Studien zur literarkritischen Methode: Gericht und Heil in Jesaja 7,1-17 und 29,1-8 [Reprint 2012 ed.] 3110134888, 9783110134889

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

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Studien zur literarkritischen Methode: Gericht und Heil in Jesaja 7,1-17 und 29,1-8 [Reprint 2012 ed.]
 3110134888, 9783110134889

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Jürgen Werlitz Studien zur literarkritischen Methode

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Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Otto Kaiser

Band 204

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992

Jürgen Werlitz

Studien zur literarkritischen Methode Gericht und Heil in Jesaja 7,1 — 17 und 29,1—8

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek —

CIP-Einheitsaufnahme

Werlitz, Jürgen: Studien zur literarkritischen Methode : Gericht und Heil in Jesaja 7 , 1 - 1 7 und 2 9 , 1 - 8 / Jürgen Werlitz. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1992 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft; Bd. 204) Zugl. Kurzfassung von: Augsburg, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-11-013488-8 NE: Werlitz, Jürgen: [Sammlung]; Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft / Beihefte

ISSN 0934-2575 © Copyright 1992 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz und Bauer, Berlin 61

Vorwort Die vorliegende Untersuchung stellt die erheblich gekürzte Überarbeitung meiner Dissertation dar, die unter dem Titel „Gericht und Heil in Jesaja 1 - 3 9 . Studien zur literarkritischen Methode" von der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Augsburg im Sommersemester 1991 angenommen wurde. Mein Dank gilt vor allem meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Rudolf Kilian, ferner Herrn Professor Dr. Herbert Leroy für das Korreferat, Herrn Professor Dr. Otto Kaiser für die Aufnahme der Arbeit in die Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft und für seine auf die Veröffentlichung bezogenen Ratschläge, dem Verlag Walter de Gruyter und seinen Mitarbeitern. Schließlich danke ich auch meinen Kindern dafür, daß sie die Zeit der Vollendung, in der sie den Papa, wenn überhaupt, nur dem Fleische nach hatten, fast ohne Murren ertragen haben, und meiner Frau Ulrike für Nachsicht und Geduld als in dieser Phase vornehmlich alleinerziehender Mutter. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Neusäß, im März 1992

Jürgen Werlitz

Inhaltsverzeichnis Vorwort

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Einleitung

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1 . KAPITEL Z U R ALTTESTAMENTLICHEN LITERARKRITIK

I.

Randbemerkungen zur Methodendiskussion - Paradigmen der Literarkritik II. Das Paradigma klassischer Literarkritik 1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik? a) Alttestamentliche Literarkritik qua Quellenkritik . . . b) Zum Zeitalter der klassischen Literarkritik c) Klassische Literarkritik oder Literarkritik der WellhausenSchule 2. B. Duhm - Literarkritik und Vorverständnis 3. Zum sogenannten Zirkel der mit Hilfe von Echtheitskriterien geübten Literarkritik III. Das Paradigma textinterner Literarkritik 1. Literarkritik und Methodenschema 2. Literarkritik als erster methodischer Schritt der Exegese. . 3. H. Schweizer - Literarkritik und L e s e r p e r s p e k t i v e . . . . Exkurs: Zu Gen 48,7d-13b - Das Problem textnaher Literarkritik 4. Zusammenfassung - die Frage nach dem Zirkel . . . . IV. Die literarkritische Methode 1. Prolegomena zur Abgrenzung a) Die Mehrdeutigkeit der Wendung „Abgrenzung einer Texteinheit" b) Die Aufgabe der Abgrenzung 2. Das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik 3. Zum Verhältnis von Literarkritik und Redaktionskritik . . 4. Zur Kriterienfrage und Verfahrensweise

7 13 13 13 17 22 28 35 42 42 43 50 55 56 59 59 59 64 69 79 86

VIII

Inhaltsverzeichnis 2 . KAPITEL JESAJA

I. II.

III.

7,1-17

Einführung und Problemstellung Abgrenzung und Konstitution 1. Abgrenzung im Binnenraum von Jes 7 2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift" a) Zur Begründung der Denkschrift-Hypothese b) Das Problem eines ursprünglichen Ich-Berichts in Jes 7,1 bis 17* c) Konkurrierende Hypothesen d) Zur Begründung der Wahl der „Denkschrift"-Redaktionshypothese Literarkritische Entscheidungen hinsichtlich Jes 7,1-17*. . . 1. Jesaja 7,1 a) Jes 7,1* und II Reg 16,5 b) Literarkritische Argumente für die Ausscheidung von Jes 7,1* in der heutigen Forschung c) Anfangsworte und Genealogie in Jes 7,1 d) Jes 7, lf als sekundäre Einleitung von Jes 7,1-17* . . . 2. Jesaja 7,3a.b.4a a) Die Ausscheidung des „Schear-Jaschub" b) Die Ausscheidung der Ortsangabe in V. 3b Exkurs zum Verhältnis von II Reg 18,17 und Jes 7,3b . . . c) Jesaja 7,4a* 3. Jesaja 7,4b-9a a) Die Doppelung in der Nennung der Feinde b) Jesaja 7,5b* c) Jesaja 7,8b d) Jesaja 7,8a.9a Exkurs zu V. 8a.9a im Kontext von V. 4-9 4. Jesaja 7,9b Exkurs zum Verhältnis von II Sam 7,16 und Jes 7,9b. . . . 5. Jesaja 7,10-13 a) V. 10 als redaktionelle Formel b) Zum Versuch der Harmonisierung von V. 10 mit V. 1 - 9. c) Zum literarischen Verhältnis von Jes 7,10-17* zu Jes 7, 1-9 d) Jesaja 7,11b

95 101 101 104 106 109 115 120 123 123 123 127 131 134 135 135 137 140 143 145 145 148 150 153 153 160 166 169 169 171 173 175

Inhaltsverzeichnis

e) Jesaja 7,13 6. Jesaja 7,14b-17* a) Jesaja 7,15 b) Jesaja 7,16bß c) Die Adressaten in V. 17aa d) Jesaja 7,17a e) V. 17b: „den König von Assur" 7. Zusammenfassung IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionsschichten 1. Die historisierende Redaktion in Jes 7,1-17 2. Die theologisierende Redaktion in Jes 7,1-17 a) Das Problem einer dtn-dtr beeinflußten Redaktion. . . b) Die Annahme einer theologisierenden Bearbeitung. . . V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung und einer darauf aufbauenden Interpretation 1. Ausgangspunkt und Fragestellung 2. Die literarkritische Scheidung 3. Erklärung der einzelnen Schichten a) Die Grundschicht Exkurs: Fragen zum Immanuel b) Die Erweiterungen

IX

176 180 182 186 191 194 197 199 201 201 207 207 210 213 213 214 223 223 240 242

3 . KAPITEL D A S ARIELLIED (JES

I. II. III.

29,1-8)

Einführung Zur Abgrenzung Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8* 1. Diskussion der literarkritischen Einzelfragen a) Jesaja 29,8 b) Jesaja 29,4b c) Jesaja 29,2b 2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik hinsichtlich Jes 29,1-8 a) Zur fehlenden Motivierung der Wende b) Jahwe und die Völker in Jes 29,1-8 c) Jahwe als Subjekt in der 1. und 3. Pers. sing, in V. 2f und V. 6

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X

Inhaltsverzeichnis

d) Die Aussage von V. 5a.ba e) Zur Bedeutung von V. 5bß.6 f) Zum Problem des Ineinanders von Gericht und Rettung bei Jesaja IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung. . . 1. Jes 29,1-8* und der alttestamentliche Weheruf a) Zum alttestamentlichen "nn-Ruf b) Jes 29,1-8* als alttestamentlicher Weheruf 2. Jes 29,1-8* und das Völkerkampfmotiv V. Lösungsversuch 1. Literarkritische Scheidung 2. Untersuchung der einzelnen Schichten a) Die Grundschicht b) Die Erweiterungen c) Zur Datierung der Schichten

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Literaturverzeichnis

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Register

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Einleitung Die vorliegende Studie hat einen langen Weg hinter sich. Sie nahm ihren Ausgangspunkt bei einer Beschäftigung mit dem Ariellied (Jes 29,1-8*) und stieß über der Untersuchung der Einheitlichkeit auf die Frage nach der Ambivalenz in der Verkündigung Jesajas. Die Positionen bei diesem zentralen Problem der Jesajaforschung erweisen sich als so konträr, daß eine Einigung ausgeschlossen scheint. Das zeigen zur Genüge die beiden folgenden Beispiele, die für sich sprechen: „Was die Ambivalenz anbetrifft, gehört diese geradezu zu den Grundkategorien jesajanischer Theologie - man denke nur etwa an den .Restbegriff: Ist der Name des Jesajasohnes Drohung oder Verheißung? Die Forschung hat immer wieder beides vertreten, der Disput ist nicht ausgetragen und kann nicht im Sinne eines Entweder-Oder entschieden werden [...]. Ebenso ungelöst ist die Streitfrage, ob die Immanuelverheißung wirklich eine Verheißung und nicht vielmehr Drohung sei [...]. Die Ambivalenz ist ebenso in der Beurteilung Assurs als Werkzeug des göttlichen Zornes und doch zugleich als Objekt göttlichen Gerichtes vorhanden, sie tritt aber auch in Erscheinung, wenn man 31,1 - 3 neben 31,8 liest. Die modernen Exegeten sind nicht die ersten, die in Jesajas Verkündigung Einlinigkeit vermissen. Mit dem Befremden darüber hat sich Jesaja eben im Gleichnis vom Ackerbauern auseinandergesetzt. Er hat tiefer gesehen als die alten und neuen Kritiker seiner Verkündigung rrtfm ΐ ^ τ π γτηρ x^bsn (28,29b). In gewissem Sinne nimmt der Abschnitt 29,1-7 eine Schlüsselstellung in der Theologie Jesajas ein." 1 „Löst man nun aber die mit der Zionstradition verwandten Texte und auch die messianischen Verheißungen vom vermutlich authentischen Jesajagut ab, trennt man also Authentisches von Sekundärem, dann ist es auch nicht mehr notwendig, für die Verkündigung Jesajas Paradoxien und Ambivalenzen zu postulieren. Dann muß man auch nicht mehr Strukturen erarbeiten und sachlich wie formal komplexe Anlagen erfinden, in denen Unheil und Heil miteinander verbunden sind, die für Jesaja geradezu charakteristisch sein sollen, die aber ansonsten in der vorexilischen Prophetie nicht belegt sind. Solche Konstruktionen sind nichts anderes als die Konsequenzen einer unterlassenen oder ungenügenden literarkritischen Scheidung bzw. Ortung der jeweiligen Texte. Ein derartiges Vorgehen hat dann freilich wiederum zur Folge, daß man auch andere Texte in diese 1

H. Wildberger: Jesaja III S. 1103.

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Einleitung

Ambivalenz einbezieht. Denn wenn es bei den Zionstexten in 1 - 3 9 so ist, daß sie Unheil und Heil zugleich bergen, dann ist solches bei anderen Einheiten nicht nur auch möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Was einmal zur Grundkategorie jesajanischer Theologie erhoben ist, kann überall eingesetzt und entfaltet werden. So ist es denn nachgerade selbstverständlich - um nur ein Beispiel zu nennen - , den Namen Schear-Jaschub ambivalent zu interpretieren, auch wenn die jesajanische Restvorstellung als solche eindeutig ist."2 Lieferte H. Wildberger das Material für eine Untersuchung unter dem Thema „Die Ambivalenz in der Verkündigung Jesajas", so fand sich bei R. Kilian die Methode zu deren Bewältigung. Es sollte also in der Arbeit darum gehen, wenigstens einige der sogenannten Ambivalenz-Texte literarkritisch zu untersuchen und damit auch zu klären, ob die Literarkritik in der Tat das ganze Ambivalenz-Problem gegenstandslos macht. Mit zunehmender Beschäftigung, gerade mit dem von allen exegetischen Schulen und Richtungen mit allen möglichen Methoden behandelten Text Jes 7,1-17 geriet die Zielvorgabe jedoch immer mehr zum Problem. Die divergierenden literarkritischen Scheidungen hinsichtlich Jes 7,1-17 stellten die anfänglich naive wie selbstverständliche Annahme eines univoken Gebrauchs des Begriffs Literarkritik in Zweifel, ließen die bis dahin als das zuhandene Werkzeug verwendete Methode fragwürdig werden und warfen damit das Problem der Methode und ihrer Kriterien auf. So wandelte sich die Studie von einer thematisch-exegetischen Arbeit zu einer forschungsgeschichtlichmethodenkritischen Untersuchung, die lediglich anhand zweier bescheidener

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R. Kilian: Jesaja 1 - 39 S. 135. Es geht hier keineswegs um ein Randproblem der Jesajaforschung. Die Fragen, welche Texte in Jes 1 - 3 9 von Jesaja selbst herrühren, und wie sie sich zu einem geschlossenen Bild von der Verkündigung Jesajas zusammenfügen, bestimmen die Forschung seit dem Aufkommen der Literarkritik. Zeichnete sich auch hinsichtlich der Beantwortung dieser Fragen vor etwa 20 Jahren eine Art Grundkonsens ab, sind sie gerade in jüngster Zeit von neuem gestellt und auf neue Weise beantwortet worden. Die Diskrepanz, die gerade zwischen diesen neuen Versuchen und dem hergebrachten stabilisierten Bild besteht, könnte kaum krasser gedacht werden. Daß sie sich auch aus einer methodischen Umorientierung ergibt, muß bei einer Beurteilung ebenso mitbedacht werden wie die Umorientierung selbst. Ob dabei das Etikett „Neo-Literarkritizismus", das C. Hardmeier in seinem Forschungsbericht „Jesajaforschung im Umbruch" [S. 5] (vgl. neuerdings ders.: Prophetie S. 16) den Vertretern des Umbruchs verliehen hat, allen voran O. Kaiser [Jesaja I], der mit der Neuauflage seines Kommentares zu Jes 1 - 1 2 das Problem der jesajanischen Verkündigung fast vollkommen erledigt hat, das Richtige trifft oder nur Abwehrmittel einer Verunsicherung ist, die ein entsprechendes Fragen hinsichtlich der vielen vermeintlichen Grunderkenntnisse der Forschung auszulösen imstande wäre, bedarf der Klärung. Zur Rezeption solcher Etiketten s. schon A. Laato: Immanuel S. 2 1 - 2 3 .

Einleitung

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Texte aus dem Jesajabuch die Frage nach der Aufgabe der Literarkritik veranschaulicht. Eine solche Arbeit wurde sicherlich zur Unzeit unternommen, in einem Stadium der Krise alttestamentlicher Exegese, das R. Rendtorff jüngst mit der Phase außerordentlicher Wissenschaft in der Zeit vor dem Ausbruch einer wissenschaftlichen Revolution im Sinne T.S. Kuhns verglichen hat. Man wird freilich vorsichtig sein, diese geisteswissenschaftliche Theorie über den Fortschritt der Naturwissenschaften4 auf eine Geisteswissenschaft anzuwenden, weil es immer noch eine offene Frage sein dürfte, ob man in einer Geisteswissenschaft wie der alttestamentlichen Exegese überhaupt von einem bestehenden Paradigma sprechen kann, das von einem anderen abgelöst werden könnte. 5 Trifft die Beschreibung R. Rendtorffs aber zu, kann die vorliegende Untersuchung als Beitrag zu der von ihm gestellten Aufgabe bewertet werden, nach der die herkömmlichen Methoden „selbst im Lichte neuer Beobachtungen überprüft und gegebenenfalls verändert werden" müssen, unbeschadet der Möglichkeit, daß sie zu den Arbeiten jenes Teils der Alttestamentler gezählt wird, der „die Krisensymptome nicht wahrnimmt oder nicht wahrhaben will und stattdessen die Lösung der Probleme von einer noch gründlicheren und genaueren Anwendung der alten Methoden erwartet." Der Kern der vorliegenden Arbeit liegt in der literarkritischen Bestandsaufnahme zu Jes 7,1 -17*, in der lediglich versucht wurde, die literarkritischen Argumentationen nachzuzeichnen, zu erhellen und auf ihre Stichhaltigkeit hin zu beurteilen. Damit einher ging die Auseinandersetzung mit den älteren und den aktuellen methodischen Konzeptionen der Literarkritik, die in einem zweiten Schritt nach vorne ihren Niederschlag fanden. Sicherlich ist damit nicht das Letzte gesagt, Kap. 1 soll auch nicht Hinführung zu einem methodischen Konzept, sondern vielmehr ein Anstoß zur Besinnung auf den Umgang mit der Methode der Literarkritik, aber auch mit jenen Forschern sein, denen wir sie verdanken. Die aus 1. gewonnenen Einsichten haben auf die Darstellung von Kap. 2 großen Einfluß gehabt, Λ

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S. R. Rendtorff: Jesaja 6 S. 82 und dazu s. T.S. Kuhn: Struktur (vgl. das Referat von U. Struppe [Hinführung S. 13] zum Selbstverständnis einiger Exegeten im angelsächsischen Bereich). Die in der vorliegenden Arbeit getroffene Unterscheidung von Paradigmen der Literarkritik hat damit nichts zu tun. S. zu dieser Charakterisierung J. Möller: Geist S. 59. S. W. StegmüUer: Zirkel S. 33 [75]; zu T.S. Kuhn besonders ausführlich s. ders.: Hauptströmungen III S. 2 7 9 - 330. Zurückhaltung vor Globaltheorien legt sich auch R. Smend [Epochen S. llf.] auf. Vielleicht ist die Methodologie W. Richters [Exegese] ein erster Versuch zur Etablierung eines Paradigmas, aber allein die Modifikation, die seine Theorie durch seine Schüler erfährt (s. dazu H.D. Preuß: Linguistik S. 17ff.), scheint schon anzuzeigen, wie schwierig ein solches Unternehmen in der Exegese ist. R. Rendtorff: Jesaja 6 S. 82.

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Einleitung

besonders auf die Unterpunkte II und VI, während das schon erstellte Mittelstück (IV und V) nur noch partiell der geänderten Sichtweise angeglichen wurde. Mag damit auch ein gewisser Bruch gegeben sein, wird dieser schon deshalb in Kauf genommen, weil sich in ihm die Kehre vom Denken in der Forschungstradition zu einem sicherlich auch von der Forschungstradition beeinflußten, aber zumindest teilweise unabhängigen Neubedenken anzeigt. Kap. 3, das sich mit Jes 29,1-8 auseinandersetzt, steht als das zuletzt abgeschlossene Stück mit Recht am Ende, trotzdem sind darin auch die ältesten Entwürfe nach Überarbeitung eingegangen.

1. Kapitel Zur alttestamentlichen Literarkritik

I. Randbemerkungen zur Methodendiskussion - Paradigmen der Literarkritik „Versteht sich das Verstehen in den Geisteswissenschaften wirklich richtig, wenn es das Ganze seiner eigenen Geschichtlichkeit auf die Seite der Vorurteile schiebt, von denen man frei werden muß? Oder teilt die .vorurteilslose Wissenschaft' mehr, als sie selber weiß, mit jener naiven Rezeption und Reflexion, in der Traditionen leben und Vergangenheit da ist?" Solange eine Geisteswissenschaft sie selbst bleibt, wird sie es nicht versäumen, ihre eigenen Bedingungen und Voraussetzungen zu bedenken. Und gerade in Situationen der Krise und des Umbruchs wird sie sich der Zukunft nur öffnen können, indem sie die eigene Gegenwart auf Grund ihrer Bedingungen und Voraussetzungen versteht, im Rückgang in ihre eigene Geschichte und Geschichtlichkeit. 2 Die Methodendiskussion innerhalb der Exegese des Alten Testaments, die im deutschen Sprachraum vor 20 Jahren vor allem mit W. Richters „Exegese als Literaturwissenschaft" angestoßen wurde, trägt Züge der Krise und des Umbruchs gleichermaßen und kann noch heute nicht als abgeschlossen bezeichnet werden. Die historische Kritik, die die Bibelwissenschaft seit etwa zwei Jahrhunderten bestimmt hat, scheint in die Krisis geraten, 3 ein Umbruch in der Rezeption

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H.-G. Gadamer: Wahrheit und Methode S. 266. Methodendiskussionen haben in der Exegese vielfach dann eingesetzt, wenn neue Methoden sich in der Praxis schon durchgesetzt hatten, um deren Verhältnis zu den schon eingeführten Verfahrensweisen zu bestimmen. Sie setzen aber auch dann ein, wenn in der Exegese eine Krise empfunden wird. In solchen Zeiten der Verunsicherung geht es immer auch um Versicherung über die Methoden. So sah etwa kurz nach dem zweiten Weltkrieg G. von Rad [Forschung S. 172] „die Notlage unserer Wissenschaft, sonderlich die Krisis in ihrer wissenschaftlichen Methodik [...]. Die Gründe liegen gewiß viel tiefer in der eigentümlichen Problematik aller geistig-wissenschaftlichen Arbeit heute." S. nur den das Ergebnis vorwegnehmenden Titel G. Maiers: „Das Ende der historischkritischen Methode" (vgl. J. Barr: Bibelkritik S. 30). Diese Krise besteht nach R. Rendtorff [Criticism S. 302] darin, daß sich ein Paradigmenwechsel von der historischen Kritik zur ganzheitlichen Interpretation hin abzeichnet. In einer solchen Krise der Wissenschaft kommt es nach R. Rendtorff zur Ausfaltung eines Methodenpluralismus, wie er die gegenwärtige Forschung schon bestimmt, ein Phänomen, das neben R. Rendtorff auch O. Kaiser [Literarkritik S. 55f.] und L. Alonso Schökel [Trends] beobachten; zur holistischen Bibelinterpretation s. auch R. Smend: Epochen S. 31. Optimisti-

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I. Randbemerkungen zur Methodendiskussion

literaturwissenschaftlicher Ansätze und Methoden deutet sich an, ja, er ist in weiten Teilen der Wissenschaft, wenn auch in unterschiedlichem Maße, vollzogen.4 Methodendiskussionen hat es freilich schon früher in der Forschung gegeben. Deren Ergebnisse lassen sich als eine Art Summierung begreifen: Hergebrachten Methoden wurden neue Sichtweisen, die meist von anderen Wissenschaften übernommen worden waren, beigestellt, erstere dabei meist einer gewissen Revision hinsichtlich ihrer Tragweite unterzogen, das Verhältnis der Methoden zueinander bestimmt. Aber gerade hier scheint Ungenügendes geleistet worden zu sein. Der Beitrag der Exegese bei der Erweiterung des Methodenspektrums durch neue Methoden hätte nämlich nach G. Fohrer „darin bestehen können, daraus ein methodisches System zu entwickeln, das klar durchdacht, überschaubar und nicht zuletzt korrigierbar und veränderbar hätte sein müssen - etwa um eine neu übernommene Methode darin einzufügen. Jedoch hat sie dies die längste Zeit zu tun versäumt und diese dringende Aufgabe nicht erfüllt, vielmehr neu übernommene Methoden lediglich an die schon praktizierten angehängt."5 Was die von W. Richter angestoßene Methodendiskussion betrifft, nimmt sie eine andere Qualität an. Wenngleich versucht wird, auf dessen Ansatz mit der Einführung einer neuen Methode der sprachlichen Analyse zu reagieren,6 womit der Summierungsprozeß der alttestamentlichen Methodologie weitergeführt würde, so trifft dies keineswegs W. Richters Intention. Sein Konzept einer Exegese als Literaturwissenschaft zielt auch nicht allein auf eine Reformierung der formgeschichtlichen Methoden ab,

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scher beurteilt W.H. Schmidt [Plädoyer S. 2] die Gegenwart der Bibelwissenschaft als „eine Zeit erneuten Fragens, Suchens und Prüfens, aber leider auch vorschnellen Urteilens." K. Koch [Formgeschichte S. Xlllf.] leugnet einen solchen Umbruch. Für ihn stellen sich zwar die an der Literarkritik der Zeit um J. Wellhausen orientierte Redaktionskritik und linguistische Theorien alttestamentlicher Exegese als Neuansätze dar, die das Bild heutiger Forschung prägen, trotzdem hält er seine formgeschichtliche Methodik für nach wie vor nicht überholt. Zudem bemängelt er das Fehlen „einer hinreichenden Methodendiskussion" in der Bibelwissenschaft. Diese Behauptung steht jedoch deutlich in Widerspruch zu den Anstrengungen, die seit dem Ende der sechziger Jahre auf dem Gebiet der Methodik unternommen worden sind. Gerade, was die Methode der Literarkritik betrifft, hat sich aus dem Bemühen, die exegetischen Methoden in ein effizientes Schema für die exegetische Textbearbeitung einzuordnen, eine wesentliche Neubestimmung ergeben. Es heißt, die zahlreichen Versuche zu ignorieren, wenn man vom Fehlen einer hinreichenden Methodendiskussion spricht. G. Fohrer: Methoden S. 243f. Von einer bloßen Anhängung neuer Methoden zu reden, ist freilich überspitzt. Dies läßt sich schon an der Neubewertung der Literarkritik zu Beginn der religions- und formgeschichtlichen Forschung belegen (s. unten S. 25 - 27). S. beispielsweise G. Wanke: Sprachliche Analyse.

