691. Hier zit. nach: Boucher 1995, a.a.O., S. 110. Mme de Villeroy galt neben Marguerite de Valois und der Maréchale de Retz als eine literarisch ambitionierte Frau und Mäzenin, die innovative Bewegungen wie die Pléiade und den Petrarkismus fördert. Siehe hierzu Zimmermann, Margarete: Kulturtransfer in Salon des 16.Jahrhunderts. In: Höfe – Salons –

1.1. Politisches Gefüge

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te z. B. Mme de Villeroy98, Frau des Staatssekretärs und Diplomanten99 Nicolas de Neufville, seigneur de Villeroy, der seit 1578 auch Schatzmeister des Ordens vom Heiligen Geist war. Boucher sieht im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts sogar eine regelrechte Rivalität zwischen Louise und ihrer Schwägerin Marguerite in Erscheinung und Auftreten. Sie geht davon aus, dass Marguerite zwar die Intellektuellere gewesen sei100, aber dass Louise ihr auf der Ebene der „mise en scène et l’exécution de ballets“ gleichkam bzw. sie sogar übertraf.101 Wenngleich die Aussagen von Brantôme häufig kritisch gelesen werden müssen, sei bemerkt, das dieser Marguerites Erscheinen und Können im Discours sur la reine de France et de Navarre Marguerite als ein unübertreffliches wertet und sie als ideale Tänzerin in Bezug auf gezeigte Synchronität zum Tanzpartner und Sicherheit in der Ausführung von figures darstellt. Auch ihr Ausdrucksvermögen betont er besonders: „[…] en représentant maintenant une gayetté, et maintenant un beau et

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Akademien. Kulturtransfer und Gender im Europa der Frühen Neuzeit. Hildesheim u.a. 2007, S. 41–63, hier S. 61.; Eventuell wäre auch in diesem Zusammenhang der Brief Louises vor Oktober 1581 an ihren Onkel, den Herzog de Nemours, hier zu kontextualisieren. Wobei L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 163 für den Oktober 1581 erwähnt, dass Jacques de Savoie, duc de Nemours, zu dieser Zeit verhindert gewesen sei. Jacques de Savoie erkrankte häufig und musste häufig monatelang das Bett hüten. Details hierzu siehe: Coester, Christiane: Schön, wie Venus, mutig wie Mars. Anne d’Este Herzogin von Guise und von Nemours (1531–1607). Pariser Historische Studien. Bd. 77. München 2007,S. 244f. Madeleine de L’Aubespine war die Tochter von Claude de L’Aubespine, seigneur de Châteauneuf und Jeanne Bochetel. Zu Ihrer Erwähnung in zeitgenössischen Dichtungen des Hofes, siehe Winn, Colette, Rouget, François (Hg.): Catherine de Clermont: Album de poésies. (manuscrit français 25455 de la BNF). Textes de la Renaissance. Bd. 87. Paris 2004, S. 112 und hier auch Anm. 4. Der französische Gesandte Saint-Gouard schickt im Herbst 1581 alle seine Sekretäre aus Lissabon fort, unter ihnen Villeroy, und ersucht Henri III. um Unterstützung. Das politische Klima mit Spanien hatte sich massiv im Ringen um Portugal verschlechtert und am spanischen Hof versuchte man in dieser Zeit die französischen Gesandten aus der engeren Umgebung Philipps zu vertreiben. Siehe Ribera 2007, a.a.O., S. 539. Zum möglichen Ausschluss von Madame Villeroy von der Teilnahme des balet comique konnten keine weiteren Hinweise gefunden werden. Zur widersprüchlichen Rezeption und literarischen Tätigkeit Marguerite de Valois siehe: Claudia Probst: Margarete von Valois (1553–1615). In: Französische Frauen der Frühen Neuzeit. Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen. Hg. v. Margarete Zimmermann und Roswitha Böhm. Darmstadt 1999, S. 109–126. Zur aktiven Teilnahme Marguerite an einem Kreis von schreibenden Frauen, genannt die „neun Musen“ im Umkreis der ClaudeCatherine de Clermont, Herzogin von Retz – auch Akteurin des balets comique – siehe Zimmermann 2005, a.a.O., S. 119. Zu diesem Kreis gehörten ferner noch Henriette de Clèves, Herzogin von Nevers und möglicherweise auch Hèlene de Surgères, beide ebenfalls Akteurinnen im balet comique. Boucher 1995, a.a.O., S. 111.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

grave desdain.“102 Und als sei es als Angriff ad personam an Louise gerichtet, jubelt er über die Äußerung eines Don Juan d’Austrie, der die tanzende Marguerite sieht: „Il la contempla fort, l’admira, et puis l’exalta par dessus les beautez d’Hespaigne et d’Italie (deux régions pourtant qui en sont très-fertiles)[Hervorhebung. A.W.] et dist ces mots en hespaignol: Aunque tal hermosura de Reyna sea mas divina que humana, es mas para perder y damnar los hombres que salvarlos.“103

Mit dem Tod Henris 1589 zieht sich Louise völlig aus der Öffentlichkeit zurück und lebt zuletzt in einem Kloster in Moulins. Auch sie trägt bis zu ihrem Tod 1601 schwarze Witwenkleidung, wobei sie wie eine junge Witwe zusätzlich ihr Gesicht mit einem weißen Schleier als reine blanche verhüllt. Wahrscheinlich hätte sie auch nicht viele Alternativen zu dieser sozialen Rolle gehabt.104 Der, ob ihrer kinderlos gebliebenen Ehe mit Henri III., dysfunktionale natürliche Körper der Königin wurde mit dem Tode Henris quasi zum Verschwinden gebracht.105

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Hier zit. nach: Marie-Joëlle Louison-Lassablière, Brantôme et les danses de cour, Paris, 2008, 10 p. Etude inédite mise en ligne sur Cour-de-France.fr le 1er septembre 2008. URL: http://cour-de-france.fr/article496.html?lang=fr (letzter Zugriff Juli 2010). Hier zit. nach ebda. Interessant erscheint hierzu der Hinweis bei Stefanie Arend über die Untersuchungen von Peter-André Alt im Trauerspiel der Frühen Neuzeit zur Kontinuitätserzeugung durch die Königin: „Diese kann die Kontinuität der politischen Macht nicht gewährleisten. Ihr Körper ist nicht zugleich sterblich und ewiger Aufbewahrungsort der Institution der Macht. Ihre Funktion besteht darin, durch ihre Zeugungskraft für Kontinuität zu sorgen. […] Insgesamt stellt, dies ist festzuhalten, der Körper der weiblichen Regentin ‚nach zeitgenössischem Rechtsdenken keine Hülle für eine von ihm beherbergte Institution dar‛ (S. 26) und ‚Der Körper der Königin ist ein rein funktionaler Körper, der für männliche Nachkommenschaft zu sorgen hat und dadurch die dynastische Kontinuität sichert; er ist aber ebenso wie derjenige der anderen Untertanen dem doppelten Körper des Königs ‚einverleibt‛ “(S. 29). […] Alts Studie demonstriert an zentralen literarischen Beispielen, mit Seitenblicken auf die bildende Kunst, wie im Trauerspiel der Frühen Neuzeit die weibliche Regentin immer mehr zu einem Opfer für die Institution des Königtums beziehungsweise am Ende für die sich herausbildenden administrativen Strukturen wird.“ Aus: Arend, Stefanie: Tragik weiblicher Stellvertretung. (Rezension über: Peter-André Alt: Der Tod der Königin. Frauenopfer und politische Souveränität im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts. Berlin, New York 2004.) IASLonline [08.11.2004], URL: http://www.iaslonline.de/index.php?mode=list_new&medium=1&filter=4&sort=2&orde r=desc&pubdatum=2010&count=5, Absatz 5 (letzter Zugriff Juli 2010). Inwiefern es vor diesem Hintergrund vertretbar ist, davon auszugehen, dass die Macht der Königin deshalb nur „bloße Fiktion“ (Arend) gewesen sei, bleibt m. E. aber sehr fraglich. Wie maßgeblich offensichtlich das Funktionieren ihres natürlichen, weiblichen Körpers gewesen wäre, zeigt sich wahrscheinlich auch darin, dass diese Königin ikonografisch kaum vertreten ist sowie möglicherweise nicht zuletzt in dem Umstand, dass sie überhaupt erst in den letzten zehn Jahren zum Gegenstand einiger, weniger Untersuchungen geworden ist. Siehe diesen Hinweis auch bei Boucher 1995, a.a.O., S. 394.

1.1. Politisches Gefüge

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Zu Lebzeiten sah sich Henri III. bereits bei seinem Regierungsantritt einer mehrfachen Opposition gegenübergestellt: Der französische Historiker Chaix nennt hier einmal die Malcontents (‚die Unzufriedenen‛) unter der Führung des jüngsten Bruders von Henri III., nämlich des Herzogs von Alençon (seit 1566) und ab 1574 auch wieder Herzog d’Anjou106, mit Unterstützung der zweiten (moderat katholischen) Gruppe, genannt die Politiques (‚die Politiker‛), unter Führung des Marschalls Montmorency-Damville, „dessen Macht fast der eines Vizekönigs gleichkam.“107 Diese Gruppe tendierte im Sinne einer Beendigung der ‚Religionskriege‛ zu einer Verbindung mit den Protestanten unter der Führung des Bourbonen Henri de Bourbon, König von Navarra. Dieser wiederum konnte auf die finanzielle Unterstützung Englands sowie auf die militärische Unterstützung der pfälzischen Kurfürsten zählen. Seit 1576 hatten sich mehrere katholische Gruppen unter der Führung Henri de Guise (1550–1588) zu einer nationalen, ultrakatholischen Formierung in der ‚Liga‛ zu einer dritten Oppositionskraft zusammengefunden.108 Eine mögliche Verbindung der oppositionellen Gruppen untereinander wurde vorerst durch den Frieden von Beaulieu, im Edikt vom 7. Mai 1576109 besiegelt, unterbunden.110 Nach erneuten Auseinandersetzungen sollte, vereinbart im Frieden von Nérac (28.2.1579), dann tatsächlich ein längerfristiger Friede folgen. Der jüngste Bruder des Königs, der Herzog d’Alençon-d’Anjou, als ältester lebender Bruder des Königs mit dem Ehrentitel Monsieur benannt, soll in diesem Frieden von Fleix (26.11.1580), so Jacqueline Boucher, zur vermittelnden Schlüsselfigur avanciert sein.111 Zumal der englische Gesandte Amyas Paulet besonders für das Jahr 1578 betont, dass eine ausgeprägte Krise der beteiligten 106 107 108

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Um Unklarheiten zu vermeiden, wird in der vorliegenden Arbeit für diesen in der vorliegenden Arbeit durchweg der Doppeltitel des duc d’Alençon-d’Anjou verwendet. Chaix 1997, a.a.O., S. 82. Auch: Reulos, Michel: L‚ action législative d’Henri III. In: Henri III et son temps. Hg. v. Robert Sauzet. Paris 1992, S. 177–182. Siehe auch: Sutherland, Nicola M.: Henri III, the Guises and the Huguenots. In: From Valois to Bourbon. Hg. v. Keith Cameron. Exeter Studies in History, Nr. 24. Exeter 1989, S. 21–35. Siehe auch: Bettinson, Christopher: The Politiques and the Politique Party: a Reappraisal. In: ebda, S. 35–51 sowie Jouanna 2002, a.a.O. Dieses Edikt erlaubte die Praxis des protestantischen Gottesdienstes in allen Städten des Königreiches, mit Ausnahme des Stadtgebietes von Paris und den Residenzen des Hofes, so sich dieser dort aufhielt. Auch erhielten die Hugenotten paritätische Gerichtshöfe und acht Sicherheitsorte. Hier nach: Reulos 1992, a.a.O., S. 178. Doch die Konflikte dauerten an und ein erneuter Friede wurde am 3. September 1577 durch das Edikt von Poitiers (8.10.1577) besiegelt und in Bergerac geschlossen. Siehe: Chaix 1997, a.a.O., S. 84. Siehe hierzu das Urteil von Jacqueline Boucher: „Il a été indiscutablement au centre d’un mouvement d’opinion qui s’est situé entre le parti calviniste, [...], et le parti ultra-catholique, [...].“ Aus: dies.: Autour de François, duc d’Alençon et d’Anjou, un parti d’opposition à Charles IX et Henri III. In: Henri III et son temps. Hg. v. Robert Sauzet. Paris 1992, S. 121–131, hier S. 129.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Interessengruppen am Hof zwischen den Anhängern des Königs einerseits und jenen von Monsieur andererseits zu beobachten sei und diese in Duellen und anderen gewalttätigen Auseinandersetzungen ihren Ausdruck fände.112 Der Frage, inwiefern hier ‚Stellvertreterkämpfe‛ für andere höfische Interessengruppen ausgetragen wurden, kann jedoch vorliegend nicht nachgegangen werden. Für die im Rahmen dieser Arbeit besonders relevanten Jahre 1580 bis 1584 gewinnt man den Eindruck, dass sich das politische Klima des Hofes, wenn auch nur vorübergehend, beruhigte, was auch die magnificences Anfang der 1580er Jahre beeinflussen sollte. Vergegenwärtigt man sich die scheinbar zentrale Rolle des letzten königlichen Bruders, erstaunt es nicht, dass der Tod von Monsieur am 10. Juni 1584 erneut Unruhe in das diesbezüglich fragile höfische Gefüge brachte, mit nachhaltigen Folgen: Durch die offensichtlich kinderlos bleibende Ehe von Henri und Louise konnte die Thronnachfolge des Hauses Valois nun nicht mehr gesichert werden. Stattdessen war für diesen Fall Henri de Bourbon, König von Navarra und Führer der protestantischen Faktion, der präsumtive Erbe.113 Mit der Ermordung des letzten Königs aus dem Hause der Valois am 1.8.1589 durch den Dominikaner Jacques Clément, trat dieser tatsächlich als Henri IV. die Thronfolge an. Mit seiner Konvertierung zum Katholizismus hatte er sich Frankreich als erbberechtigten, katholischen und französischen Aspiranten angeboten. Im Zuge seiner Regentschaft fanden die ‚Religionskriege‛ ihre politische Beendigung.114 Der Vielschichtigkeit dieser Auseinandersetzungen, auch in ihrem europäischen Konnex, vermag man in der Nachschau zusammenfassend wohl kaum 112 113

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Siehe Potter, David (Hg.): Foreign Intelligence and Information in Elizabethan England: Two English Treatises on the State of France. 1580–1584. Cambridge 2004, S. 19. Diese Ereignisse regten vornehmlich seit Winter 1584 die ultrakatholische Liga unter Henri de Guise zu erneuten Aktivitäten, gerade auch im Schulterschluss mit Spanien, an: „Dann schloß Heinrich von Guise am 31. Dezember 1584 mit Philipp II. von Spanien den Vertrag von Joinville, der auch von Papst Sixtus V. ratifiziert wurde. Dieser Vertrag sah vor, daß im Falle des Todes von Heinrich III. Karl von Bourbon, Kardinal und Erzbischof von Rouen (1520–1590), der dritte Sohn von Karl von Bourbon, des Herzogs von Vendôme, zum Thronerben ernannt werden solle, um alle anderen erbberechtigten französischen Prinzen häretischen Glaubens auszuschließen. Der Kardinal war ein Onkel von Heinrich von Navarra und veröffentlichte am 1. April 1585 ein Manifest zu diesem Zwecke. Philipp II. von Spanien gewährte der Liga pro Monat 50.000 Kronen, um den Kampf gegen die Hugenotten finanziell bestreiten zu können. Daraufhin brach ein Bürgerkrieg aus, in dessen Verlauf Heinrich III. auf die Seite der Liga wechselte. Am 18. Juni 1585 widerrief er im Vertrag von Namur alle Edikte und königlichen Proklamationen, die den Protestanten verschiedene Freiheiten gewährt hatten. Nachdem Papst Sixtus V. versichert worden war, daß Heinrich III. und Heinrich von Guise zu einer Einigung gelangt waren, veröffentlichte er eine Bulle gegen Heinrich von Navarra.“ Aus: Baier, Ronny: Guise. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band XXIII. Nordhausen 2004, Spalten 568–593. Als elektronische Ressource unter URL: http://www.bautz.de/ bbkl/g/guise.html (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch Carroll 2009, S. 255. Siehe Zeeden 1982, a.a.O., S. 171.

1.1. Politisches Gefüge

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gerecht werden. Gérald Chaix115 versucht diesem Umstand Rechnung zu tragen, indem er die Konflikte nach Gruppen grundsätzlicher beschreibt und beurteilt: „Dies waren zunächst einmal religiöse Konflikte in Verbindung mit dem Kampf um konfessionelle Positionen, der damals ganz Westeuropa kennzeichnete, aber in jedem Land – und insbesondere im Königreich Frankreich – eigene Schattierungen hatte. Diese waren auch politische Konflikte, die einerseits mit der Spannung, die aus der stärkeren Betonung der monarchischen Herrschaft und aus dem Widerstand der ländlichen und vor allem städtischen Gemeinschaften, sogar aus dem vom Adel beanspruchten ‚droite de révolte‛ (A. Jouanna) entstanden waren, andererseits mit den Rivalitäten, die Herrscher und Fürsten einer in vielfältiger Hinsicht auseinanderstrebenden Christianitas punktuell oder ständig in Gegensätze brachten, in Zusammenhang standen. Diese waren weiterhin kulturelle Konflikte, die einen ‚procès de civilisation‛ (N. Elias) aufdeckten, in dem die Hofgesellschaft, die unter der Regierung Heinrichs III. gründlich umgestaltet wurde116, nur einer der Akteure war. Schließlich waren es soziale Konflikte, sofern diese Unruhen die Neubildung sozialer Gruppen und die Initiative des einzelnen gerade begünstigten.“117

Zunächst verweist die Schlussfolgerung von Chaix auf einen unbestritten wichtigen Zugriff; die herausgestellte Vielschichtigkeit der Verhältnisse fordert eine multiperspektivische Herangehensweise. So ist der Hof tatsächlich Ort für Vielerlei: Er ist Markt wie Tempel, aber auch Salon wie Regierungszentrum, um nur einige seiner wichtigsten Funktionen zu nennen. Gerade der Valois-Hof wird Ende der 80er Jahre ein einzigartiges Zentrum der Distribution von Ehren, Ämtern und klientelen Bezügen und damit ein exzellenter Ort der Akkumulation und des Austausches von symbolischem und monetärem Kapital als Ausdruck verschiedenster Formen moralischer Ökonomie. Darüber hinaus zeigt das Urteil von Chaix noch etwas anderes. Beschäftigt man sich mit dem Phänomen des frühneuzeitlichen Hofes und dort mit tanzhistorischen Forschungen im Besonderen, stößt man gleichsam zwangsläufig auf die Werke von Norbert Elias118 bzw. der von ihm geprägten Arbeiten. Nachdem zunächst eine Reihe von Arbeiten119 zum Höfischen an verdienstvolle Überle115 116 117 118

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Chaix 1997, a.a.O., S. 77–96. Vgl. hierzu die Ausführungen im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit. Chaix 1997, a.a.O., S. 77. Siehe auch Zeeden 1982, a.a.O., S. 153. Siehe Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie. Darmstadt 1969; eine unpublizierte erste Fassung verfasste Elias 1933. ders: Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Bd.1.: Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes. 2. Bd. Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation. (Basel 1939) Bern, München ²1969. Die umfangreiche Literatur reicht von den 1970er Jahren bis in die neueste Zeit, so: Plodeck, Karin: Hofstruktur und Hofzeremoniell in Brandenburg-Ansbach vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Zur Rolle des Herrschaftskultes im absolutistischen Gesellschaftssystem. Ansbach 1972; Kruedeners, Jürgen von: Die Rolle des Hofes im Absolutismus. Stuttgart

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

gungen von Elias anschlossen, arbeitet seit Jahren eine weitere Generation von Hofhistorikern, die den Eliasschen Thesen auch kritisch gegenübersteht120 und andere Argumentationsmuster daneben zu entwickeln sucht. So hebt Jeroen Duindam hervor, dass zwischen den neueren anthropologischen Arbeiten und dem Eliasschen Modell bei genauerer Betrachtung starke Differenzen bestünden. Betonen etwa die Arbeiten der Schule um Lewis Namier „das Modell des Klientismus“121, mit seinem Akzent auf den „wechselseitigen Beziehungen, auf das unablässige Geben und Nehmen“122, gehe Elias eher von enger gefassten „ ‚funktionalistischen‛ Interpretationen des Staatsbildungsprozesses“123 aus. „Zu den Ausdeutungsansätzen von Norbert Elias gehören auch heute als überholt geltende Vorstellungen vom ‚Niedergang des Adels‛, des Wachstums der ‚absoluten‛ Macht124 und der Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung.“125

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1973; Klingensmith, Samuel J: The Utility of Splendor. Ceremony, Social Life and Architecture at the Court of Bavaria. 1600–1800. Chicago 1993. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die Arbeit zur Tanzkultur von Vera Jung, mit deutlichem Bezug auf Elias: Jung, Vera: Körperlust und Disziplin. Studien zur Fest- und Tanzkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Diss. Köln 2001. Zur Rezeption von Elias in den Geschichtswissenschaften siehe z. B. Schwerhoff, Gerd: Zivilisationsprozeß und Geschichtswissenschaft. Norbert Elias’ Forschungsparadigma in historischer Sicht, in: Historische Zeitschrift, 266 (1988), S. 61–605 sowie Opitz, Claudia (Hg.): Höfische Gesellschaft und Zivilisationsprozeß. Norbert Elias’ Werk in Kulturwissenschaftlicher Perspektive. Köln 2005, S. 119–142. Zur Kritik an Elias siehe ausführlich Duindam, Jeroen: Myths of Power. Norbert Elias and the Early Modern Court. Amsterdam 1995, hier weitere Literaturangaben; eine frühere Arbeit ist ebenfalls zu nennen: Winterling, Aloys: Der Hof der Kurfürsten von Köln. 1688– 1794. Eine Fallstudie zur Bedeutung ‚absolutistischer‛ Hofhaltung. Bonn 1986. Ein guter, knapperer Überblick findet sich auch in: Duindam, Jeroen: Norbert Elias und der frühneuzeitliche Hof. Versuch eine Kritik und Weiterführung, in: Historische Anthropologie, Jg.6/3 (1998), S. 380–387; Der Anstoß und der Verdienst, der von Elias’ Arbeiten für die Erforschung des Hofes sowie die Eröffnung neuer Themenfelder durch diese ausging, bleibt auch bei Duindam unbestritten; siehe hierzu ebda., a.a.O., bes. S. 371, in diesem Sinne bewertet er die Arbeit von Elias „als eine meisterhafte, aber auch veraltete Synthese, die intensiver Überprüfung und Überarbeitung bedarf, bevor sie die Forschung neu inspirieren kann.“ (ebda., a.a.O., S. 383). Duindam 1998, a.a.O., S. 372. Siehe hierzu beispielhaft mit zeitlichem und räumlichem Bezug zum vorliegenden Thema Gellner, Ernest, Waterbury, John (Hg.): Patrons and Clients in Mediterranean Society. London 1977; Orgel, Stephan, Lytle, Guy Fitch: Patronage in the Renaissance. Princeton 1981; Maczak, Antoni (Hg.): Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. München 1988; Kettering, Sharon: Patrons, Brokers and Clients in Seventeenth Century France. Oxfort 1986; dies.: Gift-giving and Patronage in Early Modern France, in: French History II 2 (1988), S. 131–151; auch: Davis, Natalie Zemon: Die schenkende Gesellschaft. Zur Kultur der französischen Renaissance. München 2002 sowie Godelier, Maurice: Das Rätsel der Gabe. München 1999. Duindam 1998, a.a.O., S. 372. Ebda. Bereits William Beik stellte dar, dass die Vorstellung von einer realen ‚absoluten‛ Monarchie gründlich zu hinterfragen sei: Beik, William: Absolutism and Society in Seventeenth

1.1. Politisches Gefüge

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In diesem Zusammenhang findet sich in den an Elias orientierten Arbeiten ein stetig ähnliches Erklärungsmodell, welches auch Chaix andeutet, wenn er ausführt, dass König und Adel sich nur als Rivalen verstanden hätten und der Hofadel sich überdies noch gegen das aufsteigende Bürgertum habe erwehren müssen. Dieses Argumentationsmuster folgt der Vorstellung, der Hof habe insofern als Hauptinstrument sozialen Wandels fungiert, als gerade hier zwischen Adeligen und Nichtadeligen strengstens unterschieden worden sei, und der sich dem ‚verführerischen Köder höfischen Lebens‛ sukzessiv ergebende Adel seine zwangsläufige gesellschaftliche Ablösung durch das sich finanziell mehr und mehr konsolidierende Bürgertum erfahren habe. Diese, scheinbar bis in die 80er Jahre nahezu konsensfähige Argumentation, ist in den letzten Jahren zu Recht häufiger hinterfragt worden. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten wurde sodann mehrfach überzeugend die Ansicht vertreten, dass „der Adel, insbesondere der Hofadel, [.] im Ancien Régime zumeist(,) seine Macht als herrschende Kaste zu bewahren vermochte. […] Elias’ Darstellung des Hofes als einer Art ‚goldenen Käfig‛ und der Hofämter als einer leeren, ihrer vormaligen Macht beraubten Hülle entspricht nicht der historischen Wirklichkeit. […] Selbst die mächtigsten Könige konnten nur mit und durch ihre Eliten herrschen, Schwertadel ebenso wie Amtsadel.“ 126

Wenn mir auch der Hinweis, dass es zweckmäßiger sei, „den Blick nicht mehr auf die horizontale Stratifikation zu richten, sondern auf die Stärke der vertikalen Segmentation, die die hierarchische Schichtung durchdrang“127, zu ausschließlich formuliert erscheint, verspricht der von Duindam vorgeschlagene Blick verstärkt auf ein „hierarchisch strukturiertes Segment der Gesellschaft, zusammengehalten durch ein Ensemble von gegenseitigen, aber ungleichen Rechten und Pflichten, stimuliert durch wechselseitige Erwartungen künftiger Vorteile“128, interessante Ergebnisse zu eröffnen, gerade auch für das vorliegende Vorhaben. Meines Erachtens sollte darüber hinaus auch eine horizontale Ebene, die die möglichen Identitätsbildungsprozesse129 von fokussierten Einzelpersonen mit gemeinsamem sozialem Hintergrund, weiterhin verfolgt werden. Zurecht verweist Jeroen Duindam darauf, und dies ist vorliegend von zentraler Relevanz, dass die von Elias in Bezug auf das Hofleben so häufig gebrauchten

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Century France. State Power ans Provincial Aristocracy in Languedoc. Cambridge 1986; auch Duindam 1998, a.a.O., S. 375. Hier zit. Nach: Duindam 1998, a.a.O., S. 373. Duindam 1998, a.a.O., S. 373 und S. 375. Duindam 1998, a.a.O., S. 373. Ebda. Hierbei muss nicht nur Geschlechtsidentität, sondern auch „soziale Identität im allgemeinen als ein diskursiv realisierter Konstitutionsprozess“ verstanden werden. Siehe Hemoer, Klaus, Pfeiffer, Helmut (Hg.): Spielwelten. Performanz und Inszenierung in der Renaissance. Stuttgart 2002, hier S. IX.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Metaphern „zähmen“ oder „domestizieren“ „nur in seltenen Fällen auf die Beziehung zwischen Adel und König“130 passe, da diese dem vielschichtigen, interaktiven Beziehungsgeflecht am Hofe nicht gerecht werden.131 So betonte auch unlängst Ronald Asch, dass „selbst der Hof [.] eher ein Ort (war), an dem adelige Ansprüche auf Status und Macht mit dem Monarchen ausgehandelt werden konnten als ein Instrument der Domestizierung des Adels, wie man oft gemeint hat.“132

Diese These ergänzt die bereits gemachten Ausführungen, wonach von einem kommunikativen Prozess in Bezug auf Herrschaft auszugehen ist. Nur konsequent erscheint es dann auch, einer immer noch etablierten Sicht auf den frühneuzeitlichen Hof zu widersprechen133, wonach das Geschehen am Hof primär als sich herausbildende Plattform des Herrschers, als einer zentralen 130

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Duindam 1998, a.a.O., S. 376. Von Elias ausgehend findet sich die Idee der physischen Nötigung des sozialen Körpers bei so prominenten Vertretern wie Ariès und Roger Chartier und auch Foucault. Duindam 1998, a.a.O., S. 376, hier auch genauer zu der impliziten Ambivalenz dieser Metaphorik bei Elias. Ausführlicher in: ders: Vienna and Versailles. The courts of Europe’s Dynastic Rivals, 1550–1780. Cambridge 2003. Für den Untersuchungszusammenhang der vorliegenden Arbeit sei folgende Überlegung angestoßen: Elias geht von der Annahme aus, dass der König einerseits ‚Bezähmer‛ und Manipulator des Adels ist, der geschickt auf Spaltung bedachte Inszenator. Andererseits ist er gleichzeitig Figur des Hofes. D. h. der ‚willensstarke Akteur‛ existiert parallel und unverbunden zum ‚primus inter pares‛ der Hofgesellschaft. Kann es sein, dass bis in die zeitgenössische Rezeption diese Ambivalenz auch dadurch implizit gemildert wurde, dass die beiden Funktionen ihrerseits gleichsam interpretatorisch auf zwei Personen ‚aufgespalten‛ wurden? Die Rolle des ‚willensstarken Akteurs‛ kommt hierbei häufig der Mutter Caterina zu (siehe auch hierzu die immer wieder im deutschsprachigen Raum fälschlicherweise vorgenommene Zuordnung des balet comique als Caterinas Werk); die des ‚Höflings‛ hingegen dem eigentlichen König Henri III. Asch, Ronald G.: Zwischen defensiver Legitimation und kultureller Hegemonie: Strategien adliger Selbstbehauptung in der frühen Neuzeit, in: zeitenblicke 4 (2005), Nr. 2, URL: http://www.zeitenblicke.de/2005/2/Asch (letzter Zugriff Juli 2010). Dieses Unbehagen schließt vor allem auch die – besonders in tanzhistorischen Arbeiten – geradezu paradigmatische Verwendung der Idee der ‚Sozialdisziplinierung‛ ein, wie sie Gerhard Oestreich Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre entwickelt hat. Oestreich entwickelte hierbei eine Idee, nach welcher eine sich stetig fortsetzende Verstaatlichung vom Bereich der Bürokratie auf den der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit ausdehnen lasse; von einer sozialen Prozesskategorie der ‚Sozialdisziplinierung‛ scheint Oestreich selbst hingegen gar nicht ausgegangen zu sein; siehe hierzu Oestreich, Gerhard: Strukturprobleme des europäischen Absolutismus (1969). In: ders.: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates. Ausgewählte Aufsätze. Berlin 1969, hier S. 179–197; auch: Schulze, Winfried: Gerhard Oestreichs Begriff ‚Sozialdisziplinierung in der frühen Neuzeit‛, in: Zeitschrift für historische Forschung 14 (1987), S. 265–302; auch: Behrens, Ulrich: ‚Sozialdisziplinierung‛ als Konzeption der Frühneuzeitforschung. Genese, Weiterentwicklung und Kritik – eine Zwischenbilanz, in: Historische Mitteilungen 12 (1999), S. 35–68.

1.1. Politisches Gefüge

47

Instanz monarchisch-gesteuerter Selbstinszenierung, gesehen wird. Das Unbehagen in Bezug auf diese Haltung gilt es umso deutlicher zu artikulieren, als gerade in zahlreichen kulturhistorischen Untersuchungen zum Thema Tanz noch häufig grundlegend und unwidersprochen von dieser monarchisch-gesteuerten Selbstinszenierung als leitender Idee ausgegangen wird.134 Insofern soll es vorliegend nicht in erster Linie um die Bewertung rituellen, zeremoniellen Handelns135 als mögliches Kontrollinstrument im Sinne einer einseitigen Herrschaftssicherung gehen. Stattdessen sollen die von mehreren Beteiligten intendierten, sich nur in der Interaktion realisierenden Zwecke symbolischen Handelns mit praktischem Nutzen, untersucht werden.136 Bei aller Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung bei zu beobachtendem Handeln als funktional oder eher intentional, soll das Augenmerk darauf gerichtet werden, wie sich das Reden von und im Handeln manifestiert. Besonders der Blick darauf, welche Rolle der Tanz oder das Reden über ihn in diesem Gefüge einnahm, verspricht interessante Einsichten.137 Denn es ist davon auszugehen, dass gerade im höfischen Umfeld Verhaltensstile und das Kommunizieren über Herrschaft vielschichtige Verbindungen eingingen. Anders gesagt, und hier sollte man Elias folgen, kann die Beziehungsanalyse der Macht, gerade über die Verfolgung kleiner Verhaltensdetails, Erfolg versprechen. In diesem Gefüge um Stil, Herrschaftsverdichtung und Eliten spielt gerade der Tanz eine bemerkenswerte Rolle.

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Siehe hierzu die früheren Arbeiten zur Lippes und, wenn auch impliziter, die bereits genannten Arbeit von Strong 1991,a.a.O. Siehe so auch Braun, Rudolf, Gugerli, David: Macht des Tanzes. Tanz der Mächtigen. München 1993. Auch die jüngere Arbeit von Weickmann, Dorion: Der dressierte Leib. Kulturgeschichte des Balletts (1580–1870). Frankfurt 2002 verfolgt diesen Ansatz. Speziell zum balet comique steht die (unveröffentlichte) Arbeit von Müller, Gabriele: Le Balet comique de la Royne. Studien zu der Buchausgabe 1582 von Balthasar de Beaujoyeux. Magisterarbeit. Tübingen 1993, S. 8f. in dieser Tradition. Vorliegend sollen die Begriffe ‚Zeremoniell‛ und ‚Etikette‛ für das 16. Jh. nahezu synonym verwendet werden, da eine diesbezügliche Differenzierung erst mit weiterer Ausbildung im 17. und nachfolgendem Jahrhundert geboten scheint. Zur Kritik an der undifferenzierten Verwendung beider Begrifflichkeiten vgl. Duindam 1998, a.a.O., S. 381f. Hierbei ergeben sich realiter jedoch häufig Schwierigkeiten bzgl. der Eindeutigkeit von Ergebnissen: z. B. zum Problem der Ausdeutung von Hofordonanzen hinsichtlich tatsächlichen Verhaltens oder nie verwirklichten Normsetzungen. Bei aller Differenziertheit, die Duindam in seiner Argumentation aufweist, wird doch deutlich, dass er, neben anderen, vornehmlich in deutscher Sprache publizierenden ‚Hofhistorikern‛ dem Tanz lediglich marginalen und didaktischen bis unterhaltenden Wert beimisst: „An den meisten Höfen waren zudem die Kunst der Konversation und Schlagfertigkeit gefragt, Tanz und Musik boten weitere Gelegenheiten, Gewandtheit und Behendigkeit unter Beweis zu stellen.“ Aus: Duindam 1998, a.a.O., S. 379.

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

48 I.1.2.

Soziales Gefüge: Das soziale Netz des Valois-Hofes

Will man vom französischen Hof in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sprechen, muss man zunächst zur Kenntnis nehmen, dass der frühmoderne Hof keine fixed entity ist.138 Dass dies auch noch bis Mitte des 16. Jahrhundert partiell zutrifft, hängt wesentlich damit zusammen, dass frühneuzeitliche Höfe im Allgemeinen und speziell der französische auch noch zu dieser Zeit nomadische Züge aufweisen.139 Mit zunehmender ‚Sesshaftwerdung‛ und Expandierung des Hofes ging die ansteigende Wichtigkeit von Zeremonien und Spektakeln sowie die prominente Stellung einzelner Amtsinhaber in den königlichen Haushalten einher.140 Grundsätzlich fokussiert man ein komplexes Gefüge, welches Mitglieder der königlichen Familie141 ebenso umfasst wie Mitglieder der Regierung. Es handelt sich folglich um eine Ansammlung von Personen verschiedenster sozialer Gruppierungen: Adelige und Nichtadelige sowie Personenkreise, die ständig am Hof dienten, neben jenen, die sich dort nur zeitweilig aufhielten. Diese Feststellung mag redundant anmuten. Und doch lenkt sie den Blick auf relevante Fragen, nämlich auf jene über die tatsächlichen Ausmaße des Hofes, der Hofhaltung und auch jene nach Strategien der Selbstbehauptung von Hofmitgliedern auf Suche nach der Stellung und Akzeptanz innerhalb einer, noch genauer zu bestimmenden, höfischen Gesellschaft.142

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Watanabe-O’Kelly, Helen: The early modern festival book: Function and Form. In: Mulryne 2004, a.a.O., S. 3–17, S. 3. Siehe Knecht, Robert Jean: Court Festivals as political spectacle. The example of sixteenthcentury France. In: Mulryne 2004, a.a.O., S. 19–31, hier S. 19, mit einem Überblick der Entwicklung des Festwesens am Hof der Valois im 16. Jh. Zu den magnificences siehe S. 24f., hier findet sich auch ein Verweis auf die Entwicklung der Verwendung des mythologischen Personals wie Neptun und die Sirenen, siehe Knecht 1998, a.a.O., S. 236–41. Duindam, Jeroen: Ceremonial staffs and paperwork at two courts. France and the Habsburg monarchy ca. 1550–1720. In: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18.Jh.). Société de cour et courtisans dans l’Europe de l’époche moderne (XVe–XVIIIe siècle). Internationales Kolloquium 28. – 30. September 2000 in Marburg. Hg. v. Klaus Malettke und Chantall Grell. Münster 2001, S. 369–388, hier S. 369. Diese setzte sich zusammen aus dem Souverän, dem Dauphin als seinem Nachfolger, den weiteren Söhnen und Töchtern sowie seit 1560 der Königinmutter. Gleichzeitig wird mit diesem Vorgehen angeregt, das Bild vom Hof als einer sozialen und kulturell homogenen Bezugsgröße in Frage zu stellen.

1.2. Soziales Gefüge

I.1.2.1.

49

Ausmaße des Hofes, Hofhaltung und Hofreglement

Bereits seit der Hofhaltung François I. (1494–1547) nahm die Anzahl von Bediensteten der königlichen Familie stetig zu: Schätzungen gehen für das Jahr 1523 von 540 Bediensteten am Hof aus, was eine Verdoppelung der Anzahl im Vergleich zum Jahr 1480 bedeuten würde. Bis 1535 stieg diese Zahl auf ca. 622 an.143 Diese Zahlen beziehen sich auf den königlichen Haushalt. Neben diesem bestanden auch unter den nachfolgenden Monarchen kleinere Haushalte, zum Teil von beträchtlichem Umfang, für die Königin144, die königlichen Kinder und ab 1560 auch für die Königinmutter.145 Bis 1584 stieg die Zahl der Hofbediensteten ständig an: 1560 wurden 1049 Personen, 1574 dann 1064 Personen und 1584 schließlich 1096 Personen gezählt. Rechnet man noch die Familien der Bediensteten, die Angestellten der königlichen Ställe und die militärischen Einheiten bei Hof hinzu, ergibt sich eine Zahl von ca. 4100 Personen im Dienst des Königs.146 Eine Schwierigkeit der genauen Größenangaben ergibt sich aus einem bereits angedeuteten, grundlegenden Phänomen, welches die eigentliche Hofhaltung maßgeblich bestimmte: Besonders in den ersten drei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ist der Hof noch die meiste Zeit auf Reisen147: „La cour [...] reste nomade et les déplacements continuels ne sont pas favorables au développement d’un cérémonial.“148 So gehen zeitgenössische Zählungen auch eher von der Anzahl an Pferden denn von Personengrößen aus.149 Der Großteil der im königlichen Haushalt

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Siehe hierzu die grundlegenden Arbeiten (jedoch mit durchaus unterschiedlichen Größenangaben) von Boucher, Jacqueline: Sociétés et mentalités autour Henri III. 4 Bde. Lille 1981, hier 3. Bd., S. 157–161; dies.: Le cour de Henri III. Paris 1986, hier S. 40ff., Solnon, Jean-François: La cour de France. Paris 1987, S. 21; Knecht, Robert Jean: Francis I. Cambridge 1982, S. 89. So wird der Haushalt Louise de Vaudémonts-Lorraine mit 297 Personen für das Jahr 1575, mit 285 für das Jahr 1589 angegeben. Siehe Boucher 1986, a.a.O., S. 40. Boucher gibt 330 für 1570, 435 für 1578, 666 für 1585 an. Aus: Boucher 1986, a.a.O., S. 40. Auch Ivan Cloulas gibt die Zahl ihrer Bediensteten mit 700 an: Cloulas 1979, a.a.O., S. 368. Siehe Boucher 1986, a.a.O., S. 40; siehe Boucher 1981, S. 158. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis bei Schmale auf die Größenverhältnisse des Landes im 16.Jahrhundert: „In der ersten Hälfte des 16. Jh. bedeckte das Königreich eine Fläche von rd. 450.000 qkm. Für die Nord-Süd-Durchquerung rechnete man 19 Reisetage und für die West-Ost-Reise 22. […] Legt man die materiellen Reisebedingungen zugrunde, bedeutete die Durchmessung des französischen Raums in etwa soviel wie heute die Durchmessung der Strecke Paris-Moskau mit dem Auto, […] . Um so mehr fällt ins Gewicht, dass Frankreich in dieser Zeit in der Imagination zu einer kulturellen Referenz zusammengeschlossen werden konnte.“ In: Schmale 2000, a.a.O., S. 109. Chatenet, Monique: Henri III et "L’ordre de la cour". Evolution de l’etiquette à travers les règlement généraux de 1578 et 1585. In: Sauzet 1997, a.a.O., S. 133–139, hier S. 133. Siehe Solnon 1987, a.a.O., S. 21; Knecht 1982, a.a.O., S. 97.

50

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Tätigen waren Männer: So gab es im Haushalt von Henri III. nur vereinzelt Waschfrauen150, da es „semblait plus honorable d’être servi par des hommes que par des femmes.“151 Im Haushalt der Königin Louise waren ca. 20% (1575), jedoch 43,4 % im Jahre 1589 und bei der Königinmutter konstant ca. 25% der Bediensteten Frauen.152 Diese Zahlen berücksichtigen allerdings nicht die im Rahmen des Hofes am öffentlichen Leben teilhabenden Frauen. Diese Entwicklung lässt sich erst seit Beginn des 16. Jahrhunderts am Hof der Anna von Bretagne beobachten.153 Für die am Hof arbeitenden Frauen wird zunehmend eine stärkere Differenzierung und Präzisierung der Tätigkeitsbereiche zu beobachten sein. Neben den dames d’honneur wird die Gruppe der filles d’honneur eingeführt werden und Anna-Manis Münster geht davon aus, dass „die Vermischung der Rangordnung vermieden werden sollte und die Forderung nach ‚chascune selon son estat‛154, nach seinem sozialen Status gemäßen Verhalten, gestärkt wurde.“155

Das sich nach und nach verändernde Bild des französischen Hofes, auch durch die Anwesenheit der Hofdamen, fand scheinbar nicht nur Zuspruch, wie er bei Brantôme und seinem Werk der dames galantes zu finden ist. Offensichtlich war es gerade der politisch wachsende Einfluss einzelner Frauen, der einigen Zeitgenossen durchaus Unbehagen bereitete. Jacqueline Boucher bemerkt hierzu, dass „Une autre peur était peut-etre motivée par l’influence émancipatrice de la cour. Les femmes, accoutumée à vivre dans ce milieu railleur et désinvolte, ne pouvaient plus faire preuve de docilité vis-à-vis de leurs pères et de leur maris.“156

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Grundlegend zum Hof Henris III. siehe die Arbeiten von Boucher 1981 und 2007, a.a.O. sowie dies: 1986, a.a.O.. Siehe auch: Solnon 1987, a.a.O. sowie die Sammlung bei Sauzet 1992, a.a.O. Boucher 1986, a.a.O., S. 40. Siehe Boucher 1986, a.a.O., S. 175 und dies. 2007, a.a.O., S. 127. Siehe Boucher 1981, a.a.O., S. 165–169, auch: Solnon 1987, S. 22–27; siehe hier auch den Hinweis, dass die Anzahl der Hofdamen ständig anstieg, so dass Caterina de Medici im Jahr 1585 111 Hofdamen in ihren Diensten hatte. Siehe auch Chatenet, Monique: Les logis des femmes à la cour des derniers Valois. In: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. 6. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. 6. Bd. Stuttgart 2000, S. 175–192, hier S. 177. Vgl. hierzu auch den expliziten Hinweis im balet comique, dass jede Teilnehmerin gemäß ihres Ranges aufzutreten habe: „chacune selon leur range et degré“, hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 78. Münster, Anna-Manis: Funktionen der dames et damoiselles d’honneur im Gefolge französischer Königinnen und Herzoginnen (14.–15. Jahrhundert). In: Hirschbiegel, Paravicini 2000, a.a.o., S. 339–354, hier S. 354. Hier zit. nach: Boucher 1981, a.a.O., S. 168.

1.2. Soziales Gefüge

51

Das tägliche Leben am Hof in einem zahlenmäßig großen und bewegten Milieu, gab zunehmend, auch bedingt durch die zunächst sporadische, dann mehr und mehr zunehmende ‚Sesshaftigkeit‛ und Anwesenheit des Hofes in Paris157, viele Probleme auf, da unterschiedlichste Personengruppen jetzt innerhalb weniger Gebäude miteinander leben und arbeiten mussten.158 So berichtete der venezianische Gesandte Lippomano über das Gesamtgefüge: „[...] c’est un pêle-mêle sans ordre et sans règle aucune.“159 In der Tat hatte Henri III. dieses pêle-mêle, also das ‚Durcheinander‛ im Auge, als er stärkere Reglementierungen für den Hof vorsah, denn jene, die noch sein Vater erlassen hatte. Umso mehr, als die hier beschworene Ordnung als Ausdruck einer wohlgeordneten und mithin gerechten Herrschaft verstanden werden sollte.160 Bereits im August 1578 führte Henri eine, schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung als vorläufig bezeichnete, Hofordnung ein, in deren Präambel die vordergründige Intention derselben benannt wird: „Sad. Majesté, ayant par la grace de Dieu pacifié lesdits troubles, a bien voulu, attendant d’y pourveoir plus amplement quand la paix sera mieux establye qu’elle n’est, faire les reglements qui s’ensuivent.“161

1585 führte er schließlich ein endgültiges règlement général162 und somit eine feste Etikette ein.163 Henri III. steht damit einerseits in der Tradition seiner Vorgänger, denn auch für Charles IX. ist nachweisbar, dass seine Mutter Caterina, wie schon erwähnt, Briefe mit Ratschlägen verfasste, wie er als König seinen Tagesablauf 157

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Zum zunehmenden Aufenthalt des Hofes in Paris und den Schlössern der Umgebung seit 1526, den hieraus entstehenden Kontakten zwischen städtischem Milieu und dem Hof sowie deren Bedeutung bei der Ausbildung humanistischer Ideen siehe Jacquart, Jean: Humanisme et élites à Paris au XVIe siècle. In: Humanismus und höfisch-städtische Eliten im 16. Jh. Hg. v. Klaus Malettke und Jürgen Voss. Bonn 1989, hier S. 15–29, siehe auch Engel, Josef (Hg.): Handbuch der europäischen Geschichte. Bd. 3. Die Entstehung des neuzeitlichen Europas. Stuttgart 1971, a.a.O., S. 768. Mit diesem Prozess beschäftigen sich zahlreiche Beiträge in: Höfe und Hofordnungen 1200–1600. 5. Symposium der Residenz-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Hg. v. Holger Kruse und Werner Paravicini. Sigmaringen 1999. Tommaseo 1838, a.a.O., S. 525. Dieses Verständnis ist auch in Jean Bodins Les Six livres de la République aus dem Jahre 1576 zentral. Zur Einordnung dieser Idee bei Bodin, gerade vor dem Hintergrund der sog.‚Bartholomäusnacht‛im Jahr 1572, siehe die Ausführungen bei Sahlins, Peter: Unnaturally French: foreign citizens in the Old regime and after. Ithaca u.a. 2004, S. 19. Zur Unterscheidung der Begriffe „Sakralgeschichte, die menschliche und (die) Naturgeschichte“ bei Bodin siehe auch Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt/M. 1989, S. 25 und auch S. 29. Hier zit. nach: Chatenet 1992, a.a.O., S. 135. Bei L’Éstoile siehe im Januar 1585 den Hinweis auf „Nouveaux reiglements“. In: L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 179. Boucher 1986, a.a.O., S. 39–67. Zur Analyse der Ordonanzen von 1578 und 1585 siehe die Arbeit von Chatenet 1992, a.a.O.

52

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

organisieren solle, wie die Rangabfolge bei Hofe einzuhalten sei, um „remettre le royaume dans son ancienne forme de dignité et de splendeur.“164 Andererseits geht er weit darüber hinaus. Und wieder betont Mutter Caterina ihr Selbstverständnis, indem sie unter stetigem Verweis auf die Vorbilder François I. und Henri II., die Kontinuität dieser Ordnung miterzeugt und sichern hilft.165 Den Charles IX. empfohlenen Tagesplan nahm Henri III. auf, die Wichtigkeit des Zeremoniells anerkennend, führte er dieses fort, sodass er bereits im September 1574, vier Tage nach seiner Ankunft in Lyon, unter expliziter Berufung auf die Absichten seiner Mutter bekannt gab, dass sich sein Haus einer Ordnung zu fügen habe.166 Das Reglement vom August 1578167 und später das vom Januar 1585 führten diesen Gedanken fort, beinhalteten jedoch auch zahlreiche Neuerungen: Deutlich ist, dass seit der Rückkehr Henris aus Polen zahlreiche neue Vorschriften hinzukamen, die vor allem den direkten Kontakt zum König erschwerten bzw. unmöglich machten. Insofern versuchte die ‚neue Ordnung‛ also nicht nur ein in Grundzügen bestehendes Procedere zu konservieren, sondern es wurden im Gegenteil wesentliche Neuerungen geschaffen, die den Anspruch auf Herausstellung des Königs ausdrückten und ihm theoretisch eine gesonderte Stellung innerhalb des Adels zuwiesen. Dies geschah symbolisch, indem einerseits Hierarchien neu erzeugt und größere, tatsächlich räumliche und damit einhergehend auch kommunikative Distanzen zwischen Hofmitgliedern und König geschaffen wurden.168 Der König erlaubte nun nicht mehr, dass man bei den Mahlzeiten allgemein mit ihm sprach. Andererseits achtete er darauf, dass sich, vor allem nach seiner Rückkehr aus Polen, gerade das dîner im Verbund mit einzelnen Hofmitgliedern deutlich intimer gestaltete: „le roi voulait adopter des manières allemandes, et renoncer à la familirarité amicale qui avait régné jusque-là entre lui et eux.“169 So verlangte er auch, dass Mitglieder des Hofes das Essen servierten, wofür es traditionell eigens maîtres d’hôtels am Hofe gab. Gleichsam diese Szene zur Schau stellend wurde der königliche Tisch mit einer Barriere umgeben.170 Die genannten normativen Quellen weisen darüber hinaus aus, dass 164 165 166 167 168 169 170

Hier zit. nach: Chatenet 1992, a.a.O., S. 134. Caterinas Brief vom 8. September 1563. In: La Ferrière. 2. Bd. 1885, hier S. 91ff. Siehe Chatenet 1992, a.a.O., S. 134. Jacqueline Boucher stellt den Tagesablauf tabellarisch dar in Boucher, 1986, a.a.O., S. 52. Reglement vom 11. August 1578: Premier grand règlement sur l’ordre de la cour. Im Mai 1579 erscheint dann die Grande ordonnance dite de Blois pour la réformation du royaume. Chatenet 1992, a.a.O., S. 134. Hier nach Chatenet 2002, a.a.O., S. 116. L’Éstoile 1947, a.a.O., unter September 1574. Siehe auch die umfassende Arbeit von Monique Chatenet: La Cour de France au XVIe siècle: Vie sociale et architecture. Paris 2002, hier bes. die Untersuchung zu dîner et l’audience S. 116–119 sowie zur Entwicklung der antichambres unter Charles IX und Henri II S. 179ff. Monique verweist auch für die Funktion des antichambres auf eine zweifache: in gebührender Distanz auf den König warten zu müssen, aber auch beobachten zu können. Siehe ebda., a.a.O., S. 174 und S. 179f.

1.2. Soziales Gefüge

53

die direkte Ansprache des Königs allgemein nun untersagt war; und auch der Zutritt zu den königlichen Gemächern wurde erst nach dem Ankleiden des Königs erlaubt. Das erste Mal in der Geschichte des französischen Hofes wurde im Zuge dieser Entwicklung eine Reihenfolge des entrée schriftlich fixiert. Und nicht zuletzt wurde festgelegt, dass Tanzgelegenheiten zweimal pro Woche171, entweder in den Räumen der Königin oder, bei besonderen Anlässen, im grande salle du Louvre172, stattfinden konnten.173 In der Regel geschah dies, wie Branôme zu berichten weiß, am Abend: „[…] et puis le soir qui estoit après souper […] ainsi que les femmes entroyent dans la salle de bal“174 Diese Regelungen stellten eine Erweiterung der bereits vorherig geltenden dar. So hatte bereits Charles IX. mit der Ordonanz von 1561 das Geleit der Witwen auf Bällen geregelt: „[…] ainsi comm’elle avoit veu du temps du Roy François, qui vouloit sa Court libre en tout; et mesmes que les vefves y dansoient et les prenoit-on aussi librement que l’on faisoit les filles et femmes mariées […]. Voylà des libertez qu’avoient les vefves pour lors. Aujourd’huy cela leur est deffandu comme sacrilège.“ 175

Margaret McGowan betont ebenfalls, neben dem Versuch der Einführung einer straffen Hofordonanz, gerade die Installation eines permanenten, großen Festsaals: „Deux éléments nouveaux apparurent cependant sous Henri III: une tentative de réglementation plus serrée de la conduite à la Cour et des rapports entre monarque et courtisans ainsi qu’une grande salle correspondant aux aspirations du prince. Pour bien déployer ses ballets et pour faire le plus d’éclat possible. Henri III disposait d’une salle de fêtes permanente et de grandes dimensions, le Petit-Bourbon du Louvre, […].“176

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Hierbei wurden für Donnerstag und Sonntagabend jeweils Bälle empfohlen, siehe Boucher 1986, S. 52, der genaue Wortlaut der Ordonanz in: McGowan 2006, a.a.O., S. 85, Anm. 27. Auch Handy 2008, a.a.O., S. 47. Andere Bezeichnung für den Festsaal im Petit-Bourbon du Louvre, auch la salle haute genannt. Zur Konstruktion und Funktion dieses Saales siehe Pérouse de Montclos, Jean-Marie: La grande salle de l’hotel du Petit-Bourbon, à côté du Louvre, œuvre inédite de Thibaud Métezeau des années 1570. In: Bulletin de la Société de l’Histoire de l’art français, année 1994 [1995], S. 15–21. zur Entwicklung der Festsäle siehe Chatenet 2002, a.a.O., S. 231–246, hier bes. Zum grande salle du Louvre S. 238–244. Chatenet 1992, a.a.O., S. 136. Brantôme, Pierre de Bourdeille: Recueil des dames, poésie et tombeaux. Hg. v. Etienne Vaucheret. Paris 1991, S. 390. Brantôme 1991, a.a.O., S. 526. McGowan, Margaret: L’essor du ballet à la cour de Henri III. In: Henri III mécène: des arts, des sciences et des lettres. Hg. v. Isabelle de Conihout. Paris 2006, S. 82–89, hier S. 86.

54

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Dass viele dieser Neuerungen Missstimmungen bei Mitgliedern des Hofes hervorriefen, ist nachvollziehbar. Gingen doch mit dieser Ordnung nun quasi ‚königlich-verordnete‛ Rangeleien vornehmlich adeliger Familien, aber auch der Nichtadeligen, um die theoretisch entzogene, zumindest aber stets unsichere Gunst des Königs einher. 1585 verleiht Henri mit der komplettierten Ausgabe der Hofordnung diesem Ansinnen scheinbar Nachdruck: Dass die neue Etikette keinen Widerspruch dulde, soll nun nachhaltig betont werden, so man den Aussagen L’Éstoiles Glauben schenkt: „Les réglements faicts par le Roy, le premier jour de janvier mil cinq quatre-vingt cinq lesquels il est très résolu de garder, et veut désormais estre observez de chacun pour son regard.“177 Sicher kann eine solche königliche Drohgebärde auch als eine Reaktion auf das immer wieder neue Aushandeln der Macht am Hofe gelesen werden. Gleichzeitig ist der Verweis auf Restriktionen bei Nichteinhaltung an sich „ein funktionales Argument gewesen: Normgebung als Prozeß bedarf der Feststellung von und der Rechtfertigung durch Nichteinhaltung der Gesetze bzw. Devianz, die sie durch Fortschreibung und permanente Etikettierung abweichender Verhaltensweisen bestätigt bzw. neu schafft.“178

Im Unterschied zur Ordnung von 1578, „ce cérémonial provoque une véritable révolution dans les usages de la cour de France. Révolution à la fois dans l’espace et dans le temps“179, bestimmt sich die neue Hofordnung m. E. vornehmlich durch zwei Determinanten: der reglementierte und strukturierte Umgang mit Zeit und die festgelegte Handhabung des Raumes.180 Die ersten Seiten dieser benannten Hofordnung enthalten Höflichkeitsregeln, die sich häufig auf das Gebaren des einzelnen Hofmitglieds beziehen: Dem König durfte beim Lesen der Depeschen nicht mehr über die Schulter gesehen werden, in der Gegenwart des Königs musste fortan gestanden werden, die Kopfbedeckung war abzunehmen. Auch korrekt angelegte Kleidung sowie bestimmte Formen der Kopfbedeckungen wurden vorgeschrieben. Gerade die Angaben zu den Bekleidungsvorschriften für Adelige wurden detaillierter angegeben sowie die Kleidung der Bediensteten vereinheitlicht. Geht man von einer möglichen oder zumindest angestrebten Realisierung dieser Normierung aus, verlangten diese 177 178

179 180

Lafaist, Louis (pseud. L. Cimber), Danjou, Félix: Archives courieuses de l’Histoire de France. 10. Bd. Paris 1839, S. 301. Härter, Karl: Reichsgesetzgebung und Reichsrecht. In: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Hg. v. Josef Pauser u.a. Wien, München 2004, S. 312–326, hier S. 319. Chatenet 1992, a.a.O., S. 137. Zeit und Raum als Konstituenten von Tanz werden noch im Umgang mit dem choreographierten Tanz als einer besonderen Form der höfischen Inszenierung genauer betrachtet. Siehe hierzu auch das Kapitel III.3. dieser Arbeit.

1.2. Soziales Gefüge

55

Vorschriften wesentliche Veränderungen für den Einzelnen in individueller Haltung und Gebaren und schließlich auch in Bezug auf die Bewegungsdisposition jedes einzelnen Hofmitgliedes durch die veränderte Umgestaltung der königlichen Räume – die es zunächst zu erlernen galt. Konkret hieß dies, dass vor die königlichen Gemächer des cabinet du roi 181 (Schlafraum) und der chambre royale (auch Speiseraum des Königs) nun eine Abfolge von Räumen gesetzt wurde: der salle du roi, ein für alle zugänglicher Raum, dann das antichambre, une chambre d’etat und une chambre d’audience.182 Der Zugang zu diesen Räumen und die Dienste, die den König direkt betrafen, waren von Tag zu Tag geregelt.183 Audienzen mussten schriftlich beantragt werden. Mit dem darüber hinaus weiterentwickelten System der entrée folgten die Beteiligten einer nahezu täglich neu festgelegten Choreographie. Die Nähe zum Tänzerischen ist offensichtlich, der Hof selbst gerät zur inszenierten Schaubühne: „[...] elle (cette modification. A.W.) développe le système des ‚entrées‛ de 1578 et donne naissance à une sorte de prodigieux ballet: on comprend qu’il ait été nécessaire de distribuer un livret aux figurants.“184

Der Eindruck, dass der Hof gleichsam einer Schaubühne mit den darin Agierenden imaginiert werden kann, wird durch den Hinweis verstärkt, dass nun auch festgelegt wurde, dass regelmäßig getanzt werden solle, wobei der ganze Hofadel anwesend zu sein habe. An diese Verordnung sollte sich der gesamte Hof zu 181

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Das cabinet war das persönliche Wohnzimmer, ein kleiner sorgfältig möblierter und aufwändig dekorierter Raum, den jedes Mitglied der königlichen Familie hatte. Margarete Zimmermann verweist auf das weite semantische Feld, das gerade dieses cabinet umgibt: „Das cabinet im räumlich-innenarchitektonischen Verständnis geht auf die spätmittelalterliche Galerie zurück […]. Er bezeichnet einen meistens weiblich konnotierten Rückzugsort, zu dem lediglich ein kleiner Kreis eigens geladener Personen und Freunde Zutritt erhält.“ Aus: Zimmermann, Margarete: Salon der Autorinnen. Französische dames des lettres vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert. Berlin 2005, S. 113. Für den 3.2.1576 lässt sich z. B. eine Sitzung der Académiques im cabinet des Königs nachweisen, an der neben ihm auch seine Schwester Marguerite, der Herzog und die Herzogin von Nevers, die Mareschallin de Retz teilnahmen. Zu diesem Kreis gehörte ferner auch Mademoiselle de Vitry, die spätere Madame de Simier, ebenfalls neben den o.g. (mit Ausnahme Marguerites) Akteurinnen des balet comiques. Zur Akademiesitzung am 3.2.1576 siehe den Brief des Venezianers Juanfranco Morosini in: Zimmermann 2005, a.a.O., S. 122. Chatenet 1992, a.a.O., S. 137. Auch für 1585 ist im Rahmen des Besuchs englischer Gesandter diese komplexe Abfolge von Räumen, bestehend aus salle, antichambre, chambre d’état, chambre d’audience und dem chambre royale bezeugt. Siehe hierzu Chatenet, Monique: La Cour de France au XVIe siècle: Vie sociale et architecture. Paris 2002, S. 182 und dies: Etiquette and Architecture at the Court of the last Valois. In: Court Festivals of the European Renaissance: Art, Politics and Performance. Hg.v. James Ronald Mulryne und Elizabeth Goldring. Aldershot 2002, S. 76–100. Chatenet 1992, a.a.O., S. 138.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

halten haben185 – mit einer Ausnahme: „[...] excepté messieurs les ducs de Joyeuse et d’Espernon, qui y pourront entrer à toutes les heures, et ainsi que bon leur semblera.“186 Über die Erzählungen von der privilegierten Stellung der beiden ‚Erzmignons‛187 und ihrer Funktion, wird noch an späterer Stelle in diesem Kapitel ausführlicher zu sprechen sein. Finden sich für das räumliche Arrangement möglicherweise Vorbilder im papistischen Rom und im spanischen Hofzeremoniell Philipp II.188, so ist doch sein Gebrauch am französischen Hof – möglicherweise in Zitation, aber auch Veränderung derselben – eher ein gegenteiliger: „En Espagne, l’utilisation de cette suite est statique: de droit de pénétrer dans une pièce dépend seulement du rang du courtisan. En France, l’occupation de l’espace est dynamique, en ce sens qu’elle varie selon le moment de la journée.“189

Beinhaltet dieses moment de la journée dann nicht auch, dass Gehorsam stärker ausgehandelt werden musste, als dass dieser verordnet oder gar vorausgesetzt werden konnte? Dies eingedenk der Überlegungen des Soziologen Anthony Giddens, dass Verhaltensregeln und Normen, die nicht angewandt werden, faktisch irrelevant seien, – „also Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen nur in dem Maße relevant sind, wie sie im Handeln der Betroffenen reproduziert werden.“190 Auch Ellery Schalk konstatiert eine wesentlich langsamere, tatsächliche Veränderung der höfischen Verhaltensweisen.191 Ein auch hier zu findendes prozessual 185

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Es scheint mir, dass das eigentlich Maßgebliche das Erzählen von Abgrenzung und Anpassung als kollektiv- und identitätsstiftendem Moment ist; die normative Herausstellung und Absonderung des Königs zielt möglicherweise zunächst auch auf eine gerade hierdurch zu imaginierende Gemeinschaft der anderen, tatsächlich ja stark differierenden Gruppen; Scheinbar mit Erfolg, da bis heute häufig die geschilderten Verhältnisse und Bezüge als idealtypische Einheit, nämlich als ‚der Hof‛, charakterisiert und beschrieben werden. Lafaist, Danjou, 1839, a.a.O., S. 313. Henri etablierte im Sommer 1581 einen „secret inner council“ mit Joyeuse und d’Èpernon als Mitgliedern. Siehe: Carroll, Stuart: Martyrs and murderers. The Guise family and the making of Europe. New York 2009, S. 237. Die Bezeichnung „archi-mignon“ verwendet Pierre de L’Éstoile, hier nach: Lacroix 1853, a.a.O., S. 109, Aber auch moderne Autoren verwenden diese Bezeichnung, siehe z. B.: Pawyza, F.: La magicienne et le roy: la scene de l’oubli dans le ‚ballet comique de la Royne‛. In: Revue des sciences humaines, Nr. 256, 1999, S. 49–63, hier S. 49. Chatenet 1992, a.a.O., S. 138. Chatenet 1992, a.a.O., S. 138; möglicherweise findet die scheinbar innerhalb des höfischen Geflechts wirksame Reaktion der Anpassung (d.h. ja auch Adaption von Bekanntem und Abgrenzung) auch außenpolitisch Verwendung: Bezöge sich dann der scheinbar intendiert angestoßene Identitätsprozess auf die verstärktere Ausbildung der Denkfigur ‚Nationalstaat‛ in Frankreich? Vergleiche hierzu die Ausführungen bei Schmale 2000, a.a.O, S. 106ff. Hier zitiert nach: Asch 2005, a.a.O., URL: http://www.sehepunkte.historicum.net/2005/04/7315.html (letzter Zugriff Juli 2010). Schalk, Ellery: The Court as ‚Civilizer‛ of the Nobility: Noble Attitudes and the Court in France in the late Sixteenth and early Seventeenth Centuries. In: Princes, Patronages, and

1.2. Soziales Gefüge

57

dynamisches Moment ist darüber hinaus bereits in der theoretischen Abfassung der normierten Etikette selbst zu finden: Fasst sie nämlich einerseits Räumlichkeiten und die in ihnen stattfindenden Bewegungen am Hof in statischere Formen, sind die Agierenden nachweislich noch nicht auf ihren Rang hin festgelegt, somit also gleichzeitig dynamisch im statischen Arrangement. Andererseits erschwert dann gerade diese Dynamik den Hofmitgliedern die persönliche Verortung im gesamten Sozialgefüge des Hofes. Galt es doch, innerhalb dieser Ordnung stets den neuen Platz des Agierens auszumachen und möglicherweise für sich (und auch die eigene Familie) zu behaupten. Welche Strategien der Selbstbehauptung lassen sich hierbei ausmachen?

I.1.2.2.

Adelige Strategien der Selbstbehauptung

Richtet man den Blick hierbei zunächst auf den Adel, eingedenk des Umstandes, dass es nur sehr eingeschränkt möglich ist, von diesem als einem einheitlichem Adelsstand auszugehen, ist doch festzustellen, dass fast alle Adeligen unbestritten vielfältigen Anfechtungen innerhalb ihrer grundsätzlichen Vormachtstellung ausgesetzt gewesen sein müssen.192 Den zahlreichen Herausforderungen begegneten viele, so Ronald Asch, tatsächlich denn auch mit vielfältigen Strategien, indem sie „die eigene ständische Identität situationsbedingt ganz unterschiedlich zu inszenieren“ wussten.193 Die Selbstbehauptungsstrategien Adeliger scheinen hierbei zumindest teilweise auf den Prozess der Anpassung durch Antizipierung bezogen gewesen zu sein. Anders gesagt, die eigene Wertvorstellung wurde den veränderten Rahmenbedingungen angepasst bzw. sollte als eine derart angepasste wahrgenommen werden. Damit einher ging möglicherweise ein verändertes, oder zumindest als solches propagiertes, ständisches Selbstbild. Bereits für das erste Drittel des 16. Jahrhunderts konstatiert Ellery Schalk für den französischen Hof:

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the Nobility. The Court at the Beginning of the Modern Age, c. 1450–1650. Hg. v. Ronald G. Asch und Adolf M. Birke. New York 1991, S. 245–264, hier S. 251. Speziell zum französischen Hof siehe hierzu Schalk 1991, a.a.O., S. 252; grundsätzlicher siehe hier Asch 2005, a.a.O., Abs. 6. Asch betont besonders die kulturellen Herausforderungen, z. B. durch die Bildungsbewegung des Humanismus. Auch der Vorwurf an den Adel, rationalem Wirtschaftshandeln abgeneigt zu sein, wird beispielhaft angeführt. Es gilt zu überlegen, dass Henri III., gerade auch retrospektiv wie von den eigenen Zeitgenossen vorgeworfen wird, für die Feste zuviel Geld ausgegeben zu haben. Ihm wird – wie dem übrigen Adel – der Vorwurf der Verschwendung gemacht. Erstens verweist dies am Rande auf eine Wahrnehmung einer partiellen Stellung des Königs als primus inter pares und zum Zweiten gilt hier ebenso, was für den gesamten Adel gilt: Henris ‚Gunst-Ökonomie‛, hier mit deutlich umgekehrter Zielrichtung versehen, geht möglicherweise von eigener Rationalität aus, wenn es auch darum geht, die Adeligen günstig zu stimmen, sozusagen als „politische(n) Kredit“ (Asch), denn als finanziellen. Asch 2005, a.a.O., Abs. 0.

58

I.1. Höfische Rahmenbedingungen „But also with its balls and festivals, its dancers and celebrations, its emphasis on decorum and being civilized, its well-known Italian influences, and the popularity of Castiglione’s Courtier, the focus of life at court had changed. And with this new emphasis, the court also came to play [...] a much greater role at the national level in the development of arts and letters. The court was becoming more a centre of ‚culture‛ and of ‚civilization‛.“194

Diese Entwicklung setzt sich unter Henri II. zwischen 1547 und 1559 auch insofern fort, als der Hof sich offensichtlich mehr und mehr als literarisches Zentrum in Szene setzt. Der Dichter Ronsard und andere namenhafte Autoren verweilen lange am Hof und arbeiten dort. Gleichzeitig sind es teilweise Literaten, die zuweilen unter Henri III. eine starke anti-höfische Haltung einnehmen und eine Sicht auf den Hof als bete noire der Gesellschaft entwickeln. Dies ist jedoch auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass gerade seit Mitte des 16.Jahrhunderts am Hof vielfältige kulturelle Netzwerke entstehen, in denen sich wiederum die jeweiligen Mitglieder immer wieder als solche behaupten müssen. Unter kulturellen Aspekten scheint die Entwicklung des Hofes in der Zeit von 1574–1589 also mehr das Kontinuum – abseitig der erwähnten Differenzen – denn die Konvergenz zu betonen. Ellery Schalk schreibt zudem König Henri III. eine Vorreiterrolle in diesem Gefüge zu, da der Hof unter ihm als premier gentilhomme, im Unterschied zu seinen Vorgängen, „was dominated by a much more intellectually gifted king.“195 Auch wenn Schalk mit ihrer Wertung einer schlüssigen, seit einiger Zeit verbreiteteren Sicht und Wertung des letzen Valois-Herrschers folgt, wie sie vor allem auch von Jacqueline Boucher, einer hervorragenden Kennerin des späten Valois-Hofes, überzeugend vertreten wird, finden sich Äußerungen dieser Art in der Forschung erst in den letzten Jahren häufiger. Traditionell hingegen urteilen Autoren über die letzten drei Valois-Könige, indem sie betonen, dass es sich um schwache, von der Mutter Caterina de Medici dominierte Regenten gehandelt habe, die „feeble and neurotic“196 gewesen seien. Denis Richet begründet einen bis heute nur zögerlich zu konstatierenden Wandel in der Rezeption Henris, indem er drei aufeinanderfolgendenden Phasen derselben ausmacht: „Un premier temps [...] serait celui de l’effacement d’Henri III devant les bienfaits dont était crédité Henri IV. Le roi de la ‚poule au pot‛ rejetait dans les ténèbres le roi des Mignons. Deuxième temps: celui du romantisme qui tendait á idéaliser, mais avec haine, la mère aux dépens du fils. Catherine, la Florentine, devenait le personnage central et maléfi-

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Schalk 1991, a.a.O., S. 249. Schalk 1991, a.a.O., S. 251. Bei Richard Dunn heißt es: „All three were feeble and neurotic. All three were dominated by their mother.“ Aus: Dunn, Richard S.: The Age of Religious Wars 1559–1689. Pennsylvania 1970, S. 23, aber auch Chevallier, Pierre: Henri III: roi shakespearien. Paris 1985, S. 15 und Strong 1991, a.a.O., S. 200 schließen sich diesem oder ähnlichen Urteilen an.

1.2. Soziales Gefüge

59

que d’un drame dans lequel Henri ne jouait qu’un rôle subalterne: celui de comparse. Troisième temps: celui de la réhabilitatoins.“197

Sucht man also nach Urteilen zu Henri III. im zeitlichen Umfeld der 80er Jahre bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts in zeitgenössischen Quellen, so begegnet man in der Regel einem Negativbild, häufig, wie auch Richet betont, wohl als Gegenfigur des Nachfolgers Henri IV., der jedem Untertan ein ‚Huhn im Topf‛ gewünscht und das Land befriedet und, so möchte man ergänzen, bevölkert habe – Henri IV. war vierzehnfacher Vater. Le Roux formuliert dies so: „La nouvelle dynastie des Bourbon a en effet puisé une grande partie de sa légitimité symbolique dans la diabolisation des derniers Valois et de leur entourage“198 Zur Funktion dieser Diabolisierung des letzten Valois passt auch, dass einige Pamphlete teilweise erst Jahre später, nämlich zur Regierungszeit Henri IV., anonym gedruckt wurden. Wird Henri IV. seit jeher weitgehend positiv als ‚guter König‛ beschrieben, hat eine differenziertere Reflektion über Henri III. tatsächlich erst in den letzten Jahren verstärkt eingesetzt.199 Das offensichtlich verbreitete zeitgenössische Bild über Henri III. fasste Bernd Dreher zusammen: „Für die Hugenotten war er der ausgewiesene Erzfeind ihres Glaubens und ihrer Partei, für die katholische, pro-lothringisch-spanische Sainte-Ligue (Heilige Liga), […], der Verräter am einzigen und wahren Glauben, Ketzerfreund und tyrannischer Zerstörer des katholischen Königreiches, für den weitaus größten Teil seiner Untertanen (gleich ob Hugenotte oder Katholik) zudem der perverse Verschwender der Reichtümer des Landes und seiner Bewohner. Eine intensive, zuweilen rücksichtslos schmähende und verleumdende Propaganda der politischen und religiösen Parteiungen machte den König zum Negativcharakter schlechthin, in dem als dem letzten aus dem Hause Valois alle schlechten Eigenschaften und Anlagen der Dynastie kumulierten. Ein unfähiger, politisch gescheiterter, moralisch 197

198 199

Richet, Denis: Henri III dans l’historiographie et dans la légende. In: Sauzet 1992, a.a.O., S. 13–20, hier S. 13f.: Es lassen sich drei Phasen der Rezeption zur Person Henris III. unterscheiden: Die erste steht unter dem Zeichen des direkten Vergleichs mit Henri IV., der das Land befriedet und versorgt habe; die zweite Phase ist als eine romantisierende zu bezeichnen: Caterina wird die zentrale Figur in einem Drama, in welchem Henri nur eine untergeordnete Rolle zukommt. Die dritte Phase widmet sich schließlich der Rehabilitation, die zunehmend das heutige Forschungsinteresse zu prägen scheint. Le Roux, Nicolas: La faveur du roi : mignons et courtisans au temps des derniers Valois. Seyssel 2001, a.a.O., S. 9. Deutlich wird, dass gerade auch die zweite Phase der Rezeption seiner Person wesentlich durch die Person seiner Mutter geprägt ist: Das Bild der primär machtorientierten Herrscherin ließ sich mit dem Bild des ihr unterlegenen, von ihr dominierten Sohnes weitaus widerspruchsloser lesen. Zu den Arbeiten, die ein verständnisvolleres Urteil über Henri formulieren, zählen die von Frances Yates, Keith Cameron, Pierre Chevalier und Jacqueline Boucher. Siehe auch Conihout 2006, a.a.O. Verdienstvollerweise betont dieser Band deutlicher als bisher Henris III. kulturelle Leistung, der dem Hof als Ort kultureller Diskussionen jenseits der konfessionellen Streitigkeiten gleichsam ein Angebot zur Homogenisierung desselben machte.

60

I.1. Höfische Rahmenbedingungen verkommener, gar psychisch kranker Herrscher200 – eine Wertung, der sich entgegen aller Quellenevidenz auch noch Historiker des 20. Jahrhunderts angeschlossen haben.“201

Katherine Crawford geht davon aus, dass Anspielungen auf Henris abweichendes sexuelles Verhalten Zeit seines Lebens Schwierigkeiten in seiner Regentschaft zur Folge hatten.202 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Henri in sehr viel stärkerem Ausmaß als seine Vorgänger mit polemischen Traktaten persönlich attackiert wurde. So geht man von bis zu 900 solcher Traktate aus, wobei hiervon viele in den letzten vier Jahren seiner Regentschaft verfasst wurden.203 Katherine Crawford zeigt darüber hinaus, dass die seit 1574 geäußerte Polemik gegen den König in seiner Ermordung 1589 gipfelt und sich die Nachwirkungen dieser Polemiken bis in die heutige Zeit abzeichnen. Es verdient m. E. jedoch Erwähnung, dass diese Verbalattacken gegen Henri Angriffe auf den König von Frankreich sind, die eben erst mit dessen Übernahme der französischen Regentschaft 1574 zu beobachten sind, nicht vorher. So ist es Michiele, einem venezianischen Gesandten, ein Anliegen in einem fiktiven 200

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Pierre de L'Éstoile listet zahlreiche solcher Pamphlete in seine Mémoires auf; eines hiervon (1577) auch abgedruckt in: Lacroix, Paul: Histoire de la prostitution chez tous les peuples du monde: depuis l’antiquité la plus reculée jusqu’à nos jours. 6. Bd. Paris 1853, S. 103ff., zwei weitere Beispiele von 1576 hier auf S. 99f., in welchen den mignons der Vorwurf gemacht wird, ‚unzüchtige Agenten der italienischen Ausschweifungen‛ zu sein; hier auch mit Verweis auf einen Eintrag bei Champollion datiert auf den 10. September 1580, dass verschiedene Pamphlete über den König und seine mignons in den Jahren 1577, 1578 und 1579 erschienen seien, Lacroix 1853, a.a.O, S. 106. Dreher, Bernd: König Henri III. und seine mignons: ein Männerbund am französischen Hof im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts. In: Männerbande – Männerbünde. 2. Bd. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Hg. v. Gisela Völger. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde, Köln vom 23.3.–17.6.1990. Köln 1990, S. 23–32, hier S. 23. Siehe zu dieser Bewertung auch Urteile des 19.Jh. wie bei: Lacroix 1853, a.a.O., S. 94, siehe auch: Leclerc, Ludovic (pseud. L. Celler): Les origines de l’Opéra et le Ballet de la Reine (1581). ND der Ausgabe von 1868. Paris 2001, S. 105; auch Teasley mit dem Hinweis, dass auch ein Teil neuzeitlicher Historiker „a moderated form of a rhetoric of Henry’s enemies“ akzeptiert und kolportiert hätten: Teasley, David: The Charge of Sodomy as a political Weapon in Early Modern France: The Case Henry III in Catholic League Polemic, 1585–1589, in: The maryland historian, 18/1 (1987), S. 17–30, hier S. 17. Siehe Crawford, Katherine: Love, Sodomy, and scandal: Controlling the sexual Reputation of Henri III, in: Journal of the history of sexuality, 12 (2003), S. 513–542; siehe auch: Poirier, Guy: L’homosexualité dans l’imaginaire de la Renaissance. Paris 1996, S. 109–114 und 129–146. Interessanterweise ist im Zusammenhang mit Henris abweichendem Verhalten auch häufig eine Anspielung auf Fremdes, Exotisches als Befremdliches zu finden (‚der fremde König‛): So trägt eine Abbildung zu Henri die Unterschrift: „Voicy du Roy HENRY troisiësme l’image, Qui mesprisa sa vie ennemis & dangers, Qui prattiqua les meurs des peoples estrangers, Prince tout bon tout saint tout vaillant & tout sage.“ In: Ronsard, Pierre: Oeuvres. Paris 1584, S. 470, hier zit. nach: Poirier 1996, a.a.O., S. 108. Teasley 1987, a.a.O., S. 17.

1.2. Soziales Gefüge

61

Brief über den noch jungen Prinzen zu berichten, dass er ein den Frauen und dem Luxus zugetaner Hofmann (courtisan) sei, der sich einerseits einem entspannten Leben widme, dabei auch ein großer Befürworter höfischer Unterhaltung sei und selbst auch in allen geschätzten Fähigkeiten des idealen Hofmanns ausgebildet, geübt sowie in seinen militärischen Leistung geschätzt sei.204 Dies stützt einerseits die Beobachtung von Crawford über die zeitgenössische Rezeption der Person Henris, die häufig die Idee impliziere „he was a bad king because he was deviant“. Andererseits betont diese Wertung Crawfords nicht deutlich genug, dass das unterstellte abweichende Verhalten an sich bereits ein konstruiertes ist. Die Frage, die primär gestellt werden sollte, ist wohl weniger die nach der genauen Art der geäußerten Vorwürfe – hiermit könnte eine undienliche Kolportage gestützt werden –, als vielmehr die nach dem Grund für diese Narrativa. So geht David Teasley davon aus, dass die Hetzschriften gegen Henri einerseits in einen breiteren zeitgenössischen Diskurs einer rhetoric of hate während der ‚Religionskriege‛ einzuordnen seien, gleichzeitig sich diese aber über einen discourse of exclusion gegen Henris Person und, ich möchte ergänzen, gezielt gegen den königlichen Körper und mithin die königliche Macht, entladen. So wird ein systematischer gesellschaftlicher Ausschluss Henris durch die Verurteilung seines ‚abweichenden Verhaltens‛ bei gleichzeitiger Versicherung sich hierauf beziehender, gesellschaftlich akzeptierter Werte durch seine politischen Gegner angestrebt.205 Diese bedienen sich in besonderer Weise eines Diskurses, der sich aus gesellschaftlichen Tabus speist und mit dessen Hilfe das Reden und vor allem das Verschweigen des ‚unaussprechlichen Lasters‛ eine nachhaltige Wirkung erzielt. Ronald Asch weist im Zusammenhang mit dem ‚Favoritenregiment‛ und einer ‚Schar von Günstlingen‛ unter James I. in England aus, dass „[…] physische Intimität zwischen Männern, die sich etwa in Umarmungen oder selbst Küssen äußern mochte, in der Gesellschaft des 17. Jahrunderts noch nicht unbedingt ein Zeichen für Homosexualität war. Argwöhnisch wurde man freilich, wenn eine solche Intimität zwischen einem sozial höher Gestellten und einem Freund, der ihm sozial unterlegen war, bestand; bei den Favoriten des Königs war diese Konstellation ja gegeben. Hier tauchte dann rasch der Vorwurf der ‚Sodomie‛ auf, des – nach damaligen Begriffen – widerna-

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Michiele, Pietro, sig. d’Husse: Il dispaccio de Venere. Epistole Heroiche & Amorose. Venedig 1655. Hierzu Teasley: „[.], it is the pervasiveness of a “discourse of exclusion,“ a language purposely designed to ostracize Henry from French society and simultaneously to confirm generally accepted values within that society, used for politico-religious reasons by Henry’s opponents and later readapted by certain modern historians to fit a psychological model.“ In: Teasley 1987, a.a.O., S. 18.

62

I.1. Höfische Rahmenbedingungen türlichen Geschlechtsverkehrs, während man ansonsten an homoerotischen Bindungen zwischen Männern nicht unbedingt Anstoß nahm.“206

Angeregt durch einen Gedanken von Regina Schulte aus ihrer Untersuchung zum „Geheimnis im dörflichen Gerede“207 möchte ich mit Bezug auf den Fall des französischen Königs zudem herausstellen, dass es wohl auch hier primär um die Dynamik, die das Reden vom abweichenden, ‚sodomitischen‛ Verhalten des Königs bewirkt, das eigentlich interessante und wirkmächtige Phänomen darstellt. Die Inszenatoren, die in den gedruckten Polemiken über den König den Geschichten um ihn einen sich wiederholenden Text gaben, der stetig erneuert und weitergegeben wurde, schafften hiermit einen „Augenblick bedrohlicher Unordnung“ (Schulte), die ihren nachhaltigen Endpunkt in der Ermordung des Königs 1589 durch einen Dominikanermönch fand (und einer in diesem Sinne folgenden Logik der Wiederherstellung einer rekonstituierten Ordnung?). Henri III. versuchte dem zuvor entgegenzuwirken, indem er seiner Selbstdarstellung vor allem den Ausdruck des idealen, weil guten und väterlichen Königs verlieh.208 Katherine Crawford betont jedoch, dass sich Henris Selbstbild aus humanistischen Idealen speiste, zeitgenössische, höfische Diskurse sich allerdings deutlicher auf neuplatonische Ideale bezogen, die in ihren Folgen für die sozialen Verknüpfungen am Hof einander nicht entsprechen mussten: „Henry formulated an image of himself as the source and symbol of harmony and peace, the embodiment of an idealized forme of ‚love‛. While Henry’s concept of love was shaped by humanist understandings, royal discourse joined a Neoplatonic view of love209 inseparably with the bodily function of reproduction, on the one hand, and homosocial intimacy, on the other.“210

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Asch, Ronald G.: Jakob I. (1566–1625). König von England und Schottland. Herrscher des Friedens im Zeitalter der Religionskriege. Stuttgart 2005, hier S. 93f; siehe aber auch S. 90– 104 sowie die umfangreiche Literaturangabe zu „Hof und Favoriten“ in: ebda., S. 239. Mit Dank an Regina Schulte für viele anregende Hinweise verweise ich an dieser Stelle auf: Schulte, Regina: „Es bleibt mir nichts anderes übrig, als dass ich ein Feuer anzünde und hineinspringe.“ Ein Geheimnis im dörflichen Gerede und die Wiederherstellung der sittlichen Ordnung“, in: Das Geheimnis am Beginn der europäischen Moderne. Hg. v. Gisela Engel, Zeitsprünge 6 (2002), S. 369–378. Siehe hierzu die bildlichen Darstellungen des letzten Valois Herrschers im Kapitel III.1.1. dieser Arbeit. Zeugnisse dieser neoplatonischen Idealisierung von ‚Liebe‛ im Rahmen der frühneuzeitlichen höfischen Diskurse finden sich z. B. auch in Montaignes Essay „Über die Freundschaft“, in: Montaigne, Michel de: Von der Freundschaft. München ²2005, S. 7–18. Auch die Beschäftigung innerhalb der Pléiade mit diesen und ähnlichen Themen verdient hierbei Berücksichtigung. Siehe hierzu auch zuletzt Oschema, Klaus (Hg.): Freundschaft oder ‚amitié‛? Ein politisch-soziales Konzept der Vormoderne im zwischensprachlichen Vergleich (15. – 17. Jahrhundert). Berlin 2007. Teasley 1987, a.a.O., S. 515.

1.2. Soziales Gefüge

63

Henris Sicht rekurriert auf die Vorstellung eines zu Grunde gelegten naturästhetischen Konzeptes, wonach die Nachahmung der Natur als Imitation einer idealen, höheren Ordnung verstanden wird.211 Folgt man den von Crawford vorgelegten Überlegungen, erwachsen aus den theoretisch gestützten, höfischen Diskursen noch dringlichere Ansprüche an den natürlichen Körper des Königs, denen Henri III. nicht entsprechen konnte. Darüber hinaus war aber auch in dem von ihm gewählten Konzept, wonach die göttliche Harmonie als eine natürlich gegebene und heilige Ordnung verstanden wurde, kein Platz für solche Attacken. Denn das ihm vorgeworfene sexuell abweichende und im Verständnis des 16. Jahrhunderts ‚nicht natürliche‛ Verhalten212 störte die Harmonie empfindlich. „[…] Sodomy was a ‚sin against nature‛. Nature was understood as an organic unit having hierarchy established by God. Thus, a sin against nature could only be an attack upon this divinely created order originally imposed upon the chaos of the universe.“213

Anders gesagt: Gegen eine solche Idee von natürlich-göttlicher Ordnung verstößt die Idee des sexuell abweichenden Verhaltens des Königs fundamental.214 Es 211

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Zum Verhältnis von Mimesis und Natur z. B.: Gebauer, Gunter, Wulf, Christoph: Mimesis. Kultur-Kunst-Gesellschaft. Reinbeck 1992; Mit Bezug auf tanzspezifische Fragestellung hierzu: Jeschke, Claudia: Imitatio und Mimesis. Wirkungen und Aussage in den Tanzkonzepten vom 16. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Ausdruckstanz. Symposium Schloss Thurnau 1987. Hg. v. Gunhild Oberzaucher-Schüller. Wilhelmshaven 1992. 2004 legte Monika Woitas in ihrer umfassenden Habilitationsschrift gerade das Verhältnis von naturästhetischen Diskursen und Tanz eindrucksvoll vor, primär mit Blick auf das 18. Jahrhundert. Siehe: Woitas 2004, a.a.O., S. 19. Mit Reverenz auf das biblische Bild von ‚Sodom und Gomorrah‛ zeigten die spätmittelalterlichen Schriften des Thomas von Aquin ihre Nachhaltigkeit, wenn z. B. nach französischem Recht im 14. Jahrhundert auf Sodomie die Todesstrafe stand und noch im 16. Jahrhundert mit diesem Strafmaß das Pariser Parlament zwischen 1565 und 1640 immerhin noch in acht Fällen urteilte. Siehe hierzu Soman, Alfred: The Parlement of Paris and the Great Witch Hunt (1565–1640), in: Sixteenth Century Journal, Bd. 9, Nr. 2 (1978); S. 31ff. auch bei Pierre L’Éstoile findet sich ein Hinweis hierzu: L’Éstoile, 2. Bd. 1875, S. 323. Teasley 1987, a.a.O., S. 19. Man beachte hierbei die für Frankreich noch in der Frühneuzeit vorherrschende Vorstellung der Verknüpfung des Herrschertums als Gottesgnadentum mit der spätmittelalterlichen Christologie, wonach, mit Bezug auf eine Rezension von Stefanie Arend des Werkes von Peter-André Alt, „Herrscher sein bedeutet, ‚das Mysterium der zwei Körper Christi‛ zu wiederholen, die Imitatio Christi gleichsam natürlich zu leisten. Wie der Körper Christi fleischlicher Leib ist und zugleich die Kirche, den Bund der Gläubigen symbolisiert, so ist der frühneuzeitliche Herrscher natürlicher Leib und symbolisiert zugleich das politische Königtum, die Institution mitsamt ihren Untertanen. Der König ist zwar Herrscher, der sterblich ist, aber aufgrund seiner Funktion als Repräsentationsfigur des Staates zugleich unvergänglich. Alt betont, dass die Unterscheidung zwischen ‚Natur und Institution‛ aufgehoben sei, was ‚für das Staatsdenken des Abendlandes eine gänzlich neue Qualität be-

64

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

handelt sich bei diesen Vorwürfen gegen den König, um weiter in Anlehnung an Kantorowicz’ ‚zwei Körper des Königs‛ zu sprechen, um einen gezielten Angriff gegen den natürlichen Körper des Königs. Durch die Beschädigung des natürlichen Körpers erfährt jedoch auch der politische, als Sicherungsort des Kontinuums der Macht, Schaden. Dieser gleichsam ‚auf den Leib geschriebene‛ Angriff stellt eine bemerkenswerte Verschiebung gerade im Sinne der postulierten und eingeforderten herkömmlichen ‚Ordnung‛ dar. Auch Henri III. versuchte einer möglichen Dysfunktionalität des natürlichen Körpers zu begegnen, indem er sich, wieder unter Hinzunahme liebessemantischer Rhetorik, zum guten König und vor allem Vater stilisierte. In diesem Sinne sind auch die Formulierungen, die Henri in Briefen an oder über seine Vertrauten, besonders Anne de Joyeuse und Jean-Louis Nogaret de La Valette215 wählt, zu verstehen.216 Formulierungen, bei denen Worte der ‚Freundschaft‛ wie der ‚Liebe‛ verwendet werden, legen den Eindruck nahe, dass sie einer zeitgenössischen Rhetorik zur ‚Freundschaft‛217, zur amitié, verpflichtet sind. Diese kann verstanden werden als „personale Bewegung mit politischer Tragweite“ (Oschema), die über die personale und intime Zweierbeziehung des „parce que c’était lui, parce que c’était moi“ bei Montaigne218 hinausgeht. ‚Freundschaft‛ und ‚Liebe‛ sind hier also als ‚politisch‛ zu verstehen, da sie – religiöse Interessen überschreitend – ein gemeinschaftsstiftendes Friedenskonzept transportieren sollten, in welchem sich „der König […] immer mehr als die privilegierte Quelle des sozialen Zusammenhalts bestätigt(e).“219 ‚Freundschaft‛ und ‚Liebe‛ rücken derart in die semantische Nähe zu ‚Frieden‛, dass gerade während der langanhaltenden Krisensituationen

215 216

217

218 219

deutete‛ (S. 12), insofern nämlich auch ‚jenseits seiner organischen Physis‛ der Herrscher seine Macht ‚naturrechtlich‛ fundieren kann (S. 15).“ Aus: Arend 2004, a.a.O. unter URL: http://www.iaslonline.de/index.php?mode=list_new&medium=1&filter=4&sort=2&orde r=desc&pubdatum=2010&count=5 (letzter Zugriff Juli 2010). Zur Person La Valette siehe speziell auch die Arbeit von Tierchant, Hélène: Le duc d'Épernon: le favori de Henri III. Paris 2001. Siehe auch bei L’Éstoile den Hinweis: „ […] il (le roi. A.W.) ‚repondait qu'il serait sage et bon m’enager après qu'il aurait marié ses trois enfants, par lesquels il entendait d’Arques, La Valette et d’O, ses trois mignons.“ In: L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 24. Zur vom König beabsichtigten Gleichbehandlung der beiden Favoriten noch für das Jahr 1586 berichtet auch Scipion Dupleix. In: Dupleix o.J, a.a.O., S. 192f. Konzeptionell kann die Kategorie ‚Freundschaft‛ nicht trennscharf von Liebe, Patronage und Verwandtschaft abgegrenzt werden, da sich diese Sozialbeziehungen häufig überschneiden. Vor diesem Hintergrund soll vorliegend nur der Versuch einer situativen Annäherung unternommen werden. Defaux, Gérard: Montaigne et le travail de l’Amitié. Du lit de mort d’Estienne de La Boétie aux Essais de 1595. Orleans 2001. Siehe die sehr interessante Untersuchung von Jérémie Foa zur Funktion der pactes d’amitié während der ‚Religionskriege‛ unter Charles IX. Foa, Jérémie: Gebrauchsformen der Freundschaft. Freundschaftsverträge und Gehorsamseide zu Beginn der Religionskriege. In: Oschema 2007, a.a.O., S. 109–135, hier S. 133.

1.2. Soziales Gefüge

65

wie in Frankreich diese Vorstellungen „die Hoffnung auf eine friedliche Beilegung der Konflikte nähr(t)en“, da „dauerhafter Frieden […] nur auf der Grundlage von Freundschaft und Liebe denkbar (war).“220 Dem augenscheinlichen Ansinnen seiner politischen Gegner, Henri mit Hilfe dieser Angriffe in jeder Hinsicht zu diffamieren und zu isolieren, entsprachen auch die polemischen Attacken gegen seine Vertrauten.221

I.1.2.3.

Wundersame Transformation: Vom mignon zum gewöhnlichen Ehemann

Im Folgenden soll der Blick, der gerade für die Rezeption des balet comique von Relevanz ist, auf jene Männerbünde gerichtet sein, die Henri III. mit einem Kreis junger Männer, welche pejorativ in Hofkreisen mignons genannt wurden, schloss.222 Bedeutete mignon ursprünglich so viel wie ‚Favorit‛ oder‚treuer Diener‛, gebrauchten antikönigliche Schmähschriften das Wort im Sinn von ‚zärtlicher Gespiele‛ und unterstellten, wobei der Rangunterschied der Beteiligten hier entscheidend war, damit homosexuelle Beziehungen zwischen dem König und seinen Vertrauten: „[…] War das, wahrscheinlich von ‚menimos‛ und somit aus spanischem Ursprung abgeleitete Wort, noch bis in die 70er Jahre des 16. Jhs. in Frankreich im positiven Sinne von ‚homme de cour‛ und ‚fidèle serviteur‛ gebraucht, weicht diese positive Konnotation, dann einer zunehmenden Abwertung und Vulgarisierung: ‚Aus ‚mignon‛, dem ‚fidèle serviteur‛, wurde ‚mignon‛, der zärtliche Gespiele, der Ephebe des Königs.“223

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222

223

Oschema, Klaus: Einführung. In.: ders. 2007, S. 7–21, hier S. 16 und S. 17. Siehe hierzu auch Crawford, Katherine: European Sexualities, 1400–1800. Cambridge 2007, S. 200, mit Verweis auf die Analyse Joseph Cadys, der darauf hinweist, dass Henri mit den Gunsterweisungen für seine Favoriten allerdings auch selbst sehr öffentlich und deutlich in sexualisierter Form umging. In der letzten Zeit ist die Gestalt des ‚Günstlings‛, eine Bezeichnung, die es m. E. ob seiner Pejoration zu vermeiden gilt, als wichtiges Element frühneuzeitlicher Herrschaftspraxis in den Blick geraten. Betonten ältere Studien in der Regel eine moralische Verurteilung der königlichen Favoriten, widmen sich jüngere Arbeiten deutlicher der sachlichen Analyse. Für den Valois-Hof siehe hierzu vor allem die sehr umfangreiche Arbeit von Nicolas Le Roux: ders. 2001, a.a.O.; aber auch: Jouanna, Arlette: Faveur et Favoris: L’exemple des mignons de Henri III. In: Sauzet 1992, a.a.O., S. 155–165 sowie Malettke 2001, a.a.O.; Asch, Ronald G.: Schlussbetrachtung: Höfische Gunst und Höfische Günstlinge zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit – 18 Thesen. In: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Hg. v. Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini. Ostfildern. 2004, S. 515–531. Dreher 1990, a.a.O., S. 26.

66

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Diese Sicht spiegelt sich auch in den Aufzeichnungen des der Politique nahestehenden Hofberichterstatters L’Éstoile im Juli 1576: „Das Wort Mignon war zu dieser Zeit in aller Munde und begann zu einem der verhasstesten zu werden, besonders in Bezug auf ihre Schminke, und ihre weibische und unanständige Kleidung, aber vor allem in Bezug auf die gewaltigen und großzügigen Geschenke (dons), die ihnen vom König zuteil wurden. […] Die schönen Mignons trugen ihr Haar ein wenig länger, gelockt und glatt in kunstvoller Ausführung, an deren Spitze sie kleine Samthütchen (bonnets de velours) trugen, wie es die Huren aus dem Bordell tun. […] Ihre Tätigkeiten bestehen im Glücksspiel, Gott lästern, springen, tanzen, voltigieren (volter), streiten, herumhuren und dem König überall hin zu folgen und zu jeder Gelegenheit ihm zu gefallen suchen, was sie auch tun oder sagen, sich wenig um Gott oder Tugenhaftigkeit kümmernd, sich selbst gefallend in der guten Gnade ihres Meisters, den sie mehr fürchten und verehren als Gott.“224

Zwei Männer aus diesem Kreis gelangten in diesem Sinne zu besonderer Bekanntheit: Jean-Louis Nogaret de la Valette, später duc d’Épernon225, bei Brantôme als seconde-soy-même bezeichnet, gleichsam als ein alter ego des Königs, und Anne d’Arques, späterer duc de Joyeuse.226 Dieser heiratet einundzwanzigjährig 224

225

226

„Mignons – Le nom de Mignons commença, en ce temps, à trotter par la bouche du peuple, auquel ils estoient fort odieux, tant pour leurs façons de faire qui estoient badines et hautaines, que pour leurs fards et accoustremens effeminés et imprudiques, mais surtout pour les dons immenses et libéralités que leur faisoit le Roy, […]. Ces beaux Mignons portoient leurs cheveux longuets, frisés et refrisés par artifices, remontans par dessus leurs petis bonnets de velours, comme font les putains du bordeau, […] leurs exercices estoient de jouer, blasphémer, sauter, danser, volter, quereller et paillarder, et suivre le Roy partout et en toutes compagnies; ne faire, ne dire rien que pour lui plaire; peu soucieux, en efect, de Dieu et de la vertu, se contentans d’estre en la bonne grace de leur maistre, qu’ils craingnoient et honnoroient plus que Dieu. […].“ Aus: L’Éstoile Bd. 1. 1875, S. 143 (Juli 1576). (meine Übers. A.W.). De la Valettes (1554–1642) Aufstieg ist beachtlich und auch dadurch gekennzeichnet, dass ihm wesentliche Ämter im Heer zukamen, wie Joyeuse diese in der Marine bekleidete. De la Valette wird im November 1581, nach der Hochzeit von Joyeuse, zum duc d’Épernon erhoben. Siehe: Carroll, Stuart: Martyrs and murderers. The Guise family and the making of Europe. New York 2009, S. 238. Zur Heirat von Èpernon siehe L’Éstoile 1982, a.a.O., S. 199, S. 168. Auch: Brantôme 1981, a.a.O., S. 427 sowie den Überblick bei Le Roux 2001, a.a.O., S. 743. Hier scheinen zwei Angaben bei Bernd Dreher nicht ganz korrekt: Es ist nicht Bernard de Nogaret de la Valette, der ein ‚Erzmignon‛ ist und weder dieser noch der eigentliche ‚Erzmignon‛ Jean-Louis haben „die Schwester der Königin“ geheiratet. Für Jean-Louis war diese Verbindung lediglich vorgesehen. Vgl.: Dreher 1990, a.a.O., S. 27. Anne de Batarnay, baron d’Arques, wurde 1560 im Château de Joyeuse in Ardèche als Sohn von Guillaume, vicomte de Joyeuse und Marie de Batarnay geboren. Seine Ausbildung erhielt er in Avignon und ab August 1572 am Collège de Navarre in Paris. Als Baron Angehöriger des niederen Adels, wurde er 1577 ständiger königlicher Begleiter. Am 18. September 1581 wurde der Ehevertrag mit Marguerite de Vaudémont-Lorraine, Tochter von Nicolas de Lorraine, Herzog von Mercoeur und Johanna von Savoyen, unterschrieben. Am 23. September 1581 findet in Saint-Germain-l’Auxerrois in Paris die Trauung

1.2. Soziales Gefüge

67

am 24. September 1581 in der Kirche Saint-German-l’Auxerrois die siebzehnjährige Marguerite de Vaudémont, eine Stiefschwester der Königin Louise.227 Die jungen, männlichen Vertrauten, mit denen Henri III., vornehmlich seit Ende 1574228 eine enge, individuell-personale Bindung einging, waren ursprünglich nicht hochadeliger Herkunft, gerieten aber durch königliche Patronage in respektabelste höfische Positionen und zu besonderen Privilegien. Dieser Umstand an sich stellte jedoch noch keine sonderliche Neuerung dar. Auch andere ValoisHerrscher vor Henri III. hatten Favoriten gehabt, die sie ganz offensichtlich mit besonderen Privilegien ausstatteten im Rahmen besonderer lignages, die offiziell mit dem Tod des Herrschers erloschen. Allerdings berücksichtigte der neue Herrscher in der Regel die lignages traditionnels,229; nicht so Henri III. Hinzu kam, dass sich Henri gleichzeitig mit dieser kleinen Gruppe vom restlichen Hof und Adel scheinbar stärker isolierte als seine Vorgänger, zumindest rügt René de Lucinge in seinem Miroir des princes diese Auffälligkeit als „kleinmütiges Verhalten und Mangel an Geltung.“230 Auch Jacques-Auguste de Thou231, selbst Vertrauter statt. Im Juli 1581 bedeutet dies für Arques: „Le roi donne à mr d’Arques la principauté de Poursian qu’il achète, et érige Joyeuse en duché.[…].“ Aus: De Rignac an Saint-Sulpice am 11. Juli 1581. In: Cabie 1975, a.a.O., S. 686. Im August wurde die Vizegrafschaft Joyeuse zum Herzogtum und zur Pairie erhoben, was mit einem Vorrecht gegenüber den anderen Herzögen und Pairs, mit Ausnahme der Fürsten von Geblüt, war. Der König schenkte ihm darüber hinaus die Herrschaft Limours. Am 1. Juni 1582 wurde er Großadmiral von Frankreich – der duc von Mayenne war von dieser für 360.000 livres zurückgetreten. Am 31. Dezember wird er Ritter des Ordens vom heiligen Geist. Am 24. Februar 1583 wurde er Statthalter der Normandie sowie 1584 Statthalter von Le Havre. Im gleichen Jahr, nach dem Tod von François-Hercule duc d’Alençon-d’Anjou erhielt er die Statthalterschaft im Herzogtum Alençon, sein Bruder die des Herzogtums Anjou. Am 20. Oktober 1587, bei einem Angriff auf protestantische Truppen bei Coutras, wurde er getötet. Siehe hierzu MacGowan 1982, S. 14. Über den Aufstieg d’Arques siehe Vaissière 1926, S. 9. Auch L’Éstoile erwähnt Erhebung und Verlobung von de Joyeuse, siehe L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 22. Siehe auch Carroll 2009, a.a.O., S. 238. 227 Marguerite de Vaudémont-Lorraine (14.5.1564–20.9.1625), Tochter von Nicolas, duc de Mercoeur, comte de Vaudémont und seiner 2. Frau Jeanne de Savoie-Nemours (1532– 1568), heiratete in Saint-Germain-l’Auxerrois in Paris am 24.9.1581 Anne (Annas), duc de Joyeuse (eigentlich Anne de Batarnay, baron d’Arques, duc de Joyeuse) (1561–1587); sie verheiratet sich in zweiter Ehe am 31.5.1599 mit François de Luxemburg, duc de Piney (gest. 1613). Zu ihrer Erwähnung in Brantômes Dames illustres in: Brantôme 2.Bd. 1790, S. 204. Zu Lebensdaten und Hochzeitsdaten siehe auch Marek, Miroslav: Genealogie Lorraine unter URL: http://genealogy.euweb.cz/lorraine/lorraine6.html (letzter Zugriff Juli 2010). 228 Dieser Zeitraum steht in engem Zusammenhang mit dem Tod von Marie de Clèves, Prinzessin von Condé, am 30. Oktober 1574. 229 Siehe Dreher 1990, a.a.O., S. 25. 230 Hier nach: Dreher 1990, a.a.O., S. 25. 231 Jacques-Auguste de Thou (1553–1617), französischer Staatsmann und Historiker, soll in den religiösen Auseinandersetzungen eine vermittelnde Position eingenommen haben, galt als ein Vertrauensmann Henri III. Siehe die Angaben unter URL:

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

des Königs, berichtet, dass Henri sich häufig exklusiv mit diesen jungen Männern umgab.232 Die Dynamik, die Henris Favoriten, die nur ihm gegenüber zur Loyalität verpflichtet und nicht Mitglieder des alten Hofes waren, in das soziale Gefüge bringen, spiegelt sich bereits in den frühen, zahlreich verfassten Pamphleten der Jahre 1576–78.233 Diese sind, wie bereits erwähnt, in der Regel vor allem auch antikönigliche Verleumdungsschriften, viele von ihnen, stehen in engem Zusammenhang mit der Gründung der ultrakatholischen ‚Liga‛ (1576) und sind, wie bereits gezeigt wurde, als politische Waffe auch in späteren politischen Kontexten von Henris Gegner initiiert und genutzt worden. Ähnlich wie bei der Person Henris übernahmen die negative Bewertung der mignons grosso modo auch die Historiker des 19. Jahrhunderts. Gerade Paul Lacroix, ein ausgewiesener Kenner des höfischen Festwesens, adaptierte diese Abwertung der Favoriten und potenziert sie noch, wenn er, den eigenen Moralkodex preisgebend, über die mignons schreibt, dass diese auch als hermaphrodites bezeichnet worden seine, wobei er diese Formulierung besonders “raffiné“ findet, rücke sie die mignons doch in die besondere Nähe zur Prostitution, deren Historie er zu beschreiben bemüht sei: „ce dernier surnom (hermaphrodites. A.W.) moins populaire et plus raffiné que l’autre, caractérisait l’espèce de Prostitution à laquelle ils devaient, [.], leur crédit et leur fortune.“234

Diese Äußerung verweist vor allem auf Diskurse des 19. Jahrhunderts, die sich offenbar der frühneuzeitlichen Diskurse um die Dämonisierung der mignons und des Königs235 als einem Wider-die-Natur-Seins der Beteiligten bedienen.236

232 233

234 235

http://www.bautz.de/bbkl/t/thou_j_a.shtml (letzter Zugriff Juli 2010). Thou, Jacques-Auguste de: Mémoires. 1553–1601. Hg. v. Éric de Bussac und Pascal Dumaih. Clermont-Ferrand 2004, S. 72. Einige dieser Pamphlete sammelte der gemäßigte Pierre L’Éstoile (1576) unter dem Titel: Les belles Figures et Drolleries de la Ligue, avec les peintures, placcars et affiches injurieuses et diffamatoires contre la memoire et honneur du feu Roy que les Oisons de la Ligue apeloient Henri de Valois, imprimées, criées, preschées et vendues publiquement à Paris par tous les endroits et quarrefours de la Ville l'an 1589. Desquelles la garde (qui autrement n'est bonne que pour le feu) tesmoingnera à la postérité la meschanceté, vanité, folie, et imposture de ceste ligue infernale, et de combien nous sommes obligés à nostre bon Roi qui nous a délivrés de la serviture et tirannie de ce monstre. Paris 1589–1606. (Bibliothèque nationale de France, Réserve des livres rares RES GR FOL-LA25-6. Als elektronische Ressource mit zahlreichen Abbildungen unter URL: http://gallica.bnf.fr (letzter Zugriff Juli 2010). Lacroix 1853, a.a.O., S. 114. Die hier vollzogene ‚Entweihung‛ des Königs und ‚Zerlegung des königlichen Körpers‛ findet schlussendlich wohl auch im Königsmord und damit der vollständigen Entmachtung des Königs ihren Höhepunkt. Zum Königsmord siehe auch Scheffler, Thomas: Vom Königsmord zum Attentat. Zur Kulturmorphologie des politischen Mordes. In: Soziologie der Gewalt. Hg. v. Trutz von Throtha. Opladen 1997, S. 183 –199.

1.2. Soziales Gefüge

69

Für das vorliegende Vorhaben erscheint im frühneuzeitlichen Sprechen über die angeblichen mignons allerdings eine zusätzliche Komponente interessant, die für die Person des Königs so nicht zu finden ist: Wenn L’Éstoile die Beschäftigung der jungen Männer beschreibt mit „[…] jouer, blasphémer, danser, se quereller et paillarde. Ils apparaissent comme des créations artificielle (!) dont le roi est le Pygmalion“237, rückt er ihr Gebaren und Verhalten noch in die Nähe einer anderen zeitgenössischen Diskussion. Denn neben der Beschreibung ihres Äußeren als ‚exotisch‛ – hier verwendet er den aus dem Griechischen entlehnten Begriff, welcher gerade im 16. Jahrhundert in Frankreich und hier vor allem in Paris eingebürgert wurde238 – beschreibt L’Éstoile die Beschäftigungen der mignons mit Glücksspielen und Gotteslästern, gefolgt von seinen Hinweisen auf das Springen, Tanzen und Voltigieren. Hiermit greift er eine seit der Antike immer wieder geführte Diskussion um das Wesen des Tanzes auf. Den Tanz zu rechtfertigen und gegen den Vorwurf der Sünde zu verteidigen ist seit jeher ein Anliegen der Tanzbefürworter bei der Abfassung tanztheoretischer Schriften, wobei stets antike Größen als Referenzen angeführt werden.239 Bereits für Lucian Samosatas Dialog über die Tanzkunst ist in diesem Zusammenhang die Nähe eines Disputes um die ‚Weiblichkeit des Tanzes‛ und in diesem Sinne auch Unangebrachtheit desselben für männliches Verhalten zu finden: So lässt er zu Beginn des Dialoges Kraton als Zweifelnden in das Thema einführen, wenn dieser sagt: „[…] Aber […] wie soll man dir verzeihen, […], wenn man dich den edelsten Studien und dem Umgang mit den alten Weisen entsagen sieht, um dich hinzusetzen und dir die Ohren volldudeln zu lassen, während du einem Zwitter von Weib und Mann zusiehst, wie er in einem üppigen weibischen Aufzug einherstolziert, und mit den wullüstigsten Gesängen und Bewegungen die verrufensten Weibsstücke des Alterthums […] darstellt, und sich zu dem allen noch pfeiffen und trillern und die Mensur mit den Füßen schlagen lässt.“240

In Bezug auf die männlichen Begleiter des Königs wird der Tanz als spezifische Bewegungsform also durchaus in die Nähe effeminierten Verhaltens gerückt, in

236 237 238

239 240

Siehe hierzu auch die Ausführungen zu den Transformationsprozessen des balets in Kapitel I.4. dieser Arbeit. Hier zit. nach: Le Roux 2001, a.a.O, S. 9. Siehe Brunner, Wolfgang: Der Reiz des Exotischen bei Arbeau und in seiner Zeit. In: Busch-Hofer, Roswitha (Hg.): Zur Orchésographie von Th. Arbeau, 1588. Remscheid 1991, S. 101–145, hier S. 102. Für die Schriften des 16. Jahrhunderts siehe Arena, Caroso, Negri, Arbeau und dann De Lauze für das beginnende 17. Jahrhundert. Lucian von Samosata: Dialog von der Tanzkunst. Aus dem Griech. v. Christ. Martin Wieland. Leipzig 1789. Abgedruckt in: Boehn, Max von: Der Tanz. Berlin 1925, S. 133–165, hier S. 133f.

70

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Bezug auf das tänzerische Verhalten, jedoch nicht so für den König.241 Für diesen, noch nicht tanzenden Akteur im zeitgenössischen Tanztheater, wohl aber aktiven Teilnehmer an gesellschaftlichen Tanzereignissen, wird die besondere Fähigkeit zu tanzen hingegen positiv herausgehoben.242 Sie wird gleichsam zur Quelle der (politischen) Vitalität umgedeutet, wenn Zeitgenossen betonen, wie sehr der König sich schwierigsten Tänzen, wie z. B. dem Voltatanzen, trotz anfänglicher gesundheitlicher Bedenken, stelle.243 Im Umkehrschluss bedeutet ein Angriff auf das tänzerische Können des Königs einen Angriff auf sein politisches Handeln.244 Hierein fügt sich die zunächst paradox erscheinende Beobachtung von Le Roux, dass gerade de Joyeuse scheinbar mit seiner Heirat und damit offiziellen Aufnahme in die königliche Familie als Garant von Harmonie stehen soll: „Lié au roi par une alliance officielle, Joyeuse incarne la pédagogie d’harmonie que Henri III élabore pour inciter la noblesse à participer au movement général de réformation du royaume qu’il projette.“245 241

242

243 244

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Wenngleich der Vorwurf effeminierten Verhaltens selbst sich in zahlreichen der an Henri gerichteten Pamphleten und Berichten, so z. B. bei L'Éstoile oder auch in Agrippa D’Aubignés Les tragiques findet, so fehlt hier aber die Verknüpfung mit dem Tanz. Siehe z. B. L’Éstoile, Mémoires-Journaux, Bd. 1, S. 157–180 und Aubigné, Théodore Agrippa d’: Les tragiques. Nouvelle éd. rev. et annot. par Ludovic Lalanne (Paris 1857) Nendeln 1979, S. 97f., 99, 101,108f. und 111. Dieses Werk wurde erst 1616 ohne Namensangabe gedruckt. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k70069c.r=.langEN (letzter Zugriff Juli 2010). So betont McGowan auch für Henri, dass er ein guter Tänzer gewesen sei. Von Kindheit an nahm er, wie andere Mitglieder der königlichen Familie auch, Tanzunterricht bei italienischen, meist mailändischen Tanzmeistern wie Pompeo Diabono und Ludovico Palvallo (Palvello). Auch waren Berufstänzer wie Francisque de la Gere (Francesco Giera), ein Schüler Cesare Negris, und Jean-Pierre Gallin, ein milanesischer Tänzer, am Hof unter Henri III. lange tätig. Siehe: McGowan 2006, a.a.O., S. 84. Zu Diobono und Palvello sowie zu Francesco Giera siehe auch Negri, Cesare: Le Gratie d’amore. Dt. Erstübersetzung der Ausgabe Mailand 1602 von Brigitte Garski. Terpsichore Tanzhistorischen Studien. Bd. 2. Hildesheim u.a. 2003, S. 12, 14. Zu nennen wäre darüber hinaus auch Virgile Bracesque (Virgilio Bracesco), den Negri auch nennt. Siehe ders., a.a.O., S. 12 sowie die Ausführungen hierzu im Kapitel I.3.1. dieser Arbeit. Pierre L’Éstoile nennt noch einen „petit mignon et ballafin, nommé de Rives“. In: L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 36f., McGowan 2006, a.a.O., S. 84., siehe auch Siehe McGowan 2006, a.a.O., S. 83f. Siehe jüngst auch die Synopse zu den am französischen Hof tätigen baladins bei Isabelle Handy: dies.: Musiciens auf temps des derniers Valois. (1547–1589). Paris 2008, S. 433–448. McGowan 2006, a.a.O., S. 88f. Siehe hierzu eine seltene Quelle im Gesandtschaftsbericht von Paulet an Elizabeth I. vom 31. 1.1577: „The Grand Prieur, being at the dance the 20th of this present, was heard to say, ‚unless you dance better I would you had your money again that your dancing has cost you.‛ The King asked him what he had said of him? The Grand Prieur answered he had said nothing. The King replied, ‚Tu as mente, tu es un poltron, un vilain.‛“ Aus: Calendar of State Papers Elizabeth, 1575–1577, S. 495. Als elektronische Ressource unter URL: http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=73250 (letzter Zugriff Juli 2010). Le Roux 2001, a.a.O., S. 484. Siehe auch Le Roux 2004, a.a.O., S. 119.

1.2. Soziales Gefüge

71

Die Aussage von Le Roux regt zur Überlegung darüber an, warum Agrippa d’Aubigné, der von sich behauptete, der eigentliche Erfinder der Handlungsvorlage des balet comique zu sein, zu dieser Zeit offiziell eher nicht als Autor des balets comique zu Ehren von Anne de Joyeuse und seiner Frau benannt werden konnte: Denn gerade der Protestant d’Aubigné war es, der durch Schriften gegen die mignons in Ungnade gefallen war und nach einem Duell246 den Hof gar verlassen musste – um 1594 ausgerechnet wieder in Louises Dienste aufgenommen zu werden.247 So findet sich in Aubignés Werk Les Tragiques248 eine Verurteilung der mignons, indem er diese zu „verweiblichten Monstern des Jahrhunderts“ macht: „Non, les hermaphrodits, (monstres effeminez) Corrompus, bourdeliers, et qui estoient mieux nez Pour valets de putains que seigneurs sur les hommes: Non les monstres du siècle et du temps où nous sommes […].“249

Bei Lacroix klingt dies so: „Agrippa d’Aubigné, le Juvenal de cette époque qu’il nous représente comme plus dépravée encore que celle de Néron et de Domitien, a consacré ses vers et sa prose à flétrir les mignons de Henri III.“250 Wenn d’Aubigné tatsächlich der Verfasser der Handlungsvorlage des balets comique war, muss gleichzeitig die tatsächliche Verwertung des Stoffes während der JoyeuseHochzeit für d’Aubigné ein großes Ärgernis gewesen sein.

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Zur Funktion der Duelle in diesem Zusammenhang, siehe Le Roux 2001, a.a.O., S. 388ff. Jedoch ist zumindest für 1594 nachzuweisen, dass die verwitwete Louise in einem Brief vom 12.2.1594 wie eine Förderin d’Aubignés in Erscheinung tritt: „Loyse par la grace de Dieu Royne douairiere de France, à tous qu’il apartiendra, scavoior faisons que le sieur d’Aubigny l’ung de noz gentilzhommes d’honneur, estre par nous retenu pour nous servir en ladite qualité.[…].“ Hier zit. nach: Rouget, François: Agrippa d’Aubigne et Louise de Lorraine sous la Ligue. A propos d’un document inedit. In: French studies bulletin. Society for French Studies. Bd. 96 (2005), S. 4–6, hier S. 5. Siehe Aubigné 1979, a.a.O., als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k70069c.r=.langEN (letzter Zugriff Juli 2010). Aubigné 1979, a.a.O., S. 97. Dass das Pamphlet ursprünglich unter Les hermaphrodites erst gegen 1605 veröffentlicht wurde und sich wieder abgedruckt findet unter L’Isle des hermaphrodites wird von Pierre L’Éstoile im Journal de Henri III von 1744 (ND 1943) erwähnt. Autor sei ein gewisser Thomas, sieur d’Embry, gewesen. Hier zit. nach: Lacroix 1853, S. 116, 124f. Als elektronische Ressource unter URL: http://visualiseur.bnf.fr/CadresFenetre?O=NUMM-61818&M=pagination&Y=Image (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch Artus, Thomas, sieur d’Embry, nach Barbier: Les Hermaphrodites. L’ouvrage contient „L’isle des hermaphrodites nouvellement descouverte“ et „Discours de lacophile à Limne“. 2 Bde. o.O. (ca. 1709). Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k744939 (Juni 2008). Abb. auch in Dreher 1990, a.a.O., S. 30. Le Roux 2001, a.a.O., S. 114.

72

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Gemäß der von ihm vertretenen Haltung erschien 1604 ein Werk mit dem Titel les Hermaphrodites, das den Angriff auf den König betont, indem ein Portrait Henris III. als Hermaphrodit251 das Frontispiz füllt und darunter eine aus sechs Versen bestehende Strophe, den König denunzierend, hinzugegeben ist. Darüber hinaus enthält schlussendlich der Sermon des Predigers Jean Boucher auch nationalistische Züge, wenn Henri als „un Turc par la teste, un Allemand par le corps, une harpie par les mains, un Anglois par la jarretière, un Polonais par les pieds et un vrai diable en l’âme“ nannte beschrieben wird.252 Die Liste solcher Schmähschriften ließe sich noch deutlich umfangreicher fortsetzen. Zur Wandlung der Figur des Hermaphroditen konnte Kathleen Perry Long überzeugend ausführen, dass diese Figur, ausgehend vom alchemischen Florilegium Rosarium philosophorum (Frankfurt 1550)253, welches auf die Entwicklung der philosophischen Alchemie254 seit Mitte des 16. Jahrhunderts großen Einfluss hatte, für die Alchemie zentral wird und hier deutlich positive Züge trägt: „After the Rosarium, the hermaphrodite becomes a central figure in the alchemical process, no longer as the androgynous rebis (a double-headed being), but as sexually joined couple that becomes one being.“255

Allegorisch gesehen wurde hierbei in der Vereinigung von Mann und Frau in der Chymischen Hochzeit 256der Hermaphrodit als Zwitterwesen, der Männliches und Weibliches in sich vereint, geboren. Er steht somit zunächst für die Vollkommenheit und die Wiedervereinigung weiblicher und männlicher, himmlischer und irdischer Kräfte. Als androgynes Wesen trug er die Merkmale beider Ausgangsstoffe in sich, so dass sich mit ihm das chemische Reaktionsergebnis bildhaft erklären ließ. Im Verlauf der Regierungszeit Henri III. wird jedoch gerade die Ambiguität dieser Figur genutzt werden, um sie Henri in seiner Rolle als König auf den Leib zu schreiben. In der Folge unterliegt der Roy / femme, homme / Reyne 251 252 253

254 255 256

Hierzu auch Leclerc 2001, a.a.O., S. 100. Hier zit. nach: Bell, D.A.: Unmasking a king: the political uses of popular literature under the french catholic league. 1588–89. In: Sixteenth Century Journal, Nr. 3 (1989), S. 375. Als moderne Ausgabe ist erschienen: Telle Joachim (Hg.): Rosarium philosophorum. Ein alchemisches Florilegium des Spätmittelalters. 2 Bde. ND der Ausgabe Frankfurt 1550. Berlin 1992. Siehe hierzu auch die literarische Tätigkeit eines Clovis Hesteau de Nuysement im Kapitel I.3.2. dieser Arbeit. Long, Kathleen P.: Hermaphrodites in Renaissance Europe. Women and gender in the early modern world. Aldershot 2006, 2006, a.a.O., S. 138. „Die chymische Hochzeit galt als wichtiges Thema der Alchemie. Sie symbolisiert die Vereinigung des Weiblichen mit dem Männlichen, von Sonne und Mond (Sulphur und Mercurius), von König und Königin zu einer neuen Substanz.“ Aus: Zerbst, Marion, Kafka, Werner: Das große Lexikon der Symbole. Zeichen, Schriften, Marken, Signale. Leipzig 2003, S. 96.

1.2. Soziales Gefüge

73

(der weibliche König, die männliche Königin) der gewalttätigen Kritik von allen Seiten, katholischer wie protestantischer, adeliger wie bürgerlicher: „the violent expulsion of the King, first from the public regard (as early as 1575), then from Paris (May, 1588), and then from this world (August, 1589), reflects a society dependent on rigid categorization in all aspects of live, […].“257

Zusammenfassend formuliert Long mit Blick auf den späten Valois-Hof den Wandel der Figur des Hermaphroditen: „No longer was the hermaphrodite a figure of spiritual refinement, regarded with awe (or at worst, amusement; it had become once more a monster, an object of ridicule or even horror, in an era of extreme political upheaval.“258

Die Gruppe der um Henri sich sammelnden Vertrauten, die er selbst „ma troupe“ und sie sich zunächst als les Quartes259 bezeichneten, veränderte bald ihr Gesicht, da einige hinzu kamen, andere die Gruppe verließen. Gerade die Heiratspolitik in Bezug auf Jean-Louis Nogaret de la Valette und Anne d’Arques zeigt die Bedeutung dieser beiden Favoriten. Auch Le Roux sieht hierin einen Ausdruck des königlichen Wunsches, eine ‚harmonische Familie‛, gerade auch durch Verbindung der Favoritenfamilien untereinander, zu erzeugen: „à cette politique d’alliance prestigieuses et rémunératrices, s’ajoute une volonté d’unir les lignages des favoris entre eux, pour créer une grande famille unie dans la faveur royale.“260

Es scheint, dass im Gegenzug zur Loyalität, derer sich der König von Seiten seiner Favoriten sicher sein konnte und welche er durch die Hochzeitsallianzen 257 258 259

260

Long 2006, a.a.O., S. 213. Ebda., siehe aber auch bes. S. 189–213. Diese vier waren Henri Hébrard de Saint-Sulpice, Jacques de Lévis comte de Caylus, François d’O seigneur de Fresnes et de Maillebois und François d’Epinay seigneur de SaintLuc. Le Roux nennt allerdings in einer ersten Phase dieses Bundes die Namen von Lignerolles, Villequier, Bellegard und Le Guast. Zu einer zweite Gruppe, die von 1574 an wirksam wurde, gehörten: Entraguet, Caylus, Saint-Mégrin, Maugiron, Livarot, Saint-Sulpice, Souvré, Gramont, Saint-Luc, d’O. Die dritte Gruppe reduzierte sich auf die beiden ‚Erzmignons‛ Joyeuse und Épernon und ihre Brüder, du Bouchage und La Valette. Le Roux 2001, a.a.O., S. 482. Zur Heiratspolitik Henris und der Gründung der familia gehörte auch, dass Henri de Joyeuse, comte de Bouchage, ein Bruder von Anne de Joyeuse, die Schwester von d’Épernon, Catherine de Nogaret de la Valette (1565–1587), heiratete. Siehe ebda., S. 483; auch heiratet 1582 die Tante von Joyeuse, Anne de Batarnay du Bouchage, den ältesten Bruder von Épernon, Bernard de la Valette. Siehe: ebda. S. 483. Zu dieser bereits spätestens im Herbst 1581 geplanten Verbindung siehe auch einen Brief von La Mothe-Fénelon an Saint-Sulpice vom 31. Oktober 1581, in dem diese als eine geplante Verbindung erwähnt wird. Brief abgedruckt in: Cabié 1975, a.a.O., S. 698.

74

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

gleichzeitig nachhaltig absicherte, er ihren sozialen Aufstieg und ihr Ansehen förderte. Bei Joyeuse geschah dies, indem er das Bild des friedlichen und kultivierten Hofmanns unterstützte. So war Joyeuse, im Unterschied zu Épernon, auch in intellektuellen und kulturellen Dingen engagiert und u. a. einer der wesentlichen Finanziers der Akademie unter de Baïf. Auch protegierte Joyeuse 1583 eine Truppe italienischer Komödianten, sodass der Direktor dieser Gruppe seine Komödie Angelica (1585) Joyeuse mit den Worten widmete: „All’Illustrissimo et Eccellentissimo Signore Il Signor Duca di Gioiosa“, der „uno de piu cortesi Cavalieri non solo de la francia ma ardiro de dire di tutto il mondo.“261 Ebenso erscheint er 1584 titelgebend in einer von Ronsard verfassten mascarade.262 In diesem Zusammenhang scheint auch erwähnenswert, dass ihm, ebenso wie seinem König – neben zahlreich anderen europäischen Herrschern und Herrscherinnen – der Ruf vorauseilte, ein ausgezeichneter Tänzer gewesen zu sein. Und über den Hochzeitsball zu Ehren seiner Tante Anne de Batarnay und Bernard de La Valette, schreibt er selbst in Bezug auf sein eigenes tänzerisches Engagement: „Je vous assure que j’y dansseray d’aussy bon coeur que je sais.“263 Nicht zuletzt steht die Beziehung zu Joyeuse und Épernon auch in einem Verhältnis zur Familie des Königs, hier in Gestalt seines Bruders. Das spannungsreichen Verhältnis Henris zu seinem Bruder, dem duc d’Anjou-d’Alençon264 und dessen Orientierung an der Gruppe moderater Katholiken und Protestanten, die, wie bereits erwähnt unter ‚Malcontents‛ firmierten, drückt sich u. a. darin aus, dass auch diese sich an polemischen Angriffen auf den König beteiligten. Henris früher Versuch darauf mit der Entscheidung die eigene Krönung und die eigene Hochzeit gleichzeitig zu feiern, zu reagieren, erklärt Crawford wie folgt: „In the eyes of contemporaries, both the sacre and the marriage ceremonies conferred spezial sorts of masculine authority. The sacre made Henry ‚the father of his people‛, and marriage gave him (as it did other men) a wide range of legal and social powers as husband and father. Combining both ceremonies enabled Henry to assert his virility.“265

Wenn dieses Konstrukt von ‚Männlichkeit‛ vor dem Hintergrund eines paternalistischen Modells königlicher Autorität gesehen wird, werden einige Handlungen

261 262

263 264

265

Hier zit. nach: Le Roux 2001, a.a.O., S. 485. Siehe: Ronsard, Pierre de: Mascarade pour le nopces de monseigneur Anne duc de Joyeuse. Admiral de France. In: Œuvres complètes. Bd. IV. Hg. v. Prosper Blanchemain. Paris 1860, S. 170f. BNF Ms.Fr.3327, fol 12 (Anne de Joyeuse à la comtesse du Bouchage), hier zit. nach: Le Roux 2000, a.a.O., S. 486. Dieser als Mitinitiator um die Debatte, dass nach Salischem Recht, die Frauen von der Herrschaftsnachfolge auszuschließen seien: Crwaford 2003, a.a.O., S. 522 und hier Anm. 35. Crawford 2003, a.a.O., S. 517f.

1.2. Soziales Gefüge

75

und Entscheidungen Henris III. deutlich ein traditionsorientiertes Motiv unterlegt werden müssen. 266 Die primär politisch motivierte Entscheidung, die Favoriten Joyeuse und Épernon267 durch Heirat zu Mitgliedern der königlichen Familie zu machen, bekommt vor diesem Hintergrund eine weitere, durchaus auch im wörtlichen Sinn zu verstehende konservative Dimension. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die etablierte Stellung von Joyeuse, gerade durch die beschriebene Heiratspolitik, wonach die Geförderten an einer Aufnahme in und Bindung an die familia partizipierten, nachhaltig für alle Hofmitglieder deutlich wurde. Insofern geriet dieser Akt gleichsam zu einer „légitimation et une consécration“268, mithin aber auch zu einem Akt im Dienst des wechselseitigen Profits269, denn es lag durchaus im Interesse der Krone, ihrerseits das Bild eines kultivierten und friedlichen Hofes zu propagieren. Dies gelang Henri mit den arrangierten Hochzeiten seiner Vertrauten in besonderem Maße. Gleichzeitig konnte Henri dem Bild ‚des guten und väterlichen Königs‛ Ausdruck verleihen und mithin auf seine eigene Kinderlosigkeit öffentlich reagieren. Denn die imaginäre Lösung der Kinderlosigkeit des Königs erfolgt durch eine gedankliche Verschiebung: In der imaginierten Vaterschaft des König durch Einheirat des Favoriten in die königliche Familie, versuchte Henri auch das Problem der nicht vorhandenen leiblichen Nachkommen auf die Vertrauten zu verschieben.270 In Ergänzung hierzu sei noch einmal Crawford zitiert, mit dem Hinweis, dass 266

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268 269

270

Siehe hierzu auch Crawford, die davon ausgeht, dass Henri besonders die beiden genannten mignons insofern instrumentalisierte, indem er sie sich als Gegenspieler den rivalisierenden politisch-religiösen Gruppen zuteilen lässt: Joyeuse der katholischen und d’Épernon der protestantischen Seite. Siehe Crawford 2003, a.a.O., S. 540. Auf den Umstand, dass bereits Henri II. einige, allerdings im Unterschied zu seinem Sohn, aus den anerkanntesten Familien stammende mignons hatte, siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 33–48. Crawford bezieht sich auf diese Tatsache, wenn sie darüber hinaus darlegt, dass sowohl Vater wie Großvater als Vorgänger Henris im Amt „In tune with Renaissance modes of monarchical representation, they had frequently played with both gender and sexual ambiguity“ und dass Henri auch in diesem Sinne als Traditionsträger agierte. Siehe Crawford 2003, a.a.O., S. 529f. Le Roux 2001, a.a.O., S. 484. Siehe hierzu z. B. auch die Devisen, die an Joyeuse und Épernon im Anschluss an das balet comique gegeben werden: jeweils ein Appell an die Loyalität der Empfangenden im Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. Allerdings gehe ich im Unterschied zu Le Roux vor dem Hintergrund des Beschriebenen verstärkter von einem wechselseitigen Steuerungsprozess der Beteiligten aus. Würde das Beschriebene eine einseitig königliche Machtausübung darstellen, wäre z. B. die öffentliche Einforderung der Loyalität der mignons in Form der vergebenen Devisen nicht notwendig. Siehe bei Montrose 2002, a.a.O., S. 84 den Hinweis, wie Elizabeth – als unverheiratete Herrscherin zunächst in gänzlich anderer Ausgangslage – mit dem Anspruch auf Nachkommen vor allem auch ikonographisch umgeht. Interessanterweise sind die von Montrose beobachteten Strategien auch durchaus erfolgreich: „Die Königin wurde [.] als eine Ausnahme von hinderlichen Geschlechternormen vorgestellt, deren unverletzliche Sexualität und selbstaufopfernde mütterliche Sorge eine quasi sakramentale Quelle der nationalen

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

76

„Henry often dressed Joyeuse and himself in the same clothing, thus identifying his favorite with himself. Whether Henry was the source of Joyeuse’s virtues or merely reflected them was unclear.“271

Klar war hingegen, dass mit der Hochzeit zwischen Joyeuse und Marguerite de Vaudémont, diesmal besungen im neuplatonischen Liebesdiskurs, der Vertraute zu einem Mitglied der königlichen Familie wurde und gleichzeitig der zuvor des öffentlichen Spotts preisgegebene mignon eine ‚erhöhte‛ und ‚geläuterte‛ Form eines transformierten Daseins erhält: „transformed into an ostensibly conventional husband [...].“272 Deutlich wird auch, dass gerade das Reden über die mignons und den König wie auch die Wahrnehmung und Kommunikation über die Königin zeigt, in welchem Maße sprachliche und konzeptuelle Festlegungen die politische und soziale Realität des späten Valois-Hofes prägten.

I.1.2.4.

Adelige Erziehungsgrundsätze der noblesse d’épée und de la robe

Was mit Erasmus De civilitate morum puerilium (Basel 1530) und Castigliones Il Cortegiano (Venedig 1528) Ausführungen europaweit begann, gipfelte im frühen 17. Jahrhundert in einem breitgeführten Diskurs über die Ausbildung von Ehrverhalten, öffentlich gezeigtem religiösem Verhalten und die wachsende Rolle der Sprache als social marker (van Orden). Auch die Bedeutung militärischer Erziehung und die Diskussion um die Dichotomie von ‚natürlicher‛ Haltung und Gestik vs. einer artifiziellen273 zeigt eine neue Bedeutung aristokratischer Erziehung und Ausbildung an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert.274 „Social and cultural prominence was a product both of aristocratic values and ideologies that stressed the basis of social distinction in the natural order, and of the way such values interacted with social contexts in which they were transmitted and used. Social codes such as table manners, language, display of the body in spectacle, and battlefield ceremony were important because they helped to structure a complex basis for aristocratic power, which

271

272 273 274

Wohlfahrt darstellte.“ In: ebda., a.a.O., S. 84. Henri III. versucht den zuletzt genannten Aspekt in Analogie auch für sich geltend zu machen, scheitert aber gerade an der ‚verletzlichen Sexualität‛. Crawford 2003, a.a.O., S. 539. Siehe auch den Hinweis bei L’Éstoile, dass anlässlich der Hochzeit von Joyeuse, der König und der Bräutigam gleich gekleidet gewesen seien: „Les habillemens du Roy du marié estoient semblables […].“ In: L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 22. Crawford 2003, a.a.O., S. 538 und 540. Siehe hierzu auch die benannte Literatur zu den naturästhetischen Diskursen. Motley, Mark E.: Becoming a French Aristocrat: The Education of the Court Nobility 1580–1715. Princeton 1990, S. 209.

1.2. Soziales Gefüge

77

involved both claims of hereditary superiority and concrete advantages in domains such as wealth, kinship and patronage networks, professional roles, and court politics.“275

Stephen Greenblatt stellt in diesem Zusammenhang die Rolle der höfischen Erziehungshandbücher treffend heraus, wenn er sagt: „[…] the manuals of court behaviour which became popular in the sixteenth century are essentially handbooks for actors, practical guides for a society whose members were nearly always on stage. These books are closely related to the rhetorical handbooks that were also in vogue – both essentially compilations of verbal strategies276 and both based upon the principle of imitations.“277

Lautenspiel und Tanz wurden als fundamentale Bestandteile adeliger Erziehung geschätzt, lange bevor die studia humanitatis die Beförderung der Eloquenz durch die Beschäftigung mit Literatur, fremden Sprachen und den klassischen erzieherischen Standards vorsah.278 Gerade Texte zur höfischen Erziehung im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert ordnen die Redefähigkeit der Ausbildung körperlicher Fähigkeiten unter.279 Hierbei konstatiert Kate van Orden eine enge Verknüpfung von militärischem Dienst und Adelskultur für die noblesse d’épée, dem sog. ‚Schwertadel‛. Sie betont, dass das Idealbild dieses Adels durch „action and motion, qualities expressed in the face, voice, gait, carriage, and gaze“ geprägt waren. „Noble life as a whole was a vita activa in France“280, ging es doch auch um die “physical manifestation of virtue“.281 Doch habe es gerade den humanis275 276

277 278 279 280 281

Motley 1990, a.a.O., S. 210. Auch zeitgenössische Tanztheoretiker nutzen den Vergleich mit der Redekust. So Arbeau, wenn er sagt, dass der Tanz eine Art „stummer Redekunst ist, bei der der Redner durch seine Bewegungen und ohne ein einziges Wort zu sprechen sich verständlich macht und den Zuschauer davon überzeugen kann, dass er galant ist und würdig bewundert und geliebt zu werden.“ (“La danse est une espece de Rhetorique muette par laquelle l’Orateur peult, par ses mouvements, sans parler un seul mot, se faire entendre & persuade aux spectateuers, quil est gaillard digne d’estre loué, aymé & chery.“) Aus: Arbeau, Thoinot: Orchésographie et traicte en forme de dialogue par lequel toutes personnes peuvent facilement apprendre & practiquer l'honneste exercice des dances. ND der Ausg. Lengres o.J. (1588) und Danzig 1878. Dt. Ausg. Hildesheim 1980, S. 16 (fol 5v). Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54531m (letzter Zugriff Juli 2010). Greenblatt, Stephen: Renaissance Self-Fashioning: From More to Shakespeare. Chicago 1980, S. 162, hier zit. nach: Van Orden 2005, a.a.O., S. 89. Siehe Van Orden 2005, a.a.O., S. 8; zur Rolle der studia humanitas in den frühen ValoisAkademien siehe das Kapitel I.3.3. dieser Arbeit. Siehe Van Orden 2005, a.a.O., S. 90, siehe ausführlich hierzu Motley 1990, a.a.O. Van Orden 2005, a.a.O., S. 8. Van Orden 2005, a.a.O., S. 11. Kate van Orden arbeitet besonders deutlich heraus, dass diese Moralvorstellung wiederum deutlich miltitärisch konnotiert war, denn „virtue meant military virtue“, auch für Literaten wie Ronsard. In: ebda., S. 12.

78

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

tisch gebildeten Mitgliedern der noblesse de la robe mehr beliebt die weniger von militärischen Qualitäten geprägten Werte zu propagieren: „Humanists in outlook and education, these new nobles formed the upper crust what was essentially a class of bureaucrats newly minted by French kings to serve the state. Many were the sons of wealthy merchants or bourgeois who could afford to attend collèges such as the Collège de Navarre and the Collège du Plessis in Paris.[…] Versed in letters but unskilled in arms, these men had money, clothes, and land to rival those of the nobles d’épée, and they came to constitute a new nobility, the noblesse de la robe (so called for their legal attire).“282

Gerade Musik283 bildete einen wesentlichen, wenn auch seit der Antike sowie in der Frühen Neuzeit umstrittenen Teil der adeligen Erziehung.284 Die Verknüpfung von Moralerziehung und Musik wird hierbei nur teilweise über zeitgenössische literarische Schriften erzielt.285 Wesentlich ist hier, dass gerade Takt und Rhythmus zentrale Begriffe sind, die die Einordnung von Musik neben Arithmetik, Geometrie und Astronomie zum Quadrivium erklären.286 Kate van Orden

282 283

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285 286

Van Orden 2005, a.a.O., S. 9, hier mit ausführlichen Literaturangaben zum collège-System. Van Orden weist darauf hin, dass die exercices honnestes, so François de La Noue 1587 in seinen Discours politiques et militaires, zunächst in Italien eingeübt werden mussten, so dass in Frankreich die Gründung eigener militärischer Akademien, so die des Antoine de Pluvinel 1594, nur eine Frage der Zeit waren war. Dass diese weitmehr als eine Reitschule zur Ausbildung junger Adeliger war, von Zeitgenossen ‚Tempel der Tugend‛ genannt, dessen vielfältig erzieherisches Programm möglicherweise in enger Anlehnung an die Ausrichtung der von Baïf gegründeten Akademie stand, vertritt Kate van Orden, siehe dies. 2005, a.a.O., S. 40 und 45, hier auch Anm. 29. Siehe auch die Darstellung in Castigliones Cortegiano. Die dort von Lodovico genannten Helden wie Achilles, Epaminondas und Alexander werden bereits in Lucian von Samosatas Dialog von der Tanzkunst in diesem Zusammenhang angeführt; Zu Samosatas Dialog siehe die Übersetzung von Christoph Martin Wieland von 1789 , hier zit. nach: Boehn, Max von: Der Tanz. Berlin 1925, S. 133–165, hier bes. S. 140–147. Auch der geistige ‚Urvater der Ritterakademien‛ und Calvinist François de La Noue (1531–1591) empfahl in seinem 1587 herausgegebenen Werk Discours politiques et militaires das Musizieren als geeignete Übung junger Adeliger. Ders.: Discours politiques et militaires. ND Geneva 1967, S. 154. Hier nach: van Orden 2005, S. 15, Anm. 30. Bevor jedoch in Frankreich militärische Akademien zur Ausbildung gegründet wurden, mussten junge französische Adelige an irgendeiner der berühmten italienischen Reitschulen des 16. Jh. für ein bis zwei Jahre studieren, z. B.an der von Giovanni Battista Pignatelli, ebenso wie an der von Federico Grisone oder Cesare Mirabello; neben Neapel galt Ferrara als Zentrum der Reitkunst, hier vor allem die Schule von Cesare Fiaschi, siehe van Orden, hier auch mit weiteren Literaturangaben und Hinweisen auf Primärtexte. Dies. 2005, a.a.O., S. 239. Zum Hinweis, dass Henri III. angeblich gut singen konnte, siehe Brantôme, Pierre de Bourdeille: Œuvre completes. Hg. v. Ludovic Lalanne. Bd. 5. Paris 1864–82, S. 284f. Siehe hierzu auch die wohl zum Teil divergierenden Bestrebungen der Akademiemitglieder in Kapitel I.3.3. dieser Arbeit. Siehe Van Orden 2005, a.a.O., S. 34.

1.2. Soziales Gefüge

79

glaubt hierin zu erkennen, dass diverse tänzerische Praktiken der Zeit, vor allem auch solche, die in militärischen Kontexten Verwendung fanden, einem gemeinsamen Ziel dienten – „they projected a musical order across the social body“ – und die jeweils ausführenden Gruppen unterstrichen diese soziale Ordnung durch und mit Musik, „through the action of music, social bodies cohered.“287 Folglich könnte auch die Rezeption der balet-Traktate solche Synergieeffekte zur Folge gehabt haben und böte einen Hinweis, wenn nicht auf die Durchlässigkeit der partizipierenden Gruppen selbst, so doch auf eine Annäherung angestrebter Ideale. Grundsätzlich wurde die Begrenzung von adeligem und nicht-adeligem Status, z. B. durch das Verkaufen von Adelstiteln, durchlässiger. So betrieb auch Henri III. dies intensiv. Wohl als Folge einer Dauerfinanzkrise versuchte er während des fünften ‚Religionskrieges‛ 1576 hunderte von Nobilitierungsbriefen zu veräußern. Wohl auf Druck adeliger Gruppierungen, die die Abwertung des eigenen Status‛ fürchteten, regelte eine 1583 erlassene Verordnung theoretisch die Begrenzung des Verkaufs von Adelstiteln seitens des Herrschers.288 Der Anspruch auf Exklusivität erscheint hier als wesentliches Merkmal, ähnlich der zur Teilnahme an geladenen Festveranstaltungen und ähnlich auch zu denen der Ordensmitgliedschaften, so des von Henri III. im Dezember 1578 gegründeten Ordre du Saint-Esprit, dessen Ritter auf einhundert Mitglieder beschränkt waren.289 Außer dem Grand Aumônier de France, der, neben sieben weiteren, geborener Kommandeur war, mussten die Ordensmitglieder katholisch und in vierter Generation adelig sein. Gerade die Mitgliedschaft in diesem Orden schien weitaus begehrter als eine nahezu inflationär vergebene im bereits 1469 gegründeten Ritterorden Ordre de Saint-Michel. So soll der ehemals den Mitgliedern des Hochadels vorbehaltene Orden beim Regierungsantritt von Henri III. 700 Mitglieder (ursprünglich 31, dann 36, 1565 50 und 1578 100) gehabt haben. Ob der zahlenmäßigen Ausweitung und einer bereits benannten zunehmenden Öffnung für den niederen Adel wird häufig von einem Prestigeverlust dieses Ordens gesprochen, so dass sein Insignium le collier à toutes bêstes290, also ‚Allerweltskette‛ genannt worden sein soll.291 287 288 289

290 291

Van Orden 2005, a.a.O., S. 36. Van Orden 2005, a.a.O., S. 10; wenngleich sein Nachfolger Henri IV. dieses Verfahren noch großzügiger nutzte. Siehe hierzu Boucher 1986, a.a.O., S. 148. Siehe auch Dupleix o.J., a.a.O., S. 103–107, hier S. 103. Dupleix gibt vier Motive an, die Henri III. bewogen hätten, den Orden Saint-Esprit zu gründen: Da er Herrscher zweier Königreiche sei, die er je an Pfingsten erhalten habe, wolle er dem Heiligen Geist huldigen, darüber hinaus habe er ein deutliches Zeichen setzen wollen, indem nur katholische Mitglieder de morden angehören dürften und schließlich, dass der Orden St. Michel so an Ansehen verloren habe, dass eine Neugründung wichtig geworden sei. Dupleix o.J., a.a.O., S. 104. Siehe auch Portela, Feliciano: Ritterorden im Mittelalter. Stuttgart 2006. URL: http://www.chivalricorders.org/orders/french/michel.htm (letzter Zugriff Juli 2010).

80

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

Jüngere Untersuchungen haben jedoch herausgestellt, wie durchlässig die adeligen Kategorien der ‚Robe‛ und der des ‚Schwertes‛ im frühneuzeitlichen Frankreich tatsächlich waren, zu ähnlich waren Erziehung, sozialer Hintergrund sowie kulturelle und politische Interessen.292 Dies überzeugt vor dem Hintergrund vielfältigen Agierens der Krone, die Homogenisierungsbestrebungen verschiedener adeliger Gruppen bei gleichzeitig praktizierten Exklusivitätsstrategien – nicht unterschieden nach Herkunftsgruppen – , seit Anfang und Mitte der 1580er Jahre, verfolgte. Diese Dynamik und die neuen, sich zunehmend abzeichnenden kulturellen Anforderungen, müssen den tatsächlichen und präsumtiven Mitgliedern höfischen Adels bewusst gewesen sein, denn viele Adelige reagieren auf die Veränderung insofern, als der Ausdruck eigenen Selbstverständnisses diesen Entwicklungen angepasst wird: „[...] that French nobles in the sixteenth century tended to see themselves as fulfilling a function or profession, predominantly a military one, and that their view of nobility was based much more on action, and in particular on acting virtuously, than it was on heredity or birth. [..] this view changes in the late sixteenth and early seventeenth centuries towards something more ‚modern‛, towards a view based much more upon birth, with an additional emphasis on culture, on being civilized, urbane, worldly, and also, often, on simply being better educated.“293

Aus dieser Perspektive ist der neue Hof – und mit ihm der althergebrachte Adel – in der Betonung kultureller Werte, unter Vernachlässigung herkömmlicher Tugenden und militärischer Berufung, seiner Zeit voraus.294 Zu diesem veränderten Selbstbild gehörte auch, so Schalk, dass der Hof zu einem dynamischen ‚Ort des Wissens‛ wurde: „the court of the second half of the sixteenth century was a place that could – at least for those who were interested – teach things, while the court of the first half of the seventeenth century, because of the changed noble attitudes and not because of any fundamental change in the court itself, was a place that one learned for.“295

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Zur breiten Literaturlage der ‚arms-versus-letters-debate‛ siehe z. B. Dewald, Jonathan: Aristocratic Experience and the Origins of Modern Culture: France, 1570–1715. Berkeley 1993. Das Buch als elektronische Ressource unter: URL: http://ark.cdlib.org/ark:/13030/ft4m3nb2k3/ (letzter Zugriff Juli 2010) sowie Holt, Mack P. (Hg.).: Society and Institutions in Early Modern France. Athens 1991. Schalk 1991, a.a.O., S. 253. Beachte hier den Hinweis auf d’Aubigné als Vertreter dieser anti-höfischen Haltung. Siehe Schalk, a.a.S. 261. Schalk 1991, a.a.O., S. 260.

1.2. Soziales Gefüge

81

Möglicherweise korrespondiert hierzu die Beobachtung Marc Fumarolis’ für die von ihm so genannte langage de cour, dass sich im 17. Jahrhundert eine eher urbane und weltliche Sprache gegenüber einer intellektuellen Sprache des Hofes in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchsetzt.296 Es zeigt sich, dass „neben seiner (des Hofmannes. A.W.) edlen Herkunft eine umfassende Bildung die conditio sine qua non für seine Karriere am Hofe ist, und zum anderen, dass die Gabe bzw. die Fähigkeit der Konversation einer Form der Investition gleichkommt, die sowohl von ideellem als auch von materiellem Nutzen sein kann.“297

Bemerkenswert scheint auch, mit Blick auf den weiteren Gang der vorliegenden Untersuchung, dass die ‚Kultur des Buches‛298 seit dem späten 16. Jahrhundert wesentlich zum adeligen Selbstverständnis gehörte, gleichsam einer Symbiose aus eigener Standeskultur und gelehrter Bildung.299 Tatsächlich konnte der Traditionsorientiertheit des Adels mit Hilfe dieser Kultur besser Rechnung getragen werden. Gleichzeitig kennzeichnet sich diese Buchkultur durch eine deutliche „Abgrenzung gegen das ‚tote‛ Gelehrten- bzw. Bücherwissen“.300 Diese Überlegungen legen die Vermutung nahe, dass nicht nur Herkunft, Rang und Vermögen, sondern auch die Fähigkeit und Bereitschaft sich an politische und kulturelle Veränderungen anzupassen, zur Positionsbestimmung des einzelnen Adeligen wichtig waren.301 Dies geschah innerhalb eines stets neu auszuhandelnden, von Wettbewerb geprägten Feldes. Neben diesem sich wandelnden gesellschaftlichen Raum galt es jedoch auch, und hiermit wird der Fokus nochmals auf die horizontale Stratifikation gelegt, zentrale Normen der Selbstinszenierung zu beherrschen, um seinen eigenen Status zu sichern. Hierbei können, wie im Folgenden gezeigt wird, mit Orientierung auf den Cortegiano302 im Rahmen

296 297

298

299 300 301 302

Siehe Fumaroli, Marc: L’âge de l'éloquence: Rhétorique et "res literaria" de la Renaissance au seuil de l'époque classique. Genève 2002. Segler-Messner, Silke: Der Dialog als Raum spielerischer Selbstentfaltung. In: Hempfer, Klaus, Pfeiffer, Helmut (Hg.): Spielwelten. Performanz und Inszenierung in der Renaissance. Stuttgart 2002, S. 47–67, hier S. 50. 1496 ließ sich die erste Druckerei in Paris nieder; zu Beginn des 16. Jahrhunderts vermehrte sich die Zahl der Druckereien besonders in großen Städten wie Paris und Lyon stark; bereits König François I. hatte in Fontainebleau eine Bibliothek gründen lassen, Estienne verleiht er das königliche Privileg einer königlichen Druckerei. Siehe hierzu Engel. Bd.3.1971, a.a.O., S. 751. Siehe Asch 2005, a.a.O., Abs. 13. Segler-Messner 2002, a.a.O., S. 56. Siehe Asch 2005, a.a.O., Abs. 8. Siehe Castiglione, Baldesar: Il libro del Cortegiano. 1528. ND in: Opere di Baldessare Castiglione, Giovanni della Casa, Benvenuto Cellini. Hg. v. Calo Cordié. Mailand, Neapel 1960. [Le Letteratura Italiana. Storia e testi. Bd. 27] und Bonora, Ettore (Hg.): Baldassare Castiglione: Il libro del cortegiano. Mailand 61991; dt. Ausg.: Baumgart, Fritz (Hg.): Das

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

des Erwerbes der grazia für den Hofmann die sprezzatura und für die Hoffrau die esser virtuosa303, die Tugendhaftigkeit, als zentrale Normen, basierend auf einer der als Leitnorm geltenden mediocrità, eines Mittelmaßes im besten Sinn, herausgestellt werden. Segler-Meßner verweist in diesem Zusammenhang auf weitere wesentliche Bezugspunkte: „Obwohl die nobiltà304, die ansprechende physische Erscheinung sowie das souveräne Beherrschen der Waffen-, Kampf- und Reitkunst als Ausgangsvoraussetzungen für den Werdegang des Hofmanns gelten, rückt die Frage nach der Selbstdarstellung der höfischen Gesellschaft mehr und mehr in den Vordergrund. Parallel zum zeitgeschichtlichen Kontext bildet die Antike den primären Referenzpunkt sowohl der ästhetischen Nachahmung als auch der moralphilosophischen Neuformulierung305 einer kollektiven Identität.“306

Auch Gerrit Walther weist darauf hin, dass die erlangten Kenntnisse zur griechisch-römischen Antike nachhaltig den „Vorstellungshorizont frühneuzeitlicher Eliten“ prägten, die in Symbolen und Ritualen ihren Ausdruck fanden: „Sprechen über die klassische Antike stiftete Gruppenidentitäten und verkündete Machtansprüche.“307 Neben diesen Entwicklungen sind es gerade Patronageverbindungen, die, als Ausdruck einer häufig durchaus beschworenen Homogenität des eigenen Standes, Gemeinsamkeiten stifteten.308 Folgt man den dargelegten Überlegungen zu den Interdependenzen im sozialen Gefüge des Hofes, können Fragen in Bezug auf das Verhältnis von Hof und Fest und somit auch auf das balet comique von 1581 neu gestellt werden: Wer kommuniziert hier mit wem, nach welchen Strategien und mit welchem Ziel? Welche Allianzen lassen sich erkennen? Was verrät die höfische Selbstbeschau über das Verständnis von ‚Tugend‛ und welche Tugenden werden vermittelt? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Tanzmeister? Ist nicht gerade der Tanzmeister, besser als jeder andere qua Profession – diese selbst eine junge und wenig etablierte –, der geeignete Aspirant für das Verfassen einer neuen höfi-

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Buch vom Hofmann. München 1986 . Der Cortegiano ist genauso wie einige Tanzbücher (Arbeau, Caroso) der Dialogkultur zuzurechnen. Siehe Castiglione 1991, a.a.O., S. 214 (III,9). Vgl. hierzu auch die Verwendung des Begriffs im gleichnamigen Werk von Carosos Nobiltà di dame. Man beachte hier, dass bereits im Cortegiano selbst auch zentrale Positionen der antiken Moralphilosophie aufgenommen und an die veränderte gesellschaftliche Situation angepasst wurden. Segler-Meßner 2002, a.a.O., S. 52. Walther, Gerrit: Adel und Antike. Zur politischen Bedeutung gelehrter Kultur für die Führungselite der Frühen Neuzeit. In: Historische Zeitschrift, Bd. 266, Nr. 2 (1998), S. 359–385, hier S. 385. Siehe Asch 2005, a.a.O., Abs. 10.

1.3. Der Hof und das Fest

83

schen Selbstsicht auch jenseits der renommierten Literaten und administrativ verantwortlichen Beamten?309

I.1.3.

Der Hof und das Fest: zwischen Außen- und Innenwirkung

Um dem Selbstbild einer geordneten, friedlichen und kultivierten Herrschaft Ausdruck zu verleihen, gilt es auch mit Blick auf den Valois-Hof als unstrittig, dass man sich hierbei u. a. der Festinszenierungen310 bediente. „Comme l’exercice des droits régaliens, la magnificence des fêtes de cour est devoir royal.“311 Dieser gleichsam königlichen Pflicht kam der Valois-Hof häufig nach, gab es doch scheinbar unzählige Gelegenheiten für Festveranstaltungen: Vertragsunterzeichnungen, feierliche Stadteinzüge, Empfänge ausländischer Gesandter, fürstliche Besuche, Hochzeiten und weitere Ereignisse. Gerade in den politisch desolaten Jahrzehnten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden diese Feste in Frankreich – wohl auch als Gegenbewegung im wörtlichen Sinne und Bewegungen mit anderen als bisher üblichen Stoßrichtungen –, sei es in Form von Turnieren, Maskeraden, Intermedien oder der balets, zelebriert. „La fin du XVIe siècle, troublée par les épisode des guerres civiles, a extrement aimé les divertissements. On a toujours dans les époques sanglantes constaté un besoin de s’étourdir et d’oublier les malheurs du temps.“312

Hinweise auf Intention und Wirkung dieser Veranstaltungen kann die schon häufiger Gegenstand von Untersuchungen gewesene Betrachtung auf die Ent-

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Das mit Ordonnanz vom 2. Januar 1585 geschaffene Amt des Grand Maître de Cérémonies de France, in Abspaltung vom Amt des Grand Maître de France, betont Umfang und Wichtigkeit der mit dem Amt verbundenen Aufgaben der Organisation aller öffentlichen Staatszeremonien im In- wie Ausland. Erster Amtsinhaber war der Beamte Guillaume Pot, Sieur de Rhodes, ebenfalls ein Favorit des Königs. Die mit der Amtsinhabe Guillaume Pots möglicherweise verbundene Teilentmachtung der Guisen, die traditionell das Amt des Grand Maître de France innehatten, kann vorliegend leider nicht weiter verfolgt werden. Siehe zur Einführung des Amtes Le Roux 2004, a.a.O., S. 116–121, hier S. 118. Siehe auch Boucher 2007, a.a.O., S. 165. Siehe die umfassende Bibliographie von Helen Watanabe-O’Kelly und Anne Simon: Watanabe-O’Kelly, Simon 2000, a.a.O., hier bes. S. 445f (The Kingdom of Poland […]) und S. 265–269 (The Kingdom of France/ Henri III). An älteren Arbeiten ist zu nennen: Beauchamps, Pierre François Godart de: Recherches sur les Theatres de Frances. 3. Bd. Paris 1735, bes. S. 7ff. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k72185c.pagination (letzter Zugriff Juli 2010). Solnon 1987, a.a.O., S. 109. Boucher 1981, a.a.O., S. 385.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

wicklung des sog. ballet de cour313 geben, welches im Rahmen dieser Feste seit1581 entstand und sich über ca. sechs Jahrzehnte dort manifestierte.314 In der Regel gliederten sich Veranstaltungen, die man später der Kunstform des sog. ballet de cour zugeordnet hat, in eine ouverture, eine Exposition des Stückes durch Rezitation oder Gesang, die darauffolgenden entrées als Szenenfolgen, in denen verbal vorgegebene Handlungen tänzerisch illustriert wurden und das grand ballet, welches den Schlusstanz durch das ganze Ensemble und oft auch durch die Zuschauer bildete.315 Die Akteure waren Adelige, für die Tanzlehrer Tänze erdachten mit dem Bewegungsvokabular der sog. ‚Gesellschaftstänze‛316. Hiermit trugen sie zur systematischen Entfaltung des sog. ballet de cour bei.

