System der christlichen Lehre [5., verbess. u. verm. Aufl., Reprint 2022]
 9783112683002

Table of contents :
Vorrede
Inhalts-Anzeige
Einleitung.
Erster Theil. Vom Guten.
Zweiter Theil. Vom Bösen
Dritter Theil. Vom Heile.
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System der

Christlichen Lehre von

Dr. Carl Immanuel Nitzsch.

Fünfte, verbesserte und vermehrte Aussage.

Bon«, bei Adolph Marcus. 1 8 4 4.

Seiner Magnificenz dem zeitigen Rector der Königl. Rhein-Universität

Herrn Contittorialrath und Professor

Dr. Friedrich Bleek, als ein Zeichen unveränderlicher Hochachtung und

Freundschaft zum dritten Male

gewidmet.

Vorrede.

Bei wiederholter Herausgabe eines Lehrbuchs, durch welches ich mit dem weiteren Kreise des theologischen Pu-

blikums zuerst in beständigere Gemeinschaft getreten bin, habe ich die zwiefache Pflicht gefühlt, einmal, es in seinem

ursprünglichen Charakter wo möglich zu erhalten und nur in Gemäßheit desselben zu weiterer Entwickelung zu füh­

ren, und dann, ihm nach bestem Vermögen die Berichti­ gungen und Bereicherungen zuzuwenden,.welche mir der Fortschritt des Gedankens

und der Erfahrung im Ver­

kehre mit der wissenschaftlichen Gemeine seit der letzten Herausgabe eingetragen. und der Wissenschaft,

hervorgegangen,

Die Principien des Glaubens

aus welchen es schon anfänglich

und denen ich zu entsagen mich durch

keinerlei Erfahrung bewogen gefunden,

werden sich, so

hoffe ich, auch in den dieses Mal hinzugekommenen Sätzen

Vorrede.

V

und Entwickelungen deutlich erkennen lassen. Warum ich

das System als solches sowohl in den Grundlagen als in dem wesentlichen Ausbaue, ungeachtet so mancher ver­

nommenen

andern

Einrede und einiger

seidem hervorgetretnen

und beacktungewerthen Versuche, bestehen ließ,

wird das Buch an seinem Orte selbst lehren.

Soweit

ich einen Beruf für systematische Theologie fühlte, ist cs von jeher mein Bestreben gewesen, fürs erste den christ­

lichen Lehrstoff in urkundlicher Reinheit immer tiefer und voller zu erfassen, wovon die Folge war, daß das Buch in die biblische Theologie zurückgreifend einen exegetischen

Charakter annehmen mußte.

Die Einheit der christlichen

Vorstellungen fand ich in der Soteriologie, in der durch Christi Dasein und Wirken bestimmten Vorstellung des

Göttlichen und Menschlichen,

so, daß ich nicht in dem

gnostischen Elemente,

in dem mit ihm zusam-

sondern

mengeschleßnen geschichtlichen und praktischen, also eben

nur im Erlöser selbst den Mittel- und Strebepunct aller Lehren anerkannte.

Demgemäß versuchte ich das theore­

tische und praktische Christenthum in seiner ursprünglichen Einheit und gegenseitigen

Durchdrungenheit zu erkennen

und dar zu stellen, und nahm keinen Lehrstoff auf, der

nicht zur Begründung, Nahrung und Bewegung des christ­ lichen Bewußtseins gehören, und zur Wiedeverzeugung

Vorrede. eines wahrhaft kirchlichen

VII

Lehrbegriffs mitwirken konnte.

Endlich sollte der in der belebten

biblischen Vorstellung

selbst wurzelnde und aus ihr sich hervordrängende nach vereinigendem Wissen strebende Gedanke, die christliche Bestimmtheit der allgemeinen Idee der Religion, soweit ich es vermochte,

zur Entwicklung, und soweit die wis­

senschaftliche Einheit des heutigen kirchlichen Bewußtseins es verlangt und zulaßt, zur Vollendung gebracht werden.

In dieser Weise und unter solcher Voraussetzung folgte ich der speculativen Lehre,

welchx auch jetzt,

so oft sic

bewußt oder unwillkuhrlich auf diesen Standpunct zurück­ tritt, sehr förderliches und wahrhaft theologisches leistet. Der absoluten Theo-Logik gegenüber werde ich gerne auf

der niedern Reflexionsstufe verharren und in dem dialek­ tischen Gegensatze befangen bleiben.

Fortwährend habe ich mich bemüht die in der Dckonomie des Buchs wahrgcnommencn Lücken zu ergänzen.

Daher ist jetzt die Lehre von der h. Schrift und de­ ren Auslegung theils im Texte theils in den Anmer­

kungen, soweit es der Raum gestattete und mit Beziehung auf den zu meiner Kritik der Strauß'schen Glaubenslehre

gehörenden Artikel desselben Inhalts, weiter entwickelt wor­

den. Die S vnntagsfeier, die doch schon Thatsache der apostolischen Kirche ist, und der neutestamentliche S a b-

Vorrede.

VIII

batsbegriff waren bisher außer Acht gelassen; ich

habe nunmehr §. 194. mit dem Begriffe des Gemein­ de-Gebets

diese Lehre vom Tage des

Verbindung gesetzt.

Herrn in

Auch eine Betrachtung des Bild­

verbotes, wie sie nun S. 321. vorkommt, schien mir in mehrer« Beziehungen erforderlich.

Die Anknüpfung

der kirchlichen Glaubenslehre an den apostolischen Stand­ punct, die ich von jeher in die Anmerkungen verwies, hat

z. B. bei den Artikeln Person Christi,

Predigt,

Taufe einige Erweiterungen oder auch erste Ansätze er­ halten.

Oft sind es nur litterarhistorische Notizen, was

ich hinzugefügt.

Im Allgemeinen suchte ich die Verant­

wortung, zu welcher das Buch der seit seiner letzten Er­

scheinung (1839.) fortgehcndcn dogmatischen Bewegung

pflichtig ist, fortzusetzen; ein Versuch, dem jedoch, abgesehn

von der Muße und Fähigkeit des Verfassers, seine Gren­ zen gesteckt waren.

Diese Schrift wollte und sollte nie

eine Dogmatik im vollen Sinne werden.

Diejenigen

Schriftsteller, mit denen ich in der Hauptsache gleiches

anstrebe, habe ich mich begnügen dürfen bei vorkommen­ der Gelegenheit zu begrüßen,

auf Richtungen der Zeit

aber, die mir in Ansehung des Glaubens oder der Wis­

senschaft schlechthin fremd sind, mich deshalb nicht einge­ lassen , weil mit ihnen vorderhand nur auf dem Gebiete

Vorrede.

IX

der rein philosophischen Fragen zu verhandeln wäre.

die

auf den christlichen Theismus gerichteten

Nur

Angriffe

sind an allen geeigneten Stellen, vornehmlich bei der Lehre vom Beweise des Daseins und den Eigenschaften Gottes, vpm Wunder u. s. w. abgewehrt worden.

Ich darf mich

in dieser Hinsicht wohl auch auf die in den Theologischen Studien und Kritiken erschienenen Artikel der Kritik der

Strauß'schen Dogmatik und auf eine academische Predigt: Christenthum und Freiheit, in der 5. Auswahl meiner

Predigten, beziehen.

Von den zahlreichen Schriften, die

neuerdings, obgleich mehr oder minder theistischen Stand­ puncts, die Thatsachen und positiven Lehren des Christen­

thums zum bloßen oder gar zum vergänglichen Symbole

der religiösen Wahrheit herabsetzen, habe ich deshalb keine

weitere Notiz genommen, weil die ganze Einleitung des Buchs dieser Ansicht entgegentritt.

Schellings groß­

artigen Realismus konnte ich mir insoweit aneignen, als

er — im Widerspruch mit der ganzen neuen Spekula­ tion — den Unterschied und das Verhältniß der beiden

großen religionsgeschichtlichen Entwicklungsgänge, Ethnicismus und Offenbarung, denselben Unterschied, den mein Lehrbuch von Anfang her als Geschichte des passiven und activen religiösen Bewußtseins bezeichnete, zu voller An-erkennung bringt; Anführungen habe ich, da authentische

Vorrede.

Mittheilungen fehlen, mir nicht gestattet.

Am

liebsten

hätte ich mich seit langem auch innerhalb dieses Lehrbuchs mit dem absoluten Bibel-Realismus, wie ihn in Deutsch­

land wohl Beck und Stier ammeisten repräsentiren, in

vollkommncre Gemeinschaft gesetzt, denn diese Richtung ist mir schon dadurch ehrwürdig und theuer, daß sie auch

eine Menge solcher Thatsachen des biblischen Inhalts, des biblischen Zusammenhangs, der biblischen Einheit, entdeckt,

für welche der exegetische Beweis wirklich möglich ist, der

bei andern fehlt; und wie wächst bei solchen Findungen alle Zuversicht zur Schrift und alle Liebe zum Studium, wie

wird die Flachheit desselben in so mancher gelehrten Ueber­

lieferung beschämt und überwunden!

Allein man kann

dieß anerkennen, verdanken, nutzen, und sich doch von

diesem Verfahren in Bezug auf die wissenschaftliche Auf­ gabe im Ganzen geschieden,

und außer Stande finden,

die Geschichte der Religionswissenschaft in dem Grade abzubrechcn, als es hier erfordert wird, um sie am Buch­ staben der Offenbarung neu zu beginnen, zumal wenn es

die physischen,

empirischen und kosmischen Fragen gilt,

mit welchen es sich innerhalb des göttlichen Wortes ganz anders als mit den ethischen und metaphysischen verhält. Mir ist daö Verhältniß des Glaubens zur Naturwissen­

schaft nichts weniger als gleichgültig,

aber dennoch der

Vorrede.

XI

Segen der Offenbarung für das zu erneuernde und zu heiligende

Selbstbewußtsein davon unabhängig.

Gewiß

empfangt die Idee der Religion von der Religion als

Thatsache ihre Bestimmungen, Verwirklichungen, Befreiun­ gen — sie weiß sich selbst erst recht durch diese ihre Ver­ wirklichung, aber sie verliert hiemit als Organ der Wis­

senschaft und der Aneignung das Recht ihrer Selbststän­ digkeit nicht.

Die Wissenschaft aber ist wieder nicht ohne

ihre Geschichte.

Dieses Lehrbuch ist von verschiedenen

Seiten her der Anklage der Eklektik nicht entgangen. Es

hat allem Ansehn nach auch von einem Witze getroffen wer­ den sollen, der unter andern Einfällen in der Str. Dogm.

in etwas unsaubrer Gestalt ausgetreten ist; zumal da der­

selbe Schriftsteller mir schuld giebt, daß ich den Unter­ schied von Wahrheit und Wirklichkeit (in Hinsicht der Geschichte des Sündcnfalls) von Hegel und Marhci-

neke geborgt, eine Unterscheidung,

die ich gerade deutlich

genug in einem dem Sprachgebrauche dieser Männer ent­ gegengesetzten Sinne nehme. Eklektik in dem Sinne von

Auswählerci verdient allerdings Verurtheilung von Sei, tcn der Wissenschaft; wenn wir aber das Beispiel vor

uns sehen,

daß in einem

und demselben Kritiker des

Christenthums Böhme, Spinoza, Edelmann, Reimarus, Wegscheider, Schleiermacher und Hegel organisch zusam-

mengewachsen sind zu Einem Leibe, und so den Auflö­ sungsproceß vollbringen, so wird wohl auch auf confervativer und restaurativer Seite eine viele nach einander und gegen einander hervorgetretne Momente zusammen­ fassende Eklektik das ihrige leisten können.

Bonn, den 24. April 1844.

Seite 73. Zeile 15. von unten ist zu verbessern: statt: iui Zeitalter der verbundenen Welt lies: ini Zeitalter der unverbundenen Völkerwelt u. s. w.

Inhalts-Anzeige Einleitung. §. 1. Uebersicht................................................... I.

Ueber d en Begriff und

.

Seite. 1

Zweck des Systems

der christlichen Lehre.

§. 2. Verhältniß zum Katechism

.....

1

§. 3- Verhältniß zur Dogmatik und Ethik

....

3

§. 4. Verhältniß zur biblischen Theologie

....

4

II.

Ueber den ©soff der christl. Religions lehre.

§. 5. Religion und Offenbarung

A.

.

5

Von der Religion.

§. 6. Begriff....................................................

6

§. 7. Ursache oder Ursprung

9

§. 8—10. Urgestalt.........................................

15

$. 11. 12. Urstoff..........................................

26

§. 13. Verhältnisse und Unterschiede

.

29

§. 14. Fehler....................................................

§. 15. Formale

3t

.....

§. 16. Materiale.........................................

33 39

$. 17. Historische und positive Religion

44

§. 18—21. Natürliche und Bernnnftrcligion

B.



*

*

*

54



61

Von der Offenbarung.

$. 22. Idee...................................................

60

§. 23. Offenbarung und Erlösung.

§. 24. Ursprünglichkeit der Offenbarung



65

§. 25. Geschichtlichkeit



67

....

Inhalts - Anzeige.

XIV

Seite. §. 26. Lebendigkeit oder Allseitigkeit . . . . .70 $. 27. Allmähligkeit........................................................................... 72 §. 28. Möglichkeit............................................................................74 §. 29. Wirklichkeit ........ 77 30. Altes und Neues Testament . . . . .78 §. 31. Testamcntische und ausicrtcstamentischc Religion . . 80 §. 32. 33. Beweis für die Göttlichkeit des Christenthums . 81 §. 34. Wunder.......................................................................... 83 §. 35. Weissagung ........ 86

III.

Von den Erkcnntnißgesetzen der christlichen Lehre.

§. 36. Quell und Auslegung A.

§. §. §. §. §. §.

37. 38. 39. 40. 41. 42.

§. §■ §. §. §.

43. 44. 45. 46. 47.

92

. . . . . .

93 94 95 97 98 98

. . . . .

101 103 104 105 105

Von der heiligen Schrift.

Wort Gottes und Geist. Geist und Wort .... Schrift und Tradition . Acußerer und innerer Kanon . Schrift - Kanon .... Schrift und Wort Gottes B.

.

Bon der Auslegung der heiligen Schrift.

AnSlegbarkeit: Deutlichkeit und Einheit . Zweck der Auslegung ..... Glaubens - Analogie ..... Ein Sinn ....... Mittel........

IV. Von den Versuchen des christlichen L e h r b a u 's. §. §. §. §.

48. Geschichte . 49. Augustinus . 50. GennadiuS . 51. Die Scholastiker.

. . . .

. . . .

. . .

. . .

.

.

. . . .

. . . .

.108 . 112 . 112 . 113

Inhalts^ Anzeige.

XV

Seite.

§. 52. Die Reformatoren und ihre Nachfolger . §. 53. Hppcrius und Johann Gerhard . . §. 54. ldea lnlei fralrum . . §. §. §. §.

55. 56. 57. 58.

.114 .114 .

117

Neuere Versuche .118 Mittclbegriff .122 Hauptthcile . . . . . . . . 127 Genetische Vereinigung der Glaubens- u. d. Sittenlehre 132

Erster Theil.

Vom Guten. .

134

Dasein und Erkennbarkeit, Name Gottes Gottes Wesen Gott ist Geist . Gott ist Liebe ...... Gott ist Herr ...... Eigenschaften ...... Unterschied derselben Abgezogcnheit Gottes vom endlichen Dasein . Ewigkeit ....... Unräumlichkeit . Bczogonhcit Gottes auf die Welt . Allgegenwart Allmacht . Allwissenheit ...... Abgezogenhcit Gottes vou der persönlichen Creatur . Weisheit Majestät Heiligkeit ....... Seligkeit Göttliche Bezogenheit auf die persönlichen Wesen Beschluß Ein Gott. Vater, Sohn und Geist

135 142

§. 59. Das Heil und das Gute

.

Erstes Hauptstück. §. 60. §. 61. §. 62. §. 63. §. 64. §. 65. §. 66. §. 67. §. 68. §. 69. §. 70. §. 71. §. 72. §. 73. §. 74. §. 75. §. 76. §. 77. §. 78. §. 79. §. 80. §.81.

. .

.

.

.

Von Gott.

143 144 144 145 149 156 156 158 158 159 159 161 162 162 166 167 169 169 170

XVI

Inhalts-Anzeige. Seite.

$. 82. Der Vater §. 83. Der Sohn. §. 84. Der heilige Geist

.... . « ♦ ♦

Zweites Hauptstück. Welt. Schöpfung . Erhaltung . Verwaltung Persönliche Creatur Mensch und Engel Der Mensch Leib und Seele . Irdische Bestimmung Das Gut (aya^dv)



85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94.

§. §. §. §.

95. Bedürfniß und Trieb 96. Ordnung der Güter und Triebe . 97. Fleisch und Geist 98. Freiheit und Gewissen 99. Recht und Gesetz 100. Gutes und Böses 101. Tugend . 102. Schlußsatz der Lehre von der Creatur .

. ♦

.

.



.

.

.


xa^

145. El y' ovy Trjy

22. §

§. 8. Urgestalt.

quwv.

n}y

(psqo^yqy.

nsql

t o

öy

Die wichtigeren Erklärungen über

das Verhältniß der nlgiG zur yy^aig, zur 7iqocuq£(Ilg , zur vaofy-

ipts u. s. w. giebt derselbe Schriftsteller Strom. II. 2—6.

Der Glaube

ist das erste, wahrhafte Wissen von Gott und dem Göttlichen,

nqok^iptG yyioO€u>G->

oufto^og

Mit dem allen streitet nicht,

yytoatG >

7itqt] lolvvy

nigig

17 yywGiG*

daß der Glaube erst zu einem Wissen,

welches er noch nicht ist oder welches er noch nicht hat, durch das Den­

yyax;^ de y jilgiG.

ken hinstrebt ner,

Also zwar gegen die Valentinia-

welche das Glauben dem gemeinen Volke,

zuschreiben,

sich aber das Wissen

hält Clemens die Gläubigkeit des religiösen Wissens fest,

aber auch gegen Unwissenschaftliche die Wissenschaftlichkeit des bens.

Auch dem Glauben fehlt noch etwas.

Glau­

Denn er hat das Schauen

nicht (cognoscere Deum, in dem Sinne, in welchem es selbst Abä-

lard über das intelligere stellt*,

und

ebenso wenig verachtet er das

Verstehen und Begreifen, sondern strebt es an; nicht um es zu seinem Principe zu machen, vielmehr um durch dasselbe theils mit dem übri­ gen Leben

theils sich

zu communiciren,

fremdartigen Elementen zu verwahren.

selbst vor

Vermischung mit

Darnach mag man den Cle­

mens, Augustin, Anselm u. A. in ihren Anmahnungen zum intelligere

und in ihrer Schätzung der yvwaiG verstehen.

Diejenigen, welche den

Begriff zum Principe der religiösen Erkenntniß erheben, haben an ihnen

keinen,

ist Ueberzeugung vor­

Deren kann viel da sein bei wenigem Glauben,

handenkehrt.

In dem Maaße als

wiewohl an Abälard einigen Vorschub.

der Glaube Verstand und Begriff geworden ist,

und umge­

Noch zwei Momente des Glaubeusbegriffs vertheidigte Clemens

gegen die Basilidianer.

Diese nannten

den

Glauben

wozu jemand durch Erwählung geartet sei (was freilich

einen Widerspruch enthielt);

des Glaubens.

dagegen vertheidigt er to

ein

(pvoixoy,

an sich schon

nqoociQSTLxoy

Der Glaube ist eine Erkenntniß mit und aus Anerken­

nung, und nie ohne Liebe, also auch nie ein bloßes Dürfen oder Kön­ nen, sondern auch ein Wollen und Sollen.

Und

von diesem Puncte

aus läßt sich desto leichter verstehen, wie im Christenthume ein Gehor­

sam des Glaubens statt sinde.

Wenn nun die Schule des

Basilides

jenen Fehler dadurch wieder gut machte, daß sie den Glauben die Zu­ stimmung

der

Seele zu

dem

Uebersinnlichen nannte — Ölern. 1. I.

20

Einl. II. A. Von d. Religion.

§. 8. Urgcstalt.

d(f)ayoi$ jiQccypaio$ tvißitx'qv ou'yxccicc&foiv — so vernachläßigte sie doch dabei noch das andre, welches Augustin mit den Worten credi lur tesli ausdrückt, nämlich daß der Glaube Annahme eines Zeug­ nisses und Empfänglichkeit für das sich kundgebende, dem Bewußtsein bezeugende und verbürgende Object sei. Fides Credit aliquid credendo alicui i. e. Deo testi. Der Gläubige ist, sagt Elemens, dnagaßdctiüs itov ^yxEt^iGOfevKoy. Daher dürfte man behaupten, die christliche Vorstellung vom Sein und Werden fei nicht allem aus besondre Weise, sondern sei allein in vollkommner Weise — Glaube. Emma!, weil die christliche Erkenntniß vorzugsweise auf dem Zeugnisse göttlicher Worte und Thaten beruhe, also Offenbarungsglaube sei, und dann, weil der wesentliche Inhalt dieser Offenbarung Erlösung sei, welche als solche nur einem b edürfnißvo l l en Vertrauen ent­ spreche. Muß man aber und will den an sich christlichen Begriff in die Idee zurückführen oder zur idealen Allgemeinheit erweitern: so ist auch nöthig, den religiösen Glauben überhaupt für ein fühlendes, prak­ tisches Erkennen zu erklären, welches ein Vertrauen zu dem sich im Bewußtsein bezeugenden Gotte und Gottesreiche enthalte. Der Mensch in seinem bewußten Verschiedcnsein von der Welt und Einssein mit ihr wird sich selbst Zeuge, daß Gott ist. Diese Gewißheit aber ist, ge­ genüber dem bloß sinnlichen Selbstbewußtseiii, ein Vertrauen. Und in dieser Hinsicht kaiin wohl auch vom Glauben an die Idee, d. h. an Gott in der Idee, im Bewußtsein geredet werden, S. Dähne Ent­ wicklung des paullnischen Lehrbegriffs. Halle, 1835. S. 107. *) Hier ist vorzugsweise an Jacobi, und an die ihn weiter bestimmen­ den und erklärenden Religionsphilosophen zu denken. Weiß, vom le­ bendigen Gott, 1812 Bouterwek a. B. Nicht eben fern vou ihnen ist Hase de fide p. 33. Hicce vcro rnodus Deum animadvertendi intuitus intellectualis haberi nequit, fit enim neque intuendo, neque cognoscendo , nec sentiendo , neque agendo, sed aliquo x, quod scientiam, sensum et voluntatem amplectitur, ipsis tarnen amplius maiusque est, cuius intimam persuasionem, siquidem singularum facultatum persuasionem fidem vocamus, fidem quoque sensu eminenti appellare licet. Und Fischer's Einl. in die Dogm. der Evang. Prot. Kirche, Tüb. 1828. S. 18. „Die wahre Form der ursprünglichen Erscheinung der Religion ist nur die, wenn sie gleichmäßig in der Totalität des Menschen hervortritt, das Erken­ nen und Begehren wie das Gefühl gleichmäßig durchdringt." Ebenso Steudel, Glaubenslehren. Tub. 1834. S. 9. und Leonh. Schmitt

Eint.

II. A. Von d. Religion.

§. 9. Urgestalt.

21

a. a. O. S. 35. — Man spricht aber sonst nur von einem Ursprüng­

lichen,

wenn man es zugleich

mit einem Abgeleiteten zu

thun hat.

Was ist denn nun das Abgeleitete, wenn die Gesammtheit der Thätigfeitcii schon dazu gehört,

um das Ursprüngliche darzustellen?

Erne

Psychologie, die ans Erkennen, Bcgeyren und Füblen drei c o o r d iniste Formen des Bewußtseins macht, hebt alle Möglichkeit auf, m

dieser Sache etwas zu erklären.

§. 9.

Fortsetzung.

Mittels einer selbstständigen Psychologie und demgemäß mit größerer Bestimmtheit wird die Urerschcinung der Religion auf dieser Seite von Schleiermacher*) bezeichnet, wel­ chem Twestcn sich anschließt, Elwert aber zum Ausleger

und Vertheidiger dient.

Aehnliches gilt von Fries**), wel­

chem de Wctte und Heinr. Schmid gefolgt sind. Schleier­

macher und Fries gehen, obwohl sie beide der Religio» das Gefühl zur Urform geben oder sie zunächst als eine Be­ stimmtheit des Gefühls gelten lassen, darin von einander ab,

daß der erstere gar nichts anderes oder früheres setzt als das

Gefühl, um den Begriff der Religion zu gewinnen, der andre aber religiöse Ideen voraussetzt, welche durch die Ahnung und

fühlende Schauung des Ewigen in dem endlichen Dasein leben­

dig werden.

Dem allen entgegen hören die Intellektua­

listen ***) in ihrer Besorgniß, daß das Vorgewicht des Zuständlichen in der Religion die Ansprüche der gegenständlichen Offenbarung, der Lehre und dogmatischen Auctorität benach-

thcilige, nicht auf zu behaupten,

daß die Frömmigkeit zuerst

eine Ansichts - oder Erkenntnißwcise sei; während Andre, die

Kantischen Praktiker, obgleich sie die Religion als die noth­ wendige Hypothese Gottes, der Freiheit, und Unsterblichkeit auf die unmittelbare Thesis des sittlichen Bewußtseins gründen, doch auch der Gefühlölehre widersprechen müssen.

Den bedeu­ tendsten Widerstand erleidet sie aber von den Speculati-

venf),

mit denen sie anfangs sowohl

als

auf manchen

22

§. 10. Urgestalt, Beschluß.

Einl. IL A. Von d. Religion.

Entwickelungspunkten so nahe zusammentrifft.

Denn ihnen gilt

das Gefühl, der Glaube, oder wie sonst das unmittelbare Gottesbewußtsein bezeichnet werden mag, nur für ein formlo­

ses elementarisches Material der Religion, welches zwar ihren

wesentlichen Inhalt constituire, aber erst durch die bewegende Dialektik sich zum Begriffe als der allein adäquaten und ab­ soluten Gestalt derselben heraufbilde. „Die Frömmigkeit

*) Reden üb. die Religion und Glaubenslehre §. 8.

an sich ist weder ein Wissen noch ein Thun, sondern eine Neigung und

Bestimmtheit des Gefühls."

NB.

Es ist hier von einem begleitenden

Gefühl ebenso wenig, als von einem, welches sich gegen das Denken und Wollen abschlöße,

die Rede,

sondern von einem ursprünglichen.

S. Twesten Vorless. üb. d. Dogm. ic. S. 2—20, wo er vom We­

sen der Religion u. 20. ff., wo er vom Verhältniß des Erkennens zur Religion (Glaube, Wissen, Wissenschaft) handelt.

Vollständig und ge­

schickt werden die über und wider den Schleiermachenschen Religions­

begriff erhobenen Bedenken von Elw ert,

über das Wesen der Rell-

gion H. in d. Tüb. Zeckschr. f. Theol. 1835. 3. H. aufgelöst.

**) Neue Kritik d. Vern. IL S. 267. 274. vergl. dessen Wissen, Glauben

und Ahnung, §. 3—33.

Jena 1805.

und

d e Wette, Bibl. Dogm. 2te Aust.

Dessen Relig. u. Theol. 2te Ausg. —

Heinr. Schmi d,

über Schleiermachers Glaubenslehre mit

Beziehung auf

die Reden über die Religion. Leipzig, 1835.

***) Steu del, Glaubenslehre S. 9.

Leonh. Schmitt a. a. O. S. 30.

t) Hegel, Hinrichs, Daub, Rosenkranz.

§.10.

Beschluß.

Da von einer Zusammenordnung der Erkenntniß und des

Gefühls, des Fühlens und Wollens,

oder von einem soge­

nannten gleichmäßigen Durchdrungensein des erkennenden,

fühlenden und wollenden Geistes von der Religion nur unter denen die Rede sein kann, welche nichts erklären oder alles

unerklärbar machen wollen: so handelt es sich in jetziger Re­

ligionswissenschaft im Grunde nur vorzugsweise darum,

sich

Einl. II. A. Von d. Religion. §. 10. Urgcstalt, Beschluß.

23

über die beiden Theorieen des religiösen Bewußtseins zu ver­

ständigen, deren eine die Philosophie des Gefühls deren andre die des Begriffs genannt wird.

Die eine wie die andre er­

kennt es an, daß das Göttliche eher gesuhlt als gedacht und

eher im Sein erfahren als gegenständlich erkannt wird, oder

doch, daß der Proceß des religiösen Lebens auf keine Weise begriffen werden könne,

wenn er nicht in dem Anfang und

Grund habe, was dem subjectiven Geiste unmittelbar gegeben

ist.

Ferner:

die eine wie die andre will,

gedacht und gethan werde,

schließe,

daß das Gefühlte

daß cs der Erkenntniß

gewußt und geübt zu werden.

sich auf­

Dazu kommen

noch viele andre Puncte der Uebereinstimmung,

nun

welche beson­

ders den Bildungsproceß der gemeinsamen Religion betref­

fen und hierher noch nicht gehören.

Allein der Gefühlslehre

zufolge ist das Gefühl nicht nur das erste Religiöse, sondern auch die herrschende, bleibende, vollkommene Form des reli­

giösen Geistes,

so, daß ein jedes Wissen und Thun, welches

auf Religiösitat Anspruch haben will, in dem Gefühle, dem

es zur Entwickelung gereicht, Grund und Princip behalten muß, und die Gesammtheit der Momente, welche das religiöse

Leben constituiren, eben weil es ein Leben gilt, im unmittel­ baren Selbstbewußtsein beruhet. dagegen,

Die Philosophie des Begriffs

wie sie die Religion überhaupt für den Proceß des

Geistes erkennt, aber einen andern geistigen als den logischen

nicht kennt, gesteht dem Gefühle nur z», daß es eine vorläu­ fige, und zwar, auch sofern es schon Vorstellungen entwickelt,

die unvollkommenste Form des religiösen Geistes sei. freilich im Gefühle bereits beginnende,

Erst die

ja das Gefühl selbst

schaffende und bedingende Dialektik verändre und verkläre, son­

dernd und zusammenschließend, verneinend und bejahend den sinnlich vorgestellten Inhalt der Gefühlsreligion zum absoluten

Begriffe als dem vollkommenen Abschlüsse aller Momente, in

denen die Idee der Religion zur Entwickelung gelange.

Die

erstere Theorie scheint die Wissenschaft dem Leben, die letztere

24

Einl. II A. Von d. Religion.

§. 10. Urgestalt, Beschluß.

das Leben der Wissenschaft zu opfern.

Was

nun die erstere

betrifft, so hat der Vertreter derselben dennoch mehr religiösen

Gedankenstoff zu Tage gebracht und verarbeitet als irgend einer

seiner Zeitgenossen, und es scheint also, als wolle sie nur hin­ reichend erklärt und entwickelt werden, um sich gegen die An­ Thätigkeit zu rechtfertigen.

sprüche des Gedankens und der

Wenn die Philosophie des Begriffs einwcndet, das GcfüKl sei ja das schlechthin subjektive, das zufällige, sogar das thieri­

sche,

so heißt das die Lebrc Schlciermachers nicht ver­

stehen wollen.

Sie bat die Möglichkeit und Nothwendigkeit,

daß das religiöse Bewußtsein aus dem Zuständlichen in das Gegenständliche übergehe, und

in

dieser Vermittelung

seine

objective Haltung gewinne, also auch seinen Reinigungsproccß

und seine Bewährung tut Gesammtleben des Geistes, allenthal­ ben nachgewiesen*).

Demungeachtet hat sie dieses

gewissen Betrachte noch nicht genug gethan.

in einem

Denn dadurch

allein, daß die einzelnen frommen Erregungen auf Anlaß der ihnen zugehörigen Vorstellungen

zu Gedanken und Antrieben

werden, ist die Möglichkeit und Nothwendigkeit einer Selbst­ vervollkommnung und Selbstbcrichtigung des religiösen Bewußt­ seins noch nicht im Ganzen nachgewiesen **). Dieses geschieht erst,

wann schon im unmittelbaren Geistesleben ein

Proceß

sich nachweiset, vermöge dessen der Inhalt des ursprünglichen

Gottesgefühls sich auf stätige Weise objectivirt,

und in

dieser Stätigkeit gegen das wechselnde und gemischte Gefühls­

und Vorstellungsleben sondernd und reinigend reagirt.

Das

ursprüngliche Gottesgefühl hat in seinem Zusammensein mit

dem sinnlichen Bewußtsein eine ebenfalls ursprüngliche Macht sich außersinnlich und übersinnlich in der Idee oder als Idee

zu objectiviren, und gleicherweise wie dem unstätigen Gefühle seine Vorstellung, entspricht oder erwacht dem stätigen Gefühle

seine Idee.

Das Gefühl hat Vernunft und

ist Vernunft,

das fühlende und gefühlte Gottesbewußtsein erzeugt aus sich selbst Grunderkenntnisse,

in welchen es sich selbst wahr und

25

Einl. II. A. Von d. Religion. §. 10. Urgestalt, Beschluß.

gewiß wird, und kraft welcher cs schon vor aller wissenschaft­ lichen Vermittelung das ganze Gebiet der Vorstellungen

zu

beberrschen und zu bedingen vermag; ähnlich wie das christlich

bestimmte Bewußtsein eine christlich bestimmte Idee, nämlich das göttliche Wort in sich hegt, an welchem und mit welchem

es sich richtet und normirt.

Die Lebendigkeit dieses Processes

ist theils von der Erfahrung theils von dem Willen abhän­

gig, und dies leitet uns auf die praktische Seite des religiösen

Bewußtseins,

wo ein gleiches Verhältniß sich zeigt.

Denn

dem religiösen Gefühle entspringen nicht bloß einzelne sittliche,

sinnlich gemischte Antriebe, sondern cs hat auch ein Gewissen, durch welches das ganze Gebiet der Antriebe in Bedingung gestellt wird. So ist das ursprüngliche Rcligionsgcfühl die Einheit von Vernunft und Gewissen, und die Lebendigkeit der

einen Funktion wirkt auf die Lebendigkeit der andern ein. Lediglich innerhalb dieser Bewegungen gehen alle wesentlichen

Veränderungen und Vervollkommnungen des religiösen Lebens vor. Von hier aus nimmt zwar die religiöse Wissenschaft

Stoff und Antrieb, aber auch bis da herein muß sie nebst der Erfahrung und Gemeinschaft, an welchen die religiöse Bil­ dung betheiligt ist, zurückwirken, thun,

soll.

wenn was sie wirken und

das Wesen eines religiösen Zustandes vervollkommnen

Mit diesen Bestimmungen versehn, nach welchen es in

der ursprünglichen Action des religiösen Geistes eine überall veranlaßbare Reaction giebt,

oder nach welchen theils der

Unterschied der stätigen und unflätigen Religion theils der Ge­

gensatz der leidentlichen und thätigen anerkannt wird, kann die Gefühlslchre ihre Stellung, die sie in der Theologie ge­ nommen hat, behaupten. Die logische Lehre dagegen hat noch nicht nachgewiesen, daß sie den Glauben und die Frömmigkeit,

daß sie das Wesen der Religion selbst für mehr als Durch­ gangspunkte der Geistes - und Gottesentwicklung achte.