I. Randbemerkungen zur Methodendiskussion

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sondern betrifft die gesamte Exegese als Wissenschaft, die auf der Grundlage einer strukturalistischen Literaturtheorie einer grundlegenden Neukonzipierung unterworfen wird.7 Damit werden nicht nur die Problem- und Fragestellungen der Exegeten verändert, sondern auch der Gegenstand der Bibelwissenschaft neu definiert:„Gegenstand sind - darüber besteht Einigkeit - die Bücher des AT. Der Gegenstand dieser Fachwissenschaft ist damit Literatur, und zwar ein kleiner Bereich aus einer Fülle von literarischem Material der verschiedensten Epochen und Sprachen, der verschiedensten Arten. Er mag seine Besonderheiten haben; zunächst ist aber klar, daß er mit den gleichen empirisch-rationalen Methoden untersucht werden kann und muß wie alle übrigen Literaturen. Die Bibelwissenschaft ist somit ein kleiner Zweig der Literaturwissenschaften; sie ist Literaturwissenschaft."8 Hat die Bibelwissenschaft mit dem Aufkommen der historischen Kritik einen fundamentalen Umbruch von theologisch-systematischer zu historischer Wissenschaft vollzogen, wobei sie als historische Disziplin der Theologie zwischen den Polen der Geschichtswissenschaft und der Theologie eingespannt war, deutet sich mit W. Richter ein neuer, radikaler Umbruch an, der die Exegese aus der Spannung entläßt, indem sie zu einer Grundlagenwissenschaft reduziert wird, an die sich die traditionellen Fragen nach Geschichte und Theologie, die deren Ergebnisse vorauszusetzen haben, erst anschließen können. Daß die in der Konzeption W. Richters dargelegten methodischen Schritte mit Begriffen bezeichnet werden, die die Exegese vor ihm für die Methoden eingeführt hat, täuscht nicht darüber hinweg,

Mit dem Anspruch einer Neuformierung alttestamentlicher Exegese traten freilich schon vor W. Richter Exegeten an, die ihre neuen Methoden als die einzig sachgemäßen propagierten. Solcher Methodenmonismus eignet beispielsweise einigen redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen, genauso aber auch linguistischen Neuansätzen wie bei W. Schenk [Kommentar S. 15] (s. G. Fohrer: Methoden S. 253), keine neue Erscheinung, man denke nur an die Forderung I. Engneils [Aspects S. 21], mit der Literarkritik gänzlich zu brechen. Was die Rezeption einzelner Gesichtspunkte der Methodologie W. Richters betrifft, ist mir nicht einsichtig geworden, warum H. Barth und O.H. Steck [Exegese S. 74] dies ausschließen, offensichtlich nach dem Motto „Alles oder Nichts". Mit dem Argument, daß man mit bestimmten Betrachtungsweisen auch die Grundtheorie übernehmen muß, könnte man letztlich auch die Anwendung der historischen Kritik verwerfen (In O.H. Steck: Exegese ist die Stellungnahme zu W. Richter nicht mehr enthalten). ο W. Richter: Exegese S. 12. Diese Ausführungen scheinen die Schlüssigkeit eines Syllogismus zu haben. Faßt man sie als solchen, hängt freilich alles von der Richtigkeit des Untersatzes ab. Gerade dieser Untersatz „Gegenstand der Bibelwissenschaft ist Literatur" wurde in der Exegese vor W. Richter noch wesentlich anders bestimmt und enthielt einen Bestandteil, der die historische Kritik rechtfertigte. Zur Kritik s. neuerdings C. Dohmen: Exeget S. 3f; zur näheren Auseinandersetzung s. unten S. 43 - 50.

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I. Randbemerkungen zur Methodendiskussion

daß deren Konzeption erheblich von der hergebrachten differiert. Verwunderlich dagegen muß erscheinen, daß eine Methode wie die Literarkritik, wenngleich auf den Binnenraum des Textes und auf formale Kriterien eingeschränkt, in der Methodologie W. Richters einen Platz findet. Darin liegt wohl auch ein Versuch, die strukturalistische bzw. linguistische Exegese, die ihren Ausgang bei der Ganzheit des Textes nimmt,9 mit der hergebrachten Auffassung von Exegese zu vermitteln und, zumindest ein Stück weit, die Kontinuität der Bibelwissenschaft zu erhalten. 10 Für die Literarkritik in W. Richters Konzept scheint aber nicht die Gegenstandsbestimmung Literatur, sondern das Spezifikum des Gegenstands, der Bücher des AT, maßgeblich zu sein. Dringt damit die historische Fragestellung zumindest indirekt in W. Richters Konzeption ein? - Keineswegs, denn die Einheitlichkeit und Uneinheitlichkeit wird nicht mit Hilfe historischer Kriterien untersucht. Damit hat die Literarkritik ihren eigentlichen Wurzelgrund verloren, ob zu Recht, wird zu klären sein.11 Gerade diese Neukonzipierung der Literarkritik ist in der Methodenforschung seit W. Richter vielfach, auch modifiziert, aufgenommen worden. 12 Gleichzeitig hat sich aber noch weithin die herkömmliche Vorgehensweise erhalten. Wo in der Exegese häufig von der Literarkritik gesprochen wird, wäre besser von einem Bündel sich teilweise überschneidender, teilweise gegenseitig ausschließender Konzeptionen von Literarkritik zu reden, 13 die sich im wesentlichen auf zwei Paradigmen oder Grundtypen der Methode zurückführen lassen, das Paradigma sogenannter „klassischer" Literarkritik und das Paradigma im Sinne W. Richters. Will man wie in der vorliegenden Arbeit die Aufgabe und Bedeutung der Literarkritik innerhalb der Exegese des Jesajabuches bestimmen, wird man beide Grundkonzeptionen in den Blick zu nehmen haben, was besonders im Falle der ersteren nur im Rückgang in die Forschungsgeschichte zu leisten ist. Die Rede von verschiedenen Paradigmen ist ohne weiteres einleuchtend, wenn man sie auf die Literarkritik in der erzählenden Literatur des AT bezieht, die seit Aufkommen der biblischen Kritik als Kompositionen älterer schriftlicher Quellen im Sinne von „Erzählfäden" angesehen werden. Auf diesen Gegenstand bezogen besagt „klassische Literarkritik" soviel wie Quellenkritik, eine Vorgehensweise, die unter Zugrundelegung bestimmter, an

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S. schon L. Alonso-Schökel: Analyse S. 161-163; vgl. M. Weiss: Methode. Zur Notwendigkeit dieser Kontinuität s. bes. deutlich R. Knierim: Criticism S. 126. M.E. ist H. Schweizer [Literarkritik S. 23] mit seiner Feststellung völlig im Recht, „daß die Literarkritik ganz sicher ein spezifischer Ausdruck des historisch-kritischen Denkens und Arbeitens ist." S. M. Görg: Gott-König-Reden; E. Zenger: Beispiel; F. Huber: Literarkritik (vgl. G. Fohrer: Methoden S. 254); H. Schweizer: Literarkritik. S. bes. deutlich H. Schweizer: Literarkritik S. 23 (vgl. F. Schickiberger: Literarkritik S. 65 A.l).

I. Randbemerkungen zur Methodendiskussion

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einigen Texten erprobter Arbeitshypothesen versucht, die Texte nach den Anteilen der jeweiligen Quellen und Redaktionsschichten aufzuspalten und die Quellen in ihrem im Werk zugänglichen Zustand zu isolieren, die Literarkritik im Sinne W. Richters dagegen textinterne Literarkritik, die ohne die arbeitshypothetischen Prämissen die Texte zum Ausgangspunkt nimmt, um nach deren literarkritischer Scheidung zu wissenschaftlich abgesicherten Hypothesen zu gelangen. Von einem Paradigma im Sinne W. Richters scheint dabei freilich nur uneigentlich die Rede sein zu können, denn die Kritik an einer Quellenkritik, die unter Voraussetzung der Quellenhypothese Texte scheidet, obwohl nur geringfügige oder gar keine Indizien für Uneinheitlichkeit vorliegen, ein Unternehmen, „das sich selbst desavouiert" 14 , ist in der Forschung seit etwa 70 Jahren immer wieder laut geworden. Berechtigung findet diese Bezeichnung aber darin, daß W. Richter, ohne die Notwendigkeit der Literarkritik zu negieren, die methodischen Konsequenzen gezogen hat.

In dieser Untersuchung wird jedoch die Rede von Paradigmen nicht nur auf die „Quellenkompositionen", sondern auch auf die Literarkritik der Sammelwerke wie des Jesajabuches bezogen, und hier ergibt sich eine andere Definition dieser Paradigmen. „Klassische Literarkritik" ist hier nicht „Quellenkritik", sondern „philologisch-historische Kritik",15 die Alter, Echtheit, Integrität und Ursprung von Büchern, Texten und Abschnitten in Texten untersucht. 16 Für die „klassische Literarkritik" ist damit neben sprachlich-stilistischen und syntaktischen Kriterien das historisch-inhaltliche Kriterium ausschlaggebend, um das die Literarkritik im Sinne W. Richters - und das ist nun wirklich ein eindeutiger Paradigmenwechsel - verkürzt wird. Es erscheint mir als ein wesentliches Defizit der alttestamentlichen Methodenforschung, daß sie ihren Ausgang meist viel zu einseitig von der Literarkritik qua Quellenkritik nahm und Aufgabe und Ziel wie auch Kriterien, die anhand der erzählenden Literatur, vor allem des Pentateuchs, entwickelt worden waren, für auf andere Bücher des AT übertragbar hielt oder diese Übertragungsmöglichkeit negierte mit der Feststellung der Inadäquatheit der Literarkritik diesen Büchern gegenüber. Wie hier „Quellenkritik" zur alttestamentlichen Literarkritik gemacht wurde, so wird auch in neueren Methodologien, die ihren Ausgangspunkt

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H. Schweizer: Literarkritik S. 25 A.4. Mit diesem Ausdruck ist jene Literarkritik bezeichnet, die unter Anwendung von Echtheitskriterien geübt wird. Damit ist von selbst gegeben, daß philologisch-historische Kritik nicht wie beispielsweise bei H. Greßmann: Aufgaben S. 6 eine Vorstufe zur Literarkritik darstellt. Diese Definition richtet sich nach den Aufgaben der „höheren" Kritik bei J.G. Eichhorn: Litterärgeschichte der drey letzten Jahrhunderte, Bd. II, Göttingen 1814 S. 1070. (zit. nach R. Smend: Epochen S. 13). Zum Nachweis, daß Literarkritik am Jesajabuch, verallgemeinernd in den Prophetenbüchern, nicht als Quellenkritik zu bezeichnen ist, s. unten S. 13-16.

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I. Randbemerkungen zur Methodendiskussion

bei der Prophetenexegese nehmen, der Schwerpunkt auf die „philologischhistorisch" orientierte Kritik als Literarkritik des A T gelegt. Demgegenüber wird hier die These vertreten, daß es die Literarkritik als einheitliche Größe der Exegese des Alten Testaments überhaupt nicht gibt, sondern die Methode ihrem Gegenstand entsprechend konzipiert ist - auch weiterhin zu konzipieren ist - und sich so in den verschiedenen Büchern in Problemstellung, aber auch, was die Kriterien betrifft, je anders präsentiert.17 Wenn man primär auf das Jesajabuch bezogen von einem Paradigma „klassischer" Literarkritik spricht und dieses wie hier als eine Grundkonzeption der Methode versteht, die bis in die jüngste Zeit hinein nachwirkt, ist man auskunftspflichtig. Denn daß die Forschung am Jesajabuch, was die Literarkritik betrifft, von einem Grundtenor bestimmt sein soll, auf den sie in der Periode klassischer Literarkritik 18 eingestimmt worden ist, - und das meint die Rede von einem solchen Paradigma - wird man wohl kaum als „Grunderkenntnis" der Forschung wie selbstverständlich voraussetzen dürfen. Vielmehr ist sich die Forschung weitgehend einig, daß die klassische Literarkritik prinzipiell überwunden ist. Im Gegensatz zu einem fortwirkenden Paradigma klassischer Literarkritik spricht man wie beispielsweise C. Hardmeier angesichts der aktuellen Umwälzungen eher von einer „Renaissance klassischer Literarkritik" oder wie K. Koch von einer Wiederbelebung der Literarkritik der Wellhausenzeit und verbindet damt eine ausdrücklich negative Wertung. 19 Von einem Paradigma klassischer Literarkritik in der Exegese des Jesajabuches zu reden, dem selbst noch C. Hardmeier und K. Koch verpflichtet sein sollen, scheint demgemäß irrig. Im Nachweis der Richtigkeit dieser These wird sich jedoch folgendes zeigen: W o in der Forschung von der Methode der Literarkritik im Sinne klassischer Literarkritik gehandelt wird, tritt diese nur in ihrer Konzeption als Quellenkritik in Erscheinung und wird als spezifische Methode der Prophetenexegese überhaupt nicht berücksichtigt. Zudem wird mit „klassischer" Literarkritik oder, was häufig ein und dasselbe meint, mit Literarkritik der Zeit J. Wellhausens meist mehr als die Methode bezeichnet, nämlich die Periode auf Grund ihrer Ergebnisse selbst. Offensichtlich wird mitunter zu wenig zwischen Methode, Wissenschaftsgebiet und Voraussetzungen differenziert. 20

17

Diese These bezieht sich selbstverständlich auch auf die textinterne Literarkritik. Zur

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Zur Wendung „Zeitalter der Literarkritik" s. H. Greßmann: Aufgaben S. 8f; vgl. W .

Rechtfertigung s. unten bes. S. 79 - 8 6 . Baumgartner: Einleitung S. 182. 19

S. C. Hardmeier: Jesajaforschung S. 5; ders.: Prophetie S. 16; K. Koch: Formgeschichte S. XHIf.

20

S. aber in bezug auf die Bibelkritik J. Barr: Bibelkritik S. 30.

II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

1. Was bedeutet

„klassische"

Literarkritik?

D i e angeführten T h e s e n hinsichtlich der „klassischen" Literarkritik sollen i m f o l g e n d e n veranschaulicht w e r d e n und zwar anhand nachstehender Problembereiche: a) die D e f i n i t i o n der alttestamentlichen Literarkritik als Quellenkritik, b ) die zeitliche Ansetzung und B e d e u t u n g einer Periode klassischer Literarkritik und c) die m a n g e l n d e Differenzierung v o n M e t h o d e und Wissenschaftsperiode b e i der R e d e v o n klassischer Literarkritik. A n d i e s e Durchführung kann sich dann die Frage anschließen, wie in dieser Arbeit v o n e i n e m Paradigma klassischer Literarkritik die R e d e sein soll.

a) Alttestamentliche Literarkritik qua Quellenkritik Nicht erst K. K o c h vermittelt d e n Eindruck, daß Literarkritik alter Schule, bei ihm der Wellhausen-Periode, nichts anderes als Quellenkritik sei. In seinem forschungsgeschichtlichen Rückblick auf die Literarkritik der Zeit um und nach J. Wellhausen, der mit dem Titel „Quellenscheidung" überschrieben ist, nimmt er seinen Ausgang deutlich bei den „Quellenwerken" als Gegenstand der Literarkritik: „Die literarkritische Methode geht von der Erkenntnis aus, daß die biblischen Schriften nicht nur hinsichtlich ihrer Entstehungszeit oft Rätsel aufgeben, sondern daß auch die Verfasserverhältnisse durch einen vielschichtigen Redaktionsprozeß höchst undurchsichtig geworden sind. Ehedem selbständige Quellen wurden miteinander verbunden, ja ineinandergearbeitet oder auseinandergerissen und zu verschiedenen selbständigen Büchern gestempelt. Der Literarkritiker versucht deshalb, die Originalwerke wieder herauszulösen, ihre Abfassungszeit genau zu bestimmen und die Persönlichkeit des Verfassers möglichst scharf zu erfassen. [...] Das literarkritische Geschäft führt zur Quellenscheidung. Die ursprünglichen Quellen (schriftlicher Art) werden mehr oder weniger hypothetisch wiederhergestellt, in ihrem einstigen Wortlaut rekonstruiert und alle späteren verdeutlichenden oder uminterpretierenden Zufügungen als Arbeit von Redaktoren und damit als unwesentlich ausgeschieden."1 Nun faßt K. Koch freilich den Begriff der Quelle so weit, daß er selbst noch die Entdeckung von Deuterojesaja als Ergebnis der Quellenscheidung ansprechen kann. Das

1

K. Koch: Formgeschichte S. 85f. Vgl. schon ähnlich W. Baumgartner: Wellhausen S. 295. Hinsichtlich der Prophetie redet dieser aber dann bezeichnenderweise nicht mehr von Quellenkritik, sondern von Literarkritik und Echtheitskriterien (S. 2970-

14

II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

würde bedeuten, daß die Literarkritik bei den Propheten ebenfalls Quellenkritik ist und damit die oben gemachte Unterscheidung von Quellenkritik und „philologisch-historischer" Kritik unzutreffend ist. Es mag tatsächlich - gerade in der erzählenden Literatur, seltener aber im prophetischen Schrifttum - hier zu Überschneidungen kommen, was aber nichts daran ändert, daß Quellenkritik und damit auch Quellenscheidung in der erzählenden und in der poetischen Literatur jeweils etwas Verschiedenes besagt: In der Regel ist die Quelle bei den Propheten das, was heute als „einfache Einheit" 2 bezeichnet wird, eine stoffliche und literarische Einheit, in den Geschichtsbüchern dagegen ein größerer, mehrfach unterbrochener Erzählzusammenhang, ein Erzählfaden. 3 Sowohl ein Prophetenwort wie Jes 5,1-7 als auch eine Pentateuchquelle wie die Priesterschrift sind demgemäß Originalwerke im Sinne K. Kochs. Im Unterschied zur Pentateuchquelle, wo man nach deren Herauslösung aus dem gegebenen Zusammenhang, der Quellenscheidung, Abfassungszeit und Persönlichkeit des Verfassers bestimmen kann, ist die Fragestellung beim Prophetenwort nach Feststellung der einfachen Einheit nicht abgeschlossen, sondern es wird weitergefragt, ob dieses Wort echt sei, d.h. dem Verfasser zugeschrieben werden könne, mit dessen Namen das Buch überschrieben ist, ja, diese Fragestellung geht in der „klassischen Literarkritik" in die literarkritische Scheidung mit ein. Demgemäß sind die Grundfragen der sog. Quellenkritik je nach Gegenstand verschieden: Die Literarkritik der erzählenden alttestamentlichen Literatur, primär des Pentateuchs, fragt nach den Originalwerken, die Literarkritik in der Prophetenexegese dagegen nach den Originalwerken und der Zusammengehörigkeit von Originalwerken. Anders ausgedrückt: im ersten Bereich wird gefragt, ob ein Text, besser Textabschnitt (relativ selbständiger Einzeltext) zu einem Originalwerk (Makrotext) gehört, im zweiten Bereich, ob ein Text einem bestimmten Verfasser zuerkannt werden kann. Die Entdeckung des Deuterojesaja ist kein Ergebnis der Quellenscheidung, sondern ein Ergebnis der Frage nach der Verfasserschaft, nach der Echtheit der in Jes 40ff versammelten Originalwerke.