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Die qua Terminologie vorgenommene Gebundenheit dieser Tanzform(en) an den ‚Hof‚ wird jedoch der soziopolitischen und ästhetischen Realität der Tanzformen nicht gerecht. Neben anderen viel verwendeten Ordnungskategorien zum Tanz sollte auch diese auf ihren Gehalt hin überprüft werden. Barbara Sparti schlägt eine kritische Prüfung und Setzung neuer, anders akzentuierter Kategorien vor: „Some of these [new categories. A.W.] might be Dances in and Dances not in the Traditional Treatises; ‚Art‛ Dances (those composed by dancing masters with their own music) and Popular (traditional) Dances; Dances in Spectacle; Pantomime and Dance; and last, but certainly not least, the heading French and Italian Dance: Differences, Similarities, Interactions, and Mutual Influences.“ Aus: Sparti, Barbara: Breaking Down Barriers in the study of Renaissance and Baroque Dance, in: Dance Chronicle, 19/3 (1996), S. 255–276, hier S. 269. Aus den zahlreichen Arbeiten seien exemplarisch einige genannt. Eine ausführliche Darstellung zur Entstehung und Funktion des sog. ballet de cour findet sich in: McGowan, Margaret: Ballet de cour. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Hg. v. Ludwig Finscher. Personenteil 2. Kassel u.a. ²1999, Sp. 1163–1170. Aus dem umfangreichen Werk von Margaret McGowan seien darüber hinaus stellvertretend aufgeführt: dies 1963, a.a.O. sowie dies. 2006, a.a.O., S. 82–89, hier S. 86. Auch bei Roger Savage ein knapper Überblick zur Entwicklung des ballet de cour und für die Zeit unter Maria de Medici und unter Louis XIII. mit dem Hinweis, dass „Ballet de cour had clearly become a highly sophisticated and significant genre“. Nach: Savage, Roger: The staging of courtly theatre: 1560s to 1640s. In: Mulryne 2004, a.a.O., S. 57–74, hier bes. S. 66–68. Siehe Petermann, Kurt: Artikel: Ballet de cour. In: Gurst, Günter (Hg.): Lexikon der Renaissance. Leipzig 1989, S. 67. Zur Begriffsgenese von Bühnentanz, Gesellschaftstanz und Volkstanz siehe an älteren Arbeiten Hoerburger, Felix: Der Gesellschaftstanz. Wesen und Werden. Kassel u.a. 1960, S. 8 und Zacharias, Gerhard: Ballett. Gestalt und Wesen. Köln 1962, S. 9–12. Neuere Arbeiten verzichten auf den Terminus ‚Volkstanz‛ zugunsten des Begriffes ‚traditioneller Tanz‛. Zum Problem der Terminologie in Bezug auf den ‚neuen‛ Tanzstil, wie er sich in Italien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausbildet, und wie ihn Caroso und Negri in ihren Werken und einige anonyme Traktate, wie sie seit den 70er Jahren zunehmend häufig entdeckt werden – hiervon z. B. allein 13 anonyme Choreographien in der Biblioteca Apostolica Vaticana – beschreiben, siehe auch Sparti 1996, a.a.O., bes. S. 255f und S. 263–65.

1.3. Der Hof und das Fest

85

Als erste ballets in diesem Sinne können das balet paradis d’amour317 (auch: ballet de la Défense du Paradis) vom 20.8.1572, das balet des polonais vom 19.8.1573 und das balet comique de la royne 1581 gesehen werden.318 Unter den letzten Valois-Herrschern wurden diese ballets zu großen Veranstaltungen mit einem zentralen Thema als komponierter Handlung und mit prächtiger Ausstattung, gerade auch der Kostüme, bei dem die entrées dominierten und alle Tänzer der Inszenierung sich am Schluss zum grand ballet formierten. Dem vielberedeten Ideal der sprezzatura des Hofmannes319 entsprach es sicherlich auch im großen Stil, wenn, wie Brantôme berichtet, die meist kostspieligen Feste dem eigenen Hof, aber auch gerade Fremden, den schönen Schein wahrend vor Augen führen sollten, dass das Land nicht „si totalement ruinée et pauvre à cause des guerres passées, comme il s’estimoit“.320 Auf die Reihe von magnificences, die am Hof bis 1573 gehalten wurden321, soll im Folgenden zusammenfassend eingegangen werden. In ihnen kristallisieren sich allegorische Muster und mythologische Programme des vorliegend zu untersu-

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Der Text zu Paradis d’amour stammte von Ronsard. Siehe McGowan 1999, a.a.O., Sp. 1165. In folgenden frühneuzeitlichem Werk findet sich auf dieses balet ein Hinweis: Goulart, Simon: Mémoires de l'estat de France sous Charles IX. Contenant les choses les plus notables, faictes et publiées tant par les catholiques que par ceux de la religion, depuis le troisième édit de pacification faict au mois d’Aoust 1570 jusques au règne de Henry troisieme, & reduits en trois volumes, chacuns desquels a un indice des principales matières y contenus. 1. Bd. Meidelbourd 1578, S. 268v–269v. Das Fest wurde auch im salle de Bourbon gefeiert; auf der rechte Seite des Saales war das paradis, mit einem iardin mit allen Arten von Blumen sowie dahinter die „Champs Elisées“, verteidigt durch trois chevaliers. Auf der linken Seite wurde hingegen die Hölle (l’enfer) in Szene gesetzt mit einer „grand nombre de diables & petis diabloteaux.“ An der Decke des Saales sei das himmlische Rad mit den sept planetes gestaltet gewesen. Auch werden trois chevaliers, die gegen die Höllenwesen ankämpfen müssen sowie die im Garten sitzenden Nymphen erwähnt. Auch Merkur, gespielt vom bekannten Sänger Etienne Le Roy und Cupido, vom Himmel herabkommend, begleiten die Szene, bei der le Roy & ses freres anwesend gewesen seien. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54658x.pagination (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe Schneider, Otto: Ballet comique de la Reyne. In: ders.: Tanz Lexikon. Mainz u.a. 1985, S. 36; Petermann, Kurt: Artikel: Ballet de cour. In: Gurst 1989, a.a.O., S. 67; Schneiders, Heinz-Ludwig: Einleitung. In: Reclams Ballettführer. Hg. v. Hartmut Regitz. Stuttgart. 10. Auflage 1988, S. 5–37, hier S. 18. Siehe hierzu auch die Ausführungen im Kapitel I.4.3. dieser Arbeit. Brantôme, Pierre de Bourdeille: Œuvre complètes. Hg. v. P. Merimée. Bd. X. Paris 1890, hier: S. 76. Unberücksichtigt bleiben jedoch die Feste und Einzüge von Henri III. in Krakau, Venedig, Orléans und Rouen. In jüngster Zeit wurden die hierzu publizierten Festberichte in französischer und englischer Sprache abgedruckt in: Watanabe-O’Kelly 2004, a.a.O., S. 103– 218. Besonderen Bezug auf diese nimmt auch der Aufsatz von Mark Greengrass 2004, a.a.O., S. 105–115 und McGowan, Margaret M.: Festivals and the arts in Henri III’s Journey from Poland to France (1574). In: Mulryne 2004, a.a.O., S. 122–129.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

chenden balets von 1581 sowie nachfolgender Hoffeste heraus. Zu deren Rezeptionsgrad mutmaßt Schmale, dass „eine gewisse Standardisierung der mythologischen Elemente, […] nicht zu übersehen (war). Das bedeutet, daß die mythologische Bildsprache keineswegs nur einer Bildungselite vertraut war, sondern in den Städten auch in den Zünften und Gilden auf eine eingeweihtes Publikum stieß.“322

Zwar waren anlässlich der am 24.4.1558 stattfindenden Hochzeit des königlichen Dauphin François mit Maria Stuart ebenso Festberichte verfasst worden323, wie anlässlich der Hochzeit von Elisabeth de France mit Phillip II. von Spanien nach dem Frieden von Cateau-Cambresis.324 Doch ist über diese Feste, ebenso wie über die erste Festserie nach dem ersten ‚Religionskrieg‛ im März 1563 in Chenonceaux eher wenig bekannt.325 Ihnen folgten 1564 die magnificences von Fontainebleau, über die wesentlich detailliertere Informationen vorliegen. Jedoch sind auch hier nur der Text und die Beschreibung eines einzigen Festes am 14.2.1564 in voller Länge gedruckt worden. Diese magnificences wurden scheinbar in der Hoffnung auf religiöse Aussöhnung, aber auch mit dem Ziel der Zurückweisung des tridentinischen Katholizismus veranstaltet.326

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Schmale 2000, a.a.O., S. 125. Jodelle, Etienne: Recüeil des inscriptions, figures, devises & mascarades ordonée en l’hotel de ville de Paris, le jedui 17. février. In 4°. Paris 1558 sowie Anonymus: Discours du grand et magnifique triumphe faict au mariage du tresnoble [et] magnifique prince François de Valois [...] [et] de treshaulte [et] vertueuse princesse madame Marie d’Estruart roine d’Escosse. In 8°. Paris 1558. Als elektronische Ressource unter URL: http://special1.bl.uk/treasures/festivalbooks/pagemax.aspx?strFest=0021&strPage=1 (letzter Zugriff Juli 2010). Anonymus: Discorso e particolar notitia de le feste, trionfi, pompe, e giostre fatte in Francia, dopo la conclusion de la pace, nel sposar di Madama Elisabetta primagenita del re christianissimo. Insieme con le pompe funerale, dopo la morte di sua maesta christianissima, accuratissimamente, dal uero scritte. In 4°. Venedig 1559. Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/pageview.aspx?strFest=0022&strPage=001 (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 183. Genauer gesagt war ihr politischer Hintergrund der Empfang von Gesandten des Papstes und katholischer Fürsten, die den französischen König baten, die Erlasse des Konzils von Trient in seinen Landen zu veröffentlichen und sich in einer Kampagne zur Unterdrückung des sog. Ketzertums zu vereinigen. Diese Wünsche wurden, als den Freiheiten der gallischen Kirche zuwiderlaufend, umgehend verweigert. Siehe hierzu Graham, Victor, Johnson, William McAllister: The Royal Tour of France by Charles IX and Catherine de’ Medici. Festivals and Entries 1564–6. University of Toronto 1979, hier S. 71–76, S. 147– 169; Yates, Frances Amalie: The French Academies of the Sixteenth Century. (ND d. Ausg. London 1947) Nendeln 1973, S. 251–253 und dies: The Valois Tapestries. London 1959, S. 53–54.

1.3. Der Hof und das Fest

87

In ihrer Beschreibung wird wiedergegeben, dass die Gäste nach ihrer Ankunft einen förmlichen Garten mit zwei Kanälen betraten, auf denen dem Eingeladenen Sirenen entgegen kamen, ein Lied vortragend, worin die Herrschaft als pastorale Idylle dargestellt und der Mythos des ‚goldenen Zeitalters‛ – später unzählige Male wieder aufgegriffen – besungen wurde.327 Die durchgängig in den Festinszenierungen der Valois programmatische Verwendung mythologischer Figuren scheint hier erstmalig ausgebildet. Auch das Versatzstück der Meeresmythologie mit seinen Sirenen und Nymphen bildet eine immer wiederkehrende, sorgfältig zusammengesetzte Komponente bei den Valois-Festen.328 Besonders augenscheinlich wird dies eben auch 1564 in Bayonne, wo am 19. Juni und an den darauffolgenden Tagen mehrere Feste stattfanden. Für ein Cartel ist hierbei das Auftreten der Figuren Neptun, Arion und dreier Sirenen bezeugt sowie ein „grand ballet de neuf nimphes.“329 Für 1565 erwähnt Beauchamps unter zahlreichen aufgeführten Maskeraden330, dann auch Les nimphes von Jean-Antoine de Baïf331, der möglicherweise auch der Organisator der Festlichkeiten in Bayonne auf der île d’Aiguemeau war.332 Die meeresmythologischen Bezüge scheinen in den früheren Serien der magnificences von Chenonceaux ihre Anfänge zu haben, können jedoch im Wesen bis zu den Maskeraden des Mittelalters zurückverfolgt werden.333 Die Feste bestanden in der Regel aus einer Serie von Veranstaltungen, die sich über mehrere Tage erstreckten, wobei zwischen den verschiedenen Festlichkeiten, die u. a. verschiedene Gäste der Reihe nach ausrichteten, Pausen eingelegt wurden. Seit 1572 ist auch nachweisbar, dass zu jeder dieser Veranstaltungen eine bestimmte Kleidungsfarbe für den gesamten Hof verpflichtend war.334 Gestalteten sich die Feste anfangs noch offen und eher prozessionsartig, gelangten auch sie, ebenso wíe bereits erwähnte andere Formierungen am Hofe, im Laufe der Zeit zu einem festen Arrangement, aus denen sich das ballet de cour 327 328 329 330

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Siehe Graham, Johnson 1979, a.a.O., S. 196 auch Yates 1947, a.a.O., S. 251–252. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 208. Siehe Beauchamps 1735, a.a.O., S. 14f. Hierunter finden sich einige, für die das Auftreten von Männern in Frauenkleidung bezeugt ist. Zum Transvestitismus als legitimen Bestandteil höfischer Maskeraden bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, siehe auch Schnitzer Claudia: Höfische Maskeraden der Frühen Neuzeit. In: L’homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft. Hg. v Waltraud Heindl, Regina Schulte. 8. Jg., Heft 2 (1997), S. 232–241, S. 235 und S. 240. Beauchamps 1735, a.a.O., S. 16. Siehe hierzu Rüegger, Emmanuèle: Le spectacle total à la Renaissance: Genèse et premier apogée du ballet de cour. Diss. Zürich 1995, S. 157f, die dieses Ereignis unter dem Titel Le Ballet de l’âge d’or verhandelt. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 208, auch Schneider 1985, a.a.O., S. 36 und Yates 1973, a.a.O., S. 265. Als früheste höfische Maskeradenform kann die Mummerei gelten, häufig in Innenräumen aufgeführt; im Unterschied zu den höfischen Maskeradenformen des 16. Jahrhunderts, die vorwiegend im Außenraum stattfanden. Zum auch durch die Kostümierung veränderten Kommunikationsrahmen siehe: Schnitzer 1997, a.a.O., S. 232. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 185.

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I.1. Höfische Rahmenbedingungen

vollständig ausbildete.335 In den Jahren 1564–1565 begab der Hof sich auf die grand voyage de France durch die Provinzen Frankreichs, auf der der junge König Charles IX. seinen Untertanen vorgeführt werden sollte.336 Am 15. Juni erreichte man Bayonne an der französischen Grenze, wo zwischen dem 15. Juni und dem 2. Juli das Zusammentreffen des französischen und des spanischen Hofes stattfand.337 Durch die persönliche Begegnung Caterinas mit ihrem Schwiegersohn Philipp II. von Spanien soll man sich auf französischer Seite erhofft haben, dass die Frage eines Generalkonzils der Kirche erneut erwogen werde und ein möglicher Konsens in der Vermittlung weiterer Eheschließungen der Valois und Habsburger gipfeln würde. Diese Hoffnungen schlugen scheinbar fehl, und so begingen die Feste eine nicht existierende spanisch-französische Entente, wodurch sie einen Zweck erhielten, der zu den vorausgegangenen magnificences in Fontainebleau differierte.338 Gleichzeitig schrieb sich, bisher m. E. zu wenig beachtet, seit dieser Zeit die Abgrenzung zu Spanien als ein deutliches Merkmal zeitweilig in die Feste und wohl auch in vereinzelte Tanzausformungen ein. In kultureller und finanzieller Hinsicht sollte dem Ausland die Stärke der französischen Monarchie präsentiert werden. Zumindest erklärt sich vor diesem Hintergrund der Umstand, dass die vier großen Feste diesmal vom Monarchen selbst finanziert und nicht wie zuvor von Einzelpersonen ausgerichtet wurden. Obwohl diese Feste unter anderen politischen Vorzeichen standen, bediente man sich doch erneut der Bildersprache der pastoralen Idylle und des siècle d’or.339 Auch hinsichtlich des Tanzes werden die Themen der Fontainebleau-Feste weiterentwickelt, und so wird in diesem Rahmen von einem Tanz der neun Nymphen340 gesprochen, und es werden die ‚Vergnügungen auf dem Lande‛ in Form tanzender Schäferinnen wieder aufgegriffen. Die hier thematisierte Naturnachahmung will mythische Orte und Figuren heraufbeschwören. „Der mimeti335 336 337 338

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Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 185. Siehe Graham, Johnson 1979, a.a.O., S. 3–22, 170–290, 381–89, worin alle Texte der Einzüge abgedruckt sind. Siehe auch Yates 1947, a.a.O., S. 253. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 186. Die Quellen zu den magnificences von Bayonne sind abgedruckt in: Graham, Johnson 1979, a.a. O., S. 284ff, bes. S. 328–386 und S. 30–57 sowie in Yates 1947, a.a.O., S. 253–254 und dies. 1959, a.a.O., S. 55–60. Siehe für 1573 und 1581 in den Versen von Ronsard: Chamard, Henri: Histoire de la Pléiade. Bd. III. ND der Ausg. Paris 1940. Paris 1961, S. 472. Siehe hierzu auch Yates 1947, a.a.O., S. 254, die Verwendung für 1564 bei Graham, Johnson 1979, a.a.O., S. 196. Siehe hierzu auch Rüegger: „Dans la conception néoplatonicienne du rapport fondamental entre l’amour et la nature, l’apparition de ces divinités (les nymphes. A.W.) avait d’ailleurs une connotation érotique.“ Rüegger , Emmanuelle: De Grâce-Dieu à Circé: le ballet de cour au XVIe sièle et son livret. In: Théâtre et spectacles hier et aujourd’hui. Moyen âge et Renaissance. Actes du 115e Congrès national des sociétés savantes. Hg. v. Ministère de l’Éducation Nationale. Paris 1991, S. 145–165, hier S. 150.

1.3. Der Hof und das Fest

89

sche Prozess bezieht sich hier also nicht auf die sichtbare Natur, sondern – ganz in der Tradition Platons – auf eine hypothetische Ideenwelt.“341 Möglicherweise lässt sich das Arrangement dieser Szenerie zum einen so deuten, dass die tanzenden Schäferinnen hier die Sehnsucht nach der angeblich naturhaften Idylle eines Lebens fern von höfischen Pflichten verkörpern sollten. Ländliche Gegenden fast nur noch um des Vergnügen willens aufzusuchen, bedeutete in der Konsequenz für viele Adelige, auch mit einem distanzierteren Verhältnis zur Natur zu leben. Hieraus erwuchs die partielle und zweckorientierte Zuwendung zu Landschaften und einzelnen Gegenständen, wie sie dem höfischen Tanz zu Grunde lag und in ihm zum Ausdruck kam. Diese sich hierin ausdrückende Stilisierung und Idyllisierung von Landszenen und die Assimilation des sog. ‚Volkstanzes‛, oder besser des ‚traditionellen Tanzes‛342, werden jedoch nur mit einem ‚Zurechtstutzen‛ desselben realisiert: Alles ‚Vulgäre‛ und ‚Gemeine‛ verschwindet, alles wird harmonisiert. Dass damit aus heutiger Sicht auch die ‚Lebhaftigkeit‛ des traditionellen Tanzes aus den Hoftänzen verschwindet, scheint eine ästhetische Folge dieses Verständnisses zu sein: Das ‚Stampfen‛ und ‚Springen‛ der Volkstänze scheint nur in gezierterer und reduzierterer Form Eingang in die Hoftänze gefunden zu haben. Zumal sich durch derartig propagierte Verhaltensunterschiede im Tanz auch Standesunterschiede manifestieren und verdeutlichen ließen.343 Strong geht zudem davon aus, dass mit dem idealisierten, friedlichen Tanz der Schäferinnen ausgedrückt werden sollte, dass die bereits von den Nymphen auf dem Wasser gepriesene Harmonie nun auch auf das Land übergehe344 und damit quasi ‚natürlich‛ auch auf die gesamte Bevölkerung des Reiches – denn diesem wurde der König auf seiner grand voyage de France vorgeführt. Bereits hier deutet sich an, welchen zentralen Stellenwert der noch näher zu bestimmende Begriff der Harmonie auch in diesem frühneuzeitlichen Kontext einnimmt. Seit Albertis De re aedificatoria 1451/52 wird die Idee der Vollkommenheit als „die völlig geschlossene Harmonie der einzelnen Theile und Glieder“ (Alberti) zur „Konstitution des Schönheitsbegriffs herangezogen.“345 Gleichzeitig offenbart sich hierin ein zeitgenössisch ästhetischer Diskurs, in welchem ‚angemessenes‛, höfisches Verhalten – auch in Abgrenzung zu anderen 341 342

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Woitas 2004, a.a.O., S. 19. Siehe hierzu die Vereinbarungen des International Council of Traditional Music des Terminus ‚Volkstanz‛ durch ‚traditioneller Tanz‛ zu ersetzen. Siehe hierzu Barbara Spartis Einführung in: Perugino, Ercole Santucci: Mastro da Ballo. 1614. Carina Ari Library Publications. Nr. 1. Hildesheim u.a. 2004, S. 11. Siehe hierzu auch Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 55 und Burke, Peter: Die Renaissance in Italien. Sozialgeschichte einer Kultur zwischen Tradition und Erfindung. München 1985. S. 36–37. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 189. Woitas 2004, a.a.O., S. 22.

90

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

gesellschaftlichen Erscheinungsformen – mit den Begriffen ‚Natur‛ und ‚Natürlichkeit‛ ins Verhältnis gesetzt wird.346 In diesem Zuge findet auch eine Kultivierung von ‚ländlichen‛ Freuden statt, sodass diese zum Ausdruck einer guten und friedlichen Regierung stilisiert werden können. Diese finden sich in zeitgenössischen ikonografischen Quellen der bäuerlichen Szenen eines Breughels ebenso wie in den Festlichkeiten der Reisen einer Königin Elizabeth I. von England347: Durch die choreographische Zelebrierung der ‚Volkstänze‛ in regionaler Tracht vor ländlichem Hintergrund, kann die durch sie transportierte Vorstellung einer bestehenden Gesellschaftsordnung gleichzeitig ihrer Rechtfertigung dienen. „Die neuplatonistisch geprägte Auffassung setzt das Ideal mit einer fiktiven Ordnung gleich, welche aus den sichtbaren Chiffren der Natur zu abstrahieren ist“, so Monika Woitas.348 Mit Nachdruck unterstützt wird dieses Ordnungsideal durch das persönliche Auftreten von Königin und König, entweder als Teil einer Maskerade, oder als tanzende Mitglieder eines Balls, wie es für einige mascarades und magnificences überliefert ist. Einer der ersten Hinweise findet sich bereits im Dicours von 1558 anlässlich der Hochzeit des Thronfolgers François mit Maria Stuart. Dort heißt es, dass „en la grãd salle du bastiment neuf du chasteau du Louvre […] a esté dressé le bal Royal, auquel le Roy349 a ballé, la Royne d’Escosse: le Roy de Nauarre, la Royne: monseigneur le Dauphin, madame Marguerite soeur vnique du Roy350: Monseigneur le Duc de Lorraine, madame Claude fille du Roy: accompagnez d’vn grand nombre de Princes & Princesses.“351

Augenscheinlich tanzt der König Henri II. jedoch nicht in der nachfolgend aufgeführten Paaranordnung.352 Für die jüngste Teilnehmerin, die elfjährige Claude, wird ebenfalls kein einzelner ihr zugeordneter Tanzpartner genannt, sondern

346

347 348 349 350 351 352

Dieses Phänomen ist bis ins 19.Jahrhundert zu beobachten: So hat Kerstin Frieling erst jüngst herausgestellt, dass „Natürlichkeit“ und „Mäßigung“, neben weiteren Parametern zentral für das Selbstverständnis des (deutschen) Bürgertums waren. Siehe: dies. Ausdruck macht Eindruck. Bürgerliche Körperpraktiken in sozialer Kommunikation um 1800. Frankfurt/M. 2003. Siehe Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 55; Strong 1991, a.a.O., S. 189. Woitas 2004, a.a.O., S. 21. Zu dieser Zeit war dies noch Henri II. (1519–1559). Marguerite (1523–1574), die Schwester von Henri II. Sie ist die einzige seiner Geschwister, die 1558 noch lebt. Anonymus 1558, a.a.O., o.S. (Aii,r.). Es ist naheliegend, dass im o.g. Zitat mit der Interpunktion [:] die Paaranordnung wiedergegeben werden soll. Vgl. hierzu die Devisenvergabe im balet comique als Steuerungsinstrument der Tanzpaarbildung und Veranschaulichung des prozessionsartigen Aufmarsches zum grand bal in Kapitel II.3.4. dieser Arbeit.

1.3. Der Hof und das Fest

91

stattdessen wird gesagt, sei sie in Begleitung einer großen Anzahl von Prinzen und Prinzessinnen gewesen. Neben den ausführlich dokumentierten Einzügen von Charles IX. und seiner Braut, Elisabeth von Österreich, in Paris im März 1571353 ist auch für deren Hochzeitsfeierlichkeiten erwähnt, dass der König seine Frau zum Tanz geführt habe: „[…] auquel le roi mena danse la reine sa femme.“354 Auch diese Feierlichkeiten zielten thematisch auf das Ideal von Frieden und Harmonie. Sie spiegelten die Hoffnung, dass endlich eine dauerhafte Aussöhnung zwischen den religiösen Gruppierungen zu erzielen sei, zumal Elisabeth die Tochter Kaiser Maximilians II. war, in dessen Reich, um es hier nur verkürzt zu benennen, den protestantischen Adeligen, und auch nur diesen, freie Religionsausübung zugestanden worden war.355 Bei den Festlichkeiten von 1571 trat Caterina de Medici diesmal selbst als Gallia, eine Karte Frankreichs in Händen haltend, in Erscheinung, die „soustenu et supporté la France renversée et dereglée au plus de son mal“.356 Das bedrohte und in Unruhe gebrachte Frankreich sollte unterstützt und erhalten werden. Die Hochzeit von Charles IX. und Elisabeth von Österreich 1571 verdeutlicht einmal mehr eine sich von da an für die Valois als probat erweisende Strategie, nämlich mit Hilfe von Hochzeitsallianzen357 bei unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit – das war das Novum –, ein umfassendes Netz über Europa zu spannen.358 Eine dieser initiierten Hochzeiten fand 1572 statt. Caterinas katholische Tochter Marguerite heiratete den Protestanten Henri von Navarra, den späteren Henri IV. von Frankreich.359 Charles IX. selbst zog in diesem Rahmen 353

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358

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Siehe Yates, Frances: Poètes et artistes dans les Entrées de Charles IX et de sa Reine à Paris en 1571. In: Jacquot, Jean (Hg.): Les fêtes de la Renaissance I. Paris (1956). 2. Aufl. 1973, S. 61–85; Graham, Viktor, Johnson, William McAllister (Hg.): The Paries Entries of Charles IX and Elisabeth of Austria 1571. Toronto 1974; grundlegend: Jacquot 1973, a.a.O., S. 9–92. Hier zit. nach: Beauchamps 1735, a.a.O., S. 18. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 190. Hierzu auch Schulze, Winfried: Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert.1500–1618. Frankfurt/M. 1987, S. 12, 60 sowie zum ‚gläsernen Frieden‛ von 1555 siehe S. 161–203. Hier zit. nach Graham, Johnson 1974, a.a.O., S. 118. siehe Strong 1991, a.a.O., S. 190. Seit 1570 bis Anfang der 80er Jahre war auch eine Heirat zwischen dem Herzog von d’Alençon-d’Anjou mit Elizabeth I. von England im Gespräch. Siehe hierzu: Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 22, 23, 64. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 194. Diese Diskussion befand sich in den 1580er Jahren auf ihrem Höhepunkt. Es findet sich in der Biliothèque de l’Institut in der Sammlung königlicher Hochzeitszeremonien auch ein Programm für die geplante Hochzeit zwischen d’Alençond’Anjou und Elizabeth. Siehe Yates 1947, a.a.O., S. 263. Dass diese Vermählung mit dem blutigen Massaker, der sog. ‚Bartholomäusnacht‛, endete, soll hier nicht näher erörtert werden. Für den vorliegenden Zusammenhang finden sich Quellen zu 1572 in: Yates 1947, a.a.O., S. 254–255 und Yates 1959, a.a.O., S. 61–67 sowie bei Strong 1991, a.a.O., S. 194.

92

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

als Neptun in einer Maskerade ein. Deutlich wird, dass nun auch der König selbst zum maskierten Akteur wird, ganz im Sinne des Cortegiano von Castiglione.360 Sieht doch dieser in der ‚transparenten‛ Maskierung eines Fürsten eine Steigerung seiner Tugendhaftigkeit: „Però ad un principe in tai giochi e spettaculi, ove intervenga fizione di falsi visaggi (die Masken. A.W.), non si converria il voler mantener la persona del principe proprio, [...] ché ad alcuno non è novo che il principe sia il principe.[...] ma in tal caso, spogliandosi il principe la persona di principe e mescolandosi egualmente con i minori di sé, ben però di modo che possa esser conosciuto, col rifutare la grandezza piglia un’altra maggior grandezza, che è il voler avanzar gli altri non d’autorità ma di virtù e mostrar che ‛l valor suo non è accresciuto dallo esser principe.“361

Allerdings kann an dieser Stelle noch nicht von einer doppelten Funktion der Maskierung, im Sinne der Analyse Brauns und Gugerlis für Louis XIV., gesprochen werden: „Erstens soll sie (die Sonnenmaske. A.W.) ein abstraktes Bild des absoluten Herrschers bieten, und zweitens hat sie kraft ihrer emblematischen Natur auf ein sorgfältig begründetes, von langer Hand vorbereitetes und mit unzähligen Bezügen zur kulturellen Tradition versehenes politisch-ideologisches Programm zu verweisen[...].“ 362

Wenn auch ein derartiges Programm für die Rolle Charles IX. als Neptun nicht entworfen werden kann, ändert sich dies schon mit seinem Bruder und Nachfolger Henri III. Die verwendete Mythologie363 von 1572 ähnelt der von Fontainebleau. Strong geht davon aus, dass hierbei der Umstand, dass die Feste nun in Innenräumen und zwar jenen des salle de Bourbon hinter dem Louvre stattfanden,

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362 363

Castiglione, Baldesar: Il libro del Cortegiano. 1528. ND in: Opere di Baldessare Castiglione, Giovanni della Casa, Benvenuto Cellini. Le Letteratura Italiana. Storia e testi. Bd. 27. Hg. v. Calo Cordié. Mailand, Neapel 1960. Dt. Ausg.: Baumgart, Fritz (Hg.): Das Buch vom Hofmann. München 1986. Castiglione 1960, a.a.O., S. 106: „Für einen Fürsten jedoch würde es sich bei solchen Spielen und Veranstaltungen, zu denen eine Maskerade hinzukommt, nicht schicken, die Person des Fürsten aufrechterhalten zu wollen, [...], denn keinem bedeutet es etwas Neues, daß der Fürst Fürst ist. [...] Wenn der Fürst aber in einem solchen Fall die Gestalt des Fürsten ablegt und sich als Gleicher unter die Geringeren mischt, wohl jedoch auf eine Art, daß er erkannt werden kann, gewinnt er aus der Ablegung der Erhabenheit eine andere größere Erhabenheit, nämlich die, den anderen nicht an Ansehen, sondern an Tugend voranstehen zu wollen und zu zeigen, das sein Wert durch sein Fürst-Sein nicht gesteigert wird.“ Übers. hier nach: Baumgart 1986, a.a.O., S. 120–121. Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 106–107. Siehe Dorat, Jean: In originem nominis, et matrimonii Henrici Regis Navarrae et Margaritae Valesiae eius Vxoris. 1572. In: Dorat, Jean: Oevres Poetiques. Hg. v. Ch. MartyLaveaux. (Neudr. d. Ausg. v. Paris 1895). Genf 1974. S. 14–15.

1.3. Der Hof und das Fest

93

eine Neuerung darstellt.364 Dies gilt offenbar zumindest für den salle de Bourbon, wenngleich es bereits im Bericht zu den Festereignissen von 1558 heißt, dass diese „en la grãd salle du bastiment neuf du chasteau du Louvre […]“365 stattgefunden hätten. Grundsätzlich bedeutete die Bindung des Festereignisses an einen Innenraum vor allem, dass nur ein ausgewählter Personenkreis an den Veranstaltungen teilnehmen konnte und stellte somit eine Möglichkeit dar, die Exklusivität der Festlichkeiten qua Ausschlussprinzip zu steigern. Es findet sich hier ein regulatives Moment wieder, welches vorliegend für die normativen Zugangsregelungen des Königs im Zusammenhang mit den Ordonanzen von 1578 und 1585 bereits konstatiert wurde. Die künftigen magnificences scheinen noch deutlicher dem Bedürfnis Ausdruck zu verleihen, dass Zuschauende wie Teilnehmende den Eindruck exklusiver, nachhaltig wirkender Inszenierung gewinnen. Und nun ist es auch der Tanz, der im allegorischen Kampf, mit dem Titel paradis d’Amour, zum spektakulärsten Ereignis wird: Zwölf Nymphen tanzten ein „kompliziertes Ballett, das eine Stunde lang dauerte.“366 Das Spektakel Le paradis d’Amour war von der Königin ausgerichtet worden und fand im salle de Bourbon statt.367 Die Szenerie wies antike wie neoplatonische Elemente auf: „Le décor n’est pas sans rappeler la scénographie du moyen âge, non sans quelques retouches à l’antique: côté cour, le paradis est romain avec son arc triomphal, ses champs Elysées, néo-platonicien avec, grâce à une multitude de petites étoiles lumineuses, portant douze nymphes. Devant une gueule d’enfer côté jardin, Charon passait sur sa barque impassible, alors que nombre de démons exécutaient des danses grotesques.“ 368

Emmanuèle Rüegger weist darauf hin, dass es eine Erfindung Ronsards gewesen sei, den schwebenden Abstieg Merkurs und Cupidos vom Himmel herab369 in

364 365 366

367 368 369

Vgl. hierzu Strong 1991, a.a.O., S. 194. Zur Entwicklung des Festsaals vergleiche hierzu nochmals die Untersuchung von Chatenet 2002, a.a.O., S. 231–246. Anonymus 1558, a.a.O., o.S. (Aii,r.). Goulart 1578, a.a.O., hier zit. nach: Strong 1991, a.a.O., S. 195. Die hier und bei anderen Veranstaltungen gemachten Angaben zur Dauer des Tanzereignisses bedürfen in ihrer Funktion noch genauerer Untersuchungen. Möglicherweise spiegelt die Angabe von vollen Stunden eine Facette des zeitgenössischen Diskurses zum Thema Harmonie. Die dreibändigen Mémoires von Goulart als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54658x.notice (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe hierzu auch van Orden 2005, a.a.O., S. 107–109. Rüegger 1995, a.a.O., S. 159. Bedenkenswert erscheint hier die Idee Gabriele Brandstetters zum Verhältnis von Leichtigkeit und Tanz: „Die Urszenen des Traums von der Schwerelosigkeit speisen sich aus dem Bildinventar des Mythos: die schwebenden Wesen der Götter und Engelsreiche, etwa die Figur des Hermes, des Götterbote.“ Aus: Brandstetter, Gabriele: Einleitung. In: Leich-

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

94

Szene zu setzen; auch wird von einer sich drehenden Nachbildung des Himmels gesprochen.370 Der Aspekt ‚kosmische Harmonie‛ und die hiermit einhergehende Analogiebildungsmöglichkeit von Mikro- und Makrokosmos bestechen nun immer wieder und Emmanuelle Rüegger konstatiert: „Le mouvement n’est pas seulement harmonie, il s’ouvre à une nouvelle dimension, celle de la transformation.“371 Obwohl nur einige Aspekte über das paradis d’Amour bekannt sind, findet sich deutlich die Meeresmythologie von Fontainebleau wieder.372 Auch ist bemerkenswert, dass Charles zwar nicht als tanzender König, aber neben seinen Brüdern auftritt als „the Most Christian King, at once a mortal ruler and the mystical embodiment of kingship.“373 Einer Mischung aus Dramatik, Gesang, Tanz und technischen Dekorationen war man entscheidend näher gekommen. Nur ein Jahr später, 1573 werden die magnificences und das balet des polonais auch balet des provinces Françoises oder vereinzelt auch balet de la reyne Cathérina de Medici en l’honneur des ambassadeurs de Pologne genannt374, für die polnischen Gesandten veranstaltet, die Charles Bruder Alexandre-Eduard, den späteren Henri III. von Frankreich, im Mai 1573 gerade zum König Henryk Walezy von Polen gewählt hatten.375 Die Serie von magnificences, mit denen Charles Bruder als König Henri IV. von Polen in Paris einzog, wurde von Jean Dorat376 am Ende des Jahres 1573 zusammengestellt und entwarf das „glücklichste, wenn auch völlig an der Wahrheit vorbeigehende Bild von den drei vereinten Brüdern und von der heldenhaften Königinmutter, die als Friedensbringerin und Mutter von Königen begrüßt wurde“377: „Le croissant de la France à son plain retournant

370 371 372

373 374 375 376

377

tigkeit= Lightness. Figurationen: Gender, Literatur, Kultur. Hg. v. Gabriele Brandstetter. Köln u.a. 2003, S. 7–12, hier S. 8. Rüegger 1995, a.a.O., S. 160. Rüegger 1991, a.a.O., S. 153. Siehe hierzu auch die frühe Arbeit von Zur Lippe, Rudolf: Naturbeherrschung am Menschen. Bd. 1. Frankfurt/M. 1974, S. 110–111 und ders.: Naturbeherrschung am Menschen. Bd. 2. Frankfurt/M. 1974, S. 64. Diese zwei Bände erschienen ferner zusammengefasst in: Zur Lippe, Rudolf: Vom Leib zum Körper. Naturbeherrschung am Menschen in der Renaissance. Reinbeck 1988. Van Orden 2005, a.a.O., S. 109. Siehe Gurst 1989, a.a.O., S. 75. Zur Beschreibung der Szenerie, besonders des im Festbericht abgedruckten Brunnens und vereinzelten choreografischen Elementen, siehe: Rüegger 1995, a.a.O., S. 161. Siehe Dorat, Jean: Magnificentissimi spectaculi, a regina Regnum matre in hortis suburbanis editi in Henrici Regis Poloniae invictissimi reunciat gratulationem: descriptio. Paris 1573. Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/pageview.aspx?strFest=0038&strPage=1 (letzter Zugriff Juli 2010). Strong 1991, a.a.O., S. 196.

1.3. Der Hof und das Fest

95

Et le monde & la France ensemble il va bornant Et l’vn & l’autre pole à l’vn & l’autre frere Sera obeissant: l’vn regira l’hespere, L’autre le pole Artic: l’vn Atlas d’vn costé, L’autre Hercule, portans tous deux le ciel vousté.“378

Die nach strengen Mustern angelegten Tuilerien-Gärten bildeten den Rahmen für das gezeigte Tanzereignis, bei welchem sechzehn Damen vom Hofe, unter ihnen die Schwester des Königs, Marguerite de Valois, als französische Provinzen379 gekleidet „eine Stunde lang ein aufsehenerregenes Ballett“ tanzten, so dass „jeder Schritt perfekt saß und die ausgefeilten Muster und Bewegungen sowie die Anmut der Tänzerinnen einen tiefen Eindruck auf die Zuschauer (machten)“ und sich Brantôme an die Aufführung, als „le plus beau ballet qui fut jamais fait au monde“ erinnert.380 Und auch die Begeisterung der anwesenden polnischen Adeligen soll eine Nachahmung durch andere Könige quasi ausgeschlossen haben, wenn man den Worten Agrippa d’Aubignés glauben schenken kann: „Les Polonais admirerent les confusions bien desmeslées, les chiffres bien formez du ballet, les musiques differentes, et dirent que le bal de France est chose impossible à contrefaire à tout les rois de la terre.“381

Nirgends zuvor wird die Komplexität eines ballets und die in ihm zur Schau gestellte Genauigkeit einer Choreographie derartig betont. Völlig unabhängig davon, ob die angegebenen Zeitangaben und Größenordnungen Bezug zur Realität hatten, verweisen sie auf die Signifikanz die dem Tanz und seiner Ausdrucksfähigkeit zugemessen wird.382 Diesen Eindruck unterstreicht auch der Holzschnitt Jean Dorats (Abb. 2). Hier vermittelt sich der Eindruck, wie der Festsaal und die formierten Tänzerinnen wahrgenommen werden sollten: Sie sind kostümiert, in zwei Gruppen zu je acht angeordnet und von den Zuschauenden umrahmt. Das Arenatheater mit seinen aufsteigenden Sitzreihen vermittelt eine Sicht, die es den Zuschauern scheinbar ermöglicht, die von den Tänzerinnen geschaffenen Muster 378 379

380 381 382

Dorat, Jean: De la merveillevse Vision de la Royne Mere. 1573. In: Dorat 1573, a.a.O., S. 20–21, hier S. 21. Die Präsentation von Provinzen oder Länder und Nationen sind als Topos des balets und der Maskeraden einzuordnen. Schon unter François I, während eines Banketts in Urbino im Jahre 1518 sollen 72 Damen in sechs Gruppen, verschiedene Länder repräsentierend, ein grand ballet ausgeführt haben. Hier nach: Rüegger 1991, a.a.O., S. 151. Siehe Brantôme, hier zit. nach Strong 1991, a.a.O., S. 197. Aubigné, Agrippa d’: Histoire universelle. Livres VI, VII (Bd. IV). Hg. v. André Thierry .Genève 1987, S. 179. Sarah Cohen stellt im Anschluss zu Mark Franko heraus, dass der bei diesen Gelegenheiten verwendete danse horizontale als geometrischem Tanz eine Form symbolischer Sprechweise zukam. Siehe: Cohen, Sarah R.: Art, Dance, and the Body in French Culture of the Ancien Régime. Cambridge 2000, S. 23f.

96

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

mitzuverfolgen. Im Vordergrund ist die polnische Gesandtschaft abgebildet, wobei die Gesten der Zuschauer die Anteilnahme und Lebhaftigkeit der Szene vermitteln, trotz des statisch wirkenden Tanzbildes, das möglicherweise dessen Akkuratesse unterstreichen soll. Die Bekleidungen der Tänzerinnen könnten als Ausdruck politischer und soziopolitischer Ansprüche gewertet werden, da sie als Provinzen gekleidet die Legitimation der (territorialen) Verhältnisse einfordern und zum anderen die Illusion der Demonstration von Einigkeit im Königreich heraufbeschwören sollen. Dieser Annahme wird durch das persönliche Auftreten Marguerites oder auch nur durch ihre Erwähnung Nachdruck verliehen, demonstriert sie doch qua Anwesenheit Loyalität. Insofern bildete das ballet ein Instrumentarium, mit dessen Hilfe zwar keine Lösung der politischen Probleme zu erreichen war, dessen systematisierter Einsatz jedoch durchaus eine Vision von (nationaler) Herrschaft darzustellen beabsichtigte. Dieses geschah z. B. auch durch die Typisierung von auftretenden Berufsgruppen, wie z. B. von Handwerkern.383 Frances Yates wies bereits in ihren Forschungen zu den Valois-Tapisserien darauf hin, dass die „gängigen Kostümhandbücher […] nach verschiedenen Ländern gruppiert sind und Kostüme zeigen, die von Männer und Frauen nach verschiedenen Gesellschaftsklassen […] getragen werden“ und dass demzufolge viele Künstler für Auftragswerke „in Begriffen von Kostümhandbüchern mit ihren Reihen von Figuren“ dachten.384

Sie ergänzt diese Beobachtung für das balet des polonais, indem sie konstatiert, dass auf dem Valois-Gobelin385, der dieses ballet zum Thema haben soll, im Landschaftshintergrund der Tuilerien nur deshalb ein großes viereckiges Schloss erscheine, weil dieser Schlosstypus der Polen einem geographischen Werk entlehnt worden sei, welches solche Personen vor der Ansicht eines Schlosses in Krakau mit seinem großen viereckigen Schloss zeige.386 Zur Lippe sieht in der Wahl dieser Figuren sogar zeitunabhängige Orientierungspunkte, weil sich mit ihnen bestimmte Zusammenhänge dauernd und damit zuverlässig darstellen lassen.387 Das Arrangement um den Tanz übernimmt in diesem Sinne eine VehikelFunktion: Es werden Typen, nicht individuelle Personen dargestellt, und qua ihrer Bewegungen wird deutlich, dass diese Vorstellungsbilder keine Illusion sind.388 Somit können über diese Figuren bestimmte Vorstellungen antizipiert 383 384 385 386 387 388

Diese scheinen bisher aber nicht ausreichend erforscht. Einen Hinweis gibt McGowan 1963, a.a.O., hier S. 143. Yates 1959, a.a.O., S. 15, hier zit. nach: Zur Lippe 1974b, a.a.O., S. 65. Zu den Valois-Tapisserien siehe die ausführliche Darstellung in Kapitel III.1.1. dieser Arbeit. Siehe Yates 1959, a.a.O, S. 16. Siehe Zur Lippe 1974b, a.a.O., S. 67. Siehe McGowan 1963, a.a.O., S. 138.

1.3. Der Hof und das Fest

97

und eingeübt werden, die sich wiederum rückwirkend auf die realen (höfischen) Beziehungsnetze auswirken.389 Folgt man dieser Überlegung, können diese Figurenarrangements als ein Mittel zur Konsolidierung eines Gesellschaftsentwurfes mit Orientierung auf bestimmte Rollen gelesen werden. Dies gilt auch für das im Folgenden im Zentrum stehende balet comique de la royne, welches weniger als „erstes genuines ballet“390, denn mit seinen politischen, ästhetischen und sozialen Implikationen wahrgenommen werden sollte. Bereits hier kann darauf verwiesen werden, dass die Bilder und Elemente des balets comique in den früheren Serien der magnificences von Chenonceaux ihre Anfänge hatten, welche wiederum bis zu den Maskeraden des Mittelalters zurückverfolgt werden könnten.391 So bildet das mehrfach erwähnte Versatzstück der Meeresmythologie mit seinen Sirenen und Nymphen eine immer wiederkehrende, sorgfältig zusammengesetzte Komponente bei den Valois-Festen392, so auch 1573393 und wie im Detail zu zeigen sein wird, 1581 im balet comique. Gleichzeitig spiegeln sich in den räumlichen Symmetrien und zeitlichen Gleichförmigkeiten der Musik und Poesie dieses balets die Vorstellungen der Akademie um de Baïf wieder.

389 390 391 392 393

Siehe Zur Lippe 1974b, a.a.O., S. 69–70. Zur Lippe sieht in dieser Figurenlehre eine Art „Subsumtionsstrategie“, siehe hierzu Zur Lippe 1974b, a.a.O., S. 74. Siehe hierzu den Hinweis in der Einleitung der vorliegenden Arbeit. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 208, auch Schneider 1985, a.a.O., S. 36 und Yates 1973, a.a.O., S. 265. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 208. Bei Beauchamps heißt es dazu: „[…] La fête commençoit par un dialogue en vers latins entre la France, la paix & la prosperité, mis en musique par orlande de Lassus. Un rocher élevé de 26. pieds sur lequel étoient assises 18. nimphes, représentant les provinces de France & représentées par autant de filles de la reine mere, s’avançoit vers l’endroit, où étoit le roi; la nimphe de la France récitoit 89.vers latins après quoi 16. nimphes descendues du rocher pendant le récit, commencerent un ballet, & présenterent au roi des boucliers d’or graves, avec des devises. La nimphes d’Anjou venoit en suite, & récitoit 21. vers latins; voila le précis de la description qu’en fit imprimer Jean Dorat; il y a joint la representation de la sale, & celle du rocher des nimphes, gravée par le sieur Baptiste, ce fut Balthazar de Beuajoyeux, qui composa le ballet, & un qu’il appella en latin Manerius, qui sous la figure de Silene, avec quatre Satires, fit avancer le rocher. Ronsard a traduit en vers François le discours latin de la nimphe de France, & Amadis Jamyn celui de la nimphe Angevine. […]“. Aus: Beauchamps 1735, a.a.O., S. 21f. Siehe auch die beiden anderen von Jean Passerat verfassten und 1606 in Paris veröffentlichten discours, il y en a deux autres en latin, composé au nom de la province de France, & de la province d’Anjou, die anlässlich des Festes, von der Königinmutter ausgerichtet für die polnischen Gesandten, gesungen wurden. Hier zit. nach Beauchamps 1735, a.a.O., S. 23.

I.1. Höfische Rahmenbedingungen

98

I.1.4.

Zusammenfassung

Die Untersuchung der ‚Höfischen Rahmenbedingungen‛ intendierte, die Inhalte der höfischen Feste mit den konkreten politischen, sozialen und konfessionellen Rahmenbedingungen des letzten Valois-Hofes in Beziehung zu setzen. In den Blick gerieten so ‚der Hof‛ als ein sich erst seit Mitte des 16. Jahrhunderts fest ausbildender physischer Ort, als Regierungs- wie Verwaltungssitz und hiermit einhergehend die Phänomene der Hofhaltung und des Hofreglements. Es zeigten sich Strategien adeliger Selbstbehauptung einer nicht homogenen Gruppe zwischen Anpassung durch Antizipierung bestimmter Verhaltensmuster und verändertem Selbstbild. Zusammenfassend findet sich bestätigt, dass ‚der Hof‛ und mithin das in seinem Rahmen stattfindende Fest Orte waren, an denen Normen und Werte symbolisch und anschaulich von wiederum unterschiedlichen sozialen Gruppen ausgehandelt werden konnten. Einmal mehr erscheint der Hof als Zentrum der Distribution von Ehren, Ämtern und klientelen Bezügen wie als Ort des Austausches, gerade auch von symbolischem Kapital. Das soziale Gefüge und dessen Binnenstrukturen wurden hierbei nicht zuletzt durch Mitglieder der königlichen Familie mitbestimmt. Aufschlussreich war hier ein detaillierter Blick auf die Inszenierung und Rezeption des Königs und seiner Favoriten, ebenso wie die Rezeption seiner Frau Louise – als Auftraggeberin des balets comique – sowie die der Caterina de Medici als Mutter Henris. Es zeigte sich, wie sprachliche und konzeptuelle Festlegungen die politische und soziale Realität des Hofes – sowie dessen Historiographie – prägten und bis heute prägen. Im Detail bestätigt auch diese Untersuchung die Erkenntnis, dass Louise als Königin bisher von Historiographen wenig beachtet wurde. Die Untersuchung zeigt, dass seit Ende der 70er Jahre des 16. Jahrhunderts das Bild von Louise als tugendreicher Ehefrau, deren Mitgift vor allem der leibliche, der ‚natürliche‛ Körper und nicht der politische war, an Wirkmacht verlor. Denn mit der drohenden Dysfunktionalität ihres leiblichen Körpers in Gestalt der Kinderlosigkeit des Paares zeichnete sich ein dynastisches Problem ab. Louise reagierte, indem sie sich einerseits tief religiös zeigte. Andererseits nutzte sie gerade Feierlichkeiten als Plattform und Möglichkeit, sich als erste ‚tanzende Königin‛ und Auftraggeberin des balets comique am französischen Hof der Valois zu inszenieren, nicht zuletzt um dies als Steuerungsinstrument ihrer entourage zu nutzen. Für Caterina de Medici lässt sich einmal mehr, vor allem nach dem Tod Henris II. (1559), die politische Semantik des Diskurses der königlichen Mutter mit ihrer nach Frieden und Mäßigung strebenden Politik und einem kunstvoll eingesetzten Instrument ausgefeilter Heiratsvernetzungen als Möglichkeit der Herrschaftspartizipation herausstellen.

1.4. Zusammenfassung

99

Mit Blick auf den König konnte gezeigt werden, dass die zunehmend positive historiographische Wahrnehmung von Henri III., gerade auch vor dem Hintergrund des Ideals des Königs als premier gentilhomme, erst für die neuere Forschung gilt. Seiner Rolle als Kulturförderer wurde in der Historiographie, bis in das 21.Jh. hinein, äußerst wenig Beachtung geschenkt. Das Bild Henris III. als Negativcharakter war und ist vielfach bestimmend, wurde er doch häufig schlechthin als unfähiger, politisch gescheiterter und moralisch verkommener Herrscher beschrieben. Besonders seit der Amtsübernahme 1574 sah er sich unzähligen Polemiken ausgeliefert. Im Detail wurde der König gerade mit Anspielungen auf sein ‚abweichendes sexuelles Verhalten‛ mit zahlreichen Anfeindungen konfrontiert, die im Kontext der damaligen politischen Konfliktzonen einzuordnen sind. Henri III. versuchte dem sein aus humanistischen Idealen gespeistes Selbstbild und seine Selbstdarstellung als guter und väterlicher König entgegen zu halten. Gerade auch die zunehmende Bedeutung seiner als mignons geschmähten Favoritengruppe, der auch der über die gefeierte Heirat mit Marguerite de Vaudémont in die königliche Familie aufgenommene und rehabilitierte Bräutigam, der Duc de Joyeuse, angehörte, kann so gedeutet werden. Auch konnte gezeigt werden, wie wirkmächtig vor allem die Narrativa über das Sexualverhalten des Königs waren und dass der zunächst verbalen Attacke auf den leiblichen Körper schließlich der Königsmord und damit der vernichtende Angriff auf den politischen Körper des Königs folgten. Ergebnis ist auch hier, dass sprachliche und konzeptuelle Festlegungen die politische und soziale Realität des Hofes sowie dessen Historiographie bis heute prägen. Dies gilt besonders auch für alle weiteren Mitglieder des Hofes, wobei die wachsende Größe des königlichen Haushaltes, die Durchsetzung einer strengeren Hofordnung und Rangfolge mit ihren Reglementierungen von Zeit und Raum für die einzelnen Hofmitglieder neue Anforderungen an Gebaren und Verhalten darstellte. Bereits hier lässt sich die choreografische Nähe des sich neu formierenden und ausformulierenden Hofes zum balet mit seinen allegorisierenden Mustern und mythologisierenden Programmen erahnen. Der detaillierte Blick auf die Rolle des Tanzes für die adelige Erziehung verrät Bewegungsgrundsätze, die noch Ende des 16. Jahrhunderts wesentlich für den Status einer Person am Hof waren. Diese orientierten sich für den untersuchten Zeitraum immer noch an Castigliones ‚Hofmann‛ und seinem Ideal der gekonnten Lässigkeit (Sprezzatura) und des wohlgeübten Mittelmaßes (mediocrità). Die höfischen magnificences sind der Ort nachhaltig wirkender exklusiver Inszenierungen und zunehmend wichtig für die Außendarstellung des Hofes. Man erkennt in den ballets ein Instrumentarium, deren systematisierter Einsatz auch eine Vision von (nationaler) Herrschaft darstellen hilft. Die sich in den ballets wandelnden Figurenarrangements können nicht so sehr als Mittel zur Ausbildung eines Gesellschaftsentwurfes gelesen werden, in welchem der Hof als Plattform

100

I.2. Das Festereignis von 1581

der Selbstinszenierung eines Herrschers im Sinne einseitiger Herrschaftssicherung erscheint, sondern vor allem als ein Netz von Zuschreibungen mit wechselseitigen Ansprüchen, die sich auch an den König und die Königin selbst richten.

I.2.

Das Festereignis von 1581 und das balet comique

Einen herausragenden Höhepunkt in der Festkunst der Valois bildeten die Feste im Umfeld der Joyeuse-Hochzeit seit dem 24. September 1581.394 Henri III. initiierte zusammen mit seiner Frau Louise, auf die auch der Titel des balets rekurriert, diese Festlichkeiten395 anlässlich der Hochzeit des Favoriten Anne d’Arques – seit Juli 1581 Herzog von Joyeuse396 – mit Marguerite de Vaudémont-Lorraine, Tochter von Catherine d’Aumale und Halbschwester der Königin Louise.397 Es ist auffällig, dass bei den Berichten über diese Veranstaltungen bis zum

394 395

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Knecht 2004, a.a.O., S. 19–31, hier S. 26. Zur Teilnahme Louises siehe Dellaborra, Mariateresa (Hg.): Une invention moderne: Baldassarre da Belgioioso e il ‚Balet Comique de la Royne‛. Lucca 1999, hier S. 37 und zuletzt Savage 2004, a.a.O., S. 66. Dass Caterina zu diesen Festlichkeiten geraten habe, vertreten Yates 1973, S. 258 und McGowan 1998, S. 275. Zur Ernennung von Joyeuse zum Herzog, siehe Pierre de L’Éstoile in seinem Journal. Hier zit. nach: McGowan 1982, S. 15. Siehe auch den Brief von Mr. de Rignac an Saint-Sulpice am 11.Juli 1581: „Le mariage de mr d’Arques et de mademoiselle de Vaudemond fut arreté hier. Le roi donne a mr d’Arques la principauté de Poursian qu’il achète, et érige Joyeuse en duché […].“ Hier zit. nach: Cabié 1975, a.a.O., S. 698. Zur Ankündigung dieser Allianz, die im August einen breiten Raum in den Korrespondenzen an Madame und Monsieur Saint-Sulpice einnahm, siehe folgende Briefe, abgedruckt in Cabié 1975, a.a.O., S. 690 ff.: Montmurat an Mad. de Saint-Sulpice am 23. August 1581: „Les nouvelles de par deça concernent toutes, soit les noces de mr d’Arques avec mademoiselle de Vauldemont […]“, am 24. August 1581. Mr. de Rignac an Mad. de SaintSulpice: „Le roi est tous les jours après à se dresser pour les baletz et les combats qu’il veut faire aux noces de mr d’Arques. La reine aussi y veut faire un beau balet. Ils sont venues des nouvelles de Flandres où mr le vic. de Turenne a été prins.“ Mr de La Broue an Mad. Saint-Sulpice am 24.8.1581 weist besonders auf die Missmutigkeit der nicht am balet beteiligten höfischen Damen hin: „[…] L’on est toujours après pour le mariage de mr d’arques et ne se parle de rien plus. La reine fait son ballet pour le jour des noces, d’ou il y a un grand mécontentement entre les dames, car il y en a beaucoup qui n’en sont pas, entre autres mad. de Vileroy. Les filles seront richement vètues. Les étofes ont rehanchéri d’un tiers depuis qu’on a parlé de ce mariage, principalement les dravs et touèles d’or et d’argent, etc. de Paris.“ Am 11.September 1581 steht das Ereignis kurz bevor, denn der duc de Uzes schreibt an Mr. Saint-Sulpice: „[…] de mr de Lorraine et de mr son fils, qui viennent pour les noces de mademoiselle de Vaudemont et de mr d’arques (qu’est asteure duc de Joieuse et pair de France), où le roi y fera toutes les magnificences qui se peuvent faire.“ Aus Cabié 1975, a.a.O., S. 694.

I.2. Das Festereignis von 1581

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heutigen Tage immer wieder betont wird, dass diese mit einem enormen finanziellen Aufwand betrieben wurden398, den sich die französische Krone angesichts ihrer Insolvenz eigentlich nicht leisten konnte.399 Was wurde mit dem Reden über diese Summe erreicht? So geht Le Roux davon aus, dass die Höhe der Ausgaben die Pariser Elite provozieren sollte. Er weist besonders darauf hin, dass die Kosten nicht einmal nach 15 Jahren vollständig bezahlt waren.400 Auch Ludovic Celler und Richard Dunn deuten an, dass die verschwenderische Pracht der Festlichkeiten und die Unsummen ihrer Realisierung Zorn in der Bevölkerung zur Folge gehabt habe.401 Gabriele Müller gibt an, dass im Januar 1582 Schweizer Botschafter an den Hof gekommen seien, um Schulden von über 800 000 livres, die Henri III. bei ihnen habe, einzufordern. Über seine Zahlungsunfähigkeit seien sie verstimmt gewesen.402 Auch L’Éstoile verurteilt die „bombances et extraordinaires et folles dépenses“ für die Hochzeit von Joyeuse deutlich und die königliche Reue kommt ihm zu spät.403 Denn die nachfolgenden Hochzeiten des Comte de Bouchage, eines Bruders des duc de Joyeuse, mit einer Schwester von Épernon im November404 und diejenige des ältesten Bruders von Épernon mit Madame de Bouchage, einer Schwester des duc de Joyeuse wurden „sans bruit, sans éclat, sans dépense et cela par ordre du

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Solnon gibt Kosten in Höhe von 1 200 000 écus an: siehe Solnon 1987, a.a.O., S. 129. Bei Le Roux wird mit Bezug auf die Angaben bei L’Éstoile sogar eine Summe von 3 600 000 livres tournois angegeben, siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 487 und Le Roux 2004, a.a.O., S. 119. Le Roux betont, dass in Relation die Ausgaben der argenterie royale für das gesamte Jahr 1581 lediglich 76490 livres tournois gewesen seien. Die Gesandtenberichte nennen geringere, aber immer noch hohe Summen: 40 000 écus werden im offiziellen englischen Bericht angegeben, 30 000 écus nennt der toskanische Gesandte Giulio Busini (5.März 1585). Siehe Desjardins. Band IV. 1865, S. 548. Solnon gibt die Kosten in Höhe von 1 200 000 écus an: siehe Solnon 1987, a.a.O., S. 129, von Le Roux wird mit Bezug auf die Angaben bei L’Éstoile die noch höhere Summe von 3 600 000 livres tournois angegeben: Le Roux 2000, a.a.O., S. 486f., 489 und ders. 2004, a.a.O., S. 119. Siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 487, S. 489 und ders. 2004, a.a.O., S. 119. Er betont mit Bezug auf Vaissière, Pierre de: Messieurs de Joyeuse (1560–1615): portraits et documents inédits. Paris 1926, hier S. 82–83, dass noch am 19. April 1595 sechs Juweliere 65 133 écus gefordert hätten. Le Roux stellt heraus, dass in Relation die Ausgaben der argenterie royale für das gesamte Jahr 1581 lediglich 76 490 livres tournois gewesen seien. Siehe Dunn 1971, a.a.O., S. 27 und Leclerc (Celler) 1868, a.a.O., S. 307. Siehe Gabriele Müller 1993, a.a.O., S. 14, hier Anm. 105. Es stellt sich die Frage, ob vor diesem Hintergrund die Drucklegung des balets im darauffolgenden Monat Februar für die Schweizer nicht wie eine Provokation gewirkt haben muss. Sollte diese nicht intendiert gewesen sein, wäre folglich nach Gründen für die Publikation zu suchen, die als ‚unaufschiebbar‛ galt. Siehe hierzu den Verweis auf die Hochzeit von Bouchage im Februar 1582 im Kapitel I.1.2. dieser Arbeit. L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 280. Siehe auch ders. 1875, a.a.O., S. 29. Siehe L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 36.

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I.2. Das Festereignis von 1581

roi“405 gegeben, fanden also auf Anweisung des Königs höchst unaufwendig im Februar 1582 statt.406 Allerdings wäre ins Kalkül zu ziehen, dass zwar die bei Chevallier erwähnten Hochzeiten nicht so prächtig sein durften wie die von Joyeuse, aber just zum Zeitpunkt dieser Hochzeiten die Publikation des balet comique im Februar 1582 erfolgte, als Imagination prächtiger Hochzeitsfeierlichkeiten. Der Umstand, dass der König selbst an den Feierlichkeiten dieser Hochzeiten teilnahm und für die Hochzeit von Bouchage Tanzanlässe arrangieren ließ, lässt sich definitiv nachweisen407 und dokumentiert sein besonderes Interesse, das auch öffentlich zur Kenntnis genommen werden soll. Zeitgenössische Quellen weisen zudem darauf hin, dass die vom König investierte Summe einer solchen gleiche, wie sie die ‚Töchter Frankreichs‛408 erhalten würden. Deutlich wird, dass die Höhe der Ausgaben für die Joyeuse-Hochzeit wohl tatsächlich eine außerordentliche darstellte – dies geht aus den Angaben bei Le Roux hervor, der diese auch in Relation zu sonstigen Ausgaben am Hof setzt. Gleichzeitig dokumentieren die vorhandenen Quellen aber auch, dass wesentliche Beträge nie bezahlt wurden. Wenn auch dieser Umstand an sich keine Ruhmesmehrung bedeutet haben kann, so zeigen letztlich heutige Rezeptionen, in denen mit Ziffern zur Beschreibung der Festausgaben operiert wird, dass nur der Umstand des finanziell aufwändigen Ereignisses die Exklusivität und Werthaltigkeit desselben bis heute garantiert. Insofern hätte allein das Reden über diese Summen den Eindruck, dass es sich um unglaublich prächtige Festlichkeiten gehandelt haben muss, seine Wirkung bis heute nicht verfehlt.409 Das Reden über die nicht erfolgten Zahlungen verhallte hingegen scheinbar fast ungehört. Dass sich gerade auch in den modernen, finanzorientierten Gesellschaften solche Lesarten noch nachhaltiger einprägen, scheint sogar wahrscheinlich. Das balet comique de la royne kam als achtes von insgesamt siebzehn Veranstaltungen am Sonntag, dem 15. Oktober 1581410, im grande salle des Palais de Petit 405 406 407

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Leclerc (Celler) 1868, a.a.O., S. 308. Siehe auch L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 58: „[…] sans aucune sumptuosité ou pompe apparante […].“ Siehe auch Chevallier 1994, a.a.O., S. 534. Siehe die Auflistung der zehn Hochzeiten zwischen 1575 und 1585 zu deren Anlass der König ballets ausrichten ließ oder bei deren Tanzgelegenheiten er selbst teilnahm. In: McGowan 2006, a.a.O, S. 85. „[…] qu’il (le Roy. A.W.) a eu 400.000 escus en marriage autant que les filles de France (Ehrentitel, der normalerweise den Rang einer Tochter des Königs bezeichnet. A.W.).“ Abgedruckt in: Potter 2004, a.a.O., S. 186. Allerdings fällt auf, dass alle erhaltenen Exemplare aus dem 16. Jahrhundert keinen besonders schmückenden Einband haben. Entweder sind sie noch heute in sehr einfach gehaltenem Leder eingebunden oder aber ihr heutiger Prachteinband stammt aus dem 19. Jahrhundert. Siehe hierzu das Verzeichnis über die Aufbewahrungsorte der Drucke von 1582 im Anhang A dieser Arbeit. Dieses Datum wird im Traktat von Beaujoyeulx angegeben: Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de

I.2. Das Festereignis von 1581

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Bourbon, des größten Saal des Louvre, „sur les dix heures du soir“411 zur Aufführung. Dem vorausgegangen waren Reitvorführungen, Festmahle, Bälle und Schaukämpfe.412 Am Abend des 19. September im Saal des hôtel de Bourbon hinter dem Louvre, fand hier der erste dieser Schaukämpfe statt: Es standen sich die ducs de Guise, de Mercoeur und de Montmorency auf der einen Seite und ‚la bande du roi‛ auf der anderen Seite gegenüber und trugen einen Scheinkampf aus „en la défaveur de l’Amour“413 vor. Le Roux sieht bereits bei diesem Ereignis einen engen Bezug zur erzieherischen Funktion des mythologischen Arrangements eines balets comique, mit dessen Hilfe Vorstellungen von Selbstbeherrschung kommuniziert wurden: „Ce combat, dans lequel le parti du roi s’oppose à celui de l’Amour, est significatif de l’idéologie de maîtrise de soi que Henri III entend insuffer à son entourage. Celle-ci est portée à son apogée lors du Ballet comique, dans lequel Circé incarne les passions et les désirs, c’est-à-dire la partie irrationnelle de l’âme, que l’homme doit dominer par l’exercice de sa raison.“414

Am 24ten gab man nach dem dîner einen Ball im salle haute du Louvre; am nächsten Tag gab der Bräutigam sein Bankett im hôtel de Guise und den Ball wieder im Louvre. Weitere, von Familienangehörigen ausgerichtete Bälle folgten.415 Die fünfzehntägigen Festlichkeiten fanden schließlich im Rahmen eines Banketts, welches am 22. Oktober im Schloss der Königin Mutter abgehalten wurde, ihren Abschluss.416 Der König beauftragte u. a. die Dichter Ronsard und Jean Baïf Verse für die Maskeraden, Schaukämpfe, Turniere und andere Festivitäten zu verfassen.417

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Vaudemont sa soeur. Paris 1582. Hier nach: Lacroix, Paul: Ballets et Mascerade de Cour de Henri III à Louis XIV. Bd. 1. Geneva 1968, S. 27. Dieses (korrigierte) Datum wird auch von P. de L’Éstoile in seinem Journal für das Jahr 1581 angegeben: L’Éstoile 1943, a.a.O. Siehe auch: ders. Bd. II. 1888, a.a.O., S. 22. Ursprünglich war die Aufführung des balets bereits für den 24. September und somit wenige Tage nach der eigentlichen Hochzeit am 18. September geplant. Zur Frage der Datierung siehe auch: MacClintock 1971, a.a.O., S. 10 sowie McGowan 1982, a.a.O., S. 12f. und Dellaborra 1999, a.a.O., S. 37. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 7/Biij. Siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 487. Auch Isabelle Handy stellt die Festlichkeiten anlässlich der Joyeuse Hochzeit chronologisch und ausführlicher dar: Handy 2008, a.a.O., S. 273– 275. BNF Ms.Fr. 26170, fol. 107 v, hier zit. nach: Le Roux 2000, a.a.O., S. 487. Le Roux 2000, a.a.O., S. 488. Siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 488, Anm. 1. Siehe auch L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 32f. Hier zit. nach: Mac Clintock 1971, a.a.O., S. 10. Die zu diesem Anlass verfassten Werke von J. Baïf und Ronsard finden sich zum großen Teil abgedruckt in Yates, Frances: Poésie et musique dans les ‚magnificences‛ au mariage du duc de Joyeuse, Paris 1581. In: Musique et poésie au XVIe siècle. Colloques internationaux du Centre national de la recherche scientifique Sciences humaines. Bd. 5. Hg. v. Jean Jacquot. Paris 1954, S. 241–64. Siehe in Pierre de L’Éstoiles Mémoires-Journaux auch den

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Auch Werke von Jacques und Marie de Romieu an Marguerite de VaudémontLorraine vom September 1581 sind überliefert. So das „ANAGRAMME SUR SON NOM. Marguerite de Lorraine. Or la grandeur je merite. L'OR surpasse en grandeur, en pris et en bonté, Tous les autres metaux; ainsi vous, Marguerite, Perle de grand valleur, ornement de beauté, Direz sans rougir : Or la grandeur je merite; Aussi le Ciel m’accouple à une Deité.“418

Sowie das Epigramm „AMPLISSIMÆ AC ILLUSTRISSIMÆ PRINCIPI MARGARIDI LOTHARINGÆ, DUCI DE JOYEUSE. SI soror hic (sacris edocta sororibus) esset, Offerret pedibus carmina sacra tuis, Sat novi; sed abest. At quædam carmina fratri Docta soror mittit, carmina digna viro. Accipe, quicquid id est, leta, nova Magari, fronte; Accipe fœmineos, fœmina facta, modos.“419 Auch finden sich in den Dichtungen Marie des Romieus zwei Sonette anlässlich der Hochzeit Marguerite de Vaudémont Lorraine und Anne d’Arques, duc de Joyeuse: „SUR L’ANAGRAMME ET MARIAGE D’ANNE DE JOYEUSE ET DE MARGUERITE DE LORRAINE SONET. Diane va, le guerrier Adonis en-rete moy. Le grand Juppin de la Françoise terre Veit en sa Cour semi-Dieux infinis A luy porter honneur et gloire unis, Et par sur tout un Cyprien en guerre, Un autre Mars qui les plus fiers atterre. DIANE VA, LE GUERRIER ADONIS

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Hinweis und entsprechende Texte, dass geistreiche „courtizan“ lateinische Verse anlässlich dieser Hochzeit formuliert hätten: L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 24–26. Romieu, Marie de: Oeuvres poétiques de Marie de Romieu. Hg. v. Prosper Blanchemain. (ND der Ausgabe Paris 1878). Als elektronische Ressource unter URL: http://erc.lib.umn.edu/dynaweb/french/romioeuv/@Generic__BookTextView/216;hf= 0 (letzter Zugriff Juli 2010). Das mit „J. de Romieu“ unterzeichnete Epigramm auch in Romieu 1878, a.a.O. Als elektronische Ressource unter URL: http://erc.lib.umn.edu/dynaweb/french/romioeuv/@Generic__BookTextView/121 (letzter Zugriff Juli 2010).

I.2. Das Festereignis von 1581

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EN-RETE MOY; dans tels reths si polis Il faut son cœur par un regard acquerre. Ainsy disoit le Roy des plus grands Roys. Diane prend son arc et son carquois Et va dardant droit au cœur de JOYEUSE. Cil qui estoit des hommes le vainqueur Voit pour jamés ores vaincu son cœur Par le vouloir d’une ame glorieuse.“420 „SONET D’ELLE MESME SUR SON MARIAGE AVEC MONSEIGNEUR LE DUC DE JOYEUSE, PAIR DE FRANCE. Si jamais on a veu deux cœurs s’aimer ensemble D’une parfaitte amour, si jamais loyautez Furent en deux amans de l’amour agitez, Ce couple vienne voir, où tout le mieux s’assemble. Ce qu’on appelle bien son bien de ces deux emble, Deux qui font un vouloir en deux divinitez. Jamais on ne verra de semblables beautez, Où de merveille encor l’Archerot mesme tremble. Aussi le bon Hymen n’alluma tant de feux Jamais pour esclairer à mille honnestes jeux Triomphes et tournois, comme en ce mariage. C’est icy où l’on voit la force des combats; C’est le lieu, c’est le pris des amoureux debats : Bref, ces deux sont l’honneur et gloire de nostre âge.“ 421

Von den zahlreichen Veranstaltungen anlässlich dieser Festivität, deren Abfolge und Programm durch zwei422 erhaltene Manuskripte bezeugt sind423, wurde nur 420

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Romieu 1878, a.a.O. als elektronische Ressource unter URL: http://erc.lib.umn.edu/dynaweb/french/romioeuv/@Generic__BookTextView/154;hf= 0 (letzter Zugriff Juli 2010). Romieu 1878, a.a.O. Als elektronische Ressource unter URL: http://erc.lib.umn.edu/dynaweb/french/romioeuv/@Generic__BookTextView/234;hf= 0 (letzter Zugriff Juli 2010). Yates geht davon aus, dass die Verlobung kurzfristig vom 14. auf den 18. September verschoben wurde, sodass ein zweites Programm entworfen wurde: Yates 1975, a.a.O., S. 169–172. Siehe auch Vaissière 1926, a.a.O., S. 63–65. Es existieren mindestens zwei Manuskripte, die näheren Aufschluss über die magnificences zulassen: Zum einen findet sich das ursprünglich geplante Programm mit einer Liste der verschiedenen Ereignisse, einer Beschreibung der Kostüme und Hinweisen zur verwendeten Musik in einem Manuskript, heute in der Bibliothèque Nationale, Paris, fr. 15,831, f.90

I.2. Das Festereignis von 1581

106

das balet comique im darauffolgenden Jahr von Adrian Le Roy, Robert Ballard und Mamert Patisson mit königlichem Privileg vom 13. Februar 1582 gedruckt.424 Der Umstand, dass nur dieses Ereignis aufgezeichnet wurde, bezeugt sowohl seine vielschichtig politische als auch künstlerische Signifikanz.

I.2.1.

Der Circe-Mythos als Motiv

Inhaltlich bezogen bereits vorangegangene balets ihr Handlungsgerüst aus einem zugrunde gelegten Stoff, der meist aus der antiken Mythologie stammte. So wählte man für das balet comique de la royne die Fabel der Circe425, unter deren Namen das balet teilweise auch geführt wird. Es stellt einen frühen Versuch dar, die Verbindung von Tanz, Dichtung und Musik in dramatischer Kohärenz zu verfolgen.426 Zwar arrangierten auch vorherige Aufführungen das Zusammenspiel von Musik, Tanz und Dichtung, jedoch unter Vernachlässigung eines dramatischen Kontextes.427 So kommt dem balet comique hinsichtlich seiner Stoffwahl eine beispielhafte und in Bezug auf seine dramatische Struktur eine herausragende Position zu. Der Gegenstand der Handlung war exemplarisch gewählt. Die Erzählung von der machtvollen Zauberin Circe mit ihrer Fähigkeit zur Transformation und Metamorphose war während des gesamten 16. Jahrhunderts ein populärer Ge

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und fr.26170, fol. 106–107v. Abgedruckt findet sich das erstgenannte bei: Vaissière 1926, S. 63–65. Eine modifizierte Version, die vorrangig nicht der Datierung, denn der Priorität der Ereignisse folgt, wird heute in der Bibliothèque de l’Institut, Fonds Godefroy 385, f.174 in Paris aufbewahrt. Eine detaillierte Beschreibung dieser Fassung und der verschiedenen Programmpunkte finden sich in: Yates 1954, S. 241–263. Dieser Artikel fand Eingang in: dies.: Astraea. London 1975, S. 149–172 sowie dies: The French academies of the sixteenth century (1949). Nendeln 1973, S. 236–274. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O. Zur Rezeption des Circe oder Kirke-Mythos in antiker Zeit siehe: Kottaridou, Angeliki: Kirke und Medeia. Die Zauberinnen der Griechen und die Verwandlung des Mythos. Diss. Köln 1991, hier bes. S. 295ff. zur vergleichenden Darstellung der beiden Figuren. Diesen Aspekt betonen besonders folgende Autorinnen und Autoren: McGowan 1999, a.a.O., Sp. 1163, Canova-Green 1999, a.a.O., S. 486, auch: Mac Clintock, Carol, Mac Clintock, Lander: Le balet comique de la royne 1581. New York 1971, S. 9; Solnon spricht von „scéniquement cohérente“, Solnon, a.a.O., S. 117. Vergleiche hierzu z. B. das balet des polonais von 1573.

2.1. Der Circe-Mythos als Motiv

107

genstand, gerade auch für die zeitgenössische Malerei.428 Charles Zika verwies darauf, dass die Grundlage für diese häufig nicht, wie zu erwarten Homers Odyssee429, sondern die Schriften von Boccaccio, Boethius, Virgil und Augustinus gewesen seien.430 Besonders die Rezeption der Werke von Autoren wie Vergil und Ovid trugen in der Folgezeit ausschlaggebend dazu bei, dass Circe vorwiegend mit negativen Attributen ausgestattet erschien. Besonders Vergil betont das Bild der Circe als das eines grausamen Wesens, zwischen dem Reich der Menschen und dem der Tiere stehend, die Menschen durch seine Macht unterwerfend. Darüber hinaus beschreibt Ovids Bericht sie als eine sinneslüsterne Gottheit und Gebieterin menschlicher Begierde, die jeden zum Opfer ihrer Lust werden lasse, der sich ihren Bedürfnissen wiedersetzt.431 Ovids umfangreichstes Werk, seine Metamorphosen, eine Sammlung von etwa 250 Mythen und Verwandlungssagen in 15 Büchern, blieb als Bezugswerk hierbei unübertroffen. Im 14. Buch der Metamorphosen verlagert sich der Schauplatz von Sizilien nach Italien und mit Reverenz an den Elegiker Properz kommt auch Vertumnus, der Gott der Verwandlung, ins Spiel. Die Hauptgestalt ist hier aber Circe, die die Gefährten des Odysseus verwandelt. Die Ovidschen Verwandlungsmythen blieben in ihrer Mehrdeutigkeit an vielen europäischen Höfen noch während des 17. Jahrhunderts häufig rezipierte Themen.432 Die allegorische Tradition, angefangen bei Boethius, 428

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Siehe z. B. Werke des 16. Jahrhunderts wie die von Dosso Dossi (1479–1542): Gemälde (Circe? oder Alcina?), National Gallery Washington; Orlando Furioso: Gemälde (Circe? oder Melissa?) (1539) in Galleria Borghese, Rom; Parmigianino (1503–40): Zeichnung; Garofalo (1481–1559): Gemälde sowie das epische Werk von Torquato Tasso (1544–1595): Gerusalemme liberata, 4.86, 10.65ff (1575) und Venedig 1581 und das lyrische Werk von Giordano Bruno (1548–1600): Cantus Circaeus Paris 1582. Angaben hier entnommen aus: Davidson Reis, Jane (Hg.): The oxford guide to classical mythology in the arts. 1300–1990. Bd. 1. New York, Oxford 1993, S. 304–305; weitere Abbildungen siehe auch in Cieri Via, Claudia: L’Arte delle Metamorfosi. Decorazioni mitologiche nel Cinquecento. Rom 2003, S. 439ff. Siehe auch den Artikel zu Kirke. In: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Bd. 6. Hg. v. Hubert Cancik. Stuttgart 1999, Sp. 487–489, in welchem besonders Circes Sprachfähigkeit betont wird. Es fällt deutlich auf, dass im Vergleich mit der homerischen Vorlage und den Erlebnissen des Odysseus die Handlung des balets nur in wenigen Punkten mit der antiken Vorlage übereinstimmt. Schlussendlich wird nur Circe in der Rolle der Zauberin der Vorlage entlehnt. Siehe Hepp, N.: Homère en France en XVIe siècle. In: atti della Accademia delle Scienze di Torino II. Bd. 96. Turin 1961/62, S. 389–508. Siehe Zika, Charles: Images of Circe and Discourses of Witchcraft, 1480 – 1580. In: zeitenblicke 1 (2002), Nr. 1 [08.07.2002] unter URL: http://www.zeitenblicke.historicum.net/2002/01/zika/zika.html (letzter Zugriff Juli 2010), Abs. 5. Zika weist darauf hin, dass z. B. bei Boccaccio die Reihe der Tiere, in welche die Begleiter von Odysseus verwandelt werden, breit angelegt war, sodass sich jetzt ein Löwe, ein Bär, ein Hase und ein Hirsch unter ihnen finden. Hierzu passt die Beobachtung, dass auch die Darstellung des ersten Kupferstiches des balets comique deutlich von der Homerischen Vorlage auch in Bezug auf die dargestellten Tiere abweicht. Siehe Zika 2002, a.a.O., Abs. 16 und Abs. 18. Albrecht 2003, a.a.O., S. 146f. Ebda.

108

I.2. Das Festereignis von 1581

welcher die Metamorphose als den Verlust menschlicher Vernunft interpretierte, bildete die Basis für die Identifikation Circes mit den menschlichen ‚Leidenschaften‛, gleichsam als Verkörperung des menschlichen ‚Lasters‛ selbst.433 Diese allegorische Deutung findet sich auch in einem der bekanntesten mythologischen Standardwerke dieser Epoche, nämlich den Mythologiae von Natale Conti aus dem Jahr 1551434. Daneben gelten auch die Kompendien von Lilio Gregorio Giraldi (1548) und Vincenzo Cartari (1556), die an den europäischen Höfen weit verbreitet waren, als richtungsweisend für die Rezeption des späten 16. Jahrhunderts. Diese Handbücher italienischer Autoren mit Erläuterung der klassischen Mythen verbanden die mythischen Stoffe mit christlicher Philosophie435: Diese sowie diverse Emblembücher sollten bei der Entschlüsselung und dem Verständnis der in Szene gesetzten Mythologien helfen und beeinflussten ihrerseits das Schaffen und die Themenauswahl zeitgenössischer Künstler. Contis Werk begründet hierbei die philosophische und mythographische Basis für das Bild von Circe wie es im balet comique zu finden ist.436 Circe als Tochter des Sonnengottes Helios und der Okeanide Perse, die Männer zu einem lasterhaften Leben

verführt, und diese, so sie sich von ihnen beleidigt fühlt, in wilde Tiere verwandelt. Circe personifiziert das Laster, während der König als ihr Gegenspiel die Tugenden auf sich vereint und Minerva Weisheit und Vernunft verkörpert. Die Handlung thematisiert das moralische Ringen der Tugend mit dem Laster und 433 434

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436

Zika verweist darauf, dass diese Sicht bedeutend beeinflusst wurde durch neoplatonische Denker wie Christofo Landino und Giovanni Pico. Siehe Zika 2002, a.a.O., Abs. 27. Conti, Natale: Natalis Comitis Mythologiae, sive Explicationvm fabvlarvm libri decem :in qvibvs omnia prope naturalis & moralis philosophiae dogmata sub antiquorum fabulis contenta fuisse demonstratur ; cvm locvpletissimis indicibvs eorum scriptorum, qui in his libris citantur, rerum que notabilium, et multorum nominum ad fabulas pertinentium explicationibus ; opvs non tantvm hvmanarvm, sed etiam sacrarum literarum et philosophiae studiosis perutile, ac propè necessarium. Venedig 1567. ND z. B. Paris 1582, S. 687–88. Die erste Auflage der Mythologiae von Conti ist für das Jahr 1551 datiert und fand seit ihrer zweiten Auflage im Jahr 1568 in Frankreich mit einer Widmung an Charles IX. große Verbreitung. Siehe Yates 1973, a.a.O., S. 239, hier Anm. 8.; auch Strong 1991, a.a.O., S. 203 sowie Zika 2002, a.a.O., Abs. 27ff. sowie Greene, Thomas M.: The King’s One Body in the Balet Comique de la Royne. In: Corps Mystique, Corps Sacré: Textual Transfigurations of the Body from the Middle Ages to the Seventeenth Century. Yale Franch Studies. Nr. 86. Hg. v. Françoise Jaouën und Benjamin Semple. Yale 1994, S. 75–93, hier S. 88. Görel Cavalli-Björkman beobachtet dieses Phänomen auch am Hofe Rudolf II.: Durch die Verbindung der mythischen Stoffe mit christlicher Philosophie offenbarte man einen quasi humanistischen Leitfaden auf dem „Weg zum Erlangen der Lebensweisheit; nach der Lehre des Neuplatonismus konnten beide Wege zur Wahrheit führen. Handlungen und Eigenschaften der Götter wurden allegorisch interpretiert und eingesetzt.“ Aus: CavalliBjörkman, Görel: Mythologische Themen am Hofe des Kaisers. In: Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Rudolf II. Ausstellungskatalog. Hg. v. Kulturstiftung Ruhr, Villa Hügel. Freren 1988, S. 61–68, hier S. 61. Siehe hierzu den expliziten Verweis am Ende des balet comique. In: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 74.

2.1. Der Circe-Mythos als Motiv

109

feiert im endgültigen Besiegen des Lasters durch die Vernunft deren Triumph, sodass die harmonische Ordnung wieder hergestellt ist: „Circe is the agent of disordered change on a physical, moral and natural level. As she brings change to the seasons, to time and to corruption in nature, she also leads men into vice. She is a disruptive force working against the world’s stability and harmony, personified in the king.“437

Diese Auslegung begreift die Darstellung der Zauberin im Sinne einer Verkörperung des natural man438, hier verstanden als die Personifizierung der menschlichen Schwächen, die nur durch den Einsatz der Vernunft zu besiegen seien.439 Diese Auslegung ähnelt den Diskussionen, die während der Regentschaft Henris III. in der Palastakademie stattfanden.440 Denis Crouzet geht darüber hinaus davon aus, dass Circe nicht nur das Laster an sich verkörpere, sondern auch als das Leid des konkreten Bürgerkrieges gelesen werden könne, der den Frieden im Reich destruiert hatte. In Circe glaubt er zudem die Mitglieder der katholischen ‚Liga‛ versinnbildlicht zu sehen, wenn er formuliert: „La Ligue est Circé [..].“441 Auf eine Deutung, die das destruierende Element Circes betont, verwies auch Ian MacIeans in einer breiter angelegten Arbeit: Im Verlauf des 16. Jahrhunderts tauche hinter dem Idealbild der Frau der höfischen Kultur das Phantasma eines durch die Natur determinierten weiblichen Wesens auf, welches dem Reich des Chaos entsprungen sei, den Untergang des Mannes avisierend.442 Auch der seit den 1530er Jahren bis in das 17. Jahrhundert zu verfolgende Prozess der ‚Furcht vor Hexenwerk‛ war im 16. Jahrhundert eben nicht abgeschlossen, sondern höchst virulent und sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wenngleich sich seit dem späten 15. Jahrhundert zunehmend abzeichnete, dass Hexerei als Frauenwerk dargestellt und wahrgenommen wurde.443 Circe erscheint

437 438 439 440 441 442

443

Zika 2002, a.a.O., Abs. 28. Yates 1973, a.a.O., S. 240. Siehe Grant, Hazel 1986, a.a.O., S. 246, siehe Strong 1991, a.a.O., S. 203 und Zika 2002, a.a.O., Abs. 29. Siehe Yates 1973, a.a.O., S. 240; auch Strong 1991, a.a.O., S. 206. Siehe auch das Kapitel I.3.3. dieser Arbeit. Crouzet 1990b, a.a.O., S. 217. Siehe Maclean, Ian: The renaissance notion of woman. Cambridge 1980, S. 6. Charles Zika deutet darüber hinaus eine Verbindung zwischen der Inszenierung der Circe im balet comique und dem zeitgenössischen Diskurs über Dämonologie und Hexerei wie er dem Werk Jean Bodins De la démonomanie des sorciers zu entnehmen sei. Bodin stand seit 1578 in den Diensten von Monsieur, dem jüngeren Bruders Henris III. Siehe Zika, Charles: ‚Magie–Zauberei–Hexerei‛. Bildmedien und kultureller Wandel. In: Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch. 1400–1600. Hg. v. Bernhard Jussen und Craig Koslofsky. Göttingen 1999, S. 317–382, hier S. 321 und S. 363.

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I.2. Das Festereignis von 1581

„in der Gestalt des traditionellen Zauberers und dessen Fähigkeit [.], anderen Menschen physischen und/oder moralischen Schaden zuzufügen – eine Darstellungsform, die mit dem spätmittelalterlichen Verständnis von Tugend und Laster verknüpft ist, worin letzteres mit der Macht des Teufels444 assoziiert wurde.“445

Über diese Deutung hinausgehend betont Barbara Kuhn noch den Bezug zu neuplatonischen Diskursen: „In der Figur der Kirke verbinden sich [.] Eros und Magie gleichsam in Personalunion, was nicht nur eine Nähe des Mythos zu den im Cinquecento mit bislang ungekannter Intensität durchgeführten sogenannten Hexenverfolgungen suggeriert, sondern zugleich auf den Florentiner Neuplatonismus deutet und so erneut die diesem Mythos inhärente Ambiguität unterstreicht.“446

Beide Argumentationen finden ihre Anknüpfung in der Gestaltung der Circe des balets comique. Wird der Blick bei dieser durch die Übernahme des visuellen Codes ‚Zauberstab‛ als Attribut bereits auf den Schadenzauber447 gelenkt, lässt der Autor sie darüber hinaus sich selbst als eloquent beschreiben. Hier wird die Frauenfigur als diabolisch-mächtig, gewalttätig und als Meisterin der Transformation imaginiert, um so ihre Bedrohung für die moralische und öffentliche Ordnung zu versinnbildlichen: „Moy Circe en tous endroits par mes arts renommee, Moy qui mepeux des Rois les sceptres asseruir, Moy qui des hommes peux la volonté rauir, Qui changez de leurs corps en forme monstrueuse Souffrent comme il me plaist ma prison rigoureuse[...].“448

Es zeigt sich, dass die Schilderungen und Deutungen der mythologischen Figur Circe ambivalent sind und von Vergil bis zu den jüngeren Beschreibungen der ‚bösartigen Zauberin‛ als Sinnbild des Lasters, von denen der homerischen Circe als ‚schöner Frau‛, ‚Tochter der Sonne‛ und ‚Ratgeberin der Griechen‛ stark

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Und dessen Fähigkeit in Menschengestalt aufzutreten. Zika 1999, a.a.O., hier S. 322. Kuhn, Barbara: Mythos und Metapher. Metamorphosen des Kirke-Mythos in der Literatur der italienischen Renaissance. Humanistische Bibliothek. Texte und Abhandlungen. Bd. 55. München 2003, S. 15. Auffällig ist, dass der hier angedeutete Schadenszauber z. B. im balet selbst durch die letzte vergebene Devise, das ‚magische‛ Buch des Schicksals, kontrapunktiert wird. Eventuell kann dies als ein Hinweis auf verschiedene, auch visuelle Diskurse über gelehrte, ‚weiße‛ im Unterschied zu jener ‚schwarzen‛ Magie, die sich des ‚Hexenzaubers‛ bedient, gelesen werden. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 9/C. j.

2.2. Die Handlung und ihre dramatische Struktur

111

differieren.449 Zumindest für das 16. Jahrhundert scheint jedoch ein überwiegender Teil der Darstellungen Circes Fähigkeit zur Sinnestäuschung und die ‚unerlaubte‛ Natur ihrer Zauberkraft zu betonen. Abseitig dieser Differenzen lässt sich als beständiges Element ihrer Darstellung herausstellen, dass ihr seit der Antike immer wieder die Fähigkeit zur Transformation zugesprochen wurde.450 Im balet comique zielt diese Transformation letztlich auch auf eine ‚Veredelung‛ der Teilnehmenden451, Circe eingeschlossen: „The Circean cycle of corruption and regeneration permits a progressive ascent to a higher life. […] the king would himself become a figure of redemptive transformation, capable of endowing those released from Circean debasements with forms of superior beauty. […] But in the shimmering formations, disruptions, displacements, and reformations of [.] Archimedean patterns, one discerns a Circe who is alive and well, a Circe who has herself perhaps graduated to a ‚meilleure vie‛ in the spiral progress of mutability.“452

Hier wird überaus deutlich, dass diese Frauengestalt als Interpretationsfigur auf vielfältige Projektionen der höfischen Gesellschaft verweist.

I.2.2.

Die Handlung und ihre dramatische Struktur

Will man die Struktur der Handlung des balets erfassen, lohnt es sich, einen Blick auf die inhaltlichen Gemeinsamkeiten der narrativen Struktur des Textes und der abgebildeten Kupferstiche des Traktats zu werfen.453 Eingeführt wird die Handlung durch einen Rezitator. Dieser Augenblick, der auch das zentrale Moment des ersten Kupferstichs des Traktats mit dem Titel Figure de la Salle (Abb. 3) bildet, ist mit Bedacht gewählt. Nur ein einziger Sprecher, ein gentilhomme – ein Hofmann also – die erste und einzige Erscheinung einer menschlichen Figur, da alle anderen Charaktere Fabelwesen sind – eröffnet die Narration, wie sie im Text festgehalten ist: Er berichtet dem König und bittet ihn um Hilfe – er habe dem Palast der Zauberin Circe entfliehen können. Circe, die zu verhindern suche, dass die Götter das französische Königreich wieder in das goldene Zeitalter führen würden, „revenir 449

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Siehe hierzu auch Tochtermann, Sibylle: Der allegorisch gedeutete Kirke-Mythos. Studien zur Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte. Frankfurt/M. u.a. 1992, bes. S. 124. Auch Barbara Kuhn betont die Uneindeutigkeit der Kirke-Bilder. Siehe Kuhn 2003, a.a.O., S. 11. Kuhn geht unter Berufung auf Blumenberg davon aus, dass im Cinquecento über den Kirke-Mythos die Metamorphose selbst und mithin ihr „Charakter des Episodischen“ und die „Implikation […], dass alles alles werden kann“. Aus: Kuhn 2003, a.a.O., S. 13. Ähnlich der Transmutation von Metallen. Zur Medaillen- und Devisenvergabe im balet comique siehe die Ausführungen im Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. Greene 1994, a.a.O., S. 91f. Siehe hierzu die Kapitel II.3.3. und II.3.4. dieser Arbeit.

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I.2. Das Festereignis von 1581

l’âge d’or dans le royaume de France“454, verfolge ihn, da sie ihn in einen Löwen zu verwandeln begehre, so wie sie es bereits mit seinen Begleitern getan habe. Der in dieser Erzählung vorgeführte Konflikt zwischen rationalen und irrationalen Anteilen wird im monologischen Sprechakt des geflohenen Adeligen, gespielt von Sieur de la Roche455, betont, der den König um Hilfe bittet; denn nur ein Monarch, „qui le siecle dorée font retourner des cieux“ 456, soll in diesem Spiel die Kreise der Circe stören können. Das Arrangement der o. g. Abbildung legt darüber hinaus nahe, dass mit dem in der Mitte des Raumes agierenden gentilhomme Weiteres transportiert werden soll: Sieht man es vom Standpunkt des Betrachter aus, wendet sich der einleitende Sprecher nur formal an den Souverän, die eigentliche Intention seiner Ausführungen ist es, sich an die Zuschauer zu richten, respektive die Leser und die Betrachter dieser Szenerie. Zur Lippe legt diese Beobachtung wie folgt aus: „Der Rezitator wendet sich also gewissermaßen innerlich an die privilegierten Gruppen außerhalb des Hofes, weil es diese zu indoktrinieren gilt.“457 Einsichtig erscheint diese Deutung insofern, als dem Rezitator auf der genannten Abbildung tatsächlich eine zentrale Position zukommt, die auf den ersten Blick die Person des Königs in den Hintergrund treten lässt. Zu fragen bleibt jedoch, ob es sich um die von zur Lippe benannte monarchische Machtausübung im Sinne einer ‚Indoktrinierung‛ handelt, oder ob nicht vielmehr von einem vielschichtigen Netzwerk aller Agierenden mit interaktiv-dialogischen und nicht direktivmonologischen Strukturen ausgegangen werden kann. Insofern würde der König nicht nur Sender, sondern auch Empfänger sein. Diese Überlegung erscheint besonders in Hinblick auf den Einfluss der Akademien bei der konkreten Ausgestaltung des balets sowie, wie bereits ausgeführt, in Bezug auf die Einflussnahme bestimmter adeliger Kreise am Hofe bedenkenswert.458 Circe hält auf ihren Vorredner antwortend ihre einleitende Gegenrede, in der sie über den zu beklagenden Verlust jammert und schwört, sich nicht zu beugen. Nachdem im ersten Auftritt also die beiden Protagonisten und das Thema der Handlung, der Kampf der Tugend gegen die Laster, Menschlichkeit und magische Bezüge deutlich geworden sind, folgen laut der vorliegenden Beschreibung eine Reihe von entrées verschiedener mythologischer Geschöpfe, die nacheinander versuchen, die Macht der Circe zu brechen. Im dann folgenden ersten Intermedium bestimmen Einzüge verschiedener mythologischer Wesen die Szenerie: Zunächst erscheinen drei Sirenen und ein Triton als Wassergottheiten, welche einen Wagen in Form eines Brunnens, mit je

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Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 8. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 8. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 9/C.j, siehe auch in diesem Sinne Strong 1991, a.a.O., S. 206. Zur Lippe 1974b, a.a.O., S. 424. Siehe hierzu das Kapitel I.3.3. dieser Arbeit.

2.2. Die Handlung und ihre dramatische Struktur

113

zwei Tritonen und Neiaden auf jeder Bassinebene, eskortieren459, auf dem Königin Luise selbst und zwölf ihrer Hofdamen als Wassernymphen/Naiaden verkleidet sitzen. Die auch hierbei erscheinenden Sirenen bewegen sich durch den Saal und preisen den König mit einem Lied in Form der musique mesurée.460 Folgt man Beaujoyeulxs Beschreibung weiter, nähert sich nun der Wagen dem König und die Damen steigen herab und tanzen ein ballet, dessen erste Figur die Form eines Dreieckes bildet.461 Im Anschluss hieran formen sie zwölf verschiedene Figuren: „The water nymphs as they dance a measured dance to the measured music are stating in the figures which they form the mysteries of number.“462 Glaucus und Thetys als Meeresgottheiten und acht Tritonen singen danach vor dem König463 und Glaucus

stellt hierbei an Théthys gewendet, begleitet von Naiaden, Waldnymphen und Tritonen, sein Leid dar.464 Die Meeresnymphen fangen mit einem ballet, dem premier entrée du balet465 an, zwölf unterschiedliche Figuren zu tanzen. Aber die wütende Circe transformiert sie in unbewegliche Statuen und zwingt sie zum Stillstand: Die Nymphen werden unterbrochen466, während „placees en forme d’vn croissant (Halbmond. A.W.), ayans leurs faces tournees vers leurs maiestez“467, die Musiker ebenso. An dieser

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Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 12. Siehe auch den vergleichbaren „beweglichen Felsen“, auf dem die Nymphen im balet des polonais ihren Einzug hielten. Detaillierte Ausführungen zu den Sirenen siehe Yates 1973, a.a.O., S. 241. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 12–13/D.j. und S. 19/E.iij.; Zum Gesang der Sirenen und Tritonen siehe auch Rousset, Jean: L’eau et les Tritons dans les fêtes et ballets de cour (1580–1640). In: Jacquot 1956, a.a.O., S. 235–245, hier S. 236–237. Sich auf Valerianos Hieroglyphica von 1614 beziehend, bringt Frances Yates hier die Form des Dreiecks mit trinitas rerum, Iustitia und Minerva oder theologischen und intellektuellen Disziplinen in Verbindung. Sie interpretiert darüber hinaus in Verbindung mit den Jahreszeiten und Elementen: „It was thus a figure suited to the nymphs who were related to the elemental and temporal meanings of Circe but represented the moral and intellectual virtues by which her power is directed to right ends, and were endeavouring to rebuild in France the Temple of Justice.“ Aus: Yates 1973, a.a.O., S. 243, hier Anm. 2. Zur Musik dieses premier balet siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 28. Yates 1973, a.a.O., S. 243; siehe auch Strong 1991, a.a.O., S. 207. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 18. „Glaucus expose à Téthys sa souffrance devant le refus de Scylla dont il est amoureux. Ce pêcheur immortalisé a eu recours à la magicienne pour fléchir la jeune fille. Mais Téthys apprend que Circé, jalouse, l'a transformée en monstre marin et qu'elle-même ne peut l'aider car, sa puissance sur les flots est passée à Louise, Reine de France.“ Vgl. hierzu die spätere Devisenvergabe, bei der Madame de Joyeuse an Marquis de Pont den Physeter mit der Devise Sic famam adiungere famae übergibt, siehe Beaujoyeulx 1582,a.a.O., S 63. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 23. Auch andere Zauberinnen unterbrachen laut der mythologischen Vorlagen mit ihren Zauberstäben das Geschehen, so die Zauberin Armida, die durch ihre magischen Kräfte den Kreuzritter Rinaldo auf ihrer Insel gefangenhält. Siehe diesen Hinweis bei Van Orden 2005, a.a.O., S. 271. Ebda. S. 23.

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I.2. Das Festereignis von 1581

Stelle wird der kosmische Bezug der Gesamterzählung deutlich: Circe zwingt die Tänzerinnen, die in den Bewegungen des „himmlischen Sternentanzes“ den Makrokosmos versinnbildlichen, zum Stillstand. Damit stellt sie sich gegen die ‚gute Ordnung‛, indem sie diese zunächst in ihrer Bewegung zu beeinträchtigen sucht und schließlich hierdurch alle ins Chaos stürzen würde, was der ‚große Ordner‛ (eigentlich Jupiter) verhindern soll. Gleichzeitig wird zudem deutlich: „In this antithetical relation of constancy and change, immobility and diversity, lies the thematic core of the Balet Comique.“468 Der weitere Verlauf der Handlung gestaltete sich nach Beaujoyeulx wie folgt: „Entre le bois & la voulte susditte, & au feste de la salle, y auoit une grosse nuee toute pleine d’estoiles: la lueur desquelles transperçoit le nuage, parmy lequel deuoyent descendre en terre Mercure & Iupiter.“469

Die erwähnte Wolke470 an der Saaldecke ist auf der Abbildung jedoch nicht zu finden. Jupiter entsendet sodann Merkur. Dieser, gekleidet in spanischem Rot471, in seiner Rolle als Götterbote und Lehrmeister der Wissenschaften, besingt nun die Künste und bringt den Saft des Molykrautes, welches die Macht verleiht, einen von der Vernunft abgewendeten Geist zu heilen.472 Nachdem die Aufführenden mit dem Kräutersaft besprenkelt worden sind, nehmen sie den Tanz wieder auf. Aber Circe, gespielt von Mademoiselle de Sainte Mesme473, lässt ihre Zaubermacht erneut wirken und verwandelt sie, macht Merkur bewegungsunfähig und führt alle als ihre Unterworfenen ab. Circes triumphierender Gesang, in dem sie auf die Einstellung der Menschen zur Gegenwart und Vergangenheit des ‚golde468 469 470

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Greene 1994, a.a.O., S. 89. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 6/B.i.j. Der häufige Einsatz von ‚Wolkenbildern‛ und ähnlicher Bühnentechniken wie sie hier erwähnt werden, findet sich auch in den italienischen intermezzi. Siehe hierzu z. B. Bonner, Mitchell: Les intermèdes au service de l’Etat. In: Jacquot, Konigson 1975, a.a.O., hier S. 117–133. Zur italienischen Bühnentechnik siehe Blumenthal, Arthur R.: Theater Art of the Medici. Hannover 1989 und Hösle, Johannes: Das italienische Theater von der Renaissance bis zur Gegenreformation. Erträge der Forschung 210. Darmstadt 1984. Mit dem Hinweis, dass diese Art der Bühnentechniken z. T. auch in Kirchen Verwendung fand siehe Pochat, Götz (Hg.): Theater und bildende Kunst im Mittelalter und in der Renaissance in Italien. Forschungen und Berichte des Institutes für Kunstgeschichte der Karl-FranzensUniversität Graz, Bd. 9. Graz 1990, hier bes. S. 86–102. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 23. Sicherlich wurde der Hinweis auf „das spanische Rot“ nicht zufällig gewählt, wenn man beachtet, dass sich seit dem Tod Elisabeth de Valois die Rivalität zwischen Spanien und Frankreich massiv verschärft hatte. Vor diesem Hintergrund ist vielleicht auch zu verstehen, dass Merkur in der vorgeführten Variante der CirceAllegorie scheitern wird und den König von Frankreich zur eigenen ‚Erlösung‛ benötigt. Gesang des Merkurs siehe in: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 24. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 7/B. iij.

2.2. Die Handlung und ihre dramatische Struktur

115

nen Zeitalters‛, auf Niobe und Leto, auf den unverschämten Merkur und auf den sich nicht selbst befreien könnenden Odysseus, auf Pallas, die Minerva – nur dieser sei es möglich Menschen vor ihrer (Circes) Kunst474 zu beschützen – aufmerksam macht, beschließt das erste Intermedium. Der erste Teil des balets endet folglich mit dem Triumph der Laster.475 Im zweiten Teil und zu Beginn des zweiten Intermediums fordern die Naturkräfte die Macht der Circe heraus. Acht Satyre treten auf und musizieren im Dialog de la voute doree und beenden diesen ersten Sytyrgesang mit einem Loblied auf Henri III.476 Es folgen vier Waldnymphen, hier auch Dryaden genannt, gekleidet in grüngoldenen Kleidern, ihre Kraft über wachsende Dinge versinnbildlichend, „nach antiker Art, bedeckt mit italienischer Seide“.477. Die Dryaden – halb Mensch, halb Luft – geschaffen durch den ‚ewigen Ordner Jupiter‛ sind ebenso wie die Naiaden Geschöpfe der Bewegung und des Wandels, was in ihrem Gesang zum Ausdruck kommt: “[…] unsere Arbeit ist göttlich, wohingegen der Mensch sich selbst beschäftigt mit seinen privaten Affairen oder denen des Staates. ([...] nostre ouvrage est divin, et le mortel s’applique au mesnage privé ou à la republique).“478

Opsis, gespielt von Mad. de Victry, wendet sich als Sprecherin der Waldnymphen an Pan, um Hilfe zur Befreiung zu erbitten. Nach dem Gesang der Satyren, „qui fait part de la colère de Diane“479, erhoffen die Dryaden mit Hilfe von Pan die Naiaden und Merkure zu befreien. Pan, Gott des Waldes und Wandler, der die Natur aber nicht verändert, antwortet auf die Worte von Opsis und versichert ihr seine Hilfe.480 Doch auch diese Anrufung bleibt ohne Erfolg. Das dritte Intermedium wird von einer Gruppe aus vier Frauen, die die Kardinaltugenden la Force (Stärke/Tapferkeit), la Justice (Gerechtigkeit), la Prudence (Vorsicht) und la Tempérance (Mäßigung/Klugheit) personifizieren, eingeleitet.481 Sie halten ihre Attribute Säule, Waage, Vase und Schlange in Händen482 und

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Eines der Tiere in Circes Garten ist ein Hirsch; als Devise wird er von Mad. de Lavernay an Comte de Maulevrier gegeben. Siehe Yates 1973, a.a.O., S. 244. Zur Musik der Satyre siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 33–35; siehe auch Yates 1973, a.a.O., S. 246, 261. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 36. Hier nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 58. Hier nach: Ebda., S. 61. Hier nach: Ebda., S. 61. Hier nach: Ebda., S. 62ff. Zur Gestaltung der vier Tugenden vergleiche auch das allerdings erst 1593 erschienene ikonografische Handbuch mythologischer und allegorischer Figuren und deren Attribute von Cesare Ripa: ders.: Iconologia overo descrittione dell'imagini universali cavate dall'an-

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I.2. Das Festereignis von 1581

verkünden, dass der König die Verkörperung ihrer selbst sei und Circe besiegen werde.483 Das Drama erreicht nun seinen Höhepunkt, als Minerva, die Göttin der Vernunft und Weisheit, gespielt von Mademoiselle de Chaumont484, in einem von einem Drachen gezogenen Wagen, verziert mit Büchern und Musikinstrumenten, hereinfährt und auf den König zutritt. Je zwei Tugenden begeben sich links und rechts zu ihren Seiten. Mit Minervas Einzug erklingen zu neuen485 Instrumenten Gesänge zur musique mesurée, die, unterstützt durch ihre Texte, als visuelles und akustisches Ereignis geplant sind: Die Augen des Zuschauers sehen die moralischen Tugenden, die Ohren hören die Gesänge der Dichter zur musique mesurée, während die Verse von den fundamentalen Gesetzen der Natur sprechen. Minerva verkündet unter Anrufung ihres Vaters Jupiter486, dass sie Circe im Namen des Königs überwinden werde. Die Göttin erklärt hierbei, dass nur die Vernunft, begleitet durch die Tugend, es vermögen können, den Zauber der Circe zu brechen und deshalb habe Merkur, ein unbeständiger Charakter, auch versagt. Sie ruft sodann ihren Vater Jupiter herbei, der aus den Wolken erscheint, um die Zauberin Circe zu bestrafen und die Ordnung wieder herzustellen: „Ils se rendent aussitôt auprès de Pan à qui Minerve reproche sa tiédeur et sa nonchalance; celui-ci répond qu’il lui était inutile l’essayer où, de tous les dieux, elle seule peut réussir.“487 Ein zweites Mal senkt sich die Wolke von der Decke herab und Jupiter erscheint und „nothing which has a living body, subject to many changes, remains in a permanent state.“488 Das balet erreicht nun auch seine musikalische Krönung. Aus der voûte dourée singen vierzig Sänger: „O bien heureux le ciel qui de ses feux nouueaux Ialoux effacera tous les autres flambeaux O bien heureux encor sous ces princes la terre O bien heureux aussy la nauire Francoys Esclairé de ses feux, bien heureuses leurs loix Qui baniront d’icy les vices & la guerre.“489

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tichita et da altri luoghi. Rom 1593. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k59563f (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 42/L.i.j.; auch Strong 1991, a.a.O., S. 207 und Yates 1973, a.a.O., S. 246. Siehe Yates 1973, a.a.O., S. 246. Weitere Darstellerinnen werden am Ende der Darstellung namentlich genannt: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 67. Siehe auch:Yates 1973, a.a.O., S. 250, Anm. 1. Auch hier wird wieder einmal im Verlauf der balets auf ein innovatives Moment verwiesen. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O. , S. 12. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S 41. Ebda., S 52. Ebda., S. 50/N.ij; siehe hierzu auch den Verweis auf Jupiter, der „Rhythmus und Harmonie schickt“ bei Strong 1991, a.a.O., S. 207, S. 237.

2.2. Die Handlung und ihre dramatische Struktur

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Auch dieser Gesang thematisiert die Weisheit und Tugendhaftigkeit des französischen Königshauses, welches die Laster und den Krieg bannt und den Frieden wieder herstelle. Die Naturkräfte, vergegenwärtigt durch Pan, die Nymphen und die acht Satyren, unter Leitung von Jupiter und unterstützt von Minerva, die Jupiter Schwester des Königs nennt, sowie den Tugenden versuchen vereint die Macht der Circe, im Namen des Königs, der Jupiters Sohn sei, zu zerstören. Bevor sich die Gruppe in Richtung des Gartens der Circe aufmacht, verneigt sie sich zunächst vor dem König mit einer großen Reverenz. Circe spricht von sich selbst in der dritten Person: Ihre Abwehr brauche keine Hilfsmittel, sie finde Kraft in sich allein490, denn die Sonne bestimme den Sternentanz, den Jahreszeitenwechsel und erstrahle den ganzen Himmel mit Flammen, sodass Jupiters Strahlen verzehrt werden könnten, von dem, der das Universum bewege; ihrem Vater, die Sonne, der nicht erlaube, dass das Herz gefriere. Als ob es einen Körper gäbe, den sie nicht in einen Stern verwandelt habe(!) und wenn sie jemanden besiege, sei es dieser König von Frankreich!491 Bedingt durch Minervas Einfluss verliert der Zauberstab mehr und mehr seine Kraft, bis Circe schließlich gefangen genommen werden kann und Minerva dem König den Zauberstab und Circe präsentiert. Diese setzt sich unter den Sitz der Prinzen, dann präsentiert Jupiter seine beiden Kinder Merkur und Minerva, die sich ebenfalls zu Füßen des Königs niederlassen. Die Götter, Dryaden und Satyren „ensuite livrer assaut au palais de Circé, qui les maintient à distance grâce à sa verge d’or, et proclame tout haut sa résistance aux dieux, ne reconnaissant son infériorité que devant le Roi des Français. Mais par l'effort de Minerve, la baguette de la sorcière perd peu à peu de son pouvoir et, frappée par la foudre de Jupiter, Circé, enfin vaincue, est remise aux mains du Roi.“492

Der Tanz, den Circe zuvor mit ihrem Zauber unterbrochen hatte, wird nun fortgesetzt: Die Dryaden präsentieren sich in einer Reihe in der Mitte des Raumes. Die Naiaden treten hinzu, indem diese zu zweit ebenfalls die Mitte des Raumes erreichen. Angeführt wird diese Positionierung durch die Königin, welche Christine, die Prinzessin von Lorraine, „Erbin der Herzensgüte, Frömmigkeit und des Sanftmutes der Claude de France“, an der Hand hielt.493 Die Mittänzerinnen erreichen ebenfalls, jeweils zu zweien, ihren Platz. 490 491 492 493

Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 54. Ebda. Hier nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 76. „Au premier rang marchoit la Royne, tenant par la main madame la Princesse de Lorraine, vraye heritiere de la bonté, pieté et douceur de feu madame Claude de France, fille et sœur de nos Roys, sa mere: la memoire de laquelle sera toujours honorée en ce Royaume, envers toutes personnes qui font profession de la vertu et de l’honneur[...].“ Hier zit. nach Lacroix 1968, a.a.O., S. 77. Das hier zelebrierte Erinnern an Claude de Valois, einer Schwester von

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I.2. Das Festereignis von 1581

Das entrée des grand ballets, bestehend aus 15 Figuren, ist so arrangiert, dass am Ende alle Damen in ihrer Bewegung mit dem Gesicht zum König enden. Es schließt sich das grand ballet an, in welchem die Nymphen ein zweites ballet von vierzig geometrischen Figuren tanzen.494 Das bedeutet, dass dieses grand ballet495 in vierzig Passagen oder Figuren gegliedert war, wobei geometrische Figuren in Form von Quadraten, Kreisen, Dreiecken und gemischten Formen getanzt worden sein müssen.496 Die Tänzerinnen ahmten wohl in diesen getanzten Mustern und Formen himmlische Zeichen nach, von denen – so man den Aussagen Beaujoyeulxs Glauben schenkt – die Anwesenden glaubten, dass diese die Harmonie und den Frieden beförderten: „[...] la façon tant estimée / De nos poètes anciens, / Les Vers avecques la musique / Le balet confus mesuré / Demonstrant du ciel azuré / L’accord par un effect mystique.“497

Getanzt wurden die geometrischen Muster erneut von Louise de Lorraine498 und ihren Hofdamen.

494 495 496

497

Henri III., ist bemerkenswert. Zum einen war Claude durch ihre Heirat mit Charles III. – einem Cousin der Königin Louise – Mitglied des Hauses Lorraine. Charles III. und Claude de Valois verbinden folglich die Häuser Valois – Lorraine. Das Erinnern an Claude ist möglicherweise auch ein Akt der Stellvertretung, in welchem ein weiteres Mal im Rahmen der aktuellen Hochzeitsfeierlichkeiten von Louises Schwester an die Hochzeit von Louise und Henri am 21.2.1575 (wenige Tage nach dem Tod von Claude!), erinnert wird. Diese für alle sichtbar gewordene Verbindung der Familien wird auch in der Handhaltung der Schwestern (vgl. auch S. 329 dieser Arbeit) im Tanz unterstrichen. Auch lernten sich Louise und Henri während eines Besuches Henris bei Claude in Nancy im Herbst 1573 kennen, als dieser anlässlich der Geburt seines Neffen Henri nach Nancy reiste. Nicht zuletzt wäre dieser für Caterina de Medici bei ausbleibender Nachkommenschaft seitens Henris ein wünschenswerter Thronfolger gewesen! Delikat an der Memorierung Claudes ist allerdings, dass Henri dereinst „nicht die angemessene Trauerzeit beim Tod seiner Schwester Claude von Lothringen ein[hielt] […] und ohne länger zu warten, [.] er Bälle und Feste [veranstaltete].“ Zitat aus: Muhlstein, Anka: Königinnen auf Zeit. Katharina von Medici, Maria von Medici, Anna von Österreich. Dt. Ausgabe Frankfurt/M., Leipzig 2003, S. 95. Siehe Yates 1973, a.a.O., S. 248; ähnlich bei Strong 1991, a.a.O., S. 208. Zur Musik der petite entrée de grand ballet siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 57. In den Diagrammen der geometrischen Figuren im ballet de Monseigneur le duc de Vendosme von 1610, welches auch der Thematik des besiegten Zaubers gewidmet ist, finden sich bei Paul Lacroix Hinweise, dass solche Formen mit dem sog.‚Alphabeth der alten Druiden‛ korrespondierten: Ein Quadrat innerhalb eines Quadrates meine ein Zeichen der Tugend, drei tangentiale Kreise seien das wahre Wissen und das Arrangement von Dreiecken innerhalb eines Kreises bedeute höchste Kraft. Hier zit. nach: Yates 1973, a.a.O., S. 248, Anm. 3, mit Verweis auf Lacroix 1968, a.a.O., S. 265 ff.. Siehe auch den Hinweis bei McGowan 1999, Sp. 1165, dass die letzte der zwölf Figuren des genannten ballets das pouvoir supresme darstellte, welches in seiner Aneinanderreihung von kreisförmigen Figuren die Harmonie, welches das Hofballett verkörpern sollte, repräsentiere. Siehe hierzu auch Cohen 2002, a.a.O., S. 25f. Hier zit. nach McGowan 1982, a.a.O., S. 24.

2.2. Die Handlung und ihre dramatische Struktur

119

Im Anschluss an die vorgeführte Allegorie werden an Anwesende Medaillen vergeben499: die Königin gibt dem König eine goldene Medaille mit der Abbildung eines schwimmenden Delfins. Nach diesem Vorbild wählen alle anderen Prinzessinnen „nach Rang und Ansehen“ die Princes, Seigneuers, & Gentil-hommes, diesen eine Medaille „avec leurs devises“ präsentierend, „alles Dinge des Meeres“, weil die Damen Wassernymphen waren, wie es im Traktat heißt.500 Es folgt der grand bal, der von allen Anwesenden getanzt wird. Hier werden auch Branles und andere passende Tänze für große Feste gegeben.501 Beaujoyeulx ergänzt, dass sich König und Königin sodann verabschiedet hätten, nachdem zuvor noch ein Lob an die Königin Louise, dass sie selbst mitgetanzt habe, ausgesprochen worden sei.502 Beaujoyeulx schreibt: „Am Ende wussten alle, dass unsere Könige und Königinnen über das fränkische Volk verfügen und sie mit Sanftmut, Verständnis und Höflichkeit behandeln (douceur, franchise, courtoisie. A.W.).“503

Das letzte Wort des Spiels ist somit der Höflichkeit geschuldet! Dass nicht nur, aber auch, Geselligkeit mit diesem balet bestellt wurde, ist offenbar. Ob allerdings nur der angemessene Rahmen der „eigenen Apotheose“504 gefeiert wurde, bleibt fraglich. Tatsache ist, dass auch wenn der König hier noch kein tanzender König ist, in diesem geometrischen und horizontalen balet die monarchische Selbstdarstellung deutlich betont wird, und auch der physische Körper des Königs zentral ist. Der Souverän selbst findet insofern seinen Platz im gebotenen Schauspiel: er sieht und wird gesehen. Was wird darüber hinaus mit diesem Ereignis in den Blick gerückt? Eine interessante Verknüpfung ergibt sich hierbei, wenn man Äußerungen in Betracht zieht, die die varieté, nouveauté und beauté des fünfeinhalb stündigen

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499 500 501

502 503 504

Nur bei Otto Schneider findet sich sogar der Hinweis, dass „die Königin und der König selber mittanzten.“ Siehe: Schneider 1985, a.a.O., S. 34. Vgl. hingegen Volker Saftien, der herausstellt, dass der König auftritt, jedoch nicht selbst tanzt. In: Saftien, Volker: Ars saltandi. Der europäische Gesellschaftstanz im Zeitalter der Renaissance und dem Barock. Habilitation. Hildesheim u. a. 1994, hier S. 271. Siehe hierzu auch das Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. Beauoyeulx 1582, a.a.O., S. 64 Für das gesamte balet ergibt sich folgender Aufbau: Vorspiel: Akt 1und 2 (Mensch / Hof / König und Circe); 1. Intermedium: Akt 1 mit Wasserwesen und mit balet; Akt 2 mit Merkur; Scheitern der Wasserkräfte und Merkurs; 2. Intermedium: Scheitern der Waldwesen; 3. Intermedium: Lösung durch vereinte Götterkraft; Grand ballet und Ende des Schauspiels; dann: Medaillenvergabe; anschließend: Grand bal „Faire tant d’honneur à ses suiets, que de s’abaisser iusqu’à se tendre compagne des jeux faicts pour la resiouir, & se presenter en public“, aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 65. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 65. Saftien 1994, a.a.O., S. 271, siehe auch Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 100.

120

I.2. Das Festereignis von 1581

Ereignisses betonen.505 So verweist Frances Yates auf die Wiederbelebung des Neuplatonismus als Anliegen der Akademie, wenn sie auf diese nouveauté der Tanzform Bezug nimmt mit: „Die pythagoräisch-platonische Grundüberzeugung der Akademie – daß nämlich alle Dinge mit Zahlen zusammenhängen, in der äußeren Welt der Natur wie der inneren Welt der menschlichen Seele – fand eine seiner vielleicht vollkommensten künstlerischen Ausdrucksformen in der wundervollen Akkuratesse dieser Tänze nach Maß [...]. Der Tanz der Nymphen stellt die Unsterblichkeit dar, die der Materie und die des Geistes. Zum einen symbolisieren die Figuren des Tanzes, die sich ständig neu formieren, auseinanderbrechen und verändern, die endlose Folge von Geburt und Tod in der Transmutation der Elemente und der Abfolge der Jahreszeiten. Andererseits stehen diese geometrischen Figuren für die ewigen Wahrheiten, [...].“506

Tatsächlich werden im balet comique mehrere Grundzüge zu einer einzigen Handlung mit pathetischer Auflösung zusammengeschlossen.507 Und auch in den räumlichen Symmetrien und zeitlichen Gleichförmigkeiten der Musik und Poesie dieses balets spiegeln sich die Vorstellungen der Arbeiten von Akademiemitgliedern wider.508 In diesem Sinne steht das balet in seiner ästhetischen Ausrichtung im Spannungsverhältnis von Traditionsanspruch und Innovation. Die benannten symmetrisierten Phänomene können zudem auf andere ästhetische Felder übertragen werden, da sie modifiziert für die Malerei wie für das Theater, für den Gartenbau wie für die Konzeptualisierung des menschlichen Körpers und die Ausführung von dichterischen Kunstwerken gelten.509 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die als ‚Fest‛ deklarierten Veranstaltungen auf sozio-politische Diskurse verwiesen. Der enorme Aufwand der Inszenierungen konnte nicht darüber hinweg täuschen – wollte es vielleicht auch nicht–, dass die Gegenstände der Feierlichkeiten in deutlicher Ferne zur politischen Realität lagen: „Die großen ballets, vom balet comique (1581) bis zum balet de trancrède (1619), [...] drückten sozusagen politische Bestrebungen aus (deren hauptsächlichste, und die alle anderen umfaßte, die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Elementen des gesellschaftlichen und politischen Lebens des Staates war, einem Gleichgewicht, 505 506

507 508 509

Hier zit. nach: Strong 1991, a.a.O., S. 208. Yates 1973, a.a.O., S. 249, hier zit. nach: Strong 1991, a.a.O., S. 109. Verfolgt man die Interpretation der Nymphen als Symbol für die Jahreszeiten weiter, so stellt sich die Frage, ob nicht auch durch deren gezielten Einsatz, dem Bedürfnis Ausdruck zu verleihen, die Jahreszeiten und die geographisch-klimatischen Bedingungen zu bestimmen, die ‚natürliche‛ Landschaft dem eigenen ‚künstlichen‛ Willen zu unterwerfen. Siehe hierzu auch Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 144. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 208. Siehe hierzu das Kapitel I.3.3. der vorliegenden Arbeit. Siehe Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 125.

2.2. Die Handlung und ihre dramatische Struktur

121

das der beobachteten Harmonie in den Bewegungen der himmlischen Sphären zu entsprechen vermochte).“510

Die von Margaret McGowan formulierte politische Wirksamkeit verlangte über das Spiel hinausgehend nach Harmonie innerhalb der realen Gesellschaft. Möglicherweise bot sich hierzu das Bild des Königs als deus supra machinas511 als glaubwürdig an. Und möglicherweise kann die Äußerung Montaignes als Destruierung eines solchen Bildes gelesen werden, wenn er sagt: „Die Komödianten, welche auf dem Schauplatze einen Herzog oder Kaiser vorstellen, werden bald darauf wieder armselige Bediente und Lastträger, welcher ihr wahrer und ursprünglicher Stand ist. Ebenso müssen wir auch einen Kaiser, dessen Pracht uns, wenn er sich öffentlich zeigt, die Augen blendet, [...] hinter dem Vorhange betrachten; so werden wir nichts als einen gemeinen Menschen, und der vielleicht noch viel schlechter als der geringsten seiner Unterthanen ist, an ihm finden. Ille beatus introrsum est: istius bracteata felicitas est: Der eine ist innerlich glücklich, des anderen Glückseligkeit bestehet nur in dem äußeren Scheine (Seneca. Ep. 115).“512

Das hier angesprochene Phänomen der Maskierung lässt sich als Thema noch verstärkter in der Literatur des 17. Jahrhunderts finden. Oskar Bie formulierte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hierzu: „Hier der Gesellschaftstanz, in dem man sich selbst tanzt, dort der maskierte Tanz, in dem man einen anderen tanzt.“513 Im balet comique wird der Übergang von der poetischen Fiktion des mythischen Stoffes, vorgetragen in Maskierung, hin zur sozialen Realität des Hofes vollzogen. Die Berührung und Verschmelzung dieser beiden Ebenen werden besonders offensichtlich, wenn zum Abschluss des szenischen Spiels und mit 510

511

512 513

„[...] les grand ballets, du Balet Comique (1581) au Balet de Trancrède (1690) [...] ils exprimaient pour ainsi dire des aspirations politiques (dont la principale, et celle qui englobait toutes les autres, était la recherche d’un équilibre entre les divers éléments de la vie sociale et politique de l’Etat qui pût correspondre à l’harmonie observée dans le mouvement des sphères célestes).“ Aus: McGowan 1963, a.a.O., S. 170: Vergleiche hierzu auch den Hinweis bei Walter Salmen, dass die auf den Tanz hier angewendete Semiotik des ‚himmlischen Tanzreigens‛an den „Kreisreigen als ein Sinnbild der Vollkommenheit noch im Leben wie auch transzendental reflektiert von vielen erfahren wurde.“ Aus: Salmen, Walter: Tanz du Tanzen vom Mittelalter bis zur Renaissance. Terpsichore. Tanzhistorische Studien. B.d 3. Hildesheim 1999, S. 7. Hierzu Walter Sorells Hinweis, dass die Bezeichnung deus ex machina bereits im Zusammenhang mit Aristophanes Werk Die Wolken Verwendung findet. Sorell, Walter: Der Tanz als Spiegel der Zeit. Eine Kulturgeschichte des Tanzes. Wilhelmshaven 1985, hier S. 118., siehe auch Zur Lippe 1974b), a.a.O., S. 79. Montaigne, Michel de: Die Essais. Hg. v. Arthur Franz. Stuttgart (1969) 1993, S. 515–516. Bie, Oskar: Der Tanz. Berlin (1905) ²1919, hier S. 126. Zum sozialhistorischen Aspekt der Maskierung siehe auch Franko 1986, a.a.O., hier S. 19.

122

I.2. Das Festereignis von 1581

Beginn des grand ballets sich Gäste und Maskenträger im sich anschließenden Gesellschaftstanz vermischen.514 Diese Transformation muss besonders frappierend gewesen sein, hatte doch nur ein einziger Adeliger im balet einen wahrhaftigen Menschen dargestellt. Innerhalb der allegorischen Dramaturgie eröffnet die Maskierung den Akteuren neue Wege des Verhaltens, da im allegorischen Spiel die Fassade gewahrt wird.515 Gleichzeitig eröffnet die Maskierung das Heraustreten aus einer sozialen Rolle mit dem Privileg des Sich-Distanzieren-Könnens.516 Aber auch die damit einhergehende Wahrung von Distanzen wird relevant. Peter Burke orientiert sich an dem Eliasschen Begriff der ‚Peinlichkeitsschwelle‛517, welche vom Regulativ, durch prohibitive Normen Anstoß zu vermeiden, bestimmt wird. Die nicht unproblematische These von Elias geht von einer proportional verlaufenden ‚Aufrichtigkeitsschwelle‛ aus. Burke stellt die These auf, „dass wenn eine Kultur die Aufrichtigkeit betont, [.] sie auf andere Qualitäten, etwa Höflichkeit, tendenziell nicht so großen Wert (lege). [...] Aufrichtigkeitskulturen brauchen ein höheres Maß an Selbsttäuschung als andere – denn wir sind schließlich alle Akteure –, während ‚Theaterkulturen‛, [...], in der Lage sind, die von ihnen weniger hoch bewertete Selbstbewusstheit zu pflegen.“518

Der in diesem Kontext mitgedachte und noch im weiteren Verlauf der Arbeit zu analysierende Begriff der sprezzatura im zeitgenössischen Anstandsbuch eines Castiglione ist letztendlich nichts anderes als ein Verhaltensstil, der vom Rollenträger enorme Anstrengung einfordert, um das illusionäre Bild einer mühelosen Spontaneität zu erzeugen. Für die Inszenierungen innerhalb der magnificences kommt ein weiterer Aspekt zum Tragen. Die Intention der gesamten dramatischen Konzeption machte die Mitglieder des Hofes zu Mitakteuren im politischen Ereignis. Die Loyalitätsbeweise in Form des Mittanzens der Hofmitglieder und die Demonstrationen von Macht schienen die Monarchie auch gegen externe Angriffe zu verteidigen. Es ist deutlich, Inhalt des balets war eben auch die Verknüpfung der Themen Krieg und Herrschaft. Somit gewinnt das höfische Fest erwartungsgemäß maßgeblich Gewicht für die Darstellung dieser Herrschaft im frühneuzeitlichen Staat.

514 515 516 517

518

Siehe Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 35. Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 37. Siehe Burke 1986, a.a.O., S. 16–21, bes. S. 17. Peter Burke bezeichnet z. B. das Italien der Frühneuzeit in diesem Sinne als eine ‚Theatergesellschaft‛. Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes. 1. Bd. Frankfurt/M. (1939) 8. Auflage 1981a), hier S. 89f. Burke 1987, a.a.O., S. 20.

2.3. Akteure und Zuschauer

123

„In einer Gesellschaft, in der die Entfaltung repräsentativer Öffentlichkeit an Attribute einer Person geknüpft ist – seien das Insignien, Habitus, Gestik oder Rhetorik – in der sich repräsentative Öffentlichkeit also über einen Kodex edlen Verhaltens manifestiert, [...] gewinnen höfische Feste an sozialer Relevanz. Sie bringen nicht nur die Verhältnisse zum Ausdruck, sondern versuchen gleichzeitig, diese neu zu fixieren und damit sozialen Wandel symbolisch zu bewältigen.“519

Die Maskierung und mithin auch ihre theatrale Ausprägung der Mask kann insofern als ein Indiz für die vielfach konstatierte Umbruchssituation der frühneuzeitlichen europäischen Gesellschaften interpretiert werden. Der potentiellen Verunsicherung einer sich ändernden Realität setzt die Mask ihre Wirklichkeit mit der ihr immanenten Vereinfachung entgegen. Anders gesagt stellen die Masks „einen Ort der Reduktion sozialer Komplexität (dar), weil sie die Fülle sozialer Beziehungen auf wenige Linien reduzieren. Die in eine symbolische Sprache verpackte gesellschaftlliche Wirklichkeit wird handlich und damit erträglich gemacht. Wir begegnen in der Mask einem Beispiel höfisch standardisierter Wahrnehmung des in der Tat und Wahrheit hochkomplexen Aufbaus frühneuzeitlicher Gesellschaften.“520

Diese Aussage kann in ihrer Grundsätzlichkeit auch für die ersten balets am Valois-Hof von 1573 und 1581 Geltung beanspruchen.

I.2.3.

Akteure und Zuschauer

Im Folgenden sollen die Akteure des balets comique mit biografischen Angaben vorgestellt und, soweit möglich, in den politisch-sozialen Kontext des Hofes eingeordnet werden. Eine kurze Darstellung der Hofämter und ihrer Aufgabenbereiche ergänzt und kontextualisiert die Einordnung. Das Anwachsen des königlichen Verwaltungsapparates im frühneuzeitlichen Frankreich kann als sehr beachtlich gelten, wird doch zu Beginn des 16. Jahrhundert die Zahl königlicher Amtsträger mit 4000 (1515) und bereits 1655 mit 46 000 angegeben.521 Die Vergrößerung des Hofes und des Verwaltungsapparates zu Beginn des 16. Jahrhunderts bedingte auch eine Differenzierung und Trennung 519 520 521

Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 36. Ebda., S. 44. Siehe Mousnier, Roland: Le conseil du roi de Louis XII à la Révolution. Paris 1970, S. 17– 21. Zu den Zahlen siehe auch Chaunu, Pierre: L’Etat. In: Histoire économique et sociale de la France. Hg. v. Fernand Braudel u. Ernst Labrousse. Bd. I.I (de 1450 à 1660). Paris 1977, S. 9–228, hier S. 37, S. 127 und S. 194. Hier zit. nach: Lüttenberg, Thomas: Zuviel der Ehre. Zeremonieller Rang und gesellschaftliche Stellung königlicher Amtsträger im Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Ordnung und Distinktion. Praktiken sozialer Repräsentation in der ständischen Gesellschaft. Hg. v. M. Füssel u. T. Weller. Münster 2005, S. 23–47, hier S. 23.

124

I.2. Das Festereignis von 1581

der Aufgabenbereiche innerhalb der Hofämter, die in die grands offices de la couronne (Großämter der Krone Frankreichs) und die offices de la maison du roi (Großämter des Haushalts des Königs) unterteilt wurden.522 Die bedeutendsten und wichtigsten Hofämter waren die grands offices de la couronne, auf Lebenszeit vergeben und mit einer Rechtsgewalt über das ganze Königreich versehen, standen diese den instruments de l’estat vor. Zu diesen grands offices de la couronne zählten: le chancelier (Kanzler), anfangs verantwortlich für das Ausfertigen und Siegeln der königlichen Urkunden wurde er später als oberster Justizbeamter zum Chef der Administration. Sein Stellvertreter war der Siegelbewahrer von Frankreich (garde des sceaux de France)523, le Connétable de France (Konnetabel, Kronfeldherr) als oberster Heerführer524 und einige Jahrhunderte lang eines der höchsten Großämter Frankreichs, le maréchall525 (Mar-

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Grundlegend für die Erläuterung der französischen Hofämter im 16. Jahrhundert: Doucet, Roger: Les institutions des la France au XVIe siècle. 2. Bd. Paris 1948, S. 102ff. Zu den verschiedenen maison des Königs und der Königin siehe auch Chatenet 2002, a.a.O., S. 21– 27. Zu seinen Aufgaben gehörten die Aussendung von Edikten, der Vorsitz des Staatsrates und die Oberaufsicht der Justiz. Er war Chef des Zentrums der Administration, nämlich der chancellerie (Hofkanzlei), deren Hauptaufgabe es war, königliche Erlasse und Gesetze zu formulieren und zu siegeln. Ursprünglich umfasste die Kanzlei 59 Notare und Sekretäre. Ihre Zahl stieg bis 1587 auf 200 an. Eines ihrer Vorrechte bestand darin, dass sie geadelt wurden. Siehe zu diesem Hinweis Boucher 1981, a.a.O., S. 175: „Cette function attirait plutôt des écrivains reconnus ou des hommes issus de la robe, que des gentilshommes, ces derniers estimant peu la plume en général.“ Ob der großen Machtbefugnis dieses Amtes – er hatte sogar das Recht, den König zu vertreten, wenn dieser nicht repräsentieren konnte – blieb dieses Amt oft vakant. Im 16. Jahrhundert gab es nur drei Konnetabeln: Von 1515–1527 war Charles de Bourbon Konnetabel, bis 1538 blieb das Amt vakant. Von 1538 bis 1567 war Anne de Montmorency mit diesem Amt betraut, 1593 erhielt es sein Sohn Henri. 1627 wurde es völlig abgeschafft. Der Venezianer Lippomano beschrieb 1577 die Nichtbesetzung des Amtes als eine Folge des Machtmissbrauches einzelner, damit betrauter Personen: „Personne aujourd’hui n’est en possession de cette charge, le roi actuel ne voulant plus d’une aussi grande dignité, quoique bien tempéré, soit que l’experience du temps passé lui fasse craindre l’abus de toute autorité accordée à un seul homme, [...].“ Hier zit. nach: Tommaseo, Niccolo: Relations des ambassadeurs vénetiens sur les affaires de France au XVIeme siècle. 2. Bd. Paris 1868, S. 517. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k35002g.r=Tommaseo%2C+Niccolo.langFR (letzter Zugriff Juli 2010). Der Rang eines Marschalls von Frankreich, Maréchal de France, war das militärische Stellvertreteramt des Kronfeldherrn. Es bestand seit dem 12.Jahrhundert. 1582 hatte dieses Amt Guillaume de Joyeuse, Vicomte de Joyeuse (1520–1592) inne, der seit 1561 Generalstatthalter des Königs im Languedoc war. Guillaume de Joyeuse, eigentlich Bischof von Alet, gab aber nach dem Tod seines Bruders den Kirchendienst auf und gründete eine Familie. In der 1560 geschlossenen Ehe mit Marie de Batarnay, Tochter von René de Batarnay, Seigneur de Bouchage, kam Anne de Batarnay, Baron d’Arques, 1560 im Château de Joyeuse als Erstgeborener zur Welt.

2.3. Akteure und Zuschauer

125

schall) als Vertreter der letzteren im Bedarfsfall526, das erst 1584 vereinheitlicht eingerichtete Amt des amiral527 (Admiral) als Oberbefehlshaber aller militärischen Flotten528 und le grand maître529 (Haushofmeister) als Oberaufsichtshabender aller Domänen und Dienste im königlichen Haushalt530 sowie le grand chambellan (Großkammerherr)531, verantwortlich für die königlichen Gemächer und les maréchaux de France (Marschälle). Diese waren die militärischen Stellvertreterämter des Kronfeldherrn (Connétable de France).532 In der maison du roy wurden all jene Ämter (offices de la maison du roi) verrichtet, die den König direkt betrafen. Sie waren den zuvor genannten und besonders dem Haushofmeister unterstellt. Die Inhaber der Großämter des Haushalts des Königs von Frankreich (grands offices de la maison du roi) waren die für den königlichen Haushalt verantwortlichen Personen. Zu den Ämtern der offices de la maison du roi533 gehörten: le grand aumônier (der Schlosskaplan), le grand panetier et le grand echanson (der Truchsess und der Mundschenk), les gentilhommes de la chambre534 (die Kammerjunker), le grand ecuyer (der Stallmeister), verantwortlich für den königlichen Marstall535 und le grand veneur et le 526

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1516 erhöhte François I. ihre Anzahl auf drei. Ihre Anzahl stieg bis zum Ende des Jahrhunderts deutlich an, so dass es Anfang des 17. Jahrhunderts sogar 11 Marschälle gab. Siehe Doucet 1948, a.a.O., S. 113–120. Nach: Doucet 1948, a.a.O., S. 120f. Anne de Joyeuse wird im Juni 1582 zum Großadmiral von Frankreich ernannt. Tatsächlich aber lagen die Aufgaben der Admirale in der Administration und im Rechtsbereich. Siehe hierzu Doucet 1948, a.a.O., S. 120. Das Amt hatte deutlich politische Bedeutung, ähnlich dem des Connétable, dem es gleichgestellt war. Zudem war es lukrativ. Dem Admiral standen ein Teil der Strafen und der Beschlagnahmungen aus den Seeblockaden zu, auch Strandgut, Ankergeld und ein Zehntel der Kriegseinnahmen. Siehe ebda. Auch ausländische Gesandte am Hof einzuführen gehörte zu seinen Aufgaben. Siehe Solnon 1987, a.a.O., S. 38. Mit Regierungsantritt François II. 1559 hatten die Guisen dieses Amt inne und behielten es bis zum Ende des Jahrhunderts. Allerdings siehe den wichtigen Hinweis bei Carroll 2009, S. 237 und S. 233, dass die Amtseinführung des Grand prévot de l’hôtel mit François du Plessis, als Entmachtungsstrategie Henri III. gegenüber den Guisen zu werten ist. Auch wurde bereits darauf verwiesen, dass 1585 das Amt des Grand Maître de Cérémonies de France in Abspaltung vom Amt des Grand Maître de France geschaffen wurde. Sicher stellte auch die Amtsinhabe Guillaume Pots eine Teilentmachtung der Guisen dar, die traditionell das Amt des Grand Maître de France innehatten. Zur Einführung dieses Amtes: Le Roux, Nicolas: Henri III and the rites of monarchy. In: Mulryne 2004, a.a.O., S. 116–121, hier S. 118. Siehe: Boucher 2007,a.a.O., S. 163. Siehe auch Brun, Christophe, Maze-Sencier, Geneviève (Hg.): Dictionnaire des maréchaux de France. Du Moyen Âge à nos Jours. Paris 2001. Siehe hierzu Doucet 1948, a.a.O., S. 125–127 und Solnon 1987, a.a.O., S. 37–49. Hier die vier premiers gentilhommes de la chambre du roi in den Gemächern des Königs. Dieses Amt wird gelegentlich auch zu den grand offices de la coronne gezählt, so bei Boucher 2007, a.a.O., S. 163.

126

I.2. Das Festereignis von 1581

grand fauconnier (der Jagdmeister und der Falkenjagdmeister). Weitere Ämter im königlichen Haushalt waren das des grand maître des cérémonies (Zeremonienmeister), des maître de la garde-robe (Garderobenmeister) und des grand maréchal de logis (Palastmarschall), der u. a. für die Vorbereitung der Reisen des Hofes zuständig war. Eine zunehmende Anzahl von Personen, die den königlichen Dienst im Sinne eines sozialen Aufstiegs zu nutzen vermochten und diesen so als ‚Mobilitätskanal‛ (Reinhard) nutzte, irritierte das gesellschaftliche Gefüge des frühneuzeitlichen Hofes.536 Der Rang als Ausdruck der Würde, die mit dem Amt und seinen jeweiligen administrativen Funktionen verbunden war, bestimmte den sozialen Status eines Hofmitglieds und mit diesem das gesellschaftliche Gefüge des Hofes: „Was die soziale Dynamik und damit die Hervorhebung der Amtsträger aus der Masse des Dritten Standes ermöglichte, war die dem Amt innewohnende Ehre. Zum Amt gehörten Einkünfte, Rechtsprivilegien und Teilhabe an der öffentlichen Gewalt, vor allem aber waren Ehrenrechte, ein wichtiger Bestandteil des Amtes, wenn nicht der wichtigste überhaupt. […] Die Würde (dignité) stellt […] die Substanz des Amtes dar, die Teilhabe an der öffentlichen Gewalt (fonction publique) nur das Akzidens. Insofern kann man tatsächlich davon sprechen, dass die beim Ämterkauf (vénalité des offices. Anm. A.W.) verwendete Summe ein ‚investment in standing‛ war. Wegen der großen Bedeutung der Würde hat ihr Ausdruck, nämlich der Rang, den das Amt seinem Träger verlieh, in besonderem Maße die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf sich gezogen. […] Dabei ist zu beachten, dass alle Amtsträger in mindestens zwei Beziehungsgefügen standen. Einerseits verorten sie sich in der internen Hierarchie des Verwaltungsaufbaus, dessen Bestandteil sie waren, andererseits definierten sie sich im Verhältnis zu gesellschaftlichen Gruppen, welche außerhalb des königlichen Dienstes standen.“537

Aus dieser ‚doppelten Eingebundenheit‛ (Lüttenberg) lässt sich die Frage entwickeln, inwiefern der ‚Faktor Ehre‛ konkret zur Verbesserung des eigenen Status‛ genutzt werden konnte und inwiefern es Indikatoren gibt, die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Ansehen anzeigen. Überträgt man diese Frage auf Personen wie Anne d’Arques de Joyeuse, kann konstatiert werden, dass dieser mit Hilfe des königlichen Protegés eine steile, militärische Ämterkarriere zu verzeichnen hatte. Zunächst, gerade ob seiner engen persönlichen Verbindung zum König, häufiger attackiert, scheint er aber seinen Status am Hof zumindest bis Juni 1587, seinem Todesjahr, nahezu behauptet zu haben. In Relation zur großen Zahl der von Henri III. an den Hof Berufenen gelang es jedoch nur wenigen, über den Tod

536 537

Siehe Lüttenberg 2005, a.a.O., S. 24. Lüttenberg 2005, a.a.O., S. 24.

2.4. Zusammenfassung

127

des Herrschers hinaus einen spektakulären sozialen Aufstieg von Dauer zu verzeichnen. Einer von ihnen war der bereits mehrfach genannte Jean Louis de Nogaret de La Valette, duc d’Épernon, der erst im Alter von 88 Jahren verstarb, Henri III. damit um mehr als 50 Jahre überlebte und dabei mehr als sechs Könige erlebt hatte. Zunächst lehnte er den Bourbonen-Nachfolger Henri IV. als neuen König ab, nahm jedoch vor allem nach 1597 eine entscheidende Rolle in der Fusion der alten und der neuen höfischen Eliten ein.538 Schließlich konnte er sogar noch am Hof Louis XIII. seine wichtige Rolle behaupten.539 Dass das Verhältnis des Einzelnen zu den gesellschaftlichen Gruppen am Hof gerade auch durch verwandtschaftliche Verhältnisse, die nicht nur in diesem Sinne als politische gelten können, geprägt war, führt die Teilnehmerliste und Synopse540 zum balet comique sehr exemplarisch vor. Quellen wie Richard Cook’s Discription de tous les Provinces de France et toutes les plus illustrés et plus remarquables maisons avec leur qualités et religion und hier besonders die Übersicht zu Les Principalles Familles541 aus Mitte der 1580er Jahren zeigen, dass sich auch den Zeitgenossen, zumal den ausländischen Beobachtern am Hof, diese Verwandtschaftsbezüge nicht ohne Weiteres erschlossen, jedoch durchaus von Relevanz erschienen.

I.2.4.

Zusammenfassung

Die Betrachtung des Festereignisses von 1581 als herausragender Höhepunkt der Festkultur der Valois intendierte, das balet comique mit seinem Circe-Motiv als Kernerzählung, seiner verschlungenen Handlung und dramatischen Struktur, seinen Akteuren, Tänzerinnen und Zuschauern an ihrem jeweiligen Platz auf der Bühne des Ereignisses zu verorten. Hierbei wurde für die Narration des CirceMotives, in Auseinandersetzung mit diversen früheren Interpretationsansätzen, der Platz des Königs und der Königin herausgestellt. Physisch zentral im Handlungsgefüge des balets, prägte die performative Ordnung gleichsam die soziale Praxis, gerade im wechselseitigen Austausch aller Beteiligten des Hofes. Im Diskurs um die Sicherung der Dynastie nahm das Brautpaar, der Favorit Joyeuse und die Königinnenschwester Vaudémont, das einen Favoriten Henris III. zum Mit

538 539

540 541

Siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 711. Siehe ebda. Le Roux auch mit dem Hinweis, dass sich die meisten der noch verbleibenden Favoriten wie d’O, Bouchage und Nevers aus der Entourage Henris III. nach dessen Tod an die neuen Verhältnisse und mithin den neuen Herrscher anpassten. Siehe ders., a.a.O., S. 711–713. Siehe hierzu Anhang D ‚Akteure und Zuschauer‛. „Richard Cook’s Discription de tous les Provinces de France et toutes les plus illustrés et plus remarquables maisons avec leur qualités et religion.“ Abgedruckt in: Potter 2004, a.a.O., S. 121–244, hier bes. S. 125–163.

128

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

glied der königlichen Familie machte, einen Akt der Stellvertretung mit diversen Symbolisierungen ein. Im Zusammenhang von durch Rollen festgelegten Akteuren und den Zuschauern wurde der soziale, hier vor allem der geschlechtlich strukturierte Raum des Hofes mit seinem spezifischen Habitus und Netz von Zuschreibungen im Ballsaal manifest. Bei der Frage nach den Adressaten der Inszenierung gerieten der Hof in seiner sozialen Binnenstruktur mit Tanzschaffenden, Ausführenden wie Zuschauenden ebenso in den Blick wie ‚überregionale‛ reale oder fiktive Adressaten. Das in Tanz und angemessenem Benehmen zu belehrende adelige Personal zeigte sich gleichzeitig als Akteur wie Zuschauer.

I.3.

Von Vorläufern und Nachahmern: Das kulturelle Netzwerk

„Because time was so short, as he (Beaujoyeulx. A.W) says, Beaujoyeux called in other talent to help him“, urteilt mit recht pragmatischem Blick Mac Clintock.542 Ob dies die einzige Begründung ist, die die Mitarbeit der Akademiemitglieder erklärt, soll in diesem Kapitel auch untersucht werden. Für das balet comique ist die konkrete Mitarbeit folgender Künstler bezeugt: Lambert de Beaulieu, ein talentierter Sänger, Musiker und gentilhomme, der wiederum mit der 1571 von Thibaut de Corville und A.-J. de Baifs gegründeten Académie de Poésie et de Musique eng verbunden war sowie Jacques Salmon, maître de la musique de la chambre du roi, sich für die Musik verantwortlich zeigten.543 Nicolas Filleul, sieur de la Chesnaye544,

542 543

544

Mac Clintock 1971, a.a.O., S. 11. Die Musiker teilten sich auf in die Mitglieder der La chambre (Solisten, Sänger, Luthisten, Hornisten), der L’écurie (Orchestermusiker mit hautbois, saquebois und dizaine) und der bande francaise (Pfeiffer, Tambourine). Nur als Gruppe werden die Chantres de la chapelle genannt. Hier zit. nach: Solnon 1987, a.a.O., S. 122. Solnon weist darauf hin, dass die Laute das „Modeinstrument des 16. Jahrhunderts“ gewesen sei. Ebda., S. 125. Siehe auch: Michaud, Louis Gabriel (Hg.): Biographie universelle ancienne et moderne: histoire par ordre alphabétique de la vie publique et privée de tous les hommes.Ouvrage réd. par une société de gens de lettres et de savants. 14. Bd. Paris 1856, S. 128. Als elektronische Ressouce unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k51654t (letzter Zugriff Juli 2010)

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

129

entwarf als königlicher Autor die Verse (récits). Jacques Patin545, königlicher Maler, gestaltete Szenerie (décor) und Kostüme.546 Emmanuel Lurin formulierte unlängst, dass zudem von einer Beteiligung des Malers und Graveurs Ètienne Dupérac (1535?–1604) – der bisher so gut wie nie in Zusammenhang mit dem balet comique genannt wurde – auszugehen sei: „Dupérac a gravé toutes les illustrations de ce livret qui décrit le grand ballet de cour organise au Louvre en 1581 pour les noces du duc de Joyeuse.“547 Gerade auch in den wissenschaftlichen kultur- und musikhistorischen Arbeiten zum frühneuzeitlichen Tanz ist bis heute die Tendenz unverkennbar, hierbei die Person von Beaujoyeulx mit Attributen des Genialen zu präsentieren: „le génie de l’Italien Baldassarino da Belgiojoso, dit Balthazar de Beaujoyeulx.“548 Die Anfänge dieser Kontinuität reichen nicht zuletzt bis in die zeitgenössischen Beschreibungen eines L’Éstoile. Lediglich Emile Picot bemerkte Anfang des 20. Jahrhunderts, dass die Reputationen Beaujoyeulx’ möglicherweise weniger auf sein Talent, denn auf sein Know-How, oder wie er es nannte, die Fähigkeit des savoir-faire, zurückzuführen seien.549 Versucht werden soll vor diesem Hintergrund 545

546

547

548 549

Zu den biografischen Angaben siehe World biographical Information System WBIS Archives unter Patin, Jacques in Biographiques Françaises (ABF) Fundstelle:I 813,1–4; III 355,395. Darin auch Hoefer 1852, der angibt, dass über Patin nur bekannt sei, dass er als peintre ordinaire du Roy und graveur 1567 an der Ausstattung des Louvres unter Pierre Lescot gearbeitet habe. Die Angaben bei Jal 1872 sind umfangreicher. So kann Jal über das Gesagte hinaus angeben, dass Patin zwischen 1537 und 1540 16 livres im Monat bei Arbeiten an Schloss Fontainebleau bezogen habe. 1572 sei er dann bereits honorable hom., maitre paintre, bourgois gewesen. Er sei zweimal verheiratet gewesen, wobei der ersten Ehe zwei Kinder, Jehanne (1568) und Charles (1569), entstammten. Seine zweite Frau habe Claude Cornu geheißen. 1574 habe er 70 livres pro Jahr aus dem königlichen Haushalt bezogen. Auch sein Sohn Jehan wird Maler und bezieht im Jahr 1584 monatlich die Summe von 33 livres 15 sol. Siehe Solnon 1987, a.a.O., S. 117. Solnon spricht von „cent vingt acteuers.“ In: ders. 1987, a.a.O., S. 116. Siehe auch Mac Clintock 1971. Siehe auch McGowan 1999, Sp. 1164 und McGowan, Margaret: Beaujoyeulx. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Personenteil. Bd.2. Kassel 1999, S. 579–80. Lurin, Emmanuel: Un homme entre deux mondes: Étienne Dupérac, peintre, graveur et architecte, en Italie et en France (c. 1535? – 1604). In: Renaissance en France, Renaissance française? Hg. .v. Henri Zerner und Marc Bayard. Collection d’histoire de l'art de l'Académie de France à Rome. Bd. 10. Paris 2009. S. 37–59, hier S. 58. Eine von Lurin in Aussicht gestellte Publiktation in Print Quarterly zu diesem Thema soll in Kürze detaillierte Nachweise liefern. Es sei allerdings bereits hier darauf hingewiesen, dass bereits Georges Duplessis 1871 Zweifel darüber andeutete, ob nur Patin sich als Maler bzw. Stecher verantwortlich gezeigt habe: „Jacques Patin gave proof of considerable talent ; the drawing of the large figures might be better, but the finely-executed engraving, as a rule, deserves all praise.“ Aus: Duplessis, Georges: the wonders of engraving. New York 1871, S. 231. Solnon 1987, a.a.O., S. 117 als ein Beispiel unter vielen. Siehe z. B. auch Mac Clintock 1971, a.a.O., S. 11. Picot, Emile: Les italiens en France au XVIe siècle. Hg. v. Nicola Merola. Memoria Bibliografica. Bd. 25. ND der Ausgabe Bordeaux 1918. Rom 1995, S. 251f.

130

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

eher ein sich auf die Unbestimmtheit und Widersprüchlichkeiten einer Person einlassender biografischer Zugriff, stellt doch die vermeintliche Kohärenz von Ereignissen stets eine Problematik im biografischen Zugriff dar. Stattdessen sollen die Facetten der Narration zur biografischen Identität des Tanzmeisters Beaujoyeulx sowie dessen möglichen, lebensweltlichen Gestaltungsmöglichkeiten beleuchtet werden.550 Hiervon ausgehend soll sich der Blick auf das weiter gefasste kulturelle Netzwerk des Hofes beziehen. Konkret soll gefragt werden: Was ist über Beaujoyeulx, seine Profession und seine soziale Stellung am Hof zu erfahren? Wie passt seine Tätigkeit in die Ökonomie des Valois-Hofes? Wie stand es um die künstlerische Zusammenarbeit, oder ‚das kulturelle Netzwerk‛ frühneuzeitlicher Dichter, Musiker und Tanzschaffender in Bezug auf die Inszenierung des Festwesens am Hofe der Valois? Welche Rolle spielen hier die Valois-Académien?

I.3.1.

Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

Was ist über Beaujoyeulx, seine Profession und soziale Stellung am Hof zu erfahren? Beauchamps (1631–1705) nennt, und nach ihm viele andere Autoren, „Balthazar de Beaujoyeux“ den „l’inventeur du sujet“ des balets comique.551 Inwiefern er sich bereits an den Planungen des am 20.8.1572 anlässlich der Navarra-ValoisHochzeit zur Aufführung gebrachten Spektakels Le Paradis d’Amour (auch: ballet de la Défense du paradis) beteiligte, bleibt Spekulation.552 Auch soll er sich, so

550

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Sozialtheoretische Agency-Konzepte, hier verstanden als (subjektive) „Handlungskompetenz“ innerhalb „korporativer Handlungsinstanzen“, ihres Zeichens Weiterentwicklungen der Ritualtheorie, können hierbei nicht explizit berücksichtigt werden. Siehe hierzu die Überblicksdarstellung von Krüger, Oliver, Nijhawan, Michael und Stavrianopoulou, Eftychia: „Ritual“ und „Agency“. Legitimation und Reflexivität ritueller Handlungsmacht. In: Forum Ritualdynamik. Diskussionsbeiträge des SFB 619 ‚Ritualdynamik‛ der RuprechtKarls-Universität Heidelberg, Nr .14. Hg. v. Dietrich Harth und Axel Michaels. Heidelberg 2005, S. 1–34, hier S. 4. Beauchamps, Pierre-François Godart de: Recherches sur les théâtres de France. 3. Bd. Paris 1735, S. 14. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k72185c.pagination (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe hierzu die Eintragungen bei Simon Goulart für den August 1572, in denen er beschreibt, dass die Festlichkeiten im salle de Bourbon stattfanden sowie den Handlungshergang schildert. Kern der Handlung bildete die Verteidigung des Eingangs zum Paradies durch Charles IX. und seine Brüder. Am Ende des Spektakels – wenige Tage vor der sog. ‚Bartholomäusnacht‛ – wird die angespannte religionspolitische Lage besonders deutlich vorgeführt, indem „Le Roy avoit chassé les Hugenots dans l’enfer.“ In: Goulart 1578, a.a.O, S. 268–270, hier S. 270r. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54658x (letzter Zugriff Juli 2010).