So

verschwindet ihr die Religion in demselben Momente, wo sie die ZEsolutheit erlangt haben soll. Der Begriff von der Urgestalt

26

Einl.

II. A. Von d. Religion.

§. 11. Urstoff.

der Religion muß dem Begriffe vom Leben

adäquat sein.

Alle Lebensverrichtungen gehen von dem fühlbaren Sein aus und in dasselbe zurück. des allgemeinen

Das Denken ist aber eine Besonderung

Geisteslebens,

und das Thun nicht minder.

Für sich können diese das Sein und das selige Leben nimmer­ mehr erreichen,

und andrerseits nur in dem Sein durch den

fühlenden Geist,

durch den glaubendell und erfahrenden Im­

manenz behalten.

Eine gültige Theorie der Religion muß es

jedenfalls erkennen lassen, daß und wie der Glaube selig mache, der Glaube, der ohne die Liebe zu haben keine selige Erkennt­

niß Gottes ist, und darf es nicht zweifelhaft machen, ob ein

lobender Seraph eine, weil unwissenschaftlichere,

auch tiefere

oder eine höhere Stelle einnehme als ein spekulativer Satan.

*) S. Elwert üb. d. Wesen der R el ig. a. a. O. S. 61—73., wo die Einwürfe von Hegel gegen Schleiermacher beurtheilt und abgewie­ sen werden. **) S. m. Rec. über T weste ns Vorless. üb. d. Dogmatik rc. in Thcol. Stud. und Krit. 1828. 1. Heft. S. 205 — 8. und Christ. Fridr. Schmid: quatenus ex eccl. evangelicae principiis existere possit doctrinae Christianae scientia Tub. 1831. p. 42 sqq. Wir wünsch­ ten übrigens, uns mit Elwert S. 92. überzeugen zu können, daß was wir oben für die Gefühlölehre fordern, schon bisher ihr eigen ge­ wesen sei. Wir zweifeln daran deshalb, weil sie im dogmatischen Ge­ biete den Begriff des göttlichen Wortes vernachläßigt hat.

§.11. u r st o f f. Der gattungsmäßige Inhalt des religiösen Gefühls aufs

einfachste ausgedrückt ist entweder das

Bewußtsein von Gott,

oder die Selbst - und Lebensbeziehung auf Gott, oder die Ab­ hängigkeit von Gott, oder aber die unbedingte Abhängigkeit.

Keine dieser Angaben verdient unmittelbare Gegenrede,

bedarf jedoch noch einer weitern Entwickelung. dem Jnhaltsbegriffe

jede

Denn sowie zu

Gottesbewußtsein allezeit die Bestimmun­

gen hinzukommen müssen, welche es durch sein Zusammensein

II. A. Von d. Religion.

Einl.

§. 11. Urstoff.

27

mit dem Welt- und Selbstbewußtsein erhalt, so ist auch erfor­ derlich,

daß der Begriff der unbedingten Abhängigkeit nicht

für sich allein,

sondern

ineinander mit der Persönlichkeit des

Menschen oder mit seiner Unabhängigkeit von der Welt gedacht

werde, oder daß, wenn schon wieder Gott statt des Unbeding­ ten in der Abhängigkeit gesetzt worden, zugleich Gott in seiner

Verschiedenheit von der Welt anerkannt sei.

Dieser Inhalts­

begriff aber ist, seitdem ihn Schleiermachcr ausgestellt hat, oft ganz irriger Weise angefochten worden*), und nicht allein

in seinem genetischen Zusammenhänge vollkommen gerechtfertigt, sondern auch, weil aus der innersten Mitte der Sache genom­

men, der befriedigendste**). *) S. z. B. Hase de fide p. 27.

patitur quomodo polest ? “

„Sed vicissim agere, qui absolute

F. Delbrü ck,

Erörterungen

einiger

Hauptstücke in Dr. Fr. Schleiermachers christlicher Glaubenslehre 1827. Gin Versuch diese Mißverständnisse zu heben Theol. Stu­

Abschn. 2-

dien und Kritiken re. 1828. Heft 3. S. 662. f.,

womit zu vergl. in.

Rec. über Rv senkr anz Kritik der Schl. Glaubensl.

Iahrg. 1837.

Es giebt kein Verhalten des geschaffenen persönlichen We­

S. 444. ff.

sens zu Gott, welches eine vollständige Entgegenwirkung gegen Gott

enthielte.

Religiös ist an dem freien Bewußtsein nichts als das Be­

wußtsein, frei tzurch Gott und in Gott d. h. abhängig von ihm zu sein.

Durch das Gefühl, von Gott nicht gezwungen zu werden und ihm etwa widerstreben zu können oder schon zu widerstreben, muß, jemehr es an­

hält und sich

intensiv vervollkommnet,

immer Von neuem ein noch

stärkeres Gefühl von Abhängigkeit, es sei Dank oder Reue,

erzeugt

werden. —

**) Der Urheber hat ihn — 2. Ausg. I §. 4. — von Neuem und mit

Rücksicht ans die gewöhnlichen Irrungen aus das Sorgfältigste erklärt. S. auch E l w e r t a. a. O. S. 75—78., wo theils die Einrede der

Identirätslehre von der Religion als absoluter Freiheit theils die

mehr oder minder pelagianischen Ergegnungen ihre Beantwortung er­

halten.

28

Einl.

H. A. Von d. Religio». §. 12. Urstoff, Beschluß. §. 12.

B esch l u ß.

Nur dasjenige Selbstbewußtsein ist mehr als Weltbewußtscin, welches, sofern es als Erkenntniß sich erweist, Unendliches

(Gott und Welt) theils entgegensetzet theils

und Endliches

die Welt durch die Gottheit bedinget, und, sofern es sich als Handlung bezeigt, auf den Gegensatz des Rechten und Unrech­

Alles Denken und Wollen gründet sich, wenn

ten führt*).

es sich selbst nicht aufgcben soll, auf die Annahme unbedingter Ursache und unbedingten Zweckes, auf ein oi und tis ov tu nüvTu, folglich auf das Religiöse im unmittelbaren Selbst­

bewußtsein.

Aus den nothwendigen Grundgedanken des mensch­

lichen Geistes, Unendliches, Gutes, Freies, welche gleiche

Würde haben, läßt sich, bei irgendwie vorausgesetztem Got­ tes-, Selbst- und Weltbewußtsein, nach allen Verhältnissen

und Seiten hin der ganze religiöse Stoff entwickeln, und wo dieses nicht, muß doch jeder religiöse Stoff nach ihnen beur­ theilt werden.

Mit dem Bewußtsein von Gott ist die Idee

Gottes gesetzt, folglich die Idee der Religion im Menschen, also

auch ihrem Principe nach die absolute Religion und die wahre Gottcsverchruug.

Daraus folgt jedoch keineswegs, daß der

zwar in keinem religiös bewegten Gemüthe ganz fehlende Rcactionsproceß der Wahrheit und Gerechtigkeit allenthalben als

solcher auch ins Bewußtsein träte, oder die Idee der Religion bis zum Ideal entwickelte, oder gar soviel davon jedesmal wissenschaftlich oder künstlerisch construirt worden ist, thätlich

und lebendig verwirklichte.

*) Henke Lineamenta Institt. Fidci Chr. 1793. §. 1. Supponitur itaque omnes, quibus unquam aliqua religio tribui potuit, cognovisse a. incertas, inconstantes et mutabiles esse res humanas b. earum conditionem pendere a nutu aliquo superiori s. a voluntate et cura potentioris cuiusdam animae ; c. neque perinde esse, quid sentias, agas, speres, d. sed propter hanc eandem potestatem rectricein, cui subes, alia esse observanda alia fugienda. — Bestimmter XWesten S. 3. f., wo besonders folgende Bemerkungen Berücksichtigung verdie-

(Süll. II. A. V. d. Religion. neu.

„Wo jener Gegensatz

nung des

wird,

§. 13. Verhält», u. Untcrsch. « Gott und Welt),

sei es durch

einen oder durch Identlficirung beider Glieder,

29

Abläug-

aufgehoben

da hört die Anwendbarkeit des Religionsbegriffs auf; denn der

Pantheismus ist nur soweit mit der Religion verträglich, als auch er noch einen Gegensatz zwischen Gott

und Welt bestehen laßt."

Und:

„Demnach besteht das Wesen der Religion von ihrer materiellen Seite

in der Anerkennung eines von der Welt zu unterscheidenden höhern Seins und der Abhängigkeit der Welt

von demselben.

Hierauf wird sich,

was man sonst noch zur Religion rechnen möchte, zurückführen lassen. So ist z. B. der Glaube an Freiheit und Unsterblichkeit nur soweit re­

ligiöser Natur,

als er sich auf jene Unterscheidung und auf das Ver­

hältniß von Gott und Welt bezieht,

als er nämlich die Anerkennung

einer wahren Realität des endlichen Daseins und eines außerzeitlichen Verhältnisses zum Ewigen ausdrückt.

Ohne diese Beziehung würde die

Einsicht, daß die Seele unsterblich ist, die Religion nicht mehr angehen

als z. B. die Annahme, daß die Masse der Materie bei allem Wechsel ihrer Accidentien dieselbe bleibt." —

§.13.

Verhältnisse und Unterschiede.

Um zu begreifen,

und Urstoffe der

wie es bei so bewandtem Ursprünge

Religion doch ein mannigfaltiges und ver­

schiedenes von Religion unter den Menschen geben könne, be­

dient man sich des Unterschiedes der subjectiven und objectiven Religion und deutet dadurch den Gegensatz

und die Wechsel­

wirkung des Stätigen und Unflätigen im religiösen Leben an. Zn billigen oder zu mißbilligen ist jegliches Religiöse nach sei­

ner Angrmessenbcit zu jenen

nothwendigen Grunderkenntniffen

und Grundrichtungen des menschlichen Geistes, und schon inso­ fern der Unterschied der wahren und falschen Religion theils

gegen gewisse Lehren von der Unmittelbarkeit theils gegen ge­ wisse Lehren von Einem ausschließlich möglichen Entwickelungsproceffe der menschlichen Gcsammtreligion zu vertheidigen und

fest zu halten.

Will man aber, wie es sich jedenfalls gebüh­

ret, über den ersten Ursprung alles Fehlerhaften in der Re­ ligion auch ein allgemeines Urtheil gewinnen,

so darf die

30

Einl. II. A. V. d. Religion. §. 13. Verhaltn, u. Untersch.

Unterscheidung der passiven und activen Frömmigkeit nicht, wie gewöhnlich geschieht, vernachläßigt werden. Der Unterschied der erkennenden und thätigen

An merk. 1.

Religion

ist bisher schon überall anerkannt worden.

(inlellectualis et actualis)

Beide entspringen ans Einem Quelle und wirken mittels desselben auf

Demnngeachtet muß im

einander ein.

Ganzen die Betrachtung der

Handlung, das Bewußtsein vom Sein und von der Ursache dem Stre­

Clemens v. Al.

ben nach dem Zwecke vorangehend gedacht werden.

Strom. IV. p. m 275.

q-voet y«Q d nouaciwy TiQOTtQOv.



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au tixoTtos zaviy

xaQazTzls^6TKl 4

Xoyix^g Idioms

A nnrer k. 2.

Die Beziehung der subjectiven und objectiven Religion auf

den Gegensatz der Gesinnung und des Begriffs,

oder des Innern und

Aenßern, oder des Individuellen und Gemeinschaftlichen ist irrig. Dem-

ungeachtet hat diese

gewöhnliche Unterscheidung

ihren

guten Grund.

Denn 1) bildet sich in jedem Religiösen ein gewisses Ganzes von reli­ giösen Begriffen und Betrachtungsweisen, welches theils selbst bedingt

ist durch das fortschreitende Leben,. theils diesem einwirkend entgegen­ stehet.

Hier haben

in der Religion;

wir

zunächst eine Objectivität und Subjektivität

2) aber wird wieder jenes von dem Leben abgesetzte

Ganze von Begriffen und Marrmen zu einem Subjectiven, sobald wir

es der absolut stätigen Religion oder den in allen Subjecten sich selbst gleichen Grundgedanken und Grundverhältniffen entgegensetzen.

In die­

sem Falle ist damit die vollkommenste Spannung des Unterschiedes vom

eigenthümlichen und allgemeinen angezeigt.

Das Richtigere über diese

Eintheilung bei B au m g ar ten - Cru si us a. a. O- S. 5. A n m e r k. 3.

Der Gegensatz Wahr und Falsch läßt sich allerdings auf

die Religion anwenden, wenn anders das ursprüngliche Gefühl, von dem

sie ausgeht, theils selbst schon Vorstellungen hegt, theils nicht zufälli­ ger , sondern nothwendiger Weise em Wissen um seinen Inhalt veran­ laßt-

Freilich setzen wir nicht ohne Grund voraus,

in einer subjektiven Erscheinung nie absolut falsch wahr sei.

daß die Religion und nie schlechthin

Selbst die unzüchtige oder mörderische Verehrung der My-

litta oder des Moloch hat Elemente der Wahrheit an sich; dennoch ist

das ganze Heidenthum die ihres Principes wegen falsche Religion, weil

es sich mit der Verkehrung oder Verläugnung

der religiösen Grund-

II. A. Von d. Religion.

Einl.

§. 14. Fehler.

31

gedanken anders verhält als mit deren irrender Ausführung und An­ wendung. Anmerk. 4.

den sich

Der Mensch ist ursprünglich dazu geschaffen,

finden lassenden Gott zu suchen, fysrtlv

t.

AGesch.

S.

17, 27. d. h. ihn im Bewußtsein und tfi allen seinen Zeugnissen nicht nur nicht zu stieben, sondern die immer volltommnere Gemeinschaft an

zu streben = religio activa (nlcht actualis, practica). Vch. d. Weish.

1, 1. 2« iw.

ort

(pQOvyaaiE 7ieoi xvotou tv aya&oirjit — svqIgxejcci toi?

turj TitLQct£ou6LV auiov,

ictt, rote £juj aTiLgouobv ccvT(t). vcrgl- 6, 11—12

thjyovvTaq. V- 15. 16

at-

xai

(p^avEb

tovs

&ii-

Eine solche Subjectivität ist es immer, de­

ren sich die göttliche Offenbarung, im weitern oder engern Sinne, als ihres individuellen Mittels bedienet.

Die müßige aber oder leidentliche,

die sich nur von Gewissen und Wahrheit verfolgen und zwingen läßt,

passiva,

pathetica , ist alten Un - oder Aberglaubens Ursache.

S.

Ueber den Religionsbegriff der Alten, Studien und Kri­

tiken ic. Bd- I. Heft 4. S 729—32. u. Theol. Beantwortung

der philos. Dogm. v. Dr. Strauß, Theol. St- u. Krit- 1842 S. 627.

§. 14.

Fehle r.

Sofern nämlich das sinnliche Selbstbewußtsein von Natur

schon und unwillkührlich fortfährt sich zu entwickeln, das reli­

giöse aber nicht auf gleiche Weise,

beruhet die Entwickelung

des letzter« auf freien Erhebungen des Menschen, welche ihm Erniedrigungen scheinen;

verziehet*).

dergestalt daß er'die Scheinfreiheit

Dieses sich Zurückhaltcn und Abwenden, wie

überwindlich auf der einen und unausführbar auf der andern

Seite es bleiben mag, hat doch eine Folge.

Denn es folgt

unvermeidlich daraus, daß sein träges Verharren im sinnlichen

Selbstbewußtsein zu einer

Lebenseutwickelung

entweder mehr Unglaube **)

führe,

welche

d. h. Verlaugnung der Grund­

erkenntnisse des Geistes von Gott und der Welt, oder Aber­

glaube ***) d. i. gesetzwidrige Zersetzung und Vermischung der­ selben mit den Thatsachen des sinnlichen Bewußtseins ist. *) Hiermit wird nicht im Geringsten eine in der menschlichen Natur als

32

II- A. Von d. Religion.

Eint.

§. 14. Fehler.

solcher begründete Nothwendigkeit des Abfalls von Gott behauptet: eS ist von der veranlassenden Ursache, von der Möglichkeit dieses Abfalls nach dem Standpuncte der Philosophie der Religion die Rede.

Das

Bewußtsein von Gott, das bem menschlichen Geiste einwohnt,

bedarf

als bloße Anlage oder Kraft,

um sich zu entwickeln und thätig zu

werden, der Veranlassungen und Erfahrungen, ohne welche es überhaupt

Mittels der Eindrücke

keine Entwicklung des endlichen Geistes giebt-

und Erfahrungen aber wird stets das Selbstbewußtsein zugleich in sei­

Und das

ner Sinnlichkeit oder zuerst in seiner Sinnlichkeit angeregt

Selbstbewußtsein kann

sich also zu dem nut

activ verhalten

passiv oder

erregten

Gottesgefühle

So selig nun das Gefühl ist, freier und

bewußter Weise von Gott abzuhangcn,

und

so

unselig das Gefühl

bloß nothwendiger und unfreier Abhängigkeit: so ist doch hier die Täu­

schung möglich und findet wirklich statt: daß das Ich meint selbstiger, freier und seliger zn sein, wenn cs sich dem Gefühle der Abhängigkeit

möglichst verschließt, in seiner sinnlichen Affection verharret, und die Vorstellungen und Antriebe hemmt,

Bewußtsein entspringen.

welche nur

aus dem

göttlichen

Geschieht dieses, so kommt der Mensch zwar

von der Religion nicht ganz los, aber er läßt sie an sich kommen. Und Der Mensch muß religiös sein: so

das ist die passive Frömmigkeit.

wie es anerkannt ist, daß es nicht in seiner Macht steht kein Gewissen zii haben.

Gegen dieses Müssen selbst aber

stische Geist (Kaiv 6 nayict avccq qu. deteriqr

potiori insid

empört sich der egoi­

tauiov, von H-j? Philo

§. 10.)

auf zweifache Weise,

indem er

theils den Versuch macht, aus welchem der Unglaube, theils den, aus dem der Aberglaube hervorgeht.

Nämlich in der bösen Thätigkeit

der leidcntlichen Frömmigkeit versucht der Mensch

zunächst

die That­

sachen des religiösen Gewissens ganz oder theilwcise zu verneinen Pf. 14, 1.

B. d- Welsh. 2, 2- ort «uzotf/fcTttuf

x. 2.,

wobei ihm die Erscheinungen und die daran sich haltenden Refierionen

so zu Hülfe kommen, wie es Ph il o a. a-O- und das Buch d. Weish.

beschreiben.

Sofern aber dennoch das Gottesbcwußtsein sich aufnöthigt,

springt er aus dem Unglauben in den Aberglauben über d- h. er be­ stimmt sich das Göttliche als ein Menschliches, Sinnliches, Weltliches,

zersetzt sich das Gottesgcfühl in das Sinnliche, woraus daun fana­ tische Vorstellungen, bald knechtische bald freche, entspringen, denen ge­

mäß sich die Antriebe gestalten.

S-

Röm. 1, 21—25.

Aus diesem

verkehrten Processe entspringt das Heidenthum, welches zwar Religion ist,

jedoch

an der leidcntlichen

Religion fcni

Element

und an der

Einl.

II. A. Von d. Religion.

§♦ 15. Formale Fehler.

33

thätigen ayvüiota &8ov (Buch b. Weish. 13, 1 dpa&ta Plut. de sup.) sein Princip hat- Eine ähnliche Construction beS HeibenthumS s. Bch. b Weish. 14, 11—31.

**) Auch außerhalb ber h. Schrift so genannt; dntoila bei Plutarch de superstit. 2. •**) Superstitio ist bem Worte nach bas Zuviel ber Religion, bie zusätz­ liche Religion (supersistere). Denn zunächst fragte bas Alterthum nach ber eingeführten Religion, über welche bie pontificischen Behörben Auskunft gaben. Diejenigen, bie dem mos approbatus allerlei häus­ liche, frembe iiiib neue Verehrungen unb Sühnungen hinzu thaten, wa­ ren supersliliosi, im Gegensatze ber religiosi, qui faciendarum praetermittendarumque rerum divinarum secundum morem civitatis dilectum liabent nec se superstilionibus implicant. So F e st u s. Die unmittelbare Beziehung auf superstites bei Cicero, Servius unb Lactanz ist irrig. Sondern derselbe Begriff liegt in Superstition, welchen Plutarch, freilich nach falscher Etymologie, in ^Q^oxEia legt, koouQyta xaidxoQos xal 7iEQt8Qyo$. Die Griechen drücken dasselbe durch ^Eko^Q^öxeia aus- Das aber, daß das Zuviel des Aberglau­ bens nicht bloß in Wahrheit und an sich ein Zuwenig sei, sondern auch eben aus einem Unglauben ursprünglich hervorgehe, haben bie Alten nicht eingesehn. Vergl. daher den Plutarch de superstit. I. in. mit dem Apostel Röm- 1, 21. 23. 25.

§.15.

Formale.

Irgend eine Mischung nun von Un- oder Abergläubigkeit, von falschen Anerkennungen oder Verkennungen findet überall statt, wo entweder in formaler oder materialer Beziehung das Fehlerhafte am religiösen Leben erscheint.

Und zwar zunächst

die formalen Fehler bestehen in gestörten Verhältnissen derje­ nigen Functionen, in deren harmonischer Gesammtheit die Re­ ligion das Leben erfüllen soll. Die einseitige Erhöhung der

einen Function führt Beschränkungen und Verläugnungen der andern herbei, wodurch entweder mehr Kalte des Unglaubens

oder mehr Hitze des Aberglaubens, wie Plutarch dies bezeich­ Die Beschränkung des reliNitzsch System 5te Aufl. 3

net, sich des Ganzen bemächtigt.

31

Einl.

11. A. Von d. Religion.

$. 15. Formale Fehler.

giösen Lebens auf das Gefühl oder der Mysticismus*) ist gewiffermaaßen der schuld - und gefahrlosere Fehler, sowie der

Fanatismus**) oder die Beschränkung desselben auf Phantasie und Empirie der ärgste zu heißen verdient; aber die einseitige Pflege der religiösen Speculation und Reflexion, Gnosticismus,

und andrerseits der ausschließliche Hang zum Handeln, Ausüben, Darstellen, Nomismus, Pharisäismus, und zum Bekenntnisse, Orthodorismus***), werden immer auch etwas von der Grund­ fehlerhaftigkeit an sich ziehen. *) Theils Unwissenheit theils wirkliches Zurückschrecken vor den Tiefen der Erkenntniß und des Lebens treiben heut zu Tage mit dem Namen Mysticismus und Mystiker ein tadelnswerthes und sinnloses Spiel. Einerseits wird dieses Wort in gleicher Bedeutung wie Schwärmer

und Fanatiker gebraucht, wovon es doch himmelweit und ungefähr

so wie Jansenismus vom Loyoliömus verschieden ist,

andrerseits als

Grenzpfahl für das Reich des alltäglichen Verstandes gegen jede Lehre ausgefteckt, welche von einer objectiven Wabrheit, von einem immanen-

teil Denken, oder von der Unmittelbarkeit der göttlichen Wirkungen und Mittheilungen weiß: so daß wenig fehlt, daß nicht nur Herder, Ha­ mann, Claudius, sondern auch Lessing, ja Kant und Fichte zu argen

Mystikern werden.

S. Theol. Stud- 1828. m. Rcc. über Twestens

Vorless. S. 199.

Gewöhnlich wird der in Rede stehende Fehler durch

die Redensart: in dunkeln Gefühlen schwärmen (auch schwelgen) aus­

gedruckt, woran wenigstens soviel ist, daß es sich allerdings um das

Gefühl, und um die Anschauung, überhaupt um die Erkenntnißweisen der Unmittelbarkeit handelt, wenn man nach Mystik oder Mysticismus

fragt, und von der innerlichen Erfahrung. den Griechischen Culten her

Das Wort schreibt sich aus

Die wichtigsten derselben bestanden in

gefeierten Selbst-Mittheilungen der Gottheit.

Die Gottheit hatte nicht

allem einem Lande, einem Volke Einmal und ursprünglich ein wesent­ liches Bestandtheil der Cultur wie Gesetz und Sitte, Korn- und Wein­

bau und die damit verbundnen wohlthätigen Kräfte geschenkt, m deren Genusse

man die Genieinschaft des Göttlichen selbst genoß:

sondern

auch stätige Einrichtungen getroffen (und seit der begründenden Theophanie hinterlassen, vcrgl. Hymn. Morn, in Cererem 474.), vermöge

welcher die einzelnen Geschlechter in ihren würdigen Individuen der vollen Weihe zum hohern Leben theilhaft und selig werden konnten.

$. 15. Formale Fehler.

Einl. II. A. Von d. Religion.

85

Die Vollziehungen, die dazu gehörten, hießen, sofern ste Vollendungen

des menschlichen Zustandes und Ziele des menschlichen Strebens wa­

ren, i&zy, Tekeitti; sofern im höchsten Sinne darstellende und leistende Handlungen, oQyia;

sofern sie

verborgen gehalten wurden,

eine Verneinung der gemeinen Erfahrung, Anschauung, Rede und That

enthielten und forderten,

jemanden

.

Muco, Augen verschließen, pvtw,

in diesen Zustand versetzen d. h- durch Nicht-Sehen zum

Sehen, durch Sehen zum Nicht-Sehen, zum geheimen Erfahren brin­ gen.

Müqiqs ein Erfahrner, Geweihter in dieser Hinsicht-

Mysterien

also die Sachen, Handlungen und Zustände, die dazu gehörten. Unterricht darin, die Fertigkeit damit um zu gehen z Wvetcc.

Der

B. /zugtxj eg-

Das Mystische ist daher allezeit, wenn es objectiv verstanden

wird, das sich dem Menschen durch äußerliche vder innere Vermittlung

(z. E. durch ein Sacrament) mittheilende Göttliche, in subjektiver Hin­

sicht dagegen das besondre, eigenthümlichen Bedingungen und Processen unterworfne Erfahren, Erschauen und Finden desselben.

Denn obgleich

der Mensch an sich zu göttlichen Mittheilungen fähig und bestimmt ist,

so gehört doch wesentlich ein Sichverhalten, irgend eine ascetische Selbst-

verläugnung, irgend ein Herausgehen aus der theils sinnlichen theils

nur verständigen Eigenheit dazu, um mitten in dieser irdischen, weltli­ chen Gemeinheit dennoch des Ungemeinen kundig und theilhaft zu wer­

den.

Es leuchtet ein, daß demnach der religiöse, der gläubige Mensch

als solcher ein Mystiker ist, denn wer Gott nicht inne wird, nicht fühlt,

kann ihn auch weder erkennen, noch verehren;

wer ihn aber nur denkt

ohne ihn zu lieben und reines Herzens zu werden, kann ihn nicht leben­

dig erkennen, vielweniger, wer ihn sinnlich sehen will, geistig schauen. Die innerliche Lebendigkeit der Religion ist allezeit Mystik.

Und die

christlichen Begriffe der Erleuchtung, Offenbarung, Menschwerdung, Wiedergeburt,

des Sacraments und der Auferstehung sind wesentlich

mystische Elemente.

So oft sich das religiöse und kirchliche Leben von

der Aeußerlichkeit und von der scholastischen Dürre erholt, wieder aus seinen Quellen erquickt, und auf seine Ziele hinrichtet, ebenso oft stellt es sich wieder mehr als ein mystisches dar, und veranlaßt das Geschrei,

daß der Mysticismus überhand nehme.

Mysticismus ist eine einseitige

Herrschaft und eine Ausartung der mystischen Richtung.

Die Inner­

lichkeit kann bereits fehlerhaft sein als Lossagung von der Geschicht­ lichkeit und Kirchlichkeit der wahren Religion; wie z. B. wenn Christen ein vom Worte Gottes unabhängiges inneres Licht suchen und vorge­

ben ,

oder wenn sie des Gebetes wegen das Sacrament verwerfen und

36

II. A. Von d. Religion.

Eint.

§. 15. Formale Fehler.

Die Innerlichkeit wird noch weiter fehlerhaft, wenn sie als

verachte».

ausschließliche Gefühligkeit die Ansprüche des Gedankens abwehrt, sich

des Handelns begiebt,

und theils die Anschauungen der Liebe theils

die Ruhe in Gott zu frühe und als einen Raub genießen will

der intelleetuellen Schauungen

Statt

giebt es dann empirische Phantasieen,

statt der Ruhe in Gott Müssiggang und Quietismus,

und was das

schlimmste ist statt der Liebe Gottes lüsterne, unreine Buhlerei mit der

natürlichen Schönheit und dabei doch pietistische und rigorlstische Härte

gegen das reine Menschliche und Natürliche. Hamburg , 1838. S. 288. ff.

Bergl. über den ganzen

S a ck's Christliche Polemik.

Begriff der Mystik und des Mysticism

Die fehlerhaften Anhänge wenigstens,

wenn nicht völlige Ausartungen, kommen bei allen Haupterscheinungen der mystischen Religion mit vor.

und Egypten. ligion,

Ihr geschichtlicher Nrsitz ist Indien

Als sich die griechische Wissenschaft zuerst mit der Re­

und zwar (in den Orphikern)

mit der positiven des Mythus

und Symbol beschäftigte, entstand die mystische Auslegung, die sich im

Juden- und Christenthume wiederholt, und eine physische Mystik, die

gar bald auf die greuelhafteste Weise in Magie und Theurgie ausar­

tete. Seit Sokrates wird sie metaphysisch, und abstrahirt von der posi­ tiven Religion; der vernünftige Grund der Erscheinungen, die überna­

türliche Idee der Dinge ist der Gegenstand, auf welchen Sokrates sich — von einem Sonnenaufgang zum andern in seiner denkenden Stellung

verharrend Plat. Conviv. — hinrichtet. mit Gott, wie ihn Plato beschreibt,

Der Weg der Verähnlichung führt zwar wesentlich durch die

Wissenschaft und in der Wissenschaft zum Ziele, aber diese Wissenschaft

entwickelt sich unter

beständigen

sittlichen Bedingungen zur liebenden

Schaunng', zum Ergriffenwerden vom göttlichen Gegenstände.

Zn der

Folge tritt die Mystik wieder mit der Volksreligion zusammen. will das fürs erste bloß

geschichtliche Bewußtsein wenigstens

Sie in den

geeigneten und begabten Menschen vermöge einer entsinnlichenden Aus­

legung, Einübung, Nachahmung vollkommen subjectiviren, es befreien

und verklären. Philo,

Der Proceß der Entsinnlichung, wie ihn der jüdische

der griechische Plotin (Porphyrius),

der christliche Clemens

von Alexandrien vorzeichnen, bleibt sich, sofern sie alle unter den Nach­

wirkungen des Platonismus stehen und die innere Erfahrung einer historischen Religion anstreben, ohngefahr gleich.

Jene Entsinnlichung

wird durch die dialektische Reflexion nur eingeleitet,

erst in der Höhe der reinen Intelligenz;

theoretisch,

sie vollendet sich

allein sie geschieht gar nicht

ohne zugleich praktisch zu geschehen;

die Tugenden selbst

§. 15. Formale Fehler.

Einl. II. A. Von d. Religion.

37

sind nur Stufen der Reinigung zur Anschauung Gottes, oder eS han­

delt sich — nach Plotin — vielmehr um ^vtoais, des Centrums in das CentrumChristenthum,

Berlin, 1836.

um ein Einrücken

Vergl. Bogt, Neoplatonismus und Der mystische Sprachgebrauch ist aus

dem Neoplatonismus zu den Christen übergegangen.

Jemehr die christ­

lichen Mystiker darüber hinaus aus dieser Quelle schöpfen,

de vita beala)

desto ent'

Im Augustinus (Confess. und

schiedner zeigen sich ihre Verirrungen.

liegen die vereinten Elemente der mystischen und spe-

culativen Theologie vor.

Nach dersclbigen Einheit streben Hugo von

S. Victor, Richard, Johann Gerson, so daß entweder die ent­ sagende Liebe Gottes das begleitende Complement der Wissenschaft,

oder diese letztere in allen drei Stufen nur das Mittel der Erhebung auf den Standpunct der assectio amorosa

Ruhe) wird.

(Entzückung, Vereinigung,

Die Mystiker des Mittelalters verkennen mehr oder min­

der Alte die Dignität des Glaubens; mehrere sind dem nahe daran den historischen

zu Folge

Christus geringzuschätzen, überhaupt die

Gottmenschheit als ein allgemeines Verhältniß, als eine zu realisirende Idee zu behandeln.

Das Verhältniß der außerordentlichen Charismata

zur allgemeinen Gabe des h. Geistes, des ascetischen Lebens zum christ­ lichen stellt sich ihnen nicht schriftmäßig.

Alles dieß trifft nicht bloß

den Meister Eckart (S. S chmid t: Theol. Stud u. Krit. Jahrg.

1839.

Heft 3.) sondern

empfindende

auch den Joh. Tauler.

Auswüchse vornehmlich

Vergl- Lieb ne rs Schriften

über

Phantastische und

bei Ruisbroeck und Suso.

Hugo, Richard, Gerson.

Eben­

falls die noch neueren Werke von H elffrich und Martensen. In der reformatorischen Kirchengeschichte

wurde die mystische

Richtung

eines Weigel, welchen Joh. Arndt benutzte, durch die Herrschaft

der äußerlichen Rechtgläubigkeit, durch das unvermittelte Verhältniß

zwischen Schrift und Wort Gottes, zwischen Rechtfertigung und Heili­

gung hervorgerufen. In Böhme vereinigt sich mit mystisch-praktischer Richtung Theosophie und Naturphilosophie; bei Gichtel und Swe­

denborg

noch

außerdem Seherei und neue Offenbarung mit dem

Ansprüche auf Erneuerung der Kirche.

Mystik und Gnosis stehen sich

ihres gemeinsamen Verhältnisses wegen zur historischen Religion gleich.

Auch der sich denkende

Glaube kann bemüht sein den Lebenshauch der

Liebe den Begriffen mitzutheilen: Bonaventura.

Beide können mehr

oder minder zur Verläugnung des persönlichen Gottes, des Schöpfers,

des historischen Erlösers führen, und beide, das Schauen wie das Den­

ken , mit dem Glauben zugleich die handelnde und duldende Religion

38

Einl. II. A. Von d. Religion.