Die Gleichung Literarkritik = Quellenkritik hat sich schon vor etwa 70 Jahren in der Forschung eingebürgert. So handelt W. Staerk in seinem Aufsatz „Zur alttestamentlichen Literarkritik. Grundsätzliches und Methodisches" aus dem Jahre 1924 trotz der allumfassenden Aussage des Titels nur von der Quellenscheidung am Pentateuch. 4 Wenn auch ein solcher Fehlgriff im Titel wenig besagt, rückt er doch in ein entsprechendes Licht, wenn man H. Greßmanns Aufsatz zu den „Aufgaben der alttestamentlichen

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4

S. F. Huber: Literarkritik S. 54. O. Eißfeldt [Einheit Sp. 333 (S. 143)] unterscheidet zwischen stofflicher Einheit und literarischer Einheit. Demgemäß stellt sich ihm die Einheit, die durch die literarkritische Analyse der Schöpfungserzählung von Ρ erreicht wird, als stoffliche dar, die literarische Einheit ist demgegenüber die Quelle als Ganzes. Zur Kritik s. W. Baumgartner: Einleitung S. 191. S. W. Staerk: Literarkritik; was natürlich nicht besagt, daß sich W. Staerk dieser Beschränkung nicht bewußt wäre (s. S. 34f); vgl. ähnlich S. Segert [Methode] mit dem vollen Titel: „Zur Methode der alttestamentlichen Literarkritik (Quellenscheidung und Überlieferungsgeschichte)". Inhaltlich ist die angeführte Gleichung aber bei F. Baumgärtel [Art. Bibelkritik Sp. 1186] vorfindlich.

1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik?

15

Forschung", der der Veröffentlichung W. Staerks in der betreffenden Ausgabe der ZAW direkt vorangeht,5 auf die Frage hin, wie hier Literarkritik bestimmt wird, konsultiert. In diesem Zusammenhang interessiert primär, wie H. Greßmann zu der Einschätzung kommt, „daß die Methode der Literarkritik, die sich an den hebräischen Prosawerken, namentlich des Hexateuchs, bewährt hat, bei der Poesie versagt."6 Einen ersten Hinweis gibt H. Greßmann direkt. Wie K. Koch bemüht er die Uneinheitlichkeit der Forschungsergebnisse, führt diese aber anders als K. Koch - Stichwort „subjektive Geschmacksarbeit"7 - nicht auf die Literarkritiker, sondern auf ihren Gegenstand zurück. In der Poesie hat die Literarkritik, anders als im Hexateuch, keine durchschlagenden Erfolge zu verzeichnen, weil ihr der geeignete Boden fehlt, „wie gerade in der Prosa der hebräischen Sagen mit ihrem straffen, logisch-gegliederten Aufbau, in dem kein Teil zu viel ist und keiner fehlen darf; wenn ein Glied in das andere greift wie die Räder einer Uhr, lassen sich alle Störungen, Risse, Brüche, Nähte verhältnismäßig leicht und sicher erkennen." 8 Daraus läßt sich schon ersehen, daß H. Greßmann die Kriterien der Literarkritik auf das sprachlich-stilistische Gebiet beschränkt. Dies wird überdeutlich, wenn er einerseits von der „wesentlich sprachlich-orientierte(n) Literarkritik"9 spricht und andererseits fordert, die Literarkritik der ständigen Nachpriifungan der allgemeinen Geisiesgeschichte"10 zu unterziehen. Damit nimmt H. Greßmann seinen Ausgangspunkt für die Bestimmung der Methode einseitig bei der Hexateuch-Forschung, wie sie sich ihm auch in ihren Erfolgen präsentiert. Daß die Literarkritik gemäß dieser Konzeption bei den Propheten scheitern muß, ist naheliegend. Und so ist es folgerichtig, daß die wesentlichen literarkritischen Ergebnisse der Prophetenforschung, wie beispielsweise die Entdeckung Deuterojesajas, 11 nicht mehr als Erfolge der Literarkritik verbucht, sondern als die „grundlegenden philologisch-historischen Fortschritte" 12 der vergangenen 75 Jahre gewertet werden. Wie aber eine solche „von der formalen Logik" beherrschte Methode, wie sie die Literarkritik darstellen soll, zur Leugnung messianischer Weissagungen bei den vorexilischen Propheten kommen kann, 13 bleibt dann

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S. H. Greßmann: Aufgaben. Ders.: Aufgaben S. 5. S. K. Koch: Formgeschichte S. XIII; vgl. ders.: Profeten II S. 193. H. Greßmann: Aufgaben S. 7. Hier scheint also auch ein „Religionsgeschichtler" die Einschätzung zu teilen, die K. Koch [Formgeschichte5 S. 86] als Proprium der Literarkritiker kritisiert. S. unten A.13. H. Greßmann: Aufgaben S. 9. Ders.: Aufgaben S. 4. S. K. Koch: Formgeschichte S. 86. H. Greßmann: Aufgaben S. 6. H. Greßmann versteht unter „philologisch-historisch" offensichtlich etwas anderes als „literarkritisch". S. ders.: ebd. Gerade der Vorwurf der formalen Logik ist weiter verbreitet: So unterstellt K. Koch [Formgeschichte S. 86; s. auch S. 90] den Literarkritikern, sie behandelten das AT wie ein Produkt des modernen Büchermarktes und erwarteten dementsprechend die „gleiche straffe und logisch durchdachte Ordnung'. In der Konsequenz fordert O.H. Steck [Exegese S. 54; vgl. schon H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 34] erneut, die Gefahr in der Literarkritik zu kontrollieren, „daß das Ideal eines in unserem Sinne

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

freilich ein Rätsel. Denn entweder hat die Literarkritik auch geschichtsbezogene Kriterien, zumindest sprachgeschichtlicher Art, oder diese Leugnung ist wie die Entdeckung Deuterojesajas ein philologisch-historisches Ergebnis. Es scheint angesichts dieser Diskrepanz ein unterschiedlicher Begriffsumfang bei H. Greßmann vorzuliegen: Nimmt er Literarkritik als Methode, beschreibt er deren „wesentlich sprachlich-orientierte(n)" Verfahrensweise am Pentateuch. Demgegenüber faßt er bei dem Problem vorexilischer messianischer Weissagungen den Begriff Literarkritik weiter. Es ist nicht die Methode, sondern die Literarkritik qua Wissenschaftsgebiet „Einleitungswissenschaft", die auf Grund ihrer Prämissen, zu denen H. Greßmann die formale Logik zählt, wobei sein Vorwurf darin bestehen dürfte, daß die Literarkritik nicht über das AT hinaus auf den Alten Orient blickt - zu Fehlentscheidungen führt. Die Methode der Literarkritik als Trennkunst bezieht sich nur auf die erzählenden Bücher, das Wissenschaftsgebiet auf das gesamte AT, eine Unterscheidung, die auch daher zu rühren scheint, daß man vielfach die Glossen in Prophetenbüchern für Objekte der Textkritik hielt.14

Aus diesen beiden Beispielen wird ersichtlich, daß die Literarkritik in den Prophetenbüchern nicht einseitig aus der Literarkritik der erzählenden Literatur entwickelt werden kann. Jene gehorcht zumindest in der Periode klassischer Literarkritik anderen Gesetzen als diese. Der Unterschied hebt sich erst auf, wenn man vom Einzeltext ausgeht. Dann ist die Arbeitsweise identisch, die Ergebnisse werden freilich, je nach Gegenstand, differieren.

14

logisch völlig stringent verlaufenden Gedankenganges vorausgesetzt wird (modernlogische Überforderung eines antiken Textes);" H. Schweizer [Literarkritik S. 27 A.ll] hält dies für einen „Popanz" und führt zur .Ehrenrettung' der Exegeten aus: „Theologen sind erstens nicht dafür bekannt, daß sie nur im Sinn von Logik-Lehrbüchern denken; zweitens darf gehofft werden, daß sie etwas Gespür für Poesie und Erzähltechnik mitbringen bzw. zu entwickeln bereit sind." Es erscheint jedoch durchaus sinnvoll, auf solche Gefahren hinzuweisen, gerade dort, wo wie bei W. Richter oder H. Schweizer der „Mangel an Vollkommenheit" bzw. „Lesestörungen" die Initialzündung literarkritischer Analyse darstellen (s. unten S. 43-56). Was K. Kochs Ausführungen betrifft, die sich gerade auf die früheren Literarkritiker um J. Wellhausen beziehen, ist diesen die Auffassung des Vaters der Literarkritik am Jesajabuch, J.G. Eichhorns, entgegenzustellen: „Der bloß theologische Gebrauch, welcher von den Schriften des Alten Testaments gewöhnlich gemacht wird, hat bisher mehr, als man denken sollte, verhindert, diese Werke des grauen Alterthums nach Verdienst zu würdigen. Man suchte darin nichts als Religionsideen, und war für ihren übrigen Inhalt blind; man las sie ohne Sinn für Alterthum und seine Sprache, nicht viel anders, als ein Werk der neuern Zeiten; und mußte nach Verschiedenheit der Geisteskräfte den allerungleichsten Erfolg sich verspüren." [J.G. Eichhorn: Einleitung I S. Illf zit. nach R. Smend: Eichhorn S. 33] S. z.B. P. Volz: Rez. Eißfeldt Sp. 391, der gegenüber der ins Detail dringenden Quellenscheidung O. Eißfeldts fordert, auch im Pentateuch solle die Konjekturalkritik als Prozedur der Textkritik bei den Propheten „stärker herangezogen werden, um einzelne Widersprüche, Wiederholungen, Einschübe und Zusätze [...] aufzuhellen."

1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik?

17

b) Zum Zeitalter der klassischen Literarkritik Wenn in dieser Studie ein Paradigma klassischer Literarkritik dem Paradigma im Sinne W. Richters gegenübergestellt wird, ist damit eine weite Fassung der Periode klassischer Literarkritik vorausgesetzt. Prinzipiell bestehen je nach Perspektive hinsichtlich des Begriffs des „Klassischen" verschiedene Ansetzungsmöglichkeiten. Wenn „klassisch" über die historische Sinndimension hinaus in diesem Zusammenhang auch eine Auszeichnung der Wissenschaftsperiode und ihrer Ergebnisse meint, drängt sich die Gleichsetzung der Periode klassischer Literarkritik mit der Zeit der „Wellhausen-Schule" gleichsam auf. 15 Damit wird unterstellt, daß die Literarkritik dieser Periode sich gegenüber der vor J. Wellhausen geübten Literarkritik deutlich abheben läßt, wobei es ohne Bedeutung ist, ob die „Auszeichnung" in positivem Sinne („normativ") oder negativem Sinne („einseitig", „überholt") zu verstehen ist. Andererseits kann Periode klassischer Literarkritik, ohne eine normative Bedeutung auszuschließen, wie sie ohnehin in der Rede vom Paradigma klassischer Literarkritik beinhaltet ist, 16 zur Bezeichnung einer Epoche der Bibelwissenschaft, in der eine bestimmte Wissenschaftsauffassung und Methode, nämlich die Literarkritik, vorherrschte, dienen. In diesem Sinne ist hier davon die Rede. Es wird dabei vorausgesetzt, daß die Literarkritik qua Wissenschaftsauffassung und Methode in der Zeit vor J. Wellhausen nicht anders bestimmt war als bei J. Wellhausen und nach ihm. Periode klassischer Literarkritik meint damit dasselbe wie „Zeitalter der Literarkritik" bei H. Greßmann. 17 Bezüglich des Jesajabuches setzt sie bei J.G. Eichhorn an und wird mit dem Aufkommen der durch die Funde des Alten Orients angestoßenen religionsgeschichtlichen oder vorderorientalischen sowie der formgeschichtlichen Betrachtungsweisen beendet, hat also gut 100 Jahre das Feld der Bibelwissenschaft geprägt. 18 Schon der hier vorgelegte Terminus a quo für die Periode klassischer Literarkritik bedarf der Begründung: 15

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In diesem Sinne E. Zenger: Beispiel S. 106 mit A.4; wohl auch C. Hardmeier: Prophetie S. 16; vgl. ders.: Jesajaforschung S. 5 (Stichwort „Spätdatierung"). S. aber auch W. Baumgartner: Einleitung S. 208, der die .Ära Wellhausens" zwar als „klassische(n) Zeit", „hinter die es kein Zurück gibt", erfaßt, aber nicht von klassischer Literarkritik spricht. Zum normativen Element im Begriff des Klassischen s. H.-G. Gadamer: Wahrheit und Methode S. 269 - 275. S. H. Greßmann: Aufgaben S. 8f; vgl. W. Baumgartner: Einleitung S. 182. S. wiederum H. Greßmann: Aufgaben S. 2. W. Staerk [Literarkritik S. 34 A.l] meint dagegen, die Literarkritik sei erst 1860 aufgekommen, bindet sie also stärker als nötig an die Wellhausen-Periode an.

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

E. Zenger führt in seinen Darlegungen zur Methode der Literarkritik folgendes aus: „Die Anwendung dieser literarkritischen Fragestellung ergänzte seit dem 17. Jahrhundert langsam, aber immer konsequenter die früher lediglich grammatisch (philologisch) fundierte Auslegung der Bibel."19 Noch weiter zurück geht H.-J. Kraus. Ihm stellt sich A. Karlstadt als „der erste Vorbote der literarkritischen Forschung am Alten Testament innerhalb der protestantischen Theologie" 20 dar. Das ist sicherlich richtig, daß aber, wie es H.-J. Kraus formuliert, die „methodisch und programmatisch eingeleitete Kanon- und Literarkritik" nach dem Anstoß A. Karlstadts ihre Kreise zieht,21 scheint doch etwas übertrieben. Methodische Literarkritik dürfte wohl mehr bedeuten als die Unterscheidung von „dictio" und „habitus orationis" im Pentateuch und der Versuch, vom „stylus orationis" auf den Verfasser zu schließen.22 Mögen hier auch Fundamente für Literarkritik und Stilforschung23 gelegt worden sein, wie sie in vielem noch dunkel auch schon von Ibn Ezra im 12. Jahrhundert hinsichtlich Pentateuch und nachmalig sog. Deuterojesaja aufgebaut worden waren,24 so ist der Unterschied zur Literarkritik als wissenschaftlicher Methode doch unverkennbar. Von einer solchen kann wohl in unserem Sinne erst nach der Begründung neuzeitlicher Wissenschaft im Rationalismus der Aufklärung die Rede sein. Und gerade in dieser Zeit findet sich bei J.G. Eichhorn die programmatische Forderung, die Fragen nach Alter, Echtheit, Integrität und Herkunft auf alle Bücher des AT anzuwenden. Im Zusammenhang der Ausführungen zu Jes 40ff in seiner Einleitung in das AT formuliert er das Programm der Methode der „höheren" Kritik: „Schon längst hat man das Alter anonymischer, griechischer und römischer Schriften bald aus dem Inhalt, und da dieser oft zu einer Untersuchung dieser Art nicht hinreicht, bald aus der Sprache zu bestimmen gesucht; aber auch durch dieselben Hülfsmittel aus alten Werken Stüke spätem Ursprungs, welche durch zufällige Umstände mit den ältern gemischt worden, geschieden. Und so lang die Schriften des A.T. nicht eben derselben Prüfung unterworfen worden, kan niemand mit Zuversicht behaupten, daß die Abschnitte eines Buchs alle dem Schriftsteller wirklich zugehören, dessen Name vorangesetzt ist."25 Völlig richtig scheint m.E. E. Sehmsdorfs Bewertung dieser an der Altphilologie Maß nehmenden Worte J.G. Eichhorns als „programmatische Forderung, diese Verfahrensweise endlich auch auf die Bibel anzuwenden."26 Eine solche Forderung impliziert ein Versäumnis der Bibelwissenschaft in dieser Hinsicht. Ob dieses freilich wirklich bestand, darüber läßt sich streiten. Gerade, was Jes 40ff betrifft, die J.G. Eichhorn einem exilischen Verfasser

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25 26

E. Zenger: Beispiel S. 106. H.-J. Kraus: Geschichte S. 28f; vgl. S. 38. Ders.: Geschichte S. 30. S. ders.: Geschichte S. 29. In dieser Beziehung explizit, ebenfalls in Anlehnung an H.-J. Kraus, F. Deist: Stilvergleichung S. 326. S. B. de Spinoza: Traktat S. 163-167; für Jes 40ff s. den Nachweis bei H. Wildberger: Jesaja III S. 1512. Zur Rezeption Ibn Ezras von Toledo (1093-1167) schon in der frühen Bibelwissenschaft s. J. Wellhausen: Einleitung S. 647 mit A.l. J.G. Eichhorn: Einleitung III S. 83. E. Sehmsdorf: Prophetenauslegung S. 56.

1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik?

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zuschreibt, scheint er ja auf Vorgänger zurückgreifen zu können, über J.B. Koppe hinaus wohl auch auf J.C. Döderlein. 27 Die wesentliche Neuerung, die J.G. Eichhorn zu seiner großen Bedeutung für die ihm folgende Forschung verholfen hat, obgleich diese ihn noch zu Lebzeiten überholte, 28 scheint aber gerade diese programmatische Forderung, mit der er sich von vielen Gelehrten seit A. Karlstadt unterscheidet. 29 Bis dahin scheint nämlich - will man mit H.-J. Kraus überhaupt davon sprechen - Literarkritik bei den Propheten eher ein Geschäft gewesen zu sein, dem man nachging, wenn bestimmte Zweifel an der durch die Tradition verbürgte Verfasserschaft eines Buches oder Stückes aufgekommen waren. J.G. Eichhorn aber erhebt die Klärung der Verfasserfrage zur Voraussetzung jeder Auslegung und damit die Literarkritik oder, wie von ihm genannt, historische oder höhere Kritik zur Methode. Mit der Übernahme der Fragestellung nach „Alter, Aechtheit, Integrität und Ursprung" aus der Altphilologie hat J.G. Eichhorn auch die Kriterien zur Untersuchung zur Hand, das historisch-inhaltliche und das sprachlich-stilistische Kriterium.

Angesichts dieser Beobachtungen dürfte es berechtigt sein, den terminus a quo für die Periode klassischer Literarkritik am Jesajabuch bei J.G. Eichhorn anzusetzen, was weder besagen soll, daß dieser die Literarkritik erfunden habe, noch, daß in der Bibelwissenschaft nach J.G. Eichhorn nur noch Literarkritik betrieben wurde. In der Weise der „Alleinherrschaft" einer Wissenschaftsauffassung oder Methode kann wohl keine Periode der Bibelwissenschaft aufgefaßt werden. In diesem Sinne gibt es weder ein „vorderorientalisches" noch ein formgeschichtliches Zeitalter in der Bibelwissenschaft. Bei solchen Perioden geisteswissenschaftlicher Forschungsgeschichte handelt es sich vielmehr um bestimmte Akzentsetzungen, um die auf eine Periode sich erstreckende Vorherrschaft einer Schule oder Schulrichtung, die freilich so stark werden kann, daß sich

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S. J.G. Eichhorn: Einleitung III S. 76f; vgl. R. Smend: Eichhorn S. 31. S. R. Smend: Eichhorn S. 37. Dies trifft beispielsweise auch auf B. de Spinozas theologisch-politischen Traktat zu. Während er zum Pentateuch, Josua, Richter, Rut, Samuel und Könige die Verfasserfrage traktiert, ist ihm bei den Propheten diese kein Problem. Wie andere Bücher auch ist B. de Spinoza das Jesajabuch ein Fragment, eine unvollständige Zusammenstellung aus anderen Büchern. Ob die versammelten Stücke aber sämtlich von Jesaja herrühren, wird nicht gefragt, ebenso wenig, ob sie von Jesaja überhaupt gesagt sein können. Dies wird vielmehr vorausgesetzt [S. 203f]. Eine Ausnahme bildet lediglich Jes 36 - 3 9 . Die Parallele in II Reg 1 8 - 2 0 wird als Abschrift aus dem Buche des Jesaja bewertet und dies deshalb, weil B. de Spinoza Jesaja in Anschluß an II Chr 26,22 auch für einen Geschichtsschreiber hält. Aus II Chr 32,32 schließt er darauf, daß Jes 3 6 - 3 9 in den „Visionen Jesajas" ursprünglich enthalten war und später in die Chronik der Könige von Juda aufgenommen wurde. „Man kann daraus nur den Schluß ziehen, daß es mehrere Lesarten von dem Berichte des Jesaias gab, wenn man nicht hier lieber von Geheimnissen träumen will." [S. 180] Ein gewisser Ansatz mag vorliegen, eine höhere Kritik im Sinne J.G. Eichhorns aber sicherlich nicht.