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

131

der zeitgenössische Dichter Dorat, bereits für den Besuch der polnischen Gesandten fast genau ein Jahr später am 19.8.1573 zusammen mit einem Manerius dessen aktive Teilnahme sogar mit „fit avancer le rocher“553 benannt wird, für die Tänze verantwortlich gezeigt haben.554 Zielführend für den intendierten biografischen Zugriff erscheint zunächst ein Vergleich der älteren und jüngeren biografischen Skizzen555 zu Beaujoyeulx. „Balthazarini oder Beaujoyeux, ein Tonkünstler, welcher das Haupt einer Gesellschaft Musikanten auf der Violine in Piemont war, als der Marschall von Brissac556, der daselbst commandierte, ihn hörete, und ihn mit seiner Gesellschaft an den Französischen Hof schickte. Die Königin machte ihn zu ihrem Kammerdiener, und Heinrich gab ihm eben dieselbe Stelle bey seiner Person. Er fand viel Beyfall, so wohl mit seinem Spiel auf dem Violon, als auch durch seine Erfindungen von Balletten, Anordnung der Feste u.s.s. Er ist der erste in Frankreich, welcher heroische Ballete aufgeführt hat, und das, welches er bei der Vermählung des Herzogs von Joyeuse mit Madem. de Vaudemont verfertigte, fand allgemein Beyfall. (Dictionn. histor. de l’Italie).“557

In einem vier Jahre später erschienenen Lexikon der Tonkünstler heißt es: 553 554

555

556

557

Hier zit. nach Beauchamps 1735, a.a.O., S. 22. Siehe hierzu die Aussagen von Dorat. Hier zit. nach: Beauchamps 1735, a.a.O., S. 22. Als elektronische Ressource unter URL: http://www.cesar.org.uk/cesar2/books/beauchamps/display.php?volume=3&index=22 (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch: Beauchamps 1735, a.a.O., S. 22. Wenngleich Mariateresa Dellaborra noch 1999 darauf hingewiesen wissen wollte, dass der Nachweis einer tatsächlichen Partizipation Beaujoyeulx’ noch zu erbringen sei, vgl. Dellaborra 1999, a.a.O., S. 36. Siehe in der Datenbank des World Biographical Information System Online (WBIS Online), basierend auf der Digitalisierung der Mikrofiche-Editionen der Biographischen Archive des K. G. Saur Verlags, unter Baltazarini im: Archivio Biografico Italiano (ABI) Fundstelle:I 99,433–438; IV 35,41 sowie unter Beaujoyeux, Balthasar de Archivio Biografico Italiano (ABI) Fundstelle:IV 45, 27–28. Charles de Cossé (1505–1564), Marschall de Brissac, als Gouverneur Oberhaupt der französischen Truppen in Piemont von 1550–1556. Brissac bringt wahrscheinlich 1555 Beaujoxeulx an den Valois-Hof. Siehe u.a. Dubost, Jean-François: La France italienne : XVIe – XVIIe siècle. Paris 1997, S. 102. Katherine Tucker McGinnis nennt das Jahr 1554: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 279. Zu den biografischen Anagben siehe World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter „Cossé de Brissac, Charles comte de: Archives Biographiques Françaises (ABF) Fundstelle: I 255, 294–347; 348–361, II 172, 246–247; III 120, 299. Jöcher, Christian G.: Allgemeines Gelehrten-Lexikon. Fortsetzungen und Ergänzungen von J.C. Adelung. 1. Bd. o. O. 1784, S. 156; vergleichbar auch die Angaben bei De Boni, Filippo: Biografia degli artisti. o.O. 1840, S. 78: „Baltazarini, musico piemontese, inviato alla corte di Caterina de’Medici, come uno de’ più distinti violinisti, ond’essa lo creò suo primo cameriere e capo de’suoi musici. Enrico III gli affidò l’intendenza della sua musica non solo, ma eziandio la direzione delle feste di corte, carica da lui sostenuta con tanta abiltà, che venne perfino stampata la relazione d’una di quelle feste avvenuta nel 1581. Era noto in Fancia sotto il nome di Belgioioso.“

132

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

„Baltazarin, genannt Mr. de Beau Joyeux, war in dem Jahre 1550 zu Paris am Hofe Heinrichs II. das Haupt einer Gesellschaft auserlesener italienischer Tonkünstler. Er war von Piemont als einer der größten Geiger an die Königin Catharina geschickt worden. Auf der Königl. Bibliothek zu Paris wird noch Verschiedenes von seinen Kompositionen aufbewahrt.“558

In beiden Quellen wird herausgestellt, dass Beaujoyeulx als herausragend befähigter Geiger und Tonkünstler aus Piemont an den französischen Hof kam. Tatsächlich waren die Violinmeister häufig auch, so Jacqueline Boucher u. a., als Tanzmeister tätig.559 Noch deutlicher sind jedoch die Unterschiede der biografischen Skizzen, die exemplarischen Charakter besitzen: Es fällt die Variation der Namensschreibweise auf.560 Auch legt sich der Verfasser der zweiten biografischen Skizze auf das Datum 1550 als jenem fest, zu dem die Tätigkeit von Beaujoyeulx am französischen Hofe begonnen habe – eine Datierung, die nicht eindeutig gesichert ist und je nach Quelle recht starke Abweichungen erfährt.561 Das von Margaret McGowan in einem jüngeren Eintrag von 1997 angegebene Datum scheint hingegen wesentlich wahrscheinlicher: „Balthasar de Beaujoyeux war 1555 im Gefolge des Marschalls de Brissac von Savoyen nach Frankreich gekommen [...].“562 Die Annahme, Beaujoyeulx sei mit Marschall de Brissac nach 558 559 560

561

562

Gerber, Ernst L.: Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler. Teil I. o. O. 1790, S. 134. Jedoch sind über das balet comique hinaus weitere „Kompositionen“ nicht bekannnt. Siehe Boucher 1981, 4. Bd., a.a.O., S. 563 und S. 566 und Brooks, Jeanice: Courtly Song in Late Sixteenth century France. Chicago 2000, S. 83. Im Quellenvergleich finden sich diverse Schreibweisen: Baldassare oder Baldassarino da oder di Belgioioso, Belgiojoso, Balt(h)as/zar de, Balt(h)azarini, Baltazarin(i) gen. Beau Joyeux, Baldassaro de gen. Baltazarini, Beauioyeulx, Beauiojeux, Beaujoyeulx, Beaujoyeux, Seigneur Balthasar de Beaujoyeulx des Landes. Brantôme bemerkt hierzu, dass „[…] Baltazarin [.] fut valet de chambre de la Reyne, & l’appelloit-on Monsieur de Beau joyeux, […]“, in: Brantôme, Pierre de Bourdeille de: Mémoires de Messire Pierre de Bourdeille, Seigneur de Brantôme, contenant les vies des hommes illustres & grands capitaines français de son temps. Bd .II. Leyden 1699, S. 301. Zu den diversen Datierungen siehe Dellaborra, Mariateresa: ‚Une invention moderne.‛ Baldassarre da Belgioioso e il ‚Balet comique de la royne.‛ Lucca 1999, hier S. 30, Anm. 1. Obwohl Brissac bereits 1563 starb, führt z. B. Leo Benvenuti aus: „Baltazarini, nato in Piemonte (?), visse nel XVII secolo. Salito in gran celebrità come suonatore di violino, fu condotto dal maresciallo di Brisac (1577) in Francia presso Caterina de’Medici che lo nominò intendente della sua musica e primo cameriere; Enrico III poi lo fece direttore della musica di Corte. Fu il primo compositore italiano andato in Francia che ideasse il piano di spettacolo drammatico mescolato di musica, e „il miglior violinista del suo tempo“ (Fetis). Questi lo cita sotto Beaujoyeux.“ Aus: ders.: Dizionario degli italiani all’estero. o.O 1890, S. 22., ebenso Celler 1868, a.a.O., S. 135. Zum Problem der Zuordnung von Nachnamen und Vornamen wie bei Brantôme angestoßen „surnommé Balthazarin“ siehe Dellaborra 1999, a.a.O., S. 31. Festzuhalten bleibt, dass Beaujoyeulx sich selbst im Traktat des balets comique mit dem Namen Baltasar de Beauioyeulx ausweist. McGowan, Margaret: Beaujoyeux. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Sachteil 1. Basel u.a. ²1997, Sp. 579f., hier Sp. 579.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

133

Paris gekommen, geht auf die zeitgenössischen Angaben bei Pierre Bourdeille, Seigneur de Brantômes, selbst seit ca. 1559/1560563 gentil-homme ordinaire de la Chambre des [.] Roys Charles IX e Henri III564 und nach eigenen Aussagen ein guter Freund von Beaujoyeulx565, mit dem er oft zum Plaudern und Geschichtenerzählen zusammen gewesen sei, denn dieser habe eine Fülle hübscher und nicht alltäglicher Begebenheiten und ungewöhnlicher Geschichten, vor allem über die Liebe und die List der Frauen, gekannt:

563

564 565

Siehe Brantôme, Pierre de Bourdeille: Oeuvres Du Seigneur De Brantôme. Bd. I. London 1779, hier S. 48: Brantôme frequentiert nach seiner Rückkehr aus Italien 1559 verstärkt den Hof. Allerdings knüpft er hiermit wohl an, denn es heißt weiter: „lors du décès de cette Reine, arrivé en 1589 il y avoit 33 ans qu’il suivoit la Cour“. Aus: ebda., S. 49. Brantôme soll, so Marguerite de Valois, sich mit Henri III. überworfen haben und musste den Hof angeblich verlassen. Siehe Marguerite de Valois, reine de France: Geschichte der Margaretha von Valois. Gemahlin Heinrichs IV. Von ihr selbst beschrieben. Nebst Zusätzen und Ergänzungen aus anderen französischen Quellen. Übersetzt von Dorothea Schlegel. Hg. v. Michael Andermatt. Zürich 1998, S. 298. Brantôme 1779, Bd. I, a.a.O., S. 48 und S. 77, hier wird seine jährliche Pension mit 2000 livres angegeben. Auch Brantôme selbst scheint 1557 seine erste Reise nach Italien unternommen zu haben „[…] & servit en Piedmont“. Aus: Brantôme Bd. I 1779, a.a.O., S. 46f.

134

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

„Monsieur de Beaujoyeux566, valet-de-chambre de la Reyne-Mere, & le meilleur violon de la Chrestienté. Il n’estoit pas parfait seulement en son art, & en la musique, mais il estoit de fort gentil esprit, & sçavoit beaucoup, & surtout de fort belles histoires & beau contes, & point communs, mais très-rares; & n’en estoit point chiche à ses plus privez amis: & en contoit quelques uns des siens; car en son temps, il avoit veu & en de bonnes adventures d’amour. Car avec son art excellent, & son esprit bon & audacieux, deux instruments bons pour l’amour, il pouvoit faire beaucoup. [...] Monsieur le Mareschal de Brissac l’avoit donné à la Reyne-Mere, estant Reyne Régente567, & luy avoit envoyé de Piedmont avec sa bande de violons très-exquise, toute complette, & luy s’appelloit Baltazarin; depuis il changeade nom c’est luy qui composoit ces beaux ballets, qui ont esté toujours dansez à la Cour. Il estoit fort amy de Monsieur du Gua568 & de moy, & souvent causions ensemble, 566

567 568

Von Brantôme wird angemerkt: „Balthasar de Beaujoieux, surnommé Balthazarin, chargé de l’exécution de la plupart de ballets de la Cour sous Henri III. La Croix du Maine lui attribue la composition de celui de noces du Duc de Joyeuse, imprimé à Paris, chez le Roy & Ballard, en 1582, in 4°.“ Aus: Brantôme 1779, Bd. IV, a.a.O., S. 84f. Dellaborra merkt ihr Erstaunen darüber an, dass Brantôme als intimer Freund, der er gewesen sei, angibt, La Croix du Maine habe Beaujoyeulx die Abfassung des balets comique zugeschrieben, sodass Brantôme selbst erst daraufhin vermute, dass Beaujoyeulx das balet comique erfunden habe. Dellaborra 1999, a.a.O., S. 31, hier Anm. 5. Der französische Bibliograph François Grude, sieur de La Croix du Maine et de la Vieille Cour (1552–1592) kehrt nach den Kriegswirren erst 1582 nach Paris zurück und publiziert 1584 dort sein Werk Les Bibliotheques françoises. Hier erwähnt er „Baltazar de Beau-Joyeux. Il a écrit le Balet sur les nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse, remply de diuerses deuises Masquarades, chansons de musique, & autres gentillesses, imprimé à Paris chez Adrian le Roy & Robert Balart freres l’an 1582.“ Aus: Grude, François, sieur de La Croix du Maine: Premier volume de la Bibliothèque du sieur de La Croix Du Maine, qui est un catalogue général de toutes sortes d’autheurs qui ont escrit en françois depuis cinq cents ans et plus jusques à ce jour d’huy […]. Paris o.J. (1584), S. 28. In der Ausgabe von 1773 ist dieser Beitrag von den Herausgebern um die Anmerkung ergänzt: „On l’appela d’abord Baltazarin à la Cour de France, mais depuis il changea de nom, & prit celui de Beaujoyeux. Il étoit, dit Brantôme, pag. 175 du Tom. II. des Dames Galantes, le meilleur violon de son temps, & en avoit une bande des plus complettes, avec laquelle le Maréchal de Brissac, Charles de Cossé, l’envoya de Piémont, dont il étoit Gouverneur, à Catherine de Médicis, alors Régente. Beaujoyeux avoit beaucoup de génie pour l’invention des Balets. Il en donna une preuve dans celui qu’il composa pour les noces d’Anne, Duc de Joyeuse, & de Marguerite de Lorraine, sœur de Louise, épouse d’Herni III. Le P. Menetrier en parle amplement dans son livre des Représentations en Musique, & c’est ce Balet de la description duquel fait ici mention La Croix du maine (M. de la Monnoye).“ Aus: Grude, François, sieur de La Croix du Maine, du Verdier, Antoine: Les Bibliotheques françoises. Hg. v. Rigoley de Juvign u.a. 1. Bd. Paris 1773, S. 67. Der erste Band der 1584er Ausgabe als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k125590p (letzter Zugriff Juli 2010, hier S. 74). Dies kann als Hinweis verstanden werden, dass Beaujoyeulx in jedem Fall vor 1559 bereits am Hof gewesen sein müsste. Könnte es sich hier um den am Valois-Hof tätigen Tänzer Francesco Giera (Francisque de la Gere), ein Schüler Cesare Negris, handeln? Zu seiner Erwähnung bei Negri heißt es: „Gio. Francesco Giera aus Mailand war mein (Negris. A.W.) Schüler. Er war zwanzig Jahre lang in den Diensten von Heinrich III., auch als dieser König von Polen war. Sogar nachdem er zum König von Frankreich gekrönt wurde, blieb G. F. Giera an seinem Hof bis zu dessen Tod. Er bekam für seine Stellung, seine Ausgaben und für einen Diener 300 Francs,

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

135

& toujours nous faisont quelque beau conte, mesme de l’amour & de ruses de Dames, dont il nous fit celuy – la de cette Dame Ephesienne, que nous avons (avions) desja fceu par Monsieur d’Aurat569 […].“570

Mit Berufung auf Brantôme geben zahlreiche Autoren an, der aus Piemont stammende Beaujoyeulx sei unter Führung des Marschalls von Brissac in einer „bande de violons, la meilleure qui fust en toute l‚Italie“ gewesen, in der „[…] Jacques Marie & Baltazarin estoient les chefs de la bande, Baltazarin depuis fut valet-de-chambre de la Reyne, & l’appelloit-on Monsieur de Beau-joyeux, […]“571

und zwischen 1550–1556 an den französischen Hof gekommen.572 Allerdings bleibt festzuhalten, dass es keine Quelle gibt, die nachweist, dass Beaujoyeulx mit Brissac gemeinsam nach Paris gekommen ist. Im Jahre 1999 erstellte Mariateresa Dellaborra ein ‚profilo biografico‛ im Rahmen des erstmalig in italienischer Sprache erschienenen balets comique.573 Dellaborra weist darauf hin, dass sowohl über Beaujoyeulx’ Geburt als auch über seine Zeit in Italien vor seiner Abreise an den französischen Hof auch nach intensiven Archivarbeiten bis heute keinerlei eindeutige Quellen vorhanden seien, jedoch plausible Rekonstruktionsversuche zu seinem Leben zulässig und möglich sind. So stellt Dellaborra die begründete These auf, dass Piemont nicht notwendigerweise den Herkunftsort denn eher einen Tätigkeitsort Beaujoyeulx’ bezeichne. Erhärtet werden ihre Vermutungen durch den Umstand, dass: „Le bande des violons“, [...], erano aggregate ai corpi di guerra ed erano spesso composte da strumentisti recuperati sul posto o al seguito di qualche nobile condottiero italiano giunto a dar man forte ai Francesi.“574

569

570 571 572

573 574

dazu eine Pension von 800 Francs und weitere Geschenke (‚doni‛), die Seine Majestät ihm gemacht hat.“ Hier zit. nach der dt. Ausgabe von: Garski 2003, a.a.O., S. 14. Mit Dorat beruft Brantôme an dieser Stelle eine weitere literarische Autorität und bringt Beaujoyeulx, neben dem zuvor Gesagten, in Verbindung mit einem weiteren Literaten. So war es Dorat, der 1572 das balet des polonais verfasste. Brantôme 1779, Bd. IV, a.a.O., S. 84f., siehe auch Brantôme, Pierre de Bourdeille de: Vies de dames galantes. Paris 1911, S. 420. Brantôme 1779, Bd. VIII, a.a.O., S. 358. Brantôme 1779, Bd. IV, a.a.O., S. 84f. und Bd. VIII, a.a.O., S. 358. Das Ankunftsjahr von Beaujoyeulx wird, wie bereits angedeutet, unterschiedlich angegeben, wahrscheinlich ist 1554 oder 1555. Vgl. hierzu auch die Jahresangaben 1533 (R. Rolland), 1557 (M. Brenet), oder 1577 (Leclerc/Celler) – obwohl Brissac 1563 gestorben ist. Siehe Dellaborra 1999, a.a.O., S. 29–37. Dellaborra 1999, a.a.O., S. 31f., hier mit Literaturangabe.

136

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Nach intensivem Archivstudium575 kommt sie hingegen zu der Vermutung, dass „Baldassare potrebbe aver visto la luce all’incirca tra 1520–1525 o nel castello di Belgioioso o addirittura a Milano nella dimora di proprietà die Barbiano“576; somit wäre Beaujoyeulx lombardischer Herkunft – und man erachtete die Lombardei als Zentrum des ballo nobile. Eine potenzielle Herkunft Beaujoyeulx’ aus der Nähe von Mailand577, die grundsätzlich auch zum Aufenthalt Charles I. de Cossé, marechal de Brissac, 1554 in Pavia und Mailand passt, eröffnet darüber hinaus m. E. neue Überlegungen über das von Dellaborra begründet Vermutete hinaus. Cesare Negri hat in seinem in Mailand herausgegebenen Tanztraktat Le gratie d’amore von 1602 herausragende Tänzer und Tänzerinnen in der Zeit von 1574– 1580 benannt. Unter ihnen finden sich auch die Namen Sig. Conte Paolo Belgioioso und Sig. Conte Alberigo Belgioioso sowie die Dame Sign. Contessa Ippolita Borromea è Belgioiosa578 sowie für die Zeit von 1593–1600 Sig. Conte Francesco Belgioioso579 und als noch unverehelichte Jungfrauen, „delle citelle da marito“, eine Sign. Barbeta Belgioiosa.580 Stellt dies möglicherweise ein weiteres Indiz für mögliche Verbindungen zu Beaujoyeulx dar? Deutet sich hier gar die Bekanntschaft dieser beiden Tanzmeister oder das Vorhandensein eines ‚tänzerischen Netzwerkes‛, Italien und Frankreich umspannend, an? Fest steht, die Verknüpfungen der Höfe unter575 576

577

578

579 580

Weiterhin finden sich keine Dokumente, die die Geburt Beaujoyeulx’ oder seine Zeit in Italien vor seiner Abreise nach Frankreich bezeugen. Dellaborra 1999, a.a.O., S. 33. Siehe ergänzend hierzu auch die Überlegungen von Katherine Tucker: „Subsequent literature often refers to Belgioioso as Piemontese, rather than Milanese, but his professional association with Diabono should be remembered and the town of Belgioioso is in Lombardy.“ In: Tucker McGinnis, Katherine: Milan and the Development and Dissemination of Il ballo nobile. Lombardy as the Terpsichorean Treasury for Early Modern European Courts. In: Quidditas, Journal of the Rocky Mountain Medieval and Renaissance Association, volume 20 (1999), S. 155–173, hier S. 167, siehe dies. auch in: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 372. Dellaborra kann auch nachweisen, dass „Nel 1472 e 1473 sono presenti in qualità di trombetti ducali Matteo e Luchino da Belgioioso che avevano obbligo di accompagnare gli Sforza in ogni festa e cerimonia. I due musici, come di consueto sono citati semplicemente col nome e il toponimo, elemento che potrebbe confermare anche l’attività di Baldassare, forse assunto come strumentista o come cantore alla stessa corte e favorito dalla provenienza da un luogo e da un casato in stretta relazione coi Visconti prima e gli Sforza poi.“ Dellaborra 1999, a.a.O., S. 33; Baldassare könnte also auch selbst mit dem mailändischen Fest- und Tanzwesen in Verbindung gestanden haben, so auch mit der von Pompeo Diobono Mitte des Jahres 1500 eröffneten ersten Tanzschule in Mailand. Diobono, Violinist und selbst Tänzer, verlässt – so führt Negri selbst aus – 1554 im Gefolge von Brissac die Stadt, um nach Frankreich zu gehen. Negri eröffnet sodann in Mailand selbst eine Tanzschule. Hier nach: Garski 2003, a.a.O., S. 12. Siehe Negri, Cesare: Le gratie d’amore di Cesare Negri Milanese detto il Trombone. Professore di Ballare. Opera Nova, et vaghissima, divisa in tre trattati. Mailand 1602, hier S. 21 und S. 22. Siehe Negri 1602, a.a.O., S. 26. Negri 1602, a.a.O., S. 30.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

137

einander waren enorm und die Netzwerke der höfischen Eliten, häufig über verwandtschaftliche Bande miteinander verbunden, ausgedehnt und durch Reisen, Briefkontakte und persönlichen Gesprächsaustausch in Teilen sehr intensiv. Ute Daniel wies darauf hin, dass in diesem Sinne die höfische Kommunikation „supraregional and supra-national“ war.581 Soziale Mobilität spielte im frühneuzeitlichen Europa grundsätzlich eine bedeutende Rolle, die vielleicht zuweilen unterschätzt wird. Einer Bekanntschaft von Negri und Beaujoyeulx ließe sich zunächst entgegenhalten, dass diese ihren Niederschlag in Negris ausführlichen Auflistungen der berühmtesten Tänzer, jenen „ballarini, che fiorirono nel secolo dell’Autore“582, gefunden haben müsste. Möglicherweise hat Negri jedoch auch andere Details, die vor allem mit dem französischen Hof zusammenhängen583, nicht genannt. Er gibt detailliert Auskunft über seine eigenen Aufführungsorte als Tänzer und seine Tätigkeit in Mailand. Auffällig ist, dass aber gerade in denen von ihm unerwähnt bleibenden Jahren ein Cesar de/di Negry [Nigret, Nigry, Negrie] am französischen Hof, als violon ordinaire, viollon, violon de la chambre und 1587 als violon de sa Majesté in Diensten gestanden hat.584 Es ist wahrscheinlich, dass es sich hierbei um den italienischen Tanzmeister Cesare Negri, genannt Il Trombone, handelt.585 581

582 583

584

585

Daniel 2004, a.a.O., S. 35. In Bezug auf den Tanz vermag eine solche Erkenntnis althergebrachte, z.T. auch schon korrigierte Vorstellungen von ‚nationaler Vorherrschaft‛ im Tanz des 16. und 17. Jahrhunderts, entweder Frankreich oder Italien je den Vorzug gebend, aufzubrechen helfen. Auch Barbara Sparti plädierte für die Schaffung neuer tanzhistorischer Kategorienbildung, siehe dies. 1996, a.a.O., S. 268. Negri 1602, a.a.O., S. 2. Vgl. hierzu aber auch, dass Negri den Tanzmeister Compasso zwar erwähnt mit dem Hinweis, dass er Tanzschulen in Rom und Neapel, hier habe er auch eine Reitschule gehabt, geleitet habe. Dessen Galliardenbuch, bereits 1560 allerdings in Florenz gedruckt. Während Rom unter päpstlichen Einfluss steht und Neapel seit 1504 ebenso wie Mailand seit 1545/46 spanisch ist, gilt dies nicht so für Florenz. Erwähnt wird die Tätigkeit de Negris für die Jahre 1560, 1575 und 1585–1587. Quellennachweise nach Brooks 2000, a.a.O, Appendix 2, S. 515f. Siehe auch jüngst Isabelle Handy mit dem Hinweis, dass Negri um 1560 sowie in Diensten Henri III. am französischen Hof war. Handy 2008, a.a.O., S. 45 und S. 125. Zunächst könnte der Zusatz von Brooks für die Eintragung des Jahres 1587 daran zweifeln lassen: „Requests that his post be given to his wife to dispose of after his death, request for exemption from the aubaine; supported by Diane d’Angoulême, granted“. Dient der Beleg über den Ausschluss von den Regelungen des aubaine als Hinweis auf erworbene Vorrechte (jenseits einer ‚Einbürgerung‛?), ebenso wie das Recht, dass seine Frau nach seinem Tod seinen Posten verwalten können soll, also auch hier eine Amtsvergabe nach survivace festgelegt ist, kann das frühe Datum von 1587 Hinweis auf eine sehr schwere Erkrankung des Tanzmeister zu dieser Zeit sein, sodass er dem Tod nahestand. Cesare Negri, über dessen Lebensdaten zwar keine Sicherheit besteht, hat aber offensichtlich noch 1602 sein Werk Le gratie d’amore publiziert. Nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 516. Siehe allerdings bei Isabelle Handy die Konkretisierung von Cesare Negris Tod auf das Jahr 1587 mit dem Hinweis auf seine Beerdigung 1587: „la cérémonie funèbre pour son convoi a lieu

138

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Dafür spräche zunächst, dass der erwähnte Negri 1560 und im September 1575 am französischen Hof tätig war. Die Untersuchungen von Katherine Tucker McGinnis haben gezeigt, dass die von ihr untersuchten Quellennachweise für die Familie des Tanzmeisters Negri in Mailand auch erst mit dem Jahr 1576 beginnen.586 Zehn Jahre später, 1585, ist Cesare di Negri dann nochmals für weitere zwei Jahre, nun an exponierter Stelle, im Dienste Henris III. tätig.587 Auch diesem Datum widersprächen die Angaben zum Tanzmeister Negri nicht. Dieser als Sohn von Girolamo di Negri und möglicherweise Magdalena di Marchi, wurde wahrscheinlich 1536–37 geboren.588 Er war Schüler von Pompeo Diobono (auch: Diobon, Diabono, Di Aboni) 589, dessen Tanzschule er vielleicht 18-jährig nach

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587

588

589

‚Saint-Eustache“ sowie unter Bezug auf BN, ms fr. 21 480, 100v, den Hinweis, dass Michel de la Porte, Violinist der Königin von Navarra, seit dieser Zeit im Dienste des Königs „de luy faire don de la place de violon de la Chambre vacquant par la mort de Cézar de Negri“. In: Handy 2008, a.a.O., S. 132 f. Siehe Tucker McGinnis, a.a.O., S. 205. Katherine Tucker McGinnis weist darauf hin, dass Negris Geburtsdatum mit Quellen des Jahres 1576 auf das Jahr 1542 festgesetzt werden könnte, aber Pariser Dokumente aus anderen Jahren auf das Jahr 1536 als Geburtsjahr verweisen. Dieses Geburtsjahr passt besser zu der Angabe im Portrait von Le Gratie d’Amore (1602), welches sein Alter mit „Di Eta di anni LXVI“ angibt. Zumal er dann bei Übernahme der unterrichtlichen Tätigkeit nach Abreise von Diobono im Jahre 1554 nicht erst 12 Jahre, sondern 18 Jahre alt gewesen wäre. Siehe hierzu Negris eigene Angaben in: Negri 1602, a.a.O., S. 3. Nach Brooks 2000, a.a.O., Appendix 2, S. 516. Hierzu passt auch, dass seine Angaben bzgl. der verdienten Tänzerinnen und Tänzer in Mailand zwischen 1582 (Sig. Don Carlo d’Aragona) und 1593–1600 (Sig. Don Gio. De Velasco) aussetzen. Zu den biografischen Angaben siehe World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter Negri, Cesare: Archivio Biografico Italiano (ABI) Fundstelle:I 695,130–132; II 413,365–369; IV 333,96–98. Laut Negri (1602) reist Diobono 1554 in einer „bande des violons“ nach Frankreich. Auch Katherine Tucker McGinnis spricht von einer Tätigkeit Diobonos seit ca. 1554 als er mit Brissac an den Hof gekommen war. Mit Bezug auf das Dizionario biografico degli italiani hatte Pompeo Diobono bereits bis 1545 in Mailand eine Tanzschule gut etabliert. Er unterrichte Tänzer und seine Studenten sowie ein Teil seiner Choreographien, verbreiten sich an diverse Höfe in Europa, so nach Wien, Paris und Köln, Flandern und Bayern. Laut Gino Tani blieb Diobono für die lange Zeit von 30 Jahren im königlichen Dienst. Hier zit. nach: Tani, Gino: Diobono, Pompeo. In: Enciclopedia dello Spettacolo. Begr.v. Silvio d’Amico. Bd. IV. Rom 1954. Ein Dokument aus seiner Mailänder Zeit gibt den Namen seines Vaters mit Hieronimo an und den seiner Gemeinde mit S. Tecla. Nach: Archivo di Stato di Milano, Fondo Notarile 7033, 10400. Hier nach: McGinnis, Katherine: At home in the Casa del Trombone: A social-historical view of sixteenth-century milanese dancing masters. In: Reflecting our past – reflecting on our future. Hg. v. Linda Tomko. Riverside Jahr 1997, S. 203–216, hier S. 213, Anm. 16. Diobono soll als Ballerino und als valletto di camera sowie als Prinzenerzieher für Charles d’Orleans in königlichem Dienst gestanden haben. Er soll hierbei 200 francs als Tänzer, 260 francs als valet, 1000 francs als Ruhegeld, 160 francs in Form von Kleidergeld sowie „gran presenti“ von „diverso Principi“ erhalten haben. Negri (1602) erwähnt nur Diobonos Tätigkeit als Lehrer, auch er selbst war dessen Schüler bis er seine Schule in Mailand übernahm. Eine Tätigkeit als Tänzer wird von Negri nicht erwähnt. Hier

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

139

1554 übernimmt: „He rose quickly in his art. For almost fifty years he enjoyed enormous professional success.“590 Noch 1576 teilt sich Negri zusammen mit fünf anderen Familien eine Unterkunft. 1587, das Jahr in welchem sie nach elf Jahren Abstinenz in den Quellen wieder auftaucht, lebt die Familie zusammen mit einigen Hausangestellten in einem Haus591, dass Negris häufig zu findenden Namenszusatz Casa del Trombone trägt, er sich folglich zwischenzeitlich deutlich etabliert hat.592 Negri besucht 1587 Frankreich, in Begleitung seiner wahrscheinlich mindestens seit 1576 mit ihm verheirateten593 Frau Isabella, selbst zwanzig Jahre zuvor eine ‚Tänzerin‛ und möglicherweise begleitet durch ihre drei Kinder.594 Obwohl Negri selbst direkt keine Tätigkeit außerhalb Italiens erwähnt, geht auch Emile Picot davon aus, dass Negri 1579 in Frankreich war.595 Auch wenn Katherine Tucker McGinnis mit einigem Recht darauf hinweist, dass Negri wohl nichts ausgelassen hätte, was seinen Ruhm als Tanzmeister gemehrt hätte, räumt auch sie ein, dass Negri 1602 es gegenüber Philipp II. von Spanien596 unpassend,

590 591

592

593 594 595

596

nach: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 280; zu Diobonos Laufbahn siehe Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 369. Auch wenn er 1583 Mailänder Verwandte besucht haben soll, verbleibt er doch offensichtlich bis zu seinem Lebensende in Frankreich. Zu den Abweichungen in Bezug auf das Todesdatum Diobonos bei Dellaborra, siehe dies. 1999, a.a.O., S. 34f. Im Jahre 1608 verhandelt Diobonos Frau oder Witwe, Lucrezia Visconti, für ihre Söhne Francesco und Carlo in Mailand über Grundsteuerabgaben. Siehe Tucker McGinnis 1999, a.a.O., S. 166. sowie dies. 2001, a.a.O., S. 370. Zu den biografischen Angaben siehe im World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter Diobono: Archivio Biografico Italiano (ABI) Fundstelle: IV 189,429. Siehe Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 381. Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 206, hierzu: „that Negri owns the house is impressive, given the low incidence of homeownership, that it bears his sobriquet as well as his name is a singular testament to his reputation.“ Hieraus zieht diese den Schluss, dass „by the last two decades of the sixteenth century Negri appears to have led a stable life as an independent entrepreneur of entertainment.“ McGinnis, a.a.O., S. 210. Siehe Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 384. Siehe Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 381. Siehe Picot 1995, a.a.O., S. 253 erwähnt für das Jahr 1569 eine Tätigkeit von Negri in Frankreich. Siehe hierzu auch Boucher 1981, Bd. 1, a.a.O., S. 211f.: Boucher verweist diesbezüglich auch auf Jahr 1587. In seinen autobiografischen Bemerkungen sagt Negri zudem sehr wohl, dass er während seiner Tätigkeit unter der Patronage des Herzogs von Terranova, bis nach Malta, Saragossa und Neapel reiste. Siehe Negri 1602, a.a.O., S. 7. Auch Katherine Tucker McGinnis führt mit Verweis auf auf die bereits benannten Quellen bei Picot und Boucher aus, dass „during some part of this period, Negri and his family lived in France where held the position of violon du roi.“ Aus: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 381. Auch Bracesco tanzt vor Philip, wie möglicherweise zhlreiche andere italienische Tänzer auch. Maurice Esses konstatiert in diesem Zusammenhang, dass „during the late sixteenth and seventeenth centuries the strongest foreign influence on Spanish aristocratic dancing came from Italy.“ Aus: Esses, Maurice: Dance and Instrumental Diferencias in Spain dur-

140

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

weil „impolitic“597, empfunden haben könnte, Dienste für Frankreichs Krone zu erwähnen. Fest steht, dass eine Lücke in den autobiografischen Angaben Negris zwischen 1574, als er Henri III. in Mailand auf dessen Rückkehr von Polen nach Frankreich vortanzte und 1582, als er für den Herzog von Savoy tanzte, besteht. Nach dieser Veranstaltung erwähnt Negri kein Ereignis bis zum Besuch des Herzogs von Mantua im Jahre 1592.598 Gleichzeitig sind mögliche enge Verbindungen des Tanzmeisters zum französischen Hof mehr als einleuchtend, da Negris Lehrer Pompeo Diobono mindestens von 1560–1570 im Dienst Charles’ IX. stand.599 Ein Dokument des Mailänders Pompeo Diobono zeigt darüber hinaus, dass eine persönliche Anwesenheit am Valois-Hof zur Auszahlung der vereinbarten Beträge notwendig war: So bittet Diobono in diesem Schriftstück den Mailänder Gouverneur nach Frankreich zurückkehren zu dürfen, um sein quartiero600 erfüllen zu können, welches er benötige um sein Gehalt über 700 franc zu erhalten.601 Folglich müsste der in den Gehaltslisten Genannte auch persönlich am Hof vorstellig geworden sein. Darüber hinaus spricht für die Möglichkeit, dass Negri dem Valois-Hof diente auch der Umstand, dass der Dichter Lomazzo Il trombone unter den Italienern in Frankreich erwähnt, was als deutliche Anspielung auf Cesare Negri verstanden werden kann.602 Es bleibt also zunächst festzuhalten, dass sowohl Negri als auch Beaujoyeulx mit Gehaltszahlungen im Jahre

597 598 599 600

601 602

ing the Seventeenth and Early Eighteenth Centuries. Bd. 1. Stuyvesant, New York 190, S. 431 Siehe Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 378. Siehe Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 378f. Siehe Dubost 1997, a.a.O., S. 447. Mitglieder des hôtels du roi und die der untergeordneten königlichen Haushalte stellten die größte Gruppe, die gewöhnlich am Hof präsent war. Die meisten von ihnen dienten das ganze Jahr in ihren Positionen, andere alternierend in Perioden von drei Monaten (quartiers), wenngleich es bei einigen Diensten üblich war, zwei oder mehr quartiers in einem laufenden Jahr zur Verfügung zu stehen. Siehe Brooks 2000, a.a.O., S. 7. Archivo di Stato di Milano, Fondo Famiglie, Busta 1, Aboni, hier zit. nach: McGinnis, a.a.O., S. 213 , Anm. 16. Siehe diesen Hinweis auch bei Tucker McGinnis 1999, a.a.O., S. 167 sowie dies. 2001, a.a.O., S. 368. Auch Emile Picot erwähnt, dass Negri am französischen Königshof als violon du roi im Jahre 1569 in Diensten gestanden habe und einige Musikstücke komponiert habe. Siehe Picot 1995, a.a.O., S. 379. Auch Jacqueline Boucher geht mit Bezug auf das Ereignis von 1587, Negri soll schwer erkrankt und dem Tode nahgewesen sein: „D’apres rivalités surgissaient autor de ces emplois. Au début de juin 1587 Cesar Negri, violon du roi lui aussi, semblait proche de la mort. Un certain La Porte demandait sa charge, invoquanat und on que le roi lui en avait fait auparavant […]. Mais Negri à son tour, se recommandant de Mme Diane, duchesse d’Angoulême, demandait que sa femme fût autorisée à présenter quelqu’un à son emploi après sa mort. Sans doute voulait-il lui assurer le bénéfice d’une présentation qui lui erait payée. Il demandait aussi que son héritage ne fût pas soumis au droit d’aubaine, car il était Italien.“ Aus: Boucher 1981, Bd.1, a.a.O., S. 211f.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

141

1560603 in den Ausgaben François II. vermerkt sind. Der Eintrag zu Negri zeigt, dass es sich um eine Zahlung an Negri, J. Margarino, P.M Sac und J.A de Sopis für eine Reise nach Italien handele, um weitere Violinisten zu rekrutieren.604 Die Wahrscheinlichkeit einer persönlichen Bekanntschaft von Negri und Beaujoyeulx scheint vor diesem Hintergrund doch äußerst groß. Vorausgesetzt, es handelt sich um den Tanzmeister Cesare Negri, stellt sich nochmals die Frage, warum er selbst seine Tätigkeit in Frankreich nicht nennt. Die relevanten Datierungen sind nicht mit anderen Informationen gefüllt, sondern der Autor lässt ‚biografische Lücken‛ an diesen Stellen. Zum einen, wie auch Tucker McGinnis andeutet, könnte es sich um ‚taktische Auslassung‛ handeln, um dem Potentaten, dem Negri sein Werk widmet, nämlich Philipp III., König von Spanien, das vorgelegte Werk besser anzudienen. Daneben oder gleichzeitig könnte es aber auch um eine Differenzierung der eigenen Tätigkeit gehen. Seine Tätigkeit als Violinist605 lässt er außen vor und betont in seinem Werk nur seine Tätigkeit als Tänzer und Tanzmeister. Dient diese Auslassung also gerade der Profilierung seiner Tanzprofession? Was lässt sich über Beaujoyeulx’ langjährige Tätigkeit und Stellung am Hofe konkret erfahren? „Baltazarini, eigentlich Baltasar de Beaujoyeux, auch ‚Sieur de Beaujoyeux’ genannt, kam um 1560 aus Piemont nach Paris und wurde von der Königin Katharina von Medici zum Intendanten der Hofmusik und erster Kammerdiener ernannt; noch 1582 nennt er sich ‚Valet de chambre du royal de la royne sa mère.‛ Er soll ein ausgezeichneter Geiger gewesen sein, ob auch Komponist, ist unerwiesen. Bekannt ist von ihm ein Ballet, doch sagt er in der Vorrede, dass die Musik von Girard de Beaulieu und Maistre Jacques Salmon sei. Er selbst war der Erfinder des Stoffes, La Chesnaye machte die Verse und Patin die Dekorationen. Die neue Ausgabe606 gestattet Jedem einen Einblick.“607 603 604 605

606

607

Siehe Beaujoyeulx mit Datierung vom 10.11.1560 und Negri vom 26.4.1560 datiert. Brooks 2000, a.a.O., Appendix 2, S. 515. Sein Namenszusatz Il trombone könnte, so auch Gino Tani, auf eine eigene Tätigkeit als Posaunist hinweisen. Julia Sutton geht hingegen davon aus, dass gerade der Namenzusatz darauf verweise, dass er kein Posaunist gewesen sei und Pamela Jones konstatiert vor diesem Hintergrund, dass der Namenszusatz möglicherweise unterstreiche, dass Negris Vater Posaunist war. Zu diesem Diskussionsstand siehe: Jones, Pamela: The relation between music and dance in Cesare Negri’ s Le Gratie d’amore (1602). Diss. London 1988 (maschinengeschrieben), S. 28. Eitner gibt hierzu an: „Neue Ausg. Von Weckerlin, Paris 187[ ]. Th Michaelis. 16 und 69 S. Kl.-Auszug. (In der Wiener freien Presse 1868 beschreibt es Schelle ausführlich,auch Weckerlin in seinem Kat. 304ff“. Aus: Eitner, Robert: Biographisch-bibliographisches Quellenlexikon der Musiker und Musikgelehrten. Bd. 1. 1900, S. 110. Gemeint ist hier: Le Balet comique. In: J.-B. Weckerlin, Chefs d’œuvres classiques de l’opéra française, Série III, Paris 1882. Eitner beruft sich hier auf Fetis. Dort heißt es: „Baltazarini, musicien italien, connu en France sous le nom de Beaujoyeux, fu le meilleir violon de son temps. Le maréchal de Brissac l’amena du Piémont, en 1577, à la reine Catherine de Médicis, qui le nomma intendant de sa musique, et son premier valet de chambre. Henri III, le chargea de l’ordonnance

142

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Hier werden einige Tätigkeitsfelder für Beaujoyeulx genannt: Er habe als „erster Kammerdiener“, „Intendant der Hofmusik“ und „ausgezeichneter Geiger“ gewirkt und Feste angeordnet; darüber hinaus sei er Erfinder des Stoffes608 des balets comique gewesen. Der Hinweis, dass Beaujoyeulx u. a. in den Diensten Caterinas als valet de chambre stand, zuvor und im Anschluss an diese Tätigkeit auch in den Diensten weiterer Mitglieder des königlichen Haushaltes, kann als gesichert angesehen werden. Seit 1559 wird er in den jeweiligen Gehaltslisten der königlichen Haushalte aufgeführt.609 Jean-François Dubost weist darauf hin, dass wohl die meisten immigrierten italienischen Musiker eher in ihrer sozialen Stellung als valet de chambre denn als Musiker Erwähnung finden.610

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609

610

des fetes de la cour; il s’acquilta longtemps de cet emploi avec intelligence. C’est lui qui concut le plan du spectacle dramatique melé de musique et de dansequ’il a fait imprimer sous le titre de Balet comique de la royne, faict aux nopces de M. le duc de Joyeuse et de mademoiselle de Vaudemont, rempli de diverses devises, masquerades, chansons de musique et autres gentillesses. Paris, Adrien Le Roy et Robert Ballard, 1582, in 4°. Toutefois la musique de cette pièce ne fut pas composée par lui; car il dit dans sa préface que Beaulieu et Maistre Salmon, musiciens de la chambre du roi, furent chargés de cette partie de l’ouvrage.“ Der hier genannte Untertitel rempli de diverses devises, masquerades, chanson de musique et autres gentillesses wird ansonsten nirgendwo vermerkt, zumindest nicht in denen für die vorliegende Arbeit eingesehenen Originalen und Faksimileausgaben. Zumal der zusätzliche Verweis auf die Devisen sowie der auf Maskeraden besonders interessant wäre. Aus: Fétis, François-Joseph: Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique. 1. Bd. Paris (1834/35) ²1866/68, S. 232. Im biografischen Lexikon bei Michaud von 1843 findet sich dieser Hinweis nicht. Dort heißt es: „Baltazarini, musicien italien, fut célèbre en France sous le nom de BEAUJOYEULX. La reine Catherine de Médicis, à qui il avait été envoyé du Piemont, comme l’un des virtuoses le plus distingués sur le violon, le nomma son premier valet de chambre, et le mit à la tete de ses musiciens. Henri III, en lui confiant l’intendance de sa musique, le chargea de l’ordonnance des fetes de la cour, place qu’il remplit longtemps avec beaucoup d’intelligence. On a imprimé le detail d’une de ces fetes brillantes, sous le titre de Ballet comique de la royne, faict aux nopces de M. le duc de Joyeuse et de mademoiselle de Vaudemont, Paris, 1582 in-4°. Cette fete fut donné le 15 octobre 1581.“ Hier zitiert nach: Biographie universelle ancienne et moderne [Document électronique ND d. Ausg.]: historie par ordre alphabétique de la vie publique et privée de tous les hommes […] 2. Bd. [Anhalt C. – Balze]. Hg. v. M. Michaud. Paris 1843, S. 690f. (FRBNF37291397), als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k51642t.r=Biographie+universelle+ancienne+et+m oderne+michaud+2.langEN (letzter Zugriff Juli 2010). Zur Auseinandersetzung um die Urheberschaft des Stoffes siehe Yates, Frances: The French Academies of the sixteenth century. Nendeln 1973 (ND der Ausg. London 1947), S. 254ff. Hierbei wird Beaujoyeulx in den Jahren 1565, 1574(?), und 9.3.1582 als violon oder viollon de la chambre bezeichnet, ansonsten ist die Bezeichnung für ihn die eines valet de chambre. Siehe Brooks 2000, a.a.O., S. 421f. Siehe Dubost 1997, a.a.O., S. 44 sowie die tabellarische Auflistung, die für die Jahre 1560– 1573 die Zahl von 14 valets, hingegen den Wert 0 für die artistes-médecins und für die Regierungsjahre Henris III. (1574–1589) 13 valets und immerhin 15 artistes-médecins ausweist.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

143

„Gehaltslisten und Sonderzahlungen für „Balthazar de Beaujoyeulx [Beaujoyeux, Beaujoieux, Boisjoieux]“ 611 Source F-Pn Cinq cents de Colbert 7, fol. 103r

Source Type Date Etat de maison, 1559 Marie d’Ecosse

Notes Yearly wages612

F-Pan KK 127, fol. 2301

Treasury accounts, François II

Gift in favour of Catherine de Medici ‚pour l’aider à trouver un convenable parti de mariage‛ Purchase of cloth for costumes for fêtes de Bayonne Yearly wages

F-Pan KK 130, fol. 287v

Accounts of the argenterie, Charles IX F-Pn fr. 23946, Etat de maison, fol. 1v C. de Médicis F-Pn fr. 21479, Accounts for fol. 121r second half of year, Catherine de Médicis F-Pn 23944, pièce Receipt 54

F-Pn Cinq cents de Colbert 7, fol. 210v F-Pan KK 134, fol. 29r F-Pn Clair. 233,

611 612

Identification Amount valletz de 180 l chambre, viollon du roy 10. Nov. valet de 1250 l 1560 chambre ordinaire de la royne 1565

viollon

1566

valet de chambre July-Dec valet de 1566 chamber

3 Mar 1567

Etat de maison, 1569 Catherine de Médicis Etat de maison, 1572 Charles IX. Treasury ac31.Aug

180 l 90 l

Record of disbursement of wages for half year

valet de chambre de la royne mere valets de chambre

90 l

Payment of wages for July and October quarters 1566

180 l

Yearly wages

valets de chambre valets de

240 l

Yearly wages

500 l

Gift

Tabelle übernommen aus: Brooks 2000, a.a.O., Appendix 2, S. 421f. Die angegebenen Summen waren in livres tournois angegeben, einer Währungseinheit deren Wert im Verhältnis zu einem bestimmten Gewicht von Gold und Silber gemäß königlicher Verordnung. Der Wert der Geldstücke wurde in livres tournois oder in Anteilen von livres ausgedrückt, wobei 20 sols einem livre und 12 deniers zu einem sol (oder 240 zu einem livre) galt. Im Rahmen der Geldreform die zum 1.1.1578 griff, wurden diese Werte verändert und an den écu d’or (dann gewertet als 3 livres tournois) angepasst, sodass ein livre tournois sozusagen ein Drittel eines ecu galt. Siehe hierzu Zeller, Gaston: Les institutions de la France au XVIe siècle. Paris 1948, S. 239–41; Potter, David: A history of France. 1460–1560: the emergence of a nation State. London 1995.

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

144 p. 3509

counts, Charles IX.

1572613

F-Pn 26171, fol. 295v

List of household members for mourning cloth

? 1574

F-Pn 26171, fr. 7007, fol. 109v F-Pn 20614, fol. 57r

Etat de maison 1575 Henri III Etat de maison, 1578 Françoise d’Anjou Treasury ac1580 counts, Françoise d’Anjou

F-Pan KK 238, fol. 187r

chambre [du roy] et de la royne sa mere violon de chamber

240 l

On list of violinists provided with mourning dress, prob. for Charles IX.614 Yearly wages

vallets de chambre

200 l

Yearly wages

aultres valets de chamber

66e 2 tiers

Payment owed to him for yearly wages for 1580, not paid ‚laulte de londz‛ Yearly wages assigned to Beaujoyeux and his son Charles ‚pere et fils à survivance‛ Payment of wages for January quarter 1582, ‚tant pour ses gaiges que pour sa despense à cause de sondict estat‛ Payment of wages for year 1582, listed as ‚pere et filz à survivance‛ with his son Charles

F-Pn Clair. 1216, fol. 62v

Etat de maison, Ca. Catherine 1580–85 de Médicis

valets de chambre

180 l

F-Pn 7835, pièce 24

Receipt

9 Mar 1582615

viollon de la chamber

30 e 10 sols

F-Pan KK530/15, no.11

Fragment of treasury accounts, Catherine de

1583

613

614 615

60e

Vgl. hierzu die zeitnahe Aufführung Le paradis d’Amour (La Defense du Paradis) am 20.8.1572, ein allegorisches Spiel, bei dem Charles IX. und seine Brüder den Eingang zum Paradies zu kämpferisch zu verteidigen hatten, begleitet vom Gesang Etiennes Le Roy. Dieser, vom ‚Himmel‛ herabsteigend, wird durch ein ballet, ausgeführt von zwölf Nymphen, umrahmt. Aufgeführt anlässlich der Hochzeit von Henri de Navarra und Marguerite de Valois, vier Tage vor der sog. ‚Bartholomäusnacht‛. Eine choreografische Beteiligung von Beaujoyeulx am Le paradis d’Amour wird seit langem vermutet. Die vorliegende Zahlung an Beaujoyeulx vom 31.8.1572 in der doch beachtlichen Höhe von 500 l macht seine Beteiligung an maßgeblicher Stelle des Festereignisses wohl noch wahrscheinlicher. Dieser stirbt am 30.5.1574. Im Februar 1582 erscheint das balet comique de la royne als Druckfassung.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

F-Pn fr. 21451, fol. 367r

Médicis Etat de maison, 1583 Catherine de Médicis

145

valet de chamber

180 l

F-Pn Dupuy 489, fol. 14r

List of Henri III’s household members to be retained with wages

1584

vallet de chamber

F-Pan KK 138, fol. 41r

Etat de maison, 1584 Henri III

valet de chamber

F-Pan KK 116, fol. 32r

Etat de maison, 1585 Catherine de Médicis Fragment of ca. treasury roll, 1585–87 Henri III

vallets de chambre

60e

violon de chambre

30e 28 sols

F-Pn fr. 26171, fol. 163r

Yearly wages assigned to Beaujoyeulx nd his son Charles ‚pere et fils à survivance‛ Among valets de chambre ‚reduictz avec recompense‛: cut from household état but continuing to enjoy exemption from taxes for life To enjoy privileges of maison without payment616 Yearly wages ‚pere et fils à survivance‛ with his son Charles Order for payment with 18 other violinists of wages and upkeep for one quarter (based on wages of 66 e 2 tiers per year, 20 sols per day entretenement)

Konkret geht aus diesen Angaben hervor, dass Beaujoyeulx bereits für Maria Stuart, François II., Charles IX., François d’Alençon-d’Anjou, Caterina de Medici sowie Henri III. tätig war.617 Nach den Quellen, die Jeanice Brooks ausgewertet

616

617

Vgl. auch Handy, die für 1584 mit Bezug auf AN, KK 139, fol. 39v–41, den Eintrag angibt: „inscrit dans une rubrique pour ‚jouyr seullement des privileiges et sans gaiges‛ parmi de chambre.“ Aus: Handy 2008, a.a.O., S. 435. Siehe Brooks 2000, a.a.O., Appendix 2, S. 421f. und F-Pn (Paris, Bibliothèque nationale) Table des ordonnances et estats des maisons des roys, reynes, dauphins, enfans et autres princes de Frances [...], II, 1499–1655, Ms. Fr. 7856, S. 1238, 1318, 1399; auch Lettres de Catherine de Médicis, Imprimerie Nationale, 1909, X, S. 535; auch Clair, Officiers des maison des roys, reynes, enfans de France et de quelque prince du sang, V, n. 836, S. 295; Recueil de quittances signées par des musiciens et maistres de chapelle de rois de France (1471–1680), Ms. Fr 7835, S. 24, hier zit. nach Dellaborra: 1999, a.a.O., S. 36 und Anm. 24 und 25. Siehe ferner Archives Nationales, Minutier Central des notaires parisiens, Etude

146

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

hat, kann davon ausgegangen werden, dass Beaujoyeulx noch bis ca. 1587 im Haushalt Henris III. als Violon de la chambre, daneben zuvor viele Jahre als valet de chambre, geführt wird.618 Zuletzt wird er als Bediensteter im Haushalt der Königin und als Écuyer e Seigneur des Landes619 geführt. Den Gehaltslisten ist ferner zu entnehmen, dass 1585 der Name von Beaujoyeulx das letzte Mal mit dem Hinweis erscheint, dass sein Sohn Charles als valet de chambre620 im Haushalt Caterinas mindestens seit 1580 übernommen worden sei.621 Auch verwies Isabelle Handy jüngst darauf, dass Beaujoyeulx auch eine Tochter namens Diane hatte, die am 18.Mai 1583 Charles de Pierrevive, gentilhomme servant de feue Madame fille de France622 heiratete.623 Sie selbst war als demoiselle d’honneur von Françoise d’Orléans, duchesse d’Enghien.624 Die lange Dienstzeit von Baltasar de Beaujoyeulx von ca. 28 Jahren ist bemerkenswert. Es gibt keine genaueren Angaben über seinen Tod, wenngleich er wohl vor 1595 verstorben ist.625 Was ist über die tänzerischen Strukturen im Umfeld von Beaujoyeulx zu erfahren? Katherine Tucker McGinnis kommt auf der Grundlage von Handbüchern, Korrespondenzen und Archivmaterial auf die Zahl von 134 italienischen „dancing masters“, die im 16. Jahrhundert aktiv waren: „They became more specialized, and there was, therefore, a greater diversity od types of positions and of career paths.“626 Einige von Ihnen, die meisten aus Mailand, fanden zeitweise

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XC 127 (Geschenk des Königs am 21.8.1572) und 133 (Transaktion mit Louis d’Angennes-Maintenon am 16.3.1580). Zum Quellenwert der von Brooks zugrunde gelegten Angaben, die mit denen in sog. Dienerbüchern – hier verstanden als Amts- oder Geschäftsbüchern, angelegt zum Überblick über die herrschaftlichen Amtsträger und deren Besoldungszahlungen – vergleichar sind, siehe die Ausführungen von Eberlein, Miriam: Dienerbücher. In: Serielle Quellen in südwestdeutschen Archiven. Hg. v. Christian Keitel und Regina Keyler. Stuttgart 2005, S. 13– 21. Boucher kommentiert dies mit dem Hinweis „Il est dfficile de situer cette seigneurie.“ Aus: Boucher 1981, Bd.2, a.a.O., S. 610. Charles erste Nennung erfolgt 1580 im Etat Caterinas als „pere et fils à survivance“. Nach: F-P Clair 1216, fol 62v. Hier nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 422. Charles taucht hier also bereits als Gehaltsempfänger auf. Dies bestätigen auch die Untersuchungen von Isabelle Handy. Siehe: Handy 2008, a.a.O., S. 354 und 542. Siehe auch die Angaben bei Dellaborra 1999, a.a.O., S. 36. Handy 2008, a.a.O., S. 435, hier Anm. 1. Siehe Handy 2008, a.a.O., S. 308. Leider gibt Isabelle Handy nicht detailliert die Quelle dieses Hinweis an. Siehe Handy 2008, a.a.O., S. 435, hier Anm. 1. Wahrscheinlich ist, dass seine Frau, Anthoinette de Grenel (oder: Grevel), sich 6.2.1595 wieder verheiratete mit Jehan de Rueil, escuyer, seigneur Desmarestz. Siehe APN, Y, 134, S. 244. Écorcheville, Jules: Actes d’État Civil de Musiciens Insinués au Châtelet de Paris (1539–1650). Publications de la Société Internationale de Musique. Paris 1907, S. 13 (mit Bezug auf AN, Y 134, fol. 244). Siehe auch: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 372 sowie Dellaborra 1999, a.a.O., S. 36, Anm. 30 und Brooks 2000, a.a.O., S. 107. Tucker McGinnis 2004, a.a.O., S. 277.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

147

oder für viele Jahre den Weg an den französischen Königshof. Jacqueline Boucher geht für den Valois-Hof davon aus, dass 28% der Sänger, 47% der Instrumentalisten, 76% der Violinisten und 100% der Tänzer Italiener gewesen seien.627 Neben Negris Le Gratie d’Amore (1602), stellen die Rime von Giovanni Paolo Lomazzo, welche im dritten Buch in zwei Texten Tanzmeister erwähnen, eine interessante Quelle dar. Giovanni Paolo Lomazzo (1538–1600) stammte auch aus Mailand und war ein Maler, der jedoch im Alter von 33 Jahren erblindete. In seinem 1587 publizierten siebenbändigen Werk Rime di Gio. Paolo Lomazzo628, gibt der Autor mehrfach auf sein Hauptanliegen, nämlich den Künsten wieder zu Ansehen zu verhelfen, an.629 Die meist rühmliche Beschreibung und Charakterisierung der von ihm Portraitierten ist hierbei deutlich von persönlichen Erlebnissen aus Lomazzos Leben und seinem subjektiven Blick geprägt.630 Mit Konzentration auf das dritte Buch, in welchem Lomazzo Bezug auf einige zeitgenössische italienische Tänzer nimmt, stellt Dorothea Scholl heraus, dass die meisten Gedichte dieses Bandes „vorwiegend Visionen von verschiedenen Persönlichkeiten aus dem Alltag, den Künsten und den Wissenschaften sowie bestimmte – vor allem negative – Charaktereigenschaften dargestellt.“631

Nachdem er Pompeo Diobono als mastro di balli sowie einige andere italienische Tanzmeister wie Girolamo, Gallino, l’Padvello (Palvello?), Senza naso Martin (wahrscheinlich: Martino d’Asso)632, Giovanni Ambrosio Valchiera633 und Il Trombone, die nach Frankreich gingen, erwähnt634, schreibt er im Libro Terzo de i Grotteschi: „Et le mosche d’Italia in un poppa 627

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Boucher 1981, Bd.2, a.a.O., S. 564 und dies. 1986, a.a.O., S. 101. Zuletzt auch McGowan, Margaret M.: Dance in Sixteenth and Early Seventeenth-Century France. In: Nevile, Jennifer (Hg.): Dance, spectacle, and the body politick. 1250 – 1750. Bloomington u.a. 2008, S. 94–113, hier S. 98. Lomazzo, Giovanni Paolo: Rime ad imitazione de i grotteschi usati da' pittori : con la vita del auttore descritta da lui stesso in rime sciolte . Hg. v. Alessandra Ruffino. ND der Ausgabe Mailand 1587. Manziana (Roma) 2006. Lomazzo 1587, a.a.O., S. 121 sowie S. 131 und S. 137. Hier zit. nach: Scholl, Dorothea: Von den"Grottesken" zum Grotesken: Die Konstituierung einer Poetik des Grotesken in der italienischen Renaissance. Habil. Münster 2004, S. 528. Scholl 2004, a.a.O., S. 528. Scholl 2004, a.a.O., S. 529. Siehe Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 368. Negri beschreibt Valchieras Tätigkeit in Flandern und Savoy und spricht über dessen Schule in Mailand – Valchiera französische Amtszeit bleibt aber von Negri unerwähnt. Siehe: Tucker McGinnis 2001, .a.a.O., S. 337. Lomazzo 1587, a.a.O., S. 541. Siehe auch: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 336.

148

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Volando in francia, per veder i ragni Travaro un can che un lupo haveva in groppa. In presenza di tutti li guadagni, Che partioriro il nome di pedante; Di cui tanto si prega ogni forfante.“635

Wenig schmeichelhaft beschreibt Lomazzo hier, dass die Tänzer, gelockt wie die Fliegen ins Netz der Spinne, auf der Suche nach Ruhm und Glück Italien in Richtung Frankreich verlassen hätten.636 Auch wenn Jal 1872 in seinem dictionnaire critique de biographie et d’histoire angibt, nicht genau eruieren zu können, seit wann es danseurs ou Baladins am Valois-Hofe gegeben habe637, gibt Prunières an, dass mit Charles VIII. (1470–1498) die italienischen Tanzmeister den Weg nach Frankreich gefunden hätten: „Les rudes compagnons de Charles VIII et de Louis XII chevauchèrent à travers l’Italie sans rien voir des merveilles qui s’offraient à leurs regards indifférents. Ils regrettaient la France, trouvant le temps chad et le vin aigre […] Seule, le magnificence des fêtes donnés en leut honneur exerça sur eux quelque attrait.“638

Jal verweist er auf Einträge aus dem Jahr 1559 des Haushaltes François II., in denen je 80 und je 90 livres vergeben worden seien an „Marc Antoine, balladin pensionnaire en la maison du Roi.“639 Auch der Mailänder Virgilio Bracesco (Virgile Bracesque)640 wird einige Male unter dem Titel Baladin du roi oder Baladin de Sa Majesté oder danseur du roi genannt, wofür er 100 livres als Gage eines halben Jahres bekommen habe. Auch unter Charles IX. setzt dieser seine Tätigkeit, jetzt aber als maître à danser de François II et de son frère fort. Laut Negri begleitet Virgilio Bracesco dann Elisabeth 1560, diese Ehefrau des spanischen Königs Philipp II.,

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Hier zit. nach Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 276. Lomazzo, der die literarische Groteske vor allem als Waffe gegen die überheblichen und arroganten „Pedanten“ nutzen will, die er als groteske Wesen mit Ratten- oder Eulenphysionomie, die schreien und gackern, darstellt und deren Lebensweise, Verhalten und Reden er karikiert. Hierbei macht die Pedantensatire in seinem vierten Buch auch vor anderen Dichtern nicht Halt, vor jenen nämlich, die sich als petrarkische verstehen. Hier nach Scholl 2004, a.a.O., S. 530, S. 531 und S. 535. Siehe hierzu die Synpose Les Baladins et Violonistes de L’Écurie et de la Chambre bei Handy 2008, a.a.O., S. 433–448. Prunières 1975, a.a.O. Jal, Auguste: Dictionnaire critique de biographie et d’histoire: errata et supplément pour tous les dictionnaires historiques d’après des documents authentiques inédits. Bd.1. Paris 1872, S. 97. Mit Bezug auf Jals Artikel baladins en titre d’office in seinem Dictionnaire critique de biographie et d’histoire (1767) findet sich eine kurze Darstellung seiner Person in: Anonymus (P.-M.B.): Virgilio Bracesco, ‚baladin‛ des Valois. In: Revue du seizième siècle: publications de la Société des études rabelaisiennes. Bd. 12. Paris 1925, S. 401–402.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

149

nach Spanien.641 Er heiratet 1566 und stand 1585 als valet de chambre in den Diensten des Herzogs von Orléans, seinen Dienst am französischen Hof vervollständigend.642 Er soll eine Pension in Höhe von 200 livres bezogen haben.643 Jal nennt auch einen „Jullian Le Maistre, Balladin dud. Seig. en sa grande escurie, 240 liures tourn. Pour ses peines et dépenses pendant l’annee 1559 qu’il a montré à baller et voltiger aux paiges de lad. grande escurie (Juillet 1560).“644 Ebenso wird der bereits erwähnte Mailänder Pompeo Diobono645 als Balladin et vallet de chambre für das Jahr 1560 aufgeführt.646 Der Dichter Lomazzo erweist Pompeo Diabono besondere Referenz, wenn er sagt: „Tra molta gente que danzando giva, Vidi il raro Pompeo Diobone.“647 Darüber hinaus wird ein gewisser Giovanni Pietro 641

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Negri sagt über Virgilio Bracesco: „Virgilio Bracesco aus Mailand. Auch er tanzte für ihn und unterrichtete den König von Frankreich, Heinrich II., im Tanz, wie auch dessen älteren Sohn, den Dauphin, der später als Franz II. zum König gekrönt wurde.[...] All die Vergütungen und Posten (‚prouisioni e piazze’), die ihm vom König verliehen worden waren, wurden gütigerweise auch von seinen Nachfolgern bestätigt. Er ging mit Ihrer Durchlaucht, der Königin und Gemahlin unseres großmächtigen Königs Philipp II. Schwester Heinrichs III., König von Frankreich, schließlich nach Spanien, wo er mit Gewandtheit und Leichtigkeit vor seiner Majestät tanzte. Ihm wurde deswegen großes Lob (‚lode‛) zu teil.“ Hier zit. nach der dt. Ausgabe von: Garski, Brigitte: Cesare Negri: Le gratie d’amore. Deutsche Erstübersetzung der Ausgabe Mailand 1602. Hg. v. W. Salmen. Hildesheim u. a. 2003, S. 12. Zu seiner Heirat 1566, während seiner Zeit in Frankreich, erhält Bracesco ein ‚Geschenk‛ des damaligen Herzog d’Anjou, dem späteren Henri III., von 1000 livres. Hier nach Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 375. Siehe diesen Hinweis bei Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 367. Aus: Revue du seizième siècle: publications de la Société des études rabelaisiennes. Bd. 12. 1925, a.a.O., S. 402. Jal 1872, 1. Bd., a.a.O., S. 97. Picot geht davon aus, dass Le Maistre mit Brissac nach Frankreich gekommen sein, siehe: Picot 1995, a.a.O., S. 173, 182f. Diobono, den Negri als einen herausragenden Tänzer (ballarino) schildert, sei sein Lehrer gewesen und nach seiner Abreise 1554 nach Frankreich am Hofe Henri II. mit der „Ausbildung des zweiten Sohnes Charles Duc d’Orleans“ beauftragt gewesen. Auch hier lässt sich die Ämtervergabe à la survivance beobachten, da es heißt, über Charles IX. Tod hinaus habe Henri III. „alle Zuwendungen und Pensionen, und das nicht nur für die Dauer seines Lebens, sondern auch für seine Söhne (bestätigt)“. Hier zit. nach der dt. Ausgabe von: Garski 2003, a.a.O., S. 12. Zu Dibono in den Diensten der Valois siehe auch Dubost 1997, a.a.O., S. 449 mit dem Hinweis einer Tätigkeit als „maître à danser d’Henri III“. In den von Brooks ausgewerteten Quellen zu Zahlungen an Musiker am Hofe der Valois finden weder Diobono, noch Bracesco, Gallino oder Giera Erwähnung. „A Pompée Diebon, millanois, Balladin et vallet de chambre de Messeigrs dorleans et dangoulesme, 250liu. tourn. en faueur de ses seruices auprès desd. Seigneurs. (22 oct. 1560)“. In: Jal 1872, a.a.O., S. 98. Siehe die Angaben hierzu bei Negri: „Als Tänzer wurde er (Pompeo Diobono. A.W.) mit 200 Francs besoldet und als Kammerherr mit 260 Francs , dazu noch 1000 Franc für die Pension und 160 Francs für die Kleidung.“ Hier zit. nach der dt. Ausg. Von: Garski 2003, a.a.O., S. 12. Diese Besoldung liegt etwas über der von Beaujoyeulx, vgl. die Angaben bei Brooks 2000, a.a.O., S. 421f. „Di Pompeo Diobono“. In: Rime di Gio. Paolo Lomazzo. Libro terzo dei grottesche. Hier zit. nach Tucker McGinnis 1999, a.a.O., S. 165, S. 167.

150

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

(oder:Giampietro) Gallino (Jean Pierre Gallin), gleichfalls aus Mailand stammend, genannt: „Balladin des paiges de S.M. 60 ecus sol tant en considération des seruices qu’il a faict depuis vingt ans en ça (il était donc attaché à la place de Le Maître) tant à sa dicte Majesté qu’à ses prédécesseurs Roys, que pour luy aider à auoir ung cheval pour s’en aller à la ville de Milan dont il est natif, et subuenir à la despense qu’il lui conuiendra faire en son dict voyage.(8 octobre 1580).“648

Gallino erscheine, so Jal, wieder 1584 (bis 1650, nach 1608 unter dem französisierten Namen Pierre Gallain) in den Etats des officiers de la Maison du Roi, aber als Baladin de Sa Majesté und nicht weiter als maître de danse des pages649. Sein Nachfolger soll in diesem Amt „Francisque ou François de La Gère“ (ehemals Francesco Giera) gewesen sein. Laut Negri waren Virgilio Bracesco und Giovanni Francesco Giera (auch: Delagère) die erfolgreichsten unter den italienischen Tänzern, wobei Bracesco sowohl Henri II. wie auch seinem Sohn François II. diente und die französische Prinzessin Elisabeth anlässlich ihrer Heirat 1566 nach Spanien begleitete, um schließlich 1585 als valet de chambre in den Diensten des Herzogs von Orléans zu stehen. Giovanni Francesco Giera war selbst Schüler von Negri und diente Henri III. für zwanzig Jahre, sowohl während der kurzen Regierungszeit in Polen als auch später in Frankreich, wahrscheinlich ist in dieser Zeit auch seine Tätigkeit als baladin des pages de la chambre du roi.650 648

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Jal 1872, 1. Bd., a.a.O., S. 98. So findet sich auch in Dubost 1997, a.a.O., S. 450, auf Grundlage der Angaben bei H. Prunières, die Nennung von Gallin mit dem Hinweis „danseur et baladin des pages de la maison d’Henri III (1580).“ Auch findet sich ein Hinweis, dass Jehan Pierre Gallin als „balladin des paiges“ nach 1580 die Summe von 60 écus erhalten habe. Nach: Cimber, M.L., Danjou, F. (Hg.): Archives Curieuses de L‚Histoire de France depuis Louis XI jusqu’a Louis XVIII. 10. Bd. Paris 1836, S. 430. Jal 1872, 1. Bd., a.a.O., S. 98. Auch Lomazzo erwähnt Gallina aus Mailand, welcher, folgt man Tucker McGinnis, einer weit verzweigten Familie innerhalb Frankreichs angehörte. Siehe TuckerMcGinnis 2001,a.a.O., S. 373, auch Picot 1995, a.a.O., S. 183 und Dubost, der ihn als „danseur et baladin des pages de la maison d’Henri III“ für das Jahr 1580 erwähnt. In: Dubost 1997, a.a.O., S. 449. Gallin erhält 1580 ein ‚Geschenk‛ durch den König in Höhe von 60 écus, um ein Pferd für eine Reise in sein Heimatland Italien zu finanzieren. Siehe auch Boucher 1981, Bd. 2, a.a.O., S. 565. Obwohl es einige Erwähnungen zu Gallin, einschließlich Lomazzoss Quelle gibt, erwähnt Negri ihn nicht. Dies ist besonders erstaunlich vor dem Hintergrund, da sich der Hinweis findet, dass Gallins Reise nach Italien eine „à la ville de Milan dont il est natif“ gewesen sei. Diese Angabe in: Jal 1872, 1.Bd., a.a.O., S. 98. Siehe nach Tucker McGinnis 1999, a.a.O., S. 165 und S. 377. Boucher zitiert mit Bezug auf J. Écorcheville einen Heiratsvertrag vom 4. Juli 1581 anlässlich der Hochzeit Gieras mit Vincence de Macé, Tochter von Nicolas de Mace, écuyer, archer des gardes du Roi sous la charge du Seigr de Clermont Dentragues und Barbe Auguesse. Die verwitwete Mutter der Braut, nämliche Barbe Auguesse, handelte in diesem Hochzeitsvertrag sogar aus, dass „de la Gère, for 800 écus, acquired the rights to her late husband’s succession.“ Zudem erhielten Braut und Mutter vom König, wohl im fürsorglichen Sinne, die Summe von 1000 écus als Geschenk.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

151

Deutlich wird, dass die Angaben bei Jal, unter abweichender Quellenlage, mit denen bei Negri korrespondieren, sich aber auch möglicherweise direkt auf diese beziehen. In Ergänzung zu den bereits Genannten werden von Dubost noch ein Francisque de La Serre als baladin d’Henri III und ein Bernard Teton als baladin ordinaire d’Henri III (1582) erwähnt.651 Negri nennt zudem noch Lodovico Padoello di Padova: er habe „sehr viel vor dem König Frankreichs und Polens, Heinrich II.652, getanzt und kehrte, so sagt man, mit Geschenken beladen nach hause zurück. Seine Fähigkeiten waren grenzenlos und die Schnelligkeit seiner Beintechnik unübertroffen.“653

Es wird deutlich, dass die meisten Tänzer am Valois-Hof aus Mailand kamen.654 Auch dies legt einen persönlichen Kontakt zum Tanzmeister Cesare Negri besonders nahe. Da Mailand, seit 1522 von Spanien abhängig, ein stetiges Streitobjekt zwischen Frankreich und Spanien war, liegt zudem die Vermutung nahe, dass die genannten Tänzer nicht zufällig aus Mailand stammten.655 Herausragende Künst-

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Hier zit. nach: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 378. Zum Quellenbezug auf Écorcheville siehe Boucher 1981, Bd. 2. a.a.O., S. 613. Auch bin ich in einem Dokument aus Cadore im norditalienischen Venetien aus dem Jahr 1630 mit dem Titel „Dal Laudo del’Hon.do Commun die Candide fatto l’anno 1630“ auf einen „Sig: Franciesco Giera Fig[lio]“ gestoßen. Die Laudi regelten die Verwaltung der gemeinsamen, aber ungeteilten Güter einer Gemeinde. Ob es sich hierbei um einen Verwandten des benannten Tänzers F. Giera handelt, bleibt ungeklärt. Aus: Fabbiani, Giovanni: Breve storia del Cadore. o.O. (Cadore) ²1977, o.S. Dubost 1997, a.a.O., S. 450. Auch findet sich bei Cimber im Jahr 1836 ein Hinweis, dass La Serre nach 1580 unter Henri III. als balladin des pages 100 livres erhalten habe. In: Cimber 1836. 10 Band, a.a.O., S. 431. Hier scheint ein Fehler bei Negri vorlzuliegen, da es hier ‚Heinrich III.‛ heißen muss. Hier zit. nach Garski 2003, a.a.O., S. 12. Siehe auch bei Michael Malkiewicz den Hinweis zu Padoellos choreografischer Tätigkeit und seinem Aufenthalt als Tänzer in Frankreich zwischen 1559 und 1574: Malkiewicz, Michael: Fabritio Caroso: Il Ballarino (Venetia 1581). Studien zu Leben und Werk eines Tanzmeisters des 16. Jahrunderts. Salzburg 2001, S. 52. Negri nennt fünf aus Mailand stammende Tänzer am französischen Hof, nämlich Virgilio Bracesco, Giovanni Francesco Giera, auch Giovanni Ambrosio Valchiera und Pompeo Diabono. Negri nennt ferner Lodovico Palvello, ohne Angaben über seine Herkunft vorzunehmen. Der Dichter Gio. Paolo Lomazzo (1587) nennt Diobono, Valchiera, Padvello [Palvello?], Girolamo, Gallino, Martin und Il trombone (wahrscheinlich Negri), und Émile Picot in Italiens en France (1995) weist aus: Bracesco, Giampietro Gallina [Gallino] de Milan, Pietro Bozzone, Beaujoyeulx, Marcantonio, Julien Le Maistre, Giacomo Mario, Pompeo Dichon or Diccioni [wohl Diobono] und Negri. Dubost (1997) schließlich nennt Diabono, Gallin[o], Beaujoyeulx, Francisque La Serre und and Bernard Teton. Hier nach: Tucker McGinnis 1999, a.a.O., S. 165. Obwohl die Mehrheit der mailändischen Tänzer als Migranten nach Frankreich ging, waren auch andere Höfe attraktiv: So dienten Negris Schüler auch dem Herzog von Lor-

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

ler aus Mailand für die Tätigkeit am Valois-Hof durch Anwerbungen wie die des Marschall Brissacs gewinnen zu können, kann auch gleichzeitig als Machtdemonstration gegenüber dem spanischen Potentaten gedeutet werden.656 Wenn Jal für das Ende des ersten Drittels des 17. Jahrhunderts versucht, das Tätigkeitsprofil der „baladins“ von dem der „maître de danser“ abzugrenzen, eröffnen sich dabei interessante Details: „[…] les danseurs comiques retinrent le nom de Baladin, quand les danseurs qui enseignaient la danse sans figurer sur les théâtres de la cour prirent le titre de Maître de danse.“657 Die Beschreibung des Tanzmeisters, dessen erste Aufgabe somit zuvorderst in der Tanzvermittlung besteht, erfährt unter dem gesonderten Eintrag Maitres a danser bei Jal eine weitere, entscheidende Differenzierung: „Ils (Maître a danser. A.W.) faisaient partie de la corporation des joueurs d’instruments, et exerçaient sous l’autorité du Roi des violons.“658 Diese Umschreibung würde den Angaben zu Beaujoyeulx als herausragender Geiger, seiner Auflistung in den Gehaltslisten als valet de chambre659 und violon also durchaus entsprechen. Beaujoyeulx könnte demnach als ein Tanzmeister beschrieben werden. Tanzmeister und Vortänzer steuerten bereits seit dem Mittelalter maßgeblich tänzerisches und gesellschaftliches Verhalten mit. Mythologisch gesehen galt die Muse Terpsichore, die die Regeln des ‚kultischen Tanzes‛erfunden haben sollte, als erste Tanzmeisterin der ars saltatoria660. Realiter lassen sich über Jahrhunderte hinweg allerdings ausschließlich männliche Tanzmeister finden: Bereits seit dem 13. Jahrhundert ist die Tätigkeit von „Vortänzern, Tanzbuben, Tanzladern und

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raine in Flandern, dem Großherzog von Polen sowie dem Erzbischof von Köln, einem Bruder des Herzogs von Bayern und nicht zuletzt Rudolf II. am Prager Hof. Siehe Tucker McGinnis 1999, a.a.O., S. 168. Auch Dubost deutet diese Überlegung, hier mit Bezug auf Habsburg, an. Siehe Dubost 1997, a.a.O., S. 65. „C’est lui qui réglait les ballets, composait les pas et les figures, arrangeait les bals et les fêtes où la danse devait avoir sa part; danse grave, mesurée, rarement leste, alerte et élevée, dont le caractère noble convenait à la dignité des princes, et la grâce à l’élégance d’une cour polie. Dans les mascarades, une danse plus vive et un peu plus folle était admise sans doute, et les pas principaux en étaient exécatés peut-être par Virgile, d’où les danseurs comiques retinrent le nom de Baladin, quand les danseurs qui enseignaient la danse sans figurer sur les théâtres de la cour prirent le titre de Maître de danse. “ Aus: Jal 1872, 1. Bd., a.a.O., S. 97. Jal 1872, Bd. 2, a.a.O., S. 823. Brooks unterscheidet hierbei das Amt des valet de chambre, das während der Regierungszeit François I. von der neueren Position des gentilhomme de la chambre abgegrenzt wurde, diese waren reserviert für Mitglieder des Adels. Hingegen waren die valets aus einem weiteren Kreis sozialer Schichten gewonnen und waren sowohl unter den Mitgliedern des niederen Adels als auch unter den Nichtadeligen zu finden. Auch Brooks verweist darauf, dass die musikalischen Aufgaben nicht als Bestandteil ihrer Position aufgeführt werden. Siehe hierzu Brooks 2000, a.a.O., S. 77, auch Anm. 13. Salmen 1999, a.a.O., S. 13.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

153

‚tanczmaistern‛“661 belegt. Allerdings zeichnet sich erst im Italien des 14. Jahrhunderts ein aufkommender Berufsstands der Maestri di ballare ab.662 Zunächst als magister corearum belegt, ist es zunehmend Aufgabe der Tanzmeister in ein tänzerisches wie gesellschaftliches Regelwerk einzuführen unter gleichzeitiger Ausbildung „der sich voneinander emanzipierenden Hochkünste der professionell betriebenen Dienstleistungen von ‚maestri di ballo‛, ‚professore di ballo‛, auch ‚magistri de danser663‛ genannten èsperti‛.“664

Und auch in Paris lässt sich bereits 1321 eine Gilde der maîtres à danser et joueurs d’instruments tant haut que bas, der 37 Menestrels angehörten, nachweisen.665 Im 15. Jahrhundert ist das Erscheinen einer Reihe gerade von jüdischen Tanzmeistern – hier besonders in Norditalien – zu beobachten.666 Wenn man davon ausgeht, dass sich im letzten Drittel des 16. Jahrhundert auch in Frankreich die o. g. Unterscheidung der Tänzer und der Tanzmeister, der baladin zu den maîtres a danser abzeichnete667, wäre es nachvollziehbarer, warum Negri Beaujoyeulx nicht nennt. So nennt Negri, der sich selbst zwar als „Profes-

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Salmen 1999, a.a.O., S. 79. Salmen 1999, a.a.O., S. 79. Anfangs waren die an den norditalienischen Höfen tätigen ‚maestri di danzare‛ häufig Juden. Siehe hierzu ausführlicher Salmen 1999, S. 82. Salmen 1999, a.a.O., S. 80. Dahms 2001, a.a.O., S. 67f. Hier mit dem Verweis auf James Anthony French baroque music from Beaujoyeulx to Rameau (Portland ²1997, S. 29–31), noch mit dem Hinweis: „Aus dieser Confrérie de Saint-Julien-des-Ménéstriers gingen im 17. Jh. sowohl die bedeutenden Instrumentalensembles der Vingt-quatre violons du roi wie auch die Petits violons hervor, wobei viele der Instrumentatlisten weiterhin auch als Tanzmeister fungierten oder diesen zumindest nahestanden. Auch die 13 Gründlungsmitgleider der Académie royale de danse kamen aus der traditionsreichen Confrérie.“ Siehe hierzu: Ebreo, Guglielmo: De praticha seu arte tripudii vulghare opusculum. o.O. o.J., ND in: De praticha seu arte tripudii vulghare opusculum. On the pratice or art of Dancing. Hg. v. Barbara Sparti. Oxford u.a. 1993; ders.: Libro de balli. o.O. 1510, ND in: Libro de balli. Hg. v. Beatrice Pescerelli. o.O. 1974. ders.: Trattato della danza. o.O. o.J.; ND: Bologna 1968; ders.: Trattato dell’arte del ballo. o.O. o.J.; ND in: Sceltà di curiosità letterarie. Bologna 1873; ders: Otto basse danze. o.O. o.J.; ND: o.O. 1887.Ausführlich auch: Commune di Pesaro (Hgg.): Guglielmo Ebreo da Pesaro e la danza nelle corti italiane del XV secolo. A cura die Maurizio Padovan. Pesaro 1987. Zur Trennung von Laientanz und Berufstanz besonders seit Mitte des 17. Jahrhunderts bedingt durch technische Anforderungen wie durch ein verändertes gesellschaftliches Bild in Bezug auf die Tätigkeit des Bühnentänzers siehe auch Dahms 2001, a.a.O., S. 67 und 68.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

sore“ oder „Maestro di Ballare“ bezeichnet, primär „ballarini“668 – die allerdings zum Teil auch „Meister (maestri) in dieser edlen Kunst“ gewesen seien.669 Die biografischen Skizzen zu Beaujoyeulx wären insofern durchaus nicht unpassend, wenn sie angeben, Beaujoyeulx sei ausgezeichneter Geiger, Intendant und inventor 670 gewesen, dessen Aufgabe es war, Feste zu arrangieren und Tänze zu erfinden. Die Frage ist allerdings, ob hierzu wirklich gehörte, dass er selber professionell zu tanzen verstand.671 668 669

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Vgl. zur Unterscheidung von Ballarino und Ballerino auch die Ausführungen im Kapitel III.1. dieser Arbeit. Vergleiche hierzu die Angabe aus dem 18. Jh. „un livre italien, composé par un illustre Professore di Ballare (Maître à danser), Milanois, nommé César Negri. […] on y trouve les noms de tous les Maîtres de ballets & danseurs de profession, auxquels on faisoit exécuter des danses haute & vives, & des mascarades, la plupart du temps comiques.“ Aus: Argenson 1782, a.a.O., S. 276. Für fast alle von ihm genannten herausragende Tänzer betont Negri, dass sie auch unterrichtet hätten bzw. Tanzschulen führten, so für Diobono, Compasso, Di Avanzi, Fabianino, Ernandes, Barbetta, da Asso, Varade, Zaccheria, Landriano, Appiano, Farfuffino und dessen zwei Söhne, Lampugnano, Robello, Barella, Martinello, Crespo, Botta, Beccaria, Girolamo, Pozzo, Gio. Maria. Explizit als Tanzmeister werden jedoch nur de’ Giusti, Valchiera und Martinello genannt. Lediglich für Pietro Martire, Lucio Compasso, Fabritio Caroso, da Asso und sich selbst reklamiert er, dass sie wie Martire ‚schöne Inventionen‛ hätten. Beachte hierzu, dass gerade für Compasso mit seinem Ballo della Gagliarda (1560) und Carosos Il Ballarino (1581), dann dessen Nobiltà di dame (1600 und 1605 und 1630 unter Raccolta di varij balli) und Negris Le gratie d’amore (1602/1604 als Nuove inventioni di balli) choreographische Werke sowie bei Caroso und Negri zudem noch Schrittbeschreibungen überliefert sind. Über Gio.Stefano Martinello aus Pesaro findet sich bei Negri der Hinweis, er sei lange Negris Schüler gewesen und habe später selbst in Bologna und Venedig gelehrt. Auch habe er als Kurkölnischer Tanzmeister in Köln dem Erzbischof von Köln gedient. Siehe Negri, hier nach Garski 2003, a.a.O., S. 15. Mit Dank an Archivoberrat Prof. Dr. R. Hass vom Historischen Archiv des Erzbistums Köln sei angemerkt, dass leider weder die gedruckten noch die ungeduckten Findmittel des Historischen Archiv des Erzbistums Köln diesen Namen ausweisen. Beachte auch den Hinweis auf Beaujoyeulx im Widmungsgedicht des balest comique als inventor, siehe hierzu auch das Kapitel II.3.1.1. dieser Arbeit. Allerdings legt Negri in seiner Selbstdarstellung großen Wert auf seine eigene tänzerische Vita und seine Lehrtätigkeit, zumindest in seinen Druckwerken, in denen er im Gegenzug seine Tätigkeit als Musiker vernachlässigt. Wenn sich auch bei Negri selbst die Begrifflichkeiten nicht ganz sauber voneinander trennen lassen, wird zumindest deutlich, dass auch er die Tätigkeiten tanzen, lehren und das Erfinden von Tänzen durchaus unterscheidet. In modernen Darstellungen werden diese Tätigkeiten häufiger eher wieder unter der Profession des ‚Tanzmeisters‛ subsummiert. So betonen die Vielseitigkeit dieser Profession Autoren wie z. B.: Walter Salmen. Siehe ders.: Der Tanzmeister. Hildeheim 1997, S. 21ff. Auch Brigitte Garski rechnet dieser Profession ein vielseitiges Spektrum an Fähigkeiten bereits für das 16. Jahrhundert zu. So die Fähigkeit als „hervorragender Virtuose“ mit eigenem, tänzerischem Können zu überzeugen. „Zum Choreographen mussten ihn außerdem Inspiration, musikalisches Können und allgemeine Kenntnisse in Literatur und Musik befähigen. Ferner erwartete man von einem guten Pädagogen, dass er mit gesellschaftlichen Umgangsformen wohlvertraut war.“ Aus dies. 2003, a.a.O., S. 285.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

155

Auf eine weitere Ausdifferenzierung der mit Tanz beschäftigten Professionen weist auch Roger Savage hin, wenn er mit Bezug auf die Entwicklung des sog. ballet de cour konstatiert, dass 1641 ein Monsieur de Saint-Hubert eine Abhandlung mit dem Titel Manière de composer et faire réussir les ballets verfasst. Er entwirft hierin die Figur eines „maître d’ordre who, […], will do the job efficiently for him. This maître is a Gallic version of Il Corago’s Florentine manager in practical action.“672 Dieser ist mit der Aufgabe der Organisation der Veranstaltung beauftragt, den Tanzmeister informierend, die Maschinen und den Tanzboden überprüfend. Er verwaltet die Belege über alle tänzerischen Details („listing props, performers’ names“ usw.), begleitet die Proben und richtet die verschiedenen éntrees aus. Dass sich eine Ausdifferenzierung von Tätigkeitsfeldern rund um tänzerische Ereignisse am Hof bereits Mitte der 1580er Jahre deutlich abzeichnet, ist durchaus wahrscheinlich. Wie beschreibt Beaujoyeulx selbst seine Tätigkeit im Umfeld der Entstehung des balets comique? In einer längeren Passage, die vorliegend ob ihres hohen Informationsgehaltes vollständig und übersetzt zitiert werden soll, beschreibt er explizit den Hergang der für ihn, so gibt er es an, eher ungewöhnlichen Beauftragung. Auch nennt er seine Aufgabe als Arrangeur des Themas und der Inszenierung sowie seiner Teile (desseins). Auch nennt er seine Tätigkeit als Planer und Organisator der Veranstaltung sowie die, vor allem ob der zeitlichen Knappheit, notwendige Partizipation der anderen Künstler – häufig in Vervollständigung seiner eigenen Vorarbeiten. Eigene tänzerische Aktivitäten bleiben unerwähnt: „Und weil sie (die Königin. A.W.) mir diese Ehre erweist, habe ich die sonst eher negative Einstellung zu dieser Sache zurückgestellt, habe ich überhaupt keine unerfreuliche Erfindung gemacht, die ich manchmal in vergleichbaren Dingen vorschlage.673 Sie schickte, mich in meinem Haus zu suchen, von wo ich weggegangen bin, um mich zu ihren Füßen zu begeben, um ihr meinen ergebendsten Dienst zu erweisen. Sobald ich am Hof angekommen bin, hat seine Majestät sich die Mühe gemacht, mich einen Gutteil der schon angeordneten Apparate wahrnehmen zu lassen und beauftragte mich, einige Pläne anzufertigen, die nicht mit den anderen Vorbereitungen übereinstimmten; sei es in Bezug auf die Schönheit des Sujets oder in Bezug auf die Struktur und Aus-

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Savage 2004, a.a.O., S. 67. Diese Bemerkung von Beaujoyeulx erklärt sich für mich leider nicht aus dem Kontext. Carol und Lander MacClintock übersetzten diese Stelle ins Englische mit „Since she does me the honor of finding not disagreeable the inventions which I sometimes propose to her in affaris like thes, she sent form e at my home.“ (Da sie mir die Ehre erweist, die Erfindungen nicht unpassend zu finden, welche ich ihr in Angelegenheiten wie diesen manchmal vorlege, sandte sie einen Boten zu meinem Haus, mich zu sich zu rufen.) Mit dieser Übersetzung würde sich die Stelle zumindest kohärent in den Kontext einfügen. Siehe MacClintock 1971, a.a.o., S. 35.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

führung des Werks674, von welcher sie (Königin Louise. A.W.) sagte, sie wolle sich selbst einbringen und sogar selbst teilnehmen. […] Nachdem ich diesen so außergewöhnlichen Auftrag hatte, habe ich mich sofort zurückgezogen, mich vom Lärm des Hofes zurückgezogen. Durch die Ruhe und die Freiheit des Gedankens konnte ich dem Willen und der Absicht ihrer Majestät genüge tun. Während ich einige Tage meine ganzen Kräfte angestrengt habe, verblieb ich an einer Planung, die inzwischen zur Ausführung gelangt ist. Diese schriftlich redigiert, bin ich zum Hof zurückgekehrt, um sie der Königin vorzulegen, um von ihrer Majestät zu erfahren, ob sie von meiner Arbeit angetan wäre. Ihre Majestät, die mich veranlasst hat, die Rede (le discours. A.W.) zu lesen, (war) inzwischen schon in Gegenwart mehrerer Prinzessinnen und Damen, die sich in ihrer Nähe aufhielten. Und nachdem sie mein Werk begutachtet haben, befahl seine Majestät mir, es sofort auszuführen. Daraufhin habe ich ihr dargelegt, dass meine Planung aus drei Teilen bestand: aus Gedichten, die rezitiert werden sollen, verschiedenen Musiken, die gesungen werden sollten und verschiedenen Dingen, die durch die Malerei dargestellt werden sollten. Was die Poesie angeht, kenne ich meine Fähigkeiten, und was die Wahrheit angeht, habe ich auch Verse in meine Rede eingebracht, nicht um rezitiert zu werden, sondern nur als Projekt zu diesen für einige Gelehrte und ausgezeichnete Poeten, (und) um andere daraus zu machen, die würdig sind, vor einem so großen Publikum (compagnie assistence. A.W.) präsentiert zu werden. Wie diese Poesie, die von so vielen Majestäten und von den größten und seltesten Intellektuellen dieses Jahrhunderts (des plus grands et rares esprits de ce siecle. A.W.) honoriert werden muss. Auch was die Musik anbetrifft, war die Vielfältigkeit so notwendig, dass es mir unmöglich war, dem Anspruch genüge zu tun, mit der wenigen Zeit, die mir blieb. Weniger (Zeit ) noch, um die nötigen Dinge durch die Malerei darzustellen. Weil ich nicht alle drei Elemente zusammenbringen konnte, bat ich unterwürfigst ihre Majestät, die Aufgabe der Gedichte, der Musikstücke und Gemälde Personen zu übertragen, die sich in würdiger Weise damit auseinandersetzen können. Ihre Majestät hat in Betracht gezogen, was ich vorgeschlagen habe, so dass ihre Wünsche besser bedient würden und (um) die Ausführung des Werkes angemessener zu machen, von dem in seinen Diensten stehenden Monsieur La Chesnaye, aumosnier du Roy, die Gedichte fertigen zu lassen, nach den Themen, die ich vorgeben habe. Sie befahl ebenso dem Monsieur Beaulieu, der in ihren Diensten steht, dass er zu Hause alles an perfekter Musik mache, auf der Grundlage dessen, was ich ihm vermittelt habe sowie es der Sache dienlich ist. Darüber war er sehr erfreut, (dieser vollkommenste Musiker in dieser Kunst), so dass er sich selbst übertroffen hat. Durch die Musiker de la chambre du Roy unterstützt und besonders durch den Meister Salmon, dieser von Beaulieu und von Anderen in dieser Kunst Geachtete. Was die Gemälde angeht, habe ich durch den Auftrag der Königin Meister Jacques Patin, Maler der Königs, der sich glücklicherweise auch mit dieser Aufgabe befasst hat und auch andere Maler dieses Königreiches, angestellt. Es war sehr schwierig innerhalb weniger Tage zu machen, was nötig war […]. Ich befürchtete auch, dass wenn man den Verdienst derjenigen verschweigt, von denen ich gezwungen bin, bedient zu werden, können sie mich nicht legitimer Weise anklagen, mir 674

Deuten sich hier bereits vorhandene Vorarbeiten durch andere Künstler an, wie sie z. B. Agrippa d’Aubigné für sich reklamierte?

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

157

die Feder anderer anzueignen; wie jeder darauf bedacht ist, die Früchte seines Gartens zu konservieren!“ 675

675

„Et pource qu’elle me fait cest honneur de n’avoir point desagreables les inventions que je propose quelquefois en semblables matieres, elle m’envoya querir en ma maison, d’où je partis incontinent pour me rendre à ses pieds et luy faire tres-humble service. Dès que je fus arrivé à la Cour, Sa Majesté print la peine de me faire entendre une bonne part des appareils jà ordonnez, et me commanda luy dresser quelque dessein, qui ne cedast aux autres preparatifs, fust en beauté de sujet, ou en l’ordre de la conduite et execution de l’oeuvre, duquel elle disoit se vouloir mesler et estre mesme de la partie: […]. Après avoir reçeu ce commandement si exprès, je me retiray aussitost, à fin qu’esloigné du bruit de la Cour, j’eusse moyen avec plus de repos et liberté d’esprit, satisfaire à la volonté et intention de Sa Majesté. En quoy ayant tenté toutes mes forces pr quelques jours, finablement je m’arrestay sur le dessein qui depuis a esté mis à execution: lequel ayant redigé par escrit, je retournay aussitost en Cour le presenter à la Royne, afin de sçavoir de Sa Majesté si elle avoit esté servie de mon labeuret industrie à son gré et contentement. Saditte Majesté m’en ayant deslors fait lire le discours, en la presence de plusieurs Princesses et Dames qui se trouverent près d’elle, et mon oeuvre ayant esté examine, saditte Majesté me commanda de promptement l’executer. Surquoy je luy remonstray quem on dessein estoit composé de trois parties: sçavoir des poesies qui devoient estre recitées; de la diversité de musiques qui devoient estre chantées, et de la varieté des choses, qui devoient estre representées par la peinture. Que pour la poesie, je cognoissois assez ma petite portée, et qu’à la verité j’avois aussi inseré des vers en mon discours, non pas pour estre recitez, mais pour servir de project seulement à quelque docte et excellent poëte d’en faire d’autres, dignes d’estres prononcez en une si grande compagnie et assistance, comme celle qui devoit estre honorée de tant de Majestez, et de plus grands et rares esprits de ce siecle. Aussi que pour la musique, la diversité y estoit si necessaire, qu’il me seroit impossible d’y pouvoir satisfaire et respondre avec le peu de temps qui me restoit; moins encores à representer par la peinture les choses necessaries. Ne pouvant donc fournier à toutes lesdictes trois parties emsemble (ensemble? A.W.), je suppliay tres-humblement Sa Majesté de donner la charge des poesies, musiques et peintures, à personnes qui puissent dignement s’en acquitter. Et lors, Sa Majesté ayant mis en consideration ce que j’avois proposé, à fin qu’elle demeurast mieux servie, et plus contente en l execution de l’oeuvre, commanda au sieur de la Chesnaye, aumosnier du Roy, faire les poesies selon les sujets que je luy baillerois. Elle commanda pareillement au sieur Beaulieu (qui est à elle) qu’il fist et dressast en son logis tout ce qui se pouvoit dire de parfaict en musique, sur les inventions qui luy seroient par moy communiqués, servans au subject de la matiere. En quoy il s’est si heureusement comporté, que luy (que les plus parfaicts musiciens dissent exceller en cest art) s’est surmonté luy-mesme; ayant esté secouru toutesfois des musiciens de la chambre du Roy, et specialement de maistre Salmon, que ledict de Beaulieu et autres de telle science estiment à bon droict beaucoup en son art. Au regard des peintures, j’employay, par commandement de la Royne, maistre Jacques Patin, peintre du Roy, qui s’est aussi heureusement acquitté de caste charge, qu’autre peintre de ce Royaume eust sçei faire. Ayant esté la besongne, bien que difficile, rendue en peu de jours, selon la necessité precise que nous en avions […]; toutesfois je n’ay peu ny deu supprimer ce qui leur appartenoit: parceque, oultre que ce qui est louable doit ester tousjours exalté et prisé, je craignois aussi que, taisant le merite de ceux desquels j’ay esté contrainct me server, ils ne peussent m’accuser legitimement de vouloir m’accommoder des plumes d’autruy à leur prejudice; comme chacun est jaloux de conserver les fruicts de son jardin. […].“ Aus: Lacroix 1969, a.a.O., S. 19–21.(meine Übersetzung. A.W.).

158

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Die meisten Musiker676, die zum Kern der musikalischen Aktivitäten am Hofe gehörten, waren Mitglieder der königlichen Haushalte und wurden für ihre Dienste mit Bezügen oder gages (Stipendien) entlohnt677, die drei verschiedenen Abteilungen der maison zugeordnet sein konnten: der chambre, der chapelle und der écurie.678 Jede war in der Verantwortung eines eigenen Schatzmeisters; hierbei waren Kammermusiker zugehörig zum état des officiers domestiques oder dem état de maison, die die officials und Diener der königlichen Haushalte umfasste. Die Musiker der chapel wurden in einem gesonderten état aufgeführt, geleitet von einem Schatzmeister, der die menus affaires betreute.679 Die meistgeschätztesten Musiker wurden häufig für die königliche maison gewonnen; häufig erschienen sie, wie bereits erwähnt, wie Beaujoyeulx auch, hierbei in den Gehaltslisten dann als valet de chambre.680 Allerdings stellten diese regelmäßigen Zahlungen nur eine Möglichkeit der Vielzahl potenzieller Entlohnungsmöglichkeiten dar.681 Vergleicht man die Höhe der Besoldungen von Beaujoyeulx682 mit denen anderer Musiker, wird deutlich, dass er in den fast dreißig Jahren seiner Tätigkeit gut entlohnt wurde.683 Mit einer jährlichen Gage von durchschnittlich 180 livres in

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Erwähnt sei, dass für die meisten der Komponisten, Sänger und Instrumentalisten wesentliche biografische Details fehlen. Hier nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 33. Siehe Brooks 2000, a.a.O., S. 33. Zu den haushaltlichen Strukturen siehe auch die Ausführungen im Kapitel I.2.3. dieser Arbeit. Siehe Brooks 2000, a.a.O., S. 75. Beachte zur Veröffentlichung 1582: „Musical ability for such household members becomes an aspect of their career as a courtier rather than a description of métier, and music was generally not attributed to such singers or playsers in print. The publication of airs was the domain of the ‚professional‛ corps of royal musicians, those specifically named as such on the état de maison.“ Brooks 2000, a.a.O., S. 78. Der état Henris III. für 1575 umfasste 37 Musiker, der 1580er état bereits 40 Musiker. Auffällig ist, dass die Anzahl der Kammermusiker im état der letzten Valois, besonders der letzen Jahre, wesentlich höher war als die der Vorgänger. Als untergeordnete Amtsinhaber wurden die Tätigkeiten der Musiker jedoch subsummiert, der „état de maison rarely includes them in a seperate category; musicians are generally listed among the valets de chambre [...].“ Aus: Brooks 2000, a.a.O., S. 81. Brooks schreibt hierzu: „The new pattern for the circulation of resources that characterized early modern monarchy were accompanied by new models of social interaction: the court served as the center not only for the distribution of tangible benefits but also for the circulation of honour, affirmed through networks of deference and obligation and communicated through the language of courtesy and praise.“ Brooks 2000, a.a.O., S. 74. Die Gehaltslisten von Musikern am Valois-Hof für die Jahre 1559–89 sind Teil der umfangreichen und informativen Arbeit von Jeanice Brooks. Beaujoyeulx wird in folgenden Dokumenten der Archives Nationales in Paris, in den angegebenen Jahren, sowohl mit seinen regelmäßigen Gagen als auch mit Sonderzahlungen aufgelistet. Siehe hierzu die angegebene Tabelle „Zusammestellung der Gehaltsliste und Zuwendungen für ‚Balthazar de Beaujoyeulx [Beaujoyeux, Beaujoieux, Boisjoieux‛“ aus: Brooks 2000, a.a.O., Appendix 2, S. 421f. Auch für G. F. Giera wird eine Tätigkeit von 20 Jahren im Dienste der französischen Könige erwähnt, siehe Garski 2003, a.a.O., S. 282.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

159

den Jahren 1559, 1566, 1569, 1583684 und 1585685, unabhängig von seiner Tätigkeit als violon oder als valet, erhält er in den Jahren, in denen er für den Haushalt des Königs tätig ist, höhere Gagen von 240 livres, je 1572 unter Charles IX. und 1575 unter Henri III.686 Auffällig sind sowie die Zahlungen folgender Jahre: 1560 erhält Beaujoyeulx von der Königinmutter die beachtliche Summe von 1.250 livres, um eine angemessene Heiratspartie machen zu können.687 In dieser Quelle wird er für das Jahr 1560 neben der Tätigkeit als valet de chambre auch als ordinaire de la royne688 geführt. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Beaujoyeulx am 31.8.1572, knapp eine Woche nach der sog. ‚Bartholomäusnacht‛ und elf Tage nach der Valois-Navarra Hochzeit und damit der Präsentation des Paradis d’amour, ein Geschenk von über 500 livres erhält. Beaujoyeulx wird auch in diesem Jahr offensichtlich in zwei königlichen Haushalten geführt. So wird er neben Henris Haushalt zudem als vallet de chambre [du roy] et de la royne sa mere verbucht.689 Für den Zeitraum, in welchen die Planung und Aufführung des balets comique fallen, ist zu bemerken, dass er noch 1580 in zwei Haushalten, erstaunlicherweise nämlich denen François d’Alençon-d’Anjous, hier jedoch nur als aultres vallets de chambre, und für ca. 1580 bis 1585 im Haushalt der Caterina de Médici als valet de chambre, hier zusammen mit seinem Sohn, geführt wird – er also nicht etwa im Etat der Königin Louise, der Auftraggeberin des balets, verbucht wird.690 Hieraus lässt sich schließen, dass die Haushaltszugehörigkeit noch keine definitiven Rückschlüsse über die Ausgestaltung der Patronageverhältnisse zulässt. So lässt Beaujoyeulx im Traktat keinen Zweifel daran, dass Königin Louise die Auftraggeberin des balets comique ist, erweist aber zudem wohl aus genannten Gründen auch der Königinmutter Caterina explizit seine Reverenz, wenn er formuliert: „Die Königin, die soviel Vorbereitungen sah, um die Hochzeit ihrer Schwester zu ehren, zu der jeder Lust hatte, und die sich in die Pflicht nahm, um dort Vergnügen und Zufriedenheit dem König und der Königin, seiner Mutter, zu bereiten […].“691

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Hier für ihn und seinen Sohn Charles. Hier für ihn und seinen Sohn Charles. Siehe F-Pan KK 134, fol. 29r und F-Pn fr 7007, fol. 109v. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 421 und S. 422. „Gift in favor of Catherine de Médicis, ‚pour l’aider à trouver un convenable parti de marriage‛“. Aus: Brooks 2000, a.a.O., S. 421 unter Zugrundelegung von F-Pan KK 127, fol. 2301. Zur Erläuterung dieser Angaben siehe auch ebda., S. 100. Hier: Maria Stuart. F-Pn Clair. 233, p. 3509. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 421. Siehe F-Pan KK 238, fol. 187r und F-Pn Clair. 1216, fol. 62v. Hier zit. nach Brooks, a.a.O., S. 422. („Or, la Royne voyant tant de preparatif se faire pour honorer le mariage de sa soeur, et que chacun à l’envy et à qui mieux mieux se mettoit en devoir pour y donner plaisir et contentement au Roy, à la Royne sa mere, […].“) Lacroix 1969, a.a.O., S. 18f. (meine Übersetzung.A.W.).

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Am Ende seiner beruflichen Laufbahn kann er seine durchaus beachtliche Stellung am Hof sogar an seinen Sohn weitergeben. Jeanice Brooks wies darauf hin, dass die Sicherung von Positionen im königlichen Haushalt eines der ersten Ziele der am Hof Tätigen war, unabhängig von ihrem sozialen Status. In diesem Sinne nutzten königliche Musiker ihre Position, um ihren Platz in der königlichen maison auch für ihre Söhne zu sichern.692 Konkret hieß dies eine survivance zu erreichen, die es einem Sohn oder Neffen ermöglichte, die jeweilige Position nach dem Ableben des Amtsinhabers weiter zu besetzen. Dass dies auch bei Beaujoyeulx gelang, belegen die Quellen, die ihn für 1585 in Caterinas Haushalt mit dem Hinweis père et filz à survivance693 vermerken. Über dieses Vorrecht hinaus waren weitere nicht zu unterschätzende Faktoren die Ehrenrechte, die Würde und der soziale Rang, die dem Amt inhärent waren bzw. sich aus diesem ableiteten. So weist Thomas Lütenberg in seiner Untersuchung zu königlichen Amtsträgern im Frankreich des 16. Jahrhunderts darauf hin, dass „[…] vor allem aber [.] die Ehrenrechte ein wichtiger Bestandteil des Amtes (waren), wenn nicht der wichtigste überhaupt. Die Bedeutung der mit dem Amt erworbenen Stellung in der Gesellschaft war so groß, dass die Amtswürde im 17.Jahrhundert sogar als der bestimmende Faktor des Amtes gedeutet wurde.“694

Neben der hier beschriebenen sozialen Dynamik, die von einem solchen Amt ausgehen konnte, bezeugt ein notarielles Dokument von 1578, dass an Beaujoyeulx und eine Gruppe anderer valets de chambre, welche zu dieser Zeit im Dienst Catherinas standen, Grund und Boden gegeben worden sein soll: „a property adjoining the Louvre including a set of buildings and a garden.“695 Favorisierte Musiker konnten sich recht gut versorgen aus einer Kombination von Geschenken, Pensionen und Gehältern aus regelmäßigen Ämtern oder sogar der Veräußerung ihres eigenen Amtes: Obwohl technische Posten in der maison du roi nicht theoretisch käuflich waren, konnte praktisch jedes office mit königlicher Erlaubnis gekauft oder verkauft werden. Musiker konnten so Transaktionen ihre eigene 692 693 694

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Brooks 2000, a.a.O., S. 75. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 76, Anm. 10. Lüttenberg, Thomas: Zuviel der Ehre. Zeremonieller Rang und gesellschaftliche Stellung königlicher Amtsträger im Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Ordnung und Distinktion. Praktiken sozialer Repräsentation in der ständischen Gesellschaft. Hg. v. Marian Füssel, Thomas Weller. Münster 2005, S. 23–47, hier S. 24; siehe zu diesem Gedanken auch die Sentenz, hier auf Volusian zurückgeführt, bei Beaujoyeulx selbst: „Alla gran virtu non si puo dare altro premio che la gloria e la laude“, Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. e.iij. F-Pn Minutier Central XC/127 (21.Februar 1578), hier nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 101. Allerdings konnte die Vergabe von Grundstücken, wenn die Staatskasse dies nicht anders zuließ, auch eine Alternative zur Auszahlung von Gehältern darstellen. Für diesen Hinweis danke ich Regina Schulte.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

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Position betreffend vollziehen, indem sie diese gegen Besitztümer oder Pensionen eintauschten.696 Welche weiteren Möglichkeiten sich Rang und Ansehen zu verschaffen hatten diese Musiker? Galt es doch, sich innerhalb eines mehrschichtigen Beziehungsgefüges zu behaupten und sich sowohl innerhalb der Hierarchie des jeweiligen Hofes als auch im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Gruppen zu definieren.697 Für den Ämterkauf betont Lüttenberg das soziale Potenzial der Amtsehre wiederum, indem er schlussfolgert, dass „die beim Ämterkauf verwendete Summe ein ‚investment in standing‛ war. Wegen der großen Bedeutung der Würde (dignité. A.W.) hat ihr Ausdruck, nämlich der Rang, den das Amt seinem Träger verlieh, in besonderem Maße die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf sich gezogen.“698

Gleichzeitig entfalten diese Tauschsysteme eine neue soziale Dynamik mit einer eigenen Rhetorik, die Brooks betont, wenn sie herausstellt: „[...] Royal patronage was the glue that stuck the court together, providing a focus for interlocking networks of patronage at different levels of the court hierarchy. This system of exchange was reflected in new patterns of social interaction an ritualized through the rhetoric of patronage.“699 696

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Siehe Brooks 2000, a.a.O., S. 105. Brooks verweist darauf, dass z. B. Cesare Negri von diesem Modus Gebrauch machte, indem er „requested that his wife be allowed to dispose of his post after he died, probably in order to derive income from its sale.“ Siehe Lüttenberg 2005, a.a.O., S. 25. Dieses Herausstellungs- und Abgrenzungsphänomen lässt sich für die Tanzmeister bereits mit dem Italiener Guglielmo Ebreo da Pesaro (*um 1420 bis um 1500) nachweisen, wenn dieser in seinem Traktat De practica seu arte tripudii vulgare opsculum Wert darauf legt in der Dedikation herauszustellen, dass er ‚cavaliero‛sei. Hieraus schließt auch Salmen, dass Guglielmi Ebreo „sich nicht als Diener der noblen Gesellschaft verstanden wissen willte, sondern als ein vornehmer Herr. Dieses Leitbild prägte das Berufsethos des Tanzmeisters bis in die Zeiten hinein, in denen einem Höfling der alten Schule die äußeren Lebensbedingungen zunehmend abhanden kamen, z.B. im Gefolge der Französischen Revolution von 1789.“ Aus: Salmen 1999, a.a.O., S. 84. Lüttenberg 2005, a.a.O., S. 24. Brooks 2000, a.a.O., S. 32, in den letzten 20 Jahren sind viele Untersuchungen zu Patronageverhältnissen im frühneuzeitlichen Frankreich erschienen. Jüngere Studien betonen „the material benefit to be obtained“ so Holt, Kettering und Neuschel im Unterschied z. B. zum älteren fidelité-Konzept Roland Mousniers, einem Ansatz, der betont, dass Klient und Patron primär durch Loyalität und Affekte miteinander verbunden waren. Wesentliche Aspekte der genannten neueren Untersuchungen sind Überlegungen zu ökonomischen Notwendigkeiten oder affektiven Bindungen als primäre Bestimmungsfaktoren. Auch untersuchen sie, in welchem Rahmen es sich um exklusive oder um permanente Verbindungen handelte und welche Funktionen die Klientageverhältnisse in der politischen Organisation des frühneuzeitlichen Staates einnahmen. Allerdings ist der Hof als Ort von Patronage weniger systematisch untersucht worden als das Verhältnis von königlichen zu provinziellen Gouvernements. Auch stand häufig die Funktion der Klientage im Kontext der politischen Organisationen im Zentrum und weniger die künstlerischen und kulturellen Bezü-

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Hierbei beförderten diese (Aus)Tauschsysteme nicht nur die Konsolidierung höfischer Strukturen, sondern regulierten überhaupt eine Teilnahme an diesen. Galt es doch für zugereiste und am Hof tätige Künstler einmal mehr, um diese zu ringen. Zehntausende von Zugereisten und niedergelassenen Fremden, aubains, wurden häufig durch staatliche Maßnahmen wie regelmäßige steuerliche Abgaben, Beschlagnahmung des Besitzes oder durch den Rechtstreit deutlich politisch und wirtschaftlich benachteiligt. Wesentlich besser erging es, zumindest theoretisch, der kleineren Gruppe von aubains, die mit den lettres de naturalité offiziell diesen Status ablegten und stattdessen zu Untertanen des französischen Königs wurden. Neben einer Französierung des Personennamens gingen mit dieser Einbürgerung Rechte einher: In Abweichung des ansonsten für aubains im Königreich geltenden droit d’aubaine, war der Inhaber oder die Inhaberin der lettres de naturalité erbberechtigt und konnte über das Verbleiben erworbener Güter, auch beim Überschreiten der Landesgrenzen, über den Tod hinaus entscheiden.700 Nach dem droit d’aubaine konnten solche Güter hingegen vom König konfisziert werden: „Strictly defined, the droit d’aubaine was the king’s right of escheat to the property of an unexempted foreigner, and thus the incapacity of the foreigner to make a will.“701 Vor dem Hintergrund dieses ausschließlich in Frankreich praktizierten Verfahrens entwickelte der französische Königshof „elaborate mechanism of manufacturing citizens“, nämlich die Vergabepraxis der lettres de naturalité.702 Das Phänomen der ‚Einbürgerung‛ von Fremden, der étranger, wurde in Frankreich

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gen. Im Französischen wird dies durch den unterschiedlichen Gebrauch der Begriffe mécénat für kulturelle Patronage und clientelisme für die Beschreibung politischer Patronageverhältnisse deutlich. Siehe hierzu: Kettering 2002, a.a.O., S. 843. Hier nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 32, Anm. 63. Siehe hierzu Sahlins 2004, a.a.O., S. 31. Dass der Besitz der lettres de naturalité die Betroffenen jedoch nicht vor (willkürlichen) Abgabeverpflichtungen feite, die offensichtlich der Aufbesserung staatlicher Einnahmen dienten, zeigt der Umstand, dass Henri III .1578 alle ausländischen Bankiere besteuerte, unabhängig davon, ob sie „naturalized“ waren oder nicht und knapp eine Dekade später ein königliches Dekret im Jahre 1587 von allen ausländischen Kaufleuten und Hofmitgliedern verlangte, für die lettres de naturalité zu zahlen, unabhängig davon, ob sie diese bereits erhalten hatten. Hier nach Sahlins 2004, a.a.O., S. 38. „Bodin called this incapacity the ‚droit d’aubaine‛, and he saw nothing unique about it. Countering the complaints of Italians in the kingdom (a wealthy and highly visible group of foreigners that was the subject of a xenophobic backlash in the 1570s, and was no doubt targeted by the royal treasurers), Bodin argued that the droit d’aubaine was neither a distinctively French nor a relatively new law.“ Hier zit. nach: Sahlins 2004, a.a.O., S: 31 und 35f. „In relation to this (zur Abschaffung des droit aubaine. A.W.) uniquely French practice the crown developed an elaborate mechanism of manufacturing citizens: the letter of naturalization. Its bureaucratic protocol first crystallized in the 1570s, at the moment the royal model of citizen took legal shape.“ Aus: Sahlins 2004, a.a.O., S. 7 und S. 40.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

163

vereinzelt bereits seit dem frühen 13. Jahrhundert praktiziert, ist jedoch bis zum späten 15. Jahrhundert meist nur für wenige Adelige mit Bezug auf bestimmte Städte im Ostteil Frankreichs nachzuweisen. Hingegen findet seit dem späten 16. Jahrhundert bis zum Ausbruch der Französischen Revolution die Vergabe der lettres de naturalité nicht nur wesentlich gehäufter statt, sondern wird auch seit den 1570er Jahre von einem breiten juristischen und politischen Diskurs begleitet: „In the key decade of the 1570s, however, the monarchy drew on the jurists and jurisprudence to create a model of the absolute citizen, founded on the droit d’aubaine. Citizenship became an enlarged, socially inclusive membership category, a juridical condition pertaining to men and women, peasants and nobles, children and adults, servants and masters – and accessible to foreigners by naturalization.“703

Höhepunkte bildeten bei der Vergabepraxis hierbei die Jahre 1565/66 mit je 104 bzw.153 pro Jahr und hiervon mit mehr als 40% Italienern.704 Mit Beginn der Regierungszeit Henris III. ist erstmalig eine signifikante quantitative Veränderung der Vergabepraxis bei gleichzeitig anteiligem Rückgang der Gruppe an Italienern705 hierbei zu beobachten. Der Höhepunkt der Vergabepraxis liegt zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit 404 erteilten lettres de naturalité.706 Während sich schon unter François I. und auch noch in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, mitten in den Wirren der sog. ‚Religionskriege‛, eine weit verzweigte Xenophobie707 und in diesem Zuge auch der Ruf gegen die vermehrte Einbürgerung von Fremden (und hier besonders gegen die der Italiener und Deutschen) ausbreitete, kristallisierte sich ein stabileres Modell der königlichen Vergabe der Einbürgerungsbriefe heraus.708 703 704 705

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Sahlins 2004, a..a.O, S. 11 und S. 75. Siehe Dubost 1997, a.a.O., S. 30, hier Tableau 1. Die Immigration von Beaujoyeulx, wahrscheinlich Mitte der 1550er Jahre, und seine doch wohl schon vor 1559 erfolgte ‚Einbürgerung‛ liegen jedoch noch vor der ersten ‚Hochphase‛ 1565/66. Seine möglichen Herkunftsorte aus dem Piemont oder aus der Nähe von Mailand passen hierbei auffällig in die Immigrationsmuster der Jahre 1549–1581, da gerade während der Regierungszeit François I. ein Großteil der italienischen Immigranten aus diesen nördlichen Provinzen des heutigen Italien kam. Siehe Dubost 1997, a.a.O., S. 35 und S. 34, hier Tableau 2. Siehe Dubost 1997, a.a.O., S. 29. So bildete die Gruppe der Italiener in den Jahren 1549– 1568 mit 42,8 % bei durchschnittlich 79,4 ‚Einbürgerung‛ pro Jahr eine verhältnismäßig größere Gruppe als mit 33,5 % in den Jahre 1582–1591, allerdings bei einer Gesamtanzahl von 257 für diese Jahre. Hier nach: Dubost 1997, a.a.O., S. 30, hier Tableau 1. Zur Schlussfolgerung, dass der kakophone Diskurs in den 1560er und 1570er Jahren gegen die ‚Fremden‛ als wichtiger Teil des französischen Denkens um Einheit zu lesen ist, wobei deutlich Implikationen der symbolischen Konstruktion einer ‚French nation‛ im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Erscheinen der Konfizierung des droit d’aubaine durch die Herrschenden stehen, um ‚nationale‛ Differenzen zwischen aliens und naturals zu markieren. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 24 und S. 35. Siehe auch Dubost 1997, a.a.O., S. 325–329. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 76.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Entgegen der tatsächlichen zeitgenössischen Praktiken der naturalization709 gab es keine formalen, a priori zu erfüllenden Kriterien der ‚Einbürgerung‛ wie etwa der Beherrschung des Französischen, der Gebrauch französischer Sitten oder katholisch zu sein, außer dem deutlich geäußerten Wunsch im Königreich Frankreich ‚zu leben und sterben‛710 und einem Mindestaufenthalt von einem Jahr und einem Tag.711 Dennoch gab es gerade in den 1570er Jahren Juristen, die sich u. a. auf Rechtsgelehrte wie Pierre Rebuffi (1487–1557) und auf antike Traditionen bezogen wissen wollten und die forderten, dass es Nachweise besonders gelungener sozialer Integration und Verdienste und Leistungen geben müsse, die Voraussetzung der Einbürgerung sein sollten.712 So forderte der ‚Dritte Stand‛ bei der Zusammenkunft der Generalstände 1576 in Blois einen bestimmten Leistungskatalog als Voraussetzung der ‚Einbürgerung‛, der eine vorausgegangene zehnjährige Residenzzeit, eine legitime Heirat und Kinder, und nicht zuletzt einen Besitz von 200 livres als Eigentum beinhaltete. Wenn auch diese Forderungen niemals gesetzlich wurden, zeugen sie doch von virulenten Diskursen um die Frage der ‚Einbürgerung‛. Dies einmal mehr als sich die ‚liberale‛ Vergabepraxis der Krone schließlich durchsetzte713, was bedeutete, dass der zuvor genannte Leistungsaspekt als Voraussetzung der ‚Einbürgerung‛ heruntergespielt wurde zugunsten der Idee eines exklusiven, königlichen Privilegs, für dessen Bewilligung ausschließlich der Königshof zuständig war. Im Unterschied zur spanischen oder englischen

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Das Wort lässt sich erstmalig im Jahre 1566 nachweisen. Hier nach: Sahlins 2004, a.a.O., S. 24. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 65. Bodin, Philosoph und Politiktheoretiker, reagierte auf die politisch desaströse Lage nach der sog. ‚Bartholomäusnacht‛ und mitten in den Kriegswirren in seinem 1576 erschienen Werk Les six livres de la République, indem er im 6. Buch das Problem der sozialen ‚Ordnung‛ in das Zentrum seiner politischen Überlegungen stellte und hierbei eine strenge Monarchie als notwendige Lösung favorisierte. Im Unterschied zu Aristoteles, der die öffentliche und politische Rolle des ‚Bürgers‛ betont, definiert Bodin die Rolle des ‚Bürgers‛ antiaristotelisch und antipolitisch und stellt diesen ans Ende einer souveränen Empfangsgewalt: „To be a ‚free subject‛ in sixteenth-century France was not to be a public or political actor, because sovereign power was indivisible and located exclusively in the monarchy.“ Hier zit. nach: Sahlins 2004, a.a.O., S. 19 und 21f. Jedoch teilte Bodin nicht die xenophoben Sentiments seiner Kollegen, welche die legale Einbürgerung so weit als möglich zu beschränken suchten. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 25, S. 31. Siehe Dubost 1997, a.a.O., S. 146. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 69. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 70. Im späten 16. Jahrhundert lassen sich vermehrt Auseinandersetzungen zu unterschiedlichen Vorstellungen der Juristen einerseits und der Krone andererseits, welche Voraussetzungen für die ‚Einbürgerung‛ erfüllt sein müssten, beobachten. Schließlich setzten sich, wie gezeigt, royale Interessen durch unter gleichzeitiger Vernachlässigung der politischen Dimension der Bürgerschaft und ‚Einbürgerung.‛ Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 65.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

165

Praxis wurde mit diesem Arrangement die Krone zur exklusiven Quelle der ‚Einbürgerung‛.714 Die lettres de naturalité transformierten den Status einer Person, ähnlich denen einer Nobilitierung, als (willkürlichen) ‚Gnadenakt‛ und ‚Geschenk‛ des Souveräns.715 Dieses ‚königliche Modell‛ wurde in den 1570er Jahren hauptsächlich in zwei sprachlichen Metaphern transportiert: „the metaphors of a civil law contract and of adoption“.716 Hierbei meint erstere eine Art „social compact“ zwischen Fremden und König, zweitere eine besondere Form der Artikulation eines königlichen „family model“.717 Zwei Jahrhunderte später formuliert Lefebvre de la Planche: „The letters which the foreigner needs in this case can only be accorded by the king who, as the father of his peoples [père de ses peuples], is alone able, through the qualitiy of sovereignty accorded to him, ba a kind of adoption, [to] admit the foreigner to the ranks of his children.“718

Dieses Modell zielt auf die Erzeugung einer ‚königlichen Familie‛ – ganz so wie es bereits für die Funktion der Favoriten Henris III., gerade auch im Zusammenhang des balets comique, gezeigt werden konnte.719 Peter Sahlins betont in Bezug auf diesen Akt der Transformation jedoch, dass von einer tatsächlichen Integration der französisierten Untertanten mit vergleichbaren Rechten der français naturels in der Praxis jedoch kaum eine Rede sein konnte: „Foreign citizens were those foreigners who became ‚unnaturally French‛: their naturalization was a complex legal fiction that gave them, in principle though hardly in practice, the status of ‚natural Frenchman‛ but did not purport to change their nature as aliens.“720

Vor dem Hintergrund des Klimas der 1560er und 70er Jahre ist es bemerkenswert, dass Beaujoyeulx als auswärtiger, italienischer Violinist, ursprünglich von geringerem oder mediokrem sozialen Status, innerhalb der Hofhierarchie seine Position über Jahrzehnte zu behaupten weiß und eine beachtlich hohe Zahl von Entlohnungen aus der maison du roi akkumulierte.721 Seit 1584 genießt er zudem

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Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 71. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 72 und 76. Sahlins 2004, a.a.O., S. 72. Sahlins 2004, a.a.O., S. 72. Hier zit. nach: Sahlins 2004, a.a.O., S. 74. Siehe hierzu auch die Ausführungen im Kapitel I.1.2. Sahlins 2004, a.a.O., S. ix. Z. B. wurde ihm auch 1560 eine beachtliche Summe von 1250 livres für eine passende Heiratspartie gegeben. Sein Sohn Charles wurde mit Hilfe zahlreicher königlicher Pensionen erzogen, siehe hierzu Martel, Catalogue. 1:338; „Charles B. was awarded a pension of

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

wohl ein lebenslanges Steuerfreiheitsrecht.722 Spätestens mit dem Jahr 1586 ist deutlich, dass Beaujoyeulx formal seine italienische Herkunft insofern weitgehend hinter sich gelassen hat, als er in Quellen als ein bourgeois de Paris723 erscheint. Diese Gratifikation zeigt, dass er innerhalb der städtischen Elite platziert724 und als seigneur de Landes725 Grundbesitzer und nun auch, über die ‚Einbürgerung‛ hinaus, Inhaber der droits de bourgeoisie726 geworden war.727 Wird er ursprünglich häufig nur mit Vornamen benannt, nach seiner ‚Einbürgerung‛728 mit französisiertem Nachnamen und Adelsprädikat betitelt729, scheint sich dies als Indiz der Geschichte eines sozialen Aufstiegs und schlussendlich einer Form sozialer Transformation lesen zu lassen730: „Thirty years of a successful court career effected the transformation from ‚Baltazarin‛ to ‚M. de Beaujoyeulx‛.731 Dieser soziale Aufstieg Baltazarini da Belgioiosos zu Baltasar de Beaujoyeulx wurde begleitet und, wenn nicht ermöglicht, so doch durch ein intellektuelles Umfeld, gerade namenhafter Literaten, begünstigt. Die im Vorwort des balets abgedruckten Lobpreisungen sind Ausdruck der Wertschätzung durch andere intellektuell geschätzte Künstler, die insofern Beaujoyeulx’ Aufstieg konkret mit-

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300 livres for his education“ in F-Pn fr. 7007, fol. 82r (1572) und Dupuy 852, fol. 68v (1578). Siehe F-Pn Dupuy 489, fol. 14r. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a. O., S. 422. Siehe Handy 2008, a.a.O., S. 281. Beachte hierzu auch seine für den 16.8.1586 dokumentierte Partizipation an einem „assemblée organisée par la ville Paris avec les ‚quarteniers’et les bourgeois locaux, en sa qualité de ‚‚bourgeois de Paris‛.“ Hier nach: Handy 2008, a.a.O., S. 282. Siehe Handy 2008, a.a.O., S. 288. 1576 war städtische oder kommunale ‚Bürgerschaft‛, geregelt durch die droits de bourgeoisie, deutlich von der Erteilung königlicher oder ‚nationaler‛ Bürgerschaftsrechte getrennt. Siehe Sahlins 2004, a.a.O., S. 21. Jean-François Dubost hat in seiner Untersuchung aufgezeigt, dass sowohl die ‚Einbürgerung‛ (naturalisation) wie auch der Erhalt der Bürgerrechte (droit de bourgeoisie) in Paris – im Unterschied z. B. zu Städten wie Bordeaux, Lyon und Marseille – theoretisch gesehen einfach war: „Comme pour être naturalisé, il suffit de résider dans la capitale depuis un an et un jour et, là aussi, d’être relativement riche, puisqu’il faut être propriétaire […] ou principal locataire […].“ Aus: Dubost 1997, a.a.O., S. 148. Das genaue Datum seiner Einbürgerung lässt sich nicht ermitteln, jedoch taucht er bereit seit 1559 in den Varianten seines französisierten Namens Beaujoyeulx, Beaujoyeux, Beaujoieux, Boisjoieux in den Gehaltslisten auf. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 421. Es finden sich auch Hinweise, dass die Namensänderung auf expliziten Wunsch Henris III. geschehen sei: „Il étoit Italien, & son vrai nom étoit Baltazarini; mais Henri III voulut qu’il prît le nom françois de Beaujoyeulx, sous prétexte qu’il inspiroit la joie à tout le monde.“ Diese Angabe ließe sich mit dem Genannten zur Praxis der ‚Einbürgerung‛ schlüssig in Verbindung bringen. Aus: Argenson 1782, a.a.O., S. 242. Siehe Brooks 2000, a.a.O., S. 106 und Anm. 89. Brooks 2000, a.a.O., S. 107: „Flourishing court careers, in short, operated in similar ways regardless of the nature of the services exchanged in return for the protection of the king and other powerful patrons, and musicians were largely rewarded by the same means and in the same modes as other courtiers.“

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

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begünstigten.732 Billard, Costé, Brantôme und Clovis Hesteau de Nuysement733, Freund Dorats, erweisen, im übrigen ausschließlich gebürtige Franzosen, dem eingebürgerten Beaujoyeulx einen ‚freundschaftlichen‛ Dienst, der möglicherweise bereits in Nähe zur Patronage steht.734 Gleichzeitig zeugen die Quellen jedoch auch von der Idee Montaignes, Freundschaft als exklusive Zweierbeziehung zu konzipieren.735 Brantôme möchte besonders die erzählerischen Fähigkeiten einige seiner Freunde betonen und stellt heraus, dass Beaujoyeulx über weitere Fähigkeiten, die über seine eigentliche Profession hinausgehen, verfügt habe.736 Christa Schlumbohm fasst die Sicht Brantômes zusammen: „Die geistreiche und kunstfertige Darstellungsweise des Herrn von Beau-Joyeux, der nach Brantôme eine Fülle hübscher und nicht alltäglicher Begebenheiten kannte und auch aus eigenen Erlebnissen in seiner Jugend stets ungewöhnliche Geschichten, vor allem über die Liebe und die List der Frauen, beisteuerte.“737

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Eine vergleichbare Funktion der Lobpreisungen beschreibt Phillip Zitzlsperger, wenn er Dürers Aufstieg vom Künstler zum ‚Ehrenmann‛ und Mitglied des Großen Rates der Stadt Nürnberg schildert. Siehe Zitzlsperger 2008, a.a.O., S. 56. Zu den Widmungsvorreden an und über Beaujoyeulx siehe das Kapitel II.3.1.1. dieser Arbeit. Siehe Hesteau, Clovis sieur de Nuysement: Enchantemens au Sieur de Beauioyeux. In: ders.: Les oeuvres poétiques de Clovis Hesteau, sieur de Nuysement […]. 3.Bd. Hg. v. Roland Guillot. ND der Ausgabe Paris 1578. Genève 1996, S. 95–121. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k70572n (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe hierzu das Kapitel I.3.2. dieser Arbeit. Inwiefern die ‚Naturalisierung‛ durch die Ehrerweisungen gebürtiger französischer ‚Gewährsmänner‛ seit Mitte des 16. Jahrhunderts begünstigt wurde, bleibt in Berücksichtigung der genannten Diskurse der 1560er und 70er Jahre ungeklärt. Grundsätzlich war die ‚Einbürgerung‛ gerade bis zu diesem Zeitpunkt ja eher einfach zu erlangen und es scheint zudem, dass Beaujoyeulx bereits Ende der 1550er Jahre formal ‚naturalisiert‛ ist. Hiermit richtet sich Montaigne gegen antike Konzeptionen der Verknüpfung von Freundschaft und Politik zur Friedenssicherung im Staate, so etwa bei Cicero. Siehe Brantôme 1779, Bd. IX, S. 663f. Schlumbohm, Christa: Jocus und Amor. Liebesdiskussionen vom mittelalterlichen ‚joc partit‛ bis zu den preziösen ‚questions d’amour‛. Diss. Hamburg 1974, S. 162f.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

„Beau-joyeulx“738 erscheint hier folglich als guter Geschichtenerzähler, nicht etwa als gebildeter Literat. Berücksichtigt man, dass diese Geschichten „als Zeitvertreib [.] und als ein Ins-Gedächtnis-Zurückrufen der gemeinsam verbrachten unterhaltsamen Stunden (gedacht sind)“739, tritt in den Vordergrund, dass es hier auch um die Konstituierung persönlicher Beziehungen über kollektive Erlebnisse geht. Die gemeinsamen Erlebnisse verbürgen die benannte ‚Freundschaft‛ im Sinne einer Zweierbeziehung und erweisen sich als identitätsstiftend. Darüber hinaus offenbart sich in diesen Narrativa des persönlichen Umfeldes die FamaFunktion dieser Erzählungen. „Die Renaissance unterscheidet sich vom Mittelalter durch die aus der Antike wiederaufgenommene Wertschätzung des Ruhms. Fama ist in den Augen der RenaissanceHumanisten keine zwielichtige Figur mehr, sondern die edelste Sehnsucht des Menschen überhaupt.“740

Mit Berufung auf antike Vorbilder ist man der Überzeugung, dass unvergesslicher Ruhm, Größe und Unsterblichkeit besondere Gaben darstellten, „die allein der Dichter zu verleihen hatte. Alexander, dem großen Verehrer Homers, fehlte sein eigener Homer; seine großen Taten würden sich ohne große Verse nicht konservieren lassen.“741

Und so ist es nicht etwa Unkenntnis der historischen Gegebenheiten, wie zuweilen in modernen Untersuchungen vermutet, sondern genau diese Fama-Funktion, die der Tanzmeister Beaujoyeulx anspricht und für sich reklamiert, wenn er im Vorwort seines Traktats an Henri III. gerichtet, sagt: 738

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Die Erklärung „Die Neuheit von Baltazarinis Plänen, und die Pracht, womit seine Einbildungskraft die Maschinerie ausschmückte, die Charaktere kleidete, und die Action dieser Unterhaltungen anordnete, gewährten dem Hofe eine Zufriedenheit, die ihm den Namen Beau-joyeux erwarb“ scheint vor dem Hintergrund der Einbürgerungspraxis als Erläuterung der Namensgebung weniger glaubhaft, da sie die vollständige Namensgebung Baltasar da Belgioiosos vernachlässigt. Jedoch verweist die auch von Brantôme genutzte Schreibweise des Namens auf das Bemühen um eine sinnstiftende Konstruktion von Name und Tätigkeit. Zitat hier nach: Busby, Thomas: Allgemeine Geschichte der Musik von den frühesten bis auf die gegenwärtigen Zeiten; nebst Biographieen d. berühmtesten musikalischen Componisten u. Schriftsteller. 2. Bd. Leipzig 1822, S. 149. Eine etwas anders akzentuierte Zuschreibung gibt auch Marc-René d’Argenson, marquis de Paulmy (1722–1787) und Enkel des gleichnamigen französischen Botschafters: „[…] mais Henri III voulut qu’il prît le nom françois de Beaujoyeulx, sous prétexte qu’il inspiroit la joie à tout le monde.“ Hier zit. nach: Argenson 1788, a.a.O., S. 242. Als elektronische unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k424162h (letzter Zugriff Juli 2010). Schlumbohm 1974, a.a.O., S. 163. Assmann. Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999, S. 45. Assmann 1999, a.a.O., S. 42.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

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„Die Erzählung von all diesem, Sire, ist Ihnen hier lebendig und angenehm präsentiert in der fabelhaften Erzählung der Zauberin Circe, die sie mit ihrer Tugend besiegt haben, mit größerem Ruhm als Odysseus, welchen der große Alexander darum beneidete von Homer so würdig gefeiert zu worden zu sein.“742

Mit Berufung auf das klassisch antike Vorbild eines frühneuzeitlichen DichterImages reklamiert der Tanzmeister Beaujoyeulx offenbar genau diese FamaFunktion für sich, zumal als frühneuzeitlicher Buchautor: „Im Zeitalter des Buchdrucks wurde die Institution Autorenschaft neu definiert. Dabei verlagerte sich der herkömmliche Begriff der Fama von dem im Gedicht Dargestellten auf den Darstellenden selbst. Die Schrift ist eine Verewigungsmedium nicht nur für den besungenen Helden, sondern auch für den Autor.“743

Insofern kann durchaus vernachlässigt werden, inwiefern Beaujoyeulx über all die zugeschriebenen Talente tatsächlich verfügte. Deutlich wird, dass auch hier das Reden über diese Talente den tatsächlichen sozialen Aufstieg mitbefördern half. Beaujoyeulx wusste die Fama-Funktion der Dichtung gezielt in den Dienst der eigenen Sache zu stellen. Die Geschichte um Baltasar de Beaujoyeulx ist bis heute eben auch eine Geschichte um Identität und ihre Konstruktion.744 Neben den zu konstatierenden Kooperationen mit anderen Künstlern745, lassen sich bei Beaujoyeulx aber auch Konkurrenzsituationen mit anderen beobachten, was z. B. der Disput d’Aubignés und Beaujoyeulx’ um die Autorenschaft des balets comique zeigt. Der Protestant Agrippa d’Aubigné beanspruchte für sich, „seul inventeur“746, und somit alleiniger Erfinder des Stoffes zu sein und hatte damit Beaujoyeulx des Plagiats747 beschuldigt. In Frankreich hatte es, und das ist 742

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Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. a.iij. (meine Übersetzung. A.W.) Vergleiche hierzu auch Castigliones Hofmann, wenn Pietro Bembo über die Tugenden des Höflings, hier zudem mit Bezug auf den frühneuzeitlichen Kunst vs. Waffen-Diskurs, reflektiert: „Und wenn Alexander Achilles nicht um seine Taten, sondern um das Glück beneidet hat, dass sie von Homer gefeiert worden sind, so lässt sich einsehn, dass er die Kunst Homers höher geschätzt hat als die Kämpfe des Achills.“ Hier zit. nach Assmann 1999, a.a.O., S. 41. Assmann 1999, a.a.O., S. 46. Siehe hierzu auch das Kapitel III.3.2. dieser Arbeit. Siehe hierzu auch Böhme, Gernot: Identität. In: Vom Menschen. Handbuch historische Anthropologie. Hg. v. Christoph Wulf. Weinheim, Basel 1997, S. 686–697. Siehe z. B. hierzu die Ausführungen zum Akademiewesen am Valois-Hof im Kapitel I.3.3. dieser Arbeit. Aubigné, Agrippa de: Oeuvres. Paris 1969, Histoire Universelle, S. 398. Aubigné behauptet, dass die Königinmutter es ob der hohen Kosten abgelehnt habe, das ursprünglich von ihm erfundene balet anlässlich der Festlichkeiten zum Empfang der polnischen Gesandten 1573 zu realisieren und erst Henri III. es bei der Hochzeit 1581 habe aufführen lassen, siehe Aubigné 1969, a.a.O., S. 1206, hier Anm. 1. sowie Chevallier 1985, a.a.O., S. 540. Die Definition von Plagiat als „Diebstahl geistigen Eigentums“ geht auf das römische Recht und die Verwendung des Begriffes plagiarius im genannten Sinne bei Martial zurück. Siehe hierzu Ackermann, Kathrin: Fälschung und Plagiat als Motiv in der zeitgenössischen

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

bemerkenswert, den ersten nachweisbaren Plagiatsstreit überhaupt erst 1549 im Zusammenhang mit Mitgliedern der Pléiade gegeben, da dem Dichter Du Bellay mehrere unerlaubte Übernahmen von Thomas Sebillet und Barthélemy Aneau vorgeworfen wurden.748 Beaujoyeulx ist deutlich bemüht, den Vorwurf des Plagiates explizit zurückzuweisen, wenn er formuliert: „Denn ich selbst bin unwissend in Bezug auf die Gesetze, ich wüsste aber wohl diejenigen zu finden, welche des Plagiats zu überführen wären, falls jemand zum Dieb meiner eigenen Erfindungen würde, welche (die Erfindungen. A.W.) ich immer noch als sehr lobenswert erachte, da sie der größten Königin der Welt gefallen haben.“749

Indirekter fomuliert es Volusian in der Widmungsvorrede des balet comique, wenn er an de Beaujoyeulx gerichtet, formuliert: „Kein neidischer Mensch könnte dein perfektes und dein großes Werk schmälern. Du hast keinen Grund zum Hohn oder Spott gegeben, weder den Gelehrten noch den Ungebildeten. Aber dadurch dass du (dein Werk) durch Malerei mit der Natur verwoben hast, zeigte dein Werk selbst, dass die Kunst die Natur übertroffen hat.“750

Gerade mit dieser Aussagen betont er, dass er etwas ‚Neues‛ als Inventor des balets geschaffen habe. Eine Isotopie dieser lobpreisenden Gedichte ist die Kategorie des Neuen. Auch Autoren wie der Tanzmeister Cesare Negri oder der Kupferstecher Mauro Rovere sagen dies von sich.751 Was aber meint hier ‚Neues‛ und was kennzeichnet den Inventor im Verständnis des 16. Jahrhunderts? Rainer Bayreuther stellte hierzu heraus, dass

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Literatur. Diss. Heidelberg 1992, S. 17f. Zur Bedeutungs- und Wortgeschichte von Plagiat siehe die Arbeit von Welslau, Erich: Imitation und Plagiat in der französischen Literatur von der Renaissance bis zur Revolution. Rheinfelden 1976, S. 96–101. Siehe hierzu die frühe Arbeit von Erich Welslau: ders. 1976, a.a.O., S. 5. „Car moy-mesme, qui suis ignorant des loix, scaurois bien rechercher celles qui ont esté introduictes contre les plagiaires, si quelqu’un vouloit estre larron de mes propres inventions, lesquelles j’estimeray tousjours m’estre tres-honorables, puisqu’elles ont pleu à la plus grande Royne du monde.“ Hier zitiert nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 21f. (meine Übersetzung. Mit Dank an Ch. Breithecker für die Übersetzungshilfe). “De ton labeur parfait et grand,/ L’envieux ne sçauroit mesdire,/ Car tu n’as appresté à rire / Au docte ny à l’ignorant; / Mais par les traits de la peinture/ Conjoints à ceux du naturel,/ Ton ouvrage s’est monster tel/ Que l’art a surmonté nature.“ Hier zit. nach: Lacroix 1968,a.a.O., S. 12. Siehe diese Formulierung z. B. in den Arbeiten des Kupferstechers Mauro Rovere in Negris Le gratie d’amore von 1602. Bei den 29 unterschiedlichen Kupfertafeln wird Mauro Rovere als Inventor ausgewiesen, gestochen wurden die Tafeln von Leon Palavicino, der darauf gesondert meist mit Leo Palavicino feci hinwies. In: Garski 2003, a.a.O., S. 287. So heißt es auch in den Lomazzo gewidmeten 65 Lobpreisungen im Vorspann seiner Rime, er schaffe „cose inusitate, e nove“; galt er doch, so Dorothea Scholl, „den Zeitgenossen als Begründer der literarischen Groteske“ dies. 2004, a.a.O., S. 537.

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

171

„bis Ende des 17. Jahrhunderts [.] die Vorstellung des Komponisten als des Urhebers von voraussetzungslos Neuem inadäquat (ist). […] Der Komponist wird durch die Bedingtheit des von ihm neu Geschaffenen begrenzt und jenes neu Geschaffene durch das bereits Bestehende.“752

Das hierbei für die Künstler zu berücksichtigende Prinzip der imitatio naturae wird als Naturnachahmung verstanden, bei dem „die nachzuahmende Natur in einem mehr strukturellen als realistischen Sinn verstanden“ werden muss; „Kunst“ also „die Ordnung der Natur nachahmt, nicht diese selbst in einem naiven, gegenständlichen Sinne.“753 Inventio war seit Cicero zunächst an das „regelgeleitete Auffinden von Gegebenem“754 gebunden755, jedoch tritt „im Musikschrifttum der Mitte des 16. Jahrhunderts [.] neben dem seit dem Mittelalter gebräuchlichen invenire als dem regelgeleiteten Auffinden von Tönen einer Melodie oder einer Begleitstimme eine neue Nuance des musikalischen Schaffens hinzu: Ingenium. Die Musiker, denen Ingenium zugesprochen wird, zeichnen sich dadurch aus, dass sie Neues schaffen können.[…] Jenes Neue, dass die ‚noui inventores‛ ins Werk setzen, ist (jedoch. A.W.) nicht ein aus dem tiefsten, dunklen Brunnen ihrer Subjektivität Geschöpftes, sondern der ingeniöse Umgang mit einem quasi-mathematischen rationalen Medium.“756

Musikalisches Ingenium versteht sich somit weniger als eine Begabung ‚von Natur aus‛ denn als eine ‚zur Natur hin‛. Im Sinne eines ingeniösen Regelgebrauchs, der im 16. Jahrhundert jenes „strukturell-abstrakte“ und damit platonistische Naturverständnis zu Grunde legt, müssen „Komponist, Hörer und das ingeniöse musikalische Kunstwerk [.] auf einem gemeinsamen Fundament von natura und ratio verankert sein, um überhaupt in Relation zueinander treten zu können.“757

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Bayreuther, Rainer: Voraussetzungen des musikalischen Schaffensprozesses im 16. und 17. Jahrhundert. In: Paragrana, Beiheft 2 (2006), S. 29–40, hier S. 29. Bayreuther 2006, a.a.O., S. 29 und S. 33. Für die Musik bedeutet dies, so Bayreuther, dass bis ins 17. Jahrhundert die Naturnachahmung sich in „deren (intervallischer, modaler später rhythmischer) Struktur“ und der Berücksichtigung der „Regelgemäßheit“ als (lange Zeit) unveränderlich Gegebenem der Komposition abzeichnet. Ebda., S. 33. Vgl. hierzu den Begriff der Inventio im Sinne Leonardos, der bei ihm das Erfinden als „nur vom Geist erfasst, ohne das Werk der Hände“ beschreibt und das künstlerische Anliegen des Strebens nach typischer Gestaltform betont. Siehe hierzu Da Vinci, Leonardo: Philosophische Tagebücher. Hamburg 1958, S. 83. Bayreuther 2006, a.a.O., S. 31. Bereits 1556 benennt Hermann Finck einige Komponisten als noui inventores, denen er Ingenium zuspricht – von anderen Zeitgenossen als mathematici bezeichnet. Nach: Finck, Hermann: Practica musica. Wittenberg 1556. Fol. Aij, fol.ij.

172

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Diese grundlegende Haltung findet sich mehrfach auch in den Widmungsvorreden des balets comique. So verknüpft Billard in seiner Widmung an Beaujoyeulx die zuvor genannten Ideen, wenn er formuliert: „Beaujoyeux, der du als erster aus der Asche Griechenlands die Absicht und die Anmut des geregelten Balets mesurée wieder ans Tageslicht bringst, der du durch einen göttlichen Geist selbst ausgezeichnet bist, Geometer, Einfallsreicher, Einzigartiger in deiner Wissenschaft : Wenn nichts Ehre verdient, so ist doch deine Ehre gesichert.“758

Im o. g. Sinne ist folglich auch die bereits zu Beginn des Traktats von Beaujoyeulx formulierte Intention zu verstehen, mit seinem Werk, das er selbst in seiner Leseransprache eine „invention moderne“759 nennt, dem Vergessen der Invention entgegenzuarbeiten, denn „Sie (Ces triomphantes allégresses. A.W.) werden zurückkehren zu ihrer ursprünglichen Verdunkelung und Unbekanntheit, aus der ihre Mutter Erfindung sie hervorgezogen hat, wenn sie nicht durch Rede (discours. A.W.) und Schrift der Erinnerung anvertraut werden.“760

Auffällig ist, dass Beaujoyeulx gleich zu Beginn seines Traktates gerade über den Begriff der „nouveauté“ seinem Förderer, Henri III., huldigt, wenn er über und zu diesem sagt:

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Bayreuther 2006, a.a.O., S. 32f. Siehe hier auch Ausführungen zum Zusammenhang von humanistischer Naturphilosophie, z. B. in Ficinos ‚platonischer Seelenlehre‛ und musiktheoretischen Auseinandersetzungen der Zeit, z. B. bei Gaffurio und Zarlino. („Beaujoyeux, qui, premier, des cendres de la Grece, fais retourner au jour le dessein et l’adresse du Balet compassé en son tour mesuré, qui, d’un esprit divin, toy-mesme te devance, Geometre, inventif, unique en ta science: Si rien d’honneur s’acquiert, le tien est assuré.“) Aus: Lacroix 1968, a.a.O., S. 9 (hier meine Übersetzung. A.W.). Lacroix 1968, a.a.O., S. 14. („[…] pareillement toutes ces triomphantes allegresses faites pour donner relasche à vostre belliqueuse main, retourneroyent en leur obscurité et mescongnoissance premiere, dont leur mere Invention les a extraittes, si elles n’estoyent par le discours et l’escriture consignées à la memoire.“) Lacroix 1968, a.a.O., S. 4 (meine Übersetzung. A.W.) Siehe auch die Fortsetzung dieser Idee im weiteren Verlauf der Widmungvorrede mit den Worten: „Eure Majestät sehr ergeben bittend, während sie die Ausführung meines kleinen Entwurfes gefunden haben, (und) sie angenehm erfreut waren zwischen so viel anderen schönen und superben Darstellungen, übereinstimmend, dass die Erinnerung, die ich davon wünsche zu verewigen und mitzuteilen diese kleine Sammlung, denjenigen, die es nicht gesehen haben, es ihnen würdig erscheint, zu empfehlen.“ (“Suppliant tres-humblement Vostre Majesté que, puisqu’elle a eu agreeable entre tant d’autres belles et superbes representations, l’execution de mon petit dessein, que la memoire que j’en desire perpetuer et communiquer par ce petit recueil, à ceux qui ne l’ont point veu, luy puisse ester recommendable.“ Aus: Lacroix 1968, a.a.O., S. 6 (meine Übersetzung. A.W.).

3.1. Schöpfer und Nachahmer: Beaujoyeulx

173

„Was aber das Angenehme angeht, […] gewusst zu haben von aufrechten Vergnügungen, exquisiten Zeitvertreiben, und von Erholung, wunderbar in ihrer Vielfalt, unnachahmlich in ihrer Schönheit, unvergleichlich in ihrer köstlichen Neuheit (delicieuse nouveauté) – wird man mir verzeihen, wenn ich behaupte, dass sie weder einen Vorgänger gehabt haben noch (wie ich glaube), einen Nachfolger haben werden.“761

Zusammenfassend kann formuliert werden, dass, auch wenn die Position des Tanzmeisters am Hof und innerhalb der Hofgesellschaft deutlich erst mit Beginn des 17. Jahrhunderts durch einen Referenzrahmen fundiert war und auf institutionellen Strukturen beruhte, für das späte 16. Jahrhundert gesagt werden kann, dass der dem Musiker und Tanzmeister zugebilligte soziale Rang sich meist über sein Amt, z. B. das eines valets de chambre, ableitete. Darüber hinaus scheint die Stellung von Beaujoyeulx wie auch die anderer Künstler zu diesem Zeitpunkt besonders ein Ergebnis von Handlungen gewesen zu sein, die im höfischen Diskurs Beachtung fanden bzw. um ihre Wirksamkeit über die eigentliche Handlung hinaus zu entfalten. Dass außer der Verfasserschaft des Traktates zum balet comique die tatsächliche Rolle Beaujoyeulx’ zur Urheberschaft und Ausgestaltung des balets nicht abschließend geklärt werden kann, bezeugen auch die vielfältigen älteren und jüngeren Versuche, seine Tätigkeit als derjenige, „qui composa le ballet“762 oder als „chief inventor“763, „metteur au scene“764 oder als „superviser les réjouissances“765 zu beschreiben. Darüber hinaus finden sich m. E. keine eindeutigen Belege dafür, dass Baujoyeulx selbst als Tänzer agierte.766 Mögliche Rangkonflikte, wie sie letztlich auch dem Streit um die Autorenschaft des balets comique zwischen d’Aubigné und Beaujoyeulx zugrunde lagen, lassen sich schließlich wohl als Mangel an Autonomie der einzeln Agierenden wie als gleichzeitiger Ausdruck der Abhängigkeiten in einem kulturellen Netzwerk des späten Valois-Hofes beschreiben.

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Lacroix 1968, a.a.O., S. 3 (meine Übersetzung. A.W.). Siehe in einer zeitgenössischen Quelle die Formulierung: „ce fut Balthazar de Beaujoyeux qui composa le ballet“. Aus: Ms fr. 24450, f.27v., hier zit. nach Müller 1993, a.a.O., S. 16. McGowan 1963, a.a.O., S. 37. In einem Artikel von 1999 findet sich bei ihr beispielhaft auch die Bezeichnung Beaujoyeulx‛ als die eines „Ballettmeisters“: „[…] Balthazar de Beaujoyeulx (eigentlich Baldassare di Belgioioso), der als Violinist an den frz. Hof gesandt worden war. Vom Maréchal de Brissac aus Italien an den frz. Hof gekommen. Scheint als Ballettmeister schon in den 1570er und 1580er Jahren bei der Organisation von höf. Festen beteiligt gewesen zu sein“. Aus: McGowan 1999, a.a.O., Sp. 1164. Boucher Bd. 3, 1981, a.a.O., S. 1050. Dubost 1997, a.a.O., S. 102 Die nachweislich am Valois-Hof tätigen balladins erscheinen, einschließlich Diobono, auch nicht in den Gehaltslisten der Musiker. Siehe Brooks 2000, a.a.O., Appendix 2.

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I.3.2.

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Reflex einer gelungenen Karriere? – Clovis Hesteaus Enchantemens au Sieur de Beau-Joyeux

Clovis (oder: Loüis, Loys) Hesteau, sieur de Nuysement (1550–16??) war ein Schüler Dorats und stand als Dichter in engem Kontakt mit Ronsard und anderen Pléiaden. Gebürtig aus Blois war er als Secretaire de la Chambre du Roi im königlichen Haushalt Henri III. und seines Bruders d’Alençon-d’Anjou und lebte sicher im Jahr 1584 in Paris.767 Seine lyrischen Texte, Monsieur gewidmet, veröffentlichte er 1578 in Paris. Hierunter finden sich der in der literaturwissenschaftlichen wie in der tanzhistorischen Forschung bisher kaum beachtete, immerhin 265 Verse umfassende Text Enchantemens au Sieur de Beau-Joyeux.768 Ebenfalls 1578 veröffentlicht de Nuysement zusammen mit Dorat und Baïf das zweisprachige Werk Églogue latine et françoise: avec autres vers, recitez devant le Roy au festin de messieurs de la ville de Paris le 6e de février 1578; ensemble l’oracle de Pan, présenté au Roy pour estrènes.769 Über Baïf war Nuysement in die Aktivitäten der Akademie und die Ausgestaltung der Joyeuse-Hochzeit miteingebunden worden.770 Es finden sich nur wenige Arbeiten, die sich mit seinem literarischen Werk befassen.771 Die meisten Untersuchungen legen zudem deutlich den Schwerpunkt auf seine Verfasserschaft

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Zu den biografischen Angaben siehe World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter Hesteau, Clovis: Archives Biographiques Françaises (ABF) Fundstelle: I 1061, 262–263.Hier bes. unter: Liron, Jean: Bibliothèque générale des auteurs de France […]. Paris 1719. Mit Angaben zu seiner Ämterinhabe siehe Hoefer, Jean Chrétien Ferdinand (Hg.):Nouvelle biographie générale depuis les temps les plus reculés jusqu'à nos jours: avec les renseignements bibliographiques et l'indication des sources à consulter. 46 Bde. Paris 1852. Hesteau, Clovis sieur de Nuysement: Enchantemens au Sieur de Beauioyeux. In: ders.: Les oeuvres poétiques de Clovis Hesteau, sieur de Nuysement […]. 3.Bd. Hg. v. Roland Guillot. ND der Ausgabe Paris 1578. Genève 1996, S. 95–121. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k70572n (letzter Zugriff Juli 2010). Dorat, Jean: Églogue latine et françoise: avec autres vers, recitez devant le Roy au festin de messieurs de la ville de Paris le 6e de février 1578; ensemble l'oracle de Pan, présenté au Roy pour estrènes. Paris 1578. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k708536.r=.langFR (letzter Zugriff Juli 2010). Roberts 2000, a.a.O., S. 26. Siehe hierzu die, wenn auch nicht ganz vollständige, Auflistung bei Mathieu-Castellani, Gisèle: La poétique de la fureur et l'esthétique des vers rapportés: l'exemple de Clovis Hesteau de Nuysement. In: Australian journal of french studies. Vol. 39, N. 2, (2002), S. 167–187, hier S. 167, Anm. 1.

3.2. Reflex einer gelungenen Karriere?

175

alchemistischer Traktate.772 So auch die 1997 erschienene Dissertation von Denis Augier, in welcher der Autor verdeutlicht, dass Reflektionen über das Wesen der Alchemie und ihrer Symbolik Ende des 16. Jahrhunderts besonders in literarischen Schriften wie Rabelais Gargantua und Cyrano de Bergeracs Les Etats et empires de la lune und Les Etats et empires du soleil sowie in den lyrischen Texten und Prosawerken Clovis Hesteau de Nuysements zu finden sind.773 Augier versucht in diesem Zusammenhang die Rolle und Funktion des ‚hermetischen‛ Symbolismus alchemistischer Texte aufzuzeigen und verfolgt hierbei die These, „that during the XVIth and XVIIth centuries the printed book increasingly replaces the oral instruction of alchemy, and that works of fiction become a privileged refuge for hermetic ideas.“774

Besonders interessant erscheint diese Überlegung vor dem Hintergrund einer Beschäftigung mit dem balet comique: So kann gerade die Vergabe der Devisen durch weibliche Teilnehmerinnen an männliche Mitglieder des Hofes am Ende des balets mit ‚alchemistischem Blick‛ gelesen und gedeutet werden.775 Dies erstaunt umso weniger, je mehr in den Fokus rückt, dass Tanz wie Alchemie776

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So Kirsop, Wallace: Clovis Hesteau de Nuysement's Quatrains sur les distiques de Caton. In: Australian Journal of French Studies. Vol. 21, (1984), S. 308ff, unter zu Grundelegung seiner früheren Arbeiten zu Nuysement aus dem Jahre 1960: ders.: Clovis Hesteau, sieur de Nuysement, et la litérature alchimique de la fin du XVIe et du début du XVIIe siècle. Diss. Paris 1960. An jüngeren Arbeit sind zu nennen: Long, Kathleen Perry: Salomon Trismosin and Clovis Hesteau de Nuysement. The sexual politics of alchemy in early modern France. In: L'esprit createur. Vol. 35, Nr. 2, (1995), S. 9–21 sowie deren jüngste Arbeit mit deutlichem Schwerpunkt auf das frühneuzeitliche Frankreich: dies.: Hermaphrodites in Renaissance Europe. Women and gender in the early modern world. Aldershot 2006, bes. S. 137– 163. Siehe Augier, Denis Marc: Reflets de la science alchimique de la Renaissance à la fin du XViie siècle dans les œuvres de Rabelais, Cyrano de Bergerac, Beroalde de Verville et Clovis Hesteau de Nuysement. Diss. Indiana University 1997. Augier 1997, a.a.O., S. 10. Und dies einmal mehr als Gisèle Mathieu-Casteallani feststellt, dass es sich mit Clovis Hesteau de Nuysement um einen Autor handle, der es liebte „composer de poèmes sur le mode de l’emblème“, siehe Mathieu-Castellani 2002, a.a.O., S. 169. Siehe hierzu auch das Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. In jüngster Zeit finden sich wissenschaftliche Ansätze, die das Verhältnis von Theater und Alchemie näher fokussieren. So der Bericht zur internationalen Konferenz „Spuren der Avantgarde: Theatrum alchemicum“ im November 2007 in Berlin im Rahmen des Forschungsprojekts „Theatrum Scientiarum – Spuren der Avantgarde im experimentellen Wissen des 17. Jahrhunderts“ der Freien Universität Berlin. Hier nach: Howitz, Juliane: Tagungsbericht Spuren der Avantgarde: Theatrum alchemicum. 01.11.2007–03.11.2007, Berlin, H-Soz-u-Kult, 28.01.2008. Hier nach elektronischer Ressource unter URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1852>.Rez. (letzter Zugriff Juli 2010).

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

gleichermaßen Transformationsprozesse verfolgen.777 Mit Kathleen Perry Long kann man für das 16. Jahrhundert zwei Richtungen der Alchemie ausmachen: auf der einen Seite eine iatrochemische Ausrichtung paracelsischer Prägung und auf der anderen Seite eine philosophisch alchemische Ausrichtung, ein Ableger mittelalterlicher Alchemie, der zwar auch von Paracelsus beeinflusst war, aber weniger praktische Ziele verfolgte. Das heißt, nicht so sehr ein praktisch funktionierendes System steht im Mittelpunkt dieses Denkens, sondern die Idee einer gedanklichen Systematisierung – um der menschlichen Kontrolle willen.778 Seit Mitte des 16. Jahrhunderts zeigt sich in den einen wie den anderen alchemistischen Texten, dass „the rhetoric of alchemy is relentlessly gendered, particularly from the early sixteenth century on, and describes the stages as heterosexual union between man and women.“779

Die männliche und weibliche Begegnung, häufig in Form der chymischen Hochzeit dargestellt (Abb. 4), intendierte hierbei eine „union of spitirual and physical, as necessary for the perfection of matter“780 In iatrochemischer Ausprägung ist es der prototypische männliche Alchemist paracelsischer Prägung, der stets auf der Suche nach einem (männlichen) Surrogat des Weiblichen ist. Mit diesem Verfahren versucht er sich von der für den Reproduktionsprozess ansonsten unabdingbaren weiblich-mütterlichen Körperlichkeit loszulösen zugunsten eines Modells der Selbstgenerierung. Die Idee einer ‚Vereinigung der Geschlechter‛ verfolgt in diesem Sinn, wenn nicht eine vollständige Substitution, so doch eine Absorption des Weiblichen.781 Der allerdings in der Regel an die weibliche Körperlichkeit gebundene Ausdruck des spiritual truth, legt hierdurch den Blick frei auf eine neue, jedoch widersprüchliche Wertschätzung von Körperlichkeit und auch von Weiblichkeit: „This paradoxical union of self and other in one being, the oscillation between difference and sameness, is the concept at the core of the entire process. Alchemy is based on the assumption that everything can be dissolved, and that boundaries between different elements 777 778 779 780 781

Beachte zudem, dass z. B. bei Ronsard „c’est Amour le moteur des transformations, qu’elles soient bénéfiques ou maléfiques.“ Aus: Rüegger 1991, a.a.O., S. 157. Siehe Long 2006, a.a.O., S. 137. Long 1995, a.a.O., S. 9. Ebda. „Mother Earth, the feminine principle, is a slow and unreliable produce of precious metals. Thus, the male philosopher eliminates the feminine grounds, and develops more efficent systems to refine matter. This appropriation of the maternal role is linked to the creation of the homunculus, that is, to the perfection of reproduction by separation from the maternal body.“ und „The absolute need for bodily expression of spiritual truth grants new value to the corporeal and the female. Thus, the alchemical process is compared to parturition.“ Aus: Long 1995, a.a.O., S. 9 und S. 10.