Der historische Begriff deS Gnosticismus aus­

der Liebe verläugnen.

erläutert in Baur,

führlich

Religionsphilosophie in ihrer

1835

§. 15. Formale Fehler.

die christl.

Gnosis oder die christl.

geschichtlichen Entwicklung-

und Theol- Studd- 1837- 511-

Tübingen,

Krit- Studien über den Be­

griff der Gnosis.

**) Von Fanum (Ort der göttlichen Aeußerung, Offenbarung), wo sich die

Gottheit erfahren oder für die Sinne

und für den Sinn hergiebt, ist

fanaticus von den Lateinern meistens in peiorem pariern gesagt: da­

her die Überschätzung der äußern,

vereinzelten Offenbarungsthatsache

der einfachste und allgemeinste Begriff von Fanatismus-

Der Fanati­

ker verhält sich nicht nur gegen den Verstand, sondern auch gegen die Vernunft und das innerste Heiligthum des Menschen gleichgültig oder

verläugnend-

Er spricht in seinem Herzen,

es

ist kein Gott,

er sei

denn so oder so zu empsinden, da oder da zu sinden; es ist keine Ver­ söhnung, sie sei denn durch diese oder jene vorgeschriebene Sühnung zu Er ergänzt sich die Leere des Verstandes durch Phantasie, die

erlangen.

Leere des Gefühls durch Leidenschaft-

auch sagen kanik,

Daher man

der Fanatiöm sei die phantastische, oder die leidenschaftliche Frömmig­ keit («TirtTfl (pXsy^ucuvouaa nach Plutarch),

eine

zuweilen wüthende

Bejahung, die die innerste Verneinung zum Hebel hat***) S- Lessing WW. Th-6. S- 105- (Duplik v. 1778-) „Der Ortho-

dorist (nicht der Orthodor, der Orthodor tritt auf meine Seite: auch

mache ich den Unterschied zwischen Orthodorist und Orthodor nicht zu­ erst) der O- sagt ja" re- Sack's Polem. S- 141.

Wie fern das Christenthum, um dieses vorläufig zu bemer­

Anmerkken,

von jeder einseitigen Begünstigung

religiösen Lebens sei,

einer einzelnen Function des

läßt sich schon daraus erkennen,

daß alle oben

genannte Uebertreibungen geglaubt haben es ganz in Besitz nehmen zu

können.

Und davon abgesehn ist deutlich, daß es allein von allen Re­

ligionen ebenso reich an mystischen wie an gnostischen Elementen, ebenso

praktisch als theoretisch,

sich erweist.

ebenso darstellend

als sinnend und handelnd

Vergl- Theremin, Abendstunden.

Berlin, 1833-

S. 103. „V o n dem Wesen der mystischen Theologie;

die gleiche Verechtignng der historischen, Theologie

im Christenthume

aus

speculativen

der Natur

und

des Gegenstandes und

aus der Totalität der Bedürfnisse, denen es entsprechen muß,

than wird-

wo

mystischen

darge­

§. 16. Materiale Fehler.

Einl. II. A. Von d. Religion.

§.16.

39

Materiale.

Jeder der genannten formalen Fehler muß Neigung zu einem materialen in sich enthalten, oder dazu, daß jeder Fun-

damentalgedanke des religiösen Geistes und daß einer derselben vorzugsweise verlaugnet oder getrübt werde. Durch irgend einen Atheism*), durch Pantheism**), und Polytheism ***)

geschieht dieses mehr der Idee des Unendlichen, der Einen ab­

soluten Ursache; durch die Verehrung der Fetische, durch Jdololatrie-j-) und einen gewissen Dualism ft) widerfährt es mehr

der Idee des Guten: durch Fatalismus aber und Easualism der Idee der Freiheit und Persönlichkeit. *) In Ansehung des Atheism ist zunächst zu bemerken, daß zu seiner Zeit jeder der angeführten materiellen Fehler mit diesem schlechtweg vernei­ nenden Titel belegt worden ist.

Der Barbar, der keinen religiösen ritus

befolgt, der Mitbürger, der die verläßt,

eingeführte Religion, religio civilis,

gilt dem Athenienser oder Römer schon für einen,

Gott und

gottlos

überhaupt ist.

der Heide

Wer wie

der ohne

entweder in

Naturanbetung seine Gottesverehrung gebunden hält oder nür den all­

gemeinen

Berstandesbegriff to titlov

anerkennt,

ist dem

Apostel

ein

d. h. einer, der mit dem wahrhaftigen Gotte, dem durch Zeug­

nisse geoffenbarten in keinem Bunde steht.

Ein Haus,

wo Idole an­

gebetet werden, nennt der griechische Jude oizoy a&eias,

s. Symin.

Hos 4, 15. Wer sich nicht zur Dreieinigkeit bekennt, oder das undy-

> die ouöta, das existere Gottes läugnet, Orte auch den Titel des Atheisten. einzelnen theistischen

Systeme sich

Zuweilen kritisch

bekommt an seinem

wer

schon,

gegen die

oder skeptisch verhält.

Der

dogmatische ist der der physischen Philosophen des Alterthums und der gallicanischen Sensualisten, selbst dann ein wirklicher Atheismus, wenn er Götter nicht, aber die Vorsehung läugnet.

Tugenden der Religion

Sowie alle Fehler und

auf ungleiche Weise die

delnde Subjectivltät zu beherrschen pflegen,

erkennende

so ist auch

und han­

schon deshalb

der Atheismus theils überaus selten oder überall unvollkommen theils sehr gemein.

Es versteht sich von selbst, daß er in allen andern ma­

teriellen Fehlern mit inne sei, denn die Eigenheit und Selbstsucht, die allen Hemmungen der Frömmigkeit zum Grunde liegt,

Philo Leg. Alleg

1. p. 72. ed. Lips. qd/acuioj

Je

ist atheistisch. xai cc&tos

40

Eint. 11. A. Von d. Religion. §. 16. Materiale Fehler. 6 yovQ oid'Ufyos iao£ ilyav

, xal noisly doxwv ty i(p nao^tv

**) Unter Pantheism, hätten sie dies sonderbare Wort gehört, würden die Alten vielleicht eine Verehrung verstanden haben, die stets gleicherweise aus die Gesammtheit der Götter und mc auf einen einzelnen sich be­ ziehe. Mit dieser Bemerkung ist die Nothwendigkeit nicht geläugnet, daß eine gewisse religiöse Denkart also oder ähnlich benannt werde, welche zwischen Atheism und Thelsm schwankend, wenn sie mehr zu jenem sich neigt, aus Gott eine Eigenschaft oder den Inbegriff der Ei­ genschaften der Welt macht, wenn mehr zu diesem, aus der Welt eine Eigenschaft, ein Accidens Gottes, em Leiden und Geschick Gottes wer­ den laßt. Die Formel des Pantheism ist aber nicht: Jegliches ist Gott, sondern das All ist Gott. Und doch paßt genau genommen nur die Lehre Bruno's (Della causa, piincipio ed Uno , Ven 1584 ) und Splnoza's in diese Formel; allenfalls auch die hylozoistischen Systeme. Und wenn Parmenides das All-Eins als Gott gedacht hat, so versteht es sich bei ihm von selbst. Allein andre Systeme, die panthei­ stisch heißen, machen einen so großen Unterschied zwischen Gott und der Welt und lehren eine so große Bedingtheit der letztern durch Gott, daß sie doch bloß den Mangel des reinen Schöpfungsbegriffs, der außerhalb der Offenbarung nicht da ist, und statt dessen Entwickelungs- und Patefactions-Lehren untergeschoben werden, übrig lassen, um wieder Theis­ mus zu werden. Für diese Systeme paßt die obige Formel nicht wohl. Und wenn so verschiedene Denkarten als die sind, welche Geist und Materie streng unterscheiden oder nicht, das menschliche Denken von dem göttlichen absondern und jenes bedingt frei dieses unbedingt frei wiffen wollen oder nicht, alle pantheistisch genannt werden, so leuchtet ein, wie gefährlich diese Benennung und wie allvermischend sie werden könne, wenn sie nicht noch weitere Bestimmungen erhält, als bisher gangbar geworden sind. Je religiöser der Pantheismus ist, desto mehr verbes­ sert er im Gebiete des Irrthums theils den Polytheism theils den Dualism, doch so, daß er ihre Grundursachen nicht heilt und daher diese Fehler wieder in sich aufnehmen muß. Daß durch ihn die Ideen des Absoluten, des Guten und Freien, jedenfalls die beiden letztem belei­ digt werden, ist ebenso gewiß als, daß die wahre Religion seiner nicht bedarf, um die Beziehung Gottes auf die Dinge und Zustände lebendig zu erhalten. Für den vorzüglichsten Bestreiter des Pantheism in neuer Zeil gilt Jacobi. Gegen die Systeme des unpersönlichen logischen Gottes und gegen ne ertremen Ausläufer der neuesten speculativen

41

Einl. II. A. Von d. Religion. §. 16. Materiale Fehler. Schule sind Weiße,

Fichte der jüngere und

Fischer mit Ent­

Ueber die Beschuldigung, daß Schleiermacher

schiedenheit ausgetreten.

den Spinozism m die christliche Dogmatik eingeführt habe, s. Schleiermacher's Zugabe zu Sack, Nitzsch und Lücke Sendschr. an Delbrück,

1827.

Ob der Pantheism in Thcopantism verwandelt sich mit dem

Ebristcnthnme verständiges

S. Gabler,

erga rel. ehr. pietate. 1836. p., 43.

de verae philosophiae

Wenigstens nicht, wie behauptet

wird, durch 1 Cor. 15, 28.

***) rZokuOtta Gregor. Nyss

doga jioXuS-eos Philo lud. Die Monothei­

sten weisen nach, daß der Begriff des Polytheism sich selbst widerspre­

che; s. Greg. v. Nyssa Catech. Einleit- — Allein eben deshalb ist mit ihm ein gewisser Atheism oder Läugnung des Unendlichen, Guten und

Freien verbunden, obschon zunächst nur des Unendlichen.

In seiner hi­

storischen Erscheinung besteht er in der Verehrung einer gewissen Allheit

von Natur-Kräften,

welcher in Gemäßheit der jedesmal herrschenden

Naturkunde die Allheit der Natur-Gebiete oder Naturzciten,

der menschlichen Lebensbestimmnngeu und Triebe entspricht.

zugleich

Er ver­

hält sich in sittlicher Hinsicht zum Monotheism wie die Vielheit der einander sich bedingenden Lüste zur Einheit des allherrschenden vernünf­ tigen Gewissens.

So wenig Vernunft in ihm ist,

so viel Verstand,

Gefühl und Phaiitasie, und er steht in letzterer Hinsicht höher als man­

cher Monodämonism oder sogar

als mancher

abstracte Monotheism.

Geschichtlich aber erweist sich die Reaction der Vernunft in ihm selbst

theils durch Voransteltung des höchsten Gottes, Ergänzung des GötterwillenS durch das Schicksal,

als einer

und Annahme der Dii Deaeque omnes

Einheit für das praktische Religionsgefühl, theils durch be­

sondere Dedication der Alens, Virtus, Pietas, Fides, Misericordia etc.

Cic. de Legg. 2, 8.

In den philosophischen Religionssystemen der

Alten sowie in einigen noch lebenden asiatischen Religionen ist der Po­ lytheismus nur die poetische und mythische Seite des Pantheism. t) Das Idol im Sinne des Theisten oder Monotheisten ist überhaupt der

Astergott oder der untergeschobne Gegenstand der Anbetung; ElötoXwv Sap. 14, 12. y.crxdiS)(FO$ {jitvoia 15, 4.

Znfooia

Wenn z. B. Cy­

prian oder wer immer de idolorum vanitate spricht,

so

versteht er

nicht die Bilder, signa, simulacra, sondern die durch dieselben wirk­

samen bösen Wesen oder die mit ihnen gemeinten Götter der Phan-

thasie nnd des Wahnes. ist nichts.

Ebenso der Apostel, wenn er sagt, das Idol

Wie sich die Annahme der Irrealität, tidaiXoy oudty tau,

Mit der Annahme der Realität 1 Cor. 10, 20. a



tS-vn*

42 Einl. II. A. Von d. Religion. §. 16. Materiale Fehler. vertrage, ist gezeigt Theol. Stud. u. Krit. I

daijLiovroig &u€i,

4.

Eine andre ist übrigens die kunstbildende und die uaturan-

S. 740.

schauende Jdololatrie, eine andre die des zufälligen Fetischen-DiensteS Keine aber wird durch

und die des mythischen Anthropomorphismus.

das Versinnlichungsbedurfniß des Menschen — Cic. de Legg. 2, 11. est quaedam opinione species Deoruni in oculis, non solum in mentibus — oder durch das erhaltne Bewußtsein vom Unterschiede deS

Zeichens und der Sache gerechtfertigt, denn jenes Bedürfniß entspringt schon aus Uttgläubigkeit und dieses Bewußtsein ist nicht nur vergäng­

lich und unhaltbar, sondern hebt auch, wo es ist, den Aberglauben oder

die geistige Verwickelung der GotteSidee mit dem creatürlichen Wesen nicht auf.

des Heidenthums

Die Selbstbeurtheilung

aber in dieser

Hinsicht lehrt uns den unendlichen Werth des mosaischen Bild-Verbotes

noch lebendiger empfinden. — S. über die Entstehungsarten und ver­

schiedenen Stufen des Götzendienstes B. d. Weish. c. 13 u. 14. ft) Mitten im Polytheism schon kommt ein gewisser Dualismus auf zwei­

fache Weise vor.

Erstlich so, daß die im allgemeinen angebetete Na­

tura in ein männliches

und weibliches Princip

(Sonne und Mond,

Feuer und Wasser), es sei als Osiris und Isis, Belns und Astarte rc. oder als Liber und Ceres rc., sich scheidet und als Paarung yia)

(au£u-

das ganze Götter - System mit vertritt, s. m. Theol. Stud. I.

S. 44-: und dann so, daß nützliche und schädliche Gottheiten in der

Mehrheit oder Einheit sich gegenüber stehen. dieses letzter«, ride 45.,

der überhaupt sehr interessante Betrachtungen über ihn an­

gestellt hat, in den Worten an: fZ vfeOxhxt,

Den allgemeinen Grund

eigentlichen Dualism giebt Plutarch de Iside et Osi-

ctlitav

idiav xal

df ,

ydq

ovöw dvaitlajs jifyvxE yi-

xaxoü idya&ov oux dv naqdayot,, d)O7i£Q dya&ov, xai xaxoü

Verhältnißmäßig nun ist es mehr der

der hellenische, der in Mythus,

ytvtcw

Tr,v (pvoiy tytw*

morgenländische Pantheism

als.

Cultus und Philosophen: dergleichen

Gegensatz zum Vorschein bringt; denn die hellenischen Götter thun alle

gelegentlich das Böse oder überlassen den untergeordneten Genien oder dem Schicksal,

das

Nebel zu bewirken.

Die Philosophen aber von

Sokrates an, und die Stoiker nehmen ihnen auch das Böse, was sie

gethan, als homerische Lüge wieder ab.

Besonders wollen die Stoiker

ganz unschuldige und unschädliche Götter, und eine Einige reine Vor­ sehung.

Solange nun Plutarch gegen die Läugner der Vorsehung und

gegen die Götterfürchtigen andrerseits, also mit den Stoikern behaup­

tet, Non posse suaviter vivi sec. Epicur 22., sind ihm

auch alle

§. 16. Materiale Fehler.

Eins. II. A. Bon d. Religion.

43

Götter

, aXt^lxaxot u. s. w- allein hernach wendet er sich

wieder a. a. O.

gegen die Stoische Lehre von der Einigen

guten

(Kausalität der Welt, und sucht für die Gegensätze Osiris und Typhon, Ormnzd und Arimann Entsprechendes auf,

welches er denn wirklich

allenthalben, bei Plato, Pythagoras, Empedocles, Heraklit, und im Griechischen Mythus selbst zu finden meint, oft die reine Negation des Guten oder die bloße Möglichkeit des Bösen mit der concentrischen und

positiven Eausalität desselben verwechselnd.

Freilich ist nach seiner rich­

tigen Auslegung der Dualism in jeder auch der vollständigsten Erschei­ nung durch irgend etwas gemildert-

Entweder ist nur die gute Eau­

salität iteof, und die andre Dämon, oder es giebt einen endlichen Sieg

des Guten, woraus von selbst auch das Höhere von Ursachlichkeit ihm

zuwächst, oder aber ein drittes vermittelndes Princip,

welches Plato

im Grelsenalter erst ganz deutlich gelehrt haben soll, entsprechend dem

mittierischen

Wesen der Isis,

gutes Gleichgewicht her.

TitQiyetos Gottes

outos

des Mithras

Auch ist nur die sublunarische Welt (xo'ttyw deu Einwirkungen des schlimmen

xat

ausgesetzt.

Ganz kann nach Plato und Plutarch das Böse

nicht überwunden werden.

„ Der Horos ist — de Iside et Osiride

§. 55. — selbst beschränkt, und umgebracht."

(nach seiner Auslegung

stellt schon während dieses Aeons ein

^tzeatT^f) und der Harmonia,

noch nie hat er den

Die dualistische Gottesverehrung,

Typhon völlig

sie mag nun dem

schlimmen Gotte besänftigende Opfer bringen oder nicht, ist die Reli­ gion der Angst und des Haffes-

Bringt sie, wie es unter den Heiden

Africa's, vieler asiatischen und australischen Inseln der Fall ist, dem zwar gedachten guten Gotte keine, vielmehr dem Gotte des Mordes,

Krieges, überhaupt den schadenthuenden Dämonen wo nicht ausschließ­ lich doch vorzüglich Opfer oder gar die Nachahmung ihrer Werke als

Verehrung dar, so bezeichnet sie die verlassenste und heilloseste Stufe;

aber daß sie wiederum durch sittlichen Ernst und durch Entrüstung gegen das Böse, zumal iu der Zoroastrischen Ausbildung, den schönen grie­

chischen Polytheism an Wahrheit weit übertrifft, darf nicht verkannt werden.

Griechisches Nichtwissen vom Bösen und orientalisches Viel­

wissen ist ein ähnlicher Gegensatz von Fehlern wie Pelagianisches und

Manichäisches Christenthum.

S. m. Abh. über den Religionsbegriff

der Alten, Stud. u. Krit. I. 4. S. 746. ff.

44

Einl. II. A. Von d. Religion. §. 17.

§. 17. Hist. u. posit. Rel.

Historische und positive Religion.

Daß die religiöse Gemeinschaft*) an sich schon, wenn sie

irgendwie entstanden ist und in vollem Ansehn besteht, jene Fehler heilen und die allgemeine vernünftige Anlage zur vollen

Ausbildung bringen werde, ist weder vorauszusetzen, noch er# giebt es sich aus der Erfahrung.

Norauszusetzen ist es nicht,

sobald schon die innere Reaction des Grundbewußtseins gegen

das abgeleitete Leben der Religion unzureichend gewesen ist

den un# oder abergläubigen Hang samt seinen Folgen aufzu­ heben.

Denn man mag nun den Einzelnen in seinem Verhält­

nisse zur Gemeinschaft mehr mitwirkend und das Gemeinsame

hervorbringend denken, oder mehr leidend und empfangend, so

wird doch in dem erstem Falle auch seine eigenthümliche Ver­ kehrtheit mitwirken und in dem letztern mit auffasscn.

Kei­

neswegs ist anzunehmen, daß die eigenthümliche Religion sich eben in der Mittheilung sofort reinige und berichtige, und dieß ebensowenig als, daß die gegebene Gelegenheit oder Nothwen#

digkcit gemeinschaftlich oder gegenseitig zu handeln sogleich alle unsittlichen Bestandtheile des eigenthümlichen Willens in das

Nichts oder in das Geheimniß zurücknöthige. zeugt

Dann aber be­

auch die Erfahrung schon von dem Standpuncte des

Heiden aus,

wie viel mehr von dem christlichen ein andres.

Die historischen Religionen d. h. die im Mythus und Symbol gegründeten, und die positiven oder die in Dogma und Ritus auf äußerer, mehr oder minder dauernder, Auctorität beruhen­

den haben als solche dem Aberglauben so wenig Widerstand geleistet, daß sie vielmehr, wie der freilich nicht aus ihrem

Schooße herstammende Begriff des Heidenthums es ammeisten aussagt, jede in ihrer Art ein eigner Thron des Aberglaubens

und dadurch wieder die veranlassende Ursache des herrschenden Unglaubens geworden sind. *) Neber das sonst noch z» wenig untersuchte Verhältniß der eigenthüm­ lichen Religion zur gemeinsamen s- Schleicrmacher Glaubens-

Einl. II. A. Von der Religion. §. 17. Hist. n. posit. Rel.

45

lehre. I. S. 49. und 2. Ausg. S. 36. und De Wette Bibl. Dogm. S. 24.

Den

daselbst gebrauchten Ausdruck Kirche sparen wir dem

Christenthume auf, obgleich bei dieser Gelegenheit bemerkt werden darf, daß das Christenthum behufs seiner Verständigung mit dem allgemei­

nen Wissen von R'eUglon und vermöge seiner Gattungsgehörigkelt nlcht anders kann, als gewisse Begriffe, die es selbst und allein erzeugt hat,

bls dahin zu erweitern, daß sie für die gesammte Religionsgeschichte generisch werden, z. B. Offenbarung, Kirche, Reich Gottes k. und

wiederum andre, die es nur auf- und angenommen,

wie Religion,

Dogma, Sacrament, Liturgie rc. bis dahin zu bestimmen, daß sie in

ihrer Art wieder neu und specifisch werden.

Neber Religion s. auch

Schleiermacher 2. Ausg. S. 40. Anmerk. 1.

Historisch und positiv schließt sich nicht ganz aus.

äußere Religwnsauctorität kann ohne irgend

eine

Denn

heilige Thatsache,

durch welche ein Religlonsstister oder eme Urkunde beglaubigt wird, nicht statt finden.

Und wiederum können heilige Geschichten ohne per­

manente Orakel, pontificische Behörden oder ohne Urkunden, die einer

fortwährenden Auslegung und Anwendung fähig sind und theilhaft wer­ den, keine Religions - Gemeinschaft erhalten.

Dagegen kann doch eine

gemeinsame Religion mehr das eine als das andre sein,

räth geringe Kenntniß der Religionsgeschlchte,

obigen Unterscheidung etwas Willkührliches findet.

und es ver­

wenn jemand in der Die Muhamedani-

sche ist mehr positiv als historisch, ob sie sich gleich ihren innern Man­

gel an historischen Clementen durch Anlehnung an die jüdische und

christliche zu ergänzen sucht.

Das ältere religiöse Gemeinwesen war

immer mehr von der unmittelbaren Wirkung der Thatsache abhängig, und hatte im

Mvthuö und der Poesie sein

durch Institutionen der Numa's und rien ergänzte cs

sich

stätigeres Leben;

theils

Lykurge, theils durch die Myste­

seinen dogmatischen

und

gesetzlichen Mangel.

Noch mehr also wird der hier gemeinte Gegensatz durch Mythus und Dogma; oder durch ästhetische und ethische Religion ausgedrückt. Anmerk. 2.

Die religiöse Gemeinschaft heftet sich zunächst nicht an die

allgemeinen überall sich selbst gleichen Thatsachen der Natur (experientia communis), sondern an eine abgesonderte, außerordentliche Er­

scheinung, und von diesem Mittelpunkte aus gelangt sie erst wieder zu

religiösen übereinkünstlichen Theile.

Ansichten

des

Naturganzen

und

seiner

Einmal schon deshalb, weil die menschliche Beschränktheit und

Schwäche überall

diesen Weg nimmt, und dann, weil die religiöse

Gemeinschaft nur mit anderen Gemeinwesen zugleich und also auch nur

46

Einl. II. A. Von d. Religion. §. 17. Hist. u. posit. Rel. durch ein Wunder d. h. hier durch Eintritt deS ganz neuen Verhält­

nisses deS Menschen zur Natur,

in welches die Cultur ihn versetzt,

Ist nämlich schon vor der Gemeinschaft Frömmigkeit

entstehen kann.

und fromme Natur-Anschauung und vorzügliche Achtung auf gewisse einzelne Erfahrungen zu denken, so kann wer vorangehend und ordnend

oder nachfolgend und sich hingebend ander Stiftung des Gemeinwesens theilnimmt, doch dieß nicht ohne die Gottheit, sondern nur durch eine

That Gottes thun wollen. die Furchen streuen.

und keine Geschichte.

Eine CereS muß kommen und Körner in

Ohne eine Theophanie entsteht kein Gemeinwesen

Mit ihr wird aber besondre göttliche Geschichte

deS Volkes, des Landes, der Erde gewonnen. —

mündliche Rede, dann die Sage von dem,

Mythus

ist die

was vor Altem zu sagen

und zu überliefern, zu wiederholen ist; die Rede, das Gedächtniß von

den Erscheinungen und Wohlthaten der Götter.

An jeden eigentlichen

Mythus oder an einen solchen, der für eine gemeinsame Verehrung und Verfassung begründend ist, knüpft sich ein andrer theologischer,

vielmehr theogonischer und kosmogonischer an,

oder

eine Urgeschichte nicht

des Staates, sondern der Erde und Natur.

Von philosophischen My­

then sollte man nicht reden, ebenso wenig

von poetischen in diesem

Zusammenhänge.

Mythus ist religiöse Urgeschichte.

Von der Histo­

rie aber unterscheidet er sich nicht bloß darum, weil er vor der stäti-

tigen Zeitrechnung und vor der Schrift ist, sondern dadurch, daß er

überhaupt nicht fragt und forscht (JaToQtiv), sondern sagt und zeugt, oder zunächst für den Glauben und nicht für das Wissen spricht. Eben­

falls dadurch, daß er zum Theil von Dingen spricht, die keine Augen-

zeugeuschaft zuließen, zum Theil die Thatsachen

und deren gläubige

Auffassung ungeschieden, Wirkliches und Wahres ungetrennt, überliefert.

Zn dieser Begriffserklärung ist nichts enthalten, was hinderte in der

heiligen Schrift als der Urkunde wahrer Religion Mythen zu finden;

es könnte vielmehr gewissermaaßen behauptet werden, die h. Schrift besitze allein Mythen, und das Heidenthum keine.

Dagegen kann von

einem andern Standpunkte aus, von welchem das Gleichartige der aus

phantastischer

Subjectivität

hervorgegangnen heidnischen

unter dem Namen von Mythus,

Urgeschichte

Mythologie und im Gegensatze der

Theologie sich darstellt, gelaugnet werden, daß irgend ein Mythus in

der kanonischen Schrift enthalten sei-

In der Reinheit, in welcher er

die absichtliche oder unabsichtliche Erdichtung ausschließt, vielmehr die Thatsachlichkcit der Dinge einschließt, dagegen das Neue und Wunder­

bare der Thatsachen darftellt,

wie es sich für die so oder so geartete

Eint. II. A. Von d. Religion. §. 17. Hist. u. posit. Rel.

17

kindliche Subjektivität der ersten Zeugen abspiegelte, ist der Begriff des

Mythus auch auf die neutestamentliche Erzählung anwendbar.

geschichte des

Die Ur­

Christenthums ist eine neue Urgeschichte der Menschheit

mitten in der schon entwickelten und historischen Geschichte.

Christus

ist das persönliche Wunder, ein zweiter Adam, und in seiner Art ebenso ein Anfang wie dieser.

Die Wirkungen

des aus der gemeinen

Welthistorie bekannten Jesus, den Pilatus kreuzigte, machen es gewiß, daß ein solcher gewesen.

Folglich kann die Spur

des Wunders in

und Schicksalen nicht das Vorurtheil begründen,

seinen Thaten

sie erdichtet seien.

Die wirkliche

daß

und unbestrittne Beschaffenheit deS

urchristlichen Bewußtseins setzt eine Entstehungsweise voraus, nach der

es sich unmöglich dichtend erzeugen oder begründen konnte. lichkeit des Wunders aber

Die Wirk­

oder das Wunder der Wirklichkeit muß der

Geschichte typischen und poetischen und insofern mythischen Charakter geben.

Findet aber die tbeologische Kritik der evangelischen Geschichte

Bestandtheile der Erzählung,

welche auf

keiner Zeugenschaft beruhen

können, oder etwa nur das allgemeine ort zur Grundlage haben, das 7itos aber durch

Zurückschließung aus der bezeugten Thatsache auf die

unbekannte gewinnen, also mehr Wahrheit des Glaubens als Wirklich­

keit des Ereignisses enthalten, oder trifft sie Widersprüche an, die durch den verschiedenartigen Rester des Ereignisses auf die Subjektivität des

Augenzeugen oder durch den verschiedenen Grad der Unmittelbarkeit der noch übrigen Urzeugnisse keine Erklärung erlangen: so ist sie doch nach

Lage der Sachen im Ganzen nur genöthigt, fürs erste Gattungen der neutestamentlichen Berichte zu unterscheiden,

öffentliche,

der Thatsache,

eine Symbolik, die selbst den unerschütterlichen Grund

der Geschichtlichkeit Christi setzung hat,

z. B. Vorgeschichte und

oder eine Symbolik anzunehmen, nicht der Idee, sondern

als

des Sohnes Gottes zu ihrer Voraus­

oder das Urtheil zu suspendiren, oder aber das Apokry-

phische vom Kanonischen zu sondern. — Ueber die höchste Mythik der heiligen Geschichte s. Lange, ü b e r d. geschichtlichen Charak­

ter d. kanonischen Evangelien ic.

Dnisb. 1836.

S. 29. 41.

Ueber die Unvereinbarkeit des Mythus mit dem lebendigen geschichtlichen

Monotheism, Dr. S a ck B em e r k u n g en über den Standpunkt

der Schrift: das Leben Jesu krit- bearb. v. Strauß. S. 36.

Ueber

Bonn, 1836.

den Begriff des Mythns überhaupt und über die Un­

verträglichkeit der absichtlos dichtenden Sage mit der Natur und Stel­

lung der apostolischen Urgemeine Jul. Müller Theol. Stud. u. Krit.

1836. 3. H.

S. 839—84.

Endlich über die verschiedenen Gattungen

48

(Sinl. H. A. Von d. Religion.

§. 17. Hist. u. posit. Rel.

und Arten der heiligen Geschichtserzählung die kleine vorzügliche Ab­ Schmieder:

handlung:

Präliminarien zu einer gründlichen Recht­

fertigung der biblischen Geschichte.

Naumburg, 1837. —

Dargestellt

und in seiner Gegenwart bewahrt wird der Inhalt des Mythus durch

das Symbol (coniectura) d. h. durch denjenigen natürlichen oder künstlerischen, dinglichen oder drastischen Gegenstand, der durch sich selbst

über sich hinaus etwas zu erkennen giebt.

Freilich ist in gewisser Hin­

sicht alles Sichtbare, Natur oder Kunst mögen es hervorgebracht haben, symbolischer Beschaffenheit.

Denn nichts zeigt bloß

sich selbst an,

sondern zugleich auf seine schlimme oder gute Ursache, auf seinen nä­

hern oder höher» Zweck hin. welches nur geistig

Jedes zeigt zugleich sein An sich an,

angeschaut werden kann.

Im engern Sinne aber

bringt das Symbol nicht erst die Idee hervor, sondern die Idee wählt

sich und schafft das Symbol;

oder die über alles Gegenwärtige hin­

Erinnerung und über alles Sichtbare hinausreichende An­

ausgehende

schauung vergegenwärtigt sich und veranschaulicht stch in einem Zeichen zu ihrer Versöhnung mit der Gegenwart und der Sinnlichkeit.

diesem Behufe

Zu

greift der symbolische Jnstinct sowohl als der verstän­

dige Mystagog bald nach dem allereinfachsten, lebendigsten, fruchtbar­ sten, was sich unmittelbar in der Natur vorfindet, oder er setzt aus

ihren Mitteln frei zusammen, was sie nicht gestaltet hat, oder aber er stellt eine verjüngte, überall neue Natur z. B. ein griechisches Götter­ bild dar.

Das Heidenthum aber fehlt darin, daß

es erstlich sich der

Differenz der Symbole und Ideen und der unterschiednen Eigenschaften und Wesenheiten von beiden nicht bewußt bleibt, wodurch es Symbo­

lik und Mystik in Magie und Hierurgie verkehret, und daß es zweitens sich nicht das höchste selbst bildlos

und frei zur geistigen Anschauung

Das wahre, reine Symbol ist daher eben so wie der ächte

vorbehält.

Mvthus nur im Gebiete und Dienste der Offenbarung zu finden. Neber Symbol und Mythus im Allgemeinen s. Creuzer's Symbolik und

Mytbol. der alten Völker. L istes Buch, die Tabelle Baur,

Symb- u. Mythol- oder die

S. 146. und

Naturreligion des Alterthums.

3 Th. Stnttg. 1825. Anmerk. 3.

Der zunächst aus der Staats - und Rechtslehre in die

Theologie übergehende Begriff der positiven Religion wird dadurch wenig geehrt und aufgeklärt, daß man ihn mit der willkürlichen

Festsetzung (arbitrium Dei in constituenda religione) vertauscht- Es ist

mit der Willkür im Gebiete der Wahrheit und Gerechtigkeit gerade wie mit dem Zufalle;

man muß diese Begriffe,

so ost man sie gebraucht

Eint. II. A. Von d. Religion. §. 17. Hist. u. postt. Rel. hat, fürs Erste wieder zurücknehmen-

49

WillkührlicheS halt den Streit

mit dem Nothwendigen und Freien in keinem Falle aus, und das An­

sehn der Offenbarung, immer am meisten

des Staates und Gesetzes ist durch diejenigen

untergraben worden,

die es wie Hobbes und der

obenerwähnte Thrasymachos zn stützen versuchten.

Deshalb sollte z. B.

Fi scher's Einleitung ui die Dogmatik S. 26. die moralisch eit

Gründe oder Gegengründe des Rationallsm oder Snpernaturalism auch, nicht einmal vorläufig mit der Vemerknng ganz abweisen wellen, „denn „es geziemt sich nicht für uns,

„schicklich oder unschicklich,

urtheilen zn wollen,

was für Gott

für seine heiligen Zwecke mit der Mcnsch-

„heit dienlich oder nndienlich gewesen wäre."

Denn

man dürfte mit

gleichem Rechte sagen, cs gezieme fich nicht zn urtheilen, ob etwas für Gott möglich sei,

womit denn auch

die Untersuchung der physischen

Eben so unrichtig ist eS,

wenn Rigid ins

b. Gell. N. A. X. 4. die Frage der Philosophen,

g uGti ta oyo-

Gründe beseitigt wäre.

p,ctTa t] {Hott, in die andre austöst,

turalia magis quam arbiträr ia.

cur vcrba possint vidcri na-

Denn der Gegensatz

des Positiven

und Natürlichen ist weniger absolut als der des Natürlichen und Ar­ Dieß scheinen nun diejenigen anznerkennen, welche daö Posi­

biträren-

tive in teilt finden, was atlerwärts zu dem Natürlichen hin zu ko in­

nre.