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

andere Schulen auflösen oder zumindest annähern, die aber auch lediglich aus der Retrospektive so stark erscheinen kann, weil die Produktivität der neuen Forschungsrichtung in der Regel um ein Vielfaches die der herkömmlichen Schulen übertrifft. Was das literarkritische Zeitalter betrifft, schließen wir uns H. Greßmann an: „Die vergangene Periode darf man als die der Literarkritik bezeichnen. Nicht als ob diese allein geherrscht hätte, aber sie hatte so sehr die Führung, daß man jenem Zeitabschnitt keinen treffenderen Namen geben kann."30 Die Frage, wann die Mehrzahl der Exegeten auf diese Vorgehensweise eingeschwenkt ist, ist damit müßig. Nun steht aber unzweifelhaft fest, daß gerade die letzten Jahrzehnte dieser Periode, die untrennbar mit J. Wellhausens Hauptwerken zur Komposition des Hexateuchs und zur Geschichte Israels verbunden sind,31 das Interesse nicht nur der daran anschließenden Forschungsperiode auf sich gezogen haben. Sollte man nicht vielleicht doch für diesen exponierten Abschnitt der Forschungsgeschichte die Bezeichnung „klassische Literarkritik" reservieren? Dagegen scheinen schon Probleme der zeitlichen Ansetzung zu sprechen. Vertrauen wir uns dem Bild der forschungsgeschichtlichen Entwicklung im betreffenden Zeitraum bei H.-J. Kraus an, wird die Gleichsetzung von klassischer Literarkritik und der „Wellhausen-Periode" von selbst fraglich. Zur Rezeption der Geschichte Israels I von J. Wellhausen aus dem Jahre 1878, der „Programmschrift" der Wellhausen-Schule, führt er aus: „Kein Alttestamentler des 19. Jahrhunderts ist so heftig bekämpft worden wie Wellhausen. Man beschimpft ihn, nennt ihn .Umstürzler', ,Glaubensfeind' und ,Leugner aller Offenbarung'." 32 Diese Reaktion, die sich nicht auf seine literarkritischen Entscheidungen bezieht, sondern auf sein umwälzend neues Verständnis von der Religionsgeschichte Israels, seine Nachordnung des Gesetzes hinter die Propheten, 33 setzt sofort nach Erscheinen des

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S. H. Greßmann: Aufgaben S. 2. ·* · . S. J. Wellhausen: Composition; ders.: Prolegomena; was die einzelnen Auflagen und ihre Veränderungen, auch im Titel der „Geschichte" betrifft, s. neuerdings R. Smend: Wellhausen S. 105f mit A.9f. H.-J. Kraus: Geschichte S. 255f. Zum vielfachen Mißverständnis um die sog. „Graf sehe" Hypothese der Spätdatierung der Priesterschrift und dann auch der Rezensenten J. Wellhausens s. J. Wellhausen: Prolegomena S. 389: „Inzwischen leiden alle diese Einwürfe an dem Fehler, dass sie ausser Acht lassen, um was es sich eigentlich handelt. Es handelt sich nicht darum zu erweisen, dass das mosaische Gesetz in der vorexilischen Zeit nicht bestanden habe." Ein entsprechender Fehler liegt auch bei K. Koch [Formgeschichte S. 96] vor, wenn er die Zuordnung des Dekalogs zu Ε bei G. Fohrer kritisiert: „ A b e r e s g e ht auch nicht an, die Literarkritik zu verabsolutieren und etwa im Elohisten den Verfasser des Dekalogs zu sehen. Derartige religiöse Dokumente werden im alten Israel nicht von einem Mann ,gemacht'." Um das ,Machen' geht es gar nicht, sondern um die Zusammenstellung (s. dazu grundlegend G. Fohrer: Recht S. 127-143; R. Kilian: Humanum S. 47-51).

1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik?

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Werkes ein, denn nach H.-J. Kraus wird er dadurch veranlaßt, den preußischen Kultusminister in einem Brief vom 5.4.1882 um seine Versetzung in die philosophische Fakultät zu ersuchen.34 Damit parallel scheint sich nun aber auch der große „Siegeszug der Erkenntnisse" zu vollziehen, in den „die Mehrzahl aller alttestamentlichen Forscher" einschwenkte: „wer könnte die Namen aller derer zählen, die in den entscheidenden Grundfragen ihrer wissenschaftlichen Arbeit von Wellhausen abhängig sind?"35 Bei diesen Grundfragen handelt es sich offensichtlich vor allem um das neue Bild der Geschichte Israels. Problematisch wird dieser „Siegeszug", wenn H.-J. Kraus in anderem Zusammenhang erklärt, „daß sich in allen Werken, die nach 1880 erscheinen, bereits ein allmählicher Übergang zu neuem Fragen und Forschen abzeichnet"36, und schließlich hinsichtlich der sog. religionsgeschichtlichen Schule konstatiert: „Am Ende des 19. Jahrhunderts - in den beiden letzten Jahrzehnten - trat die religionsgeschichtliche Forschung ihren Siegeslauf an. In den Bibelwissenschaften behauptete sie in kurzer Zeit das Feld." 37 A b g e s e h e n davon, daß das Bild, das H.-J. Kraus v o n der v o n J. W e l l h a u s e n a n g e s t o ß e n e n Entwicklung zeichnet, besser auf e i n e Schule als e i n e P e r i o d e paßt, w i e ja auch die anschließende Forschung für das Phänom e n „ W e l l h a u s e n " d e n Begriff „Wellhausen-Schule" prägte, 3 8 wird schon aus d i e s e n knappen B e m e r k u n g e n deutlich, was diese „Periode" bestimmt: E s ist nicht die M e t h o d e der Literarkritik, sondern die u m w ä l z e n d e Konzeption v o n der Geschichte Israels. D a ß dieses Geschichtsbild v o n der Literarkritik ermöglicht wurde, ist offensichtlich, und doch ist es e i n e Entdeckung, die unter Mithilfe einer hergebrachten M e t h o d e getätigt wurde. A n und für sich lagen die Ergebnisse der Literarkritik, die Scheidung v o n T e x t e n und Büchern, J. W e l l h a u s e n im wesentlichen schon vor. Sein e m i n e n t e r Beitrag war es, diese Ergebnisse in eine n e u e Synthese zu überführen. U n d insofern hat die „klassische Literarkritik" qua M e t h o d e als v o n der Geschichtskonzeption unabhängig zu gelten. „Zeitalter klassischer Literarkritik" als Bezeichnung für die Wellhausen-Schule unterschiebt der Literarkritik, w a s ihr nicht wesentlich zugehört. D i e s soll im f o l g e n d e n Abschnitt an Beispielen der m a n g e l n d e n Differenzierung v o n

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S. H.-J. Kraus: Geschichte S. 256; vgl. aber A. Jepsen: Wellhausen S. 51-53, bes. 52, der als Grund J. Wellhausens für sein Versetzungsgesuch „seine eigene Frage gegenüber der Christusbotschaft des Neuen Testaments" in Anschlag bringt (s. entsprechend R. Smend: Wellhausen S. 108; ders.: Prolegomena S. 173f). H.-J. Kraus: Geschichte S. 275. Ders.: Geschichte S. 290. Ders.: Geschichte S. 331. S. H. Gunkel: Ziele S. 27; R. Kittel: Zukunft S. 84; W. Staerk: Literarkritik S. 34; W. Baumgartner: Wellhausen S. 295; dies unbeschadet der Frage, ob J. Wellhausen überhaupt eine Schule bilden wollte (s. dazu die einschränkenden Bemerkungen bei R. Smend: Prolegomena S. 175).

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

Literarkritik qua Methode und Literarkritik qua Periode der WellhausenSchule verdeutlicht werden.39 c) Klassische Literarkritik oder Literarkritik der Wellhausen-Schule Folgende These sei gestellt: Die Identifikation klassischer Literarkritik mit der „Wellhausen-Periode" ist irreführend. Wo die Literarkritik qua Methode an J. Wellhausen und seinen Mitstreitern sowie Nachfolgern gemessen wird, tritt nicht die Methode für sich in den Blick, sondern nur in Einbindung in bestimmte Grundvoraussetzungen. Wenn auch K. Koch in seiner Formgeschichte nicht von klassischer Literarkritik spricht, nimmt er seinen Ausgang bei der Charakterisierung der Literarkritik der „Generation unserer Großväter"40 - nun schon unserer Urgroßväter - bei J. Wellhausen. An seiner Darstellung läßt sich zeigen, wie hier Literarkritik qua Methode und Literarkritik als Periode der Wellhausen-Schule zu einer mehrdeutigen Einheit verschmolzen sind und auf diese Weise in ihrer prinzipiellen Unabhängigkeit aufgehoben werden. literarkritik heißt: Biblische Bücher analysieren unter Beachtung von fehlender Gedankenverbindung, Doppelungen, Widersprüchen und individuellem Sprachgebrauch mit dem Ziel, den Anteil der einzelnen Verfasser und Redaktoren sowie Ort und Zeit der Entstehung genau abzugrenzen." (S. 87) An diese Definition schließt sich unmittelbar ein Abschnitt an, der den Titel „Das Geschichtsbild der Literarkritik" trägt. Offensichtlich beschreibt die Definition die Literarkritik sowohl als Wissenschaft als auch als Methode. Was ist aber unter Literarkritik in der Überschrift zu verstehen? - In dem betreffenden Abschnitt zumindest wird nur das Geschichtsbild eines „Literarkritikers", nämlich J. Wellhausens, referiert. Geschichtsbild der Literarkritik muß demnach besagen: das Geschichtsbild J. Wellhausens, das die Literarkritik, verstanden als Wissenschaftsperiode der Forschung, bestimmt. Dem entsprechen denn auch die einleitenden Ausführungen dieses Abschnittes: „WELLHAUSEN hat die literarkritische Methode nicht erfunden, sondern nur meisterhaft gehandhabt. Seine eigentliche Leistung war die Verbindung von literarkritischen Ergebnissen mit einem völlig neuen Bild der Geschichte Israels" (ebd.). Versteht man dies richtig, so kommt J. Wellhausen in der Auffassung K. Kochs zu bestimmten literarkritischen Ergebnissen, die als erzielte

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Ich erspare mir eine detaillierte Auseinandersetzung mit X. Lion-Dufour [Exegese S. 11], der die Geschichte der Bibelwissenschaft in drei Epochen unterteilt. Seiner Meinung nach herrschte 18 Jahrhunderte die Dogmatik, bevor sich die Literarkritik etablierte, die zu Beginn des 20. Jh.s von der historischen Kritik abgelöst wurde. Hier trifft wohl zu, was R. Smend [Alttestamentler. Vorwort S.9] feststellt: „Es gibt Fachgenossen, denen schon die Zeit vor Noth und v. Rad nur in blassen Schemen gegenwärtig ist (was sie nicht an kräftigen Urteilen in dieser Richtung zu hindern braucht), und mancher Examenskandidat weiß auch von den beiden Genannten allenfalls noch zu sagen, daß sie verkehrte Hypothesen aufgestellt haben." K. Koch: Formgeschichte S. 86; s. dieses Werk auch im folgenden.

1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik?

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mit einem Bild von der Geschichte Israels verbunden werden. Methode und Geschichtsbild sind also prinzipiell unabhängig voneinander. Soweit ist es noch einsichtig: Die Methode Literarkritik und die Wissenschaftsperiode, die sich durch die Anwendung dieser Methode, primär aber durch ein bestimmtes Geschichtsbild auszeichnet, sind zu unterscheiden. Beträchtliche Konfusion entsteht freilich, wenn K. Koch, den Abschnitt abschließend, ausführt: „Die Methode der Literarkritik und ihr unvermittelter Übergang von der literarischen Quelle zum Geschichtsablauf war so einleuchtend und überzeugend entwickelt und bewährte sich so sehr an der Fülle des Materials, daß anscheinend nur dogmatische Voreingenommenheit dagegen protestieren konnte. Das Drängen auf Exaktheit in dieser Epoche der Bibelforschung drängt geradezu den Vergleich mit der klassischen Physik auf, die in den gleichen Jahrzehnten auf den Höhepunkten ihrer Geltung stand. Es ist verständlich, daß es heute noch Alt- und Neutestamentier gibt, die die literarkritischen Methoden für die einzig wahren und objektiven Methoden halten." (S. 88) 41 Wenn Methode der Literarkritik hier Literarkritik qua Methode bezeichnet, erhellt das Folgende nicht, hat doch die Methode nichts mit dem Übergang von Quelle zu Geschichtsbild zu tun. Dieser wird vielmehr von den Forschern dieser Periode auf Grund bestimmter Voraussetzungen, ihren Gegenstand betreffend, vollzogen. Ist aber mit Methode der Literarkritik die Methode der Forschungsperiode gemeint, bleibt unverständlich, wie die literarkritischen Methoden für objektive Methoden zu halten sind. Denn die vermeintliche Objektivität der literarkritischen Methoden kommt ja nicht allein durch die Literarkritik qua Methode, sondern auch durch den Übergang der Forscher von der Quelle zum Geschichtsablauf in der bestimmten Periode der Bibelwissenschaft zustande. Im folgenden Abschnitt „Erweiterung der Methoden durch die Formgeschichte" wird dann eine gewisse Summe gezogen: „Die literarkritische Methode war in sich schlüssig. Wie aber, wenn manche ihrer angeblich objektiven Voraussetzungen so objektiv nicht sein sollten, sondern allzu neuzeitlich gedacht?" (S. 89) - Unversehens hat sich hier eine Erweiterung für das gegeben, was Literarkritik qua Methode meint. Denn nun kann literarkritische Methode nicht mehr allein bedeuten literarkritische Scheidung und Ortung von Texten, wie es die Definition nahelegt, es werden auf diese Weise auch nicht mehr Ergebnisse erzielt, die dann mit einer Geschichtsauffassung verbunden würden, vielmehr beinhaltet nun die Literarkritik qua Methode auch den unvermittelten Übergang von Quelle zum Geschichtsablauf als eine Voraussetzung. Will man diese Bemerkung, die sowohl der Definition der Literarkritik als auch den Ausführungen zur Verbindung literarkritischer Ergebnisse mit dem Bild der Religionsgeschichte Israels widersprechen, anders bewerten, hat man unter Literarkritik einerseits die literarkritische Methode der Text- und Buchbearbeitung zu verstehen, andererseits die „Methode", von der Quelle auf den Geschichtsablauf zu schließen.

Die seltsam mehrdeutige Vermischung von Methode und Grundeinschätzung der Exegeten innerhalb dieser bestimmten Periode der Forschung bei K. Koch ist nun keineswegs ein Einzelfall, sondern begleitet die Bibelwissenschaft seit dem Ende der von J. Wellhausen initiierten

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Zum unvermittelten Übergang von Quelle zu Geschichtsablauf vgl. schon W. Baumgartner: Wellhausen S. 295. Zur Revision dieser Anschauung, was die Exaktheit betrifft s. unten S. 31-33 zu B. Duhms Literarkritik.

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

Forschungsperiode. Dies läßt sich in einem zweiten Beispiel an R. Kittel zeigen, der sich an der Schwelle von der „Literarkritik" zur „Religionsund Formgeschichte" nicht nur zur Bedeutung der Methode der Literarkritik, sondern auch zur Überwindung der Wellhausen-Periode geäußert hat. In seinem Werk „Die Alttestamentliche Wissenschaft" hat R. Kittel einige Aspekte zur Literarkritik zusammengetragen. Er beginnt den Abschnitt „Ergebnisse auf Grund der Literarkritik und Literaturgeschichte" mit einer Rechtfertigung dieser „Untersuchung des Alten Testamentes als eines Erzeugnisses der althebräischen Literatur" und der „Kritik", die er versteht als die „Scheidung und Beurteilung des Richtigen an hergebrachten Meinungen und überlieferten Theorien vom Unrichtigen und darnach Beurteilung und Feststellung des bleibenden Wahrheitsgehaltes einer überkommenen Anschauung. Ohne Kritik in diesem Sinne ist keinerlei Feststellung geschichtlichen Tatbestandes möglich. Daß gelegentlich die Anwendung der kritischen Methode zu voreiliger Beseitigung richtiger Überlieferungen führt, daß auch die Kritik wie manche geistige Arbeit sich überstürzen und dann zu unhaltbaren Ergebnissen führen kann, ändert an der Sache selbst und der Notwendigkeit kritischen Forschens nichts. Es mahnt uns nur immer aufs neue zur Vorsicht und zu äußerster Besonnenheit in der Anwendung jener Methode." 42 Zur richtigen Anwendung der Methode gibt R. Kittel im folgenden einige Beispiele, von denen die zum Pentateuch und zu den Propheten herausgegriffen werden, weil jene am deutlichsten von der Methode selbst handeln, diese aber in den weiteren Bereich der vorliegenden Arbeit fallen: Wie kommt die alttestamentliche Wissenschaft zu dem Ergebnis, daß der Pentateuch nicht einem Verfasser zuzuschreiben ist? Er verweist vor allem auf die bekannten Dubletten. Für sich genommen sind freilich solche doppelte Berichte „noch nicht zwingende Beweise gegen die Einheit des Berichterstatters." (S. 79f) Schließlich könnten solche Wiederholungen der Einschärfung dienen oder im Stil des Autors begründet sein. „Doch ist diese Erklärung nur soweit zulässig, als es sich um Wiederholungen handelt, die tatsächlich in der Hauptsache nur Wiederholungen sind. Verbinden sich mit ihnen gleichzeitig auch Verschiedenheiten, so daß dieselbe Sache das zweite Mal von anderen Gesichtspunkten aus berichtet wird als das erste Mal, so wird die Einheit des Berichterstatters von selbst zweifelhaft. Sind weiterhin die Verschiedenheiten im einzelnen so groß, daß sie in einem und demselben Bewußtsein nicht Raum finden, so wird jene Einheit des Erzählers zur Unmöglichkeit." (S. 80) R. Kittel zufolge geht also Literarkritik so vor, daß sie Dubletten vergleicht und auf Grund inhaltlicher Spannungen zu einem Urteil kommt, ob die Texte ein und demselben Verfasser zugeschrieben werden können. Ein wesentliches Kriterium besteht darin, ob das Erzählte in ein und demselben Bewußtsein Raum findet. Für die Dubletten des Pentateuch schließt

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R. Kittel: Wissenschaft S. 75f (s. dieses Werk auch im folgenden) .Deutlich spricht sich in diesen Ausführungen der Optimismus der Aufklärung hinsichtlich des Vernunftgebrauches aus. Die Vernunft verfehlt die Wahrheit nur dann, wenn sie sich übereilt (praejudicium praecipitantiae). Im praejudicium auctoritatis, einem weiteren Vorurteil in der Lehre der Aufklärung vom praejudicium in sensu philosophico seu logico, ist ein Vernunftgebrauch dagegen gar nicht gegeben (s. dazu und zur Umwertung des Begriffs gegenüber dem juristischen Gebrauch W. Schneiders: Aufklärung S. 4 3 - 49; akzentuierter schon bei H.-G. Gadamer: Wahrheit und Methode S. 255 - 261).

1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik?

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dies R. Kittel aus: „Ziehen wir das Ergebnis, so kann man schon bei der Erzählung sagen, daß, wenn wir sie als schriftstellerische Einheit fassen, vieles in ihr dunkel bleibt und nicht wenige ästhetische und sachliche Anstöße erwachsen; sobald wir uns aber entschließen, sie von dem Gesichtspunkt einer Mehrheit von Erzählern aus anzusehen, es uns vielfach wie Schuppen von den Augen fällt und vieles sonst Dunkle sich von selbst aufhellt." (S. 82) Ohne sich des Näheren bei den Propheten mit Indizien für den Sekundärcharakter von Texten und Teilen zu befassen, betont R. Kittel die Notwendigkeit, zu „scheiden zwischen der heutigen Gestalt der prophetischen Schriften des Alten Testamentes und den Erzeugnissen prophetischen Schrifttums in ihrer ältesten Form." (S. 124) Er geht dabei von einer Art Grunderkenntnis aus, nach der sich die heutige Gestalt der prophetischen Bücher der mehrfachen Aneinanderreihung einzelner Stücke wie von Sammlungen durch Prophetenschüler in einem mehr oder minder komplizierten Prozess verdankt, in dem auch fremdes Gut, wie bei Jesaja Kap. 40 - 66, Eingang in die Prophetenbücher gefunden hat. Das klare Votum für die Literarkritik gerät ins Zwielicht, wenn man dem R. Kittels vier Jahre später erschienen Aufsatz „Die Zukunft der alttestamentlichen Wissenschaft", ursprünglich ein Vortrag auf dem 1. Deutschen Orientalistentag in Leipzig, entgegenstellt. Hier wird, wie sonst auch geübt, J. Wellhausen die Ignoranz gegenüber dem Alten Orient vorgeworfen 43 und es als ein Vorurteil der Literarkritiker bezeichnet, die Bücher aus sich selbst verstehen zu wollen 44 . Trotz aller Verdienste der Literarkritiker muß es - kursiv gesetzt - unterstrichen werden: „es fehlte dem Gebäude das Fundament, und es fehlten den Baumeistern die Maßstäbe." (S. 86f) In der Zeit der programmatischen Bestandsaufnahme der Alttestamentlichen Wissenschaft nach dem ersten Weltkrieg 45 erscheint die Bewertung der Literarkritik gerade bei R. Kittel zwiespältig: Er betont, daß diese Betrachtungsweise des verflossenen Zeitalters ihre Grenzen hat, 46 und meint damit offensichtlich, daß einige Ergebnisse der Literarkritik auf der Grundlage der neuen Forscherperspektive zu revidieren sind 4 7 Andererseits führt er dazu gleich anschließend aus: „Zudem hat sie nun das Wesentliche ihrer Arbeit getan. Sowohl am Hexateuch wie an den historischen Büchern als bei den

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S. R. Kittel: Zukunft S. 88f (Im folgenden s. diesen Aufsatz). Zum Problem J. Wellhausen und der alte Orient s. bes. W. Baumgartner: Wellhausen S. 292f, der diese Sache aus etwas größerem Abstand angemessener und damit wohl überzeugender angeht; vgl. ders.: Einleitung S. 187f und S. Segert: Methode S. 612, nach dem „die .klassische' Quellenkritik durch innere philologische und theologische Analyse zu Ergebnissen und weiter anwendbaren Kriterien gelangte".

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S. R. Kittel: Zukunft S. 91; vgl. schon H. Gunkel: Ziele S. 27. Vgl. den Aufsatz von H. Greßmann: Aufgaben von 1924 sowie das Vorwort zum hundertsten Heft der ZAW im Jahre 1917 von K. Marti. S. R. Kittel: Zukunft S. 91. S. ders.: Zukunft S. 89: „Aber es kam die Zeit, wo es nicht mehr in erster Linie darauf ankam, zu wissen, welcher Halb- oder Drittelvers eines Textes dem einen oder dem anderen Quellenschriftsteller zugehörte - schon deshalb, weil es vielfach gar nicht mehr zu erweisen war, ob der Text überhaupt aus schriftlichen und nicht aus bloß mündlichen Vorarbeiten geflossen sei - sondern seinen geschichtlichen, sagengeschichtlichen, literarisch-ästhetischen, religionsgeschichtlichen und religiösen Gehalt zu erheben." Diese Konsequenz für die literarkritische Scheidung erhebt schon wesentlich deutlicher W. Baumgartner: Wellhausen S. 297.