3.2. Reflex einer gelungenen Karriere?

177

and masses can be erased and rewritten; thus ‚conjunction‛ and ‚separation‛ are the two basic concepts of this process.“782

Texte hingegen, die laut Long eher der philosophischen Alchemie zuzurechnen sind, beschreiben diese ‚Vereinigungsprozesse‛, im Unterschied zu den skizzierten aristotelischen Geschlechterrollen, als sexuelle Begegnung, bei der Sexualität und Mutterschaft miteinander verknüpft oder als ‚Hochzeit‛ beschrieben werden: Anstatt die Frau zu führen, verliert sich der Mann in ihr und sie sich in ihm.783 Vertreter der philosophischen Alchemie stehen hierbei für ein Verständnis von ‚Vereinigung in einer Natur‛ unter Beibehaltung der wesentlichen Unterscheidung zwischen „matter and form, matter and spirit.“784 Verrät diese Sicht erneut neoplatonischen Einfluss, stellt Kathleen Long die theoretisch sehr weitreichenden soziopolitischen Wirkungen dieses Konzepts dar: „Philosophical alchemy offered a spiritual alternative to Catholicism, and thus was also particularly favored by Protestants and the moderate politiques in France, who supported religious toleration. It was no doubt this latter group that brought the discipline to the court of Henri III. “785

Inwiefern passt in dieses Gefüge der eingangs erwähnte und B. de Beaujoyeulx gewidmete Text? Lassen sich gedankliche Verknüpfungen zum Werk von Beaujoyeulx herstellen? So wie Etienne Jodelle und Ronsards zahlreiche Liebessonette verfassten786, stehen auch in Clovis Hesteau de Nuysements Werk neben den alchemistischen Texten787 gerade Liebessonette im Zentrum seines literarischen Interesses. Enchantemens au Sieur de Beau-Joyeux, der B. de Beaujoyeulx gewidmete und bereits 1578788 veröffentlichte Text, thematisiert hierbei ganz im petrarkischen

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Long 1995, a.a.O., S. 10. Siehe hierzu z. B. Hesteau de Nuysements Visions hermétiques. Long 2006, a.a.O., S. 138f. Long 2006, a.a.O., S. 139. Siehe hierzu Mathieu-Castellani 2002, a.a.O., S. 175 und S. 184. Siehe hierzu das Werk von Clovis Hesteau de Nuysement: Traittez de l'Harmonie et constitution généralle du vray sel, secret des philosophes & de l'Esprit universelle du Monde. Paris 1621. Das Traktat war sehr erfolgreich und wurde ins Lateinische, Englische und Deutsche übersetzt, siehe z. B. Vigilantius Monte Cubiti [Übers.]: Dreyfaches Hermetisches Kleeblat, in welchem begriffen dreyer vornehmen Philosophorum herrlich Tractätlein. Das erste von dem geheimen waaren Saltz der Philosophorum, und allgemeinen Geist der Welt, H. Nuysement aus Lothringen. Das andere Mercurius Redivivus Unterricht von dem Philisophischen Stein so wol den weisen als rohten aus dem Mercurio zu machen, Samuelis Nortioni sonsten Rinville. Und das dritte von dem Stein der Weisen Marsilii Ficini Florentini. Nürnberg 1667. Als elektronische Ressource unter URL: http://digital.slubdresden.de/sammlungen/werkansicht/27811637X/0/ (letzter Zugriff Juli 2010).

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Sinne eine Liebesobsession.789 Sowohl hinsichtlich des Grundthemas der unerfüllten Liebe als auch in Bezug auf die Darstellung der Ambivalenz des Liebesschmerzes sowie die Verknüpfung von christlichen und mythologischen Vorstellungen und mit der Verwendung sehr ausgeprägter, häufig antithetisch aufgebauter Metaphorik ist dieser Text deutlich dem Neopetrarkismus verpflichtet. Das Thema wird in der Form eines Liebessonetts präsentiert, dessen bildhafter Ausdruck geprägt ist von Gewalttätigkeit, Diskordanz und Zersplitterung als Bestandteile eines durchaus neuen ästhetischen Ordnungsprinzips.790 Die mit Enchantemens791 betitelten Verse gliedern sich in zwei große Abschnitte, wobei im Zentrum des ersten Textdrittels steht, dass das lyrische Ich sich an der geliebten inhumaine792 rächen will, da die ihr entgegengebrachte Liebe von ihr unerhört bleibt.793 In den sich anschließenden Versen ist die Suche des lyrischen Ichs nach Wegen, die Angebetete doch noch zu gewinnen, zentral. Die Nekromantie soll, geschildert in einem umfangreichen Textteil, eines dieser möglichen Transformationsmittel darstellen.794 Dass in einer Zeit, die die Semantisierung des eigenen Namens besonders häufig in Texten ausweist, Nuysements lateinischer Name Nysomantius an la nécromancie erinnert, ist hierbei sicher kein Zufall.795 Um den B. de Beaujoyeulx gewidmeten Text für die Analyse des Beziehungsund Bedingungsgefüges des nur drei Jahre später aufgeführten balets comique fruchtbar zu machen, sei ein etwas detaillierterer Blick auf den lyrischen Text in Form einer kommentierten Textbeschreibung gerichtet. 788

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Zu dieser Zeit stehen offensichtlich beide im Dienst des königlichen Bruders, nämlich des Herzogs von d’Alençon-d’Anjou. Zu Nuysements Tätigkeit als ein valet de chambre siehe Guillot 1996, a.a.O., S. 95. Zur Tätigkeit von Beaujoyeulx als vallet de chambre ebenfalls für François d’Anjou in diesem Zeitraum siehe Brooks 2000, a.a.O., Appendix 2, S. 421. Meiner Kenntnis nach hat eine intensive Beschäftigung mit diesem Text bisher in der tanzhistorischen Forschung um Baltasar de Beaujoyeulx und das balet comique so gut wie nicht statt gefunden. Sehr hilfreich für das Textverständnis ist die annotierte französische Textausgabe von Roland Guillot, siehe Guillot 1996, a.a.O., S. 95–121. Siehe Mathieu-Castellani 2002, a.a.O., S. 186. 791 Die Schreibweise Enchantemens statt Enchantements kann auch in Godefroy, Frédéric: Dictionnaire de l'ancienne langue française et de tous ses dialectes du IXe au XVe siècle, Hg. v. F. Vieweg, Émile Bouillon. 10 Bde. Paris 1881–1902 nachgewiesen werden. Mon inhumaine als die traditionelle Bezeichnung für die Figur der geliebten, nicht mehr anwesenden Frau, die in neopetrarkischen Texten angesprochen wird. Siehe hierzu Guillot 1996, a.a.O., S. 96. Siehe Guillot 1996, a.a.O., S. 95. Das erste Textdrittel umfasst hierbei einschließlich V. 82. Siehe ebda., S. 101, V. 83 – V. 268. Siehe hierzu Mathieu-Castellani 2002, a.a.O., S. 168, Anm. 5. Siehe zum Beispiel auch in der Widmungsvorrede an B. de Beaujoyeulx von Volusian das Wortspiel zum Namen Beaujoyeulx’: „Dein Geist mein lieber Beaujoyeux, der so fröhlich (ioyeuse) wie er schön ist (belle), macht durch eine neue Erfindung Erde und Himmel Vergnügen.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. e.ij. (meine Übersetzung. A.W.).

3.2. Reflex einer gelungenen Karriere?

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Wenn Clovis Hesteau de Nuysement den Sprecher im Gedicht zu Beginn des Sonetts von „mon Astre fatal“ (V.3) sprechen lässt, spricht hieraus, durchaus in Analogie zu den Dichtern der Pléiade, ein Verständnis von ‚Liebe‛, wonach diese eine „passion fatale déterminée astrologiquement“796 sei und diese dem schicksalhaft Liebenden keinerlei Freiheit ermöglicht. Um die geliebte inhumaine und die daraus entstandene Last zu besiegen, will sich der Liebende intensiv-sprachlich eindringlich durch die mehrfachen Anaphern veranschaulicht – des ‚Guten‛ wie des ‚Schlechten‛ bedienen, hierbei an himmlische ‚Götter‛ wie an die ‚Hölle‛ und Pluto appellieren und sich in seiner Not – „et plus cruel encore“ – in einen „Türken, oder Juden, oder Scythen, oder Mohren“ verwandeln: „Je veux or’ esprouver et le bien et le mal./ Je veux prier les Dieux, et pour m’estre propices,/ Je les veux honorer de vœux et sacrifices, /[…]/ Et pour à mon besoing recourir aux enfers,/ Je veux prier Pluton, et plus cruel encore/ Je me veux rendre Turch, ou Juif, ou Scythe, ou More […].“797 Die hier Gestalt annehmenden xenophoben Sentiments798 finden sich, wie bereits erwähnt, auch in anderen Zusammenhängen und Diskursen der späten 1570er und zu Beginn der 1580er Jahre am französischen Valois-Hof.799 796

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Dieses Motiv sei, so Guillot, in den neopetrarkischen Texten gleichsam ‚allgegenwärtig‛. Als weiteres Beispiel werden auch hier Ronsards Amours genannt. Siehe Guillot 1996, a.a.O., S. 96. Es stellt sich die Frage, inwiefern das vielzitierte Bild des göttlichen bal des astres, welches Ronsard als Metapher für den Tanz nutzt, hiermit in engerem Zusammenhang steht. Hier zit. nach: Guillot 1996, a.a.O., S. 96, V. 4–6. Guillot interpretiert, auch mit Verweis auf Ronsard, diese Figuren wie folgt: Alle vier Figuren sollen in diesem Zusammenhang ‚Wildheit und Barbarei‛ mit infernalen Kräften verkörpern: „les Turcs représentaient une lourde menace pour la chrétienté […]; les Scythes depuis Horace […] symbolisent la barbarie […]; les Mores, ou sarrasins, ont ennemis de Dieu […]; Les juifs ennemis de Jésus. Les Daces, Perses et Tartares leur sont souvent associés.“ Aus: Guillot 1996, a.a.O., S. 97. Vgl. hierzu auch den ähnlich negativ konnotierten Bezug zu les Scythes in der Widmungsrede durch den Dichter Auguste Costé, wenn dieser ausführt: „[…] die Scythen, welche Herzen aus Stein haben, würden ein solch süßes Wunder bestaunen und ihre gefangenen Herzen wären nicht länger befleckt mit dem bitteren Humor barbarischen Stolzes. Deine Circe, Beaujoyeulx, bezaubert mich nicht so sehr wie die feinen Figuren deines Balets, umso mehr als sich die Magie deiner Circe vor dem himmlischen Moly fügen muss. Aber ich fühle, dass meine Seele verzaubert ist durch die süßen Vergnügungen und all meine Sinne mir so geraubt sind, dass selbst Merkur nur schwerlich ein Heilmittel finden könnte.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. e.j. (meine Übersetzung. A.W.). Dass sich Circe gar nicht wie in der homerischen Fassung vor Merkurs Molykraut „fügen“ muss, sondern sich im Gegenteil nur vom ‚Himmelsvater‛ Jupiter besiegt gibt, wird hier von Costé in Bezug auf das von Beaujoyeulx inszenierte Circe-Spiel ignoriert. Welche Intention er damit verfolgt, kann allerdings von mir nicht geklärt werden. Sicher ist, die Rolle Merkurs, im balet comique der Überbringer des Zauberkrautes, ist in der philosophischen Alchemie des 16. Jahrhunderts eine hochkomplexe. Es ist möglich, dass ein solcher Bezug Veranlassung zu einer derarti-

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Sowohl durch seine nekromantischen Bezüge als auch in seinen übrigen Passagen ist dieser Text Nuysements von einer auffälligen Bildlichkeit der Extreme durchzogen, die sich sprachlich in tautologischen, metaphorischen und metonymischen Bezügen ausdrücken.800 Die Veranschaulichung von Gewalttätigkeit als ästhetischem Prinzip zeigt sich m. E. besonders in der sprachlichen Ausgestaltung fiktiver Verwandlungspozesse, in denen das lyrische Ich die Gestalt eines Tieres annimmt: „Und wenn das nicht genug ist, werde ich mich verwandeln/ in einen Wolf, einen Bär, einen Tiger, einen Löwen, einen Panther;/ und ich werde sie mit Nägeln und Zähnen voll Zorn erschrecken und dabei wird man ihre Angst auf ihrem Gesicht sehen und sie wird Bedauern im Herzen haben.“801

Kontrastiert wird dieses Bild von einer Passage, in der das lyrische Ich eine eremitisch-religiöse Existenz entwirft, jedoch gescheitert resümiert: „Und wenn die Änderung meines Geburtsorts,/ wenn die guten Kenntnisse entfernter Länder,/ Wenn die barbarischen Gebräuche fremder Völker,/ Wenn die stolzen Tiere, wenn so viele andere Gefahren, die oft beim Umherirren uns töten,/ und tausend und tausend Schmerzen, die im Leben folgen,/ Meine Leidenschaft nicht abschwächen können, oder wenn der Himmel daran Freude hat zu sehen, wie ich mir Kummer mache,/ werde ich durch die Städte gehen, hier und da, um zu erzählen,/ Und wie ein Marktschreier um sein Theater herum ein ganzes Volk versammelt, so voll Leidenschaft werde ich meine Leier stimmen, […],/ So werde ich erklären, was mich verzweifeln lässt. […].“802

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gen Abweichung gegeben hat. Zur Semantik von Merkur, Sonne und Mond für die philosophische Alchemie siehe auch Long 2006, a.a.O., S. 156. Guillot weist darauf hin, dass hierbei die ‚Originalität‛ dieser Textkonstruktion seitens Nuysement darin bestehe, dass er das eigentlich italienische Genre, in dessen Zentrum die verschwundene Geliebte (disperata) stehe, mit der ursprünglich antiken poesie d’incantation mische. Siehe Guillot 1996, a.a.O., S. 96. „Et si ce n’est assez je me transformeray / En loup, en ours, en tigre, en lyon, en panthere; / Et d’ongles, et de dents, tout bouillant de cholere,/ Je l’espouventeray, luy imprimant la peur/ Dessus sont front superbe, et le regret au crueur.“ Hier zit, nach: Guillot 1996, a.a.O., S. 97 (meine Übersetzung. A.W.). Guillot mit dem Hinweis, dass der Wolf mit Bezug auf zahlreiche antike Dichter wie Horaz und Plinius hierbei als teuflisches Tier der sorcières assoziiert werde, wie der Bär symbolisch für die „classe guerrière“ stehe, der Tiger die „l’obscurcissement de la conscience submergée par le flot des désirs élémentaires“ verkörpere und der Löwe hier möglicherweise für die „divinités infernales et à l‚Antéchrist“ stehe. Hier zit. nach: ebda. Vergleiche hierzu auch den bereits im Kapitel I.2.1. erwähnten Umstand, dass in Abweichung zur homerischen Vorlage bereits nach Boccaccio im Garten der Zauberin Circe, neben einem Hasen und einem Hirsch, ein Bär und ein Löwe zu finden sind. „Et si le changement du lieu de ma naissance, / Si des païs loingtains la rude cognoissance, / Si les barbares moeurs des peuples estrangers,/ Si les fiers animaux, si tant d’autres dangers / Qui souvent en errant nous desrobent la vie, / Et mille et mille maux, dont la vie est suivie, / Ne peuvent quelque peu mon ardeur alenter, / Ou que le Ciel se plaise à me veoir

3.2. Reflex einer gelungenen Karriere?

181

Fast ist man geneigt, neben den petrarkischen Topoi, in solche Passagen Anspielungen auf biografische Bezüge zu B. de Beaujoyeulx hineinzulesen: er, der, wie bereits dargelegt, eine andere Identität am französischen Hof annehmen wird. Beaujoyeulx, über den es heißt, er habe nicht nur Kenntnisse über andere Länder803 sondern der, um es nochmals zu zitieren: „[…] eine Fülle hübscher und nicht alltäglicher Begebenheiten kannte und auch aus eigenen Erlebnissen in seiner Jugend stets ungewöhnliche Geschichten, vor allem über die Liebe und die List der Frauen, beisteuerte.“804

Christa Schlumbohm wies in ihrer frühen Arbeit, den Zeitraum mittelalterliche Liebesdiskussionen bis zum 17. Jahrhundert umfassend, diverse Gestaltungsweisen der Liebesthematik zu Spielzwecken wie zu Ausformung verschiedener literarischer Genera als gesamteuropäischem Phänomen aus. Hierbei stellt sie für die Mitte des 16. Jahrhunderts die spielerische Streitbarkeit als Teil gesellschaftlichen Spiels und Vergnügens heraus, bei dem varietà und novità ebenso eine Rolle spielen wie eben auch personenbezogenen Anspielungen und Pointen.805 Dem Spielerischen sind häufig Wandlungsprozesse nicht fremd oder sie sind ihm gar inhärent. Und so wie Circe als mächtige Zauberin im Zentrum des balets comiques stehen wird, die Menschen zum Stillstand verdammt und sie in Tiere verwandelt, treten auch in den Versen der Enchantemens ‚magische‛ Elemente und Transformationsprozesse in den Vordergrund. Hier wie dort unter Hinzunahme tierischer Gestalten, jedoch in Nuysements Text ergänzt um minutiöse Beschreibungen nekromantischer Kulthandlungen.806 Bei deren Beschreibung fällt die Dichte der verwendeten Symbolik auf. So finden sich zahlensymbolische Bezüge:

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tourmenter, / J’iray par les citez, çà et là, pour m’esbatre, / Et comme un Charlatan autour de son Theatre / Amasse tout un peuple, ainsi plein de langueur / J’accorderay ma lyre, […], / Ainsi doncq’je diray ce qui me desespere, […].“ Hier zit. nach: Guillot 1996, a.a.O., S. 100 (meine Übersetzung. A.W.) Siehe Widmungstext in Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. e.iij. So Christa Schlumbohm, hier mit Verweis auf Brantôme: Schlumbohm, Christa: Jocus und Amor: Liebesdiskussionen vom mittelalterlichen ‚joc partit‛ bis zu den preziösen ‚questions d’amour‛. Diss. Hamburg 1974, S. 162f. Christa Schlumbohm hier mit Bezug auf „Joc partit und jeu-parti“ als Spielformen der Liebesdiskussionen in: dies. 1974, a.a.O., S. 390. Vergleiche hierzu z. B. den Arbeaus Orchesographie (1581) inszenierten Dialog oder den Fürstenspiegel von Sir Thomas Elyot The Book Named the Governor (1531), in welchem Elyot sieben Kapitel auch dem Tanz als notwendigem Bestandteil einer moralischen Erziehung widmet, hier in der Nachfolge Platos und Lucians. Desweiteren wäre z.B. Richard Mulcasters Positions von 1588 zu nennen. Im Gegensatz hierzu verfassten bereits im15. Jh. P.P. Vergerius und Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim Anti-Tanztraktate. Siehe Mathieu-Castellani 2002, a.a.O., S. 185, Anm. 47.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

„[…] während neun ganzer Tage“807 will sich der Sprecher im Gedicht einem Reinigungsritual unterwerfen, so dass er, fügt man alchemistische Aspekte dieser Deutung hinzu, selbst zu einer Art eigenschaftsloser prima materia wird. Auch werden astrologische Verweise eingefügt: „Wenn Phoebus im Zeichen der Zwillinge (20.5.–20.6. A.W.) eintreten wird und wenn der Mond im Krebs stehe“808, werde er Wasser holen, in dem eine Viper sterben werde. Es wird im weiteren Verlauf mit der Bedeutung bestimmter Pflanzen und Formen gespielt: „[…] ich werde die Geister unserer Verstorbenen heraufbeschwören, werde mein Parfum mischen mit Thymian, Amber, Aloe (Blumen, die stark riechen und die in der Antike verbenae genannt wurden; Thymian sollte aphrodisiakisch wirken. Anm. Guillot).“809 „Aber damit die Erdgeister mich nicht verletzen, werde ich auf einen hohen Berg gehen, und werde mit einem Messer einen großen Kreis machen im Lob auf Pluto.[…] In dem gemachten Kreis, der nach Osten gerichtet ist mit Ästen von Zypressen und Myrthen, werde ich dreimal klingeln, nach antiker Weise; eine Glocke aus Silber, die in magischer Kunst gefertigt wurde.[…]. Ich werde den König (gemeint ist Pluton. Anm. Guillot810) heraufbeschwören für die ewigen Grausamkeiten, ich werde Venus und Cupido auch heraufbeschwören sowie den Mond und die Sonne. Und dann werde ich sagen ‚TEUFEL‛; die regieren im Himmel und die Sterne irren im maßvollen Kurs (la course mesuree) […].“811

Nach zahlreichen Heraufbeschwörungen folgen detailliert beschriebene Vorstellungen von nekromantischen Transformationen unter Verwendung von Tierkörpern oder in diverse tierische Körper.812 Der Text schließt mit der Wiederaufnahme des Grundthemas in antithetischer Verknüpfung von ‚Leben‛ und ‚Tod‛, gefolgt von einer Synthese, die den geglückten Transformationsprozess des lyri807 808

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„Durant neuf jours entiers […]“ Hier zit. nach: Guillot 1996, a.a.O., S. 102, V. 91 (meine Übers. A.W.) „Quand Phoebus entrera au signe des jumeaulx, / Et la Lune au Cancer, j’iray puiser les eaux / Où la vipere meurt […].“ Hier zit. nach: Guillot 1996, a.a.O., S. 104, V. 115ff (meine Übersetzung und Paraphrase. A.W.). Guillot 1996, a.a.O., S. 105, Anm. 124. Guillot 1996, a.a.O., S. 108, Anm. 150. „[…] Invocant les esprits de noz peres deffuncts, / De Thim, d’Ambre, et d’Aloes je feray mes parfums. / Mais affin que l’orgueil des esprits ne m’offence, / Et pour mieux refrener leur libre violence, / J’iray sur un haut mont, et feray d’un Cousteau, / En l’honneur de pluton, un grand cerne au couppeau. […]. Dans le cerne achevé, vers l’Orient tourney, / De branches de Cypres et de Myrthe entourné, / Je sonneray trios fois, à la façon antique, / une cloche d’argent faicte par art magique. […] J’invoqueray le Roy des horreurs eternelles. / J’invoqueray Venus, et Cupidon aussi, / la Lune et le Soleil; puis je diray ainsi: / DAIMONS qui regissez de la voute azure / Et des astres errants la course mesuree, […]“ Hier zit. nach: Guillot 1996, a.a.O., S. 105, V 123–128 und S. 107, V.135–138 sowie S. 108, V. 150–154. Hier nach: Guillot 1996, a.a.O., S. 109–120.

3.2. Reflex einer gelungenen Karriere?

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schen Ichs; eines inneren Wandlungsproesses von alchemistischer Qualität, in Aussicht stellt: „Wenn ich sterbe, um sie zu lieben, ist es ein glückliches Leben, wenn sie mich überlebt, ist es ein beschämender Tod. Stolz von Frömmigkeit werde ich genug Ehre haben, damit man sagt, dass ich mein Herz so erhöht habe.“813

Dieser Text forderte in seiner Vielschichtigkeit bereits Leser anderer Generationen heraus, wird er doch bereits im 18. Jahrhundert als un délire continuel814 beschrieben. Auch vorliegend kann eine abschließende Einordnung und Bewertung des Textes überhaupt nur ansatzweise geleistet werden. Zu den am Beginn des Kapitels formulierten Fragen lassen sich abschließend folgende Überlegungen anstellen: Clovis Hesteau de Nuysement verknüpft m. E. in diesem Text, und darin besteht wohl die eigentliche Besonderheit dieses Dokumentes, herkömmliche Elemente italienisch-petrarkischer Liebeslyrik vereinzelt nicht nur mit ‚magischen‛ Elementen, sondern durchaus mit alchemistischem Gedankengut.815 Deutlich ist, die Enchantemens spielen mit verschiedenen Arten von Transformationsprozessen, welche in dichter sprachlicher Symbolik gestaltet sind. Somit kann der Text durchaus grundsätzlich in die gedankliche Nähe alchemistischer Prozessbeschreibungen gerückt werden. Auf das Bild eines nicht-aristotelischen Geschlechterverhältnisses als wesentlichem Merkmal philosophischer Alchemie wird in diesem Text allerdings nur insofern eingegangen, als auch der männliche Part sich im ‚Delirium‛ der Liebesobsession in derselben zu verlieren scheint. Ausgehend von zahlreichen Antithesen erscheint hierbei, ganz gemäß der gewählten Sonettform, der Zustand der Symbiose das eigentlich Ziel. Jedoch korrespondiert m. E. die Gewalttätigkeit als ästhetisches Gestaltungsprinzip und das Motiv der Rachsucht wie das der Zerstörung der geliebten inhumaine nicht mit den o. g. Ansätzen philosophischer Alchemie. Diese sind wohl eher als Reverenz an die deutlich im Vordergrund stehende petrarkische Textausprägung zu verstehen.

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„Si je meurs pour l’aimer c’est une vie heureuse,/ S’elle vit apres moy c’est une mort horteuse;/ Car digne de pitié j’auray assez d’honneur / Qu’on die que si haut j’aye eslevé mon cueur.“ (meine Übers. A.W.). Hier zit. nach Guillot 1996, a.a.O., S. 121, V. 265–268. Sixte Sautreau de Marsy, Claude, Imbert, Barthélémy: Annales poétiques ou almanach des muses depuis l'origine de la Poésie Françoise. Bd. 11/12: Poètes du XVIe siècle. Paris 1779, o.S. Roland Guillot setzt hier den Akzent ein wenig anders und merkt zur Besonderheit des Textes nur in einer knappen Fußnote an: „L’originalité de Nuysement consiste à mêler à ce genre d’origine italienne, la ‚disperata‛, la poésie d’incantation d’origine antique.“ Aus: Guillot 1996, a.a.O., S. 96.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Versucht man den Text in Beziehung zu Beaujoyeulx als demjenigen, dem die Enchantemens gewidmet sind, einzuordnen, können hier und da Anspielungen auf seine Person begründet vermutet werden. Auch wird Brantômes Urteil über Beaujoyeulx als ungewöhnlichen Geschichtenerzähler scheinbar bestärkt, wenn es heißt, dass dieser Geschichten „über die Liebe und die List der Frauen, beisteuerte.“816 Darüber hinaus kann die Idee von Transformation, wie sie für alchemistische Ideen im Allgemeinen und die Enchantemens im Besonderen zentral ist, als konstitutives Element der tänzerischen Profession Beaujoyeulx’ sowie der 1581 demonstrierten Circe-Allegorie des balets comique gelesen werden. Verfolgt man die Idee Longs, die philosophische Alchemie theoretisch sogar als spirituelle Alternative zu den vorherrschenden konfessionsgebundenen Sichtweisen am Valois-Hof zu deuten817, lässt sich dieses Konstrukt allerdings nicht widerspruchsfrei auf die Circe-Allegorie des balets comique übertragen.818 Denn im Unterschied zu Nuysements Argumentation zielt das aristotelische Geschlechtermodell auf die möglichst hohe Ähnlichkeit der Nachkommen mit der ursprünglichen Vaterfigur, wie es sich extrem im Bild des selbstgenerierenden homunculus als gedankliches Experiment zeigt.819 In diesem Sinne ist die rückwärts gewandte Ausrichtung auf ein goldenes Zeitalter als Suche nach dieser Ursprünglichkeit zu verstehen. Dieses Moment der Ausrichtung auf ein ‚goldenes Zeitalter‛ findet sich im balet comique explizit.820 Allerdings würde gemäß dieses Modells das Moment des Stillstands als ein ideales verstanden werden, da „change is invariably perceived as corruption, and corruption is only perceived as a negative force.“821 Diesem Ideal hingegen folgt die Konzeption der Circe-Allegorie nicht: Circe, selbst Tochter des Sonnengottes Helios, wird als weibliche Protagonistin durch den männlichen Merkur nicht besiegt und beherrscht den hier deutlich negativ verstandenen Stillstand der tanzenden Nymphen. Auch wird sie sich dem all

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Hier zit. nach: Schlumbohm 1974, a.a.O., S. 162f. In diesem Zusammenhang wäre z. B. auch das lyrische Werk Jean Passerats (1534–1602), der Académie wie der gemäßigten Politique nahestehend, genauer zu prüfen. Auch wenn vorliegend eine solche Analyse nicht geleistet werden kann, scheint mir doch gerade eine differenzierte Auseinandersetzung mit seinem Text ELEGIE Par Stances, pour vn certain seigneur potentiell sehr ergiebig. Siehe diesen in Passerat, Jean: Recueil des oeuvres poétiques de Ian Passerat augmenté de plus de la moitié, outre les précédentes impressions. Hg. v. Jean de Rougevalet. Paris 1606, S. 155ff. Sie selbst spricht diesen Ideen eine gleichsam „revolutionary nature“ zu. Aus: Long 2006, a.a.O., S. 139. Siehe Long 2006, a.a.O., S. 141. Siehe hierzu auch das Kapitel I.2.2. dieser Arbeit. Long 2006, a.a.O., S. 141.

3.3. Die Valois-Académien

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mächtigen ‚Göttervater‛ Jupiter822 am Ende des Spiels unterordnen – und sich ihm freiwillig und ohne Gewalt unterwerfen. Zwar entmachtet, wird sie aber in ihrer Andersartigkeit weiterhin geduldet. Insofern könnte die vorgeführte friedliche Lösung des Spiels, einen Imperativ zur Toleranz implizierend, als (nicht nur) gedankliche Alternative zu den realpolitischen Gegebenheiten des Valois-Hofes und seines Umfeldes angelegt sein. Diese Überlegung wird auch durch den Widmungstext von Claude Billard zu Beginn des balets comique gestützt, wenn dort Beaujoyeulx mit folgenden Versen angesprochen wird: „Nachahmer des Archimedes, indem du mit dem Gebrauch die Züge deines Wissens verbindest, das dem Archimedes nur ein Gewitter lang dauert, aber dir eine bessere Zeit ohne Krieg und Furcht?“823

Nicht zuletzt können die Enchantemens, neben dem offensichtlich gemeinsamen biografischen Hintergrund einer Tätigkeit als valet de chambre 1578 im Haushalt des Herzogs d’Alençon-d’Anjou von Beaujoyeulx und Clovis Hesteau de Nuysement, als weiteres Indiz einer Teilhabe Beaujoyeulx‛ an der Akademiebewegung gewertet werden.824 Insofern dokumentieren sie seine Konsolidierung im Netzwerk der literarischen und akademischen Zirkel im Umfeld des Valois-Hofs.

I.3.3. Die Valois-Académien um Ronsard und de Baïf Die Académie um Jean Antoine de Baïf (1532–1589)825 sowie zum Teil auch deren Einfluss auf die Entwicklung des sog. ballet de cour war bereits in der Vergangenheit häufiger schon Gegenstand von Untersuchungen.826 822

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Jupiter selbst steht als mythologische Figur m. E. deutlich sowohl etymologisch als auch metaphorisch für ein aristotelisches Geschlechterverhältnis, generiert er doch Nachkommen wie Minerva selbst. „Parangon d’Archimede, à joindre avec l’usage / les traits de ton sçavoir, luy Durant un orage, / Mais toy d’un temps meilleur hors de guerre et d’effroy?“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 9. (meine Übersetzung. A.W.). Von einer solcher Teilhabe gehen bereits die Arbeiten von Pruniers, Yates und McGowan aus. Siehe: Prunières 1913, a.a.O., S. 77f.; Yates 1973, S. 236–275 und McGowan 1963. Zu erwartende weiterführende Überlegungen der ausgewiesenen tanzhistorischen Kennerin Margaret McGowan in ihrem jüngst erschienenen Werk konnten leider für die vorliegende Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden. Siehe McGowan, Margaret M.: Dance in the Renaissance: European fashion. French obsession. New Haven 2008. Zu den biografischen Quellen siehe: World biographical Information System. WBIS unter Baïf, Jean Antoine de in Archives Biographiques Françaises (ABF), Fundstelle:I 45,329– 338,341;II 31,201; IIS 5,110; III 22,122–125. Bei eher gleichbleibender Quellenlage siehe hierzu folgende Arbeiten: Edouard Frémy kommt der Verdienst zu, erstmals zum Thema gesammelt und zusammenhängend dargestellt zu haben: Frémy, Edouard: L'Académie des derniers Valois: Académie de poésie et

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I.3.3.1.

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Die Neuinszenierung ‚antiker‛ Musik in der Académie de Poésie et de Musique

Die Académie de Poésie et de Musique hat als die erste staatlich anerkannte Akademie Frankreichs per offiziellem, königlichem Dekret zu gelten. Damit wurde dem Versuch, die humanistisch orientierten Bildungsideale wie sie bereits unter dem Patronat von François I am Valois-Hof initiiert wurden, zu institutionalisieren, deutlich Ausdruck verliehen. 1570 erhielten Jean-Antoine de Baïf and Joachim Thibault de Courville – mit Charles IX. als Protektor und ‚erstem Mitglied des Auditoriums‛ und somit hier auch als ‚guter‛ Repräsentant seines Volkes – die Erlaubnis zur Gründung einer solchen Einrichtung827, im primären Bestreben „la mesure & reglement de la Musique anciennement vsitée par les Grecs & Romains[…] ils auroient desia paracheué quelques essays de Vers mesurez mis en Musique, mesurée selon les lois à peu prés des Maîtres de la Musique du bon & ancien âge.“828

Die Gründungsstatuten dieser Einrichtung wurden am 15.12.1570 vor dem Pariser Parlament zur Bestätigung vorgelegt; dieses verwies die Angelegenheit jedoch an die Mitglieder der Universität. Dort kam man diesbezüglich am 30.12.1570 jedoch zu keinerlei Einigung, stattdessen wurde de Baïf aufgefordert, die Universität von Paris zu verlassen oder deren Gesetzmäßigkeiten anzuerkennen. Bevor das Akademievorhaben zu scheitern drohte, griff der König am 23.3.1571 selbst ein und unterstrich hiermit von Beginn an das Wohlwollen des Königshauses gegenüber der Akademiebestrebung. Frances Yates sieht im Umstand, dass ge-

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de musique, 1570 – 1576 ; Académie du palais, 1576 – 1585; d’après des documents nouveaux et inédits. Paris 1887 (ND Genève 1969). Es folgten Prunières, Henry: Le Ballet de cour en France avant Benserade et Lully suivi du ballet de la délivrance de Renaud. Diss. Paris 1914; Yates 1947, a.a.O. sowie Walker, D.P.: The aims of Baïf’s ‚Académie de Poésie et de Musique‛. In: Journal of Renaissance and Baroque Music, Vol 1,2 (1946), S. 91ff. Ferner sind zu nennen: McGowan 1978,a.a.O. und Sealy, Robert J.: The Palace Academy of Henri III. Genève 1981. Yates hierzu mit Bezug auf die nahezu zeitgenössische Beschreibung Marin Mersennes (1588–1648): „The Academy was, […], an institution in which all subjects were studied, natural philosophy no less than poetry , mathematics as well as music, painting in addition to languages, even milittary discipline and gymnastics.“ Frances Yates verfasste die wohl bekannteste und eine der ersten geisteswissenschaftlichen Studien zu den französischen Académien: Yates, Frances: The French Academies of the 16th Century. London 147 (ND Nendeln/Liechtenstein 1973), a.a.O., S. 25, siehe auch: Frémy, Edouard: Origines de l’Académie Française, l’Académie des derniers Valois , Académie de poésie et de musique (1570–1576), Académie du Palais (1576–1585). Paris 1884. Das Patent hier zit. nach: Yates 1947, S. 319–322, hier S. 319, siehe auch dies., S. 21 , in engl. Übersetzung siehe dasselbe auch in: Strunk, Oliver (Hg.).: Source Readings in Music History. New York ³1998, S. 338–341.

3.3. Die Valois-Académien

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genüber Jean-Antoine de Baïf die Befürchtung, er wolle in Konkurrenz zur Universität treten, geäußert wurde „one of the main reasons for the opposition to the Academy, namely the ancient and deepseated jealousy of the University for its teaching principles. The Academy, with its powerful royal support, was feared as a potential rival.“829

Gleichzeitig zeigt sich bereits hier die wesentlich größere Einflussnahme der frühen Akademie auf das öffentliche, städtische Leben, als dies z.B. für die frühen italienischen Akademiegründungen gelten kann. Im darauffolgenden Jahr 1571 verfasste de Baïf einen Brief an den König, in welchem er erklärte, dass die Academie bestrebt sei, dramatische Texte, die „regelmäßige/gemessene Verse“ enthielten in „regelmäßige/gemessene Musik“, begleitet durch einen ebenso bemessenen/gemessenen Tanz umzusetzen, den antiken Vorbildern nacheifernd.830 Nach dieser Idee sollten auch die Tanzschritte derart erdacht sein, dass sie die Silbenlänge der gesungenen Worte und die Dauer der musikalischen Note spiegelten. In diesem Sinn sollten Poetik, Musik und Tanz kongruent sein. Blieb die Suche nach gesicherten antiken Vorbildern zur systematischen Determinierung antiker musikalischer Regeln scheinbar weitgehend erfolglos, konzentrierten diese Gebildeten um de Baïf sich auf die Theoretisierung antiker Musik vor dem Hintergrund ihres zeitgenössischen Erscheinens und auf sprachliche Experimente zu sogenannten vers mesurés: „That the achievement of a very close union between poetry and music was the major preoccupation of Baïf’s Académie de Poésie et de Musique, and that such a union was believed to be a revival of one of the main characteristics of ancient music and therefore of great potency for the production of the effects, is absolutely clear from the documents relating to the founding of the Academy.“831

Neben seinem künstlerischen Ziel verfolgte de Baïfs Akademie hierbei ein moralisches, eng an neoplatonischen Vorstellungen orientiertes. Es ging ihm, wie vielen humanistischen Musiktheoretikern, um eine enge Verknüpfung von Musik und moralischem Impetus, unterstützt durch die Wirkmächtigkeit der Musik.832 Zu einem sich abzeichnenden Ideal von sozialer Ordnung korrespondierten gleichsam die Grundsätze der Akademie, wenn es in ihren Statuten hieß, dass „where music is disordered, there morals are also depraved, and where it is well

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Yates 1947, a.a.O., S. 26. Der Brief findet sich im Anhang bei Yates, Academies, a.a.O., S. 323f. Yates, Academies, a.a.O, S. 46. Siehe Yates, Academies, a.a.O., S. 25.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

ordered, there men are well disciplined morally.“833 Avancierte somit auch die künstlerische Praxis der Akademie bzw. ihre Einflusssphäre, wie z.B. das sog. ballet de cour, zu einem geeigneten Mittel die widerstrebenden Interessen des Adels zu homogenisieren?834 Gehen also politische und kulturelle Transformationen teilweise einher und bedingen sich gar gegenseitig? Folgt man Frémy veränderte die Akademiebewegung unter Henri III. ihr Gesicht ein wenig: so setzte Henri III. die Unterstützung der unter seinem Bruder zuvor gegründeten Akademie fort; gleichzeitig erscheint seit 1575/76 jedoch auch oder an ihrer Stelle(?) die Académie du Palais835, die sog. ‚Palastakademie‛, ihre Tätigkeit aufgenommen zu haben und zu deren Mitglieder gesichert Ronsard und Pontus de Tyard sowie Pibrac gehörten. Thematisch scheint sich für diese Akademie das gemäß den humanistischen Wissenschaften breite Feld von Psychologie bis zur Naturphilosophie abzuzeichnen.836 So betonte Marc Fumaroli in einer Studie zur späteren Académie française, dass im Unterschied zur RichelieuAkademie von 1634 als Versammlungsort von Spezialisten und mit einer gesamt deutlich „‚dienenden‛ Stellung“, demgegenüber die frühen Akademien837 unter 833 834 835

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Yates, Frances A.: The French Academies of the Sixteenth Century. London ²1988, S. 23, S. 319–322. Bei gleichzeitigen Anpassungsstrategien von Seiten des Adels. Siehe hierzu die Ausführungen zu adeligen Selbstbehauptungsmustern in Kapitel I.1.2.4. dieser Arbeit. Genaueres über diese Akademie, die ihre Arbeit nach der Rückkehr Henris III. aus Polen um 1575/76 begann, ist nicht bekannt, so Ley; Ley gibt an, dass „sich ihre Tätigkeit in strikter Vertraulichkeit“ vollzog und sie als „geschlossener Kreis in den Gemächern des Königs tagte.“ Ley, Klaus: Von der Brigarde zur Académie du Palais. In: Europäische Sozietätsbewegungen und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit. Bd. 1. Hg.v. Klaus Garber u.a. Tübingen 1996, S. 287–327, hier S. 318. Vergleiche hier aber Sealy 1981, a.a.O. Für das Nebeneinander Existieren der beiden Valois-Gründungen spricht sich Ley in Anlehung an Yates, und diese unter Berufung auf Sauval aus; Ley 1998, a.a.O., S. 318 und Anm. 84; siehe auch Frémy, Édouard: L 'Académie des derniers valois: origines de l'Académie Française; Académie de Poésie et de Musique 1570 – 1576; Académie du Palais 1576 – 1585; d’après des documents nouveaux et inédits. ND der Ausg. Paris 1887. Genève 1969, S. 115ff, mit dem Hinweis, dass die Einteilung in zwei Gruppen, nämlich die der Auteurs et les Compositeurs sowie die der Auditeurs bestehen geblieben sei. Beachte aber, dass Colletet neben den auditeur unter dem Begriff musiciens die poètes und die artistes qui mettaient leurs compositions en musique subsummiert! Siehe hierzu Ley 1996, a.a.O., .S. 316, hier auch Anm. 80 der diesem Umstand vor dem Hintergrund „pythagoreisch-neuplatonischer Vorzeichen“ wenig Beachtung schenkt. Deutlich tritt jedoch m. E. bereits hier der von den jungen Dichtern nicht mehr als selbstverständlich akzeptierte Primat der Musik auch begrifflich hervor. Ferner veränderte sich lt. Frémy auch ihre inhaltliche Ausrichtung insofern, dass sie von nun an eher philosophische und rhetorische Themen arbeiteten, denn an solchen der Literatur und Musik. Es stellt sich die Frage, dass wenn die Gründung der Palast-Akadmie unter Henri III. nicht primär inhaltlich bestimmt war – obwohl Yates eine etwas stärker aristotelische Ausrichtung der Palast-Akademie einräumt (Yates 1988, a.a.O., S. 105 und S. 110), die von Ley jedoch nicht komplementär, sondern eher ergänzend gesehen wird – könnte sich vielleicht

3.3. Die Valois-Académien

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den späten Valois-Herrschern einen „enzyklopädischen Anspruch“838 unter Beteiligung des Königs gehabt hätten.839 Weitere Mitglieder der frühen französischen Akademie waren tatsächlich neben dem König selbst auch die Königinmutter Caterina, der Duc de Retz und der Duc de Joyeuse840, welcher in den 1580erJahren die Einrichtung auch finanziell unterstützte.841 Daneben gehörte Anne de Joyeuse speziell zu Baïf großzügigsten Unterstützern842. Neben dieser hochrangigen Partizipation scheint aber gerade für den Beginn der Akademiebewegung ein deutlicher „liberal spirit“ (Yates), und auch dies ist für die frühen italienischen Gründungen scheinbar eher unzutreffend, auffällig zu sein.843 Gleichzeitig scheint sich bei beiden Ausprägungen aller-

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eine Begründung in der erwähnten ganz andersartigen, nämlich geschlossenen Form ihrer Durchführung finden: Passend zur ‚Exklusivitätsthese‛, dass immer mehr nur ausgewählte Mitglieder zum engeren Zirkel Henris III. gehören sollten, beschränkt und reglementiert der König hier die Wissenszugänge – eventuell gar schon in Erstrebung der Monopolisierung desselben, wie Richelieu es später deutlichst und offensichtlich anstrebt? Exklusiv sind nämlich ganz eindeutig auch die Angehörigen der Palast-Akademie:neben den benannten gehört auch Giordano Bruno und sein mnemotisches Konzept in diesen Kreis der Vortragenden! Gleichzeitig wird der König vor allem als „idealer Zuhörer“, indem er sich mit der geistigen Elite umgibt, selbst zur idealen Herrschergestalt nach dem Muster Platons! Siehe hierzu Pierre de la Primaudaye in seinem Werk Académie Françoise innerhalb seiner Widmung 1577 zum Ausdruck (siehe Ley 1998, a.a.O., S. 321; siehe auch hier die Nähe einer humanistischen Rhetorik zum enzyklopädischen Wissenschaftsbegriff einerseits und dessen Bedeutung für die zeitgenössische Tanztheorie andererseits. Fumaroli, Marc: Le cardinal de Richelieu fondateur de l’Académie Française. In: Richelieu et le monde de l’esprit. Paris 1985, S. 217–235, hier S. 221, zu den zahlreichen Publikationen zur Académie Française, die 1634 unter Ludwig XIII. , auf Betreiben von Richelieu gegründet und nachfolgend zu einer der prestigereichsten Institutionen Frankreichs – vorrangig in ihrer Pflege der Nationalsprache – wurde, siehe in jüngerer Zeit unter den Publikationen in deutscher Sprache z. B.: Frey, Brigitte: Die Académie Française und ihre Stellung zu anderen Sprachpflegeinstitutionen. Bonn 2000, Siehe auch Rodegra, Karin: Académie française als Rechtskörper und Kultureinrichtung: von den ersten Rechtsgrundlagen bis zu ihrer heutigen Organisation. Diss. Aachen 1996 sowie Baum, Richard: Sprachkultur in Frankreich: Texte aus dem Wirkungsbereich der Académie Française. Bonn 1989. Deutlicher als Fumaroli betont allerdings Klaus Ley die eigenständige Bedeutung dieser frühen französischen Akademien und stellt ergänzend heraus, dass ob des zeitlichen Kontextes ihrer Entstehung, nämlich der Zeit der sog.‚Religionskriege‛, „die Opposition gegen sie (die Akademie-Gründungen. A.W.)“ nicht ausbleiben konnte. Auch will er den von Fumaroli konstatierten Anspruch eines ‚enzyklopädische(n) Wissenschaftskonzept(s)‛ genauer hinterfragt wissen. Hierbei leistet, wie schon häufiger im vorliegenden Zusammenhang, der Blick auf die zeitgenössische Entwicklung in Italien und die Einflüsse, die von hier ausgingen, wertvolle Hinweise. Ley 1996, a.a.O., S. 289. Siehe Yates, Academies, a.a.O., S. 30. Siehe hierzu auch die Widmung von Baïf an ihn in Les Mimes, die 1581 erschienen. Siehe: Yates, a.a.O., S. 237. Roberts 2000, a.a.O., S. 29. Wenngleich Yates gerade im Kreis um Bardi in Florenz eine deutliche Äquivalenz zu de Baïf's Akademie sieht, siehe dies., Academies, a.a.O., S. 9.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

dings eine essenzielle Gemeinsamkeit konstatieren zu lassen: „Das Wesentliche des Akademie-Gedankens ist aber in allen diesen Institutionen doch […] die ‚conversazione‛ in der Form, wie sie von Castiglione im Cortegiano idealiter“844 und Arbeau 1588 im ersten Teil seiner Orchésographie für den Tanz formuliert worden waren. Um die weitgreifenden Netzwerke von Tanzmeistern am Valois-Hof nachhaltig exemplarisch zu verdeutlichen, sei in diesem Zusammenhang kurz auf Arbeaus Verbindungen zur Liga, die ursprünglich eng mit Arbeaus Heimatort Dijon verbunden war, einzugehen.845 In den 1580er Jahren formierten sich in Paris und anderen Städten Zellen der radikalen Liga. Tatsächlich war nun Arbeaus Orchésographie, dem 15-jährigen Sohn seines Neffens gewidmet.846 Estienne Tabourot war wiederum Autor einiger Schriften mit deutlichem Meinungsbezug zur ‚Liga‛, so dass Kate van Orden zwischen diesen Schriften und einem deutlich angelegten Militarismus in Arbeaus Tanztraktat Parallelen erkennt.847 Arbeau wiederum, der selbst Recht in Paris und Poitiers studierte und zuletzt Generalvikar seiner Diozöse war, bezeichnet sich selbst als gebildeten Humanisten.848 Estienne Tabourot, der auf der Höhe seiner Karriere königlicher Kanzler und procureur du roi war gehörte damit zum engeren Kreis der bürgerlich Mächtigen. Auch stand er in enger Verbindung zu dem Duc de Mayenne, eines Gründungsmitgliedes der ‚Liga‛ von 1588 und Befürworter des Cardinal von Bourbon als rechtmäßigem Nachfolger Henri III.849 Zudem stand Tabourot 1581 in Verbindung mit den Jesuiten. Er wurde zusammen mit Pontus de Tyard, einem Mitglied der Dichtergruppe Pléiade um Dorat, Ronsard und Jean-Antoine de Baïf850, beauftragt, ein Grundstück für ein zu errichtendes Jesuitenkolleg bereitzustellen. Dieses sollten auch Tabourots Söhne, der von Arbeau bedachte Guillaume wie sein jüngerer Bruder Pierre, besuchen.851

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Ley 1998, a.a.O., S. 312; zur Relevanz des Idealbildes vom universalgebildeten Cortegiano, siehe das Kapitel I.4.3. dieser Arbeit. Van Orden 2005, a.a.O., S. 222. Möglicherweise war dieser Vorbild für den gelehrigen Schüler namens Capriol (!) in Arbeaus Orchésographie. Siehe hierzu auch die Ausführungen im Kapitel II.3. dieser Arbeit. Van Orden 2005, a.a.O., S. 222. Arbeau, Thoinot: Orchésographie. Langres 1589. Faksimiledruck der Ausgabe Paris 1888. Hg. v. Laure Fonta. Bologna 1969, S. 208, hier Anm. 12a. Tabourot, Estienne: Les bigarrures du Seigneur des Accords. 1. Bd. Paris 1588. Zweite edierte Faksimileausgabe. Hg. v. Francis Goyet. Genève 1986, S. xi, xv, xviii, 140B, 139F . Siehe hierzu das Kapitel I.3.3. der vorliegenden Arbeit. Van Orden 2005, a.a.O., S. 224. Hier sieht van Orden, besonders für die abécédaire-Qualität von Arbeaus Werk und den pyrrhics – urspr. antike, griechische Schwerttänze – eine mögliche ideale Vorlage für die Ziele körperlich-militärischer Erziehung der Jesuitenkollegs dieser Zeit in Dijon.

3.3. Die Valois-Académien

I. 3.3.2.

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Verbindendes und Trennendes in der Pléiade

Yates konstatiert, dass die erstrebte Union zwischen Dichtung und Musik besonders charakteristisch für Ronsard und die weiteren Mitglieder der Pléiade852 – jener Dichtergruppe, die sich unter Führung von Ronsard und Du Bellay um die Mitte des 16. Jahrhunderts der Reformierung der französischen Sprache im ‚Geist der Antike‛ widmete – gewesen sei.853 So sei Ronsard von der engen Beziehung, die zwischen beiden Künsten bestehe, überzeugt gewesen854, wobei er gerade zu Jacques Mauduit, einem der führenden Musiker der humanistischen Akademie von de Baïf, ein besonders enges berufliches Verhältnis gehabt habe. Auch seien die besonders strengen Experimente in der Akademie von de Baïf nicht grundsätzlich von ähnlich gelagerten855 der Pléiade-Dichter zu trennen, entspränge sie doch derselben Wurzel, so Yates.856 Dieser Zusammenhalt sei über die Jahre primär durch die Dichter Pontus de Tyard, Ronsard und vor allem auch J.-A. de Baïf, Sohn des Humanisten und Diplomaten Lazare de Baïf, erfolgt. Trotzdem wurden und werden die Mitglieder der Pléiade häufig gerade nicht als kreatives Kollektiv beschrieben, sondern häufig lediglich als mouvement littéraire oder als in lockerem Verbund stehende, individuell schaffende Autoren, in namentlicher Anlehnung an eine Gruppe von ebenfalls 7 Dichtern857 im antiken Alexandria.858 Klaus Ley stellt im Widerspruch hierzu heraus, dass die möglicherweise zunächst absichtlich im Verborgenen agierenden „[…] Initiatoren der Pléiade […] die waren, die später auch die Anregung für die staatliche Einrichtung der Aka-

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Ronsard verwendet für diese auch das Synonym brigade. Möglicherweise betont diese Bezeichnung den Willen eines stärker ‚kämpferischen‛ Reformvorhabens, eine kulturelle Erneuerung fordernd. Diese tritt mit ihrer programmatischen Schrift Deffence et illustration de la langue françoyse 1549 – sehr weitgehend von Du Bellay bei dem italienischen Humanisten Sperone Speroni entlehnt – öffentlich als Dichterformierung in Erscheinung. Nicolas Filleul de la Chesnay, verantwortlich für die Verse im balet comique, war selbst kein Mitglied der Pléiade, stand dieser aber sehr nahe. Siehe: Filleul, Nicolas: Le Discours. Hg. v. David Hartley. Studies in French Literature. Bd. 76. Lewiston/N.Y. 2005, S. 73. Siehe in Anlehnung an Frémy und Yates zuletzt hierzu Ley 1998, a.a.O., S. 296. „Ronsard was convinced of the intimate connection which should exist between the two arts […].“ Aus: ebda., S. 48. Siehe hierzu die Unterscheidung bei Yates nach Masson zu vers mesurés der Baïf Académie und den vers mesurés à lyre der Pléiade-Dichter, ebda. , S. 51, Anm. 1. Ebda. S. 49 und S. 51. Neben Ronsard gehörten zur Pléiade zeitweise Joachim du Bellay, Guillaume des Autels, Pontus de Tyard, Jacques Pelletier du Mans, Rémy Belleau, Jean Dorat, Antoine de Baïf und Jean de la Péruse. Zur Rolle Ronsards in der begrifflichen Uneindeutigkeit der Dichtergruppe sowie zum möglichen metaphorischem Bezug auf das Sternbild gleichen Namens als Devise der Akademie, siehe: Ley 1996, a.a.O., S. 294; Zur Funktion dieses Sternbildes als Devise siehe auch Yates 1988, a.a.O., S. 10 und dort Plate I.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

demie gaben“859 und dass darüber hinaus wohl auch von einem eher lockeren „künstlerische(n) Schaffen im Kollektiv“ ausgegangen werden kann. Dies umso mehr, als beinahe alle Plejaden aus dem Collège de Coqueret860 stammten, dem Jean Dorat seit 1547 vorstand und der als höchst anerkannter Autors das Traktat zum balet des polonais 1572 – nicht in der von den Plejaden so sehr geforderten Volkssprache – sondern in Latein verfasste. Unter seiner Ägide studierten die späteren Autoren der Pléiade die Werke und die Rhetorik antiker Autoren. Dorats Primat der Dichtung mit klassisch-antiker Ausprägung tritt hier deutlich hervor, wenngleich er gleichzeitig als „der Anführer der jungen Dichter, die als Erneuerer der französischen Sprache und Kultur“861 gelten wollten, in Erscheinung tritt. Es scheint überzeugend, dass diese zunächst ungewöhnliche Synthese ihren Ursprung in einem politischen Moment hat: „Die neue volkssprachliche Rhetorik soll den Anforderungen und Bildungsbedürfnisses eines erweiterten Publikums dienen“862, in Reduzierung der ‚arcana‛ humanistischen Wissens und in Anlehnung an italienische Vorbilder.863 Die Künstler vertreten also ein ästhetisches Konzept, das von einem umfassendem Erkenntnisanspruch ausgeht: hieraus ergibt sich der bereits erwähnte, wenn auch von ihm anderes gewichtete, Eindruck Fumarolis vom enzyklopädischem Anspruch der jungen Dichter der frühen französischen Akademiebewegung, genauso wie denen für die Akademie um de Baïf bereits konstatierten neoplatonischen Vorstellungen mit Wirkung auf das politisch-soziale Gefüge: „Nach dem Modell der antiken Kunst, aber unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Gegebenheiten (soll) durch Musik und Dichtung eine bessernde und heilende Wirkung im Publikum herbeigeführt werden, die zu einer Besserung der Gesellschaft beiträgt.“864

Gerade auch insofern, als sie die Einigungsbestrebungen der französischen Krone auf einem Weg zwischen den beiden Konfessionslagern unterstützten. Insofern stützt die Arbeit der Akademie, weil primär durch die humanistische Bewe859 860

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Ley 1998,a.a.O., S. 297 und ebda. Anm. 27. Bei Binet findet sich der Hinweis, Ronsard sei überhaupt erst ins Collège de Coqueret gekommen, weil er vernommen habe, dass Dorat eine Akademiegründung plane, hier zit. nach: Ley 1998, a.a.O., S. 299, Anm. 34. Ley 1998, a.a.O., S. 301. Ley 1998, a.a.O., S: 302. Vgl. hier den Bezug zur letzen Devise an Cardinal de Bourbon mit Anspielung auch auf diese humanistischen (und dann möglicherweise auch gegenreformatorischen) ‚arcana‛ einerseits und die Vorbildfunktion von Speronis Dialogo delle lingue und die sich darauf wiederum beziehende Accademia Fiorentina mit ihrem Bestreben der Entwicklung des Toskanischen als Normsprache. Insofern hat die Accademia Fiorentina ästhetische wie politische Modellfunktion für die insofern analoge, aber doch spezifisch französische Entwicklung. Siehe Ley 1998, a.a.O., S. 307. Ley 1998, a.a.O., S. 316.

3.3. Die Valois-Académien

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gung getragen, gerade auch die zivilpolitischen Interessen des französischen Königs, jenseits konfessioneller Interessen.865 Philippe Desan866 stellte zudem heraus, dass die Mitgliedschaft in einer kohäsiven Gruppe wie der Pléiade auch beträchtliche Vorteile für deren Mitglieder mit sich brachte: „The poet could rely upon support for his work from all members of the group but was also, as the web of relationships revealed by the dedicatory poems and prefaces of the sixteenth century shows, under an obligation to return the favour ‚troque’pour troc‛. Sometimes, this payment was made in advance of the actual production of the work.“867

Als anschauliches und beeindruckendes Beispiel gerade des Zusammenwirkens dieser Faktoren werte ich die künstlerische Beteiligung der o.g. Plejaden und Akademiemitglieder an zahlreichen Festveranstaltungen, allen voran an jenen balets der 1570er und 1580er. Das heißt aber auch, dass sich in logischer Konsequenz aus dem oben Benannten eine besondere Nähe der Akadémie zur künstlerischen Praxis ergibt, die sich zwangsläufig bis zum Beginn des 17.Jahrhunderts nahezu ausschließlich auf den höfischen Kontext (und den andere Höfe) bezieht, als primärem Adressatenkreis der Maskeraden und ballets. So erstaunt es nicht und kann als gesichert gelten, dass auch Beaujoyeulx in der expliziten Verfolgung neoplatonischer Ideale, wie sie in Bezug auf den Tanz des 16. Jahrhunderts im Allgemeinen und im balet comique im Besonderen deutlich werden, gerade durch das beschriebene komplexe kulturelle Netzwerk der genannten Dichter und Musiker inspiriert und beeinflusst war.868 Gleichso wie Baïf selbst die Tätigkeiten der Académie de Poésie et de Musique for-

muliert hatte: „[…] En vostre academie on euure incessamment Pour, des Grecs et Latins imitant l’excellence, De vers et chants réglez decorer vostre France Avecque voste nom: […] Ie di que j’essayoy la graue Tragedie D’un stile magesteux, la basse Comedie D’un parler simple et nét: […] Non seulement des vieux la gentilesse belle Aux chansons et aux vers: mais que ie remettoys En usage leur dance: et comm j’en estoys 865 866 867 868

Zur Verbindung Dorats und seines Kreises zum Hof siehe auch Roberts, Yvonne: JeanAntoine de Baïf and the Valois Court. Diss. Exeter, Bern u.a. 1996, S. 37–65. Desan, Philippe: L’imaginaire économique de la Renaissance. Mont-de-Marsan 1993, S. 126. Yvonne Roberts hier mit Bezug auf Desan, in Roberts 2000, a.a.O., S. 25. Siehe hierzu nicht zuletzt die personelle Verknüpfung von Beaujoyeulx mit Dichtern aus dem direkten Umfeld der Akadémie, wie sie in seinem Traktat als Widmungsschreibende auftreten sowie die Panegyrik von Nuysement. Siehe zu Letzterem das vorherige Kapitel der vorliegenden Arbeit.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Encores en propos vous contant l’entreprise D’un ballét que dressions, dont la demarche est mise Selon que va marchant pas-à-pas la chanson Et le parler suiui d’une propre façon […].“869

Gleichzeitig ist jedoch besonders auffällig, dass gerade das balet comique nicht strikt in eben jener musique mesurée verfasst worden ist, die von den Mitgliedern der Académie de Poésie et de Musique als ästhetisches Konzept doch vertreten wurde.870 Vielmehr scheint ein pseudo-antiker Charakter und ein eher diffuses Verständnis von dem, was ‚antike Musik‛ gewesen sein könnte, bestanden zu haben. Wie ist aber dies vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklung der ValoisAkademien zu verstehen? John McClelland schaut differenziert auf die bei Yates sowie in zahlreichen anderen Arbeiten konstatierte Union von Dichtung und Musik als erstrebtes Ziel auch der Pléiade-Dichter871. Im Verweis auf die Arbeit von Kees Meerhoff zur literarischen Theorie nach 1540872 geht McClelland davon aus, dass die Beschäftigung mit der Lehre von der Behandlung der Sprache im Vers, und in Frankreich konkreter mit der Silbenzählung (im Unterschied zur Alternierung von Hebung und Senkung des jeweiligen Versfußes), bereits auf das 15. Jahrhundert zurückgehe. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts habe die im Entstehen begriffene literarische Bewegung/Dichtergruppe Pléiade ihre Ablehnung des ‚Silbenzählens‛ (und des strengen Wiederholens metrischer Muster) zugunsten der Akzeptanz einer umfassenderen Idee von prosodischem ‚Maß‛ propagiert. Dieses Konzept sei meist verknüpft gewesen mit der unterstellten Notwendigkeit, die Dichtung passend für eine musikalische Fassung zu machen, was seinen Ausdruck fand in den Versuchen des mesurer les vers à la lyre. Dies gestaltete sich für Ronsard873 und einige andere Autoren nach 1540 jedoch scheinbar als eine tatsächliche Herausforderung: Zwar vertrat er theoretisch die alte Idee der Einheit von Musik und

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Hier zit. nach Yates 1988, a.a.O., S. 60. Prunières glaubte gar, dass keine Verbindung zur Baïf Académie bestanden habe, siehe Prunières 1975, a.a.O., S. 158; was jedoch ob des Nachweises, dass sowohl de Baïf als auch Ronsard für ihre Leistungen zumindest Geld erhalten sollten, als unwahrscheinlich gelten dürfte. Siehe McClelland, John: Measuring Poetry, Measuring Music: from the Rhétoriqueurs to the Pléiade. In: Poetry and Music in the French Renaissance. Proceedings of the sixth Cambridge French Renaissance Colloquium, 5–7 July 1999. Hg. v. Jeanice Brooks u.a. Cambridge 2001, S. 17–32. Siehe Meerhoff, Kees: Rhétorique et poétique au XVIe siècle en France. Leiden 1986. Auch die Gegenreformation war in de Baïfs-Académie durchaus präsent, und „Ronsard’s whole poetic movement had its religious side hidden in the poetic imagery. Nevertheless, with Henri III the more distinctively Counter Reformation note of spiritual torment, spiritual contortion almost, becomes more noticeable“, so Yates. In: dies., Academies, a.a.O, S. 154.

3.3. Die Valois-Académien

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Dichtung, tatsächlich scheint er aber gegenüber der musikalischen Fassung seiner Dichtung in der Praxis indifferent oder ignorant gewesen zu sein.874 Interessant sind hierbei Ronsards eigene Verweise auf das zunehmend Gestalt annehmende Verhältnis von musikalischer und dichterischer Produktion. Denn die offensichtlich beabsichtigte Loslösung der Dichtung von der ‚Last der Rhetorik‛ scheint in den 1540er Jahren zu einem unfreundlichen Klima zwischen Dichtern und Musikern geführt zu haben. So habe von Seiten der Dichter der Vorwurf bestanden, dass die Eigenständigkeit der Dichtung bei der Umsetzung in musikalische Fassungen von den Musikern nicht angemessen berücksichtigt worden sei.875 Schlussendlich geht es als um die Frage, welche der beiden Künste Priorität genießen soll, respektive welcher Künstler den Vorrang genieße – eine Diskussion wie sie der unter den Musikern und Tanzschaffenden ähnelt. So fordert der Dichter Tyard deutlich den Primat der Dichtung vor der Musik, was jedoch noch bis in die 1540er Jahre eher unverständlich gewesen sein dürfte.876 So hatte noch Gratien Dupont noch beteuert, dass das poetische Maß identisch mit dem musikalischen sei, ja dass die Dichtung der Musik gegenüber dienende Funktion habe.877 Die Dichtergeneration der Pléiade scheint dies nicht mehr akzeptieren zu wollen: „The Pléiade’s intitial rejection of the mechanical act of counting syllables was tied to the feeling that mere numbers are the antithesis of what poetry ought to stand for: inspiration, imagination, and intense feeling.“878

Allerdings habe sich das Verhältnis dieser Dichtergeneration zu ‚Maß‛ alsbald differenziert und insofern relativiert. Jenseits des ‚Silbenzählens‛ habe dieser Prozess seine Entsprechung im Begriff nombre gefunden: „Nombre implies that the versified vernacular possesses the mobility produced by the constantly shifting acoustic quantities characterisitic of ancient poetry.“879

Anders gesagt, Ronsard und andere Pléiade-Dichter strebten eine Rhythmisierung der Sprache in Emanzipation von der Musik an. Neben gemeinsamen volkssprachlich-humanistischen Bestrebungen, die die Kunstschaffenden offensicht-

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McClelland 2001, a.a.O., S. 22. Siehe ebda., a.a.O., S. 23, so kritisiert Tyard die Musiker, dass sie „sans lettres, et connoissance de Poësie“ seien und tadelt den nachahmenden Kontrapunkt, der die Worte unfassbar für die Zuhörer mache, hier nach ebda. Siehe McClelland 2001, a.a.O., S. 23. Siehe Dupont, Gratien: Art et science de rhetoricque metriffiee. Toulouse 1539, hier nach: ebda. S. 24. McClelland 2001, a.a.O., S. 25. Ebda., S. 28.

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I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

lich verband, lagen jedoch auch deutlicher Abgrenzungsbedürfnisse der beiden Künste und der sie Produzierenden vor. Möglicherweise ist auch hieraus der Umstand zu erklären, dass zwar Ronsard und de Baïf gleichsam als Ikonen dieser humanistischen Reformbewegung im o. g. Sinne im weiteren Feld der JoyeuseHochzeit – theoretisch hoch dekoriert – partizipieren, nicht aber am balet comique selbst mitwirken. So erwähnen L’Éstoile und nach ihm Beauchamps880, dass die Dichter Ronsard und de Baïf „pour la belle musique par eux ordonée, et chantée avec les instruments“ jeweils vom König ein hohe Summe erhalten hätten: „[…] deux mille écus, et donna en son nom et de sa bourse les livrées des raps de soie à chacun, même donna et promit payer au marié dans deux ans prochains, la somme de quatre cent mille écus pour la dot de la mariées.“881

Baïf stand bis 1589 über 30 Jahre unter dem Patronat von Caterina de Médici und war spätestens seit 1570 am Hof deutlich etabliert.882 Sein Erfolg zu Lebzeiten begründete sich vor allem durch seine Teilnahme an den Ausgestaltungen der großen Feste, so auch dem Ereignis von 1581:„[…] the Joyeuse Magnificences, the last great festival of the Renaissance, produced by Baïf himself.“883 Im direkten Umfeld des balets comique spielen allerdings gerade seine und Ronsards dichterischen Werke keine Rolle.884 Wäre es möglich, hieraus den Schluss zu ziehen, dass das getrübte Verhältnis zwischen Dichtern und Musiker am Hof, welches McClelland konstatiert, auch Auswirkungen auf die schriftliche Abfassung des balets

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Siehe Beauchamps, Pierre-François Godard de: Recherches sur les théâtres de France. 3 Bde. Paris 1735, hier Teil 3, S. 13, auch als elektronisches Dokument unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k72185c.pagination (letzter Zugriff Juli 2010) sowie unter URL: http://www.cesar.org.uk/cesar2/books/beauchamps/display.php?volume=3&index=28 (letzter Zugriff Juli 2010). Bei L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 274, vgl. auch L’Éstoile Bd. 1. 1982, a.a.O., S. 28, S. 130 und S. 153 heißt es „pour la belle musique par eux ordonée, & pour les vers qu’ils firent.“ Chamard Histoire de la Pléiade III, S. 379 sagt, Ronsard sei niemals zuvor so hoch bezahlt worden, hier nach Yates, Academies, a.a.O, S. 237, Anm. 5. Allerdings weist Yvonne Roberts darauf hin, dass „the bills for the Magnificences, which were devides as proof of the continued wealth and power of the dynasty, were never paid, Baïf’s financial ruin was also inevitable.“ Aus: Roberts 2000, a.a.O., S. 31 hier mit Bezug auf einen Brief Caterinas de Medici an Henri III. vom 12.12.1587. Roberts 2000, a.a.O., S. 24. Ebda., S. 13. Dabei fertigte gerade Ronsard im Umfeld der Joyeuse-Hochzeit eine Mascarade und ein Cartel pour le combat à cheval, en forme de ballet. Hier nach: Beauchamps 1735, Bd. 3., a.a.O., S. 15. Siehe hierzu auch: Fontaine, Marie-Madeleine: La danse dans la littérature de 1572 à 1636. In: L’Automne de la Renaissance (1580–1630). XXIIe Colloque international d’Etudes humanistes, Tours 1979. Hg. v. Jean Lafond und André Stegmann. Paris 1981, S. 319–328.

3.4. Giordano Brunos Circe (1582)

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comique gehabt haben könnte? Könnte dies möglicherweise auch Auswirkungen auf die Urheberschaft des Traktats insofern gehabt haben, dass nicht, wie noch 1572 der anerkannte Dichter und ‚geistige Vater‛ der Plejaden namens Dorat, die Festbeschreibung abfasst, sondern dies 1582 durch den Musiker und Tanzmeister Beaujoyeulx geschieht? Wie im vorangegangenen Kapitel dargelegt wurde, bediente sich Beaujoyeulx offenbar deutlich der Fama-Funktion der Dichtung. Auch dies legt den Schluss nahe, dass der Musiker und Tanzmeister Konsequenzen aus der beschriebenen zeitgenössischen, akademieinternen Debatte gezogen hatte.

I.3.4.

Giordano Brunos Circe (1582)

Kurz nach den Joyeuse-Feierlichkeiten verlässt Giordano Bruno Paris, um in Begleitung des französischen Gesandten de Mauvissiére England aufzusuchen885, seine „hermetic reform, with which he associated heliocentricity“886 weiterzuverfolgen. Frances Yates geht davon aus, dass Giordano Bruno die JoyeuseFeierlichkeiten miterlebte.887 Im Jahr 1581 war Giordano Bruno nach Paris gekommen, wo er dreißig Vorträge zum Thema der „dreißig göttlichen Attribute“ hielt.888 Henri III. soll Bruno zu sich gerufen haben, um ihn zu fragen, ob sein Gedächtnis ‚natürlich‛ sei oder auf ‚magischer Kunst‛ beruhe. Bruno soll geantwortet haben, dass es sich hierbei um eine Wissenschaft handle.889 Das Werk De umbris idearum890, welches Bruno Henri III. widmete891, zeugt ebenso von dieser 885

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Siehe hierzu auch Gatti, Hilary: Giordano Bruno and the Stuart Court Masques. In: Renaissance Quartely.The Renaissance Society of America.Vol. II., Nr. 3 (1999), S. 809–842. Auch Gatti vermutet einen Zusammenhang zwischen den Arbeiten Brunos und dem balet comique: Sie vermutet, dass Bruno durch das balet comique vom Oktober 1581 zur Schlusspassage seiner De gli eroici angeregt worden sein könnte. Siehe dies., S. 813. Yates 1975, a.a.O., S. 167. Ebda. Bruno setzte seine Tätigkeit am Collége de Cambrai bis zum Frühjahr 1583 fort. I nformationen nach: Krause, Irmela: Paris. In: 450 Jahre Giordano Bruno. Erinnerungen an einen Kosmologen, Gedächtnistheoretiker und Semiotiker. Ausstellung der Staatsund Universitätsbibliothek Bremen 8.–28.2.1998; Ausstellungsdokumentation unter URL: http://www-user.uni-bremen.de/~semiotik/paris.html (letzter Zugriff Juli 2010), siehe auch: La Porta, Gabriele: Giordano Bruno. Tra magica e avventure […]. Rom 1988, S. 247. Bruno, Giordano: [De umbris idearum] Iordanvs Brvnvs Nolanvs De Vmbris Idearvm : Implicantibus artem, Quaetendi, Inueniendi, Iudicandi, Ordinandi, & Applicandi ... Ad Henricvm III. ... Gallor. Polonorumque Regem &c. Protestatio. Paris 1582. ND in: Bruno, Giordano: Le opere latine. Bd. 1. De umbris idearum. Studi e testi. Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento. Bd. 26. Hg. v. Rita Sturleses. Firenze 1991. In dieser 1584 veröffentlichten Widmung heißt es: „An den erlauchten und hochwohlgeborenen Herrn von Mauvissière, […] Botschafter Frankreichs in England: […] Euch ist diese Schrift gewidmet, der Ihr in diesem Britannien die Majestät eines so großherzigen,

198

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Haltung wie Spaccio della bestia trionfante, in dessen Vorwort Bruno Henri III. panegyrisch als Friedensbringer rühmt.892 „As a hermetic philosopher of the Renaissance, Bruno needed an imperial theme to which to anchor his philosophico-religious outlook, and as an Italian who hated Spanish repression, he choose the French monarch as European leader.“893

Das Erscheinen der persönlichen Impresa Henris III., nämlich die drei himmlischen Kronen in Brunos Spaccio della bestia trionfante (1585), wertet Yates als Reminiszenz: „Of the great model of the heavens at the wedding festivals in which Henri’s device had appeared among the artificial stars, presaging an imperial destiny. The heliocentric philosophy would fit in well with the solar mystice of french monasty.“894

Brunos Circe, dargestellt in einem seiner ersten Mnemonik-Traktate Cantus Circaeus (1582 ), ist von der homerischen wie von der ovidschen weit entfernt. Übernommen wird, wenn auch mit anderer Stoßrichtung, im Cantus Circareus die Idee der Verwandlung von Mensch in Tier. Odysseus allerdings kommt nicht vor, dafür ersinnt Bruno einen Dialog zwischen Circe und ihrer Dienerin Moeris,

892

893 894

gewaltigen und mächtigen Königs vertretet, der vom Herzen Europas aus die äußersten Enden der Welt von seinem Ruhme widerschallen läßt, wenn er im Zorne bebt, dem Löwen aus tiefer Höhle gleich, den anderen mächtigen Räubern dieser Wälder tödliche Angst und Schrecken einjagt, wenn er aber ruht, solche Glut seines freigebigen und ritterlichen Geistes aussendet, daß er den nahen Wendekreis in Brand setzt, den eisigen Bären erwärmt und das Eis der arktischen Wüste zum Schmelzen bringt, die sich unter der ewigen Wache des grimmigen Bootes (Sternenbild. A.W.) dreht. Vale! “ Ende der Vorrede in „La cena de le ceneri“ (London 1584), hier zit. nach der dt. Ausgabe: Fellmann, Ferdinand (Übers.): Giordano Bruno: Das Aschermittwochsmahl. Frankfurt/M. 1969, S. 78. „This most Christian king, holy, religious, and pure, may securely say: Tertia coelo manet, for he well knows that it is written: Blessed are the peacemaker, blessed are the pure in heart, for theirs is the kingdom of heaven.“ Hier zit. nach: Yates 1975, a.a.O., S. 168. Yates 1975, a.a.O., S. 167. Bemerkenswert ist auch hier die Betonung der anti-spanischen Haltung. Ebda., S. 168. Yates macht zuvor deutlich, inwiefern die Joyeuse-Feierlichkeiten die allegorischen Bildprogramme späterer französischer Herrscher, besonders das der Sonne, präfigurieren: „Were one vast moving talisman formed of figures in different colours moving amongst incantatory scenes designed to draw down favourable influences on the French monarchy, the influences of fortunate stars, the most powerful of which was the sun.[...] Henri III as the Sun King prefigures Louis Quatorze as Le Roi Soleil, the centre of the great symbolic festivals and ballets of his reign.“ Ebda, S. 162 und S. 164. Bereits Charles IX. war als Sonne gekleidet 1571 bei Festlichkeiten erschienen und Ronsard hatte zu diesem Anlass eine Comparaison du Soleil et du Roy verfasst. Siehe hierzu Le Roux 2000, a.a.O., S. 489f.

3.5. Giambattista Gellis Circe (1549)

199

in dessen Verlauf Bruno „Kirke vom Ruf der ‚malvagia incantatrice‛ (befreit), da sie gerade im Namen der Ordnung ihre Zauberkünste anwendet, […]“.895 Kuhn resümmiert: „Damit richtet sich der Cantus Circareus gegen nahezu alle traditionellen Lesarten des Kirke-Mythos […] indem er dem Leser hier plötzlich nicht mehr Tiere vorführt, die eigentlich Menschen wären, sondern Menschen, die eigentlich Tiere sind […].“896

Es bleibt Spekulation, inwiefern Brunos Figur durch das balet comique, welches im übrigen in L’Éstoiles Journal Ballet de Cerés & de ses nimphes anderweitig bis heute Circe897 genannt wird, inspiriert wurde. Möglicherweise ist Brunos Betitelung vor diesem Hintergrund zum einen auf persönliche Eindrücke, die das Erleben der Hochzeitsfestivitäten bei ihm hinterließen, als Reminiszenz an die höfische Situation zu sehen. Denkbar wäre auch, dass Bruno sich an die akademischen Zirkel des Valois-Hofes deutlich anbinden wollte, zumal er ein ‚enger Freund‛ von Baïf, Piero Delben und Jacoppo Corbinelli gewesen sein soll.898 Möglich wäre auch das Denken an ein von Yates bereits benanntes Motiv: das gedankliche und praktische Kreisen beider um das Phänomen der Sonne. Warum soll dies nicht auch bei der Benennung von Brunos frühem Gedächtniswerk maßgeblich gewesen sein? Zudem vielleicht eine nicht nur vordergründigen Allianz. Weitere Bezüge, etwa eine retrospektive Interdependenz oder gedankliche Vernetzung des Gedächtniskonzeptes von Bruno zum balet comique selbst, lassen sich jedoch nicht erkennen.

I.3.5.

Giambattista Gellis Circe (1549)

Neben den Bezügen zu Giordano Bruno war Frances Yates auch diejenige, die zuerst Andeutungen dazu machte, dass das Schauspiel von 1581 möglicherweise durch die Dialogsammlung La Circe des Florentiner Neuplatonikers Giambattista (Giovanni Battista) Gelli von 1549899 beeinflusst worden sein könnte.900 Eine

895

896 897 898 899

Kuhn, Barbara: Komik und Parodie in den Variationen eines Mythos. Zur Gestaltung des Kirke-Mythos bei Giovan Battista Gelli und Giordano Bruno. In: Komik der Renaissance. Renaissance der Komik. Hg. v. Barbara Marx. Frankfurt/M. 2000, S. 135. Kuhn 2000, a.a.O., S. 135. Siehe auch dies. 2003, S. 477ff. So z. B. in: Recueil de diverses pièces servant à l’histoire de Henry III, roy de France et de Pologne. Bd .1. ND 1699, S. 48 (BnF NO57984). Roberts 2000, a.a.O., S. 28. Endgültige Fassung von 1562. Gelli, Giambattista: Dialoghi: I capricci del bottaio. La Circe ragionamento sulla lingua. Hg. v. Roberto Tissoni 1967, auch: Adams, Robert: The Circe of Signior Giovanni Battista Gelli of teh Academy of Florence. Ithaca 1963.

200

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

Übersetzung dieses philosophischen Dialoges war Caterina de Medici von Du Parc im Jahre 1572 gewidmet worden. Es stellt ein interessantes Experiment dar, Gellis mythischen Bezug zur Kennzeichnung vieler der im balet auftretenden Charaktere einmal hinzuzunehmen.901 Besonders auffällig ist, dass in Gellis Text der Elefant als eines der Tiere, welches zustimmt in menschliche Form zurückverwandelt zu werden, eine besondere Rolle spielt.902 Charles Zika hat bei seiner Untersuchung der Bilder zur mythologischen Figur der Circe903 darauf hingewiesen, dass die Kupferstichabbildung im balet comique die einzige ihm bekannte Bildquelle sei, die überhaupt in diesem Zusammenhang auf den Elefanten als Tier Bezug nehme.904 Unlängst hat nun die Romanistin Barbara Kuhn die Gestaltung komischer oder parodistischer Elemente des Circe-Mythos in Gellis La Circe (1549) und in Brunos Cantus Circaeus (1582) sowie in dessen Eroici Furori (1585) miteinander verglichen.905 Hierbei stellt sie heraus, dass „Gellis Text weniger eine weitere Auslegung der Kirke-Episode darstellt, als vielmehr eine Art Weiterdichtung, die zudem andere Akzente setzt, insofern als nicht mehr die Tat, die Befreiung vom Tierdasein und von Kirkes Zauber, im Zentrum des Interesses steht, sondern das Reden für und wider diese von Odysseus intendierte Befreiung – eine Akzentverschiebung, die in der Gattungsverschiebung vom Epos zum Dialog ihre konsequente Entsprechung findet. Was bei dieser Verschiebung zwangsläufig mit ins Wanken gerät, ist die Figur des epischen Helden, der in einem Dialog gleichberechtigter Partner keinen Platz mehr findet und der nur der verliebten Kirke noch als jener ‚ingegnosissimo Ulisse‛ erscheint, von dem die Odyssee berichtet.“906

In Analogie zur Anlage des balets comique hätte dies vor allem für die Lesart der Position des Königs, der vielfach mit der Figur des Odysseus verglichen worden ist, nachhaltige Konsequenzen. Schließt doch Kuhn in dem vor ihr gewählten intratextuellen Zugriff für die Figur des Odysseus daraus, dass die derart vorgeführte Verwandlung des einst so redegewandten Odysseus gravierende Folgen zeigt:

900

901 902

903 904 905 906

Dass die Auswahl der Tiere in der Abbildung des balets comique von der Arbeit von Gelli beeinflusst sein könnte, äußerte Frances Yates bereits in Yates 1988, a.a.O., S.. 244, Anm. 3. Hardy 1982, a.a.O., S. 139. Siehe hierzu auch Kuhn, Barbara: Im Dialog mit dem Mythos. La Circe von Giovan Battista Gelli. In: Sprache und Mythos – Mythos der Sprache. Beiträge zum 13. Nachwuchskolloquium der Romanistik. Hg. von Gerhild Fuchs und Beate Burtscher. Bonn 1998, S. 59– 71, hier S. 60. Siehe Zika 2002, a.a.O. Siehe Zika 2002, a.a.O., Anm. 63. Siehe Kuhn 2000, a.a.O., S. 123–149. Kuhn 2000, a.a.O., S. 125.

3.5. Giambattista Gellis Circe (1549)

201

„Odysseus’ Ruf als überzeugungsmächtiger Redner zeitigt keine Wirkung mehr, denn ebenso wie all seine anderen Attribute hat er auch das des Logos verloren.[…] Durch die karnevalistische Umkehrung eines Ulisses, […] entsteht, da die homerischen Attribute beim Leser präsent bleiben und zudem von den Spechern wiederholt in Erinnerung gerufen werden, eine Doppelheit der Figur, die ihrem doppelten Status in Gellis Text entspricht: Zum einen ist Ulisse samt seinen nur allzu menschlichen statt heldenhaften Zügen der gegenwärtige Gesprächspartner der Circe und der Tiere, den nichts als die Erinnerung an einen anderen Ulisse vor diesen auszeichnet, zum anderen tritt er als diese Figur der Erinnerung auf, da die Tiere ihn wie eine bereits mythische, sagenumwobene Figur ansprechen […].“907

Übertrüge man die Widersprüche des Textes und diese „karnevalistische Umkehrung“ auf die Kupferstichabbildung im balet comique als eine durchaus intendierte, denn nur hier finden wir den Hinweis auf Gellis Elefanten, stellten sich zahlreiche Fragen: Könnte dies bedeuten, dass das vorgeführte Schauspiel bereits mit dem uneindeutigen Hinweis auf Gellis Text das Schauspiel, quasi in einer ‚verkehrten‛ und zweiten Lesart entlarven wollen würde, und als eine Form der Königskritik gelesen werden müsste? Und wenn Mut und Gewitztheit diesem Helden nicht mehr nur zu Eigen wäre, wer genau beabsichtigt, eine solche ambivalente Bewertung des Odysseus908 öffentlich zu machen? Isoliert man einen weiteren Hinweis bei Kuhn, nämlich jenen, dass die Auster „mit dem Appell an die Freundschaft: ‚lasciamo star da parte le ingiurie, e ragioniamo alquanto insieme amichevolment‛“ sehr viel „souveräner reagiere“ als Odysseus selbst und vergleicht dies mit den noch darzulegenden Überlegungen zur Devisenvergabe des balets909, dann ist zumindest bemerkenswert, dass es ausgerechnet ein weiterer Favorit des Königs ist, nämlich d’Épernon, der bei den Joyeuse-Feierlichkeiten die Devise der Auster erhält.910 Ist auch dies eine Anspielung und versteckte Kritik am König? Erhärtet der Umstand, dass der Kupferstich ein eigentlich wichtiges Detail, nämlich die Sonne, mit ihren vielfältigen allegorischen Bezügen zum Herrscher, nicht aus dem Text aufgreift, diese Überlegungen noch?911

907 908

909 910 911

Kuhn 2000, a.a.O., S. 127. Kuhn weist allerdings darauf hin, dass sich diese Sicht auf Odysseus bereits bei Plutarch sowie in zahlreichen weiteren Schriften der Renaissance finden lässt, u. a. bei Maurice de la Portes Epithètes von 1571. Siehe Kuhn 2000, a.a.O., S. 126 mit Verweis auf Maurice de la Porte: Les épithètes. Genf 1973, S. 281. Siehe das Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. Kuhn 2000, a.a.O., S. 126. Auch Charles Zika findet es bemerkenswert, dass auf dem Kupferstich die Darstellungen der Sonne und die der Wolke, aus der die Götter erscheinen, fehlen. Siehe Zika 2002, a.a.O., Anm. 64.

I.3. Von Vorläufern und Nachahmern

202 I.3.6.

Zusammenfassung

Die Untersuchung des kulturellen Netzwerks wendete sich vom eigentlichen Tanzereignis den Machern des Spektakels zu und versuchte der Produktion des balets eine historische Tiefenschicht zu geben, indem sie Vorläufer, Nachahmer, das kulturelle, intellektuelle und künstlerische Netzwerk mit den ValoisAkadémien im Hintergrund, dokumentierte. Besonders der Tanzmeister Baltasar de Beaujoyeulx, auch Verfasser des Traktates zum balet comique von 1582, half mit seinen kultivierten Produktionen das soziale Gefüge des Hofes mit der ‚Verhaltensmetapher Tanz‛ zu stützen wie für die eigene Positionsbestimmung zu nutzen. Die Biographie von Beaujoyeulx und deren Rezeption ermöglichte exemplarische Einblicke in die Funktion des Erzählens als konstitutives, gemeinschaftsbildendes Element humanistisch ausgerichteter Gemeinschaften von Tanzschaffenden wie Akademiemitgliedern. Es zeigte sich, dass es letztlich auch um die Etablierung eines relativ jungen Berufsstandes ging. Häufig bedingt und beeinflusst durch die italienische Herkunft der Musiker und Tanzmeister sollte die Akzeptanz des Tanzes über die lokalen Bedingungen des Valois-Hofes hinaus befördert werden. Darüber hinaus ging es aber auch um die individuelle Positionsbestimmung einzelner Kunstschaffender. Für die Tanzforschung wurde vor diesem Hintergrund exemplarisch die Quelle von Clovis Hesteau de Nuysement ‚Lobpreisungen‛ auf Beaujoyeulx neu in den Blick genommen. Auffällig oft wird mit Bezug auf Beaujoyeulx, so wie auch in zeitgenössischen Abhandlungen zum Tanz, von ‚Innovation‛ erzählt. Es wird die Frage berührt, inwiefern sich der Tanzschaffende im ästhetischen Spannungsfeld von Traditionsbezug und Innovationswille bewegt. Die Beziehungsnetze der Musiker untereinander und wohl auch die der Tanzmeister zeigten, dass kulturelle Netzwerke superregional und supranational waren. Neben künstlerischen Kooperationen ließen sich aber auch künstlerische Rivalitäten aufweisen, die sich u.a. in der akademieinternen Debatte um den Primat von Musik oder Dirchtung abbildeten.

4.1. Die Transformation von Vergessen

I.4.

203

Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

Die multifunktionale Anlage des balets comique wurde bereits mehrfach angedeutet und kann mit Bezug auf die Untersuchungen von Margaret McGowan präzisiert werden. Diese formulierte zusammenfassend, dass das balet mindestens drei Botschaften enthalte912: eine moralische, auf die Bezwingung der Unordnung und Einsetzung der Kräfte des Guten zielend, eine politische, auf die Bestätigung der königlichen Macht fokussiert, zu einer Zeit, in der die Wirklichkeit von Krieg und Unentschlossenheit des Königs geprägt gewesen sei und eine philosophische, die die Bewegung der himmlischen Gestirne auf die Erde projektiere und zur Veranschaulichung ihrer Harmonie diene. Die Funktion dieser Botschaften sieht McGowan primär in Bezug auf die soziale Elite des Hofes: „Diese Elite lebte in einer idealisierten Welt und entfernte sich durch Aufführungen wie des Balet comique noch weiter von der Realität.“

Und weiter heißt es „Allegorische Verschleierungen – Götter und Göttinnen, mythologische Wesen, Nymphen, Najaden, Pan und seine Geister, Neptun und seine Meereswesen, die Tugenden sowie die Zaubersprüche Circes – dienten zur Schaffung einer Welt, in der Wünsche scheinbar realisiert wurden. Das Hofballett wirkte auf diese Weise zugleich als Gegenmittel und als Läuterung.“913

Das hier angebotene Erklärungsmodell, das besonders die Instrumentalisierung der Realitätsferne in Form von Gegenwelten für die enge Welt des Hofes betont, soll nachfolgend noch Detaillierung aber auch Modifikation erfahren.

I.4.1

Die Transformation von Vergessen: Das Geheimnis der Zahlen und Figuren

Detaillierung soll dieser Erklärungsversuch in Hinblick auf die mögliche Relevanz der im Traktat konstruierten Größen- und Zahlenverhältnisse erfahren. Über das Gesagte hinaus können Ansätze, die den Court as civilizer sehen, das probate Erklärungsmuster modifizieren helfen. Dies auch insofern, als sich mit der Herausstellung möglicher außenpolitischer Intentionen der Blick über den Valois-Hof hinaus hebt.

912 913

Siehe McGowan 1999, a.a.O., Sp. 1164. Beide Zitate aus: McGowan 1999, a.a.O., Sp. 1164.

204

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

Im balet comique wird die Bedeutung von Moral im Allgemeinen dem König als ein Ausbund an Tugend gegenübergestellt. Verdeckt und nicht offensichtlich wird hierbei deutlich, dass die Circeerzählung die Mission hat zu bestätigen, dass die Wahrheit sich in den politischen Dienst der Macht stellt.914 Die Inszenierung verweist über Umwege auf die primäre Intention: „Die großen ballets, vom balet comique (1581) bis zum balet de trancrède (1619), [...] drückten sozusagen politische Bestrebungen aus (deren hauptsächlichste, und die anderen umfassende, die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Elementen des gesellschaftlichen und politischen Lebens des Staates war, einem Gleichgewicht, das der beobachteten Harmonie in den Bewegungen der himmlischen Sphären zu entsprechen vermochte). “915

Und es ist gerade der Tanz, dem als Ausdruck „himmlischer Harmonie“916 besondere Bedeutung zukommt. Der Tanz ist in der Tat mit der Figur des artifex in dem Maße verbunden, in dem er auf Erden die himmlische Harmonie des Universums reproduziert, die der göttliche Artist als perfekter compositeur nach seinem Bild geschaffen hat. Die vollkommenste Darstellung würde er erreichen, wenn er den göttlichen Ball der Sterne realisierte, der im neuplatonischen Verständnis eine zentrale Rolle einnimmt. Dem Tanz des Himmels würde dann in der Tat der Tanz der Menschen antworten.917 Der Tanz als dynamische Kunst reproduziert nach diesem Ideal die Bewegung der Sphären im Kreis, die ihn charakterisieren, und der als Symbol für die Neuplatoniker das herausragendste Symbol der Göttlichkeit darstellte. Weit davon entfernt, ein einfaches Unterhaltungsinstrument zu sein, wird dem Tanz die ehrgeizige Funktion zugedacht „auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Seele zu agieren und auf den höchsten Sinn“ 918 zu zielen. In dieser Funktion bedient sich der Tanz der Imagination als einer Art Magie, indem er als „wunderbare Applikation eines Wissens“919 definiert wird. Gerade der Tanz kann, indem sich diese Kunst an das Sehen und Hören wendet, Er914 915

916

917 918 919

Siehe hierzu Pawyza, Fanny: La magicienne et le Roy: la scene de l'oubli dans le Ballet comique de la Royne. In: Revue des sciences humaines, 1999, S. 49–63, hier S. 49. „[...] les grand ballets, du Balet Comique (1581) au Balet de Trancrède (1690) [...] ils exprimaient pour ainsi dire des aspirations politiques (dont la principale, et celle qui englobait toutes les autres, était la recherche d’un équilibre entre les divers éléments de la vie sociale et politique de l’État qui pût correspondre à l’harmonie observée dans le mouvement des sphères célestes).“ Aus: McGowan 1963, a.a.O., S. 170. Hier zit nach: Greene 1994, a.a.O., S. 77. Boethius unterschied als erster drei Ebenen von durch Musik erzeugter Harmonie: die musica mundana als kosmische Harmonie, die musica humana als Harmonie der menschlichen Seele sowie die musica instrumentalis, die Harmonie dessen, was gewöhnlich unter ‚Musik‛ verstanden wird. Folgerichtig könnte der bal nach der Devisenvergabe als Antwort der irdischen Tänzer auf den göttlichen bal des astres verstanden werden. Pawyza 1999, a.a.O., S. 5. Ebda.

4.1. Die Transformation von Vergessen

205

scheinungen scheinbar verändern und vervollständigen, in diesem Sinn soll er auch auf die politischen wie sozialen Verhältnisse heilsam wirken.920 Gleichzeitig beschreiben die zeitgenössischen ästhetischen Diskurse den Tanz als geeignetes Mittel, das Unsichtbare der höheren Mächte zu repräsentieren. Das balet entfaltet folglich seine Wirkung in der Art, dass die Circeerzählung Teilnehmer wie Zuschauer scheinbar vom Wirklichen für Stunden entfernt und an dessen Stelle ‚fabelhafte‛ Visionen setzt, die wiederum so real als möglich erscheinen sollen und durchaus konkret appellativen Charakter aufweisen.921 Indem das balet das Wirkliche über den Umweg der Vorstellung zum Wunderbaren verändert, vereint es beide schließlich und lässt, so Fanny Pawyza, das eine durch das andere vergessen.922 Die Vorstellung von einem himmlischen Tanz wie sie bei den Neuplatonikern der Akademie bekannt war, geht, wie Günther Berghaus und auch Kerstin Rygg gezeigt haben, auf die wesentlich älteren Vorstellungen der Phytagoräer zurück.923 Soweit sich dies aus den frühesten Quellen des 5. und 6. Jahrhunderts ableiten lässt, gehen die frühen pythagoräischen Schulen von einem KosmosKonzept aus, welches diesem ein einheitliches, harmonisches Aussehen zuordnet. In der phytagoräischen Philosophie basiert die Kosmosvorstellung auf der Beziehung der Zahlen 1, 2, 3, 4.924 Die erste Einheit, monade oder monas genannt, ist die Zahl 1. Die Einführung der 2 als dyade begründet sich im Dualismus aller Dinge: „multiplication and addition, composition and relationship of one thing to another.“925 Die Zahl 3, die triade, repräsentiert das harmonische Ganze. Schließlich steht die 4, die tetrade, nach Plutarch für „die Kraft“.926 Die tetrade repräsentiert die gesamte Schöpfung und ist nach pythagoräischer Vorstellung vor allem die Basis der Konzeption von Harmonie und Einheitlichkeit. Für die Phytagoräer teilte sich jeder Aspekt der Existenz in vier Gruppen oder Kategorien: vier Elemente, vier Lebensalter, vier Jahreszeiten usw. Korrespondierend hierzu führt auch der französische Diplomat und Kryptograph Blaise de Vigenère (1523–1596) im Kapitel Des Chiffres aus:

920 921 922 923 924 925 926

Siehe hierzu die in der Vorrede des balets comique verwendeten Metaphern zur ‚Gesundung‛ des Landes, siehe Kapitel II.3.1. dieser Arbeit. Siehe hierzu die Devisenvergabe im Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. Siehe Pawyza 1999, a.a.O., S. 6. Siehe Berghaus 1987, a.a.O., zuletzt Rygg, Kristin: Masked mysteries unmasked: Early modern music theater and its Pythagorean subtext. Hillsdale, New York 2000. Wobei 10 als vollkommenste Zahl der Phytagoräer galt. Hier zit. nach: Rygg 2000, a.a.O., S. 88. Hier zit. nach: Ebda. Macrobius in seinem Kommentar zum Traum des Scipio: „One is called monas, that is unity, and is both male and female, odd and even, itself not a number, but the source and origin of numbers. This monad, the beginning and ending of all things, yet itself not knowing a beginning or ending, refers to the supreme god.“

206

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

„Et povravtant que le TROIS est vn Symbole de la diuinité, & du monde intelligible, & en nous du […] intellect qui y correspond; & le Qvattre represente l’elementaire, & le corps: & que tout moien participie de l’vn & de l’autre de ses deux extremes […].“927

Die phytagoräischen Konzepte gingen darüber hinaus davon aus, dass musikalische Konkordanzen durch die Verhältnisse von Zahlen zu repräsentieren seien sowie im Umkehrschluss die so erzeugten Klänge zu den Noten musikalischer Skalen korrespondierten. In diesem Sinne entsprächen sich musikalische Harmonien und die Harmonie der Sphären. Es existiert in dieser Vorstellung eine geradezu magisch-mystische Einheit zwischen Musik und Zahlen.928 Die Möglichkeit einer gezielten Systematisierung der Welt in solch einem gedanklichen Gefüge gewann in der Frühen Neuzeit zunehmend an Attraktivität, was durch zahlreiche Publikationen bezeugt wird.929 Auch der Choreograph Menestrier stellte ein knappes Jahrhundert nach der Aufführung des balets comique das Verhältnis von phytagoräischem Konzept und dem hier eher mystischen Wesen des Tanzes heraus: „The origin of the use of dance and music in the cult comes from the opinion of the Phytagoreans who believed God was a number and a harmony, and for that reason they honoured Him with measured cadences to show that they believed that He was.“930

Es wurde bereits angedeutet, dass geometrische Figuren zum Repertoire des am Hof erdachten Kunsttanzes im Allgemeinen und im balet comique im Besonderen zählen. Geometrische Tänze wurden üblicherweise in den Abschlussformationen des grand bals getanzt. Die Zuschauer auf den Gallerien, rund um das Tanzgeschehen gruppiert, konnten den Tanz von erhöhtem Standpunkt aus verfolgen. Elaborierte Muster und die Anzahl der Tänzer sowie die Genauigkeit der getanzten Formationen konnten so deutlicher in den Blick geraten. Die choreographierten Elemente wurden ‚Figuren‛ genannt. Gemeint waren damit sowohl statische Formierungen als auch mobile Sequenzen und besondere choreographische Muster931, die in ihrer Anlage gerade astrologische Einflüsse 927

928

929 930 931

Vigenère, Blaise de: Traicté des chiffres, ou Secrètes manières d'escrire. Paris 1586, S. 85f. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k73371g (letzter Zugriff Juli 2010). Zum Zusammenhang von Zahlenpaaren und pythagoräischer Tonleiterentsprechung siehe Bröcker, Marianne (Hg.): Tanz und Tanzmusik in Überlieferung und Gegenwart. Bericht über die Arbeitstagung der Kommission für Lied-, Musik- und Tanzforschung in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V. Schriften der Universitätsbibliothek Bamberg. Bd. 9. Bamberg 1992, S. 511f. Siehe hierzu Rygg 2000, a.a.O., S. 92. Hier zit. nach: Rygg 2000, a.a.O., S. 49. Siehe Franko 1993, a.a.O., S. 15. Besonders im balet des polonais werden geometrische Tänze beschrieben.

4.1. Die Transformation von Vergessen

207

aufwiesen.932 Die Bewegung der Tänzerinnen konnten in diesem Sinne die Bewegung himmlischer Gestirne imitieren. Zum Teil konnten die Figuren auch als Ausdruck moralischer Mäßigung stets diskordanter Extreme wie Ordnung und Chaos, Laster und Tugend etc. gelesen werden. Das hauptsächliche Bewegungsmaterial floss jedoch aus Tänzen wie dem Branle, der Gaillarde, der Courante, der Gavotte und der Pavane ein. Die choreografische Kreativität scheint in der Variation des Arrangements der ballets oder auch nur der Tanzeinlagen, häufige als entrées, gelegen zu haben. Welche Schlussfolgerungen lassen sich hieraus ziehen? Bereits Frances Yates verband die Wiederbelebung des phytagoräischen Neuplatonismus im 16. Jahrhundert, als Anliegen der Akademie, mit dem Tanz des balets comique: „Die pythagoräisch-platonische Grundüberzeugung der Akademie – daß nämlich alle Dinge mit Zahlen zusammenhängen, in der äußeren Welt der Natur wie der inneren Welt der menschlichen Seele – fand eine seiner vielleicht vollkommensten künstlerischen Ausdrucksformen in der wundervollen Akkuratesse dieser Tänze nach Maß [...].“933

In diesem Sinne lässt sich der Tanz der Wassernymphen als ein „measured dance to the measured music“ verstehen und lassen sich die hierin präsentierten Tanzfiguren als „the mysteries of number“ lesen.934 Tatsächlich können für das gesamte balet fundamentale Zahlenverhältnisse konstatiert werden, sodass der symbolische Gebrauch bestimmter Zahlen ein grundlegendes Merkmal des Druckwerks zu sein scheint. Exemplarisch sei nochmals auf die zwölf Nymphen verwiesen, die zu Beginn ihres Tanzes ein breites Dreieck formen und die die Visualisierung der Zahl drei vollziehen. Auch gestalten die Tänzerinnen nicht zufällig zwölf geometrische Figuren. Verfolgt man diesen Gedanken, lässt sich im gesamten Textkorpus des balets comique der besondere Gebrauch der Zahlen drei und vier sowie der ihrer Multiplikatoren nachweisen.935 Der durchgängige Gebrauch der Zahlen drei, vier und ihrer Multiplikatoren ist ein Indiz dafür, dass eine systematisch geordnete Welt präsentiert werden soll, welche auch hier der Dichotomie von Göttlichem und Irdischem folgt, m. E. unabhängig davon, ob die angegebenen 932 933

934 935

Zum Einfluss der Astrologie auf das frühneuzeitliche Geschichtsverständnis siehe auch Koselleck 1989, a.a.O., S. 25. Siehe Yates 1973, a.a.O., S. 249, (Übers. bei Strong 1991, a.a.O., S. 109). Verfolgt man die Interpretation der Nymphen als Symbol für die Jahreszeiten weiter, lässt sich vermuten, dass mit deren gezielten Einsatz, dem Bedürfnis Ausdruck verliehen werden soll, die Jahreszeiten und die geographisch-klimatischen Bedingungen dem eigenen Gestaltungswillen zu unterwerfen. Siehe hierzu auch: Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 144. Beachte hierzu ferner die zahlreichen Hinweise bei Beaujoyeulx auf die Illumination der Szenerie. Siehe Yates 1973, a.a.O., S. 243; Strong 1991, a.a.O., S. 207. Siehe hierzu auch Daye, Anne: Honneur à la danse: A Choreograpic Analysis of the Ballet Entries of Le Balet Comique de la Royne. In: Terpsichore 1450–1900. International Dance Conference Ghent. 11.–18.4.2000. Unveröffentlichter Tagungsbericht. Hg. v. Barbara Ravelhofer. Gent 2000, S. 71–83.

208

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

Zahlenwerte z. B. einem tatsächlichen, realisierten Maß entsprachen:936 In diesem Sinne würden die Ziffern selbst zu Chiffren, die der ‚guten Herrschaft‛ Ausdruck verleihen sollten. Gebrauch von Drei und Vier und seiner Multiplikatoren im Traktat des balet comique937 Königliche Estrade 3 Personen auf der Estrade Pans Grotte Vault dorée Circes Garten

3 degrez in der Höhe

3 hoch, 18 lang, 12 breit 18 lang, 9 breit, 3 geöffnet 3 breit, 12 tief, 1 vorn, 3 hinten (gekippte Perspektive!) 3 Sirenen Fontaine 1. Etage 12 im Durchmesser, 2. Etage 8 im Durchmesser, 3. Etage 4 im Durchmesser darauf 3 Delfine, 3 Seepferde 12 Wassernymphen mit 3 Triangeln auf dem Kopf, diese begleitet von 12 Pagen 10 Violinisten, 12 Fackelträger, 12 Wassernymphen (premier ballet) 8 Satyre Wald der Waldnymphen 12 degrez breit, 3 hoch 4 Waldnymphen jeweils mit 3 Eichenlaubblättern auf dem Haupt 4 Tugenden jeweils mit 3 Sternen auf dem Kopf Minervas Wagen 4 degrez vorne, 8 mitte, 18 hinten Abschlussgruppe: 8 Satyren, 4 Tugenden, 4 Dryaden, mit Minerva und Jupiter: zusammen 18 Le grand bal: 16 (18)938 Paare

936

937

938

Siehe auch hierzu den Hinweis bei Philipp Zitzlsperger zur moralischen Implikation der Proportionslehre und mithin einen Zusammenhang von Maß und Herrschaftstheorie, wenn er darauf hinweist, dass „sowohl in der Kunsttheorie wie auch in der Rechtstheorie es für [.] (die) Sichtweise einige Anhaltspunkte (gibt), die belegen, dass sich Kunst und Jurisprudenz in ihrem Selbstverständnis gegenseitig Begriffe und Symbole entliehen, welche die Messbarkeit der Dinge betreffen.“ Aus: Zitzlsperger 2008, a.a.O., S. 109. Vgl. hier mit den Angaben bei Anne Daye, die sich in Bezug auf den verwendeten Zahlensymbolismus jedoch nur auf den Gebrauch der Zahl Drei und ihrer Mehrfachen bezieht: Daye 2000, a.a.O., S. 82 . Anne Daye geht von 18 Paaren aus. Siehe Daye 2000, a.a.O., S. 80. Es sei aber darauf hingewiesen, dass es im Traktat heißt: „[…] avec cest ordre & ordonnance elles meinent

4.1. Die Transformation von Vergessen

209

Auch Beaujoyeulx selbst verweist explizit darauf, dass derjenige, der in der „discipline Platonique“ mehr gebildet sei, erkennen könne, dass „le vraye harmonie du ciel, de laquelle toutes les choses qui sont en estre, sont conseruees & mainttenues.“939 Es kann also davon ausgegangen werden, dass der Tanz als fundamentale kosmische Kraft verstanden wird, die Ordnung im irdischen Chaos schafft und mit der Harmonie der Sphären verbunden ist.940 Der geometrische Tanz, bestehend aus Kreisen und Quadraten, unter stets besonderer Betonung des Dreiecks, ist als der gleichsam unverschleierte Blick auf die ‚Geheimnisse des Universums‛ zu verstehen, der die himmlische Harmonie sichtbar macht.941 Die Verdammung der Tänzerinnen zur Unbeweglichkeit durch Circe verstößt gegen das stets dynamische Element dieser Harmonie des Kosmos. Dabei ist die Protagonistin des Königs selbst Teil dieser ewigen Wandlung: denn im triumphalen Ende nimmt auch Circe, wie bereits angedeutet, ihren Platz im Kreise derer ein, die sich dem König unterwerfen. Sie übergibt als „Gesundete“ die Devise le livre, als symbolisch hochverdichtetes Geschenk, an einen der mächtigsten Männer in der partizipierenden Zuschauerschaft, nämlich den Kardinal de Bourbon.942 Das mit Circeallegorie und Devisenvergabe Demonstrierte legt den Blick frei auf ein Geschichtsverständnis, das nicht mehr primär eine eschatologische Prophezeihung ins Zentrum rückt, sondern

939 940

941

942

les princes pour dancer le grand bal.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Der Verweis auf die "princes" könnte andeuten, dass die Königinmutter nicht mittanzt. Andererseits erhält sie ebenso wie der Kardinal eine Medaille, allerdings ergäbe sich auch dann für die Königinmutter keine männlich-weibliche Paarzuweisung. Nach dem bal gehen „les maiestez des Roy & Roynes“ (!) zur Ruhe. Aus: ebda. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 5. Zum Tanz als Ausdruck universeller Harmonie siehe auch das lyrische Werk des Engländers Sir John Davies: Orchestra or A poeme of dauncing: Iudicially proouing the true obseruation of time and measure, in the authenticall and laudable vse of dauncing. London 1596. Siehe hierzu die Ausführungen bei Gormans, Andreas: Geometria et Ars memorativa. Studien zur Bedeutung von Kreis und Quadrat als Bestandteile mittelalterlicher Mnemonik und ihrer Wirkungsgeschichte an ausgewählten Beispielen. Diss. Aachen 1999: Diese Diagramme, so die These der Arbeit, verkehren das ursprünglich innere Sehen der ars memorativa in ein äußeres; sie liefern textsubstituierende, synoptische Darstellungen und haben in der Regel die gängigen Vorstellungen von der Struktur und Beschaffenheit der Welt oder zentrale christliche Glaubenswahrheiten zum Gegenstand. Da die Assoziationskraft eines der Zentren der Erinnerung sei, seien die nachmittelalterlichen Folgeerscheinungen dieser geometrischen Gedächtnisbilder nicht weniger vielfältig. Das würden beispielsweise Weisheitstürme und Gedächtnistheater belegen, also Bildarchitekturen, die letztlich so memorativ sind wie die Begriffsschemata, über denen sie errichtet wurden. Die diagrammatische ars memorativa des Mittelalters sei ein wesentlicher Bestandteil einer hochentwickelten, mit Bildern operierenden Gedächtniskunst, die gleichermaßen im Dienst eines retrospektiven, autoritätsgebundenen Wissenschaftsverständnisses wie im Dienst einer monotheistischen Gedächtnisreligion stehe. Zur Devisenvergabe siehe das Kapitel II.3.4. dieser Arbeit.

210

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

„das antike Kreismodell, das Machiavelli wieder in Umlauf gebracht hat, [….]. Die dieser Geschichtserfahrung eigene Wiederholbarkeit band die prognostizierte Zukunft an die Vergangenheit zurück.“943

Dieses zyklische Geschichtsverständnis, sich grundlegend vom linearen Geschichtsverständnis der Moderne unterscheidend, basiert auf einer Zeitstruktur, „deren potentielle Wiederholbarkeit den Kreislaufcharakter ihrer Geschichte ausmachte.“944

I.4.2.

Der stilisierte Kniefall: der grand bal als höfischer Tanzanlass

Dass die ballets als Bühnentanz in ihren Inszenierungen die Absicht verfolgten, Blicke zu kanalisieren, ist bereits aufgezeigt worden. Doch auch jene höfischen Tanzanlässe, die scheinbar keiner direkten Dramaturgie unterworfen waren, strebten offenbar die Umsetzung eines Regelsystems an, welches nicht weniger stringent konzipiert war.945 Mitverantwortlich für diese Ausrichtung zeigten sich Tanzlehrer, auch in denen von ihnen geleiteten Tanzschulen. Dies waren im Paris der 1580er Jahren an die 90. Indem sich die Beteiligten den Vorstellungen der Tanzexperten fügten, wurde auch der höfische ‚Gesellschaftstanz‛ zur möglichen Strategie, bei der von den Akteuren zugesehen wird oder auch im höfischen Spektakel dem König vorgetanzt wird. Auch in diesem Bereich lässt sich eine zunehmende Codifizierung der Regelbeschreibungen feststellen und häufig ist mit dem Ball als höfischgesellschaftlichem Tanzanlass die Homogenisierung und Integration gesellschaftlicher Gruppen intendiert. Es stellt sich die Frage, wie sich hier die Bewegungs- und Tanzkulturen konkret darstellten und inwieweit diese Entwicklungen des politisch-sozialen Systems entsprachen. Die Analyse einzelner Bewegungsabläufe, deren Fixierung zunehmend in Form von Notationen angestrebt wurde, könnte hier wesentliche Hinweise geben. Die Beschäftigung mit der Reglementierung und Verfeinerung der Bewegungsabläufe greift zudem nochmals die Frage nach einer ‚Gesamtdisziplinierung‛ des Hofes wie die des Einzelnen auf: Welche Hinweise finden sich, wie eng der zuschauende wie tanzende Hofangehörige in das System von Regeln eingebettet war? Welche Maßstäbe waren leitend für die adelig-tänzerische Erziehung? 943 944 945

Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt/M. 1989, S. 32. Ebda., S. 33. Siehe Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 145.

4.2. Der stilisierte Kniefall

211

Was ist über die Realisierung dieser erzieherischen Ideen und Bewegungsvorstellungen zu erfahren? Die vielfach in modernen Untersuchungen hierzu konstatierte, vom Herrscher gesteuerte höfische Disziplinierung mit ihrer Ausbildung rigider Höf-lichkeitsformen, ihren Reverenzerweisungen und stilisierten Tänzen, ist genauer zu hinterfragen. Folgt man Markus Meumann und Ralf Pröve, scheint für die Beschreibung innerer Machtverhältnisse von Herrschaftszentren die „Vorstellung von einem Netzwerk multipolarer Herrschaftsbeziehungen, in denen sich unterschiedliche Akteure mit jeweils eigenen Ressourcen gegenüberstehen“ dienlicher zu sein als die Vorstellung von zentral gesteuerter Herrschaftsausübung.946 Herrschaft soll folglich in diesem Zusammenhang nicht als die Umsetzung des einheitlichen Willens einer zentralen Instanz in der Alternierung von Befehl und Gehorsam gesehen, da dies voraussetzen würde, dass ein solch einheitlicher Wille überhaupt vorhanden war.947 „Dieser Ansatz, der stärker als ältere Modelle – sei es nun das des Absolutismus oder das der Sozialdisziplinierung – den Blick dafür öffnet, dass Gehorsam in der Frühen Neuzeit vielfach ausgehandelt werden musste und nicht einfach vorausgesetzt werden konnte, […] zieht gewissermaßen die Konsequenzen aus den langjährigen Zweifeln am Absolutismuskonzept, die sich mit dem bloßen Verweis auf das ‚Nichtabsolutistische‛ im Absolutismus nicht neutralisieren lassen.“948

Diesem ambivalenten Herrschaftsbegriff steht ein offenbar zunehmendes Bemühen um Systematisierung und Regelung, zunächst mit geometrisierendem, dann mit grundsätzlich physikalischem Blick auf den Tanz, von Seiten frühneuzeitlicher Tanzexperten gegenüber. „Während alle Vorstellungen und Wahrnehmungen nach dem Bilde des körperlichen Menschen rekonstruiert, begriffen wurden, war dies zugleich als Rekonstruktion nur möglich, indem dieser Körper in einem System abstrakter Formeln seinerseits theoretisch rekonstruiert wurde. Dies ist die doppelte Wende in der Anthropomorphie des modernen Weltbildes. Die Beziehung zwischen Tänzern und Choreographie waren nach dem Prinzip jener Beziehungen der Menschen zur Objektwelt konzipiert – physikalisch, um es extrem zu sagen.“949

Das beherrschende Erklärungsprinzip der Geometrisierung kommt hier in der direkten Übertragung auf den menschlichen Körper zur vollen Entfaltung. Hierbei entsprechen die sichtbaren Symmetrien der höfischen Performanzen auch

946 947 948 949

Hier zit. nach: Asch 2005, a.a.O. o.S. Siehe ebda. Siehe ebda. Zur Lippe 1974b), a.a.O., S. 215.

212

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

musikalischer Geometrie.950 Wenn auch die Anforderungen des physischen Trainings und damit das technisch – systematische Niveau, welches das klassische Ballett seit dem 18. Jahrhundert kennzeichnet, mit Erklärungsversuchen, die sich primär auf sozial-politische Kontexte beziehen, nicht verwechselt werden sollte951, können doch die einen mit den anderen in Beziehung gesetzt werden. Diese Verknüpfung von sozialem Kontext und geometrisierenden Prinzipien von Bewegungen soll im Folgenden exemplarisch am Beispiel der Reverenz952 dargelegt werden. Die Reverenz als tänzerisches Bewegungselement vereinte mehrere Funktionen: Am Platz ausgeführt, diente die Reverenz zum einen der Gliederung des Tanzes, betonte Ausgangshaltung und Abschluss des Tanzes. Zum einen bildete sie so die erste Bewegungssequenz der basse danse und der Gaillarde953. In dieser Form als Tanzeröffnungsgestus erscheint sie schon in den frühen Tanztraktaten des 15. Jahrhunderts. Seit dem 16. Jahrhundert erscheint sie dann auch noch zum Abschluss des Tanzes und wird von Tanzlehrern wie Fabritio Caroso954 oder Cesare Negri955 (Abb. 5, Abb. 6) und Thoinot Arbeau956 (Abb. 7) genauer beschrieben. Caroso unterscheidet die Reverenzarten noch entsprechend ihrer Taktdauer in grave (4 Takte), minima (2 Takte) und die semiminima (ein Verharren mit Schlusssprung), wenngleich sich seit 1600 ein neues Formenverhältnis durchsetzt, in welchem von der Riverenza grave (6 Takte), lunga (4 Takte) und breve (2 Takte) gesprochen wird.957 Der Reverenz, als Bindeglied zum ersten Tanzschritt,

950

951 952 953

954

955 956

957

Siehe van Orden 2005, a.a.O., S. 62. Siehe auch: Mc Gowan, Margaret M.: Ideal Forms in the Age of Ronsard. Berkeley u.a. 1985 sowie dies.: The arts Conjoined: A Context for the Study of Music. In: Early Music History 13, (1994), S. 171–198. Siehe Franko, Mark: The dancing body in Renaissance Choreographie. (c.1416–1589). Birmingham 1986, hier S. 31. In italienischen Traktaten heißt sie riverenza. Van Orden geht für die Gaillarde davon aus, dass diese „organized a whole system of courtship – and courtiership – based on a conversational model […] the solo passages of the gaillarde proved the ultimate test of sprezzatura.“ Aus: Van Orden 2005, a.a.O., S. 99. Siehe Caroso, (Marco) Fabritio (Fabritio Caroso da Sermoneta): Il Ballarino. Diuiso in due trattati; nel primo de’quali si dimostra la diuersità de i nomi, che si danno à gli atti & mouimenti, che interuengono ne i Ball, & con molte Regole si dichiara con quali creanze, & in che modo debbano farsi. Nel secondo s’insegnano diuerse sorti di Balli, & Balletti si all’usi d’Italia, come à quello di Francia, & Spagna. Venedig 1581. Siehe Negri, Cesare: Le gratie d’Amore di Cesare Negri Milanes, detto il Trombone, professore si ballare, Opera Nova, et Vaghissima, divis in Tre Trattati. Mailand 1602. Arbeau, Thoinot (Jean Tabourot): Orchesographie. Et traicte en forme de dialogve par leqvel tovtes personnes pevvant facilement apprendre & practiqvuer l’honneste exercice des dances. Par Thoinot Arbeau demevrent à Lengre [...]. Lengres 1588. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54531m (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe Taubert 1968, a.a.O., S. 20–21.

4.2. Der stilisierte Kniefall

213

folgte die Kontinenz958, eine balancé-artige Bewegung mit leichter Seitneigung des Körpers959, die auch als „Bewegung in der Ruhe“960 gelesen werden kann. Der Tanzmeister in Carosos Nobiltà di Dame (1600), wobei das Werk weitgehend eine Neuauflage seines bereits 1581 veröffentlichten Il Ballarino darstellte, erteilt so zur großen Reverenz (Riverenza grave) als Auftaktbewegung bestimmter Tänze eine ausführliche Lektion mit bemüht detaillierter Bewegungsanweisung: „You need to know, my dear Pupil, that the rule for making a grave Reverence (which appears in a dance called ‚Bassa, et Alta‛, and in another dance called ‚Tordiglione‛) is that you make it in the time of six beats [by] keeping your body and legs quite straight, with half of your left foot aheadof your right to the extent that the toes of the aforesaid right foot are just level with the arch of your left foot, the feet being about four fingerbreadths apart. Be careful that your toes are quite straight and directed toward the lady, or toward anyone else to whom your are making it [the Reverence], whether dancing or not. And be sure to avoid what most do, [which is] to point one foot south and the other north, so that they seem to have been born with crooked feet, for this produces a most ugly sight[…].“961

Es folgt im weiteren Verlauf zudem eine Beschreibung der großen Reverenz, bevor Caroso im Anschluss daran auf den Zusammenhang von tänzerischer Auftaktbewegung zur Reverenz als Grußform zu sprechen kommt: „Take care not to make this grave Reverence by turning toward the people around you, as if you were greeting them, as was done in the past, or to anyone else who is dancing, because in this way you appear disdainful toward the lady with whom you are dancing (a custom which has remained with the Jews). On the contrary, each of your actions should ever honour and revere that person whom you intend to so honour and revere; now avoid making the Reverence in that other way. All Reverences should be made with your left foot, for that is the door of enrtry to the palace, and it remains the exit as well. Thus when you or others prepare to dance you should begin with a grave Reverence, and conclude with your left foot, with all solemnity, and in proper measure. And the same holds true if you make a long or breve [Reverence]; consequently, if you do otherwise the dance will be quite wrong.“962

In diesen Ausführungen deutet sich an, dass sich die stets mit dem linken Fuß zu beginnende Reverenz als getanzte Auftaktbewegung gleichzeitig eine gewisse Selbstständigkeit als Grußform, sowohl des tänzerischen Gegenübers als auch 958 959

960 961 962

Diese Kontinenz wird in der Regel mit dem Sigel c für congé in den Tanzschriften erklärt. Diese Bewegung wird bei Caroso mit piegare un poco il fianco sinistro beschrieben. Taubert deutet diese Bewegung, welche mit einem leichten Einbeugen der linken Hüfte verbunden ist, als „eine im Natürlichen wurzelnde Haltungsform“ der Frauen, welche schon bei Madonnendarstellungen zu beobachten seien. Aus: Taubert 1968, a.a.O., S. 21, Anm 11. Taubert 1968, a.a.O., S. 22, siehe auch Bie 1919, a.a.O., S. 136. Hier zit. in der englischen Übersetzung nach: Sutton 1995, a.a.O., S. 98. Hier zit. nach: Sutton 1995, a.a.O., S. 98f.

214

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

außerhalb von Tanzabläufen, bewahrt hat. Karl Heinz Taubert wies in diesem Zusammenhang früh darauf hin, dass der Tanzbegriff révérence extérieure sich von reverentia und somit dem lateinischen Wort für Tribut herleite.963 Diese etymologische Herleitung deutet bereits auf eine besondere Form der Interaktion und des Austausches hin. Die Reverenz964 (Abb. 8)965 als Begrüßungsgeste, gemeint als ein Akt der Demut und Ausdruck des Respekts, markiert gleichzeitig soziale Hierarchien.966 Diese werden auch außerhalb des Tanzes durch das Beugen und Neigen des eigenen Körpers vor weltlichen wie geistigen Herrschern967 zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus verknüpft sich der Grußgestus im Akt der Reverenz für einen Moment mit dem der Konversation: „During the social greeting conversation is danced: the modalities of dance and conversation are for a brief moment identical. Similarly, the reverence when performed to music suggests that the dance is a vast metaphor for conversation.“968

Zunächst war die Reverenz eine bildende Übung, durch welche sich die Mitglieder des Adels den körperlichen Erfordernissen des sozialen Lebens stellen konnten. Mark Franko nennt den Tanz in diesem Sinne eine „abstract civility, a practice of 963 964

965

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967 968

Siehe Taubert, Karl Heinz: Höfische Tänze. Ihre Geschichte und Choreographie. Mainz 1968, hier S. 18. Zur Lippes Beobachtung scheint treffend, wenn er konstatiert, dass die Geste, den Hut bei der Reverenz abzuziehen und dabei eine bestimmte Geste mit dem Arm zu beschreiben, später und so noch heute in Form des klassischen port-de-bras fortlebt. Zur Lippe 1974b), a.a.O., S. 190. Der Kupferstich zeigt Pierre de La Primaudaye (1546–1619?), gentilhomme de la chambre du Roy, wie Louis de Gonzague, duc de Nevers, sein Werk Académie française, offeriert. Der Protestant La Primaudaye, jahrelang als gentilhomme de la chambrue du Roy in Diensten, widmete im übrigen Louise de Lorraine sein 1589 veröffentlichtes Werk Quatrains du vray heur. Paris 1589. Vergleiche zum Kupferstich mit dem duc de Nevers die bei Caroso beschriebene Haltung zum Sitzen: Der linke Arm ruht ausgestreckt auf Lehne, der rechte Arm – mit der rechten Seite geschieht alles – ruht ggf. einfach auf dem linken Arm, aber so, dass das rechte Handgelenk herunterhängt. Hier nach Sutton 1995, a.a.O., S. 137. Siehe z. B. auch wie Caroso schildert, wie einem König die Aufwartung zu machen sei. Nach vier bis sechs Schritten, die man vorzugehen habe, folgen drei Reverenzen. Dann seien die Knie zu küssen, die zu überreichenden Dokumente zu küssen und wieder drei Reverenzen beim Rückwärtsgehen zu erweisen – falls man nicht gemeinsam den Raum verlasse. Dann nämlich solle der König zur Rechten gehen und man immer Abstand halten. Gemäß des spanischen Stils musste man sich drei Schritte zurückfallen lassen. Hier nach: Sutton 1995, a.a.O., S. 136. Im 37. Kapitel des Hofmanns arbeitet Castiglione im übrigen den deutlichen Kontrast zwischen „französischer Lebhaftigkeit“ und „spanischer Feierlichkeit“ heraus. Siehe hierzu: Burke, Peter: Eleganz und Haltung. Berlin 1998. (im engl. Original als Varieties of Cultural History. Cambridge 1997), S. 90f. Zum religiösen Ursprung der Verbeugung: siehe Taubert 1968, a.a.O., S. 18. Franko 1986, a.a.O., S. 37.

4.2. Der stilisierte Kniefall

215

the theory of a practice.“969 Die Tanzübung erfüllte insofern eine pädagogische Funktion, indem sie den sozialen Code einer Gesellschaft vermittelte.970 Auch die Tanzstunden begannen mit der Einübung der sozialen Ehrerbietung, den révèrences. Henri III. terminierte wöchentlich wiederkehrende Tanzereignisse auf dienstags und sonntags am Nachmittag. Dies wurde auch noch von Henri IV. so fortgeführt; während spezielle Bälle im Rahmen von Hochzeitsfeierlichkeiten, Einzüge und Staatsempfänge gehalten wurden.971 Die auf dem Ball als höfisches Tanzereignis ausgeführte Reverenz ist somit neben der Darstellung des individuellen Körpers auf das Geschlechterverhältnis und mithin auf das Sozialgefüge des Hofes bezogen. Von Montaigne ist in diesem Sinn zu erfahren, dass auch der Kuss, zum Leidwesen des Sprechers, Teil der französischen Reverenz gewesen sei: „Man sehe nur, wie der Werth der Küsse gefallen ist, nachdem unser Volk so verschwenderisch damit geworden, daß es sich derselben, nach seiner ihm eigenen Art, so gar bey allen Begrüßungen bedient [...]. Es ist eine hässliche und den Frauenspersonen schimpfliche Gewohnheit, daß sie einem jeden, der drey Bediente hinter sich hat, wenn er auch noch so garstig wäre, ihre Lippen reichen müssen.“972

Montaigne betont exemplarisch den hierarchisierenden Charakter des Kusses als Teil der Grußgeste, implizit wird zudem die Verbindung zu Lenkung und Kanalisierung von sexuellen Verhaltensweisen thematisiert. Diese Tendenz scheint sich im nachfolgenden Jahrhundert ausgeprägt zu haben, wenn Louis Bonin zu Beginn des 18. Jahrhunderts betont: „Ja, die Reverence ist öfters die einzige Ursache, warum junge Leute [...] tanzen lernen.“973 Während des gesamten 16. Jahrhunderts blieben in Frankreich die Branles, wie sie auch Arbeau in seiner Orchésographie detailliert beschreibt, als Reigentänze neben anderen Gruppentänzen dominant. In der Regel wurde der Ball mit einem Branle eröffnet. Auch finden sich diese Gruppentänze häufig in Suiten arrangiert, z. B. die Galliarde und die prozessionsartig getanzte Pavane mit einem Touridon als Nachtanz.974

969 970 971 972

973 974

Ebda. Siehe Franko 1986, a.a.O., S. 37. Van Orden (2005), a.a.O., S. 92 bzw. Boucher Cour, S. 51–53. De Montaigne, Michel: Essais. (Versuche) nebst des Verfassers Leben nach der Ausgabe von Pierre Coste ins Deutsche übersetzt. Hg. v. Winfried Stephan.(Neudr. d. Ausg. v. 1753/54). Bd.2, Zürich 1992, S. 925 (im folg. zit. als De Montaigne Bd.2): Siehe auch Zum Wangenkuss und Handkuss als Bestandteil der Referenz siehe auch Taubert 1968, a.a.O., S. 23. Bonin: Louis: Die neueste Art zur Galanten und Theatralischen Tantz-Kunst. Jena 1712. Hier übersetzt nach: Taubert 1968, a.a.O., S. 73–74. Siehe auch Dahms 2001, a.a.O., S. 59.

216

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

Bildete im 16. Jahrhundert die Paarkonstellation beim höfischen Ballereignis die übliche Tanzkonstellation975 für Bassedanses, Pavanen, Volten, Couranten oder Allemanden976, zielten offenbar die meisten choreographierten Tänze bei Caroso wie Negri auf jeweils ein tanzendes Paar.977 Analog hierzu hatte sich bereits seit dem 15. Jahrhundert der Begriff tanzen978 und seine anderssprachigen Analogiebildungen ausdifferenziert und bezeichnete den prozessionsartigen Paartanz. Im Unterschied hierzu wurde der traditionelle Tanz weiterhin als reigen979 beschrieben.980 Mit der Präsentation des nahezu prozessionsartigen Aufmarsches der Paare in den höfischen Tanzraum ging gleichzeitig eine vestimentär bedingte, zunehmende Berührungsdistanz der Tanzpartner einher, da vorwiegend schwere und ausladend arrangierte Stoffe wie Samt und Damast getragen wurden. Begrenzten diese Stoffe einerseits zwar die Bewegungsfreiheit, vor allem die des weiblichen Körpers, ist jedoch auch nicht zu übersehen, dass gerade die Kleidung die Konturen der engen Hosen der Männer und Kleiderzuschnitte betonten und so Blicke auf den Körper gelenkt wurden.981 Kleidung war zu einer wesentlichen Bestimmungsgröße für die Bewegungsmöglichkeiten und -grenzen im Tanz geworden.982 Als neues Modeaccessoire avancierten die Handschuhe und Fächer zum Statussymbol der besitzenden Gesellschaftsgruppen. Den Körperraum begren-

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Siehe Salmen 1999, a.a.O., S. 47. Siehe Dahms 2001, a.a.O., S. 63. Siehe hierzu Sutton 1995, a.aO., S. 31. Walter Salmen führt aus, dass man sich seit dem 12. Jahrhundert „in Europa über die rhythmisierten und stilisierten Bewegungsabläufe mittels des begriffs ‚tanz‛ und des Verbums ‚tanzen‛“ zu verständigen beginnt. […] „Entlehnt aus dem altfranzösischen Wort ‚dancier‛ setzte sich mittelfranzösisch ‚danser‛, italienisch ‚danzare, spanisch ‚danzar‛, englisch ‚dance‛, deutsch ‚tanzen‛, dänisch ‚dans‛, ungarisch ‚tanc‛durch. Dieses Grundwort wurde bis zum 16. Jahrhundert in nahezu allen Regionen Europas adaptiert.“ Aus: Salmen 1999, a.a.O., S. 4f. Zur terminologische Differenzierung und Ausweitung des lexikalischen Feldes betont Walter Salmen: „Erst in der Abhebung von ‚tanzen und reien‛, ‚daunce and carole‛, ‚danses et caroles‛ wird zunehmen deutlicher das Wie der Handlung bezeichnet. […] Schließlich wurde um 16. Jahrhundert eingrenzend mit dem Wort ‚Dantz‛ oder ‚basse danse‛ ein binärer Vortanz bezeichnet, dem ein ternärer Nachtanz zu folgen hatte. […]. Das Wortfeld ‚danse‛ wurde zudem […] ab dem 14. Jahrhundert um die Berufsbezeichnung ‚dancer‛ oder ‚dauncere‛ erweitert.“ Aus: Salmen 1999, a.a.O., S. 5. Klein, Gabriele: Frauen, Körper, Tanz. Eine Zivilisationsgeschichte des Tanzes. Diss. Weinheim, Berlin 1994. Hier S. 61. Zum Zusammenhang von Kleidung und Bewegung siehe auch Nitschke, August: Bewegungen in Mittelalter und Renaissance. Kämpfe, Spiele, Tänze, Zeremoniell und Umgangsformen. Düsseldorf 1987, hier S. 43. Siehe Klein 1994, a.a.O., S. 62. Zum Kostüm der Tänzer in französischen Schautänzen siehe auch Strong, Roy u.a.: Designing for the dancer. London 1981, S. 11–24.

4.2. Der stilisierte Kniefall

217

zend unterstrichen sie die Distanz zum Körper des anderen.983 Zumal der Körperkontakt zwischen den Tanzpartnern fast ausschließlich über die Berührung der Hände zu erfolgen hatte.984 Gleichzeitig wird durch das Moment des Verdeckens, wie es Handschuhe und auch Fächer mit sich bringen, der Prozess des Imaginierens985 befördert. Dieses war den Zeitgenossen sehr bewusst: So bemerkt Castiglione in seinem berühmten Hofman986, dass die Hände einer Frau, wenn sie von Handschuhen verdeckt seien, „ein besonders heftiges Verlangen nach sich ziehen“987 würden. In diesem Sinne will Castiglione auch die Bedeutung der Perspektive verstanden wissen, als eine das nicht Vorhandene sichtbar machende Kunst: „[...] o far parer per arte di prospettiva quello che non è.“988 Allerdings hatte sich schon zu Castigliones Zeiten die auffällige Konzentration auf die Beschreibung der Handgestiken im Tanz989, wie sie in mittelalterlichen Tanzbeschreibungen üblich ist, verändert. Seit dem 15. Jahrhundert sprechen die Tanzmeister in ihren Traktaten hauptsächlich von der Bewegung der Füße.990 So spielt, wie das Beispiel Carosos zeigte, auch für die Reverenzbeschreibung die Frage, mit welchem Bein diese auszuführen sei, eine immer wichtigere Rolle.991

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Vgl. hierzu auch Peter Burke, der ähnliche Aussagen zum Erscheinungsbild der Halskrause macht: „Wer in einer Halskrause steckte, brauchte sich offensichtlich nicht zu bücken, nicht einmal seinen oder ihren Kopf zu drehen:“ In: Burke 1987, a.a.O., S. 120. Siehe Taubert 1968, a.a.O., S. 31. Vgl. hierzu allerdings die Anmerkungen zur Volta im Kapitel III.I.2. dieser Arbeit. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zum ‚fantasmata‛-Begriff aus dem frühen 15. Jahrhundert nach Domenico da Piacenza im Kapitel III. 3. dieser Arbeit. Der Cortigiano Castigliones orientiert sich bewusst in Inhalt und Form an Schriften antiker Autoren wie Ciceros De oratore und Platons Politeia. Bereits 1528, mit seiner Veröffentlichung, war der Hofmann ein Erfolg. Castigliones Werk wurde noch im 16. Jahrundert ins Französische, Lateinische, Spanische und Deutsche übersetzt. Sir Thomas Hoby verfasste eine Adaption mit The Courtyer (1561) und Lukasz Górnicki eine weitere für den polnischen Hofmann in Dworzanin polski (1566). Hier zit. nach: Baumgart 1986, a.a.O., S. 74f. Castiglione 1991, a.a.O, S. 8. Siehe hierzu auch die imaginationsbefördernde und fokussierende Intention des Perspektiveinsatzes im Szenenarrangement des balets comique in Kapitel II.3.3. dieser Arbeit. „Im Ruodlieb (um 1050) wird ein Tanzpaar beschrieben: Er und sie, frisch ineinander verliebt nähern sich tanzend und schreiten aneinander vorbei. Ihre erhobenen Hände variieren die Melodie. Lassen sie diese sinke, hört der Tanz auf. Bei der Bewegung kommt es wiederholt zu Annäherung und Entfernung zweier aufeinander bezogener Personen. Die Aufmerksamkeit der Tänzer richtet sich auf die erhobenen Armen und Hände.“ Aus: Ruodlieb, S. 180f., hier zit. nach: Nitschke 1987, a.a.O., S. 76. Siehe Böhme, Franz Magnus: Geschichte des Tanzes in Deutschland. Beiträge zur deutschen Sitten-, Literatur und Musikgeschichte. 2 Bde. Hildesheim u.a. (1886) 1967, hier S. 30. Vgl. jedoch auch Bie 1919, a.a.O., S. 134, der erwähnt, dass bei Tänzen, die auf Handgeben komponiert seien, wie Furioso und Contrapasso, man vorher die Handschuhe ausgezogen habe. Siehe hierzu auch Taubert 1968, a.a.O., S. 22.

218

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

Grundsätzlich kann zudem von einem steigenden Gestenbewusstsein ausgegangen werden.992 Auch die Instruktionen für die Fußhaltungen während des Stehens in Tanzbeschreibungen gleichen denen in Höflichkeitsbüchern. Vice versa wird im 18. Jahrhundert der Tanzunterricht zum Erlernen rhetorischer Gestik sogar Theologen empfohlen werden.993 Die Reverenz erfährt insofern eine tanzmäßige Ausbildung und Veränderung, deren Formen sich mit dem Benehmen wandelt.994 Und somit gilt für beide, dass sie zeitgebunden sind.995 Zusammengefasst gesagt, erfüllt die Reverenz mindestens zwei Funktionen: Im Tanzeröffnungsgestus werden auch soziale Verhaltensweisen gemimt, ebenso wie die Verhaltensweisen selbst choreographiert scheinen.996 Die Übermittlung eines gesellschaftlichen Verhaltenscodes verweist auf seinen pädagogischen Impetus. Und nicht zufällig erweisen z. B. die acht Satyren im balet comique dem König eine „grande & humble reuerence.“997 Exemplarisch konnte gezeigt werden, dass auch im 16. Jahrhundert der Tanz als wesentliches Element des polite learning, als Mittel zur Ausprägung höfischer Umgangsformen und somit unverzichtbaren Bestandteil der Hoffähigkeit des Einzelnen in der sozialen Praxis geworden ist: Die Teilnahme am Tanz hat die Funktion eines stilisierten Kniefalls übernommen.998

I.4.3.

Der goldene Mittelweg: Zur Hoffähigkeit des gentilhommes

Jenseits der geforderten Konventionen scheint es zumindest die Reflektion ihrer Überwindung gegeben zu haben. Umfangreich sind die Bewertungen der Autoren und Äußerungen zum Geltungsbereich der Konvenienz vom 16. bis zum 18. Jahrhundert.999 So formuliert Montaigne für das frühneuzeitliche Frankreich:

992 993 994 995

996

997 998 999

Siehe hierzu Burke 1998, a.a.O., S. 85–106, bes. S. 94ff. Siehe hierzu Saftien 1995, a.a.O., S. 209. Siehe Bie 1919, a.a.O., S. 134. Zum Wandel rhetorischer Mimik und Gestik im Zusammenhang mit epochenspezifischen Tanzbewegungen siehe Saftien, Volker: Rhetorische Mimik und Gestik. Konturen epochenspezifischen Verhaltens. In: Archiv für Kulturgeschichte. Hg. v. Egon Boshof. Bd. 77. Köln u.a. 1995, S. 197–216, hier S. 215. Siehe Franko 1986, a.a.O., S. 37. Siehe auch grundsätzlich die gerade um 1600 zunehmende Zahl von Tanzkompedien, die Anweisungen zu Tanz wie zu gesellschaftlichen Verhalten geben: Dahms 2001, a.a.o., S. 62. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 53 O.j. Siehe Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 15. Siehe hierzu die umfangreiche Arbeit von Beetz, Manfred: Frühmoderne Höflichkeit. Komplimentierkunst und Gesellschaftsrituale im altdeutschen Sprachraum. Habil. Germanistische Abhandlungen Bd. 67. Habil. Stuttgart 1990.

4.3. Der goldene Mittelweg

219

„Nicht nur jedes Land, sondern jede Stadt und jeder Beruf prägt seine besonderen Höflichkeitsformen.[...], so daß ich über die Grundauffassungen unserer, der französischen Höflichkeit Bescheid weiß; [...]. Ich füge mich diesen Vorschriften gern, aber nicht sklavisch, daß ich mich, bei allem was ich tue, dadurch beengt fühle. Manches, was dabei verlangt wird, ist bedrückend [...]. Oft wirkt, wie ich aus Erfahrung weiß, betonte Höflichkeit unhöflich und betontes Entgegenkommen lästig.“1000

Das Erscheinen des professionellen Tanzmeisters markiert eine entscheidende Entwicklung in der Geschichte der Tanzpädagogik.1001 Zunächst etablierten sich die courtoisen Umgangsformen in Bewegungsräumen von Adeligen. Das Verhalten und die äußere Erscheinung des Einzelnen werden zunehmend wichtiger, Höflichkeitskonventionen deutlicher formuliert und eingefordert. Im Sinne der vielfach in diesem Zusammenhang zitierten ‚Sozialdisziplinierungsthese‛ spricht z. B. Gabriele Klein davon, dass sich zunächst unter Anleitung, eine Art „Selbstzwangapparatur“ entwickelt habe, in der Menschen einübten, sich selbst und andere zu beobachten und zu kontrollieren.1002 Konkret habe sich dieser Zwang zur Selbstbeherrschung für ein Hofmitglied durch das Mittel der Abgrenzung gestaltet: Die Darstellung selbst etwas Besonderes zu sein und sich somit von anderen abzugrenzen, sollte die Sicherung der eigenen Existenz darstellen. Für diese Existenz galt es etwas zu leisten, nämlich, entgegen der eigenen Natur, eine Verhaltensanpassung durch Disziplin zu erringen.1003 Diese Argumentation setzt erstens voraus, dass sich das einzelne Hofmitglied dieser ‚Exklusivitätspflicht‛ bewusst war. Zum Zweiten setzt sie das Vorhandensein, wenn schon nicht eines stringenten Willens zur Vereinheitlichung, so doch einer Vorstellung und Kommunizierung eines solchen Vereinheitlichungsprozesses voraus. Diese Situation stellt sich jedoch, wenn man sich die Entwicklung der Hofordnungen am Valois-Hof anschaut, so ausgeprägt für den vorliegenden Zeitraum des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts m. E. noch nicht einmal normativ dar: So war Henri III. zum Teil erstmalig darum bemüht, eine tatsächliche Hofordnung festzuschreiben und das hier formulierte Reglement zu etablieren.1004 Zudem geht die vorgenannte Argumentation von einem m.E. etwas schwierigen und nicht genauer definierten Verhältnis von „eigener Natur“ und „disziplinarischer Anpassung“ aus, was auch im deutlich technikmotivierten Ausdruck der „Selbstzwangapparatur“ mitschwingt. Das schwierige Verhältnis von ‚Natürlichkeit‛ und ‚Künstlichkeit‛ beschäftigte, wie vorliegend bereits angedeutet, ja bereits 1000 1001 1002 1003 1004

Montaigne 1993, a.a.O., S. 49. Siehe hierzu die Ausführungen im Kapitel I.3.1. dieser Arbeit. Siehe Klein 1994, a.a.O., S. 77. Siehe hierzu: Elias 1969, a.a.O., hier S. 336–337. Vgl. Ausführungen zur Etablierung von Hofordnungen unter Henri III. im Kapitel I.1.2. dieser Arbeit.

220

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

die Diskurse der frühen Neuzeit selbst.1005 Gleichzeitig schwingt vielfach, so auch in den exemplarisch genannten Überlegungen, deutlich ein modernes Verständnis des Begriffes ‚Disziplin‛, im Sinne von primär (fremdbestimmtem) Zwang, mit, wenn es um Zugriffe auf frühneuzeitliche Kontexte geht. Nähert man sich diesem Begriff unter Berücksichtigung seines mittelalterlichen Gebrauches, ergibt sich m. E. hingegen eine erweiterte Lesart: Versteht man ‚Disziplin‛ wertfreier als „Begriff für eingeübte Regularien und Normen“1006 und „Disziplinierung“ als „erzwungene oder freiwillige Einübung der und Unterwerfung unter diese Disziplin“1007, dann kann dies durchaus im genuinen Interesse sich ausbildender Gemeinschaften verstanden werden. In diesem Sinne stellt der mittelalterliche Begriff disciplina die pädagogische Diktion heraus, wenn hierunter „die durch Erziehung erworbene notwendige Bildung und deren lebenspraktische Anwendung“1008 verstanden wurden. Auch das Bild des ‚guten Königs‛ offenbart Zuweisungen wie Ansprüche an diesen in Bezug auf Selbstdisziplin, Selbstbeherrschung, Sanftmut, Geduld und Enthaltsamkeit. Schlüsselbegriffe sind in diesem Zusammenhang Ordnung und Einigkeit, denn Ordnung galt es zu verteidigen, Einigkeit sollte Frieden garantieren.1009 Unbestritten ist hiermit auch die Kontrolle spontaner Affekte verbunden. Auch werden die strukturellen Aspekte, in denen ‚Disziplin‛ eine Rolle spielte, in diesem Konzept betont. Allerdings offenbart gerade auch der Blick auf den König in einem Netz von Zuschreibungen, dass es sich auch hier durchaus um ein wechselseitiges Verhältnis handelt und dass sich der Begriff der ‚Disziplin‛ einer ausschließlich negativen Konnotierung in frühneuzeitlichen Gesellschaften deutlich entzieht. Beinahe ebenso häufig findet sich die These, dass in Entsprechung der Forderung, die spontanen Regungen zu unterdrücken, die Bedeutung des Körpers immer mehr ins Abseits geraten sei. Jeder habe Abstand vom Gegenüber und zum eigenen Körper genommen.1010 Betrachtet man diesen Prozess von heute aus, wurde wohl tatsächlich ein Prozess in Gang gesetzt, der die taktile Wahrnehmung zurückdrängte und mit dem Primat des abstrakten Sehsinns alle sinnlichen Wahrnehmungen diesem unterordnete.1011

1005 1006

1007 1008 1009 1010 1011

Siehe hierzu die einleitenden Bemerkungen zur Funktion der Schäferidylle in den höfischen Arrangements in Kapitel I.1.3. dieser Arbeit. Siehe: Goetz, Hans-Werner: Selbstdisziplinierung als mittelalterliche Herrschertugend? In: Disziplinierung im Alltag des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationaler Kongress, Krems an der Donau, 8. bis 11. Oktober 1996. Hg. v. Gerhard Jaritz. Wien 1999, S. 27–56, hier S. 27. Goetz 1999, a.a.O., S. 27. Goetz 1999, a.a.O., S. 30. Siehe Goetz 1999, a.a.O., S. 30. Siehe Sorell 1985, a.a.O., S. 48–49. Siehe Klein 1994, a.a.O., S. 80.

4.3. Der goldene Mittelweg

221

Diese Entwicklung zeichnet sich auch in den Benimmbüchern, allen voran hier als Standardwerk der Cortegiano als eine Art früher Hofpsychologie, ab. Vor diesem Hintergrund ist es auch in somma il mondo del cortegiano1012, die den Hintergrund des Valois-Hofes und seiner Hofmänner und -frauen sowie die seiner Tänze bildet.1013 Als Libro del cortegiano von Baldesar Castiglione im Jahre 1528 verfasst, schwebt Castiglione das Bild des idealen Hofmannes vor, dessen Verhalten sich in Ordnungen und klare Regeln fassen lässt.1014 Der Cortegiano widmet sich im II. Buch neben dem Gespräch unter Ungleichen auch den Gesprächsformen unter Gleichgestellten:1015 „Der Hofmann ist im übrigen ein Mann des Wortes, der vorzugsweise durch und im Reden handelt ( und dessen Sprache entsprechend im Sinne der klassischen Rhetorik eine ‚Handlungsrede‛ist).“1016

Immer wieder auftauchende Kernbegriffe sind hierbei grazia (Anmut), misura (Ausgewogenheit), ingenio (Geist) und arte (Kunst). Wie bereits angedeutet, ist hierbei für den Erwerb der grazia für den Hofmann die sprezzatura und für die Hoffrau die esser virtuosa1017, die Tugendhaftigkeit, basierend auf einer der als Leitnorm geltenden mediocrità, eines Mittelmaßes im besten Sinn, zentral.1018 Hierbei erfährt das Moment der sprezzatura, verstanden als „eine gewisse Art von Lässigkeit [.], die die Kunst verbirgt und bezeigt, daß das, was man tut oder sagt, anscheinend mühelos und fast ohne Nachdenken zustande gekommen ist.“1019,

Mit Sprezzatura wurde also eine „mühelose Überlegenheit in allen Feldern“ oder eine „lässige Echtheit“1020 unter Vermeidung der „l’affettazione“1021, also der Künstelei, verstanden.1022 1012 1013 1014 1015 1016 1017 1018

1019 1020 1021

Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. VIII. Siehe hierzu auch Bie 1919, a.a.O.,. S. 98–99. Siehe Castiglione, a.a.O., S. 8, 15. Siehe Cortegiano 1992, a.a.O., S. 121f. (II,25). Revel, Jacques: Der Hof. In: Erinnerungsorte Frankreichs. Hg. v. Pierre Nora. Dt. Ausg. München 2005, S. 310–364, hier S. 343. Castiglione 1991, S. 214 (III,9) Vgl. hierzu die von Kirsten O. Frieling benannten zentralen „bürgerlichen Eigenschaften“ wie „Urteilskraft, Vernunft, Bildung, Selbständigkeit sowie schließlich Natürlichkeit und Mäßigung, wozu Besonnenheit, Beherrschung und Bedachtsamkeit gerechnet werden.“ Aus: Frieling, Kirsten O.: Ausdruck macht Eindruck. Bürgerliche Körperpraktiken in sozialer Kommunikation um 1800. Europäische Hochschulschriften. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Serie III. Bd. 970. Frankfurt /M. u.a. 2003, S. 35. Regula universalissima in Castiglione 1991, a.a.o., S. 30 (I,12). Baumgart 1986, a.a.O., S. 74. Ebda.

222

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

Deutlich wird, es geht um einen Balanceakt und goldenen Mittelweg im höfischen Parcour aller Beteiligten, auch des Königs.1023 So legt Jacques Revel dar: „Man hat gesagt, dass der Fürst im Buch vom Hofmann symbolisch abwesend sei. So definieren sich die Höflinge darin selbst. Das dabei gefundene System läuft zwischen ihm und ihnen auf eine Beziehung hinaus, die weniger von einseitiger Abhängigkeit als von Gegenseitigkeit geprägt ist. Zweifellos hängt die Existenz des Hofes von dem Vorhandensein einer Machtinstanz ab. Aber es ist der Hof, der die ‚Staatsgewalt‛ zivilisiert und der als Vermittler zwischen dem Herrschaftsprinzip und der Installierung von Formen gesellschaftlichen Lebens dient. Derjenige, der die politische Gewalt als Erbschaft erhalten hat, erkennt jene an, die die Gabe der Anmut und Grazie erhalten haben; beide Seiten erkennen sich also gegenseitig an und lassen sich auch von ihrer Außenwelt anerkennen.“1024

Das Festschreiben dieser Reglements scheint Castiglione umso dringlicher, als er in den Bereichen der Sprache, der Bauweise, der Kleidung und der allgemeinen Sitten Veränderungen erkennt.1025 Mit seinen Forderungen erreicht Castiglione nahezu alle europäischen Höfe und sein Hofmann wird zum angestrebten humanistischen Modell.1026 Noch allgemeiner als der Cortegiano fußt das Erziehungstraktat Galateo von Giovanni della Casa von 1558 in seinem rhetorischen Grundkonzept auf christlich-humanistischen Ideen.1027 Hierbei soll das eigenständige Streben nach Tugend durch den einzelnen Mann, denn nur auf diesen bezieht sich della Casa, zum Nutzen der „vita publica“ durch die Pflege der „mores“ unterstützt werden. Hierbei betont er in gleicher Weise die sprezzatura, die erst die wahre grazia ausmache, wie es für Castigliones Cortegiano deutlich wurde. Da sich der Galateo als Erziehungsbuch verstand, finden sich hierin auch konkrete Anweisungen zum Sprechverhalten, z. B. dazu, was und wie in guter Gesellschaft erzählt werden

1022

1023 1024 1025 1026

1027

Darüber hinaus werden in Castigliones Werk vom Hofmann gutes Urteilsvermögen, Humor und schlagfertige Konversationsfähigkeit, eine elegante und urbane Lebenshaltung, unbedingte Aufrichtigkeit in der Konversation mit dem Prinzen sowie Gewandtheit im Umgang mit Frauen und Bildung in den schönen Künsten erwartet. Siehe Bie 1919, a.a.O., S. 98. Revel 2005, a.a.O., S. 344. Siehe Castiglione, a.a.O., S. 7. Siehe hierzu ausführlich Burke, Peter: The fortunes of the courtier. Cambridge 1995. Dt. Übersetzung: Die Geschicke des Hofmann: zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten. Übersetzung aus dem Englischen v. Ebba D. Drolshagen. Berlin 1996. Die Schrift trägt den Titel: Trattato nel quale, sotto la persona d’un vecchio idiota ammaestrante un suo giovanetto, si ragiona de’ modi che si debbono o tenere o schifare nella comune conversazione, cognominato GALATEO, ovvero de’ costumi. Mailand 1558. Im Folgenden zitiere ich nach der deutschen Übersetzung: Rumpf, Michael (Hg.): Giovanni della Casa: Der Galateo. Traktat über die guten Sitten. Dt. Übersetzung der Ausgabe Mailand 1559. Heidelberg 1988.

4.3. Der goldene Mittelweg

223

solle.1028 So kann vor diesem Hintergrund nicht nur die bereits erwähnte Aussage Brantômes über Beaujoyeulx’ Erzählkunst in die Nähe des Galateo gerückt werden, sondern auch der Blick auf den idealen Hofmann im balet comique zeigt Facetten des breiten Diskurses um angemessenes Verhalten. In diesem Sinne kann das Erscheinen des namenlosen gentilhomme fvgitif1029, der die Circe-Handlung eröffnet, gelesen werden: Der einzige Mensch der Handlung kann vor diesem Hintergrund als Modell, als Typ des idealen Hofmanns gelesen werden. Der idealisierte, damit auch erhöhte und aufgewertete Hofmann erscheint mit großer Geste, aber angemessener mediocritá, wenn er öffentlich auftritt.1030 Das Bild des idealen Hofmanns, vom Äußeren über die Bewegung, wird bei Castiglione beschrieben. So habe das Aussehen des Mannes bei Hofe zu sein: „[…] non così molle e feminile come si sforzano d’aver molti, che non solamente si crespano i capegli e spelano le ciglia, ma si strisciano con tutti que’modi che si faccian le più lascive e disoneste femine del mondo.“1031

Die Gewandtheit des Hofmannes solle sportliche Aktivitäten wie Waffenhandhabung, Ringkampf, Jagd, Schwimmen, Springen, Laufen, Steine werfen, Ballspiel und Voltigieren ausmachen und im Bereich der Unterhaltung habe er so zu lachen, scherzen, spotten und tanzen, dass er sich stets als geistreich und zurückhaltend erweise und in allem, was er tue oder sage, anmutig erscheine: „[...] ma rida, scherzi, motteggi, balli e danzi nientedimeno con tal maniera che sempre mostri esser ingenioso e discreto ed in ogni cosa che faccia o dica sia aggraziato.“1032 Mit anderen Worten, die Gabe des Maßes soll in allen Haltungen über1028 1029 1030 1031

1032

Hier nach: Rumpf 1988, a.a.O., bes. Kap. XXI, S. 70–73. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 8. Vgl. hierzu die Figure de la Salle in Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 4. Castiglione 1960, a.a.O., S. 40: „[…] nicht so weich und weibisch, wie viele es zu haben sich bemühen, die sich nicht nur die Haare kräuseln und die Augenbrauen auszupfen, sondern sich dazu mit allen jenen Mittelchen anstreichen, die sonst nur die unzüchtigsten und unanständigsten Frauen der Welt gebrauchen.“ Übers. hier zit. nach Baumgart: 1986, a.a.O., S. 44; vgl. des Weiteren hierzu Castiglione, a.a.O., S. 70–71, hier in der Übersetzung von Baumgart 1986, a.a.O., S. 74f. einige der zahlreichen Aussagen zum Aussehen der Frauen bei Hofe, denen z. B. das Schminken nicht angeraten wird, da „Frauen, die sich schminken, Aufwand (machen), den man bemerkt,“ und dies als eine Art „Maske, die nur im Dunkeln hält“ zugunsten einer „lässigen Echtheit“ abzulehnen sei. Ferner wird darauf hingewiesen, dass bei Frauen schöne Zähne sehr gefallen, die, obwohl sie „die meiste Zeit verborgen sind“, dennoch viel Beachtung finden. Ferner solle ein Augenmerk auf die Hände gelegt werden, da diese, vor allem, wenn sie von Handschuhen verdeckt seien, „ein besonders heftiges Verlangen nach sich“ hinterlassen. Und auch für die Bewegungen, bei denen zufällig „Bein“, zu sehen ist, wird betont, „daß der Putz an so verborgener und selten gesehener Stelle [...] weit eher natürlich [.] als von ihr erzwungen ist, [...],“, so dass man sie dann „mit einer gewissen weiblichen Veranlagung, artig und geputzt sieht“,, um so vor allem die „l’affettazione“, die Künstelei, zu vermeiden. Castiglione 1960, a.a.O., S. 44.

224

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

wiegen: „che ‛l Cortegiano ha da compagnar l’operazion sue,[...] in somma ogni suo movimento con la grazia.“1033 Dieser Begriff des ‚Maßes‛ wird es sein, der auch innerhalb der Musik und der Choreographien zur besonderen Bedeutung gelangt. So erheitert das Verhalten des Messers Pierpaolo beim Tanzen: „Qual di voi è non rida, quando il nostro messer Pierpaulo (Page am Hof von Urbino, nicht näher zu identifizieren. Anm. d. Übers. Baumgart) danza alla foggia sua, con que’ saltetti e gambe stirate in punta di piede, senza mover la testa come se tutto fosse un legno, con tanta attenzione che di certo pare che vada numerando i passi? Qual occhio è così cieco che non vegga in questo la disgrazia della affettazione?E la grazia, in molti omini e donne che sono qui presenti, di quella sprezzata desinvoltura (ché nei movimenti del corpo molti così la chiamano) con un parlar o ridere o adattarsi mostrando non estimar (non curare quello. Anm. d. Übers. Baumgart) e pensar più ad ogni altra cosa che a quello, per far credere a chi vede quasi di non saper né poter errare?“1034

Messer Bibbiena erwähnt daraufhin, dass die Vortrefflichkeit dieser Lässigkeit darin bestehe, dass man rechtzeitig den Mantel von den Schultern und die Schuhe von den Füßen gleiten lasse: „Ché, se questa eccellenzia consiste nella sprezzatura e mostrar di non estimare e pensar più ad ogni altra cosa che a quello che si fa; messer Roberto nel danzare non ha pari al mondo; ché per mostrar ben di non pensarvi si lascia cader la roba spesso dalle spalle e le pantoffele (Schuhe, die auch zum Tanzen benutzt wurden. A. W.) de’piedi, [...].“1035

Der Hofmann hält dem entgegen, dass die betonte sprezzatura mit Anmut nichts gemein habe und nur als Künstelei bezeichnet werden könne:

1033 1034

1035

Ebda., S. 45. Castiglione 1960, a.a.O., S. 48: „Wer von Euch lacht nicht, wenn unser Messer Pierpaolo auf seine Weise tanzt, mit jenen Hüpfern und mit auf den Fußspitzen gestreckten Beinen, ohne den Kopf zu bewegen, als ob er ganz und gar aus Holz wäre, und mit soviel Aufmerksamkeit, daß er wahrhaft die Schritte zu zählen scheint? Welches Auge ist so blind, darin nicht die Ungeschicklichkeit der Künstelei zu sehen? Und dagegen bei vielen der hier anwesenden Herren und Damen die Anmut jener nachlässigen Ungezwungenheit zu erkennen (denn hinsichtlich der körperlichen Bewegungen benennen viele sie auf diese Weise), die beim Sprechen oder Lachen oder Sichanpassen (im Sinne von assecondando. Anm. d.Übers. Baumgart) so tut, als ob man auf nichts achte und an alles andere eher als an dieses denke, um den Zuschauer (der sieht) glauben zu machen, man wisse fast nichts davon und könne gar nicht irren? “, Übers. hier zit. nach: Baumgart 1986, a.a.O., S. 54. Castiglione 1960, a.a.O., S. 48: „Denn wenn die Vortrefflichkeit in Lässigkeit besteht und im so tun, als ob man auf nichts achte, dann hat Messer Roberto beim Tanzen nicht seinesgleichen in der Welt, da er oft den Mantel von den Schultern und die Schuhe von den Füßen gleiten läßt, [...].“ Übers. hier zit. nach: Baumgart 1986, a.a.O., S. 55.