S. Ba u m g ar t e n - E ru siu s a. a. O. S. 79.

fragt sich, wie und warum kommt es hinzu?

Allein

es

Wenn z. E- so wie nach

Kant's Neligionslehre zum reinen Neligionsglauben der besondere Kir­ chenglaube vi inertiae

hinzukommt,

so möchten sich doch diejenigen,

die auf den Unterschied des Positiven und Natürlichen legen,

nicht befriedigt finden-

einen

Die Opera supererogalionis

Werth und

die

wuchernden Dogmen werden dann am meisten das Positive ansmachen können-

Aber S ch l e i e r m a ch er nimmt, Glanbensl. §- 19.

S. 93.

vgl. 2. Ausg. S- 66. ff. das H i n z u k o m m e n d e freilich noch auf Wäre es, sagt Schl., das Hinznkommcnde,

andre Weise in Anspruch.

dauu müßte das Natürliche in Allen dasselbe sein; da hingegen gerade, das Natürliche in jedem anders und mithin das Allgemeine und Ab­

stracte ist,

so

kann das Positive eben nur die

Bestimmtheit sein,

eigenthümliche

mit welcher die Religion in jedem vorhanden

ist, und in Bezug auf Religionsgemeinschaft— das u r s p rüngliche

oder unmittelbar gegebene-

Wir ergegnen darauf zunächst:

ist denn

nicht auch daö Natürliche seinerseits unmittelbar gegeben, und fängt es denn erst etwa mit der vergleichenden

sein lind zu wirkend Nitz sch Softem 5tc 2lusl.

Kritik und Geschichte an da zu

Hat das Natürliche nicht an der eigenthümlichen 4

50

Einl. II A. Von der Religion. §. 17. Hist. u. posit. Rel. Art und Weise, wie in einem jeden die gemeinschaftlichen Dogmen sich geftalten, einen thätigen Antheil? Gegen Schl, würden wir eö daher vertheidigen, wenn M a r h ein e f e nnd egscheider, freilich jeder ans seine Weise, die in Allen sich selbst gleiche Religion der Vernililst mit dem Namen des Positiven belegen. Wobei nnr der letztre darin fehlt, daß er die Positlvität des rationalistischen Systems anS Vernunftwahrheiten und Anspu'ichen der Schrift znsammensetzen will, da ihm doch unmöglich die Schriften, wenn überhaupt eine göttliche Position, eine andre als die der Vernunft abgeben können. Anders freilich verhält es sich bei Marheineke. Und allerdings sind Na­ türlich und Positiv zwei Principien und gewissermaaßen zwei Anctoritäten des religiösen Lebens, die sich genau auf einander beziehen ohne sich schlechthin zu verneinen. Das Natürliche hat sein Ansehn in sich, das Positive außer sich, oder wenn dieses zu mißdeuten Ware, für das Positive suchen wir die Auctorität zunächst außer uns und für das Natürliche zunächst in uns. Das Verlangen aber in uns selbst das Silbjective zum Objectiven zu erheben ist nach der menschlichen Bestimmiliig für die Gemeinschaft innig verbunden mit dem Verlangen daö cigeiithiimliche an dem Gemeinschaftlichen zu erproben. Nicht weniger mit dem Bedürfnisse, die Eifahruug und Geschichte nach Thatsachen zu fragen, die entweder bestätigend den Thatsachen des Bewußtseiiis entsprechen oder deui entwickelten Bewußtsein anregend und vorbildeud zuvorkouilileil. Durch das argumentum a consensu gentium, durch den allgenieinen Sah von der Unentbehrlichkeit der Empirie zur Eutwickelling des Selbstbewußtseins, und durch die Lehren von der durch die Offenbarung auticipirten Verulmsteiitwickelung oder dergl. kann dieß Verhältniß des Positiven zum Natürlichen erläutert werden. Doch ist diese Bestlllimung noch nicht erschöpfend. Im strengen Sinne bringt die Position auch immer Neues und Anderes, als jemals aus der bloßen Vernunft zu entwickeln war, und doch nur solches, welches unbescha­ det der Freiheit und Selbstthätigkeit aus- und angenommen wird, weil es entweder natürlichen Fragen und Erwartungen entspricht oder in seinem Zusammenhänge mit Thatsachen und Zeugnissen Gottes un In­ nern und Aenßern sich auch noch vor der Verähnlichung und Verbin­ dung mit der Ueberzeugung dem Glauben auvertrauen kann. So be­ steht denn das Positive in der Vereinigung des gemeinschaftlichen, that­ sächlichen und in diesen Verhältnissen von Gott- bezeugten in der Re­ ligion. — Eine positive Religion nimmt aber ihre besondre Auctorität . für D o g m -i+nb- ritus in Anspruch-. - Dogma ist- eine-Sinnes- -oder

Elul. II. A. Von d. Religion. §. 17. Hist. n. postt. Rel.

51

Willenserklärung, welche entweder den Gehorsam und die Nachachtnng oder die Bcistimmung und das Bekenntniß ohne weiteres und vor Allem fordert.

Nur in ersterer Bedeutung

vor Dan. 2, 13, 6, 9,

Esth. 3, 9.

kommt es in der Griech. Bibel

Luc. 2, 1.

2. Macc. 10, 8.

AGcsch. 16, 4. (wo es vom apostolischen Kanon für die Heiden-Christen gesagt ist)

Ephes. 2, 15.

17, 7.

Col. 2, 14.

In den letzten

Stellen haben Chrysostomus und Tbcedoret irrthümlich die andre Be­

deutung angebracht.

Diese Kirchenlehrer aber selbst,

schon vor

und

ihnen Ignatius, Clemens, Origenes, Cusebius von Casarea reden von

der christlichen Lehre (jMaoxaXla «zzogoAtxiJ) als dem Dogma, von

von Dogmen der Kirche,

Dogmen des Herrn,

nicht also in dem

Sinne, daß die abgeleitete Wahrheit, oder der wissenschaftliche Begriff oder die kirchliche Form oder gar die subjective Fassung

verstehen wäre;

darunter zu

sondern die Dogmen, sofern sie sie im Christenthume

finden und werth halten, sind ihnen die Grundwahrheiten des Evange­ liums, welche zuerst angenommen werden muffen, und ohne deren An­ nahme es gar keine christliche Ncchtgläubigkeit giebt.

gebrauch

haben die Vater

Aurel. tZ? t«ur. 2, 3.

Diesen Sprach­

von den Stoikern angenommen. nach

einer Abhandlung

Marc.

von der Harmonie

der Welt, neüra aot doxttTio , del tioypaia eotüj.

Von denselben

Dogmen sagt er 4, 3. sie nlüßten in der Kürze ausgesprochen und ge­

dacht sein, .um stets zu Gebote zu stehen im Leben.

94. 95.

Sie heißen ihm

, ewige Vernunftwahrheiten.

3, 6. die Dogmen des

Seneca ep.'

uennt sie die Wurzeln der sittlichen Erkenntniß und Lehre,

die Elemente, aus denen der Leib der Weisheit bestehe, daö Herz des Lebens u. s. w. Baur,

Man vergleiche auch einen Sprachgebrauch, den

T'üb. Zeitschr. 1832. H. 4. S. 194. entdeckt,

nach welchem

doy^ata dem pythagoreischen Systeme soviel als Principien, got/fta

Waren.

Gerade diesen Begriff des Grundsätzlichen und Wesentlichen

von Wahrheit, welches eher den Glauben als die djiödu^ts erfordere, drückten die Vater mit Dogma aus.

Auch der eigene Gegensatz des

6oypa und x^Quy^a beim Ba silius de spir. s.,

als des esoteri­

schen und eroterischen Christenthums kaun aus Seneca erläutert wer­

den.

Man beruft sich freilich, um die entgegengesetzte Bedeutung des

Wortes zu beweisen,

auf den Marcell von Ancyra, der bei Euseb. c.

Marc. Ancyr. 1. c. 4. den Asterius tadelt, daß er die Lehre vom Sohne

vielmehr ans die Dogmen gegründet habe.

stische Bedeutung

der Vorfahren als auf den

Und eö ist überall bekannt, des Wortes

X6yo$

daß auch diese katachre-

Dogma theils bei den Hellenen theils'

52

Einl. II. A. Von d. Religion. §. 17. Hist n. postt. Rel. bei den Christen vorkommen konnte und mußte.

Alles Dlsputiren in

der Schule ging auf anerkannte Grundannahmen zurück und von ihnen aus.

Selbst die Skeptiker hegten, indem sie im Behaupten und Be­

weisen inne hielten oder bereits Behauptetes zerstörten,

nones.

Da nun aber in aller Gemeinschaft

negative Ka­

der Lehre eine Neigung

sich kund giebt auf falsche oder unzeitige Auctorität hin etwas anzu­ nehmen und festzuftellen, so entsteht nicht bloß ein sehr mannichfaltiger Conflict zwischen den Festsetzungen der Schulen,

sondern auch Streit

über die Sctzbarkeit der Wahrheit, ja Haß und

Argwohn gegen die

Satzungen der Schulen und Kirchen.

Und dadurch bekommen die Wör­

ter ckoYpci, doyp.mtQf:i,v ». a. ihre Nebenbedentung, so daß sie mensch­

liches, 'nichtiges," willkürliches, zeitliches, veränderliches bezeichnen. Der Skeptiker sagt gegen den Dogmatiker, ich fordre dnödulis, und du giebst mir djioq cc und du giebst mir sche Theolog zum äEirchcngläubigen : ich will

; der bibli­ Xdyog, du hast

döyiiaicc jiaieQüup.

kommt die alte

Allein im Ganzen genommen

Kirche gar nicht zu dem Bewußtsein, daß sich die Lehrentwickelung und Lehrverschiedenheit unter den Bischöfen ebenso zum

Xöyos ver­

halte , wie die hellenische dicajuwta der Schulen zur absoluten Ver-

uunftwahrheit: sondern die Kirchenlehrer parallelisiren die Schul-Con-

flicte der Hellenen mit den Widersprüchen der Häretiker unter einander: und nur eine so vereinzelte Erscheinung, als der monophysitische Go-

barus ist, weiset auf die Widersprüche der sogenannten Orthodoxen selbst hin.

Eben so wenig war der Gegensatz der unmittelbaren gläu­

bigen Vorstellung und der wissenschaftlichen Formel zum Bewußtsein ge­

mit» yyiuoig, oder von xijQvypa

kommen, denn der Gegensatz von

und öoyp,a hatte noch eine andre Bedeutung als diese.

Redete man

also von doginalibus ecclesiasticis und gab von ihnen eine Umschrei­

bung wie Gennadius von Marseille oder Isidor von Sevilla, so waren damit nicht Lehren gemeint,

die die Kirche zuerst geschaffen,

auch nicht die bloßen Formen, die sie der Wahrheit gegeben, sondern

das, was sie empfangen mit dem göttlichen Worte, was sie bewahre und überliefere und für das Wesentliche,

den Auctoritat, erkläre-

vermöge der ihr beiwohnen­

Daher auch Vrncenz von Lerinum: coe-

lestis philosophiae dogmata.

Selbst auch Dion

Petavins über­

schreibt sein großes Werk uicht deshalb Dogmata Theologica , weil er eine Masse von Lehrmeinungen der Theologen anführen will,

sondern

wvil er nach historischer Methode das System der christlichen Haupt-

Eiul. II A. Von der Religion. §. 17. Hist. u. posit. Rcl. 53 sähe,

wie sie ans der heiligen Schrift und kirchlichen Ucbcr-

katholische Umschreibung

Sofern nun jede

zn beschreiben gedenkt.

liefevnng erkannt werden,

die ethischen

des Christenthums auch schon

Hauptsätze mit aufnimmt,

stehen freilich auch diese z. B.

tt ad i u s unter dem Begriffe Dogma.

bei G e ri­

Da aber im Ganzen genom­

men das christliche Handeln das abgeleitete

und bestimmte ist, das

christliche Glauben aber das ursprüngliche und bestimmende,

so sehen

schon die Alten, wiederum nach Borgange der Stoiker, Dogmatisches

und Moralisches theils entgegen theils zu einem Ganzen zusammen. S. Giern. Alex Paedag. Exord. , wo der göttliche Logos in seiner zwei­

fachen Function als ditiatFzakizbs, dykcoiizot lv ioi$ öoy/uciixoig, und als jiQctznzoc und Jiaiduyioybs dargestellt wird.

Ferner Theo­

dore t z. 1- Ps. TZFff ll£v TOt --- hOlXrjV TOLTOV tqxxoav TOM tpak-

{xov neoit/jiv diöaazakictv • ^uoi dk ovy r^iov doyf-taiizos n tj&izbc ttvat,. Darnach mag nun beurtheilt werden, ob

nicht Budde und Pfaff Recht und den alten Sprachgebrauch für sich hatten, als sic theologia dogmatica et moralis entgegen und zusam-

menschtcn, und ob nicht Döderlein, dem hierin viele Andre folgen, im Irrthume war, als er Inst Thcol. Christ ed 4

p. 192

schrieb:

Theolog!am thcorelicam male nostris temporibus dici coeptam esse

dogmatieam , auclore haud dubie Buddeo ,

theologo alias suinmae

et accuratae disi iplinac , Titlniannus I. c. monuit.

Nam theologia

doginatica proprie est, quae agit de placitis et opinionibus theologoriun.

Nee enim apud veteres ööypa dieebatur de dochina ipsa, sed

de sentenlia doctoris alicuius etc

Von diesen Behauptungen allen,

abgesehen vom Etogium des trefflichen Budde und Berdienste Döderleins,

An merk. 4-

unbeschadet die

ist eben nur das gerade Gegentheil wahr-

Der obige Sah leidet an der unvermeidlichen Amphibo-

lie, daß er, jenachdcm das Christenthum ein- oder ausgeschloffen wird,

auch mir auf verschicdne Weise bestehen kann.

Denn auf der einen

Seite ist eben nur das Christenthum die geschichtliche, gemcinschaftli-

che,

gegebene Religion, welche an sich nie dem Unglauben noch dem

Aberglauben zum Bollwerke dienet: auf deranderii Seite aber die Sache angesehn mußte es, jcmehr es in einer Geschichtlichkeit und Positivität

genommen ward, die auch andern Religionen znkam, auch den Aber­

glauben und

durch

ihn den Unglauben verschulden.

ganz vom Unterschiede des Wahren

Abgesehn noch

und Bermcinten,

in Ansehung der Geschichtlichkeit und Positivität

ergeben sich

felgende Gegensatze

zwischen der testameutischen und außertestamentischen Religion:

Eint. 11. A. Religion. §. 18. Ratürl. u. Vernunft - Rel.

54

a. Wahrend die heilige Geschichte der Testamente im iin^crrifmen Bande

mit der äußersten Urgeschichte znsammenhängt und wiederum bis in

die Tage der Römischen Auguste hereinreicht, müssen die heidnischen Religionen auf bloße Urgeschichte der Cultur zurückschauen und ihren Mangel theils mit Poesie über die Natur-und Lölkergeschichte theils

mit isolirten Wunderwerken und

Zaubereien ausfüllcn.

Sie fußen

auf Geschichten ohne Eine Geschichte zu haben, es fehlt ihnen Löcis-

sagung und Erfüllung.

b. Die mit der Stiftung des Staates zusammenfallende Religionsstiftung ist außerhalb der Testamente das Dienstbare,

innerhalb dersel­

ben dergestalt das herrschende und bedingende, daß offenbar der Staat

nur um der Religion willen gestiftet erscheint.

c. Das Heideuthnm ist oftmals um so weniger positiv je geschichtlicher es ist, u.nd um so weniger historisch je dogmatischer es werden will; innerhalb der Testanlente

findet von Anfang bis

Ende das innigste

Zusammensein von beiden Dingen, obgleich nach Verschiedenheit der

Offenbarungsstufen verschieden, statt.

§.18.

Natürliche*) und

Vcrnunftrcligion.

Ob sich nun gleich die Idee, oder die an sich wahre, ur­ sprüngliche, vernünftige Religion auf die Veranlassungen, die

ihr durch Naturbetrachtung und Erfahrung gegeben werden, nicht unbezcugt gelassen, vielmehr schon in unbewußter Weise

mittels des sittlichen und staatlichen Bildungsprocesscs **), dann aber durch das Organ der Wissenschaft und Schule bis zu völlig bewußten Verneinungen und Bekämpfungen des Aber-

glanbens entwickelt hat,

wie z. E. seit Sokrates unter den

Hellenen, welcher eine Fall statt aller andern genannt werden darf: so sind doch alle auf diesem Wege gewonnenen Besserungen

entweder unmittelbar zugleich Verschlimmerungen gewesen, oder sic haben sich theils in intensiver theils in er- und protensiver Beziehung unvollständig und unfähig erwiesen, das gewiffer-

maaßen ursprünglich gewordene Grundübcl zu heben, oder ein ihm entgegenwirkendeö, *)

Der Name einer

siegreiches Heilmittel auf zu bringen.

natürlichen Thcele;sic und

darin

enthaltenen

(Süll. II. A. Religion.

§. 18. Natürl. u. Vernunft-Nel.

55

Religion kommt zuerst im Gegensatze der mythischen und politischen, also

der historischen und positiven z.B. bei VarrH vor, von dessen Schrift de divinis anliquilatibus

wir Auszüge in Augustinus de civ. 4, 27.

Der Pontifcr Scavola und der Stoiker

6, 2. 5. 7—9. finden.

Eornutus befolgten dieselbe Eintheilung der Theologie. loison

de Iriplici theologia mysteriisque veterum ,

S. V i l-

an gehängt an

de Sacy Ausg. von Saihle - Croix Recherches sur les mystures ete. Vol II. — Die Naturphilosophie der Alteu war nicht überall so antitheologisch als bei Epi kur und Lucrcz.

Zwar ward sie dadurch

noch nicht theologisch im strengen Sinne, daß sie den mythischen Gott samt seinen Attributen

in naturgeschichtlichen Deutungen anerkannte,

wovon bei Giern. Alex. Strom. V. p. m. 244. viele Beispiele aus Orphischer Weisheit angeführt werden; aber Barro mochte wohl auch int

höhern Sinne der Stoiker von physischen Göttern handeln.

Die all­

gemeine Naturkunde und Naturgeschichte ist Erkenntnißguelte der Reli­ gion und Kriterien der Wahrheit,

nicht aber das einzelne mythische

Factum oder die besondre heilige Geschichte, dieser Grundsatz schuf die

natürliche Religion und Theologie;

uud in diesem Sinne scheint sie

überhaupt genouimen werden zu müssen, sofern wir sie von der Ver­ nunft-Religion, welche aus den Thatsachen des Bewußtseins geschöpft

Denn sobald Conscienz uud Erperienz als

wird, uuterscheidcn wollen.

die unzertrennlichen Factoren des Religionsursprungs gedacht werden, befassen beide Namen jeder für sich schon daö Ganze, welches der hi­

storischen und positiven Religion gegenüber bestehet,

und eben nur in

diesem Gegensatze als das vellkommncre oder unvollkommnere, als die ideelle Auslegung oder kritische Auflösung oder aber als die bedürftige

Vorbereitung des Positiven,

geltend gemacht wird.

Augustinus giebt

dem Varro schuld, daß er die physische Theologie für die allein wahre,

und doch die positive nützlich erachte.

(besonders die bürgerliche)

für nothwendig und

Varro griff, nach dem Vorgänge der größten Philo­

sophen, die Staatöreliglon nicht unmittelbar an; überhaupt begnügten

sich die Weisen des Alterthums Dogma zu

vernünftigen darzustcllen.

ein.

mehrentheils damit,

das mythische

altegorisiren oder die positive Religion als Vorschule der In den Mysterien trat dasselbe

Verhältniß

Und wenn es sich bei christlichen Philosophen und Theologen hie

und da wiederholte,

Verhältniß an,

so nahmen doch die Welfianer das umgekehrte

während andre,

z. B. Ferguson uud Gruner

(Instit. thcol. Dogm. §. XII. et Scliolion) die Vernunft für em bloß

formales Crkelmtuißvcunögen,

die Lehre vom Licht der Natur für

56

Eins. II. A. Religion. §. 19. Ratürl. u. Vern.-Rel. Forts. schwankend niib verworren, und die theologia naturalis für leer nnd nichtig, oder für einen Ncnib aus der heiligen Schrift erklären. Diese Gegner der natürlichen Theologie würden indessen wohl eine rationalis theologia in gewissen Grenzen haben gelten lassen d. h. eine Philoso­ phie ddr christlichen Religion, durch welche in Meyer's Art und Weise oder nach Vorgang der Cartesianischen Theologen in Holland der In­ halt der christlichen Mysterien denkbar und bis auf einen gewissen Grad begreiflich gemacht werden sollte. Henn. Alex. Roel Diss. de religione ralionali. ed. sexta Ultraj. 1713.

**) Man mag nun den atheniensischen oder römischen Staat, die redende und bildende Kunst, oder das Volksleben der Alton, wie es sich in der Komodie abspiegelt, darauf ansehen, so wird man inne werden, wie vielfach sie dazu dienen, die Idee der Religion von dem gemein Reli­ giösen zu sondern, sie in das Gebiet des Schönen, des Nützlichen, des Zweckmäßigen zu retten, und ihr eine von da aus theils der groben Atbelsterei theils der trägen Mischung des Heiligen und Unheiligen entgegenwirkende Macht zu sichern. Die Komödie scheint alle einzelnen Götter und Verehrungen zu belachen, und thut es doch uur so, daß die frommen Frevler zu Spott werden, welche — in animuin inducunt smnn, Jovem so placarc posse donis, hostiis ; et operam et sumluin perdunt — Plaut. Rud. v. 22., oder nur so, daß der ideelle Monotheism, der dem Dii Deaeque onines zum Grunde liegt, darun­ ter nicht leidet, sondern dabei gewinnt. Und so wirkt sie mit dem Staatsgesetze zusammen, welches fremde oder Privatgottesdieuste oder Versühliungeii des Unsühnbaren verbietet.

§.19.

Fortsetzung.

Die Belege für diese Behauptung liegen vollständig in Auf dem Wege dieser Reac­ tion nämlich, welche vorzüglich wissenschaftlich und der allseinnbezweifcltcn Thatsachen vor.

ligen Theilnahme des Lebens beraubt war,

wurden entweder

mitkels eines einseitig verneinenden Protestantism *) geradezu

atheistische Meinungen in Gang gebracht, oder z. B. der Po-

lytheism und Jdolism nur auf sittlicher Seite berichtigt, im übrigen höchstens mit Dualism und Pantheism**) vertauscht, oder aber endlich gar wieder das ganze System des Abcrglau-

Eint. 11. A. Religion. §. 20. Natürl. u. Vern.-Rel. Forts.

57

bens als integrirender Theil in die ewige allgemeingültige Religion mifßciiommcn ***).

*) Statt aller andern Beispiele Lucrctius I. 63. •*) In der qanzen Entwlckclnngöreihe von AnaragoraS bis Plotin und Porphyrins bleibt die hellenische Weisheit in diese beiden Hemmungen des reinen Theismus gcbaiinct. *’*) S. 2 amblichus von den Mysterien der Aegyptier, P orp hyriuS über die Opfer, welcher sogar dieß zu vertheidige» weiß, daß den bö­ sen Genie» geopfert werde. §.20.

Fortsetzung.

Wäre nun aber mich vermöge der Gegenwirkung, die wir beschreiben, das Ganze von ReligionSlchren,

welches unter

den Christen als Vcrnnnfrwahrheit geltend gemacht zu werde» pflegt, oder der reine Theismus *), schon irgendwie zu Tage gefördert worden: so folgte daraus noch nicht, daß cs sich würde ganz gleicher Weise jedes Gebietes des individuellen

oder gemeinen Lebens oder auch nur eines für weitere Fort­ wirkungen sichern Ursprungspnnctes bemächtigt haben.

Denn

wir sehen vielmehr, daß es die esoterische Form des Daseins

und Wirkens suchte, und daß immer erst wieder starke Bestre­ bungen für Religionsgemeinschaft sich zeigen, wann die Na­ tur- und Vernunftlchren einen Vertrag mit derselben positiven Religion geschlossen haben, die vorher von ihnen bekämpft wor­ den warÄS).

Dasselbe, worin und wodurch die Natur- und

Vernunftreligion wesentlich besteht, die Entkleidung der Wahr­

heit von ihrer Thatsache und Geschichte, macht sie unfähig, durch sich und für sich selbst Gemeinschaft zu stiften***).

*) Die Lehre vc»i Weltschöpfer, der fei» bloßer Weltbildncr ist, von t>cm Persönlichen Gotte, der fein bloßcS «9tfor, von dem schlechthin freien und guten Wesen, welches nicht mit der bösen «vzi gleich als mit einem Leiden und Geschicke zu thun hat. So Christoph. Meiners Hist. Doclrinac de vero Deo omnium remui auctore atque reclorc

58

Eint. 11. A. Religio,!. §. 21. Natürl. u. Vrrn.-Rcl. Beschl.

P- l et II. -Kenig. 1780. uni Beu ter weck a. a. O. Abh. !V. Der

reine Theismus. **) Erst die neuplatonischen Theologen eifern wieder für den Altar; und nur ein IulianuS wendet alte möglichen Mittel an, das philosophisch resornilrte Pnesterthum und Opferwesen herzustellen.

***) 9Bic unbekümmert siud Seneca und Marc Aurel darum, daß die An­ stalten der Götterfurcht, die sie verachten, zerstört und für die Gottesehrsurcht, die sie anpreisen, andre errichtet werden möchten.

§.21.

Beschlu ß.

Indessen könnte cs scheinen, als ob die Idee der Religion

dennoch im Begriff gewesen sei, sich selbst durch die Kräfte des vernünftigen

Gedankens

im

menschlichen

Geschlechte zu ver­

Und zwar auf dem Wege der Teleologie.

wirklichen.

Denn

s o ist sie bis dahin gelangt, nicht nur das Böse, womit die

wirkliche

Welt

behaftet ist,

wahr zu nehmen, sondern sich

auch zur Idee der Erlösung zu entwickeln, und cs fragt sich,

ob nicht der Proceß der wirklichen Wclterlösung bereits ein­ geleitet gewesen sei, als sich die cntsinnlichcnde und heilende

Lebensweise

bereits

bemächtigt,

und

pythagorischcr,

therapeutischer Institute

solche Vorkämpfer gegen das Böse und den

Wahn erzeugt hatte,

als z. B. der Held des Philostratus")

oder ein Plotinus war, und ob nicht die zur Weisheit gewor­ dene Wissenschaft würde zum Gemeingeist einer Kirche geworden

den platonischen Sohn des Guten, den Sprößling Gottes in der Menschheit darstcllcn können. nicht geschehn ist,

geschehen konnte. Idee,

Unangcsehu aber, daß dieß

laßt sich auch einsehen, warum es nicht

Das Böse selbst oder das Uebel ist keine

sondern eine Notiz und Erfahrung,

welche sich dem

Menschen während der beschaulichen und thätigen Vollziehung

des ursprünglichen idealen Bewußtseins an dem Leben als solche aufdrängt. Daher kommt cs, daß diejenigen, denen das "Glück

des idealen Denkens aufgegangen ist,

um dasselbe sich nicht

Eittl. 11.

Religion. §.21. Ratürl. u. Vern.-Rel. Beschl.

trüben zu lassen,

59

sich die Größe und Tiefe des Elends mög­

lichst verhehlen und verkleinern,

oder es als ein natürliches,

als- einen Durchgangspuuct des Guten,

oder als -ein ganz

vereinzeltes und zufälliges vor zu stellen versuchen.

Versuche über das Böse unzeitig zu

In diesem

triumphiren finden wir

im Vergleiche mit den Orientalen die Griechen überhaupt, ins­

besondere die Stoiker, befangen.

gleichsam

Pelllgianer vor Pelagius,

Anders ist es freilich mit Pythagoras und Plato.

Die religiöse Idee des Guten hatte in ihnen Vollkräftigkeit geiulg den schlimmen Gemeinznstand der Welt wahrzunehmcn,

an zu erkennen, mit tiefem Ernste zu betrauern, und doch zu bestehen, nämlich den allmächtigen Sieg des denkenden Willens

über das Scheinleben cinzuleiten und zu glauben.

Die Phrto-

sophie setzte sich das Heil der Welt zum Zwecks. ken konnte sie es nicht.

Bewir­

Sie konnte einen Heiland irgendwie

denken oder ersehnen, aber weder ihn weissagen noch glauben,

ehe er da war.

Sie konnte einige und immer mehrere,

die

sich mehr und mehr selbst erlöseten, in denen sehen, die zum Philosophiren geeignet waren.

Cie konnte aber die wirkliche

Erlösung nicht erkennen, und demnach auch die Entstehung des

Bösen nicht; sie durfte sie nicht im -Willen suchen, mußte den Ursprung

des Bösen aus der Substanz herleiten,

konnte die

Heiligkeit Gottes nicht zum lebendigen Bewußtsein

noch die Willensfreiheit und

bringen,

Persönlichkeit anerkennen,

und

mußte die Geschichte des Geistes natnralisiren und fatalisiren.

So verdarben die unvollkommene Teleologie

und Aetiologie

sich gegenseitig, und in dem durch die Geschichte nicht, oder

vielmehr durch keine Ausgleichung der Idee und Geschichte,

gelösten Knoten blieb die ganze Wahrheit der Religion gebunden. *) Apollonius von Tpana, der Pytbagereer, der nach des PhllostratnS dichtender nnd stiltschwelgend parallelisirentcr Darstellung, ju den Zei­

ten BcopasiauS nnd Domitians als ein Messias des Heidenthnms die Welt durchzog nnd mit den Wundern indischer Weisheit und Helligkeit erfüllte.

S. Baur, Apollonius von Tpana und Christus,

oder das

60

§. 22. Idee der Offenbarung.

Einl. II. B. Offenbarung.

Verhältniß des PythagoreismuS zum Christenthum.

Tüb. Zeitschr. s.

Theol. 1832. H. 4. **) 91 cf ermann: Das Christliche im Plato u. s. w. S. 332

„Das

Wesentliche des Christenthums besteht im Heilskräftigen, das des Pla-

tonism im Heilbczwcckcnden."

Cs bleibt diese Bemerkung auch nach

der von Dr. B a u r: Das Christliche im Platonismus oder Sokrates und Christus Tüb- 1837. versuchten Berichtigung Vollkommen gültig;

denn die

Idee und die verwirklichte sind sehr verschieden, und

die andre ist nicht durch die erste da, sondern durch den, der auch die

Idee geschaffen.

B.

Von der Offenbarung. §. 22.

Ide c.

Bleiben wir uns jedenfalls unsrer unveränderlichen Be­

stimmung zur wahren Religion und zur Gemeinschaft in der­

selben bewußt, so erzeugt dieses Bewußtsein in Vereinigung mit jener Erfahrung, die wir theils mit der historischen theils mit der Vcrnunftreligion machen, die Idee der Offenbarung. Allerdings würde diese Idee selbst, wenigstens nur sehr un­

vollkommen , hervorgebildet werden und uns nicht so , wie es der Fall ist, zu Gebote stehen, wenn nicht ihre Verwirklichung

vorhergiuge; denn die beiden Factoren des Erfordernisses der Offenbarung, die wir so eben bezeichneten, sind erst mit der Offenbarung vollständig und kräftig vorhanden*). Ein einzi­

ges Mal und auf eine sehr apokryphische Weise schauet das Heidcnthum, eine neue göttliche Abhülfc der aufs äußerste ge­ kommenen religiösen, und sittlichen Ausartung der Welt fordernd

und hoffend, in die Zukunft**). *) Im Ganzen genommen ist man im Heidenthum so weit entfernt, der religiösen Entwickelungsgeschichte, in der man sich befindet, gegenüber

eine neue zu verlangen oder zu erwarten, daß man vielmehr, entweder

von der mehr und mehr durchdringenden Philosophie oder von der wie­

dererweckten und rein erhaltnen uralten Theologie der Mysterien einzig

Einl.

§. 23. Offenbar, u. Erlös.

II. B. Offenbarung.

61

und allein wo nicht Heilung doch Mäßigung des Uebels sich verspricht-

Was dabei von fortwährenden Mittheilungen der Götter etwa voraus­

gesetzt oder noch zugclassen wird, bei Stoikern und Platouikern, kann die Idee der Offenbarung nicht feststellen.

rung des Marc Aurel Hb. I. §.

17.

Merkwürdig ist die Aeuße­ Er freuet sich,

daß er zu

einer deutlichen und wirksamen Idee des naturgemäßen (vollkommenen)

Lebens hat gelangen können, und daß es ihm,

soviel auf die Götter

und deren Eingebungen aukomme, an keinem Dinge gefehlt, um schon jetzt ein solches Leben zu fuhren; die Schuld könne nur an ihm selber

liegen,

wenn es nicht geschehe,

der Götter,

da er etwa den Erinnerungen (yno-

die freilich noch keine deutlichen Lehren (^opo-

voy/i (WaaxaZ/öt) seien,

Thom- Gataker

nicht gehörig folge.

aber führt zu dieser Stelle Bchauptuugeu des Plato im Philebus, des Cicero Tusc. I. und des Seucca ep. 90. an, durch welche die Philo­

sophie so gestellt wird, daß wenn sie nicht selbst das wesentliche Ge­ schenk der Götter wäre, sie mehr sein würde als altes, was die Göt­

ter gewähren können.

Die philosophische Religion also entweder wie

Gabe der Gottheit, über welche hinaus sich nichts wünschen lasse, oder

als höhere Selbstthätigkeit des Menschen angesehn,

welche das bene

gewähre sowie die Götter nur das vivere,

mußte in beiden

vivcrc

Fällen der Idee der Offenbarung ^>cn Weg vertreten-

**) S. die unter den Werken des Appul ejus natura Deorum ,

befindliche Schrift Ve

cd. Elmenhorst, p. 90—93. , wo eine Weissagung

wider und für Aegypten,

als das heilige

Land der

Erde,

zu lesen

ist, die entweder für Uebersetzung ans dem Christeuthume oder für ein

Denkmal des sich selbst wesentlich übertreffenden Heidenthums gehalten

werden muß.

§. 23.

Offenbarung und Erlösung.

Mindestens wenn wir die Eigenthümlichkeit des Christen­

thums durch den Begriff der Offenbarung ausdrückcn wollen, ist erforderlich, daß wir sie aus der Erlösung und mit ihr zu begreifen suchen; womit dann auch der Inhalt der vorhin abgeleiteten Idee übereinstimmt, da wir die Grundursache der

ausgearteten Religion in einem zur andern Natnr gewordenen Hange zu der Scheinfreiheit suchen mußten,

die der Mensch

62

Einl.