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

Propheten ist der Prozeß in der Hauptsache abgeschlossen." (S. 91)48 Diesen Aussagen wird man kaum gerecht, wenn man unter Literarkritik nur die Methode versteht. Die Methode an sich steht ja auch für R. Kittel in ihrer Bedeutung außer Frage. Mit Literarkritik ist demnach auch jene Bewegung gemeint, die mit Hilfe der Literarkritik eine auf das AT konzentrierte und allein daraus erschlossene Religionsgeschichte Israels konstruiert. Fraglich ist natürlich, ob damit das sog. Zeitalter der Literarkritik als Ganzes charakterisiert ist und nicht wie bei K. Koch vielleicht nur die Person, die es entscheidend geprägt hat, J. Wellhausen. Zu fragen ist weiterhin, inwiefern die Literarkritik als abgeschlossen gelten kann, wenn diese bei J. Wellhausen und seinen Nachfolgern „auf der Grundlage einer nunmehr veralteten Betrachtungsweise" (S. 88) ruhte. Mit der Frage nach der mündlichen Überlieferung müssen doch auch die Frage nach der Richtigkeit und Angemessenheit literarkritischer Ergebnisse gestellt und unter der Voraussetzung mündlicher Tradition die literarkritischen Ergebnisse einer Revision unterzogen werden. Wie ist es dann aber möglich, die Literarkritik für abgeschlossen zu halten? Geht man von dem Kriterium R. Kittels aus, nach dem die Einheit aufzugeben ist, wo die Verschiedenheiten so groß werden, daß sie nicht in ein und demselben Bewußtsein Raum finden,49 hat sich mit den veränderten Vorzeichen, so der Annahme mündlicher Überlieferung, auch die Vorstellung des Bewußtseins dessen verändert, der als Verfasser bestimmter Texte zu gelten hat. Was Kriterium für einen Schriftsteller ist, ist noch lange keines für den Kompilator mündlich umlaufender Erzählungen. Insofern scheint sich schon bei R. Kittel die mangelhafte Differenzierung von Literarkritik qua Methode und Literarkritik qua Forschungsperiode anzudeuten, die freilich nicht die Auswirkungen hatte, die sich Vertreter fundamentalistisch-konservativer Kreise gewünscht hätten, die mit dem Geschichtsverständnis auch der Methode eine pauschale Absage erteilten. 50 Weiterhin wird aus den Ausführungen R. Kittels deutlich, daß die Literarkritik nicht als objektive Methode gelten kann. Wenn das von R. Kittel genannte Kriterium des Bewußtseins des Verfassers zutreffen sollte, ist die Literarkritik in dieser Forschungsperiode nicht frei von Voraussetzungen, vielmehr trifft der Literarkritiker seine Entscheidungen im Einklang mit einem bestimmten Bild, das er vom Verfasser der Texte vorentwirft. „Inhaltli-

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In dieser Weise auch H. Greßmann: Aufgaben S. 8. H. Greßmann geht freilich noch weiter, worin ihm die Forschung bis heute im wesentlichen Recht gegeben hat: „Textkritik und Literarkritik sind nach wie vor die Grundlagen, ohne die nur märchenhafte Luftschlösser gebaut werden können, Hypothesen ohne wissenschaftliche Bedeutung." [S.3] S. oben S. 24. S. dazu W. Baumgartner: Wellhausen S. 300. W. Baumgartner zählt dazu H. Wiener, M. Kegel, T. Östreicher, B. Eerdmans, M. Lohr, W. Staerk sowie A.C. Welch. Der Titel einer Schrift M. Kegels „Los von Wellhausen" (Gütersloh 1923) spricht für sich. S. hierzu auch die ironische Bemerkung von M. Smith [State S. 25] an die Adresse der „Pseudorthodox": „Great tidings of joy I bring unto you which shall be to all peoples, Wellhausen is dead!" Von solchen Bekämpfern der kritischen Methode sind die eigentlichen Religionsgeschichtler wie R. Kittel, H. Greßmann, aber auch H. Gunkel mit Entschiedenheit abzusetzen. Deren Ergebnisse revidierten zwar J. Wellhausens Geschichtsbild, und sie näherten sich so dem von J. Wellhausen verworfenen, traditionellen Bild von der Religionsgeschichte Israels an, die Notwendigkeit der kritischen Methode bezweifelten sie hingegen nie.

1. Was bedeutet „klassische" Literarkritik?

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che Spannungen" und „störende Wiederholungen", die ursprünglichen „literarischen" Kriterien, sind insofern keine objektiven Indizien für Uneinheitlichkeit, sondern allein Indizien, die in ihrer literarkritischen Relevanz bei der unter Voraussetzungen ergehenden literarkritischen Entscheidung beurteilt werden. 51 Daß diese in der Wellhausen-Periode, zumindest was den Pentateuch und die Geschichtsbücher betrifft - gerade bei den Propheten liegt die Sache wohl anders - , objektiv erschienen, hängt von den Gemeinsamkeiten in den Voraussetzungen ab. Mit J. Wellhausens Bild von der Religionsgeschichte Israels, seiner Nachordnung des Gesetzes hinter die Propheten sind ja gleichzeitig auch die Schriften des Alten Testaments in bestimmter Weise charakterisiert, pauschal als Werke im wesentlichen innovativer Schriftsteller und historische Quellen zugleich.52

Diese wenigen Beispiele dürften gezeigt haben, daß die Rede von auf die Wellhausen-Periode bezogener klassischer Literarkritik oder Literarkritik der Wellhausen-Schule wenig zur Erhellung der Methode beiträgt. Damit soll die Ära keineswegs in ihrer Bedeutung, gerade für die Einleitungswissenschaft, geschmälert werden. Sie war eine Blütezeit der Bibelwissenschaft und hat entsprechend weitgefächerte Erkenntnisse befördert. 53 Aber das Wesentliche dieser Periode bleibt doch die „kopernikanische Wende" hinsichtlich der Beurteilung der Geschichte Israels. Da der Umbruch so fundamental sich gestaltete, konnte er das Interesse der Forscher fast völlig absorbieren, bot er doch überdies berechtigte Aussichten auf wissenschaftlichen Fortschritt und neue Erkenntnisse, gerade auch hinsichtlich der Untersuchungen der anderen Bücher des AT. Die Wissenschaftsauffassung war unbestritten: Literarkritik, und das bedeutet eine auf das AT beschränkte Untersuchung der Bücher, in der versucht wurde, die ursprüngliche Form der Werke wiederherzustellen und ihre geschichtliche Bedeutung zu erheben. Im engeren Sinn ist Literarkritik die Methode, mit der die Bücher und Texte auf ihre Entstehung hin untersucht werden. Diese Methode hat schon J. Wellhausen aus der Forschung übernommen. Ihre Funktion mag sich mit der veränderten Voraussetzung gewandelt haben, im wesentlichen sind ihre Kategorien gleichgeblieben, und diese machen das Paradigma klassischer Literarkritik im Sinne dieser Studie aus.

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Vgl. W. Baumgartner: Einleitung S. 202: „Tatsächlich war eben bei an sich richtigen Beobachtungen unsere Kritik meist viel zu rasch mit der Annahme von Quellenkomposition bei der Hand, als gäbe es überhaupt keine anderen Möglichkeiten der Erklärung." Deshalb ging auch mit dem „Zeitalter" nicht die Literarkritik zu Ende, sondern kam es in der Folge sogar zu einem erneuten Aufschwung, den O. Eißfeldt [Arbeit S. 255 - 291] 1938 dokumentieren konnte. Anzumerken bleibt, daß gerade die Formgeschichte an diesen Voraussetzungen, Grundeinschätzungen anzusetzen wußte und auf diesem Wege ein differenzierteres, bisweilen freilich auch überzogenes, Bild von der Religionsgeschichte Israels zu vermitteln in der Lage war. S. W. Baumgartner: Einleitung S. 208.

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

2. B. Duhm - Literarkritik und Vorverständnis Die Kriterien, anhand derer Texte im Jesajabuch literarkritisch geschieden und geortet werden, sind im Paradigma klassischer Literarkritik nicht nur formalisierbare Spannungen und Wiederholungen bzw. Doppelungen, sondern wesentlich darüber hinaus auch Echtheitskriterien. Solche Kriterien richten sich nicht nur auf sprachlich-stilistische Befunde, sondern sind überdies wesentlich geschichtsbezogen. Um sie entwickeln zu können, bedarf es eines Vorentwurfs dessen, was als „echt" oder authentisch zu gelten hat. Den Ausgangspunkt bildet damit die Annahme eines Grundbestandes authentischen Gutes, an dem in der literarkritischen Analyse von Texten und Büchern Maß genommen werden kann. 54 Da es sich um einen Vorentwurf handelt, den der Exeget, so er sich erstmals mit Texten aus dem Jesajabuch befaßt, aus schon erzielten Forschungsergebnissen entnimmt oder anderenfalls auf Grund der eigenen Bearbeitung von Texten schon selbst nicht ohne primäre Rücksicht auf vor ihm Erzieltes entwickelt hat, ist dieser im gleichen Maße entwicklungsfähig wie -bedürftig. Die forschungsgeschichtliche Entwicklung dieses Verfahrens setzt mit der methodischen Forderung der sich etablierenden historisch-kritischen Wissenschaft ein, kein Buch oder Stück in einem Buch ohne Nachprüfung für „echt" zu halten. Für das Problem von Jes 40ff hat diese Forderung erstmals J.G. Eichhorn formuliert 55 und damit die Arbeitsweise der „höheren Kritik" auf die Grundpfeiler sprachlich-stilistischer und historischer Kriterien gestellt. Die historischen Kriterien bilden sich auf Grund der Zusammenstellung der historischen „Daten" oder „Fakten", 56 die sich für den Propheten Jesaja in seinem Buch und darüber hinaus finden. Für die prophetischen Schriften wird dabei vorausgesetzt, daß sich der Prophet in den einzelnen Stücken nicht von seiner geschichtlichen Situation lösen kann, diese Situation sich in den Stücken also niederschlagen muß. Die prinzipielle Unabgeschlossenheit einer solchen historischen Kritik wird schon von den historischen „Daten" her veranlaßt, näherhin von der Frage, welche Daten als historisch zu gelten haben. 57 Diese „Daten" vermitteln überdies nicht die Geschichte, sondern lassen sich nur so zusammenstellen, daß ein Geschichtshorizont ermöglicht wird. 58 Ein solcher steht nicht nur in der Möglichkeit der Veränderung.

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Vgl. F. Stolz: Altes Testament S. 39f. S. oben S. 18. Zum Problem der Daten bzw. Fakten in geisteswissenschaftlicher Hinsicht s. W. Stegmüller: Zirkel S. 43 [85], Z.B. ist die Frage der Glaubwürdigkeit der Chronik mit entscheidend dafür, ob man Jes 36 - 39 dem Propheten zuschreibt oder dem Verfasser des Königsbuches. Zum Begriff s. H.-G. Gadamer: Wahrheit und Methode S. 284-290.

2. Β. Duhm - Literarkritik und Vorverständnis

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Die historisch-kritische Beurteilung von Stücken im Jesajabuch anhand eines aus bestimmten „Daten" entwickelten Geschichtshorizontes begnügt sich für die Feststellung der Echtheit mit der Bedingung der Möglichkeit. Demgemäß ist der Nachweis der „Unechtheit" zu führen. Für die Erhebung des Sekundärcharakter sind neben sprachlich-stilistischen wiederum historische Kriterien ausschlaggebend, und zwar nicht nur, was die geschichtliche Situation des Jesaja, sondern auch, was die Geschichte und Religionsgeschichte Israels betrifft. Gehen solche Vorentwürfe des geschichtlichen Horizontes sowohl im Kleinen der Situation Jesajas als auch im Großen der Geschichte und Religionsgeschichte Israels ebenso wie die sich daraus entwickelnde Annahme eines Grundbestandes authentischen Gutes, der zur Profilierung eines zumindest vorläufigen Bildes vom Propheten und seiner Verkündigung führt, in die Beurteilung der Einheitlichkeit und „Echtheit" von Texten ein, ist dieses Verfahren offensichtlich in gewissem Sinne zirkulär. Gerade hier setzt die Kritik an dieser Art Literarkritik unter Voraussetzung, die ihrem Wesen nach die Verfasserfrage mit einschließt, an und beurteilt die Koppelung der literarkritischen Kriterien mit geschichtlichen Voraussetzungen als methodischen Fehler (circulus vitiosus). Es wird zu zeigen sein, inwiefern diese Beurteilung das Richtige trifft. An B. Duhms Kommentar über das Jesajabuch läßt sich das Paradigma klassischer Literarkritik exemplifizieren. Eine empirische Grundlage der literarkritischen Kriterien wird aus Jes 31 erhoben. 60 Grundeinschätzung des Kapitels: „Composition des Redactors [...], der allerlei jesaianische Trümmer mit eigenem Material verbaute und vielleicht auch fremde Brocken (v. 8b. 9a) zu Hülfe nahm." (S. 206) Ausscheidungen: 1.) metri causa V. 7b; 2.) Störung im Zusammenhang: V. 3b*.4b+5a („Flickwerk").6f.9a; 3.) Unjesajanisch: V. 3b*.6f.8b; 4.) Stümperhaft V. 8b. Wesentlich weitreichender bei gleicher Grundeinschätzung ist die letzte literarkritische Analyse zu Jes 31 durch B. Duhm: 61 Ausscheidungen: 1.) metri causa V. lb*.3b*.6f; 2.) Störung im Zusammenhang: V. lb*.2a\4*. 5a*.6f.8b.9a; 3.) Variante V. 3b*; 4.) Stilistisch nicht jesajanisch V. 3b*.4b*.6f; 5.) Inhaltlich spät: V. 6f.9b; 6.) Unnötig V. 9b. Fazit: Bis auf die Ausscheidungen metri causa, die textintern zu erheben sind, sind alle Entscheidungen vom vorausgesetzten Verfasser motiviert. Störungen im Zusammenhang

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S. aber W. Schottroff: Jeremia 2; zu den Folgen eines Wechsels der Beweislast s. O. Kaiser: Jesaja II S. 1 - 4 und bes. ders.: Jesaja I, bes. S. 19-27; zur Rezeption vgl. neuerdings R. Smend: Epochen S. 30 und L. Schmidt: Art. Literarkritik S. 218. Während R. Smend sich einer Entscheidung enthält, erneuert L. Schmidt das methodische Postulat, daß die Unechtheit von Worten zu beweisen sei, freilich ohne einen Nachweis für die Richtigkeit dieser Forderung im strengen Sinne zu erbringen. S. B. Duhm: Jesaia1 S. 205 - 209. S. B. Duhm: Jesaia5 S. 229 - 233.

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

setzen als literarkritische Kriterien einen Verfasser voraus, der folgerichtig Inhalte präsentiert. Jesaja als Verfasser ist dann vorausgesetzt, wenn Vorstellungen, die dieser anders zur Darstellung gebracht hätte, oder solche, die er gar nicht gehabt haben kann, literarkritisch urgiert werden.

Dieses Ergebnis konvergiert mit den Voraussetzungen, die B. Duhm im Vorwort seines Kommentars nennt, wo er sich zu seinen drei wesentlichen Aufgaben bei der Erstellung des Kommentars über die „Herstellung wo nicht des ursprünglichen, so doch eines möglichen Textes" Gedanken macht: „Ich bin dabei von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Autoren, bevor nicht das Gegentheil erwiesen ist, als gute Schriftsteller angesehen werden sollen, die nicht radebrechen und stümpern, sondern richtig und vernünftig reden: eine an sich selbstverständliche Voraussetzung, die aber doch nicht von allen Erklärern getheilt wird. Wenn ferner die Autoren sich bestimmter metrischer Masse bedienen, so scheint es mir Pflicht der Exegeten zu sein, dem nachzugehen und die Arbeit am Text nicht eher für beendigt zu halten, als bis jene festgestellt sind."62 Diese Aussage bezieht sich primär auf die Textgestalt, sie geht aber, wie sich etwa an Jes 31 gezeigt hat, auch in die Literarkritik ein.63 Läßt sich eine Störung in diesem Sinne nicht durch Konjektur beheben, hat man mit einem unsensiblen Eingriff eines Glossators bzw. Redaktors zu rechnen, was der Bedeutung redaktioneller Arbeit auf jeden Fall abträglich sein muß. Denn wird ein guter Schriftsteller vorausgesetzt, finden sich aber Stümpereien, die nicht auf andere Weise erklärt werden können, gehen diese auf das Konto späterer Überlieferer des prophetischen Gutes. So entsteht ein Graben zwischen der „genialen religiös-kreativen" Persönlichkeit des Propheten und den epigonalen Überlieferern des prophetischen Gutes. Von daher ist schon die Interessenverteilung bei der Auslegung der Texte abgesteckt. Primär geht es darum, die ipsissima vox der guten Schriftsteller, vor allem die des Propheten, aus den Überwucherungen der Überlieferungsgeschichte zu befreien und in ihrer Klarheit zur Darstellung zu bringen, die Worte, gerade die Jesajas, zu verstehen, und das bedeutet zu „versuchen, in die Persönlichkeit des Schriftstellers selber so tief wie möglich einzudringen."64 62 63

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B. Duhm: Jesaia 1 S. III. H.-J. Kraus [Geschichte S. 279] bezieht diese Ausführungen auf die ,.Arbeit am hebräischen Text des Buches Jesaja". Das dürfte kaum das Ganze treffen, vielmehr wird der Beurteilung H. Barths: Jesaja-Worte S. 303, der darin schon Implikationen für die Redaktionsgeschichte sieht, beizupflichten sein. B. Duhm: Jesaia 1 S. III. Es kommt auf Grund dieses Ziels, der zweiten und nach B. Duhm wichtigsten Aufgabe bei der Erstellung des Kommentars, die einer romantisch anmutenden „communio animarum" nahezustehen scheint (vgl. die ähnlichen Auffas-

2. Β. Duhm - Literarkritik und Vorverständnis

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Glossatoren und Redaktoren treten demgegenüber deutlich ins Abseits, sie interessieren so gut wie überhaupt nicht, was ihre Erweiterungen anbelangt, und nur mäßig, wo sich Stücke als deren Eigenschöpfungen ausmachen lassen. Insofern ist dann K. Koch durchaus im Recht, wenn er feststellt, daß in der Literarkritik „alle späteren verdeutlichenden oder uminterpretierenden Zufügungen als Arbeit von Redaktoren und damit als unwesentlich ausgeschieden' wurden. Primär liegt dies jedoch am Erkenntnisinteresse, dagegen pauschal keineswegs an der Methode selbst. Zwar hat die Polarisierung von gutem Schriftsteller und stümpernden Redaktor vielfach solche Auswirkungen, weil aber auch andere Kriterien greifen, ist diese Polarisierung nicht generell gegeben. 66 Zu beachten ist fernerhin, daß B. Duhm bei seinen literarkritischen Entscheidungen von einem bestimmten Bild des Propheten Jesaja ausgeht, sowohl den Stil als auch Inhalte (Vorstellungen) betreffend. In bezug auf letztere spielt auch die „bewusste cultur- und religionsgeschichtliche Kritik"67, die dritte der Hauptaufgaben B. Duhms, ihre Rolle. Daß die literarkritischen Ergebnisse in diesem Beziehungsgefüge nicht „objektiv" sein können, versteht sich von selbst. Es sind Konvergenzentscheidungen, die von den vorausgesetzten Grundentscheidungen nicht abgehängt werden können.

sung bei J.G. Eichhorn: Einleitung III S. 439, aber auch die Idealvorstellung des Exegeten bei H. Gunkel [Ziele S.15] als eines Künstlers, der nachschafft), nicht von ungefähr, daß er selbst verschiedentlich mit den Propheten in eine enge Beziehung gebracht wurde, sei es daß man ihn wie auch H. Ewald als den Propheten kongenial bezeichnete (s. H. Greßmann: Aufgaben S. 6), sei es, daß man ihm den Nimbus eines morgenländischen Weisen oder Sehes nachsagte (s. W. Baumgartner: Bernhard Duhm S. XI). Aber gerade hier setzte mit der traditionshistorischen Forschung eine Kehre ein; s. K. Stendahl: Implications S. 35: „the organic growth of the tradition in the circles of disciples bars the straight path back to the ipsissima verba". Wollte sich R. Rendtorff in Auseinandersetzung mit Η. Ringgren noch „die Frage nach den ,ipsissima verba' der Propheten nicht methodisch verbieten" [Literarkritik S. 145] lassen, scheint er heute darüber unschlüssig geworden zu sein und fragt, ob man nicht vom Text als der gegebenen Größe für die Interpretation auszugehen habe [Criticism S. 302], 65 66

67

K. Koch: Formgeschichte S. 86. Gerade weil die klassische Literarkritik nicht auf Textkriterien eingeschränkt ist, bleibt dort ein - in der Periode der Literarkritik selbst vielfach vernachlässigter - Raum für die Neubewertung von Redaktorenarbeiten als Aktualisierung, in der die Unterscheidung von Original und Epigonischem gegenstandslos wird; s. schon programmatisch, aber mit dem Vorbehalt literarisch-ästhetischer Urteile G. von Rad: Theologie II S. 174; vgl. R. Rendttorff: Literarkritik S. 145; K.-H. Bernhardt: Problematik Sp. 486f. B. Duhm: Jesaia 1 S. IHf.