4.3. Der goldene Mittelweg

225

„Non v’accorgete che questo, che voi [...] chiamate sprezzatura, è vera affettazione? [...] e, perché passa certi termini di mediocrità, quella sprezzatura è affettata e sta male; [...].“1036

Kurz gesagt: „e niente altro è questo che affettazione di voler parer gagliardo. Il medesimo accade in ogni esercizio, ainzi in ogni cosa che al mondo fare o dir si possa.“1037 Und ebenso offenbart „beim Tanzen ein einziger Schritt, eine einzige anmutige und nicht gezwungene Bewegung der Gestalt sofort das Können des Tänzers“1038, denn „auf diese Weise wird er aus den genannten Gründen die Künstelei vermeiden und alles Mittelmäßige, was er tut, wird als recht bedeutend erscheinen.“1039 Die Ausprägung der mediocrità und sprezzatura beim Tanzen wird im Cortegiano zudem in Bezug auf öffentliche Funktionen und private Neigungen unterschieden: „Es gibt noch andere Übungen, die man öffentlich und privat ausführen kann, wie etwa das Tanzen. Auch darauf muß der Hofmann nach meiner Meinung achtgeben. Wenn er in Gegenwart vieler an einem volkreichen Orte tanzt, scheint es mir schicklich für ihn zu sein, eine gewisse Würde zu bewahren, die jedoch durch eine zarte und feine Anmut gemäßigt wird, und obgleich er sich äußerst beweglich fühlt und genügend Empfinden für Rhythmus und Takt besitzt, lasse er sich doch nicht auf jene Fußkunststücke und doppelten Aufschläge ein, die wir unserem Barletta ausgezeichnet anstehen sehen, die einem Edelmann indessen wenig angemessen sein würden, obwohl ihm privat in einem Gemach, wie wir uns jetzt befinden, nach meiner Meinung sowohl dieses als auch der Tanz von Moresken und Brandi (eine Art Branle, ein lebhafter Tanz. A.W.) gestattet ist. Für die Öffentlichkeit aber gilt dies nicht, außer in Verkleidung, wobei es keinen Verdruß verursacht, auch wenn jeder ihn erkennt. Es gibt im Gegenteil keinen besseren Weg als diesen, um sich in derartigen Dingen mit oder ohne Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen zu zeigen. Denn das Verkleidetsein bringt eine gewisse Freiheit und Ausgelassenheit mit sich, die unter anderem bewirken, daß man die Gestalt, zu der man sich besonders passend fühlt, annehmen und Fleiß und Sorgfalt auf die vorherrschende Absicht verwenden kann, mit der man sich zeigen will, und es gestattet eine gewisse Vernachlässigung dessen, worauf es weniger ankommt, was die Anmut sehr steigert. [...] Denn der Sinn der Anwesenden

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1038 1039

Castiglione 1960, a.a.O., S. 48: „Merkt Ihr nicht, daß das, was Ihr [...] Lässigkeit nennt, wahre Künstelei ist?[...] Und weil er gewisse Grenzen eines mittleren Maßes überschreitet, ist diese Lässigkeit gekünstelt und steht schlecht an; [...].“ Übers. hier zit. nach Baumgart 1986, a.a.O., S. 55. Castiglione 1960, a.a.O., S. 50: „Das ist nichts anderes als Künstelei, um verwegen erscheinen zu wollen. Das gleiche gilt für jede Übung, vielmehr für jede Sache, die man in der Welt tun oder sagen kann.“ Übers. hier zit. nach Baumgart 1986, a.a.O., S. 56. „Medesimamente, nel danzare, un passo solo, un sol movimento della persona grazioso e non sforzato subito manifesta il saper di chi danza“. Aus: Castiglione 1960, a.a.O., S. 50. Baumgart 1986, a.a.O., S. 82; Castiglione 1960, a.a.O., S. 76: „in questo modo, per le ragioni che avemo dette, fuggirà l’affettazione e le cose mediocri che farà parranno grandissime.“

226

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

drängt sofort darauf, sich den Betreffenden so vorzustellen, wie er sich den Augen beim ersten Anblick darbietet;[...].“1040

Die Auflistung von Textstellen über den Disput der sprezzatura, in denen die mediocrità zur näheren Bestimmung idealen Verhaltens beschrieben wird, ließe sich im Cortegiano noch fortsetzten.1041 Doch bereits diese kurzen Passagen können verdeutlichen, dass zwischen einer an sich löblichen Lässigkeit, also „nella sprezzatura, la quale in sé è laudevole“1042, und einer Lässigkeit, welche zu verachten sei, weil sie „affettata e sta male“1043 ist, deutlich unterschieden wird. Zum einen kann festgehalten werden, dass, wie bereits für die musique mesurée des sog. ballets de cour gezeigt wurde, der Begriff des ‚Maßes‛ einen zentralen Stellenwert einnimmt. Transformiert man diesen Begriff auf die Bewegungsqualität der Tanzenden, ist es von der Angemessenheit zur ‚Gemessenheit‛ ein kleiner Schritt. Diese ‚Gemessenheit‛ fand bereits im basse danse1044 seinen konkreten Sinn: 1040

1041 1042 1043 1044

Baumgart 1986, a.a.O., S. 119–120; bei Castiglione 1960, a.a.O., S. 105–106: „Sono alcun altri esercizii, che far si possono nel pubblico e nel privato, come è il danzare; ed a questo estimo io che debba aver rispetto il cortegiano; perché danzando on presenzia di molti ed in loco pieno di populo parmi che si gli convenga servare una certa dignità. Temperata (però con leggiadra ed aerosa dolcezza di movimenti; e, benché si senta leggerissimo e che abbia tempo e misura assai, non entri in quelle prestezze de’piedi e duplicati rebattimenti, i quali veggiamo che nel nostro Barletta stanno benissimo, e forse in un gentilom sariano poco convenienti: benché in camera privatamente, come or noi ci troviamo, penso che licito gli sia e questo, e ballar moresche e brandi (eine Art Branle, lebhafter Tanz. Anm. d. Übers. Baumgart); ma in publico non così, fuorché travestito, e, benché fosse di modo che ciascun lo conoscesse, non dà noia; anzi per mostrarsi in tai cose nei spettaculi publici, con arme e senza arme, non è miglior via di quella, perché lo esser travestito porta seco una certa libertà e licenzia, la quale fra l’altre cose fa che l’omo po pigliare forma di quello in che si sente valere, ed usar diligenzia ed attillatura circa la principal intenzione della cosa in che mostrar si vole, ed una certa sprezzatura circa quello che non importa, il che accresce molto la grazia [...] perché subito l’animo de’circonstanti corre ad imaginar quello che agli occhi al primo aspetto s’appresenta; [...].“ Siehe z. B. zur besonderen Betonung der „gesetzten Würde“ in der Bewegung von Frauen Castiglione 1960, a.a.O., S. 19. Castiglione 1960, a.a.O., S. 48. Ebda. Der Begriff des basse danse bezeichnet eine Gruppe von Hoftänzen, welche Mitte des 16. Jahrhunderts jedoch aus der Mode kamen. Der basse danse gliederte sich in Basse, Retour und Tourdion, wobei Basse und Retour geradtaktik waren, während der Tourdion ein improvisierter, gesprungener Teil im 3er Takt war. Bei der Basse handelt es sich um einen namentlich niedrigen Tanz ohne Sprünge und ohne lebhafte Bewegungen. Bei diesen langsamen Bewegungen lösten sich die Füße fast nie vom Boden. Hieraus gingen die Pavane und die Gaillarde als für die am Hof getanzten Formen als die zwei wichtigsten hervor. Zuweilen werden sie auch Terre à terre-Tänze genannt. Siehe hierzu Petermann, Kurt: Basse Danse. In: Gurst 1989, a.a.O., S. 72 und Sorell 1985, a.a.O., S. 58. Vgl. jedoch auch Taubert, Karl Heinz: Das Zeitmaß bei der musikalischen Interpretation alter Tanzformen. In: Das Tanz-

4.3. Der goldene Mittelweg

227

„[...] nachdem sie (die Mitglieder des Hofes. A.W.) einander an die Hand genommen und zuerst eine Bassa getanzt hatten, tanzten (jene) mit größter Anmut und zum besonderen Vergnügen der Zuschauer eine Roegarza (urspr. franz. Tanz, eher selten erwähnt. A.W.).“1045

Andererseits fällt auf, dass trotz detaillierter Beschreibung der sprezzatura diese in detaillierten Bewegungsbeschreibungen textlich nicht fassbar ist.1046 Wie ließen sich diese „zwei Arten von Lässigkeit“ in konkreten Bewegungsbeschreibungen, für Männer und Frauen, unterscheiden und entschlüsseln? Nur mit Hilfe der Kenntnis des jeweiligen gesellschaftlichen ‚Codes‛, gerade auch in Bezug auf das gesellschaftliche Miteinander der Geschlechter, waren diese Verhaltensanweisungen umzusetzen. Castiglione betont hierbei die Komplementarität der Geschlechter, indem er der Frau die Rolle der ‚guten Zuhörerin‛ bei männlicher conversatione zuschreibt.1047 „Die Gleichberechtigung der Geschlechter als anzustrebendes Ideal gesellschaftlichen Miteinanders ist in der Konversationsordnung zwar präfiguriert, im konkreten Dialog jedoch außer Kraft gesetzt. Castiglione trägt mit der Aufnahme der Hofdamen in den Kreis der Redner der zunehmenden Präsenz der Frau im kulturellen Leben Rechnung, versucht aber gleichzeitig, das hierarchische Gefüge zwischen Mann und Frau zu restabilisieren, indem er das weibliche Geschlecht vom ‚wahren‛ Gespräch ausschließt.“1048

Die donna di palazzo darf dabei, ebenso wenig wie der Hofmann, es vernachlässigen, Wissen in den Bereichen Kunst, Musik und Literatur – der Tanz wird nicht explizit erwähnt – zu erwerben. Das so erworbene Wissen dient, allerdings hier wie dort, nicht der individuellen Entfaltung, sondern der Schulung gesellschaftlicher Funktionen.1049 Frauen übernehmen hiernach einige organisierende und koordinierende Praktiken, die die Realisierung des Spiels ermöglichen.1050 Es steht zu vermuten, dass analog zur duchessa als Schutzherrin des höfischen Spiels

1045

1046

1047 1048 1049 1050

archiv. 20. Jg., Heft 6 (Nov. 1972), S. 164–168, hier S. 167.Taubert weist darauf hin, dass die Bezeichnung als ‚tiefer Tanz‛ nicht eindeutig geklärt ist, da unter diesem Namen sogar eine Reihung von Sprungschritten Mitte des 15. Jahrhunderts notiert worden sei. Baumgart 1986, a.a.O., S. 99. Bei Castiglione 1960, a.a.O., S. 91: „Onde subito Barletta, musico piacevolissimo e danzator eccellente [...], ed esse, presesi per mano ed avendo prima danzato una bassa, ballarono una roegarze con estrema grazia e singular piacere di chi le vide.“ Siehe hierzu auch Ingrid Brainard, die von der Existenz von „Blicken, Mienen und Gesten“ spricht, ohne diese näher bestimmen zu können: Brainard, Ingrid: Die Choreographie der Hoftänze in Burgund, Frankreich und Italien im 15. Jahrhundert. Diss. Göttingen 1956, hier S. 187. Castiglione 1960, a.a.O., S. 210 (III,5). Segler-Meßner 2002, a.a.O., S. 52. Siehe Segler-Meßner 2002, a.a.O., S. 54 Siehe ebda., S. 53.

228

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

im Cortegiano, Königin Louise als Auftraggeberin des balets comique und die Königinmutter Caterina in ihrer Rolle als Garantin der Förderung der Künste hier ebenso ihren Platz finden. Auch die Anleitung/ Sich bey grosen HERRN Höfen und andern beliebt zu machen1051 des sächsischen Hofmeister Johann Georg Pasch (oder: Pascha) (1528–1678) aus dem Jahr 1659 soll, so der Autor in seinem Vorwort, den Leser befähigen einen „vollkommenen HofMann“1052 abgeben zu können: „Wann nun einer mit vorhergehenden Adelichen Tugenden außgezieret / muß er […] sie ohne eintzige bemühung verrichte: dann weil ein jeder Verständiger weiß / wie schwär es sey vortreffliche dinge recht zu verrichten / so verwundert man sich destomehr über diejenigen dem alles so leichte abgehet: wie hingegen die herzlichsten Thaten / dabey eintziger Zwang verspüret wird / ihren Preiß verlieren. Dieses nun alles recht zuerlernen und zubeobachten / wird ein groser fleiß erfordert / aber die begierde Ehr zuerlangen / muß alle Mühe versüssen.“1053

Ausrichtung und auch das Motiv der Ehre und des Ruhms für das eigene veränderte Verhalten scheinen sich hiernach nicht gravierend seit dem 16. Jahrhundert verändert zu haben. So wird auch bei Pasch davon gesprochen, dass der Hofmann „mit Ruhm und besondern wolgefallen der Anschauer werde b[e]obachtet und betrachtet werden. Wiewol es nun n[ic]ht ohne ist / dass fast eine unendliche Zahl ursachen sind / welche einen jeden / deme die dabey sich ereignete unglücke bekand seind / vom HofLeben abwendig machen könten / als ein solches zwar herrliches doch ungestümmes und sehr gefährliches Leben zuerwehlen […].“1054

Neben der Ambivalenz höfischen Lebens tritt hier deutlich hervor: Auch der Hofmann des 17. Jahrhunderts braucht die „Anschauer“ – sie sind Indikator seines Ruhms.1055 Pasch empfiehlt seinem Leser, ganz im Sinne enkomiastischer Gedichte wie sie auch als Widmungsvorreden im balet comique zu finden sind, sich nicht selbst zu rühmen, sondern sich rühmen zu lassen:

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Pasch, Johann Georg: Anleitung sich bei grossen Herren Höfen und andern beliebt zu machen. Hg. v. Uwe Schlottermüller. Freiburg 2000 (ND der Ausgabe 1659). Ebda., S. 21. Ebda., S. 35. Pasch 2000, a.a.O., S. 37. So ist wohl zu verstehen, warum auch Beaujoyeulx die unrealistische Größe von „neuf à dix mille spectateurs“ anlässlich der Präsentation des balet comique nennt. Hier zit. nach Lacroix 1968, a.a.O., S. 28. Und ein späterer Autor wie Beauchamp geht, die Analogie von Fama und Größenordnung wird offenbar, sogar von einer Zuschauergröße von 50 000 aus! Siehe Beauchamp Bd.3, 1735, a.a.O., S. 29.

4.3. Der goldene Mittelweg

229

„Sodann must du dich der bescheidenheit in allen deinen sachen zugebrauchen wissen / daß du von deinen Thaten und Tugenden nicht selbsten rühmest / aber wol andere / so sich wol halten / hoch herauß streichest / dann das ist ein mit[t]el dadurch man die Mißgunst derjenigen / so sich wieder unseren Ruhm aufflegen wollen / töden oder außtilgen kann.“1056

Allerdings gilt es Pasch, bei all dem sehr umsichtig zu sein, ist doch der Ruhm von epherem Wesen: „Deine Wort und handlung must du allezeit auf die GoltWage legen / keinen dadurch beleidigen / sondern vielmehr jedermann schmeicheln / liebkosen / loben und rühmen / damit du wiederumb gelobet werdest. […] Der Hofwind will darum wol in acht genommen seyn / weil er sehr veränderlich und wanckelhafft zu sein pflegt: dann bald hastu Gunst und bald Ungunst / bald wärme bald kälte / bald Freunde bald Feinde / und heiset recht: Nobiles mobiles.“1057

Gegen Ende seiner Ausführungen kommt der Verfasser auf die Aufforderung zum Tanz, wenn man „eine Jungfrau zum Tantze auffordern will“1058 zu sprechen: „Die vorhergehende Höflichkeiten bey anfange deß Tantzes werden nach gelegenheit der Landesarten beobachtet / etliche Küssen ihnen mit einen tiefen Reverentz die Hände / andere nicht / hie ist aber wol zumercken / daß man bey rumführung ihnen die Hände nicht zufäste zwischen seine einzwinge / den Hut auf dem Kopff behalte / oder ihr immer den Rücken zukehre / welches nimmer geschehen soll / sondern ihr jederzeit mit seinem Gesichte halb / bißweilen gantz / sonderlich in herumtrehen / entgegen kommen […]. Nach dem gehaltenen Tantze bedancket man sich / und entschuldigt seine wenige Geschickligkeit und Unhöfligkeit […].“1059

Exemplarisch zeigt sich an dieser bisher wenig beachteten Quelle, wie die das Konzept des Cortegiano deutlich bis ins 17. Jahrhundert die Welt der Hofmänner und -frauen mitprägte. Im Unterschied zum späten 16. Jahrhundert entstand Paschs Benimmbuch jedoch zu einer Zeit, die bereits an Anstandsliteratur „gantze Lastwagen voll Bücher“1060 produzierte.

1056 1057 1058 1059 1060

Pasch 2000, a.a.O., S. 39. Ebda., S. 48. Ebda., S. 51. Ebda., S. 51. Hier nach: Beetz 1990, a.a.O., S. 1.

230

I.4.4.

I.4. Transformationsprozesse: Implikationen des balets comique

Zusammenfassung

Die höfischen Feste der Valois wollten Erzählungen vom friedlichen Miteinander wie von ‚guter Herrschaft‛ sein. Der Tanz als bestimmende Kunstform im ballet de cour fungierte hier einerseits als Medium der Vermittlung mythischer Versatzstücke, wobei das balet comique hier auf seine Vorläufer verwies. Andererseits stellte der Tanz das Bindemittel sowohl im dramatisch kohärenten Gefüge, besonders an der Schnittstelle von Spiel und höfischer Wirklichkeit, als auch im sozialen Gefüge des Hofes dar. Hiermit wurde er Medium der Transformation innerhöfischer Wirkungsabsichten, sowie die performative Ordnung wesentlich für die ästhetische und soziale Praxis wurde. Es findet sich, wie bereits in anderen Untersuchungen zuvor auch, bestätigt, dass die im Tanzspiel zur Anschauung gebrachte Erzählung der Circe moralischer Appell sein wollte, der sowohl auf neoplatonischen Implikationen und Harmoniekonzepten als auch auf zeitgenössischen Tugenddiskursen beruhte. Der Tanz als Schautanz der Circe-Allegorie wie im Gesellschaftstanz des grand bal wollte in diesem Sinne die himmlische Harmonie abbilden und in geometrische Figuren gefasst strukturell zur Anschauung bringen. Allerdings sollte in Konsequenz der Detailergebnisse im Unterschied zur bisherigen Forschung der grand bal nicht mehr als einseitig veranlasste ‚Gesamtdisziplinierung‛ des Hofes durch den König gelesen werden. Der Anspruch, der Tanz solle Ordnung in das irdische Gefüge bringen und der geometrische Tanz in diesem Sinne die Verkörperung der himmlischen Harmonie sein, – im Traktat durch den besonderen Gebrauch der Ziffern 3 und 4 nach pytagoräischer Zahlenkonzeption als Chriffren ‚guter Herrschaft‛ zu verstehen – erweist sich als ein wechselseitiger Anspruch. Wenn in diesem Kapitel nach den Transformationsprozessen und Implikationen des balet comique gefragt wurde, stößt man darüber hinaus in der Ergründung von Zahlengeheimnissen und den Regelsystemen eines ausgefeilten Rituals, des „stilisierten Kniefalls“, sowie in den diversen Sprechweisen des Traktats auch hier immer wieder auf die Idealfigur des gentilhomme und das Konzept des Cortegiano.

231

II.

Das Traktat des balets comique als Medium der Narration und Transformation

II.1. Rahmenbedingungen: Schrift als Leitmedium im 16. Jahrhundert Mit dem gedruckten Wort wurde dem jeweiligen Ereignis zeitlich gesehen, ein Denkmal von Dauer gesetzt. In räumlicher Hinsicht wurde es, über die Augenzeugenschaft hinaus, universeller zugänglich bei gleichzeitiger Demonstration der Exklusivität der Partizipation am Ereignis selbst.1061 Unter den höfischen Druckmedien nehmen die Festbeschreibungen den größten Raum ein. Diese werden seit einigen Jahren immer häufiger zum Gegenstand von Forschungen.1062 Als Medium eines politischen wie ästhetischen Diskurses fanden ‚Festbücher‛ – so in etwa die deutschsprachige Entsprechung des von Helen Watanabe-O’Kelly in die Diskussion um diese Quellengattung eingebrachten Terminus – im gesamten europäischen Kulturraum Verbreitung. Helen Watanabe-O’Kelly setzt die von ihr als festival book bezeichnete Textgattung, die sie nach vier Typen unterscheidet, ungefähr mit dem Jahr 1520 an, bis zum 18. Jahrhundert reichend.1063

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1062

1063

Stähler, Axel: „Perpetuall Monuments“. Die Repräsentation von Architektur in der italienischen Festdokumentation (ca. 1515–1640) und der englischen court masque (1604–1640). Diss. Bonn. Studien zur englischen Literatur. Hg. v. Dieter Mehl. Bd. 12. Münster 2000, S. 11. Zur Gattungsfrage und Funktionsbeschreibung für den deutschen Raum siehe: Rahn, Thomas: Festbeschreibung. Funktion und Topik einer Textsorte am Beispiel der Beschreibung höfischer Hochzeiten (1568–1794). Reihe Frühe Neuzeit. Bd. 8. Tübingen 2006, hier S. 1f. Dieser auch mit dem Hinweis, dass allerdings die „Hoffestforschung [.] die Festbeschreibung in der Regel nur inhaltlich aus(wertet). Die Analyse des Quellentypus unter Gattungsgesichtspunkten steckt noch in den Anfängen […].“ Aus: ebda. Siehe Watanabe-O’Kelly, Helen: Festival books in Europe from Renaissance to Rococo. In: Seventeenth Century, Vol. 3, Nr. 2 (1988), S. 181–201, hier S. 183f. und S. 191 sowie dies. 2004, a.a.O., S. 6–15. Der zunächst stilistisch wenig anspruchsvolle und nicht illustrierte Text in volkssprachlicher Prosa, meist eng und im Oktav- oder Quartformat gedruckt und in Papier gebunden, stellt den weitaus häufigsten Typus (factual account) dar. Ebenfalls häufig findet sich der illustrated factual account, mal mit sehr wenigen Illustrationen (zwei bis drei) und der oft in Deutschland verwendeten Form mit zahlreichen Illustrationen. Daneben existieren noch der Pritschenmeister, eine nahezu nur in Deutschland gebräuchliche Form des mit Lokalkolorit in Versen gefassten Berichtes sowie die Form des rein fiktiven Festberichtes, des „unhistorical account, „[…] which […] give the texts of what the characters actually spoke or sang and their fictional names, […] but provide little or no descripton of what they did and do tell us who played what part.“ Aus: WatanabeO’Kelly 1988, a.a.O., S. 191.

232

II.1. Rahmenbedingungen: Schrift als Leitmedium im 16. Jahrhundert

Das Traktat des balets comique wäre hiernach wohl dem Typus des illustrated factual account mit eher wenigen Illustrationen zuzuordnen. Allerdings dringt man mit dieser, sich an Textsignalen orientierenden Textbeschreibung und Kategorisierung noch nicht zum wesentlichen Merkmal ihrer Konstruiertheit, die WatanabeO’Kelly sehr wohl konstatiert1064, vor. Dies gilt m.E. besonders für die im Deutschen häufig verwendeten Begriffe Festbericht oder Festdokumentation.1065 Gabriele Brandstetter wies darauf hin, dass „wenn wir Festbeschreibungen als instruktive Form, aus der uns Verstehen entgegentritt, werten, [.] wir die Einsicht in die Fragmentarität und Konstruiertheit solcher Berichte (vernachlässigen). Das beschriebene Fest entfaltet sich erst als Text und im Text.1066

Um diese Realisierung „als Text und im Text“ soll es im Folgenden gehen wie um die Erscheinung des Textes als Text, d.h. seine materiellen und bibliografischen Besonderheiten. Dabei ist es gerade für die vorliegende Arbeit maßgeblich, den Blick auf die medialen Verbreitungs- und Speicherungsmöglichkeiten dieses Mediums zu richten. Zum einen ist es hierbei wesentlich, dass das Buch Speicher sprachlicher und bildlicher Zeichenkomplexe ist. Darüber hinaus spielt eine zentrale Rolle, dass der materielle Trägerstoff, in Abwesenheit des Autors, den jeweils aktualisierten Nutzungsakt mitbestimmt und steuert: „Der Text verdinglicht sich im Buch. Das Buch als Artefakt ist also definiert durch das Material des Buchkörpers sowie der aufgebrachten Zeichen (Farbe), die Art und Weise des technischen Speicher- bzw. Vervielfältigungsvorgangs (Schreiben oder Drucken) sowie die Semantik und Syntax von Skriptographie und Typographie. […] Während der Autor in der Buchkommunikation abwesend ist, vollzieht sich die Aneignung durch den Adressaten in enger Beziehung zum medialen Träger.“1067

Was wird im Druckwerk des balets comique gespeichert, was festgehalten oder erst qua Schriftlichkeit konstruiert? Inwiefern ist es die Kulturfertigkeit des Mediums, welches Innovation ausmacht? Wie transformiert das Buch die Bedeutung des Geschriebenen oder bildlich Dargestellten und wie steuert dies die Rezeption? „Die Entwicklung der [.] Schrift kann als erste Medienrevolution angesehen werden, von der Kulturstufe der Oralität zur Literalität, und letztere erst als skriptographische, dann als typographische Etappe. [.] Denn erst das typographische Reproduktionsverfahren schöpfte 1064 1065 1066

1067

Watanabe-O’Kelly 2004, a.a.O., S. 9. Zur Abgrenzung von diesen Termini und der vorliegenden Verwendung des Begriffes ‚Traktat‛ siehe die Ausführungen in de Einleitung dieser Abeit. Brandstetter, Gabriele: Bild-Sprung. TanzTheaterBewegung im Wechsel der Medien. Berlin 2005; außerdem den knappen Artikel dies.: graph- den Körper schreiben. In: Ballett international. Tanz aktuell, Nr. 3 (1999), S. 28–30. Rautenberg, Ursula, Wetzel, Dirk: Buch. Tübingen 2001, S. 6.

II.1. Rahmenbedingungen: Schrift als Leitmedium im 16. Jahrhundert

233

die Leistung der Schrift voll aus und ließ sie gegenüber der fortbestehenden Mündlichkeit nun weit überlegen erscheinen. Die druckgestützte Schriftlichkeit wurde nun zum Leitmedium der Gesamtkultur […].“1068,

so Johannes Burkhardt in seiner 2002 erschienenen Überblicksarbeit, die das ‚Medienereignis‛ Reformation in den Mittelpunkt stellt.1069 Im Übergang von der hypoliteralen zur literalen Gesellschaft kommt den technisch-kulturellen Voraussetzungen eine zentrale Stellung zu, durch welche wiederum Einsichten in zeitgenössische Sinnbildungsprozesse ermöglicht werden sollen. Die von Johannes Burkhardt u. a. fokussierten mediengeschichtlichen Umwälzungen hatten weitreichende Folgen, da „die auf das neue und schnell perfektionierte Druckmedium gestützte zunehmende Verschriftlichung der Welt [...] alle anderen Akzente“ mitbestimmte.1070 Der Autor folgert für die Erfindung des Drucks mit seinen technischen und kulturgeschichtlichen Voraussetzungen und Folgen, dass der „innovatorische Impuls der Zeit“ nicht „in ihren Inhalten, sondern in den Druckmedien und der Kulturfertigkeit, mit der sie hier erstmals zum Einsatz kommen“ bestanden habe.1071 Ob der Stellenwert dieser technischen Innovationen gegenüber den inhaltichen Neuerungen derart abgegrenzt werden sollte, ist fraglich.1072 Tatsächlich aber rückte ein mediales Gegebensein von Wirklichkeit als eine Ebene in den Vordergrund, mit welcher inhaltliche Transformationsprozesse eng verknüpft waren.1073

1068 1069

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Burkhardt, Johannes: Das Reformationsjahrhundert. Deutsche Geschichte zwischen Medienrevolution und Institutionenbildung 1517–1617. Stuttgart 2002, hier S. 19. In seiner Arbeit kommt es Burkhardt vor allem auf eine Neuperspektivierung der Reformationsepoche im Lichte ihrer Verbreitungs-, Speicherungs- und Kommunikationsmöglichkeiten an: Burkhardt 2002, a.a.O. Grundlegend zum Thema: Michael Gieseckes systemtheoretisch konzipierter Überblick über den Beginn des Buchdrucks in: Giesecke, Michael: Der Buchdruck in der Frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Frankfurt/M. 1991 sowie Werner Faulstichs Überblicksdarstellung über die Mediengeschichte des 15. bis 17. Jahrhunderts: Faulstich, Werner: Medien zwischen Herrschaft und Revolte. Die Medienkultur der Frühen Neuzeit (1400–1700). Göttingen 1998 sowie Elisabeth L. Eisensteins Studie zur ‚Druckerpresse‛ und ihre Wirkungen auf die Wissensgesellschaft des 15. und 16. Jahrhunderts: Eisenstein, Elisabeth L.: Die Druckerpresse. Kulturrevolution im frühen modernen Europa. New York 1997, was eine gekürzte Neuauflage des 1979 erschienen Werkes The Printing Press as an Agent of Change darstellt. Burkhardt 2002, a.a.O., S. 14. Ebda., S. 15. Zur Entwicklung des Buches in der Frühen Neuzeit siehe auch Rautenberg 2001, a.a.O., S. 54. Auf die aktuelle medienwissenschaftliche Diskussion über die wirklichkeitskonstitutive Rolle der Medien soll vorliegend nicht detaillierter eingegangen werden. Siehe hierzu aber auch den Beitrag „Wirklichkeit“ von Hans-Jürgen Goertz in: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe. Hg. v. Stefan Jordan. Stuttgart 2002, S. 328–330.

234

II.2. Inhaltliche und formale Rahmenbedingungen

II.2. Inhaltliche und formale Rahmenbedingungen der Drucklegung: Das Traktat des balets comique von 1582 Von den zahlreichen Veranstaltungen anlässlich der Hochzeit des Duc de Joyeuse, deren Abfolge und Programm, wie bereits ausgeführt, durch zwei Manuskripte bezeugt sind, wurde nur das balet comique im darauffolgenden Jahr von Adrian Le Roy1074 und dessen Cousin Robert Ballard sowie Mamert Patisson „avec privilege“1075, also königlichem Privileg vom 13. Februar 15821076, im 4° Format (ca. 25 cm) mit 27 Kupferstichen illustriert und zahlreichen Noten versehen, gedruckt.1077 Ende des 16.Jahrhunderts eroberte der Kupferstich das Buch zunehmend und löste hiermit den Holzschnitt ab.1078 Die Kupferstiche, welche im Tiefdruckverfahren hergestellt wurden, sind deutlich an ihrem „Plattenrand“1079 zu erken-

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Siehe Renouard, Philippe (Hg.): Imprimeurs & Libraires Parisiens du XVIe siècle. Bd. 2. (Baaleu-Banville). Paris 1969. S. 372–374. Mit Privileg vom 16.2. 1553 waren Robert I. Ballard und Adrian Le Roy zu ‚königlichen Druckern‛ ernannt worden. Dieses Privileg wurde unter Charles IX. im April 1568, im Mai 1576 unter Henri III. und im April 1594 unter Henri IV. erneuert. Siehe hierzu: Guillo, Laurent: Pierre I Ballard et Robert III: imprimeurs du roy pour ka musique (1599–1673). Collection Musique musicology. 1. Bd. Sprimont 2003, S. 12. Das dem Traktat beigefügte Extrait du privilege, abgedruckt auf der letzten Seite, nimmt allerdings Bezug auf den Maler und Graveur Jacques Patin: „Iacques Patin, peintre ordinaire du Roy & de la Royne son espouse“ wird erlaubt „de mettre en lumiere & faire imprimer par tel imprimeur que bon luy semblera, un livre intitulé, Balet comique de la Royne [...]“, d.h. allen Buchhändlern und Druckern wird bei strenger Strafe verboten, während neun Jahren ohne die Zustimmung Patins „imprimer, faire imprimer ou tailler aucuns figures dudit livre.“ Es ist sicher kein Zufall, dass an eben jenem 13. Februar der älteste Bruder des duc d’Épernon, genannt La Valette, Mad. Du Bouchage heiratet, sodass auch die königliche Familieerweiterung vom Okober des Vorjahres memoriert wird. Zur Hochzeit von d’Épernon siehe L’Éstoile, 1943, a.a.O., S. 293. Da Beaujoyeulx nachweislich einige Zeit in den Diensten des königlichen Bruders gestanden hat, wäre es auch aber möglich, dass die Publikation des Werks damit in Zusammenhang steht, dass François duc d’Alençond’Anjou im Februar 1582 den Titel des ducs de Brabant et de Flandre akzeptiert und nach kurzem Aufenthalt in England, ohne den erhofften Erfolg in der Heiratsanbahnung mit Elizabeth, am 10. Februar in die Niederlande zurückkehrt und in Vlissingen empfangen wird. Siehe Anhang A dieser Arbeit: Nachweis der 1582er Ausgabe. Lange, Wilhelm: Das Buch im Wandel der Zeiten. 6. Aufl. Wiesbaden 1951, S. 136. Lange 1951, a.a.O., S. 135.

II.2. Inhaltliche und formale Rahmenbedingungen

235

nen.1080 Wie hoch die Auflage des Drucks war, ist nicht mehr exakt festzustellen.1081 Allerdings erwähnt Boucher ein Inventar der Ehefrau des verantwortlichen Malers Jacques Patin, der selbst 264 Exemplare besessen haben soll.1082 Auch kann davon ausgegangen werden, dass „eine Kupferstichplatte nach sechshundert Abzügen stark abgeplattet“ war und „keinen einwandfreien Abdruck“ mehr erlaubte.1083 Die Begleitumstände der sog. ‚Religionskriege‛ brachten die französische Produktion polyphoner Musik fast zum Erliegen.1084 So gaben in den 1580er Jahren die königlichen Drucker für Musik, Le Roy und Ballard1085, lediglich 30 neue Musikbücher heraus und somit lediglich die Hälfte der Drucke der 1570er Jah-

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Entgegen den Angaben bei Dellaborra, dass es keine Unstimmigkeiten zwischen den Ausgaben gebe (dies. 1999, a.a.O., S. 41, Anm. 43), variieren meiner Meinung nach die Druckqualitäten der Ausgaben zum Teil sehr. So sind in Teilen der Pariser Ausgaben die Kupferstiche nicht in der richtigen Reihenfolge eingefügt. Besonders bei Ln 27-10436 α. Dort ist unter der Überschrift Le Coral im Devisenfeld der Hirsch abgedruckt, anstelle der Auster der Eber, statt eines Schwertfisches die Eule, statt des Flusskrebses der Rehbock. Die benannten Abbildungen haben jeweils die Plätze getauscht. Auch für die WeckerlinAusgabe im 19. Jahrhundert ist eine Vorlage genutzt worden, in welcher unter Le Coral im Devisenfeld die Eule, unter der Auster der Rehbock, anstelle des Schwertfisches der Hirsch, statt des Flusskrebses das Wildschwein abgebildet sind (auch im Verlauf des Gesamtdrucks finden sich Abweichungen: S. 10v und 10, S. 15v und 15, S. 31v und 31, und 35v. und 35 (unpaginiert), sind doppelt, S. 54v findet sich sogar gleich dreimal, die Seiten 9v und 9 aus harangue du gentilhomme fugitif fehlen gänzlich). Auch hier haben die benannten Abbildungen die Plätze getauscht. Auch Müller (Müller 1993, a.a.O., S. 10) stellt bereits für Ln27-10436 β fest, dass die Kupferstiche „sogar als zusammengefaltete Blätter nachträglich eingeklebt worden“ sind. Auch die Ausgabe C.33.1.3.C, wie sie McGowan für die Faksimile-Ausgabe von 1982 verwendet, ist in der Anordnung der ersten paginierten Seiten nicht schlüssig: Hier folgt auf a.ij. die unpaginierte Seite, beginnend mit „toutes manieres […]“, die ebenfalls unpaginierte Seite, beginnend mir „n’auez ny predecesseur […]“, die – wie die Textkohärenz zeigt – miteinander vertauscht worden sind. Die umfangreiche Darstellung über das Wirken der Drucker Pierre I. Ballard und Robert III. Ballard liefert hierzu keine Hinweise, umfasst für die Auflagenhöhe aber auch erst den Zeitraum von 1599– 1673. Guillo Bd. 2. 2003, a.a.O. Zur Erwähnung dieses Inventars vom 11.10. 1584 siehe Boucher 1981. Bd. 3, a.a.O., S. 1088, Anm. 5, hier mit Berufung auf Coyecque, E.: Les dépôts d’archives notariales dans le bulletin de la sté histoire de Paris, 1936, no. 71: „un inventaire des biens de sa femme (Patins Frau. A.W.)“ Siehe auch McGowan 2006 , a.a.O., S. 89. Diese Angaben finden sich bei Lange 1951, a.a.O., S. 135. Orden 2005, a.a.O., S. 3. Zu den biografischen Quellen sowohl zu Robert Ballard: World biographical Information System. WBIS unter Ballard, Robert in Archives Biographiques Françaises (ABF), Fundstelle: I 48,110–112; ebd. unter Adrien Le Roy in Archives Biographiques Françaises (ABF) Fundstelle: I 651,366–373;II 414,78–79. Siehe aber auch die zweibändige Publikation von Laurent Guillo von 2003, a.a.O.

236

II.2. Inhaltliche und formale Rahmenbedingungen

re.1086 Darüber hinaus weist Laurent Guillo allerdings darauf, dass die Produktion der grundsätzlich sehr erfolgreichen Druckerwerkstatt um Robert I. Ballard und Adrien le Roy in Bezug auf die Drucke von ballets als eher verzögert zu beschreiben ist: Außer dem balet comique 1582 und dem ballet de la délivrance 1617 erschien keines der vielen Anfang des 17. Jahrhundert publizierten ballets bei ihnen. Erst in den 40er bis 70er Jahren des 17. Jahrhunderts wird dies grundlegend anders sein.1087 Doch trotz scheinbar schlechter Rahmenbedingungen für musikalische Produktionen, werden gerade in dieser Zeit das sog. ballet de cour, die musique mésurée eines A. de Baïf und die air de cour allerdings extrapoliert, drei Genres, die die Musikgestaltung des nachfolgenden Jahrhunderts mitbestimmen sollten.1088 Wie bereits anhand der Ausführungen zum sozialen Gefüge des Hofes und seiner Feste ersichtlich werden konnte, bildeten die Konfliktlastigkeit und Instabilität frühneuzeitlicher Höfe nicht nur den Hintergrund, sondern gleichsam den raison d’être vieler Hoffeste.1089 Zunächst lässt sich vor diesem Hintergrund begründet vermuten, dass die Mitglieder des Valois-Hofes einen größeren Teil der Rezipienten des gedruckten Traktates ausmachten. Hierin könnte ein Grund liegen, warum die Festschrift nicht allzu aufwändig eingebunden wurde1090, da es sich gleichsam eher um eine Art Gebrauchsliteratur handelte. Zumal es scheinbar keinen überzeugenden Hinweis dafür gibt, dass das Traktat des balets comique tatsächlich an andere Höfe versandt wurde.1091 Jedoch sollte in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass es zeitlich nah abgefasste, andere Festberichte

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Siehe auch Lesure, François, Thibault, Geneviève (Hg.): Bibliographie des éditions d’Adrian Le Roy et Robert Ballard. 1551–1598. Société Française de Musicologie. Paris 1955, hier nach van Orden 2005, a.a.O., S. 4, Anm. 2. Die Familie Ballard findet sich nach 1520 für drei Jahrhunderte lang unter der Pariser Bevölkerung, wobei die ersten drei Generationen das bedeutende Druckerhaus für musikalische Drucke besonders prägten: Neben dem genannten Robert I Ballard (nach 1588 gestorben) zusammen mit seinem Cousin Adrien Le Roy imprimeurs du roi pour la musique, sind dies in der nächsten Generation Pierre I (gest. nach 1639), imprimeur du roi pour la musique, und in der darauffolgenden Generation Robert III. Ballard (gest. nach 1573), imprimeur du roi pour la musique und sein Bruder Pierre II Ballard (gest. nach 1651), imprimeur établi rue des Carmes. Hier nach: Guillo 2003, a.a.O., S. 77. Van Orden 2005, a.a.O., S. 4. Siehe Watanabe-O’Kelly 2004, a.a.O., S. 5. Siehe hierzu Rautenbergs Ausführungen zu den ‚Peritexten‛ der Druckwerke in: Rautenberg 2001, a.a.O., S. 6. Siehe hierzu z. B. zwar den Hinweis bei Jakob Stüber, dass das Festbuch des balets comique an den europäischen Höfen im Umlauf gewesen sei, aber ohne Beleg. Siehe Stüber, Jakob: Geschichte des Modern Dance. Wilhelmshaven 1984, S. 26. Heute allerdings finden sich die 35 erhaltenen Exemplare des balets comique, von denen einige wenige im 19. Jahrhunderts sehr aufwändig eingebunden wurden, weit verstreut. Häufig kann der Erwerb in Orten außerhalb von Paris jedoch erst seit dem 19. Jahrhunderts nachgewiesen werden (siehe hierzu im Anhang A dieser Arbeit den Nachweis der 1582er Ausgabe).

II.2. Inhaltliche und formale Rahmenbedingungen

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gibt, deren Publikation in mehreren Sprachen deutlich darauf hinweist, dass sie auch außerhalb der eigenen Sprachgemeinschaft rezipiert werden sollten.1092 Es ist durchaus wahrscheinlich, dass mit der Druckausgabe eines Festberichtes andere Höfe, ob freundlich oder feindlich gesonnen, beeindruckt werden sollten, so Watanabe O’Kelly.1093 Gerade die Botschafter könnten die Werke verbreitet haben. Deren Anwesenheit ist wiederum für das balet comique mehrfach über Gesandtenberichte gesichert.1094 Allerdings blieb, so es tatsächlich auf das Erfassen dieser Texte ankam, die Herausforderung der Fremdsprache – Französisch war im 16. Jahrhundert keine so verbreitete Sprache wie in den nachfolgenden Jahrhunderten. Allerdings käme den beigegebenen Kupferstichen vor diesem Hintergrund eine besonders eigenständige Funktion für den Rezeptionsprozess zu, träten sie doch möglicherweise gleichsam an die Stelle des Geschriebenen.1095 Drückt sich dies auch im Umstand aus, dass das (langjährige!) Privileg den Maler Patin berücksichtigt, statt den Autor Beaujoyeulx? Die Drucke der 1582er Ausgabe1096 des balets comique gliedern sich grundsätzlich gleich1097 und wie folgt: Nach Titelblatt1098 und dem 15 Seiten umfassenden Vorredenteil beginnt die Seitenzählung mit dem eigentlichen Textteil. In einer mehrseitigen Beschreibung werden zunächst die Auftragsvergabe wie die Inszenierungsumstände, auch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern sowie die Motive des Autors dargelegt. Der sich nach sechs Seiten anschließende Kupferstich Figure de la Salle1099 bildet den Auftakt zum eigentlichen ‚Festbericht‛. Dieser wird mit einer siebenseitigen Szenen- und Personalbeschreibung eröffnet.1100 Mit der Harangue du gentilhomme fugitiv wendet sich ein der Circe entkommener ‚Hofmann‛ an den König. In Form eines Prologs wird so das eigentliche Circe-

1092

1093 1094

1095 1096 1097 1098

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Siehe hier z. B. die Krönung Charles V. im Jahre 1519, von der fünf Festbücher in deutscher und lateinischer Sprache berichten, der Bericht über seinen Einzug in Rom 1536 wurde gar in italienisch, deutsch und französisch publiziert. Siehe hierzu Mitchell, Bonner: Italian Civic Pageantry in the High Renaissance. A Descriptive Bibliography of Triumphal Entries and Selected Other Festivals of State Occasions. Florenz 1979. Siehe Watanabe-O’Kelly 2004, a.a.O., S. 14. In Ergänzung zu den bereits genannten auswärtigen Botschaftern siehe bei Fleury Vindry eine Auflistung der ständigen Botschafter Frankreichs in: Vindry, Fleury: Les ambassadeurs français permanents au XVIe siècle. Paris 1903, bes. S. 20. Siehe hierzu das Kapitel II.1. dieser Arbeit. Siehe hierzu die Auflistung der 1582er Ausgabe im Anhang A dieser Abeit. Zur Abweichung der Drucke siehe nochmals die Auflistung der 1582er Ausgabe im Anhang A dieser Abeit. Siehe hierzu Ursula Rautenberg: „Als Innovationsleistung des gedruckten Buches auf der Ebene des paratextuellen Beiwerks muss die Entstehung des Titelblatts gewertet werden. Das Titelblatt, dass autor-, text- und buchidentifizierende Elemente an den Bucheingang setzt, reflektiert die neue mechanische Produktionsweise.“ Aus: dies. 2001, a.a.O., S. 54. Zur Herstellung von Abbildungen im Buchdruck siehe Rautenberg 2001, a.a.O., S. 27–30. Siehe hierzu auch das Kapitel II.3.3. der vorliegenden Arbeit.

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Spiel eröffnet.1101 Es folgt das Premier Ballet, bevor sich die drei Intermedien der Circe-Handlung anschließen. Die als Rollenspiel arrangierte Circe-Allegorie, teilweise mit Musiknotation versehen1102, wird vom Erzähler immer dann mit berichtenden und kommentierenden Passagen unterbrochen, wenn es gilt, das Ende eines jeweiligen Intermediums anzuzeigen und die Handlung mit dem kommentierenden Teil voranzutreiben. Diesen über hundert Seiten starken Hauptteil des Druckwerks, auch die Entrée des grand ballet sowie als dritte Tanzpassage, das grand ballet, umfassend, wird mit der Angaben zur sich anschließenden Medaillenvergabe beendet.1103 Die Darstellung dieser Medaillenvergabe geschieht zweifach: Zunächst werden die Beteiligten gleich einem ‚prozessionsartigen Aufmarsch‛ im Druckwerk aufgelistet. Hierbei scheint das textliche Erscheinungsbild der gewünschten sozialen Anordung wie der vom Leser zu antizipierenden ‚Gemessenheit‛ der Schritte und Erscheinung der Einziehenden zu entsprechen, die mit der sich anschließenden Illustration der 18 Kupferstich-Tondos noch unterstrichen wird. Zum Abschluss des Druckwerks werden dem Leser noch vier mögliche Lesarten der Allegorie angeboten: die Ausdeutung der Circe-Allegorie nach Natale Conti, die durch den Sieur de la Chesnaye, eine ‚allegorie morale‛ sowie die durch den als Schotten ausgewiesenen Sieur de Gordon.1104 Der Umstand, dass nur dieses Ereignis aufgezeichnet wurde, bezeugt Signifikanz. Lander und Carol McClintock begründen die Frage, warum überhaupt eine gedruckte Form erstellt wurde, z. B. wie folgt: „Because the impresario of this production, Baltasar de Beaujoyeulx, was so proud of his creation, which he rightly considered unique, that he wrote a complete description of it“.1105

War die Drucklegung tatsächlich primär durch den persönlichen Stolz des Autors motiviert? 1101 1102

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Siehe hierzu auch Franko 1993, a.a.O., S. 36. Siehe hierzu aber den Hinweis bei Jeremy Barlow, dass nicht genügend Musik für den Tanz im balet comique wiedergegeben wird. Siehe Barlow, Jeremy: Honneur a la Dance. A Choreographic Analysis of the Le Premier Ballet in Le Balet Comique de la Royne. In: Terpsichore 1450–1900. International Dance Conference Ghent. 11.–18.4.2000. Unveröffentlichter Tagungsbericht. Hg. v. Barbara Ravelhofer. Gent 2000, S. 65–70, hier S. 68. Auch beinhaltet das balet comique nur Vokalmusik und keine Instrumentalstücke für den Tanz, so Kate van Orden 2005, a.a.O., S. 20. Mark Franko weist darüber hinaus darauf hin, dass musikalisch im balet comique der Anspruch einer musique mesurée nicht realisiert, sondern diese lediglich imitiert wurde. Siehe Franko 1993, a.a.O., S. 35. Zur dramatischen Struktur der Circe-Allegorie siehe das Kapitel I.2.2. dieser Arbeit sowie die Übersicht hierzu im Anhang D Plodeck, Karin: Hofstruktur und Hofzeremoniell in Brandenburg-Ansbach vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Zur Rolle des Herrschaftskultes im absolutistischen Gesellschaftssystem. Ansbach 1972der Arbeit. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 74–76. Aus: MacClintock 1971, S. 10.

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Um die Vielschichtigkeit des vorliegenden Druckwerkes näher auszuleuchten, scheint es sinnvoll, sich an dieser Stelle einem wesentlichen, wenn auch vorliegend nur oberflächlich darzustellenden, frühneuzeitlichen Kulturparadigma zuzuwenden, nämlich dem Humanismus in seiner französischen Ausprägung. Denn gerade die an diese kulturelle Strömung gebundenen besonderen Bedingungen des Drucks und der Druckgestaltung können vorliegend Erkenntnis gewinnend sein. Die Gesetzmäßigkeiten druckgestützter Kommunikation und die Materialität der Trägermedien wiederum bilden eine geeignete Folie für die näher zu fokussierende Widmungsvorrede des Traktats, die wertvolle Rückschlüsse auf die Bedeutung des Gesamtwerks liefert. Die Beschäftigung mit den studia humanitatis, in denen sich virtus, doctrina und eloquentia, hier verstanden als Tugend, Gelehrsamkeit und Beredsamkeit, verbanden, galt vielen Gelehrten des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts als oberstes Anliegen, da nur die Beschäftigung mit der humanistischen Trias die Hervorbringung des ‚wahren Menschen‛ versprach.1106 So ist denn auch die Ausprägung des italienischen und deutschen Humanismus von je einer dieser Stützen des humanistischen Selbstverständnisses ausgegangen, was sich wiederum in den unterschiedlichen Richtungen der Humanismusforschung spiegelt.1107 Anders in Frankreich, so Sabine Vogel: „Der französische Humanismus wird in den allgemeinen Darstellungen der Geistesgeschichte der Renaissance nur am Rande erwähnt, zumal die humanistische Bewegung in Frankreich erst vergleichsweise spät, nach dem Italienfeldzug 1494, in nennenswertem Umfang rezipiert worden ist. Bildung, Tugend, Eloquenz haben in Frankreich als humanistische Trias nie den Rang eingenommen, den sie in Italien oder Nordeuropa innehatten.“ 1108

Diese Sichtweise wird allerdings modifiziert durch Untersuchungen, die weit deutlicher die je spezifischen und je unterschiedlichen Ausprägungen des Humanismus in Europa betonen.1109 Jedenfalls hinterließ der Humanismus in Frank1106

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Böhme, Günther: Bildungsgeschichte des europäischen Humanismus. Darmstadt 1986, S. 1; auch Buck, August: Humanismus. Seine europäische Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen. Freiburg, München 1987, S. 154. Hier auch der Hinweis, dass sich an den italienischen Universitäten im 15. und 16. Jahrhundert die Berufsbezeichnung humanista analog zu den Bezeichnungen iurista, legista und canonista für den berufsmäßigen Lehrer der studia humanitatis herausbildete. Die Humanisten selbst zogen zu dieser Zeit die Bezeichnungen orator oder poeta (siehe z. B. die Selbstbezeichnung Dorats im balet des polonais) vor. Diese Bezeichnungen wurde später auf alle ausgeweitet, die sich den klassischen Studien widmeten. Ebda., S. 175. Vogel, Sabine: Kulturtransfer in der frühen Neuzeit. Die Vorworte der Lyoner Drucke des 16. Jahrhunderts. Tübingen 1999, hier S. 3, hier auch Literaturverweise. Vogel 1999, a.a.O., S. 4. Zu den spezifischen und unterschiedlichen Ausprägungen des Humanismus, gerade außerhalb Italiens siehe den Band: Helmrath, Johannes, Muhlack, Ulrich, Walther, Gerrit (Hg.): Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer

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reich – von Paris ausgehend – deutliche Spuren. Seine besondere Ausprägung erfuhr z. B. insofern, als sich keine mit der deutschen Entwicklung vergleichbare Gelehrtenschicht entwickelte, sondern humanistische Grundkenntnisse über Schulen und Universität – und somit vornehmlich über Beamte ihre Verbreitung fanden.1110 Sabine Vogel arbeitete heraus, dass sich in Folge dessen „aus der Verbindung von Humanismus, Aufstieg des Beamtentums und aufkeimendem Nationalbewusstsein ein eigenes, spezifisch französisches Ideal von Bildung und Gelehrsamkeit“1111 entwickelte. Bis etwa 1520 wurde in Frankreich humanistisches Gedankengut vor allem von Mitgliedern der Artesfakultät der Pariser Universität rezipiert. Der französische König und seine Amtsträger, die officiers, stützten so die Entwicklung des französischen Humanismus maßgeblich, zumal sich die Pariser Universität seit 1520 vorrangig dem Kampf gegen die aufkeimende Reformation gewidmet hatte.1112 Mit der Gründung des Collège Royal1113 im Jahre 1530, welches die italienischen philologischen Methoden weiterentwickelte und in der griechischen Philologie führend wurde, wurde König François I. selbst zum Mäzen der humanistischen Wissenschaft. Entsprechend der italienischen Vorbilder stellten nun auch die Pariser Gelehrten seit der Jahrhundertwende ihren neuen Textausgaben meist ein Widmungsschreiben voran. In toto erschienen etwa 25.000 Titel im Frank-

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Humanisten. Göttingen 2002. Hier bes. für die vorliegenden Arbeit: Müller, Heribert: Der französische Frühhumanismus um 1400. Patriotismus, Propaganda und Historiographie. In: ebda., S. 319–376. Vogel 1999, a.a.O., S. 5; im Unterschied hierzu Philippe Desan, der das Zerfallsmoment stärker in den Vordergrund rückt, wenn er bildlich formuliert: „Als Frankreich den goldenen Apfel vom Baum der italienischen Renaissance pflückte, war der Wurm schon hineingekrochen und fraß ihn von innen her auf.“ Aus: Desan, Philippe: The worm on the apple: The crisis of humanism. In: Humanism in Crisis. The decline of the French Renaissance. Hg. v. Philippe Desan. Michigan 1991, S. 11–34, hier S. 13. Vogel 1999, a.a.O., S. 5. Ebda., S. 38f., Le Goff, Jacques: Die Intellektuellen im Mittelalter. Stuttgart 1986, S. 163f. Vgl. hierzu jedoch die Überlegung bei Marchetti, dass der „Humanismus, der das Gedächtnis der Schrift anvertraut, ist an der Gründung der protestantischen Theologie beteiligt, […] Die Nachfrage nach Mneotecnikeern […] nimmt [.] in den von der katholischen Kultur beherrschten Gebieten kontinuierlich ab. Wo sich hingegen der Protestantismus durchsetzt, wird sie vornehmlich von hermetischen und esoterischen Strömungen aufgegriffen.“ Aus: Marchetti, Valerio: Mnemotechnik, Schrift, Buchdruckerkunst. In: Berns, Neuber 2000, a.a.O., S. 679–697, hier S. 691. Der Lehrplan der collèges folgte seit der Gründung dieser städtischen Schulen, in Konkurrenz zu den Kathedralschulen, und leistete damit einer Laisierung der Bildung Vorschub, in Form eines nach der Pariser Artesfakultät so genannten Pariser Stils: Die Schüler wurden in Grammatik und Rhetorik – nach De Oratione von Quintilian – unterwiesen, die zu den studia humanitatis gehörten. Seit 1560 war allerdings der Niedergang der collèges zu verzeichnen. Siehe: Huppert, George: Public schools in Renaissance France. Urbana/Ill. 1984, S. 51.

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reich des 16. Jahrhunderts.1114 Während die Werke zeitgenössischer Autoren stetig zunahmen, ging der Anteil an antiken Schriften zurück. Prozentual gesehen sank dieser von 12 % im Jahre 1501 auf unter 5 % am Ende des Jahrhunderts.1115 Auch war seit Mitte des Jahrhunderts der Umfang an volkssprachigen Schriften höher als der an lateinischen. Und dies, obwohl die Franzosen erst seit ca. 1530 begonnen hatten, in größerem Umfang Prosatexte in ihrer Muttersprache zu schreiben und Bücher ins Französische zu übersetzen.1116 Das Ideal war nun nicht länger die lateinische eloquentia, sondern ‚Beredsamkeit‛ in französischer Sprache: èloquence. Durch peritextuelle Bedingungen wie Format, Titelblatt, Umschlag u. ä, sowie durch die gewählte Typografie mit graphetischen Varianten, Interpunktion und absichtlichen oder unabsichtlichen Eingriffen, wie z. B. Auslassungen oder Streichungen, werden Rezeptionsvorgänge mitgesteuert.1117 Gleichzeitig konnten Verleger in der bewussten Gestaltung dieser Elemente und im Bewusstsein um des Druckwerkes als „technisches und rechtliches Ereignis“ (Rautenberg) ihre Publikationen auf die Interessen eines bestimmten Publikums zuschneiden.1118 Diese Aspekte der bibliographie matérielle (Vogel) können daher weit über einenvordergründigen Ersteindruck hinausweisen.1119 Dienlich ist es, sich anhand einer 1114 1115

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Siehe Vogel 1999, a.a.O., S. 44. Siehe Monfasani, John: the first call for Press Censorship: Niccolò Perotti, Giovanni Andrea Bussi, Antonia Moreto and the editing off Pliny’s Natural History. In: Renaissance Quartely, 41 (1988), S. 1–31, hier S. 7 und Vogel 1999, a.a.O., S. 44, hier Anm. 27. Siehe Chartier, Roger, Martin, Henri-Jean (Hg.): Histoire de l’Edition Française. Bd. 1. Le livre conquerant. Du Moyen-Age au milieu du 17e siècle. Paris 1983, S. 429–462, hier S. 444–446. Zum Problem der vielfältigen regionalen Dialekte siehe Berschin, Helmut, Felixberger, Helmut, Goebl, Hans: Französische Sprachgeschichte: latein. Basis; interne u. externe Geschichte; sprachl. Gliederung Frankreichs . Ismaning 1978 (zuletzt 2008), S. 214: Zur Verbreitung der franz. Sprache in der Oberschicht trugen der Ausbau der Verwaltung und die Einrichtung des Parlaments durch Amtsträger, welche z. T. aus dem Umkreis des Hofes stammten, ebenso wie der Buchdruck bei. Im 16. Jh. arbeiteten sechs Orthographen an der Vereinheitlichung der französischen Rechtschreibung und Interpunktion. Die Vereinheitlichung der Rechtschreibung gelang erst nach 1650, wenngleich seit 1570 die Vielfalt der orthografischen Möglichkeiten abnahm. Es setzte sich eine Orthografie durch, die weitgehend dem etymologischen Prinzip folgte. Siehe Rautenberg 2001, a.a.O., S. 6. Zu möglichen Aspekten der Detail- oder Mikrotyphographie siehe dies. 2001, a.a.O., S. 23. Rautenberg 2001, a.a.O., S. 17. Siehe Müller 1993, a.a.O., S. 10, Anm. 71. Mehrere Exemplare des balets comique aus der Bibliothèque nationale de France, Paris weisen einfache, lederbezogene Pappdeckel auf: Ln2710436 α in feines ockerfarbenes Leder gebunden, Ln27-10436 β in braunes Leder und Ln27-10436 γ in hellgelbes Leder (Bibliothèque de la Chancellerie de France, Wasserschaden). Die Einbände tragen keine Aufschriften. Die Ausgabe Ln27-10436 δ ist nachträglich (Gardien 1866) in rotes Leder gebunden worden; das Exemplar Pd.68-4 (Estampes) ist am aufwändigsten gestaltet und ist in braunes Leder gebunden, jedoch mit feinen Goldrändern und vergoldetem Schnitt ausgestattet. Das in der Bibliothèque Municipale, Besançon (Rés. mu-

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sique 259720) vorhandene Exemplar weist ebenfalls einen Wasserschaden auf und ist in einfaches ockerfarbendes Leder eingebunden. Das Deckblatt weist die handschriftlichen Notizen „1424“ sowie den Besitzvermerk (?) „Mezeray“ auf. Es trägt ein anderes Wasserzeichen als die im Geemente Museum, Den Haag (Collectie Dr. D.F. Scheurleer, NMI 4 G 32) verwahrte 1582er Ausgabe. Diese ist mit ihrem weißgelblichen Ledereinband (Umschlaggröße 18,7 x 24,5 cm; Blattgröße 17,3 x 24,3 cm; Kupferstiche der Medaillen 11,1 x 11,1 cm, Medaillen im Durchmesser 10, 7 cm) und seiner Gesamtdicke von ca. 1 cm ebenfalls schmucklos. Die Seiten sind z.T. angeschnitten und auf der Titelseite ist über dem Titel handschriftlich vermerkt: „De la Bibliothèque du grand Convent et college royal des larmes de Paris“. Unter der Druckzeile „Roy & de la Royne sa mere“ ist handschriftlich möglicherweise der Besitzer mit Johan Cossiau (Gossiau?) und der Zusatz 1612 vermerkt, dem Jahr des Wiederabdrucks. Das Exemplar in der Library of Congress, Washington (USA) (M1520 B 37B3 1582 case) hat ebenfalls einen einfachen Ledereinband und die Seiten sind z.T. angeschnitten. Handschriftlich weist das Schmutzblatt dem Besitzvermerk „James E. Matthew“ sowie den Archivierungsvermerk des Berliner Antiquariates Leo Liepmannssohn aus. Hierin findet sich das Privile in 3facher lose Blatt Ausfertigung. Auch dieses Exemplar zeigt wieder ein anderes Wasserzeichen als die vorgenannten. Das Exemplar Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien archiviert unter 659240-C.M., hat einen Umschlag aus weinrotem Leder mit Goldprägung: Rücken mit Initiale, Wappen und Titel „BALET COMIQUE LA REYNE“. Auf Vorder- und Rückseite jeweils das Wappen. Das Exemplar der Public Library, New York (*ZB-179 (microfilm) Drexel 5995 Locked case oder JME 83-109) zeigt mit handschriftlichen Randverweise auf dem Titelblatt an, dass diese Ausgabe einst im Besitz von Ben Jonson (1572–1637) gewesen ist. Besonders interessant sind hier die Exlibris-Vermerke: Mit dem Engländer Sir Henri Brooke Cobham (1564–1619) wäre ein Zeitzeuge als tatsächlicher Bucheigner auszumachen, für den zudem auch noch eine lose Verbindung zum Ereignis selbst nachgewiesen warden kann. Ein zweites Exlibris verweist auf den Schriftsteller Horatio Walpole (1717–1797). Ein zum Verkauf angebotenes Exemplar, nun im Besitz eines privaten Sammlers, zeigte bei seinem Verkauf einen nicht von 1582, sondern wohl etwas später entstandenen roten Maroquinband mit prächtiger Deckelvergoldung und dreiseitigem Goldschnitt mit neuer Maroquinkassette. Auch das früher in der Royal Academy of Dancing, London nachweisbare Exemplar wird im Werk von Kyrle Fletcher Bibliographical Description of forty rare Books relating to the Art of dancing in the collection of P.J.S. Richardson, O.B.E. (1977) in Bezug auf den Einband als eher aufwändig beschaffen beschrieben: „Nineteenth century green crushed morocco, gilt, signed ‚Petit Succr de Simier“. With dedication to the King of France on a2–a4. With book label of J.B.Weckerlin.“ Allen eingesehenen Ausgaben ist in der ornamentalen Gestaltung gemeinsam, dass über der Widmungsvorrede „Au Roy“ (a.ij.), die das Werk eröffnet, ein dicker Rollwerk-Balken und ein kleinerer über der sich anschließenden Vorrede an den Leser„au Lecteur“ (e.iij.) findet. Zwischen den einzelnen Widmungen an Beaujoyeulx sind schmale Ornamentbalken, wohl zu Trennungszwecken eingefügt. Es sind jedoch keine Arabesken, kaum Rollwerk, und keine anderen großen Bordüren, „larges bordures d’encadrement“ zu finden, die in Büchern des 16. Jahrhundert so häufig anzutreffen sind. Vgl. hierzu Lieure, Jules: La gravure en France au XVIe siècle : la gravure dans le livre et l'ornement. Paris 1927, S. 9: „Lieure meint zum Gesamtkonzept: „Diese ornamentalen Umrahmungen sollten dazu beitragen, auf der Buchseite ein ensemble d’équilibre parfait zu gestalten.“ Aus: Lieure, a.a.O., S. 9. Siehe hierzu: Jahn, Johannes, Haubenreisser, Wolfgang: Wörterbuch der Kunst. Stuttgart 1985, S. 40. Siehe auch Müller 1993, a.a.O., S. 11, hier Anm. 77. An Buchschmuck finden sich nur ornamental gestaltete Initialen zu Beginn der Erzählung und jeweils am Anfang jedes Monologes oder Liedtextes. Auch gibt es kleine Narrenfiguren, meistens in der Basspartie, die auf die Fortsetzung des Notentextes auf der nächsten Buch-

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knappen Darstellung die technische Seite des Druckvorgangs zu vergegenwärtigen, um z. B. mögliche Abweichungen in den Druckausgaben einordnen zu können.1120 Um 1445 hatte Gutenberg den Typenstempel, die Mater, das Handgießgerät, die gegossene Bleitype, den Typensatz und die Buchdruckerhandpresse entwickelt und bei der Buchgestaltung angewendet. Damit hielten Typographie und Pressendruck ihren Einzug. Die frühe Fertigung von Bleilettern geschah hierbei mit den nach einer Schreibmeistervorlage zu erstellenden Buchstaben, welche als sog. Patritzen in Metall geschnitten (der Punzen) und dann in weiches Metall getrieben wurden, so dass die Gussmatrize entstand, die als Form für die zu gießenden Buchstabentypen diente, die zum eigentlichen Druck verwendet wurden. Der Vorrat an solchen Lettern musste gemäß der erwarteten Häufigkeit berechnet, angeordnet und in Setzkästen disponiert werden: „Jede Schriftgröße, jeder Schriftschnitt aus einer Schriftfamilie (magere, halbfette, fette und kursive Schnitte) benötigte einen separaten Zeichensatz. Ein Zeichensatz besteht aus einem Typenapparat von Großbuchstaben (Versalien), Kleinbuchstaben (Gemeine), Zahlen und Satzzeichen sowie Ligaturen, mit denen ästhetischen Ansprüchen an das Schriftbild […] Rechnung getragen wird. […] zu einer Antiqua (gehören) [.] 105 (Figuren).“1121

Eine Wiederverwendung war nur möglich, wenn die Buchstaben nicht fest miteinander verbunden waren; gleichzeitig mussten diese aber zur Erstellung des Schriftbildes miteinander verspannt werden. Die Größe des jeweiligen Papierbogens entschied darüber, welche Seiten nach dem Falten und Schneiden aufeinander folgen sollten, so dass dies mitzuberechnen war.1122 Auch die für den Druck selbst zu verwendende Druckerschwärze war aufwändig herzustellen. Es handelte

1120 1121 1122

seite verweisen . Dies erwähn t auch Müller 1993, a.a.O., S. 11/12. Leider findet sich kein Hinweis zur Funktion dieser ‚Narrenfiguren‛. Auch Guillo geht in seiner zweibändigen Untersuchung über die Drucker Ballard und Adrien Le Roy nur auf die Gestaltung der Kleinund Großbuchstabengestaltung ein. Siehe: Guillo 2003, Bd. I., a.a.O., S. 224f. Die folgenden technischen Angaben folgen weitgehend Burkhardt 2002, a.a.O., S. 20. Rautenberg 2001, a.a.O., S. 25. Hier auch zur Aufwändigkeit der in Handarbeit durchzuführenden Satzherstellung, in: ebda., S. 24–27. Alte Papierformate, hand- oder maschinengeschöpft, haben den Originalbogen hoch oder quer genommen im Maßverhältnis 3x4 Breitformat, Folio 1 x gefalzt (2 Blatt=4 Seiten), Schmalformat 2 x 3, Quart 2 x gefalzt (4 Blatt=8 Seiten), Breitformat 3 x 4, Oktav 3 x gefalzt (8 Blatt=16 Seiten), Schmalformat 2 x 3, Sedez 4 x gefalzt (16 Blatt=32 Seiten), Breitformat 3 x 4. Das balet comique wurde im Quart-Format gefalzt. Wünschenswert wäre es, dass in der Zukunft die unterschiedlichen Wasserzeichen, die die von mir eingesehenen Exemplare zeigen, genauer untersucht würden, möglicherweise ergäben sich Hinweise zu Papiermachern oder Papiermühlen.

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sich somit um ein komplexes und mit präziser Berechnung einhergehendes Textverarbeitungssystem.1123 „Die Zerlegung der Kopiertätigkeit in so viele Arbeitsschritte, die Schlüsselrolle der Typen als serielle Normteile und die Einbeziehung mechanisch-maschineller Elemente zeigt die Modernität des ganzen Setz- und Druckverfahrens.“1124

Als weiteres Indiz dieser Modernität kann eine Entwicklung gewertet werden, die sich ab 1501 beobachten lässt: Mit den seit Beginn des 16. Jahrhunderts aus der Druckwerkstatt des Venezianers Aldo Manuzios kommenden Büchern, den sog. Aldinen, waren Bücher mit besonderem Format geschaffen worden: Diese erschienen nicht mehr in großen Folianten, sondern im handlichen (Taschenbuch-) Oktavformat und waren somit nur ein Viertel so groß wie die Folianten.1125 Seit etwa 1510 hatte sich das Aldinenformat für die Klassikerausgabe durchgesetzt und galt an allen europäischen Druckorten als Standard für die Texte antiker Autoren.1126 Das balet comique wurde im Quart-Format gefalzt, entsprach somit jedoch auch schon nicht mehr der ‚tresorähnlichen‛ Foliogröße anderer Werke. Einen wesentlichen Aspekt der formalen Gestaltung machte darüber hinaus die Wahl der Typografie aus. Für die lateinischen Klassikerausgaben, und diesen galt zunächst das humanistisch geprägte Druckereiwesen, wurde mit der Antiqua auch eine eigene Druckschrift entwickelt, auch sie war den Aldinen entnommen. Als Drucktype behielt die Antiqua ihre geschriebene Form mit schräger Federhaltung, geschwungenen Serifen und schrägen Köpfchen bei den Kleinbuchstaben. Zu den erst in unserer Zeit entstandenen halbfetten und fetten Antiqua-Drucktypen bildete die seit Anfang des 16. Jahrhunderts gebräuchliche ältere AntiquaKursiv die schräggelegte Schriftform.1127 Auch das balet comique wurde in Antiqua1128 und Teile der Vorrede in Antiqua-Kursiv1129 gedruckt. Wesentlich scheint die Beobachtung, dass die Antiqua-Lettern

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„In ganz Europa wird für das 15. Jahrhundert mit 30.000 Titeln oder Auflagen gerechnet. Nach der durchschnittlichen Auflagenhöhe sind diese Zahlen der Werke mit 250 bis 1000 zu multiplizieren, [...]. Für das 16. Jahrhundert gilt dann die grobe Schätzung von 100 Millionen Büchern, gerade so hoch schätzt man die gesamte Einwohnerzahl.“ Zit. nach: Burkhardt 2002, a.a.O., S. 21. Burkhardt 2002, a.a.O., S. 20. Zu Bogengrößen und Falzungen in Folio (2°, zwei Blätter), Quart (4°, vier Blätter bei zweimaliger Brechung auf acht Seiten) und Oktav (8°, 8 Blätter bei dreimaliger Brechung auf 16 Seiten), siehe Rautenberg 2001, a.a.O., S. 38. Vogel 1999, a.a.O., S. 53. Siehe zur Weiterentwicklung in die Garamond-Antiqua durch Claude Garamont in Frankreich ab 1520 siehe Vogel 1999, a.a.O., S. 53, Anm. 5. Lieure 1927, a.a.O., S. 17 mit Abbildungen 19 und 20. Auch die Monologe sowie die Liedtexte sind kursiv gedruckt.

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„seit ihrer Erfindung wie eine Grenze zwischen den Texten, die für ein humanistisch gebildetes Publikum bestimmt waren, und denen, die sich an Nicht-Humanisten wandten“ wirkten.1130

Auch die Titelblattgestaltung humanistischer Werke, oder solcher, die als diese gelten wollten, unterschieden sich von anderen zeitgenössischen Publikationen. Seit den 1550er und frühen 1560er Jahren kristallisierte sich sozusagen das typische Titelblatt als Aushängeschild der französischen humanistischen Textausgaben heraus: Es erschienen nur Autor, Titel, Verleger, Ort und Jahr sorgfältig angeordnet auf einer rahmenlosen Titelseite.1131 Diese Titelblattgestaltung entspricht – unter Ergänzung der Druckermarke (Abb. 9) – genau dem Aufbau des vorliegenden Traktates. Gerade die als Holzschnitt sich präsentierende Druckermarke bezeugt das Selbstverständnis der Drucker: Die Druckermarke von Le Roy und Ballard zeigt nach 1562 und, neben anderen verwendeten Marken, bis 1660 den Mont Parnasse, bestückt mit neun musizierenden Musen und mit dem darüber thronenden Pegasus: „Sur le ourtour sont répartis Apollon avec sa lyre et les neuf Muses tenant respectivement un luth, une chalemie, une flûte traverdière, une viole de gambe, un cornet, une harpe, une viole à bras, un livre de chant , et une sacqueboute. Pégase préside au concert dans le petit cartouche supérieur.“1132

Neben dem gewählten Motiv verweist der Mont Parnasse hierbei auch auf den Wirkort des Verlagshauses mitten im Herzen des quartier des imprimeur‛: „La maison du Mont Parnasse était la derniere maison à gauche en montant la rue Saint-Jeande- Beauvais.“1133 Grundsätzlich galt, dass sich die mit kleinerem Format gedruckten Buchausgaben, charakteristischer Schrift und schlichten Titelseiten schon äußerlich von Büchern mit medizinischen, juristischen oder praktischen Themen abhoben, da diese häufig noch im Folioformat und in gotischer Schrift erschienen, und mit langen, werbenden Texten auf den Titelseiten versehen waren. Diese optische Abgrenzung diente mithin wahrscheinlich auch einer Unterscheidung der Leserkreise, denn Bücher in diesem Format trugen ihr Ansinnen deutlich zu Markte: Sie dienten als Erkennungszeichen derjenigen, die sich mit humanistischen Gedanken befassten.1134 Vor diesem Hintergrund besticht die Tatsache, dass das Traktat von 1582 in seiner Gestaltung mit einem kleineren 1130 1131 1132

1133 1134

Vogel 1999, a.a.O., S. 191. Siehe Vogel 1999, a.a.O., S. 57 mit Anmerkung 7 Mortimer. Aus: Guillo 2003, a.a.O., S. 204. Siehe auch Mortimer, Ruth (Hg.): Harvard College Library Departement of Printing and Graphic Arts. Catalogue of Books and Manuscripts. Part I: French 16th Century books. Cambridge. 1964, S. 65. Guillo 2003, a.a.O., S. 94. Siehe Vogel 1999, a.a.O., S. 55 und Anmerkung 9.

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II.2. Inhaltliche und formale Rahmenbedingungen

Format, der Wahl der Typografie sowie seiner Titelblattgestaltung dieser Textgruppe zugerechnet werden kann. Insofern scheint die konstatierte schmucklose Ausstattung, trotz der vielen Bedeutungszuschreibungen bezüglich seiner Relevanz als Festbericht, erklärbarer. Gleichsam fügt sich nun sinnvoll das Argument ein, dass „zu diesem Zeitpunkt der Buchdruck, anders als in Deutschland, Italien oder im übrigen Frankreich (bis auf Lyon), gerade in Paris durch das Verständnis des Hofes, geschützt durch weitgehende Privilegien und handwerkliche Ordnungen [...] zur höchsten Blüte (gelangte)“1135

und hier eigentlich das Buchgewerbe „im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts [...] zu hoher Vollendung“1136 gelangte, also zunächst nicht von technischem Unvermögen auszugehen ist. Eine Analyse der Vorreden1137 wird weitere Hinweise geben, ob eine solche Zuordnung sich nachhaltig vertreten lässt und wie diese möglicherweise zu bewerten ist.

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik II.3.1.

Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

Die Untersuchung von Buchzuschriften und Vorreden aus dem 16. Jahrhundert ist in den letzten zehn Jahren deutlich intensiver geworden.1138 Eine der wenigen 1135 1136

1137

1138

Lange 1951, a.a.O., S. 84. Widmann, Hans: Geschichte des Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart. Die Entwicklung in Umrissen auf Grund der Darstellung von Ernst Kuhnert. Wiesbaden 1952, S. 58. ‚Vorrede‛ wird im Folgenden als Oberbegriff für alle Texte, die auf den ersten Seiten der jeweiligen Publikation erscheinen, verwendet; Widmungen sind hierbei Vorreden, die sich an einen namentlich genannten Adressaten wenden und die somit eine Untergruppe der Vorreden darstellen, hier nach: Vogel 1999, a.a.O, S. 7, Anm. 26. Siehe z. B. die literaturwissenschaftliche Studie: Moennighoff, Burkhard: Die Kunst des literarischen Schenkens. Über einige Widmungsregeln im barocken Buch. In: Die Pluralisierung des Paratextes in der Frühen Neuzeit : Theorie, Formen, Funktionen. Hg. v. Frieder von Ammon, Herfried Vögel. Berlin 2008, S. 337–352. Und: Schramm, Gabriele: Widmung, Leser und Drama. Untersuchungen zu Form- und Funktionswandel der Buchwidmung im 17. und 18. Jahrhundert. Hamburg 2003. Siehe auch: Quetin, Laurine (Hg.): La destination de l'oeuvre ou l'oeuvre addressee. Tagungsband Juli 2007 (Montpellier. Univ. François Rabelais). Tours 2008. Für die Musikwissenschaft z. B.: Bossuyt, Ignace (Hg.).: ‚Cui dono lepidum novum libellum?‛: dedicating Latin works and motets in the sixteenth century; proceedings of the International conference held at the Academia Belgica, Rome, 18 – 20 August 2005. Leuven 2008.

3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

247

älteren Studien stellt die Untersuchung von Karl Schottenloher mit der Analyse von etwa 390 lateinischsprachigen Widmungen für die Zeit von 1501–1585 dar.1139 Schottenloher nutzt hier die Widmungen allerdings als Aussagen über reale Beziehungen und berücksichtigt keine möglichen Topoi. Diese Überlegung griff Wolfgang Leiner auf, als er die literarischen Widmungsbriefe in französischer Sprache für den Zeitraum 1580–1715 untersuchte1140 und versuchte, die „idealtypische Widmung“ herauszustellen. Erst mit der umfassenden Arbeit von Sabine Vogel über die Lyoner Drucke liegt jedoch eine Studie vor, die auch sozial- und kulturgeschichtliche Fragen in den Mittelpunkt rückt. In ihrer Untersuchung stellt Vogel in Anknüpfung an die älteren Studien heraus, dass es sich bei dieser Quellengattung um „trügerische Texte“1141 handele, die vornehmlich in ihrer Eigenschaft als Werbetexte, um Leser zu gewinnen, verstanden werden müssen. Darüber hinaus präzisiert sie allerdings die deutliche Ambivalenz dieser Texte. Die Schwierigkeit der Analyse von Widmungen liege nämlich einerseits im häufigen Gebrauch von feststehenden Wendungen, die den Eindruck vermitteln, dass es sich nicht um individuelle Texte handele. Gleichzeitig könnten sich allerdings in einem häufig verwendeten eloquenten und lebhaften Stil durchaus persönliche Äußerungen des jeweiligen Autors offenbaren. Sabine Vogel kommt zu dem Schluss, dass die Quellennützlichkeit von Vorreden doppelwertig sei: Einerseits wurden diese nach feststehenden Mustern verfasst, wobei es sich jedoch um vieldeutige Muster handelte, so dass sie gleichsam der Konventionsbestätigung wie -durchbrechung dienen konnten. Grundsätzlich sind sie mit quellenkritischer Vorsicht zu lesen und ihre Bedeutungsnuancen offenbaren sich erst, wenn ein Vergleich unterschiedlicher Widmungstexte angestellt wird.

II.3.1.1.

Die Widmungsvorreden

Finden sich Buchwidmungen grundsätzlich vermehrt seit dem 14./15. Jahrhundert, stellt gerade die Epoche zwischen 1580 und 1715 eine ‚Blütezeit‛ der Produktion von Widmungsbriefen dar.1142 So sind nicht alle, aber dennoch viele Bücher mit Widmungen ausgestattet. Wolfgang Leiner gibt ihre Zahl für die Zeit

1139 1140 1141 1142

Siehe Schottenloher, Karl: Die Widmungsvorrede im Buch des 16. Jahrhunderts. Münster 1952. Siehe Leiner, Wolfgang: Der Widmungsbrief in der französischen Literatur (1580 – 1715). Heidelberg 1965. Vogel 1999, a.a.O., S. 13. Siehe Leiner 1965, a.a.O., S. 25.

248

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

vor 1661 mit 77 % an, im Unterschied zu darauffolgenden Jahren, in welchen diese nur noch in 57 % der Buchveröffentlichungen nachzuweisen sind.1143 Die bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts zunächst in Italien geäußerte Kritik bezüglich der Qualität der Texte1144 und deren ‚Dekadenz‛ findet in Giovanni Frattas Werk über das Problem der Dedicatione de’ Libri con la correzion dell’Abuso in questa materia introdotto (1590) ihren Ausdruck. Auch wenn in Frankreich solche Kritik erst später formuliert wird, zeigt sich auch in den Widmungstexten der 1580er Jahre die Schwierigkeit der stilsicheren Abfassung dieser, zunächst primär formalisierten Schreiben. Widmungsvorreden sind durch ein hohes Maß an Ritualisierungen gekennzeichnet, die Cherumbim als „rituell formalisierte Handlungen“1145 begreift. Hiermit bezeichnet er „Realisierungen von Handlungsplänen, die nicht mehr vom Einzelnen jeweils aktuell entworfen und situativ flexibel umgesetzt werden, sondern sie verdanken sich Vorgaben, die als Erfahrungen einer vorgängigen Praxis verfestigt und an bestimmte Organisationsformen (Institutionen) des sozialen Zusammenlebens gebunden wurden.“1146

Diese machen sich nicht nur bei stark vorbestimmten sprachlichen Handlungen wie die des ‚Grüßens‛ oder ‚Bittens‛ bemerkbar, sondern ebenso bei der stilistischen Gestaltung der Texte. So lassen sich kaum variable Elemente ausmachen, die besonders deutlich der Erstarrung und Desemantisierung ausgesetzt sind, da in ihnen tradierte Techniken zur Erfüllung von Normen zum Einsatz kommen, weil diese an bestimmte Kommunikationssituationen mit ebenso bestimmten sozialen Konstellationen gebunden sind. Solche mehr oder weniger gesteuerten Handlungsabläufe können auch als indexikalische Zeichen für bestimmte soziale Situationen und gesellschaftliche Werte verstanden werden, so Cherubim.1147 Widmungsvorreden scheinen also besonders stark für ritualisierte Formalisierungen prädestiniert zu sein, da dort in der direkten Anrede einer, im Vergleich zum Autor in der Regel sozial stets höher gestellten Person eine ausgeprägte Adressatenorientiertheit zu beobachten ist.1148 In der Leservorrede sind diese hingegen 1143 1144

1145

1146 1147 1148

Siehe ebda., S. 27. So weist Leiner darauf hin, dass „während bis zur Mitte des 17.Jh. und auch noch unmittelbar nach 1650 der Widmungsbrief allgemein als notwendiges Zubehör gilt, die Widmungssitte als ein guter und lobenswerter Brauch gepflegt wird, [...], melden sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts immer häufiger Stimmen zu Wort, die den Widmungsbrauch heftig kritisieren.“Aus: Leiner 1965, a.a.O., S. 28. Cherubim, Dieter: Rituell formalisierte Syntax in Texten des 16. und 19. Jahrhunderts. In: Neuere Methoden der historischen Syntaxforschung. Referate der Internationalen Konferenz Eichstätt 1989. Hg. v. Anne Betten. Tübingen 1990, S. 269–285, hier S. 271f. Ebda. Ebda., S. 277. In diesem Sinn argumentiert auch Leiner, wenn er ausführt: „Angesichts der Fülle der Buchzuschriften ist die Zahl der Widmungen, die den Willen der Autoren widerspiegeln,

3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

249

zugunsten einer stärkeren Sachorientiertheit zurückgenommen. Im Unterschied zu Cherubim und auch zu Leiner zeigte Sabine Vogel allerdings, dass sich der Widmungsbrief im 16. Jahrhundert von der persönlichen Widmung des Kopisten eines Manuskriptes an dessen zukünftige Besitzer zur formalisierten Widmung an einen Mäzen, wie im 17. Jahrhundert üblich, erst hin entwickelt habe, so dass „knapp 100 Jahre keine strengen Konventionen für das Verfassen von Widmungstexten“ galten.1149 „Es stand dem Verfasser frei, sich an die bestehenden Regeln etwa der mittelalterlichen artes dictaminis zu halten oder neue Traditionen zu begründen. Vorreden des 16. Jahrhunderts haben die Form, die ihnen der jeweilige ‚Vorredner‛ geben wollte.“1150

Sie führt weiter aus, dass sich jene Widmungen, die sich an einen bestimmten Adressaten wenden, von Vorreden, die sich unspezifisch an alle Leser richten, weniger formal und inhaltlich unterscheiden, als dies zu erwarten sei; ausschlaggebender sei ihre exponierte Stelle auf den ersten Seiten des Werkes überhaupt.1151 Vorliegend eröffnet sich so ein spannendes Feld, im großen sprachlich dargebotenen Fundus an rhetorischen Mittel und Topoi Erkenntnis leitende Strukturen auszumachen. So soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern es sich bei den Vorreden des gedruckten balets comique um ritualisierte Formalisierungen auf der einen und einer dann genauer zu beschreibenden Sachorientierung auf der anderen Seite handelt wie sich dieses Verhältnis gestaltet und, ob sich gar individualisiertere Züge ausmachen lassen. Auch die Frage nach dem potenziellen Leser, dem amy lecteur1152, wird zu stellen sein. Neben den explizit formulierten Ansprüchen, die der Vorredenautor an seine Leser stellte, könnten diese Texte Annahmen über den idealen Leser und dessen Fähigkeiten und Interessen implizieren.1153

1149 1150 1151 1152 1153

eine persönliche Form der Zueignung zu finden, allerdings sehr gering. Die meisten Verfasser folgen dem allgemein üblichen Brauch und überreichen ihre Gabe mit einem Widmungsbrief.“ Wie die Eidesformel zum Schwur, so habe der formelhafte Widmungsbrief zum Widmungszeremoniell gehört. Das „eigengesetzliche, feststrukturierte Genre“ drängt sich den Widmungsschreibern als „bequeme und starre Schablone zugleich auf.“ Aus: Leiner 1965, a.a.O., S. 36f. Siehe Vogel 1999, a.a.O., S. 8. Ebda. Siehe ebda. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., o.S. (S. 9). Siehe Vogel 1999, a.a.O., S. 8, hier Anm. 29.

250

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

In der Widmung1154, die sich an Henri III. richtet, wird das Idealbild eines Fürsten1155 entworfen: Henri wird, mit Berufung auf Ronsard und Dorat1156, hier als „Kriegsheld wie Musenfreund“ gepriesen.1157 Die hohe soziale Stellung des Adressaten zeigt sich bereits daran, dass besonders große Schrifttypen in Antiqua gewählt wurden, die dem Schriftbild des Fließtextes in der Größe zwar angepasst, aber in Versalienform in der gesamten Widmungsvorrede mehrfach zu finden sind („SIRE“), und somit als ‚Index‛ der gesellschaftlichen Bedeutung des Potentaten dienen. Der Umstand, dass nur noch eine einzige weitere Zeile, nämlich der Name des Werkes auf dem Titelblatt, fast unmerklich etwas größer und innerhalb des Werkes ebenso groß wie die Anrede des Potentaten gedruckt ist, verweist auf die Bedeutung, die man der Betitelung und damit dessen Werk zukommen lässt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass in den sich der Widmungsvorrede anschließenden Lobpreisungen von Claude Billard1158, Auguste Costé und Volusian die Versalienschreibweise in Bezug auf den Autor Beaujoyeulx selbst ebenfalls angewendet wird. Diese Hervorhebung des Verfassers wird noch dadurch unterstrichen, dass es im Gesamten lediglich zwei Texte gibt, die sich an den Adressaten Henri III. direkt wenden, nämlich die Widmungsvorrede sowie eine gleich im Anschluss an diese abgedruckte Ode von Alexander Pogoesaeus. Dieser ist der einzige in lateinischer Sprache verfasste Text, somit aller1154

1155 1156

1157 1158

Siehe hierzu auch den sprachhistorischen Bedeutungswandel und Gebrauch des Wortfeldes um dédicace: Das aus dem Lateinischen stammende Wort meint in der französischen Sprache die Handlung, mit der ein Gegenstand einer Person einer anderen übereignet wird. Im lateinischen Gebrauch fand es sich häufig in Verbindung mit der antiken Tempel- bzw. der Theatereinweihung: dedicatio aedis, dedicatio theatri. Bereits seit augusteischer Zeit ist die metaphorische Verwendung des Begriffes zur Benennung des Aktes einer Buchzuschrift nachzuweisen, so Wolfgang Leiner. Im 16. Jahrhundert ist dann der Begriff der dédication belegt, wobei es sich um ein Wort handelt, das als ‚Neu-Schöpfung‛ (Leiner) der Literaten, die sich vermehrt mit der lateinischen Literatur beschäftigen und nicht als Nachfolger des altfranzösischen dédicacion einzuordnen ist. Bemerkenswert ist, dass mit der ausklingenden Epoche der Plejade das Wort allerdings wieder verschwindet, um der dédicace das Feld zu räumen, welches die französische Sprache heute noch kennt. Darüber hinaus wird im 16. Jahrhundert das Wort dédicatoire zur näheren Bestimmung eines Briefes mit Widmungsformel und daher nur in Verbindung mit lettre oder épître genutzt. Erst seit dem 17. Jahrhundert findet sich der Begriff zur Bezeichnung des Widmungsschreibers selbst. Wolfgang Leiner schließt hieraus, dass der Widmungsschreiber im 17. Jahrhundert „regelrecht zu einem sozialen Phänomen“ geworden sei. Siehe Leiner 1965, a.a.O., S. 16. Siehe hierzu auch Ley 1998, a.a.O., S. 310, hier Anm. 64. Vgl. hierzu Jean Dorats Ephithalamium ou chant nuptial sur le tres-heureux et tres-ioyeux Mariage de Anne duc de Joyeuse et Marie de Lorraine, hier in: Müller 1993, a.a.O., S. 35. Damit weist bereits das Vorwort an Henri III. einen deutlichen Bezug zu Dorat (und seinen Schülern) auf. Ley 1998, a.a.O., S. 311. Claude Billard (auch Bilhard) (gegen 1560–1618), sieur de Courgenay. Er war Sekretär von Marguerite de Valois und Mitglied des literarischen Zirkels um die Catherine de Retz, der er seine Tragedies françoises (1610) widmete. Zu seiner Einbindung in den Kreis um Catherine de Retz siehe: Winn, Rouget 2004, a.a.O., S. 191, hier Anm. 1.

3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

251

dings auch im 16. Jahrhundert als einziger über die französischen Sprachgrenzen hinaus sicher rezipierbare Text. Es ist hingegen der Autor selbst, dem mit drei Lobpreisungen die größte Anzahl an Widmungstexten zugeeignet ist. In Bezug auf seine Semantik ist dem Widmungstext an den König zu entnehmen, dass es sich um einen sehr dichten Text handelt, da nahezu jeder Abschnitt oder auch gar Satz vorverweisende oder rückverweisende Signale anzeigt. Es ist somit unwahrscheinlich, dass der Autor bei der Abfassung lediglich parzellierte Versatzstücke zusammengestellt hat. Auch betont Anita Traninger, in diesem Zusammenhang, dass „der gängigen Vorstellung von Submissivität und Opportunismus der frühneuzeitlichen Gelegenheitslyriker [.] die Auffassung gegenüber (steht), dass Panegyrik immer auch Anpruch an und Gebot für den Adressaten ist.“ 1159

Vom Verfasser aus betrachtet gehört das Abfassen des Herrscherlobs, gerade im Verständnis um das ‚gottgegebene‛ Wesen des Regierenden, wesentlich zu seinen Aufgaben: „The praise of the prince was a central branch of early modern (as of classical) rhetoric and presents the artist with one of his most important tasks. […] Praise of the prince, [.], is only one step below praise of God and just as much as duty.“1160

Die sprachlich-stilistische Genauigkeit, die in der enkomiastischen Widmungsvorrede des balets comique zu erkennen ist, verweist in Teilen bereits auf das anschließend beschriebene Festereignis, zielt jedoch teilweise, gerade im Subtext, auch weit darüber hinaus. Besonders im Unterschied zu der sich u. a. anschließenden Leservorrede ist es dienlich, die einzelnen Widmungen hinsichtlich ihrer Struktur und inhaltlichen Aussagen in den Blick zu nehmen. Um die hieraus gewonnenen Beobachtungen verifizieren zu können, sollen diese mehrfach kontextualisiert werden. Zum einen sollen Aufzeichnungen über das 1573er balet des polonais1161, für das sich Beaujoyeulx am Valois-Hof sehr wahrscheinlich schon verantwortlich1162 zeigte und welches von Jean Dorat (1508–1588) verfasst wur1159 1160 1161

1162

Traninger, Anita: Domänen des Gedächtnisses. Das Scheitern der Mnemotechnik an der memoria des absoluten Herrschers. In: Berns, Neuber 2000, a.a.O., S. 37–51, hier S. 37. Watanabe-O’Kelly 2004, a.a.O., S. 10. Dorat 1573, a.a.O., auch in Ruegger 1995; dieses balet wurde erst später balet des polonais genannt, da es eben zu Ehren der polnischen Gesandten aufgeführt wurde, die Henri d’Anjou, den späteren Henri III. als ihren König besuchen wollten. Beaujoyeulx’ erster königlicher Auftrag war möglicherweise das Paradis d’Amour, ein ballet zu Ehren der Hochzeit der Marguerite de Valois mit Henri von Navarra im August 1572. Über dieses ballet ist jedoch kaum etwas bekannt. Simon Goulart schrieb in den Mémoires de l’estat de France sous Charles IX, dass im Mittelpunkt ein choreographierter Kampf stand, in welchem die adeligen Protestanten die Rollen der Teufel, während die katholischen Adeli-

252

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

de, hinzugezogen werden. Darüber hinaus soll, ob der italienischen Herkunft des Autors Beaujoyeulx, ein italienisches Tanztraktat, nahezu zeitgleich geschrieben im Oktober 1581 von Fabritio Caroso1163, z. T. vergleichend herangezogen werden. In der vorliegenden Widmungsvorrede sind deutliche Parallelen zu normativ festgesetzten; humanistisch geprägten Briefen feststellbar, in welchen die soziale Stellung des Adressaten und der soziale Bezug des Schreibers zu ihm nicht nur die Titulatur und Subskription regeln, sondern auch die sprachliche Gestaltung des Textes hierdurch stark beeinflusst wird.1164 So empfahl der Verfasser des Tractatus de conscribendis epistolis, Konrad Celtis, einer der weit verbreitetsten frühneuzeitlichen Briefsteller, dass der formgerechte Brief aus fünf Teilen bestehen solle: Der Begrüßungsvorrede (Prooemium) sollte die Vorbereitung (Causa) folgen, welcher sich der Hauptteil des Briefes anschließen sollte, nämlich die Darlegung des Anliegens (Expositio), deren Inhalt in der nochmaligen Zusammenfassung der wichtigsten Punkte (Enumeratio) vor der endgültigen Beschließung des Briefes durch die Schlussformel (Charakter) folgen sollte.1165 Vogel geht davon aus, dass die an Mäzene gerichteten Widmungsbriefe den Konventionen für humanistische Freundschaftsbriefe folgten, jedoch noch in höherem Maße formalisierter als die Humanistenbriefe1166: „Sie waren gedruckter Bestandteil eines Buches und für die Veröffentlichung geschrieben, sie eigneten sich daher kaum, eine individuelle Beziehung zwischen Autor und Mäzen zu rekonstruieren. Vielmehr geben sie Hinweise, welchen Konventionen die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Autor und Mäzen folgte.“1167

1163

1164 1165

1166 1167

gen die Rollen der Engel spielten. Hier nach: McGowan: Beaujoyeulx. In: International encyclopedia of dance : a project of Dance Perspectives Foundation. Hg .v.Selma Jeanne Cohen u.a. New York 1998, S. 397–398. Caroso, (Marco) Fabritio (Fabritio Caroso da Sermoneta): Il Ballarino. Diuiso in due trattati; nel primo de’quali si dimostra la diuersità de i nomi, che si danno à gli atti & mouimenti, che interuengono ne i Ball, & con molte Regole si dichiara con quali creanze, & in che modo debbano farsi. Nel secondo s’insegnano diuerse sorti di Balli, & Balletti si all’usi d’Italia, come à quello di Francia, & Spagna. Venedig 1581 und 1600. ND in: erw. Aufl. unter dem Titel: Nobilità di Dame. Venedig 1605 (auch Bologna 1970) und erw. Aufl. unter dem Titel: Raccolta di varij Balli. Venedig 1630. Hierzu Müller, Wolfgang: Topik des Stilbegriffs. Zur Geschichte des Stilverständnisses von der Antike bis zur Gegenwart. Darmstadt 1981, S. 59f. Siehe Treml, Christine: Humanistische Gemeinschaftsbildung: Soziokulturelle Untersuchungen zur Entstehung eines neuen Gelehrtenstandes in der frühen Neuzeit. Hildesheim 1989, hier S. 78. Siehe Vogel, a.a.O., S. 40. Ebda.

3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

253

Es gehörte zum guten Ton, den Mäzen für sein Mäzenatentum zu preisen; und ihn vor allen Lesern einen Freund der Musen zu nennen. So auch Beaujoyeulx, wenn er schreibt: „Sir, während Sie die Verwaltung des französischen Reiches geführt haben, haben Sie die beiden Höhepunkte der Perfektion allen menschlichen Handelns erreicht: das Nützliche und das Angenehme. Es scheint daher vernünftig, dass ihre Verdienste der ein und der anderen Art zelebriert werden sollen. [...] Was das Angenehme angeht, gewusst zu haben, die(se) kriegerische Neigung zu temperieren, von aufrechten Vergnügungen, exquisiten Zeitvertreiben, und von Erholung, wunderbar in ihrer Vielfalt, unnachahmlich in ihrer Schönheit, unvergleichbar in ihrer köstlichen Neuheit (und), man wird mir verzeihen, wenn ich behaupte, dass sie weder einen Vorgänger gehabt haben, noch, wie ich glaube, einen Nachfolger haben werden. “1168

Dramatisch schildert der Autor weiter, dass, hätte er selbst sich dieses Anliegens nicht angenommen „diese heroischen Taten“ „von den Zähnen des Vergessens“ verschlungen worden wären1169 und, bemühe sich der König – hier wird Beaujoyeulx fordernd in eigener Sache – nicht um eine „histoire fameuse“, würden die benannten Taten „zu ihrer ursprünglichen Verdunkelung und Unbekanntheit“ zurückkehren, würden sie nicht „durch den Diskurs (hier wahrscheinlich: mündliche Rede. A.W.) und die Schrift der Erinnerung anvertraut werden.“1170 Die Unterwürfigkeit signalisierende Formulierung entspricht dem Verhältnis König – Untertan, zeigt jedoch gleichermaßen wie Beaujoyeulx selber nicht damit spart, auf die Wichtigkeit der eigenen Tätigkeit, devot, aber deutlich, hinzuweisen. Es wird somit deutlich, dass die Widmung an den König neben formalisierten, kommunikativen Funktionen auch der konkreteren Selbstdarstellung dient und insofern zwar nicht Ausdruck persönlicher Beziehung zum Mäzen, aber eine stilisierte Form der Kontaktpflege darstellt.1171 Dies geschieht im Text besonders mit Formeln, mit denen die Gunst des Adressaten gewonnen werden soll. Das Lob als handlungssteuerndes Moment hatte bereits Erasmus empfohlen: „Das Lob der Person ist nützlich, wenn man sie zu etwas auffordern will.“1172 Vice versa empfahl er eine bescheidenere Haltung für den jeweiligen Autor: „An sich 1168 1169 1170 1171

1172

Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 3 dort im französischen Original (meine Übersetzung. A.W.). Ebda., S. 5. Zitate hier aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 4. Die Illustration der Widmung an den König ist nicht besonders aufwändig gestaltet: Über der Widmung „Au Roy“ (a.ij.') ist ein dicker Rollwerk-Balken, ein kleinerer über „au Lecteur“ (e.iij.) zu finden. Zwischen den einzelnen Widmungen an den Autor Beaujoyeulx sind schmale Ornamentbalken eingefügt. Es finden sich also keine „larges bordures d’encadrement“, wie häufig in Büchern dieses Jahrhunderts anzutreffen. Siehe hierzu Lieure 1927, a.a.O., hier S. 9. Erasmus: De conscribendis, de exhortatio, opera omnia desiderii Roterodami. Bd. 1. ND der Ausg. Bryling 1567. Amsterdam 1971, S. 323.

254

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

selbst wird man tatsächlich vorhandene Vorzüge abschwächen, dafür aber die eigene Einstellung, Strebsamkeit und Liebe zum Werthaften herausstellen.“1173 Das Lob galt derart konstruiert offensichtlich nicht als eigennützig. „Ähnlichkeit im Wesen stiftet Freundschaft“1174, nennt Erasmus diesen Kniff, mit dem die scheinbare Überlegenheit des Adressaten nivelliert wurde. Das bereits beobachtete Muster, den Mäzen als Förderer der Musen auszuweisen, erfährt auch im Fortgang der Widmungen deutliche Anwendung auf den Autor selbst. So findet sich im ersten der drei Widmungsschreiben an Beaujoyeulx, formuliert von Auguste Costé, und damit wiederum einem Mitglied der Gelehrtengemeinschaft, folgende, nochmals zu zitierende Formulierung: „Beaujoxeux, der du als erster aus der Asche Griechenlands die Absicht und die Anmut des geregelten Tanzes (mesurée balet. A.W.) wieder ans Tageslicht bringst, der du durch einen göttlichen Geist selbst ausgezeichnet bist, Geometer, Einfallsreicher, Einzigartiger in deiner Wissenschaft: Wenn nichts Ehre verdient, so ist doch deine Ehre gesichert. […] Nachahmer des Archimedes, indem du mit dem Gebrauch die Züge deines Wissens verbindest, das dem Archimedes nur ein Gewitter lang dauert, aber dir eine bessere Zeit ohne Krieg und Furcht? “1175

Hier wird die Gemeinschaft derjenigen, die sich für das Wiederaufleben der antiken Traditionen eingesetzt haben, deutlich beschworen; der Adressat als ein gebildeter angesprochen. Die im Vorwort des balets abgedruckten Lobpreisungen sind somit auch als Ausdruck der Wertschätzung anderer intellektuell geschätzter Künstler zu sehen.1176 Dies wird in der Belobigung des Autors in den sich an Costés Widmung anschließenden Versen von Volusian noch deutlicher: „Dein Geist, mein lieber Beaujoyeux, der so fröhlich ist wie er schön ist, macht durch eine neue Erfindung (invention nouvelle. A.W.) Erde und Himmel Vergnügen. Von der groben

1173 1174 1175

1176

Erasmus 1971, a.a.O., S. 173. Ebda., S. 289. „Beaujoyeux, qui, premier, des cendres de la Grece, fais retourner au jour le dessein et l’adresse du Balet compassé en son tour mesuré, Qui, d’un esprit divin, toy-mesme te devance, Geometre, inventif, unique en ta science: Si rien d’honneur s’acquiert, le tien est assuré. […] Parangon d’Archimede, à joindre avec l’usage / les traits de ton sçavoir, luy Durant un orage, / Mais toy d’un temps meilleur hors de guerre et d’effroy?“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. c.j. Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 9 (meine Übersetzung. A.W.). Eine vergleichbare Funktion der Lobpreisungen beschreibt Phillip Zitzlsperger, wenn er Dürers Aufstieg vom Künstler zum ‚Ehrenmann‛und Mitglied des Großen Rates der Stadt Nürnberg schildert. Siehe Zitzlsperger 2008, a.a.O., S. 56. Zu den Widmungsvorreden an und über Beaujoyeulx siehe das Kapitel I.3.1.1. dieser Arbeit.

3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

255

und vulgären Masse setzt du dich durch dein gutes und besonnenes Urteil (par ton bon & saint iugement. A.W.) wohltuend (doucement. A.W.) ab: Nicht jeder kann dies tun!“1177

Sich gegenüber Widersachern zu profilieren war gleichermaßen ein Mittel, die Zugehörigkeit zu einer gedachten Gelehrtengemeinschaften zu demonstrieren: Der scheinbare Zusammenhalt des Musenstaates diente somit gleichermaßen der Abgrenzung von Außenstehenden. Auch Erasmus hatte empfohlen, in brieflichen Aufwartungen auf Widersacher hinzuweisen, mit denen sich der Briefautor hatte auseinandersetzen müssen, um die Ehre des Adressaten zu verteidigen.1178 So auch Beaujoyeulx, wenn er schreibt: „Denn ich selbst bin unwissend in Bezug auf die Gesetze, ich wüsste aber wohl diejenigen zu finden, welche des Plagiats zu überführen wären, falls jemand zum Dieb meiner eigenen Erfindungen würde, welche (die Erfindungen. A.W.) ich immer noch als sehr lobenswert erachte, da sie der größten Königin der Welt gefallen haben.“1179

Volusian bestätigt ihn und bekräftigt diese Sicht, wenn er sagt: „Kein neidischer Mensch könnte dein perfektes und dein großes Werk schmälern. Du hast keinen Grund zum Hohn oder Spott gegeben, weder den Gelehrten noch den Ungebildeten. Aber dadurch, dass du (dein Werk) durch Malerei mit der Natur verwoben hast, zeigte dein Werk selbst, dass die Kunst die Natur übertroffen hat.“1180

Und weiter: „Durch deinen bewundernswerten Geist machst du die Nacht zum Tag und aus dem Winter einen dauerhaften Frühling.“1181 Zudem erweist auch Volusian dem eingangs gehuldigten königlichen Mäzen seine Achtung, stets unter 1177

1178 1179

1180

1181

„La tienne, mon cher Beaujoyeux, / Autant joyeuse comme belle, / Par une invention nouvelle / Resjouit la terre et les cieux; / Du rude et du grossier vulgaire, / Par ton bon et sain jugement: / Chascun ainsi ne le peut faire.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. e.ij. Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 11 (meine Übersetzung. A.W.). Vogel 1999, a.a.O., S. 42/43. „Car moy-mesme, qui suis ignorant des loix, scaurois bien rechercher celles qui ont esté introduictes contre les plagiaires, si quelqu’un vouloit estre larron de mes propres inventions, lesquelles j’estimeray tousjours m’estre tres-honorables, puisqu’elles ont pleu à la plus grande Royne du monde.“ Hier zitiert nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 21f. (Meine Übersetzung. A.W. Mit Dank an Ch. Breithecker für die Übersetzungshilfe). Zum hier möglicherweise angedeuteten Vorwurf des Plagiats seitens d’Aubigné siehe Kapitel I.3.1. dieser Arbeit. „De ton labeur parfait et grand, / L’envieux ne sçauroit mesdire, / Car tu n’as appresté à rire / Au docte ny à l’ignorant; / Mais par les traits de la peinture / Conjoints à ceux du naturel, / Ton ouvrage s’est monster tel / Que l’art a surmonté nature.“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 12. (meine Übersetzung. A.W.) „Par ton esprit si admirable, / de la nuict tu fais un beau jour, / De l’hyver qui regne à son tour / Un printemps du tout variable.“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 12. (meine Übersetzung. A.W.).

256

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Zurechnung des Autors zur ‚Gelehrtengemeinschaft‛, wenn er sagt: „Man konstruiert große Dinge durch einen klugen und perfekten Geist. Solcherlei Früchte werden selten verkauft. Er, welche sie gekauft hat, kann sich glücklich schätzen.“1182 Gleichzeitig gibt ihm der freundschaftlich Zugewandte – man vergleiche auch die Anrede bei Costé und Volusian mit dem Pronomen „Du“ – einen entscheidenden Hinweis: „Den Preis, welchen man einem tugendhaften Mann gibt, für einen solch achtbaren Austausch, ist das Gold des hohen Lobes, welches du verdienst. Eine noble Seele zieht immer die Ehre dem Profit vor. Mögest du als deinen Lohn diesen Schatz haben, welcher mehr göttlich, denn menschlich ist.“1183

Und mit dem einzigen italienischen und damit für Beaujoyeulx muttersprachlichen Zitat schließt Volusian: „Alla gran virtù non si puo dare altro premio che la gloria e la laude.“1184 Den Mäzen als gebildeten Leser zu präsentieren war das Ziel der Widmung, unabhängig davon, wieviel er wirklich las – oder verstand. Schließlich vermochte es der gedruckte Lobbrief auch, den Ruhm des Buchpaten in alle Teile des Landes zu befördern.1185 Gleichzeitig gibt der Schreiber in der Art, wie er diese Kommunikation beherrscht, ein Bravourstück der eigenen Bildung. Herausgeber und Mäzen sind somit Teil eines idealen Bildes der gelehrten Welt.1186 Wie verhält sich nun zu dieser ‚gelehrten Welt‛ der sich immer noch konsolidierende Berufsstand, dem Beaujoyeulx angehört oder zugehörig erscheinen will? Wie zu zeigen sein wird, adaptiert Beaujoyeulx in der Gestaltung seines Druckwerkes italienische Tanztraktate, also Schriften zum Tanz, über den Tanz und 1182

1183

1184 1185 1186

„D’une âme prudente et parfaitte / L’on parfait ce qui est de grand; / Mais tel fruit rarement se vend: / Bien-heureux celuy qui l’achette.“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 12. (meine Übersetzung. A.W.). „Le prix qu’on donne au vertueux / Pour uns i digne contreschange, / C’est l’or d’une sainte louange / Que tu merites, Beaujoyeux. / Un genereux tousjours prefere / L’honneur au profit et au gain: / Ce thresor plus divin qu’humain / puisses-tu avoir pour salaire.“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 13.(meine Übersetzung. A.W.) Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. e.ii.j. So sind die Lateinkenntnisse Henris III. nicht gesichert. Siehe Bestätigung bei Vogel, für ihre Untersuchung, dies, a.a.O., S. 47; Claude Billard lobt, wie gezeigt, Beaujoyeulx für seinen Einfallsreichtum, aber vor allem für seine Wissenschaftlichkeit bzw. Gelehrsamkeit. In den sich anschließenden Gedichten kommentieren Volusian und A. Costé die Neuigkeit und die unübliche Verflechtung von Musik, Tanz und Versen mit Vorbildern bei den alten Griechen. Beaujoyeulx selbst lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers in seinem Vorwort auch auf die zentrale Rolle, die der Tanz spiele: Der Tanz sei „a mixture of geometrical movements made from several people dancing together to different harmonies made by a diversity of musical instruments. […] Archimedes could not better understand geometric proportions than these princesses and ladies who practiced them so expertly in this ballet.“ Aus: McGowan 1998, a.a.O., S. 276.

3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

257

seiner sozialen Relevanz sowie Bewegungsfolgen beschreibende Traktate, die offensichtlich Vorbildcharakter genießen. Sollen diese Adaptionen den Verfasser des balets comique als Mitglied eines der Tanzprofession gewidmeten Berufsstandes ausweisen? Oder wollen diese Adaptionen gar darauf verweisen, dass die Anerkennung individueller Leistung auch als Leistung des Berufsstandes verstanden werden sollte? Wollten sich Tanzmeister als Mitglieder eines durchaus humanistisch gebildeten Berufsstandes verstanden wissen?1187 Zumindest scheint vom 16. Jahrhundert an dieser Berufsstand deutlich an Selbstbewusstsein gewonnen zu haben: So kennt auch das von Lutio Compasso verfasste, bereits 1560 veröffentlichte, florentinische Traktat Ballo della Gagliarda1188 zwar eine Widmungsvorrede, gefolgt von einer Leseransprache, weist aber lediglich ein kleines Sonetto als Lobpreisung an den Autor aus. Interessant ist es an dieser Stelle auch, auf das von dem Geistlichen Jehan Tabourot (1520–1595) unter dem Pseudonym Arbeau abgefasste und 1589 veröffentlichte Traktat Orchésographie einzugehen. Sein berühmtes Werk ist das einzige französische Tanzmanual, das aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bekannt ist.1189 Arbeau ist, wenn auch nicht in höfischen Diensten, auch ein Zeitgenosse von de Beaujoyeulx. Und darüber hinaus ist Jehan Tabourot der Onkel des Schreibers Éstienne Tabourot. Der nicht höfischen Kreisen gewidmete, sondern einem gehobenen Publikums an der Universität von Orléans zugedachte Text der Widmungsvorrede ist vom Drucker der Schrift, Jehan des Preyz, verfasst und „A maistre Guillaume Tabourot, filz de noble homme & sage maistre Estienne Tabourot, Conseillier du Roy nostre sire & son Procureur au Baillage de Dijon, sieur des Accordz“ gewidmet. Das etwas pikante Verhältnis zwischen (anonymisiertem) Verfasser und Guillaume Tabourot, der der Sohn seines Neffen ist, wird durch die Abfassung der Zueignungsschrift gekonnt überbrückt. Gleichzeitig findet, ganz im Sinne der Empfehlungen von Erasmus, das Lob des Verfassers unter Verzicht des Eigenlobs seinen Platz: 1187

1188 1189

Vgl. hierzu auch, dass bereits Domenico da Piacenza (auch: Domenico da Ferrara) in seinem um 1460 entstandenen Traktat De arte saltandi et choreas ducendi / De la arte di ballare et danzare seine Begrifflichkeiten der „humanistischen Gelehrtensprache“ entlehnt, wie „‚la virtú‛, ‚beleza‛, ‚fortuna‛, ‚intelecto‛, ‚prudentia‛ oder ‚arte liberale‛.“ Hier zit. nach: Salmen 1999, a.a.O., S. 83. Auch über den um 1430 geborenen Antonio Cornazano aus Piacenza führt Walter Salmen aus, dass Cornazano, der aus einer wohlhabenden Familie stammte, zu „einem humanistisch gebildeten und versierten Höfling (avancierte), der sich auch als Humanist, militärischer Berater und Politiker nützlich zu machen verstand.“ Aus: Salmen 1999, a.a.O., S. 85. Siehe Compasso, Lutio: Ballo della Gagliarda. Faksimile der Ausgabe Florenz 1560. Freiburg 1995, S. A.iy. Hier zit. nach der englischen Übersetzung: Evans, Mary S., Sutton, Julia: Arbeau, Thoinot. Orchesography. Engl. Übersetzung der Ausgabe Lengres 1588. New York 1967. Elektronische Ressource für die 1589er Ausgabe unter URL: http://www.graner.net/nicolas/arbeau/orcheso01.php (letzter Zugriff Juli 2010).

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

258

„I have printed them (these sheets. A.W.) in their entirety to offer you despite the fact that the said Sieur Arbeau forbade me to do so, saying that such things as he had scribbled merely to kill time did not merit printing, much less presentation to you. However, I believed that in taking this liberty I might have the good fortune to convey to you my warm desire to be of greater service. Your humble servant, Jehan des Preyz.“1190

Greift man beispielhaft das fast 140 Jahre später erschienene Werk Trattato del Ballo nobile (1728) des gebürtigen Franzosen Giambattista Dufort auf, der sich als einer der ersten Tanzpraktiker, hier wird vor allem Neapel als Wirkungsort genannt, für die auch jüngere Tanzgeschichte interessiert1191, zeigt sich, dass dieses nach der Widmungsvorrede gänzlich auf weitere Gedichte an den Potentaten verzichtet und stattdessen die Leseransprache direkt folgt, woran sich vier weitere an ihn selbst gerichtete Lobpreisungen anschließen. Es kann begründet vermutet werden, dass eine sukzessive Zunahme an beruflichem Selbstbewusstsein zu konstatieren ist, sicher ausgedrückt in einer immer autonomer werdenden Stellung des Schreibers zum jeweiligen Potentaten und zumindest für den untersuchten Zeitraum unter nahezu (stetiger) Vergrößerung des Anteils eigener Lobpreisungen.1192

II.3.1.2.

Die Vorrede an den Leser

„Die Gelehrtenrepublik, deren Verkehrssprache Latein war, war ein Staat ohne Ort, sie existierte nur in der Vorstellung der Beteiligten. Die Mitgliedschaft erwarb man durch das Verfassen von Briefen. [...] Das Interesse an Tugend und Studien war die grundlegende Eigenschaft der Bürger des Musenstaates, Freundschaft und Phililogie ihre wichtigsten Gesprächsthemen. Die Humanistenbriefe sollten die Gemeinschaft stiften. Dazu beschrieben, ja beschworen sie die Freundschaft, amicitia, von Schreiber und Empfänger.“1193

Dies erscheint ein interessanter Hinweis im Hinblick auf die von Beaujoyeulx gewählte Ansprache und Form der Leservorrede: Der Leser wird als amy lecteur angesprochen und zwar in Form eines Briefes. Beaujoyeulx eröffnet diese Ansprache, indem er auf das Neue seiner invention moderne hinweist:

1190 1191 1192

1193

Jehan des Preyz Vorwort in Arbeaus Orchésographie. Hier zit. nach Stewart-Evans, Sutton 1967, a.a.O., o.S. (S. 10). Siehe Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 5. Eine systematische Untersuchung der Vorreden italienischer wie französischer Tanzschriften wäre wünschenswert. Eine sehr umfangreiche Auflistung der Primärwerke für das 15. bis frühe 17. Jahrhundert findet sich in: Tucker McGinnis 2001, a.a.O., S. 394–399 (Appendix A). Vogel 1999, a.a.O., S. 23.

3.1. Anreden: Die Vorreden im balet comique von 1582

259

„Obwohl, Freund Leser, der Titel und die Inskription des Buches ungewöhnlich sind, und obwohl man nie zuvor ein Balet gedruckt gesehen hat, noch das Wort ‚Comique‛ hierfür verwendet worden ist, bitte ich dich weder das eine noch das andere als absonderlich zu erachten.“1194

Im Unterschied zu den vorab gedruckten Lobpreisungen an seine Person scheint der Verfasser hier jedoch bemüht, den Leser davon zu überzeugen, das Werk trotz dieses innovativen Charakters nicht vorab zu verurteilen. Diese Bitte wird im letzten Textdrittel nochmals wiederholt.1195 Der gedachte Leser erscheint somit innovationskritischer als die ‚Gelehrtengemeinschaft‛. Den Hinweis, er habe Musik und Dichtung miteinander mischen wollen, wobei er „[…] le premier tiltre et honneur à la dance, et le second à la substance, que j’ay inscrite Comique […]“ gegeben habe.1196 Selbstbewusst formuliert er, all den ästhetischen Ansprüchen genügt zu haben, wobei er mit der Metapher des „wohlgeformten Körpers“ zu spielen scheint : „[…] je puis dire avoir contenté en un corps bien proportionné l‚oeil, l‚oreille et l’entendement.“1197 Nachdem er nochmals die titelgebende Verknüpfung von balet und comique legitimiert, schließt er mit der Bitte um Annahme des Werkes durch den Leser, das er seinerseits zum Wohle des Lesers verfasst habe: „[…] je vous prie aussi ne vous effaroucher de ce nom. Et prendre le tout en aussi bonne part comme j’ay desire vous satisfaire pour mon regard.“1198Wer aber waren die gedachten, wer die möglichen Leser solcher Drucke? Die ‚reinen‛ Leser erscheinen im Wesentlichen als idealisierte Projektionen von Autoren und Verlegern. Gleichzeitig waren diese Leser allerdings auch reale Kunden der Buchproduzenten. Sabine Vogel macht interessanterweise hierzu eine neue Leserschicht in ihren Untersuchung aus: die bons esprits. Diese „werden als gebildete, neugierige Leser angesprochen, die sich zwar für das überlieferte, antike Wissen interessierten, die darüberhinaus mittelalterliche Traditionen ebenso einbezogen wie zeitgenössische naturwissenschaftliche Kenntnisse. [...] Die bons esprits (werden) als Träger eines neuen französischen Bildungskonzepts in den Prozeß des Kulturtransfers in der frühen Neuzeit eingeordnet.“1199

1194

1195

1196 1197 1198 1199

„Pour autant, amy Lecteur, que le tiltre et inscription de ce livre est sans exemple, et que l’on n’a point veu par cy-devant aucun Balet avoir esté imprimé, ny ce mot de Comique y ester adapté, je vous prieray de trouver ny l’un ny l’autre estrange;[…].“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 14 (meine Übersetzung. A.W.). „Vous priant que la nouveauté ou intitulation ne vous en fasse mal juger; car estant l’invention principalement composée de ces deux parties, […].“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 15. Hier zit. nach Lacroix 1968, a.a.O., S. 14. Hier zit. nach ebda. Hier zit. nach ebda., S. 15. Vogel 1999, a.a.O., S. 19.

260

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Möglicherweise gehörten zu diesen gebildeten Lesern die 120 secrétaires du roi ebenso wie die Beamten und Mitglieder des Hofes.1200 Umrissen wird hier eine Lesergruppe, die zwischen ‚Volksbildung‛ und ‚Gelehrtenbildung‛ steht und die vorführte, wie Bildung zum Vehikel sozialen Aufstiegs genutzt werden konnte.1201 Der Leservorrede folgt ein ganzseitiger Kupferstich mit Wappenblatt (Abb. 10), welches den Vorredenteil beschließt. Gabriele Müller beschreibt das Wappenblatt detailliert: „in der Mitte [...] ist eine Krone abgebildet, unter der sich ein Wappen befindet. Von der Krone ausgehend windet sich in regelmäßigen Schlingungen beidseitig eine Kordel um das Wappen und läuft im unteren Bilddrittel nach rechts und links jeweils zweiendig aus. In den beiden oberen und unteren Ecken des Bildes sind gleich vier Monogramme abgebildet, die jeweils von einer kleineren, der mittleren jedoch absolut gleichend, Krone überfangen werden […].“1202

Da das Wappen „couronné de France, entouré d’une cordelière“ ist, weist es damit einen direkten Bezug zum König auf.1203 Konkret zeigt das in der Mitte zweigeteilte Wappen links die Fleur de Lys des französischen Königreiches, rechts das Wappen des Hause Lothringens. Unter den Monogrammen, die man unter den vier Kronen zu erkennen glaubt, ist das H[enri] deutlich zu erkennen. Aus diesem scheinen gleichzeitig weitere Monogramme zu erwachsen, die wiederum miteinander verschränkt sind. Möglich wäre es, hierin die Majuskeln der Vornamen der Brautleute Anne de Batarnay, Duc de Joyeuse und Marguerite de Vaudémont-Lorraine zu erkennen.

1200

1201 1202 1203

Vogel geht bei dieser Gruppe von gebildeten Bürgern, die sich nicht als Gelehrte verstanden und zumeist in königlichen Verwaltungen tätig waren, aus. Diese verstanden z. B. das antikes literarische Erbe als ‚Lernmaterial‛ – sie strebten keine ursprüngliche Komplexität wie von humanistischen Gelehrten an. Sie lösten einzelne ‚Wissensfragmente‛ sozusagen heraus und brachten diese in eine neue Ordnung. Die diesem Bedarf des zeitgenössischen Lesers angepassten Werke zeugen vom Wandel der Bildung und Gelehrsamkeit. Die wichtigste Buchbesitzergruppe waren die königlichen und städtischen Angestellten. Siehe hierzu Vogel 1999, a.a.O., S. 272. Bereits George Huppert war um eine differenzierte Beschreibung der gebildeten Elite bemüht und macht die robins als Träger der „französischen Renaissancekultur“ aus, die er somit von der Kultur der humanistischen Gelehrten unterschied. Huppert, George: Les bourgeois gentilshommes. An essay on the definition of elites in Renaissance France. Chicago 1977, S. 84 ff. Siehe Vogel 1999, a.a.O., S. 269. Müller 1993, a.a.O., S. 34. Siehe Müller 1993, a.a.O., S. 35, hier Anm. 290.

3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

II.3.2.

Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

II.3.2.1.

Die Vorrede im balet des polonais von 1573

261

Zwischen dem 1582 erschienenen balet comique und der Publikation des balets des polonais im Sommer 1573, zeigen sich deutliche Unterschiede. Diese nur 23 Doppelseiten umfassende Beschreibung, ebenfalls in 4° und Antiqua abgefasst, wurde noch im selben Jahr von Jean Dorat verfasst. Bei dieser descriptio handelt es sich um eine vorwiegend in lateinischer Sprache verfasste Publikation, in ihrem Umfang jedoch nur ca. 1/3 so umfangreich wie die des balets comique. Dorat verfasste das Werk, primär bestehend aus rezitierten Versen, Oden oder Elegien in Hexa- und Pentametern, meist mit Bezug auf Ovid. Ergänzt werden diese mit Montis Nympharum descriptio und scenae descriptio, die den beweglichen Felsen und die Szenerie beschreiben. Wahrscheinlich eine der ersten detaillierten Beschreibungen von Choreographie1204, sicher aber eine Quelle für geometrisierten Tanz, findet sich dann im Chorea Nympharum1205: „Once the song was finished the dance began Of the Nymphs moving in certain ways like troops And their rhythmical gestures gave witness to their joy Which Henri grasped, reading them, in the way kings can. Now you would think you saw as many queens moving As Nymphs1206: they were proper slow to the point of graveness Now, so many Dolphins swimming in the heavenly waves They play: They quiver with such easy mobility They repeat many brief trajectories and many returns They blend a thousand flights with a thousand pauses of the feet Now they stitch through one another like bees by clasping hands Now they form a point like a flock of voiceless cranes. Now they draw close interwining with one another Creating an entangled hedge like a kind of bramble bush. 1204

1205

1206

So geht Mark Franko davon aus, dass es „[…] in fact, the single most revealing description that survives […]“ sei. Aus: Franko 1993, a.a.O., S. 21. Hier auch eine detaillierte Textausdeutung des ‚Tanzes der Nymphen‛: Franko 1993, a.a.o., S. 23–26. Auch Brantôme hat den Tanz der 16 Damen (4 x 4), die die Provinzen Frankreichs repräsentierten, beschrieben: sie „dansèrent leur ballet si bizarrement inventé et par tant de tours, contours et détours, d’entrelacements et mélanges, affrontements et arrêts, qu’aucune dame ne faillit jamais s’arrêter de tourner à son tour ni à son rang, si bien que tout le monde s’ébahit que par une telle confusion et un tel désordre jamais ne défaillirent leurs ordres, tant ces dames avaient le jugement solide et la retentive bonne, et s’étaient si bien apprises.“ Aus: Brantôme 1991, a.a.O., S. 54. Beachte hier die gleichsam gedankliche Vorwegnahme einer direkten königlichen Teilnahme wie im balet comique durch Louise.

262

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Now this one and now that switches to a flat figure Which describes many letters without a tablet. […] The curves of a weave have not as many labyrinths Water’s meanders have not so many sinuosities […] They feign truthful battles with fictive means. Now they lead the movement head on, now to the side Now they rush forward, now they flee back lightly But now gracefully just as the troops after the combat They march along, moving in front if the faces of Kings. And as they move they bear royal gifts of gold Which, looking at, you could take for trifling things And whose celestial figure engraved upon a shield Have I know not what good omen for Kings.“1207

In der Schlusspassage des Tanzes der Nymphen wird erzählt, dass die Tänzerinnen aus der Tanzbewegung heraus die „Geschenke aus Gold“ hervorbrachten: Die äußerlich vielleicht unbedeutsam erscheinenden Geschenke offenbaren ihren tatsächlichen Wert in den eingravierten „himmlischen Figuren“, also ihrem überirdischen Wert. Auch in diesem Werk werden also goldene Schutzschilde mit eingravierten Devisen der Provinzen Frankreichs erwähnt und in Form von 16 Holzschnitten als „boucliers d’or gravés avec devise“ im Traktat präsentiert. Diese sind durchaus vergleichbar mit den Goldmedaillen, die mit Devisen versehen im balet comique aufgelistet werden. Allerdings wird der Akt der Vergabe im balet comique strukturell ausgefeilter an die Schnittstelle von Circe-Spiel und grand bal gesetzt. Das Traktat von 1573 wurde vorwiegend in lateinischer Sprache vom Latein- und Griechischgelehrten Dorat1208 verfasst, neben humanistischen Erwägungen wohl auch, weil es an die polnischen Gesandten ausgehändigt wurde1209 und diese des Französischen nicht unbedingt mächtig gewesen sein müssen.1210 Im Anschluss an das Gedicht Ad Galliam Ode und einer Abbildung der Devise des Druckers Frederic Morel, die deutlich die Funktion einer Zäsur übernimmt, sind jedoch auch noch französische Übersetzungen von Ronsard (La nymphe de France parle)1211 und Am. Iamyn, also Amadis Jamyn, (La nymphe angevine parle)1212 vor den Abdruck des wieder in lateinischer Sprache abgefassten Chorea nympharum gesetzt. 1207 1208

1209 1210

1211

Hier in der eher selten zitierten englischen Übersetzung nach: Franco 1993, a.a.O., S. 23. Der Autor bezeichnet sich selbst, bescheiden in der scheinbaren Auslassung, nicht mit eigenem Namen und doch nicht bescheiden als humanistisch Gebildeter „Aurato Poeta Regio Autore“, also Autor des „goldenen Zeitalters“. Siehe Dorat 1573, a.a.O., Titelblatt. So ein kurzer Hinweis bei Ruegger 1995, a.a.O. Siehe Watanabe-O’Kelly mit dem Hinweis, dass „French was not yet the internationally understood language of the court that it later became, […].“ Aus: Watanabe-O’Kelly 2004, a.a.O., S. 15. Dorat 1573, a.a.O., S. C.

3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

263

Diesem schließen sich die 16 Devisenabbildungen in Form von ovalen Holzschnitten an. Nach der sich hieran anschließenden scenae descriptio folgt, und das ist bemerkenswert, eine zweite Leseransprache, die den Leser auf die sich anschließende Abbildung des mit Nymphen besetzten beweglichen Brunnens vorbereitet und die darauffolgende zweite Abbildung zum Innenraum der Szenerie mit den 16 Tänzerinnen (Abb. 2). Die beiden Gedichte Ad Henricum […]. de eius in urbem parisiorum ingressu und De Henrici regis poloniae invictiss. profectione ode allegorica, seinen Einzug in Paris thematisierend und den neuen König von Polen preisend, schließen das Werk ab. In den rezitierten Versen zeigen sich deutliche Bezüge zur platonischen Philosophie: „c’est [.] l’esprit providentiel du Dieu de bonté qui gouverne les affaires françaises (ad Galliam Ode. A.W.).“ „Quod res gubernans provida Gallicas / Mens cum benigni prospiceret Die.“1213 Deutlich wird, dass bei fünfzehn Teilen, die das Werk bilden, dreizehn Bezüge zum eigentlichen Spektakel aufweisen und zwei im Bezug auf die Einzüge des Duc d’Anjou und späteren Henri III. in Paris stehen. Geschrieben in einer Zeit einer großen politisch großer Krise, weil kurz nach dem Massaker der sog. ‚Bartholomäusnacht‛, steht dieses Spektakel unter dem Verdikt der Friedensbeschwörung „Grates Deo nunc age Gallica, [...] imperio potiere mundi“.1214 Kate van Orden beurteilt das 1573er balet, hier in Anlehnung an Foucault, allerdings eher als eine Verkörperung des „military dream.“1215 Allerdings ist die Möglichkeit zu erwägen, dass die im Festbericht genannte „Ordnung“ und „militärische Disziplin“ primär als regulative Elemente und normative Momente einer politischen Vision gelesen werden müssten.1216 Dorats Beschreibung verfügt nach dem Titelblatt über keine Widmungsvorrede, sondern präsentiert dem Leser nach einem ganzseitigen Holzschnitt übertitelt mit Regibus invictissimis Fratribus, & Reginae Regum matri sacrum, auf welchem Jupiter zu seiner Linken von Pallas und zu seiner Rechten von Apollo (der neue polnische König) flankiert wird1217, einen Prolog, gesungen zu einer Musik von 1212 1213 1214 1215

1216 1217

Ebda., S. D. Hier zit. nach: Ruegger 1999, a.a.O., S. 172. Hier zit. nach: Ebda. Zur Bewertung der Ereignisse siehe auch: Carroll 2009, a.a.O., S. 218. Vgl. hierzu auch die Aussagen des Protestanten d’Aubigné, der über die polnischen Gesandten vermerkte, dass diese die sich entwirrenden Verschlingungen, die wohlgeformten Chiffren und die differierende Musik liebten und dass der französische Tanz nicht zu imitieren sei. Er, d’Aubigné, es allerdings bevorzugen würde, wenn die polnischen Gäste diese Begeisterung auch für die Leistung der französischen Armee zeigen könnten: „Les Polonnois admirerent les confusions bien desmeslees, les chiffres bien formez du ballet, les musiques differentes, et dirent que le bal de France estoit chose impossible à contrefaire à tous les Rois de la terre: J’eusse mieux aimé qu’ils eussent dit cela de nos armies.“ Aus: Áubigné, Agrippa d’: Histoire universelle. Maillé. 1616–1620. Hg. v. André Thierry. Bd. 2, IV, Livres III & IV. Gèneve 1982, S. 156. Van Orden 2005, a.a.O., S. 109. Dorat 1573, a.a.O., o.S.

264

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Roland de Lassus.1218 Es folgt eine knappe Leseransprache. Darüber hinaus sind keinerlei Lobpreisungen an den ja auch nicht explizit genannten Autor zu finden. Es wird deutlich, dass Beaujoyeulx für die Gestaltung einer Widmungsvorrede seines Festberichts hier scheinbar kein direktes formales Vorbild am Valois-Hof findet. Ganz anders gestaltet sich dies in Bezug auf den inhaltlichen Aufbau. Hier lassen sich Ähnlichkeiten erkennen. Dies betrifft die Ausgestaltung des Hauptteils mit der Schilderung tänzerischer Formierungen ebenso, wie die Figurenwahl (Nymphen, Sirenen), die Einbindung der Rezitation von Versen, die Auswahl des mythologischen Themas und der allegorischen wie platonischen Bezüge. Auch im Szenenarrangement finden sich bereits vorher genutzte Elemente, wie die für die ‚beweglichen Felsen‛ notwendigen Maschinen. Besonders interessant ist, dass auch im balet des polonais von den Tänzerinnen (in diesem Fall an den König) 16 mit Devisen versehene Medaillen übergeben worden sein sollen, im Traktat als Holzschnitte abgebildet.1219 Auch die Tanzbeschreibungen offenbaren, nimmt man die Beobachtungen Brantômes hinzu, dass bereits hier Proportion und Geometrie die bestimmenden Leitprinzipien des zu choreographierenden Tanzes – möglicherweise für Beaujoyeulx – darstellen; so wie sie später im balet comique deutlich zu erkennen sind. Bevor der Blick auf eine Tanzschrift italienischer Provenienz gerichtet wird, soll noch erwähnt werden, dass sich neben den o. g. inhaltlichen und strukturellen Ähnlichkeiten zu Dorats Schrift auch eine wesentlich ältere, französische Schrift findet, zu welcher Bezüge zu den im Vorredenteil des balets comique genutzten Formulierungen m. E. hergestellt werden können. So hinterließ der weniger bekannte Dichter François Bérenger drei gedruckte Werke, wovon einer sein bisher eher wenig beachteter, immerhin 172 Verse umfassender, lyrischer Text Choréïde, autrement, louenge du bal: aux dames (Lyon 1556)1220 ist. Im Unterschied zu vielen tanzfeindlichen Schriften offenbart der Autor gleich zu Beginn sein den Tanz belobigendes Anliegen gegenüber den adressierten Leserinnen: „Blame tant qu’on voudra la danse, / I’ay espoir mettre en evidence / Sa louenge […].“1221 Mit großer Ernsthaftigkeit stellt der Autor die gesundheitsförderliche

1218

1219 1220

1221

Mit den in diesem Prolog agierenden drei allegorischen Sängerinnen, Frankreich, den Frieden und den Wohlstand verkörpernd, findet sich ein Topos der höfischen ValoisSpektakel: Die Allegorien sind direkt von den Göttern „gesendet“ (Mittimur a Superbis Gallia chara tibi). Siehe zum Vergleich L’intermède de Grâce Dieu in Ruegger 1995, a.a.O. Zur Ausdeutung der Devisenvergabe im balet comique siehe das Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. La Tour d’Albenas, François Bérenger de: Choréïde, autrement, louenge du bal: aux dames. Lyon 1556. Unter den wenigen tanzhistorischen Referenzen ist Frances Yates zu nennen. Der Text von 1556 als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k52275x (letzter Zugriff Juli 2010). La Tour d’Albenas 1556, .a.a.O., S. 3.

3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

265

Wirkung des Tanzes, gleichsam eines Aktes der Läuterung, heraus. Pierre René Auguis führte hierzu 1824 aus: „La Choreïde est un poëme en vers de huit syllabes; le but de l’auteur est de justifier la danse, et cela par des raisons plus singulières les unes que les autres. Il cite, par exemple, le cours du soleil et de la lune, David dansant devant l’arche, les exercices militaires, etc.“1222

Neben den genannten Anspielungen geht auch er vom metaphorischen Bild der ‚tanzenden Musen‛aus, sowie von den „tanzenden sieben Planeten“, die „dansent la volte de grace […] Les vents dansent […] et les eaus on voids(?) s’ avancer D’un long branle […].“1223 Deutlich finden sich hier wohl Anspielungen auf zeitgenössische Tänze wie die Volta (oder: Volte) und die vielfältigen Branles.1224 Bérenger fährt, ganz im Sinne eines neuplatonischen Harmonieverständnisses fort, dass „ce bal divin, & gracieus, prenant son origine aux Cieus“1225 sei. Für die vorliegend fokussierten Vorreden im balet comique soll abschließend noch herausgestellt werden, dass auch Bérenger den Bezug zur Kunst der „Indiens“1226 sowie zur „doctrine de Pithagore“1227 herstellt, wie wir sie in der Widmungsvorrede von Volusian angesprochen finden.1228

II.3.2.2.

Die Vorrede im Il Ballarino von 1581

Das 1581 von M.(arco) Fabitio Caroso in Venedig publizierte Werk Il Ballarino1229 wurde ebenfalls in 4° und in Antiqua verfasst. Mit 184 Seiten mehr als doppelt so umfangreich wie das balet comique, ist das Werk in seiner inhaltlichen Ausrichtung zunächst streng genommen nicht mit dem hier im Zentrum stehenden balet comique zu vergleichen, da es sich neben Schrittbeschreibungen und allgemeinen Verhaltensregeln um eine Sammlung von Choreographien – zu denen die Musik in 1222 1223 1224 1225 1226 1227 1228 1229

Auguis, Pierre René: Les Poètes François, depuis le XIIe siècle. Jusqu'à Malherbe. 3. Bd. Paris 1824, S. 216f. La Tour d’Albenas 1556, a.a.O., S. 4. Siehe hierzu auch die detaillierteren Ausführungen im Kapitel III.1.2. dieser Arbeit. La Tour d’Albenas 1556, a.a.O., S. 7. La Tour d’Albenas 1556, a.a.O., S. 11. ebda. Ist hier relevant, dass Indien 1581 von Philipp II. beherrscht wird? Hier nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 12. Caroso, (Marco) Fabritio (Fabritio Caroso da Sermoneta): Il Ballarino. Diuiso in due trattati; nel primo de’quali si dimostra la diuersità de i nomi, che si danno à gli atti & mouimenti, che interuengono ne i Ball, & con molte Regole si dichiara con quali creanze, & in che modo debbano farsi. Nel secondo s’insegnano diuerse sorti di Balli, & Balletti si all’usi d’Italia, come à quello di Francia, & Spagna. Venedig 1581 und 1600. Diese Ausgabe ist erhalten geblieben. Horst Koegler spricht davon, dass Il Ballarino bereits 1577 in Venedig erschienen sei, Koegler 1984, a.a.O., S. 106, Sp. 2.

266

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Lauten-Tabulatur notiert ist – und Tanzanweisungen handelt und somit keine ‚Festbeschreibung‛ darstellt. Trotzdem gibt es mehr als eine Schnittstelle, die einen Vergleich der Werke legitimiert: Caroso ist wie Negri (Abb. 11) ein Zeitgenosse von Beaujoyeulx und wie er ein italienischer Tanzmeister und teilte mit diesem neben der Profession zumindest noch die italienische Herkunft. Darüber hinaus erwähnt Antonio Ricchi in seinem 1721 abgefassten Teatro degli uomini illustri, dass Caroso sogar auch für den französischen Königshof selbst tätig war: „[…] Der Autor war [Tanz-]Meister der Kaiserin [?], der Königinnen von Spanien und Frankreich, der Großherzogin der Toskana, der Prinzessinnen und Herzoginnen von Ferrara, Mantua, Urbino, Sora, Sulmona, Monte Leone, Traetto, von Braunschweig und seiner Heimatstadt Sermoneta1230, sowie zahlreicher Herrn und Damen aus Rom […].“1231

Zudem wurde Carosos Werk 1581, also im Aufführungsjahr des balets comique und somit ein halbes Jahr vor der Drucklegung desselben, herausgegeben. Es wird zu zeigen sein, inwiefern Caroso und sein Werk möglicherweise das balet comique im Aufbau, der tänzerischen Gestaltung und der Art und Weise seiner Abfassung beeinflusst haben könnten. Messer, später Signore1232 Caroso (zwischen 1525/35 und 1605/20)1233, aus der Stadt Sermoneta südlich von Rom stammend, verfasste sein erstes Werk Il Ballarino 1581 nach 27 Jahren Berufspraxis.1234 Fabritio Carosos primäre Absicht war es wohl, zeitgenössische Tänze zu sammeln und zu beschreiben. Sein Werk gliedert sich in zwei Teile, wobei sich innerhalb des ersten ein Repertoire von 57 Schritten und Bewegungen findet, welche in 54 Regeln1235 erläutert werden. Der zweite Teil enthält, neben einer Sammlung aus 76 französischen, italienischen und spanischen Tänzen, Angaben der Musik in Lautentabulatur sowie Illustratio1230 1231

1232

1233 1234 1235

Ricchi selbst eignete sein Werk dem damaligen Herzog von Sermoneta, Michelangelo Caetani, zu. „[…] Fù l’Autore Maestro dell’Imperadrice, delle Regine di Spagna, e Francia, della Gran Duchessa di Toscana, Principesse e Duchesse di Ferrara, di Mantova, d’Urbino, di Sora, di Sulmona, di Monte Leone di Trajetto, di Bransuic, die Sermoneta sua Patria, e di numerosi Cavalieri, e Dame Romane […].“ Hier zit. nach: Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 5 (dt. Übersetzung auch dort). Negri erwähnt für Caroso eine solche Tätigkeit nicht, hier zit. nach: Garski 2003, a.a.O., S. 13. Malkiewicz weist deutlich auf den sozialen Aufstieg Carosos, ausgedrückt in dessen Ernennung zum Signore hin. Zudem vermutet er: „Vielleicht verzichtete Caroso dann in Nobiltà di Dame aus einem gewissen Standesbewusstsein heraus auf Choreographien von Tanzmeistern, die einer sozial niedrigeren Schicht angehörten.“ Aus: Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 122. Zu den Lebensdaten siehe Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 122. Zu den Angaben des Traktates siehe Saftien 1994, a.a.O., S. 104–105. „Eine zusätzliche letzte Regel versteht sich als ‚Avertimenti alle donne’ und betrifft das Verhalten von Damen beim Rückwärtstanzen und beim Platznehmen nach dem Tanz.“ Aus: Saftien 1994, a.a.O., S. 104.

3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

267

nen der ersten 22 Tänze. Unter dem Motto dall’imperfetto al perfetto veröffentlichte er im Jahre 1600 eine zweite, umfangreichere Auflage seines Werkes unter dem Titel Nobiltà di dame.1236 71 Schritte und Bewegungen werden nun im ersten Teil in 68 Regeln mit einem sich anschließenden Anhang zum korrekten Betragen bei gesellschaftlichen Anlässen, in Form des Dialoges zwischen Schüler und Lehrer, erläutert. Der zweite Teil enthält nunmehr nur noch 48 choreographierte balli1237, wobei jedoch jeder mit der Illustration seiner Ausgangsstellung erscheint.1238 Darüber hinaus schuf Caroso in seinem wiederholt im Jahre 1605 gedruckten Werk eine der ersten Bodenwegszeichnungen in Form eines Ornaments (Abb. 12).1239 Die Ausgabe von Nobiltà di dame im Jahre 1605 enthält, neben den bereits erwähnten Anweisungen, zusätzlich einen graphischen Versuch, welcher die Stellung der einzelnen Tänzer und ihre Tanzwege mittels einer Raumskizze1240 fixiert, wie sie als geometrisches Gebilde auf dem Boden erscheinen.1241 Die 1236 1237

1238 1239

1240

1241

Caroso, (Marco) Fabritio: Nobiltà di dame. Venedig 1600 (auch 1605). ND: Bologna 1970 und Bologna 1980. Erw. Aufl. unter dem Titel: Raccolta di varij Balli.Venedig 1630. Unter balli werden in Italien lebhafte Tänze im Gegensatz zur bassa danza genannt, die meist aus mehreren Teilen bestehen und sich in ihrer rhythmischen Struktur unterscheiden. Es gibt auch balli, welche balletti genannt werden. Guglielmo Ebreo von Pesaro (geb. um 1440) erwähnt als erster den Terminus technicus balletto, als Diminutiv von ballo. Ebreo gibt jedoch keine Regeln an. In: Ebreo, Guglielmo: De praticha seu arte tripudii vulghare opusculum. o.O. o. J. ND in: De praticha seu arte tripudii vulghare opusculum. On the pratice or art of Dancing. Hg. v. Barbara Sparti. Oxford u.a. 1993. Siehe zu Guglielmo Ebreo auch: Padovan, Maurizio (Hg.): Guglielmo Ebreo da Pesaro e la danza nelle corti italiane del XV Secolo. Pesaro 1987; Carter, Françoise Syson: Dance as a moral exercise. In ebda.: S. 167–179 und Wetzel, Ingrid: Hie innen sindt geschriben die wellschen tenntz. Le otto danze italiane del manoscritto di Norimberga. 1589. In ebda: S. 322–343. Siehe auch Regnitz 1988, a.a.O., S. 17. Siehe Saftien 1994, a.a.O., S. 105. Allerdings gibt es Hinweise, dass bereits Cervera im Jahre 1488 durch die Kombination von waagerechten und senkrechten Strichen und einer ornamentalen Kontur einen Tanz mittels piktoraler Schriftzeichen abbildete: Cervera: Spanische Tanzaufzeichnungen aus dem Archiv Municipal. 1488. ND der Ausgabe 1488 als Faksimile in: Costumbres de Espana II. Barcelona 1931, S. 303. Diese verzichten auf die Darstellung Bewegung – Musik. Hier nach Jeschke 1983, a.a.O., S. 188, hier auch Schriftabbildung. Siehe auch Curt Sachs, der sie als „augensinnliche Skizze“ bezeichnet. In: Sachs, Curt: Eine Weltgeschichte des Tanzes. (1933) Hildesheim. 2 Aufl. 1984, hier S. 202. Bei der Graphik handelt es sich um ein sechszackiges Ornament, welches auf der Grundfläche eines Ringes beruht. Zwischen den Spitzen sind drei Damen und drei Herren plazziert, die durch die rings um den äußeren Tanzkreis abwechselnden Kürzel Dma für Domina und Cvo für Cavaliero notiert sind. Der die Wege durchschneidende Kreis enthält rechts oben und links unten jeweils fünf Notenköpfe, die die griechischen Versfüße Spondeus und Daktylus bezeichnen, so dass hierdurch eine Art tänzerisches Metrum bestimmt wird. Von dieser Ausgangsposition entwickelt sich der Tanzweg, denn „questa è la linea della Domina, questa è la linea da Cavaliero“. Es ist anzunehmen, dass sich das Bild einer sich entfaltenden Blüte abzeichnete, denn die Tanzwege wurden von innen nach außen abgetanzt. Siehe hierzu Jeschke 1983, a.a.O., S. 190–192.

268

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Grundrisse der Bodenwege, bestehend aus Dreiecken und Kreisen, ergeben eine harmonische Figur, die, wie Caroso selbst sagt, „con vera mathematica“1242 entworfen worden sei.1243 So sind es auch bei Caroso die Geometrien und Proportionen, mit denen die Zuschauer in den Bann des Tanzes gezogen werden sollten. Auch im Traktat des balets comique wird darauf hingewiesen, dass die Hofdamen vom einziehenden Wagen stiegen und ein „Ballett mit dreizehn verschiedenen Figuren (tanzten), die das Geheimnis der Zahlen ausdrückten.“1244 Bei Lacroix findet sich ein Hinweis, dass solche Formen, hier mit Bezug auf das 1610 präsentierte balet de Monseigneur le duc de Vendosme, mit dem „Alphabeth der alten Druiden“1245 korrespondieren würden.1246 Auch Carosos Werk verfügt über einen recht umfangreichen Vorredeteil, der sich nach dem Titelblatt zusammensetzt aus Widmungsbrief, zwei Sonetten an die 1242 1243

1244 1245

1246

Hier zit. nach: Garski 1972, a.a.O., S. 161. Oskar Bie zum räumlichen Gesamtbild Carsosos: „[...] (Caroso) faßt den Verlauf des Tanzes als räumliche Einheit, er gewinnt aus den sich folgenden Figuren eine große Gesamtfigur [...]. Es ist ihm wie ein Gedicht, das aus dem zeitlichen Rhythmus für Auge und Ohr in den räumlichen übersetzt wird, die Tektonisierung einer Strophenfolge unter bildmäßiger Umgrenzung, ganz im Sinne des Humanismus. Die Schrittfolge nach Versmustern gebildet, ‚spondeo‛ und ‚dattile‛, sind hier eingezeichnet, darüber aber ist der Titel gesetzt ‚IL CONTRAPASSO FATTO CON VERA MATHEMATICA SOPRA I VERSI D’OVIDIO‛. Ein Symbol der ganzen Epoche.“ In: Bie 1919, a.a.O., S. 170. Hier zit. nach: Strong 1991, a.a.O., S. 207. Siehe auch: Yates 1947, a.a.O., S. 243. Ein Quadrat innerhalb eines Quadrates meinte ein Zeichen der Tugend, drei tangentiale Kreise waren das wahre Wissen und das Arrangement von Dreiecken innerhalb eines Kreises bedeutete höchste Kraft. Auch sei darauf verwiesen, dass das in der graphischen Grundfigur von Caroso zu erkennende Hexagramm, bereits seit dem 6. Jahrhundert als magisches Symbol in vielen Ländern eine Rolle spielte und als Drudenfuß der Abwehr von Zauber dienen sollte. Siehe hierzu: Lacroix, Paul: Ballets et Mascerade de Cour de Henri III à Louis XIV. Geneva 1610, S. 265ff.; zum Hexagramm siehe Ehrlich, Ernst Ludwig: Die Kultsymbolik im alten Testament und im nachbiblischen Judentum. Symbolik der Religionen. Bd. III. Stuttgart 1959, hier S. 128–131, bes. S. 129. Doch auch im Frankreich des 16. Jahrhunderts muss diesem Symbol eine besondere Funktion zugeschrieben werden, taucht es doch in der Beschreibung Ronsards für die magnificences von 1564 ebenfalls auf, siehe Ronsard in: Graham, McAllister 1979, a.a.O., S. 156. Beiden ist gemein, dass sie hier ‚das Geheimnis der Zahlen‛ dort auf das ‚geheime Wissen‛ des Druidenalphabetes Bezug nehmen – es sind also gerade Schriftzeichen, die innerhalb der neuplatonischen Transformation der Mnemonik eine Rolle spielen. Siehe hierzu: Kilcher, Andreas: Ars memorativa und ars cabalistica. Die Kabbala in der Mnemonik der Frühen Neuzeit. In: Seelenmaschinen. Gattungstraditionen, Funktionen und Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten Mittelalter bis zum Beginn der Moderne. Hg. v. Jörg Jochen Berns, Wolfgang Neuber. Wien u. a., S. 200 – 248, hier S. 200f. Zum zeitgenössischen Verständnis des ‚Druiden‛ als „Priester Galliens“ sei auf den in diesem Zusammenhang durchaus interessanten Text von Juan Luis Vives: Ein Schatzhaus vollbrachter Dinge von 1531 verwiesen. Siehe: Vives, Juan Luis: Ein Schatzhaus vollbrachter Dinge (1531). Der Text findet sich in: Fleckner, Uwe (Hg.): Die Schatzkammern der Mnemosyne. Ein Lesebuch mit Texten zur Gedächtnistheorie von Platon bis Derrida. Hg. v. Uwe Fleckner. Berlin 1995, S. 96–100, hier S. 99.

3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

269

Buchpatin, die Leservorrede (Ai Lettori), fünf Sonetten an den Autor sowie ein Portrait des Autors.1247 Diesmal ist es eine Adressatin, der das Werk zugeeignet ist: Bianca Cappello de Medici, Gran Duchessa di Toscana, der zweiten Ehefrau Francesco de Medicis.1248 Wahrscheinlich dürfen der an sie gerichtete Widmungsbrief sowie die Leseransprache als die informativsten wie sprachstilistisch ausgefeiltesten Anteile in Carosos Vorrede gelten, gibt dieser doch hier Angaben zu seinem Leben und ermöglicht Einblicke in seine Konzeption von Tanz.1249 Vor allem für die Widmungsbriefe mussten Ämter und Ruhmestitel lückenlos erfasst werden, da die Vollständigkeit und Richtigkeit der Anrede von großer Bedeutung war.1250 So weiß Wolfgang Leiner zu berichten, dass z. B. den Schriftsteller La Fontaine Formfehler in der Anrede zwangen, eines seiner Gedichte aus dem Handel zurückzunehmen.1251 Ist es Caroso oder dem Drucker seines Traktats, Francesco Ziletti, ähnlich ergangen? Nach eingehender Prüfung konnte ermittelt werden, dass es von Carosos erstem Werk Il Ballarino offensichtlich eine Fassung gibt, mit einem vom 1. September1252 (Abb. 45) datierten Widmungsbrief und eine zweite Fassung mit einem vom 16. Oktober 15811253 (Abb. 46) datierten Widmungsbrief.1254 Die Unterschiede dieser beiden Fassungen sind bereits auf dem Titelblatt deutlich: So weist

Vgl. hierzu z. B. Negris Vorredenteil in Le Gratie d’Amore (1602): Nach dem Titelblatt, dem bereits erwähnten Widmungsbrief an Philipp III. von Spanien, folgt ein Sonett zu Ehren des Königs und ein Madrigal zu Ehren der Königin von Spanien, Margharete von Österreich. Es folgt ein mit „in lode dell’opera, & delle Dame in essa celebrate“ überschriebener Vorredenteil mit vier Madrigalen, hier als freie Gedichtform, alle verfasst con je einem Academico Inquieto di Milano. Gerade in den letzten beiden Gedichten wird Negri explizit angesprochen, wobei sich sowohl das Bild des himmlischen Sternentanzes findet, „Guidan lor balli ne i celesti giri“ als auch der bereits angesprochene Diskurs zum ästhetischen Verhältnis von ‚Naturnachahmung‛ und ‚Kunst‛: „Che imitata dal’arte, hor l’arte imita / Artefice felice, arte felice, / Hor’imitata, e dianzi imitatrice.“ Aus: Negri 1602, a.a.O., S. Del. 1248 Siehe Malkiewicz 2001, a.aO., S. 56 mit dem Hinweis, dass auch Lutio Compasso sein Traktat Ballo della Gagliarda (1560) diesem widmet. 1249 Siehe Sutton 1995, a.a.O., S. 5. Leider auch hier mit dem Hinweis, dass man in der Übersetzungsausgabe auf den Abdruck und die Übersetzung der lyrischen Dedikationstexte verzichtet habe, da sie angeblich nichtssagend seien: „The dedicatory poems have been omitted, […], for they contain little information and their literary value does not seem to merit poetic effort on the part of the translator.“ Aus: ebda. 1250 Siehe Leiner 1965, a.a.O., S. 45. 1251 Ebda. 1252 Als elektronische Ressource unter URL: http://www.pbm.com/~lindahl/caroso/facsimile/(letzter Zugriff Juli 2010). 1253 Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k58206j (letzter Zugriff Juli 2010). 1254 Die Verfasserin ist bisher an keiner Stelle auf die Erwähnung dieser beiden Fassungen gestoßen. 1247

270

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

die Fassung von September 1581 im ersten Untertitel eine deutlich breitere Formulierung, erweitert um „con quali creanze, & in che modo“ auf. Hier heißt es: „Nel primo de’quali si dimostra la diversità de i nomi, che si danno à gli / atti , & mouimenti, che interuengono ne i Balli: & con molte Regole / si dichiara con quali creanze, & in che modo (statt: come) debbano farsi (Hervorhebung. A.W.).“1255

Für die ergänzende Angabe zum Inhalt des Werkes auf dem Titelblatt ist hingegen die Angabe in der Fassung vom 16. Oktober umfangreicher, nämlich erweitert um „alla maggior parte di efsi“. Auch wird hier eine andere Reihenfolge der Angaben gewählt: „Et con l’Intauolatura di Liuto nella Sonata di ciascun Ballo, & il Soprano della Musica alla maggior parte di efsi (Hervorhebung A.W.).“1256

Auffälligerweise unterscheiden sich die beiden verwendeten Druckermarken: Die Septemberausgabe weist die für F. Ziletti typische Druckermarke aus (Abb. 13); die der Oktoberausgabe verweist auf das Wappen der Medici, wobei zwei Putti die Herzogkrone halten.1257 Die erste Seite des Widmungsbriefes ist primär hinsichtlich der schmückenden Zeichen und Dekore unterschiedlich. Die etwas spätere Fassung ist hierbei reicher geschmückt und um einen Rollbalken ergänzt. Wohl diese Ergänzung macht einen anderen Satz der Lettern notwendig. Ansonsten stimmt der Text im Wortlaut überein bis zum Ende des Widmungsbriefes. Hier wurde in der Fassung von Oktober 1581 deutlich in den Text eingegriffen: „Che io col desiderare da Nostro Signor Dio à Lei, & al Serenissimo Signor GRAN DVCA suo Consorte & lunga vita, & felicità perpetua, resto baciandole humilmente le mani.“1258 Abgesehen vom nun großgeschriebenen formalen Anredepronomen, das sich nun aus dem Text abhebt und damit den Empfänger kennzeichnet, ist „GRAN DVCA“ eingefügt – und zudem in Versalien gesetzt worden. Somit wird das Problem der ersten Fassung deutlich herausgestellt: Zunächst war die lückenlose Erfassung der Titel nicht gelungen, dieser musste nun ergänzt werden. Die Reverenz, die der Verfasser dem Buchpaten bereits zu Beginn mit der Anfangsformel erwiesen hat, wird mit der Schlussformel erneuert:

1255 1256 1257

1258

Caroso 1581 (Fassung September), a.a.O., Titelblatt. Caroso 1581 (Fassung Oktober), a.a.O., Titelblatt. Ergänzend sei festgestellt, dass Christian G. Jöcher in seinem Allgemeines GelehrtenLexikon erwähnt, dass Franciscus Ziletus als berühmter venezianischer Buchhändler das bekannte Tractatum tractatuum universi juris mit Approbation Papst Gregorii XIII und unter Anweisung florentinischer Familien wie denen der Medici und D’Albi dieses Traktat erst 1584 und danach 1590 in Vendig herausgab. Siehe Jöcher, Christian G.: Allgemeines GelehrtenLexikon. 4. Bd. Leipzig 1751, S. 156. Caroso 1581 (Fassung Oktober), a.a.O., o.S.