II. B. Offenbarung.

§. 23. Offenbar, u. Erlös,

durch Unterdrückung oder Veränderung des höher» Selbstbewnfitseins genießt, folglich auf der sittlichen Seite, nnd an­

drerseits fanden, daß durch die Unvollziehbarkeit der religiö­ sen Grundideen an einer mit dem Bösen behafteten Welt die ganze Entwickelung der religiösen Denkart gehemmt werde. Auf alle» Fall kann der Grund, Zweck, Inhalt, die Art und

Weise der im christlichen Sinne gedachten Offenbarung sich nicht ohne Zuziehung des Heils - Begriffs bestimmen lassen. Zwar wird ganz gewiß, wenn geoffenbart wird, auf die er­ kenn ende Thätigkeit und Kraft eingewirkt; aber daraus folgt keineswegs, daß sofort die Offenbarung Gottes für eine göttliche (unmittelbare, neue, übernatürliche) Mittheilung ge­ wisser, mehr oder minder übcrvcriiünftiger, Begriffe rc. zu erklären seiWesentliche Veränderungen der menschlichen Erkenntniß, wie sic hier gemeint werden, können niemals das

abgesonderte Erkenntniß- oder Vorstellungsvermögen ganz aus­ schließlich oder unmittelbar betreffen.

Sonst würde mit ihnen

vielmehr der Begriff des Unnatürlichen gegeben sein als der des Ucbcrnatürlichen. Sondern die wesentlich neue Bestimmt­ heit der Erkenntnißweise entsteht in Begleitung und Gefolge einer das menschliche Leben oder den menschlichen Zustand überhaupt erneuernden Thätigkeit, nämlich der erlösenden Thätigkeit Gottes.., Und eben dafür spricht, was von großer

Wichtigkeit ist, der Umstand,

daß das Wort Offenbarung

in der h. Schrift nur untergeordneter und abgeleiteter Weise göttliche untere Erkenntniß - Mittheilungen anzcigt, während es in den Hauptstellen, die uns von Offenbarung Gottes am meisten reden machen, eine göttliche En tdecknng desHeilsbe sch l n sse s oder der Heilswahrheit bedeutet, welche nicht

d c in oder dem, sondern der Menschheit zu Theil

wird **).

*) Dieser Begriff von Offenbarung ist eS, mit welchen sich theils in der Cartesian sichen theils in der Stantischcii Periode der Streit zwischen Nationalisten mit» Supranatnralsilen voi;ngl,ch bewegt hat. Das

Einl.

11. B. Offenbarung.

§. 23. Offenbar, u. Erlös.

Fehlerhafte der letzter« Denkart besteht wesentlich

darin,

daß

63 sie zu­

nächst nur das Wunder des Wissens behauptet und dann hinterher auch andre Wnnder.

Die rechte Methode aber diesen Fehler anszndeckcn und

zu beseitigen würde die Naturalisten oder auch Nationalisten, wenn sic dieselben brauchen wollten, nöthigen ihren eignen Irrthum zu erkennen,

da er nur das Gegenstück des supranaturallstischen ist.

Außer den Be­

richtigungen, die der einseitige supernatnralistlsche OffcnbaningSbegriff

durch Daub, Schleiermacher, de Wette, Marheiueke, Vockshammer, C. Ludw. Nitzsch, Märtens, Kähler u. A. erhalten hat, s. B. Erusius

„Eine große Anstalt für

Einl. in d. St. d. Dogm. S. 77. und 93.

alle Zeiten, die heiligsten Güter der Menschenseelen, vor Allem aber den

Glauben zu erhalten und zu ertheilen."

Und Fischer Einl. 2c 8.19

Vorzüglich T w e st e n S- 345.

„Unter Offenbarung verstehen

—21.

wir hier

(wo von

der Offenbarung im engern Sinne die Rede ist)

„die Aeußerung der göttlichen Gnade zum Heile

(tig (iiüiyylat')

des

gefalleneu Menschen in ihrer ursprünglichen Wirkung aus die mensch­ liche Erkenntniß." — **) Das dem theologischen Begriffe Offenbarung am meisten 'und vorzugs­

weise entsprechende Wort ist dnnzdlutyig, Enthüllung des Verborgnen, nicht grade

qmveQouy , nianifestarc.

Denn

ersteres wird

von den

Zeugnissen, die Gott durch'Vernunft, Natur und allgemeine Geschichte von seinem Dasein

und Wesen giebt,

gar

nicht gesagt,

auch nicht

Matth. 11, 25, woraus sich etwa die entgegengesetzte Behauptung bei

Knapp, B- Erusius und Hahn beziehen dürfte.

Sondern hievon

heißt es q «yeciouv Nöitt. 1, 19. oux duäoiuoov eauidv d 'ie vier ersteü Prolüsionen überhaupt,

64

Eins.

H. B. Offenbarung.

§. 23. Offenbar, n. Erlös.

dann b. V. (*> r n fiu 6 Bibl. Theol. S. 222. Die richtige Entfaltung des iieilest. Offenbarnngsb eg ri ffs möchte felgende sein: 1) Die Ent­ hüllung deS großen Geheimnisses, nämlich des HeilSbefchlusseS und Heilsverhältnisses, welches durch das Zusammenwirken der persönlichen Erscheinung des Erlösers mit dem heiligen Geiste in den Propheten und Aposteln erfolgt, der Welt zn theil wird und für den Glauben da ist- Röm. 16, 25. vergl. 1, 17. 1 Petr. 1, 20. Ephes. 1, 9. 3, 9. 1 Eor. 2, 7. 1 Tim 3, 16. 2 Tim. 1, 9. 10. Tit. 2, 11. fjietfcti/r] — Rctaiv dy&Q(üjLois. Ein öffentliches, thatsächliches Erzeigen, welches auch rrz-.a z. B. Ierem. 33, 6. bedeutet. So­ fern jedoch diese Enthüllung des Heils und die Erlösung selbst von einer gewissen Seite noch unvollendet ist, und wir in der Hoffnung stehen, giebt es 2) eine Enthüllung deS HeilSgeheimnisseS für das Schauen, also ebenfalls eine öffentliche und thatsächliche, mit der Wiederkunft des jetzt sammt unserm wahren Leben verborgenen Chri­ stus , Luc. 17, 30. Röm. 8, 18. 19. 1 Tim. 6, 14. 1 Petr. 1, 5. Beu beiden Arten ist wie das bedingte von seiner Vedingnng diejenige Offenbarung des SohneS Gottes und der göttlichen Weisheit verschie­ den, welche 3) in dem Bewußtsein der Gläubigen erfolgt, Gal. 1, 12—16. Ephes. 3, 3. Vergl. Matth. 11, 25. 16, 17. Auch diese Offenbarung ist GotteS oder Christi That durch den heiligen Geist. Endlich 4) weiden den Aposteln und den durch ihre Predigt Glaubeuden weitere En t wi ck e l u u g en jenes durch Christum bestimmten Vewnßtselns durch GotteS Gnade theils znm Behuf der Lehre 1 Cor. 14, 6. und 26- Phil. 3,15. theils zum Behuf des Handelns Gal. 2, 2. und überhaupt zu ihrer apostolischen und christlichen Vervollkommnung 2 Cor. 12, 7. zn Theil. In alten diesen Beziehungen ist i der Gegenstand derjenigen Anschauung, welche durch Offenbarung be­ wirkt wird. An merk. Christo wird nichts von Gott g e o fse n b ar e t auch nicht nach Off. Joh. 1, 1. noch nach Joh. 8, 26. 38. u. dergl. sondern er ist Gegenstand und Mittler der Offenbarung und ist dieß eben dadurch, daß er das Mitwissen mit Gott ursprünglich oder die vollkommene Ge­ meinschaft Gottes überhaupt besitzt. S. Nitz sch de revel. p. 10 —13. und B. C r n siuS Bibl. Theol. S. 234., eine Bemerkung, wel­ che für sich schon unzählige neuere Bestimmnngen und Erörternugen deS christlichen Offenbarungsbegriffs hatte beseitigen oder ihnen eine andre Richtung geben müssen.

Eins.

§. 24.

II. B. Offenbarung.

§. 24. Ursprünglichkeit.

65

Ursprünglichkeit der Offenbarttng.

Das erste der Momente, aus denen der Begriff der Of­

fenbarung in ihrem Zusammensein mit der Erlösung sich bildet, ist dieses, daß ihr an Ursprünglichkeit nichts gleich kommt als

die Schöpfung der religiösen Anlage selbst, oder daß sie, un­

geachtet ihrer vollkommnen Beziehung auf die bestehende Ent­ wickelung des ersten, einen neuen Anfang indem religiösen Leben der Menschheit macht, welcher sich theils in dem Be­

wußtsein derer, die durch sie erleuchtet werden, als ein solcher erweiset*), theils in den Bestimmungen, die die Welt und Weltgeschichte durch sie erhalt.

Muß sie nämlich ebenso wie

die Erlösung von der Entstehung des Uebels an, welches sie überwinden soll, schon irgendwie in der Welt wirksam gedacht werden**), so kann auch nichts zu ihr gehören als, was zur ununterbrochen fortschreitenden oder bestehenden wahren Reli­

gion auf erkennbare Weise als ein mitwirkendes mit) irgend­ wie dazu fortwirkendes gehört. Das Moment der Ursprüng­ lichkeit wird dadurch also zugleich zur Ausschließlichkeit und Entgegensetzung, dergestalt, daß der universalistische Begriff

von Offenbarung,

wie ihn gnostische Parteien***) unter und

neben den Christen oder auch neuere Lehren empfohlen haben, nicht stattfindet. Anmerk. 1.

Das Moment der Ursprünglichkeit am Offenbarungsbe-

griffe wird durch Erklärungen, wie sie Red. üb. die Relig. S. 153.

und Schleierm. Glaubens!. L §. 19. vorkommen, ebensosehr verwischt

als anerkannt.

Dieser Theolog hat nämlich den Begriff der Offenba­

rung nicht aus der Mitte der h. Schrift, sondern aus der Philosophie

des allgemeinen Sprachgebrauchs genommen, und schon dieses ist die Ursache geworden, daß er ihn für zu gering gehalten hat,

Eigenthümlichkeit deS Christenthums zu bezeichnen.

um die

Vollkommen würde

ihm das ganz Unmittelbare von Offenbarung nur auf Christus als er­ kennende Person anwendbar scheinen; aber es ist merkwürdig, daß es

nach Anleitung der Schrift

gerade hier gar keine Anwendung zuläßt.

Denn was man auch gegen diese unsre Behauptung eingewandt haben Nitz sch Sustem 5te Anfl.

5

66

Einl. II. B. Offenbarung.

8. 24. Ursprünglichkeit.

mag, z. B. Böhmer — s. Pelt Encycl. S. 251. — eine «n o-

x«Xu ipts oder die Offenbarung im obigen Sinne ist Christo

nicht widerfahren. Daß er gelehrt, was er gehört', ist etwas ganz andres.

Das thut anch der h. Geist.

Außerdem ist es allerdings unthnnlich den

Offenbarungsbegriff zu halten, wenn die Ursprünglichkeit ganz allein ihn S. Batke Bibl. Theol. L Berlin 1835-, wo (S. 88.)

herstellen sott.

„sich gewisse religiöse Elemente, die im Bewußtsein geistiger Heroen selbst eine bloß objective Stellung behaupten, nur als Offenbarun­

gen Gottes erklären lassen, welcher darin

sich selbst gegenständlich

wird rc." nach S- 101. „das Gottes-Bewußtsein überhaupt als Offen­ barung begriffen werden muß," jedoch nach S. 668. „der Begriff der alttestamentlichen Religion nach seinem wahren Gehalte den Hebräern

o ffe nbart ist."

An merk. 2.

Subjectiv erweist sich jene Ursprünglichkeit dadurch, daß

das Bewußtsein, welches seine Bestimmungen der Offenbarung verdankt,

einmal Wohl weiß, daß es dieselben mittels einer besondern Geschichte in der Geschichte, mittels einer besondern Gemeinschaft und auf andre

Weise als durch die allgemeine Schöpfung und Erhaltung des geistigen Lebens erhalten hat, und daß sie dennoch der Geltung und Kraft nach

eine Unmittelbarkeit an sich haben, welcher die Gewissensthatsachen ent­ weder nur gleichkommen, oder in Bezug auf das,

was sie als bloße

duycC'Uis ohne Actuosität oder durch unordentliche Entwickelung ge­ worden sind, nicht einmal gleichkommen.

Objectiv aber erweist sich

dieselbe Ursprünglichkeit durch die Continuität der Vorbereitungen und Fortwirkungen, durch welche auf einen gewissen Mittelpunct der Welt­ geschichte und von ihm aus die wahre Religion herrschend

ist.

Wenn z. B. vorausgesetzt wird, daß der bildlose und

geworden

sittliche

Theism zur Herrschaft der wahren Religion unentbehrlich gehöre,

so

wird nicht nachgewieselt werden können, daß die Wirksamkeit eines Py­

thagoras oder Zoroaster wesentlich und organisch in den welthistori­ schen Gang dieser theistischen Ueberwältigung deS Aberglaubens oder

Unglaubens einschlage,

wohl aber, daß Abraham und Moses mittels

ihrer Beziehung auf Christus noch jetzt auf unfehlbare Weise zu solchem

Ziele fortwirken, und daß alle Monotheisten auf Erden geistige Kinder Abrahams find.

Vergl. Theol. Stnd. u. Krit. 1842. S. 638. ff.

*) Daher wird auch die Ursprünglichkeit der Offenbarung in ebenso star­ ken Gegensätzen gegen äy^Qarnos, O(xq'£ xai aipcc, aoyia toü aiiuvqq toütou

z. V. 1 Cor. II. Gal. I. II ausgedrückt, als nur immer

Joh. 1, 13. 3, 6. die Ursprünglichkeit der Erlösung.

Vergl. 2 Cor.

Eins.

II. B. Offenbarung.

§. ü5. Geschichtlichkeit.

67

4, 6. oh 6 19 so? 6 e In wv £ z g z 6 r o v g tu $* Xd^txpai (1. Mos. 1,3.), b\ hXayipEV £y Talg zuodtaig ^uaty, noog q?ajitouoy irjg yyivOEcog i7tg do^/;? iou Otou t y n Qog (ü n



Auch

MoseS schrieb

von ihm

V- 45.

Die

ganze Schrift zeugt von seinen Leiden und seiner Herrlichkeit Luc. 24,44. Der Geist Cbristi war in den Propheten 1 Petr. 1, 10. und sie forsch­

ten,

auf welche Zeit er deute.

Seine Abhängigkeit von

2) Zeugniß des Paraklets Job. 15, 26. 16, 8.

Dies Zeugniß als ein allgemeines, welches der

Christo 16, 13—15.

Welt gegeben wird, 1 Tim. 3, 16.

AG. 2, 16.

ein inneres und besonderes 1 Cor. 2, 12. 3) Zeugniß des lebendigen

Idioten

Christenthums und

Lehrer der Welt

Röm. 1, 16.

Gal.

3, 28.

Als

Apostolats Ioh. 16, 27.

1 Cor. 1, 27. 2, 6. 4, 15.

Aus Sündern Heilige Ephes. 2, 1—6. 4, 12. Ephes. 2, 14.

1 Ioh. 5, 8.

Ephes. 1, 13.

Aus Feinden Freunde

Aus der Welt ein Haus Gottes Ephes.

2, 15. 5, 27.

8- 34.

Wunder.

Wäre ein Wunder das schlechthin gesetzwidrige, unnatür­ liche und unbegreifliche Ereigniß und widerführe durch dasselbe dem menschlichen Verstände und der ganzen 9tatur nur zerstö­ rende Gewalt, so würde die Apologie des Christenthums, wel­ ches sich durch ein großes System von Wundern einsührt, mit

unüberwindlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

In der

That aber sind die Wuilder der Offenbarung bei all der ob­

jectiven Uebernatürlichkeit, die ihnen von ihrem Mittelpuncte

84

n. B. Offenbarung.

Eint.

§. 34. Wunder.

aus zukommt, theils in Bezug auf die höhere Ordnung der Dinge, der sie angehören und die auch eine Welt, eine Nalur,

in ihrer Art ist und in die niedere auf ihre Weise einwirkt, theils in Hinsicht auf die Achnlichkeit mit der gemeinen Natur,

die sie irgendwie behalten, endlich wegen ihrer teleologischen Vollkommenheit etwas wahrhaft gesetzmäßiges, und müssen so­

gar, als die gleichartige Erscheinung von dem innern Wunder der Erlösung, von dein Standpuncte des schon fertigen christ­ lichen Glaubens aus nicht nur erwartet, sondern auch vermöge

des zwischen dem Geiste und der Natur bestehenden Bundes als das in seiner Art Natürliche angesehn werden *).

Anmerk. 1.

Wir unterscheiden subjektive und objective Wunder.

besteben in solchen Veränderungen,

Jene

welche vermöge ihres Zusammen­

treffens mit andern äußeren Umständen oder mit innern Zuständen ihren Naturzusammenhang vergeßen machen, und unmittelbar auf den Herrn der Statut Hinweisen, der etwas bezeugen will. entweder vermöge

seines

Erkennens

oder

Befände sich der Mensch

vermöge seines Handelns

ganz un Besitze des Zusammenhangs der Natur, so würden sie freilich nicht statt finden können.

Da er aber auf diesen Besitz verzichten muß,

so geschehen für ihn nach seinem subjektiven Standpuncte und Verhält­ nisse zur Natur Wunder,

kommue Uebernatürlichkeit

welche in teleologischer Hinsicht eine vollan sich tragen.

Aus dem oben erläuterten

Bcgriffsmomente Allmäh lig keit folgt schon, daß die Offenbarung

auch in Angemessenheit zu zeitlichen und örtlichen Bedürfnissen stehe; wonach nicht zweifelhaft sein kann, daß sie auch von subjektiven Wun­

dern begleitet sei.

Diese läßt denn auch der Naturalism bestehen, der

Rationallsm aber fordert und sucht sie sogar.

vel. etc. p. 219.

S. Nitz sch de re-

Dagegen kommt der Offenbarung vermöge deö Mo­

mentes der Ursprünglichkeit auch ein Verhältniß zu den allzeiti­ gen stätigen Bedürfnissen der Menschheit zu,

und diesem entsprechen

nur Erscheinungen von objectiver Uebernatürlichkeit, wie die Person des Erlösers selbst,

welche ihr Mittelpunct ist.

schaffet Gott etwas neues, Jcr. 31, 22.

4 Mos. 16, 30.

Durch sie und in ihnen

Und

~

dwauLs drückt mehr den objectiven, ityag

u. s. w. auch den subjektiven Wunderbegriff aus,

aypsiov aber das

anschauliche Merkmal der Hechlichen Thatsache deö Reiches Gottes.

II. B. Offenbarung.

Einl.

oder ursachliche Wunder ist nicht das

Auch das objective

An merk. 2. Unnatürliche;

85

§. 34. Wunder.

denn der volle Begriff der Natur hat das Wunder zu

seinem Momente, und der wahre Begriff des Wunders die Natur. Sie

können nicht von einander lassen in ihrem Unterschiede.

Die Geschichte

der Wissenschaft bezeugt es, daß auch da, wo die Begriffe des Schöpfers und der Schöpfung ausgeschloffen werden, die Nöthigung entsteht, z. B.

mit der natura naturans (int Gegensatz der naturata)

einen unendli­

chen Grund, den absoluten Grund der Hervorbringungen zu sehen und

ihn von der bloßen Entwicklungsreihe

zu unterscheiden.

Nur der ro­

heste Naturalism, der bloße Materialismus kennt diese Nöthigung nicht.

Auf der andern Seite hat die Wissenschaft des Glaubens an den persön­ lichen Schöpfer und die Schöpfung oder die Allmacht durch den Begriff

her

sogenannten

creatio mediala Entstehungen

System des Daseins und

der

und

Wunder in das

Natur

ausgenommen.

Pffauzcnlebcn Potenz der Animalisirung,. in dem

Setzen wir in dem

thierisch-seelischen

der Geschichte

Begeistung,

Leben die Potenz der

so

wird

doch

entweder der schöpferische Act oder die natura naturans dazu, daß die

Möglichkeit verwirklicht und die Prädisposition erfüllt werde, von Neuem zu fordern fein.

Ein früheres Tagwerk Gottes bringt nicht selbststän­

dig aus sich das spätere hervor; die Vorstufe, die ihrem zureichenden Grunde entspricht, nicht die höhere Stufe, welche wieder einen Grund haben muß, der für ihre Hervorbringung zureicht. die Lehre von der creatio inediata



Oder, man läugnet

muß ium nicht dennoch zuge­

standen werden, daß gegen die jetzt wirkenden und ausschließlich wirken­ den Gesetze der Erzeugung und Besaamung gehalten die urgcfchichtli-

chen Entstehungen Wunder sind? hende Kräfte gewirkt.

DamqlS haben jetzt zurückgctretne ru­

Sowie auch heute noch in dem identischen Na-

tnrsysteme niedre Gesetze durch höhere aufgehoben werden.

fänge und Ausgänge

höhere Gesetzlichkeit als das, was dazwischen liegt. Harmonie.

Die An­

der natürlichen Erscheinungen haben eine andre­

Aber Alles ist eine

Solvcnig auf sittlichem oder künstlerischem Gebiete durch

Auflösung niedrer Regeln zu Gunsten höherer ein Unwesen od.er Unfug,

angerichtet wird, sowenig im Reiche der Rasur.

Zwei solche Ordnun­

gen oder Kreise stoßen sich nicht schlechterdings ab: und die bestehenden Grundverhältniffe von Seele und Leib, Geist und Seele.

Leben und-

Tod bleiben die Möglichkeit des WundersAnmerk. 3.

Nun besteht auch der Zweck desselben.

Davon ist

vor­

derhand gar nicht die Rede, daß eine Lehre durch Wunderwerks des»

Lehrers bewiesen

werden soll.

Jesus

ist der

Christus,

ist das- eine

86

II. B. Offenbarung.

Einl.

§. 35. Weissagung.

bloße Lehre? das Heil ist in die Welt kiug'ctreten — ist daS eine bloße Nein es ist eine Thatsache, denn eine

Entwicklung des Gedankens?

Person und eine Wirkung Gottes, die durch sie sich vermittelt, sind

Thatsachen.

Wunder wollen nur sich selbst und in ihrem Zusammenhänge

mit Thatsachen etwas anzeigen,

gereichen.

und so zur Weckung des Glaubens

Die Religion aber hat wie die. Offenbarung überhaupt eine

Seite der Thatsächlichkeit-

Sowenig du mir durch irgend eine Ge­

danken-Entwicklung dartbun kannst,-daß Jesus Retter vom Tode ist, sowenig will ich dir durch irgend eine Thatsache als solche das un­ denkbare denkbar machen. Beilage.

Vergl. Fichte Anw. zum sei. Leben, 6.

Demungeachtet besteht düs Grundverhältniß der Idee zur

Geschichte, das Aeußere und Innere, Geist und Natur, der Arm Gottes

und die Predigt Jes. 53, 1.

Was aber den Zweifel anlangt,

ob die

Wunder nicht teuflisch seien, darauf hat Jesus Matth. 12, 25. längst geantwortet.

*) S. die vortreffliche Abhandlung TWestens über den Wunderbegriff, Porlcff. rc., 363—79., von welcher einige Grundgedanken b. Schleier­

macher, Glaubensl. S. 85—88.

S. 120.

vorkommen:

und Sack, Apologetik

Dazu vergl. m. Abhandlung üb. das W und er, Theoll.

St- u. Krit. 1843. 1.

8- 35.

Weis s.a g n n g.

Obgleich die auf göttlicher Mittheilung beruhende Vorbersagung der Begebenheiten weder so unmöglich ist als C i-

ccro es behauptete, noch so unnütz oder gar schädlich als

Kant es darznthun versuchte: gungsbeweis,

so

bestehet doch der Weiffa-

dessen Christus und die Apostel sich bedienten,

weniger in einer historischen Charakteristik der Person des Er­ lösers, welche etwa ans alttestamcntlicheir Vorhcrsagungen sich

znsammcnsctzen ließe (denn abgerechnet die Davidische Abstam­ mung fehlt es zu diesem Zwecke fast an allem, was er erfor­ dern würde) als darin,

daß das A. T. auf dem Grunde, der

Offenbarung des wahrhaftigen Gottes und seiner Bundesherr­ schaft von Anfang an auf eine heilige Endgeschichte, und diese

mehr und mehr entwickelnd znr Erwartung eines persönliche»

II. B. Offenbarung.

Eiul.

Erlösers hinführt.

§. 35. Weissagung.

87

Wobei jedoch der Unterschied der Weissa­

gung und des Vorbildes zu beobachten, und dieß fest zu halten ist, daß die Vorstellungen des erscheinenden Herrn, des leiden­

den Versöhners, des Sohnes Gottes und des großen Prophe­ ten nur thcilweise mit der Erwartung des wahrhaftigen Königs verbnnden- sich vorfinden und meistens abgesondert von einander

sich bilden, wahrend sie im Testamente der Erfüllung sowohl durch die wirkliche Person Jesu als durch die herrschende Aus­ legungsart geeinigt erscheinen. An merk.

Die Vorhersagnng

(paviEta, TiQodqXtootg, Plutarch. de

oracc. Pyth. divinatio, praesensio et scientia re rum fiiturarum Cic.

de divin. I. 1.) erhalt dadurch Interesse, daß sie einen Erfolg ankün­ digt, der

menschllcher Weise nicht vorher gewußt werdeil konnte und

insofern zufällig war-

Auch in dem Falte, daß das Vorberwissen nicht

nützlich ist, kaun es doch schon als bloßes Borgeben eine beilsame Auf­ merksamkeit erregen und,

dafern es durch den Erfolg bestätigt wird,

ein Zeugniß für Personen und Angelegeuheiteu erwirken,

anderweitig zwcckvoll werden.

Alle ursächliche aber

Möglichkeit der Mautik erfordert doch,

daß sie

und dadurch

und teleologische

sich selten und mäßig

erweise, um nicht das ganze menschliche Verhältniß zur Geschichte zu

zerstören; um so mehr, weil sie in den Fällen, auf die sic sich erstreckt, die rechte Vollkommenheit nur durch die beftinrmteste Angabe der eigen-

thünilichen Merkmale des

Sonst gilt gegen

Factums erlangen kaun.

sie, was der Geometer Boethus bei Plutarch a. a. O. §. X. bemerkt sie verstecke sich in einer Fülle von dunkeln,

wunderlichen Merkmalen,

welchen dann freilich irgend ein Erfolg zufällig entspreche.

sagt er, yEvtaVcci, io Qq&w q §qOqv«t i6 yEvqaoijtvov. auf wird ihm zugegeben,

die

rechte

sei da,

fiövov ktytica tq yEvqQQp^vov, aXXa xai nwg xai t£

xcd uEia Vivoq.

Es folgt,

vaß

die

ttote

diaq^EQEi, Und dar­

unov ou xaip,Eia

Mautik in Begleitung des

Aberglaubens sehr häufig, im Dienste der Offenbarung aber sehr unter­ geordnet sein

muß.

Die Wahrsagung ist Gegenstand des göttlichen

Verbotes 5 Mos. 18, 10—14.

Eine sehr treffende und vielseitige Kri­

tik des gemeinen supernaturallstischcn Begriffs vom Welssagungöbeweise, d.h. von der Beweiskraft der Vorhersagnng, findet man in A.nrmon'S Bibl. Theol. II. Einl., wo auch S. 10. anschaulich gemacht wird, wie

dre alttestamentliche Vorhersagnng etwa beschaffen

wurdewenn

88

Einl.

$. 35. Weissagung.

II. B. Offenbarung.

sie tcu Forderungen der gemeinen Anficht genügen sollte-

Doch be­

deutet schon im Heidenthumc das Wort Prophet, Hypophet, vates nicht ursprünglich den Vorhersager, sondern den Anssager. — Weissa­

gung , Prophetie,

welche ausschließlich int tcstamentischcn Mterthume,

und z. B. bei den Hellenen gar nicht (die Götter der Heiden verkün­

digen nichts Jes. 41,22—23.) vi finden ist, ist auf innere Anschauung

des göttlichen Ratschlusses

gegründete Darstellung der Zukunft des

Reiches Gottes, welche immer ausgebend von einem bestimmten Stand­

puncte der

oder minder verkürzter

geschichtlichen Gegenwart in mehr

Perspective ans die

Vollendung der göttlichen Haushaltung binweiset,

und indem fie es eben mit dem Göttlichen in und an der Geschichte zu

tbun bat, nicht aber mit dem äußerlichen Stoffe, auch die Wirklich­ keit nur in den Hanptpuncten characterisirt,

weise mit der Wahrheit

eins

in welchen sie vorzugs­

Die Darstellungsmittel der

wird.

Weissagung können daher größtentheils nur analogische und symboli­ sche sein.

Chronologische ist das untergeordnete;

Das

der Prophctik

sind gewissermaaßen symbolische.

Dieß

alte Zahlen in

ist von Alb.

Bengel und Crusius, ungeachtet ihre Verdienste um die propheti­

sche Theologie bestehen, zn wenig, heutigen Tages aber sogar von den strengeren Apologeten anerkannt worden.

Die

forscht nach der Zeit — 1 Petr. 1, 10. ten ist niemals ganz zur Ruhe gekommen.

außerhalb der Weissagung giebt es

Propheten haben g e-

Die Berechnung der Zei­ Theils innerhalb

Vorbilder.

Das

theils

Vorbild ist

derjenige Bestandtheil des altteftamentlichen Schriftwortes oder der Ge­ schichte des A. T., welcher außer seinem Zwecke für die nächste, niedre Stufe der Offenbarung und Erlösung,

auf welcher er zuerst erscheint,

vermöge des Gesetzes der Aebnlichkeit und der Entwickelung noch

etwas, das der höbern eigenthümlich ist, Vorbedeutung bat.

für

Jemehr

in einer Weissagung tvpifches enthalten ist, desto mehr fieht fie mehr­

maliger und allmäbliger Erfüllung, einer sehr nahen und sehr entfern­

ten entgegen, z. B. die Weissagungen des Ezechiel und des andern je-

sajanischen Theiles.

Der

Typus kommt aber auch ganz außer ihrem

Gebiete, z. B- in den Psalmen, in dem Gesetze und mit den geschicht­

lichen Personen und ihren Handlungen oder Leiden vor-

Die Formel

Xvct TibiQtoSij wird vielfältig auf Typen angewandt, gleich als ob fie Weissagungen wären. biblische

Erzählung in

Denn sowie die neuteftamentliche und überhaupt ihrer Gewißheit des

objectiven Wunders der

Thaten Gottes obne wissenschaftliche Unterscheidung der Wunder-Arten — die fast

nur

durch die verschiedenen Ausdrücke: ifcQas,

o>^Eto*s

§. 35. Weissagung.

II. B. Offenbarung.

Einl.

89

angedeutet wird — Wunder berichtet; so typologifirt der Apo­

stel einzelnes unter Voraussetzung des organischen Ganzen eines Xoyos TiQsMpqitxos, dessen er in dem Mittelpunete einer geweissagten und er­

füllten großen Heilscpochc gewiß geworden ist. liche

Doch kommt der eigent­

Begriff des Typus auch, und namentlich im Briefe a. d. Gal. Daß eS Vorbilder gebe, folgt schon aus dem

und a. d. Hebräer vor.

allgemeinen Verhältnisse des Werdens

zum Sein und der

Geschichte

Der gemeinsame Zweck der Weissagung und deS Typus

zum Geiste.

ist, den Offenbarungsglauben mit dem Weltregierungsqlauben zu ver­ einigen ,

oder auf einer bestimmten

Stufe der göttlichen Offenbarung

den Glauben an die Gegenwart des göttlichen Geistes und des Wortes durch die Aufweisung der vorbereitenden Zeugnisse zu bestärken und zu­

gleich die Empfänglichkeit für höhere Stufen

anzuregen.

Zwar die

erste Glaubensbildung in den Aposteln ist ohne den Weiffagungsbeweis,

noch weniger kraft eines äußerlichen auf Jesus angewandten Signale­

ments vor sich gegangen.

Jesus

gilt ihnen dafür, was er ihnen ist

und wird, sowie er auch auf die Frage, wer er sei, zunächst nur ant­ wortet, ich bin der, der mit euch redet, ich bin der Begriff von mir

Die Erfahrungen, die Nathanael oder Petrus machen,

Joh. 8, 25.

diese originalen sittlichen geistigen Wirkungen bringen den Messiasglau­ ben frisch und neu hervor: erst durch die Verklärung des Herrn empfan­

gen sie mit dem h. Geiste den Aufschluß des A T.

wenn es für Heiden und Juden in das

Das Erfahrne,

geschichtliche Gesammtbewußt-

sein, in die religiöse Betrachtung überhaupt ausgenommen werden soll, muß seinen Nachweis

in der Vergangenheit und

für den zukünftigen Weltlauf erhalten. Seilers,

Herders,

G. Menkenö

seine Vorbedeutung

In Joh. Dav. Michaelis,

hieher gehörigen Schriften,

schon in Paskals Gedanken, vornemlich auch ui K. H. Sacks Apo­ logetik (1829. S. 226. Grundweissagungen in den histor. BB., Reichs­

weissagungen der Propheten und Bildweissagungen der Hagiographen — oder nach der 2. Ausg. Grund — Psalmen — und theokratisch-nationale

Weissagungen, weiter in Hofmann.s Weissagung

und Erfüllung in

liegen Anfänge

zu einer Theorie

a. ii. n. Test. .1. 1841. II. 1844.,

der Weissagung, die doch noch nicht vorhanden ist; und es ist ein sehr

wichtiger Streit zwischen Schristglaubcn und Schriftgelehrsamkeit ein­ getreten, in welchem die sogenannten Supernaturalisten theilweise gegen einander stehen; vielleicht daß derselbe einen so vernachlässigten Zweig der biblischen

Theologie zu weiterer Ausbildung führt-

Früher hat

H e n g st c n b c r g ui d. Sehr, d t e Authentie des Daniel und

90

Einl.

II. B. Offenbarung.

§. 35. Weissagung.

die Integrität des Sacharj ah Berlin 1831. S. 187. die hi­

storisch charakterlsirende Vorhersagung auch gegen unsre obigen Bemer­

kungen über Wahrheit und Wirklichkeit in Schutz genommen. Daß nun

Hen g.stenberg gegen mich bemerkt, Cbrlftus selbst habe ja offenbar auch solches

geweissagt

oder

vorhergcsagt,

mit der.

was

göttlichen

Wahrheit in keinem unmittelbaren Zusammenhänge stehe, übergehe ich

— denn es trifft mich nicht, da ich gar nicht in Abrede stelle, eö gebe in der Schrift Vorbcrsagungen, nur seien diese das uutergeordnete.und

nicht das der Offenbarung ganz eigeutbümliche.