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

Der Hinweis auf nicht vorhandene Objektivität der literarkritischen Ergebnisse ist auch deshalb zu unterstreichen, weil die Meinung weit verbreitet ist, zumindest aber vielfach geschürt wird, die Literarkritik zur Zeit B. Duhms habe ein objektives Selbstverständnis gehabt. 68 Zumindest die Auffassung B. Duhms geht diesbezüglich andere Wege. Schon im Vorwort seines Kommentars führt er aus: „Auf einem Gebiet, auf dem man nicht so viele ,vielleicht' schreiben kann, als man möchte und müsste, ist man für Belehrung sehr empfänglich. Wenn man nicht glauben dürfte, daß auch Irrthümer, ehrliche Arbeit vorausgesetzt, gute Folgen haben können, so dürfte man überhaupt über Bibel und Religion nicht schreiben." 69 Und daß diese Irrtümer sich nicht nur auf die Interpretation beziehen, sondern auch auf die Literarkritik, bestätigt sich nur wenige Seiten weiter bei der Darlegung der chronologischen Übersicht über die Schriftsteller und Schriftstücke des Jesajabuches: „Die Reden und Gedichte Jesaias lassen sich zwar grösstenteils, aber nicht alle genau datiren, theils weil wir doch die Zeitumstände des Propheten nicht bis ins Einzelnste kennen, theils weil uns manche seiner Erzeugnisse nur als Bruchstück oder mit allerlei Alterationen erhalten sind. Die nachfolgende Übersicht muß sich also allen Irrthum vorbehalten."70 Wenn von objektiver Literarkritik die Rede sein soll, trifft dies wohl weit mehr etwa auf die Quellenkritik des Pentateuchs zu. Unter der Voraussetzung einer bestimmten Arbeitshypothese, die bei der Existenz bestimmter mehrfach unterbrochener Erzählfäden ihren Ausgang nimmt, kann deren Scheidung den Eindruck der "mechanischen Zerlegung" 71 machen. Wird eine bestimmte Hypothese zur gesicherten Erkenntnis erhoben, mag man die Literarkritik mit einer „Sezierung"72 vergleichen. Allein darin wird man sich heute noch an H. Gunkel halten

68 69 70

71

S. K. Koch: Formgeschichte S. 88; vgl. oben S. 23. B. Duhm: Jesaia 1 S. IV. Ders.: Jesaia 1 S. XV. In den späteren Auflagen ist B. Duhm noch vorsichtiger geworden. Bei den Gründen für die Datierungsschwierigkeiten fügt er hinzu: „auch nicht immer ihre ,Echtheit' über jeden Zweifel erhoben werden kann" [Jesaja5 S. 16]. Unter dieser Perspektive s. auch den bei R. Smend [Duhm S. 123f] abgedruckten Auszug eines Briefs B. Duhms an Ruprecht vom 14.2.1894 sowie die ähnliche Auffassung der Literarkritik als „Sport oder Kegelspiel" bei J. Wellhausen (nach R. Smend: Prolegomena S. 180). Zur Einsicht eines „Literarkritikers", daß Vorurteilsfreiheit auch ein Hirngespinst sein kann, s. B. Duhm [Ziel S. 24] über die sog. „kritische Theologie": sie „hat sich in die Illusion ihrer Vorurteilsfreiheit deshalb einwiegen können, weil sie ihre Vorurteile öfter gewechselt hat." J. Wellhausen: Prolegomena S. 310; dies ist wohl gemeint, wenn P.-P. Saydon [Literary Criticism S. 316] vom „older Wellhausenism with its destructive methods" schreibt. Es gilt freilich gegen ihn und andere festzuhalten, daß J. Wellhausen selbst diese mechanische Scheidung offensichtlich gar nicht so hochschätzte (s. dazu R. Smend: Jahrhundert S. 19f; ders.: Prolegomena S. 176).

72

Zu diesem vielsagenden Begriff s. wiederholt K. Koch: Formgeschichte S. 87 und bes. ders.: Profeten II S. 192f mit dem „blumigen" Beispiel: „insbesondere deutschsprachige Untersuchungen sezieren die hebräischen Texte oft so, wie ein Deutschlehrer in der Oberschule einen deutschen Aufsatz korrigiert, indem er jede überflüssige Doppelung, jeden Sprung im Gedankengang und jede nicht kenntlich gemachte Entlehnung aus fremden Quellen rot anstreicht. Mir scheint eine solche Übertragung moderner Geschmacksurteile in Texte des 1. Jh.s. v. Chr. [sie!?] wenig erfolgversprechend und mit

2. Β. Duhm - Literarkritik und Vorverständnis

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können: „Die feststehenden Resultate aber sind erzielt worden nur in den großen Fragen; man sollte sich darüber nicht täuschen, daß die Ergebnisse um so unsicherer werden, je mehr die Untersuchung in die kleinsten Einzelheiten hinabsteigt." 73

Die Grundprinzipien literarkritischer Scheidung im Jesajabuch, wie sie bei B. Duhm vorfindlich sind, sind bei diesem nicht neu, sondern so alt wie die Literarkritik am Jesajabuch selbst. Auf J.G. Eichhorn wurde schon hingewiesen, von ihm ausgehend, läßt sich eine Linie ziehen bis B. Duhm und über diesen weit hinaus. Selbst dort, wo schon bestrittene Textstücke dem Propheten Jesaja zuerkannt werden, bewegt sich die Argumentation auf der Ebene der „Echtheitskriterien". Und dort, wo ein Text für nicht jesajanisch erklärt wird, leitet die Klärung der Verfasserfrage die literarkritische Scheidung, die dann häufig nicht so konsequent geführt wird, weil man einem späteren Verfasser eher Schwächen zuzuschreiben geneigt ist. Zumindest an Jes 31 soll die literarkritische Argumentationsweise der jüngeren Forschung an wenigen Beispielen illustriert werden: Bei H. Wildberger ist die Dominanz der Echtheitskriterien bei der Ausscheidung von V. 6f offensichtlich. 74 Sie ergibt sich aus seiner Vorgabe: „Die Frage der Integrität und der Echtheit hängen auch bei diesem Abschnitt eng zusammen" 75 . Ähnliches ergibt sich auch bei H. Barths literarkritischer Analyse: 76 Der auf Jes 31,1-4.8a reduzierte Grundbestand ergibt sich letztlich, gerade was die Ausscheidung von V. 5 betrifft, aus der Voraussetzung der Jesajanität und einer entsprechenden Interpretation von V. 4. 77 Etwas anders stellt sich das Problem bei O. Kaiser dar: Da ihm Jes 31,4-9* schon in der Grundschicht nicht mehr jesajanisch ist, kommen naturgemäß keine Echtheitskriterien mehr zum Zuge. Aber auch er muß, um die Zusammengehörigkeit von V. 4 und V. 5 zu halten, von einem bestimmten, postulierten Bild des Verfassers ausgehen, nämlich

historischer Kritik unvereinbar." Vgl. auch I. Engnell: Call S. 46.56, der von einer chirurgischen Methode spricht, und K. Stendahl: Implications S. 34: „literary criticism of a book-minded, .scissors and paste' type". In engen Grenzen wird man dies auch angesichts heutiger Forschung diskutieren können. 73

74

75 76 77

H. Gunkel: Ziele S. 21; vgl. I.L. Seeligmann: Erzählung S. 305; R. Kilian: Abrahamsüberlieferungen S. XII. S. H. Wildberger: Jesaja III S. 1239. H. Wildberger legt für die Ausscheidung von V.6f folgende Argumente dar: 1.) Jesaja mahnt sonst nie direkt zur Umkehr. 2.) Umkehr paßt nach V.5 nicht in den Zusammenhang. 3.) "Ί3 ist bei Jesaja nur lx belegt und zwar in 17,3 für die Bewohner des Nordreiches. 4.) Die Verse sind Prosa. 5.) Das Verwerfen der Götzen ist auf keinen Fall jesajanisch. Ders.: Jesaja III S. 1238. S. H. Barth: Jesaja-Worte S. 77 - 92. S. ders.: Jesaja-Worte S. 84f: „Da V4 unbestrittenermaßen jesajanisch ist" und „die Eigenart jesajanischer Heilserwartung" aufweist, die - so H. Barth - sowohl einen Heils- als auch einen Unheilsaspekt enthält, wird V.5 als sekundär bestimmt, denn anders „als V4 macht V5 eine undialektische Heilsaussage für Jerusalem."

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II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

„eines wohl in seinen Absichten, nicht aber in ihrer Durchführung eben starken Dichters" 78 . Die abschlägige Antwort hinsichtlich der Frage nach einem authentischen Grundbestand hat natürlich entsprechende Auswirkungen auf den Nachweis des Sekundärcharakters von V. 6f. Von den fünf Argumenten H. Wildbergers bleiben lediglich zwei überhaupt noch diskutabel. Dabei kommt dem Argument, die Verse seien Prosa, deutlich das Hauptgewicht zu.79

Nicht viel anders steht es um die literarkritische Scheidung, wenn B. Duhm einen Text insgesamt für eine spätere Schöpfung erklärt. Wie bei O. Kaiser hinsichtlich Jes 31,4-9 verschiebt sich bei einem solchen Text auch bei B. Duhm die Beurteilung der literarischen Verhältnisse. Als Beispiel wird bewußt Jes 14,28 - 32 gewählt, weil dieses Stück, anders als viele andere, die von B. Duhm für sekundär erklärt wurden, noch heute in der Authentizität umstritten ist: Jes 14,28 - 32 stammt - so B. Duhm - nicht von Jesaja, sondern wurde wahrscheinlich „nach der Schlacht von Issos und vor der Einnahme von Tyrus und Gaza durch Alexander" 80 geschrieben. Bis auf die Überschrift hält B. Duhm das Stück für einheitlich. Nimmt er auch einige textgeschichtliche Entstellungen an, hat dieses Stück trotz einiger Ungereimtheiten und Schwächen einheitliches Gepräge. Die Abtrennung der Überschrift ergibt sich auf Grund der Inbezugsetzung von Ahas mit dem „Stab" in V. 29, die mit dem Folgenden, besonders V. 31 nicht in Stimmung gebracht werden kann, die Annahme des späten Verfassers ergibt sich wohl aus stilistischen Vorentscheiden (V. 29b „unglückliche Vermischung verschiedenartiger Bilder") und aus Erwägungen zu Vorstellungen, die entweder religionsgeschichtlich als nachjesajanisch einzuordnen sind oder generell nicht zu Jesaja passen: „denn dieser kennt wohl im Volk Arme und Niedrige, nennt aber nicht das ganze Volk so, schreibt diesem auch nicht die Gesinnung zu, die aus v. 32 spricht. Dagegen wird in der nachexilischen Zeit, besonders auch von Tritojesaia, das Volk als ^ y und Zion als specielle Schöpfung des Weltherrschers bezeichnet (ζ. B. c. 66)."81 H. Wildberger dagegen hält Jes 14,28 - 32 für jesajanisch: Im Ausgang von V. 32b stellt er die Möglichkeit vor, daß der Halbvers von Jesaja geschrieben sei und verweist diesbezüglich auf die Zionstheologie und den Begriff in Jes 10,2 und 11,4 (emend.). Mit H. Donner 82 muß er überdies postulieren, daß sich hier bei Jesaja der ^y-Begriff „auf dem Wege zur Umschreibung des Begriffs ,Fromme' 1,83 befindet und „dieselbe Restriktion" beinhaltet wie Jes 7,9 und 28,16.84 Dieser gewagten Konstruktion, die allein H. Wildberger

78 79

80 81 82 83 84

O. Kaiser: Jesaja II S. 252. S. ders.: Jesaja II S. 251. Hinsichtlich der textinternen Literarkritik wird man folgern können, daß ein Mangel an Vollkommenheit nicht notwendig auf ein geschichtliches Textwachstum verweisen muß, sondern durchaus auf einen schwachen Verfasser hindeuten kann. Auch wenn man hinsichtlich Jes 31,4-9 anderer Meinung sein kann als O. Kaiser, steht diese Möglichkeit außer Frage. B. Duhm: Jesaia 1 S. 101. Ders.: ebd. S. H. Donner: Israel S. 113. H. Wildberger: Jesaja II S. 576. S. ders.: Jesaja II S. 576.

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2. Β. Duhm - Literarkritik und Vorverständnis

zu der Annahme bewegt, „daß 29 - 32 im Ganzen jesajanisch ist" 85 , fügt sich V. 30a dennoch nicht ein. Zwar ist die Armen-Theologie nach der Interpretation von V. 32b auch primär möglich: „Aber 30a unterbricht in unerträglicher Weise den Zusammenhang zwischen 29b und 30b, die beide vom Unheil sprechen, das die Philister treffen wird." 86 Ob diese Charakterisierung, die vielfach zur Umstellung von V. 30a vor oder hinter V. 32b führt, berechtigt ist und allein zur Ausscheidung genügt, muß doch wohl in Frage gestellt werden. Da B. Duhm diese Unterbrechung ertragen kann, scheint der wesentliche Anstoß der Bewertung doch von dem Bild auszugehen, das man sich vom Verfasser dieser Grundschicht macht, überdies von der textkritischen Entscheidung zu V. 30b TßiT, dessen Umsetzung in die 3. Pers. gegen MT und lQIs a (!) einen Zusammenhang zwischen V. 29 und V. 30b erst sichert. Wenn man jedoch vom Zusammenhang her argumentiert, wird man kaum bei V. 30a stehen bleiben dürfen. So geht O. Kaiser auch einen Schritt weiter. Nach ihm „greift V. 30b mit seiner Drohung der dramatischen Ankündigung von V. 31 ungeschickt vor, so daß er als Zusatz verdächtig wird." 87 Wird damit nicht wiederum ein Verfasser vorausgesetzt, nämlich einer, der folgerichtig, der eigenen Erwartung entsprechend, sein Stück komponiert? Letztlich bleibt bei der literarkritischen Beurteilung immer ein Ermessensspielraum, der auch davon abhängig ist, was für einen Schriftsteller man als Verfasser vorausetzt. Wenn bei Voraussetzung der Authentizität von Stücken die Frage des Zusammenhangs ungleich häufiger gestellt wird, dürfte das damit zusammenhängen, daß man Jesaja für einen guten Schriftsteller hält. So versteht sich von daher auch die Zurückhaltung B. Duhms bei Jes 14,2«-32. I n s o f e r n s c h e i n t n i c h t n u r d i e L i t e r a r k r i t i k , die mit E c h t h e i t s k r i t e r i e n n a c h e i n e m „ e c h t e n " G r u n d b e s t a n d in e i n e m S t ü c k sucht, s o n d e r n a u c h j e n e , die e i n e n T e x t für s e k u n d ä r hält, v o n d e r V e r f a s s e r f r a g e b e e i n f l u ß t zu sein. G i l t dies n i c h t n u r für B . D u h m , s o n d e r n a u c h n o c h für die a k t u e l le F o r s c h u n g , s o w e i t sie n i c h t a u f d i e t e x t i n t e r n e V a r i a n t e d e r L i t e r a r k r i t i k n a c h W . R i c h t e r e i n g e s c h w e n k t ist, stellt sich d a s z e n t r a l e P r o b l e m e i n e s e c h t e n o d e r v e r m e i n t l i c h e n Z i r k e l s für d a s P a r a d i g m a klassischer L i t e r a r kritik.

3. Zum sogenannten Zirkel der mit Hilfe von Echtheitskriterien geübten Literarkritik Die Erkenntnis

der Voraussetzungshaftigkeit

der Rationalität

der

A u f k l ä r u n g ist a u c h in d e r r a t i o n a l i s t i s c h b e e i n f l u ß t e n B i b e l w i s s e n s c h a f t nicht o h n e A u s w i r k u n g e n g e b l i e b e n . M a n h a t e s sich a n g e w ö h n t , selbst für die vermeintlich

objektiven

Methoden

wie

etwa

die

Literarkritik

das

P r o b l e m d e s h e r m e n e u t i s c h e n Z i r k e l s zu a r t i k u l i e r e n und d a s V o r v e r s t ä n d -

85 86 87

H. Wildberger: Jesaja II S. 577. Ders.: Jesaja II S. 579. O. Kaiser: Jesaja II S. 44.

36

II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

nis als die nicht hintergehbare Bestimmung exegetischer Textbearbeitung herauszuarbeiten. 88 So ist deutlich geworden, daß ein Zirkel nicht nur die Hermeneutik, die Applikation als die vergegenwärtigende Auslegung des geschichtlich Verstandenen betrifft, sondern dem geschichtlichen Verstehen selbst eignet. 89 Mit dem Verweis auf den hermeneutischen Zirkel und das Vorverständnis scheint es dann abgemacht, die Exegese prinzipiell als unabgeschlossen halten zu dürfen, eigene Ergebnisse neben andere stellen und miteinander vermitteln zu können, ohne sie zur Übereinstimmung bringen zu müssen. Allgemein auf die Geisteswissenschaften in ihrem Verhältnis zu den Naturwissenschaften bezogen dient die Rede von einem Zirkel schließlich dazu, deren geringere Effizienz und Geschlossenheit auf Grund ihrer Eigenart als Geisteswissenschaften zu erklären. 90 Der hermeneutische Zirkel zeichnet die Geisteswissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften aus, er ist dafür verantwortlich, daß jene aus der naturwissenschaftlicher Perspektive jenseits der Wissenschaften und Wissenschaftlichkeit angesiedelt werden. Auch dort, wo die Literarkritik in Verbindung mit dem Zirkel des Verstehens gebracht wird, bedarf es der Klärung der Frage, was darunter zu verstehen sei, wie sich ein solcher Zirkel auf das methodische Vorgehen auswirken soll. Es hat den Anschein, als ob man allzu vorschnell von einem Zirkel spricht, ohne die Konsequenzen, die diese Rede erfordert, in den Blick zu nehmen und zu ziehen. So spricht beispielsweise H. Wildberger in seinen Prolegomena zur Entstehungsgeschichte von Jes 1 - 3 9 , für deren Nachzeichnung die literarkritische Scheidung und Ortung der Texte maßgeblich ist, gar von einem circulus vitiosus: „Aber der Ausleger bewegt sich in einem circulus vitiosus: Er muß den Versuch unternehmen, die Geschichte des Buches darzulegen, was nur durch Rückschlüsse vom Aufbau her geschehen kann. Und er soll den Aufbau erklären, was im Grunde Kenntnis der Geschichte des Buches voraussetzt. Kein Wunder also, daß bis anhin keine unbestrittenen Lösungen erreicht worden sind."91 Beschreibt dieses Problem tatsächlich einen circulus vitiosus, kann die Exegese mit Versuchen, solche Fragen zu beantworten, aufhören, denn unbestrittene Lösungen können dann überhaupt nicht gefunden werden, es sei denn durch Autoritätsentscheidung. Circulus vitiosus besagt schließlich Zirkelschluß, d.h. das zu Beweisende ist im Beweisgang schon

88

89

90 91

S. für die Propheteninterpretation den Versuch von L. Markert/G. Wanke: Propheteninterpretation. S. die Begriffsbestimmungen bei K. Berger: Hermeneutik S. 108, der Exegese und Applikation trennt und Hermeneutik als den Versuch beschreibt, „beide Zugangsweisen zum Text für sich und in ihrem Verhältnis zueinander zu beschreiben und wissenschaftstheoretisch einzuordnen." S. W. Stegmüller: Zirkel S. 22 [63], H. Wildberger: Jesaja III S. 1529.

3. Zum sogenannten Zirkel der Literarkritik

37

enthalten, Ergebnisse werden vorausgesetzt, um sie zu erzielen.92 Daß das Problem des Verhältnisses von Aufbau und Geschichte des Buches keinen solchen Zirkel darstellt, scheint schon von daher offensichtlich zu sein, daß H. Wildberger für die Erklärung des Aufbaus im Grunde die Kenntnis der Geschichte des Buches voraussetzen zu mttssen meint. Das von H. Wildberger anvisierte Problem scheint nicht als Circulus vitiosus identifizierbar zu sein, sondern in komplexerer Form jenem hermeneutischen Grundsatz zu entsprechen, den F. Schleiermacher in Anlehnung an den Altphilologen F. Ast formuliert hat, „daß wie freilich das Ganze aus dem Einzelnen verstanden wird, so doch auch das Einzelne nur aus dem Ganzen verstanden werden könne" 93 . F. Schleiermacher hat diesen bei F. Ast auf das Verstehen klassischer Werke bezogenen Grundsatz auf jegliches Verstehen höherer Ebene ausgeweitet,94 damit aber keinesfalls einen Zirkel beschrieben. Weder bei der „objektiven" grammatischen Auslegung, in der dieser Grundsatz im Verhältnis eines Wortes zum Satz, eines Satzes zum Werk, des Werkes zur literarischen Gattung zur Geltung kommt, noch bei der „subjektiven" kunstmäßigen oder technischen Auslegung, in der der Interpret den Text als „Manifestation eines schöpferischen Augenblicks in das Ganze des Seelenlebens seines Autors" 95 einbezieht, wird ein Zirkel im eigentlichen Sinne vollzogen. Er ist vielmehr aufgelöst, wenn alle Einzelheiten auf das Ganze eingestimmt sind, eine Rede, ein Text oder Werk richtig verstanden ist. Das Verstehen als die Einstimmung der Einzelheiten auf das Ganze ist demzufolge nicht zirkulär. Indem die Schwierigkeiten nicht prinzipiell unüberwindbar sind, läßt sich das Problem als ein Dilemma beschreiben. Für die mehrfach kreisende Bewegung in der Einstimmung der Einzelheiten auf das Ganze trifft nicht das Bild eines Zirkels, sondern vielmehr das der Spirale zu, der hermeneutischen Spirale, das immer

92

S. zur Definition von Circulus vitiosus G. Schischkoff: Philosophisches Wörterbuch S. lOOf; zur Unterscheidung von Voraussetzung und Vorverständnis s. R. Bultmann: Voraussetzungslose Exegese S. 142: „Die Frage, ob voraussetzungslose Exegese möglich ist, muß mit Ja beantwortet werden, wenn ,voraussetzungslos' meint: ohne daß die Ergebnisse der Exegese vorausgesetzt werden. In diesem Sinne ist voraussetzungslose Exegese nicht nur möglich, sondern geboten. In einem anderen Sinn ist freilich keine Exegese voraussetzungslos, da der Exeget keine tabula rasa ist, sondern mit bestimmten Fragen bzw. einer bestimmten Fragestellung an den Text herangeht und eine gewisse Vorstellung von der Sache hat, um die es sich im Texte handelt." (vgl. J.C. Rylaarsdam: Problem S. 32.) In Anschluß an R. Bultmann unterscheidet neuerdings R. Smend [Epochen S. 30] zwischen (unverzichtbarem) Vorverständnis und (negativ beurteiltem) Vorurteil.

93

F. Schleiermacher: Hermeneutik S. 141f. Auch F. Ast kann dieser Grundsatz nur insofern zuerkannt werden, als er die aus der antiken Rhetorik stammende Regel von der Redekunst auf die Kunst des Verstehens übertragen hat (s. dazu H.-G. Gadamer: Zirkel S. 570F. Schleiermacher [Hermeneutik S. 124] unterscheidet in seiner Akademierede vom 12.8.1829 drei Weisen des Verstehens: „eine fast geistlose und ganz mechanische eine die auf dem Reichtum von Erfahrungen und Beobachtungen ruht, und endlich eine im eigentlichen Sinne des Wortes kunstmäßige." Letzteres ist mit Verstehen höherer Ebene ausgedrückt. H.-G. Gadamer: Zirkel S. 57.