3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

271

„Der Name des Schreibers, meist in bescheidenem Kleindruck am Ende des Briefes Abstand wahrend angefügt, erscheint im Vergleich zu der reichen Titulatur des Gönners, die unter Zuhilfenahme aller Tricks der Typographie am Anfang des Briefes ostentativ herausgestellt wird, als ein letztes unterwürfiges Bekenntnis des Schreibers zu seiner eigenen Wenigkeit. Wie die Anrede, die in fetten Lettern den Brief einleitet, […] so unterstreicht der nachgestellte Namen des Schreibers ein letztes Mal die unterwürfige Attitüde des um Gunst bittenden Autors.“1259

Bei der skriptografischen Erscheinung der Schlussformel ist auffällig, dass in der späteren Fassung die letzte Formulierung nicht „niedrig an die Papierseite“ (de Courtins) oder ganz ans Ende des Papiers gesetzt ist, sondern Carosos Höflichkeitsformel am Schluss regelrecht selbstbewusster eher das gesamte untere Drittel des Druckpapiers füllt. Im Anschluss an die Widmungsvorrede sind die beiden Buchfassungen, die vom 1. September mit der vom 16. Oktober 1581, identisch. Es folgen jeweils zwei Gedichte an die Potentatin Bianca Cappello de Medici. Auch hier erfolgt die Ansprache direkt, oder mit eng in Zusammenhang stehenden Bezügen: „ALTEZZA SERENISSIMA“ (zweimal) „CAPELLI“ „VENEZIA“ „GRAN DUCA“ in Versaliendruck. Es folgt, ebenso wie bei Beaujoyeulx, eine sehr umfangreiche Leseransprache. Darüber hinaus verfügt das Werk anschließend ebenfalls über Lobpreisungen an den Autor, in diesem Fall sogar über fünf dieser Art! Michael Malkiewicz bescheinigt Caroso in diesem Zusammenhang ein deutlich ausgeprägtes Standesbewusstsein: So habe Caroso nach seiner Nobilitierung „[…] bei der Wahl der Dichter auch auf deren höhere soziale Stellung geachtet. In Nobiltà di Dame befindet sich nämlich kein ‚Messer‛ unter den Schreibern der Widmungsgedichte.“1260 Dies war in Bezug auf die Widmungsgedichte für Il Ballarino (1581) noch deutlich anders gewesen: Hier wurde der Messer Caroso von drei anderen, sozial ebenbürtigen Schreibern belobigt und von lediglich einem einzigen Signore.1261 Es folgt ein Portrait des Autors und Tanzmeisters Caroso, bevor sich der eigentliche Hauptteil des Werkes anschließt. Das Abbild des Choreographen selbst kann sicherlich als überzeugender Ausdruck seines Selbstverständnisses gesehen werden, eines Autors nämlich, der nach jahrzehntelanger Berufserfahrung sein eigenes Konterfei selbstbewusst an den Anfang seines Hauptwerkes setzt. 1259 1260

1261

Leiner 1965, a.a.O., S. 46. Hier auch detaillierte Angaben für die Ausgestaltung der Anrede- und Schlussformeln nach Antoine de Courtins Anweisungen von 1671. Allerdings räumt Malkiewicz selbst ein, dass dies auch damit zu erklären sei, dass zumindest für zwei der Verfasser der Widmungsgedichte mit Namen Francesco Guglia und Vincenzo Muzzi/Mucci gesagt werden kann, dass diese zwischenzeitlich ebenfalls nobiliert worden sind. Siehe Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 137. Aus: Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 137.

272

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Wie viele Drucke nach 1580 weisen sowohl Beaujoyeulx wie Caroso ausgefeilte Widmungsvorreden zu Beginn aus. Auch der sich jeweils hieran anschließende Aufbau bis zur Eröffnung des jeweiligen Hauptteils (Gedichte, Leseransprache, Lobpreisung des Autors) ist sehr vergleichbar angelegt. Das gilt auch für die semantischen Felder, die z. B. in den Lobpreisungen Carosos benannt werden: Auch hier spricht man ihm seltene und neue Werke, die er ‚perfetto‛ ausgeführt habe, zu.1262 Auch hier finden sich neoplatonische Andeutungen sowie das Spiel mit dem mythologischen Personal der Nymphen.1263 Formal ist den beiden besprochenen Druckwerken der balets wie der Tanzschrift Carosos gemeinsam, dass sie in derselben Typographie sowie im selben Format gedruckt wurden. Ebenfalls ähnlich gestaltet ist der Wechsel zwischen kursiv und standardgestellten Typographieelementen gestaltet.1264 Möglicherweise hat Beaujoyeulx in Carosos Werk ein Vorbild finden können. Doch recht gesichert scheint, dass offenbar beide eine Anlage ihrer Werke als von gebildeten Autoren geschaffene Werke für gebildete Leser verstanden wissen wollen.1265 Bei Caroso ist dieses Bild noch schärfer und selbstbewusster mit dem eingefügte Portrait und der Einfügung von fünf statt drei Lobpreisungen auf den Autor ausgestaltet. Diese Ausdeutung des Carososchen Selbstverständnisses wird durch den Umstand bestärkt, dass jedes bisher bekannte und gedruckte Tanztraktat, im Unterschied zu den Höflichkeitsbüchern, einem konkreten Autor zugeschrieben werden kann. Ein Motiv der Abfassung solcher Schriften kann somit sicherlich auch in der Aufwertung, auf jeden Fall aber in der Verteidigung des eigenen Berufsstandes gesehen werden. Noch 1717 widerspricht Gottfried Taubert dem seit Augustinus stets wiederholten, alten, allgemeiner gehaltenen Vorwurf vom „lästerlichen Tanze“ im Vorwort seines Werkes Rechtschaffener Tanzmeister, dass seine Schrift darauf angelegt sei, zu zeigen dass der Tanz, nicht „für [...] ein aus Menschlicher Thorheit und phantasia des eitlen Welt-Geistes entsprossenes / das Gemüth vereitelndes / Land und Leute verderbendes / ja für ein Unchristliches / Epicurisches / Satyrisches / Bacchisches / Venerisches / Satanisches und Todtsündliches Wesen [...]" zu halten ist.“1266

1262 1263 1264

1265

1266

Caroso 1581, a.a.O., S. AL. Ebda. So wurden z. B. die Leservorreden bei Dorat und Caroso kursiv gesetzt, bei Beaujoyeulx jedoch nicht; hier ist jedoch für diesen Textabschnitt eine kleinere Punkthöhe im Unterschied zum restlichen Text gewählt worden. So ist auch Carsosos Schrift in einem durchaus elaborierten Toskanisch gehalten, „and he is ever at pains to demonstrate his fine education. By today’s standards his style is often florid, repetitious , pendantic, and pretentious – a mirror of the mannerism of courtly life.“ Aus: Sutton 1995, a.a.O., S. 5. Taubert 1717, a.a.O., S. 4.

3.2. Anreden: Die Vorreden anderer Traktate

273

Darüber hinaus wird jedoch davon ausgegangen, dass die Tanztraktate auch die individuellen Vorlieben und Valenzen des einzelnen Autors und dessen Utopie von distinguiertem Verhalten widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund ist die Verdeutlichungsleistung des Einzelnen einzuordnen, zumal es beim vorliegenden Sujet eben auch um eine auszubildende körperliche Fähigkeit und Stilistik geht. Da sich der eigentliche Tanzunterricht vorrangig jedoch durch seinen Gebrauch legitimierte, sollte das Werk des einzelnen Autors in der Regel vor dem Hintergrund der Denk- und Wahrnehmungsmuster der jeweils relevanten Gesellschaftsgruppe gesehen und über Auswirkungen auf diese nachgedacht werden.1267 Jean Starobinsky betont in diesem Zusammenhang den Einfluss körperlicher Ausdrucksformen auf die sozialen Regeln einer Gesellschaft: „Es ist also nicht der Körper, der dem Bewußtsein sein Gesetz aufzwingt. Es ist die Gesellschaft, die – mit Hilfe der Sprache – die Steuerung des Bewußtseins übernimmt und dem Körper ihr Gesetz aufzwingt.[...] Die sozialen Regeln bestimmen sich nicht nur über die Sprache, sondern darüber hinaus auch über die nichtsprachlichen körperlichen Ausdrucksformen.“1268

Der Tanzlehrer würde demzufolge nicht nur größeren Gruppen ihr sich in Sitten, Moden und Tänzen niederschlagendes Wertempfinden verdeutlichen und in diesem Sinne die Konventionsbildung fördern, sondern weist sie darüber hinaus auch in soziale Strömungen ein. Jedoch kann trotz der Einbindung in die dann meist auch höfischen Kontexte innerhalb der Traktate häufig das Bemühen beobachtet werden, die Inhalte der Tanzanleitungen möglichst unabhängig von den gültigen Tanzkonventionen zu halten. Hierin offenbart sich einerseits wohl der Wunsch, diesen Direktiven eine möglichst unbegrenzte Gültigkeit zuzuschreiben. Vielleicht ist es auch diesem Selbstverständnis der Tanzmeister zuzuschreiben, dass z. B. Beaujoyeulx nicht den Tanz selbst, ja nicht einmal wie viele seiner Kollegen in ihren Werken Bewegungen, die in einem jeweiligen Notationssystem fixiert wurden, sondern nur die strukturell-geometrische Bewegungsgestaltung und deren übermächtige Wirkungen auf die Zuschauer darlegt und fixiert. So belässt er den Leser wieder einmal mehr im Reich der Imagination und Vorstellung, bei aller scheinbaren Detaillierung. Geht man noch einen gedanklichen Schritt weiter, ließe sich aus der Beobachtung, dass der Tanzmeister Beaujoyeulx auf die Beschreibung einzelner pas oder gar Ausprägung einzelner individueller Tanztypen verzichtet, schlussfolgern: erst durch die Reduktion auf formale Elemente kann sein Schaffen Überzeitlichkeit beanspruchen – scheinbar mit einigem Erfolg. 1267 1268

Siehe auch Bourdieu 1994, a.a.O., S. 154. Starobinsky, Jean: Kleine Geschichte des Körpergefühls. Konstanzer Bibliothek Bd. 7. Konstanz 1987. Hier S. 20, vgl. aber auch hier seine Anm. 22.

274

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Die Frage, ob die Tanzliteratur in ihrer Wirkung eine Veränderung der Tanzsitten und technischen Verfeinerung herbeiführte oder ob umgekehrt die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung erst den Stand des gesellschaftsethischen Diskurses ermöglichte, ist strittig. Es sollte wohl ein Wechselverhältnis vorausgesetzt werden: Die Tanzbücher konnten nur Erfolg haben, weil sie auf ein gesellschaftliches Ordnungs- und Selbstdarstellungsbedürfnis reagierten. Andererseits trugen sie dazu bei, Modulationstendenzen wie Geometrisierung und Diszplinierung als funktionale Modi zu verstärken. In diesem Sinne kann die von Manfred Beetz über die frühmoderne Höflichkeit formulierte Aussage auch hier gelten: „Jedenfalls vermag weder eine pauschale noch monokausale Erklärung befriedigend das Prioritätsproblem zu lösen, das die Entstehung gesellschaftsethischer Konventionen aufgibt. “1269

Der Komplexität dieses Phänomens war man sich wohl auch in der Frühneuzeit bewusst, denn es ist auffällig, wie gerade im Laufe des 16. Jahrhunderts verschiedene Notationsversuche diesem Problem gerecht zu werden versuchten, sei es durch die Strukturierung des Werkes, in einen Tanz- und einen Konventionsteil oder sei es im Versuch, die Notationsart selbst zu verändern und zu entwickeln. Grundsätzlich geben diese aber bei aller Bemühung stets nur wieder, was getanzt worden ist, maximal geben sie einzelne Bewegungselemente wieder, das eigentliche Wie des Tanzes aber bleibt weitgehend hier wie da verborgen; dieses blieb nur über den Tanzmeister selbst erlernbar.1270 Zu beobachten ist, dass „je komplexer der Kodex der tänzerischen Formen im Laufe der Geschichte wird, desto mehr richtet die Schrift ihr Augenmerk auf die einzelnen Bewegungselemente von Tanz.“1271 Auch hierin findet sich einer der Gründe, warum für den Tanz im Gegensatz zur Musik nie eine über Jahrzehnte verbindliche, einheitliche Notation zustande kam.1272 Die Tanzschriften als Mittel der Tradierung und Hilfe zur Reproduktion gelten lassen zu können, musste lange Zeit fehlschlagen, denn es hätte dazu eines Mittels bedurft, in dem die Veränderung und Dynamik des Tanzes innerhalb der Syntax der Fixierung epochenunabhängig seinen Niederschlag gefunden hätte.1273 Doch „statt Zeitgeschichtliches mit Hilfe eines konstanten Schemas als geschichtlich Spezifisches zu präsentieren (wie das für die Musik die Notenschrift leistet), blieb die Tanzschrift immer eine zeitbedingte Erscheinung.“1274 1269 1270 1271 1272 1273 1274

Beetz 1990, a.a.O., S. 8–9. Siehe Franko 1986, a.a.O., S. 10. Jeschke 1983, a.a.O., S. 17. Siehe Jeschke 1983, a.a.O., S. 18. Siehe ebda., S. 17. Ebda.

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

275

Dies veranschaulicht gleichzeitig die Ambivalenz dieser Quellengattung: Sie wollten Medien zur Tradierung darstellen und bezeugen heute epochale Umwälzungen und strukturellen Wandel. Durch Begriffe und Sprache formiert und gefestigt wurde dabei nicht nur die Gestalt des Hofwesens an sich, sondern auch – und dies zeigt beispielhaft das Vorwort des balets comique – die Vorstellung von einem nach den ‚Religionskriegen‛ nun ‚gesundeten‛ Territoriums, einem nach außen sich vor allem gegen Spanien behauptenden Land und nicht zuletzt auch einer in sich schlüssigen Narration zur eigenen Tradition, die bis in die Mythen der Circe reichte. All diese kumulativen Konstruktionsleistungen waren für die Legitimität von Herrschaft konstitutiv.

II. 3.3.

Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

Von den vielen Festereignissen anlässlich der Hochzeit des Duc de Joyeuse ist, wie benannt, nur das balet comique 1582 als Buch gefasst worden. Die außergewöhnlichen Qualitäten dieses Werkes sei, so Margaret McGowan, bereits Aufraggeber wie Verfasser deutlich bewusst gewesen.1275 An dieser Stelle sei nochmals knapp an die Auftragslage zum vorgeführten Schauspiel und zur Abfassung des Traktats erinnert. Es entspricht zwar einer vielzitierten Auffassung, dass das balet von der Königinmutter in Auftrag gegeben wurde1276, doch lässt sich diese Annahme mit dem Vorwort des Traktates nicht in Einklang bringen.1277 Hier ist es deutlich die Königin selbst, also Louise, die als Auftraggeberin des Schauspiels benannt wird. Anders verhält es sich mit der Dokumentation des balets im Traktat. Dieses scheint gar nicht vom Hof in Auftrag gegeben worden zu sein. Denn das balet comique wurde „nicht von König und Königin beauftragt, sondern im Namen eines prominenten gleichwohl privaten Individuums am Hof“1278 verfasst, um dann von den Imprimeurs du Roy Adrian le Roy, Robert Ballard und Mamert Patisson mit königlichem Privileg vom 13.2.1582 gedruckt zu werden. Der Autor des Traktates ist der Musiker und Tanzmeister Baltasar de Beaujoyeulx. Der Maler

1275 1276 1277

1278

Siehe McGowan, Margret: Le balet comique de la Royne. In: International Encyclopedia of Dance. Hg. v. Selma Jean Cohen. Oxford 1998, S. 275–277, hier S. 275. Siehe ebda. Es findet sich bedauerlicherweise in zahlreichen Arbeiten die Aussage, bei der titelgebenden „royne/reyne“ würde es sich um Caterina de Medici handeln. Auch Germaine Prudhomme stellt dies mit Bedauern fest, siehe: Prudhomme, Germaine: Danse and mathématiques. Paris 1987, S. 16. „commissioned not for king or queen, but on behalf of a prominent yet private individual at court.“ In: McGowan 1982, a.a.O., S. II.

276

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Jacques Patin1279 zeichnete sich für die Gestaltung der beigegebenen Drucke verantwortlich.1280 McGowan bemerkt zu den Bildern Jacques Patins: „Patin’s drawings do not give us a clear idea of the nature of the dancing, but the text provides much detail of the ballet figures and of the general artistic intentions of Beaujoyeulx and his colleagues.“1281

Es schwingt ein Urteil der Verfasserin hier mit, dass die Zeichnungen, da sie nicht authentisch die ‚tänzerische Natur‛ abbilden, gleichsam defizitär seien. Im Folgenden soll im Gegensatz hierzu ein anderer Ausdeutungsansatz verfolgt werden: Es soll gezeigt werden, dass die Kupferstiche, die Patin dem Werk beigibt, gar nicht primär illustrativen Charakter haben wollen, sondern andere und über den gedruckten Text hinausgehende Funktionen in eigener Qualität und Bedeutung übernehmen: „Gleichermaßen kann das gedruckte Bild nicht so betrachtet werden, als sei es dem gedruckten Text schlicht unter – oder nachgeordnet: Es ist mehr als eine Art dekorative Verstärkung. Der illustrative Holzschnitt kann als Ergänzung des Textes oder als ein Gegengewicht zu ihm fungieren, und er trägt auf diese Weise dazu bei, die kulturelle Bedeutung, die das Buch repräsentiert, zu problematisieren oder zu vertiefen.“1282

1279

1280 1281 1282

Auguste Jal gibt in seinem Dictionnaire Critique de Biographie et d’Histoire an, dass Patin als Maler an der Ausgestaltung des Schlosses von Fontainebleau mit gearbeitet habe, für 16 livres im Monat (1537–1540).Claude Céguier, sr des Verges et de La Humière, Sekretär des duc d’Anjou-d’Alençon constitua son procureur am Freitag, dem 14.11.1572, den „ehrenhaften Herrn Jacques Patin, Malermeister, Bürger von Paris.“ Laut dieser Quellen war er zweimal verheiratet. Mit seiner ersten Frau hatte er zwei Kinder: Jehanne (*18.4.1568) und Charles (*8.4.1569). Seine zweite Frau war Claude Cornu. Im Jahr 1574 stand er im königlichen Dienst bei einer Gage von 70 livres. Auch soll er für Finanzverwalter des Hauses Guise ein Dutzend mit Wappen versehener Plaketten zur Ausschmückung der Fackeln zur Prozessionsbegleitung gestaltet haben. Da besagter Herr nicht bezahlte, verurteilte ihn ein Gericht am 23.7.1580 an den Maler „la somme de 1813 liv. tourn., plus 3 escus sol, pour prixde son travail“ zu zahlen. Sein Sohn wird als Maler für das Jahr 1584 mit einer jährlichen Gage von 33 livres und 15 sol verzeichnet. Hier nach: Jal ²1872, Bd. 2., a.a.O., S. 943. Siehe McGowan 1998, a.a.O., S. 276. Ebda. Zika 1999, a.a.O., S. 324.

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

II.3.3.1.

277

Szenerie und allegorische Figuren in den Kupferstichen

Die Beschreibung von 1582 erwähnt vor der Wiedergabe der eigentlichen Handlung die Anordnung des Saales, welche mit der Abbildung in Form der Figure de la Salle in Beziehung tritt. Beide wollen mit je eigenem Wert einen Eindruck des Raumarrangements erzeugen: Der Kupferstich, der textlichen Beschreibung nachgestellt, vermittelt dem Betrachter hierbei folgenden Raumeindruck1283: An einem Ende des rechteckigen Raumes sitzt die königliche Familie1284, in der Mitte der König und rechts davon die Königinmutter Caterina de Medici, welche von hinten an ihrem durchsichtigen Trauerschleier zu erkennen ist. Sie werden von vier Männern der Garde eskortiert. Bei der Person zur Linken des Königs handelt es sich wahrscheinlich um den Bräutigam, den duc de Joyeuse, dessen Kopfschmuck1285, in Analogie zum Trauerschleier der Königinmutter, ihn kennzeichnet, hier als Favoriten des Königs.1286 Der König sitzt in der Verlängerung der Längsachse des Raumes und fällt durch die sehr statische, unbewegte Haltung als Kontrast zu dieser, im Grunde bewegten Szene ins Auge. Die ihn umrahmenden Personen wirken durch ihre Blicke dem König leicht zugewandt. Er ist in der Reduktion auf wenige herrschaftliche Insignien als königlicher Souverän zu erkennen, nicht aber als individuelle Person. An der gegenüberliegenden Schmalseite sind deutlich die drei Weinspaliere, unter denen der Garten der Circe gelegen ist, zu erkennen. Dem König gegenüber, am anderen Ende der Halle, ist ein künstlicher Garten mit drei umrankten Bögen1287 angelegt, in dessen Mitte Circe als mächtige Zauberin thront. Wenngleich die Kulissen eigentlich im ganzen Saal verteilt waren, kann man und hier bestätigt die Beschreibung das Arrangement des Kuperstichs „au derrie-

1283 1284 1285 1286

1287

Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 4. Angaben hierzu finden sich in: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 4 und S. 5/B. j. Siehe hierzu Yates 1959, a.a.O., S. und Chevallier 1985, a.a.O., S. 432. Siehe Yates 1959, a.a.O., S. 83 und Zur Lippe 1974b), a.a.O., S. 421. Die z. T. geäußerte Vermutung es handele sich um einen Botschafter, erscheint mir nicht plausibel. Müller vermutet, dass es sich hierbei um Henris jüngeren Bruder François d’Alençon-d’Anjou handeln soll. Müller 1993, a.a.O., S. 37f. Allerdings wird er nicht bei der Devisenvergabe erwähnt. „A l'autre bout de la salle à l'opposite du Roy, fut faict vn iardin artificiel, assis au milieu de la salle, s'estendant sur le deuant en largeur de trois toises & [...] au derriere de trois en perspectiue.“ In: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 6/B. i.j. Möglicherweise soll es sich hierbei jedoch auch um den stilisierten Wald handeln, den Homer als Wohnort der Circe angibt. Siehe hierzu Grant, Michael, Hazel, John: Kirke. In: dies.: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. München 4. Aufl. 1986, S. 246–247, hier S. 246.

278

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

re de la muraille […] vne ville en perspective, [...]“1288 sehen, deren Fokus wiederum die königliche Empore ist.1289 Unter formalen Gesichtspunkten ist bei Circes Garten der ausgebildete Ansatz zur Guckkastenbühne herauszustellen, wobei jedoch die Szenerie nur einen Teil der gesamten Raumeinheit bildet. Sowohl an den Längsseiten als auch auf der kurzen Seite hinter dem König bieten übereinander errichtete Galerien den Zuschauern Platz.Der Betrachterstandpunkt befindet sich „auf einer der vierzig Holzstufen, die sich hinter dem Dez des Königs an der östlichen Schmalseite des großen Saales des Petit Bourbon erstrecken“1290, dabei aus der Vogelperspektive den Saal und die Zuschauer überblickend. Die Darstellung weist dem Betrachter des Stichs so einen Standort hinter dem König zu und identifiziert den Rezipienten hierdurch mit dessen Wahrnehmungsbedingungen – im frontalen Blick auf die Szenerie – die der Rezipient jedoch aus einer oberhalb des Ortes sich befindlichen Position und infolgedessen aus distanzierter Sicht wahrnimmt. Somit können die Handlung und die an ihr beteiligten Zuschauer als Einheit realisiert werden: „Die Ordnung des Hofes ist eine optische und die optische Ordnung ist eine perspektivische genau wie im Theater. “1291 Es besteht also kein Zweifel, dass die Szenerie perspektivisch gesehen werden soll und auf eine bestimmte Position der Zuschauer zum balet hin konstruiert worden ist. Diese betrachten das Gesamtarrangement und somit auch den König als einen Teil der Handlung, welche sie selbst jedoch als Akteure miteinschließt.

Neben der betonten Herausstellung des Königs partizipiert folglich auch jeder der Gäste an dieser Inszenierung und ist ein Teil von ihr. Zur Rechten des Königs findet sich der Hain des Pan: „Sacré à Pan dieu des pasteurs: & estoit ce bocage esteué de terre pied & demy, & en perspectiue, plus haut derriere que deuant [...]“1292 An der linken Seite des Saales sieht man das „goldene Gewölbe“, der Text spricht hier von „voûte dorée“, einem mit Sternen geschmückten Gewölbe, in der die Musiker und Sänger, unterteilt in zehn „concerts de musique“, saßen und die Musik als „la vraye harmonie du ciel“1293 vortrugen. Dienlich ist es darüber hinaus, Informationen über die Dekorationen, die abends 1288 1289 1290 1291

1292 1293

Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 7/B. ii.j; Siehe verkürzt auch Yates 1973, a. a. O., S. 239. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 208. Zur Perspektivwahl siehe Zur Lippe 1988, a.a.O., S. 421–24. Braun, Gugerli 1993, a.a.O., S. 126. Zur Entwicklung des Theaters und seiner Bühnentechniken siehe: Kindermann, Heinz: Theatergeschichte Europas. Das Theater der Renaissance. 2. Bd. (3 Bde.) Salzburg 1959 und ders.: Das Theaterpublikum in der Renaissance. Salzburg 1984. Beaujoyeulx, a.a.O., S. 5/ B.j. Ebda., S. 6/ B.ij: „Au dedans de cette voulte y auoit dix concerts de musique, differens les vns des autres: & fut cette voulte dicte & appelee Doree [...]“ und weiter: „[...] & [..] instruits en la discipline Platonique, l'estimerent estre la vraye harmonie du ciel, de laquelle toutes les choses qui sont en estre, sont coseruees & maintenues.“ verkürzt siehe auch Yates 1973, a.a.O., S. 239.

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

279

im Louvre-Palast aufgebaut worden waren, von Dorat als „vn theatre pompeux, & deux braues arcades“1294 beschrieben, hinzuzunehmen. Nach diesen hätten Arkaden Mond und Sonne dargestellt und zur Gesamtausstattung habe offenbar eine riesige Nachbildung des Himmelszeltes, an dem die Planeten, einschließlich der Embleme des französischen Königshauses, ihre Bahnen zogen, gehört. Hier wird zum wiederholten Male die Korrespondenz von Mikro- und Makrokosmos mit dem Mittel der Allegorie, Musik und Bewegung heraufbeschworen.1295 Charles Zika wies darauf hin, dass vor diesem Hintergrund und der im Text explizit gegebenen Information der Stich jedoch zwei wichtige Details des Textes auslasse, nämlich die Darstellung der Sonne und die der großen Wolke, aus denen im Spiel die Götter erscheinen.1296 Dabei stellte gerade das in Szene Setzen der himmlischen ‚Niederkunft‛, wie bereits erwähnt, eine der eigentlichen Neuerungen dar. Warum wird auf die symbolträchtige Sonnendarstellung verzichtet? Sollten Farb- und Lichtdarstellungen gar Aufgabe des Textes sein? Charles Zika geht davon aus, dass der Wert dieses ersten Kupferstiches besonders darin lag, dass das vorgeführte Schauspiel „[…] was made even more accessible to readers through the engraving by Jacques Patin which depicted the opening scene of the performance.“1297 Diesen Aspekt aufgreifend kann vermutet werden, dass die Abbildung des ersten Kupferstiches dem Leser, gerade mit seinen impliziten Vorausdeutungen, eine bereits ausgedeutete Szenerie anbietet. Durch seinen Ort im Druckwerk greift die Abbildung des Kupferstichs der narrativen Struktur des Stückes vor und übernimmt hierdurch selbst wieder eine strukturierende Funktion: Es gewinnt die Funktion eines einleitenden Prologes. Auch zu denen im weiteren Schauspiel auftretenden Intermedienfiguren macht Beaujoyeulx detaillierte Angaben, und auch hier unterscheiden sich Text und Kupferstichanlage.1298 Im Kupferstich1299 erscheinen die Sirenen mit entblößtem Oberkörper und zweiendigem Fischschwanz, „retroussees sur leur bras.“1300 Sie sind auf ornamentalen Querstreifen angeordnet und halten in der rechten Hand einen Spiegel. Der Text berichtet, dass ihre Schwänze gold und dunkelsilberfarben gewesen seien und auch das Haar „entremeslez de fil d’or.“1301 Offenbar vermag es hier der Text, im Unterschied zum Kupferstich, die 1294 1295 1296 1297 1298 1299 1300 1301

Dorat, Jean: Epithalame, ov chant nvptial svr le tres-hevrevx et tres-ioyevx mariage de Anne Dvc de Ioievse, et Marie de Lorraine.1581. In: Dorat, a.a.O., S. 23. Strong 1991, a.a.O., S. 107. Siehe Zika 2002, a.a.O., Anm. 64. Auch bei Müller 1993, a.a.O., S. 36ff, wird darauf hingewiesen, dass Text und Abbildungen nicht übereinstimmen. Zika 2002, a.a.O., Abs. 28. Siehe hierzu auch Müller 1993, a.a.O., S. 61. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 11. Ebda. Ebda., S. 4f.

280

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Farbigkeit der Szenerie, die ihrerseits metaphorisch verstanden werden soll, auszugestalten. Fast analog hierzu verhält sich die bildliche Darstellung der sechs, statt der im Text genannten acht, Tritonen.1302 Auch diese sind auf das etwas bewegter wirkende, aber immer noch eher ornamental gestaltete Wasser gesetzt. Den Tritonen, als Söhne des Poseidons, wird mit dem Dreizack dessen Attribut mitgegeben und verweist so auf dessen Fähigkeit, das Meer aufzuwühlen wie zu besänftigen.1303 Der Text erwähnt, dass Körper und Fischschwänze mit goldenen und silbernen Schuppen übersät gewesen sein sollen, in Bärte und Perücken Goldfäden eingezogen worden waren, das vermag der Kupferstich nicht vollständig zu transportieren.1304 Gleiches gilt für die auf einem weiteren Kupferstich präsentierten acht Satyren1305. Die bocksbeinigen Männer sind nicht so ausgestattet, wie es der Text erwähnt. Hiernach seien sieben der acht mit „des flustes“ ausgestattet gewesen und „sieur de saint Laurens, chantre de la chambre du roy“ habe gesungen.1306 Der Kupferstich1307 zeigt niemanden, der singt. Stattdessen fallen die mythologisch charakteristischen Pferde- und Bocksbeine der Satyre auf.1308 Der Kupferstich mit dem Titel Figure du chariot du bois 1309 zeigt die vier, inmitten eines Eichenblätter-Wäldchen1310 sitzenden Dryaden perspektivisch gestaltet. Der Text hingegen betont wieder die Ausstattungspracht bei gleichzeitiger‚Natürlichkeit‛ der Szenerie. Auch spricht dieser, gleichsam programmatisch, davon, dass die Dryaden „vestues à l’antique“1311 gewesen sein sollen; das Bild vermittelt dies nicht. Stattdessen legt auch hier das Bild den Schwerpunkt auf die primäre Kenntlichmachung als mythologische Gestalten, mit sekundärem Bezug zum eigentlichen balet.1312 Ganz so verhält es sich auch mit der typenhaften Darstellung der vier Kardinaltugenden1313 im Kupferstich.1314 Ebda., S. 17. Siehe hierzu auch Müller 1993, a.a.O., S. 63. 1304 Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 17. 1305 Ebda., S. 31. 1306 Ebda., S. 32. 1307 Delmas weist darauf hin, dass die ‚niederen Satyren‛ das nachfolgende Intermedium einleiten, welches von den Dryaden beendet wird. Siehe Delmas, a.a.O., S. 150. Den gewählten Bildinhalten könnte somit in Bezug auf die Handlung eine strukturanzeigende Funktion zugesprochen werden. 1308 Siehe auch Müller 1993, a.a.O., S. 63. 1309 Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 35. 1310 Laut mythologischer Handbücher wie die eines Natale Conti wurden die Dryaden mit einem Eichenbaum geboren und starben bei dessen Tode. Siehe Conti 1582, a.a.O., S. 454. 1311 Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 35. 1312 Interessanterweise können die Bilder so auch ohne Text rezipiert werden! 1313 Zu den aus den Schriften Ciceros und Senecas bekannten platonischen Kardinaltugenden siehe Newshauser, R.: Tugenden und Laster. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. VIII. Hg. v. Norbert Angermann u.a. München 1997, Sp. 1085 – 1088. 1302 1303

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

281

Die Figure du chariot de Minerve1315 zeigt Minerva auf einem von einem Drachen gezogenen Wagen. Die ihr beigegebenen Attribute Helm, Gorgonenschild und Lanze entsprechen den Angaben aus Contis mythologischem Handbuch zu ihrer Eigenschfat als Göttin des Krieges.1316 Ebenfalls ihrer mythologischen Anlage entsprechend, wird Minerva gleichzeitig als Göttin der Künste präsentiert – hier übertrifft das Bild den Text in seiner Darstellungsmöglichkeit von Gleichzeitigkeit. So ist Minervas Wagen mit Musikinstrumenten wie mit Kriegswerkzeug bestückt: Violine, Harfe, Blasinstrumente wie Krummhörner sowie Notenblätter auf der einen Seite; links davon finden sich Kriegsgeräte. Wie nicht anders zu erwarten, verweist der Text primär auf die farbig-prächtige Ausstattung, die auch hier „d’or et d’argent bruny“ und durch hundert Fackeln illuminiert gewesen sei 1317 Auch hier besteht zwischen Text und Bild in Bezug auf das balet nur ein loser Zusammenhang, es geht vielmehr um die der Darstellung zugrunde gelegte Idee und nicht um die illustrative Abbildung konkreter Figuren des gezeigten Spiels. Allerdings spiegelt die Auswahl der Bildsujets selbst die Struktur der präsentierten Allegorie. In diesem Sinne ist das Bild hier abstrakt und konkret zugleich. Immer wieder stellt der direkte Vergleich von Text und Bild darüber hinaus dar, dass die textliche Beschreibung die Anknüpfung an neoplatonische Ideen und ästhetische Diskurse sucht. So betont auch Beaujoyeulx selbst, dass die Imitative kaum zu erkennen gewesen seien und dass kostbar sei, was detailreich geschaffen worden sei.1318 In diesem Sinne ist der Text, über die seine beschreibende Intention hinaus, abstrakt wie vieldeutig.

II.3.3.2.

Zwischen Text und Bild: Zur Ausdeutung des gentilhomme fugitif

Obwohl der gentilhomme fugitif mittig stehend erst das Spiel eröffnet, ist im Hintergrund aber schon der erste Intermedien-Wagen sowie der fahrbare Brunnen und die Tiere im Garten der Circe, die erst nach dem ersten Ballet erwähnt werden, zu erkennen. Dieser gentilhomme fugitif, gespielt vom Bediensteten der Königin, 1314 1315 1316

1317 1318

Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 40. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 45. Conti führt in seiner Mythologie 1582, a.a.O., S. 294 hierzu aus, das Minerva aus Gründen der Wachsamkeit „[…] ayme le Dragon ou le Serpent.“ Sie sei Göttin des Krieges („Elles est commise sur les armes“ Aus: ebda., S. 293) wie der Künste („Pallas ait inventé presque tous les arts“ Aus: ebda. S. 294). Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 44. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 4 f. In diesem Zusammenhang betont Helen Leclerc die auffällige, ständige Verwendung des Verbs „éblouir“ in der Szenenbeschreibung. Sie wertet dieses „Blenden“ als Leitmotiv des Stücks, da sich hierin sowohl die Absicht, mit Reichtum in Form von Diamanten u.ä. zu blenden sowie der philosophische Gehalt des Lichterglanzes als „lumen supranaturale“ zeige. Siehe Leclerc 1961, a.a.O., S. 101 –120, bes. S. 119.

282

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Sieur de la Roche, leitet nach Angaben des Berichtes zu Beginn der Aufführung durch eine an den König gehaltene Rede das Geschehen ein, indem er von der misslichen Lage berichtet, in die ihn Circe gebracht hat. Diese Figur des gentilhomme wurde häufig in der Literatur als Odysseus (Ulysses) identifiziert bzw. analog hierzu ausgedeutet.1319 Wenn man die mythologische Wurzel der CirceGeschichte betrachtet, erscheint diese Haltung überzeugend, verliert aber aus dem Blick, dass eine solch eindeutige Zuordnung in ihrer Monokausalität nicht auf der Grundlage des vorliegenden Berichts durch den Autor selbst fußt. Vielmehr soll davon ausgegangen werden, dass gerade die scheinbar unbestimmte Benennung dieser Figur als gentilhomme multiple Auslegungen geradezu herausfordern will. So denke ich, dass diese Figur ideengeleiteter und abstrakter das ‚Kernproblem‛ der Begleiter um Odysseus verkörpert, nämlich die Bedrohung durch Circe. Nimmt man die dem Traktat beigefügten allegorischen Ausdeutungen am Ende hinzu, erkennt man, dass für eine ‚moralische‛ Ausdeutung angeboten wird, dass Circe für das Laster steht, das den durch Unvernunft bestimmten Mensch erfassen und vernichten kann. In diesem Sinne erscheint es naheliegend, dass diese Figur das ist, als was sie erscheint: nämlich ein Mitglied des Hofes, oder anders: Der Höfling oder Hofmann.1320 Der hier beschriebene Konflikt zwischen rationalen und irrationalen Anteilen der Erzählung wird auch in der strukturellen Anlage des Kupferstichs mit eigenen Mitteln betont: Der aus Circes Garten geflohene Adelige, gespielt von Sieur de la Roche1321, steht mit pathetischer Geste, die durch die überproportional gestaltete Hand unterstrichen wird, vor dem König und bittet diesen um Hilfe, die nur der Monarch gewähren kann. Die bildliche Darstellung selbst wird jedoch erst zur performativen Plattform dieser Inszenierung, denn das Wissen um die Bedeutungen ist wertlos, wenn es nicht gelingt, es so in Worte zu fassen, dass alle Rezipienten Aufmerksamkeit zollen. Der Hofmann verleiht in der Demonstration seiner Eloquenz seiner kommunikativen Kompetenz sprichwörtlich ‚mit großer Geste‛ Ausdruck. Darüber hinaus spricht etwas anderes dagegen, diese Figur ausschließlich als ‚Odysseus‛ bestimmen zu wollen: Dieser besiegte die Circe und brach ihren Bann. Der vorliegende gentilhomme fugitif hat tatsächlich aber gar nichts vom siegreichen Odysseus. Darüber hinaus gibt der Autor Beaujoyeulx selbst den entscheidenden Hinweis. Er vergleicht in seiner Widmungsvorrede

1319

1320 1321

So z. B. Müller: „Odysseus aber ist, [...] König Henri III selbst“. Dies. 1993, a.a.O., S. 116f.; McGowan sieht in dieser Figur einen Seefahrer, verbleibt damit aber auch in der Deutung, auch auf der mythologischen Ebene. Siehe dies. 1963, a.a.O., S. 44. Siehe zum Zusammenhang des gentilhomme mit dem berühmten ‚Hofmann‛ von Castiglione Kapitel I.4.3. dieser Arbeit. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 8.

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

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den König selbst mit der Figur des Odysseus, den dieser aber noch an Ruhm überbiete: „Die Erzählung von all diesem, SIRE, ist ihnen hier lebendig und angenehm präsentiert in der fabelhaften Erzählung der Zauberin Circe, die sie mit ihrer Tugend besiegt haben, mit größerem Ruhm als Ulysses (Odysseus), welchen der große Alexander darum beneidete, von Homer so würdig gefeiert worden zu sein. Im Gesamten wird dies eure poetische oder, wenn sie so wollen, eure komische (theatralische) Geschichte sein, welche euch unter allen Arten von Menschen bekannt machen wird.“1322

Nicht zu vergessen ist, dass sich nur hier eine menschliche Figur neben all dem mythologischen Personal im Spiel präsentiert. Im Zwei-(!)kampf von göttlicher Gestalt (Circe) und menschlichem Wesen wird zur Lösung des Problems, die (göttliche) Triade vervollständigend, der König als ‚Retter‛ miteinbezogen. Auch findet sich die bereits erläuterte Zahlensymbolik, die das gesamte Werk durchzieht.1323 Nur folgerichtig erscheint so das zahlenmäßig stets genau benannte Auftreten unterschiedlicher Figuren oder Figurengruppen, als ‚göttliche‛ in einem Vielfachen der Ziffer 3 und als ‚irdische‛ in einem Vielfachen der Ziffer 4. Möglicherweise wäre hieraus auch die vom Autor benannte Anzahl der Zuschauer von neun- bis zehntausend als quasi symbolische Synthese dieser Zahlenordnung zu verstehen, da ein Vielfaches beider Variablen hier benannt wird. Anders gesagt: In der Subordination eines auf symbolischen Zahlenverhältnissen gestalteten Mikrokosmos erhalten die makrokosmische, höhere Ordnung und Harmonie Gestalt. Folgt man dieser Argumentation, ist es auch nicht mehr irritierend, dass der im Traktat benannte grande salle de Bourbon1324 diese Menschenmenge tatsächlich niemals hätte fassen können.1325 Eine Verknüpfung zwischen fiktiver und realer Welt findet darüber hinaus auch auf anderer Ebene statt: Der gentilhomme als einzige menschliche Figur, die selbst auftritt, eröffnet das Schauspiel. Und es ist auch das letzte Wort, das einem realen gentilhomme, nämlich Sieur Gordon, gentilhomme de la chambre du Roy, am Ende des gedruckten Traktates vorbehalten bleibt. Das Schauspiel und sein Druckwerk werden so in eine vorhandene Situation eingebettet, die im gentilhomme eine Synthese aus Schauspiel und realer höfischer Welt erfährt. Hieraus abgeleitet erscheint die oft konstatierte, einseitige Kommunikationssituation, wie bereits zu Beginn der Arbeit angedeutet, als zu eng gefasst. Stattdes1322 1323 1324 1325

Hier zit. nach Lacroix 1968, a.a.O., S. 4 (meine Übersetzung. A.W). Siehe hierzu I.4.1. dieser Arbeit. Beaujoyeulx, a.a.O., S. 4, siehe zur Strittigkeit des angegebenen Ortes: Franko 1993, a.a.O., S. 36. Siehe diesen Hinweis u.a. bei McGowan 1982, a.a.O., S. 49, hier Anm. 103 wiederum mit Verweis hierfür auf Lawrensen, T. E.: The french stage in the seventeenth century. Manchester 1957, S. 168–89.

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II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

sen drückt sich offenbar auch im vorgeführten Spiel eher eine dialogische Situation aus. Sicherlich bleibt eine zentrale Ausrichtung auf den König festzustellen, jedoch erscheint dieser nun verstärkt selbst in Kommunikationsprozesse integriert und weist diese nicht nur autokratisch an. Diese These wird m. E. auch durch den ersten Kupferstich im Traktat gestützt: Wurde bisher die stets offensichtliche, aber zum Teil scheinbar ausschließliche Ausrichtung auf den König hervorgehoben, ordnet sich bei genauerer Betrachtung doch vieles auf dieser perspektivisch nicht korrekten Darstellung dem benannten Primat des Dialogs und der Überführung desselben in eine höhere Ordnung unter. Die zunächst etwas befremdlich anmutende Szene, in der der König dem Betrachter, ob seiner enface-Ausrichtung zum agierenden gentilhomme, den Rücken zuwendet, offenbart deutlich das Gesamtkonzept: Einerseits werden die Leser/Betrachter in das Circe-Spiel selbst eingeführt, denn der gentilhomme, also die Verkörperung des zentralen Themas sowie die mögliche Identifikationsfigur für die Leser1326, bleibt die den Rezipienten zugewandte Figur. In dieser Figuration wird also nicht nur der König, sondern werden auch die zeitgenössischen Betrachter angesprochen; in Anlehnung an Ansätze aus der rezeptionsorientierten Literaturwissenschaft ist hier der Betrachter quasi Koautor, der erst durch den aktiven Akt des Lesens und der eigenen Vorstellung das Werk sinnstiftend ergänzt und vervollständigt. Es scheint dienlich, die Gemeinsamkeiten sowie die Differenzen von Text und Abbildung nun genauer in den Blick zu nehmen. Zunächst fordert der Autor die Leser regelrecht zu einem Akt der Imagination auf. „Zunächst müssen sie sich vorstellen, [...].“1327 Der Autor nimmt von nun an in der Beschreibung der Raumgestaltung die Perspektive eines, bereits beim Einlass gemäß seiner höfischen Stellung genau sondierten Gastes1328 ein, auf den hierfür vorgesehenen Emporen: So weist er darauf hin, dass er (Beaujoyeulx) das Gesamte so angeordnet habe, dass sich die Estrade des Herrschers „a main droite“1329 befindet. Der Autor beschreibt, dass der König sich auf einem gen Osten (!) ausgerichteten Halbkreis (!) auf einer Empore mit einer Höhe von drei degree(!) befindet.1330 Camille Hardy hat darauf hingewiesen, dass es sich beim balet comique um das erste Valois-ballet handelt, bei dem überhaupt von einer perspektivischen Szenerie Gebrauch gemacht worden ist.1331 Betrachtet man nun im Vergleich die Szene des Malers Patin: Hier befinden sich, hinter dem in Rückansicht zu sehenden König – nahe des Betrachters, nebst 1326 1327 1328 1329 1330

1331

Siehe hierzu die Ausdeutung der Leseransprache in dieser Arbeit in Kapitel II.3.1. „Premierement, il se faut representer [...]“ Lacroix 1968, a.a.O., S. 22. „L’entrée qu’a personne de marque et cogneuës"Lacroix 1968, S. 22. Lacroix 1968, a.a.O., S. 23. „Premierement, il se faut representer qu’à l’entour de ladiee salle y a deux galleries l’une sur l’autre, avec des accoudouers et balustres dorez, et à un bout de ladicte salle qui regarde au levant, vous voyez un demi theatre." Lacroix 1968, a.a.O., S. 22. Siehe Hardy 1982, a.a.O., S. 143.

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

285

der ihn je zu beiden Seiten flankierenden Personen, acht weitere Figuren, die sich hinter dem Rücken des Königs und somit dem Betrachter am nächsten, abgebildet sind. Es liegt, ob der Bekleidung dieser Personen, sehr nahe, dass es sich hierbei um die Tänzerinnen selbst handelt: Eindeutig wird eine identische Bekleidung offenbar, und auch die sich am rechten Bildrand neben der Panschen Grotte befindende Akteurin trägt dasgleiche Kostüm. Die Abbildung pointiert und detailliert somit einen Aufbau, der im schriftlichen Bericht pauschaler beschrieben wird: „Diese (Estrade. A.W.) wurde ausschließlich für die Sitze des Königs, der Königinmutter, der Prinzen und Prinzessinnen genutzt.“1332 Jaques Patin1333 verzichtet m. E. auf die Darstellung aller hier benannten Personen, zugunsten der Subordination des Gezeigten unter dem Primat der Zahlenbedeutung: Denn aus der im Text präzise angegebenen Höhenangabe und der eher unspezifischen Angabe „Sitze für...“ erschafft Patin eine für den Betrachter deutlich strukturierte Situation: Der König, gerahmt von der eigenen Mutter zur Rechten und dem zur Linken sitzenden höfischen Mitglied, welches ob seiner Bekleidung als solches deutlich zu identifizieren ist, bilden zusammen eine Triade. Es liegt nahe, die zur Linken sitzende Person als den Bräutigam selbst zu identifizieren: Dies begründet sich zum einen in der ausgeprägten Kopfschmuckgestaltung, die sowohl für Henri als auch seine Favoriten kennzeichnend war. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass die Distanz zwischen dem König und dieser Person eine, räumlich gesehen, zumindest wahrzunehmende, wenn auch nicht markant geringere ist. Interpretationen, die diese Person als Gesandten deuten, scheinen vor diesem Hintergrund weniger haltbar. Zumal sich Patin in der Platzierung der Gesandten ganz an die Vorlage zu halten scheint. Diese häufig wenig beliebten Gäste am Hof1334 sind jeweils zu zweit am linken und rechten Bildrand, und sich somit zwischen gentilhomme fugitif und König befindend, alle vier in ihrer Blickrichtung auf den König und nicht etwa den Agierenden gerichtet, untergebracht. Beachtet man nun noch einmal, dass der König geradezu von dem ihn umgebenden Hof eingerahmt erscheint – gentilhomme vor ihm, Tänzerinnen hinter ihm, Gesandte im Blickfeld zwischen gentilhomme und ihm selbst sowie quasi als ‚Fernziel‛ die enface, allerdings ebenfalls erhöht, sitzende Gegnerin Circe – scheint er also nicht nur Bestandteil des Geschehens zu sein, sondern gleichsam tatsächlicher Akteur, auf den ebenso stark in seinem Agieren die Augen aller gerichet sind, vice versa sich seine Augen auf den eigenen Hof richten.

1332 1333 1334

„pur servir seulement d’assiette aux sieges du du Roy, Royne sa mere, Princes et Princesses.“ Aus: Lacroix 1968, a.a.O., S. 22. Seine Verantwortlichkeit für alle Abbildungen unter der Führung von Lescot betont McGowan: McGowan 1982, a.a.O., S. 38. Zur Stellung der Gesandten am Hof siehe: Febvre, Lucien: Der neugierige Blick. Leben in der fanzösischen Renaissance. (Neuausgabe der ersten Ausg. von 1982) Berlin 2000, S. 30.

286

II.3.3.3.

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Zwischen Text und Bild: Circe als Protagonistin des Königs

Kann man soweit gehen und fragen, ob nicht der König selbst auch vorgeführt wird? Wird ihm doch gerade die Gegnerin als eine allzu bedrohliche vorgeführt: Auf einer schrägen Ebene sitzend, im quasi ganzen Ausmaß ihrer Bedrohung (drei degrée vorn, 12 hinten, 1 vorne in der Höhe, 3 hinten). Hier ist es interessant darauf zu verweisen, dass Beaujoyeulx bei der Ausgestaltung der Figur Circe deren (Zwie!)gespaltenheit betont. So fußt sie, gleichsam ihrer göttlichen Herkunft, auf den ‚göttlichen‛ Maßen (3 und Vielfaches). Die sie ansonsten umgebende Ausstattung ist jedoch ‚irdisch‛ orientiert, nämlich im Arrangement der Zahl zwei bzw. vier: So ist ihr Garten in vier Teile gegliedert, der durch zwei grüne Alleen strukturiert wird. Jedes Viertel des vorderen Gartenteils ist mit je einer Einfassung aus „l’une de levande, l’autre d’aspic, la troisiesme de rosmarin et la quatriesme de saulge“1335 versehen. Im Garten selbst finden sich Früchte wie Erdbeeren, Gurken, Melonen und andere alle „aus der Erde kommend“1336 gereift. Auf den zwei (!) Seiten des Gartens sind Bäume mit „seltenen und exquisiten“1337 Früchten wie Orangen, Grenadinen, Zitronen und Äpfeln beladen, alle aus „Gold und Silber, Seide und notwendigen Farben“1338 gefertigt, so dass „die Natur selbst erstaunt über soviel Kunstfertigkeit gewesen wäre.“1339 Hier werden offensichtlich Früchte gewählt, die nur unter starkem Einfluss der Sonne reifen und somit zum einen auf die Herkunft der Circe als Tochter des Sonnengottes Helios anspielen. Diese Sonnensymbolik aufgreifend, hängt, laut der Beschrei1335

1336 1337 1338 1339

Lacroix 1968, a.a.O., S. 25. Diese Kräuter sind als Spica lavendula (Lavendel. A.W.), Nardus italica (Aspic – eine weitere Lavendelart. A.W.), Rosmarinum coronarium (Rosmarin. A.W.) sowie Savia minor (Salbei. A.W.) in der zeitgenössischen Botanik-Literatur bekannt. Allen vier wird eine aphrodisische Wirkung zugesprochen. Rosmarin und Lavendel sollen in der Antike der Göttin Aphrodite geweiht gewesen sein. Siehe hierzu De Loebel, Matthias: Kruydtboeck oft beschrijvinghe van allerleye ghewassen, kruyderen, hesteren, ende gheboomten. Antwerpen 1581, S. 518, S. 517, S. 515 und S. 657 in:. BnF NO98031, zu „Aspic“ siehe auch Estienne, Charles: De latinis et graecis nominibus arborum, fruticum, herbarum, piscium, & animum liber: ex Aristotele, Theophrasto, Dioscoride, Galeno, Aetio, Paulo Aeginata, Acturario, Nicandro, Athenaeo, Oppiano, Aeliano, Plinio, Hermolao Barbaro, & Johanne Ruellio: cum gallica eorum nominum appellatione [Carolus Stephanus]. ND d. Ausg. v. 1547 ca. 1900, S. 52, in: BnF NO52178. Camille Hardy verweist in diesem Zusammenhang auf Folgendes: „Louise’s work with orphans in the ‚Jardin des Simples‛ of the Maison de Charité Chértienne was well known. She taught the children to collect herbs.“ Weiter weist sie darauf hin, dass Aspic und Lavendel eine reinigende Wirkung zugeschrieben wurde; nach einer Legende wurde Rosmarin eine götterbesänftigende Wirkung zugesprochen. Hardy 1982, a.a.O., S. 143, hier mit Verweis auf: D’Ancona, Mirella Levi: The Garden of the Renaissance. Florenz 1977, S. 356. „Venans par terre.“ Lacroix 1968, a.a.O., S. 25. Ebda. Ebda. „La nature mesme sembloit s’estonner de l’artifice“ , aus: Ebda.

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

287

bung Beaujoyeulx’ eine „grand soleil d’or“1340 über der gesamten Szenerie.1341 Aber auch auf Circes andere Abstammungslinie wird Bezug genommen: Sieht man doch, so Beaujoyeulx, „an der Spitze des Circeschen Schlosses, das vielfach mit Edelsteinen und bunten Gläsern geschmückt ist, eine Wolke, die eine Imitation einer Muschel (conche) oder die einer Seenadel (esguille de mere) darstellen soll.“1342

Der Autor spart hier nicht mit Details: Die Beschreibung des Circeschen Zauberschlosses, das im Hintergrund mit einer „ville en perspective“1343 ausgeschmückt ist, nimmt in der eigentlichen Szeneriebeschreibung den weitaus größten Teil ein, und schließt diese ab. Der Bewunderung für die, von ihm geschaffene, Figur (und sein eigenes Werk) verleiht er in der Beschreibung der Szenerie sozusagen den krönenden Abschluss, wenn er darauf hinweist, dass durch das Licht, erzeugt von Hunderten von Kerzen, die Augen der Betrachter irritiert gewesen seien und die Nacht durch die Kraft dieser kunstfertigen Illumination dem schönsten Sonnentage geglichen habe.1344 Bei der Ausgestaltung des Circeschen Gartens weicht Patin erheblich vom Bericht ab und scheint in seiner Konzeption ein Arrangement, basierend auf der Zahl drei, quasi als direktes Pendant zur Königsestrade, zu bevorzugen: Lediglich drei Bögen, die hinter Circe, auf einem Podest sitzend, ihren Rücken beschirmen, sind zu erkennen. Diese wiederum offenbaren den Blick auf eine „ville en perspective“1345. Es finden sich also keine abgrenzenden Garteneinfassungen, keine Anspielung auf die Sonnensymbolik oder gar die angedeutete Sonne selbst, kein Verweis auf ihren Bezug zum Meer in Form der Wolke! Im Verzicht auf diese sicherlich beeindruckenden Details, pointiert Patin hingegen einen anderen, tieferliegenden Aspekt: Durch die Reduzierung auf wesentliche Merkmale wie die Tiere, den Zauberstab und Circes Platz im eigenen Schloss, vor allem aber durch ihre direkte und ebenfalls erhöhte, vis à vis zum König ausgerichtete Sitzposition, rückt Patin Circe als adäquate Gegnerin für König Henri, im Ringen um Tugend und Laster, stärker ins Bild. So gelingt es ihm, den Machtkampf, als dramatisches Zentrum des Stücks, geschickt in Szene zu setzen.1346 1340 1341 1342 1343 1344

1345 1346

Ebda. Vgl. hierzu aber auch das mit Sonnenstrahlen umkränzte Haupt des Apollon auf der Devise an Caterina de Medici im balet comique: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 73. Ebda. Hier zit. nach Lacroix 1968, a.a.O., S. 25. „Le nombre infini de flambeaux qui estoient au-dessus de la salle et tout à l’entour, donnoit telle et si grande clairté, qu’elle pouvoit faire honte au plus beau et serein jour de l’année.“ Aus: Ebda. Hier zit. nach Lacroix 1968, a.a.O., S. 25. Bezüglich der narrativen Struktur fällt bei Patins Gestaltung auf, dass der von ihm im linken hinteren Bildteil in Szene gesetzte Brunnen quasi simultan das spätere Geschehen

288

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Deutlich scheint auch die bereits zuvor benannte Subordination unter das Prinzip höherer Harmonie, vermittelt durch Zahlenbezug, bei Patin wieder: Auf die sich an der Decke befindende und bereits erwähnte Wolke verzichtet Patin. Stattdessen lässt er vor den Augen der Betrachter eine in zwölf Reihen, gleichsam die himmlische Harmonie versinnbildlichend, angeordnete Kassettierung den gesamten Raum und somit das gesamte Geschehen abrunden, nicht ohne einen Verzicht auf die perspektivische Richtigkeit. Gleichzeitig scheint er Beaujoyeulx’ Verweis hierin umsetzen zu wollen: „Andere, mehr in der platonischen Philosophie Erfahrene, dachten, es sei die wahre Harmonie des Himmels, von der alle lebenden Wesen bewahrt und erhalten werden.“1347 Es wird deutlich, dass Text und Bild deutliche Differenzen in der Deutung der Figur Circe aufzeigen, hier die ambivalente, magische Zauberin, dort die adäquate Gegnerin. Diese Differenzen und gleichzeitige Multiperspekitivtät der Figur werden durch die dem Schauspiel beigegebenen Allegorien am Ende des Berichtes verstärkt. Auch diese bezeugen die mehrfache Auslegungsmöglichkeit der Figur der Circe.1348 Bemerkenswert erscheint, dass in der Nebeneinanderstellung und gegenseitigen Ergänzung von Text und Bild, und nur in dieser, sich die für das gesamte Werk kennzeichnende Polyvalenz ergibt. Denn gerade dieses Arrangement fördert die vom Autor geforderte, eigene Vorstellungskraft, gerade auch in der Differenzerfahrung von Text und Bild: „Diese (Schöpfungen. A.W.) können sich vorgestellt werden, wenn ich zu allererst durch Bilder und durch Beschreibungen die Vorbereitungen und die Maschinerien, welche ich konstruiert habe im grande salle de Bourbon, der Ort, an dem meine Erfindungen vorgeführt und durchgeführt worden sind, veranschauliche.“1349

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vorwegnimmt, da dieser erst sehr viel später im Verlauf des Schauspiels vorkommt (der Brunnen erscheint erst nach der Rede des gentilhomme und dem Klagelied der Circe). Die Darstellung des Brunnens im Hintergrund ist gleichsam selbstreferentiell, da Patin für das Dekor, z. B. die mobilen Maschinen, zuständig war. Diesem Brunnen wird an späterer Stelle noch ein eigenes Bild gewidmet. Beaujoyeulx betont die außerordentliche Schönheit dieses Brunnens, wenn er sagt: „laquelle (une fontaine. AW) j’ay voulu particulierement inserer avec sa figure“ Lacroix 1968, a.a.O., S. 36. Hier in Bezug auf die Musik: „[...] d’aultres plus instruits en la discipline Platonique, l’estimerent estre la vraye harmonie du ciel, de laquelle toutes les choses qui sont en estre, sont conservées et maintenuës.“ In: Lacroix 1968, a.a.O., S. 25. Vergleiche die vier (!) Kommentare am Ende bei Beaujoyeulx (einer von Natale Conti als philosophisch akademischer Autorität, einer von La Chesnaye , einer Dichterautorität und konkret im balet comique textverantwortlich, eine ‚moralische‛ Auslegung sowie ein Kommentar des Schotten Gordon, Kammerdiener des Königs und Hofmitglied). Siehe hierzu das Kapitel III.2. dieser Arbeit. „[...] sur mes sujects et inventions,[...],si premierement par les peintures et description, je fay veoir les preparatifs et appareils que je fey dresser en la grande salle de Bourbon, lieu où mes dites inventions ont esté executées et mises à effect.“ Lacroix 1968, a.a.O., S. 22.

3.3. Schrift-Bild-Differenzen: Diverse Szenerien

289

Dieser Appell an die beweglichen Sinnesbilder1350 der Illusion lassen Beaujoyeulx auch auf die, qua ihrer Bildhaftigkeit statisch wirkenden Tanzabbildungen eines balets des polonais verzichten: War der Tanz, als Sinnbild universeller Harmonie1351 denn abbildbar? Wird die Symmetrie und der Zauber des Tanzes Bewegungen nur angedeutet, umso imaginierbar zu sein? Es scheint gerade so, als dass die Beobachtungen von Aleida Assmann, dort sich auf den Vergleich des Erosionsprozesses von steinernen Materialien und Papier beziehend, hier gleichsam eine Steigerung erfahren: „Je immaterieller die Kodierung, desto größer wird offensichtlich die Chance der Unsterblichkeit.“1352 Will vielleicht also auch Patins bildnerische Gestaltung gar kein ‚Ab-bild‛ sein? Weist es stattdessen bereits auf die Vielschichtigkeit der allegorischen Struktur des Gesamtwerkes hin? Im Arrangement von Bild und Text, gleichsam in seiner eigenen Struktur, erhält so das Gesamtwerk die Aufgabe, auch nach dem eigentlichen Ereignis Imagination, Vision zu evozieren. Werden am Ende vereinzelt höfische Mitglieder mit devisengravierten Medaillen beschenkt und durch die Gabe gleichsam selbst ‚transformiert‛1353, ist es hier der Leser, der im Akt der Imagination1354 eine vergleichbare Möglichkeit erhält.

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Siehe hierzu auch Hardys Hinweis, dass es sich bei der Gesellschaft des 16. Jahrhundert um eine visualist society handele. Mit Verweis auf Walter Ong siehe hier Hardy 1982, a.a.O., S. 142. McGowan verweist darauf, dass in den theoretischen Diskursen des 16. Jh. die Vorstellung zu finden ist, dass „dance brought the world into being, from original chaos, it created the ball of stars.“ In: Mc Gowan 1998, a.a.O., S. 277 Dieser Gedanke erfährt seine Integration vor allem in dem Moment, in welchem Circe versucht, die Tänzerinnen zum Stillstand und somit gleichsam die Welt zu Chaos und Stillstand zurückzuführen. Assmann 1999, a.a.O., S. 191. Medaillen wurden in der Renaissance im Bereich der Alchemie auch zur Erinnerung an „erfolgreicheTransmutationen“ geprägt und an die Anwesenden zur Erinnerung verteilt: Biedermann, Hans: Lexikon der magischen Künste. Bd. 2. Wiesbaden 32001, S. 298; siehe auch die Lobpreisungen an Beaujoyeulx, die betonen, dass man „verwandelt“ sei, so Costé in seiner Lobpreisung: „Aber ich fühle, dass meine Seele verzaubert ist durch die süßen Vergnügungen und dass all meine Sinne so geraubt sind, dass selbst Merkur nur schwerlich ein Heilmittel finden könnte.“ Original siehe: Lacroix 1968, a.a.O., S. 10 („Mais en si doux plaisirs tellement je me sens/Ensorceller mon âme, et ravir tous mes sens, qu’à grand’peine Mercure y donroit-il remede“). Interessant erscheint an dieser Stelle der Hinweis auf Valerio Marchettis Überlegung, dass „der Protestantismus von Anfang an [...] den Kampf mit der religiösen Einbildungskraft aufnehmen mußte und dabei die Nähe von Gedächtnis und Imagination verurteilte.“ Marchetti 2000, a.a.O., S. 691–692.

290

II.3.4.

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen im balet comique

Dramaturgisch ist die Circe-Handlung mit der Vereinigung der vorgeführten Gottheiten beendet; nicht jedoch das höfisch-theatrale Gesamtereignis. Im Anschluss an das der Circe-Allegorie folgende grand ballet geben die Tänzerinnen, immer noch in ihren Nymphenkostümen, und allen voran die Königin „chacune selon leur range et degré“1355 an ausgewählte, fast ausschließlich männliche Mitglieder des Hofes1356, ein „present d’or, auec leurs deuises“1357 in Form einer goldenen Medaille. ‚Medaillen‛ (Abb. 14)1358 können im Unterschied zu ‚Münzen‛ verstanden werden als „münzähnliche Metallstücke, die meistens auf beiden Seiten ein Bild und/oder eine Inschrift tragen, dienen der preisenden oder kritischen Erinnerung an bestimmte Personen oder Ereignisse. Die Wiedergabe changiert zwischen realistischer und abstrahierender Darstellung. Während der Avers zumeist ein Porträt mit einer identifizierenden Inschrift zeigt, enthält der Revers meist eine bildliche oder textuelle Charakterisierung der dargestellten Person. Dies kann in der Form von Motti, Epigrammen und historischen Daten geschehen. Gängiger sind historische Szenen, Wappen, Allegorien oder Embleme, die verschlüsselt auf die jeweilige Person verweisen. Im Gegensatz zu den Münzen werden Medaillen nicht als Zahlungsmittel gebraucht; ihre Anfertigung kann daher auch im Auftrag von Privatpersonen erfolgen. 1359

Mit den Medaillen, wie sie im balet comique Verwendung fanden, begegnet den Rezipienten eine besondere Technik des Emblem- bzw. Devisengebrauches.1360 1355 1356 1357 1358 1359

1360

Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 78. Bei Beaujoyeulx heißt es, den „Princes, seigneurs et gentilhommes que bon leur sembla.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 78. Beispiel einer italienischen Medaille aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, denen des balets comique wahrscheinlich aber in Größe und Materialverwendung sehr ähnlich. Aus: Römmelt, Stefan: s.v. Medaille unter URL: http://www.historicum.net/themen/medien-undkommunikation/themen/art/Medaille/html/artikel/2622/ca/1879322c1c/(letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch Scher, Stephen K., Eimer, Christopher, Attwood, Philip: Medal. In: The Dictionary of Art. Hg. v. Jane Turner. Bd. 20. London 1996, S. 917–927 sowie Vajda, Laszló, Panvini Rosati, Franco: Coins and medals. In: Encyclopedia of World Art. London 1960, S. 700–748. Auch: Russell, Daniel: The emblem and device in France. Lexington 1985, hier S. 68f. Siehe auch Saunders, Alison: The sixteenth-century French Emblem Book. A decorative and useful genre. Genève 1988, S. 286, Saunders spricht hier von „medaillons“, a.a.O., S. 286. Mit Dank an Allison Rawles-Saunders für den Hinweis, dass vorliegend von Devisen und nicht von Emblemata auszugehen sei. Wenngleich darauf hingewiesen sei, dass sowohl Russell wie auch Warncke formulieren, dass der Begriff Devise ist um 1580 in Frankreich nur sehr schwer vom Begriff Emblem zu trennen sei. Siehe Russell 1985, a.a.O., S. 143 und S. 145 sowie Warncke, Carsten-Peter: Sprechende Bilder – sichtbare Worte. Das Bildverständnis in der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 1987, S. 177.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

291

Ausgewiesene Emblemtheoretiker wie Daniel Russel und Allison RawlesSaunders wiesen nach, dass sich Devisen, im Sinne von persönlichen Leitsätzen oder Losungen – häufig in Kombination aus pictura und subscriptio –, in Frankreich bereits seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreuten. Paolo Giovio1361, der mit seinem Werk Einfluss auf die Entwicklung der Devisenkunst in Frankreich hatte, forderte, dass eine vollständige Devise ein Motto besitzen sowie kurz und in fremder Sprache abgefasst sein müsse.1362 Hierbei konnte bis zum 17. Jahrhundert die Devise Ausdruck einer einfache Idee oder einer Stellungnahme sein. Im Unterschied zu anderen Bild-Text-Formen wie z. B. den Emblemen, die seit 1650 zunehmend voneinander abgegrenzt wurden, bezogen sich die Devisen in ihren Aussagen grundsätzlich auf zukünftiges Geschehen und waren metaphorisch, nicht wörtlich zu verstehen. Darüber hinaus bezogen sie sich eher auf eine Person, denn auf eine Gruppe und drückten zudem meist eine besondere Idee aus, die zu dieser Person passte, oder die diese sich gewählt hatte.1363 Diesen individualisierten Zug der Devise, im Gegensatz zum eher allgemeingültigen und unpersönlichen des Emblems, betont Russel, wenn er sagt: „Such devices were identifying marks like heraldic arms, but unlike armorial markings, they were personal signs which distinguished their owners not only from other families, but also from members of their own family, by providing a figurative description of the person designated. More specifically, the device seems to have been a personal mark chosen to distin-

1361 1362

1363

Siehe Giovo, Paolo: Dialogue des devises d’armes et d’armours. Lyon 1561. Hier nach: Russell 1985, a.a.O., S. 38f. Russell auch mit dem Hinweis, dass französische Devisen und Embleme der Frühen Neuzeit von der Forschung weniger beachtet worden sind als die deutsche, niederländische und italienische Emblemkunst. Hierzu Russell 1985, a.a.O., S. 14. Eine gute Übersicht gibt folgende Bibliografie: Grove, Laurence, Russell, Daniel (Hg.): The French emblem: bibliography of secondary sources. Travaux d’humanisme et renaissance. Bd. 342. Genève 2000. Zum Begriff der Devise als „verkürztes Lächeln“ (Russell): Die höfischen Devisen erfreuten sich in Frankreich bereits seit der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts großer Beliebtheit. Bis zum 17. Jahrhundert konnte die Devise eine einfache Idee, eine Stellungnahme, auch Behauptung oder eine „raisonnement sur des rapports“ sein. Nach 1650 wurde die Devise zunehmend von anderen Formen, wie die des Emblems, den revers der Medaillen und heraldischen Zweigen abgegrenzt. Die revers, im Unterschied zur Devise, „commemorates an act or event which took place in the past, while the devise looks generally towards the future. Furthermore, the revers is not restricted by the rules of the device, and the statement it makes is literal and affirmative rather than metaphoric, as in the device. Yet since devices often graced the revers of Renaissance medals, the distinction between revers and device was by no means absolute. The two forms became progressively confused, [...]. Furthermore, the device belongs to one person rather than to a group, and it expresses a particular idea as applied to that person. [...] The French devise was commonly translated by the Latin symbolum, and the device was thought to be a painted metaphor or, put another way, an abridged smile.“ Aus: Russell 1985, a.a.O., hier S. 68f. Siehe auch Jacquiot, Josephe: Les Devises dans la Médaille de 1438 à 1599 en France et en Italie. In: Emblèmes et Devises au temps de la Renaissance. Hg .v. M. T. Jones-Davies. Paris 1981.

292

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

guish the individual through the expression of some idealized element of his character, condition or aspiration.“1364

Allerdings konnte es auch besondere Anlässe oder Umstände wie ein Turnier oder eine Liebesaffaire geben, zu denen man sich Devisen erdachte, die dann gezielter für eine bestimmte Person, mit Bezug zu eben jenem Ereignis, eingesetzt wurden: „Sometimes such devices turned on the subject’s role to such an event or his reaction to it. So instead of being the metaphor of a whole person, the device was now often designed to praise the person for some limited and particular quality exhibited in a very specific set of circumstances.“1365

Ende des 16. Jahrhunderts und zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde es dann üblich, die Devise nicht nur für sich selbst zu wählen, sondern auch für eine andere Person zu ersinnen, sodass diese zum „vehicle for coding secret messages“ wurde.1366 Sowohl durch ihr Format als auch durch die Art der Übermittlung im persönlichen Vergabeakt eigneten sie sich zunächst nicht als „open pedagogical presentation.“1367 In gedruckter Form allerdings wurde sie m. E. einem öffentlichen Diskurs zugeführt, zeitgebunden zwar, aber doch ganz und gar nicht mehr privat.1368 Grundsätzlich ähnlich wird diese Technik im balet comique genutzt, hier jedoch wesentlich ausgefeilter in Form und Aussage. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht hierbei die Frage: Wer überreicht was mit welchem Ziel an wen? Der hier gewählte Untersuchungsweg will verschiedene symbolische Überlagerungen und Kommunikationsweisen offenlegen, um so die Funktion und Deutung der Devisenvergabe näher zu bestimmen. Das hier scheinbar primär deskriptiv zu Erfassende, nämlich die Frage nach dem, der übergibt, nach dem Medium und nach dem adressierten Empfänger, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als symbolischer Akt von hoher Signifikanz, da Ausdruck mehrerer sich überlagernder Transformationsprozesse. Wurde im vorherigen Kapitel die Eigenständigkeit der Abbildungen des Traktates und damit die Differenzleistung der Bilder im Verhältnis zur Schrift heraus1364 1365 1366

1367 1368

Russell 1985, a.a.O., S. 24. Russell 1985, a.a.O., S. 32 und S. 64. Russell 1985, a.a.O., S. 64 und S. 70. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass auch in der Medaillenvergabe des balet comique eine solche Funktionalisierung der Devisen zu beobachten ist. Russell 1985, a.a.O., S. 70. Siehe hierzu auch Jacquiot 1981, a.a.O., S. 86, der für die revers der Medaillen betont, dass diese damit zu „[….] instruments de lutte entre vainqueurs et vaincus, tant sur le plan militaire. Que dans les guerre le religion, et sur le plan moral“ geworden waren.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

293

gestellt, eröffnen die abgebildeten Medaillen den Blick auf die Synthese von Text und Bild im Medium selbst. Denn in der Vergabe der Medaillen verdichtet sich gleichsam das vorherige Geschehen, auf dramatisch-theatraler Ebene ebenso wie in Bezug auf die erweiterte, höfische Kommunikationssituation. Hierbei wird den heutigen Lesern nicht jede Aussage entschlüsselbar sein, es werden Geheimnisse bleiben, die möglicherweise zur Zeit ihrer Entstehung bereits derart intendiert waren. Zudem ist der ein oder andere verwendete Code bereits in der frühen Neuzeit nicht jedem Anwesenden des Spektakels, geschweige denn jedem Leser des Traktats, entschlüsselbar gewesen. Trotz seiner öffentlichen Zugänglichkeit waren die Devisen so nicht für jeden lesbar und geraten hierdurch gleichsam zur Chiffre. Dieser Überlegung folgend wird an der ein oder anderen Stelle deutlich, dass man sich konkret an das höfische Individuum und nicht nur an das unspezifische Kollektiv des Hofes richtet. Zudem wird eher die wechselseitige Kommunikation am Hofe denn eine einseitig vom Herrscher gesteuerte betont werden. Die Übergabe von Medaillen, versehen mit Devisen1369, ist für den ValoisHof bereits von den 1565er Festen in Bayonne1370 bekannt.1371 Bereits hier wurde eine figürliche Abbildung, platziert auf einer Medaille, m. E. hier noch mit emblematischem Charakter, erwähnt. Diese pictura war begleitet von einem griechi1369

1370

1371

In der Faksimileausgabe des balets comique und ihrer sehr umfangreichen Analyse nennt Margaret McGowan jedoch in Bezug auf die Devisen nur verschiedene Embleme. Siehe McGowan 1982, a.a.O., S. 22. Knappe Erläuterungen sowie die Präsentation der Medaillen mit allen Namensnennungen finden sich hier unter: McGowan 1982, a.a.O., S. 45f., hier Anm. 47. Siehe auch McGowan 1963, a.a.O. Eine umfangreiche Auswertung der Devisen steht m. E. aber noch aus. Siehe Recueil des choses notables, qui ont esté faites à Bayonne, à l’entreveue du Roy treschrestien Charles neufieme de ce nom, et la Royne sa treshonorée mere avec la Royne Catholique sa soeur, S. 35r–35v. Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookDetails.aspx?strFest=00261, hier S. 81 (letzter Zugriff Juli 2010) Siehe hierzu auch Graham, Johnson 1979, a.a.O., S. 418. Für weitere Feste des Valois-Hofes lassen sich Devisenvergaben nachweisen: zu den magnificences in Bayonne am 15.6.1565 siehe Recueil 1566, a.a.O., auch Yates 1959, a.a.O., S. 55. Hierzu findet sich auch in der autobiografischen „Geschichte“ der Marguerite de Valois der Hinweis, dass sie eine „allegorische Medaille […] mit der Umschrift Aequus Amor“ erhalten habe. Siehe Marguerite 1998, a.a.O., S. 303, hier Anm. 16. Auch im Rahmen der Hochzeit Marguerite de Valois’ in Navarra wurden wahrscheinlich Medaillen vergeben, siehe hierzu Yates 1959, a.a.O., S. 63. Sicher ist dies für das balet de polonais 1573 bezeugt, siehe hierzu die Abbildungen in: Dorat 1573, a.a.O., S.Cij ff., die Abbildungen als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookDetails.aspx?strFest=0038, hier S. 28ff. Siehe auch: Yates 1959, S. 67. Leclerc (pseud. Celler) führt die Medaillenvergabe auf ein Fest aus dem Jahre 1490, gegeben von dem Lombarden Bergonzo Botta bei der Hochzeit von Galéas Sforza mit Isabella d’Aragon, zurück. Siehe Leclerc (Celler) 1868, a.a.O., S. 22. Und auch Russell datiert den Ursprung der Devisen am französischen Hof auf das letzte Drittel des 14. Jahhrunderts mit Bezug auf die „Turniertradition am Burgundischen Hof.“ Siehe Russell 1985, a.a.O., S. 18 und S. 23.

294

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

schen oder lateinischen motto, jeweils mit einem Hinweis versehen, wer was an wen übergab: „Ledit present estoit vne grãde Medaille d’or, pendue à vnechaine d’or. En ladite Medaille estoit la deuise du ROY telle, qu’elle est pourtraite cy dessoubs. (Diese Medaille stellte den ‚Tempel der Ehre und der Tugend‛ dar. A.W).1372

Grundsätzlich ähnlich wird diese Technik auch im balet comique genutzt, hier jedoch formal und inhaltlich wesentlich ausgereifter. So bemerkte bereits Saunder, dass „as the century progresses these celebrations become more and more complex and sophisticated in their iconographie“1373, wenngleich dieser Hinweis leider nicht weiter spezifiziert wird.1374 Ich gehe davon aus, dass im Unterschied zur Vergabe in Bayonne, wo die Devisen vom Träger selbst gewählt erscheinen, im balet comique die Medaillenvergabe komplexer erscheint und zumindest einige der Devisen für die jeweiligen Empfänger, mit Bezug auf dieses konkrete Rahmenereignis, konzipiert worden sind. Auch in diesem Kapitel gilt es zwischen dem Erzählten, hier der Vergabe der Medaillen, und der medialen Vermittlung dieses Vorgangs an spätere Rezipienten, also dem eigentlichen Abdruck, nach Möglichkeit zu differenzieren bzw. diese Prozesse auf ihre Funktion hin zu befragen. Zunächst sei die Art und Weise, wie Beaujoyeulx die Vergabe der vielen Medaillen und Devisen in seinem Traktat schildert, genauer betrachtet: In Beaujoyeulx’ Bericht werden die Tänzerinnen zunächst unter den jeweiligen Rollengruppen, nämlich den ‚Wasser-‛ bzw. den ‚Waldnymphen‛ subsummiert: Mit der zuvor genannten Königin Louise sind es zwölf nymphes des eaux, die mit ihrem persönlichen Namen erwähnt werden. Auch der männliche Empfänger und die an diese zu überreichende ‚Figur‛ auf der Abbildung der Medaille werden genannt.1375 Im Anschluss werden die Dryades nymphes – vier an der Zahl – in der zuvor geschilderten Art und Weise genannt.1376 Alle Nymphendarstellerinnen werden somit bereits zu diesem Zeitpunkt namentlich erwähnt und in ihre höfische, aber außerhalb des Spektakels 1372

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Anonymus: Recueil des choses notables qui ont esté faitesà Bayonne, à l'entreueuë du roy treschrestien neufieme de ce nom, [et] la royne sa treshonoree mere, auec la royne catholique sa soeur. Paris: Michel de Vascosan. 1566, S. 35. Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/pageview.aspx?strFest=0026&strPage=001 hier S. 69 (letzter Zugriff Juli 2010). Saunders 1988, a.a.O., S. 288. So bemerkt Saunders lediglich, dass zunehmend auch Dichter bei der Gestaltung mit einbezogen worden seien, bei gleichzeitig grundsätzlich wachsendem Interesse an den Devisen in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Siehe Saunders 1988, a.a.o., S. 288. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Camille Hardy wies darauf hin, dass die Farbe grün, in der die Waldnymphen ausstaffiert waren, mit der Königin Louise assoziiert wurde und die Waldnymphen selbst („Dryard’s bows“) mit Caterinas „heraldric insignia“ korrespondieren. Hardy 1982, a.a.O., S. 144.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

295

liegende, Welt entlassen. Jedoch bleiben zwei Rollenträgerinnen zunächst noch qua Nennung an ihr Rollenbild gebunden: So gibt la Minerve an die Königinmutter die Medaille mit Apollon und la Circé eine Medaille an den Kardinal von Bourbon, le livre1377 abbildend.1378 Im Vergabeakt1379 selbst werden dann alle Teilnehmenden namentlich genannt. Nachdem Louise an König Henri III. eine große Goldmedaille mit einem im Meer schwimmenden Delphin1380 mit der Devise gab: „möge sie den Dauphin wie den Delphin wie von ihr erwartet darbringen“ (Delphinum ut delphinem rependat)1381, übergeben weitere elf Wassernymphen1382 „nach dem Beispiel der Königin“ und „gemäß ihres Rangs“ ausgewählten männlichen Mitgliedern des Hofes ihr Devisengeschenk:1383 Hierbei handelt es sich einschließlich des duc de Luxembourg um Pairs, also Mitglieder der pairie de France, folglich um vom König privilegierte französische Hochadelige. Diese treten offenbar in der Reihenfolge der Verleihung Ihres Pair-Titels auf: 1384 Die Prinzessin de Lorraine gab M. de Mercure die Sirene1385 – Die Sirene ist nicht durch die Tugend reizvoller (Sirem virtute haud blandior ulla est). Mme de Mercure an M. de Lorraine den Neptun1386 – Dem Dreizack gleicht ein unbesiegter Geist (Par mens invicta tridenti).1387 1377 1378

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Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Greene verweist darauf, dass stets im Traktat betont werde, wer der jeweilige Rollenträger sei und dass niemand außer dem König selbst der Dualität von „[…] space between the actor and the role“ entgehe: „Celestial reality remains at one remove and is held there by an incorrigible worldliness. We never forget that Savornin playing Jupiter is Savornin.“ Aus: Greene 1994, a.a.O., S. 86. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 65ff. „[...] & luy feit present d’vne gráde medaille d’or, où il y auoit dedans vn Daulphin qui nageoit en la mer: lors chacun print luy pour le bon-heur de ce royaume.“ Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Zur pictura siehe Henkel, Arthur, Schöne Albrecht (Hg.).: Emblemata: Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart, Weimar (1967) 1996, Sp. 683. Beaujoyeulx gibt an, dass dieses Motto als Zeichen für das baldige Glück der französischen Regierung genommen werden könne – hier handelt es sich um eine Anspielung auf potentielle und notwendige Nachkommenschaft. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Die folgende Auflistung entspricht der bei Beaujoyeulx angegebenen. Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. „A l’exemple de la Royne toutes les autres Princesses, dames & damoyselles, furent aussi chacune selon leur rang & degré prende les Princes, Seigneurs, & Gentil-homes que bon leur sembla: à chacun desquels elles feiret leur present d’or, auec leur deuises, toutes choses de mer: d’autant qu’elles representoyent les nymphes des eaux, ainsi que vous verrez cy apres.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Die ducs de Luxembourg, Jouyeuse und Épernon waren 1581 zum Pair erhoben worden. Louis de Gonzaga, durch seine Frau bereits Herzog von Nevers, wurde als duc de Rethel erst 1581 erhoben. Dies könnte erklären, warum er erst an elfter Position auftritt. Zur Rangfolge der Adelsfamilien Anfang der 1580er Jahre siehe in Richard Cook‛s Discription die Le vraye Ordre […], hier zit. nach: Potter 2004, a.a.O., S. 238. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 1697f.: ‚Sirene an der Wasseroberfläche in der linken Hand einen Spiegel haltend‛ steht dort für Verführung.

296

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Mme de Guise an M. de Genevois den Arion1388 – Die Weisheit triumphiert über das unruhige Volk (Populi superat prudentia fluctus).1389 Mme de Nevers an M. de Guise das Seepferd – Immer feindselig gegenüber dem Feind (Adversus semper in hostem). Mme d’Aumale an Marquis de Chaussin den Wal1390 – Wem es genug ist, der begehrt nichts darüber hinaus (Cui sat, nihil ultra). Mme de Joyeuse an Marquis de Pont das Seemonster – So eine Person mit großem Namen mit einer anderen Person mit großem Namen zu verbinden (Sic famam adjungere famae). Mme la Maréschale de Rez an M. d’Aumale den Triton – Er wirbelt auf und beruhigt (Commovet et sedat). Mme de Larchant an M. de Joyeuse den Zweig einer Koralle1391 – Ihr Charakter bleibt unveränderlich bestehen (Eadem natura remansit). Madamoyselle de Pont an M. d’Espernon die Auster (im Shell)1392 Im Innern verbirgt sie das Bessere (Intus meliora recondit). Madamoyselle de Bourdeille an M. de Nevers, den Schwerfisch1393 – Auch die Sanftmütigen haben ihre Waffen1394 (Sua sunt et mitibus arma). Madamoyselle de Cypierre an M. de Luxémbourg den Krebs1395 – Die Kraft, die die Ihren nicht vergisst (Vis non oblita suorum). 1386

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Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 1796: ‚Neptun an der Wasseroberfläche, in der linken Hand den Dreizack haltend, Schiffe im Hintergrund‛ steht dort für die Macht des Schicksals. Die deutsche Übersetzung der Devisen erfolgt hier nach Müller 1993, a.a.O., S. 149–154 (hier mit Verweis auf die deutsche Übersetzung durch Helmut Krasser, Tübingen). Zur pictura ‚Arion an der Wasseroberfläche auf einem Delfin reitend und mit beiden Händen eine Leier (?) spielend‛ siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 1608. Beaujoyeulx weicht an dieser Stelle der Auflistung von der sich daran anschließenden Reihenfolge der abgebildeten Devisen einmal ab: In der Auflistung wird zuerst Madame de Nevers mit dem Seepferd und dann erst Madame de Guise mit dem Arion genannt. In der sich anschließenden Abbildung der Devisen wird der Arion von Madame de Guise vor dem Seepferd abgebildet. Möglicherweise steht in der ersten tabellarischen Auflistung der Rang („degré“) an vorderster Stelle: die Guisen bekleiden das Amt der Haushofmeister, namentlich der Herzog Guise als Amtsinhaber, der das Seepferd erhält. Bei der Abbildung der Medaillen mit Devisen wird dann Madame de Guise der Vorzug gegeben. Vgl. hierzu: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 63 und S. 67. Lacroix, der auf die Abbildung der Devisen vollständig verzichtet, wählt in seiner Auflistung jedoch die Reihenfolge der Abbildungen nach Beaujoyeulx, siehe Lacroix 1968, a.a.O., S. 80. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 680. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 361f. ‚Koralle aus dem Wasser ragend‛ steht dort für die rechte Prinzenerziehung. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 732. ‚Die Auster, halb geöffnet, an der Wasseroberfläche‛ steht dort für göttliche Gnade. In der Auflistung der Devisen mit dem Zusatz la poisson qui a l’espee au nez. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 697f. Oder: ‚Seine Waffen gehören auch den Sanften.‛

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

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Dann folgen die Waldnymphen. Madamoyselle de Victry an M. de Bastard eine Eule1396 – Die Wachsamkeit ist die Wächterin der Kunst (Artis vigilantia custos). Madamoyselle de Surgères an M. le Comte de Saulx das Reh –Niemals (nirgends) sicher vor einem Geschoss (Non teli secura usquam). Madamoyselle de Lavernay an M. le Comte de Maulevrier den Hirsch1397 – Nie ist zugrunde gegangen die Tüchtigkeit, die gewohnt ist, sich wieder zu erneuern (Non periit virtus assueta novari). Madamoyselle de Stavay an Comte de Bouchaige das Wildschwein1398 – Nirgends drängt die Kraft wilder (Nusquam vis acrior urget). Minerva (Mlle de Chaumont)1399 an die Königinmutter den Apollon.1400 Zu siegen wie auch zu besänftigen, bin ich gewohnt (Lenire et vincere suevi). Circe (Mlle de Sainte Mesme)1401 an M. le Cardinal de Bourbon das Buch1402 – Es offenbart die Geheimnisse des Schicksals (Fatorum arcana resignat). Die Abfolge der Devisenvergabe im balet comique verweist auf den sozialen Rang der Anwesenden.1403 Nachdem der König die Devise erhalten hatte, folgt die für Louises und Marguerites Bruder, den Duc de Mercoeur1404. Es folgt der Schwager des Königs, Charles III. de Lorraine1405, sodann der Duc de Genevois1406, der Duc de Guise1407 und der Marquis de Chaussin.1408 Im Anschluss 1395 1396 1397 1398 1399 1400 1401 1402 1403 1404

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Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 723. ‚Der Krebs im Wasser‛ steht dort für die kluge Anpassung. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 890. ‚Die Eule auf einem Berg sitzend am Rande eines Sees‛ steht dort für Klugheit. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 468. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 545. Den Namen nennt Beaujoyeulx erst im Zuge der Abbildung, siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 73. Zur pictura ‚Apollon auf einem Erdhügel sitzend, sein Blick ist zur Erde gewandt und Leier spielend‛ siehe: Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 1740–1743. Den Namen nennt Beaujoyeulx erst im Zuge der Abbildung, siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 74. Zur pictura siehe Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 1287f. Zur rechtlichen Festlegung derselben, siehe auch Elias 1969, a.a.O., S. 138. Philippe-Emmanuel de Lorraine, duc de Mercoeur. Da sein Vater Nicolas nicht mehr lebt, ist dieser Oberhaupt der Familie von Louise. Siehe Schwennicke.Bd. 6. 1978, a.a.O., Tafel 132. Charles III. de Lorraine hatte 1559 Claude de Valois, Tocher von Caterina de Medici und Henri II . geheiratet. Seit 1575 war er Witwer. Er vermied es zunächst wohl sich in die politisch-religiösen Streitgkeiten einzumischen. Die ‚Liga‛ traf sich aber seit 1580 in der Hauptstadt seines Herzogtums Nancy. Siehe hierzu Müller 1993, a.a.O., S. 79, Anm. 645. Zu den genealogischen Angaben siehe Schwennicke. Bd. 6 1978, a.a.O., Tafel 131. Wahrscheinlich handelt es sich um Charles Emmanuel de Savoie, prince de Genevois, Sohn von Jacques de Savoie, Duc de Nemours und Anna d’Este, die er nach Scheidung von seiner protestantischen Frau in zweiter Ehe heiratete. Siehe: Coester 2007, a.a.O., o. S. (S. 356). Anna war ihrerseits die verwitwete Mutter der Herzöge von Guise. In L’Éstoiles

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II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

hieran erhalten der Enkel von Caterina, der Marquis de Pont1409 und der Duc d’Aumale1410 Medaillen. Alle sind Angehörige des Hauses Lorraine, nahe Verwandte der Königin und der Braut sowie Anhänger der ‚Liga‛. Der Bräutigam erhält die Medaille erst an achter Stelle. Nach ihm bekommt der zweite Favorit, Jean-Louis d’Épernon1411 seine Gabe, dann der Duc de Nevers1412, der Duc de Luxémbourg1413, gefolgt von M. de Bastard1414, dann der Comte de Saulx,1415, der Comte de Maulevrier1416 und der Comte de Bouchage1417, Bruder des Bräutigams und zeitweilig neben Maulevrier ebenfalls Favorit.1418 Zuletzt erhalten noch die Königin Mutter und zum Abschluss der Kardinal de Bourbon1419 ihre Devisen.

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Journal heißt es „s’était, en contenance et apparence, rednu ferme catholique romain.“ Aus: L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 278. Henri de Lorraine, duc de Guise kämpfte als führendes Mitglied der ‚Liga‛ vehement gegen die vermittelnde Politik der Valois. Siehe hierzu Prevost: Dicitionnaire de biographie. Bd. 12. Paris 1970, S. 1342–49, besonders S. 1343. François de Lorraine, Marquis de Chaussin war ein jüngerer Bruder der Königin und Anhänger der ‚Liga‛, siehe Prevost: Dicitionnaire de biographie. Bd. 8. Paris 1959, S. 887. Henri II. de Lorraine, Marquis de Pont à Mousson war der älteste Sohn des königlichen Schwagers Charles III. de Lorraine und damit Enkel von Caterina und Neffe des Königs. Siehe Prevost: Dicitionnaire de biographie. Bd. 17. Paris o.J. (1989), a.a.O., S. 942. Charles de Lorraine, duc d’Aumale war als Sohn von Claude d’Aumale, ein Onkels von Henri de Guise, ein Cousin des ‚Liga‛-Führers und selbst „un des chefs de la Ligue“. Siehe Prevost: Dictionnaire de biographie. Bd. 4. Paris 1948, S. 603. Jean Louis de Nogaret de la Valette. Der Duc d’Épernon (seit Nov. 1581) war bereits seit 1578 Favorit von Henri III. Louis de Gonzague, Duc de Nevers war zu Beginn der ‚Liga‛ deren Mitglied, entfernte sich jedoch von ihr zugunsten der Nähe zu Henri III. Siehe Boulliot, Jean Baptiste-Joseph: Biographie Ardennaise: Ou histoire des Ardennais qui se sont faire remarquer par leurs écrits, leur actions, leur vertus ou leur erreurs. 2. Bd. Paris 1830. François de Luxembourg, Sohn von Antoine II. de Luxembourg, comte de Brienne wird als Duc de Piney 1581 von Henri III. zum Pair gemacht. Siehe zur Erhebung: L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 681, hier Anm 93. Zu den genealogischen Angaben siehe: Schwennicke.Bd. 6. 1978, a.a.O., Tafel 29. Charles de Valois (1573–1650) [Charles, bâtard d’Angoulême], comte d’Auvergne, dann duc d’Angoulême, siehe Boucher 2007, a.a.O., S. 103–105. Unwahrscheinlicher: Henri de Valois (1551–1586); dieser war seit 1568 Abt von Saint-Clérac. Illegitimer Sohn von Henri II. und Jane Stuart. Hinweis auf Henri d’Angoulême bei: Muhlstein 2003, a.a.O., S. 89. Keine genauere Bestimmung möglich: Guillaume und Jean de Saulx standen beide mit Henri III. in Verbindung, Guillaume de Saulx-Tavannes (?), enfant d’honneur von Charles IX. und später gentilhomme de sa chambre. Der liganahe Jean de Saulx hatte Henri III. nach Polen begleitet. Siehe Müller 1993, a.a.O., S. 80, hier Anm. 656. Charles-Robert de La Marck, Compte de Maulevrier, seine Großmutter mütterlicherseits war Diane de Poitier. Henri de Batarnay, comte du Bouchage. Siehe hierzu: Chevallier 1985, a.a.O., S. 534f. Der Comte de Bouchage wird, wie bereits erwähnt, bereits am 28.11.1581 mit der Schwester von d’Épernon verheiratet, Catherine de Nogaret de la Valette. Siehe hierzu Chevallier 1985, a.a.O., S. 534f. Charles de Bourbon, Erzbischof von Rouen und Kardinal de Bourbon war Sohn von Charles de Bourbon. Als Bruder von Antoine de Bourbon war er Onkel von Henri de Na-

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

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Betrachtet man das Verhältnis von Anhängern der ‚Liga‛ im Vergleich zu denen, die primär loyal zu Henri III. stehen, ist dieses sehr ausgewogen – Henris Anhänger sind allerdings von Geburt an von niederem Adel. Vertraut der Leser nun dem Hinweis Beaujoyeulx’, dass durch „cest ordre et ordonnance elles meinent les princes pour dancer le grand Bal“1420, scheint es naheliegend, dass der Medaillenübergabe als Handlungsakt zunächst eine offensichtlich organisatorische Funktion im Geschehen, und hier besonders im Tanzgeschehen, zukommt: Denn durch die Vergabe der Medaillen ergeben sich für den grand bal als gesamthöfisches Tanzereignis Paarkonstellationen, für den sich anschließenden grand bal mit seinen „bransles“ und anderen Gesellschaftstänze. Dass es solche Regelungen auch qua Zuweisung gab, weiß Brantôme anlässlich der Thronbesteigung Henri III. zu berichten. Caterina bittet Monsieur de Vaudémont, die verwitwete Prinzessin von Condé zum Tanz zu geleiten: „Elle commanda et pria Monsieur de Vaudémont de prendre, pour honorer la feste, Madame la Princesse de Condé la douairière1421 pour danser; ce qu’il fit pour lui obéir, et la mena le grand bal: ceux qui estoient au sacre comme moy l’ont veu, et s’en pourront bien souvenir.“1422

Der Medaillenvergabe kommt somit die Funktion eines (sozialen) Zuordnungsaktes für das tänzerische Geschehen zu1423, das sich für den grand bal wie folgt gestaltet haben könnte: Nach einem Branle, z. B. in Form des branle du chandelier, folgt die majestätische Pavane zum Defilée der Paare. Eine Folge lebhafterer Tänze wie Gaillarden, Couranten, vielleicht Volten und sicher andere Branles, ein solcher auch an den Schluss des bals gesetzt, reihten sich aneinander. Im Blick auf das Gesamtgeschehen wird deutlich: Der Medaillenvergabe kommt eine besondere Funktion in der Dramaturgie zu. Einerseits wird hier ein Abschluss und gleichzeitig ein Beginn veranschaulicht. Erzählt wird der Abschluss der dramatisch-fiktiv inszenierten Circe-Allegorie – die Medaillenüberbringerinnen bleiben zunächst in den ihnen zugewiesenen Rollen als Nymphen.

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varre und Henri de Condé. 1589 wird er nach dem Tod Henris III. von den Ligaanhängern als König von Frankreich unter dem Namen Charles X. ausgerufen. Allerdings nie gekrönt, auf Schloss Fontenay-le-Comte gefangen gehalten, stirbt er im Jahr darauf. Siehe L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 675, hier Anm. 64. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 74. Wahrscheinlich: Françoise d’Orléans-Longueville (1549–1601). Die zweite Frau von Louis I. de Bourbon, Fürst von Condé (1530–1569). Brantôme 1991, a.a.O., S. 526. Möglicherweise nehmen die beiden Letztgenannten nicht am Tanzgeschehen teil. Bei Caterina ist dies nicht unwahrscheinlich, da der Text nur männliche Partner für den Tanz erwähnt („les princes pour dance“) und sie möglicherweise auch unter die in Kapitel I.1.2. erwähnte Regelung von 1561 zum ‚Witwengeleit‛ fällt. Zur Devisenvergabe siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64.

300

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Gleichzeitig markiert die Übergabe der Medaillen aber auch den Beginn des höfisch realen Geschehens. Die Medaillenvergabe übernimmt also eine Brückenfunktion, gerät zu einem (Ver)Bindungsakt, indem Akteure und Zuschauer als zukünftig gemeinsam Handelnde bereits hier eine untrennbare Synthese von fiktiver und realer Welt des Hofes vorführen. Betrachtet man nun das Traktat, offenbaren sich dem Leser die abgedruckten Medaillen jeweils als Tondo-Textkupfer.1424 Diese bisher in der Forschung kaum in den Blick genommenen Medaillenabbildungen in Form von 18 emblematischen Tondo-Textkupfern verdienen jedoch eine genauere Betrachtung.1425 Über ihren vermutlichen Schöpfer Iaques (Ja(c)ques) Patin (1540–1610) ist wenig bekannt1426, Robert-Dumesnil sagt gar, Patin sei „tombé dans le plus profond oubli.“1427 Gleichzeitig weist er darauf hin, dass Patin Maler und Graveur gewesen sei und führt alle im balet comique angeführten Medaillen auf Patin zurück: „Ce livre est orné de vingt-sept estampes ci-après décrites, que Jacques Patin exécuta à l’eau-forte d’une pointe très-spirituelle, et pour la publication desquelles il obtint, le 13 février 1582, un privilége imprimé sur un feuillet séparé, apres le 75eet dernier du livre qui en contient huit autres préliminaires.“1428

So folgt die Abbildung der Medaillen stets demselben Schema: Zuerst erscheint die weibliche Übermittlerin namentlich benannt sowie der männliche Empfänger. Mit einer Leerzeile abgesetzt folgt die stets in Versalien gedruckte Benennung des Motivs in französischer Sprache. Dann folgt die Abbildung des jeweiligen Motivs 1424

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Mit dem Hinweis „S’ensuiuent les figures des presens que seirent les nymphes de ce Balet comique“ sind die Devisen mit der jeweiligen pictura und dem motto abgedruckt, siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 65ff. Lacroix 1968 verzichtet in seiner Transkription vollständig auf die Abbildung der Medaillen, ebenso MacClintock in der englischen Übersetzung von 1971. Abbildungen hingegen aber im Faksimiledruck von McGowan 1982, a.a.O. sowie in der italienischen Übersetzung des balet comique von Dellaborra 1999, a.a.O. Zu den biografischen Angaben der Akteure siehe Anhang D dieser Arbeit. Robert-Dumesnil, Alexandre Pierre François: Le Peintre-Graveur Français ou Catalogue raisonné des estampes. Artistes nes dans les 15e, 16e et 17e siecles. 2 Bd. ND der Ausg. Paris 1844. Paris 1967, S. 141; siehe auch den nur knappen Hinweis bei Benezit: „Jacques Patin, peintre et graveur, XVIe siecle, peintre ordinaire Henri III et Louise.“ Auch sei er an den Dekorationen im Louvre unter Pierre Lescot beteiligt gewesen. Weiter heißt es: „Il dessina et grava, sur l’ordre de la reine, 27 sujets pour un livre préparé par Baltazarini Beaujoyeux sur le Ballet donné a l’occasion du marriage de Marguerite de Vaudemont avec le duc de Joyeuse en 1581.“ Aus: Benezit, Emmanuel: Dictionnaire de peintres, sculpteurs, dessignateurs et graveurs. Bd. 8. ND der Ausg. Paris 1953. Paris 1976, S. 160. „Dieses Buch ist geschmückt mit 27 Drucken, hier im Folgenden beschrieben, die Jacques Patin mit starkem Wasserstrahl in sehr geistreichem Ansinnen ausgeführt hat, und für deren Veröffentlichung am 13.2.1582 ein Druckprivileg auf einem gesonderten Blatt existiert, angehängt an das 75te und letzte Blatt des Buches, welches davon 8 vorangehende enthält.“ Hier zit. nach: Robert-Dumesnil 1967, a.a.O., S. 141.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

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innerhalb eines am Rand verzierten Kreises, dieser mit 108 bis 109 mm Durchmesser, platziert auf einem Quadrat/Karree (einer quadratischen Platte) von jeweils 110 bis 115 mm als emblematische Tondo-Textkupfer.1429 Hieran schließt sich die lateinische Subscriptio an. Nun werden alle 18 Tänzerinnen, die als hier Schenkende fungieren, mit ihren natürlichen Namen erwähnt. Damit gibt die Medaillenvergabe den Blick frei auf eine Transformation ganz anderer Art, im Sinne einer kommunikativen Umformung und Vedichtung. Im kommunikativ-sozialen Gefüge von Höflichkeit und Konvenienz treten die ordnungssichernden Qualitäten der goldenen Geschenke deutlicher hervor; mit ihnen die Reziprozität der Gaben. „Das ideale Geschenk am Hof war eine Aussage über den Ort des Schenkenden innerhalb der ‚wechselseitigen Erwartungen‛ (Cheal) 1430 des Hofes und gleichzeitig über den Rang, die Verdienste und die Position des Schenkenden innerhalb der höfischen Hierarchie“,

formulierte Susan Frye, hier mit Bezug auf den englischen Hof unter Elizabeth I.1431 Alle Embleme thematisieren vordergründig entweder das Thema Wasser oder das Thema Wald, gemäß der Rolle der jeweiligen Überbringerin. Und doch scheint bei näherem Betrachten vor allem der Beschenkte in der Wahl der Devise ganz individuell maßgeblich zu sein. So mutmaßte bereits die Emblemtheoretikerin Saunders, dass das hier verwendete emblematische Material eine Rolle beim Transport passender ikonografischer Nachrichten1432 spiele.1433 Was wird also kommuniziert? Sind es an das Kollektiv des Hofes gerichtete Nachrichten oder sind Individuen innerhalb eines konkreten Kontextes gemeint? Überlagern sich hier möglicherweise mehrere Bedeutungsebenen? Um diese Frage zu vertiefen, scheint es sinnvoll, exemplarisch einzelne Embleme genauer zu betrachten! Für die erste Devise (Abb. 15) verweist der Beaujoyeulx selbst auf eine vielschichtige Deutung durch die Verwendung des Homo1429

1430

1431 1432 1433

Interessanterweise folgt hier die Syntax dem Akt des Gebens: Madame X (gibt) an Monsieur Y das Motiv Z; nicht etwa Madame gibt das Motiv an Monsieur. Der gewählte Satzbau betont m. E. die Kommunikationssituation der beiden zuvor benannten Personen deutlicher. David Cheal geht davon aus, dass die Inhalte gesellschaftlich konstruierter Bindungen zwischen menschlichen Akteuren „von den wechselseitigen Erwartungen der Beteiligten definiert […] werden.“ Hier nach Frye, Susan: Elizabeth als Prinzessin. Frühe Selbstdarstellung in Portrait und Brief. In: Der Körper der Königin. Hg. v. Regina Schulte. Frankfurt/M 2002, S. 49–98, hier S. 53, Anm. 5. Frye 2002, a.a.O., S. 53. Siehe Saunders, Alison: The seventeenth-century French emblem. A study in diversity. Genève 2000, S. 251. Der zeremonielle Austausch solcher Medaillen wird in diesem Zusammenhang von ihr als „living emblem technique“ bezeichnet. Saunders 1988, a.a.O., S. 288 mit dem Hinweis, das balet comique mache auch Gebrauch von der „living emblem technique“, allerdings ohne genauere Ausführungen. Siehe Saunders 2000, a.a.O., S. 251f.

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II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

nyms dauphin, entspricht doch der Delfin hier dem Titel des königlichen Nachfolgers wie dem abgebildeten Tiermotiv1434. Der Hoffnung auf Nachkommenschaft zur Nachfolgesicherung der Valois auf dem französischen Thron soll sehr deutlich Ausdruck verliehen werden. An diesem Beispiel wird deutlich, dass konkret Überbringerin und Beschenkter mit der ausgegebenen Devise gemeint sind. Gleichzeitig ist Beschenkter – hier der König – jedoch auch derjenige, von dem eine Gegengabe erwartet wird.1435 Dass man sich auch an den König mit einem auffordernden, imperativen Gestus wendet, und er nicht nur Vergebender in einem eindeutig definierten Patronagesystem1436 ist, gerät hiermit für Henri III. zum wiederholten Mal in den Blick. Grundsätzlich handelt es sich hier aber auch um einen Gabentausch, der am Hof in der Frühen Neuzeit einen hochsymbolischen Akt verkörpert.1437 Bereits M. Mauss verwies darauf, dass jede Gabe zu einer Gegengabe führe. Spielte bei Mauss das Geschenk allerdings bei der Untersuchung des Gabentausches eine untergeordnete Rolle, geriet dies in nachfolgenden Untersuchungen mehr und mehr in den Blick. So wurde überzeugend dargestellt, dass kommerzielle Märkte und Geschenke weiterhin nebeneinander existierten, statt einander abzulösen, und dass das Element des Schenkens überdauerte und mit dem kommerziellen Markt durchaus kommunizierte.1438 Weitere Devisen des balets comique seien exemplarisch beleuchtet. Charles III. de Lorraine, überzeugter Katholik und einer der führenden Ligaköpfe, erhält den Neptun, den König des Meeres und ‚maker of opinion‛ (Hardy). Ebenso wie noch einige andere der vergebenen Meeresdevisen weist auch diese den Beschenkten auf eine enge Verbindung zum Hause Lorraine und zur Unterstützung der königlichen Politik hin.1439 Hardy führt aus: Ein Triton werde M. d’Aumale 1434

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Zu den Tiermotiven siehe auch das zeitgenössische Emblemhandbuch des Pierio Giovanni Valeriano: Valeriano, Giovanni Pierio: Hieroglyphica, sive de sacris Aegyptiorum alaiarumque gentium litteris commentariorum. Hg. v. Dietmar Peil. ND der Ausg. Basel 1556. Hildesheim 2005. Als elektronische Ressource (Ausg. 1615) unter URl: http://www.bvh.univtours.fr/Consult/somimg.asp?numtable=B372615206_4901&mode =3&numfiche=257. (letzter Zugriff Juli 2010). Vgl. hierzu die Bedeutungsmöglichkeiten zu rependere mit ‚erwidern, vergelten, belohnen‛. Untersuchungen zu Staatsbildung und Patronage in Europa im 16./17. Jh. von L. Peck, A. Guery und Sharon Kettering haben die Theorie der Gabe in einen Kontext jenseits des Ökonomischen gestellt. Zu den gesellschaftlichen und politischen Implikationen der Gabe bzw. des Schenkens siehe die frühe Arbeit von Marcel Mauss. Ders: Die Gabe. (1967) (dt.) Frankfurt/M. 1990; Cheal, David: The gift economy. London 1998. Vor einigen Jahren haben Maurice Godelier für die Gabe und Natalie Zemon Davis für das Geschenk und bezogen auf das frühneuzeitliche Frankreich neue theoretische Überlegungen zu diesem Phänomen geliefert: Godelier, Maurice: Das Rätsel der Gabe: Geld, Geschenke, heilige Objekte. (dt.) München 1999; Zemon Davis, Natalie: Die schenkende Gesellschaft: zur Kultur der französischen Renaissance. (dt) München 2002. Siehe hierzu Hardy 1982, a.a.O., S. 146.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

303

gegeben, Mercure als Bruder der Braut erhält die Sirene, der fanatische Guise erhält das Seepferd, de Pont, der junge Sohn von Lorraine, erhält ein Seemonster. Genevois den Arion, den Dichter des Meeres und de Chasson den Wal. Dem Protestanten Nevers wird ein Schwertfisch überreicht, das Symbol für einen Neuanfang.1440 Der Bräutigam Joyeuse erhält einen Korallenzweig mit dem Hinweis „ Sie blieb dasselbe Wesen / ihr Wesen blieb dasselbe.“1441 Gemahnt diese Devise (Abb. 16) den beschenkten Joyeuse an seine Authentizität und Loyalität? In den Unwegsamkeiten höfischen Lebens könnte dies für den Favoriten Anne von Joyeuse als eine durchaus sehr konkrete Aufforderung zu verstehen gewesen sein, sich auch zukünftig – nachdem ihm nun die Ehre zuteil wurde, ein Mitglied der königlichen Familie zu sein – sich dem König im Gegenzug weiterhin loyal zu erweisen. Diese Annahme wird bestärkt durch die Beobachtung, dass sich die Devise an den anderen anwesenden Favoriten Épernon, ähnlich sinnvoll entschlüsseln ließe: Épernon erhält die Auster, ein Symbol für unbeschwertes Leben.1442 In Anbetracht der auch für ihn zu diesem Zeitpunkt noch in Aussicht gestellten, dann jedoch so nicht realisierten, Hochzeit mit einem Mitglied des Könighauses, nämlich einer anderen Schwester der Königin Louise, würde sich ein schlüssig gewähltes Bild ergeben. Es zeichnet sich eine Kultur der Verpflichtung ab. Dass die Königinmutter, Caterina de Medici, Apollo als Anführer der Musen erhält, dem die Devise „Ich war gewohnt zu besänftigen und zu besiegen“ beigegeben ist, könnte einem möglichen, selbstgewählten Anspruch Caterinas Ausdruck verleihen. Zumal ein entsprechender Verweis auf ihre persönliche impresa Anfang der 1580er dies stützt: den friedens-verheißenden Regenbogen. Die interessanteste Devise stellt m. E. aber jene dar, die die Rollenträgerin Circe dem Vertreter der Kirche, dem Kardinal de Bourbon, übergibt: Le livre (Abb. 17) versehen mit folgender Subscriptio: „(Es) verzeichnet die Geheimnisse des Schicksals.“1443 Was es genau mit den im aufgeschlagenen Buch abgebildeten Zeichen auf sich hat, konnte nicht vollständig geklärt werden. Einige Beobachtungen und Gedanken, die sich primär aus Vergleichen mit zeitgenössischen Werken zur Chiffrierung und Alchemie beziehen, seien vorliegend angeführt. Zunächst könnte man vermuten, habe der verantwortliche Künstler nur versucht, den Begriff des ‚Geheimnisses‛ (Arcanum) zu erfassen, indem er möglichst ‚geheim‛ anmutende Zeichen auf die Seiten eines geöffneten Buches bannt. Es stellte sich dann aber die Frage, wann erschien ein Zeichen überhaupt als ‚geheim‛? Dies ließ die Vermutung zu, dass sich in der Anordnung der Zeichen zudem eine gewisse Intentionalität offenbart. Nicht zuletzt der Vermerk bei Ar1440 1441 1442 1443

Siehe hierzu ebda. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 69. Hinweis bei Hardy 1982, a.a.O., S. 146. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 74.

304

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

genson 1782, dass es sich um ein „Livre tout ouvert, chargé de caracteres magiques & astrologiques“1444 handele sowie der Hinweis bei Robert-Dumesnil1445, es würde sich um ein aufgeschlagenes Buch handeln, welches „offrant des caractères cabalistiques“, verstärkten diese Annahme. Entscheidend sind m.E. zwei Aspekte: die pictura des aufgeschlagenen Buches und die darin fixierten Schriftzeichen. In der christlichen Ikonografie hat die Abbildung des Buches als Vermittler der Offenbarung eine lange Tradition, häufig findet es sich als selbstdeutendes Motiv auf einem Altar oder Thron aufgeschlagen.1446 Die gesamte Bildkomposition versinnbildlicht darüber hinaus die vier Elemente. Jeweils acht Zeichen sind als gesonderte Zeichengruppe markiert. Diese Zeichen oder Chiffren sind alle eindeutig als solche auszumachen, die theoretische Möglichkeit vereinzelter Dechiffrierungen also möglicherweise gegeben. Versucht man zunächst einen Zugang über die frühneuzeitliche Kryptographie, die auf die Verschlüsselung bestehender Sprachen zielt, fällt zunächst auch auf, welche enormen Anstrengungen die frühneuzeitlichen Höfe in die Entwicklung und Decodierung von Geheimschriften steckten1447 oder wie über sehr spezielle Codes die Zugehörigkeit zu bestimmten Gelehrtenkreisen oder Geheimbünden reguliert wurde1448, Vor diesem Hintergrund scheint die grundsätzliche Annahme eines solchen Codes für die Le livre-Devise durchaus möglich. Jüngst wies Jean-Michel Ribera in seiner Arbeit zu den französischen Gesandten am spanischen Hof darauf hin, dass gerade in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dort über 60% der Gesandtenkorrespondenzen chiffriert waren bzw. teilchiffriert.1449 Gerade die chiffrierten Teile der Korrespondenzen1450, Henri III. chiffrierte seine Korrespondenzen ebenfalls, stellen den besonders interessanten Teil der Gesandtschaftsbriefe dar, da hier Gefühle, Meinungen und Urteile der Gesandten ihren Ausdruck finden – häufig in gegenteiliger Aussage zu den klar

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Argenson 1782, a.a.O., S. 253. Robert-Dumesnil 1844, a.a.O., S. 147. Siehe Artikel "Buch". In: Lexikon der christlichen Ikonographie. Hg.v. Engelbert Kirschbaum. 1. Bd. Rom u.a. 1968, S. 337–338. Siehe die Chiffriersysteme des Neapolitaners J. B. Porta (1540–1615) oder die des Franzosen Blaise de Vigenère (1523–1596): Traicté des chiffres ou secrète manière d’écrire. Paris 1586. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k73371g (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch LeFèvre de la Brodérie, Guy: L’Harmonie du monde, Paris 1579. Strasser, Gerhard F.: Lingua Universalis. Kryptologie und Theorie der Universalsprachen im 16. und 17. Jahrhundert. Wolfenbütteler Forschungen Bd. 38. Wiesbaden 1988, S. 64– 83. Siehe Ribera 2007, a.a.O., S. 289–304, hier S. 298. Der französische Gesandte Saint-Gouard differenzierte hierbei scheinbar auch je nach Adressat: Briefe an Henri III. wurden chiffriert, solche an dessen Mutter Caterina i.d.R. hingegen nicht. Siehe Ribera 2007, a.a.O., S. 298.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

305

formulierten Textteilen des jeweiligen Briefes.1451 Betrachtet man in diesem Zusammenhang die kryptografischen Chriffren des französischen Gesandten Pierre de Segusson, sieur de Longlée (Abb. 18), fällt doch auch hier eine augenscheinliche Ähnlichkeit der Zeichen mit denen für das balet comique diskutierten auf. Wenn die Zeichen, die zunächst ja nur für die Abbildung im Traktat nachzuweisen sind, aber vom Beschenkten oder durch qua Buchveröffentlichung auch von einer breiteren Rezipientenschicht als Chiffre geheimer Zeichen gelesen wurden, transportiert sich mit ihnen möglicherweise eine Anspielung auf die geheimen Tätigkeiten des Kardinal de Bourbon im Verbund mit der ‚Liga‛.1452 Einen anderen Zugriff könnte die Beschäftigung mit dem Phänomen der ‚okkulten Sprachen‛ darstellen.1453 Zum Vergleich mit der für das balet comique diskutierten Abbildung sei auf den Talisman von Caterina de Medici verwiesen. Die Bibliothèque Nationale in Paris verzeichnet hierzu drei Exemplare (Abb. 19).1454 Bereits Aby Warburg versuchte sich in der Deutung dieses Medaille und schloss diese mit dem Ergebnis, dass es sich um „eine Zusammensetzung von in lateinischen Buchstaben geschriebenen hebräischen Beschwörungsformeln, Sternfiguren nach der spät-griechischen Tradition und der arabischen Magie entlehnten geometrischen Zeichen“ handele, dessen „Zweck […] die Aufrechterhaltung der Macht der Königin über den König und die Königskinder (ist).“1455

Mit den verwendeten Zeichen der 18. Devise aus dem balet comique verhält es sich vermutlich andersherum: Der Sinn und die Intention der Gesamtzeichen sind eher ableitbar, denn die dem einzelnen Zeichen zu Grunde gelegte Bedeutung. Wie Pierre Béhar gezeigt hat, entsteht im ersten Drittel des 16. Jahrhundert eine Synthese von Kabbalismus1456, Neuplatonismus, Hermetismus und arabischer 1451 1452 1453

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Siehe Ribera 2007, a.a.O., S. 299. Saulnier 1912, a.a.O. Siehe hier Béhar, Pierre: Les langues occultes de la Renaissance : essai sur la crise intellectuelle de l'Europe au XVIe siècle. Paris 1996. Der Autor beschäftigt sich hierin mit dem Phänomen der‚okkulten Sprachen‛, die, in Abgrenzung zur frühneuzeitlichen Kryptographie etwa, den Ausdruck und die Vermittlung okkulter Inhalte zum Gegenstand haben. Talisman dit de Catherine de Médicis, 16. Jh., Bronze, Maße: 5,5 x 4,4, Bibliothèque Nationale de France, département des Monnaies, Médailles et Antiques, Médailles magiques. Hier aus: Girault, Pierre-Gilles, Mercier, Mathieu (Hg.): Fêtes & crimes à la Renaissance: la cour d’Henri III. [Château de Blois du 8 mai au 24 août 2010]. Ausstellungskatalog. Paris 2010, S. 89f., Abb. 17. Hier zit. nach: Béhar, Pierre: Okkulte Sprachen der Renaissance. Als elektronische Ressource unter URL: http://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Campus/ Forschung/forschungsmagazin/1996/2/2-96-3.pdf (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch: Behar, Pierre: Les langues occultes de la Renaissance, Paris 1996. Vorliegend wird von der Kabbalah unter Einwirkung des florentiner Neuplatonismus, wie ihn vor allem Pico della Mirandola entwickelte, ausgegangen. Besonders relevant ist hierbei die Annahme dieses Verständnisses von Kabbalistik, dass einem Buchstaben des hebräi-

306

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

Magie, die sich in der nachfolgenden Zeit noch verstärkter entfaltete. Angesprochen ist hiermit eine Entwicklung, die – angestoßen durch Reuchlin1457 und bei diesem nach Béhar als Reaktion auf einen bis dato herrschenden und dann gescheiterten scholastischen Nominalismus – später von Agrippa von Nettersheim (1486–1535) fortgesetzt wurde. Die Lehre Reuchlins, wie sie im 1494 publizierten Werk De Verbo Mirifico und dann ergänzt im 1517 herausgegebenen De Arte Cabbalistica formuliert ist, „besteht in dem doppelten Versuch, einerseits die Beziehung zwischen Mensch und Gott wiederherzustellen, andererseits sich die göttlichen Kräfte solchermaßen anzueignen, dass diese den Menschen Macht über die Welt verschaffen. Die Mittel zur Verwirklichung dieser Ansprüche findet er in der Kabbala, die unter ihren beiden Aspekten, dem sogenannten ‚theoretischen‛ und dem sogenannten ‚praktischen‛, diesen beiden Ebenen entspricht.“1458

Der zuletzt benannte Gedanke scheint übertragbar auf das vorliegende 18. Emblem, das aufgeschlagene Buch abbildend, welches „die Geheimnisse des Schicksal verzeichnet“ und dem Kardinal überreicht wird. „Wer sich [.] die Namen der Dinge aneignet, wird sich ihres Wesens bemächtigen“1459 schreibt Béhar mit Blick auf Reuchlins Werk. Andreas Kilcher legte zudem differenziert dar, dass die Kabbala „in der Frühen Neuzeit als eine primordiale, verborgene und mündlich überlieferte ‚Weisheit‛ für das Projekt einer Neubegründung des okzidentalen Wissens in eine exogene, sekundäre und lateinische Kabbala umgeformt wurde. […] In der Frühen Neuzeit (lässt sich) zunächst eine neuplatonische Transformation der Mnemonik beobachten. […] Rhetorik

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schen Alphabeths ein Zahlenwert zugeordnet werden kann. Siehe Daxelmüller, Christoph: Zahlensymbolik. In: Lexikon des Mittelalters. Bd 9. München 1998, Sp. 443–457, hier Sp. 449–450. Siehe auch Maier, J.: Kabbala. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 5 . München 1991, Sp. 846–47: Die Kabbalisten des 13./14. Jh. in Süd-Frankreich und Spanien schufen auf neuplatonischer Basis ein theosophisches Weltbild und zwar mit traditionellen jüdischen Mitteln im Gegensatz zur ‚fremden‛ (aristotelischen) Philosophie, als Inhalt ursprünglich jüdischer Tradition (qabbalah). Im 16. Jahrhundert popularisierte sich diese Vorstellung und trat in Verbindung mit volkstümlichen Vorstellungen. Zum Begriff der christlichen Kabbala siehe auch: Kilcher, Andreas: Kabbala. In: Religion in Geschichte und Gegenwart. Bd. 4. Pfaffenweiler 2002, Sp. 724–728, bes. Sp. 727. Christliche Kabbala wird hier als linguistisch-magische Methode verstanden, die ihren Ursprung in der 2. Hälfte des 15. Jh. in neoplatonischen florentiner Schule um Mirandola und Ficino hatte. Siehe auch ders.: Ars memorativa und Ars cabalistica. Die Kabbala in der Mnemonik der Frühen Neuzeit. In: Seelenmaschinen. Gattungstraditionen, Funktionen und Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten Mittelalter bis zum Beginn der Moderne. Hrsg. v. Jörg Jochen Berns u. Wolfgang Neuber. Wien: Böhlau 2000, S. 200–248. Siehe hierzu Das Wundertätige Wort von Johannes Reuchlin: De Verbo Mirifico: Iohannis Revchlin Phorcensis Capnion vel de Verbo Mirifico Liber Primus. Basel 1494. Béhar 1996, a.a.O., Abs. 2. Ebda.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

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und Mnemonik wurden zu kosmologischen und enzyklopädischen Paradigmen. Im Zuge dessen wurde der (imaginäre) Raum des Gedächtnisses um die (realen) physischen und metaphysischen Dimensionen des Kosmos erweitert.“1460

Würde es sich also vorliegend tatsächlich um kabbalistische Zeichen handeln, und diese Annahme muss im Rahmen der vorliegenden Arbeit hypothetisch bleiben, könnte ein solcher Gedanke für die Gestaltung des offen liegenden Buches allerdings eine Rolle gespielt haben. Ist ein kabbalistischer Bezug bei einigen der verwendeten Zeichen grundsätzlich nicht unmöglich, lassen sich zudem zu den im 16. Jahrhundert verwendeten alchemistischen Zeichen für Blei (Saturn)1461, Sulfur1462 oder Zinn (Jupiter!) und Alraun1463 deutliche Ähnlichkeiten mit denen im balet comique verwendeten erkennen (siehe Abb. 201464). Zunächst ist bereits die Überlegung reizvoll, das Tanz und Alchemie, beides Kunstformen der Transformation und Verwandlung, miteinander in Beziehung gesetzt werden könnten.1465 Beide Künste verbindet zudem ihr ephemer, transi1460 1461 1462 1463

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Kilcher 2000, a.a.O., S. 200f. Vgl. hier die Abbildung von Lacinius. Beachte hier die alchemische Vorstellung der Vereinigung von Sonne (Sulfur) und Mond (Mercurius) in der chymischen Hochzeit. Siehe Zerbst 2003, a.a.O., S. 96. Die Alraunwurzel oder Alraune (Mandragora) galt in der Mythologie als legendäre Zauberpflanze der Circe und Bestandteil der Zaubertränke, mit denen Circe die Männer verwandelte. Gerade im 16. und 17. Jahrhundert soll der Alraunen-Glauben dann wieder stärker verbreitet gewesen sein. Siehe Zerbst 2003, a.a.O., S. 19. Vgl. hier die Abbildung von Lacinius. Es handelt sich um die handschriftliche Wiedergabe mit Namen Pretiosa margarita novella von 1577, der bereits 30 Jahre zuvor von Petrus Bonus (auch: Piotro Buono Avogario) veröffentlichten Schrift Pretiosa Margarita, novella de thesauro, ac Pretiosissimo Philosophorum Lapide. Artis hucius diuinæ Typus, & Methodus: Collectanea ex Arnaldo, Rhaymundo, Rhasi, Alberto, & Michaele Scoto; per Ianum Lacinium Calabrum nunc primum, cum lucupletissimo indice, in lucem aedita. Venedig 1546 . Es folgten die Ausgaben Nürnberg 1554, diese unter dem Titel: Pretiosa ac nobilissima Artis chymicae collectanea de occultissimo ac pretiosissimo philosophorum lapide. Basel 1572 und Straßbourg 1608. Eine englische Übersetzung der 1546er Ausgabe findet sich bei Arthur E. Waite: That New Pearl of Great Price. A treatise concerning the treasure and most precious Stone of the Philosophers. London 1894. Mit Bezug auf Hartlaub 1959, S. 18 (hier unter Janus Lacinius, Bilderhandschrift, 1577-83), hier zit. nach Biedermann, Hans: Lexikon der Magischen Künste. 2. Bd. Wiesbaden 2001, S. 257. Die Ausgabe Pretiosa Margarita von 1546 als elektronische Ressource unter URL: http://alfama.sim.ucm.es/dioscorides/consulta_libro.asp?ref=x533961733 (letzter Zugriff Juli 2010). Zum Einfluss der Alchemie auf die Musik liegen bereits Arbeiten vor, zum Verhältnis von Alchemie und Tanz so gut wie keine. Zu ersterem siehe die frühe Arbeit von Liessem, Franz: Musik und Alchemie. Tutzing 1969, siehe auch Nowotny, Rainer (Hg.): Alchemistische Manuskripte über die Musik: vergilbte Schriften musiktheoretischer Experimente. Frankfurt/ M. u.a. 2001 sowie Trucco, Daniele: Suono originario: musica, magia e alchimia nel Rinascimento. Spirito del terzo millennio. Dronero 2003, S. 103–111 mit Bezug zum Tanz.

308

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

torischer Charakter: Sie sind nicht ohne Weiteres wiederholbar. In Berichten über alchemistische Versuche – auf der Suche nach dem sog. Stein der Weisen –, wird von den sog. Transmutationen als einer angestrebten Umwandlungen und Veredelungen von Metallen gesprochen. Es lassen sich auch Hinweise finden, dass dort Anwesenden gleichfalls die Teilnahme an Verwandlungsexperimenten mit einer Medaille bestätigt wurde, sie sozusagen an diesen Akt der Verwandlung erinnert wurden. Zumal die Vorstellung, dass die Partizipierenden mit der Veredelung der Metalle gleichzeitig selbst eine ‚höhere Bewusstseinsform‛ – im Sinne einer Perfektionierung der gegebenen Natur – erlangten, ebenfalls vorherrschend gewesen sein soll. Das heißt, dass der Empfänger einer solchen Medaille gleichzeitig auch für das Erreichen einer eigenen ‚höhere Bewusstseinsstufe‛ quasi persönlich ausgezeichnet wird, sozusagen nach durchlebter und nun handfest qua Visualisierung gemachter Katharsis. Dass über den Besitz von Medaillen auch andernorts Zugehörigkeiten geregelt wurden, zeigt ein weiteres Beispiel. Wahrscheinlich gab sich auch die Pléiade mit ihrer Bezeichnung eine Devise in Anspielung auf das gleichnamige Sternenbild. Die Wahl von Devisen gehörte zum Gründungsverfahren jeder Akademie. Auch die Mitglieder der Académie de Poésie et de Musique erhielten Medaillen als Beweis ihrer Mitgliedschaft, sozusagen frühneuzeitliche ‚Mitgliedsausweise‛, welche niemals verliehen werden durften und die im Falle des Todes eines Mitglieds umgehend an die Académie zurückzuführen waren.1466 Inhaber von Medaillen waren folglich Geheimnisträger. Auch konnte die Abbildung bestimmter Tugenden auf Medaillen „a talismanic quality“ haben.1467 Überträgt man diese Gedanken auf das Spektakel des balets comique, und auch hier wird die Teilnahme mit goldenen (!) Medaillen besiegelt, könnte der Medaillenbesitz auch für den Beschenkten zur Mahnung wie zur Erinnerung daran geraten, ein ausgewähltes Mitglied der höfischen Gemeinschaft zu sein und sich bei zukünftigem Handeln als Hofmitglied dieses besonderen Status‛ zu erinnern! Anders gesagt, zeichnet sich eine doppelte Funktion für den Medailleninhaber ab: Die Medaille ist Erinnerungsmedium, welches Transformation bezeugt. Gleichzeitig hat sie einen imperativen Impetus für den Träger. Die Vergabe der Medaillen ist somit Ausdruck eines auf Reziprozität angelegten Verhaltensmusters.1468 1466

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„The members (der Académie de Poésie et de Musique. A.W.) were given a medal as proof of their membership, which was never to be lent to anybody else, and arrangements had to be made for it to be returned to the academy immediately after a member’s death.“ In: Rygg 2000, a.a.O., S. 48. McGowan, Margaret M.: The vision of Rome in late Renaissance France. Hong Kong 2000, S. 70. Siehe hierzu auch die Formulierung im balet comique, dass man „prensenter en public: ‚fin que tous cogneussent que nos Roys & Roynes, comme ils commandent sur vn peuple franc, aussi le traittent-ils franchement, & auec toutes douceuer, franchise, communication & courtoisie.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 65.

3.4. Schrift-Bild-Synthesen: Diverse Devisen

309

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Devisen konkret an bestimmte Empfänger richteten und im Unterschied zu den z. B. in Bayonne vergebenen Medaillen, mit eher emblematischem Gehalt, deutlich individuellere Bezüge auswiesen. Einerseits wurde der Beschenkte durch das Medaillengeschenk in mehrfacher Hinsicht ausgezeichnet. Andererseits wurde im Sinne einer Gegengabe, z. B. in Form von erstrebten Verhaltensweisen, eine Erwartung auf Zukünftiges transportiert und formuliert. Der mit der Medaille öffentlich Beschenkte war sich wahrscheinlich über die individuelle Dedikation und der daraus erwachsenden Erwartung durchaus im Klaren. Gleichzeitig scheint es unwahrscheinlich, dass jeder – auch damalige – Leser des Traktates diese Zueignungen entsprechend entschlüsseln konnte.1469 Die Medaillen selbst sowie ihre Abbildungen fungieren in diesem Sinne als Medien des Zeigens und zugleich als Medien des Verbergens. Der Hof als soziales und kommunikatives Gefüge, der sich über die Nutzung solcher Medien und ihrer Codes definierte, bzw. eine Teilnahme an den dort eingeübten Kommunikationsdiskursen die Kenntnis (oder den Anschein dieser)1470 derselben bedingte, tritt deutlich zu Tage. Tatsächlich beendet der Abdruck der Medaillen nicht das Druckwerk und die Medaillenvergabe nicht das Spektakel. Im Traktat folgen vier Auslegungen, je eine verschriftlichte Allegorie de la Circe 1471 – und mithin vier Rezeptionsangebote zum Verständnis der zuvor erzählten Circe-Allegorie. Das Tanzereignis selbst wird in ikonografischen Medien, selbst Zeugen der Rezeption, reflektiert. Auf diese Rezeptionsprozesse soll nachfolgend der Blick gerichtet werden.

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Hierfür spricht schon die Hinzunahme von vier Auslegungsmöglichkeiten wie sie dem balet comique am Ende in Form der Allegorie schriftlich beigegeben sind. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 74ff. Vgl. hierzu die vermehrte Ausgabe von Zitatensammlungen in der 2. Hälfte des 16. Jh., mit einzelnen, in die Landessprache übersetzten Phrasen alter Klassiker, die im Original, sei es griechisch, aber auch Latein, auch von den Universitätsabsolventen kaum noch gelesen werden konnten. Siehe diesen Hinweis bei Vogel 1999, a.a.O. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 74–76.

310

II.3. Der narrative Speicher und seine Rhetorik

II.4. Zusammenfassung Mit dem dritten Hauptkapitel wurde der zweite große Untersuchungsschwerpunkt eröffnet, nämlich der detaillierte Blick auf das 1582 erschienene Traktat zum balet comique als Medium der Narration. Hierbei ging es um die Realisierung des Tanzereignisses als Text und im Text wie um die Erscheinung des Textes als Text. Im Blick auf die medialen Verbreitungs- und Speicherungsmöglichkeiten des Traktates wurde, ausgehend von der Schrift als Leitmedium im 16. Jahrhundert, zunächst nach den inhaltlichen und formalen Rahmenbedingungen der Drucklegung des balets-Traktats im Jahre 1582 gefragt, um dann den Festbericht Schritt für Schritt in seinen vielen Text- und Bildschichten zu erfassen. Die Wirkungsabsicht, die mit der Beschreibung, dem Druck und der Visualisierung des Festablaufs verbunden wurde, konnte für das balet comique weit entfaltet werden. Das umfangreiche Traktat von 1582 ist hierbei mehr als ein ‚Festbericht‛. Das Druckwerk erscheint als vielschichtiges Medium der Narration und Speicherung, besonders mit Blick auf das Argumentationsverhältnis von Verbildlichung und Verschriftlichung, wobei die ikonografischen Anteile aus Sicht der Verfasserin nicht auf ihre illustrative Funktion, als Abbildung zum Text, reduziert werden sollten. Es lassen sich vielfach Schrift-Bild-Differenzen in den Szenerien ausmachen. Entgegen lang gehegter Wahrnehmungsmuster mit ihrer zentralen Ausrichtung auf den König argumentiert die Darstellung für eine dialogische Struktur sowohl in den Tanzformationen wie im Text, welche den Blick des Königs und auf den König maßgeblich modifiziert. Das intensive Studium der die bibliographie matérielle wie auf den Textkorpus der Anreden bzw. Vorreden und Widmungsvorreden des Traktats weist schließlich auf ein sich als humanistisch verstehendes Werk hin, wobei sich der Beaujoyeulx an Traktat-Vorbildern am eigenen Hof wie an italienischen Tanzschriften orientiert. Gerade hierin offenbart sich auch der legitimatorische Charakter des Druckwerks, nämlich den Autor als professionell agierenden Tanzmeister wahrzunehmen. Voraussetzung einer solchen Rezeption ist auf Seiten des Lesers die Befähigung zur Imagination: Das Bewegungsgedächtnis und Einbildungs- und Vorstellungskraft gehen seit der frühen Neuzeit ein wechselseitiges Verhältnis ein. Diese Fähigkeit zur Imagination des Tänzers wird in den frühneuzeitlichen theoretischen Tanzschriften bereits seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert gefordert. Tanz wird hier zur ars memorativa, Imagination zur notwendigen Disposition für Partizipation und Anteilnahme am Tanz. Der vielschichte phantasmata- Begriff, wie er bereits bei Domenico da Piacenza zu finden ist, erhält in den fiktiven und symbolisch verdichteten Zahlenangaben der Szenenbeschreibungen des Traktates zum balet comique oder dem Phänomen des imaginierten Publikums neue Gestalt.

II. 4. Zusammenfassung

311

Auch der Akt der Devisenvergabe durch die Tänzerinnen, an der Schnittstelle von Tanzspiel und höfischer Realität, können als Appell an den Gebrauch der Imaginationsfähigkeit aller Beteiligten, Zuschauenden wie Lesern, verstanden werden.

312

III.1. Bildliche Wiederaufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

III. Repräsentationen: Zur Rezeption des balets comique und seines Traktats

III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste Die bildlichen Darstellungen der Valois-Feste, wie auch der Joyeuse-Hochzeit sind ohne franco-flämische Verbindungen und Einflüsse nicht denkbar.

III.1.1.

Verwobene Aufnahmen: die Valois-Tapisserien

1959, kurz nach den Studien von Aby Warburg und Jean Ehrmann, veröffentlichte Frances Yates die Ergebnisse ihrer detaillierten und lange Zeit richtungsweisenden Analyse1472 der sog. ‚Valois-Tapisserien‛, heute in Florenz aufbewahrt1473. Diese Wandteppiche wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Brüssel gefertigt. Grundlegende Studien zur Tapisserieherstellung im 16. Jahrhundert stellen die Bedeutung niederländischer und flämischer Produktionsstätten für diese Zeit im allgemeinen heraus und verweisen darüber hinaus im besonderen auf Brüssel als herausragenden Fertigungsort: Mit Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 17. Jahrhunderts befanden sich in den südlichen Niederlanden und in Flandern die mit Abstand

1472

1473

Siehe Yates, Frances Amelia: The Valois Tapestries. Studies of the Warburg Institute. Bd. 23. London 1959, siehe auch dies.: Astraea. The imperial theme in the sixteenth century. London, Boston 1975, bes. S. 149– 172, hier S. 150. Seit langem ist die Tapisserie-Serie, deren Restauration noch nicht abgeschlossen ist, in den Uffizien in Florenz nicht mehr öffentlich ausgestellt worden; ein zeitnaher öffentlicher Zugang innerhalb der Uffizien ist jedoch angekündigt. Die Tapisserieserie gelangte aus dem Besitz Caterinas wohl 1589 nach Florenz anlässlich der per procurationem in Blois bereits am 8. Dezember 1588 rechtskräftigen Verbindung der Enkelin (und nach dem Tod der Tochter Claude von ihr aufgezogenen) Christine de Lorraine. Ihre Brautfahrt fand nach Florenz zum Großherzog der Toskana, Ferdinand I. de Medici, fand am 2.Mai 1589 statt. Caterina selbst war bereits am 5. Januar 1589 in Blois verstorben und soll noch am Morgen ihres Todestages eine Testamentänderung zugunsten von Christine de Lorraine und Charles von Angoulême verfügt haben, ihre Tochter Marguerite enterbend. Allerdings befanden sich die Teppiche nicht in der Erbmasse. Siehe Muhlstein 2003, a.a. O., S. 113; zum Geschenk an Christine de Lorraine siehe Yates 1959, a.a.O., S. XIXf., auch: Berti, Luciano, Caneva, Caterina: Die Uffizien Florenz. München 1980, S. 1060– 1065, hier S. 1062.

1.1. Verwobene Aufnahmen

313

wichtigsten Hersteller von Tapisseriewaren für den europäischen Raum.1474 Die teuersten und wohl auch qualitativ hochwertigsten Stücke wurden hierbei in Brüssel gefertigt und Antwerpen fungierte häufig als Verteilerpunkt.1475 Zwischen beiden Orten bestanden engste personelle Verbindungen im Tapisseriewesen.1476 Die aufwändig gearbeiteten, insgesamt 140 qm großen Bildflächen mit Maßen zwischen 403 x 339 cm und 393 x 608 cm1477, sind aus leinenen Kettfäden mit Schussfäden aus Seide, Gold-, Silber- und Wollfäden gewirkt1478, wobei mit Hilfe von Nadel oder Spule die bunten Schuss- in die Kettfäden eingeflochten wurden. In dieser Fertigungsart wurden bis ins 19. Jahrhundert alle europäischen Bildteppiche gewirkt.1479 Die acht Wandteppiche stellen die Festlichkeiten am ValoisHof sowie im Vordergrund ganzfigurige Portraits dar, umfasst in einem Rahmen von Grotesken.1480 Sechs von acht tragen eine Brüsseler Marke1481 und verweisen so sehr wahrscheinlich auf ihren flämischen Herstellungsort.1482 Dokumente zum

1474

1475 1476 1477 1478 1479 1480

1481

1482

Siehe Vermeylen, Filip: Painting for the market. Commercialization of Art in Antwerp’s Golden Age. Turnhout 2003, S. 87. Grundlegend zur flämischen Tapisserieherstellung des 15. bis 18.Jh. siehe Delmarcel, Guy: Flemish tapestry. New York 1999; einführend mit Bezug auf die zweite Hälfte des 16.Jahrhunderts: Campbell, Thomas P. (Hg.): Tapestry in the Renaissance: Art and Magnificence. Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung im Metropolitan Museum of Art, New York, 12. März–19. Juni 2002, New York 2002, hier bes. S. 531–536. Siehe Vermeylen 2003, a.a.O., S. 89. Siehe Campbell 2002, a.a.O., S. 531. Siehe Berti, Caneva 1980, a.a.O., S. 1060. Siehe ebda. Siehe Jahn, Johannes: Wörterbuch der Kunst. Hg.v. Wolfgang Haubenreisser. Stuttgart 81975, S. 89, S. 95. Der Zyklus umfasst folgende Motive, deren Bezeichnung auch vorliegend in Anlehnung an Yates erfolgt: Fontainebleau (Nautisches Fest in Fontainebleau) (403 x 339 cm); Whale (der Wal) (355 x 394 cm); Tournament (das Turnier) (387 x 608 cm); Quintain (das Drachenstechen) (387 x 400 cm); Polish Ambassador (der Empfang der polnischen Gesandschaft) (381 x 402 cm); Journey (die Reise) (383 x5 34 cm); Barriers (Lanzenkampf à la barrière) (386 x 328 cm) und Elephant (Angriff auf einen Elefanten) (387 x 670 cm), Informationen über die ursprüngliche Hängung oder mögliche Reihenfolge der Motive existieren nicht mehr. Dass Yates von Antwerpen als Fertigungsort ausging, wurde von Coural mit Blick auf die Brüsseler Marke später kritisiert, in: Coural, Jean: L’École de Fontainebleau. Ausstellungskatalog Grand Palais, Paris. Paris 1972. Pascal-François Betrand, wies zuletzt darauf hin, dass es vorkam, dass in Antwerpen Fälschungen produziert wurden, um potentielle Kunden mit einer gefälschten (weil hochwertigeren) Brüsseler Marke zu täuschen. Siehe ders. Bertrand, Pascal-François: A New Method of Interpreting the The Valois Tapestries through a History of Catherine de Medici. In: Studies in the decorative arts. 14,1, New York 2006, S. 27–52, hier S. 49, Anm. 3.

314

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

Auftrag oder solche über einen Auftraggeber liegen bisher nicht vor.1483 Möglicherweise gehen die Kartons der Wirkvorlagen für die Tapisserien auf Lucas de Heere zurück1484; und es dienten mindestens sechs Zeichnungen aus den 1560er und 70er Jahren von Antoine Caron sicher als Vorlage.1485 Yates stellte zur Datierung der Teppiche, die bis heute in der Forschung zwischen 1575 und 1585 angegeben wird, die These auf, dass William von Oranien die Teppiche in Antwerpen hatte fertigen und später über niederländische Gesandte als werbendes Geschenk an Caterina und politischen Akt gegen das katholische Spanien senden lassen – just zu dem Zeitpunkt als Caterinas jüngster Sohn, François-Hercule d’Alençon-d’Anjou, den Titel des Herzogs von Brabant und den eines Grafen von Flandern annahm, nämlich im Jahre 1582.1486 „Ein Bündnis zwischen Frankreich, England, den Niederlanden, Polen und den deutschen protestantischen Fürsten, das damit in greifbare Nähe gerückt war, hätte die Machtverhältnisse im Reich ändern und unter Umständen sogar die Wahl des französischen Königs zum Kaiser durchsetzen können. Der Tod Karls IX., die nächtliche Flucht seines Bruders Heinrich, der Krakau verließ, um seine Nachfolge anzutreten, und schließlich das Ende der Regentschaft d’Anjous (bis Januar 1583. A.W.) in Antwerpen zerstörten diese Hoffnungen der Reformierten, denen die Valois-Teppiche nach Yates ihre Entstehung verdanken.“1487

Robert Jean Knecht stellte diese Lesart mit dem Argument in Frage, dass die Angst Frankreichs einen Krieg mit Spanien zu provozieren nicht mit einer sol1483 1484 1485

1486

1487

Siehe Yates 1959, a.a.O., S. XVIII und S. 103. Siehe hierzu Yates 1959, a.a.O., S. 17–25, dem folgend: Berti, Caneva 1980, S. 1060–1065. Siehe diesen Hinweis auch bei Demarcel 1999, a.a.O., S. 127; auch ist Carons aktive Mitarbeit für den Einzug von Henri III. als König von Polen 1573 nachgewiesen, er stand folglich in einem engen künstlerischen Verhältnis zum König selbst. Dass dann auch er es ist, dessen Zeichnungen zu einem großen Teil die Vorlage für die Florentiner Tapisserien darstellten, verwundert nicht. Den Hinweis auf aktive Mitarbeit Carons in: Haumeder 1976, a.a.O., S. 112; bei Anthony Blunt findet sich zudem auch der Hinweis, dass Caron bereits in den 1520er Jahren eng mit den Mitgliedern der späteren ‚Liga‛ verbunden gewesen sei, siehe Blunt, Anthony: Art and architecture in France. 1500 to 1700. Harmondsworth u.a. ²1970, S. 86f. Allerdings zeichnete sich Caron auch für eine Serie von Kartons über Artemisia, die eine Glorifizierung Caterinas war und die schließlich im frühen 17.Jh. in eine Tapisserieserie umgearbeitet wurde, verantwortlich. Siehe Adelson, Candace: European Tapestry in the Minneapolis Institute of Arts. New York 1994, S. 161–288. Leider macht Yates keine Angaben dazu, inwiefern sie bei dieser These im Auge hat, dass die Herstellungszeit dieser acht Teppiche sicherlich einige Monate in Anspruch genommen hat, was ggf. eine gewisse Schwierigkeit in Bezug auf die mögliche Passgenauigkeit eines werbendes Geschenks darstellte. Zur vermeintlichen Widersprüchlichkeit im politischen Handeln William von Oraniens siehe die instruktive biografische Arbeit von Mörke, Olaf: Wilhelm von Oranien (1533–1584). Fürst und ‚ Vater‛ der Republik, Stuttgart u.a. 2007. Brassat 1992, a.a.O., S. 210. Brassat fasst hier die Folgen für die Yatesche Deutung zusammen. Eine Datierung bis in die 1585er Jahre vertreten auch Berti, Caneva 1980, a.a.O., S. 1060.

1.1. Verwobene Aufnahmen

315

chen Gabe zu bannen gewesen wäre.1488 Roy Strong, im Anschluss an Coural, verlegte den Fokus der Analyse verstärkter auf die bildvordergründigen Portraits und die dargestellten Festszenen. Hierbei kam er zu dem Schluss, dass die Wandteppiche nicht nach 1581 gewirkt worden sein können, da das balet comique, aus Anlass der Joyeuse-Hochzeit aufgeführt, in keiner der Darstellungen abgebildet sei.1489 Léon de Groër datierte die Tapisserien hingegen zurück auf das Jahr um 1575/76 als ein Auftragswerk der Caterina de Medici mit Brüssel als Herstellungsort. Seine Begründung: Caterina sei mit einer Ausnahme (und dies passe zu okkulten Vorstellungen über Unglückbringendes) auf allen Tapisserien abgebildet.1490 Auch seien alle abgebildeten Personen zum (zugrundegelegten) Zeitpunkt der Entstehung der Teppiche noch am Leben gewesen – so sei z. B. ihre Tochter Claude, gest. 1575, oder ihr Sohn Charles IX., gest. 1574, nicht dargestellt. Auch sei die Mode jene der 70er Jahre, besonders die mittelgroße Kröse und der hohe Samthut mit Federn und Juwelen vorderseitig geschmückt.1491 Ferner trage keine 1488

1489

1490

1491

Siehe Knecht 1998, a.a.O., S. 244. Sicher ist auch zu bedenken, dass das Verhältnis zu den Niederlanden Jahrzehnte lang sich für die Valois als delikat gestaltete. Caterina hatte bei einer Allianz mit den Niederlanden durchaus den Zorn Spaniens gegen Frankreich zu befürchten, das 1580 geschwächt war. Außerdem hoffte man bis 1582 noch auf eine mögliche Verbindung d’Aleçon-d’Anjous mit Elizabeth von England. Siehe Mahony 1999, S. 313, S. 317f., dass Flandern als politisches Objekt ein schwieriges Thema war zeigen auch zeitgenössische Korrespondenzen Caterinas, die in einem Brief vom 11.7.1581 an SaintSulpice davon spricht „[…] pour rompre le voyage de Flandres“. Hier zit. nach: Cabié 1975, a.a.O., S. 686, sowie den Hinweis in weiteren Briefen vom 23.8./ 24.8./25.8 an SaintSulpice, dass „la guerre de Flandres“ ein Thema gerade in Korrespondenzen des Jahres 1581 ist: „il ne se parle ici d’autres nouvelles que de Flandres.“ Hier zit. nach: Cabié 1975, a.a.O., S. 690f. Strong favorisiert auch kostümhistorisch eine Entstehungszeit in den 70er Jahren: Strong 1984, a.a.O., S. 186–190; hier nach der Ausgabe: Strong, Roy: Feste der Renaissance. Freiburg, Würzburg 1991, S. 180. Dieser Interpretation schloss sich auch Jean Ehrmann Ende der 80er Jahre an, in: Ehrmann, Jean: Antoine Caron: Peintre des fêtes et des massacres. Paris 1986, hier S. 189–200 sowie Delmarcel 1999, a.a.O., S. 127, zuletzt auch Meoni, Lucia: Gli arazzi nei musei fiorentini : la collezione medicea. Il collezionismo e le donazioni. Gli arazzi fiamminghi e francesi. Katalog. Galleria degli Uffizi. Bd. 4. Florenz 2006. Ikonografische Quellen zu Caterina sind z. B.: Anonyme: Portrait en grand de Catherine de Médicis jeune. Musée des Offices, Florence; Anonyme: Portrait de Catherine (figurant dans une des tapisseries des Valois); Musée des Offices, Florence; Clouet,François: Catherine de Médicis (miniature). Victoria and Albert Museum, Londres; Clouet, François: Catherine de Médicis, reine mère du roi (crayon pierre noire et sanguine). Bibliothèque nationale de France, Cabinet des estampes (No. 22 rés. Boîte 4 No. 8); Tombeau de Henri II et de Catherine de Médicis: en prière et gisant. Basilique de Saint-Denis. In Bezug auf dieses Argument wäre jedoch zu ergänzen, dass viele der Dargestellten Kostüme tragen wie sie im Kostümbuch omnium poene genitum imagines des Abraham de Bruyn abgebildet sind. Dieses wurde jedoch erstmals 1577 und nachfolgend 1581 (Antwerpen) und 1610 gedruckt. In der Ausgabe von 1581 sind zwei Blätter zur französischen weiblichen und männlichen Mode (S. 13f.) ergänzt worden sowie die Darstellung der polnischen Adeligen weiter ausdifferenziert (S. 14); hierauf wies Yates 1959, a.a.O., S. 14 bereits hin.

316

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

der Figuren die Kette des Ordre du Saint Esprit (Ritterorden vom Heiligen Geist), welchen Henri III. 1578 reorganisiert hatte.1492 Lisa Jardine and Jerry Brotton versuchten vor einigen Jahren den Blick auf die Kunstwerke zu weiten und die Entstehung der Tapisserien anders akzentuiert zu kontextualisieren: Die Hinzunahme einer Reihe von westlicher wie östlicher Gobelinproduktionen zeige, dass die Valois-Gobelins aus dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts am Ende einer Entwicklung stünden, die primär aggressive, eurozentristisch-politische Intentionen verfolge: „We argue here that in the early sixteenth century, the large-scale tapestry series became a symbolically over-determined artefact upon which the political hopes and aspirations of the imperial courts of the period were repeatedly projected. We explore the ways in which a range of narrative tapestries mediated imperial tensions at the courts of Europe, from Burgundy in the fifteenth century through the escalation of religious conflict in the Low Countries in the final decades of the sixteenth century. In the process, we argue that, from the start of their open and easy circulation with the East in the late fourteenth century, such tapestries were increasingly appropriated to support a far more exclusive and aggressive vision of Euopean ‚civility‛. This process culminated in the aesthetically magnificent but, we would argue, politically coercive series of tapestries designed to adorn the Spanish and French courts of the Hapsburgs and the Valois.“1493

In diesem Sinne seien die Valois-Gobelins zutiefst, und hierin widersprechen sie Yates radikal, antithetisch und aggressiv zur protestantischen Haltung und in alter, monarchischer Tradition als Ausdruck militärischer Stärke und imperialen Triumphes konzipiert. Dieses Arrangement intendiere eher Unterdrückung und Einschüchterung Andersdenkender, denn Frieden und Versöhnung.1494 Yates, die argumentiert hatte, dass die dargestellten Hugenotten gerade die Toleranz der Valois demonstrieren sollten, auch um „a vision of different faiths and peoples at peace“1495 zu entwerfen, wollte das Dargestellte insofern wohl als Ausdruck einer Utopie verstanden wissen.1496 In zahlreichen Studien hat Erwähnung gefunden,

1492

1493 1494 1495 1496

Ergänzt werden kann der Hinweis, dass auch die Fächertypen der abgebildeten französischen Damen in der 1581er Ausgabe moderner erscheinen. Zu sehen ist ein Falt- und ein Federfächer – der dem Louises auf dem Wandteppich Fontainebleau deutlich ähnelt. Groër, Léon de: Les tapisseries des Valois du Musee des Offices a Florence. In: Art, objets d’art, collection. Études sur l’art du Moyen Age et de la Renaissance, Paris 1987, S. 125– 134. Dieser Datierung schließt sich auch zuletzt Betrand an: Bertrand 2006, a.a.O., S. 29 und S. 37 an. Jardine, Lisa, Brotton, Jerry: Global Interests: Renaissance Art Between East And West. London 2000, hier S. 63, siehe aber auch S. 63–131, bes. S. 122ff. Jardine, Brotton 2000, a.a.O., S. 126 und S. 129. Yates 1959, S. 102f. Es missverständlich ist hier das Urteil von Jardine, Brotton, womit Yates die Idee einer ‚realen Utopie‛ unterstellt wird: „For Yates, the Valois Tapestries represented a beacon of benign cultural and religious diversity, prior to Europe’s slide into religious fundamental-

1.1. Verwobene Aufnahmen

317

dass in der Bildmitte und im Bildhintergrund wahrscheinlich nur Darstellungen von Festereignissen eingearbeitet wurden, die zwischen 1564 (Fontainebleau) und August 1573 (Empfang der polnischen Gesandten) stattgefunden haben.1497 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Louise de VaudémontLorraine (Abb. 21) erst seit dem 15.2.1575, zwei Tage nach Henris Krönung, die Frau von Henri III. wurde, dem sie auch erst Ende 1573 das erste Mal in Nerac begegnet war. Nachweislich erscheint sie aber auf zahlreichen Teppichen der Serie. 1498 Auch kann sicher gesagt werden, dass die Tapisseriedarstellungen sowohl von den, soweit vorhandenen, Festberichten als auch deutlich von den Caron-Zeichnungen abweichen. Gerade diese Differenzen können m. E. ebenso wie der absichtlich gestaltete Anachronismus der Bildinhalte, aufschlussreich für die Deutung des Bildmaterials sein. Es ginge demnach bei der Komposition der Tapisserien nicht um eine gar ‚berichterstattende‛ Dokumentation von festlichen Intermedien am Valois-Hof, die einer nicht genauer zu spezifizierenden Repräsentation gelten würden, sondern um gezieltere Konstruktionen. Was heißt dies bei aller Unklarheit in Bezug auf die Serie der Valois-Tapisserien konkret? Erhellend ist in diesem Zusammenhang ein Aspekt, den jüngst PascalFrançois Bertrand in Bezug auf das Verhältnis der präsentierten Bildmotive, nämlich die Interdependenz der Portraits im Vordergrund und den, häufig bei Caron ähnlich gestalteten Festszenen im Hintergrund, darlegte.1499 Zunächst weist er darauf hin, dass die gängige Bezeichnung der Tapisserien den Fokus stets einerseits auf die Festivitäten aus der Regierungszeit Charles IX. und andererseits auf die lebensgroßen königlichen Portraits aus der Regierungszeit Henri III. gelegt hätte. Darüber hinaus hätten die jeweiligen Titel, wie man sie den einzelnen Gobelins gegeben habe, nach Yates stets den Hintergrund thematisiert und die Figuren im Vordergrund nahezu vollständig, zumindest bis zu den Forschungen von Strong, ignoriert.1500 Er stellt richtig heraus, dass die Bildinhalte fälschlich häufig als ‚historische‛ verstanden worden seien, umrahmt von lebensgroßen Portraits. Kaum jemand habe zudem eine Verbindung hergestellt zwischen Vorder- und Hintergrund:

1497

1498

1499 1500

ism, political intolerance and vicious ethnic cleansing.“ Jardine, Brotton 2000, a.a.O., S. 125. Eine Ausnahme könnte das Festereignis sein, das auf der Tapisserie Elephant (Yates) eingearbeitet wurde, da dieses lt. Yates auf ein Fest im Jahr 1582 zurückgehen könnte; allerdings weist auch Betrand darauf hin, dass dies eine recht ungesicherte Zuschreibung sei, siehe: Betrand 2006, a.a.O., S. 49. Yates hatte die im Hintergrund dargestellten Festszenen den magnificences Caterinas zur Zeit Charles IX. bis 1573/74 zugeordnet und sah in den Portraits im Vordergrund zeitgenössische Dokumente der Entstehungszeit der Gobelins, also um 1582. Siehe Yates 1959, a.a.O., S. 70. Siehe Bertrand 2006, a.a.O., S. 29ff. Siehe ebda., S. 33.

318

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

„[…] Gathered into small groups (from two to four people), the members of the royal family are at once the attentive spectators of the festivities enacted in the backround and the viewer’s ‚presenters’ to the entertainments shown. The events figuring in the backgrounds constitute what can be called the ‚space of the historiated scene‛.“1501

Den Figuren im Vordergrund käme, so Bertrand, vor allem eine verweisende Funktion als „admonisher“ zu, wie sie schon Alberti beschrieben habe.1502 Hierdurch würde der Betrachter wiederum doppelt in die Szenerien einbezogen werden.1503 In diesem Zusammenhang sieht er die Hauptfunktion der Gobelins in der dynastischen Verehrung, wobei er hier gezielt die Person Caterinas betont, für die die Zeit zwischen 1575 und 1576 (er folgt hier de Groër u.a. in der Datierung) mit vielen Miseren überschattet gewesen sei und das Dargestellte insofern als „dignified image“ fungiere und als eine ‚Histoire de Catherine de Médicis‛1504 oder eine ‚Histoire des derniers Valois‛“ zu lesen sei.1505 Diese These zur dynastischen Verehrung ist im Kern nicht neu, und kann doch noch je andere Akzente erfahren. Wenn Knecht sagt, die Tapisserien seien ein „enigma“1506, betont dies neben der Rätselhaftigkeit auch die mehrfache Codierung des Bildwerks. Wahrscheinlich ist, dass unterschiedliche Lesarten von vornherein ein Anliegen der Wirker darstellten. Eine mögliche Lesart könnte, in Abgrenzung zu Bertrand und vorherigen Deutungsansätzen, sein, dass noch sehr viel deutlicher die Rolle des Monarchen selbst, nämlich Henris III., und nicht die seiner Mutter, ins Zentrum des Interesses gerückt wird. 1501 1502 1503

1504

1505 1506

Ebda., S. 35. Ebda. und mit Quellenangabe zu Alberti ebda., S. 50, hier Anm. 18. Dies sei vergleichbar mit den besonders in Antwerpen um 1550 beliebten „inverted stilllife paintings“, in welchen die im Vordergrund befindlichen Stillleben in einem doppelsinnigen Verhältnis zur jeweiligen religiösen Hintergrundszene stünden. Bertrand 2006, a.a.O., S. 35. Hier mit konkretem Bezug auf Houels Histoire d’Artémise (1562 geplant, um 1600 ausgeführt). Auch Artemisia regierte nach dem Tod ihres Mannes für ihren minderjährigen Sohn Lygdamis mit dem Antlitz der liebenden Witwe, die die Asche ihres Mannes mit Wein vermischt in sich aufnahm. Siehe: Franke, Birgit, Wenzel, Barbara: Caterina von Medici (1519 – 1589). In: Zimmermann, Böhm 1999, a.a.O., S. 65–79, hier S. 69f. Der Verweis auf die Königin Artemisia, Frau des Mausolos, als exemplarischem Vorbild, gehörte in der Frühneuzeit durchaus zum Repertoire der Selbstvergewisserung. Dass Caterina allerdings nicht eine mythologische, sondern eine historische Persönlichkeit für dieses Bildprogramm wählte, wie es sonst männliche Herrscher taten, verdient Beachtung. Siehe hierzu: Baumgärtel, Bettina, Neysters, Silvia (Hg.): Die Galerie der starken Frauen: Regentinnen, Amazonen, Salondamen = La Galerie des Femmes Fortes. München 1995, S. 67–71, hier S. 67f. Diese mit dem Hinweis, dass Artemisia nachfolgend auch zur „Witwen- und Regentschaftsikonographie der Maria von Medici“ gehörte. In: dies., S. 71. Teilweise hier mit Bezug auf de Groër, der Caterina als Auftraggeberin sah, Bertrand 2006, a.a.O., S. 40. Knecht 1998, a.a.O., S. 244.