Wichtiger ist, was

S. 188. vorkommt: „Dasjenige, was sich insofern aus die Wirklich­

keit beziebt als dieselbe mit der Wahrheit, eins

wird,

Menschen und

schließttugspunct im Gemüthe des

hat einen An-

könnte daher leicht

als bloße subiective Vorahnung betrachtet werden, wie z. B. die Weis­ sagung der.Erlösung im Allgemeinen aus der Erlösuugsbedürstigkeit, verbunden mit der Erkenntniß der göttlichen Liebe,

könnte/'

abgeleitet werden

Hier giebt sich ein sehr bedenklicher Begriff der Weissagung, Hr.'v. H. giebt sich; war

ein Unbegriff der Offenbarung selbst kund.

den Anschein nur die Vorhersagung einzelner äußerer Umstände retten und sie zu einem wesentlichen Elemente der Weissagung erheben zu wol­

len: in Wahrheit aber argumentirt er so, daß die Weissagung, sofern

sie als göttlich als wesentlicher Theil und wesentliches Kennzeichen der Offenbarung gelten soll, nur vorhersagerischer Art,

sein kann.

nur man tisch

Er schließt nämlich so: was aus der Erlösungsbedürftigkeit

des menschlichen Gemüthes' heraus und aus Erkenntniß der göttlichen

Liebe heraus geweissagt wird, das kaun das bloß natürliche, menschliche,

snbjective sein, und sofern dergleichen Weissagung da ist, giebt es kein Kriterium ihrer Göttlichkeit.

Was aber in dem menschlichen Gemüthe

gar feinen Anschließungspunct findetalso das für die ganz äußerliche und fremde,

einer FeuerSbruilft,

Sterbefalls,

eines Namens und Jahres,

übernatürliche der Weissagung.

göttliche und

Subjektivität

die Vorhersagung- einer Schlacht,

ralism gestehe ich nicht einverstanden zu

für scbr verwerflich und gcfäbruch halte.

sein,

eines ist-daS

Mit diesem Superüatuso wenig,

daß ich ihn

Erstlich widerstreitet cs we­

nigstens' der empirischen Psychologie, zu behaupten, daß es außerhalb

der Natur

des

niciischlichen

Gemüths läge,

Wirklichkeit zu haben uiid auszusprechen,

die Ahnung der Erlösung sagt, — die Rede sein

könnte

Ahnungen, zukünftiger

und das, was Hr. H. über

gesetzt daß von einer Ahnung hier

— daß sie nämlich etwas sübjectives sei,

gilt

ebenso wohl von der Ahnung der wirklichen Dinge. . Allein was heißt

Einl.

II. B. Offenbarung.

91

35. Weissagung.

denn daS: die Wahrheit findet einen Anschließnngspnnct im Gemü­

the des

Dlc Wahrheit int Allgemeinen findet aller­

Menschen?

dings überall im Menschen Anklang, weil er ein vernünftiges Wesen

ist.

Für die göttliche Wahrbelt des Heils,

die unsrer Voraussetzung

zufolge den beständigen Inhalt der Weissagung ausmacht, giebt es im

natürlichen Mensrhen nur ui dem Grade Anklang und Anschließung als er schott zum Bewußtsein seiner schlechten Natürlichkeit und dcS sich zu

seiner Herstellung vermittelnden Gottes gekommen ist.

schon Iden ganzen Offenbarungsznstand

Gottesvcrehrer eine

voraus,

Das setzt also

daß ein israelitischer

solche Erkenntniß der Liebe Gottes in der Liebe

Jehovas zu Israel und eine solche glaubenskräftige Zuversicht zur Er­ lösung bat, durch welche er die Wahrheit der Erlösung als eine sich begebende zu schauen unv die Anregungen deS Geistes Gottes zur Ver­

kündigung und Darstellung des angeschauten Heils zu empfangen ver­ mag.

Dadurch baß der Prophet Grundanschauuugen besitzt, die ihre

eigne selbstthätige Dialektik und Syllogistik an sich haben, wird er nicht

etwa znm ideakisirenden

und

Die Idee des

dichtenden Philosophen.

abstracten Denkens weiß webl daß sie mit der Geschichte der Wirklich­

keit zerfallen'ist,

das Bewilßtsein des Provheten aber weiß,

daß eS

von demselben göttlichen Worte erfüllt ist, welches die Geschichte und Natur beherrscht und erneuert.

Ist das etwa das weniger übernatür­

liche und weniger göttliche, daß das israelitische Volk unter allen Völ­ kern des Alterthums

allein

und ausschließlich

seinen monotheistischen

WeltrcgiernngSglauben zum Welterlösungsglauben und zur Schauung

eines persönlichen Erlösers und Mittlers des Volkes Gottes entwickelt? Vielmehr erst durch diese große zusammenhängende

Weissagung

der göttlichen Verwirklichung des Wahren und Guten erhalten auch die dabei vorkommenden Vorhersagungen Werth und Glaubeil, Vorhersa

gungen, die wenn, sie in derselben Fülle, Anreihung und Bestimmtheit

hervorträten, als der mantischc Supernatnralism es wünschen dürfte, wie Herr Dr. Hcngstenberg

S. 189.

selbst anerkennt,

hältniß des Menschen zur Geschichte zerstören wurden. aber

das Grundver­

Die Weissagung

erreicht, in ihren Ankündigungen die Wirklichkeit

des zeitlichen,

örtlichen und individnellcn der Zukunft nur v erh alt n iß m äß i g, nur

in den großen Wendepunctcn der Geschichte - des

Boltes Gottes,

die

selbst wieder vörbildlich fnr die Geschichte des ncutestamentlicheu Wei--

ches Gottes werden, wie im Falle Jerusalems und Babels, und in der

Herstellung des Hauses Davids:

doch

auch hier nur durch analogische

Annäherung oder durch Angabe einzelner Momente

die ui der Wirk-

92

Eint.

III. Erkenntnißgesetze

§. 36. Quell u. Auslegung.

lichkeit znsammeugeschloffen erscheinen,

oder durch Hinstellung einer

Einheit, die in der Wirklichkeit in Momente zergehet-

Diese Inkon­

gruenz aber zwischen dem analogisch-symbolischen Inhalte der Weissa­

gung und dem äußerlichen Factum rettet einerseits das Verhältniß deS Menschen zur Geschichte, welches ein nothwendiges Nichtwissen der Zu­ kunft im Glauben in stch schließt, andrerseits ergänzt sie sich auf dem

typologischen Rückblick auf die

Standpuncte der Erfüllung durch den

persönlichen, sachlichen, wörtlichen Vorbilder, die in ihrer Umgebung

und Begleitung erzeugt worden sindWirklichkeit

Daher ist alle die eigenthümlichste

der neutestamentlichen Geschichte im A- T- weder in der

Weise der Weissagung noch in der Weise der Vorhersagung, im Typus vorgebildet,

sondern

und nur in dieser Beziehung giebt es z. B.

christologische Psalmen, sowie auch nur in dieser Weise die Erhöhung

am Kreuze, die Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn, der Verrath des Judas u- s. w- alttestamentlichen Inhalt ausmachen.

auf die Typik des

israelitischen

Königthums

Theol- Stud- u- Krit. 1835. S. 453. s-

s.

In Bezug

besonders Bleek

Die Hengstenbergische Lehre

von der Prophetie hat laut der Vorrede v. Christologie III. weitere

vermittelnde Bestimmungen angenommen.

III. Von den Erkenntnißgesetzen der Christ­ lichen Lehre. 8.36.

Quell und Auslegung.

Es ist aber für uns nicht genug, daß mit dem Christenthume die Wahrheit des Heils und das Heil der Wahrheit in

der Welt vorhanden und irgendwie wirksam sei. Denn da die Offenbarung so wenig als die Erlösung zwingend oder zaubernd wirket, sondern sich der freien Allmahligkeit der menschlichen Bildung anschließt, so ist sie dem Mißverstände und Mißbrauche ausgesetzt; und es fragt sich daher jederzeit und überall, wo

der lautere Quell des christlichen Erkennens und Handelns fließe

und wie aus ihm zu schöpfen sei. Die erste Frage wird durch die Lehre von der heiligen

Schrift, die andere durch die

Lehre von deren Auslegung beantwortet«

Einl. III. A. H. Schrift.

§. 37. Wort Gottes u. Geist

93

ES liegt freilich im Begriffe der Wahrheit, daß sie siegt nnd

Anmerk.

ewiges Licht die Schatten wieder verzehrt und die Trübungen

als ein

überwindet, die sich auf Anlaß ihrer Erscheinung für mehr oder

minder unempfängliche Empfänger

erzeugt haben;

zumal im Begriffe

der Offenbarung, der Rede Gottes im besondern Sinne, die von An­

fang an einen Grundirrthum heilen und mehr als bloßes Gleichgewicht

oder als bloße Begrenzung der Lüge und Sünde wirken will.

Also

wird kein Jota des Gesetzes untergehn, bis alles erfüllt werde Matth-

und die Worte des Herrn werden Himmel und Erde überdau­

5, 18.

ern Matth. 24, 35.

es muß

eben

Ein ewiges Evangelium Offenb- 14, 6.

seine Erscheinungsart gesichert,

Allein

seine Wirksamkeit zur

Stätigkeit gebracht und gegründet haben für immer; denn es ist eben­ so

wahr,

je größer eine Epoche der Offenbarung und je vollendender

oder auf je längere Dauer begrüudend sie ist, einen desto anhaltendem

Widerspruch der älteren Stufen ruft sie hervor. gen die Offenbarung

aber ist im

Der Widerspruch ge­

Ganzen dem Widerspruch gegen die

Religion überhaupt gleich geartet d. h. er geht vom bloßen ungläubi­ gen Verneinen, zu einem zersetzenden Bejahen über-

Man eignet sich

das Christenthum an, aber es wird unter den Händen derer selbst, die es annehmen und vertreten, mehr oder minder wieder dieselbe gesetzli­

che Religionsanstalt, die überwunden werden sollte, eine Mischung von Heiden- und Judeuthum, oder eine Mischung von Legende und Philo­

sophie u. s. w.

Hat nun die Epoche nicht nur gelehret oder geredet,

sondern auch geschrieben, so ist jede Reformation nach dem Urbilds

ermöglicht.

Und ist der Geschichts- und Sprach-Zusammenhang vvr-

sehungsvoll — aber auch durch das Dasein der Schrift — erhalten: so kann der Schlüssel zur Urkunde nicht ganz verloren gehen.

A. 8.37.

Von der heiligen Schrift. Wort Gottes und Geist.

Das Wort Gottes ist sein Zeugniß,

das Zeugniß von

seinem Reich als eine sich durch persönliche Organe selbst aus­ legende und wiedcraufnehinende Geschichte und That, in die

Geschichte der Welt und in die menschliche Rede eingetreten, in Christo aber, dem zeitlich vollendeten, mit vollendet.

Zwar wird nun die irdische zeitliche Gegenwart Christi

94

Eins. III. A. Heilige Schrift.

§. 38. Geist und Wort,

durch die Sendung des Paraklet's ersetzt, und die Offenbarung

erhalt siel,, soweit die Verheißung und Gabe des heiligen Geistes reicht, in dem Werthe und der Kraft gleicher Ursprünglichkeit.

Allein die Gabe des Geistes ist selbst durch das vorausgehende' Wort Gottes vermittelt, sowie dieses wieder nur sittlich "und

lebendig, und nur in göttlicher Art durch den Geist der Wahr­ heit angccignct werden kann; ein Wechsclvcrhaltniß, welches niemals aufhört, dergestalt, daß die christliche Erkenntniß nie und nirgends aus schlechthin innerlichem Quelle geschöpft wer­

den kann, und jede Berufung auf das innere Licht bei Ver­ achtung des äußern Wortes auf leere Schwärmerei hinaus­

läuft*).

Im Allgemeinen entspricht dieses Verhältniß dem Zu-

samincnhange von innerer und äußerer Erfahrung, von Ge­ schichte und Bewußtsein.

•) S. Calvin. Instit. rel. ehr. I. 9 , wo er über die Stellen Jes. 59, 21. 2 Tim. 3, 16. Ioh. 16, 13. gegen die vielen irrigen Freunde der Innerlichkeit commeutirt. Wenn der Apologet der Quaker der Bibel nur die Wurde der manisestati verbi fonles lassen wollte, so genügte doch diese Bestimmung für die Herstellung des ^achverhältnisseö noch nicht. Denn wo die fonlrs sind, müssen sich auch die' principia fin­ den. Privatesenbaruttgen, weitere «Jiozalmpus können nur zum Ge­ meinbesitz der Wahrheit geschlagen werden, wenn sie sich am Kanon erproben. Phil. 3, 15. 1 Cor. XII. XIV. 1 Thess. 5, .19. §. 38.

Geist und Wort.

Dennoch wird es auf die rechte Ueberlieferung und reine

Bewahrung jenes Wortes

Gottes gleich anfangs ankommen,

und folglich ganz besonders ans das Werk des heiligen Gei­ stes in denen, welche Christus gesandt hat, daß.sie Buße und Vergebung der Sünde tu seinem Namen predigen sollen. Wo

nur immer Christi Anschn in voller Kraft steht, müssen auch diejenigen, welche .er persönlich dazu ernannt und gesetzt hat, daß sie auf die Verheißung des Vaters warten und durch sie gerüstet nicht sowohl unsre Zuchtmcister als- vielmehr unsre

Einl., HL A. H. Schrift.

§. 39. Schrift u. 'Tradition.

95

Vater in Christo werden sollten (1 Cor, 4, 15.), eben »m dieses ihres besondern Bandes mit dem Erlöser und den Grundthat­

sachen des Heils willen für die authentischen Uebcrlieferer gel­

ten, und anders als durch sie kann niemand das Wort Gottes empfangen*), sowie niemand in den Fall kommen kann ihre Stelle zu vertreten oder ihre Würde sich anzumaaßen.

*) S- über'das Ansehn der Apostel Twisten, Vorless. 406—10; und meine Protest. Theses Nr. 2- 3- Tert, praescr. & apostolos domini habemus auctores —

§. 39.

Schrift und Tradition.

Damit'aber die apostolische Ueberlieferung nicht dadurch,

daß sie der Nachwelt durch Bischöfe, Synoden und überhaupt

durch die abgeleitete und mit weltlicher Weisheit vermischte Kirche vermittelt wird, ihre Ursprünglichkeit verliere und au­

thentisch zu sein aufhöxe, wird sie nach der gnadenreichen Vorsehung des Herrn ebenso durch Schriften erhalten, wie das Wort Gottes,

das zu den Vätern und durch die Propheten

geredet worden, noch vor der Zeit der schul- und sectcnmäßigen

Auffassung der Offenbarungen durch Aufzeichnung zu stätiger

Urkundlrchkeit gelangt war. Das Ansehn aber der apostolischen

S chri ft en beruhet nicht allein darauf, daß sie sich der Kirche, die durch das mündliche Wort der Apostel erbaut war, als

apostolische erwiesen haben, sondern auch darauf, daß sie noch jetzt von der Wirkung und dem Zeugnisse desselben Geistes be­ gleitet werden, der die christlichen Gemeinden auf eine sie von der Welt unterscheidende Weise beseelte, und mehr als alles

andre das Leben in Christo nähren und bewahren.

Anmerk- Die Kirche Christi ist allerdings vor der apostolischen Bibel da; sie bedurfte nur die lebendige, mündliche Lehre der Zengen Jesu, um zu entstehen; daraus folgt nicht, daß sie, um zu bestehen, nicht fortdauernd die unmittelbare Lehre der Apostel.bedürft hätte. Die Kirche gründet sich auf das Wort Gottes in der apostolischen Ueber'

96

Einl. III. A. H. Schrift.

§. 39. Schrift u. Tradition.

lieferung; hat der letzte Apostel ausgeredet, dann ist entweder das Ur­

kundliche verloren,

oder es ist noch übrig in den apostolischen Reden,

die durch Gedächtniß oder durch Schrift aufbehalten' worden sind.

Die

Tradition, die von nun an noch Geltung haben soll, ist auf der einen Seite durch die Erweisung des apostolischen Geistes und Lebens

ihrer

Inhaber bedingt, andrerseits den von der Kirche für ächt anerkannten Schriften unterworfen, oder viemehr diese selbst machen die ächte Tra­

dition ans.

Die Kirche hat aber durch Anerkennung die Schriften nicht

acht gemacht,

sondern die Schriften haben sich ihr erwiesen und ma­

chen von nun an die Kirche ächt-

Zur Vertheidigung des richtschnur-

lichen ausschließlichen Ansehns der hh. Schriften gegen das Concilium

von Trident und gegen die Jesuiten diente M. Chemnitii Examen

Concilii Trid. nnd Dallaeus de usu Patrum.

Unter den neueren Er­

örterungen der Tradition sind auszuzelchnen Marheineke's Abh. üb.

den wahren Sinn der Tradition im kathol. Lehrbegriff und das rechte

Verhältniß ders z. Protest. Lehre, in Daub und Creuzews Studd. B. 4. und de Wette Theolt. Aufsätze v chr Belehrung und Ermah­ nung S. 54.

In Bezug aber auf Lessings zuweit greifende Theses

über die Glaubensregel, und seinen Streit mit Götze und Walch ist. auf Anlaß von Delbrück, Philipp Melanchthon der Glaubens­

lehrer,

eine Streitschrift, Bonn 1826. der protestantische Grundsatz

neuerdings untersucht und vertheidigt worden von Sack, Nitz sch

und Lücke, Ueber das Ansehn der h. Schrift und ihr Verhältniß znr Glanbensrcgel in der Protest, und ru der alten Kirche, drei tbeologg.

Sendschreiben an Hrn.

Prof. Delbrück.

Bonn, 1827.

S auch in.

Protestantischen Theses (Anhang z. Protest. Beantwortung der

Symbolik von Möhler-

Hamburg, 1835.) Nr. 1—16

Es kann

nicht von vorn herein behauptet werden, daß schreibende Mittheilung

eine zu weit gehende Bermittelung der göttlichen, etwas zu todtes, ge­

ringes und als Reflerionsthätlgkeit der Bestimmung, Gottes Wort zu überliefern, unwürdig sei.

Reißt man die mündliche Tradition von

ihren vollen Gründen nnd Zwecken, von ihren Lebensbedingungen loS, so zeigt sie an sich schon ähnliche Mißlichkeit; hält man schriftliche

mit dem Leben in Einheit, so bleibt und wird sie groß genug m ihrer Bedeutung.

Ein Begeisterter im Sinne der Hellenen wird nicht schrei­

bend zu denken sein; der christliche Begriff des JnspiraNonszustandes ist em andrer.

Abgesehn davon,

und die Zeitdauer,

daß der Umfang von Oefjcnllichkeit

für welche der Schreibende mittheilt, größer sein

kann, und die Spannung deö Willens der Liebe im

Glauben nicht

Link.

III. A. H. Schrift.

§. 40. Kanon.

87

abschwächen wird: so vergegenwärtigt ja die Schrift Geschichtsmomente des totalen Lebens z. B. in den Evangelien, und drückt vielleicht in einem Briefe an die Philipper, Eorinther, Galater den Apostel in sei­ nem ganzen persönlichen Sein und Wesen so vollkommen aus als eS überhaupt möglich und zweckmäßig war, vollkommner etwa als es in einem Momente der mündlichen Rede geschehn. Und nun kommt hinzu, daß das Dasein der Schrift weder das Wort noch den Geist abmüßigt, sondern es ist von ihr in ihrer Einheit mit Predigt, Auslegung, Kirche, Katechese u. s. w. die Rede. Bergl m- Abh. über die h. Schrift gegen Strauß Theol. St. u. Kritt. 1843. H. 2. S. 378—88. u. m. Sendschr. an Prof. Delbrück S- 62- ff.

§. 40.

Aeußerer und innerer Kanon.

Diese Gründe für das Ansehn der h. Schrift stehen mit einander in Wechselwirkung und vereilligeu sich in dem Be­

griffe des Kanons. Anfangs bedeutete Kanon oder Regel die innerlich bewußten Kriterien, nach welchen der Christ ein an­ gebliches Christenthum prüfen könnte und sollte, theils auch schon

einen summarischen Inbegriff von ausgesprochenen Hauptsätzen,

in denen man von Christus und den Aposteln her, insonderheit bei Gelegenheit des Taufbekenntniffes, das Ganze und das Eigenthümliche des Glaubens zusammen zu fassen pflegte.

Au merk. Nicht das B ü ch er v e rz e i ch n i ß ist die erste Bedeutung des kirchlichen Wortes xavtöv. Diesem seit Seniler erblichen Irr­ thume gegenüber hat H. Planck die richtigere Entwickelung versucht: Nonnulla de significatu canonis in eccl. antiqna eiusque Serie recte constiLuanda , Goett. 1820. Schon der Erlöser giebt zusammenfas­ sende Ausdrücke des Kirchenglaubcns Mattb. 28, 19 Luc. 24, 47. Die Apostel aber erkennen unter den Geisteögaben nicht nur die Propheteia ic. an, sondern auch die Diakrlsis 1 Eor- 14, 29. und er­ mahnen zur Prüfung der freien Lehre und der Lehrgeister 1 Th ess. 5, 21. und 1 Joh. 4. 1. Und nach welcher Einheit des Mannichfaltigen oder nach welcher Mehrheit von Grundsätzen soll jegliches geprüft wer­ den? Auf diese Frage stellt schon das N. T. feste Ausgangspuncte der Kritik fest, ohne eine ganz geschloßne Formel vorzuschreiben, 1 Joh. 4, 2. vergl. 2, 22. 1 Tim. 1, 15. 3,16. 1 Cor. 1, 22^24. 15, 1—4. Nitzsch System 5te Ausl. 7

98

Einl. III. A. H. Schrift.

§. 41. Kanon, Beschluß.

Die dadurch begründete Lehr-Einheit nennt Paulus einen xavujv Phil.

3, 16. ein Wort, welches ihm auö dem

zukam,

gemeinen Sprachgebrauche

obgleich auch die Schulen der Philosophen

einfachsten

cs schon von den

Erkenn t n ißg csetz en gebraucht hatten,

Kanonik der Epikureer ein Beweis ist.

wovon die

Wie nun dieser xavwv aXq-

txxkqolaGTixos, regula verilalis immobilis et irreformabilis,

von der rechtgläubigen Theologie bald

unausdrücklich

und dem

christlichen gegenständlichen Bewußtsein inhärirend gedacht, bald ui Be­

kenntnißformeln sowohl einzelner Theologen (Irenäus, Tertullian, Cle­

mens von Alerandrien, Origenes)

theils ganzer Gemeinen und Syn­

oden ausgesprochen ward, darüber s. in. Sendschr. an Hrn. Prof. D c l-

brückS. 41—61. und Pearson, King, Walch über die alten

Symbole und das apostolische insonderheit.

§. 41.

Schrift-Kanon.

Da nun der Kanon von beiden Arten, sowohl der leben­ dige und geistigformale als der formutarische, nur durch apo­ stolische Lehre theils begründet theils erweitert und zur Ent­ wickelung gebracht werden konnte; so ergab sich nicht allein von

Anfang her ein großes Interesse der Kirche,

Schriften der

Apostel und der Apostolischen zu bewahren, zu vergleichen, zu sammeln, zu unterscheiden und zu beglaubigen (wobei die äuße­ ren und inneren Beweise Zusammenwirken mußten), sondern die

gesammelte apostolische Bibel in ihrem Zusammenhänge mit der prophetischen ward auch dafür geachtet, daß sie höher als alles subjcctive Christenthum stehe, und theils der abgeleiteten Lehre oder anderweitigen Literatur theils der wirklichen oder mögli­ chen Häresis und vorgeblichen Paradosis gegenüber der Kanon

schlechthin genannt, ohne daß jemals die äußern und innern

Argumente in ganz gleichem Maaße für alle einzelnen Schrif­ ten gesprochen hätten. 42.

S ch r i f t u n d W o r t G o t t e 6.

Aus diesen Entstehungsverhältnissen des Kanons folgt von

selbst, daß die jetzige Kirche zugleich auf einem Glauben an

Eins. HL A. H. Schr.

§. 42. Schrift u. Wort Gottes.

99

die heilige Schrift d. h. auf der lebendigen Ueberzeugung der Christen beruhe, daß die Schrift durch dieselbe That und

Kraft Gottes, der wir die Offenbarung und das Wort Gottes

in der apostolischen Predigt verdanken, gen , deutlichen

zu einem in sich eini­

und überhaupt vollkommnen Ueberlieferungs­

mittel des Wortes Gottes geschaffen sei.

Dieser Schriftglaube

aber, dafern er kein dem Christeuthume widriger Buchstaben­ glaube^) werden will, darf niemals

auf die bloße kirchliche

Ueberlieferung und Voraussetzung, noch auf eine über die Of­

fenbarung selbst erhobene oder von ihr unabhängige Inspira­

tion, uoch auf eine die Selbstthatigkeit der Schriftsteller schlecht­ hin ausschließende Gotteswirkung **) gegründet werden.

Son­

dern er beruht in seiner Grundfestigkeit wechselweise theils auf der unzerstörbaren Gewißheit, daß das

Dasein und Sosein

dieser Schriften mit jenem, was die Apostel Christi überhaupt

gewesen

und gewirkt,

und wodurch

die Weltgeschichte

ihre

christliche Neuheit erhalten hat, nothwendig und unmittelbar zusammenhange, theils auf der geistigen Erfahrung,

die wir

sowohl von der innigen Vereinigung als von dem Unterschiede der Schrift und des Wortes Gottes machen***).

Der von

der Kirche im Ganzen nicht verleugnete Unterschied der proto­ kanonischen und deuterokanonischen Schriften sagt aus,

daß

verschiedene Arten und Maaße der Inspiration in den einzel­

nen Bestandtheilen des Kanons

angenommen werden dürfen,

obgleich der ganze Kanon an derselben Theil hat, und nur diesem Ganzen als solchem kommen die Eigenschaften der Un­ fehlbarkeit, Genügsamkeit und Vollkommenheit zu. An merk. 1.

Genau genommen ist es nicht bloß die jetzige Kirche,

oder die nachapostolische überhaupt, welche auf schriftlichen Urkunden

beruhet.

Christus selbst und die Apostel mußten auf die h. Schrift ver­

weisen; cö giebt ein ganz absolutes Interregnum der mündlichen Lehre eigentlich nicht.

Anmerk. 2.

ben

Bei schon vorausgesetztem Offenbarung-- und Heilsglau­

hat der Schriftglaube zugleich

die Art und das Gepräge eine-

100

Grins. III. A. H. Schr. §. 42. Schrift u. Wort Gottcs. teleologischen Vorsehnngsglaubens.

Er fordert und setzt voraus,

daß

der Gott der Offenbarung und Erlösung irgendwie die Ursprünglichkeit

des Evangeliums retten werde.

Er spricht in dieser Hinsicht ebenso,

die Schrift kann nicht lügen, wie, Gottcs Wort ist wahrhaftig. Denn

wer einmal an den Puncten des Schrlstinhaltcö,

von welchen

alles

andre ausgeht oder auf welche alles hinstrcbt, also in der Mitte dessel­

ben die Wahrheit gefunden hat, welche ihn samt seinem ganzen Wahr­ heitsvermögen frei gemacht, wird entweder dem, was nun dennoch An­

stößiges und Irriges vorzukommen scheint, sein Recht Vorbehalten und

dem eignen

Urtheile mißtrauen —

denn was im organischen äußern

Zusammenhänge mit dem Hauptpunkte

erscheint,

hat das Borurthcil

für sich, daß cs ihm gleichartig fei innerlich, oder wie der anfängliche

Um sich vom Auctoritarsglanben im Schristglanben

Luther verfahren.

los zu machen, haben geistreiche Männer,

Lessing und Andre gesagt:

weil etwas wahr ist, steht es m der Bibel, aber nicht, weil etwas in

der Bibel steht, ist cs wahr.

Wir haben aber schon mehrmals gezeigt,

daß der erste Satz genau genommen zu dem andern hinübcrführt.

Theol. Stud. u. Kr. 1832. 2. S. 375. A nm er k. 3.

S.

1843. 2. S. 386.

Der Schriftglaubc ist zwar abgeleitet vom Offenbarungs­

Denn sowie das Wort Gottes, wenn

glauben, aber doch ein besondrer.

es sich mit der Rede eines Apostels

meinde spricht,

vereiniget,

Propheten, der in der Ge­

oder

unter ganz andern begleitenden Umständen

wirket, als wenn cs in einer panlinischen Schrift, mit welcher andre

Schriften gelesen werden und als beständige Urkunden der Offenbarung

zusammenhangen,

enthalten ist:

so

wird

auch

für jede dieser beiden

vcrschiednen Wirknngsarten des göttlichen Wortes eine besondre Oekonomie statt finden und in der Bildungsgcschichte des Kanons sich alle

die Weisheit und Gnade des Herrn, die überhaupt der Hervorbringung der Offenbarungsthatsachcn und Bündnisse vergestanden bat,

neue und eigenthümliche Welse verherrlicht

haben.

auf eine

Eine Urkunde im

vollen Sinne des Wortes ist immer selbst ein Bestandtheil der That­ sache,

von

welcher sie Kunde

giebt.

Haupttheilen des biblischen Kanons,

Dieses Merkmal kann beiden

und den

einzelnen Büchern,

die

in denselben begriffen sind, nach strengster Kritik, obgleich in verschie­ denem Maaße, zugeeignet werden.

Man denke sich, wie wesentlich die

ausgezeichneten Grundgesetze deö Pentateuchs mit der die Theokratie be­ gründenden Wirksamkeit des Moses: oder Psalmen, Weiffagungen, Briefe gn die ersten Gemeinen

Christi

und die Darstellungen und

nungen der wichtigsten Bestände des

Aufzeich­

galiläischen und jerusalemischen

Einl. III. B. Auslegung. §.43. Ausl.: Dcutl. u. Euch.

101

Lebens Jesu mit der ganzen für die Stiftung und Erhaltung der Re-

ltgion werkzenglichen Thätigkeit eines Propheten, Apostels oder Evan­ gelisten verknüpft sind.

Der Glaube au die Urkunde wird aber von

den Erfahrungen, welche Viele, Alle, oder Einzelne davon machen, oder

durch den Begriff von diesen Erfahrungen niemals erschöpft. *) Joh. 6, 63.

1 Cor. 4, 20.

2 Cor. 3, 6.

**) S. Twesten, Vorleff. S. 417. ***) S. Sack, Vom Worte Gottes, eine christliche Verständigung. Bonn,

1825.

B. §.43.

Von der Auslegung der heiligen Schrift.

A usleg barke it:

Deutlichkeit und Einheit.

Wenn, der in göttlicher Gestalt war, doch sich erniedrigt

hat und

ist gleichwie ein

andrer Mensch erfunden worden

Phil. 2, 7. und die göttliche Rede von Anfang her unter das

Gesetz der menschlichen gethan das ihrige gewirkt hat, — denn es kam darauf an, daß das Leben erscheinen und in seiner Erscheinung gesehn, gehört, betastet werden sollte 1 Joh. 1, 1. — so läßt sich schon nicht erwarten, daß die Schrift als Ur# künde dieser Offenbarung ihre» Sinn absichtlich verhüllen und

zum unlösbaren Räthsel machen sollte.

Die Erfahrung lehrt

aber auch vollständig und unwidersprechlich beides, einmal daß obgleich ihre Grundsprachen erstorben sind, doch der auf die ge­ bildeten Völker fortgecrbte Schlüssel zur Erkenntniß derselben un­ verloren ist sammt der dazu mitgcbörigen Geschichtsanschauung;

dann, daß sie dem Zeitalter, Volke, Individuum, welches ihn seiner Natur nach gebraucht, ein solches organisches Ganze von Vorstellungen aufschlicßt, welches eine bestimmte und für den

geistigen Zustand in seiner Totalität umändernde und bildende Aneignung zuläßt.

Weder Tiefen der Schrift nehmen ihr diese

von jeher von allen Redlichen und Sachkundigen zugestandne

Deutlichkeit, noch die Mannichfaltigkeir und Verschieden­ heit der in ihr enthaltnen Lehrarten und Stufen hebt diejenige

102

Einl. III. B. Auslegung. §. 43. Ausl.: Dcutl. u. Cinh.

Einheit auf, die lm Grunde ihres Daseins und im Endzwecke

ihres Wirkens beruhet. An merk. 1-

Es widerspricht dem Begriffe von Offenbarungsurkunden,

absichtlich litterae opinabilcs zu sein, oder auch nur in lykophroneische Dunkelheit sich zu hüllen.

Der Gottheit das Spiel oder den Ernst

rätselhafter Mittheilung zntranen, ist eines Neuplatonikers wie Jamblichus, keines Christen würdig.

Von an sich unverständlichen Lanten

oder undeutbaren Schriftzügen magische heilsame Wirkungen hoffen, muß für einen Rest der Natur-Verehrung gelten. des Heiles zum Heile der Welt wird sich

Eine Offenbarung

auch in ihrer schriftlichen

ursprünglichen Darstellung an deu sensus communis und publicus, wie

er jeder Volks- und Zeitbildung zum Grunde liegt, richten oder durch ihn vermitteln.

Sie

Daß sie nun dennoch

geht ammeisten nur ihrem

das

allgemein menschliche an.

eignen Geiste in dem Wesen ihres

Inhaltes sich aufschließt, und daß die Beweise ihrer Auslegung theilweise

der Wissenschaft,

an der nicht alle theilnehmen,

anheimfallen:

kaun

keinen Grund gegen den freien Bibelgebrauch des Laien oder gegen das

protestantische Princip der Schriftlesung und der ausschließlichen Schriftauctorität hergeben.

Denn der Laie ist nicht als abstraktes Atom zu

denken, gleich als ob er nicht von der Ueberlieferung und Übersetzung während seines Zugangs zum Heiligthume abhängig bliebe; der Theo­ log aber besitzt die Wissenschaft nicht als das Eigenthum einer Kaste,

und der Clercker ist nicht vermöge seiner Aussonderung zum Amte je­ nes eigenthümlichen Schriftgeistes und Urkundenschlüssels mächtig. Eine

Kirche, die sich eines Glaubens an die h. Schrift würdig machen will, darf weder den Rückgang auf die Grundsprachen hemmen, noch es un­

terlassen durch die tausendfach controllirte versio vernacula die Urkunde bis an den Laien heran zu bringen, damit er Prüfe,

verhalte AG. 17, 11 ,

ob es sich also

damit er komme und sehe Joh. 1, 46.