94

95

38

II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

dort anwendbar ist, „wo einerseits ein Verständniszuwacfo zustande kommt, andererseits aber dieser Gewinn nicht ohne erhebliche Mühe erzielt wird."96 Daß das von H. Wildberger als Zirkel gedeutete Problem sich komplexer darstellt, ändert nichts an dessen Qualität: Wie in einem in sich geschlossenen Werk eines Verfassers die Einzelheiten auf das Ganze einzustimmen sind, so auch in einer Sammlung wie Jes 1-39. Wenngleich man hier nicht eine Person, nämlich Jesaja, als den Verfasser sämtlicher Stücke voraussetzen kann, geht es doch letztlich nur um diese Einstimmung. Die historischkritische Untersuchung des Jesajabuches setzt gerade an dem Problem an, daß bestimmte Einzelheiten, Texte und Aussagen in Texten, nicht auf das Ganze, Jesaja, seine Zeit und Verkündigung, eingestimmt werden können. Die Lösung der kritischen Wissenschaft bestand nun nicht darin, alle Texte in immer neuen Systemansätzen und Harmonisierungsversuchen auf Jesaja zu beziehen, sondern in der Anerkenntnis sekundären Gutes. Damit wurde das Ganze (das Buch) als Gegenstand neu bestimmt: als eine geschichtlich gewachsene Größe. Die Frage lautet fortan nicht mehr: wie lassen sich die Texte als Erzeugnisse des Propheten begreifen, sondern: Gehören die Texte im Jesajabuch sämtlich dem Propheten an? Nachzeichnung des Aufbaus und der Entstehungsgeschichte des Buches greifen damit ineinander, jedoch nicht in der Weise eines Circulus vitiosus. Vielmehr sind diese Aufgaben nur hypothesengeleitet durchführbar. Da bei einigen, vielleicht sogar zahlreichen Fällen eine exakte Zuordnung und Datierung nicht möglich ist, mag dies als ein „Zirkel" aufgefaßt werden, in der Tat ist es aber lediglich ein auf mangelnder Information beruhendes Dilemma, das eine Entscheidung zugunsten einer bestimmten Hypothese nicht eindeutig treffen läßt, weshalb der Eindruck der Spekulation häufig nicht zu verwischen ist. Insofern sollte man eher mit W. Stegmüller von einem Bestätigungsdilemma sprechen.97 Direkt auf das P r o b l e m der Literarkritik, die unter Echtheitskriterien geübt wird, hat die R e d e v o m Zirkel F. Stolz in s e i n e m Arbeitsbuch übertragen. E i n solcher Zirkel besteht seiner Ansicht nach darin, daß der E x e g e t v o n e i n e m Grundstock v o n Texten, deren Authentizität er annehm e n kann, a u s g e h e n muß, u m auf d e s s e n Basis Echtheitskriterien entwikkeln zu k ö n n e n . 9 8 D a m i t beschreibt F. Stolz folglich k e i n e n Circulus vitiosus, sondern das P r o b l e m des Ansatzes. E i n eigentlicher Zirkel wäre dann g e g e b e n , w e n n der Grundstock v o n echten Worten als gesicherte G r ö ß e authentischer Verkündigung a n g e s e h e n würde und nur Echtheitskriterien die literarkritische Entscheidung herbeiführen würden. D i e A n n a h m e der Echtheit für diesen Grundstock weist ihn j e d o c h als hypothetischen Ausgangspunkt aus.

96 97 98

W. Stegmüller: Zirkel S. 27 [69], S. W. Stegmüller: Zirkel S. 33 - 38 [75-80], S. F. Stolz: Altes Testament S. 39. Es ist das gleiche Problem in wissenschaftlicher Terminologie, das schon F. Schleiermacher [Hermeneutik S. 44] folgendermaßen beschreibt: „Man muß den Menschen schon kennen um die Rede zu verstehen und doch soll man ihn erst aus der Rede kennen lernen."

3. Zum sogenannten Zirkel der Literarkritik

39

Wo Texte literarkritisch allein auf Grund von Echtheitskriterien geschieden werden, mag man füglich von einem echten Zirkel sprechen. Der Circulus vitiosus ist dort gegeben, wo das vorentworfene Bild von Jesaja und seiner Verkündigung so beharrend ist, daß Texte aus dem Buch allein auf Grund dieser Voraussetzung geschieden werden. In diesem Fall kommt es zu keiner wirklichen Erprobung der Prämissen, sondern zur Anpassung der Texte an sie. In diesem Sinne einer petitio principii wurde Literarkritik, wenn überhaupt, höchstens in Einzelfällen betrieben. Solche haben aber nichts mit dem Charakter der Methode zu tun. Literarkritik, wie sie an B. Duhm dargestellt wurde, ist dagegen kaum monokausal auf Echtheitskriterien beschränkt, sondern verbindet verschiedenartige Argumente im literarkritischen Urteil.

In adäquater Weise hat sich erst jüngst O. Kaiser zum Problem des Zirkels geäußert: Bei der literarkritischen Untersuchung - O. Kaiser nennt dies „die Abgrenzung der ursprünglichen Texteinheiten" - „bewegt sich die Argumentation des Auslegers notwendig in einem hermeneutischen Zirkel; denn bei diesen Untersuchungen ist der Exeget unvermeidlich auf sein vorgängiges Wissen über den vermutlichen Grundbestand des Buches wie über seine Vorstellungen vom Gang der Literatur- und Religionsgeschichte Israels angewiesen. Allerdings gilt ebenso, daß sich dieses Vorverständnis mit jeder Textbearbeitung modifiziert." Hier ist in der Tat das Grundproblem der klassischen Literarkritik artikuliert. Und trotzdem muß die Frage erneut gestellt werden: Worin besteht der Zirkel? M.E. läßt sich dieses Problem in zwei Richtungen ausdifferenzieren, als das Problem der hermeneutischen Spirale und das des hermeneutischen Zirkels. Die hermeneutische Spirale zeigt sich bei der Textbearbeitung aus einem bestimmten Vorverständnis heraus. Das Vorverständnis - bei O. Kaiser verstanden als ein Vorwissen - bildet einen Vorentwurf aus, der am zu bearbeitenden Text geprüft wird und zwar in der Weise, daß er aufs Spiel gesetzt wird. Der Text als Gegenstand der Untersuchung bildet nicht das Material, das sich dem Vorverständnis fügen müßte, sondern stellt einen Widerstand dar, der den Vorentwurf in Frage stellen kann. In mehrfach kreisförmiger Bewegung vom Text zum Vorverständnis und zurück wird der Entwurf ausgearbeitet, Verständnis herbeigeführt. Dies gilt auch für die an und für sich eingeschränkte Verständnisweise einer Literarkritik. Auch in der Literarkritik beschreibt der Exeget demgemäß eine Spirale. Indem ein Vorentwurf zum Entwurf ausgearbeitet wird, ändert sich auch - in welcher Weise auch immer - das Vorverständnis. Begreift man es wie O. Kaiser als ein vorgängiges Wissen, mag dieses Wissen lediglich erweitert oder grundsätzlich modifiziert werden. Ein forschungsgeschichtliches Exempel für die Modifikation erster Art ist etwa die Auffindung des „Deuterojesaja", für die zweite Art die Hintansetzung des Gesetzes hinter die Propheten in der Auffassung von der Religionsgeschichte Israels bei J . Wellhausen. Es besteht aber auch ein hermeneutischer Zirkel, und zwar in der Wahl des Ausgangspunktes, der die Beurteilungskriterien an die Hand gibt. Der Ausgangspunkt mag frei

99

O. Kaiser: Literarkritik S. 58.

40

II. Das Paradigma klassischer Literarkritik

wählbar sein, er ist aber weder als notwendig einzunehmender zu beweisen noch suspendierbar. Ohne Vorverständnis läßt sich kein Text verstehen, läßt sich auch kein Text literarkritisch untersuchen. Die Zirkelstruktur des Verstehens läuft demgemäß nicht auf die prinzipielle Unüberwindlichkeit jeder der Voraussetzungen, die das Vorverständnis bilden, hinaus, sondern auf die Unüberwindlichkeit der Voraussetzungshaftigkeit jeden Verstehens. 100

Über das bei O. Kaiser vorgängige „Wissen über den vermutlichen Grundbestand des Buches wie über seine Vorstellungen vom Gang der Literatur- und Religionsgeschichte Israels" hinaus läßt sich das Vorverständnis auch auf die Literarkritik als Methode selbst beziehen als auf eine Sichtweise, die den Text als Gegenstand der Untersuchung vorsichtend konstitutiert. Würde sich die Literarkritik in Beobachtung und Aufzählung von apriorischen Kriterien erschöpfen, bedürfte es auch angesichts „objektiver" Kriterien keines Urteils, keiner Abwägung der einzelnen Kriterien und der Kriterien untereinander, bestünde das Vorverständnis lediglich darin, daß man Literarkritik betreibt. Da aber die Kriterien der Literarkritik eine Sammlung der Indizien darstellen, mit denen in schon durchgeführten Fällen erfolgreiche Ergebnisse begründet wurden, sind sie weder „objektiv" - vielmehr sind sie relativ zum Gegenstand und zum Exegeten - noch vollständig - sondern prinzipiell reduzierbar oder erweiterungsfähig noch ohne Beurteilung ihrer Bedeutung und Relevanz anwendbar. Wenn Literarkritik betrieben wird, wird die Möglichkeit einer geschichtlich bedingten Veränderung des Textbestandes vorausgesetzt. Woran sich eine solche Veränderung zeigen soll, die Beantwortung dieser Frage übernimmt der Exeget, zumindest im Paradigma klassischer Literarkritik, aber wohl auch darüber hinaus, als vorgängiges Wissen der ihm aktuellen Forschung, die die Kriterien in Verallgemeinerung erfolgreicher Scheidungen bereitstellt. Die grundlegende Einstellung ist dabei die zum Verfasser des Buches oder Textes, die sehr allgemein bestimmt sein, durchaus aber auch ins Detail gehen kann. Allgemein dürften diesbezüglich die schon angeführten Bemerkungen R. Kittels zu den Dubletten im Pentateuch nach wie vor ihre Gültigkeit haben, in denen die Notwendigkeit literarkritischer Scheidung am Beispiel der Wiederholungen im Pentateuch mit der Unmöglichkeit begründet wird, sie in ein und demselben Bewußtsein Raum finden zu lassen. 101 Je nach Vorverständnis mag das Bewußtsein des Verfassers eine unterschiedliche Größe darstellen, es ändert nichts daran, daß die Vorstellung dieses Bewußtseins die Literarkritik leitet. Wo dies nicht der Fall ist, steht Literarkritik in der Gefahr, spannungs-„lose" und wiederholungsfreie Einheiten zu isolieren, die dem Ideal eines sprachlich-stilistisch einwand-

100 101

S. dazu W. Stegmüller: Zirkel S. 31f [73f], S. oben S. 24.

3. Zum sogenannten Zirkel der Literarkritik

41

freien Textes verpflichtet sind, wobei das, was unter sprachlich-stilistisch einwandfrei zu verstehen sein soll, auch eine offene Frage sein dürfte. Ist es richtig, daß nicht nur die Beurteilung der Einheitlichkeit unter einem Vorverständnis erfolgt, sondern schon die Kriterien als Erfahrungswerte der Forschung Voraussetzungen darstellen, die die Sammlung von Indizien erst ermöglichen, hat dies für den Charakter der literarkritischen Methode weitreichende Konsequenzen. Streng genommen ist selbst die Sammlung von Indizien für die Einheitlichkeit kein empirischer Vorgang in dem Sinne, daß er vom Text als „objektiver" Größe, der die entsprechenden Daten enthält, die als Indizien zu werten sind, ausginge. Daß sich Daten des Textes als Indizien zeigen, hängt vielmehr davon ab, daß man die Daten auf Grund der vorausgesetzten Kriterien als Indizien beschreibt. 102 Damit stellt sich das Problem des Zirkels aber nicht allein der Literarkritik der Echtheitskriterien, sondern jeglicher Literarkritik.

102

Genau das scheint mir von M. Heidegger, wenn auch allgemeiner, da auf das Verstehen als Existenzial des sich sorgenden Daseins bezogen, gemeint zu sein, wenn er in „Sein und Zeit" (S. 150; vgl. dazu H.-G. Gadamer: Problem S.8) schreibt: „Die Auslegung von Etwas als Etwas wird wesenhaft durch Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff fundiert. Auslegung ist nie ein voraussetzungsloses Erfassen eines Vorgegebenen. Wenn sich die besondere Konkretion der Auslegung im Sinne der exakten Textinterpretation gern auf das beruft, was ,dasteht', so ist das, was zunächst .dasteht', nichts anderes als die selbstverständliche, undiskutierte Vormeinung des Auslegers, die notwendig in jedem Auslegungsansatz liegt als das, was mit Auslegung überhaupt schon .gesetzt', das heißt in Vorhabe, Vorsicht, Vorgriff vorgegeben ist." In Reduktion auf das Problem des Faktums führt W. Stegmüller [Zirkel S. 43 (85)] Entsprechendes aus: „Bereits bei der Beschreibung der Fakten ,holt der Interpret sein in deren Deutung gestecktes Hintergrundwissen aus dieser Beschreibung wieder heraus'."

III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

1. Literarkritik und Methodenschema Ein Grund für den Neuansatz einer textinternen Literarkritik ergibt sich aus dem Bemühen der Exegese um Koordinierung ihrer Methoden.1 In den Neukonzeptionen der Literarkritik als einer Methode im Schema der exegetischen Textbearbeitung, die nicht lediglich auf die vorgängigen, grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber Literarkritik, vor allem in der skandinavischen Forschung,2 reagierten, läßt sich überwiegend eine Grundoption ausmachen, die die Methode gegenüber ihrer ursprünglichen Fassung als ein neues Paradigma der Literarkritik verstehen läßt. Diese Grundoption ist die methodologisch gerechtfertigte und notwendige Abkehr von der Quellenkritik und der Literarkritik der Echtheitskriterien. Was die Quellenkritik betrifft, gibt die klarste und einleuchtendste Begründung dieser methodologischen Entscheidung H. Schweizer: „Die Rekonstruktion zusammenhängender Textstränge ist - bei vorher geleisteter gründlicher Literarkritik - nach neuerer Terminologie Aufgabe der Kompositionskritik."3 Das bedeutet: Literarkritik, die Quellen als Arbeitshypothese voraussetzt, geht methodisch falsch vor. Sie ist unmethodisch, weil sie literarkritische Beobachtungen unter Voraussetzung kompositionskritischer Ergebnisse auswertet oder gar erst als solche setzt. „Die Kriterien der Literarkritik reichen - zunächst zumindest - gar nicht bis auf die Ebene des Zueinand e r mehrerer Einzeltexte."4 Entsprechendes gilt für eine mit Echtheitskriterien argumentierende Literarkritik: Echtheitskriterien setzen das Wissen um den Verfasser des zu bearbeitenden Textes voraus. Dieses kann aber in der Literarkritik nicht erzielt werden: „Die Frage nach dem oder den Verfassern (und damit auch die Frage der Pentateuchquellen) ist erst legitim zu beantworten, wenn die Eigenart dieser Texte (sie ergibt sich aber nicht nur aus den beobachteten Widersprüchen und Doppelungen der Literarkritik!) näher untersucht ist. 1

S. zu diesem Begriff E. Zenger: Beispiel S. 97.

2

S. z.B. I. Engnell: Aspects; Ε. Nielsen: Oral Tradition; H. Ringgren: Literarkritik (zu

3

H. Schweizer: Literarkritik S. 25; vgl. R. Knierim: Criticism S. 131.

4

H. Schweizer: Literarkritik S. 25 A.4.

letzterem s. R. Rendtorff: Literarkritik).

1. Literarkritik und Methodenschema

43

[...] Die Verfasserfrage ist am besten zurückzustellen, bis der Text auf seine Form, seine Gattung, seine Tradition und seine Redaktion hin analysiert ist." 5 Auch diese Ausführungen E. Zengers sind vollkommen einleuchtend. Die Literarkritik als eine Perspektive im Methodenschema bekommt den zu bearbeitenden Text überhaupt nicht so in den Blick, daß sie über Echtheit und Verfasserschaft entscheiden könnte. Wenn aber beispielsweise bei einem Text aus Jes 1 - 3 9 noch gar nicht klar ist, ob er von Jesaja stammt, können auch keine Echtheitskriterien zur Anwendung kommen. Diese methodisch einsichtige Konsequenz bringt zwangsläufig eine Neubestimmung der literarkritischen Methode mit sich: „Sie fragt heute nicht mehr nach der Echtheit, sondern kann nur nach der Einheitlichkeit des Textes fragen." 6 Diese Neukonzipierung der literarkritischen Fragestellung verdankt die Exegese vor allem dem Anstoß W. Richters und dessen Methodenkonzept. Dabei muß vorausgesetzt werden, daß der Literarkritik im Methodenschema ein bestimmter Platz notwendig zukommt. Allein diese Voraussetzung verbürgt die Einsichtigkeit der methodischen Rechtfertigungen bei H. Schweizer und E. Zenger. Zu fragen ist, ob die Literarkritik tatsächlich notwendig diesen Platz einnimmt oder nur aus arbeitsökonomischen Gründen, und ob die Kriterien einer solchen Literarkritik der Methode die Lösung ihrer Aufgaben überhaupt ermöglichen und wenn ja, in welcher Form. Dabei kristallisiert sich folgende Grundsatzfrage heraus: Bedarf der Nachweis geschichtlich-bedingten Wachstums von Texten nicht zumindest partiell geschichtlich orientierter Kriterien?

2. Literarkritik als erster methodischer Schritt der Exegese Da sich W. Richters Impuls das derzeit propagierte Methodenschema im wesentlichen verdankt, in dem die Literarkritik den ersten oder bei Berücksichtigung der Textkritik den zweiten methodischen Schritt darstellt, ist eine eingehendere Behandlung erforderlich. Die auf den ersten Blick seltsam anmutende Vorfindlichkeit der literarkritischen Methode in einem Konzept einer Literaturwissenschaft des Alten Testaments wurde schon angesprochen. 7 Es muß sich bei diesem Schritt um ein Zugeständnis handeln, das vom spezifischen Zustand des Gegenstandes her erfordert wird. Nach W. Richter nimmt in der Literaturwissenschaft des AT diese Literarkritik die erste Position im Ablauf der methodischen Schritte

5 6 7

E. Zenger: Beispiel S. 107. Ders.: ebd; vgl. F. Huber: Literarkritik S. 47. S. oben S. 9f.

44

III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

notwendig ein: „Die Reihe der Methoden am Einzeltext ist obligatorisch."8 Es muß einigermaßen verwundern, daß diese obligatorische Reihenfolge der Methoden ihrem Aufkommen in der Forschungsgeschichte entspricht.9 Zwar mag sie in mehrfacher Hinsicht sinnvoll erscheinen, ob generell nur unter ihrer Beachtung Exegese gelingen kann, ist aber zweifelhaft. Sicherlich ist es richtig, in der Exegese von der Form zum Inhalt überzugehen, ebenso ergibt sich klar, daß eine Redaktions- oder Kompositionskritik die Literarkritik vorauszusetzen hat, fraglich muß aber erscheinen, ob die Literarkritik und damit eine Literalebene stets der Ebene der Formkritik vorzustellen sein muß, ob die Redaktionskritik notwendig hinter Form-, Gattungs-und Traditionskritik zu stehen kommt.10 Das Methodenschema W. Richters ist in Ebenen aufgebaut, die Methodenvermischungen verhindern sollen. Eine Durchlässigkeit besteht nur rückwärts, d.h. von der höheren zur niederen Ebene. Fraglich ist, ob die Literalebene tatsächlich die erste und damit die niedrigste Ebene darstellt. Dieses Postulat wäre dann gerechtfertigt, wenn die literarkritischen Kriterien unabhängig von den Untersuchungen der folgenden Methoden wäre. Es zeigt sich aber selbst bei den Kriterien W. Richters, daß sie nur zur Geltung kommen können, wenn bestimmte Inhalte verstanden, bestimmte Formen identifiziert sind usw. Hierin liegt schon ein Problem, das nicht gänzlich vermieden werden kann, daß nämlich für die Literarkritik eines Textes ein gewisses Textverständnis schon erreicht sein muß, um die Kriterien in Anwendung bringen zu können. Und ein solches Textverständnis bringt immer schon ein zumindest umrißhaftes Wissen um andere methodische Gesichtspunkte mit ein, wenn diese auch noch nicht für sich untersucht sein sollten.11 8 9

10

11

W. Richter: Exegese S. 33; vgl. H.W. Hoffmann: Verlauf S. 28. Vgl. K. Koch: Formgeschichte S. 313, der behauptet, W. Richter verkenne, daß „seine ,literaturwissenschaftlichen' Ebenen [...] nicht nur durch den zufälligen Erhaltungszustand der alttestamentlichen Literatur, sondern auch durch den gegenwärtigen Forschungsstand [...] eingeführt werden." Vgl. K. Koch: Formgeschichte S. 95, der aus praktischen Gründen die Durchführung der Literarkritik vor Anwendung anderer Methoden in den meisten Fällen für empfehlenswert hält. Auch gegen W. Schenk [Aufgaben Sp. 888] in seiner Rezeption W. Richters: „Die Analysekriterien der ersten Stufen dagegen müssen rein ausdrucksliterarische sein: Es sind in erster Linie Doppelungen und Spannungen. Dabei wird auch das Vokabular rein formal gewertet und noch nicht inhaltlich bestimmt verarbeitet." Das Problem besteht hier darin, ob W. Schenk mit Form das trifft, was W. Richter damit meint. H.D. Preuß [Linguistik S. 15f] erkennt diesbezüglich Mißverständnisse der Richter-Schüler an, und es dürfte sich in der Tat so verhalten, daß Form bei W. Richter Bedeutung einschließt. Sonst wäre es kaum möglich, in der Literarkritik einen unterschiedlichen Bedeutungsumfang bei Personen- und Ortsnamen zu ermitteln (s. W. Richter: Exegese