1.1. Verwobene Aufnahmen

319

Auch Henri erscheint nämlich, ebenso wie seine Mutter, auf fast allen Motiven: In den Teppichen Fontainebleau und Quintain im Bildvordergrund, in Journey und Polish Ambassadors im Bildmittelgrund, in Tournament und Barriers im Bildhintergrund und in Elephant findet er sich mindestens, wie bereits Yates herausstellte, symbolisiert im Bildzentrum als Elefant.1507 Nur in Whale, den Schrecken des Krieges zur Anschauung bringend, scheint er nicht abgebildet. Die Hinzunahme der ganzfigurigen Portraits im Vordergrund, unter Anwesenheit des Königs Henri (und Caterinas) stellt einen signifikanten Unterschied zu den Zeichnungen von Caron dar. In Fontainebleau (403 x 339 cm)1508 (Abb. 22) steht Henri im rechten Bildvordergrund, leicht schräg hinter seiner Frau Louise 1509 versetzt, den Betrachter anblickend. Mit vordergründiger Distanz zum zurückliegenden Geschehen weist Henri mit seiner rechten Hand, der Blickachse folgend, wie ein Mitglied der Schweizer Garde (cent suisse)1510 auf die vorgeführte Naumachie und hier im Besonderen auf das türkische Schiff hin. Die Szenerie des Wasserspektakels findet sich variiert auf einer der Caron-Zeichnungen und soll einem Festereignis von 1564 in Fontainebleau nachempfunden sein. Dass der Wirker der Tapisseriegestaltung jedoch das türkische Schiff, welches nicht angreift, sondern sich der Szenerie nähert sowie Indianer der Szenerie hinzugefügt hat, wertet Yates als dessen eigene „exuberant invention as costume expert.“1511 Möglicherweise verfolgt diese Ergänzung noch einen anderen Sinn. Jardine und Brotton gehen davon aus, dass in den Valois-Tapisserien die Niederlage der Protestanten durch die Hand der Valois demonstriert werden sollte. Vor diesem Hintergrund sei auch die Hinzunahme der Türken, Seite an Seite mit den Hugenotten, als Ausdruck der Gemeinsamkeit der ‚infidels‛ zu verstehen.1512 Diese Argumentation ist allerdings um 1507 1508 1509

1510

1511 1512

Zur Stellvertreterfunktion des Elefanten, siehe bereits Yates 1959, a.a.O., S. 81. Siehe Berti, Caneva 1980, a.a.O., S. 1063. Siehe hierzu auch Abb. 21: Die Ähnlichkeit zwischen einem, leider im 2. Weltkrieg verschollenen Gemälde und Louises Darstellung auf dem Teppich „Fontainebleau“ ist frappierend, da Hals- und Haarschmuck identisch sind. Siehe Świeczyński, Jan: Katalog skradzionych i zaginionych dóbr kultury. Hg. v. Wojciech Jaskulski, Piotr Ogrodzki. Warschau 1988. Die frappierende Ähnlichkeit dieses Portraits, auch des Haar- und Halsschmucks Louises, mit einem Druck, wie er heute in der BNF, Cabinet des Estampes C 41.167, verwahrt wird, ist sehr auffällig. Abb. des Drucks in: Boucher 1995, a.a.O., S. 119. Es wäre zu prüfen, ob es sich nicht eher um eine Arbeit aus der Schule Clouets, denn einer von François Clouet selbst, der bereits 1572 starb, handeln könnte. So galt etwa Jean Rabel (1545– 1603) als Peintre de Louise de Lorraine, siehe hierzu: Adhémar, Jean (Hg.): Les Clouet & la cour des Rois de France. De François Ier a Henri IV. Paris 1970, S. 51. Vgl. hierzu aber auch die Arbeiten aus dem Atelier Jean Decourts (ca. 1530 – ca. 1584), wie Abb. 1. Zu den Besoldungen der cent suisse unter Charles IX. siehe Boucher 2007, a.a.O., S. 189. Eine Abbildung eines Schweizer Gardisten findet sich auch in: Dayot, Armand: La Renaissance en France de Charles VIII à Louis XIII. Paris 1909, S. 114. Yates 1959, a.a.O., S. 54. Jardine, Brotton 2005, a.a.O., S. 125.

320

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

den wesentlichen, auch von den Autoren selbst an anderer Stelle1513 gemachten Hinweis zu ergänzen, dass gerade die Valois-Herrscher sich spätestens seit 1534 für viele Jahrzehnte um gute Verbindungen zu Sultan Süleyman I. bemühten und sie der bedeutendste Handelspartner des osmanischen Reiches waren.1514 Diese merkantilen Interessen, wie sie auch zwischen dem Osmanischen Reich und Venedig oder Portugal bestanden, scheinen zwar durchaus gemeinsame politische Ziele befördert zu haben, was man begrüßte, offiziell aber wurde diese Annäherung nicht gut geheißen. Eine Diffamierung der Türken als ‚infidels‛ – dem tatsächlichen Ereignis scheinbar erst darstellerisch auf den Gobelins hinzugefügt – wäre somit zwar theoretisch nicht unmöglich, aber wenig klug gewesen.1515 Zudem lässt sich mit dieser These der Autoren das, wenn auch fiktive, aber eben dargestellte traute Beisammensein eines Anführers der verfeindeten Katholiken und der Reformierten, hier in Gestalt von Charles III. de Lorraine und dem Hugenottenführer Henri de Navarre im Vordegrund von Whale nicht schlüssig erklären. Stattdessen sollte ins Kalkül gezogen werden, dass im Zuge der ‚Türkenoper‛ bereits im 17. und 18.Jahrhundert die Bezeichnung „türkisch“ polyvalent für alles Außereuropäische und ‚Fremde‛ verwendet wurde.1516 Hier wurden zeitgenössischen Vorstellungen nicht selten mit Bedrohungsszenarien verknüpft, sie konnten aber auch eine andere Funktion übernehmen. So wies auch Sibylle Dahms darauf hin, dass es „Frankreich (war), von wo aus aufgrund der […] politischen Gegebenheiten besonders intensive kulturelle Beziehungen angebahnt wurden […]“1517 und „die Stoffwelt des Fremden im französischen Ballet de Cour von seinen Anfängen an eine zentrale Rolle spielte.“1518

1513

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1516

1517 1518

So weisen die Autoren zu Recht darauf hin, dass „Paris, Lisbon, London, Mantua and Venice (for instance) were connected with Istanbul through shared political and commercial interests […].“ Aus: Jardine, Brotton 2005, a.a.O., S. 61. Siehe Du Mans, Raphaël P. Le: Estat de la perse en 1660. Hg. v. Ch. Schefer. Paris 1890, o.S. (I). Vgl. hierzu Jardine, Brotton 2000, a.a.O., S. 60. So erwähnt auch Pierre de L’Éstoile, dass am 8. 11. 1581 zwei türkische Gesandte in Paris großartig empfangen worden und am 10. Dezember „chargés de beaux présens“ wieder abgereist seien. Siehe L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 35. Siehe Betzwieser, Thomas: Exotismus und Türkenoper in der französischen Musik des Ancien Régime. Studien zu einem ästhetischen Phänomen. Neue Studien zur Musikwissenschaft. Bd. 21. Laaber 1993, hier zit. nach: Dahms, Sibylle: Die Turquérie im Ballett des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Tanz anderswo: intra- und interkulturell. Hg. v. Krassimira Kruschkova und Nele Lipp. Jahrbuch Tanzforschung. Bd.14. Münster 2004, S. 67–83, hier S. 67. Dahms 2004, a.a.O., S. 69. Ebda., S. 70, hier mit Verweis auf die Dissertation von Nathalie Lecomte. Lecomte, Nathalie: L’Orientalisme dans le ballet aux XVIIe et XVIIIe siècle. Paris 1981.

1.1. Verwobene Aufnahmen

321

Dies lässt sich auch im balet comique erkennen, wenn dort in den Widmungsvorreden auf die Inder und die Perser verwiesen wird: „Tu (Beaujoyeulx. A.W.) as à la façon des Perses, ce Balet nouveau inventé.“1519 Zusammenfassend kommt Sibylle Dahms zu dem Schluss, „dass die Qualität des Fremden, speziell des Türkischen doch wesentlich vom politischen Kontext der Rezipienten geprägt wurde und dass sie – wenn man die hier sicherlich modellbildende französische Szene betrachtet – sowohl zivilisationsaffirmierendes als auch zunehmend zivilisationskritisches Potenzial in sich aufnahm.“1520

Darüber hinaus verweist die Darstellung der Festszenerie auch auf innerhöfische Bezüge. Bei dem präsentierten Spiel des Festereignisses von 1564 ging es, laut Festbericht, um die Befreiung von eingesperrten Frauen, die auf einer verzauberten Insel festgehalten wurden. Auch bei dieser, im Kern durchaus mit der CirceHandlung des balets comique vergleichbaren Erzählung, konnten die Frauen nur durch den (damaligen) französischen König, nämlich Charles IX. und seinen Bruder – dem späteren König Henri III. –, im vorgeführten Spiel befreit werden: „the Monarchy liberates ist obedient subjects.“1521 Auf dem Gobelin, jetzt aber unter Ausschluss von Charles1522, wird die Szenerie vollständig zur Inszenierung des aktuellen Herrschers Henri III.: Er ist es, der als Beschützer und väterlicher Herrscher bzw. dynastischer Garant hier erscheint. Es ist folglich das zeitgenössische Herrscherbild, welches mir für diesen Zusammenhang ein Schlüssel zur Deutung dieser Bezüge zu sein scheint. Der Dichter Ronsard, der auch mit der Erziehung des dauphin sowie der Prinzen von Geblüt im königlichen Haushalt zeitweilig betraut war1523, formulierte in seinem an den direkten Vorgänger Henris gerichteten Fürstenspiegel, was der König, in diesem Falle Charles IX., für militärische Fähigkeiten haben müsse: „Il ne doit seulement scavoir l’art de la guerre, / De garder les citez, ou les ruer par terre, /De picquer les cheaux, ou contre son harnois / Recevoir mille corps de lances aux tournois: /De scavoir comme il faut dresser une embuscade, /Ou donner une cargue ou une

1519 1520 1521 1522

1523

Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 12f. Dahms 2004, a.a.O., S. 69f. Bertrand 2006, a.a.O., S. 38. Auch Yates wies darauf hin, dass Charles IX. auf keinem der Gobelins abgebildet sei. Sie sah in diesem Verzicht aber weniger eine Reverenzerweisung an den aktuellen Herrscher Henri, wie es die vorliegende Arbeit tut, sondern einen absichtlichen Ausschluss Charles’ aus allen Abbildungen in Folge seiner Beteiligung an der sog. ‚Bartholomäusnacht‛ am 24.8.1572. Siehe Yates 1959, a.a.O., S. 66. Auch der berühmte Plutarch-Übersetzer findet sich unter denjenigen, die Caterina für die Erziehung ihrer Kinder verpflichten kann. Siehe Zimmermann 2005, a.a.O., S. 103.

322

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

camisade, /Se renger en bataille & sous les estandars / Mettre par artifice en ordre les soldars.“1524

„Die Städte zu schützen“ sei eine Aufgabe des Monarchen, so formuliert es hier Ronsard. Der beschützende Herrscher im Innern wie nach Außen was anderes wird hier vorgeführt? Da das Spiel, was nicht als solches verstanden werden will, im Rahmen eines wohl durchdachten, arrangierten Festes, einer magnificence, aufgeführt wird, lässt sich im Fest selbst eine weitere Facette des zeitgenössischen Herrscherbilds herauslesen: der gebildete Herrscher als ein guter Herrscher. Der Humanismus in der frühen Neuzeit hat „den antiken Kontrast von ‚arma et leges‛, von Waffen und Gesetz, in den von ‚arma et literae‛, von Waffen und Bildung, transformiert [.]. […] vor allem der französische Humanismus […] (hat) sich in der Übertragung dieser beiden Kategorien auf ein Monarchenideal […] dem Vorbild des platonischen Philosophenkönigs an(ge)nähert, ohne allerdings die Bedeutung der militärischen Macht auszuklammern. Als Prototypen werden immer wieder Alexander der Große1525 und Caesar genannt […].“1526

Und weiter: „Mit den höfischen Idealen verbunden bezeichnen ‚arma et literae‛den Idealtyp des Höflings, der eine harmonische Verbindung von kriegerischem und musischem Leben verwirklichen kann, der in der Literatur ganz Europas eine wichtige Rolle gespielt hat. Der italienische ‚Cortegiano‛ Castigliones ist von dieser Vorstellung geprägt, in der spanischen Literatur genießen ‚armas y letras‛ die höchste Wertschätzung, ebenso wie in der französischen, in der noch dazu durch diese beiden Kategorien das Herrscherideal neu bestimmt war. Dieses Ideal wird auch in Frankreich als ein allgemein menschliches verstanden, wie es durch die für alle erstrebenswerten Güter der Virtus und der Fama angezeigt ist, […].“1527

1524 1525

1526 1527

Hier zit. nach: Haumeder, Ulrika von: Antoine Caron, Studien zu seiner „Histoire d’Arthemise“. Diss. Heidelberg 1976, S. 113. Ich denke vor diesem Hintergrund versteht sich auch die Anspielung in der Widmungsrede bei Beaujoyeulx: „Le discours de tout cela, Sire, vous est icy au vif et plaisamment representé sous la fabuleuse narration de l’enchanteresse Circé, laquelle avez vaincue par vostre vertu avec trop plus de louange qu’Ulysse, aucquel le grand Alexandre porta envie pour avoir esté si dignement celebré par Homere.“ Hier zit. nach: Lacroix 1968, a.a.O., S. 5. In Bezug auf diese Textstelle haben, wie bereits in Kapitel II.3. ausgeführt, Autoren vermutet, Beaujoyeulx habe mit der Nennung Alexanders geirrt und dies verweise auf die mangelnde Bildung des Autors. Auch an dieser Stelle sei herausgestellt, dass gerade dieser Passus auf das Wissen um das o. g. Herrscherideal verweist und der Name Alexanders sehr bewusst eingesetzt worden ist. Haumeder 1976, a.a.O., hier S. 99. Ebda., S. 104.

1.1. Verwobene Aufnahmen

323

Ulrika von Haumeder hat gerade in Bezug auf Frankreich herausgestellt, dass die Vorstellung eines Herrscherideals als „Synthese von Gelehrsamkeit und Soldatentum“, „[…] als „antike(s), humanistische(s) Herrscherbild [.] in Frankreich bereits eine mittelalterliche Tradition (besitzt) […]. Dieses antithetisch aufgebaute Königsideal wird im 16. Jahrhundert gekoppelt mit den Reizworten der Zeit, mit ‚Vertu‛ und ‚Honneur‛, und mit dem erstrebenswerten Nachruhm wird (es) in der prägnanten Formel ‚Les Lettres et les Armes‛ zum ‚Lieu commun‛.“1528

Diesem Ideal entspricht m. E. auch die Anlage des Vorworts zum balet comique1529 sowie die Synthese des Erzählten, Aufgeschriebenen, Dargestellten und Eingebundenen: die Circe-Geschichte als Erzählung vom kämpfenden und siegreichen Monarchen, aufgeschrieben und eingefasst in ein Buch. Was könnte anschaulicher die Verknüpfung von arma et literae vor Augen führen? Auch der tanzende Herrscher, wie er in Polish Ambassador neben seiner Frau Louise im Bildmittelgrund erscheint, passt in dieses Herrscherbild1530, zumal, und hier sei ein weiteres Mal Ronsard als maßgebliche zeitgenössische Stimme zitiert, das Erlernen der musischen Künste für die Erziehung des Königs als wichtig galt, hätten doch die Musen1531 und der König denselben Ursprung: „Quand les Muses qui sont filles de Iupiter / (Dont les Rois sont issus) les Rois daignent chanter /Elles les font marcher en toute reverence, / Loin de leur Maiesté banissant l’ignorance: / Et tous remplis de grace & de divinité / Les font parmy le peuple ordonner equité […].“1532 Darüber hinaus finden sich bei französischen Humanisten wie Budé und Le Blond Empfehlungen zur körperlichen Ertüchtigung des Herrschers, auch als Vorbereitung des Kriegshandwerks, allerdings mit dem Ziel der Bewahrung des Friedens. Le Pasquier befürwortet den Waffengebrauch, besonders um einer gloire eternelle willen.1533 Thema des Gobelins Polish Ambassador1534 (381 x 402 cm) (Abb. 23) ist offensichtlich das zu Ehren der zehn polnischen Gesandten und 250 polnischen Ade1528 1529 1530 1531

1532 1533 1534

Haumeder hier mit Verweis auf Girauds Erziehungswerk De principis instructione liber, in: ebda., S. 118. Siehe Kapitel I.3.1. dieser Arbeit. Diese Szene findet sich in der Vorlage der entsprechenden Caron-Zeichnung nicht. Auch die Musiker sind für diesen Anlass, als Apoll und Musen verkleidet, auf dem Gobelin rechts abgebildeten Felsen zu erkennen. Im Prinzip sind bereits seit den Festereignissen in Bayonne alle Intermedienfiguren vorhanden, Circe eingeschlossen, siehe Graham, Johnson 1979, a.a.O., S. 345. Haumeder 1976, a.a.O., S. 110. Ebda., S. 112f. Zum Gobelin Polish ambassadors, Maße: 388 x 480 cm, siehe auch Berti, Caneva 1980, a.a.O., Artikel 22.

324

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

ligen am 19.8.1573 veranstaltete Fest, nachdem Henri gerade zum König von Polen gewählt worden war. Allerdings werden auch hier zeitlich auseinander liegende Ereignisse miteinander verknüpft: das zurückliegende Ereignis von 1573 mit der Gegenwart des erst seit 1575 gemeinsam regierenden und auf dem Gobelin auch gemeinsam tanzenden Herrscherpaares Louise und Henri.1535 Auch auf dieser Tapisserie lassen sich m. E. weitere Hinweise auf das monarchische Selbstbild, in besonderer Ausprägung dieses Herrschers der Valois, der stets mit der Bedrohung durch einen neuen ‚Religionskrieg‛ im eigenen Land regieren musste, finden. Der Blick soll an dieser Stelle auf ein kleines Detail gerichtet werden1536: nämlich auf das um den Hals gelegte schwarze Band der linksstehenden und dem Betrachter zugewandten Figur des genannten Gobelins, welches diese in der rechten Hand in Brusthöhe festhält. Dieses Portrait wurde in der Nachfolge von Yates1537 häufig durchaus nachvollziehbar als Anne d’Arques, duc de Joyeuse, identifiziert. Eine andere, m. E. noch überzeugendere Möglichkeit diese Figur, die offensichtlich im Gespräch mit einem polnischen Gesandten weilt, als Henri de Lorraine, duc de Guise (1550–1588) zu identifizieren, wurde bereits früh von Nicholas Ivanoff vertreten.1538 Die Herzöge von Guise waren seit 1559 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts Inhaber des Haushofmeisteramtes oder Großhofmeister des königlichen Haushaltes (le grand maître). Dieser hatte die Aufsicht über alle königlichen Domänen sowie u. a. auch die Aufgabe, ausländische Gesandte bei Hof

1535

1536

1537

1538

Sehr hilfreich wäre es, wenn die Figur, die neben Caterina de Medici im braunen Ornat steht, ihre rechte Hand an den zweiten, leerstehenden Thron haltend (!), identifiziert werden könnte. Handelt es sich um einen geistlichen Würdenträger, z. B. um Jean de Monluc, Bischof von Valence, der erst durch seinen Einsatz in Polen Henris Wahl als König von Polen möglich machte? Grundsätzlich denkbar wäre eine Person wie Michel L’Hôpital, zu dem eine gewisse äußere Ähnlichkeit hergestellt werden könnte. Er war seit 1560 Chancelier de France und, für seine ausgewogene Haltung in Religionsfragen bekannt, stand Caterina beratend nahe – bat allerdings bereits 1568 als Folge des Ausbruchs des Zweiten Hugenottenkriegs um Entlassung aus dem Amt. Siehe Muhlstein 2001, a.a.O., S. 45 Alternativ käme es ein administrativer Würdenträger in Frage, da der Handgestus als ‚sprechende Hand‛, die Zustimmung und Akzeptanz des Geschehens ausdrücken kann. Zum Handgestus siehe: Pasquinelli 2007, a.a.O., S. 36. Sowohl Brassat als auch Bertrand geben eine gute Übersicht zu den jeweiligen Festakten und den Figuren im Vordergrund, soweit identifiziert bzw. diskutiert, siehe Brassat 1992, a.a.O., S. 210f. und Bertrand 2007, a.a.O., S. 47f. Siehe Yates 1959, a.a.O., S. 84f.; Quoniam sieht hierin, eher unwahrscheinlich im Vergleich mit der Abbildung desselben auf den anderen Gobelins, Henri III selbst: Quoniam, Pierre: Le palais du Louvre. Paris 1988, S. 188. Siehe Ivanoff, Nicholas: Fêtes à la cour des derniers Valois, in: Revue du XVIe siècle, XEX (1932), 96–122, hier S. 117; dem folgt auch Heezen-Stoll in: Heezen-Stoll, Barbara A.: Le Prince infortune. Overwegingen met betrekking tot François de Valois en de Valoistapijten, zijn relatie met de Nederlanden en Engeland. In: De Zeventiende Eeuw 6 (1990) 2, S. 1–46, hier S. 22.

1.1. Verwobene Aufnahmen

325

einzuführen. Solnon stellt die politische Relevanz dieses Amtes heraus, wenn er sagt: „Chef des services de l’Hôtel, le grand maître détient une charge éminemment politique. Surintendent du domaine royal qui se confond souvent avec le royaume, il est comme un ministre de l’interieur.“1539

Dieses Amt eines ‚Ministers im Innern‛ wurde von 1559–63 von François de Lorraine, duc de Guise und Vater von Henri I. de Lorraine, duc de Guise (Abb. 24) verwaltet. Eine anonyme Darstellung des 16. Jahrhunderts, François de Lorraine abbildend und heute im Musée Condé in Chantilly verwahrt1540, zeigt ein nahezu identische Halsband zu jenem, welches mutmaßlich Henri de Guise auf der Tapisserie trägt. Auf dem benannten Gemälde lässt sich erkennen, dass François de Lorraine als eine der maßgeblichsten Figuren der katholischen Fraktion als Zeichen seiner religiösen Zugehörigkeit ein Kreuz an diesem Bande trägt. Etwas spekulativ könnte man desgleichen für Henri de Guise, Nachfolger in den Ämtern seines Vaters, annehmen, sodass sich dann die Frage nach der Funktion des Gestus der rechten Hand stellen würde. Wurde mit dem Verdecken des Kreuzes das Vermeiden einer offenen Provokation anwesender oder betrachtender Protestanten zum Ausdruck gebracht? Zumal die Polen, zu deren Ehren das dargestellte Ereignis 1573, ein knappes Jahr nach der sog. ‚Bartholomäusnacht‛, stattfand, für ihre religiöse Toleranz in Europa bekannt waren.1541 Der dem Herzog von Guise gegenüber stehende, adelige und in Tracht gekleidete Pole zeigt mit der rechten Hand auf das tänzerische Geschehen1542 im Bildmittelgrund. Der Blick fällt auf den tanzenden König Henri,1543 der sich Zeit seines Lebens König 1539

Solnon 1987, a.a.O., S. 38.

1540

Anonym: François de Lorraine, duc de Guise (1519–1563), 16. Jh., Öl auf Holz, Maße: 33 x 25 cm, Chantilly, Musée Condé.

1541

Yates 1959, a.a.O., S. 70. Das balet des polonais wurde im Rahmen dieses Festereignisse aufgeführt. Der rechts abgebildete Felsen könnte dies andeuten, denn von einem solchen stiegen die Tänzerinnen um, als Provinzen Frankreichs verkleidet, ein balet zu tanzen. Zu sehen ist hier im Bildmittelgrund allerdings ein Schreittanz von drei adeligen Paaren, als Bestandteil einer Tanzgelegenheit wie es sie üblicherweise im Rahmen des Festes gab. Dieses balet des polonais stellte, so McGowan, ein neues Festelement insofern dar, als es ein balet horizontale (oder ballet géometrique) war, mit auf dem Boden aufgemalten Figuren, die Symbolcharakter hatten. Siehe McGowan 1963, a.a.O., S. 36f. Es sei hier erwähnt, dass auf mindestens zwei Teppichen, in Polish Ambassador in der Zuschauermenge des Bildmittelgrunds und möglicherweise auch tanzend, wie der König selbst, sowie wahrscheinlich auf Quintain und auf Journey je am rechten Bildrand Favoriten von Henri erscheinen. So geht Ivanoff (Yates widerspricht diesem) davon aus, dass der auf ein Schwert Gestützte rechts in Journey stehende Mann Jean-Louis Nogaret de La Valette sei. Siehe Ivanoff 1939, a.a.O., S. 98f. Dass es sich bei der männlichen Personengruppe um Henri III. nahestehende Personen handeln müsse, auch: Bertrand 2006, a.a.O., S. 49. Auch

1542

1543

326

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

von Frankreich und Polen nennen lässt, trotz der kurzen und wenig rühmlich beendeten Regierungszeit in Polen. Es liegt die Vermutung nahe, dass Henri mit seinem Titel bereits auf die religiöse Toleranz als innerdynastischem Thema verweisen will. Im Ausdruck des Selbstverständnisses eines friedenbringenden Königs wird diese Idee im Gobelin zur Anschauung gebracht, weit über ein historisches Ereignis von 1573 Gültigkeit beanspruchend.1544 Möglicherweise wird die eigentliche Reise Henris nach Polen auf Journey (383x534 cm) (Abb. 25) thematisiert.1545 Das im Hintergrund zu erkennende Jagdschloss d’Anet1546 sowie der in mäandernden Wegen das Schloss verlassende Tross sind wohl einer Vorlage Carons entnommen. Jedoch wurden die Figuren des Vordergrundes der Vorlage durch Personen des Hofes ersetzt. Besonders herauszustellen ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die zentral angeordnete und zweiseitig eskortierte Person deutlich Henris Gesichtszüge trägt. Der reisende Herrscher erfährt umfangreiche Begleitung. Möglicherweise können die am rechten Bildrand dargestellten Ganzfigurenportraits insofern in Henris Umfeld gesucht werden, wie Bertrand überzeugend vermutet.1547 Ich möchte vorschlagen, diese drei Figuren als folgende Personen zu identifizieren: Auf das Schwert gestützt

1544

1545 1546

1547

in Polish ambassador ist zwischen den beiden links vom Betrachter im Bildmittelgrund stehenden adeligen Frauen ein junger Mann mit der signifikanten Samtmütze zu erkennen, der ebenfalls deutliche Ähnlichkeiten zur Darstellung des Jean Louis de Nogaret de La Valette, Herzog von Épernon zu einer in Dominicus Custos „Atrium heroicum Caesarum, regum, [...] imaginibus [...] illustr[atum]“ hat. Als elektronische Ressource unter URL: http://www.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/eico/seite198.html (letzter Zugriff Juli 2010) Es wäre wünschenswert, wenn auch die vom Betrachter aus gesehen linke Figur hinter Caterina, ihren linken Arm auf ihre Thronlehne stützend, identifiziert werden könnte. Caterina musste sich, wie persönliche Briefe zeigen, zwar mit Henris Favoriten arrangieren, begrüßte aber die herausragende Stellung dieser offensichtlich nicht. Warum hätte sie eine exponierte Stellung der Favoriten bei der Motivgestaltung als Auftraggeberin befürworten sollen? Denkbar wäre sogar, dass gerade auch die Brüsseler Tapisserieserie von Sigismund II Augustus (1520–1572), in den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts gefertigt, im Königsschloss zu Krakau Henri bei seinem Aufenthalt in Polen zu einer eigenen Tapisserieserie inspiriert hat. Bereits Sigismund I. hatte mehr als 100 Tapisserien aus Antwerpen (1526) und Brügge (1533) für die Wawelsburg in Krakau geordert, sein Sohn Sigismund II. Augustus gab den Auftrag für insgesamt mehr als 140 Gobelin, von denen 136 bis heute erhalten werden konnten. Siehe hierzu Campbell 2002, a.a.O., S. 274, auch: Vermeylen 2003, a.a.O., S. 88. Diese Vermutung äußert Bertrand 2006, a.a.O., S. 39f. Favorisierter Sport von Charles IX. soll das Jagen gewesen sein: la chasse royale. Als ein solches bezeichneten auch Zeitgenossen wie der Protestant Aubigné spöttisch die ‚Hugenotten-Jagd‛ in der sog. ‚Bartholomäusnacht‛. Siehe diesen Hinweis bei Yates 1959, a.a.O., S. 65. Hiermit folgt er eher dem Ansatz diese Figuren unter Henris Vertrauten zu suchen, so wie z.B. Ivanoff es tat, als er vermutete, dass der auf dem Schwert Aufgestützte Jean-Louis Nogaret de La Valette sei, ein enger Vertrauter Henris, welcher 1581 zum Herzog von Épernon ernannt wird. Yates hingegen hielt diese Figur für Ludwig von Nassau, einen jüngeren Bruder von William von Oranien. Siehe: Bertrand 2006, a.a.O., S. 48f.

1.1. Verwobene Aufnahmen

327

erscheint Louis’ de Clermont, seigneur de Bussy d’Amboise (1549–1579), daneben sein Vetter, der Schriftsteller François d’Amboise (1550–1619), Sohn von Jean d’Amboise (1522–1584). Bei der am rechten Bildrand positionierten Figur könnte es sich um den mit den beiden Vorgenannten befreundeten Dramatiker Pierre de Larivey (1541–1619) handeln. Alle drei begleiteten im August 1572 den späteren Henri III. zur Königswahl nach Polen.1548 Das Motiv Quintain (387 x 400 cm)1549 zeigt im Bildhintergrund ein Eröffnungsturnier der Nationen1550 als Turnierspiel le jeu de la quintaine, bei dem die Teilnehmer mit der Lanze die Attrappe eines Drachen zu treffen hatten – wahrscheinlich liegt dem ein Festereignis in den Tuilerien, während der Regierung Charles IX. sowie der Aufzug des Hofes vom 29.6.1565 in Bayonne zugrunde.1551 Statt Charles ist es aber auch hier Henri, der erscheint, „den Harnisch angelegt und Turniere kämpfend“1552, wie Ronsard es formuliert hatte. Im Bildvordergrund sieht man Henri als idealen Herrscher im Habitus eines römischen Imperators.1553 Auch hierzu hatte Ronsard darauf verwiesen, dass das Anlegen des Pferdegeschirrs und des eigenen Harnischs eine notwendige Fähigkeit des Herrschers sei: „De picquer les cheaux, ou contre son harnois.“1554 Lediglich in Whale (395 x 395 cm) (Abb. 26) fehlt eine Abbildung Henris, Caterina findet sich zentral im Bildmittelgrund, dem Betrachter den Rücken zugekehrt, in der königlichen Barke sitzend. Möglicherweise liegt bei dieser Tapisserie die am 24.6.1565 arrangierte Zusammenkunft der königlichen Familie mit Elisabeth, der ältesten Tochter Caterinas und Frau von Philipp II. von Spanien, als Festereignis zu Grunde. So sollte das 1565 begangene Fest in Bayonne, zu dessen Anlass auch das balet paradis d’amour entstand, gerade den Frieden zwischen Frankreich und Spanien feiern. Hingegen gilt für die 80er Jahre, dass das Thema ‚Schrecken des Krieges‛, bei diesem Gobelin durch den Wal symbolisiert1555, 1548

1549 1550 1551

1552 1553

1554 1555

Pierre de Larivey trat später in den Dienst des Herzog d’Alençon-d’Anjou ein und wurde dessen Favorit. Marguerite de Valois in Verbindung zum Duc de Bussy gestanden zu haben. Berti, Caneva 1980, a.a.O., S. 1062. Siehe Strong 1991, a.a.O., S. 176. Zu den Übungen des Schwertkampfes bzw. den beiden Tunierarten Jeu de la quintaine und wie Haumeder sagt, „altertümlicheren, mit stumpfen Schwerter und Speeren ausgeübten Tunierart“, siehe Haumeder 1976, a.a.O., S. 114f. Hier zit. nach: Haumeder 1976, a.a.O., S. 113. In der rechten Figur, Henris Pferd haltend, glaubt Ivanoff einen von Henris Favoriten, hier den Duc de Joyeuse, zu erkennen. Siehe: Ivanoff 1932, a.a.O., S. 103; m.E. könnte es sich hier, im Vergleich zu zeitgenössischen Bildern, aber auch z. B. um den französischen Geschichtsschreiber Jacques-Auguste de Thou (1553–1617) handeln, der über die Ereignisse 1572 berichtet und der sich im Gefolge Henris bei dessen Flucht aus Polen befand. Hier zit. nach: Haumeder 1976, a.a.O., S. 113. Im balet comique wird bei der Devisenvergabe zwischen Wal (baleine), gegeben an Marquis de Chaussin und dem Pottwal als Meeresungeheurer (monstre marin bzw. le Physeter), gegeben an Henri, Marquis Pont à Mousson, unterschieden.

328

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

faktisch nach Außen wie Innen deutlich dominierte: ein Frieden mit Spanien, wie man ihn offiziell noch 1565 feierte, war Illusion geworden, die Auseinandersetzungen zwischen Guise und Protestanten dominierten innerdynastisch. Gerade dieses zur Anschauung bringend, finden sich im linken Bildvordergrund die überzeugte Katholikin Marguerite de Valois1556, die seit April 1572 und der sog. ‚Bartholomäusnacht‛1557 mit dem Protestanten Henri de Navarre verheiratet war, hier einander gegenüber stehend und disputierend. Ihr wie sein Gestus der „sprechenden Hand“1558 könnten andeuten, dass Meinungsunterschiede in Bezug auf das ausgetragene Phänomen bestanden. Zumal Henri de Navarre, dem Betrachter fast den Rücken zukehrend, mit der anderen Hand auf das hintergründige Wal-Spektakel verweist.1559 Verstärkt wird diese Gegenüberstellung noch durch die Abbildung von Marguerites Schwager, Charles III. de Lorraine, als eine der führenden Figuren der katholischen Fraktion. Kann insofern die rechts vorn abgebildete, bürgerliche Personengruppe als ein Hinweis verstanden werden, dass auch Bürger von ‚Religionskriegen‛ betroffen waren?1560 Auch die auf dem Gobelin Tournament (393 x 606 cm)1561 dargestellte Festszenerie geht wohl auf ein Turnier in Bayonne 1565 zurück: In einem Carrousel kämpften Bretonen und Iren gegeneinander, wobei Charles IX. die englischen und Henri die irischen Ritter anführte. Höhepunkt bei dem wohl musikalisch untermalten 1556

1557

1558 1559

1560

1561

Neben ihr ein Mitglied des ebenfalls katholischen Lorraine-Hauses, nämlich Charles III. de Lorraine, Witwer ihrer Schwester Claude, die zu Lebzeiten vor den Folgen einer Heirat Marguerites mit Navarra gewarnt hatte. Diese Personengruppe wird am linken Bildrand noch um einen Spanier, erkennbar am Hut und der schwarzen Tracht, erweitert. Yates verweist darauf, dass in der direkten Nachfolge der Hochzeit von 1572 keine Berichte gedruckt wurden, siehe Yates 1959, a.a.O., S. 61; Strong 1991, a.a.O., S. 213, Anm. 21 mit dem Hinweis, dass häufig hierzu Memoire d’État als Quelle angegeben würde. Tatsächlich berichtet allerdings Jacques-Auguste de Thou (1553–1617) über die sog. ‚Bluthochzeit‛ von 1572: Thou, Jacques-Auguste de: The history of the bloody massacres of the Protestants in France in the year of our Lord, 1572, written in Latin by the famous historian Ja. Aug. Thuanus. Bd. I. Engl. Ausgabe hg. v. Edward Stephens. London 1674, S. 1467. Als wissenschaftlichen Studie siehe: Crouzet, Denis: La nuit de la Saint-Barthélemy: un rêve perdu de la Renaissance. Paris 1994. Pasquinelli 2007, a.a.O., S. 148. Marguerite de Valois soll als Vermittlerin beim Edikt von Beaulieu 1576 und Frieden von Fleix 1581 mitgewirkt haben. Allerdings soll auch der 7. Hugenottenkrieg 1579 bei den Zeitgenossen, mit Bezug auf Auseinandersetzungen Marguerites und Navarras, Guerre des Amoureux genannt worden sein. Allerdings wird, entsprechend der Berichtvorlage zu Bayonne, im rechten Bildhintergrund die pastorale Idylle gezeigt: Zu erkennen sind kleine Volkstanzgruppen denen sich eine kleine Gruppe Adeliger, hierunter auch ein in Frauenkleidern Verkleideter, nähert. Zur Vorlage siehe Recueil 1566, a.a.O., hier bes. S. 98 und S. 104. Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookDetails.aspx?strFest=0026 (letzter Zugriff Juli 2010). Berti, Caneva 1980, a.a.O., S. 1064.

1.1. Verwobene Aufnahmen

329

Spektakel war der Wurf von Feuerbällen zur Trennung der kämpfenden Antagonisten.1562 In Bayonne wollte man mit diesem Spektakel einen möglichen Rückhalt Englands gegen Spanien thematisieren. Das Wappenschild mit der Devise „Tempel der Tugend und Ehre“1563 wird im Recueil als das des Königs ausgewiesen. In der Gestaltung des Gobelins ist an dieser Stelle die Position Charles durch eine Figur ersetzt, die deutlich Henris Gesichtszüge trägt. 1564 Den anderen Schild habe Monsieur, ein Titel der den ältesten Bruder des Königs bezeichnet, getragen, verzeichnet das Recueil.1565 Louises Hand wird von einer rückwärtig gezeigten Frau gehalten, die Marguerite de Vaudémont sein könnte (Abb. 27).1566 Das Reichen der rechten Hand, die dextrarum iunctio, galt in der römischen Antike als Symbol für Treue und gegenseitige Achtung, auch für die Eheschließung. In der griechischen Kunst findet sich die Geste als Symbol gegenseitiger Freundschaft und Zuneigung.1567 Sehr eindringlich hat Jean-Claude Schmitt die ‚Logik der Gesten‛ auch für das Europäische Mittelalter beschrieben und untersucht.1568 Nicole Haitzinger machte diese Überlegungen unlängst für die Tanzfoschung fruchtbar und wis darauf hin, dass nach Schmitt „die Geste im Mittelalter [.] die dialektische Spaltung in Innen und Außen [verkörpert]. Die inneren Bewegungen der Seele einer Person werden durch seine Geste sichtbar und können von außen geformt, wieder auf die Seele zurückwirken, diese zähmen und zu Gott erheben. […] Die mittelalterliche Disziplinierung setzt deshalb am Äußeren des Körpers an, um Moral, Mäßigkeit und Anstand im Innern des Menschen hervorzubringen. Die außen sichtbaren Bewegungen sind wiederum Symbol und Ausdruck des inneren Zustandes.[…] Siehe Brassat 1992, a.a.O., S. 210. Abbildungen der Devisen bei: Graham, Johnson 1979, a.a.O., S. 418–435. 1564 Siehe Yates 1959, a.a.O., S. 57. 1565 1565 war dies Edouard-Alexandre, der spätere Henri III.; mit dem Tode Charles IX. im Jahr 1574 ist dies François, duc d’Alençon-d’Anjou. Siehe Recueil 1566, a.a.O., S. 41. Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookDetails.aspx?strFest=00261, hier S. 81 (letzter Zugriff Juli 2010). 1566 So Ivanoff, 1933, a.a.O., S. 96–122, hier S. 114. Wenn es sich hierbei um Marguerite handeln würde, wäre allerdings sicher der Gobelin erst auf die 80er Jahre zu datieren, da Marguerite bei ihrer Hochzeit 1581 17 Jahre alt war, sie also in den 74/75er Jahren zehn- bzw. elfjährig gewesen wäre. Entgegen der Angabe bei Lucienne Colliard, es sei außer der Abbildung auf dem Gemälde Le bal de duc de Joyeuse kein Portrait von Marguerite de Vaudémont bekannt. In: Colliard, Lucienne: Tableaux représentant des bals à la cour des Valois, in: Gazette des Beaux-Arts 61, (1963), S. 147–156, hier S. 151; vergleiche den Hinweis auf eine Kopie im Umfeld der Clouet-Werkstatt, gefertigt Ende des 16. Jh., unter der Bezeichnung M. de Vaudemont in: Adhémar 1970, a.a.O., S. 83 (hier Nr.367.) 1567 Siehe: Pasquinelli, Barbara: Körpersprache, Gestik, Mimik, Ausdruck. Bildlexikon der Kunst. Bd. 15. Hg. v. Stefano Zuffi. Berlin 2007, S. 144. 1568 Schmitt, Jean-Claude: Die Logik der Gesten im europäischen Mittelalter. Aus dem Französischen von Rolf Schubert und Bodo Schulze. Stuttgart 1992. 1562 1563

330

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

Die Geste als gestus1569 wird zum ‚Denk-Obkjekt‛ und zum Analysegegenstand von Logik und Vernunft.“1570

Wie reizvoll wäre es, die hier beschriebene Wechselseitigkeit der zum Ausdruck gebrachten Gesten auf das vorliegende Beispiel und die Handhaltung Louises zu beziehen? Berücksichtig man, dass Jean-Claude Schmitt ausführt, dass gestus häufig eine Bewegung der Hand bezeichne und sich deutlich von der gesticulatio als großer Geste, die „als übertieben und zügellos gilt und verpönt ist“ und deshalb Schauspielern und Narren zukäme, abzugrenzen ist1571, wird nachvollziehbar, warum es sich bei dem von Louise zu Marguerite gezeigten gestus auch nur um einen solchen handeln könnte, denn nur dieser ist einer Königin wohl angemessen.1572 In einem Brief an ihren Onkel, den duc de Nemours, bezeichnet Louise ihre zehn Jahre jüngere Halbschwester als ihr so nahestehend, dass sie ihr „mehr als eine eigene Tochter lieb sei.“1573 Louise sieht hier im Vergleich mit dem Gobelin Fontainebleau wesentlich älter aus, aber auch reicher geschmückt.1574 Gestützt wird die Annahme, dass sie deutlich älter erscheint, noch, wenn man eines ihrer wenigen Portraits hinzunimmt:

1569

1570

1571 1572

1573

1574

Nach Schmitt fungiert hier der Begriff der gesticulatio als Gegenbegriff, der die „lasterhafte, ausschweifende, unkontrollierte, regellose und als unvernünftig wahrgenommene Bewegungen und Gesten“ zu fassen versucht. Einen Zwischenraum füllen die gesta, da sie nicht so geschmäht wie die gesticulato, aber auch nicht so mäßig in ihrer Form wie der gestus sind. Hier nach Haitzinger 2009, a.a.O., S. 23. Haitzinger, Nicole: Vergessene Traktate – Archive der Erinnerung. Zu Wirkungskonzepten im Tanz von der Renaissance bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. München 2009, S. 21f. Aus: Schmitt 1992, a.a. O., S. 36. Eine systematische Untersuchung frühneuzeitlicher Tanzdarstellungen unter Hinzunahme der Erkenntnisse von Schmitt in Zukunft wäre sicherlich wünschenswert, gerade in Abgrenzung oder Überschneidung zu anderen frühneuzeitlichen Bewegungskonzepten bzw. deren Darstellung. Zu denken wäre etwa an die Akrobatik oder auch der Vergleich zu den m.E. auffällig als gesticulatio dargestellten frühneuzeitlichen Tanzformen des traditionellen Tanzes, z.B. der Landbevölkerung. „[…] de ma seur que j’aime mieux q’une fille propre […].“ Aus: Brief Louises [1581, avant le 23 septembre ] an [Jacques de Savoie], duc de Nemours. Aus: Bibl. Nat. Ms fr. 3238, fol 18. Hier zit. nach: Cinquante lettres inédites d’une reine de France (Louise de Vaudémont, femme de Henri III). Hg. v. Michel François. Annuaire-bulletin de la Societé de l’Histoire de France. 79, Nr. 2 (1943), S. 127–165, hier S. 138. Auf die Idee, inwiefern Besitz in „Gestalt eines Schatzes“ (Warncke) hier anschaulich gemacht wird, wobei ggf. nicht einmal die Masse, denn die Qualität der Objekte entscheidend ist, kann vorliegend leider nicht eingegangen werden. Vgl. hierzu die Analyse von Warncke in Bezug auf Nürnberger Bildnisse: Warncke, Carsten-Peter: Rationalisierung des Dekors. Über Kleidung, Schmuck und Verschönerung in der Frühen Neuzeit. In: Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder. 1500–2000. Hg. v. Richard van Dülmen. Wien, Köln, Weimar 1998, S. 159–173, S. 164.

1.1. Verwobene Aufnahmen

331

Ein hier maßgebliches Portrait, auf dem sie allerdings beinahe schmucklos erscheint, stammt von einem anonymen Maler ist, wahrscheinlich um 1580 gemalt und wird heute im Louvre verwahrt (Abb. 28). Wie bereits erwähnt, zweifelt der innerhöfische Zirkel seit 1577 an Louises Gebärfähigkeit. Dieser Diskurs scheint sich, wie bereits dargelegt, in den Aussagen über ihr Äußeres zu entladen.1575 Bezeugen Portraits grundsätzlich „die in hohem Maße personenbezogene Natur des politischen Prozesses in der Frühen Neuzeit“1576, erwecken das Portrait Louises, auf dem Gobelin wie im benannten Gemälde den Eindruck, dass auch die ikonografischen Quellen den konkreten höfischen Diskursen verpflichtet sind.1577 Links auf dem Gobelin erkennt man Caterina, wie stets auf Abbildungen nach dem Tod ihres Mannes, als Witwe gekleidet. Hinter Caterina steht ihre Tochter Marguerite und deren Mann Henri de Navarre. Getrude van Ysselsteyn glaubt ferner in dieser Peronengruppe François de Bourbon-Montpensier identifizieren zu können.1578 Caterina legt ihre rechte Hand schützend auf die Schulter eines Kindes, das möglicherweise Henri de Bourbon, duc de Montpensier (1573–1608)1579, Sohn des o. g. François de Bourbon-Montpensier und Renée d’Anjou, theoretisch auch ein möglicher Thronerbe, sein könnte. Allerdings könnte es sich m. E. auch um Charles d’Angoulême (1573–1650)1580, einen unehelichen Sohn Charles IX. mit Marie Touchet, dame de Belleville, handeln, der am Valois-Hof aufwuchs und später zum engeren Kreis um Henri III. gehörte.1581 Eine ähnliche Figur findet sich noch auf zwei 1575 1576 1577

1578

1579

1580 1581

Siehe hierzu das Kapitel I.1.1. dieser Arbeit. Montrose, Louis: Elizabeth hinter dem Spiegel: Die Ein-Bildung der zwei Körper der Königin. In: Schulte 2002, a.a.O., S. 67–98, hier S. 67. Auch wäre ins Kalkül zu ziehen, ob die auf dem Gobelin Tournament dargestellte Handhaltung Louises diesbezüglich vertiefend zu deuten ist. Die Darstellung der Handhaltung ist m.E. etwas irritierend in Szene gesetzt. Zunächst glaubt man Louise mit verschränkten Handgelenken wahrzunehmen. Folgt man Barbara Pasquinelli, könnte man diese Geste als Handlungsunfähigkeit und Schmerz deuten. Eine Disposition, die der Lage Louises gerade Anfang der 1580er Jahre entsprochen haben dürfte. Erst ein zweiter Blick auf den Gobelin verrät m. E., dass es sich bei der oben aufliegenden Hand um die der rückwärtig zum Betrachter stehenden Frau handelt. Zum Gestus ‚das Handgelenk reiben‛ siehe: Pasquinelli 2007, a.a.O., S. 162–167. Siehe Van Ysselsteyn, Gertrude T.: Wilhelmus: Naar aanleiding van Frances A.Yates, the Valois Tapestries. In: De Bloeitijd van de vlaamse Tapijtkunst. Internationaal Colloquium, 23–25. Mai 1961. L'age d’or de la tapisserie flamande. Hg. v. Koninklijke Vlaamse Academie voor Wetenschappe, Letteren en Schone Kunsten van Belgie. Brüssel 1969. S. 329–86, hier S. 331. Als Herzog von Montpensier wird er 1597 Henriette Catherine de Joyeuse, comtesse de Bouchage, (1585–1656) heiraten, einzige Tochter des Marschalls Henri de Joyeuse, der ein Bruder von Anne d’Arques, duc de Joyeuse, war. Zu dessen Teilnahme am balet comique siehe Anhang D dieser Arbeit. Beide Identifizierungen sprächen für ein Enstehungsdatum Anfang der 80er Jahre: Bis mindestens 1576/77 wird eine mögliche Kinderlosigkeit von Louise und Henri am Hof noch deutlich problematisiert. Nachdem sich das Paar 1575 vermählte, erlitt Louise in den

332

III.1.III. 1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

weiteren Gobelins der Serie. Bei dem in Barriers (386 x 328 cm) gezeigten Lanzenturnier, welches teilweise zu einer Zeichnung Carons korrespondiert, ist im Vordergrund zur Rechten der pro-protestantische Bruder François-Hercule, duc d’Alençon-d’Anjou, zu sehen – im Kontrast zu einer am linken Bildrand positionierten Kleingruppe1582. Dieser Mann findet sich m.E. zusammen mit dem Jungen, hier als admonisher, auf dem Gobelin Elephant im rechten Bildtteil nochmals wieder. Abseitig dieser Figurenkonstellation lassen sich sich m. E. auch in Barriers Verbindungen zum zeitgenössischen Herrscherideal herstellen, wenn Ronsard auf die Turniertauglichkeit des Herrschers mit den Worten verweist „Recevoir mille corps de lances aux tournois“1583. Bei der Darstellung Elephant (387 x 670 cm) – die Gemäldevorlage eines Caron-Werkes von 1573 ist nicht gesichert – steht Henri ebenfalls im Zentrum, nicht leiblich, sondern symbolisch in Form des Elephanten.1584 Darüber hinaus hat auch bei dieser Tapisserie François, duc d’Alençon-d’Anjou eine markante, vordergründige Position1585, hier neben seiner Schwester Marguerite und einem nicht identifizierten Mann. Die Kleingruppe wendet sich von der dahinterliegenden Szenerie ab. In der kunstvoll arrangierten Hintergrundszenerie scheinen mehrere Gruppen unterschiedlichster Provenienz den im Zentrum stehenden

1582

1583 1584 1585

Folgemonaten eine Fehlgeburt. Erst im Anschluss an diese soll die Fehlbehandlung einer Erkrankung die Kinderlosigkeit bedingt haben. Siehe: Boucher 1995, a.a.O., S. 125; Coste ²1647, a.a.O., S. 107−157. Der Mann, welcher gerade für das Turnier seinen Helm von seinem Knappen (mit einem eigenen, am Boden liegenden Helm und einem Kurzschwert ausgestattet, ist dieser beim Anlegen der Rüstung behilflich) in Empfang nimmt, wurde von Yates als William von Oranien mit seinem zweiten Sohn Maurice von Nassau (1567–1625) identifiziert, siehe Yates 1959, a.a.O., S. 96. Hier zit. nach: Haumeder 1976, a.a.O., S. 113. Zur Stellvertreterfunktion des Elefanten, siehe bereits Yates 1959. Auffällig ist, dass d’Alençon-d’Anjou in besondere Beziehung zum Rand des Bildes gebracht wird, indem sein linker Fuß aus dem dargestellten Geschehen in den Groteskenrahmen hineinragt. Diese ‚Grenzüberschreitung‛ findet sich noch ein zweites Mal, noch verstärkter ausgeprägt, bei der vorderen männlichen Figur am rechten Bildrand auf Journey, die ich, wie bereits dargelegt, für Louis de Clermont, seigneur de Bussy d’Amboise halte. Dieser begleitete zwar 1572 den späteren Henri III. zu zur Königswahl nach Polen, wurde aber später Favorit des jüngeren Bruders und soll sich an dessen Intrigen gegen Henri III. auch beteiligt haben; er starb bereits 1579.

1.2. Gemalte Aufnahmen

333

Elefanten zu attackieren. Die Darstellung lässt wohl zahlreiche Deutungen zu und ist wenig eindeutig. Wenn Bertrand betont, dass die Formationen der Soldaten „a kind of military balet“ seien1586, klingt gleichsam Ronsards Forderung an den Herrscher „[…] Mettre par artifice en ordre les soldars“ durch.1587 Aber auch die These von Jardine und Brotton, dass gerade der Elephant in der Tradition der Valois-Herrscher als Ausdruck militärischer Macht und imperialer Stärke und mithin als Drohgebärde verstanden werden kann, wird glaubwürdig, wenn man noch einmal Ronsard zitiert, der nicht nur die Beherrschung der Kriegsführungskunst und die des Taktierens vom Herrscher fordert, sondern auch den unnachgiebigen Umgang mit den andersgläubigen Hugenotten benennt, wenn er sagt „Il ne doit seulement scavoir l’art de la guerre, [...] /De scavoir comme il faut dresser une embuscade / Ou donner une cargue ou une camisade[...].“1588 Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb offenbart sich hierin jedoch kein tatsächlicher Widerspruch zu vorherigen Analyseergebnissen. Denn ein zeitgenössisches Herrscherbild, das sich am Leitbild von arma et literae am Idealtyp des höfischen Menschen, so Castigliones Cortegiano, orientiert, strebt die harmonische Verbindung von kriegerischem und musischem Leben an – ganz so wie es die Valois-Tapisserien mit Henri als zentraler Herrscherfigur zur Anschauung bringen

III.1.2.

Gemalte Aufnahmen: Tanzgesellschaften am Valois-Hof

Der kulturelle Austausch zwischen Frankreich und den südlichen Niederlanden, wie er bereits für die Tapisserieherstellung dargestellt wurde, ist auch für die Malerei seit dem späten Mittelalter belegt. Dieser Austausch auf gegenständlicher wie immaterieller Ebene intensivierte sich im 16. Jahrhundert. So wurden flämische Malerei und Maler in Frankreich gleichsam hoffähig, als François I. sich 1526 für die Neugestaltung seines Schlosses in Fontainebleau entschied. Bereits in den 30er Jahren begonnen, erreichte die flämisch-künstlerische Aktivität ihren Höhepunkt in den 60er Jahren: „Fontainebleau acted as catalyst for the importation of artists and works of art originating in the Southern Netherlands.“1589 Neben den Kunstwerken gelangten somit auch vermehrt flämische Künstler selbst an den französischen Königshof. Besonders begünstigt wurden diese Migrationsbewegungen, so Filip Vermeylen, zudem durch den Ausbruch der niederländischen Revolution.1590 So galt schon in den 1570er Jahren eine flämische Künstlerkolonie am französischen Hof in Paris 1586 1587 1588 1589 1590

Bertrand 2006, a.a.O., S. 39. Hier zit. nach: Haumeder 1976, a.a.O., S. 113. Hier zit. nach: Haumeder 1976, a.a.O., S. 113. Vermeylen 2003, a.a.O., S. 102. Siehe ebda.

334

III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

bereits als etabliert, der u. a. Mitglieder der ersten Generation der Malerdynastie Francken1591 angehörten: Ambrosius und Hieronymus Francken.1592 Möglicherweise geht auf Hieronymus Francken II. (1578–1623), ein Neffe von Hieronymus Francken, ein Gemälde zurück, heute betitelt als Venezianischer Ball vom Ende des 16. bzw. Anfang des 17. Jahrundert1593, das häufiger in Verbindung mit Gemälden aus dem Umfeld der Joyeuse-Hochzeit und damit dem balet comique Erwähnung findet.1594 Lange Zeit qua deutlich sichtbarem, möglicherweise aber später ergänztem Monogramm ‚H.F. 1565‛, dem Hieronymus Francken I. (1540–1610) zugeschrieben, stellten Thomas Fusenig und Ulrike Villwock vor einigen Jahren den Nachweis an, dass das Aachener Bild eher aus der Hand des gleichnamigen Neffen der Künstlerdynastie, Hieronymus Francken II., stammt und entsprechend später, 1591

1592

1593

1594

Die Brüder Frans (1542–1616) und Ambrosius (1544/45–1618) Francken erhielten als Söhne des Malers Nicolas Francken (ca. 1520–1596) ihre Ausbildung im Umfeld des Vaters. Zwei andere Brüder, Hieronymus (1540–1610) und Cornelius (1545–1583) wurden ebenfalls Maler. In den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts wurden Hiernoymus, Frans und Ambrosius im damals bedeutenden Atelier des Frans Floris weiter ausgebildet. Hieronymus verließ nach 1566 seine Heimat, um nach Paris zu gehen, wo er am 5.9.1572 seine lettres de naturalité erhielt und mit kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Tode blieb, während seine Brüder Frans und Ambrosius – Cornelis verstarb früh – sich hauptsächlich in Antwerpen, seit 1589 permanent, aufhielten und Mitglieder der Sankt Lukas Gilde waren. Siehe: Peeters, Natasja: Frans I und Ambrosius I Francken: painters of the metropolis Antwerp, and their altarpieces in the years just after the fall of Antwerp (1585–1589). In: Jaarboek. Koninklijk Museum voor Schone Kunsten [Anvers]. Hg.v. A. Monballieu. Antwerpen 2003, S. 69–91, hier S. 70 sowie mit dem Hinweis auf die lettres de naturalité :Auzas, Pierre-Marie: Hiérosme Francken dit Franco, peintre du roi Henri III et du roi Henri IV, Brüssel 1968, S. 5. Ebda. Bis in die Anfänge des 17.Jh. hinein versorgten Maler der Francken-Werkstatt, zu denen später auch Louis de Caulery gehörte, den Markt mit Tanzdarstellungen. Siehe: Kluth, Eckhard: Untersuchungen zur Darstellung des Tanzes in der niederländischen Malerei und Graphik des 17. Jahrhunderts. Diss. Münster 1996, S. 47. Das Gemälde, unter dem Titel Venezianischer Ball verzeichnet, wird heute im SuermondtLudwig-Museum, Aachen aufbewahrt: Hieronymus Francken II. zugeschrieben: Venezianischer Ball, Anfang 17. Jahrhundert, Öl bzw. Kasein oder Tempera auf Pappelholz, 41,2 cm x 64,7cm. Bereits Sterling, Charles: Early paintings of Commedia dell’Arte in France, Metropolitan Museum of Art Bulletin, Nr. 2, (1943) , S. 11–32, bes. S. 20 und Auzas, Pierre-Marie: Hiérosme Francken dir Franco, peintre du roi Henri III et du roi Henri IV. Brüssel 1968, S. 23 wiesen auf die beiden benannten Gemälde im Umfeld der Joyeuse Hochzeit als Vergleichsstück für das Aachener Bild hin, allerdings ohne auf Details einzugehen. Siehe: Auzas 1968, a.a.O., S. 4, zuletzt wurde ein solcher Zusammenhang auch von Ursula Härting angenommen. Härting, Ursula: Courtly Art – Höfische Bälle in Vredemans repräsentativen Räumen. In: Hans Vredeman de Vries und die Folgen. Ergebnisse des in Kooperation mit dem Muzeum Historyczne Miasta Gdaska durchgeführten internationalen Symposions am Weserrenaissance-Museum Schloß Brake (30. Januar bis 1. Februar 2004). Hg. v. Heiner Borggrefe und Vera Lüpkes. Marburg 2005, S. 118–128, hier S. 124, S. 127, Anm. 23.

1.2. Gemalte Aufnahmen

335

wohl zu Beginn des 17.Jahrhunderts, entstanden ist.1595 Bemerkenswert ist hierbei das Ergebnis einer erneuten restauratorischen Untersuchung, besonders der Rückseite des Bildes, dass es sich nämlich bei dem heutigen Tafelbild ursprünglich um den Vorderdeckel eines zweimanualigen Cembalos bzw. Virginals1596, der möglicherweise aus der Werkstatt der berühmten, in Antwerpen niedergelassenen Kielklavierbauer-Familie Ruckers1597 stammt, handelt. Die Genreszene, die bis zum Jahr 2000 als ‚Venezianischer Karneval‛ interpretiert und auf das Jahr 1565 datiert wurde1598 – somit galt sie als die früheste gemalte Form mit einer Commedia dell’Arte Truppe1599 – soll, so Fusenig und Villwock, stattdessen den sogenannten Parentado1600, ein Treffen der Verwandtschaft einige Tage vor der Hochzeit, „bei dem Bräute vor ihrer Hochzeit von Tanzlehrern unterrichtet werden und das Erlernte ihren Gästen vorführen“1601, darstellen (Abb. 29). Zu sehen ist eine Szene, die in einem Innenraum stattfindet: Fünf festlich gekleidete junge Frauen, die in einem Halbkreis formiert jeweils an der linken Hand von einem Herrn geführt werden, welche in drei Fällen als venezianische Patrizier identifiziert werden können, schreiten in gleichmäßigen Abständen vor dem Hintergrund einer venezianischen Lagune hintereinander weg. Am rechten Bildrand

1595

1596 1597

1598 1599 1600

1601

Siehe Fusenig, Thomas, Villwock, Ulrike: Hiernoymus Franckens Venezianischer Ball in Aachen. Eine Neue Datierung und ihre Folgen. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Jahrbuch für Kunstgeschichte. Bd. 61, Köln 2000, S. 145–176, zuletzt in: Villwock, Ulrike: Hieronymus Francken II zugeschrieben, Venezianischer Ball. In: Seitenwechsel. Gemälderückseiten und ihre Geheimnisse. Hg.v. Anna Koopstra. Ausstellungskatalog zur Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen 12.8.2006–14.1.2007. Aachen 2006, S. 104–107. Zumal ein vergleichender Blick auf das Künstlermonogramm von Hieronymus Francken I. offenbart, dass sich das des Aachener Bildes deutlich von den anderen erhaltenen unterscheidet: Im Aachener Monogramm erscheinen die Buchstaben H und F deutlich separat nebeneinander, in den anderen erhaltenen Monogrammen von Hieronymus I. fällt auf, dass stets das F direkt in das H eingefügt wurde, siehe vergleichenden Abbildungen in: Auzas 1968, a.a.O., S. 32. Hierbei handelt es sich um eine Bauform des Cembalos, bei dem die Saiten quer zur Klaviatur verlaufen und welches vorzugsweise von jungen Frauen gespielt wurde. In den Exportregistern Antwerpens taucht bereits in den 40er Jahren Hans Ruckerts als Händler mit Destination Paris auf. Hier zit. nach: Vermeylen 2003, a.a.O., S. 103 Vermutlich handelt sich dabei um das gleichnamige Mitglied der berühmten Kielklavierbauerfamilie Ruckers, auch Mitglieder der Antwerpener St. Lukas Gilde und somit berechtigt, die „Außenseiten der Instrumente in der eigenen Werkstatt bemalen“ zu können: Hans Ruckers (1533/35–1598), Johannes Ruckers II (1578–1662) und Andreas Ruckers I (1579– 1651/1653), siehe Fusenig,Villwock 2000, a.a.O., S. 160, auch Vermeylen 2003, a.a.O., S. 93. Siehe Villwock 2006, a.a.O., S. 104. Siehe Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 145. Von Fusenig und Villwock wird zum Brauch des Parentado verwiesen auf eine Quelle des 19.Jh. Molmenti, Pompeo Gherardo: La storia di Venezia nella vita privata dalle origini alla caduta della Repubblica. Turin ³1885, S. 227 sowie auf einen Hinweis bei Cesare Vecellio. Ebda., hier Anm. 3, auch Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 145.

336

III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

sieht man je eine Laute sowie eine Virginal spielende Frau, auf die durch die beiden dahinter stehenden Venezianer, wobei der eine dem anderen die Hand auf die Schulter legt, deutlich die Aufmerksamkeit gelenkt wird. Bedenklich stimmt, dass die beiden musizierenden Damen ob der Zartheit der erklingenden Töne eine Tanzgesellschaft dieser Größe kaum allein hätten musikalisch begleiten können. Am linken Bildrand ist eine Frau mit einem Gast im Gespräch vertieft, eine weitere sitzende Gruppe von sechs Frauen, die dem Geschehen im lebhaften Gespräch folgen, wurde im vorderen linken Bildbereich arrangiert. Lassen sich die meisten männlichen Teilnehmer der Gesellschaft, wie sie das Aachener Bild zeigt, kostümhistorisch ebenfalls eindeutig als Venezianer identifizieren, trifft dies für das dritte tanzende Paar nicht zu. Die Darstellung des mit einem Hut mit breiter Krempe bekleideten Mannes könnte unter kostümhistorischen Erwägungen deutlich mit Abbildungen flämischer Kopfbedeckungen um 1595 in Verbindung gebracht werden.1602 Die Tanzpartnerin dieses Mannes, als einzige der Abgebildeten en face ausgerichtet (den Blick jedoch auf die sitzende Frauengruppe gerichtet), trägt ein anderes, das einzig mehrfarbige, Kleid, ebenfalls wohl eher flämisch anmutend, und als einzige der Frauen keine typischen Perlenohrringe, wie sie so häufig von adeligen Venezianerinnen getragen wurden. Welche Funktion hat die Abbildung dieses Paares? Verweist das Paar auf franco-flämischen Bezüge? Was hieße dies für das Bildthema? Kostümhistorische Überlegungen lassen eine Datierung des Aachener Bildes auf nach 1584 bis Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich erscheinen, besonders in Bezug auf die abgebildeten, auch Fraise genannten Halskrausen1603, der dargestellten Schuhmode1604 , den gewählten Kopfbedeckungen und dem ‚Gänsebauch‛ – einer ausgestopften Wamsspitze bis zum Schenkelansatz reichend – in Frankreich seit 1573 Verbreitung findend sowie der Kniebundhose mit dem 1602

1603

1604

Siehe Kelly, Fancis Michael, Schwabe, Randolph: Historic costume: A chronicle of fashion in Western Europe, 1490–1790. New York, London ²1929, Wiederabdruck unter Kelly, Francis Michael, Schwabe, Randolph: European Costume and Fashion: 1490–1790. New York, London 2002, hier S. 66. Der zeitgenössische Begriff für die französische Fraise war Kröse: „einen im 16./17. Jh. verwendeten modischen Kragen in Form einer steif gestärkten, wegstehenden Halskrause. Die Fraise entwickelte sich aus dem als Rüsche gezogenen Kragenabschluss und nahm in der 2. Hälfte 16. Jh. immer größere Ausmaße an. En vogue gemacht haben soll die Fraise der französische König Heinrich II. (1519–1559; König seit 1547) […].“ Aus: Hartmann: Großes Kunstlexikon, hier zit. nach elektronischer Ressource unter URL: http://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_3082.html (letzter Zugriff Juli 2010). Nach 1579 soll Henri III. die Fraise durch einen breiten, aber flachen Kragen aus Spitze ersetzt haben. Tendenziell werden die Halskrausen in der 2. Hälfte des 16. Jh. in Frankreich und Italien wieder kürzer getragen und machen zum Teil länger getragenen Bartmoden der Männer Platz, ein wichtiges modisches Attribut der Zeit, das hieß im Italien des letzten Drittels des 16. Jh. den breiten, nicht allzu langen an den Ecken gerundeten Vollbart zu tragen. Siehe Abbildung bei Kelly, Schwabe 2002, a.a.O., S. 67.

1.2. Gemalte Aufnahmen

337

schalartigen Strumpfband, alles von der vorn rechts tanzend dargestellten Figur getragen. Gleiches gilt für die Haartracht der Damen: Die links im Bild sitzenden Frauen tragen die Stirnhaare zu kleinen Hörnern toupiert, alle haben blondes Haar. Hierzu findet sich ebenfalls ein Hinweis in Vecellios Kostümbuch für die wohl seit 1584 modische Haartracht: „l’acconciatura di testa è vaghissima formata davanti con capelli biondi in guisa di due corna […].“1605 Zudem scheint die Darstellung die These eines hellhäutigen und hellhaarigen Ideals für die weiblichen Mitglieder der venezianischen Gesellschaft im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zu stützen.1606 Darüber hinaus wird die o. g. Datierung auch durch ein bisher in diesem Zusammenhang wenig beachtetes Detail gestützt, nämlich der zur Schau gestellten Fächermode. Die abgebildeten Federwedel, wie sie die sitzende Dame links im Aachener Bild sowie die Dame des zweiten Paares trägt, waren in Italien bereits zu Beginn des Jahrhunderts bekannt und wurden in Frankreich von Caterina de Medici mit ihrer Heirat Ende der 40er Jahre des 16. Jahrhunderts am französischen Hof eingeführt.1607 Der Faltfächer1608, wie ihn die weibliche, fast mittig im vorderen Bildgrund sitzende Repoussoirfigur hält, findet sich jedoch erst seit der Regierungszeit Henris III. (1574–1589), seit Mitte des 16. Jahrhunderts von Portugal über Spanien und Italien nach Frankreich kommend.1609 Auch zwei Damen eines vorliegend noch detaillierter zu betrachtenden Gemäldes im Umfeld der Joyeuse- Hochzeit halten je einen Faltfächer in Händen. Mit Blick auf diese weiblichen Personen im linken, vorderen Bildteil fallen besonders die diversen Handgestiken auf, durch welche diese und andere Figuren des Bildes m. E. in Albertis Sinne als verweisende Figuren fungieren. Die im Vordergrund sitzende, blau gekleidete Frau verweist, folgt man der Linienführung über den offenen Verweisgestus der ihr übernächst gegenübersitzenden schwarz gekleideten Frau, die jedoch den Blick über ihre rechte Schulter nach hinten dreht, auf die sich in Richtung Fenster und Außenszenerie öffnende Gestik des links von der Bildmitte angeordneten venezianischen Patriziers. Ent1605 1606

1607 1608

1609

Vecellio 1590, S. 126, Anm. 4 hier zit. nach: Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 170, Anm. 39. Siehe Jedding-Gesterling, Maria (Hg.): Die Frisur. Eine Kulturgeschichte d. Haarmode von d. Antike bis zur Gegenwart; veranschaulicht an Kunstobjekten d. Sammlung Schwarzkopf u. internat. Museen. München 1988, S. 79. Siehe Kammerl, Christl (Hg.): Der Fächer. Kunstobjekt und Billetdoux. München 1990, S. 24. Möglicherweise handelt es sich auch um eine frühe Darstellung eines Briséfächers, da kein Blatt, sondern nur Stäbe mit einem hauchdünnen Band miteinander zu einem Fächer verbunden sind. Zur Unterscheidung von Falt- und Briséfächer siehe Maignan, Michel: Anmerkungen zur Fächerfabrikation. In: Kammerl 1990, a.a.O., S. 61. Siehe ebda.

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III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

weder steht dessen Handhaltung in Bezug zu dem hinter der Szene agierenden Akrobaten oder er verweist auf die noch dahinter liegenden Gondeln.1610 Der Blick des benannten Patriziers richtet sich allerdings auf die Pantalone-Figur der Commedia dell’Arte Truppe, der mit dem linken, ausgestreckten Zeigefinger nach oben verweist. Noch deutlicher weist der linke, ausgestreckte Zeigefinger der Frau links am Bildrand, im Gespräch vertieft, senkrecht nach oben. Folgt man Barbara Pasquinelli in der Interpretation von Körpergestiken, handelt es sich hierbei um einen Gestus, der mindestens Aufmerksamkeit erbitten will, ggf. aber auch mit Verweis auf eine „höhere Macht“.1611 Gemahnt diese Handhaltung somit moralisches Verhalten in Bezug auf das Geschehen oder die Betrachter? Die drei Mitglieder der Commedia dell’Arte Truppe im Innenraum, hierbei Zanni Laute spielend – und damit parallel zu den Laute und Virginal spielenden Frauen inszeniert – sowie die rot gekleideten Akrobaten (vgl. hierzu Abb. 441612), die hinter und über den Tanzenden sowie den Musizierenden agieren1613, verleihen der Szene zudem eine stärkere Unruhe als es für eine festliche Tanzgelegenheit, die bereits von Cembalo- und Lautenmusik begleitet wird, zu erwarten wäre. Sollen die beiden Formen der musikalischen Gestaltung und Unterhaltung hier gar einander gegenüber gestellt werden? Betrachtet man weitere Gestiken, beansprucht auch das links in der Gruppe der sitzenden Frauen postierte Frauenpaar Aufmerksamkeit. Die orangerot gewandete Frau verweist mit der linken Hand auf die eigene Brust, sodass die emo-

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Die Brautfahrt in der Gondel stellte auch eines der vielfältigen Hochzeitsrituale dar. „[…] Eine mit ausgestrecktem Zeigefinger dargestellte Figur kann die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand lenken wollen. Ist der Zeigefinger dabei auf eine Person gerichtet, kommt dadurch die Absicht zum Ausdruck, dieser etwas zu zeigen oder einen Befehl zu erteilen. […] Weist der Zeigefinger dabei nach oben, zeugt dies von einer höheren Macht oder davon, dass diese Macht herausgefordert wurde.“ Bei Pasuinelli auch mit dem Hinweis auf Ciceros De oratore und Quintilians Institutio Oratoria, bei denen dieser Gestus „in der Bedeutung von Anrufung festgeschrieben [wird], wenn der Zeigefinger nach oben weist, als Erbitten von Aufmerksamkeit festgeschrieben, wenn er horizontal ausgerichtet ist.“ Beide Zitate aus: Pasquinelli 2007, a.a.O, beide S. 10. Es handelt sich bei dem Gemälde Court Festival Set in the Garden of an Italian Villa um eine der seltenen Darstellungen einer Vielzahl von Akrobaten. Das hoch verdichtete Bild scheint deutlich allegorischen Charakter zu haben, müsste aber zum Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung gemacht werden. Die Funktion der Akrobaten bleibt leider noch völlig unklar. Die Szenerie mutet gotesk an ob des offengehaltenen Buches und der Körperhaltung der Figuren. Meine Aufmerksamkeit erregten diese Figuren in Bezug auf das balet comique, weil sie den Figürchen (vielleicht eine Form der Neumenschrift als Gedächtnisstütze?), die sich am Ende der Notenzeilen im Traktat befinden, in der Art der Kopfbedeckung und den z. T. mit Brille (!) versehenen Gesichtern ähneln. Befindet sich der Akrobat hinter der Tanzformation außerhalb des Innenraumes, ragen die in den – architektonisch dysfunktionalen Fenstern – sitzenden Akrobaten vom Außenraum in den Innenraum hinein, sie überschreiten also die gegebenen Grenzen; vgl. hierzu auch Abb. 44! Soll dies allegorisch verstanden werden?

1.2. Gemalte Aufnahmen

339

tionale Anteilnahme der Figur unterstrichen wird.1614 Ihre Gesprächspartnerin lenkt die Aufmerksamkeit, wie im übrigen die zweite Tänzerin auf der rechten Bildseite auch, auf eine in der Sitzgruppe mittig Verweilende. Hier findet sich zum einen eine hell gekleidete Frau, die linke Hand mit nach außen zeigendem Ellbogen aufgesetzt. Ein Hinweis auf „Macht, Autorität und Willen“?1615 Oder zielt der Verweisgestus auf die dahinter sitzende Frau, ganz in Schwarz, einer für das späte 16. Jahrhundert durchaus modischen Farbe für ein Brautkleid? Die tanzende Formation wird durch ein Paar angeführt, dessen junger, weiblicher Part augenfällig in gebrochenem Weiß gekleidet ist.1616. Der männliche Part dieses Paares weist deutlich Ähnlichkeiten mit italienischen Tanzmeisterdarstellungen der Zeit auf, z. B. dem Autorenportrait auf dem Frontispiz zu Fabritio Carosos Il Ballarino von 15811617, auf welchem ebenfalls die auffällige Kopfbedeckung, baréta a tozzo genannt, deutlich zu erkennen ist (Abb. 30).1618 Würde es sich bei der jungen Frau um eine Braut handeln, könnte ihr ein solcher Begleiter beigegeben sein, verrät doch ein Blick in John Florios 1611 er1614 1615 1616

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Pasquinelli 2007, a.a.O., S. 46. Pasquinelli 2007, a.a.O., S. 71. Da heute davon ausgegangen wird, dass sich erst seit Ende des 18.J.h in Europa die Farbe Weiß zur Brautbekleidung durchsetzte, wäre diese junge Frau nicht zwangsläufig als Braut zu identifizieren. Siehe Klein, Ruth: Lexikon der Mode. Baden-Baden 1950, S. 60. Umso bemerkenswerter ist es, dass zwei zeitgenössische Quellen auf die helle Farbgebung eines venezianischen Brautkleiders rekurrieren. Giacomo Franco weist in seinem zeitgenössischen Habiti unter Habito di Novizza Nobile aus, dass die Braut, neben zahlreichen Perlen, ‚goldenes Tuch‛ bei offenem Haar mit einer Krone trage: „Le donne e massime le nobile di questa Città costumano portar tanta quantità e valor di perle per loro ornamento […].: le quali portano vesti di panno d’oro con una corona in capo di ricche gemme et gli capelli sparsi giù per le spalle […].“ Aus: Franco, Giacomo: Habititi delle donne Venetiane. Venedig 1609 (?). ND der Ausg. v. 1609 hg. v. Lina Urban. Venedig 1990, S. 5, 76; und auch Cesare Vecellio sagt, dass die meisten Kleider aus Damast oder anderen Stoffen seien und eine weiße Farbe hätten. Geschmückt würden sie noch mit Perlen, Gold und Schmuck von großem Wert: „[…] mutandole spesso di veste, le quali per le più sono di raso, ò d’altro, & bianche, ornato però di perle, d’oro, & di gioie di gran valore.“ Aus: Vecellio, Cesare: Habiti antichi et moderni di tutto il Mondo. Di nuove accresciuti di molte figure. Venedig 1598. Buch I, Nr. 97, hier zit. nach Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 167. Auch wenn ich bisher keinen Hinweis darauf gefunden habe, existieren deutlich zwei im Jahre 1581 gedruckte Fassungen des Il Ballarino von Caroso, die sich im Inhalt des zweiteiligen Traktats nicht unterscheiden, aber hinsichtlich des Titelblatts und der Widmungsvorrede. Zur Ausgabe vom 16.10.1581 siehe als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k58206j (Juli 2010) (Ausgabe Bibliothèque Nationale de France, Paris liegt zugrunde) Zur Ausgabe vom 1.September 1581 siehe als elektronische Ressource unter URL: www.pbm.com/~lindahl/caroso (Juli 2010) (Ausgabe Library of Congress, Washington liegt zugrunde). Die Schuhe, die der Tänzer hier trägt, finden sich auch schon mehrfach in Weigels Trachtenbuch Habitus Praecipuorum Popvlorvm, tam virorum quam foeminarum Singulari arte depicti. 1577, als elektronische Ressource unter URL (Teilabdruck): http://www.marquise.de/en/1500/weigel/index.shtml (letzter Zugriff Juli 2010).

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III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

schienenes italienisch-englisches Wörterbuch, dass ein Ballerino oder auch ein Ballarino derjenige sei, „he that leades a bride to her husband in Venice.“1619 Werden die beiden Begriffe scheinbar um 1611 nahezu synonym verwendet, offenbart die zwar grundsätzlich weniger umfangreiche, ältere Ausgabe von 1598 eine deutlichere Differenzierung der Begriffe Ballarino, Ballatore und Ballerino. Meint ersterer Begriff „a dancer, a teacher to dance“, wird nur für Ballerino ausgewiesen: „he that leades or gives a bride to her husband in Venice.“1620 Hierzu passt auch die semantische Belegung des Begriffes im Titel von Carosos Il Ballarino von 1581, in welchem es um die Tänzer und Tanzmeister geht und nicht etwa nur um die Funktion eines tänzerischen Brautbegleiters. Offenbar wurden diese beiden Funktionen noch bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts voneinander unterschieden. Diese Überlegung stützt auch ein Blick in die Ausführungen des venezianischen Malers und Kupferstechers Giacomo Franco (1550–1620) in seinem Werk Habiti delle donne Venetiane 1621. Franco war derjenige, der sich für die Stiche im Il Ballarino von Caroso verantwortlich zeichnete. In seinen Habiti, die in der Tradition der zeitgenössischen Trachten- und Kostümbücher eines Bertelli (1563) und den Habiti des Cesare Vecellio (1590) stehen, macht er aufschlussreiche Angaben sowohl zum Ballerino als auch zum Parentado adeliger Venezianerinnen unter dem Kapitel La Novizza col Ballerino (Abb. 31): „Nel farsi le nozze delle spose, addimandate in questa Città di Venetia novizze, si costuma dalli nobili tener per due giorni parentado, cioè che li parenti vanno a visitar la nuova sposa; un giorno le donne e l’altro gli huomini. Et mentre qualche parente vuol visitar essa sposa, ella uscendo fuori di una camera et guidata da un vecchio, che gli presta l’appoggio, il quale è detto il ballerino, arriva alla presenza di essi suoi parenti, avanti i quali fa ella un passo e mezzo e poi un saltarello, et, inchinandosi con un bello inchino, piglia licenza da loro e se ne ritorna alla sua camera, costumando ciò fare tante volte, quante da essi parenti vien visitata in quei due giorni.“1622

1619

1620 1621 1622

Florio, John: Queen Anna’s nevv vvorld of words, or dictionarie of the Italian and English tongues, collected, and newly much augmented by Iohn Florio, reader of the Italian vnto the Soueraigne Maiestie of Anna, crowned Queene of England, Scotland, France and Ireland, &c. And one of the gentlemen of hir Royall Priuie Chamber. Whereunto are added certaine necessarie rules and short obseruations for the Italian tongue. London 1611, (s.v. Ballerino), S. 53. Florio, John: A Worlde of Wordes or Most copious, and exact Dictionarie in Italian and English, collected by Iohn Florio. London 1598, S. 37. Franco 1990, a.a.O. „In Venedig gibt es einen Brauch, dass die Braut vor ihrer Hochzeit zwei Tage lang von ihren Verwandten besucht wird. Das heißt, dass von der Verwandtschaft an einem Tag die Damen und am anderen Tag die Herren zu Besuch kommen. Und wenn nun jemand von der Verwandtschaft zu Besuch ist, tritt sie in Begleitung eines älteren Herrn, der ihr dabei behilflich ist, aus einem Zimmer hervor. Diesen nennt man den ‚Ballerino‛. Wenn sie bei der Verwandtschaft [angekommen] ist, macht sie vor dieser drei Schritte und dann einen gemäßigten Hüpfer. Danach verabschiedet sie sich mit einer schönen Verbeugung von die-

1.2. Gemalte Aufnahmen

341

Es ist hier u. a. zu erfahren, dass während des zweitägigen Parentado die Verwandten die neue Braut besuchten, an einem Tag die weiblichen, an einem anderen die männlichen. Die Braut verließ, um Verwandtenbesuche zu empfangen, ihr Zimmer in Begleitung eines ‚Alten‛, der Ballerino genannt wurde, um vor den Augen der Verwandtschaft einen Passamezzo – eine etwas schneller ausgeführte Pavane italienischer Herkunft – und einen Saltarello zu tanzen, bevor sie wieder in ihr Zimmer zurückkehrte. Die hinzugegebene Abbildung zeigt, dass mit dem ‚Alten‛ ein deutlich greiser Mann gemeint ist. Auch Cesare Vecellio schildert den Parentado vergleichbar, spricht jedoch von Tanzmeistern, maestri di ballo, welche aber auch in diesem Zusammenhang als alte Männer, huomini attempati, geschildert werden: Cesare Vecellio beschreibt in Habiti antichi et moderni di tutto il Mondo von 1598 den Parentado als eine festliche Zusammenkunft der Verwandtschaft und der Bekannten: „Sogliono queste spose eßercitarsi nel ballare, & à questo effetto hanno alcuni maestri di ballo, di’ quali si servono, i[n] questi giorni, & sono huomini attempati: & questi nel tempo del parentado, sogliono menar le spose fuor della camera nel portico alla presenza de’ parenti, & di tutta l’altra brigata, che ivi se ne stà à sedere; & cosial suono di diversi instromenti fanno alcuni balletti, & ritornano in camera, dove sono molte donne, che le guerniscono, & mutandole spesso di veste, le quali per le più sono di raso, ò d’altro, & bianche, ornato però di perle, d’oro, & di gioie di gran valore.“1623

Auch Pompeo Molmenti, mit Berufung auf den venezianischen Historiografen Marin Sanudo, benennt noch im 19. Jahrhundert das greisenhafte Wesen des männlichen Brautbegleiters. Allerdings betont er, möglicherweiser vor dem Hintergrund eines Diskurses des 19. Jahrhunderts, dass es sich beim Parentado weniger um die Vorführung von tänzerischem Können, denn um einen Empfang der

1623

ser und kehrt in ihr Zimmer zurück. Das macht sie überlicherweise so oft, wie Verwandte in diesen Tagen zu Besuch kommen.“ Aus: Franco 1990, a.a.O., S. 7,8 und der transkribierte Text auf S. 76. Die dt. Übersetzung hier zit. nach Malkiewicz, wobei er allerdings die o.g. terminologische Unterscheidung zwischen Ballarino und Ballerino nicht erwähnt und nur von „dem Tanzmeister“ spricht. Siehe: Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 95. Vecellio, Cesare: Habiti antichi et moderni di tutto il Mondo. Di nuove accresciuti di molte figure. Venedig 1598. Buch I, Nr. 97, hier zit. nach: Fusenig,Villwock 2000, a.a.o., S. 167, hier Anm. 4. Dies. bieten folg. Übersetzung der Passage an: „Die verlobten Frauen pflegen sich im Tanzen zu üben und haben zu diesem Zwecke Tanzlehrer, derer sie sich in diesen Tagen bedienen. Es handelt sich um ältere Männer und diese pflegen in der Zeit des parentado die Verlobten aus dem Schlafzimmer in den Portico vor die Verwandtschaft und die ganze andere Festgesellschaft zu führen, die dort sitzt. Beim Klang verschiedener Instrumente führen sie einige Tänze auf und kehren dann in ihre Zimmer zurück, wo sich viele Frauen aufhalten. Die versorgen sie und wechseln ihnen mehrfach die Kleider, die meisten davon sind aus Damast oder anderen Stoffen und haben eine weiße Farbe. Geschmückt werden sie noch mit Perlen, Gold und Schmuck von großem Wert.“ Aus: Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 146.

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III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

Verwandten gehandelt habe. In seiner Beschreibung wird die tänzerische Aktion der Braut denn auch lediglich auf eine ‚höfliche Verbeugung‛ reduziert. Den Begriff des Ballerino benennt er zwar im o. g. Sinne, verwischt m. E. dessen zeitgenössisch differenziertere Bedeutung jedoch, wenn er diesen mit „Tänzer“ übersetzt: „Zwei Tage vor der Hochzeit empfing die Braut die Besuche ihrer Verwandten: ‚wenn ein Verwandter die Verlobte besuchen wollte, trat diese, auf den Arm eines Greises gestützt, den man il ballerino (den Tänzer) nannte, aus ihrem Gemache, ging dem Besuche entgegen, that zwei Schritte vorwärts, erhob sich auf den Fußspitzen, machte eine höfliche Verbeugung, empfahl sich und ging wieder in ihr Zimmer.‛ Nach dieser Ceremonie stieg die Braut in die Gondel, ließ sich außerhalb der Kajüte auf dem mit Teppichen bedeckten Sitze nieder und fuhr, von unzähligen Gondeln begleitet, nach den verschiedenen Klöstern, ihre Verwandten besuchen. Bei diesem Brautzuge wurde alles ängstlich bis auf’s Kleinste beobachtet, und wenn der Gondelführer nicht scharlachrote Seidenstrümpfe trug, mußte er das Rufen, Lärmen, pfeifen seiner Kameraden über sich ergehen lassen […].“1624

Auch wenn sich in Florios Wörterbuch eine leicht abweichende bzw. geringer differenzierte Beschreibung des Parentado findet, werden doch die wesentlichen Aussagen der o. g. Quellen nicht berührt.1625 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch Fabritio Caroso selbst die Bezeichnung Parentado in seiner veränderten Neuauflage des Ballarino, nämlich in Nobiltà di Dame (25.11.1600), verwendet. Dieses Werk, dem Herzog und der Herzogin von Parma und Piancenza, Ranuccio Farnese (1569–1622) und Margarita Aldobrandina (1588–1646) gewidmet, enthält im Zusatz für eine Villanella, ein mehrstimmig gestaltetes Strophenlied mit tänzerischem Einschlag, den Titel „Parentato delli Ser.mi Duca, 1624

1625

Molmenti gibt an, er zitiere hier Marino Sanudo (gest. 1536), dessen Diarii, in: Molmenti, Pompeo: La storia di Venezia nella vita privata: Dalle orgini alla caduta della repubblica. Bergamo 1886. Hier zit. nach: dt. Ausgabe: Molmenti, Pompeo: Venedig und die Venezianier. Entstehung, Glanzperiode und Verfall. Übersetzt v. M. Bernardi. Frankfurt 1905, S. 298. Das Denotat von „Parêntádo“ bzw. „Parêntaggio“ ist bei Florio nicht so eindeutig bestimmt und es finden sich nur ansatzweise Hinweise auf den Parentado als eine Zusammenkunft der Verwandtschaft einige Tage vor der Hochzeit, bei der die venezianischen Bräute u.a ihr tänzerisches Vermögen präsentierten, wie Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 145 annehmen. Bei Florio meint der Begriff zunächst nur „alliance, parentage, kin[d]red. Also an assemblie of kinsmen. Also a mariage, or allying together of houses. Also a stocke, a name of a blood. Also an ancestric or pedigree“, bzw. zu “Parêntáto“ „also allyde or ioined in marriage.“ In: Florio 1611, a.a.O., S. 357. Der Eintrag in der weniger umfangreichen Ausgabe von 1598 ist für den Begriff „Parentado“ sogar noch umfangreicher – zumindest additiv, wenn es heißt: „a mariage, or matching, or allying together of houses, an assemblie of kinsmen, a kindred, an aliance, a parentage, an affinitie, a confanguinitie, a kin, a famalie, a stock, a house, a name, a blood of a name or kindred, an ancestric, a pedigree“, synonym wird hier auf die Begriffe „Parentato“ und „Parentéla“ verwiesen. In: Florio 1598, a.a.O., S. 258.

1.2. Gemalte Aufnahmen

343

e Duchessa di Parma, e di Piacenza, […].“1626 Dieses Lied greift deutlich die neue Verbindung von Farnese und der 12jährigen Margarita Aldobrandina auf, sodass auch „questo sublime, e nobil Parentato“1627 wohl im Zusammenhang mit der Hochzeit der beiden am 6.5.1600, also sechs Monate vor dem Erscheinen des Druckwerks, steht.1628 Ich vermute, dass die widrigen Umstände dieser Verbindung auch der Grund sind, warum sich im veränderten Portrait von Caroso selbst1629 schließlich das Wappentier der Familie Caetani, der Herren von Sermoneta und damit seiner Heimatstadt, zu finden ist.

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1627

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1629

Caroso, Fabritio: Nobiltà di dame del Sr. Fabritio Caroso da sermoneta: Libro, altra volta, chiamato il ballarino. Venedig 1600 (1605); o. S. Als elektronische Ressource unter: BNF /FRBNF37257766 unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k58170c, NP, hier S. 8 (letzter Zugriff Juli 2010) und unter URL: http://www.pbm.com/~lindahl/caroso2/facsimile/ (letzter Zugriff Juli 2010). In der Neuauflage unter dem Titel Raccolta di varij Balli, Rom 1630, findet sich der Parentato nicht mehr. Der auffällige Bezug der sprachlichen Ausgestaltung des Villanella zu im Juli 1600 begonnenen Deckengemälde der Farnese Gallerie im Louvre kann vorliegend nur angedeutet werden. Diese Verbindung stand zunächst unter unglücklichen Vorzeichen: Die Farnese als angesehenes Adelsgeschlecht von Papst Paul III. abstammend, reagierten verstimmt, als der bis dato wenig bekannte Ippolito Aldobrandini 1592 als Clemens VIII. Papst und damit mächtig wurde. Eine Familienfhede entzweite seit Längerem die beiden Familien, die durch die Hochzeit befriedet werden sollte: Der Herzog Ranuccio ehelichte die Papst-Großnichte Margherita Aldobrandini. Ein ‚Prostitutionsvertrag‛ (Zapperi) diktierte die Geschäftsbedingungen und die Familie Farnese ließ sich die Mesalliance mit einer hohen Mitgift vergüten, die größtenteils direkt aus dem Papstpalast kam. Siehe: Zapperi, Roberto: Der Neid und die Macht. Dt. Ausgabe München 1994, S. 208. Möglicherweise sind solche oder ähnliche, den Zeitgenossen bekannte, Umstände der Grund, warum Caroso bemüht ist, sich recht diplomatisch auszudrücken, wenn er in der Vorrede schreibt: „Bei der Publikation dieses Buches, […] kamen mir leichte Zweifel, wem ich es widmen sollte und bei wem ich um Protektion und Unterstützung ansuchen sollte. War ich doch einerseits immer ein sehr ergebener Diener des Ehrwürdigen Hauses der Farnese (dem ersten und besten in Rom), andererseits wurde ich aber auch mit Wohlwollen und Ehren aus dem Erlauchten Hause der Aldobrandini überhäuft […]“ Dt. Übersetzung hier zit. nach: Malkiewicz 2001, a.a.O., S. 120. Siehe Ausgabe Sutton 1995, a.a.O., S. 86. Leider fehlt bei Sutton der Parentato Abdruck. In den vorliegenden elektronischen Ressourcen zu Nobiltà fehlt hingegen das veränderte Portrait von Caroso. Ist dieses in Grundzügen aus Il Ballarino übernommen, hat sich der Stahlund Kupferstecher Giacomo Franco bemüht, die 19 Jahre, die seit dem Erscheinen des Ballarino vergangen sind, im Portrait zu spiegeln: Die Altersangabe in der ovalen Rahmung wurde auf 74 Jahre korrigiert; dem jugendlichen Gesicht Carosos in der Erstausgabe wurden zahlreiche Stirnfalten hinzugegeben, der Hut wurde eingekürzt (als Reverenz an die modische Entwicklung?) und der sich über dem Portrait befindliche Tierschädel wurde entfernt und durch das Wappentier der Familie Caetani (auch Gaetani), den Herren von Semonata (Latium), ersetzt. Caroso stand wahrscheinlich im Dienst des römischen Adelgeschelchts, und hier im Besonderen des Onorato IV Caetani, einem Sohn von Bonifacio

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III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

Auch ikonographische Quellen1630 weisen, wie bereits angedeutet, auf ein Verständnis des Parentado hin, wie es von Franco und Vecellio beschrieben wurde. Sehr treffend veranschaulicht dies die Zeichnung De Venetiaanse bruilof des Amsterdamer Malers Dirck Barendsz (1534–1592) (Abb. 32) sowie ein darauf basierender, zweiteiliger Kupferstich von Hendrick Goltzius (1558–1617) von 1584, beide heute im Rijksprentenkabinet des Rijksmuseums in Amsterdam aufbewahrt (Abb. 33).1631 Darstellungen und Bildunterschriften bei Barendsz und Goltzius verweisen eindeutig auf Vecellios und Francos Beschreibung des Parentados bis hin zur geschlechtergetrennten Platzierung der Verwandten, wie sie bei Franco Erwähnung findet. Noch einmal soll das kostümhistorische Detail der dargestellten Fächer bemüht werden, um Einsichten für das Aachener Bild ableiten zu können. Neben dem bildmittig stehenden Paar im Stich von Goltzius nähert sich von rechts ein Tanzpaar, bei welchem die Frau offenes Haar trägt und einen Fahnenfächer hält, der, da sich das Blatt des Fahnenfächers um den Griff dreht, auch à girouette genannt wurde. In Venedig1632 wurde er vorwiegend von Bräuten, aber auch Prosti-

1630 1631

1632

Caetani und Pio di Carpi. Siehe hierzu: Pantanelli, P.: Notizie storiche della terra di Sermoneta. 2 Bde. Rom 1908/09 (Nachdruck Rom 1992). Siehe diesen Hinweis mit ausführlicher Erläuterung der Werke auch bei: Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 147. Barendsz, Dirck: De Venetiaanse bruiloft, 40,2 x 74,7 cm, um 1580, Rijksprentenkabinet Amsterdam sowie Goltzius, Hendrick: De Venetiaanse bruiloft, 43,2x 74,0, 1584, Rijksprentenkabinet Amsterdam. Als elektronische Ressource unter URL: http://www.rijksmuseum.nl/collectie/zoeken/asset.jsp?id=RP-P-OB-10.406&lang=en (April 2008). Gerade die Bekleidung des mittig stehenden Mannes im Stich von Goltzius, ein Tanzmeister(?), kann ebenfalls als franco-flämisch und als um 1583/84 getragen beschrieben werden. Siehe hierzu Kelly, Schwabe 2002, a.a.O., S. 55. Aber lt. Vecellio auch in Padua von jungvermählten Frauen getragen: siehe Vecellio 1977, a.a.O., S. 48, hier Abb. 156, siehe hierzu auch die Kostümzeichnungen von Ambrosius Brambilla da Parma, erstmalig von Claudio Duchet 1590 veröffentlicht, wobei hier die Mailänderin und die Dame aus Venedig einen Fahnenfächer tragen, die Neapolitanerin und die Adelige aus Mantua einen Federbusch, die Florentinerin einen Faltfächer, je die Adelige aus Ferrara und Bologna sowie die französische Adelige (hier auch mit abgeschrägter Kopfbedeckung wie auf dem Valois-Teppich) alle einen Fahnenfächer tragen. Siehe auch in Conrad Lautenbachs Kostümbuch von 1586 die Abbildung einer Fuggerin mit Fahnenfächer: „Ein Jungfraw ausz der Fugger Geschlecht. Ann sich ein Jungfraw schmücketrecht / Nach Brauch auszder Fugger Geschlecht / Zieret sich mit ganzem Fleisz / Gar nach aufffürgemalte weiß. Das Haupt mit einem Kroenelein / Das Haar musz auszgeflochten seyn / Das Kleid von koestlichem Gewand / Ein Faehnlein tregt sie in der Hand.“ Aus: Torrentinus, Thrasibulus (Conrad Lautenbach): Im Frauwenzimmer Wirt vermeldt von allerley schönen Kleidungen vnnd Trachten der Weiber [...]. Frankfurt/M. 1586. ND in: Amman, Jost: Im Frauwenzimmer Wirt vermeldt von allerley schönen Kleidungen vnnd Trachten der Weiber, hohes vnd niders Stands, wie man fast an allen Orten geschmückt vnnd gezieret ist […]. Leipzig 1971. Als elektronische Ressource unter URL: http://de.wikisource.org/wiki/Frauen-Trachtenbuch, hier Abb. 9 (letzter Zugriff Juli 2010).

1.2. Gemalte Aufnahmen

345

tuierten getragen.1633 Einen solchen trägt auch ein links im Bild sitzende Dame, im Gespräch mit einem venezianischen Patrizier vertieft. Gerade dieses kostümhistorische Detail ist im vergleichenden Bezug auf die Darstellungen bei Barendsz und Goltzius interessant, weil es variiert wurde: Mehrere Frauen tragen auf der Barendsz Zeichnung bereits einen Fahnenfächer. Interessanterweise hat Goltzius, der die Zeichnung von Barendsz nahezu vollständig im Detail übernimmt und dabei die Szene spiegelt, hier ein Detail verändert: Die am linken Bildrand aus dem ersten Fenster sich lehnende, weibliche Figur hat nun deutlich herausgearbeitet auch einen Fahnenfächer in der Hand. Ein Hinweis auf die Braut oder auf das über dem Portikus liegende Zimmer der Braut? Der GoltziusStich wirbt zudem in seiner lateinischen Unterschrift mit der Neuheit der Darstellung dieser Hochzeitsbräuche, welche es nun in der ganzen Welt zu verbreiten gelte.1634 Wenn aber nun das Zurschaustellen der Fahnenfächer (auch nach 1584) ein deutlicher Hinweis meist auf das venezianische Brautwesen darstellt, warum wählt der Maler des Aachener Bildes bei einer vergleichbaren venezianischen Szene gänzlich andere Fächerarten? Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sind Zweifel in Bezug auf das Aachener Bild in seiner Deutung als Parentado angebracht.1635 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass im Unterschied zu den ikonografischen Quellen von Barendsz und Goltzius, sich auf dem Aachener Bild kein Greis am Arm einer jungen Frau finden lässt, der die Funktion eines Ballerino übernimmt. Es können deutlich ältere Männer in anderer Funktion auf der Darstellung ausgemacht werden. Auch fehlt der bildliche Bezug zum Brautgemach bzw. zur Begrüßung der 1633 1634

1635

Siehe Kammerl 1990, a.a.O., S. 78. Der Stich ist mit einer lateinischen Unterschrift versehen: „Hic Antenorei Connubia magna Senatus / Patriciosq(ue) vides coetus, Venetosq(ue) Hymeneos: / Et celebres thalami ritus tedasq(ue) iugales/ Solennesq(ue) Urbis pompas, clarosq(ue) triumphos:/ Tum matronarum cultus, habitusq(ue) superbos, / Squalentesq(ue) auro vestes, gemmisq(ue) nitentes: / Que non visa prius, multisq(ue) incognita terris / Nunc evvulgantur totum spectanda per orbem.“ („Diese Zusammenkunft [ist] das Eheversprechen vor dem Antenoreischen Senat, und du siehst die Patrizier und die venezianischen Brautzüge: auch die festlichen Hochzeitsbräuche und die unters Joch spannende Heirat, und die feierlichen Aufzüge der Stadt, und der berühmten Triumphe: sodann die Erscheinung der Matronen (würdige ältere Damen, A.W.) und die prächtigen Kleider, sowie die von Gold strotzenden Kleider und die funkelnden Schmuckstücke; das wurde noch nie zuvor gesehen und ist in vielen Ländern unbekannt, Nun werden [diese Bräuche] in der ganzen Welt zum Anschauen verbreitet“). Lateinische Unterschrift und Übersetzung hier zit. nach: Fusenig, Villwock 2000, a.a.O, S. 168, Anm. 13. Ergänzend sei erwähnt, dass John Florio den Begriff „Matróna“ mit “würdige ältere Dame“ erläutert, in: Florio 1611, a.a.O., S. 304. Allerdings könnte die Bildunterschrift, ohne ihr im Detail vorliegend nachgehen zu können, auch in Zusammenhang mit der ‚Neuerfindung‛ der Stadt Venedig im 16. Jahrundert stehen: siehe hierzu:Fenlo, Iain, the Ceremonial City,history, memory and myth in Renaissance Venice. Yale 2007. Vgl. Hierzu die Ausführungen bei Fusenig, Villwock 2000, a.a.O, S. 145.

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III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

Verwandten gänzlich. Nimmt man nun noch die konstatierte Ähnlichkeit der vorderen männlichen Figur mit der des Titelbildes zu Carosos Il Ballarino hinzu, ist eine zwangsläufige Anbindung an Brautrituale oder einen Parentado m. E. nicht zwingend. Möglicherweise handelt es sich um die Eröffnungs- oder Abschlusssequenz eines Tanzereignisses, gestaltet mit einer Pavane oder dem etwas zügigeren Passamezzo, wie sie z. B. im Dialogo del Ballo von Rinaldo Corso Mitte des 16. Jahrhunderts beschrieben wird.1636 Die Pavane, ein Schreittanz, der gute Gelegenheit bot, Kleidung und Pretiosen vorzuführen, galt vielen um 1600 als der „Inbegriff von Würde und Erhabenheit.“1637 Walter Salmen wies bereits für das Aachener Bild darauf hin, dass die Gravität des Tanzes mit seinem „streng gemessenen Aufzug von fünf Paaren“ zum Ausdruck komme. Man könnte ergänzen, dass hierdurch feine Spiel der Cembalospielenden deutlicher herausgestellt wird, da beides mit den „tanzenden Narren in Masken der Commedia dell’arte“ konstrastiert wird.1638 Die bisher wenig bekannten Bezüge zum Parentado1639 scheinen venezianischen Ursprungs. Umso interessanter erscheint der Umstand, dass auch im Vorfeld der vorliegend im Zentrum stehenden Joyeuse-Hochzeit die Quellen den Begriff des Parentado aufnehmen. Der toskanische Gesandte Renieri da Colle erwähnt in seinem Schreiben vom 11.7.1581, dass eine Verbindung Marguerite de Vaudémonts mit einem Mitglied aus dem Hause Este zwar bereits besprochen gewesen sei, allerdings sich der Parentado so in die Länge gezogen habe, dass sie nun die Braut von Anne d’Arques , duc de Joyeuse, werden würde.1640

1636

1637 1638 1639 1640

Bei Corso heißt es: „[…] nel principio del ballo si fa il passamezo, che è una uolta piaceuole, & meza tra il temperato, e il feruente. Poi si entra nel caldo del saltare alla gagliarda, & spiccasi ogni coppia l’huomo dalla Donna. Al fine raggiungonsi, come prima, & fanno la uolta corrente, & cosi chiudono il ballo. […] Nel passamezo si appiglian tutti quelli che nel ballo hanno à essere.“( „[…] der Tanz [beginnt] mit dem Passamezzo [Aufzug, Umgang], das ist eine vergnügliche Runde, so zwischen gemäßigt und feurig. Danach lässt man sich mit Feuereifer auf das Springen der Gagliarde ein, die Paare trennen sich, jeder Herr löst sich von seiner Dame. Schließlich finden sie wieder zusammen wie zuvor und beenden den Tanz mir der Corrente. […] In den Passamezzo reihen sich alle ein, die mittanzen sollen.“) Hier zit. nach: Corso, Rinaldo: Dialogo del Ballo. Gespräch über den Tanz. (Venedig 1555) Dt. Ausgabe in der Übersetzung von Frauke Frey. Freiburg 2006, S. 28, 29. Salmen, Walter: Tanz im 17. und 18. Jahrhundert. Musikgeschichte in Bildern. Bd. VI, 4. Leipzig 1988, S. 156. Salmen 1988, a.a.O., S. 156. Grundlegende Studien zum Parentado stehen bisher aus. „Le pratiche del parentado fra uno della casa d’Este e mademoiselle di Vaudemont, sorella della Regina di Francia, hanno tirato sì in lungo, che di quà hanno preso altro partito, essendo ella accordata al signor d’Arcques, giovane di buona casa, e che ha di buone parti, e fra l’altre il favore del Re.“ Aus: Colle, Renieri da: Brief vom 11.7.1581, in: Desjardins, Abel (Hg.).: Négociations diplomatiques de la France avec la Toscane. Documents Recueillis par Guiseppe Canestrini. Bd. IV. Paris 1872, S. 377.

1.2. Gemalte Aufnahmen

347

Hintergrund dieser Äußerung ist die mögliche Verbindung Marguerite de Vaudémont-Lorraines mit einem Sohn des Alphons d’Este1641, er selbst Botschafter aus Ferrara, später Herzog von Ferrara und Bruder von Anne d’Este, Herzogin und Mutter der Herzöge von Guise und seit 1566 als Herzogin von Nemours, weil in zweiter Ehe mit Jacques de Savoie verbunden, „mindestens seit Anfang 1557 am Zustande kommen einer Verbindung ihres Bruders Alfonso mit einer Tochter oder mit der Schwester des Königs [arbeitete].“1642 Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der um Verständnis bittende, aber auch ermahnend wirkende Brief der Königin Louise an ihren Onkel, den Herzog von Nemours, den zweiten Gemahl der Anne d’Este. Gegenstand ist die Verheiratung ihrer Schwester Marguerite, diese über ihre Mutter Jeanne de Savoie selbst eine direkte Nichte des Herzogs von Nemours, mit Anne d’Arques, duc de Joyeuse. Louise fordert darin: „Also, ich bitte euch, mein Onkel, sie zu umarmen und mir und dem König […] zu erscheinen, wie ich es mir verspreche. Unserer Meinung nach macht Ihr dem König ein unsagbares Vergnügen und auch seid Ihr, bei dem Wohlgefallen, das Ihr, wie ich weiß, dem König entgegenbringt, dazu verpflichtet. […]. “1643

Da der Brief nicht ganz präzise datiert werden kann, bleibt unklar, auf welches Ereignis oder Fest im Zusammenhang mit der Joyeuse-Hochzeit hier Bezug genommen wird. Fest steht, dürfen wir den Aufzeichnungen im balet comique glauben, Herzog und Herzogin Nemours sind nicht unter den Teilnehmenden und nicht unter den Gästen des balets comique. Hat sich der Herzog einer Einladung widersetzt? 1641

1642 1643

Von einer beabsichtigten Verbindung Marguerite de Vaudémont mit einem Sohn von Alphons(so) d’Este spricht auch Pierre de L’Éstoile im Juli 1581. Siehe: L’Éstoile Bd. II. 1875, a.a.O., S. 12. Coester 2007, a.a.O, S. 171. (Teilübersetzung des Briefes A.W.) Brief Louises [1581, avant le 23 septembre ] an [Jacques de Savoie], duc de Nemours. Aus: Bibl. Nat. Ms fr. 3238, fol 18. hier zit. nach: François 1943, a.a.O., S. 138. Eine umfassende Deutung des Briefes steht noch aus, der vollständig lautet: „Mon oncle. Vous antanderés part le sieur de Conbaut (Vertrauter Henri III, häufig Nachrichten überbringend an den Herzog von Nemours, A.W.) la voulonté du roy sur le mariage de ma seur, de Laquelle, bien que j’y sois tousjour conforme, sy vous assureray-je que ceste cy outre je la voit tres afectee pour le contentemant que je reconnoy qu’avec ocasion an resevera madit seur (Marguerite de Vaudémont, zweite Tochter von Nicolas de Vaudémont und von Jeanne de Savoie de Nemours, A.W.). Doncque, je vous prie, mon oncle, l’anbrassere et faire pareitre au roy et a moy que vous et an cest efect comme je le me promés; de nostre opinion, vous ferez un indisciblle plaisire au roy et aucy que vous obligerés pour l’aisse que je sçais que vous aporterés au roy. Je m’assure que vous croés bien que j’ay tant de soing de ma seur que j’aime mieux q’une fille propre que vous serés assuré que je veux tant son bien et avantage comme j’estime celuy cy; priant Dieu, mon oncle, vous conserver an sa garde. Vostre bien bonne niepce, Loyse.“ Aus: ebda.

348

III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

Konnten bereits über das Aachener Bild aus der Hand eines Mitgliedes der Francken-Dynastie mögliche franco-flämische Bezüge detaillierter beleuchtet werden, kann in Bezug auf Gemälde aus dem direkten Umfeld der JoyeuseHochzeit ein weiteres Mal eine Verbindung zu Mitgliedern der Malerfamilie Francken sowie zu Arbeiten von Hans und Paul Vredeman de Vries hergestellt werden. Eine entscheidende Rolle scheinen in diesem Zusammenhang weitere Mitglieder der Familie Francken zu spielen, diese, wie bereits erwähnt, bereits in den späten 70er Jahren am Pariser Hof etabliert. Gesichert ist, dass Frans Francken II. (1581–1642), ein Neffe von Hieronymus I. und Ambrosius I., in Zusammenarbeit mit Paul Vredemann de Vries, Sohn von Hans Vredemann de Vries, an mehreren Werken gemeinsam gearbeitet hat. Wahrscheinlich trifft dies auch für das Gemälde Bal aan een Brussels Hof (Abb. 34)1644 zu, das sich thematisch, kompositorisch und in seiner Innenraumgestaltung deutlich an Gemälde der Joyeuse-Festlichkeiten anlehnt (Abb. 40 und Abb. 41). Dies bestätigen auch die jüngst veröffentlichten Forschungen von Alice Anna Schröder-Klaassen, die die kompositorische Analogien der Gemälde deutlich herausstellt. Besonders beeindruckt hier die Rekonstruktion eines unter der Malschicht des Gemäldes von Francken/de Vries entdeckten Bildes.1645 Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass das Interieur des Gemäldes zum Brüsseler Ball identisch ist mit einem Gemälde religiöser Motivik, nämlich Salome 1644

1645

Frans Francken II. und Paul Vredemann de Vries: Bal aan een Brussels Hof, ca. 1610, Öl auf Holz, 68,6x 113,3 cm, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis, Den Haag. Dieses Gemälde findet sich im Bildindex der Kunst und Architektur des Bildarchivs Foto Marburg unter der Objektnummer 20017043, allerdings mit dem Titel: Francken, Frans (II) unter Mitarbeit von Frans Purbus (der Jüngere), Ball am Hofe des Erzherzogs Albrecht von Österreich und seiner Gemahlin Isabella von Spanien. In der Forschungsliteratur wird es auch unter dem Titel: Ball am Brüsseler Hof mit Prinz Willem von Nassau und Eleonora von Bourbon geführt, so in: Fusenig, Villwock 2000, a.a.O., S. 154. Zu bemerken ist, dass der Tanzmeister Negri den ballo „Alta Regina“ (Brando für acht Personen) zu Ehren der Frau Philipps III., Margherita, Königin von Spanien, verfasst hatte, welcher im Rahmen eines Festes eben zu Ehren von Erzherzog Albrecht und Isabella – auf der Durchreise nach Brüssel – vom Gouverneur von Mailand am 18. 7.1599, ebenda gegeben wurde. Siehe Negri, Cesare: Le Gratie d’Amore. Dt. Ausgabe in der Übersetzung von Brigitte Garksi. Hg. v. Walter Salmen. Terpsichore. Tanzhistorische Studien. Bd. 2. Hildesheim u.a. 2003, S. 376. Die kompositorische Analogie des Bildes von Francken/de Vries mit dem Joyeuse Ball (Abb. 40 und 41) stellt Alice Anna Schröder-Klaassen gerade auch über die Perspektivliniendarstellung deutlich heraus. Möglicherweise könnte der bei Schröder-Klaassen erwähnte Hinweis auf die dem Gemälde zugrunde liegende ältere Malschicht die zeitliche Differenz zu Negris Chroeografie von 1599 erklären helfen. Siehe: Schröder-Klaassen, Alice Anna: Tanzdarstellungen in höfischen und bürgerlichen Gesellschaftsszenen der flämischen und niederländischen Malerei und Graphik des 16. und 17. Jahrunderts. 2 Bde. Diss. Kiel 2007, hier Bildband, S. 70f, Abb. 95, 96,97. Das im Louvre konservierte Exemplar wurde jüngst unter dem Titel Bal à la cour d’Henri III, Hieronymus Francken zugeschrieben, besprochen in

1.2. Gemalte Aufnahmen

349

mit dem Haupt Johannes des Täufers (Abb. 35), ebenfalls von Frans Francken II. und Paul Vredemann de Vries ausgeführt und heute im Weserreanissance-Museum Schloss Brake in Lemgo konserviert.1646 Das Sujet erstaunt insofern nicht, da in den Jahren 1585–1590 die Francken Brüder, Frans I. und Ambrosius I., als sehr gefragte Meister in der Darstellung religiöser Themen galten. Über die Gestaltung dieser Interieurs, die wiederum denen der zwei Gemälde aus dem Umfeld der Joyeuse-Hochzeit (Abb. 40 und Abb. 41) auffällig gleichen, lassen sich Bezüge zu den Schriften und Arbeiten von Hans Vredeman de Vries herstellen. Dessen Arbeiten über Perspektive und Architektur haben die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts nachhaltig geprägt. Seine Werke Architectura (Antwerpen 1581) und Perspective (Leiden 1604) halfen, die Architekturmalerei als neue Gattung zu etablieren. In seinen theoretischen Schriften, die zwischen 1560 und 1606 erschienen, entwarf er Modellansichten für verschiedenste architektonische Gegebenheiten, die er mit Erläuterungen unterlegte.1647 Hierdurch konnten sich Künstler in der Gestaltung ihrer Gemälde dieser Muster und Modelle bedienen. Dies war ein Novum. Die Modellansichten Vredemans, ideale, nicht reale, Saalansichten wie Palastarchitekturen, leer und ohne Figurenstaffage, ließen sich, auch bei geringen Kenntnissen über Perspektive und Architektur, von den Künstlern auf ihre eigenen Entwürfe übertragen.1648 Da diesen Interieurs Figuren beigegeben werden mussten, findet sich häufig eine Zusammenarbeit zwischen Architektur- und Figurenmalern.1649 So arbeiteten auch Hans und Paul Vredeman de Vries mit Staffagemalern zusammen, unter anderem mit Frans Francken II.1650 Korrespondierend zu den über andere Arbeiten gesicherten Überlegungen zur Architekturmalerei von Hans Vredeman de Vries, soll vorliegend zur Diskussion gestellt werden, inwiefern sich ggf. auch die Figurenmalerei in Bezug auf die Gestaltung bestimmter Tanzdarstellungen, wiederkehrender Modelle und Muster bediente und zu welchem Zweck dies geschah. Zum Vergleich werden im Folgenden vier Gemälde aus dem späten 16. Jahrhundert benannt, die sich in Anlage und Ausführung deutlich ähneln, vor allem in Bezug auf das je Volta tanzende Paar und die Figuren in Rückansicht. Eine 1646 1647

1648 1649 1650

Auch Kluth verweist zwar auf die Ähnlichkeit der Gemälde, zieht aber keine Schlüsse hieraus. Kluth 1996, a.a.O., S. 46. Siehe Härting 2005, a.a.O., S. 118 – 128. Borggrefe, Heiner (Hg.): Hans Vredeman de Vries und die Folgen: Ergebnisse des in Kooperation mit dem Muzeum Historyczne Miasta Gdaska durchgeführten internationalen Symposions am Weserrenaissance-Museum Schloss Brake (30. Januar bis 1. Februar 2004). Marburg 2005, hierin: ders. Hans Vredeman de Vries – der industrialisierte Vitruv, S. 9–12. Schneede, Uwe M.: Interieurs von Hans und Paul Vredeman, In: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek, Band 18, Bussum 1967, S. 128. Siehe Schneede 1967, a.a.O., S. 140. Siehe Schneede 1967, a.a.O., S. 140.

350

III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

genauere Betrachtung offenbart, dass gerade die Haltung der springenden Figuren nahezu identisch gestaltet ist, nur deutlich andere Portraits eingesetzt wurden.1651 So ist für das Gemälde (Abb. 36), welches wahrscheinlich aus Schloss Chenonceaux angekauft und mind. seit 1899 in Kasteel Gaasbeek bei Brüssel unter dem Titel Huwelijksbal van de hertog van Joyeuse geführt wird1652, gerade im Vergleich mit den Valois-Gobelins und zeitgenössischen Portraits, z.B. solchen aus der Schule von Fontainebleau, m. E. sehr ins Kalkül zu ziehen, dass es sich um Henri III. und Louise selbst handelt, die hier Volta tanzend dargestellt sind. Dies würde insofern eine bemerkenswerte Anlage sein, da, mit Ausnahme der verwendeten Portraits ein nahezu identische und wohlbekanntes Gemälde existiert: Für das heute in Penshurst Place & Gardens in Kent, England unter dem Titel Queen Elizabeth I dancing La Volta with Robert Dudley, Earl of Leicester konservierte Gemälde (Abb. 37)1653, findet sich die, wenngleich mehrfach in Zweifel gezogenen Deutung1654, Elizabeth I. als besondere Liebhaberin der Volta habe sich hier mit Robert Dudley, Earl of Leicester um 1580 portraitieren lassen.1655 Jüngere Untersuchungen betonen hingegen den ironischen Charakter der Darstellung.1656 Zu dieser sah man sich wohl vor allem vor dem Hintergrund der Besonderheit der 1651 1652

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Siehe hierzu auch meinen Beitrag Wer die Volta tanzt, der betrachtet sich als Zentrum und Mitte eines Kreises‛ – Anmerkungen zu einer tänzerischen Form des 16. Jahrhunderts (in Vorbereitung). Anonym (franz.): Huwelijksbal van de hertog van Joyeuse, drittes Viertel 16. Jh., Öl auf Eichenholz, 750x1010 cm, Kasteel van Gaasbeek, Gaasbeek. Siehe auch: Goossens, Boudewijn: De schilderijenverzameling van het kasteel van Gaasbeek, Gaasbeek, 2003, S. 17–19. Dieses Gemälde findet sich als s/w Bild (siehe Abb.36) auch unter Ball Heinrichs III., 1501/1600, Öl (?) auf Leinwand (?), im „Bildindex der Kunst und Architektur“ des Bildarchivs Foto Marburg. Der Abdruck (Abb. 36) erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Bildarchivs Foto Marburg. Siehe auch: Renson, G./ Casteels, M.: Het Kasteel-Museum van Gaasbeek. Lennik 1979, S. 52f. M.A. Lange sei für wertvolle Anregungen hierzu gedankt. Anonym: Queen Elizabeth I dancing La Volta with Robert Dudley, Earl of Leicester, um1581, Öl auf Leinwand, Penshurst Place & Gardens, Kent, England. Der Abdruck (Abb. 37) erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Viscount De L’Isle, aus seiner private collection at Penshurst Place, Kent, England. In der Forschungsliteratur firmiert dieses Bild auch häufig unter dem Titel Ball am Valois-Hof. Abb. zuletzt in: Fenlon 2007, a.a.O., S. 212 mit dem Hinweis: „Formerly thought to be Queen Elizabeth I of England dancing with Robert Dudley, Earl of Leicester. Now the title of the painting, at Penshurst Place in Kent, is thought to be ironic or mocking, as the painting is associated with the French Valois school.“ Siehe hierzu: Holman, Peter: The English Royal Violin Consort in the Sixteenth Century. In: Proceedings of the Royal Musical Association. Vol. 109 (1982–1983), S. 53. Diese Deutung hätte insofern Reiz, als es sich um eine Entstehungszeit handeln würde, in der eine mögliche eheliche Verbindung von Elizabeth I. mit Henris jüngerem Bruder d’Alençon-d’Anjou aus französischer Sicht noch für möglich gehalten wurde. Ein in übereinstimmender Komposition gefertigtes Gemälde findet sich in: Heiberg, Steffen (Hg.): Christian IV and Europe. Auststellungskatalog. Kristensen 1988, hier Kat. Nr. 331. Siehe Fenlon 2007, a.a.O., S. 212.

1.2. Gemalte Aufnahmen

351

dargestellten Tanzhaltung veranlasst. Stehen doch bei der Volta oder Volte, einem Paartanz italienischer Provenienz, der sich zunächst als traditioneller Tanz präsentiert1657, die raschen gemeinsamen Drehungen, Sprünge und Hebungen des sich eng umarmenden Tanzpaares im Vordergrund. „Lofty jumping or leaping round“ (Davies) oder „the high lavolt“ (Shakespeare) sind ebenfalls Bezeichnungen für diesen Tanz.1658 Bereits 1556 findet sich bei François Bérenger de La Tour d’Albenas ein Hinweis auf „la volte de grace“, bei welcher „les vents dansent“ und bei dem es schließlich heißt: „Le bal est le propre de l’ame“1659, den Mersenne in seiner Harmonie universelle 1636 wie folgt bescheibt: „[…] qu’elle vient d’Italie, car elle se dance en tornant: quoy qu’il y ayt si longtemps qu’elle est en France, qu’on la peut dire naturelle. Elle a peut-estre aussi ce nom, parce quápres quelques pas droits l’homme fait sauter la femme, qu’il meine en tornant, & qu’apres l’auoir menée vn tour vn certain temps, il la prend du bras gauche par le fort du corps, & la fait tourner plusieurs tours en la leuant fort haut, comme s’il la vouloit faire voler: sa mesure est ternaire [...].“1660

Bei Johann von Münster klingt 1594 verstärkter eine moralische Bewertung mit, wenn er sagt: “In dem Tanz […] nimmt der Tänzer mit einem Sprung der Jungfrau wahr und greift sie an einem ungebührenden Ort […] und wirft die Jungfrau selbst und sich mit ihr, etlich viel Mal sehr künstlich und hoch über die Erde herum.“1661

Noch deutlicher formulierte es der Domherr Thoinot Arbeau in seiner Orchésographie, wenn er sagt, man riskiere Ehre wie Gesundheit mit diesem Tanz: „[…] en ceste volte l’honneur & la santé y sont pas hazardez & interessez“.1662 Auch er gibt zu ihrer Herkunft an, die Volta sei „vne espece de galliarde familiere aux Prouencaulx“.1663 Hingegen sieht Marie-Joëlle Louison-Lassablière z. B. für Pierre de Brantôme als engagiertem Hofberichterstatter ein anderes Verhältnis zur Volta:

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Siehe diesen Hinweis bei Sparti 1996, a.a.O., S. 267. Auch Marguerite de Valois erwähnt im Zusammenhang der Festlichkeiten 1564 in Bayonne, dass „von beiden Seiten des Wegs auf schönen Wiesen [.] Schäfer und Schäferinnen, jeder Trupp die eigentümlichen Tänze seiner Provinz (tanzte); […] die Provenzalen ihre Volte mit Pauken; […]“. Aus: Marguerite de Valois 1998, a.a.O., S: 35. Siehe hierzu Salmen 1999, a.a.O., S. 175f. La Tour d’Albenas 1556, a.a.O., S. 5. Als elektronische Ressource unter URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k52275x (letzter Zugriff Juli 2010). Hier zit. nach: Salmen 1988, a.a.O., S. 162. Hier zit. nach: Härting 2005, a.a.O., S. 122f. Hier zit. nach: Salmen 1999, a.a. O., S. 175. Hier zit. nach: Salmen 1999, a.a. O., S. 176.

352

III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

„A la faveur d’une paronomase, il modifie l’étymologie, justifiant du même coup l’intérêt qu’elle présente pour le spectateur: ‚Néanmoins nos yeux s’y baissoyent un peu et mesmes quand on dansoit la volte, qui, en, faisant voleter la robe, monstroit tousjours quelque chose agréable à la veue, dont j’en ay veu plusieurs s’y perdre et s’en ravir entre euxmesmes.‛ Pas de jugement moral sur la pratique de cette danse: au contraire, Brantôme évoque une danse plus érotique encore, celle de la jarretière périgourdine, en déplorant qu’elle ne soit pas à l’ordre du jour dans les bals de cour alors qu’elle est au moins aussi osée que la volte: ‚car les sauts, les entrelassements, les desgagements, le port de la jarretière et la grace des filles portoyent je ne sçay quelle lascivité mignarde, que je m’estonne que ceste danse n’a esté pratiquée en nos Cours de notre temps‛.“1664

Auch bei dem heute in Rennes aufbewahrten Bal a la Cour des Valois (Abb. 38) wird eine höfische Gesellschaft gezeigt, in deren Mittelpunkt ein nicht genauer zu identifizierendes Paar1665 eine Volta tanzt, in eben jener Körperhaltung, wie sie auf den beiden bereits benannten Gemälden zu sehen ist. Dasselbe gilt für eine weitere Fassung dieser Tanzdarstellung, die sich heute im Château de Blois befindet (Abb. 39).1666 Die Frage, warum in diesen Gemälden hochdekorierte, adelige Personen als Volta tanzende Paare, in ihren Körperhaltungen nahezu identisch, dargestellt werden, ist komplex und kann im vorliegenden Rahmen nicht hinreichend dargelegt werden. 1667 Exemplarisch sei hingewiesen auf die Repoussoirfiguren, die verweisende Funktionen übernehmen und sich in allen vier Gemälden finden: das Volta tanzende Paar, stets rechts von der Bildmitte positioniert, soll nochmals hervorgehoben werden. Und dies, obwohl das Herausragen aus den je anwesenden größeren Gruppen durch die Sprunghaltung selbst diesem Paar schon sicher ist. Es kann sich m. E. nur um Personen handeln, deren gesellschaftlicher Rang eine solch exklusive Stellung zulässt. In stets wiederkehrender Ikonographie, die hiermit fast emblematisch wird, wird durch die Akteure An-

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Marie-Joëlle Louison-Lassablière, Brantôme et les danses de cour, Paris, 2008. Etude inédite mise en ligne sur Cour-de-France.fr le 1er septembre 2008 unter URL: http://courde-france.fr/article496.html?lang=fr (Letzter Zugriff Juli 2010). Härting verweist zwar darauf, dass es sich bei den Tänzern der Voltadarstellungen „jeweils um namentlich bekannte Aristokraten handelt“, nennt aber leider diese nicht. Siehe: Härting 2005, a.a.O., S. 123. Anonym: Scène de bal, dit Bal à la cour des Valois, Ende 16. Jh, Öl auf Leinwand, 94 x 155 cm, Musée du château, Blois, Inv. 873.3.2. Hier aus: Girault, Pierre-Gilles, Mercier, Mathieu (Hg.): Fêtes & crimes à la Renaissance: la cour d’Henri III. [Château de Blois du 8 mai au 24 août 2010]. Ausstellungskatalog. Paris 2010, S. 104, Abb. 45. Siehe auch Colliard 1963, a.a.O., Fig. 10.Wünschenswert wäre, was im vorliegenden Rahmen nicht zu leisten ist, der Frage nachzugehen, inwiefern die Auftraggeber der Werke zu eruieren sind und ob weitere Personen vor allem auf den Gemälden aus Rennes und Blois genauer zu identifizieren sind. Siehe hierzu meinen Beitrag: Wer die Volta tanzt, der betrachtet sich als Zentrum und Mitte eines Kreises‛ – Anmerkungen zu einer tänzerischen Form des 16. Jahrhunderts (in Vorbereitung).

1.2. Gemalte Aufnahmen

353

spruch auf die Gestaltung politischen Raums erhoben, mit hoher Vitalität und Agilität zum Ausdruck gebracht.1668 Im Unterschied zu Johann von Münster scheint es Mersenne in seiner Beschreibung der Volta nicht um ein moralisches Urteil zu gehen, sondern er betont eine Idee, wenn er sagt, Volta zu tanzen sei, comme s’il la vouloit faire voler: sa mesure est ternaire. Auch in Ronsards Verszeilen seines Sonetts Le soir qu’Amour vous fist en la sall descendere hinzu1669, erkennt man die Metapher des Sich-Erhebens, um die durch den „göttlichen“ Tanz erfolgte Transformation hin zur „göttlichen Natur“ zu veranschaulichen: „Das Ballet war göttlich, […], du tanztest nicht, sondern dein Fuß flog über den Erdboden, dein Körper war dadurch für diesen Abend in eine göttliche natur verwandelt“ 1670

Wird nicht auch hier weniger auf das Sichtbare, denn auf die Idee rekurriert? Beschreibt nicht die Vorstellung, „als ob man fliegen wolle“ eine Hypothese ganz im Sinne platonischer Ideen? Folgt man dieser Idee, wird das springende Paar, das durch seine Körperbeherrschung die Situation beherrscht, „zum Sinnbild des Menschen, der seine fehlerhafte Natur überwunden hat. […] Das Non plus ultra dieses Ideal ist der tanzende Souverän […].“1671 Wer anders als Königinnen und Könige selbst könnte sich in diesem Sinne Volta tanzend darstellen lassen?1672 Abschließend sollen zwei bereits erwähnte Gemälde, die in noch engerem Zusammenhang mit der eigentlichen Joyeuse-Hochzeit als die vorgenannten stehen, thematisiert werden. Wenngleich ihre Zuschreibung nicht eindeutig ge-

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Gestützt wird diese Sicht m. E. noch durch zeitgenössische Gerüchte, die von Voltatänzen mit Todesfolgen berichten konnten, und so die Teilnahme eine noch größere Herausforderung darstellte: „[…] la volte, danse dangereuse pour avoir fait mourir au moins un seigneur qui, en gardant son épée au côté, se livra à des pirouettes avec trop d’enthousiasme.“ Die Anekdote wird von Guillaume Du Vair kolportiert, hier zit. nach McGowan 2006, a.a.O., S. 89. Dort auch mit dem Hinweis, dass aber auch L’Éstoile vom Tod eines anderen Tänzers berichtet habe, der „si bien eschauffée à danser la volte, qu’en 24 heures il en mourust.“ (L’Éstoile). Hier zit. nach: ebda., a.a.O., S. 89, Anm. 55. Das Sonnet von Ronsard aus dem Jahr 1579 richtet sich an Hélène de Surgères, wahrscheinlich eine Akteurin im balet comique. „Le ballet fut divine […] tu ne dansois, mais ton pied voletoit sur le haut de la terre: aussi ton corps s’estoit transformé pour ce soir en divine nature.“ Hier zit. nach McGowan 1963, a.a.O., S. 27 (meine Übersetzung. A.W.). Woitas 2004, a.a.O., S. 27. Im Unterschied zu bisherigen Deutungen halte ich z.B. mit Bezug auf das PenshurstGemälde den Tanzpartner von Elizabeth für Hercule François d’Alençon-d’Anjou, den jüngeren Bruder Henri III. Auch gehe ich davon aus, dass ein direkter Zusammenhang zwischen den beiden Volta Dastellungen (Abb. 36, Abb. 37) besteht, der mit der jeweiligen Inszenierung Elizabeths bzw. Louises als ‚tanzende Königin‛ zusammenhängt. Im Detail siehe hierzu meinen Beitrag: Wer die Volta tanzt, der betrachtet sich als Zentrum und Mitte eines Kreises‛ – Anmerkungen zu einer tänzerischen Form des 16. Jahrhunderts (in Vorbereitung).

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III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

klärt werden konnte, sind die Künstler beider Gemälde im franco-flämischen Umfeld zu suchen.1673 Das eine Gemälde wird heute im Louvre unter dem Le bal de noces du duc de Joyeuse (Abb. 40)1674 bewahrt. Eine großformatigere Kopie dieses Bildes findet sich unter dem Titel Bal du marriage d’Anne, duc de Joyeuse, avec Marguerite de Lorraine-Vaudemont, 21 septembre 1581 (auch: Bal donne al la cour Herni III a l’occasion du mariage d’Anne, duc de Joyeuse, avec Marguerite de Lorraine. 24. Septembre 1581) in Versailles.1675 (Abb. 41). Auch Ursula Härting vermutet bereits, dass „der Maler – vielleicht der französische Hofmaler Hieronymus Francken I“ gewesen sei und dass auch dieser sich hier bereits an Vredemans Scenographiae von 1560 orientiert habe.1676 Die beiden Fassungen1677 gleichen sich frappierend bei minimalen Unterschieden, diese vorrangig in Bezug auf architektonische Details wie Boden, Decken- und Nischengestaltung sowie Darstellung des Mobiliars. Es überwiegend die Gemeinsamkeiten der beiden Bilder (Abb. 40 und Abb. 41). Das Hochzeitspaar präsentiert sich mittig und wird von Zuschauern umrahmt. Zur Linken ist ein königlicher Sitzbereich, eine Dais, zu erkennen. Caterina de Medici sitzt zur Linken ihres Sohnes Henri III. und seiner Frau Louise. Hinter diesen stehen vier männliche, ebenfalls fast schwarz gewandete Figuren. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um Henri de Guise, dit balafré1678, pair et grand maître de France, sodann Charles II., duc de Mayenne, premier chambellan, sowie möglicherweise um den duc de Mercoeur, den duc d’Aumale oder den duc Luxembourg-Piney1679, zu dieser Zeit verheiratet mit 1673

Eine franco-flämische Zuschreibung findet sich bereits bei Colliard 1963, a.a.O., S. 124 sowie Quoniam 1988, a.a.O., S. 47, der das im Louvre bewahrte Bild einem „peintre flamand travaillant à la cour de France“ zuordnet.

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Anonym: Le Bal des noces du duc de Joyeuse (auch: Bal du duc de Joyeuse), gegen 1581 – 1582, Öl / Kupfer, Maße: 41,5 x 65 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv. 8731. Hier aus: Chatenet, Monique: La cour de France au XVIe Siècle. Vie sociale et architecture. Paris 2002, S. 131 (Abb. 55).

1675

Anonym (Hieronymus Francken zugeschrieben; ältere Zuschreibung Jerome Francken oder Herman van der Mast): Bal donné au Louvre en présence d’Henri III et Catherine de Médicis pour le mariage d’Anne, duc de Joyeuse, et de Maguerite de Lorraine-Vaudémont, ( auch: Bal donne al la cour Henri III a l’occasion du mariage d’Anne, duc de Joyeuse, avec Marguerite de Lorraine. 24. Septembre 1581 oder: Bal du marriage d’Anne, duc de Joyeuse, avec Marguerite de Lorraine-Vaudemont, 21 septembre 1581), 1581–1582, Öl auf Leinwand, Maße: 122 x 185 cm, Musée national du château et des Trianons, Versailles, MV 5636. Hier aus: Girault, Mercier 2010, a.a.O., S. 101– 103 (Abb. 43). Siehe auch: Constans, Claire: Musée national du château de Verailles: Catalogue des peintures. Paris 1980. Siehe Härting 2005, a.a.O., S. 122 , hier mit dem besonderen Verweis auf die Nischen mit Skulpturen am Bildrand und den entsprechenden Vorlagen in Vredemans Scenographia. Siehe auch Colliard 1963, a.a.O., S. 147–156, hier Abb. 1.2.7. Gerade die Versailles-Fassung zeigt die (überzeichnete) Narbe auf der linken Wangenseite der Figur des duc de Guise. Eine ähnliche Zuweisung, allerdings ohne Henri, duc de Guise, findet sich auch in Colliard 1963, a.a.O., S. 150.

1676 1677 1678 1679

1.2. Gemalte Aufnahmen

355

Diane de Lorraine, Schwester des duc d’Aumale1680 und hierdurch mit Lothringen verbunden. Am rechten Bildrand beider Gemäldefassungen befindet sich eine Figur, die mit ihrer bürgerlichen Bekleidung und dem weiten Mantel, nach Lucienne Colliard, auf eine Tätigkeit als Dichter oder Komponist oder Organisator der Feste hinweise.1681 Die ihr gegenüber sitzende Rückenfigur weist in der LouvreFassung mit leicht geöffneter Hand auf die rechts sitzenden, vier Lautenspieler.1682 In der Versailles-Fassung ist diese Geste der Figur in Rückenansicht leicht verändert und scheint eher einer Maß- oder Größenangabe zu ähneln. In den Gehaltslisten der Musiker des état des officiers domestiques unter Henri III. finden sich für das Jahr 1580 tatsächlich vier Lautisten namentlich benannt: Jacques Edinthon1683, jouer de luth mit 66 écus, 2 tiers, Jacques Dugué [Du Gué]1684 mit derselben Summe, Viterbe mit 100 écus und Thomas Davencourt wieder mit 66 écus, 2 tiers.1685 Dass Kleidung und Schmuck ob ihres hohen Symbolwertes grundsätzlich die Funktion übernehmen, das Individuum durch Mode mit gesellschaftlichen Gruppen zu verbinden oder von ihnen zu trennen, stellte Bourdieu bereits in den 70er Jahren heraus.1686 Neuere Arbeiten betonen darüber hinaus, dass Bilder, auf denen Kleidung dargestellt wird, für die kleiderkundliche Analyse als Reflexion und nicht als Spiegelbild eines kleidungsbetonten Alltags zu verstehen sind. Dar1680 1681

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Siehe Chevallier 1985, a.a.O., S. 532f. Siehe Colliard 1963, a.a.O., S. 151. Colliard erwähnt in diesem Zusammenhang schon den Namen Beaujoyeulx. Auch Boucher vermutet, dass diese Figur als Beaujoyeulx zu identifizieren sei. So verweist Boucher darauf, dass er ein „bourgeois de Paris,“ un „acquit und seigneurie“ gewesen sei. Siehe Boucher, Jacqueline: Société et mentalités autour de Henri III. Bd. 3. Lille 1981, S. 1051, hier Anm. 2. Salmen wies darauf hin, dass die musikalische Besetzung und die Instrumenteausstattung nicht ungewöhnlich seien, wohl aber die Anzahl der Musiker, da selten vier Lautenspieler an einem Ort zu finden gewesen seien. Siehe Salmen 1976, S. 163. Jacques Edinton [Edinton/ Hedinton] wird zudem für 1584 als Joueurs d’instruments mit der Summe von 66 écus , 2 tiers verzeichnet. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 404. In demselben Jahr finden sich zudem Einträge für ihn unter joueurs d’instrumens servans par quartier, luth und eine Abrechung vom 28.12.1584 über 200e[cu] für das Vierteljahr April, Juli und Oktober 1576, das volle Jahr 1577 sowie das Vierteljahr Juli – Oktober 1580. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 473f., hier auch die vollständige Nennung der Manuskripte. Von den mindestens sechs Mitgliedern der Familie Dugué, die als Musiker am Valois Hof tätig sind, wird Estienne Dugué joueur de luth auch genannt in F-Pan KK 139, état des officiers domestiques, Henri III (1584), fol. 33v Joueurs d’instrumens mit der Summe von 66 écus , 2tiers. Estienne Dugué luth taucht ein weiteres Mal unter den Kürzungen, verzeichnet in F-Pn Dupuy 489, reductions in the maison of Henri III. (1584), fol. 13v Joueurs d’instruments servans par quartier Hier zit. nach Brooks 2000, a.a.O., S. 404 und 406. Laut F-PN Dupuy 127, état des officiers domestiques, Henri III (1580), fol. 91v. Hier zit. nach: Brooks 2000, a.a.O., S. 403. Bourdieu, Pierre, Delsaut, Y.: Die neuen Kleider der Bourgeoisie. In: Kursbuch 42, (1975), S. 172–182. Siehe auch Warncke 1998, a.a.O., S. 160.

356

III.1. Bildliche Aufnahmen: zur bildhaften Rezeption der Valois-Feste

gestellte Kleidung beanspruche in diesem Sinne eigene Regeln, um eine spezifische Symbolik zu entwickeln. Insofern ist bei diesem Fokus weniger die Identifizierung von Kleidung und Gewandung, denn die inhaltliche Deutung dieser relevant.1687 So spricht Carsten-Peter Warncke im Zusammenhang mit der aufwändigen Gestaltung von Kleidung und Schmuck in der frühneuzeitlichen Portraitmalerei von einer ‚Ästhetik des Aufwandes‛1688, „als Erzeugnis eines ungewöhnlich differenzierten Gestaltungsprozesses des Webens und Schneiderns und Nähens bei den Textilien, des Emaillierens und Gießens und Treibens bei den Schmuckstücken […].“1689

Diverse kostümhistorisch interessante Details sind zu erkennen, die den Reichtum des Kostüms unterstreichen und die persönliche Physiognomie weitgehend zurücktreten lassen. Neben den großen Hüten oder der toque tragen viele der Figuren große Krösen, z. T. als ‚Mühlsteinkragen‛ oder wie Louise als modischen Spitzenkragen. Einige Männer tragen Spitzbärte.1690 Die Frauen tragen Frisuren, wie sie bereits auf den Valois-Gobelins zu erkennen sind: Die Stirn wird von zwei Haarbögen in Herzform umrahmt.1691 Der spanische Kurzmantel, Capas genannt, welchen der Bräutigam Anne d’Arques, duc de Joyeuse trägt und die langen, geöffneten Ärmel der Braut wurden um 1581 getragen. Alle zur Linken sitzenden Personen sind schwarz gekleidet.1692 Aufwändig werden die Körper eingehüllt, sodass man mit Warncke fragen kann: „[…] was sehen wir? Kopf und Hände, also Geist und Tat.“1693 Diese Einsicht legt eine Vielzahl an Bedeutungen frei. Denn gerade die qua Zeigegestus auffälligen Figuren treten hervor, die dem Betrachter den Blick weisen. Nicht nur auf das Sichtbare des Bildes bezogen fungieren sie als eine Art Vehikel des Sinns. 1687 1688 1689 1690

1691 1692

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Siehe hierzu den jüngst erschienen Band von Zitzlsperger 2008, a.a.O. Warncke 1998, a.a.O., S. 159. Warncke 1998, a.a.O., S. 159. Zu kostümhistorischen Details siehe auch Thiel, Erika: Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin 1973, S. 201 sowie Ruppert, Jacques u.a.: Le costume Français. Paris 1996, S. 68–80 und Boucher, François: Histoire du Costume en Occident des origines à nos jours. Neuauflage d. Ausg. Paris 1965. Hg. v. Yvonne Deslandes. Paris 1996, S. 191–197. Siehe auch: Jedding-Gesterling, Maria (Hg.): Die Frisur. Eine Kulturgeschichte der Haarmode von der Antike bis zur Gegenwart. München 1988, S. 89. Dies ist wohl als Bezug auf das spanische Hofzeremoniell, welches in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts europaweit als vorbildlich galt, zu sehen. Siehe Hofmann, Christina: Das spanische Hofzeremoniell von 1500 – 1700. Frankfurt/M. 1985. Vor diesem Hintergrund erscheint es bemerkenswert, dass jedoch nur die zur Linken der königlichen Dais sitzenden Personen in schwarz gekleidet erscheinen, gerade die zur Rechten stehende große Gruppe der sonstigen adeligen Teilnehmer fällt durch unterschiedlichste Kleidungen und modische Vorlieben auf. Warncke 1998, a.a.O., S. 160.

1.2. Gemalte Aufnahmen

357

Eine links stehende Adelige – Colliard vermutet hier Christine de Lorraine, Enkelin Caterinas1694 – blickt den Betrachter an und hält einen Faltfächer, mit dem sie scheinbar beiläufig, ebenso wie der schräg vor ihr stehende Mann, dessen linke Hand auf der Rückenlehne des königlichen Stuhls liegt, auf das mittig stehende Paar verweist. 1695 Auch Caterina zeigt, jedoch ihren Sohn anblickend, mit der rechten Hand auf das Paar in der Raummitte. Louise hält ihren Fächer, den sie in der linken Hand hält, leicht geöffnet nach oben. Deutlich sind die hinter der königlichen Dais stehenden, männlichen Figuren als Ordensmitglieder von St. Esprit mit blauem Ordensband gekennzeichnet, das gemeinschaftsstiftende Element und die hiermit zur Schau gestellte Loyalität zu Henri sind augenscheinlich. Allerdings offenbart sich auch hier eine gleichzeitige Ambiguität der Darstellung. Die Hand des Henri, duc de Guise, am Sitz der Königinmutter sowie die des hinter Louise stehenden Herzogs auf dem Thron der Königin, können als offensive Machtansprüche der Guisen an die Krone gedeutet werden – zumal Louise scheinbar mit ihrem linken Zeigefinger auf den rückwärtig Stehenden verweist. Darüber hinaus erscheint die Anordnung der Figuren insofern auffällig, als hinter Caterina weitere männliche Mitglieder des Hauses Guise-Lorraine stehen, so, ohne Kröse, wahrscheinlich der duc de Mayenne, Charles II. de Lorraine1696. Für die meisten dieser Männer ist die Zugehörigkeit zum Orden St. Esprit deutlich ausgewiesen. Allerdings ist ob ihrer Anordnung und ihrer Gesten im Bild zu fragen, inwiefern die augenscheinliche Loyalität zum König nicht hinterfragt werden muss und ambivalenter verstanden werden könnte. Colliard bewertet die von ihr so verstandene Präponderanz der Guisen als „revanche des Guise sur les favoris du rois“ und wertet so die Riege der Lothringer mit ihren Mitgliedern aus den Reihen der ‚Liga‛ bereits als „une garde déjà menaçante pour le pouvoir

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Siehe Colliard 1963, a.a.O., S. 149. Meines Erachtens könnte es sich aber auch um Catherine de Guise, duchesse de Montpensier (1552–1596), die eine entscheidende Rolle in der Liga spielte sowie ihren 1582 verstorbenen Mann Louis III. de Bourbon, duc de Montpensier handeln. Wenngleich zu berücksichtigen wäre, dass dieser unter König Henri III. zwar 1578 zum Ordensrittern ernannt, allerdings nicht in den Orden aufgenommen wurde. Die beiden Figuren, die am äußerst linken Bildrand noch in das Bild hineinragen, sind, wie viele andere hier auch, nicht zu identifizieren. Auffällig ist aber, dass der vorderen dieser beiden Figuren in der Versailles-Fassung deutlich mehr Raum zur Verfügung gestellt wird und sie mit dem gesamten Körper abgebildet erscheint. Für diese Identifizierung spricht, dass das Ordensband bei dieser Figur nicht ausgearbeitet erscheint und die Ordensverleihung an den duc de Mayenne auch erst am 21. Dezember 1582 stattfand, die Aufnahme in den Orden so erst auf den 31. Dezember 1582 fiel, also längere Zeit nach den Hochzeitsfeierlichkeiten.

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III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

royal.“ 1697 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die zeitgenössische Modekritik gerade die hier zur Schau gestellten modischen Attribute wie Krösen, Toques (spanische Hüte) und Capas (spanische Kurzmäntel), neben Wämsern mit ‚Gänsebauch‛ und ‚Heerpauken‛ (spanische Hosen) als Kleidermerkmale der Gegenreformation brandmarkte und kritisierte.1698 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass gewebte wie gemalte ikonografische Quellen zu den Valois-Festen und der Joyeuse Hochzeit von 1581 vielfältige, vorliegend noch nicht annähernd in Gänze inhaltlich ausgelotete Implikationen aufweisen, denen gemeinsam ist, dass sich bei nahezu allen franco-flämische Bezüge, in engem Verbund mit der Malerdynastie der Francken, erkennen lassen. Nur angedeutet werden konnte die vermittelnde Rolle der visuellen Kultur auf verschiedene Wissensformationen am frühneuzeitlichen Hof. Die Frage, inwiefern neoplatonische Strukturprinzipien, wie sie für das balet comique selbst bereits dargelegt werden konnten, in sinnstiftende Verfahren der Malerei oder anderer Formen bildlicher Gestaltung wie z. B. der Gobelinfertigung übertragen wurden, muss geauso Gegenstand weiterer Untersuchungen sein wie tragfähige Überlegungen zur Kleidung als ‚Kostümargumentation‛ (Zitzlsperger) im Bild.

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen “We tend to slight the Renaissance pressure toward explanation, stressing instead the age’s devotion to symbolic meaning. But again, the verbal was inseparable from the visual. Then as now, a symbol had meaning only after it was explained. Symbols function as summations and confirmations; they tell us only what we already know, and it would be a mistake to assume that the Renaissance audience, unlike a modern one, knew without being told.“1699

Die Geschichte um das balet comique ist bis ins 21. Jahrhundert vor allem auch die Geschichte seiner Narration wie seiner Rezeption. Inwiefern finden sich im Druckwerk des balets comique bereits rezeptionssteuernde Momente? Und was ist über mögliche Wiederaufnahmen des balets comique nach 1582 zu erfahren? Bevor sich die folgenden Ausführungen der möglichen und tatsächlichen Wiederaufnahmen nach 1582 sowie der Rezeption des Druckwerkes zum balet 1697

1698 1699

Colliard 1963, a.a.O., S. 150. Würde der Hinweis bei Jardine, Brotton 2000, a.a.O., S. 51 haltbar sein, dass eine verkürzt erscheinende Laute („foreshortened lute“) mit gebrochener Harmonie und Missstimmung bzw. Uneinigkeiten interpretiert werden darf, spräche dies für die o. g. Einschätzung der anwesenden Lothringer. Vordergründig sind sicher auch die verwandtschaftlichen Bezüge der Braut, die dem Hause Lothringen entstammt, hier relevant. Siehe hierzu Wolter, Gundula: Teufelshörner und Lustäpfel. Modekritik in Wort und Bild. Marburg 2002, S. 1150–1620. Orgel, Stephen: The Illusion of Power.Berkeley 1975, a.a.O., 24.

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen

359

comique widmen, sei knapp auf eine Quelle eingegangen, die ihrerseits Einfluss auf die Abfassung des schriftlichen Traktats von 1582 gehabt haben könnte. Im Detail muss es allerdings ggf. nachfolgenden Untersuchungen überlassen bleiben zu klären, ob ein Zusammenhang zwischen dem frühen Flugblatt von Robert Sempill (1530?–1595) mit dem Titel Ane new ballet set out be ane fugitive Scottisman, that fled out of Paris at this lait murther1700 (1572), und den gleichzeitig oder später entstandenen ballets am Hof der Valois besteht. Bei dieser Quelle handelt es sich offensichtlichen um eine Schmähschrift über Caterina de Medici, vor allem in ihrer Rolle als Initiatorin der sog. ‚Bartholomäusnacht‛.1701 Die im Flugblatt genannte Figur des „fugitive man“ sowie die Anspielung auf ein „new ballet“ lassen an das balet comique denken. Auch wird in Sempills Publikation aus Sicht eines Schotten erzählt. Im Druck des balets comique, genau zehn Jahre nach der sog. ‚Bartholomäusnacht‛ wie nach dem Erscheinen von Sempills Text, ist es wiederum ein Schotte, dem die abschließende allegorische Ausdeutung des Circespiels vorbehalten bleibt: Ausgerechnet jener Sir John Gordon, der zahlreicheLandsleute in der sog. ‚Bartholomäusnacht‛ in Paris gerettet haben soll.1702 Ein Zufall? Es gibt eine kleine Geschichte, nach der der französische König einmal die Aussage eines im Februar 1580 im Louvre gegebenen ballets habe selbst erklären müssen, weil ein englischer Gesandter ein im Februar 1580 gegebenes ballet im Louvre1703 vor dem König und in Gegenwart von Lady Cobham, die einen Bericht hierzu abgefasst haben soll, nicht verstanden habe.1704 Der Gesandte soll 1700

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Robert Sempill (1530?–1595): Ane new ballet set out be ane fugitiue Scottisman that fled out of Paris at this lait (1572). Die Quelle findet sich transkribiert in: A Series of historical, political, and satirical scottish poems, ascribred to Robert Sempill. M. D. LXVII. M. D.LXXXIII. To which are added poems by Sir James Semple, M.D.XCVIII. – M.DC.X. Edinburg 1872, a.a.O., S. 173. Als elektronische Ressource unter: Early English books online (EEBO). Als elektronische Ressource unter URL: http://eebo.chadwyck.com.proxy.nationallizenzen.de (lizensierter Zugang. Letzter Zugriff Juli 2010). Beaujoyeulx war 1572 ja bereits schon einige Jahre am Hof tätig und zeigte sich möglicherweise ja auch für das balet des polonais aus dem Jahre 1573 verantwortlich. Siehe Stephen, Leslie, Lee, Sidney (Hg.): The Dictionary of National Biography. Begründet von George Smith. Bd. VIII. Oxford (1917) 1964, S. 212–214, hier S. 212. Diese Angabe auch in: Irving, Joseph: The book of Scotsmen eminent for achievements in arms and arts, church and state. Paisley 1881. Beauchamps erwähnt für Februar 1580 keine Aufführung eines balets, jedoch die Publikation von Les plaisans devis des suppôts du seigneur de la Coquille, récités publiquement le 21 février 1580. Lyon 1580. In Beauchamps, Bd II, 1735, S. 50. Zur Erwähnung der Joyeuse-Hochzeit siehe den Brief Sir Henry Cobhams vom 3.8.1581. In: Murdin, William (Hg.): A collection of State Papers relating to affairs in the reign of Queen Elizabeth, from the year 1571 to 1596. London 1759, S. 351. Es gibt begründete Hinweise, dass Sir Henry Brooke Cobham selbst ein Exemplar des balet comique besessen hat. Zumindest konnte ich ausfindig machen, dass das heute in Public Library, New York archivierte Exemplar zwei Exlibris-Vermerke zeigt: Sir Henry Brooke Cobham (1564–1619) und Horatio Walpole (1717–1797), Schriftsteller. Auch scheint das Exemplar im Besitz des

360

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

geglaubt haben, dass die in spanischer Tracht gekleideten Damen über die Portugiesen triumphiert hätten und somit die französische Bejahung und Unterstützung eines solchen Vorgehens aufgezeigt worden sei. Der König habe darauf erwidert, dass es gerade gegenteilig zu verstehen sei: „Non, c’est pour montrer ce qu’il ont fait et notre mécontentement.“1705 Diese kleine Anekdote zeigt, dass die ballets in einem gewissen Rahmen auch schon zu ihrer Entstehungszeit erklärungsbedürftig waren und an die Kontextualisierungsmöglichkeiten ihres Umfeldes geknüpft waren.1706 Möglicherweise waren solche Geschichten Anlass, dem balet comique in seiner Druckfassung vier Lesarten der Allegorie gleich mitzugeben. Die erste Auslegung der Allegorie beruft sich auf Natale Conti (latinisiert: Natalis Comes, oder: de Comitibus) (1520–1582)1707, dem Verfasser eines der meist genutzten Mythologiehandbücher der Zeit, welches 1551 erstmalig erschien.1708 Frances Yates wies darauf hin, dass es für frühneuzeitliche Schriftsteller und andere Künstler üblich war, auf solche Handbücher, eher denn auf die klassischen Texte, selbst zu referieren.1709 Darüber hinaus wurde Contis Handbuch „regarded by both Catholics and Protestants as a standard work for the fables of the poets.“1710 Zunächst gibt Contis mythologische Auslegung den Blick auf Circes physische Erscheinung frei. Als Tochter des Helios und der Nymphe Perseis vereint sie

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Schriftstellers Ben Jonson gewesen zu sein. Dieser stellt Herni Cobham in den Mittelpunkt seines satirischen Textes Every Man in his Humour. Zu den biografischen Quellen siehe WBIS unter Brooke, Henry 11th baron Cobham in British Biographical Archive (BBA), Fundstelle: I 151,214–217;II 1339, 366–367. McGowan 2006, a.a.O., S. 88. Siehe hierzu auch die eingangs zitierte Überlegung von Stephen Orgel. Zu den biografischen Angaben siehe World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter Conti, Natale: Archivio Biografico Italiano (ABI) Fundstelle:I 315,421–423; II 156,25; III 123,285; IV 144,252 und im Biographischen Archiv der Antike (BAA) Fundstelle:105,8–9. Es konnte nicht geklärt werden, ob Natale Conti zum Zeitpunkt der Drucklegung im Februar 1582 noch lebte. In den verfügbaren biografischen Dokumenten des WBIS wird stets nur von 1582 als einem möglichen Todesjahr ausgegangen. Eine zweite Auflage, Charles IX. gewidmet, erschien 1567: Conti, Natale: Natalis Comitis Mythologiae, sive Explicationvm fabvlarvm libri decem: in qvibvs omnia prope naturalis & moralis philosophiae dogmata sub antiquorum fabulis contenta fuisse demonstratur; cvm locvpletissimis indicibvs eorum scriptorum, qui in his libris citantur, rerumque notabilium, et multorum nominum ad fabulas pertinentium explicationibus; opvs non tantvm hvmanarvm, sed etiam sacrarum literarum et philosophiae studiosis perutile, ac propè necessarium. Venedig 1567. So wie das balet comique als Druckwerk 1582 erschien, wurde auch Contis Werk, neben zahlreichen anderen Auflagen in Italien und Deutschland, in diesem Jahr in Paris erneut aufgelegt. Als engl. Übersetzung siehe auch: Mulryan, John, Brown, Steven (Hg.): Natale Conti's Mythologiae translated and annotated by John Mulryan and Steven Brown. Medieval and Renaissance texts and studies. Bd. 316. Tempe/Arizona 2006. Siehe Yates 1947, a.a.O., S. 131. Yates 1947, a.a.O., S. 240.

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen

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beide widerstrebenden Elemente in einer Natur: „Circé […].est la mistion des elemens“1711, heißt es in der Auslegung nach Natale Conti. Auch La Chesnaye verweist auf Circes transformatorische Natur, wenn er sagt: „la circuition de l’année par la courde revoluë du Soleil.“1712 Die Auslegung des Dichters La Chesnaye, er verfasste selbst die Verse des balets comique und blickt sozusagen aus der Hofwelt in die Hofwelt, folgt an zweiter Stelle. La Chesnayes Ausdeutung basiert, wie schon angedeutet, auf Contis Mythologiae. Circes Wesen charakterisiert sich bei beiden Autoren durch die Vermischung der Elemente und den Kreislauf des Jahres, als stetig wandelndes Element und, dies wird bei La Chesnaye besonders deutlich, gemäß platonischer Vorstellung. Da die Tänzerinnen auch für „les elemens“ stehen, erhält der durch sie präsentierte geometrische Tanz eine weitere Bedeutung. Er versinnbildlicht mit seinen „entrelacemens“1713, also seiner Verflechtungen, die „corruption, generation & mutuation des elemens l’un en l’autre“1714 und damit den Vorgang von Werden und Vergehen und somit den Kreislauf „perpetuelle.“1715 Allein die entrelacemens, werden im grand ballet viermal wiederholt, die fünfzehn Passagen der entrées enden jedes Mal auf diesselbe Weise1716 und nähern sich so der ‚göttlichen Wiederholung‛ als permanenter Kreislauf. Letztlich verweisen sie so auf die Beziehung von Menschlich-Irdischem und Himmlisch-Göttlichem. Eine anonym gehaltene „L’allegorie morale“1717 findet sich an dritter Stelle. Circe wird hiernach in ihrem Bezug zu Sonne und Wasser als Verkörperung des den Menschen bestimmenden Ringens um Tugend interpretiert. Entsprechend vollzieht sich die Auslegung der tanzenden Nymphen als Verkörperung der moralischen Tugenden, besonders von Klugheit und Mäßigung1718. In diesem Sinne könnte der geometrische Tanz als Ausdruck der idealen Eintracht und Beherrschung durch die Ratio interpretiert werden. Das Schlusswort des gesamten Druckwerks bildet die Allegorieausdeutung des Schotten Sir Gordon. Es spricht sehr vieles dafür, dass es sich bei diesem um John Gordon (1544– 1619), den ältesten Sohn des Bischofes von Galloway, Alexander Gordon und seiner Frau Barbara Logie, handelt. Diese bisher von der Forschung weitgehend unbeachtet gebliebene, im vorliegenden Zusammenhang jedoch durchaus be1711 1712 1713 1714 1715 1716 1717 1718

Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 75. Ebda. Ebda., S. 56. Ebda., S. 74. Ebda., S. 74. Siehe ebda., S. 55. Ebda., S. 74. Zum Stellenwert der Historiographie als principium prudentiae und zur Bindung der memoria an die prudentia seit Cicero und deren Bedeutung für das politische Handeln in der Frühen Neuzeit siehe Traninger 2000, a.a.O., S. 40.