Zeugnisse der Alten in Hinsicht

Die

der Deutlichkeit der h. Schrift bei

Chemnitz im Examen Concil. Trid. p. 43. sq.

Dazu, was Augustin

und Clemens v. Al. anlangt, m. Sendschr. an Delbrück S. 76. f. Mit dieser Deutlichkeit verträgt es sich vollkommen, daß'das Weltall des Schriftinhaltes unerschöpflich

in

seinen Tiefen in den Ring des

absoluten Begriffs sich uicht einfaffen läßt, daß einzelne Schriften vor

andern

einem Zeitalter verschlossen bleiben,

daß das Uebersctzen und

Auslegen, ohne daß deshalb die Glaubensfestigkeit unmöglich würde,

weil sonst das ganze Verhältniß der Nachwelt zur Geschichte vernichtet

Einl. III. B. Auslegung.

§. 44. Zweck der Auslegung.

103

wäre, etwas hypothetisches an sich behält. Selbst die Apokalypse des Jo­

hannes ist erklärbar genug, um ihren kirchlichen Einstnß mit Sicherheit Bergl. die von Lücke: Versuch einer vollst. Einleit, in

auözuüben.

die Off. Joh- 1832- S- 23. 35. 40. erwähnte und auszüglich mitge­ theilte Abhandlung.

An merk. 2-

Der Bibelkanon ist von keinem Apostel, von keinem Bi­

schof, von keinem Concile gemacht und ausgefertigt, sondern nachdem er sich m Wechselwirkung zwischen den Anziehungskräften der Schriften und dem geschichtlichen Gemeinsinne vorsehungsvoll gemacht hatte, von

den Synoden aufgewiesen und bezeichnet worden.

Daß nicht Synkre­

tismus und äußerliche Capitulation, sondern der wahre Catholicismus ihn so wie er ist anerkannt hat, geht auch daraus hervor: die Secten, die ihn trennten und

nur wählerisch Theile anerkennen wollten,

sind

vergangen, und die allgemeine Kirche die ihn in der Ganzheit annahm und überlieferte, ist nie wieder,

wenigstens nie durch einseitige Aner­

kennung der paulinischen oder petrinischen Theile u. s. w

zerfallen.

in Parteien

Daß aber die vervollkommnete Auslegung und Unterscheidung

der Theile des Schriftinhalts für Erhaltung eines in sich Einigen Kir­ chenglaubens nicht hinderlich wird, hat die neuere Geschichte der Exegese

immer entschiedner bewiesen.

Denn sind je länger je schärfer und be­

stimmter die prophetischen oder apostolischen Standpunkte, Eigenthüm­ lichkeiten, Systeme und Charaktere zur Kenntniß der Theologen gebracht worden, so hat es doch nicht gefehlt,

in ihnen sich ergänzende Mo­

mente eines Etttfaltungsprocesses, sich ergänzende Seiten der Auffas­ sung des Factums uiüT des Grundbegriffes, gemeinsame Grundlagen

der Propheten wie der Apostel und in dem Ganzen Einen Christus als Terminuin ad quem und a quo noch deutlicher und wahrer zu er­ kennen.

§. 44.

Zweck der Auslegung.

In dem christlichen

Gebrauche der heiligen Schrift liegt

zunächst die Absicht, den Sinn oder

Gedanken der einzelnen

Schriftstellen oder jedes einzelnen Schriftstellers,, welcher eine

objective Thatsache ist, subjektiv wieder zu erzeugen.

Weshalb

man mit Recht von grammatischer und historischer Auslegung

spricht.

Sofern wir aber schon die Schrift dazu gebrauchen,

nach ihrem Sinne und Gedanken unsere ganze und zwar unsre

104

Eint. IH. ß. Auslegung.

§. 45. Glaubens-Analogie,

gemeinsame Sinnesart zu normircn, entsteht uns das Bedürf­

niß, das ausgelegtc von Neuem auszulegen und nicht allein

jegliches in der Einheit des Kanons und Geistes, sondern auch in der allgemeingültigen Beziehung auf unser Glauben und Handeln zn verstehen.

Diese jeden abgesonderten Satz ent­

wickelnde und auf das höhere Ganze beziehende Auslegung wird nicht sowohl, wie dieß neuerdings geschehn ist, die höhere geistige oder gar die geniale, noch weniger die philosophische,

sondern vielmehr nach Muzel,

Carl Ludwig Nitz sch*),

Marheinekc, Twcsten und Clausen die theologische genannt werden können, und nur verwerflich werden, wo sie aufhört auf der grammatisch-historischen zu beruhen. •) De discrimine revelationis imperatoriae et didacticae Fase. II. p. 227. sqq. vergl. Keil Elem. Hennen. N. T. p. 190. Die Euantiophanieeu der Schrift -treiben von selbst zn diesem zweiten Acte der Aus­ legung^ durch welchen die in der mehr oder minder in praktischer Rich­ tung geschehnen Geistesäußerung enthaltne Theorie zur Erkenntniß gebracht werden soll. Daher Nit z s ch: vera igitur theoria , sive ea rationalis sit sive superrationalis, eruenda erit per aliain inlerprelationem, quae quidem improprie sic dicitur, quoniain non verba explicat, sed res verbis expressas , praesertim loquendi atque adeo cogilandi modos, scholasticae axpißetae expertes eiusque legibus haud adstrictos. S- auch Pelt Theol. Encyclopädie. 1843. S» 183-

§.45.

Glaubens-Analogie.

Das Bindungsmittel für diese beiden Acte der Auslegung

oder für diesen zwiefachen Auslegungszweck ist die sogenannte Analogie des Glaubens d. h. die auf die Eregese angewandte

Glaubensregel, welche, sowie sie selbst ihrerseits das Ergebniß der unmittelbaren Eregese erst sein kann, so auf die mittelbare

Auslegung

nothwendig

leitend und

bestimmend zurückwirkt.

Denn die Erkenntniß der Einheit eines Gegenstandes steht mit der Erkenntniß des Mannichfaltigen, was an ihm ist, in un­ aufhörlicher Wechselwirkung.

Einl. HL B. Auslegung. §. 46. Ein Sinn--§. 47. Mittel. §.46.

105

Ein Sin n.

Da durch die Behauptung vollkommner Zwei- oder Mehr­ deutigkeit der Schrift der Gebrauch dersclbeu als einer Offeu-

baruttgsurkuude unmöglich und ebenfalls durch Unterordnung des grammatisch-historischen Sinnes unter einen höhern oder

tiefern alle Positivität der mit der Schrift gegebnen Offenba­ rung untergraben würde, so lehren wir mit Recht die Einsin­ nigkeit der Schrift.

Dadurch wird aber die Möglichkeit, selbst

die Nothwendigkeit einer Entwickelung nicht aufgehoben, durch welche oft erst eben diese Einheit herzusiellen ist. Die histo­ rische Erkenntniß enthält oft selbst das Gebot, zuweilen wenig­

stens kein Verbot solcher mehrfachen Entwickelung des Einigen Sinnes in sich. Und theils muß das Bedürfniß derselben im A. T. als dem Behältnisse der Keime des N. T. sehr stark ein­

treten, theils wird der Glaube an die innige Verbindung des Einigen göttlichen Wortes und Geistes mit der Schrift bei individuellem Schriftgebrauche sie nicht entbehren können.

An merk. In der allgemeinen christlichen Kirche gilt von jeher die An­ nahme und Erfahrung, daß der einfache Sinn der Schrift und die un­ mittelbare Eregese hinreichen, um die Glaubensregel, oder den we­ sentlichen Schlüssel der Schrift herzugeben, und den zum Heile der Seelen nothwendigen Glauben, der aus der Predigt des Wortes Got­ tes kommt, zu begründen.

§. 47.

Mitte L

Sobald das Wort Gottes menschlich, geschichtlich, sprach­ lich und schriftlich wird, muß die Erkeuntuiß dieses Mittelba­

ren, in dem es geoffenbaret wird, und namentlich derjenigen Sprache und Geschichte, von der die Offenbarung am nächsten umgeben ist, die unerläßliche Bedingung zur Auslegung ihrer

Urkunden werden.

Dieß ist das philologische

Element

der Eregese, welches mit dem grammatischen auch das logische, mit dem historischen auch das psychologische mit in sich schließt.

106

Einl.

111. ß. Auslegung.

§. 47. Mittel.

Wenn nun aber jeder Gegenstand der Auslegung am völligsten

nur aus ihm selbst und durch ihn selbst und vermöge der zwi­ schen ihm und dem Ausleger bestehenden Geistes - Analogie verständlich wird, und wenn die Offenbarung sich nothwendig

zugleich ihre eigne Sprache nnd Geschichte gebildet haben muß: so folgt, daß die heilige Philologie als eine besondere sich

nur in einem geistlichen Elemente vollenden könnet. Auch

in dieser Hinsicht behauptet die Evangelische Kirche in gewisser Uebereinstimmung mit der alten: die Schrift lege sich selber authentisch ans. Es verstößt gegen beide exegetische Principien, wenn man

der Vernunft eine andre als regulative Gewalt mld Mitwir­

kung zur Auslegung der heiligen Schrift zugesteben will, es müßte denn sein, daß unter Vernunft schon der christliche Geist selbst oder das durch das Evangelimn bereits bestimmte reli­ giöse Bewußtsein verstanden würde. Die Rathschlage jüant’6**)

oder Ficdte's befolgen heißt das geschichtliche Element belei­

digen, die Regeln aber z. B. eines Ostorod, Schlichting,

Ludwig Meyer, oder auch eines Episkopius anerkennen heißt vergessen, daß die subjektive, mehr oder minder auf feh­ lerhafte Weise selbstthätige Vernunft zugleich mit einem Anta­ gonismus gegen die Wahrheiten der Offenbarung behaftet ist,

und daß dagegen die objective Verillinft, also auch der reine Theismus, die ethische Religion, das Stonymgg durch die Offeiibaningsurkunde selbst schon weit besser vertreten und auf­

recht erhalten wird als es durch irgend eine Schule der Phi­ losophie geschehn ist oder geschehn konnte. *) S. m. Seudschr. an Hrn. Prof. Delbrück. nelle Kanon,

S. 79—89.

Der ratio­

die heil. Schrift müsse als Urkunde des Alterthums als

Schrift Überhaupt wie jede andre, folglich nach den Gesetze» der allge­ meinen Hermeneutik ausgelegt werden, darf und muß zugestande» wer­

den; ebenso, daß der Grundsatz der Protestanten: scriptura sui ipsius

interpres, auch Anwendbarkeit auf nicht heilige Schriften habe.

Was

gehört denn aber zum Auslegungsgcsetz mehr als das Eindringen in

Einl.

111. B. Auslegung.

$. 47. Mittel.

107

die Eigenthümlichkeit deS Schriftstellers, also auch in den Mit-

tel- und Emheitspunct seiner Vorstellungen.

Eine schriftliche GeisteS-

außeruug kann allerdings zunächst nur comparativisch d. h. durch die

Erkenntniß des Gedanken - und Sprachkreises, in dessen Mitte sie her­ vertritt, verständlich werden z. B. das N. T. durch Kenntniß der alt­

gemeinen Gräcität, näher des griechisch redenden JudenthumS — aber wenn sie nun an ihrem Orte neu, in ihrer Gattung höchst productiv, original ist, also durch freie Erweiterung und Begränzungen der Wort­

bedeutung neue Begriffe und Urtheile hervorbringt, so muß der Ausleger schlechterdings aus dem bloß comparativen Erkennen in das objective und

unmittelbare übergehen, und kann nur in dem Grade Erfolg haben, als

er Empfänglichkeit für diesen Geist besitzt und ergriffen von ihm ihn zu begreifen vermag.

Religiöses Leben erkennt sich nur durch und auS

Demnach stehen Urtheile wie diese: WaS das 'innere deS

sich selbst.

Schriftinhalts betrifft, so versteht davon, wer den heiligen Geist nicht

empfangt, tem Iota (Luther) — der Proceß der Schrifterkenntniß schließt sich

mit dem Zeugniß des h. Geistes

(Joh. Gerhard u. A.)

mit den Forderungen der Wissenschaftlichkeit des

exegetischen Verfah­

rens vollkommen im Einklänge.

**) Religion innerhalb d. Grenzen d. bl. Vern. Ausg. Rosenkr. S. 130. VI. Der Kirchenglaube hat zu seinem höchsten Ausleger den reinen R e l i g i o n s g l a u b e n. — „Dazu wird eine Auslegung der uns zu

Handen kommenden Offenbarung erfordert d. L durchgängige Deutung

derselben zu einem Sinn, der mit den allgemeinen praktischen Regeln einer reinen Vernunftreligion zusammenstimmt.

Denn das Theoretische

des Kirchenglaubens kann uns moralisch nicht interessiren, wenn es nicht

zur Erfüllung aller Menschenpffichten als göttlicher Gebote hinwirkt. S. 132.

„ Auch kann man dergleichen Auslegungen nicht der Unred­

lichkeit beschuldigen, vorausgesetzt, daß man nicht behaupten will, der Sinn, den wir den heil. BV- geben, sei von ihnen auch durchaus so

beabsichtigt worden, sondern dieses dahingestellt sein lässt, und nur die

Möglichkeit, den Verfasser so zu verstehen, zuläßt."

. sonst so hier, Praktisches und Theoretisches, sches nicht nur unterschieden,

Kant hat, wie

Moralisches und Histori­

sondern auch getrennt und eines gegen

das andre gleichgültig gemacht.

Um wirkliche und objective Auslegung

handelte es sich bei den Arminianischen, Socinischen Hermeneutikern, uiid bei Ludwig Meyer, dem ungenannten Verf. von philosophia s. scripturae interpres 1666 ,

wenn sie alle recta ratio theils

als ge­

nügsames Mittel theils als infallibilis norma gegen Katholiken und

los

IV. Lehrbau.

Eins.

,§. 48. Geschichte.

Protestanten geltend machten, allerdings: allein in der verschieden Be­ deutung , daß z. B. Episkop unter gesunder Vernunft nur die sittUch

nicht gehinderte Operation des wlsscnschaftlichen Verstandes, als voll-

kommne Empfänglichkeit für den sich Mittheilendcn göttlichen Inhalt verstand, Meyer dagegen die Offenbarung selbst sich bloß als entwickelte

oder als objective Vernunft denken konnte

Beiderseits wird die in

abstracto gedachte göttliche Offenbarung als Schriftinhalt vorausge­ setzt; aber nur von Seiten deS Spino,Listen die Philosophie oder die

Vernmift (unterschieden vom formalen wiffenschaftlichen Vermögen) als

allgemeingültiges und materielles Erkenntnißprincip gesetzt, ohne daß

er es wagte den Fall zu setzen, daß die Schrift antiphtlosophilches enthalte. — Die scharfsinnigste Vertheidigung des protestantischen Schrift­

auslegungsgesetzes innerhalb der Scholastik findet sich bei Ioh. Mu-

säus: Iutroductio in Theologiain etc, 1679. P. II de obiecto theologiae revelatae formali.

IV.

Von den Versuchen des christlichen Lehrbau 's. tz. 48.

Geschichte.

Es bedarf keiner Erinnerung , daß die theologische Refle-

rion von Anfang her das Christenthum theils auf das Erken­ nen theils auf das Handeln bezogen, die gegenseitige Bedingt­ heit aber von beiden Elementen,

und auf dem Gebiete der

Lehre auch die Abhängigkeit des letzter« vom erster« irgendwie anerkannt habe*).

Fragen wir aber nach einer theologischen

Entwickelung dieses ungetheilten Christenthums oder nach einer

systematischen Darstellung desselben, so ist nicht zu verwundern,

daß es dazu nur Versuchs- oder andeutungsweise gekommen ist, und daß die systematischen Leistungen dennoch, so ungleich und unvollkommen sie zu verschiedenen Zeiten gerathen sein mögen, im Ganzen genommen eine große Aebnlichkeit behalten haben.

Die christliche Theologie

hat sich zuerst als eine apologetisch­

polemische, dann als eine eregetisch-historische ausgebildet und

Eint.

IV. Ährbau.

§. 4b. Geschichte.

109

ist in ihrer ersten Periode noch nicht dazu gekommen eine syste­

matische zu werden.

Erst nachdem die streitende und abweh­

rende Theologie ibre begründende Umsahrt (bis nach Augusti­

nus) vollendet, und zur Bewahrung des geschichtlichen Grundcharacters des Christenthums für jeden Hauptsatz des Bekennt­

nisses den Stab der kirchlichen, übereinkünftlichen Formel aus­ gestellt batte, ist ein Ueberblick des gewonnenen Gebietes versucht worden, wie ibn z. B. Johann von Damask gegeben. Seinem Systeme sowohl als denen, die wir den sogenannten Schola­ stikern verdanken, sieht man es sogleich an, daß sie eben aus

der polemischen und nicht aus der eregetischen Theologie her­ vorgegangen sind. Sie setzen das Ganze und die Einheit voraus und fangen mit Theilung und Fachwerk an; sie bedienen sich der Definition und der dialektischen Erörterung um diejenigen

Fragen, welche in der Schule der Zeit oder in dem kirchlichen Leben ein praktisches Interesse haben, zu einer Entscheidung zu bringen, wobei die Entwickelung des Systems aus der ursprüng­

lichen Natur des Gegenstandes unmöglich wird.

Gerade diesen

letztern Febler bemühten sich die Systematiker der Reformation zu verbessern; nur daß sie die bloße Einheit der heiligen Schrift

zum Grunde legten, und auf diese Weise, wenn auch einfa­ chere und wahrere Hauptbegriffe, doch nur eben locos, arliculos erlangten, abgesehen davon, daß sie den ^Gegensatz des A. und

9u T. des Gesetzes und Evangeliums theils in das System mit aufnahmen und durch dasselbe durchführten theils nicht, und die Darstellung des christlichen Lebens in den Decalogus

einzwüngten.

Das Vorgewicht der Bemühung mußte wieder

auf den Elementen der Erkenntniß ruhen, und die Sittenlehre des Systems blieb im Ganzen vernachlaßigt, wahrend sie in

den das kirchliche, bürgerliche und häusliche Leben betreffenden Hauptpuncten, z. B. Predigtamt, Kirchenzucht, Obrigkeit und Ebe, unverhältnißmüßig breit hervorgebildet ward. Dieser Mangel sollte ihr in der abgesonderten Behandlung durch Ge.

Calirt und seit ihm reichlich ersetzt werden, allein nur destomehr

110

Einl.

§. 48. Geschichte.

IV. Lchrbau.

ist ihr seitdem daS Verhältniß zur christlichen Glaubenslehre ein ungewisses und zufälliges geworden, wenn cs überhaupt

noch übrig blieb. Daher haben schon Ernesti und Pütter**) zur wiedervcrcinigenden Darstellung der christlichen Lehre, je­ doch mit geringem Erfolge, gerathen. Der Engländer Thom.

Burnet***) hinterließ einen schönen Versuch, die Einheit: chri stliche R e li gion als ein Zusammen- und Durcheinan­ dersein von Glauben und Leben darzuftcllen. Doch kann diese Leistung ebensowenig eine Lösung der fraglichen theologischen Aufgabe heißen, als die ähnliche von Theremin'), wie­ wohl die letztre über die bloße Einheit der 2dee der Religion

hinausgcht; und da katechctische und asketische Schriften oder

homiletisch-praktische Handbücher hier nicht in Betracht gezogen werden dürfen, so bleibt nur übrig die nicht zur Ausführung gelangten Entwürfe oder Andeutungen eines C. L. Nitzsch-), eines S ch l e i e r m a ch e r H und Schwarz') und den Ver­ such H. Karsten's5) zu erwähnen. Anmerk.

Es

ist hier überall nur von der Geschichte des christlichen

LehrbauS in Bezug auf die Vereinigung der Glaubens- und Sittenlehre die Rede.

*) Im Hirten des Hermas der Gegensatz der £vtoX«1 gegen die Gesichte und Gleichnisse. — Cyrill. Catech. Illum. IV

6 Ttjs 3-sooeßstas tqö-

Tios Ix öüo lOVTiDV ovvtOTyxs, doyfjtftTiDV EuOEßatv axQißEias xal tiqv&üjv

uya&(»v x. Z.



Clemens v. Alexandrien untersucht tm

Eingänge zum Pädagogen die verschiedenen Verhältnisse des göttlichen

Logos zum heilsbedürstigen Menschen; der Logos ist zwar Einer und

derselbe,

aber theils führt er zur Anschauung der Wahrheit,

als ein

dqXuyuxoe , anoxaXuTiTixos, theils bildet er den Menschen als ngaxTixo5 zur gläubigen und seligen Anschauung aus.

In letztrer Hinsicht

wieder ist er theils tiqqtqejihxos , lutQOQpyuxos (Princip einer pro­

pädeutischen Ethik von apologetischer Bedeutung) theils naidayioy&s (Princip einer propädeutischen Ascetik). — **) In der Vorrede zur Zusammenhänge und

Christlichen Religion in ihrem wahren

ihrer

Vortrefflichkcit vorgestellt vom geheimen

Iustizrath Pütter zu Göttingen.

Gött. 1779.

***) De sidc et officiis Christianorum. Londini 1727. (Laut der Vorerin-

§. 48. Geschichte.

Eiiil. IV. Lchrhan.

111

neriniß nach seinem Tode und nur in wenigen Eremplaren für Freunde Die vier ersten Hauptstücke enthalten eine historische Con-

abgedruckt.)

strnctiou dcS Christenthums mit apologetischer Tendenz.

Cs giebt eine

religio prima, aelerna, immulabilis, in welcher alle positive Religio­ nen wurzeln.

Sie erscheint nicht bloß in der abstrakten Gestalt der

Philosophie,

sondern auch in dem Leben einzelner Urväter, eines He-

uoch,

eines Noah.

Das Heidcnthum in seiner Ocffentlichkeit ist die

gröbste Entstellung derselben.

Im Mosaismuö wird sie, jedoch auf

volksthümliche Weise, durch göttliche Auctorität hergestcllt. Ohne volks-

thümliche Schranke, mit vollkommner Entwickelung der Hoffnung der seligen Unsterblichkeit durch Jesus Christus.

Die absolute Vollkom­

menheit und ausschließliche Selbstgenügsamkeit des Christenthums be­ In fünf Hanptstücken beschreibt er darauf

hauptet der Verfasser nicht.

die lex christiana.

Im ersten die Verehrung Gottes im Geist und in

der Wahrheit und die einfachen Gebräuche, durch welche dieselbe äußer­ lich und gemeinschaftlich sich darstellt.

Im zweiten ist von der höchsten

Sittenregel die Rede, zugleich von den Belohnungen und Strafen. Im dritten

vom allgemeinen christlichen Glauben nach dem apostolischen Im vierten von denjenigen Bestimmungen des Glaubens,

Symbole.

welche besonders

verschiedenartiger Auffassung unterworfen sind,

als

Erbsünde, Rechtfertigung, Genugthuung, Willensfreiheit, Gnade, Er­ wählung ,

und über welche,

sofern sie der sittlichen Idee angemessen

sind oder nicht, übrigens aber mit Zurückhaltung entschieden werden muß.

Das

letzte handelt von der Kirche und den Formen des Kir-

chenregimcnts.

fasser nichts.

Von dem

Persönlichen der Erlösung weiß der Ver­

Die Gottheit Christi ist die Lehr-Autorität.

Wunder-

und offenbarnugsgläubig, schriftgläubig ist er durch und durch, dennoch hat seine Eregese,

weil er alles auf religio prima zurückführt,

rationalistische Neigung,

eine

und in Bezug auf die Erlösung eine pela-

gianische. 1) Die Lehre vom göttlichen Reiche. 2) De revelalione

Berlin, 1823.

religionis externa eademque publica p. 200. und

PrOlusio II. de antinomismo Jo. Agricolae p 3) Glaubenslehre L S. 159.

35—38.

vcrgl. Kurze Darstelt. der theol. Studien.

2 Aust. §. 223—31.

4) Grundriß der Protest. Dogmatik. Heidelb. 1816 Stud. u. Krit-

1832. S. 107.

„ Aphorismen

S. XXII. und Theol.

zur Vereinigung

der

christlichen Glaubens- und Sittenlehre mit Hinweisung auf Nitz sch'S

System der christl. Lehre." —

112

Einl. IV. Lchrbau.

§§. 49. 50. Geschichte. Fortsetzung.

5) Lehrbuch der christlichen Religion für die obern Classen höherer Bil­ dungsanstalten. Rostock, 1838.

tz. 49.

Augustinus.

Andreas Hyperius*), der in seiner theologischen Me­ thodologie die vorzüglichsten christlichen Lehrgebäude, die es bis auf die Reformation gegeben, im Grundrisse darstellt, macht

mit Augustin's Entwürfen mit Recht den Anfang, denn des

Or i genes Buch „von den Grundwahrheiten" ist reine und

bloße Dogmatik; des Ryssenischen Gregors große Katechese,

schon des Athanasius Tractat „von der Menschenwerdung" enthalt nur die Keime des sittlichen Christenthums, und wenn vom Lactantius ethische Begriffe mit dogmatischen, sapientia, juslitia, cultus, vita beata zusammengestellt werden , so liegt dem doch kein Bewußtsein von Anordnung christlicher Lehre

zum Grunde.

Augustinus **) nun geht von dem Begriffe der

subjektiven Gottesverehrung (pietas) aus, und theilt sie in fides, spes et charitas Und ob er gleich nach dieser Eüttheilung wirklich das christliche Handbuch für den Laurentius aus­

führt, — wobei nur die Lehre von der Liebe sehr unentwickelt bleibt, weil ihr so vieles durch das vorhergehende hinwegge­

nommen worden ist — so deutet er doch gleich anfangs die ver­ borgne objective Einheit des Systems, die Person Christi, und also auch die Möglichkeit einer andern Anordnung unver­

kennbar genug an, *) De Theologo s. de ratione studii theölogici libri IV. Basil. 1556. vid. lib. III. p. 445. Variae formulae colligendi locos communcs in tbeologia **) De vera rcligione. Vollständiger im Enchiridion ad Laurentium urbis Romae primicerium. Hypcrius hat den Augustin'schen Entwurf nicht genau genug aufgefaßt.

Z. 50.

Gennadi» s.

Ganz in den Gesichtspunkten der polemischen Theologie

Einl. IV. Lehrbau.

§. 51.

Geschichte. Fortsetzung.

113

und der Kirchenzucht sind diejenigen Umschreibungen des Gan­ ze» der christlichen Lehre befangen, welche in der Form erwei,

terter kirchlicher Symbole oder Lehrbekcnntnissc von Gennadius von Marseille, und Isidor von Sevilla gegeben werden.

Die

erstere unter dem Titel de dogmatibus ecclesiasticis kommt un­ ter den Werken des Augustinus, die andre, des Isidor, in seiner Schrift de officiis ecclesiasticis vor. Beide enthalten zugleich diejenigen sittlichen Dogmen, welche bis dahin durch öffentliche Streitigkeiten veranlaßt oder durch Bedürfnisse der Kirchenge­ meinschaft hervorgerufen worden waren. Uebrigens sind die ethischen Elemente von Johann von Damaskus, in der Ekthese

des kirchlichen Lehrbegriffs, nicht ganz übergangen.

8. 51.

D i e S ch o l a st i k e r.

In den vier Büchern der Sentenzen, von Gott, der Crea, tur, der Erlösung, den Sakramenten und dem künftigen Leben (oder von der irdischen und himmlischen Gemeinschaft des Heils) hat Peter der Lombarde dogmatisches und ethisches also ver­ einigt, daß an die Lehre des andern Buchs vom Falle sich die ganze sittliche Naturlehre und die Lehre von der Sünde in allen

ihren Arten anknüpft; im dritten Buche aber entwickelt sich auS

dem Glauben an das Heil die Liebe, aus dieser die Pflichtenund Tugcndlehre, dann folgen die Gebote des Decalogs, Ge­ setz und Evangelium.

Endlich im vierten erscheinen neben den

kirchlichen auch die bürgerlichen und häuslichen Pflichtvcrhältnisse, obwohl eben so unvollständig als uncbenmäßig. Dennoch

laßt sich aus dem Werke der Sentenzen die natürliche Ordnung christlicher Lehren weit eher herausfinden als aus der Summa des Thomas von Aquino, deren erster Theil die Ontologie um­

faßt und dem zweiten das praktische Ehristenthnm, dem dritten die historischen Lehren von Christo und dem kirchlichen Verhält,

nisse Vorbehalt. Nitzsch Luftem 5te Aufi.

8

114

Einl.

§.52.

IV. Lehrbau.

§§. 52. 53. Geschichte. Fortsetzung.

Die Reformatoren und ihre Nachfolger.

Ungeachtet ihrer ganz andern Richtung und Behandlungs­ art kommen doch die Reformatoren und ihre Schüler auf die Grundeinthcilung des Petrus Lombardus, sofern sie dem apo­

stolischen Symbole und der Natur der Sache entsprach, mehrentheils zurück.

Wir finden bei ihnen dieselbe Verknüpfung der

sittlichen Elemente mit Glaube, Hoffnung und Liebe, und mit dem Decaloge, und dieselbe Verbindung der Lehren vom häus­

lichen und bürgerlichen Stande mit der Lehre von der Kirche. In genetischer Hinsicht ist die Methode Calvins vollkommner als die des Melanchthon; aber besonders verdient der ein­ fache Gedanke Luthers hervorgehoben zu werden, daß die

christliche Lehre 1) eine Lehre vom Glauben sei, die aus den zwei Stücken von der Sünde und von der Gnade bestehe,

und 2) eine Lehre von der Liebe

die theils den Dienst

theils die Geduld in sich fasse.

§. 53.

Hyperius und 2oh. Gerhard.

Außerdem scheinen uns zwei Theologen aus dem Zeiträume der Local-Methode Auszeichnung zu verdienen, Hyperius und

Gerhard, der eine, weil er durch eine uns absichtlich vorge­ tragne Reflexion über das Lehrgebäude des Christenthums zu

der Anordnung gelangt, die er den Studierenden empfiehlt; der andre, weil er in Gemeinschaft mit den mehr ausgearbeiteten

Ausgaben von den locis des Melanchthon einer langen Reihe von Systematikern zum Vorgänger gedient zu haben scheint. Fürs erste deutet Hyperius, wiewohl sehr sanft, an, was er an den Anordnungen seiner nächsten Vorgänger und Zeitgenos­ sen mißbillige, nämlich, daß sie das System noch zu sehr von den Zeitfragen beherrscht werden ließen, welches freilich

von dem ersten, einfachen Entwürfe des Melanchthon nicht galt, und dann, daß sie Haupttheile, xttpäXata ytvixcÖTaia,

mit Unterabtheilungen vermischt hätten.

Die Summe nun der

Einl. IV. Lehrbau.

§. 53. Geschichte. Fortsetzung.

115

geoffenbarten Religion drückt er in folgendem Satze aus. Deus condidit mundum et in co homines, ul ex bis constituerelur

ecclcsia, in qua ipse secunduin doclrinam legis et evangclii

colerelur, ad seculi usque consummalionem.

Sechs Haupt,

begriffe lassen sich aus diesem Satze ziehen: Gott, Creatnr,

Kirche, Lehre, Sakrament, Vollendung, und in den­ selben sind die Stammväter der ganzen Familie der christlichen

Lehren gegeben. Freilich müssen sie auf eine Einheit bezogen werden ; ponatur igitur vestibuli vice locus separatus: verbum Dei s. sacra scriptura.

Nur das erste und letzte Hauptstück

ausgenommen, zieht sich durch alle übrigen der Gegensatz ante lapsum et post lapsuin hindurch. Denn cs giebt auch eine

Kirche, ein Gesetz und Evangelium, ein Sakrament für beide Zustände. In der Lehre aber macht das Gesetz oder die Lehre von der Liebe den Anfang, welche nach dem Falle im De-

calvge besteht, worauf dann die Lehren des Glaubens und der Hoffnung folgen, und in dieser so tiefen und so vielfach

vermittelten Uutcrabthcilung verbirgt sich gleichsam der wahre Hauptbegriff des Christenthums, der Begriff des H e i l s — fides concipitur ex evangelio, evangelium post lapsuin = Chri­

stus homo factus et medialer,

während nur der historische

Gegensatz des Urstandes und Falles, der ohne den Gnadeustand in dieser Vielfachheit nicht erscheinen durfte, sich durch alle

Lehren hindurchzieht und doch auch nirgends in der Gliederung der Hauptthcile zum Vorschein kommt. Die Fehler dieser An­ ordnung sind auffallend , aber lehrreich. Der Begriff der gött­ lichen Lehre ist die Verknüpfung des Ganzen und zugleich eins der sechs Glieder. Statt daß doctrina (lex et evang.) als

Mittel des Heils gelten sollte, gilt das Heil bloß als Inhalt der Lehre; und vom Inhalt der Lehre wieder sind die Verhält­ nisse Gottes zur Creatur in seinen Eigenschaften und Werken

dem Scheine nach, den das System giebt, ausgeschlossen. Neu ist die bedeutende Voranstcllung der Kirche, deren Begriff in

derselben Weite und Entfal.ung aufgefaßt worden ist wie von

116

Eint.

IV. Lehrba».

§. 53. Geschichte. Fortsetzung,

andern Systematikern Bund Gottes, Reich Gottes. Johann Gerhard beginnt viel einfacher und kunstloser, ver­ fährt aber wenigstens in den Aphorismen*) mit bewun­ dernswürdiger Strenge in der Verknüpfung. De scriptura, de Deo, de persona et oHicio Christi, de creatione et angelis, de providentia, de electione et reprobatione, de imagine Dei in homine ante lapsum, de peccato original!, de libero arbitrio, de lege, de evangelio, de poenitenlia, de fide, de bonis operibus, de sacramenlis, de baptismo, de s. coena, de ecclesia, de minislerio ecclesiastico, de ordine politico, de conjugio , de quatuor hominis novissimis, sind die Oerter, über welche er aphoristisch d. h. kurz, aber nichtzusammenhangslos handelt. Abgerechnet daß er von der Jucarnation früher als von der Schöpfung und Erlösung handelt, weil ihm alles, was die Persönlichkeit des Erlösers betraf, nothwendig mit der Lehre von Gott zusammen zu hangen schien, ist die Verknüpfung der Glieder genau gehalten, und in einer vorlänfigen Hypotypose vom Verfasser aufgewiefcn worden. Keineswegs aber legt er die Darstellung des christlichen Lebens in die Lehre vom Deca­ log. Denn da das Gesetz nicht die Bestimmung hat dieses christliche Leben zn verwirklichen, so behandelt er es auch bloß als die zur Verdammniß der Sünde geoffenbarte Vollkommenheit des Gehorsams. Dagegen entsteht ihm mit der göttlichen Recht­ fertigung die Erneuerung des Lebens, oder aus dem Glauben, der durch Liebe thätig ist, gehen die guten Werke hervor, welche sich auf die Pflichten gegen Gott, gegen uns selbst und beit Nächsten beziehen, und diese Dreifaltigkeit der Pflicht - und Tugendlehre hält er so fest, daß er sie auch in dem «hoc^o6> «>Qovo$ 3-eov ,

Mitregentin

(Sap. 9, 4. irtv iujy oioy & q 6 y io y nage öq oy (Jotplay v. 10.