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III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

merkenswerte Person, zeigt bei genauerem Blick durchaus biografische Ambivalenzen.1719 Zunächst soll Gordon 1565 auf Geheiß Maria Stuarts und mit ihrer finanziellen Unterstützung1720 nach Frankreich geschickt worden sein, um seine Ausbildung zu vervollständigen. Zahlreiche biografische Lexika weisen aus, dass der 1544 in Schottland Geborene Philosophie und andere Wissenschaften in Paris und Orléans studiert haben soll.1721 Dorothy Malchas Quynn macht in einer der wenigen Studien zu John Gordon jedoch deutlich, dass Gordon zwar 1565 nach Frankreich gegangen sei, um zu studieren. Tatsächlich habe er sich wohl auch in Paris aufgehalten, jedoch keine Universität besucht, als er am 4.3.1566 zum Kammerherrn in den Dienst Charles IX. berufen worden sei.1722 Auch Orléans habe er zwar besucht, nicht aber zwangsläufig die dortige Universität. Seine durch Quellenmaterial belegte Tätigkeit als Schatzmeister der German Nation at Orléans deutet eher auf eine bezahlte Anstellung des Schotten hin und es gibt keinen Beleg für ein Studium an irgendeinem Ort.1723 Könnte der junge John Gordon nach den herkömmlichen Angaben biografischer Handbücher einem Leser durchaus gebildet, ambitioniert und seriös erscheinen, kommt Dorothy Malchas Quynn erneut zu einem anders akzentuierten Urteil:

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Zu den biografischen Angaben siehe World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter Gordon, John: British Biographical Archive (BBA) I 468, 164–172. In der Regel basieren die häufiger zitierten biografischen Angaben hierbei auf: Stephen, Lee (1917) 1964, a.a.O., S. 212–214. Darüber hinaus sind es offenbar nur die Arbeiten von Dorothy Machay Quynn, die John Gordon bisher zum Gegenstand ernstzunehmender historischer Untersuchung gemacht hat: Quynn, Dorothy Machay: The career of John Gordon, dean of Salisbury, 16003 – 1619. In: The historian. 6. Jg. ,Nr. 1 (1943), S. 76–97 sowie dies.: The Provenance of B.N., MS. Lat. 1751. In: Speculum. Medieval Academy of America. 14, Nr. 4 (1939), S. 490–492 sowie dies.: The early career of John Gordon, dean of Salisbury. In: Bibliothèque d’humanisme et renaissance, 7 (1945), 118–38. Ferner existiert aus dem Jahre 1864 ein anonym verfasster Artikel zu John Gordon: Anonymus: Dr. John Gordon, Dean of Dalisbury, and Lord of Glenluce. In: Notes and queries for readers and writers, collectors and librarians. Serie 3, Nr. 6 (1864), S. 116–117. Der erst 1997 erschienene Text von Weller, Ralph B.: The strange case of John Gordon (1544–1619), double agent and Dean of Salisbury. Salisbury 1997 konnte ob mangelnder Verfügbarkeit des Werks jedoch nicht eingesehen werden. Es findet sich der Hinweis, dass John ein illegitimer Sohn gewesen sei, der von der schottischen Königin Maria Stuart 1553 zusammen mit seinem Bruder Alexander legitimiert worden sei. Aus: Richardson, Douglas, Everingham, Kimball G.: Magna Carta Ancestry Magna: A Study in Colonial and Medieval Families. Baltimore 2005, S. 39. Beispielhaft hier Stephen, Lee 1964, a.a.O., S. 212. Aber auch Anderson 1862 und Hutchinson 1799. Siehe Quynn 1943, a.a.O., S. 77. Quynn 1943, a.a.O., S. 78. Hier auch mit dem Hinweis: „It is significant, […], that he never made claim to a degree from any university, although he was in the habit of boasting of his intellectual attainments.“

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen

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„A study of Gordon’s life prior to 1603 reveals him as an adventurer, albeit a fairly popular and successful one. […] He was typical of the impecunious Scottish adventurer of his day, and he changed his religion as expediency dictated.“1724

1568 wird er für kurze Zeit Hauslehrer des jungen Herzogs von Enghien, Sohn des protestantischen Louis I. de Bourbon, prince de Condé, dessen Sohn jedoch bereits im darauffolgenden Jahr verstirbt.1725 So ersucht Gordon bereits im Juli 1569 die englischen und schottischen Höfe um ein Beschäftigungsverhältnis: Hierbei bietet er am 7.7.1568 auch dem Earl of Murray seine Verwendung als Spion am französischen Hof an.1726 Seine personellen Netzwerke scheinen weit verzweigt: Sowohl der englische Botschafter am französischen Hof, Henry Norris, der Gordon als einen dem Griechischen, Hebräischen und Lateinischen Mächtigen beschreibt, wie auch der protestantische Philosoph Peter Ramus stehen im Kontakt zu Gordon. Zumindest weiß Gordon diesen Eindruck zu vermitteln und als ein multilingualer Gewährsmann von sich Reden zu machen.1727 Nach einem kurzen Aufenthalt in Schottland kehrt er 1571 auf Veranlassung von Maria Stuart nach Paris zurück. Diese hatte für ihn gleich eine jährliche Vorabzahlung von 200 francs bei ihrem Botschafter am französischen Hof, Kardinal Beaton, in Auftrag gegeben.1728 Darüber hinaus hatte Maria Stuart offenbar noch ein weiteres Anliegen: „Mary also told Beaton that Gordon was spying for her into the activities of Cecils’s agent (William Cecil 1520–1598. A.W.). Gordon’s spying, and his efforts to be rewarded during this period, are summed up in a report of his activities made a year later, when Cecil asked for information about him in another connection.“1729

1572 soll er zahlreichen seiner Landsleuten in der sog. ‚Bartholomäusnacht‛ das Leben gerettet habe. Angeblich habe er hierbei dem Protestantismus nie abgeschworen.“1730 Dorothy Machay Quynn weist hingegen darauf hin, dass es gerade für die Zeit zwischen 1571 und 1574 keine eindeutigen Quellen zu seinem Aufenthaltsort oder seine Tätigkeit in diesem Zeitraum gebe, außer dem Umstand, dass er

1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730

Quynn 1943, a.a.O., S. 77. Siehe ebda., S. 78. Siehe ebda. Siehe Quynn 1943, a.a.O., S. 78. Siehe ebda. Ebda., S. 81, hier mit umfangreichem Quellenauszug zu Gordons Spionagetätigkeit. Siehe Stephen, Lee 1964, a.a.O., S. 212. Allerdings kann mit Bezug auf Quynn die religiöse Zugehörigkeit Gordons nicht abschließend geklärt werden. Von katholischer Herkunft konvertiert er möglicherweise 1559. Zwischen 1573 und 1583 gibt es Gründe anzunehmen, er sei wieder katholischer Konfession. Hierzu Quynn 1943, a.a.O., S. 95.

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III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

1573 in Frankreich gewesen sei.1731 Demgegenüber scheint das heldenhafte Verhalten Gordons im Jahr 1572 eher auf die Historiographie der Familie Gordon zurückzuführen zu sein. Zumal Gordons Erbe und Schwiegersohn, Sir Robert Gordon (1580–1656) selbst Historiograph war.1732 Auch für die im Zusammenhang mit seiner Person häufig zitierten zwei herausragenden Disputationen, eine gegen den Kardinal Duperron und die andere gegen einen jüdischen Gelehrten namens Benetrius in Avignon 15741733, kann Quynn keine Belege ausmachen.1734 Die unter Charles IX. erworbene Position eines gentilhommes ordinaire de la chambre du Roi, kann er auch unter Henri III. und Henri IV. behaupten. In seiner ersten Ehe, die er am 4.3.1576 mit der verwitweten, aus einer katholischen Familie stammenden Antoinette (oder: Anthonette) de Marolles (auch: Marolies) einging, erhielt er von dieser den Adelstitel sowie die Herrschaft über Longormes, Boullaye und Marolles.1735 In den für den Untersuchungszeitraum besonders relevanten Jahren gehört er, bei allen biografischen Ambivalenzen, offensichtlich jedoch zum engsten Kreis um Henri III. und nennt sich selbst „Jean de Gordon Escossois1736, sieur de Long-orme, Gentil-homme ordinaire de la chambre du Roy TresChrestien.“1737 John Hutchinson hebt für diese Zeit die soziale Position Gordons hervor: „It was doubtless to his position as an eminent ‚man of the time‛ that his admission to the Inn, though in Orders, was due causa honoris.“1738 1731 1732

1733 1734

1735 1736 1737 1738

Siehe Quynn 1943, a.a.O., S. 81. Zu den biografischen Angaben siehe World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter Gordon, Sir Robert1st baronet in British Biographical Archive (BBA),Fundstelle: I 468,301–307; II 1503, 130. Die Familienchronik unter dem Titel Consice history of the House of Gordon weist diese Erzähltraditionen sowie auch die Namensvariation Gourdon aus. Auch wäre eine genauere Untersuchung der weit verzweigten familiären Bezüge von Gordon sicherlich zielführend. So ist als Gordons Onkel der einflussreiche Earl of Huntly auszumachen. Siehe Stephen, Lee 1964, a.a.O., S. 212. Siehe Quynn 1943, a.a.O., S. 82. Sie konstatiert, dass Gordon möglicherweise zu dieser Zeit in Avignon war, da sich der König – und hiermit kann nach dem Tode Charles IX. am 30.5.1574 nur Henri III. gemeint sein – zu Weihnachten dort aufhielt, wohl auch aus Anlass des Todes des Kardinals de Lorraine am 26.12.1574. Siehe Quynn, die in Abweichung zu den gängigen biographischen Lexika noch Boullaye und Marolle nennt: Quynn 1943, a.a.O., S. 86. Vgl. hierzu die Bezeichnung im balet comique mit „Sieur Gordon, escoçois, gentilhomme de la Chambre du Roy“. Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 75. Stephen, Lee 1964, a.a.O, S. 213. Hutchinson, John: A catalogue of notable Middle Templars: with brief biographical notices. London 1902. Quynn konstatiert über den Zeitraum von 1574 bis 1583, dass außer Gordons Hochzeit im Jahre 1576 seine Person nicht erwähnt wird. Siehe Quynn 1943, a.a.O., S. 83. Zu bemerken ist, dass eine Person mit Namen de Gordon sich in einer Korrespondenz vom 9.6.1580 an Monsieur de Saint- Sulpice wendet. Auch Edmond Cabié kann hier Gordon nicht genauer identifiziert, versieht die Herausgabe des Briefes aber mit folgender Annotation: „.Un personnage qui signe De Gordon ou Be. Gordou, mais qui n’est

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen

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Gerade sein erfolgreicher Ruf als ‚statesman and man of letters‛, sorgfältig zusammengesetzt aus einem Mosaik von Identitäten, hätte ihn für die Rolle des Textdeuters im Zusammenhang mit der Drucklegung des balets comique 1582 geradezu prädestiniert. Welche Position er Anfang der 1580er Jahre am Hofe tatsächlich innehatte, kann z. Z. nicht genauer gesagt werden. Nur dass er eine durchaus widersprüchliche Rolle spielte, wird deutlich. So existiert ein englischer Gesandtenbericht von Januar 1584, dass Gordon „haunts continually with the Duke of Guise and is a daily follower of the Queen Mother […] dissemble religion [Catholicism] and that he hath from the King of Scots a private commission to be as it were his agent here.“1739

Im Mai heißt es dann aus derselben Quelle, dass Gordon „to be employed as the French King‛s agent about the Scottish king.“1740 1594 wiederverheiratet er sich mit der Protestantin Genevieve Pétau (auch: Betan) (ca. 1560–1643), Tochter des Gideon Pétau1741, sieur de Maule auf der Isle de France und „first president of the court of parliament in Brittany.“1742 James VI. war 1566 geboren und bereits seit 1567 als König von Schottland eingesetzt worden. Als er 1603 als James I. König der Engländer und Iren1743 wurde, erhält John Gordon 1603 das Amt des Dekans von Sarum/Salisbury. Neben seinen in Französisch und Englisch verfassten panegyrischen Werken anlässlich der Thronbesteigung James VI. (1603), publiziert er bis 1613 vor allem einige Werke mit theologischem Inhalt sowie „a number of quartos full of quaint learning, protestant fervour, controversial elegiacs, and prophetic anticipations drawn from the wildest etymologies.“1744

1739 1740 1741 1742

1743

1744

pas le vicomte de Gourdon, […].“ Der von diesem verfasste Brief in: Cabié 1975, a.a.O., S. 585. So der englische Botschafter am 8.1.1584 in: State Papers, Foreign affaris, 1583–4, S. 300, Nr. 362. Hier zit. nach: Quynn 1943, a.a.O., S. 83. Hier zit. nach: Quynn 1943, a.a.O., S. 84. Zu dessen möglicher Identität als François Petau, siehe Quynn 1943, a.a.O., S. 87. Die gemeinsame Tochter Lucie (oder: Lucy, aber auch: Louise) wird 1597 geboren. Diese heiratet 1613 ihren Cousin Robert Gordon of Gordonstoun, an welchen John Gordon die Baronie von Glenluce mit allen französischen Besitzungen vererben wird. Aus: Stephen, Lee 1964, a.a.O., S. 213. Auch Richardson, Everingham 2005, a.a.O., S. 39. Zur Regentschaft James I. siehe die ausführliche Darstellung von: Asch 2005, a.a.O. Es sei darauf hingewiesen, dass vor James’ Sohn, Charles I. (1600–1649), 1631 eine von Aurelian Townshend verfasste Adaption des balets comique aufgeführt werden wird. Stephen, Lee 1964, a.a.O., S. 213.

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Während einer seiner triennalen Besuche 1619 verstirbt der 75-Jährige in Dorsetshire.1745 In der Annahme, dass es sich bei John Gordon um den Verfasser der allegorischen Auslegung zum balet comique handelt, ist es vor dem Hintergrund seiner biografischen Details und Ambivalenzen besonders interessant festzuhalten, dass ausgerechnet sein Text am deutlichsten eine Circe-Interpretation vertritt, die viel expliziter auf die konkrete Situation am Valois-Hof verweist, denn die vorher genannten. Ebenfalls auf Contis Auslegung basierend wie auf die homerische Vorlage im 10. Buch der Odýsseia Bezug nehmend, womit er sich als klassisch Gebildeten ausweist, bezieht er sich auf das tatsächlich vorgeführte Circespiel. Gordon führt aus, dass Circe für das Begehren stehe, welches alle Lebewesen dominiere und antreibe. Die Mischung aus Sinnlichkeit und Göttlichkeit würde manchen den Weg der Tugend, manchen den des Lasters wählen lassen. Der Autor nimmt sodann bewusst Bezug auf die Darstellerinnen des Spiels, namentlich die Königin, Prinzessinnen und Hofdamen als Verkörperung der Entsprechung von äußerer Schönheit und Tugendhaftigkeit. In seiner Auslegung formuliert Gordon deutlich, dass der Valois-Hof ein solch tugendhafter sei. Der appellativen Intention dieser Auslegung entsprechend nimmt der Autor somit Bezug auf die politische und soziale Gegenwart des Hofes. Deutlich wurde, dass mit diesen vier Texten im Traktat selbst ein Teil der Rezeptionssteuerung bereits mit angelegt worden ist. Streng genommen wiederholt die Anlage und Reihenfolge der allegorischen Ausdeutungen sogar die im vorgeführten Spiel angelegte Transformation: Von der mythologischen Erzählung ausgehend findet diese ihre Entsprechung in der Gegenwart der Hofmitglieder und der zeitgenössischen Rezipienten. Zu diesen gehörte zweifellos Pierre L’Éstoile (1540–1611). Er zeichnete von 1574 bis 1611 höfische Neuigkeiten auf, die 1621 erst publiziert wurden. Der studierte Jurist erhob hierbei durchaus den Anspruch bei seinen Schilderungen „gewissenhaft, unparteiisch“1746 zu sein. Es ist im übrigen Pierre L’Éstoile, der als Einziger einen Kommentar zu John Gordons literarischem Werk hinterlassen hat, mit dem Hinweis, dass es sich bei jenem um einen ‚Freund‛ gehandelt habe: „On m’a donné (en quoi je ne trouve pas qu’on m’a fait un grand present) les écrits suivants […] sur la mort du feu Roy, scavoir. L’Elégie latine de M. de Gourdon, Ecossais, ou j’ay regret qu’il y ait mis son nom, à cause de la reputation du personage et l’amitié que je lui porte.“1747 Anderson, W.: The Scottish nation or the surnames, families, literature, honours and biographical history of the people of Scottland. Bd. 1. London 1862. Auch Quynn 1946, a.a.O., S. 89. 1746 „[…] indépendence d’opinion.“ Hier zit. nach: Müller 1993, a.a.O., S. 89. 1747 L’Éstoile: Memoires-Journaux Paris 1881, S. 325. Hier zit. nach: Quynn 1946, a.a.O., S. 90. 1745

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Das balet comique erwähnt L’Éstoile nur knapp: „Le dimanche 15, la reine fit son festin au Louvre, lequel elle finit par un ballet de Circé et de ses nymphes, le plus beau, le mieux ordnonné et le plus dextrement executé, au contentement de chacun qui eut moyen de le voir, qu’aucun autre de tout ceux bauparavant par le roi et autres princes et seigneurs mis en jeu.“1748

Ausführlicher beschreibt er hingegen die missglückte Veranstaltung am 10. Oktober desselben Jahres, bei welcher der König einen Triumphwagen über die Seine zu seinem prächtigen jardin artificiel bringen sollte. Aber die Wagen seien, im Innern mit Musikern und Feuerwerkern bestückt, nicht zu bewegen gewesen. 50.000 Zuschauer hätten an der Seine drei Stunden lang gewartet. Der König sei schließlich sehr erzürnt in der Kutsche ans andere Ufer gefahren.1749 Der französische Schriftsteller Pierre de Bourdeille, seigneur de Brantôme (* um 1540–15.7.1614) war unter Charles IX. und Henri III. am Hof tätig.1750 Mitte der 1580er Jahre beginnt er seine Memoiren zu schreiben, die häufig schwärmerisch die Zeit am Hofe beleuchten, so auch die Ereignisse um die Joyeuse-Hochzeit. Aus den Briefen, die Hinweise auf das Hofleben in diesen Jahren geben, sei beispielhaft die umfangreiche Korrespondenz der Madame de Saint-Sulpice erwähnt, der am 24.8.1581 von de Rignac aus Paris berichtet wird: „Le roi est tous les jours après à se dresser pour les baletz et les combats qu’il veut faire aux noces de mr. Arques. La reine aussi y veut faire un beau balet.“1751

Kritischer sind die Aufzeichnungen Jacques Auguste de Thous (latinisiert: Jacobi Augusti Thuani) (1553–1617), der, in Paris geboren, als Jurist zunächst zum geistlichen Rat im Pariser Parlament ernannt wurde. Den beabsichtigten Eintritt in den geistlichen Stand gab er jedoch auf und wurde 1584 einer der Maîtres des requêtes. 1588 veranlasste er Henri III. zum Bündnis mit Henri de Navarre und reiste, um Geld zur Fortsetzung des Kampfes gegen die ‚Liga‛ zu beschaffen, nach Deutschland und Italien. In seiner Historia sua temporis (Frankfurt/M. 1621) heißt es zur Joyeuse-Hochzeit: „[…] zu Paris die Hochzeit /wiewol in höchster deß Volcks Armut /mehr dann mit Königlichem Pracht gehalten worden [...] / Welches /obs wol an ihm selbsten ein verhaßte Sach / so hat doch / Die hochezeitliche Zurüstung / ohngedacht / allen Leyds / auch al-

1748 1749 1750 1751

L’Éstoile 1881, a.a.O., S. 280. Siehe ebda. Siehe diesen Hinweis bei Müller 1993, a.a.O., S. 90, Anm. 726. Cabié 1975, a.a.O., S. 691. Siehe dort auch den bereits erwähnten Brief von La Broue an Madame de Saint-Sulpice, ebenfalls vom 24.8.1581, um das balet comique und den Ausschluss von Madame de Villeroy.

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III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

len Glauben weit übertroffen / dann sich solche auff zwölff mal hundert tausend Cronen belauffen / [...] ohn Maß außgegebene Verehrung und Gaben verwendet worden.“1752

Neben diesen Angaben zum Ereignis von 1581 gibt es Hinweise zu einer möglichen Wiederholung der Aufführung nach 1581. Nicolas Le Roux deutete vor einigen Jahren an, dass es im Rahmen eines Empfangs von englischen Gesandten am Valois-Hof zwischen dem 23. und 28. Februar 1585 eine Wiederaufführung des balets comique gegeben haben könnte. Die Gesandten waren gekommen, dem König den Hosenbandorden anzutragen. Aus diesem Anlass wurde im großen Saal des Erzbischöflichen Palastes am 3. und 10.3.1585 ein „splendid ballet“ im Rahmen mehrtägiger Festivitäten gegeben.1753 Dasjenige, welches am 10. März aufgeführt wurde, könnte, so Le Roux, eine Wiederaufnahme des balets comique gewesen sein „with its symbolism and concord reactivated as propaganda for home consumption.“1754 In den Aufzeichnungen von L’Éstoile vom März 1585 findet sich der Verweis auf das balet comique allerdings so explizit nicht. Es wird dort auf große Feste hingewiesen und auf ein „ballet […] dansèrent six vingts personnes des deux sexes, masquées et si sumptueusement habillées et diaprées, qu’on le disoit couster plus de vingt mil escus."1755

Zwar weist diese Stelle auf hohe Kostenaufwändungen hin, die sonstigen Angaben sind aber so nicht mit dem balet comique in Zusammenhang zu bringen. Auch Margaret McGowan geht in ihren Ausführungen auf die Anwesenheit der Gesandten am französischen Hof ein. So sollen die englischen Botschafter sich für einen Monat in Paris aufgehalten haben. Mehrere Feste und ballets wurden gegeben, wobei das Aufsehenerregendste jenes gewesen sein soll, das der König im grande salle du Louvre gab. Dieses wurde von zwei tanzenden Gruppen vorgeführt, wohl auch mit Bezug zur musique mesurée von A. de Baïf. Hier findet das balet comique jedoch keine Erwähnung.1756

1752

1753

1754 1755 1756

Thou, Jacques Auguste de: Historische Beschreibung aller gedenkwürdigsten geistlichen und weltlichen Sachen so sich zu seiner Lebzeiten zugetragen. Dt. Übersetzung von Historiae sui temporis. Frankfurt ca. 1621, S. 350. Isabelle Handy präzisiert diese Daten, indem auch sie darauf hinweist, dass das von Henri III gegebene Fest am 3.März 1585 zu Ehren englischer Gesandter, das am 10. März 1585 an demselben Ort veranstaltete Tanzeeignis 24 (?) Tänzer umfasst habe. Sie schenkt der Angabe bei L’Éstoile Glauben, wenn sie formuliert, dass das balet „prolonge de dix heures du soir à trois heures du matin“. Aus: Handy 2008, a.a.O., S. 270. Le Roux, Nicolas: Henri III and the rites of monarchy. In: Mulryne 2004, a.a.O., S. 116– 121, hier S. 118. Allerdings gibt Le Roux keine weitere Quelle an. L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 182f. Siehe McGowan 2006, a.a.O., S. 83.

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen

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Eine Imitation des balets comique wurde 1631 vor Charles I. und der Königin Henriette-Marie, einer Tochter Henris IV., am englischen Hof gegeben.1757 Zu dieser masque mit dem Titel Tempe restored von Aurelian Townshend1758 ist die Musik nicht mehr vorhanden. Die Dekore waren von Inigo Jones entworfen worden. Einige Passagen, so der gentilhomme fugitif und die Allegorie am Ende, sind aus dem balet comique übernommen worden. Auch war das Thema an das des balet comique angelehnt: „Pa l’intervention de Jupiter et de Minerve, le pouvoir de Circé est vaincu, et elle abandonne ce pouvoir, à la fin, au roi Charles et à la reine.“1759

An Stelle der voute dorée und der Harmonie der Sphären in den magnificences1760 platzierte man eine l’harmonie céleste. Neben diesen möglichen oder tatsächlichen Adaptionen, kann man auch mit Sicherheit sagen, dass das balet comique in seiner schriftlichen Form 1612 ein weiteres Mal gedruckt wurde. Innerhalb des zweiten Teils des Sammelbandes Recveil des plvs excellens ballets de ce temps erscheint es bei Toussaint du Bray (1604–1636)1761 in Paris in (Klein)-Oktav mit königlichem Privileg vom 28.9.1612.1762 „Toutes choses ont leur saison (amy lecteur)[…]“1763 – So eröffnet du Bray seinen Lesern die Welt seines Druckwerks. Wie alles seine Zeit habe, habe er eine kleine Sammlung der ballets zum Vergnügen des Lesers zusammengestellt, falls dessen Herz dem Tanz zugeneigt sei: „Je t’ay preparé vn petit recueil de Ballets pour te faire rire pendant ces iours gras, si tu as le coeur porté à la dance“.1764 Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis offenbart denn auch, dass von den elf genannten Werken acht aus dem Publikationsjahr 1612 stammen und lediglich das Dessein du Ballet de Monseigneur de Vendosme (12.01.1610) (Abb. 42), das Recit du Ballet de la foyre Sainct Germain (1607) und das Ballet Comique de la Reyne (1581) anderen Jahren zuzuordnen sind. Es stellt sich die Frage nach dem Grund für diese 1757 1758 1759 1760

1761 1762 1763 1764

Siehe Yates 1954, a.a.O., S. 255. Siehe Townshend, Aurelian: Poems and Masks. Hg. v. E.-K. Chambers. Oxford 1912, S. 79–122. Yates 1954, a.a.O., S. 256. Frances Yates sieht für diese bereits eine Parallele zu den Intermedien von 1589 in Florenz anlässlich der Hochzeit von Christine de Medici, jene Enkelin Caterinas, die die sog. Valois Tapisserien nach Florenz mitnehmen wird. In Florenz wurde 1589 das berühmt gewordene spettacolo La Pellegrina von Girolamo Bargagli zu diesem Anlass aufgeführt. Siehe Yates 1954, a.a.O., S. 263. Siehe: Arbour, Roméo: Un éditeur d’œuvres littéraires au XVIIe siècle. Toussaint Du Bray (1604–1636).Genève : Librairie Droz, 1992. Du Bray, Toussaint (Hg.): Recueil des plvs excellens ballets de ce temps. Paris 1612, S. 95–207. Ebda., S. 95. Ebda.

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III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

Auswahl. Zweifelsfrei betont auch die Aufnahme des balets comique in den Sammelband erneut die Signifikanz desselben. Im Bemühen einer dramaturgischen und dramatischen Kohärenzleistung steht es mit seinen gesprochenen Recits am Ausgangspunkt der Entwicklung der Gattung des sog. ‚ballet de cour‛ als neuer musikalisch-szenischer Ausdrucksform, die ihre besondere Ausprägung im ballet mascarade und hiernach im ballet mélodramatique fand.1765 „Formal zeichnet sich ab 1610 […] erstmals das Bestreben nach dramaturgisch schlüssiger Darstellung eines einheitlichen Handlungskonzeptes ab.“1766 Das ebenfalls im Recueil aufgenommenen ballet de Monseigneur de Vendosme (1610) des Pierre Gué(s)don (ca. 1570 – nach 1620) kann als dessen signifikantester Vertreter gesehen werden.1767 Die im balet comique angelegte Folge von geometrischen Figuren in Form des danses horizontale des das Schauspiel abschließenden grand ballets findet eine grafische Veranschaulichung im Druck des ballets von 1610. Auch in Bezug auf die Symmetriegestaltung der Bewegungsabläufe innerhalb der Gesellschaftstänze scheint sich zudem eine Veränderung abzuzeichnen: „In den ersten Jahrzehnten des 17. Jh. gibt es verschiedene Indizien, die auf einen leider nicht im Detail definierbaren Geschmackswandel im Bereich des Tanzes hindeuten.“1768

Eine andere deutlicher zuzuordnende Veränderung kann zudem festgestellt werden: Die im Vertrag von Fontainebleau am 12.8.1612 besiegelte Annäherung zwischen Frankreich und Spanien über die Doppelhochzeit zwischen Bourbonen und Habsburgern (1615) zeigt sich umgehend im Tanzgebrauch: „die Sarabande als Repräsentatin Spanien“ findet mit einer Ausnahme 1608 in Frankreich überhaupt keine Verwendung bis sie im Jahre 1612 nun gleich in drei sog. ballet de cour Verwendung findet!1769 Eines von ihnen ist das Ballet de Monsieur Vendosme faict à

1765 1766 1767

1768

1769

Siehe Dahms 2001, a.a.O., S. 97. Siehe ebda. Zu dieser Einordnung siehe: Böttger, Friedrich: Die ‚comédie-ballet‛ von Molière-Lully. ND der Ausg. Berlin 1930. Hildesheim 1979, S. 17–18 sowie Dahms 2001, a.a.O., S. 95f. Zur Beschreibung des ballet de Monseigneur le Duc de Vendosme und dessen ‚Druidenalphabet‛ siehe auch Prunierès, Henry: Le Ballet de cour en France avant Benserade et Lully suivi du ballet de la délivrance de Renaud. Diss. Paris 1914, S. 127ff. Siehe auch: Yates 1973, a.a.O., S. 248, Lacroix 1968, a.a.O., S. 265ff., McGowan 1963, a.a.O., S. 69–85, Strong 1991, a.a.O., S. 112 sowie Jeschke 1983, a.a.O., S. 460. Konkret bedeutet dies, dass das „Prinzip der sukzessiven Symmetrie (der einzelne Tänzer führt identische Bewegungsabläufe sowohl nach rechts wie nach links gewendet aus“ zugunsten „einer von zumindest paarweise Tanzenden ausgeführten Simultansymmetrie“ aufgegeben wurde. Aus: Dahms 2001, a.a.O., S. 65. Siehe zu diesem interessanten Phänomen den Aufsatz von Hannelore Unfried: Unfried, Hannelore: Die Sarabande. Wortlos, aber nicht sinnlos. Französische Geschichte im 17. Jahrhundert: Voraussetzungen zum Verständnis der Konnotation der Sarabande. In: Morgenröte des Barock. Tanz im 17. Jahrhundert. Tagungsband zum 1. Rothenfelser Tanz-

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Fontainebleau (oder: Ballet de Monsieur de Vendôme pour le Carrousel) vom 5.4. 1612., welches nicht zufällig das fast gleichnamige ballet von 1610 sowie den Ort der bilateralen Annäherung, nämlich Fontainebleau, in Erinnerung ruft. Das balet comique wird im Recueil, um den umfangreichen Vorredenteil eingekürzt, wörtlich abgedruckt. Es fehlt die Wiedergabe aller Kupferstiche und Noten. Der einzige Textteil, der zudem nicht mehr mitabgedruckt wird, ist die ursprünglich das Druckwerk des balets comique beschließende „Autre Allegorie De La Circé, selon l’opinion du sieur Gordon, escoçois, gentilhommes de la Chambre du Roy.“1770 Im Anschluss an die bereits ausgeführten Überlegungen ist es wahrscheinlich gerade jene konkrete Gebundenheit an den Valois-Hof, die Gordons Deutung 1612 unattraktiv macht. Es wäre möglich, dass dies zum einen darin begründet war, dass zur Selbstdarstellung des 1610 verstorbenen Henri IV. das ‚Negativbild‛ Henris III. komplementär dazugehörte. Da im Abdruck von 1612 zudem der Vorredenteil weggelassen wurde, erscheint das balet nun gleichsam ‚bereinigt‛ von seiner früheren konkret-politischen Kontextualisierung am Valois-Hof unter Henri III. Diese Form der Überschreibung durch Auslassung kann als ein durchaus probates Mittel, gerade in der Wiederverwendung von ‚Berichten‛ dieser Art gesehen werden.1771 Es wäre aber auch gleichermaßen möglich, dass die ambivalente Biografie des John Gordon und seine Rückkehr nach England in den Dienst James I. dazu führten, dass er als eine Autoritäts- und Reverenzquelle für den Wiederabdruck im Recueil 1612 nicht mehr in Frage kam. Statt der Ausdeutung von Sir Gordon findet sich nun ein zusätzlicher, lyrischer Text unter dem Titel A Monsieur de Malherbe.1772 Die eine Autorität ist scheinbar einer anderen gewichen. Denn zweifellos handelt es sich um ein Widmungsgedicht an den 1612 bereits hochdekorierten Schriftsteller François de Malherbe (1555–1628). Eröffnet mit den Worten „Voilà des vers de nostre maistre“ versucht der Text Malherbe als bedeutenden Verseschmied zu huldigen. Bereits Paul Lacroix veranlasste diese Gedichtaufnahme im Sammelband von 1612 zu der Vermutung, dass Malherbe Teile der Verse des balets comique gestaltet

1770

1771

1772

symposion. Hg. v. Uwe Schlottermüller und Maria Richter. Freiburg 2004, a.a.O., S. 217– 243, hier S. 219. Auch Lacroix ließ in seiner Ausgabe von 1968 diesen Text wegfallen, da er fruchtlos und zu lang sei („[…] inutile et à cause de sa longueur“) und er schließlich im Wiederabdruck von 1612 auch schon ausgespart worden sei. Aus: Lacroix 1968, a.a.O., S. 86. Ähnlichen verfuhr Blaise de Vigenère in Bezug auf den Einzug Henri III. in Mantua und der schriftlichen Abfassung zu diesem Ereignis zwei Jahre später. Siehe: Greengrass, Mark: Henri III. Festival Culture and the Rhetoric of Royality. In: Mulryne 2004, a.a.o., S. 105– 115. Zu den biografischen Angaben siehe World Biographical Information System Online (WBIS Online) unter Malherbe, François de: Archives Biographiques Françaises (ABF) Fundstelle: I 695, 34–182; IIS 66, 403–404; III 310, 287–296.

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III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

haben könnte.1773 Welche anderen Besonderheiten lassen sich für den Druck des Recueils von 1612 ausmachen? Mit der Ermordung Henris IV. 1610 war Maria de Medici in die heikle Regierungssituation geraten, einen ständig drohenden Krieg mit Spanien abzuwenden. Sie handelte eine doppelte Verbindung mit den Habsburgern aus. Die Verlobung ihres Sohnes Louis XIII. mit der spanischen Infantin Anna Maria von Österreich und die ihrer Tochter Isabella mit Philipp IV. von Spanien wurden 1612 mit vielen Festivitäten gefeiert. Auch das berühmt gewordenen Le Carrousel du Roy1774 fand im Palace Royale als Großereignis und unter großer Beteiligung einer breiteren Öffentlichkeit statt.1775 Dieser Umstand unterschied dieses Ereignis deutlich von den zuvor in der Regel nur einer exklusiven Öffentlichkeit präsentierten Festivitäten: „[…] the carrousel was a royal event that took place in and for the city, not unlike a Roman circus.“1776 Das aus diesem Anlass choreographierte Pferdeballet durch Pluvinel fand unter Beteiligung von Benjamin, duc de Vendô(s)me statt, der angeblich Sohn des Herzogs d’Épernon war.1777 Das Jahr 1612 verzeichnete gerade vor dem Hintergrund der französischen Doppelhochzeit außergewöhnlich viele präsentierte ballets. Texte hierzu stammten unter anderem von Guillaume de Baïf, einem Sohn von Jean-Antoine de Baïf. Auch weist Kate van Orden darauf hin, dass die Musik, zu der die Pferde tanzten, als mesurée à l'antique beschrieben wurde, „perhaps owing to the fact, that the music for the dance and that for the songs was one and the same.“1778 Wahrscheinlich stammte die Musik für dieses Pferdeballet von dem sehr anerkannten Luthisten Robert II. Ballard (c. 1570–75 bis nach 1650), der als valet de chambre und joueur de luth ordinaire bei Henri IV. in Diensten stand und Louis XIII. selbst Lautenunterricht gab.1779 Dieser war Sohn des Druckers Robert I. Ballard, der das balet comique 1582 verlegt hatte. 1780 Sicher ist es

1773 1774

1775

1776 1777 1778 1779 1780

Siehe Lacroix 1968, a.a.O., S. 86. Mignot, Louis (Hg.): Le carousel des pompes et magnificences faites en faueur du mariage du tres-chrestien roy Louys XIII. auec Anne infante d’Espaign. Paris 1612 . Als elektronische Ressource unter URL: http://special-1.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookDetails.aspx?strFest=0046 (letzter Zugriff Juli 2010). Dort auch die Präsentation des ballets de Monsieur de Vendôme pour le carrousel, siehe McGowan 1963, a.a.O.; auch Dépouillement du recueil de ballets de cour F-Pn / Rés F 496 unter URL:http://philidor.cmbv.fr/jlbweb/jlbWeb?html=cmbv/jlbbur&ref=12366&base=bibli o&champ=jlbbur&szBur=/biblio/bur/ (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe Van Orden 2005, a.a.O., S. 267. Van Orden 2005, a.a.O., S. 269. Ebda., S. 270 und S. 273 hier mit dem Fokus darauf, dass die zuvor für das ballet de cour entwickelten Prinzipien deutlich für die Ausbildung des ballet à cheval eine Rolle spielen. Siehe Guillo 2003, a.a.O., S. 78. Siehe ebda., S. 86.

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezeptionen

373

kein Zufall, dass sich personelle Bezüge mehrfach aufdecken lassen und so auch inhaltliche Berührungspunkte zu vermuten sind. Deutlich wird auch, dass sich sowohl die Erben der namenhaften Akademiemitglieder in Musik und Literatur, aber auch die Nachfahren der Erzmignons sich am Hof etablieren konnten. Ein weiterer Teilabdruck, und diesmal handelt es sich ausschließlich um den Abdruck der musikalischen Notationen wurde erst über 250 Jahre später, nämlich 1882, von Jean-Baptiste Weckerlin (1821–1910) herausgegeben.1781 Zwei handschriftliche musikalische Teilabschriften, wahrscheinlich ebenfalls aus Mitte des 19. Jahrundert können heute in Wien nachgewiesen werden.1782 Der Musiksammler und Komponist Weckerlin besaß offensichtlich bereits selbst eine Ausgabe des balets comique von 1582. Leider ist für dieses Exemplar1783, zu welchem die Württembergische Landesbibliothek eine Xerokopie besitzt1784, 1781

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1784

Siehe Weckerlin, Jean-Baptiste (Hg.): Le ballet-comique de la reine [Musique imprimée]: fait aux noces de Monsieur de duc de Joyeuse avec Mademoiselle de Vaudemont / par Balthazar de Beaujoyeulx, 1582; les paroles sont de La Chesnaye; reconstitué et reduit pour piano et chant par J.-B. Weckerlin. Paris 1882. Nachweise in: Répertoire International des sources Musicale (RISM). [Internationales Quellenlexikon der Musik] A/I B 1448, S. 630. Die Musikhandschriften finden sich in der Österreichischen Nationalbibliothek Musiksammlung, Wien (A) unter den Signaturen SA.68.D.68. Mus26 und SA.68.D.68. Mus26 und dem Titel: Ballett comique de la Reine. Auszüge. Theatralische Musik in Frankreich im Jahr 1581. Auszüge aus dem Balet comique de la Royne […] Die Musik dieses Balets (sic!) wurde verfertiget von den Sieurs Beaulieu & Salmon […].Partitur, Hs. Kiesewetter, Tinte 4 Bl. Möglicherweise findet sich eine weitere musikalische Teilabschrift in der Bibliothèque royale Albert I, Brüssel (B) unter Ms.Fétis 7328 C Mus. Beaujoyeulx, Balthasar: Balet comique de la Royne : faict aux nopces de Monsieur le Duc de Joyeuse et Mademoiselle de Vaudemont sa soeur / par Baltasar de Beauioyeulx. – [Xerokopie der Ausg. Paris 1582]. – Ann Arbor/Michigan, USA [u.a.] : Univ. Microfilms, 1971.; In dieser Kopie ist angegeben, dass die Microverfilmung auf Grundlage des Originals der Royal Academy of Dance, Nachlass P.J.S. Richardson , gefertigt wurde. Auf Anfrage war zu erfahren, dass die Royal Academy of Dance über dieses Exemplar leider nicht mehr verfüge. Nachweislich haben seit 2002 mind. zwei Exemplare der 1582er Ausgabe des balets zum Verkauf gestanden. Es konnte nicht geklärt werden, ob es sich hierbei auch um jenes aus dem Bestand der Royal Academy handelte. Zu einem wurde vor wenigen Jahren über das Antiquariat Hans-Host Koch in Berlin ein Exemplar verkauft, welches nun in Privatbesitz ist. Dieses wies einen roten Saffianledereinband auf. Das ehemalige Exemplar der Royal Academy war, laut Flechter, in grünem Leser eingebunden und trug einen Besitzervermerk „Weckelin“ Siehe hierzu auch die 2600 Bände umfassende Weckelin Sammlung (Le Fond Weckerlin, Teil des Fonds du Conservatoire) der Bibliotheque Nationale de France, Departement de La musique. Abb. 43 stammt aus: Beaujoyeulx, Balthasar: Balet comique de la Royne : faict aux nopces de Monsieur le Duc de Joyeuse et Mademoiselle de Vaudemont sa soeur / par Baltasar de Beauioyeulx. – [Xerokopie der Ausg. Paris 1582]. – Ann Arbor/Michigan, USA [u.a.] : Univ. Microfilms, 1971. Mit herzlichem Dank an Frau Karin Kunze, Tanz- und Balletsammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart kann eine Papierkopie der Xerokopie wie sie in der Württembergischen Landesbibliothek vorliegt, mit Abb. 43 vorgestellt werden. Die Qualität der möglichen Kopien ist jedoch für weitere Recherchen nicht aus-

374

III.2. Schriftliche Wiederaufnahmen: gedruckte Rezepzionen

nicht mehr das entsprechende Original in der Royal Academy of Dance in London nachweisbar. Nur in dieser Ausgabe ist jedoch auf die Vorderseite des Schmutzblattes, im Anschluss an den Buchdeckel, die Abbildung eines sitzenden Mannes zu erkennen, der ein Streichinstrument in Händen hält und dieses, auf dem Schoß abgestützt, dem Betrachter zu präsentieren scheint. Es trägt die Unterschrift: Baltazarini. Leider kann über den Ursprung und Zustand des Bildes z. Z. überhaupt keine Aussage gemacht werden.1785 Nachdem die Rezipienten des 19. Jahrhunderts offenbar vor allem an musikalischen Aspekten des Werkes interessiert waren, scheint unser Jahrhundert noch mehr „le premier tiltre et honneur à la dance“1786 zu geben. Denn auch im 21. Jahrhundert ist das balet comique nicht in Vergessenheit geraten. So wurden z. B. zum Quarto Centenario della Nascita dell’Opera am 13.Januar 2001 I balletti nel Balet comique de la royne im salone da ballo del Castello di Belgioioso mit dem Hinweis “lo spettacolo consisterà nel primo tentativo di ricostruzione delle danze […]“1787 geben. Die Narrativa um den Schöpfer der Handlung stehen hier zwischen den biografischen Zuschreibungen eines italienisierten „Baldassarre da Belgioioso, poliedrico personaggio, nativo forse di Belgioioso“ und eines französisierten Namenspaten des Ensemble Beaujoyeux vergnüglich nebeneinander. Das balet comique hat es weit gebracht. Zu den Rezeptionen aus jüngster

1785

1786 1787

reichend gut. Leider ist auch der Microfilm in Ann Arbor nicht mehr als solcher verfügbar, wie die Recherchen ergaben. Erfolg versprechend könnte vielleicht zukünftig eine Museumsrecherche sein, denn vorsichtigen Schätzungen zur Folge könnte der Abbildung ein Gemälde zugrunde liegen – die Signatur eines Künstlers deutet sich an. Bedenklich stimmt aber, dass das Exemplar, das der Aufnahme des Microfilms zu Grunde lag, offenbar zur Sammlung Weckerlins gehörte. Weckerlin wiederum erwähnt explizit, dass kein Portrait von Beaujoyeulx existiere. Siehe: Weckerlin 1882, a.a.O., S. 10. Dietrich Erben weist darauf hin, dass es gerade Komponisten selbst waren, die häufig Portraits anderer Musiker sammelten, seltener darauf beschränkt„die biographische Existenz des Dargestellten zu dokumentieren“, denn um „vielmehr […] die unsichtbare ästhetische Wirklichkeit der Musik eines Komponisten“ zu bezeugen. Dies könnte ein erster Hinweis sein, warum sich das Bild in der Ausgabe von Weckerlin findet. In diesem Sinn wäre es auch nicht unwahrscheinlich, dass das Bildnis eher mit dem 19. denn mit dem 16. Jahrhundert in Zusammenhang gebracht werden könnten, finden sich doch gerade im 19. Jh. Bildnisse von Komponisten, die „als Zeugnisse für die spätere Sicht auf diese Musiker zu bewerten sind.“ Siehe Erben, Dietrich: Komponistenporträts. Von der Renaissance bis zur Gegenwart. Stuttgart 2008, S. 18, 19 und S. 22. Beaujoyeulx in seiner Vorrede an den Leser: Hier zit. nach Lacroix 1968, a.a.O., S. 14. Programmblatt des Ensembles Beaujoyeux: Celebrazioni del Quarto Centenario della Nascita dell’Opera. Provincia di Pavia-Assessorato alla cultura. Commune di Belgioioso: I balletti nel Balet comique de la royne, faict aux noces de Monsieur Le duc de Ioyeus & Madamoyselle de Vaudemont sa soeur (1581) di Baldassarre da Belgioioso. Salone da ballo del Castello di Belgioioso, 13 Gennaio 2001.

3.1. Tanz-Memoria

375

Zeit gehört auch eine durch das Ensemble Danza Contemporánea de Cuba. Es führte El ballet cómico de la reina im mittelamerikanischen Kuba, und mit explizitem Bezug auf 1581, dort im Jahre 2005 auf.1788

III.3. Theoretische Aneignungen: Tanz – Memoria – Schrift: Zwischen Transformation und Narration III.3.1.

Tanz – Memoria

Im Tanz erhält die Erinnerung im Begriff der memoria vorerst ihre technischmentale Entsprechung.1789 Schon Domenico da Piacenza griff diesen Begriff 1416 auf und erklärte, dass „eine große und tiefe memoria [.] den Schatz aller Bewegungen und zweitens die Form, nach der der Tanz komponiert wird (berge).“1790 Auch Guglielmo Ebreo hatte 1463 mit Terminii wie misura, memoria, mainiera, partire di terreno, aire oder movimento corporeo die Tanzästhetik umschrieben, sodass die Tanzenden über ein gutes Gedächtnis und ein maßhaltendes Raumund Zeitgefühl verfügen mussten, wollten sie ‚dolce gratia‛ und ‚gloria‛ verkörpern.1791 Insofern bedeutete memoria die zeitgemäße Vergegenwärtigung der Grundzüge des Repertoires und die des Konstruktes, mit dessen Hilfe die Tänzer instruiert wurden, genau festgelegte Standorte und Taktzahlen zu erfassen.1792 So erstaunt es nicht, dass bereits in den Tanzschriften seit Lucian immer wieder explizit durch die Tanzmeister gefordert wird, das ein ausgezeichnetes Gedächtnis Voraussetzung für einen ‚guten‛ Tänzer sei. Allerdings erhält diese Forderung vor dem Hintergrund frühneuzeitlicher Entwicklungen eine besondere Signifikanz: „Die Flut von Mnemotechniken, die auf dem frühneuzeitlichen Buchmarkt auftaucht, entspricht […] genau diesem mit jetzt zur Verfügung stehenden Mitteln zu theoretisierenden Unbehagen an dem jederzeit der willentlichen Kontrolle sich entziehenden Gedächtnis.

1788 1789 1790

1791 1792

Zu den Rezeptionen des 21. Jahrhunderts sei auch auf die musikalische Einspielung von Gabriel Garrido von 1998 hingewiesen. Siehe auch Saftien 1994, a.a.O., S. 74f. Da Piacenza, Domenico: Bibliothèque Nationale, ms. It. 972, fol. 2. Später unter dem Titel benannt: De arte saltandi e choreas ducendi. o.O. o.J. (1416), hier zit. nach Brainard 1956, a.a.O., S. 149. Siehe Salmen 1999, a.a.O., S. 85 hier mit Bezug auf Ebreo, Guglielmo: De praticha seu arte tripudii vulghare opusculum,. o.O. 1463. Siehe Zur Lippe 1988, a.a.O., S. 132.

376

III.3. Theoretische Aneignungen: Tanz-Memoria-Schrift

Das Talent eines guten Gedächtnisses wird als von unschätzbarem Wert und beinahe sogar tragischerweise sogar als Voraussetzung für die Ausführung der Praktiken der ars memorativa angesehen.“1793

Memoria – meint so zweifelsfrei im Tanz auch die ganz praktische Funktion des ‚Sich-Erinnern-Übens‛, im Sinne des Gebrauchs von Mnemotechniken. Wie bereits dargelegt wurde, modellieren auch im balet comique Figuren, Zahlen und Namen die Mnemonik des Tanzes.1794 Darüber hinaus sollen im Sinne eines kollektiven Sinnbildungsprozesses1795 im balet comique politische Konstrukte erinnert werden; soziale und kulturelle Formierungen und Ordnungen sollen im Gedächtnis der Teilnehmer wie Zuschauer gehalten werden. Dieser Gedanke kann zudem auch für den Tanz selbst in Anspruch genommen werden. In der Annahme nämlich, dass der musikalischtänzerische Rhythmus die soziale Ordnung unterstreicht und ein mögliches Medium zu seinem Ausdruck ist. Im balet comique wird dieser Ordnung auch in der tänzerischen Praxis des horizontalen geometrischen Tanzes Ausdruck verliehen. Das Tanzen wird so gleichzeitig zur Metapher der Verinnerlichung wie der Veräußerlichung.1796 In diesem Sinn leisten die magnificences einer kollektiven Sinnbildung Vorschub. Die Stoffe der balets, wie an Circe veranschaulicht, wurden aus dem großen Feld der Mythen gewählt. Sie wurden bedacht aus dem Vergangenheitsbereich einer fiktiven Wirklichkeit genommen, um – noch innerhalb der Aufführung –, mit realen Bezügen in Verbindung gebracht zu werden. Anders gesagt: Im balet comique sollte mit dem Erinnern an die CirceGeschichte eine Vergewisserung der (mythischen) Vergangenheit und ihrer Lösungsangebote als Erklärungsversuch der aktuellen politischen Situation, versehen mit der zukünftigen Perspektive eines friedlichen Zusammenlebens, Gestalt annehmen. Paradoxerweise gerät somit die ‚verwirrende‛ Gegenwart zur notwendigen Konstituente der friedlichen Zukunft. Dies geschieht quasi in Form einer

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Traninger 2000, a.a.O., S. 42. Vgl. hierzu allerdings Marchetti, der konstatiert „dass die Gedächtniskünste durch die humanistische Druckkunst in arge Bedrängnis geraten.“ Aus: Marchetti 2000, a.a.O., S. 691. Hier nach Brandstetter, Gabriele: Choreographie als Grab-Mal. Das Gedächtnis von Bewegung. In: ReMembering the Body. Hg. v. Gabriele Brandstetter und Hortensia Völckers. Ostfildern-Ruit 2000, S. 102 – 116, hier S. 112. Vgl. hierzu Franko 1993, a.a.O., S. 43. Siehe hierzu die kulturwissenschaftliche These, dass es sich bei individueller wie kollektiver Sinnbildung um eine Erinnerungsleistung handelt, in der sich die Beteiligten der Vergangenheit vergewissern, um die Gegenwart zu erklären und die Zukunft zu perspektivieren. Siehe hierzu die im balet comique selbst angelegte Lesart durch Sir Gordon zur Dichotomie von ‚innerer Tugendhaftigkeit‛ und ‚äußerer Schönheit‛. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 75f.

3.1. Tanz-Memoria

377

performativen Simultanität, die Leistung der memoria, „dass sie nämlich scheinbar die Transition der Zeiten ermöglicht“1797 vor Augen führt. In dem Augenblick, in dem die Erinnerung den räumlichen und zeitlichen Rahmen der Alltagskommunikation verlässt, also das lebensweltlich-kommunikative Gedächtnis in das kulturelle, zeitlich weiter zurückreichende und potentiell auch weitere Teile der Gesellschaft erfassende Gedächtnis übertritt1798, bedarf dieses der kulturellen Formgebung und wird Teil eines „sozialen Erinnerungsorgans“: „Von grundlegender Bedeutung für das kulturelle Gedächtnis ist also – im Unterschied zum kommunikativen – die Formung der Erinnerung durch Kultur, durch Sets der kulturellen Überlieferung. Vergangenheit vermittelt sich nur in kultureller Formung. Das soziale Gedächtnis ist immer ein Bildgedächtnis oder umgekehrt wie es Gottfried Korff im Anschluss an Aby Warburgs Mnemosyne Projekt formuliert hat, Kultur ist nichts anderes als ein soziales Erinnerungsorgan. 1799

Indem die Tanzereignisse und deren Aufzeichnungen nicht nur als „Ergebnis und Reflex der gesellschaftlichen Verhältnisse interpretiert“, sondern auch als „mentale[r] Entwurf, dem die gesellschaftliche Wirklichkeit folgt“, gesehen werden, werden sie Mittel kultureller Formung.1800 Und auch im Tanzereignis balet comique werden diese kollektiven „Prozesse durch gezielte Erinnerungs- und Vergessenspolitik gesteuert.“1801 Es wird der Versuch gewagt, auch in Bezug auf ein frühneuzeitliches Beispiel davon auszugehen, dass das kulturelle Gedächtnis sich nicht selbst organisieren kann, da es „auf Medien und Politik angewiesen“ ist.1802 Pierre Norá prägte den Begriff der Gedächtnisorte, der lieux de mémoire und beschrieb hiermit, dass jede Gruppe, die sich als solche konstituiert, bestrebt ist, „sich Orte zu schaffen und zu sichern, die nicht nur Schauplätze ihrer Interaktion abgeben, sondern Symbole ihrer Identität und Anhaltspunkte ihrer Erinnerung sind. Das Gedächtnis braucht, wie schon die antike Gedächtniskunstkunst, die ars memoriae seit Cicero und 1797 1798 1799

1800 1801 1802

Traninger 2000, a.aO., S. 41. Siehe Assmann, Aleida: Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999, S. 15. Borsdorf, Ulrich, Grütter, Heinrich Theodor: Einleitung. In: Orte der Erinnerung. Denkmal, Gedenkstätte, Museum. Hg. v. Ulrich Borsdorf, Heinrich Theodor Grütter. Frankfurt/M. 1999, S. 1–10, hier S. 2. Analog hierzu könnte auch Tanzkultur als soziales Erinnerungsorgan verstanden werden: Dort wo Tanz ‚kultiviert‛ wird, dient er der kollektiven Sinngebung und wird selbst zum sozialen Erinnerungsorgan. Entsprechend könnten die Tanzschriften vergangener Jahrhunderte, in denen der Tanz durch seine Aufzeichnung kulturell geformt und überformt wird, als Transformationsmedien dieses kulturellen Gedächtnisses verstanden werden. Hier in Adaption des bei Borsdorf, Grütter 1999, a.a.O., S. 3 vorgeschlagenen Kulturbegriffs. Assmann 1999, a.a.O., S. 15. Ebda.

378

III.3. Theoretische Aneignungen: Tanz-Memoria-Schrift

Quintilian weiß, Orte, es tendiert zur Verräumlichung, ähnlich wie die Geschichte zur Verzeitlichung neigt.“1803

Norás Definition ist weit gefasst und meint außer konkreten Institutionen genauso Feste oder auch rituelle Handlungen und Objekte – eben „all die kulturellen Manifestationen, die die Funktion haben, etwas im Gedächtnis zu bewahren.“1804 Das kulturelle Gedächtnis verschafft sich hierbei über Ankerpunkte Orientierung, die die Erinnerung eines Kollektivs an Ereignisse der Vergangenheit durch kulturelle Formung, z. B. über Texte oder wiederholte kulturelle Handlungen, umsetzen und wachhalten.1805 Die Tanzereignisse, wie sie die frühneuzeitlichen magnificences darstellen, geraten zu solchen Orten, bei denen politische und soziale Zusammenhänge im Gedächtnis bleiben sollen. Dies geschieht gerade auch vor dem Hintergrund, „dass in der Frühen Neuzeit die Kenntnis der Geschichte im Sinn der von Historiographen erzählten Geschichten als unmittelbare normative Handlungsanleitung im Sinne einer magistra vitae verstanden wurde. […]“1806

Aber auch der Tanz selbst gerät durch seinen Vorrat an Symbolen zum Gedächtnisort. Und letztlich werden die Tanzschriften, losgelöst von den engen räumlichen und zeitlichen Rahmen der magnificences, für größere und nachfolgende gesellschaftliche Gemeinschaften zu solchen Orten vergegenständlichter Erinnerung.1807

1803 1804 1805

1806 1807

Borsdorf, Grütter 1999, a.a.O., S. 4. Borsdorf, Grütter 1999, a.a.O., S. 4. Siehe Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Kultur und Gedächtnis. Hg. v. Jan Assmann und Tonio Hölscher. Frankfurt/M. 1988, hier S. 9–19, bes. S. 12. Traninger 2000, a.a.O., S. 40. Hierbei wird relevant, dass die Ausprägung dieser Erinnerungssorte historischem Wandel unterworfen ist, und dass der Tanz selbst wie auch die Tanzschriften große Teile dieser Funktionen bis heute eingebüßt haben. Vergleiche hierzu Monika Woitas, die nachweist, dass die Vorrangstellung des Tanzes im ästhetischen Diskurs der darstellenden Künste kontinuierlich abnimmt und argumentiert, dass mit der Konzentration auf bewegungstechnische Details, eine inhaltliche Verflachung der Ballette und eine Abwertung des spezifischen Ausdruckspotenzials des Tanzes einhergeht. Siehe Woitas 2004, a.a.O.

3.2. Tanz-Schrift

379

Insofern werden die historischen Relikte, in diesem Fall die historischen Tanztraktate – seien es Tanzschriften oder Werke wie das balet comique – einerseits zu ‚visuellen Merkwelten‛ (Korff).1808 Gleichzeitig bilden sie ein Medium der Erkenntnis und des Verständnisses vergangener Gesellschaften, weit über die eigentlichen Tanzschritte hinaus. Individuen wie Kulturen organisieren ihr Gedächtnis mithilfe externer Speichermedien und kultureller Praktiken. Ohne diese lässt sich kein epochen-und generationenübergreifendes Gedächtnis aufbauen.1809 Auch für die Frühe Neuzeit lässt sich dies, besonders im Zuge eines Paradigmenwechsels, der Mnemonik und Rhetorik als kosmologische und enzyklopädische Kategorien beschreibt, ausmachen und differenziert beschreiben: „Die memoria umfasste [.] den idealen Ort eines ganzen, ursprünglichen, göttlichen Wissens, also, das immer schon Erinnerung ist, anamnesis, Rückbindung an die archetypische Welt, an den topos eidon, an die ‚innere Schrift‛ der Dinge. Diese innere Schrift ist aber auch in der frühneuzeitlichen Gedächtnistheorie immer schon an eine äußere Schrift gebunden, an die hypomnetischen, mnemotechnischen, graphischen, mechanischen, rhetorischen, esoterischen usw. Operationen des Gedächtnisses, mit einem Wort: an die Leistungen einer ars memorative.“1810

III.3.2.

Tanz – Schrift

Hierbei ist eine Leitmetapher des Gedächtnisses seit nunmehr Jahrtausenden die bestimmende: die Schrift. Zahlreich sind die Zeugnisse, die „die Schrift allen anderen Gedächtnismedien vorziehen und als zuverlässiges Dispositiv der Dauer rühmen. Dieses kulturelle Ziel einer überzeitlichen Dauer scheint eng mit der abendländischen Schriftmetaphysik verbunden zu sein, die den Geist als eine immaterielle, überhistorische Kraft erfand und die Schrift zu ihrem kongenialen Medium erklärte.“1811

Die Schrift, dies konnte auch für das balet comique gezeigt werden, speichert, anders als Bilder, sprachabhängige Eindrücke und Erfahrungen.

1808 1809 1810 1811

Hier nach Borsdorf, Grütter 1999, a.a.O., S. 9. Siehe hierzu Assmann 1998, a.a.O., S. 19. Kilcher 2000, a.a.O., S. 201. Assmann 1998, a.a.O., S. 20.

380

III.3. Theoretische Aneignungen: Tanz-Memoria-Schrift

Choreographie1812 kann verstanden werden als Beschreibung jenes Raums an der Grenze von An- und Abwesenheit, als Erinnerung an bewegte Körper, die nicht präsent zu halten sind.1813 Wenn Tanz verschriftlicht wird, wird die Schrift an die Stelle der bewegten Körper gesetzt.1814 Die Schrift wiederum beruft einen leeren Raum, der den Tanz aus sich entlassen hat1815 – eine Leerstelle, die der Leser wieder füllt. Erzeugt wird hierbei auch eine Lesebewegung, die die Leerstelle mitbesetzt und zur Spur wird, die an die Stelle der eigentlichen Bewegungspraxis tritt. Choreo-graphie ist aber auch als Schreibbewegung wie Bewegungsschrift der Versuch, zu fixieren, was nicht haltbar ist. Etymologisch verweist das Griechische gráphein auf „mit Schrift bedecken“ wie auch auf „ritzen, einschneiden.“1816 Nach diesem Verständnis meint Choreographie zudem das Setzen und Löschen von Bewegungsspuren. Besonders ambitioniert gerät dies, wenn der Anspruch vermittelt werden soll, dass die tänzerische Bewegung nicht gleichmäßig dahinfließt, sondern von Impulsen angestoßen minimalisiert und dann wieder dynamisiert werden soll.1817

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Vgl. hierzu ein mögliches heutiges Verständnis im Tanz von Choreographie „als ‚die Technik des Verteilens und Ordnens von Einzelpersonen im Raum‛–, ohne jedoch weder die Technik zu spezifizieren, noch die Beziehung zwischen Technik und Raum zu problematisieren.“ Siehe, hier mit Bezug auf Emil Hravtin Claudia Jeschke. Aus: Tanz als BewegungsText. In: Bewegung im Blick. Beiträge zu einer theaterwissenschaftlichen Bewegungsforschung. Hg. v. Claudia Jeschke und Hans-Peter Bayerdörfer. Berlin 2000, S. 47– 58, hier S. 57. Darüber hinaus will Jeschke, im Unterschied zum Gebrauch des Terminus innerhalb der vorliegenden Arbeit, den Begriff der Choreographie genauer abgrenzen: „Anders als die üblichen Verständnisweisen von Choreographie, die auf ihren formal ordnenden Charakter eingehen oder sie als eine auf Tanz generell verweisende Metapher gebrauchen, lässt sich Choreographie als komplexes, trennscharfes Medium lesen – als Operation, Verfahren, das sich erkenntniseffektiv und methodisch stringent über den jeweils unterschiedlichen – konzeptualen wie materialisierten – Umgang mit Bewegung im Referenzsystem von Wissen, Schreiben und Erfinden bestimmen lässt.“ Aus: ebda. S. 58. Zur Darstellungsproblematik siehe Brandstetter 2000, a.a.O., hier Einleitung, S. 10–26, bes. S. 20 und S. 26. Vgl. hierzu jüngst die Überlegungen von Nicolee Haitzinger, die anmerkt, „dass das Ephemere der Tanzkunst, das sich als Gefühl des Verlustes in die moderne, teilweise auch noch zeitgenössische Tanztheorie auf dem Papier eingraviert, in der Renaissance und der Klassik kaum eine Rolle spielt.“ Dies. 2009, a.a.O., S. 15. Zu diskutieren wäre, inwiefern dieses ästhetische Konzept als Reaktion auf das transitorische Moment des Tanzes, welches als „Gefühl des Verlustes“ in der Moderne vielleicht zu lesen ist, gelten kann. Unstrittig ist sicherlich, dass die schriftliche Fixierung der transitorischen Kunstform Tanz immer wieder Theoretiker wie Praktiker seit der Frühen Neuzeit beschäftigt hat, mindestens als Erinnerungs- und (nachträgliche) Deutungshilfe. Jeschke 1983, a.a.O., S. 7f., Siehe Brandstetter 2000, a.a.O., S. 112. Vgl. hierzu jedoch dies.: graph – Den Körper schreiben. In: Ballett international. Tanz aktuell, N. 3 (1999), S. 26–29. Ähnlich siehe Brandstetter 1999, a.a.O., S. 28. Siehe Saftien 1994, a.a.O., S. 90.

3.2. Tanz-Schrift

381

Und so bemüht Arbeau z. B. in der Erklärung der Cadenz gegenüber Capriol folgende Metaphorik: „So ist der große Sprung quasi ein Schweigen der Füße und Aufhören der Bewegungen.“1818 Scheinbar paradox fixiert Arbeau so das Bewegungsbild durch die Metapher der Erstarrung:1819 Hierzu formuliert Gabriele Brandstetter in Analogie zu Domenicos frühem fantasmata-Begriff von 1416: „In diesen Bildern sind Zäsuren der Bewegung in den Erinnerungsprozess eingeschnitten – Übergangszonen, Intervalle zwischen einzelnen Bewegungssequenzen. Die ‚fantasmata‛ bezeichnen Momente des Innehaltens, wie ein Atemholen. Sie öffnen jenen bedeutsamen Augenblick in dem das (Erinnerungs)Bild in den Moment der Ruhe und des Stillhaltens des Körpers eintritt und die Bewegung insgesamt, in der Figur, zusammenfasst. Die ‚fantasmata‛ leisten in dieser bildlichen Vergegenwärtigung – zwischen Vergangenem und Zukünftigem – eine Reflexion der ‚memoria‛.“1820

Das Bewegungsgedächtnis und Einbildungs- und Vorstellungskraft gehen seit der frühen Neuzeit ein wechselseitiges Verhältnis ein. Allerdings, so betont Valerio Marchetti, nicht immer eines, das von allen Seiten begrüßt wurde: So weist er in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „der Protestantismus von Anfang an […] den Kampf mit der religiösen Einbildungskraft aufnehmen musste und dabei die Nähe von Gedächtnis und Imagination verurteilte.“1821 1818 1819

1820 1821

Stewart-Evans, Sutton 1967, a.a.O., S. 66 und S. 91. Vgl. hierzu auch den Begriff der fantasmata bei Domenico von 1416, der mit der memoria untrennbar verbunden sei: „Manchmal – besonders in einem langsamen Tanz – sei es nicht unschön, wenn der Tänzer für Dauer eines tempo wie tot erstarre, um dann im nächsten, wie zum Leben erweckt, weiterzutanzen.“ Aus: Da Piacenza, Domenico: Bibliothèque Nationale, ms. lt. 972, fol 2. Später unter dem Titel geführt: De arte saltandi e choreas ducendi. o.O. o.J. (1416). Hier zit. nach Saftien 1994, a.a.O., S. 89. Zur Diskussion des komplexen Begriffs fantasmata siehe Franko, Mark: La théatralité du corps dansant. In: Le corps à la renaissance: Actes du XXX. colloque de Tours 1987. Hg. v. Jean Céard. Paris 1990, S. 243–252, bes. S. 248ff., auch ders. 1986, a.a.O., S. 58–66. Auch erkennt Mark Franko einen Zusammenhang von fantasmata und dem balet comique: „On trouve de nombreuses indications que la fantasmata était aussi à l’oeuvre comme principe structurant des danses horizontales ou géométriques. Lorsque Beaujoyeulx appelle le ballet ‚des meslanges géométriques de plusieurs personnes dansans ensemble‛, il décrit ce genre chorégraphic dont le but était de faire voir des letters, symbols ou figures faits des attitudes des corps de douze ou seize danseurs vus d’un angle plongeant.“ Aus Franko 1990, a.a.O., S. 250, aber auch S. 251. Siehe auch: Brandstetter 2000, .a.a.O., S. 110. Vgl. hierzu auch die Bedeutung der Einprägekraft des Bildes‛ innerhalb der ars mnemonica. Siehe Fleckner, Uwe: ‚Der Leidschatz der Menschheit wird humaner Besitz.‛ Sarkis, Warburg und das soziale Gedächtnis der Kunst. In: Fleckner 1995, a.a.O., S. 10–20, hier S. 19. Vgl. hierzu auch die Verwendung des Begriffes Phantasma bei Aristoteles. Aristoteles: Von Gedächtnis und Erinnern. In: Fleckner 1995, a.a.O., S. 34–44, hier S. 38. Brandstetter 2000, a.a.O., S. 112. Marchetti 2000, a.a.O., S. 692. Hier auch mit dem Hinweis, dass z.B. „der Calvinist Pierre de la Ramée den Ausschluss des Gedächtnisses aus der Redekunst und die Tilgung der Mnemotechnik aus der Erziehung Heranwachsender zu einem Eckpfeiler seines Bildungs-

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III.3. Theoretische Aneignungen: Tanz-Memoria-Schrift

Die Circe-Passagen im balet comique können dem widersprechend eher als Ausdruck eines „verborgenen Gedächtnis(ses) der Renaissance, das versucht, den „gnoseologischen Gebrauch der Vorstellungen und der Einbildungskraft zu verstärken,“1822 gesehen werden; als Intervalle und Übergangszonen zwischen einzelnen Bewegungssequenzen. Im Stillhalten des Körpers wird nämlich gerade das antizipatorische Gedächtnis in seiner Einbildungskraft und Vergegenwärtigungsleistung von Vergangenem und Zukünftigem gefordert.1823 In diesem Sinne wird Tanz hier zur ars memorativa, und im balet comique zum Medium der Transformation. Um diesem Akt Dauer zu verleihen, wird das performative Ereignis transformiert. Das Druckwerk des balet comique als Medium der Narration konstruiert Vorstellungen und Erwartungen – ganz so, wie sich das kulturelle, epochenübergreifende Gedächtnis auf Texte als materiellem Träger stützt.1824 Diese Allianz von Schrift und Gedächtnis vermag denn auch Juan Huarte 1575 als ein Mitglied frühneuzeitlicher Gesellschaft treffend zu formulieren: „Das Gedächtniß verhält sich also eben so zu der Einbildung, wie sich das reine und weisse Papier gegen den Schreibenden verhält: denn so wie der Schreibende dasjenige auf das Papier bringt, was er nicht vergessen will, und wie er es, nachdem er es darauf gebracht hat, wieder überlieset; eben so schreibet gleichsam die Einbildungskraft die Bilder derjenigen Sachen in das Gedächtniß welche die Sinne empfunden, oder der Verstand begriffen, oder sie sich selbst gebildet hat; und wann sie sich ihrer wieder erinnern will, sagt Aristoteles […], so übersieht und betrachtet sie sich wieder. Fast ebenso ein Gleichniß braucht Plato, wenn er spricht: […] man (solle) sich bey Zeiten ein Gedächtniß von Papiere, worunter er die Bücher verstehet, zulegen, damit Fleiß und Arbeit nicht vergebens sey und man einmal etwas habe welches uns an alles erinnern könne was wir für anmerkungswürdig gehalten haben […].“1825

1822 1823

1824 1825

programms für das protestantische Europa (macht).“ Es steht zu vermuten, dass auch dem Tanz als Erziehungsideal in Ramées Konzept kein umfangreicher Platz mehr zugedacht war. Marchetti 2000, a.a.O., S. 692. Bemüht man an dieser Stelle nochmals die Überlegungen Jean-Claude Schmitts zur mittelalterlichen ‚Logik der Gesten‛, erscheint es mir bemerkenswert, dass gerade die Mobilität des Körpers im mittelalterlichen Denken als vergänglich, weil leiblich gilt, hingegen das Göttliche durch die Abwesenheit von Bewegung, also in der Ruhe erscheint. Überträgt man diese Idee auf die Beobachtungen zu Arbeau und Domenico, wertet Arbeau in diesem Verständnis mit der Verwendung der ‚Metapher der Erstarrung‛ das Bewegungsbild auf. Auch kann dies im Zusammenhang mit dem fantasmata-Begriff Domenicos da Picenza gelesen werden. Siehe Schmitt 1992, a.a.O., S. 35f. sowie Haitzinger 2009, a.a.O., S. 22. Siehe Assmann 1998, a.a.O., S. 12. Huarte, Juan: Das reine und weisse Papier des Gedächtnisses (1575). In: Fleckner 1995, a.a.O., S. 102–104, hier S. 102.

4. Zusammenfassung

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III. 4. Zusammenfassung Die Wiederaufnahme der bereits umfänglich interpretierten Valois-Tapisserien, jetzt aber mit besonderem Interesse für die Darstellung Henris III., sowie die Herausarbeitung der franco-flämischen Einflüsse auf die Festgestaltung, leitete die Analyse der Rezeptionsgeschichte des balets comique ein. Die „gemalten Aufnahmen“ von Tanzgesellschaften am Valois-Hof mit ihren Bräuten sollten noch einmal den weiblichen Part und die Inszenierung der Hochzeit im verwandtschaftlichen Raum aufrufen. In diesem letzten Teil der Untersuchung wollten die Interpretationsvorschläge zu einer größeren Zahl ikonografischer Quellen zu den Valois-Festen und der Joyeuse-Hochzeit, wie zu den möglichen Wiederaufnahmen und Bühnenadaptionen von Sujet und Motiven des balets comique neue, in der Zukunft noch zu bearbeitende Forschungsfelder mit Blick auf den jeweiligen politischen Bezugsnahmen und die künstlerischen Vernetzungen berühren und daran appellieren, mehr als nur eine Antwort gelten zu lassen. Mit dem Schlusskapitel zu Tanz – Memoria – Schrift: Zwischen Transformation und Narration wurden, über die Frage des kulturellen Gedächtnisses und des Bewegungsgedächtnisses, Tanzereignis wie Text in ihrem performativem Potential und ihrer kulturellen Verfügbarkeit ausgelotet und zwischen Tanz- und historischer Kulturwissenschaft verortet. Ergebnis ist, dass das Traktat zum balet comique deutlich als Erinnerungs- und nachträgliche Deutungshilfe zum höfischen Großereignis diente. Ergebnis ist darüber hinaus, dass jedoch die Verfügbarkeit des Tanzes selbst eine scheinbare bleibt – für den ‚Schöpfer und Nachahmer‛ Beaujoyeulx und das balet comique ein solches Anliegen, möglicherweise aus Kalkül zur eigenen Profession, auch nicht ausgemacht werden kann. Das ästhetische Objekt Tanz kann in der Rezeption des frühneuzeitlichen Druckwerks erst im Akt der Imagination, als eine in frühneuzeitlichen Texten explizit geforderte Fähigkeit, im performativen Gesamtakt vergegenwärtigt und präsent gehalten werden. Dadurch wird der Tanz als Metapher der Verinnerlichung wie der Veräußerlichung greifbar. So bleibt ‚die Spannung‛ zwischen transitorischem Geschehen einerseits und schriftlicher Fixierung andererseits über die frühneuzeitliche Rezeption hinaus nicht nur bestehen, sondern wird möglicherweise gerade durch den Blick heutiger Tanzforschungen erst konstruiert. Nicht zuletzt dieser Blick vernetzt den Tanz der höfischen Kultur mit dem gegenwärtigen Erleben, wie er die Vernetzungen des Tanzes innerhalb der Kultur der Valois aufzudecken versucht hat.

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Abbildungsverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

Sofern die Abbildungen zeitgenössischen Publikationen oder Werkausgaben entnommen wurden und daher leicht auffindbar sind, wurden diese als Quellen angegeben. Einzelne Fotografien (Abb. 34, 36) entstammen dem Fotoarchiv Marburg und können mit freundlicher Genehmigung hier abgedruckt werden. Abb. 37 entstammt einer Privatsammlung und kann mit freundlicher Genehmigung des Viscount De L’Isle in Penshurst Place, Kent, England hier abgedruckt werden. Abb. 1:

Abb. 2:

Abb. 3:

Abb. 4:

Abb. 5:

Abb. 6:

Atelier de Jean Decourt, Louise de Lorraine, reine de France, um 1575, schwarzer Schiefer, Rötelstift, Pastell, gelb und rosa Aquarell auf Papier, Maße: 32,5 x 22,5 cm. Paris, Bibliothèque Nationale de France, Estampes, Na 22 rés., boîte 16, no. 1. Hier aus: Girault, Pierre-Gilles, Mercier, Mathieu (Hg.): Fêtes & crimes à la Renaissance : la cour d’Henri III. [Château de Blois du 8 mai au 24 août 2010]. Ausstellungskatalog. Paris 2010, S. 90, Abb. 19. Balet des Polonais, Holzschnitt, aus: Jean Dorat, Magnificentissimi spectaculi, a regina Regnum matre in hortis suburbanis editi in Henrici Regis Poloniae invictissimi reunciat gratulationem: descriptio. Paris 1573, hier aus: Strong, Roy: Feste der Renaissance. (Engl. Ausg. Boston 1975). Freiburg, Würzburg 1991, S. 1998 (Abb. 79.) Figure de la Salle, Kupferstich, aus: Baltasar Beaujoyeulx, Le Balet comique de la Royne, Paris 1582. Hier aus: Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de Vaudemont sa soeur. (1582). Paris 1582, o.S. (S. 4). CONIVNCTION, Kupferstich zur chymischen Hochzeit, aus: Stephan Michelspacher, Cabala: Mikroform: Spiegel der Kunst unnd Natur in Alchymia.[…], Augsburg 1663 (1615), hier aus: Michelspacher, Stephan: Cabala. Mikroform: Spiegel der Kunst unnd Natur: in Alchymia. Was der Weisen uralte Stein, doch für ein ding sey, der, da dreyfach, und nur ein Stein ist. Welches allem müheseligen Liebhabern der Kunst zu Ehren, mit hülff Gottes, so klar als ein Spiegel fürgestelt: Davon vil bisshero geschrieben, aber wenigen bekand. Gantz offenbar mit kurtzen Worten, der gantzen Warheit, durch dise beyligende Figuren, erklärt, und an Tag gegeben. Durch einen unbekandten, doch genannten, wie ihm das Signet in diser ersten Figur Zeugnuss gibt. 4° Gedruckt zu Augspurg bey Johann Schultes, in Verlegung Joh: Weh Buchhandler 1663, o.S. Giacomo Franco, Ausgangshaltung zu den Tänzen Amorosina Grimana, Gagliarda di Spagna, Bassa Honorata, Nido d’Amore, Kupferstich, aus: Fabritio Caroso, Il Ballarino […], Venedig 1581 und Nobiltà di Dame, Venedig 1600, hier aus: Sutton, Julia (Hg.): Courtly Dance of the Renaissance. A new Translation and Edition of the Nobiltà di Dame (1600)/ Fabritio Caroso. Ins Englische übersetzte und annotierte Ausgabe. Dover 1995, S. 348 und S. 353. Giacomo Franco, Ausgangshaltung zu den Tänzen Alta Colonna, Amor Constante, Contentezza d’Amore [Vero Amore], Kupferstich, aus: Fabritio Caroso, Il Ballarino […], Venedig 1581 und Nobiltà di Dame, Venedig 1600, hier aus: Sutton, Julia (Hg.): Courtly Dance of the Renaissance. A new Translation and Edition

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Abb. 7: Abb.8:

Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11:

Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15:

Abb. 16:

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Abb. 18:

Abb. 19:

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of the Nobiltà di Dame (1600)/ Fabritio Caroso. Ins Englische übersetzte und annotierte Ausgabe. Dover 1995, S. 347 und S. 353. Reuerence, aus: Thoinot Arbeau (Jean Tabourot), Orchesographie […], Lengres 1589, hier aus: Evans, Mary S., Sutton, Julia: Arbeau, Thoinot. Orchesography. Engl. Übersetzung der Ausgabe Lengres 1588. New York 1967, S. 54. Pierre de La Primaudaye (1546–1619?), gentilhomme de la chambre du Roy, offeriert Louis de Gonzague, duc de Nevers, sein Werk Académie française (1577), Kupferstich, hier aus: Dayot, Armand: La Renaissance en France (1498–1643). O.O. o.J. [Paris 1909], S. 107. Druckermarke der Drucker Robert I. Ballard und Adrien le Roy nach 1562, aus: Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de Vaudemont sa soeur. Paris 1582, Titelblatt. Wappenblatt-Kupfer, aus: Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de Vaudemont sa soeur. Paris 1582, o.S. (S. 15). Leon Palavicino, Cesare di Negri, Kupferstich, Frontispiz zu: Cesare Negri, Le Gratie d’amore, Mailand 1602, hier aus: Negri, Cesare: Le Gratie d’amore. Dt. Erstübersetzung der Ausgabe Mailand 1602 von Brigitte Garski. Terpsichore Tanzhistorischen Studien. Bd. 2. Hildesheim u.a. 2003 , o. S. Bodenwegszeichnung, aus: Fabrito Caroso, Nobiltà di dame, Venedig 1605, hier aus: McGowan, Margaret M.: Dance in the Renaissance: European fashion. French obsession. New Haven 2008, S. 52. Druckermarke des Drucker Francesco Ziletti auf dem Titelblatt zu: Fabrito Caroso Il Ballarino […], Venedig 1581 (Ausgabe mit Widmungsbrief vom 1.9.1581), hier aus: Caroso 1581 (Fassung September), a.a.O., Titelblatt. Maestro metamorfosi, Goldmedaille, 2. Hälfte 16. Jahrhundert, Florenz, Museo del Bargello. (Privatfoto). Le dauphin: Delphinum vt delphinem rependat, emblematischer Tondo-Textkupfer, aus: Baltasar Beaujoyeulx, Le Balet comique de la Royne, Paris 1582, hier aus: Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de Vaudemont sa soeur. Paris 1582, S. 65. Le coral: Eadem natura remansit, emblematischer Tondo-Textkupfer, aus: Baltasar Beaujoyeulx, Le Balet comique de la Royne, Paris 1582, hier aus: Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de Vaudemont sa soeur. Paris 1582, S. 69. Le livre: Fatorum arcana resignat, emblematischer Tondo-Textkupfer, aus: Baltasar Beaujoyeulx, Le Balet comique de la Royne, Paris 1582, hier aus: Beaujoyeulx, Baltasar: Le Balet comique de la Royne faict avx nopces de Monsieur le Duc de Ioyeuse & madamoyselle de Vaudemont sa soeur. Paris 1582, S. 74. Kryptografische Chiffren des französischen Gesandten Pierre de Segusson, sieur de Longlée, hier aus: Ribera, Jean-Michel: Diplomatie et espionnage. Les ambassadeurs du roi de France auprès de Philippe II du traité de CateauCambrésis (1559) à la mort de Henri III (1589). Paris 2007, S. 296. Talisman dit de Catherine de Médicis, 16. Jahrhundert, Bronze, Maße: 5,5 x 4,4 cm. Paris, Bibliothèque Nationale de France, département des Monnaies, Médailles et Antiques, Médailles magiques, hier aus: Girault, Pierre-Gilles, Mercier, Mathieu (Hg.): Fêtes & crimes à la Renaissance: la cour d’Henri III. [Château de Blois du 8 mai au 24 août 2010]. Ausstellungskatalog. Paris 2010, S. 89f., Abb. 17.

394 Abb. 20: Abb. 21:

Abb. 22:

Abb. 23:

Abb. 24:

Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27:

Abb. 28:

Abb. 29:

Abb. 30:

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Petrus Bonus (Janus Lacinius), Characteres der in der Alchemie verwendeten Metalle und Chemikalien, ca. 1577–83, hier aus: Biedermann, Hans: Lexikon der Magischen Künste. 2. Bd. Wiesbaden 2001, S. 257. François Clouet, Louise de Lorraine, 16. Jahrhundert, Öl auf Holz, Maße: 31 x 24 cm. (Kriegsverlust), hier aus: Świeczyński, Jan: Katalog skradzionych zaginionych dóbr kultury. Hg. v. Wojciech Jaskulski, Piotr Ogrodzki. Warschau 1988, o. S. Anonym, Brüsseler Tapisserie (Fontainebleau), letztes Drittel 16. Jahrhundert, Maße: 403 x 339 cm. Florenz, Galleria degli Uffizi di Firenze, hier aus: Strong, Roy: Feste der Renaissance. (Engl. Ausg. Boston 1975). Freiburg, Würzburg 1991, S. 181 (Abb. 75). Anonym, Brüsseler Tapisserie (Polish ambassador), letztes Drittel 16. Jahrhundert, Maße: 381 x 402 cm. Florenz, Galleria degli Uffizi di Firenze, hier aus: Yates, Frances A.: The Valois Tapestries. London 1959, o.S. (Pl. IV Polish Ambassadors). Anonym, Henri I. de Lorraine, duc de Guise; dit le Balafré (1550–1588), 16. Jahrhundert, Öl auf Holz, Maße: 32 x 22 cm. Versailles, Musée National des Châteaux de Versailles et de Trianon, hier aus: Constans, Claire: Musée national du château de Verailles: Catalogue des peintures. Paris 1980, Bildnr. 4930. Anonym, Brüsseler Tapisserie (Journey), letztes Drittel 16. Jahrhundert, Maße: 395 x 395 cm. Florenz, Galleria degli Uffizi di Firenze, hier aus: Yates, Frances A.: The Valois Tapestries. London 1959, o.S. (Pl. V Journey). Anonym, Brüsseler Tapisserie (Whale), letztes Drittel 16. Jahrhundert, Maße: 395 x 395 cm. Florenz, Galleria degli Uffizi di Firenze, hier aus: Yates, Frances A.: The Valois Tapestries. London 1959, o.S. (Pl. III Whale). Anonym, Brüsseler Tapisserie (Tournament), letztes Drittel 16. Jahrhundert, Maße: 393 x 606 cm. Florenz, Galleria degli Uffizi di Firenze, hier aus: Yates, Frances A.: The Valois Tapestries. London 1959, o.S. (Pl. II Tournament) [Detail]. Anonym, Louise de Lorraine, gegen 1580, Öl auf Holz, Maße: 32,5 x 26,5 cm. Paris, Musée du Louvre, hier aus: Schröder-Klaassen, Alice Anna: Tanzdarstellungen in höfischen und bürgerlichen Gesellschaftsszenen der flämischen und niederländischen Malerei und Graphik des 16. und 17. Jahrhunderts. 2. Bd. (Bildband). Diss. Kiel 2007, S. 70 (Abb. 94). Hieronymus Francken II (?), Venezianischer Ball, nach 1585, Öl bzw. Kasein oder Tempera auf Pappelholz, Maße: 41,2 x 64,7 cm. Aachen, SuermondtLudwig-Museum, hier aus: Villwock, Ulrike: Hieronymus Francken II zugeschrieben, Venezianischer Ball. In: Seitenwechsel. Gemälderückseiten und ihre Geheimnisse. Hg.v. Anna Koopstra. Ausstellungskatalog zur Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen 12.8.2006–14.1.2007. Aachen 2006, S. 106. Giacomo Franco, Fabritio Caroso, Kupferstich, Frontispiz zu: Fabritio Caroso, Il Ballarino […], Venedig 1581, hier aus: Caroso, Fabritio da Sermoneta: Il Ballarino. Diuiso in due trattati; nel primo de’quali si dimostra la diuersità de i nomi, che si danno à gli atti & mouimenti, che interuengono ne i Ball, & con molte Regole si dichiara con quali creanze, & in che modo debbano farsi. Nel secondo s’insegnano diuerse sorti di Balli, & Balletti si all’usi d’Italia, come à quello di Francia, & Spagna. Venedig 1581, o. S.

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Abb. 31: Abb. 32: Abb. 33: Abb. 34:

Abb. 35:

Abb. 36:

Abb. 37:

Abb. 38:

395

Giacomo Franco, La Novizza col Ballerino, Kupferstich, aus: Habiti delle donne Venetiane, Venedig 1609 (?), hier aus: Franco, Giacomo: Habititi delle donne Venetiane. Venedig 1609 (?). ND hg. v. Lina Urban. Venedig 1990, S. 8. Dirck Barendsz, De Venetiaanse bruiloft, um 1580, Feder in Blau auf Papier, Maße: 40,2 x 74,7 cm. Amsterdam, Rijksmuseum, Rijksprentenkabinet, hier aus: Judson, Jay Richard: Dirck Barendsz, 1534–1592. Amsterdam 1970, o. S. Hendrick Goltzius, De Venetiaanse bruiloft, 1584, zweiteiliger Kupferstich, Maße: 43,2 x 74,0 cm. Amsterdam, Rijksmuseum, Rijksprentenkabinet, hier aus: Judson, Jay Richard: Dirck Barendsz, 1534–1592. Amsterdam 1970, o. S. Frans Francken II. und Paul Vredemann de Vries, Bal aan een Brussels Hof, ca. 1610, Öl auf Holz, Maße: 68,6 x 113,3 cm. Den Haag, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis, Foto: Bildarchiv Foto Marburg. Der Abruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Bildarchivs Foto Marburg. Frans Francken II. und Paul Vredeman de Vries, Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers beim Gastmahl des Herodes, Öl auf Leinwand, Maße: 60 x 87 cm. Lemgo, Schloss Brake, Weserrenaissance-Museum, hier aus: Rousová, Andrea (Hg.): Dances and Festivities of the 16th – 18th Centuries; [National Gallery in Prague – Collection of Old Masters, Waldstein Riding School Gallery, December 12, 2008 – May 3, 2009] Prag 2008, o. S. Anonym, Huwelijksbal van de hertog van Joyeuse. (auch: Ball Heinrichs III.), 1501/1600, Öl (?) auf Leinwand (?), Maße: 750 x 1010 cm. Gaasbeek, Kasteel van Gaasbeek, Foto: Bildarchiv Foto Marburg. Der Abruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Bildarchivs Foto Marburg. Anonym, Queen Elizabeth I dancing La Volta with Robert Dudley, Earl of Leicester, um 1581, Öl auf Holz, Maße: 76,2 x 101,6 cm. Kent, Penshurst Place & Gardens. By kind permission of Viscount De L’Isle from his private collection at Penshurst Place, Kent, England. Anonym (französische Schule), Bal a la Cour des Valois, 16. Jahrhundert, Öl auf Leinwand, Maße: 163 x 194 cm. Rennes, Musée des Beaux-Arts, hier aus: McGowan, Margaret M.: Dance in the Renaissance: European fashion. French obsession. New Haven 2008, S. 175.

Abb. 39:

Anonym, Scène de bal (auch: Bal à la cour des Valois), Ende 16. Jahrhundert, Öl auf Leinwand, 94 x 155 cm. Blois, Musée du Château, Inv. 873.3.2, hier aus: Girault, Pierre-Gilles, Mercier, Mathieu (Hg.): Fêtes & crimes à la Renaissance: la cour d’Henri III. [Château de Blois du 8 mai au 24 août 2010]. Ausstellungskatalog. Paris 2010, S. 104, Abb. 45.

Abb. 40:

Anonym, Le Bal des noces du duc de Joyeuse (auch: Bal du duc de Joyeuse), gegen 1581 – 1582, Öl / Kupfer, Maße: 41,5 x 65 cm. Paris, Musée du Louvre, Inv. 8731, hier aus: Chatenet, Monique: La cour de France au XVIe Siècle. Vie sociale et architecture. Paris 2002, S. 131 (Abb. 55).

Abb. 41:

Anonym (Hieronymus Francken zugeschrieben, ältere Zuschreibung Jerome Francken oder Herman van der Mast), Bal donné au Louvre en présence d’Henri III et Catherine de Médicis pour le mariage d’Anne, duc de Joyeuse, et de Maguerite de LorraineVaudémont, (auch: Bal donne al la cour Henri III a l’occasion du mariage d’Anne, duc de Joyeuse, avec Marguerite de Lorraine. 24. Septembre 1581 oder: Bal du marriage d’Anne, duc de Joyeuse, avec Marguerite de Lorraine-Vaudemont, 21 septembre 1581), 1581–1582, Öl auf Leinwand, Maße: 122 x 185 cm. Versailles, Musée National du Château et des Trianons, MV 5636, hier aus: Girault, Mercier 2010, a.a.O., S. 101–103 (Abb. 43).

396 Abb. 42: Abb. 43:

Abb. 44: Abb. 45: Abb. 46:

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Geometrische Figuren aus dem ballet de Monseigneur de Vendosme (12.01.1610), hier aus: Franko, Mark: Dance as text : ideologies of the baroque body. Cambridge u.a. 1993, S. 19. Anonym, Abbildung mit dem Titel Baltazarini, aus: Beaujoyeulx, Balthasar: Balet comique de la Royne: faict aux nopces de Monsieur le Duc de Joyeuse et Mademoiselle de Vaudemont sa soeur / par Baltasar de Beauioyeulx. - [Xerokopie der Ausg. Paris 1582]. Ann Arbor/Michigan, USA [u.a.]: Univ. Microfilms, 1971, hier nach: Papierkopie der Xerokopie der Württembergischen Landesbibliothek. Anonym (Monogrammist MO), Court Festival Set in the Garden of an Italian Villa, 1566, Öl auf Leinwand, Maße: 170,82 x 236,22 cm. (Privatfoto). Widmungsbrief vom 01. September 1581, aus: Fabritio Caroso, Il Ballarino […] Venedig 1581. Widmungsbrief vom 16. Oktober 1581, aus: Fabritio Caroso, Il Ballarino […] Venedig 1581.

Literaturverzeichnis

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Anhang A: Nachweise zum Traktat von 15821826

Paris Bibliothèque nationale de France Département des Imprimés (Réserve) Res 4-LN27- 10436 (α–δ) (Alpha – Gamma) Res 4-LN27- 10436 (Delta) (nicht verfügbar) Res Vm 7. 683 ? Département des Estampes et photographie Estampes Pd-68-4 Département des Arts du spectacle 8-RA3-48 Bibliothèque de L’Arsenal Res 4-H- 3543 Res 4-H- 3544 Bibliothèque du Conservatoire National de Musique Rés 117 Bibliothèque Mazarine Maz. 10918 Bibliothèque historique de la Ville de Paris Res. 551 217 Bibliothèque de l'Institut national d’histoire de l’art, Collection Jacques Doucet 4 RES 819 Musée des Beau-Arts de la Ville de Paris (Petit Palais), Collection Dutuit ohne Sign. Bibliothèque de l’École Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Collection Lésoufaché1827 LES 46 Bibliothèque Musée de l’Opera Département des Manuscrits, collection Rothschild Collection André Meyer Collection H. Prunières Collection Geneviève Thibault Als online-Ressource der Bibliothèque nationale de France unter: URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k1110737 (25.08.2006) In dieser Ausgabe erscheint die Apollon-Devise an Katharina als die zuletzt abgedruckte, im Unterschied zur sonst dort zu findenden Buch-Devise an Cardinal de Bourbon. Offensichtlich handelt sich um einen Herstellungsfehler, da diese

1826 1827

Die angegebenen Orte entsprechen den Angaben im Répertoire International des Sources (RISM), hier Serie A/I/1–14: Einzeldrucke vor 1800 (Stand 1999). Die mit * angegebenen Exemplare werden in Renouard, Philippe: Imprimeurs , Libraires Parisiens au XVI siècle. Bd. 2. (Baaleu – Banville), Paris 1969, S. 363, Nr. 1066 genannt, konnten aber nicht alle verifiziert werden.

Anhang

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Reihenfolge auch nicht mit der angegebenen Paginierung übereinstimmt, denn die Apollon-Devise ist als f.73 r. gekennzeichnet, findet sich aber unter f.73 v. Außerhalb von Paris in Frankreich: Besançon: Bibliothèque Municipale Rés. musique 259720 Format 24,2 x 16,8; Medaillen in Durchmesser 10,7; ockerfarbener Ledereinband, zeigt Wasserschäden, auf dem Deckblatt ist handschriftlich vermerkt: „1424“ und „Mezeray“ und auf S. 9 (C.j.) handschriftlich vermerkt über „est montee“ „mezeray“, Fehler der Druckplatten: Neptun-Devise und Devise mit wasserspeiendem Monster (Physeter) sind vertauscht. Chantilly: Musée Condé, Château de Chantilly IV E 115 Nantes: Musée Dobrée No. 389 Format 24,2 x 16,8; Medaillen in Durchmesser 10,7; roter Maroquinledereinband; angeschnittene Seiten, Signatur Trautz-Bauzonnet, Prägung in goldenen Buchstaben (Datum des Bucheinbandes mit 30. 4.1854 und einemPreis von 30 F angegeben. Roanne: Bibliothèque Municipale Fonds Ancien R 4 65 Format: 18,7 x 24,5, Kartoneinband mit feiner Pergamenthaut überzogen; Unter dem oberen Schriftzug des Titelblatts ist handschriftlich vermerkt: Debibliothecâ minimorum Roännenfium. Ex-libris Bibliothèque des Minimes de Roanne sowie handschriftliche Notiz des Namens Bernardin Pupier, darunter steht die Ziffer 87, wahrscheinlich Bucheignervermerk. Rechts auf dem Titelblatt ist mit derselben Handschrift vermerkt: " Inter [?.] vado , sua sunt & mitibus arma. "Sua sunt et mitibus arma (auch die Sanftmütigen haben ihre Waffen) ist das Motto der Schwertfisch (Le Xiphias)-Devise1828 – (Sua sunt et mitibus arma), welche Madamoyselle de Bourdeille an M. de Nevers gibt. Außerhalb Frankreichs: Belgien / Brüssel: Bibliothèque royale Albert I Nur musikhandschriftlicher Auszug unter Ms.Fétis 7328C Großbritannien /London: British Library (2 Exemplare) Hirsch III.629. C.33.1.31829 Das früher in der Royal Academy of Dance, London nachweisbare Exemplar wird im Werk von Kyrle Fletcher Bibliographical Description of forty rare Books relating to the Art of dancing in the collection of P.J.S. Richardson, O.B.E. (1977) in Bezug auf den Einband als eher aufwändig beschaffen beschrieben: „Nineteenth century green crushed morocco, gilt, signed ‚Petit Succr de Simier“. With dedication to the King of France on a2–a4. With book label of .B.Weckerlin.“ Dort wird erwähnt, dass dieses Exemplar einen Bucheignervermerk von 1828 1829

In der Auflistung der Devisen mit dem Zusatz „la poisson qui a l’espee au nez.“ Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Zur pictura siehe: Henkel, Schöne 1996, a.a.O., Sp. 697f. Dieses Exemplar liegt der Faksimile-Ausgabe von Margarete McGowan zugrunde: ND in: Le Balet comique de la royne faict aux nopces de Monsieur le Duc de Joyeuse & madamoyselle de Vaudermont sa soeur. Paris 1582. Faksimilie mit einer Einleitung v. Margaret Mc Gowan. Binghampton, New York 1982.[Medieval and Renaissance Texts and Studies 6].

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Anhang

Wecklerin trug. Hierbei handelt es sich um das Exemplar, welches bisher unbekannte Abbildung mit der Angabe „Baltazarini“ aufweist. Italien / Turin: Biblioteca nazionale universitariaTorino Ris.mus.111.271830 Italien / Mailand: Biblioteca trivulziana kein Expl. mehr nachzuweisen Niederlande / Den Haag: Geemente Museum Collectie Dr. D.F. Scheurleer (inv.5191) NMI 4 G 32 Format: 18,7 x 24,5, Ledereinband, Seiten angeschnitten; auf der Innenseite rechts steht: 4G32, Auf der Titelseite ist über dem Titel handschriftlich vermerkt: „De la Bibliotheque du grand Convent et college royal des larmes de paris“; zudem unter “Roy, & de la Royne sa mere“ ist handschriftlich ergänzt: Johan Cossiau (?) oder Gossiau(? ) darunter: 1612. Österreich / Wien Österreichische Nationalbibliothek Musiksammlung 659240-C.M Das Exemplar hat einen Umschlag aus weinrotem Leder mit Goldprägung: Rücken mit Initiale, Wappen und Titel „BALET COMIQUE LA REYNE“. Auf Vorder- und Rückseite jeweils das Wappen. Bei diesem Exemplar ist auffällig, dass auf dem Titelblatt „& madamoyselle de Vaudemont sa soeur“ geändert wurde in „&madamoyselle de Vaudemont sa soeur. de Sa Maieste.“ Dieser Zusatz ist handschriftlich ergänzt und ergibt sich wohl aus dem Umstand, dass scheinbar Erklärungsbedarf bzgl. des Titels als „balet comique de la royne“ vorlag. Schweden / Uppsala Universitetsbiblioteket Das in RISM aufgeführte Exemplar in Schweden,Uppsala konnte dort nur als Faksimileausgabe nachgewiesen werden, hingegen scheint in Kopenhagen ein Exemplar der 1582er Ausgabe zu existieren. USA / Cambridge (Mass.): Harvard University, Houghton Library USA / New York: Public Library Drexel 5995 In grünem Leder eingebundenes Exemplar. Bindung von 1937. Handschriftliche Randverweise auf dem Titelblatt zeigen an, dass diese Ausgabe im Besitz von Ben Jonson (1572–1637) war. Exlibris von Horatio Walpole und Sir Henri Brooke Cobham. Besonders interessant sind hier die Exlibris-Vermerke: Mit dem Engländer Sir Henri Brooke Cobham (1564–1619) wäre ein Zeitzeuge als tatsächlicher Bucheigner auszumachen, für den zudem auch noch eine lose Verbindung zum Ereignis von 1581 nachgewiesen werden kann. Ein zweites Exlibris verweist auf den Schriftsteller Horatio Walpole (1717–1797). USA / San Marino (California): Henry E. Huntington Library & Art Gallery: RareBooks 14235 1830

Dieses Exemplar liegt der italienischen Übersetzung von Dellaborra zugrunde: Dellaborra, Mariateresa: ‚Une invention moderne‛: Baldassarre da Belgioioso e il ‚Balet comique de la Royne‛. Con una prefazione di Piero Gargiulo. Strumenti della ricerca musicale, 4. Lucca 1999. Dellaborra kann zwischen den Ausgaben Österreich / Brüssel / Paris / Niederlande / Schweden keine Unterschiede feststellen (Dellaborra 1999, a.a.O., S. 41). Mit Bezug auf die Druckqualität ist dieses Urteil m.E. nicht zu bestätigen.

Anhang

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In rotem Leder, ebenfalls durch den Pariser Buchbinder Trautz-Bauzonnet um 1851– 1879 eingebunden. Besitzervermerk Destailleur, Bleistift Signatur Britwell auf dem Titelblatt (Dezember 1919) USA / Urbana (Illinois): University of Illinois Library Ohne Buchsignatur. Hier liegt nur eine Kopie als Microfilm vor. USA / Washington: Library of Congress M 1520 B 37B3 1582 Case Dieses Exemplar hat ebenfalls einen einfachen, weißlichen Ledereinband und die Seiten sind z.T. angeschnitten. Handschriftlich weist das Schmutzblatt dem Besitzvermerk „James E. Matthew“ sowie den Archivierungsvermerk des Berliner Antiquariates Leo Liepmannssohn aus. Hierin findet sich das Privileg in 3facher lose Blatt Ausfertigung. USA / Pennsylvania: University (Penn), Vail Memorial Library University of Kansas, Rare Spencer Library Summerfield C1055. Blauer Ledereinband, aber später ergänzt. Keine Besitzeignervermerke oder Marginalia, 1963/64 durch H. P. Kraus erworben.

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Anhang

Anhang B: Zeittafel: Feste und ballets (1501/2 – 1641)

Diese Zeittafel beginnt mit dem Jahr 1500 und schließt mit dem politischen Ballett Le ballet de la prosperité des armes des France im Jahr 1641.1831 1501–1502 Hochzeitsfeierlichkeiten in Rom und Ferrara aus Anlass der Hochzeit von Lucrezia Borgia und Alfonso d’Este. 1518 Florenz: Festlichkeiten aus Anlaß der Hochzeit von Lorenzo de’Medici mit Madeleine de la Tour d’Auvergne. 1527 Festspiele von Heinrich VII. für die französischen Gesandten in Greenwitch. 1536 Florenz: Fest zu Ehren der Hochzeit Alessandro de’Medici und Margarete von Österreich. 1539 Florenz: Festlichkeiten aus Anlass der Hochzeit Cosimo, Herzog von Florenz und Eleonora von Toledo. 1549 Mantua: Hochzeitsfeierlichkeiten für Katharina von Österreich und Francesco Gonzaga, Herzog von Mantua. 1559 Paris: Festlichkeiten aus Anlass der Vermählung von François I. mit Königin Maria von Schottland und von Marguerite de Valois mit dem Herzog von Savoyen. Einzug Elizabeth I. in London. 1563 Die magnificences von Chenonceaux. 1564 Die magnificences von Fontainebleau. 1565 Die magnificences von Bayonne. Florenz: Hochzeitsfeiern zu Ehren von Francesco de’Medici und Johanna von Österreich. 1572 Paris: magnificences aus Anlass der Doppelhochzeit von Henri de Navarre mit Maguerite de Valois und die des Prinzen de Condé mit Marie de Clèves am 14. August 1572 mit Balet paradis d’amour

1831

Diese Zusammenstellung beruht in weiten Teilen, mit Ergänzungen vor allem für die Jahre 1585ff., auf den Angaben bei Strong 1991, a.a.O., S. 300. Berücksichtigt dessen Auflistung der Turniere und Einzüge jedoch i.d.R. nicht.

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1573 Paris: magnificences für die polnischen Gesandten und Einzug des künftigen Henri III. in Paris im August mit dem Le balet des polonais. 1579 Florenz: Sbarra zur Hochzeit von Francesco, Großherzog der Toskana und Bianca Cappello. 1581 Paris: magnificences anläßlich der Hochzeit von des Duc de Joyeuse mit Marguerite de Vaudémont-Lorraine mit Le balet comique de la royne. 1584 Ballet de 12 filles d’honneur de la Reine. Mascarade des Visions. Mascarade des Chevaliers agités. 1585 Ballet de Monsieur de la Trémouille. Ballet de Monsieur de Lansac. Ballet du Duc de Joyeuse. 1586 Florenz: intermezzi zur Hochzeit Virginias de’ Medici mit Cesare d’Este, Herzog von Ferrara. 1589 Florenz: Festlichkeiten zur Hochzeit von Ferdinand, Großherzog der Toskana mit Christina de Lorraine. 1600 Florenz: Feste anläßlich der Hochzeit Henri IV. mit Maria de’ Medici in Lyon und Avignon. 1606 Nancy: Feste zur Hochzeit Henri de Lorraine und Margarete von Gonzaga-Mantua. Ballet de Monsieur le Prince. Palais Ducal Ballet de Nancy. Ballet de Mademoiselle de Vendôme. 1607 Ballet des Lanterniers. Ballet des Echecs. Ballet des Tirelaines, Paris Louvre. Ballet des Paysans et des Grenouilles. 1608 Florenz: Feste anlässlich der Hochzeit von Cosimo de’Medici und Magdalena von Österreich. Mantua: Feste anlässlich der Hochzeit von Francesco Gonzaga und Margarete von Savoyen. Ballet des Bacchantes. Ballet des Sorciers et des Diables. Ballet de Monsieur de Vendôme. Saint-Germain-en-Laye: Ballet de Monsieur le Dauphin. Fontainebleau: Ballet des Nymphes.

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1609 Fontainebleau: Ballet du Mariage de Monsieur de Vendôme. Arsenal, Paris: Ballet des Fols. Ballet de la Reine. 1610 Paris: Le ballet de Monseigneur le duc de Vandosme. Ballet des Bohémiens. Ballet de la Femme Sans Tête. 1611 Ballet de Joueurs de Paume. Ballet des Esclaves. Ballet des Insensés. Ballet du Roi (Louis XIII.). Ballet de Monsieur de Montmorency. Ballet de la Robinette. Ballet des Sibilots. Ballet des Francs Bourgeois. Ballet des Usuriers. Ballet des Avares. 1612 Vetrag von Fontainebleau vom 12.8. bringt eine Annäherung zwischen Spanien und Frankreich. Ballet des Trois Parties du Monde, ou de Madame de Puisieux. Ballet à Madame Christine. Ballet de Monsieur de Vendôme pour le Carrousel. Carrousel des Chevaliers de la Gloire. Ballet de Monsieur de Navarre. Ballet des Anglais. Ballet du Courtisan et des Matrones. Ballet du Quaresme-Prenant. Ballet des Déesses. Ballet des Badins. Ballet des Secrétaires de Saint-Innocent. Ballet des Singes. Ballet de L’Amour désabusé. Ballet des Gentilshommes champêtres habillés à l’Antique. Ballet de Monsieur de Montmorency. Ballet des Joueurs de Courtes Boules. 1615 Doppelhochzeit von Ludwig XIII.mit der spanischen Prinzessin Anna von Österreich und Elisabeth mit dem spanischen Thronfolger, dem späteren Philipp IV. von Spanien. Paris: Le ballet de Madame. 1616 Florenz: die Pferdeballette Guerra d’Armore und Guerra di Belezza. Florenz: La liberatione de terreno e d’Arnea. Paris: Le ballet de la Délivrance de Renaud.

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1619 Paris: Le ballet de Tramcrède . Die Hochzeit von Christina, Madame Royale, mit Viktor Amadeus, dem späteren Herzog von Savoyen, eröffnet eine lange Serie von Balletten am Savoyer Hof. 1626 Paris: Ballet Royal du grand bal de la Douairière de Billbahaut. 1627 Nancy: Combat à la barrière. 1628 Florenz und Parma: Feste anlässlich der Hochzeit von Odoardo Farnese und Margherita de’ Medici mit der Einweihung des Teatro Farnese. 1631 Les Montagnards (Die Bergler). 1631–40 England: Maskenspiele des persönlichen Regiments Charles I. 1637 Florenz: Feste anläßlich der Hochzeit Cosimos II., Großherzog von Florenz mit Vittoria della Rovere. 1639 Paris: Le ballet de la Félicité. 1641 Paris: Le ballet de la prosperité des armes de France.

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Anhang C: Tänze

Übersicht1832 der im vorliegenden Zusammenhang wichtigsten traditionellen Tänze, Gesellschafts- und Schautänze Allemande: von franz. danse allemande für ‚deutscher Tanz‛. Ein geradliniger Schreittanz für 1–4 Paare, vorrangig seit dem 14. Jhd. in Deutschland üblich. In gemessenem Tempo und von zeremoniellem Charakter. Einfache Schrittformen gefolgt von einem Springtanz. In der Schweiz auch Allemandler oder Alewandler genannt. Bergamasque: ital. Rundtanz, seit 16. Jhd. erwähnt. Bouree: franz. Volkstanz; je nach Region unterschiedl. Takt, wurde zu einem der wichtigsten Hof- und Bühnentänze. Branle/Brandle:von franz. branler für ‚sich regen, wackeln, schlenkern‛ oder von branlare von ‚pendeln‛ hergeleitet. Sammelbezeichnung für oft von Gesang begleitete altfranzösische Volkstänze. Fast jede Provinz besaß ihre eigene Variante. Arbeau beschreibt 26 Arten des Branle. Es gibt ihn als feierlichen Schreittanz (Branle double et Branle simple), aber auch als weniger stilisierten, sehr raschen Tanz ( Branle gay,Branle Bourgogne). Auf seinen tradtionellen Ursprung deuten Namen wie Branle der Waschfrauen, Holzschuh-Branle u.ä. hin. Wenn der Branle als Form der Pavane in offener Linie getanzt wurde, eignete er sich zur feierlichen Eröffnung des bals. Ansonsten gestaltete sich der Rhythmus regional verschieden und wurde z.T. wegen der Rhythmusangabe auch in Holzschuhen getanzt. Canarie: ein möglicherweise von den Kanarischen Inseln über Spanien nach Frankreich gelangter Paartanz des 16. Jahrhunderts im Dreiertakt und von raschem Zeitmaß. Sein AbsatzSpitze-Markieren hat jedoch nichts mit der Hackentechnik der diversen spanischen Tänze zu tun. Carole: frühmitt. franz Rundtanz von carolieren für ‚tanzen‛; mit Gesang, wobei sich Chor und Solostimmen unter Händeklatschen ablösen. Chaconne /(chacone): Tanz im 3/4 Takt, ursprünglich aus Italien oder Spanien. Der Chaconne bildet im sog. ballet de cour häufig den Schlussteil, war also Teil des grand ballet. Courante: von franz. courir für ‚laufen‛. Bildete in Frankreich einen Schautanz mit eigenartigen Zickzackbewegungen. Die Courante wurde später zum gravitätisch geschrittenen 3/4 Takt-Tanz. Anfangs war sie ein pantomimischer Tanz und bildete später den schnellen Tripelnachtanz zur Allemande. Fandango: span. Paartanz; arabischen Ursprungs mit Kastagnettenbegleitung, keine Berührung beim Tanz, aber mit sog. ‚Tanzhandlung‛. Gaillarde /Gagliarde /Galliarde: von ital. gagliarda, Femininform von gagliardo für ‚stark‛, ‚rasch‛. Die fünf Gaillardenformen wurden zur Eröffnung des Balles getanzt. In Frankreich bezeichnete die Gaillarde seit dem 16. Jhd. einen sehr beliebten, schnellen 2/3-Takt-

1832

Die Angaben zu dieser Übersicht wurden den Werken von Taubert 1968, Jeschke 1983, Liechtenhan 1983, Koegler 1984, Braun, Gugerli 1993 und Saftien 1994, a.a.O. übernommen. Die mit einem * gekennzeichneten Tänzen werden von Thoinot Arbeau in der Orchesographie beschrieben!

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Paartanz, der stets auf die Pavane folgte. Es handelt sich um einen pantomimisch gefärbten Tanz. Gaillarden und Volta mit ihren Sprüngen kontrastieren stark mit der alten basse danse, die nach 1550 kaum mehr getanzt wird. Gavotte: wahrscheinlich von altprovenzialisch gavot als Spottname für die Bewohner des Berglandes in der Provence. Ursprünglich als traditioneller Tanz im 16. Jahrhundert ein Reigentanz im geraden Takt, der nach ein paar Runden von einem Solopaar weitergetanzt wurde, wurde die Gavotte zu einem höfischen Tanz umstilisiert und bildeten einen virtuosen 2/4 Takt- Tanz. Gigue: irischer lebhafter Tanz keltischen Ursprungs, der um 1700 auch in Frankreich sehr bekannt wurde. Im 4/4; 6/8 oder 12/8 Takt getanzt. Moresca / Morisco/Morsikentanz: der vom spanischen morisco für ‚Mohr‛ und ‚Maure‛, möglicherweise aber auch vom griech. moros für ‚Narr‛ abgeleitete Tanz wird zuerst in Burgund 1427 bezeugt. Seine Herkunft ist umstritten. Die einen führen ihn auf die Gegenüberstellung von Christen und Mauren (mit geschwärzten Gesichtern getanzt) zurück, – daher die Aufstellung in zwei einander gegenüberstehenden Reihen. Die anderen (unter ihnen Arbeau in seiner Beschreibung) sehen einen Solotanz in ihm, bei dem die Tänzer Schellen an den Knöcheln trugen. Seit dem 16. Jahrhundert werden ganz allgemein Tanzspiele als moresca bezeichnet, vor allem auch in den intermedien. Er erfreute sich am Hof zwischen 1550 und 1650 großer Beliebtheit. Er kennzeichnete sich zuweilen durch hohe Sprünge, wobei der Körper kaum in Aktion geriet, da vornehmlich Beine und Arme, die gleichzeitig geschwungen wurden, agierten. Die Tänzer winkten mit Taschentüchern. Begleitung: Flöte, kleine Trommel, Dudelsack und ‚viel Geschrei‛. Passepied: Fröhlicher, heiterer 3/8 Tanz des 16. Jhd. aus der Bretagne; Bei der Ausführung überkreuzen sich die Füße des Tanzenden. Passacaglia / Passacaille / Passecaille: majestätischer spanischer Tanz. 3/4 Takt-Tanz aus dem16. Jhd., der im 17. Jhd. auch zum Solotanz wurde. Wurde zudem in das grand ballet aufgenommen. Pavane / Pfauentanz /peacock: Entweder vom ital. Padova für die Stadt Padua (Arbeau) oder vom span. pavo für ‚Pfau‛. In diesem Sinne spricht man vom pavoneggrando als sich pfauend. Die Pavane war als Schreittanz und Reigen schon im Mittelalter bekannt. Seine traditionelle Formen waren infolgedessen die offener Linie oder der geschlossene Kreis. Dann zum gravitätischen 2/4 Takt-Tanz oder 4/4-Takt-Tanz im 16. und 17.Jhd. in Italien, Frankreich und Spanien stilisiert, mit dem meist Tanzfeierlichkeiten eröffnet wurden. Der passa mezzo ist der Pavane recht ähnlich, wird jedoch schneller als diese ausgeführt. Als die basse danse aus der Mode gekommen war, wurde die Pavane der Vortanz zur Galliarde. Quadrille: engl., bestehend aus mehreren contredanses in rechteckiger Aufstellung. Der Name stammt vom ital. squadra, das im Viereck aufgestellte Soldaten bedeutet. Rigodon: Seit 15. Jhd. in der Provence bekannt. Rigodon wird im 17./18. Jhd, auch zum Bühnentanz .Im 2/4 oder 4/4 Takt getanzt und von Gesang begleitet. Saltarello: Springtanz im 3/4 Takt oder 6/8 , der häufig als Nachtanz zum passa mezzo bildete. Sarabande: gravitätischer 3/4 Tanz aus 16/17. Jhd. Ursprünglich ein zunächst nur von Frauen ausgeführter spanischer Tanz, der im 18. Jhd. zum beliebten Bühnentanz wird. Tarantella: Lebhafter Paartanz im 6/8 Takt aus der Gegend von Neapel. Er soll getanzt worden sein, um die Folgen von Tarantelstichen zu bekämpfen. Die Gestochenen mußten solange tanzen, bis das Gift aus dem Körper verschwunden war. Volta: von ital. und franz. volte für ‚Mal‛ und ‚Umdrehung‛. Tanz im 3/4 Takt aus der Provence des 16. Jhd.,welcher der Galliarde nicht unähnlich ist. Es ist auch nicht

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ausgeschlossen, in der Volta eine Vorläuferin des Walzers zu sehen. Sein Charakteristikum sind gewagte Sprünge und abrupte Drehungen, die von den Partnern in engstem körperlichen Kontakt ausgeführt werden. Spezielle Erscheinungsformen: Die im sog. ballet de cour am häufigsten auftretenden Kombinationen von Schreittanz und Springtanz: basse danse – Tourdion; Allemande – Courante; Carole – Espingale; Pavane – Gaillarde; Balletto – Cascada; passa mezzo – Saltarello. Intermezzi /intermedii: getanzte Zwischenspiele von meist maskierten Tänzern auf höfischen Festen, aus denen die später in sich abgeschlossenen entrees des ballets wurden. Bezeichnet auch seit Ende des 15. Jhd. das Zwischenspiel im ital. Theater.

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Anhang D: Akteure und Zuschauer im balet comique

Rolle – Akteurinnen1833 mit Angaben zur Person

Medaille1834 mit Devise

NAIADE/WASSERNYMPHE1836 LA ROYNE: Delfin Louise de Vaudémont-Lorraine, princesse de Mercoeur (30.4.1553–29.1.1601), Tochter von Nicolas, duc de Mercoeur1837, comte de Vaudémont (16.10.1524–23.1.1577) und seiner ersten Frau Marguerite d’Egmont (1517–

1833

1834 1835 1836 1837

1838

Medaillenempfänger 1835 mit Angaben zur Person LE ROY: Henri III., eigentlich EdouardAlexandre (19.9.1551–1/2.8.1589) nennt sich seit 1564 Henri1839, roi de France (13.2.1574–89), comte d’Angoulême (1551–1560), duc d’Angoulême (1560– 1574) duc d’Orléans (1560–74), duc d’Anjou et de Bourbon (1566/67–

Die Auflistung entspricht der Nennung und Reihenfolge bei Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Es handelt sich bei den Akteurinnen um jene Damen, die am Ende des balets, gemäß ihres Rangs einigen männlichen Zuschauern goldene Medaillen mit Devisen übergeben, um anschließend in dieser Formation den grand bal zu tanzen: „A l’exemple de la Royne toutes les autres Princesses, dames & damoyselles, furent aussi chacune selon leur rang & degré prendre les Princes, Seigneurs, & Gentils-hõmes que bon leur sembla: à chacun desquels elles feiret leur present d’or, avec leurs devises [...].“ und: „Avec cest ordre & ordonannce elles meinent les princes pour dancer le grand bal […].“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Die namentliche Erstnennung der Wasser- und Waldnymphen erwähnt Beaujoyeulx jedoch bereits zu Beginn des Traktates. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 16 und S. 38. Zur Devisenvergabe siehe auch das Kapitel II.3.4. dieser Arbeit. Aufzählung wie bei Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. Wie in Nennung und Reihenfolge bei Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 64. „[…] representans les nymphes des eaux, par les poetes anciens dictes Naiiades.“ Aus: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 16. Eigentlich Nicolas de Vaudémont-Lorraine, wird durch die Verbindung von Louise und Henri zum duc de Mercoeur. Siehe hierzu Brantôme, Pierre de Bourdeille: Dame illustres. Dame galantes. Bd. 2. Hier zit. nach der Ausgabe: Paris 1981. ND der Ausgabe Paris 1790, Disc.IX, Article II, Niij, S. 595. Siehe Schwennicke, Detlev: Europäische Stammtafeln: Stammtafeln zur Geschichte der Europäischen Staaten. Neue Folge. Erste Serie hg. v. Wilhelm Karl, Prinz zu Isenburg; zweite Serie hg. v. Frank, Baron Freytag von Loringhoven. 16 Bde. Marburg 1978–1995, unter Vaudémont, Gf von I.2/204–206, 208, 223–224; VI/129– 131, 144. Siehe Stoyan, Herbert: WW-Person auf CD. 2. erw. Aufl. 1999; auch: Valois, Marguerite de: Geschichte der Margaretha von Valois. Gemahlin Heinrichs IV: von ihr selbst geschrieben. Übers. v. Dorothea Schlegel. Hg. v. Michael Andermatt. Zürich 1998, S. 15, S. 42, auch: BNF Nr. N073377, 8-La-23-9. Siehe Schwennicke 1978–1995, a.a.O., hier III/305, 306, 307. Brantôme spricht allerdings von Jeanne d’Egmont. In: Brantôme 1981, a.a.O., S. 197, aber von den Herausgebern in der Ausgabe von 1981 korrigiert, ebda. S. 596. Das genaue Todesdatum 29.1. oder 4.7. und die Orte Moulins oder Chenonceaux differieren: Meaume, Edouard: Étude historique sur Louise de Lorraine, reine de France. Pa-

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430 1554)1838, heiratet am 15.2.1575 in Reims Henri III., König von Frankreich. Sie ist die Stiefschwester der Braut.

NAIADE /WASSERNYMPHE MADAME LA PRINCESSE DE LORRAINE: Christine de

Sirene

Lorraine (1565–1637), Tochter von Charles III. de Lorraine und Claude de Valois (1547–1575)1840, Christine heiratet 1589 Ferdinando de Medici1841. Sie ist Enkelin von Caterina de Medici und eine Nichte des Königs.1842 In Folge ihrer Verbindung 1588 (Kontrakt), Mai 1589 (Hochzeit) mit Ferdinando de Medici wird sie die sog. Valois-Teppiche nach dem Tod ihrer Großmutter Caterina im Januar 1589 nach Florenz nehmen. NAIADE / WASSERNYMPHE MADAME DE Neptun MERCURE: Marie de Mercoeur, de Luxembourg, duchesse d’Estampes et de Penthiérre (1562–1623), Frau von Philippe-Emmanuel, duc de Mercoeur1845, Schwägerin der Braut

1839

1840

1841 1842 1843 1844 1845 1846

1573/74), comte d’Auvergne (1569– 1574), roi de Pologne (als Henryk IV. Walezy am 11.5.1573 gewählt, mit Mandat in Polen vom 24.1.–18.6.1574) et grand-duc de Lituanie (1573–1589). Chef und Souverain Grand-maître des Ordens (ordre et milice du benoît) Saint-Esprit (gestiftet 1578). Seit dem 15.2.1574 verheiratet mit Louise de Vaudémont-Lorraine. MONSIEUR DE MERCURE: PhilippeEmmanuel Lorraine, duc de Mercoeur, comte de Vaudémont et duc de Penthière (1558–1602).1843 Heiratete die Tochter von de Martigues, Sebastien de Luxembourg.1844 Philippe-Emmanuel ist seit 1578 Mitglied des Ordens Saint-Esprit, ältester Bruder der Braut, auch Schwager von Henri III. und Großcousin der Guisen.

MONSIEUR DE LORRAINE: Charles III. de Lorraine (1543–1608), duc de Lorraine et de Bar.1846 War seit dem 22.1.1559 mit Claude de Valois (1547–1575), princesse de France, einer Schwester Henris III, verheiratet. Seit 1578 Mitglied des Or-

ris 1882. Siehe hierzu Revue des questions historiques, Jg 1., Heft 16 (1882), S. 694. Im Vergleich hierzu Stoyan 1999, a.a.O. Edward VI, König von England, war sein Pate. Zur franco-britischen Annäherung der 1550er Jahre, die mit dieser Patenschaft bekräftigt wurde, siehe: Carroll 2009, a.a.O., S. 55. Siehe auch: Marguerite de Valois 1998, a.a.O., S. 299 (Anm. 8). Siehe auch den Bezug von Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 56 auf Claude de Valois, Princesse de France, die bereits verstorbene Mutter der Christine de Lorraine, Princesse de Lorraine: „Au premier rang marchoit la royne, tenant par la main madame la princesse de Lorraine, vraye heritiere de la bonté, pieté & douceur de feu madame Claude de France, fill & souer de nos Rois, sa mere, la memoire de laquelle sera toujours honoree en ce Royaume envers toutes personnes, qui sont prosession de la vertu & de l‛honneur.“ Im Rahmen dieser Hochzeit wird 1589 das berühmte Intermedium La pellegrina zur Aufführung gelangen. Boucher 1995, a.a.O., S. 111. Ebda., siehe auch Schwennicke 1978–1995, a.a.O., unter Mercoeur XIV/102–103. Siehe Potter 2004, a.a.O., S. 184. Ebda. Siehe: Brantôme 1790, a.a.O., S. 581, 602 sowie Marek, Miroslav: Genealogie Lorraine: URL: http://genealogy.euweb.cz/lorraine/lorraine1.html (letzter Zugriff Juli 2010).

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NAIADE / WASSERNYMPHE MADAME DE SeeNEVERS: Henriette de Clèves, duchesse pferd1850 de Nevers1848 et comtesse de Rethel (1542–1601)1849, seit 1564 verheiratet mit Louis de Gonzague (Ludovico Gonzaga) (1539–1595), duc de Nevers et de Rethel. NAIADE / WASSERNYMPHE MADAME DE Arion GUISE: Catherine de Clèves, duchesse de Guise (1548–1633), Comtesse d’Eu. Sie ist seit 1570 verheiratet mit Henri I. de Lorraine (1550–1588), duc de Guise, prince de Joinville. Sie ist Tochter von François de Clèves, duc de Nevers.1853

1847 1848

1849

1850

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1852

1853

431 dens Saint-Esprit. Cousin der Braut und der Königin.1847 MONSIEUR DE GUISE: Henri de Lorraine1851, le Balafré (seit 1575), duc de Guise (1550–1588)1852, gouverneuer der Champagne. Heiratet 1570 Catherine de Clèves, seit 1579 Mitglied des Ordens Saint-Esprit. Cousin von Catherine d’Aumalle und Charles d’Aumalle. Die Guisen haben das Amt des Haushofmeisters (grand maître de France) inne. MONSIEUR DE GENEVOIS1854: Wahrscheinlich: Charles Emmanuel de Savoie, prince de Genevois1855 (1567–1595), duc de Nemours (ab 1585). Sohn von Jacques de Savoie (1531–1585), duc de Genevois1856, duc de Nemours und Anne d’Este, die ihrerseits Witwe von François de Lorraine war.1857

Siehe Brantôme 1790, a.a.O., S. 419. Siehe Schwennicke 1978–1995, a.a.O., unter Nevers, Duc de (Kleve-Mark-Berg) XVIII/18, siehe auch L’Éstoile, Pierre de: Registre-Journal du regne de Henri III. Bd. 3 (1579–1581). Hg. v. Madeleine Lazard und Gilbert Schrenck. Genève 1997, S. 200, hier Anm. 69. Zur literarischen Tätigkeit der Herzogin von Nevers unter dem Pseudonym Pistère im Kreis um Catherine de Retz, siehe Catherine de, maréchale de Retz: Album de poésies. Hg. v. Colette H. Winn u. François Rouget, Paris 2004, a.a.O., S. 148, hier Anm. 2. Die Angabe von Mac Clintock 1971, a.a.O., S. 98, an dieser Stelle würde das Seepferd an M. de Nevers übergeben, stimmt nicht mit den Angaben bei Beaujoyeulx 1582, a.a.O, S. 63 überein. Siehe Schwennicke 1978–1995, a.a.O., unter de Guise Bd. I.2/209; VI/133. Zur Genealogie der Guisen siehe den Eintrag in Bautz, Biografisch-Bibliografisches Kirchenlexikon, als elektronische Ressource unter URL: http://www.bautz.de/bbkl/g/guise.shtml (letzter Zugriff Juli 2010). Zur Genealogie der Guisen siehe auch Vial, J.C.: Maisons des ducs de Guise, als elektronische Ressource unter URL: http://vial.jean.free.fr/new_npi/revues_npi/14_2000/npi_1400/14_lorr_guis_genea1.ht m (letzter Zugriff Juli 2010). Siehe auch Richard Cooks Hinweis in Potter 2004, a.a.O., S. 134f. Zum Herzogtum Lorraine siehe auch Schwennicke 1978–1995, a.a.O., unter d’Aumale II/26 und IV/133. Auch Brantôme 1790, S. 414. Henri I. de Guise (1550–1588) war der erste Sohn von François I de Guise (1519–1563), der ein Bruder von Claude d’Aumale (1523–1573) war. Vgl. hierzu die Anmerkung zu seinen Kindern Charles d’Aumale und Catherine d’Aumale. Die Verbindung der königlichen Familie mit dem Hause Guise bestand folglich bereits vor der Hochzeit von Marguerite de Vaudémont-Lorraine durch die Eheschließung von Catherine d’Aumale mit Nicolas, duc de Mercoeur, der Vater von Königin Louise und der Braut Marguerite ist. Da Marguerite aber nicht die Tochter von Catherine d’Aumale, sondern von Joanne de Savoie-Nemours ist, besteht also nur über die o.g. Verwandtschaftsgrade eine Verbindung zum Hause Guise. Siehe Zur Lippe 1974 b), S. 409 über die nun zustande gekommene engere Verbindung mit dem katholischen Hause Guise. Siehe Brantôme 1790, a.a.O., S. 602.

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432 NAIADE / WASSERNYMPHE MADAME D’AUMALE: Wahrscheinlich: Marie de

Wal

Lorraine-Elboeuf (1555–1603), seit 1576 verheiratet mit ihrem Cousin Charles, duc d’Aumale (1555–1631). Stieftante der Braut. Oder: Catherine de LorraineAumale (1550–1606), dritte Frau des Duc de Mercoeur, comte de Vaudémont; jedoch seit 1577 Witwe. Stiefmutter der Braut NAIADE / WASSERNYMPHE MADAME DE Seeungeheuer JOYEUSE: Marguerite de VaudémontLorraine (14.5.1564–20.9.1625), Tochter von Nicolas, duc de Mercoeur, comte de Vaudémont und seiner zweiten Frau Jeanne de Savoie-Nemours (1532– 1568).1859 Marguerite heiratet1860 am 24.9.1581 Anne de Batarnay, baron d’Arques, dann duc de Joyeuse (1561–

1854

1855

1856

1857 1858 1859

1860 1861 1862

1863

MARQUIS DE CHAUSSIN: François de Lorraine (1567–1592?), marquis de Chaussin.1858 Sohn von Nicolas, duc de Mercoeur, comte de Vaudémont und seiner dritten Frau. Jüngerer Bruder der Braut und der Königin.

MARQUIS DE PONT: Henri II (genannt le Bon) Marquis de Pont-à-Mousson, dann duc de Bar (1563–1624) und duc de Lorraine (1608–1624), duc de Calabre, de Gueldre et de de Juliers, comte de Vaudémont, de Blâmont et de Provence. Er ist der älteste Sohn von Claude de Valois (1547–1575) und Charles III. de Lorraine (1543–1608).1862 Er heiratet 1598/99

Siehe hierzu auch den Hinweis bei Richard Cook, in Potter 2004, a.a.O., S. 135. Auch in einem Brief von de la Broue an an Mad. de Saint-Sulpice findet dieser Erwähnung: „[…] le prince Ginivois, fils de mr de Nimours.“ Brief abgedruckt in: Cabié 1975, a.a.O., S. 691. Der legitime Sohn aus dem Hause Nemours trug den Titel prince de Genevois. Siehe hierzu Mariéjol, Jean-Hippolyte: Charles-Emmanuel de Savoie, duc de Nemours, gouverneuer du Lyonnais, Beaujolais et Forez: 1567–1595. Paris 1938. Allerdings erwähnt Pierre de L’ Éstoile in seinem Journal, dass der illegitime Sohn des Herzogs von Nemours mit Françoise de Rohan, dame de Garnache, namens Henri de Savoie, duc de Loudun (gest. 1596), sich auch prince de Genevois nannte, zumindest bis er von Henri III. den Titel eines duc de Loudun erhielt. Hier nach: Potter 2004, a.a.O., S. 28, hier Anm. 11. Siehe L’Éstoile 1997, a.a.O., S. 163. zur möglichen Teilnahme Charles Emmanuels siehe den Hinweis auf die Abwesenheit Jacques de Savoie, duc de Genevois (bis 1585) im Oktober 1581, in Anm. 97 dieser Arbeit. Bei Argenson 1782, a.a.O., S. 252 der Hinweis, dass der „Comte de Genevois, second mari de sa belle-mere“ gewesen sei. Siehe Coester 2007, a.a.O., S. 351. Diesen nennt auch Coste 1647, a.a.O., S. 109. Siehe auch: Schwennicke 1978–1995, a.a.O., unter: Chaussin, de (Longvy) XV/71 und Chaussin, Sire de (Neublans) III/44. Siehe L’Éstoile 1997, a.a.O., S. 194, hier Anm. 24, vgl. dazu die Angaben bei Brantôme 1790, a.a.O., S. 204, wo er das Todesdatum mit 1601 angibt (aber korrigiert in der Ausg. von 1981, S. 601). Hier ein Verweis auf weitere Angaben bei Gazet, Nicolas: Le miroir des veuves, ou la vie & la mort de Louise de Lorraine (Werk nicht auffindbar). Angaben zu Lebensdaten und Hochzeitsdaten in: Schwennicke 1978–1995, a.a.O., unter Joyeuse VII/56. Siehe auch Brantôme 1790, a.a.O., S. 395. Auch in weiteren zeitgenössischen Quellen wird sie nach 1581 als Madame de Joyeuse geführt. Siehe Potter 2004, a.a.O., S. 184. Diesen nennt auch Coste 1647, a.a.O., S. 107: „Mad. de Joyeuse au Marquis du Pont (un monstre marin […].“ Zu seiner Erhebung 1608 siehe auch Rémi Belleau: „[ …] qui depuis a esté Duc de Bar et de Lorraine.“ Aus: Belleau, Rémi: [Les] oeuvres poétiques de Remy Belleau Bd. I. Paris 1578. ND Cambridge 1990, o.S. Siehe Bogdan, Henry: La Lorraine des ducs, sept siècles d’histoire. Paris 2005, S. 291.

Anhang 1587).1861 Heiratet später (31.5.1599) François de Luxemburg, Duc de Piney (gest.1613). Sie ist die Braut. NAIADE / WASSERNYMPHE MADAME LA Triton MARECHALE DE RETZ: Claude-Catherine de Clermont, Maréchale de Retz, 1540/3–1603).1864 In zweiter Ehe verheiratet mit Albert de Gondi, comte, dann duc de Retz (1522–1602).1865 Cousine von Brantôme.1866

1864

1865

433 Catherine de Navarra (1559–1604).1863 Sie ist als Tochter von Antoine de Bourbon und Jeanne d’Albret, Königin von Navarra, eine Tante des späteren Königs Henri IV. MONSIEUR D’AUMALE: Charles I, duc d’Aumale (1555–1631).1867 Seit 1578 Mitglied des Ordens Saint-Esprit. Stiefonkel der Braut.

Die Herzogin von Retz war die einzige Tochter von Jeanne de Vivonne, dame de Dampierre (1515–1583), die dame d’honneur der Königin Louise war. Die Mareschallin de Retz, selbst dame d’honneur von Caterina de Medici, dann Gouvernante der königlichen Kinder, galt als eine der einflussreichsten und gebildesten Damen am Hof Valois und literarisch ambitionierte Frau und Mäzenin. So findet sich auch bei Argenson 1782, a.a.O., S. 253 der Hinweis, dass die Mareschallin „Retz, femme de beaucoup d’esprit“ gewesen sei. Sie soll auch innovative literarische Bewegungen wie die Pléiade und den Petrarkismus gefördert haben. Zudem lässt sich ihre Teilnahme 1576 an einer Sitzung der Académiques im cabinet des Königs nachweisen, an der neben ihr die Schwester des Königs Marguerite sowie der Herzog und die Herzogin von Nevers teilnahmen. Auch Mademoiselle de Vitry, die spätere Madame de Simier, gehörte zu diesem Kreis. Siehe Zimmermann 2005, S. 113 und Zimmermann 2007, a.a.O., S. 61. Zum literarischen Schaffen Catherine de Clermont siehe die sehr interessante Sammlung an diversen Dichtungen aus Mitte der 1570er Jahre in: Winn, Rouget 2004, a.a.O. Dieser ist nicht als Teilnehmer des balets comique aufgeführt. Pierre de L’Éstoile erwähnt in seinem Journal, das Gondi auf Drängen von Henri III. im Februar 1579 den Hof für 10 Tage verlässt. Nach seiner Rückkehr verlässt er den Hof im Mai 1581 erneut und im Januar 1582 verliert er sein Amt bei Hofe endgültig, wenngleich er weiterhin in „missions délicates“ (Le Roux) tätig gewesen sei, wie er in einer Korrespondenz an Villeroy im Februar schreibt: „pour le bien de l‛estat, sans aulcune autlre passion.“ Am Hofe selbst ist er jedoch bei der Drucklegung des balets comique im Februar 1582 somit nicht mehr. Hier nach: Le Roux 2000, a.a.O., S. 193 sowie S. 63–68 und S. 150f. Der zeitgenössische Text Discours merveilleux de la vie, actions et déportemens de Catherine de Médicis, mutmaßlich von Henri Estienne oder Théodore de Bèze 1575 verfasst, macht Gondi auch zum Liebhaber von Caterina de Medici. In der deutschen Fassung dieses für Caterina wenig schmeichelhaften Berichtes wird von „der alten Königin“ und „ihres Graffen von Rets“ gesprochen. Auch seien hiernach die Herzöge Nevers und Rets jene, „denen die Lieb zum Vaterland auch nicht hoch anlag […] dazu Italianer […]“ gewesen. Aus: Fischart, Johann: Wacht früe auff. Das ist Summarischer vnnd Warhaffter Bericht von den verschienenen, auch gegenwärtigen beschwerlichen Händeln in Franckreich; den Frantzosen vn[d] andern genachbarten nationen zu gutem, inn zween Dialogos oder Gespräch gestellet vnd verfasset durch Eusebium Philadelphum Cosmopolitam [i.e. Nicolas Barnaud] Mit angehenckter wunderlicher Beschreibung deß Lebens, Verhaltens, Thun vnnd Wesens der Catherinen vonn Medicis, […]. Alles aus dem Frantzösichen ins Teutsche gebracht durch Emericum Lebusinum [i.e. Johann Fischart]. Edimburg (fingiert) [Straßburg] 1593, G.i.j., (o.P.). Zur Person Gondis ausführlich siehe Jullien de Pommerol, Marie-Henriette: Albert de Gondi, maréchal de Retz. Geneva 1953.

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434 NAIADE /WASSERNYMPHE MADAME DE LARCHANT: Frau von Nicolas Grimonville, Seigneur de Larchant, Offizier der königlichen Garde. Dieser begleitet Henri III. während seines 146-tägigen Aufenthaltes in Polen als polnischer König (1573–74).1868

Koralle

NAIADE / WASSERNYMPHE MADAME DE Auster PONT: ?1871; vielleicht: Antonie (Antoinette) de Lorraine (1568-1610), Schwester des Marquis de Pont. Oder: Marie de Montchenu, die Witwe des 1580 vers-

1866 1867

1868 1869

1870 1871

MONSIEUR DE JOYEUSE: Anne de Batarnay, baron d’Arques (1560–1587), dann duc de Joyeuse1869 et pair de France (1581), gentilhomme ordinaire de la chambre du roi (1577), capitaine de gendarmes, gouverneur du Mont-SaintMichel, conseiller d’Etat et Chambellan du roi (1579), chevalier de Saint-Michel (1580), premier gentilhomme de la chambre du roi (1581), amiral de France (1582). Seit 31.12.1582 Ritter des Ordens Saint-Esprit.1870 Am 24. 2.1583 wurde er Statthalter der Normandie sowie 1584 Statthalter von Le Havre. Im gleichen Jahr, nach dem Tod von FrançoisHercule de Valois-Angoulême, duc d’Alençon etc., erhielt er die Statthalterschaft im Herzogtum Alençon, sein Bruder die des Herzogtums Anjou. Er ist Sohn von Guillaume, vicomte de Joyeuse und neben Épernon Anfang der 1580er Jahre einer der beiden Hauptfavoriten des Königs. Er ist der Bräutigam und wird durch die Heirat Schwager des Königs und der Königin. MONSIEUR D’É(S)PERNON1875: Jean-Louis de Nogaret de la Valette, sieur de Caumont (1554–1642), duc d’Épernon et pair de France (erst Nov. 1581!), gentilhomme de la chambre du duc d’Alençon

Marguerite de Valois 1998, a.a.O., S. 33. Charles d’Aumale (auch d’Aumalle) ist der Sohn von Claude d’Aumale (1526–1573) und Louise de Brézé, dame d’Anet und Tochter von Louis de Brézé, comte de Maulevrier und Diane de Poitier. Charles ist somit der Enkel von Diane de Poitier. Gleichzeitig ist er Bruder von Catherine de Lorraine-Aumale, also der Stiefmutter der Braut. Siehe auch die Hinweise Richard Cooks in Potter 2004, a.a.O., S. 136. Siehe Filipczak-Kocur 1997, a.a.O., S. 72. Coste 1647, a.a.O., S. 107 verzeichnet die Schreibweise L‛Archant. Im August 1581 wurde die Vizegrafschaft Joyeuse zum Herzogtum und zur Pairie erhoben, was mit einem Vorrecht gegenüber den anderen Herzögen und Pairs mit Ausnahme der Fürsten von Geblüt war. Der König schenkte ihm darüber hinaus die Herrschaft Limours. Siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 741. Eine Auflistung der Vorrechte der Pairie findet sich in der zeitgenössischen Quelle von Richard Cook. In: Potter 2004, a.a.O., S. 233 und S. 237 („la datte de l’élection“). Siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 741. Im Umfeld des zuvor genannten Marquis de Pont scheint es außer seiner Schwester Antonie aus der Familie Pont-à-Mousson keine Frau zu geben, die hier in Frage käme: siehe Schwennicke 1978–1995, a.a.O., unter Mousson, Gf von (Gf im Scarponnois) I.2/226 und Mousson, Gfin von (Wigeriche) I.2/202.

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torbenen Antoine de Pons, comte de Marennes, riche seigneur de Saintonge. Er war ein Hauptmann der Cent Gentilhommes de la maison de rois1872 und „un des gentilhommes, le plus estimés de la cour des derniers Valois.“1873 Sowohl seine zweite Frau Marie de Montchenu und seine Tochter Antonie (Antoinette) waren beide Mitglieder im Haushalt der Caterina de Medici.1874

NAIADE / WASSERNYMPHE MADAMOYSELLE DE BOURDEILLE: Wahrscheinlich eine der drei Schwestern von Renée de Bourdeilles: Jeanne (gest. 1641) heiratet 1584 Claude d’Espinay, comte de Durtal. Oder: Isabelle, heiratet

1872 1873

1874 1875

1876

Schwertfisch

(1575–1576), gentilhomme de la chambre du roi (1577), maître et camp du régiment de Champagne, conseiller d’Etat et chambellan du roi (1579), colonel général de l’infantrie française (1581), gouverneur de Metz (1583) et de Loches (1584), capitaine de gendarmes (1585), gouverneur de Boulogne (1585), de Provence (1586), de Normandie, d’Aunis, de Saintonge et d’Angoumois (1587), amiral de France (1588). Seit 1582 Mitglied des Ordens Saint-Esprit. Gouverneur de Provence (1592–1594), gouverneur de Limousin puis de Guyenne (1622). Er ist neben Anne de Joyeuse der andere enge Vertraute von Henri III. Anfang der 1580er Jahre.1876 MONSIEUR DE NEVERS1878: Louis de Gonzague (Ludovico Gonzaga), duc de Nevers et de Rethel (1539–1595)1879, comte de Nevers, governeur Piedmont (1567) und Picardy (1587), heiratet Henriette de Clèves. Seit 1578 Mitglied des

Nach: Ms.fr. 7857 (Bib. Nat.), hier zit. nach: Boucher 2007, a.a.O., S. 794. Antoine de Pons stirbt bereits 1580. Boucher 2007, a.a.O., S. 794 und hier Anm. 1. Zu einer Mademoiselle de Pons findet sich ein Hinweis mit Bezug auf die Festlichkeiten 1578: „Mlle de Pons ayant été élue reine de la fève […]“, hier zit. nach: Boucher 2007, a.a.O., S. 887. Auch wird er als capitaine de 50 lances erwähnt und hierbei unter den Conseillers de robe courte aufgeführt, siehe Potter 2004, a.a.O., S. 168. Siehe Potter 2004, a.a.O., S. 50, Anm. 83. Die Angabe von Mac Clintock 1971, a.a.O., S. 98 an dieser Stelle würde die Auster an M. de Bourdeille übergeben, stimmt nicht mit den Angaben bei Beaujolyeulx 1582, a.a.O., S. 64 überein. De la Valette wird erst im November 1581, damit nach der Aufführung des balets, aber vor Drucklegung des Traktats, zum duc erhoben. Zur Erhebung siehe: Carroll 2009, a.a.O., S. 238. Er sollte die jüngste Schwester von Louise und Marguerite, Christine de Lorraine, heiraten1876. Ende Oktober 1581 muss es dann Überlegungen gegeben haben, „[…] du mariage de mr de La Valète avecques la soeur de mr d’Arques […].“ Aus einem Brief La MotheFénelons an Saint-Sulpice vom 31. Oktober 1581. Abgedruckt in Cabié 1975, a.a.O, S. 698. Épernon heiratet dann aber erst 1587 Marguerite Foix (1567–1593), comtesse de Candale, „accompagné des ducs de Guise, Domale et de Joyeuse“. Hier zit. nach: L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 168, siehe auch Brantôme 1790, a.a.O., S. 427: Eine Schwester von Épernon wird am 28.11.1581 mit Henri de Joyeuse, comte de Bouchage, verheiratet. Auch diese Angabe nach: L’Éstoile 1997, S. 168. Épernons älterer Bruder heiratet am 13.2.1582 mad. de Bouchage. Diese Angaben nach: L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 293, obwohl er eigentlich Jeanne de Mouy hätte heiraten sollen, laut L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 268. Diese heiratet später einen Bruder von Joyeuse, siehe hierzu L’Éstoile 1997, a.a.O., S. 195, hier Anm. 25. Siehe auch Brantôme 1790, a.a.O., S. 605 und zur Vielzahl seiner Titel, ebda., S. 606.

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436 François de Jussac, baron d’Ambleville. Oder: Adrienne, heiratet 1602 Léonard des Cars, seigneuer de Saint-Bonnet. 1877 NAIADE / WASSERNYMPHE MADAMOYSELLE DE CYPIERRE: Möglicherweise: Tochter von de Cypierre, gouverneur du duc d’Orleans.1881

DRYADE / WALDNYMPHE MADAMOYSELLE DE VICTRY: Madame de Vitry, spätere Madame de Simier, Tochter von Louis de l’Hôspital, marquis de Vitry, gouverneur de Meaux, capitaine

1877

1878

1879

1880

1881 1882

Ordens Saint-Esprit.1880 Krebs

Eule

MONSIEUR DE LUXEMBOURG: Wahrscheinlich: François de Luxembourg (gest. 20.9.1613) duc de Piney, Pair von Frankreich, Sohn von Antoine II., Graf von Ligny und Brienne und Marguerite de Savoie. Seit 1576 mit Diane de Lorraine (1558–1586), Tochter des ducs d’ Aumale, verheiratet. Seit 1578 Mitglied des Ordens Saint-Esprit. 1599 heiratet er Marguerite de Vaudémont-Lorraine. MONSIEUR LE BASTARD: Wahrscheinlich: Charles de Valois (1573–1650), comte d’Auvergne, dann duc d’Angoulême (auch: Charles, bâtard d’Angoulême)1883, chevalier de Malte et grand prieur de

Renée de Bourdeilles (*1562), Tochter von André de Bourdeilles, ein älterer Bruder Brantômes, und Jacquette de Montberon. Heiratet aber bereits 1579 David Bouchard, vicomte d’Aubeterre. Siehe Brantôme 1790, a.a.O., S. 428 und S. 430. Zur Rangfolge der Familien Nevers, Guise, Aumale und Joyeuse siehe auch aus den frühen 1580er Jahren in Richard Cook‛s Discription die Le vraye Ordre comment les princes du sang et pairs de France doivent preceder chacun en son range suivant leur erections, hier zit. nach: Potter 2004, a.a.O., S. 238. Er ist Sohn von Frédéric II., duc de Mantoue: „au service de la chambre du Roy il est entré en 1547. C‛est donc un familier de la cour, du duc d’Anjou à Catherine de Médicis dont il a été secrétaire diplomatique à Rome en 1556.“ Aus: Brantôme 1790, a.a.O., S. 532. Auch: Kloczowski, Jerzy, Wozniewski, Muriel: Les premières histoires de la Pologne. In: Sauzet 1992, a.a.O,, S. 103–109, hier S. 108. Die Familie ist „au service de la chambre du Roy il est entré en 1547. C‛est donc un familier de la cour, du duc d’Anjou à Catherine de Médicis dont il a été secrétaire diplomatique à Rome en 1556.“ Hier zit. nach: Kloczowski, Jerzy, Wozniewski, Muriel: Les premières histoires de la Pologne. In: Sauzet 1992, S. 103–109, hier S. 108. Gonzage berät Henri auch schon während seiner Amtszeit als Wahlkönig von Polen 1573–74. Siehe Filipczak-Kocur 1997, a.a.O., S. 70. Auszuschließen wäre m. E.: François II. de Clèves (1540–62), comte d’Eu, dann duc de Nevers, heiratet Anne de Bourbon 1561, vgl. hierzu aber Brantôme 1790, a.a.O., S. 373 und S. 483. Siehe Balzac, Honoré de: Etudes philosophiques. Sur Catherine de Médicis. In: Oeuvres complètes de M. de Balzac. La comédie humaine. Paris 1842–1848 (ND Paris 1998). Siehe Argenson, Marc Antoine René de Voyer (Hg.): Mélanges tirés d'une grande bibliothèque […]. Bd. 30. Paris 1788, S. 251. Siehe auch L’Éstoile 1997, a.a.O., S. 200, hier Anm. 72. Auch für Mademoiselle de Vitry lässt sich die Teilnahme an einer Sitzung der Académiques im cabinet des Königs 1576 nachweisen, an der neben ihr die Schwester des Königs, Marguerite, der Herzog und die Herzogin von Nevers sowie die Mareschallin de Retz teilnahmen. Siehe: Zimmermann 2005, S. 113 und Zimmermann 2007, a.a.O., S. 61.

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des gardes.1882

DRYADE/ WALDNYMPHE MADAMOYSELLE DE SURGERES: Wahrschein-

Hirschkuh

lich: Hélène de Surgères, die ‚Muse‛ von Ronsard.1887 DRYADE / WALDNYMPHE MADAMOYSELLE DE LAVERNAY: ?

Hirsch

DRYADE / WALDNYMPHE MADAMOYSELLE DE STAVAY1889: Louise de

Wildschwein

Stavay (oder d’Estavaye), fille d’honneur der Königin.

1883

1884

1885 1886 1887

1888 1889

France. Illegitimer Sohn von Charles IX. und Marie Touchet (1549–1638), dame de Belleville.1884 Unwahrscheinlicher: Henri, bâtard d’Angoulême, (auch gen. chevalier d’Angoulême oder Henri de France oder Henri de Valois) (1551 – 1586).1885 Er war seit 1568 Abt von Saint-Clérac. Illegitimer Sohn von Henri II., König von Frankreich und Jane Stuart, selber eine illegitime Tochter von James IV., König von Schottland.1886 MONSIEUR COMTE DE SAULX: wahrscheinlich: Guillaume de Saulx (1553– 1633), Vicomte de Tavannes, Generalleutnant in Burgund. Seit 1585 Mitglied des Ordens Saint-Esprit.1888 COMTE DE MAULEVRIER: Charles-Robert de la Marck, comte de Braine et de Maulévrier (1541–1622), capitaine des Cent Suisses de la garde. Seit 1578 Mitglied des Ordens Saint-Esprit. MONSIEUR COMTE DE BOUCHAGE: Henri de Joyeuse (1567–1608), comte de Bouchage, Bruder von Anne de Joyeuse, 1587 vierter Duc de Joyeuse, 1579 gentilhomme de la chambre, 1581 maître de la garde-robe du

Siehe: Potter 2004, a.a.O., S. 132, Anm. 26.; zur Identität von M. le Bastard siehe auch Argenson 1782, a.a.O., S. 253: „[…] M. le Batard (c‛est-à-dire M. d’Angoulême, fils naturel de Charles IX.“ Siehe die Angabe bei Coste 1647, a.a.O., S. 107, dass es sich um „Charles Monsieur (à present Duc d’Angoulesme)“ handele. Er gehört zum engeren Kreis um Henri III. und möglicherweise stand zur Disposition über Charles die Nachfolge Henris III. zu regeln. Siehe hierzu Boucher 2007, a.a.O., S. 103–105. Siehe Schwennicke: Europäische Stammtafeln. Bd. III/2. Marburg 1983, Tafel 307. Hinweis auf Henri d’Angoulême bei: Muhlstein 2003, a.a.O., S. 89. Zur Identität dieser Person siehe auch Greene 1994, a.a.O., S. 85; siehe auch Lavaud, Jacques (Hg.): Pierre de Ronsard: Sonnets pour Hélène. Paris 1947, S. 91. Zur literarischen Tätigkeit Hélènes de Surgères innerhalb eines Kreises schreibender Frauen am Hof, wahscheinlich unter dem Pseudonym Minerve, siehe auch die Stanzen in Winn, Rouget 2004, a.a.O., hier S. 191. Siehe Marie-Nicolas Bouillet, Alexis Chassang (Hg.): Dictionnaire universel d’histoire et de géographie, 1878, o.S. „Estavay la jeune, damoyselles de la Royne." In: Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 38. Siehe auch Boucher 1995, a.a.O., S. 73. In einem Brief vom 29.3.1586 wird ausgeführt, dass Madamoiselle Stavay im Ruf stand eine „liaison brève et discrète avec Henri III., puis, émancipée, mena une vie galante, marquée par une aventure éclatante avec le duc d’Épernon“ gehabt zu haben. Brief in: Lucinge, René de: Lettres sur la cour d’Henri III en 1586. Genève 1966, S. 133–135. Hier zit. nach: Boucher 1981, a.a.O., S. 129. Hierzu auch Boucher 2007, a.a.O., S. 93. Auch L’Éstoile erwähnt „la belle de Stavaï.“ In: L’Éstoile 1875, a.a.O., S. 52.

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MINERVA1892 MADAMOYSELLE DE CHAUMONT: Möglicherweise eine Verwandte

Apollo

der Dichterin Catherine d’Amboise, dame de Lignières (1481–1550).1893 Oder: Anne de Caumont, comtesse de Saint Paul, Marquise de Fronsac (1574– 1642).1894 Wohl eher nicht: Tochter von Philibert de la Guiche, (gest. 1607).1895 Buch CIRCE1896 MADAMOYSELLE DE SAINT MESME: Tochter von Henri de Mesmes, sieur und comte de Malassise, sieur de Roissy (1532–1596). Er bekleidete diverse Ämter, so war er conseiller au grand

roi, Pair von Frankreich und Marschall von Frankreich. Seit 1583 Mitglied des Ordens Saint-Esprit.1890 Er heiratet am 28.11.1581 Catherine de Nogaret-La Valette (gest. vor 1587), eine Schwester Épernons.1891 Bruder des Bräutigams. ROYNE MERE DU ROY: Caterina de Medici (13.4.1519–5.1. 1589), eigentlich Caterina Maria Romula de’ Medici, war seit 1547 durch die Heirat mit Henri II. (1533) Königin von Frankreich. Aus der Ehe gingen von 1544 – 1556 zehn Kinder hervor. CARDINAL DE BOURBON: Charles (1523– 1590), cardinal de Bourbon (ab 9.1.1548), l’archevêché (Erzbischof) de Rouen (ab 1550), fünfter Sohn von Charles, duc de Vendôme.1901 Und Bruder von Antoine

Siehe auch Potter 2004, a.a.O., S. 132, hier Anm. 23. Siehe auch L’Éstoile 1997, a.a.O., S. 168. 1892 Beaujoyeulx 1582, a.a.O. nennt bereits auf S. 44 ihren Namen: „[...] estoit madamoyselle de Chaumont, representant la deesse Minerve“, auf S. 64 wird nur der Rollenname angegeben, auf S. 73 mit Abbildung der Medaille dann wieder der natürliche Name. 1893 Siehe den Hinweis in Mélanges tirés d’une grande bibliothèque […]: „Elle (Minerve. A.W.) étoit représentée par Mademoiselle de Chaumont (d’Amboise), fille d’une grande naissance, qui fit des récits, auxquels on répondit du haut de Cieux de la part de Jupiter.“ Aus: Argenson 1782, a.a.O., S. 252. Für die 1580er Jahre käme dann nur eine Frau aus der unehelichen Linie des Michel d’Amboise (Michel Bâtard d’Amboise) (*um 1505 –1548) in Frage. Für dessen einzigen Sohn Jean d’Amboise (1522–1584), Chirurg in den Diensten der französischen Könige, sind jedoch nur drei Söhne nachweisbar. Siehe Schwennicke: Europäische Stammtafeln XIII Marburg 1990, Tafel 1–5. 1894 Siehe Boucher 2007, a.a.O., S. 312, S. 360. 1895 Philibert de la Guiche, seigneur de Chaumont, comte de La Palice, neben anderen Ämtern Großmeister der Artillerie von Frankreich (1578–1596) und in erster Ehe seit 1570 verheiratet mit Eléonore, dame de Chabannes-La Palice (ohne Nachkommen); erst in zweiter Ehe mit Antoinette de Lude Vater zweier Töchter, die aber erst nach 1600 geboren werden. Er war seit 1578 Mitglied des Ordens St. Esprit. Siehe Le Roux 2000, a.a.O., S. 259– 261 und Potter 2004, a.a.O., S. 36, hier Anm. 38. 1896 Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 7 nennt bereits zu Beginn ihren Namen: „Circé [...] estoit representee par la damoyselle de saincte Mesme“, auf S. 64 wird nur der Rollenname angegeben, auf S. 74, mit Abbildung der Medaille, wird wieder der natürliche Name angegeben. 1897 Der königstreue L’Éstoile nennt ihn in seinem Journal vom 17.1.1582 einen „hochgelehrten“, aber „unverschämten“ und „anzüglichen“ Mann, dem der König im Januar 1582 seine Ämter entzogen habe. Nach: L’Éstoile 1997, S. 201, hier Anm. 98, siehe auch L’Éstoile 1943, a.a.O., S. 292 und Boucher 2007, a.a.O., S. 13f. sowie Potter 2004, a.a.O., S. 44, Anm. 61 und 2004, a.a.O., S. 56. Die zweite Quelle erwähnt, dass die Familien de Mesme, 1890 1891

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de Bourbon1902, das älteste katholische conseil, maître des requêtes 1897, conseiller d’Etat unter Charles IX. und Henri III., Mitglied der Bourbon Familie. Er ist chancelier de la reine Louise (1575–1582)1898, 1585 einer der führenden Mitglieder der Rechtsgelehrter in Toulouse, galt als katholischen ‚Liga‛. Seit 1578 Mitglied Berater der Königinmutter.1899 Entfernte des Ordens Saint-Esprit. Verwandte von Caterina de Medici.1900 Weitere Rollen des balets und ihre Rollenträger: GENTILHOMME FUGITIV: Monsieur de la Roche, gentilhomme servant de la Royne mere du Roy.1903 / GLAUCUS & THETYS: Monsieur und ‚la damoyselle‛ Beaulieu. „Glaucus [...], & en l’autre la damoyselle de Beaulieu son epouse, [...] & representant aussi Tethys.“1904 / MERCURE: Monsieur de Pont (Pons) oder Dupont.1905 / DIEU PAN: Sieur Juvigny, escuyer du Roy.1906 / IUPITER: Sieur de Savorin1907 „[…] Chanoine de la Sainte Chapelle.“1908

1898

1899 1900 1901

1902

1903 1904 1905

1906 1907

1908

Hennequins, Guyots, Potiers, Clausses, Hotmans und Villechocq (oder Willecocq) zu den „principales familles“ von Paris gehörten. Bemerkenswert scheint, dass die Tochter jenes Mannes, der als gelehrter wie widerspenstiger Intendant der Königin galt, die Rolle der Circe im balet comique inne hat. Bei Drucklegung des Werks im Februar 1582 hat Henri de Mesme seine Ämter allerdings gerade nicht mehr inne. Siehe Boucher 2007, a.a.O., S. 13 und S. 549. Siehe auch Mesmes, Henri de: Mémoires inédits de Henri de Mesmes. Suivi de ses pensées inéd. écrites pour Henri III précédés de la vie publique et privée de Henri de Mesmes. Avec notes et variantes par Edouard Fremy. Paris 1886 (ND Genève 1970). De Mesme verfasste, bereits in Ungnade gefallen, Pensées für Henri III., hierzu Boucher 2007, a.a.O., S. 693. Boucher 2007, a.a.O., S. 1011. Boucher 1986, a.a.O., S. 112. Seine politische Rolle ist bedeutender als seine religiöse: Kardinal von Bourbon, in der Erbfolge erster katholischer prince du sang, war Favorit der Guisen für die Thronnachfolge. Nach der Ermordung Henris III. (2.8.1589) wird er am 3.3.1590 zum vrai et légitime roi de France als Charles X. zum König ernannt – wenngleich seit 1588 in Château de Fontenayle-Comte inhaftiert. Die Tilgung seines königlichen Titels findet sich mit der Ernennung Henris IV. umgehend: „le nom d’un roi qu’ils appelèrent Charles X, supposé par la malice du temps, au préjudice de la loi salique fondamentale du royaume, devait être rayé de tous les actes publies (Hervohebung A.W.) où il avait été mis.“ Angabe und Zitate nach: Laplatte, Claude: Bourbon, Charles. In: Dictionnaire d’Histoire et de géographie ecclésiastiques. Hg. v. A. de Meyer und Étienne van Cauwenbergh. Bd. 10. Paris 1938, hier Sp. 115–116. Siehe L’Éstoile 1997, a.a.O., S. 198, hier: Anm. 55. Siehe auch Saulnier, Emmanuel: Le role politique du cardinal de Bourbon (Charles X), 1523–1590. Paris 1912. Richard Cooks Hinweis in Potter 2004, a.a.O., S. 133. Siehe Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 8. Beaujoyeulx 1582, a.a.O., S. 16. „[…] sieur Dupont, gentilhomme servant du Rois“ heißt es in: Argenson 1782, a.a.O., S. 251. Sie ebda., S. 24 und S. 32: „ce dieu [...] & estoit reprensenté par le sieur du Pont gentilhomme servant du Roy.“, „Seul chantoit[...] le sieur de Sainct-Laurens, chantre de la Chambre du Roy.“ Ebda., S. 39: „Dieu Pan [...] estoit representé par le sieur Juvigny, escuyer du Roy.“ Ebda., S. 51: „Le sieur de Savornin (qui est au Roy, pour estre doué de beaucoup de bonnes parties, & principalement tresexcellent au chant & en la composition des airs de musique), representant Iupiter, s’apparut en la nuee [...].“ Argenson 1782, a.a.O., S. 252.