«/io &QÖyou zu verstehen. nigstens

aou 7i^\poy

oder als

oüyS-qoyos

Sicher zu verwerfen ist die Ableitung von metalor, we­

Aber

sehr zu bezweifeln die vom Mithras.

festgehaltenen

prophetischen

Richtung

des A. T. kann,

particularistische Schranke bestehet und bestehen muß,

auch in der so lange die

die alles bedin­

gende Causalität, welche die Liebe ist, vorzugsweise nur als Weis­

heit erkannt werden. aus Israel

Die nichtoffenbare Allgemeinheit der Gnade, die

eingeschränkte läßt Gegensätze übrig,

die vorderhand nur

durch den Begriff der Weisheit versöhnt werden.

*) Ob wir gleich die ausschließliche Beziehung

der Weisheit auf die

§. 75. Weisheit.

I LH. I. Hmiptst. Von Gott.

welche ihr in der

Erlösung nicht annehmen können,

Schleierma-

676. ,,die in der Erlösung bethä­

ch e r'schen Definition gegeben ist II

tigte göttlicke Selbstmittheilung

165

als

das die Welt ordnende und be-

stimmende Princip:" so stimmen wir darum doch ihrer eigenthümlichen

Verbindung mit der Liebe, auf welche auch I. D. Michaelis Comp.

Tlieol. Dogm. p, 59. hinweiset, nicht weniger bei.

In der Erlösung

kann sie darum nicht ausschließlich geoffenbart sein, weil die Schöpfung und Erhaltung

dem

helt,

schon einmal bewußte Selbstoffcnbarnng der göttlichen

Theils in ihrem Verhältniß zum Geiste, in ihrer Angemeffen-

Liebe ist.

Eindrücke und Anlaß

Geiste

theils für sich als Organismus, barte Weisheit.

Daß

zur Thätigkeit

nun auch in Ansehung

Dogmatik einen Krieg zwischen

fheistlsche

und dem persönlichen

zn gewähren,

als Kunstwerk ist die Natur geoffen­

der Weisheit die pan-

dem

absoluten Geiste

Gotte anzuregen sucht,

indem sie darzuthun

sich bemüht, der absolute Geist könne, weil er keine Bedürfnisse habe,

auch keine Zwecke haben, und nichts sei Mittel, was nicht ebensowohl

Zweck, Satz:

Strauß

S. 576- ist sehr unerheblich.

Glaubensl. I

Gott ist bedürfnißles,

Der

und der Satz: das zweckmäßige Mittel

ist selbst Zweck — leiden nichts, wenn Gottes Endzweck oder ein gött­ liches

Zwecksetzcn,

Ordnen,

Bedürfen im göttlichen

Vermitteln behauptet wird.

Zweck fällt nicht auf Gott,

Creatur, und ist so von vornherein aufgehoben,

zu und so der Vollkommenheit.

Denn das

sondern auf die

oder wächst der Liebe

Gott hat im Mittel schon den Zweck,

so wie der Zweck wieder dem Grunde gleicht:

Gott hat in der asei-

tas die adseitas, er thut altes um sein selbst Willen, wie die Schrift

sagt, denn Gott ist die Wahrheit, ist die Liebe; aber bedürfen wir dar­ um weniger alter dieser Kategorieen,

um den Begriff zu entwickeln?

Der Begriff einer Ordnung oder einer Organisirung, der vorgezo­ gen wird,

thut

eben nichts andres als daß er die Trennung der kate­

gorischen Seiten aufhebt, den Unterschied aber dennoch behauptet. Falsch ist,

daß

die göttliche Weisheit nach dem Zweckbegriff gefaßt ihr we­

sentliches, den Endzweck, an eine andre Eigenschaft, die Liebe, wieder abgcben müsse: denn sie giebt eben sich ganz und gar, wie jede Eigen­

schaft der andern oder der Totalität hin,

und doch ist

sein besondres

Moment, wenn anders der Endzweck als Wille und als Denken, wenn

die theoretische Tugend des Thuns von der praktischen des Wissens, so

untrennbar sie sem mögen, doch zu unterscheiden 1 ein werden. trifft die ganze Rüge unsre oben,

klärung der Weisheit gar nicht.

Anmcrk. 1.

Ohnehin

gegebne theistische Er­

166

I. Th.

I. Hanptst. Von Gott.

8. 76.

§. 76. Majestät.

M a j e st ä t.

Ungeachtet Gott Engel nnd Menschen geschaffen und zu seiner Gemeinschaft und Aehnlichkeit bestimmt bat, vermindert sich dadurch doch seine Freiheit und vollkommne Selbstheit nicht,

sondern er ist nnd bleibt der König seines Volkes und Reiches;

der große und schreckliche Gott 5 Mos. 7, 21., dem an Würde

und

Macht kein

Wesen gleichkommt,

wie dieß der Name

Michael ausdrückt, nnd dessen Herablassungen und Offen­

barungen *) alle nur dazu dienen können, daß er durch Gehor­

sam und Ehrfurcht in der Liebe noch mehr verherrlichet werde. Dieß ist der Begriff der göttlichen Majestät und Ehre, welchem theils besondre Ausdrücke und Namen theils die Vorstellungen

von der Unnahbarkeit Jes. 6, 5. und Unwiderstehlichkeit des Herrn Ps. 33, 8. 13—18. entsprechen.

Was cs sei,

Gott

verletzen, soll in dem Gebiete der Gnade nicht verkannt, son­ dern nur noch williger und lebendiger anerkannt werden. AG.

5, 1—11.

Hebr. 10, 26—31. 12, 25.

*) Auf ähnliche Weise wie in der alttestamentlichen Lehre von der Weis­ heit beginnet in der Vorstellung von der Herrlichkeit des Herrn

der eigenschastliche Begriff ein hypostatischer zu werdenliche Verborgne in seiner Offenbarung

gleiche ist — der Herrliche, die Herrlichkeit Gottes, "* 16, 10- 33,22.

4 Mos- 16, 42.

Der Unend­

nnd Herablaffnng sich selbst

2 Mos.

dogre 2 Petr, 1, 17.,

wo die gewöhnliche Anmerkung : i. e. Deus ipse keineswegs ausreicht.

Das Subject einer sinnlich vermittelten Rede vom Himmel oder Er­ scheinung konnte nach der damaligen allgemeinen Vorstellung immer

nur ein andres, zweites Göttliche oder der Engel des Herrn sein. In ihrer Mittheilung

an die Knechte und Diener Gottes ist die Herrlich­

keit zugleich die Abwehr und Verneinung des Todes, lichkeit ,

und des Verderbens.

der Vergäng­

Daher die Glorification Christi nnd

der Christen in der Auserstehung Joh. 17, 22. Röm. 6, 4. 8, 11.30. 1 Petr. 4, 14.

1. Th. L Hauptst. Von Gott.

§.77.

§. 77. Heiligkeit.

167

Heiligkeit.

Wie mannichfaltig auch die Vorstellungen von Majestät und Heiligkeit in einander übergehen, so wird doch durch den

letztem Begriff im Ganzen genommen das göttliche Wesen von der Gemeinschaft der Sünde*) und der Sünder dergestalt ab­

gezogen, daß die erstere als die eigentliche Gemeinheit (Pro-

fanität) durchaus nichts von Gott inne haben, ihn weder zum

Urheber noch zum Theilhaber, weder zum Mitschuldigen noch

zum Pfleger oder Hehler haben, und der letztre lediglich nach dem Maaße seiner Absonderung von der Gemeinheit des Flei­ sches und der Welt oder nach dem Maaße seiner Heiligung zu ihm kommen kann.

Also nicht die heilende und zum Heilen

sich herablassende Liebe,

sondern die in der Herablassung und

Selbstmittheilung das Böse tilgende,

strafende Wahrheit der

Liebe ist der Begriff der göttlichen Heiligkeit.

Daher auch

Gott als Geist der Gemeine und als Einwohner des mensch­ lichen Herzens vorzugsweise der Heilige. *) Die Erklärungen der göttlichen Heiligkeit, sie sei die Liebe Gottes zu

sich selbst oder die Legalität, Moralität des göttlichen Willens, entfer­ nen sich zu weit von der biblischen Grundvorstellung.

Wenn dagegen

Z acha riä und Storr bei der Vorstellung incomparabilis, venerandus ganz allein stehen bleiben, so macht Knapp Vorless. 1. 180. ge­ gründete Erinnerungen dagegen.

Joh. 17, 11.

vgl. Ps. 99, 9.

Zwar mögen

Jes. 5• ii"^ "yto$

71, 22. die erhabene Uns'’ ^chiedenheit

von allen andern persönlichen Wesen bedeuten, aber die Grundvorstel»

-i|. ist doch rein sein,

lung von

in Bezug auf mögliche oder

schöpfe. 19-

und Gott ist überall der Heilige

wirkliche Unremheit der persönlichen Ge­

3 Mos. 11, 44. 19, 2-

1 Petr. 1, 14—16.

Hiob. 4, 17—

Der Begriff der Heiligkeit beruhet aber nicht bloß auf diesen

Worten, sondern zugleich auf den Bebauptungen, daß Gott kein Schutz­ herr des Bösen sei, Ps. 5, 5. weder ui sich selbst es hege 1 Joh. 1, 5.

Jac. 1, 13. noch es bewirke oder zulaffe.

6, 15—17.

Sap. 7, 25.

statlsche Weisheit) nctQ^uranTu.

1 Eor. 6, 9—20.

fi£iuia(.iufvov tig «

2 Cor.

> die

i po-

Jesaias ruft darum Vor dem Ange-

stcht des dreimal Heiligen, Wehe mir, weil er unreiner Lippen ist.

I. Th. I Hauplst. Von Gott. §. 77. Heiligkeit.

168

Gott eifert und zürnet.

Sein

Geist wird durch das gehässige Wese»

der Menschen betrübt Iac. 4, 5. Epbes. 4, 30. — Die göttliche Hei­ ligkeit ist demnach die Schutzwebr der Liebe, das Negative des göttli­

chen xoivawizov.

Daher es nicht nöthig ist, „das Wohlgefallen am

Guten" in den Begriff mit aufzunehmen.

Ammeisten konuttt die De­

finition älterer Dogmatiker, summa in Deo puritas eandem purilatem

a creaturis exigens , mit der unsrigen überein

Dagegen können wir

die Thatsache des Gewissens, welche freilich eine wesentliche Offenbarung

der göttlichen Heiligkeit ist, nicht nach Schleiermacher selbst identifieircn-

mit ihr

Keine der obigen Bestimmungen wird auf das Ein­

reden der negativen Dogmatik — Strauß I

S- 592., Heiligkeit

komme nur dem Willen zu, der möglicher Weise unheilig sei, also dem absoluten nicht — zurückgenommen werden müssen.

Denn die Mög­

lichkeit des Bösen und Guten im endlichen Willen reicht voll­

kommen aus, oder nöthigt vollkommen dazu, den Schöpfer und Erhal­ ter des endlichen Willens, crclusiven Momente:

die göttliche Liebe mit dem negativen oder

Heiligkeit zn versehen.

Sollen Gottes zu thun,

weil ich durch sein

Ich

habe

mit keinem

Wollen das

Sollen des

Menschen begründe oder das Wollen des endlichen Wesen richte und verneine.

mals

Der Heilige, der allein Heiliger ist Hebr- 2, 11-, ist nie­

der Geheiligte

anders als durch die Erkenntniß seiner Heiligkeit

bei denen, die geheiligt werden sollen.

Wer das sich selbst Bestimmen,

Wissen, Wollen Gottes nicht denken kann noch will,

ohne ihn in die

Möglichkeiten und Zufälle der endlichen Selbstbestimmung hin zu geben, mag zusehn, wie er sich mit seinem leeren, todten Absoluten, das doch

noch immer den Grund der Sittlichkeit abgeben soll, behilft.

Urtheilt

d. Bf- selbst, daß es leere Abstraction sein würde, sich an einem Menschen, der so wäre, wie der Glaube Christum vorstellt, die Sünde als möglich vorzustellen, wie vielmehr muß seine dem Begriff der ab­ soluten Persönlichkeit angehängte oder angesonnene Möglichkeit für eine dergleichen Abstraction gelten.

fordert oder zuläßt,

Denn Jesus selbst, ehe er einen Glauben

weiset ihn auf Den, der allein gut ist.

diesem Ausspruche ist die Philosophie ebenso wahr

alö

In

die Religion;

und haben wir ihn verstanden, so will uns die Bemerkung eines Arnobius, Weisheit, Tugend, Gerechtigkeit lasse sich bloß vom vervollkomm­

nungsfähigen Wesen aus sagen, wenig mehr bedeuten,

liefe er den gan­

zen Gegenstand vergl. K. Phil. Fischer, die speculative Dogm. von D. Fr. Strauß. 1. Bd. geprüft — Tüb. 1841. S. 61.

1. Th. I. Hauptst. B. Gott. §§. 78. 79. Scligk. u. Rechtsch.

8. 78.

169

Seligkeit.

Das göttliche Wesen wird als das alleinweise von der

erkennenden Crcatur,

als das

herrliche und heilige von der

selbstischen, als das selige von der empfindenden abgezogen. Denn auf der einen Seite giebt die vollkommne Einheit des göttlichen

Könnens, Wissens und Wollens mit der Liebe, ans der andern

die vollkommne Unberührtheit vom Mangel und vom Uebel den Begriff der göttlichen Seligkeit.

1 Tim. 1, 11. 6, 15.

A nmerk. Die fast allein geltende Eigenschaft der homerischen Götter, die sie dem mühjeligen Menschen gegenüber behaupten, ist in der testamentischcn Gottesverehrung. welche es ammeisten mit den communicativen und ethischen Eigenschaften zu thun hat, untergeordneter Weise erwähnt. Indessen: Gott ist mangellos, uubedürftig Ps. 50, 10—14. AG. 17, 25. Dieß eine wesentliche Bestiinmung Gottes in der Alerandrinischcn Lehre: en S&qcifymingcn dcs Vok/eö (United im 'ümfyc der We/ohe/t — wo noch die Zweideutigkeit des Griechischen ilalfag hinzukommt — tn dem Begriffe der Zugee/gnetheit und Geliebtheit ganz verschwinden,

als

der Knecht Gottes sogar

freie oder

erwählte Einzelheit

über das

Allgemeine der israelitischen Kindschaft oder der bloß amtlichen Sohn­ Die griechischen Sprachforscher bemer­

schaft und Würde hinausgehen.

ken, tfEQÜnwy sei mehr als tfauXos, sei der vorgezogene, oZxoVo/zof,

weshalb Moses , der Inhaber des innigsten

alriensis, der Vertraute;

und erhabensten Verhältnisses zu Gott von den griechischredenden Juden

xHQtinwv xvoiov Jos. 1,2. 1 XX. Sap. 10, 16, eigenthümlicher Weise genannt wird.

Dennoch heißt kein Prophet als solcher Sohn GotteS,

und der Begriff der höchsten Verwirklichung des religiösen persönlichen

Lebens ist Knecht des Herrn.

Diese Verwirklichung ist int A. X. zwar

auch schon Gegenwart und Vergangenheit, aber noch weit mehr Zukunft. die sich offenbar im Leiden

Im N. T. bezeichnet sich diejenige Person, und Thun des gerechten

wirklicht doch nicht als Knecht,

Sobn des

Vaters.

schauet und

Knechtes

diese Anschauung ver­

sondern als Sohn,

Warum wohl?

als

eingebornen

Weil der wahrhafte Knecht nur

als der da sein kann, in dem die Gemeinschaft nut Gott ein ursprüng­ liches, ein göttliches Geborensein oder ein vom Vater Ausgehcn und in

die Welt Kommen ist.

Nach dem Fleisch kann der vollkommen Reli­

giöse nicht geboren werden, durch die Wechselwirkuiig des Gesetzes und

der Verheißung nicht sich darstellcn, sondern nur sich weissagen und vor­

bilden.

Die

absolute Wirklichkeit

Gehorsams als Aufhebung

eines

gottgefälligeii Dienstes und

des Gegensatzes

von

Nothwendigkeit und

Freiheit, ist nur m dem Sohlte gegeben, an den die einzelnen Knechte,

Scl'ne, Priester nicht heranrelchen Luc. 20, 13.

Nur der Sohn wird

sündlos sein können, nur seine Versöhnung des Volks ein änu^, weil zugleich belebende Erlösung;

nur als Sohn wird

Geist im vollen Maaße empfangen,

er nicht allem den

sondern auch selbst Mit Geist und

I. Th. !. Hm'ptsr.

Lorr Gott.

§. 84. Der h. Geist.

189

Feuer taufen. Als solcher aber sann er nicht in der bloß äußerlichen, zeitlichen mjt vorbildlichen ih'cife der Wabl Solm fein, er muß es in der SOcifc der natürlichen Wirklichkeit also der Gottmensch sein. •*) M en sch en so hn (nach Dan- 7, 13.) ist die erste eigenthümliche Selbst­ benennung , der sich Jesus bedient. Eine messianische mußte cs Ire Id sein, wenigstens folgt aus Ioh. 5, 27. daß sie dieß im Sinne deS Herrn war Wiederum aber aus der Frage der Juden Ioh. 12, 34. (vgl. Matth. 16, 13.) scheint zu folgen, daß Jesus mit diesenl Namen einen damals nicht gangbaren gewählt hatte. Nicht unbedeutend ist, daß die apostolische Sprache (mit Ausnahme von AG. 7, 55.) dte mehr erwähnte Bezeichnung des Chrtstnö gar nicht weiter anwendet. ***) S. Justin. M. Viril, c. Tryph. p. 221. in Sylb. 1593. — Manivotov (Tf zai dki.o vpiv, io qi) ot, f-q^v. ano kov yoaq (jov 6(öao) , 011 “QX1«*' 31 (?o Tiävimv lujy zi laudnor u &to$ ytyu'yqxe tlv« Iuvtov ).oyrzn]v, >,< t; zai Ju^a zvqIou l jio

nyEtqiaios dyiov

tou

(FZ cTt6]»jG0vzahiiat, 7iO7€

fyft ydo ndvia nooaorouä^a&ai , lz if iov vnr^ni-lv ko na-

iov naioo$ £fZ/'an ytytvvq— Daß der Apostel Paulus n am entlief) an einer solchen Auf­ fassung der alttestamentlichen Lehre von Gott theilnimmt, laßt sich an mehrern Thatsachen erkennen. Denn nicht nur setzt er geradezu bei der Auslegung der israelitischen Geschichte Ebristum an die Stelle deS Gottes der Offenbarung oder Jehova's 1 Eor 10,4 9 , er giebt Ehristo auch Pradieate, die in dem A. T'. nur als Prädicate Iehova'S ihre Er­ klärung sindcn. Z. B. Phil. 2, 10. vergl. Jes. 45, 23.

tQtz(p

ßovl.tjpan zai lz iov d io

a&tu.

§.84.

Der heilige Geist.

Gott ist Geist — an sich (§. 62.), denn er ist das ewige, selbstständige, denkende Leben und

Wirken.

Daß Gott aber

sich selbst erkennet und liebet, geschieht wieder durch Gott als Geist, denn niemand erkennet die Tiefen Gottes oder was in Gott ist als Gottes Geist*), 1 Cor. 2, 11.

Allein Gott ist

nicht bloß für sich in der Fülle seines Selbstbewußtseins da. Sein sich selbst gegenständlich werden, sein ewiges Ebenbild,

190

I. Th.

1. Hauptst. Don Gott.

§. 84. Der h. Geist,

ist daS Wort, durch welches, und ist der Geist, in dem er alle Dinge schafft, durch welches und in dem er ein endliches

Dasein, und im endlichen Dasein Bewußtsein wirket. Sollte Gott als der Schöpfer, Träger, Herrscher des Alls, in wel­ chem seine Ehre wohnet, nicht wieder als Geist zu verehren sein? Weisheit und Wort, Wort und Geist stehen hier in

Unterschied, Beziehung und Einheit. Sofern der göttliche Hauch ebenso als die göttliche Rede die Vorstellung der göttlichen Kraftäußerung, Wirkung und Wirksamkeit ist, giebt es zwi­

schen Logos und Geist nur den Unterschied der Vorstellung **). Der bloße Parallelismus der Fülle bringt einen Satz wie Ps. 33, 6. hervor. Sofern aber der Hauch die Mittheilung des eignen Wesens bedeutet, ist er der besondre Schöpfer des be­ wußten Daseins oder der Vernunft im Dasein 1 Mos. 2, 7. und vom Schöpfer des allgemeinen Daseins verschiede». Oder,

sofern alle Offenbarungen, Schöpfungen, Wirkungen Gottes geistigen Inhalt haben, aus Geist hervorgehen und für den

Geist da sind: so daß alles Aeußere das Aeußere eines Innern und als solches erinnernd sein muß: laßt sich verstehen, daß es bereits in Bezug auf die Schöpfung, Erhaltung und Ver­

waltung der Welt überhaupt ein verscbiednes und einiges Wir­ ken des Logos und des Geistes giebt***).

Gewiß ist, daß die

schöpferischen Wirkungen, also auch die Wunder, gesetzt auch daß sie physische oder physisch - ethische Dinge und Zustände

hervorbringen, bald gleicherweise dem Geiste wie dem Worte

bald einem von beiden vorzugsweise zugeschrieben werden. 1 Mos.

1, 2. vergl. v. 3. Ps. 33,6. Ps. 104, 30. vergl. Ps. 147, 15. Hiob 33, 4.

Jes. 55, II.

Bestimmter thut sich dasselbe Ver­

hältniß im Werke der eigentlichen Offenbarung und Erlösung

kund.

Denn sowie im A. B. diejenigen einzelnen Personen,

durch welche das Wort Gottes in einzelnen Aufträgen gesetz­ gebend und weissagend ergehen und in welchen die theokratische

Leitung und Fortbildung des vorbildlichen Volkes bestehen sollte, Personen wie Moses, die Aeltesten, die Suffeten, Priester,

I Th. I Hauptst. Von Gott.

§. 84.

Der h. Geist.

191

Könige, Propheten, im Zustande eigenthümlicher inniger Ge­ meinschaft mit Gott sich befinden und als Manner des Geistes eine immanente Fähigkeit für das Reich Gottes besitzen mußten

1 Sam. 10,6. 19,20. Jes. 63, 10. Ps. 51, 13. Hos. 9,7. f), so bildete sich auch eine Hoffnung auf den, der die Inspiration in vollem Maaße besitzen würde Jes. 11, 1. vergl. Joh. 1,33. 3, 34. und auf die Zeit, welche nicht einzelne successive Begei­ sterungen der Propheten im Volke, sondern die simultane Be­

geisterung des Volkes und alles Fleisches sehen sollte, Joel 3. Ezech. 36, 26. 27. Diese Zeit war allerdings noch nicht, als Jesus sich sehnte Luc. 12, 49. das Feuer anzuzünden und mit Feuer zu taufen,

und insofern war auch noch nicht heiliger

Geist Joh. 7, 39.

Die Welt ohnehin als solche kannte ihn

nicht und empfing ihn nicht Joh. 14, 17.

Aber wie der erste

Paraklet, der im Fleisch erschienene, verkündigt hatte Joh. 14.

16. (aXXot TiagdxkijToV) 26. 15, 26.

16, 7 —15. es würde

nach seinem Hingange zum Vater ein andrer kommen, um die

Gemeinschaft mit Gott bei denen, die an den ersten geglaubt, zu vollenden, so geschah es AG. 2. und wenn fortan niemand

für einen wahren Theilnchmer Christi und des Heils, niemand

für einen Bürger des Hauses und für einen Zeugen der Ehre Gottes geachtet wurde, der nicht die Gabe des heiligen Geistes

empfangen hatte und an die Taufe des Geistes glaubte AG. 19, 1—5.

vergl. 8, 15., oder nicht Jesum in dem heiligen

Geiste einen Herrn hieß, 1 Cor. 12, 3. Rom. 8, 9., so mußte der christliche Glaube wesentlich ein Glaube an den heiligen Geist werden, und nicht nur die Unterscheidungen des heiligen

Geistes von dem Vater und dem Sohne, von Gott dem Vater und dem Herrn Jesu, sondern auch die Gleichstellungen dessel­

ben mit diesen Namen, Personen, Causalitäten AG. 5, 3. 4. 1 Cor. 3, 16. 6, 19. 12, 4—7. (Herr, Gott, Geist) 2 Cor. 13, 13. zeigen an, daß wir den Gott, der Liebe ist, als den heiligen Geist d. i. als die durch das Wort belebende, mitthei­

lende, aneignende Liebe gleich göttlich zu verehren haben, und

192

l. Th. L Hauptst. Von Gott.

§, 84. Der h. Geist.

daher auch von der im Heiliqthume des Herzens und Gewissengeoffenbarten Majestät und Herrlichkeit des Gottes Jesu Christi als Christen uns, ebenso wie überall, von Gott abhängig füh­ len sollen-j-f). •) Daraus ergiebt sich, Wie SvnesiuS den Geist gewissermaaßen als

iitoov zwischen Vater und Sohn,

rius

Victorinus

konnte.

den

Gott und Logos ,

Geist als

Mutter

oder wie M a-

deS Sohnes darstellen

Vergl. m. Theoll. Stud. 1816. S. 96. u. 67-

Ihm zufolge

ist der Vater das esse, der Geist das inlelligere , der Sohn das viAuch die ganze Trias Spiritus tripolens.

vere.

**) Daraus ist es zu verstehen, daß der Hirte des Hermas den Vv ligen Geist gar nicht als das Dritte, überhaupt kein drittes, vielmehr

ibn als daö zweite — Logos, Sohn Gottes kennt. Sim. V 4. Ebendaraus, daß der Geist dex Weisheit nach Sap. 1, 7.

Universum

tragende

7, 22„ die daS

und zusammcnhaltende alldurchdringende GotteS-

kraft ist. ***) Daher überhaupt der Geist bie dnyc^u?

teXeuotlxi]

nach Basilius, und

überhaupt auch außerhalb der Oekouomie der Erlösung das endlich gei­ stige Sein bedingend, von dem er verschieden ist — Sap. 7, 23. y

§. 85. Welt.

&eou eine fortwährende Schwie­

iexvcov tou

rigkeit.

Im alten Hebraism

giebt cs für das geschaffne

nicht ganz richtig Welt übersetzt.'

fein ein­

Universum

wird Ps. 73, 12.

Denn 72N lst nur ynx, und

zelnes Wort.

Im spätern Judaism aber scheint

die Zeit oder daö All der Zeiten für das All deS Endlichen gesagt zu

daher altuyEg Hebr- 1, 2. 11, 3. = Welt - All.

werden;

kommt

Dagegen

im N. T. neben der Umschreibung „Himmel und Erde"

xdo^og (niundus) vor,

auch

z. B. Ioh. 17, 5., wo, weil die Vorstellung

xcnrtßoX^ t'iep nicht zuläßt, nicht mit S ch l e i er m a ch er S. 209. die

Menschenwelt verstanden werden kann.

von xÖG'Uog

Ueber den griechischen Begriff

s. Plutar ch de place philoss. II. §

jiQühog üjyöitc'.GE iqv iiüy oXioy

1 Ilu&ayopefs

7lEQioyqv xÖGpoy,

ix

lv

avicp Ta^Eiag. ***) Die religiöse Betrachtung der Welt besteht nicht bloß darin,

menheiten wahrnchmen;

daß wir

und Ausdrücke der göttlichen Vollkom­

in und an ihr Offenbarungen

denn diese Wahrnehmung wäre selbst trüglich

und zufällig, wenn wir die Welt nicht als das Werk Lottes in ihrer vollständigen Abhängigkeit von In unserer

Gottes

den Final-Ursachen.

betrachten

Eausalität

Vorstellung unterscheiden sich

dürften.

aber wirkende Ursachen von

Beziehn wir die Abhängigkeit der Welt auf den

letzten Grnnd ihres Daseins, so entsteht der Begriff der Schöpfung

und Erhaltung, welchem vorzugsweise die Eigenschaft Macht ent'

spricht;

beziehn wir sie auf den höchsten Zweck der allweisen Liebe,

so treten die Lehren von der Vorsehung und ein.

Eine

Begriffen

Welt reg i er u ng

Vermittlung zwischen den ätiologischen und teleologischen constituirt die Lebre

von der

göttlichen

(concursus), wiewohl sie nach T Westens Urtheil,

Mitwirkung

der sie unter den

Neuern am meisten und noch anders als de Wette wichtig gemacht,

mehr zur Aetiologie gehört.

Die Schöpfung ist kein vollständiger Be­

griff der Dependenz der Welt, weil wer sie allein denkt, Gott sich so

vorstellen kann, als träte er von seinem Werke, es sich selbst überlas­ send, zurück; Gott muß also Erhalter sein.

Indessen schließt die

religiöse Betrachtung nicht aus, sondern fordert,

daß wir den Grund

der Erscheinungen auch in der Wirkung endlicher Ursachen suchen, soweit

sie reichen.

Aber auch diese wirken nicht bloß, weil sie Gott hervor­

bringt ins Dasein und im Dasein erhält^ sondern wie sie wirken sollen und

unter seinem

wandter Arzneien.

Ciusiuß.

Z

E.

Gott segnet die Wirkung ange­

Dieses Moment der Dependenz soll nun den Begriff

1. Th. II. Hanptst. Po» bcr Ereatur. §. 86. Schöpfung.

195

des concursus als einen besondern erheischenCs ließe sich jedoch luiurer noch fragen, ob nicht Mitwirkung vielmehr etwas in nnb an der Erhaltung, in und an der Weltregierung, die nothwendige Be­ ziehung beider aus das Selbstleben der Creatur, als etwas für sich und mit Erkaltung und Regierung coordiuirtes sei. —

§. 86.

S ch ö p fun g.

Das All des Endlichen samt seiner Ordnung und Zweck­

mäßigkeit ist allein durch den Willen Gottes, durch seine Kraft­ äußerung *) oder sein Wort ciitstandcn, also nicht aus etwas

anderm **) noch von sich selbst; und weil cs von Gott geschaf­ fen ist, ist es gut ***).

Daß aber die That der Schöpfung

in vollkommner Zweckes- und Willens-Einheit steht mit der That der Erlösung, wird uns dadurch verbürgt, daß der Ei­ nige Gott, nicht durch diencudc Mittler und nicht gewähren­

lassend, sondern durch denselben Logos, der Fleisch ward, Ioh.

1,3. Lol. 1, 26. Hebr. 1, 2. 1 Cor. 8, 6. alles geschaffen hat. Die Welt ist demnach nicht das ewige Wort Gottes, sondern

ein Andres als Gott und als sein Wort; aber da sie durch das Wort Gottes geschaffen ist,

ist sie der Offenbarung Gottes

gemäß beschaffen und dazu eingerichtet, nicht nur die Offenba­

rung Gottes zu vermitteln sondern auch sie zu empfangen. *) 1 Mos. 1, 3.

Ps. 33, 6.

Hcbr. 11, 3.

**) Auch das ou tu nävia giebt nicht die Vorstellung des AnösiießenS oder Ansftrahlenö aus dem göttlichen Wesen, sondern den CausalitatSbegriff. (Mett nist was nicht ist, daß es fei Röm. 4, 17- Der alte Satz: ans Nichts wird nichts — ist nicht wider, sondern gerade für den Schöpfungsbegriff. Eher als gegen die SchöpfnngSwahrheit könnte man ihn gegen den bloß logischen oder ideellen Grund eines Weltanfangs einwenden. ***) 1 Mos. 1, 31- Isiclorus de ofliciis eeclcsiasticis lib. II. c. 23. dc regula üdei. IXullain omnino esse visibilem invisibilemque substanliam, nisi aut quae Dens sit aut a bono Deo bona creala sit: sed Deus summe et incominutabiliter bonus, creatura vero inferius et commutabiliter bona. —

196

I. Tb. II. Hauptst. Don der Creatur.

A n m e r k. 1.

93cm Anfänge,

§. 87. Erhaltung.

Umfange und Ende

der Welt giebt eS

Vorstellungen, die sich nicht bis znin Begriffe bestimmen lassen. allen metaphysischen

Fragen

noch am wenigsten zur Ruhe gekommen,

Raums

vielen wenig, um den ui dieser Hinsicht des biblischen Theismus gewachsen zu sein.

durch

namentlich noch

bestehenden Voraussetzungen

Die Vorstellung deS Welt-

einmal weil sich die absolute Bedingtheit der

Anfangs ist unerläßlich,

Welteristenz

Unter

ist die Philosophie der Zeit und deS

Gott eben nur so vorstellen,

die Wahrheit ihrer

Schöpfung und der relative Unterschied der letztern von der Erhaltung

eben nur so behaupten läßt, und dann, weil die Unendlichkeit der Zeit und Welt diese samt der Geschichte ihrer realen und objectiven Bedeutung berauben,

also den Zweckbegriff verletzen würde.

gen sind

entweder nur Schein und sind keine oder sie haben Anfang

und Schluß.

Verwirklichun­

Hicmit sind die speculativen Schwierigkeiten eines An­

fangs in seinem Verhältnisse zum ewigen Principe der Schöpfung frei­ lich noch nicht beseitigt, aber sie sind für den Theksrn nicht größer als

für den Pantheismus. An merk.

2.

Mlt Recht haben die Theologen — zunächst auf Anlaß

der mosaischen Urgeschichte, nämlich des Sechstagewerks — die creatio medial» von der prima, immediata unterschieden.

mitten des Raturlebenö Entstehungen,

Es

giebt in­

deren Grund auf die ordnende

Allmacht zurück zu führen ist, nicht auf die wirkende Natur. Die unter

der menschlichen Stufe stehende und schon bestehende Natur kann,

ob­

wohl der Schöpfung deS Menschen entsprechend und für den Act der

Menschen-Schöpfung empfänglich, doch aus sich und durch bloße Selbst­

entwicklung den Menschen nicht hervorbringen.

S. T w e st e n Vor­

lesungen. II. S. 81.

§.87.

Erhaltung.

Die geschaffne Welt besteht durch denselben Willen und

daffelbige Wort, wodurch sie entsteht. Hebr. 1, 3