2. Literarkritik als erster methodischer Schritt der Exegese

45

Es erscheint mir unmöglich, in der literarkritischen Analyse die Vorwegnahme formkritischer Analyse auszuschließen. So weist beispielsweise M. Görg hinsichtlich Π Sam 7,8ff auf das Problem der Verbformen hin und hält es hinsichtlich des zweiten Satzes von V. 8b für „diskutabel, ob sie nicht schon Zukünftiges meint" 12 . Ein literarkritisches Kriterium sieht er freilich darin ebenso wenig wie für V. 9a: „Von der Literarkritik im strengen Sinne genügenden Kriterien kann bei alledem freilich überhaupt keine Rede sein, da die Wertung der Verbformen ein Problem der Formkritik darstellt." 13 Ahnlich urteilt M. Görg hinsichtlich V. 10: „V.10 steht in bemerkenswertem Kontrast zu V.8b.9, da mit dem neuerlichen Blick auf Israel zwar eine andere Perspektive, zugleich aber auch eine Spannung erzielt wird, die an dem ursprünglichen Zusammenhang zweifeln lassen kann. In der Rede an den König möchte man Ausführungen über Israel in dieser Breite nicht gerade erwarten. Spätestens hier kann natürlich ein Widerspruch zu V.lb erkannt werden, da der Frieden angeblich noch aussteht. Für die Literarkritik ist freilich erst von Gewicht, daß nicht recht einzusehen ist, weshalb nach der zweiten Erklärung in V.9 über die Vernichtung der Feinde jetzt eigens noch für das Volk ähnliche Sicherungen angeboten werden, unbeschadet der Frage, ob zuvor Vergangenheit oder (und) Zukunft Davids angesprochen sind."14 Ohne die Vorwegnahme der formkritischen Bewertung der Verbformen macht sich die Ausscheidung von V. 10 recht willkürlich aus. Die Argumentation M. Görgs setzt voraus, daß die Feinde Davids ( ^ - x ) mit den Feinden des Volkes (nbi5> ••in) identisch sind, und überträgt überdies ein wesentliches inhaltliches Vorverständnis auf den Text in der Frage, was man in einer Rede an einen König erwarten darf und was nicht. Noch dazu tritt nach der literarkritischen Scheidung M. Görgs das Volk nicht unvermittelt als Thema in den Text, da V. 8b schon als Vorbereitung zu bewerten ist. Wenn überhaupt, kann V. 10 mit V. 9b nur dann ausgeschieden werden, wenn man die darin belegten Verbformen als zukünftig zu interpretieren hätte und nicht wie M. Görg als erlebte bzw. empirische Gegenwart.15 Es scheint, als ob in einem solchen Verfahren mit allem Selbstverständlichen, sei dies nun ohne formkritische oder inhaltliche Analyse klar, argumentiert werden darf, nicht aber mit Umstrittenen wie den schwierig zu deutenden Verbformen. Indem von M. Görg V. 9 und V. 10 hinsichtlich der Zusage der Überwindung der Feinde parallel geschaltet werden, ist eine inhaltliche Interpretation, die erst auf die formkritische Untersuchung zu folgen hätte, (weil eben nicht ganz klar ist, ob beides dasselbe meint, und wenn ja, ob es deshalb verschiedenen Händen angehören muß) Anlaß für die literarkritische Entscheidung. Die Voraussetzung dessen, was man in einer Rede an einen König erwarten darf, ist im weitesten Sinne eine Frage der Gattung und darin wohl nichts anderes ab ein subjektives Geschmacksurteil.16

12 13 14 15 16

S. 57). Die Diskussion um Form und Inhalt ist dann aber von W. Richter selbst mitprovoziert. Statt vom Inhalt hätte er wohl besser von der Sache oder dem Sinn gesprochen. M. Görg: Gott-König-Reden S. 190. Ders.: ebd. Ders.: Gott-König-Reden S. 191. S. ders.: Gott-König-Reden S. 210.216f. Nach H.-J. Stoebe [Grenzen S. 390] scheint der Grund für bestimmte literarkritische Operationen „mehr oder weniger bewußt die Frage zu sein, wie man selber diese Geschichte anschaulich erzählt hätte."

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III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

Eine wesentliche Frage besteht darin, woran man eigentlich erkennen soll, daß ein Text geschichtlich gewachsen ist. W . Richter führt als das wesentliche Indiz für eine über mehrere Stationen sich erstreckende 17

Entstehungsgeschichte Unstimmigkeiten in einem Werk ein. Nun ist ja keineswegs ausgemacht - W . Richter selbst nennt als Beispiel die moderne Literatur, in der ein solcher Mangel nicht auf eine Textgeschichte, sondern auf Defizite des Verfassers zurückzuführen ist - , ob diese Unstimmigkeiten Indizien für die Uneinheitlichkeit der Texte sind. Hier bedürfte es folglich vorab einer Klärung der Frage des Indizienwertes, um nicht Gefahr zu laufen, „vollkommene" einfache Einheiten zu präjudizieren. 18 Weil nämlich Literarkritik Unstimmigkeiten auf eine Entstehungsgeschichte eines Textes oder Werkes hin auswertet, müssen diese entweder 1.) eindeutig als Indizien für die Entstehungsgeschichte bestimmt sein (solche Indizien gibt es aber nicht), oder es muß 2.) vorausgesetzt werden, daß Unstimmigkeiten generell auf redaktionelle Prozesse hinweisen (womit gegeben ist, daß einfache Einheiten als vollkommen und damit als sprachliche Kunstwerke 19 präjudiziert werden), oder 3.) in der literarkritischen Analyse darüber entschieden werden, ob die Unstimmigkeiten Anzeichen für ein geschichtlich bedingtes Textwachstum darstellen (oder etwa nur Rückschlüsse auf einen schwachen Verfasser zulassen). Letzteres kann in der Literarkritik als erster Schritt der exegetischen Untersuchung nicht beurteilt werden. Erst die gesamte Analyse auf der Form- und Inhaltsebene kann dies erweisen. Wenn demnach eine Literalebene gesetzt wird, in der nach Unstimmigkeiten in einem Text und damit nach seiner Vollkommenheit gefragt wird, kann diese Frage nur beantwortet werden, indem man gleichzeitig Kriterien setzt. Diese Setzung von Kriterien, an denen sich die Uneinheitlichkeit von Texten zeigt, ist freilich auch legitim. Sie wäre auch unproblematisch, wenn aus der Sammlung literarkritischer Beobachtungen auf Grund der Kriterien

17

S. hierfür und zum Folgenden W . Richter: Exegese S. 49.

18

S. z.B. F. Schickiberger: Literarkritik S. 71: „Der Blick auf die Textkohärenz lässt meist als erstes Kriterium erkennen, ob ein ursprungverbundener Kleintext durch Glossen oder breitere Einschübe erweitert worden ist." Vgl. ders.: Literarkritik S. 72: „Ist eine Reduktion eines Textes auf einen Basissatz nur sehr schwer möglich, ist das für gewöhnlich ein Hinweis darauf, dass der zu analysierende Abschnitt (verschiedentlich) bearbeitet worden ist." Daraus wird man folgern müssen, daß kohärente, auf Basissätze zu reduzierende Abschnitte einheitlich sind. Im Gegenteil wird man aber prinzipiell nur annehmen dürfen, daß Abschnitte, die solchen Kriterien genügen, literarisch gelungen sind und solche, die dem nicht genügen, nicht. Mit der Voraussetzung dieser Kriterien sind immer auch der „gute Schriftsteller" als Verfasser der Grundschicht und der „stümpernde" Redaktor vorausgesetzt.

19

Zum Begriff s. grundlegend W . Kayser: Kunstwerk; zum Problem grundsätzlich K. Koch: Formgeschichte S. 275.

2. Literarkritik als erster methodischer Schritt der Exegese

47

die literarkritische Scheidung folgen würde. Dies ist aber nicht der Fall. Die Kriterien müssen am Einzeltext auf ihre Signifikanz geprüft werden. Literarkritik ist nicht ohne Urteil möglich. Ein solches Urteil setzt nun aber Überlegungen in Gang, die nicht auf den Text beschränkt bleiben können, also nicht auf den „Daten" beruhen. Im einfachsten Fall bezieht man sich darauf, die Möglichkeit einer Aussage, in der literarkritische Kriterien gefunden wurden, als Aussage eines Verfassers zu bedenken. Man tut also nichts anderes, als von einem Regelautor (vielleicht des AT) auszugehen und zu fragen, ob diese Aussage von einem Autor herrühren kann. Je nach Vorverständnis wird man dann eine literarkritische Scheidung herbeiführen oder unterlassen. Ein Beispiel mag der Verdeutlichung dienen: Die berühmte Sintflutgeschichte wird seit Beginn der literarkritischen Forschung als ein bearbeiteter Text aufgefaßt.20 In der Tat finden sich die wesentlichen Kriterien für eine literarkritische Scheidung. Das literarkritische Urteil ist im groben also ausgemacht, bevor man an die literarkritische Analyse herangeht. Was nötigt zu der Annahme verschiedener Hände an diesem Text? - Es ist sicherlich ein eklatanter Mangel an Vollkommenheit. Beschränkt man sich lediglich auf den Text und läßt damit den Zustand des übrigen Pentateuchs, auch in den Teilen außer Acht, in denen er mehr oder minder vollkommen erscheint, wie beispielsweise wenn man nur den ersten Schöpfungsbericht betrachtet, trifft man seine Entscheidung also lediglich am Text, kann man überhaupt nichts entscheiden. Es zeigt sich zwar, daß sich in der Sintflutgeschichte zahlreiche Ungereimtheiten finden, aber wenn man nicht postuliert, der Verfasser müsse irgendwie vollkommen seine Geschichte erzählt haben, läßt sich diese ebenso gut auf einen schwachen Erzähler zurückführen, der vielleicht - und hier wird wiederum Hintergrundwissen wirksam - verschiedene mündlich umlaufende Erzählungen „zusammenerzählt" hat. Es ist zwar klar, daß dies keinerlei Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann, aber Annahmen auf Grund von Wahrscheinlichkeit ergeben sich eben nicht aus dem Text, sondern aus Einsichten, die dem Text vorausliegen.

Eine weitere Anfrage ist an W. Richter zu stellen: Gibt es in einem Text oder Werk nur solche Unstimmigkeiten, die, wenn sie auf einen Verfasser zurückgeführt werden, als Mangel an Vollkommenheit verstanden werden müssen? Ist also lediglich das sprachliche Kunstwerk der Rahmen, in den sich die Texte und Werke des AT einzupassen haben? Wenn W. Richter die Literarkritik auf den Binnenraum eines Textes beschränkt, und damit Kriterien der Echtheit oder Quellenzugehörigkeit ausschließt, reduziert er die Methode auf Kriterien der sprachlich-stilistischen Oberfläche und setzt ihr damit offensichtlich das Postulat des sprachlichen Kunstwerkes als Richtlinie. Damit zementiert er ein Vorverständnis, für das es in der modernen Literatur kein Gegenstück gibt. Dieses Vorverständnis ist ein Vorurteil, das W. Richter mit der Forschungsgeschichte

20

S. aber z.B. E. Nielsen: Oral Tradition S. 102.

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III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

gemein hat, das in dieser aber nicht in dem Maße zur Geltung kommt wie bei W. Richter, weil es in der „klassischen" Literarkritik neben der Voraussetzung der „guten" Schriftsteller und den daraus entwickelten Kriterien der Literarkritik auch noch andere Kriterien gibt, die den religions- oder sprachgeschichtlichen Unterschied in Aussagen eines Textes betreffen. Besonders deutlich wird dies beim Kriterium des syntaktischen Bruches. In einer wissenschaftlichen Arbeit dient dieser in der Regel wohl kaum als Kriterium für die Annahme der Uneinheitlichkeit, wenngleich ein solcher häufig unvermeidbar scheint. Weshalb sollte er im AT als Kriterium dienen? Weil etwa die Autoren mit größerer Sorgfalt ihre Texte verfaßten? - Das liegt wohl fern. Auch das damit verbundene Indiz des „unmotivierten Personenwechsels" scheint dubios. Es setzt nämlich voraus, daß ein Personenwechsel motiviert sein muß, um literarkritisch irrelevant zu sein, und weist damit auf das sprachliche Kunstwerk in einem Maße zurück, wie es wohl kaum selbst an moderne Werke in jeder Einzelheit angelegt werden kann.21 Freilich sieht auch W. Richter, daß dieses Kriterium für sich genommen zu schwach ist, aber macht es denn die Zweizahl der Kriterien dann wirklich zu einem echten literarkritischen Kriterium?22

Mit diesen Bemerkungen soll die Bedeutung der Kriterien nicht herabgemindert werden, indessen scheint mir, ist eine Besinnung darauf dringend erforderlich, daß die Kriterien immer relativ zu einer Theorie hebr. Literatur sind und dadurch Systemvorstellungen in die literarkritische Untersuchung miteingehen, die deren Stellenwert als an den Daten kontrollierte, empirische Analyse deutlich herabmindern. Gerade was diese geistesgeschichtlichen Voraussetzungen bei W. Richter betrifft, gilt es herauszustellen, daß sie ebenso wenig konstante Größen darstellen, wie die von ihm verhinderten theologischen Voraussetzungen.23 Auch letztere sind geistesgeschichtliche Voraussetzungen und jene sind ebenso einer Kritik zu unterziehen wie die zweiten.24 Wenn dies geschieht, zeigt es sich, daß die Nachprüfbarkeit an den „Daten" in der Theorie W. Richters nur dort 21 22

23

24

Zum Problem des „unmotivierten" Personenwechsels s. auch unten S. 161f. Zur Forderung des Vorliegens von zwei literarkritischen Kriterien für die Ausscheidung s. unten S. 52 bei H. Schweizer. S. W. Richter: Exegese S. 13f und bes. S. 16: „Natürlich kann der Literaturwissenschaftler am AT nicht ohne geistesgeschichtliche Voraussetzungen arbeiten; sein Bereich wird aber durch den Gegenstand bestimmt". Von einem Gegenstand in dieser Weise, nämlich gleichsam als „objektiver" Größe zu reden, dürfte kaum das Richtige treffen. Wie im Begriff gegeben, setzt ein Gegenstand einen Standort des Betrachters voraus. Entsprechend kurzsichtig ist es, die historisch-kritische Methode wie P. Ricoeur [Konflikt S. 20] als Kind des Historismus zu verwerfen, ohne die philosophischen Wurzeln der „Semiologie" zu untersuchen. Gegen einen ähnlichen Vorwurf I. Engneils s. H. Ringgren: Literarkritik Sp. 643: „Man kann die Urkunden literarkritisch analysieren, ohne Evolutionist zu sein und umgekehrt." Vgl. H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 74.

2. Literarkritik als erster methodischer Schritt der Exegese

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möglich ist, wo diese Theorie zugrunde gelegt ist. Denn die Theorie bestimmt, was Daten sind, nur in ihr erscheinen sie als Daten, außerhalb der Theorie sind sie nur als Beschreibungen von Daten zu verstehen. 25 Diese Einsicht wirft auch ein entsprechendes Licht auf die theoretischen Voraussetzungen einer exegetischen Literaturwissenschaft in der Konzeption W. Richters. Sind literarkritische Entscheidungen gewonnen anhand der Daten auf Grund der durch die Theorie vorgegebenen Perspektive, ist das Beziehungsverhältnis von Ergebnis und Theorie immer intersubjektiv und damit nachprüfbar, zumindest aber dann, wenn, was gar nicht der Fall ist, das literarkritische Urteil allein auf Grund der Daten gefällt wird. Damit ist aber Überwindung von Subjektivität, eine wesentliche wissenschaftstheoretische Forderung W. Richters, nicht automatisch gegeben. Zwar ist durch ein klares Regelsystem Willkür weitgehend ausgeschlossen, das Problem liegt aber tiefer. Es ist verwurzelt in der Entscheidung für eine bestimmte Theorie exegetischer Wissenschaft, welche nicht in gleichem Maße als rational bezeichnet werden kann wie die Theorie selbst. Verhielte es sich tatsächlich so, daß die Auflösung exegetischer Schulen, wie von W. Richter propagiert, Anzeichen für die Überwindung der Subjektivität wäre, 26 hieße das, daß die Entscheidung auf den Verzicht einer eingenommenen Schulposition eine Entscheidung aus Vernunftgründen wäre, oder aber, daß ein Fehlen von Schulen mit dem Fehlen von Subjektivität zusammenfiele. Hier dürfte zwischen Theorie und theoriebezogenen Entscheidungen zu differenzieren sein. Wissenschaft auf der einen und Subjektivität wie Willkür auf der anderen Seite schließen sich aus. Eine wissenschaftliche Theorie hat somit auch zum Ziel, subjektive und willkürliche Entscheidungen zu verunmöglichen. Bestehen in einem Wissenschaftsgebiet verschiedene solcher Theorien nebeneinander, ist der der Vorzug zu geben, die Subjektivität und Willkür ausschließt. In den seltensten Fällen ist aber ein solcher Vergleich zu führen, da dieser voraussetzt, daß die abgelehnte Theorie Subjektivität und Willkür zuläßt und deshalb unwissenschaftlich ist. Bestehen also, wie in den Geisteswissenschaften üblich, auch in der Exegese des AT Schulen nebeneinander, können diese, sofern sie Subjektivität und Willkür in ihren Entscheidungsinstanzen ausschließen, nicht als Ausdruck der Subjektivität betrachtet werden. Wenn aber doch, so besteht die Subjektivität, die das Nebeneinanderbestehen von Schulen ausdrückt, nicht in den Schulen selbst, sondern in der Wahl einer dieser Schulen. In diesem Sinne wäre dann aber auch die Auflösung von Schulen keine Überwindung der Subjektivität, sondern Ergebnis einer

25

26

Vgl. T.S. Kuhn: Struktur S. 22: „Wissenschaftliches Faktum und wissenschaftliche Theorie lassen sich nicht streng trennen, außer vielleicht innerhalb einer einzelnen Tradition normal-wissenschaftlicher Praxis." S. W. Richter: Exegese S. 10.

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III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

subjektiven Wahl. Daß diese Wahl von einer Mehrheit oder gar allen Exegeten getroffen wird, ändert nichts daran. 27 Wenn es überdies zutrifft, daß Daten ihre Füllung erst durch auslegende Beschreibung des Wissenschaftlers erhalten, wird Subjektivität in diesem Sinne nie gänzlich ausgeschlossen werden können. Selbst wenn sich in der Exegese ein Paradigma von Wissenschaft im Sinne T.S. Kuhns etablieren könnte und somit ein Normalwissenschaftler gänzlich ohne Subjektivität und Willkür tätig würde, bliebe ein Restbestand von Irrationalität in den Prämissen seines Tuns, in der Theorie erhalten. Diese Irrationalität kann durchaus als Subjektivität beschrieben werden, da sie einer Entscheidung entspringt, die nicht lediglich aus Vernunftgründen gefällt wurde. Ihre intersubjektive Überhöhung kommt ihr nur durch die Zahl der Forscher zu, die sie vorauszusetzen disponiert sind. Wenn aber auch in der Literarkritik W. Richters Urteile getroffen werden und in solche Voraussetzungen wie ein ausgeprägtes Hintergrundwissen einfließen, wird es auch fortan unterschiedliche Ergebnisse geben, die als Ausdruck von Subjektivität und Willkür gewertet werden können. Man kann dies als Methodenproblem ansehen, vielleicht ist es aber doch eher ein Indiz für die Eigenart menschlicher Geistestätigkeit.

3. H. Schweizer - Literarkritik und Leserperspektive Wie subjektive Entscheidungen in eine Theorie der Exegese, näherhin der Literarkritik, eingehen können, läßt sich an H. Schweizers Konzeption der Literarkritik verdeutlichen. 29 Es ist H. Schweizers wesentliches Verdienst, die Kriterienfrage an W. Richter anschließend und über diesen 27

Es sei denn, man hielte es mit folgender Konvention, die G.L. Eberlein [Maximimierung S. 42] vorstellt: „Während ein subjektives Werturteil von einem oder einzelnen Forschern vertreten wird, wird es zum objektiven Werturteil durch einen Prozeß der Objektivierung, der zur Institutionalisierung subjektiver als Gruppen-Werturteile führt." In diesem Sinne wäre dann der Appell W. Richters eine Aufforderung, subjektive Werturteile durch Anerkennung zu objektivieren.

28

Sollte es möglich sein, Literarkritik als simple Rechenaufgabe zu etablieren, die nur ein richtiges Ergebnis hat, müßte man an unterschiedlichen Ergebnissen Anstoß nehmen. Dann würde auch gelten, was H.-J. Stoebe [Grenzen S. 389] zum Auseinandergehen im Ergebnis bei der Literarkritik von Gen 2,4-3,24 ausführt: Es „kennzeichnet die Methode selbst vielleicht schon als etwas willkürlich und warnt vor ihren Resultaten." Aber genau die Erwartung einheitlicher Ergebnisse durch die Literarkritik ist völlig unberechtigt, solange sie geisteswissenschaftliche Methode bleibt. Übereinstimmende Ergebnisse sind nur bei reiner Datenerfassung zu erwarten, sofern - und das gilt es auch zu sehen - alle daran beteiligten Forscher richtig zählen.

29

S. hierzu und zum Folgenden H. Schweizer: Literarkritik.

3. Η. Schweizer - Literarkritik und Leserperspektive

51

hinausgehend weiter gedacht zu haben, und darüber hinaus, die Positivität der Literarkritik in der Frage der Textkohärenz gegenüber der verbreiteten negativ-destruktiven Auffassung von Literarkritik unterstrichen zu haben. 3 0 H. Schweizer bindet die Literarkritik in eine Theorie des Verstehens als Kommunikation ein: 3 1 Das Verstehen eines Textes stellt sich ihm als Kommunikationsakt dar, in dem „die pragmatische Relation zwischen Autor des Textes und Rezipient des Textes einschlägig zu sein" (S. 26) scheint. Es kommt also beim Verstehen eines Textes darauf an, ob der Autor so geschrieben hat, daß er verstanden werden kann, und daß der Rezipient „für die Aufnahme des Textes genügend disponiert" (S. 27) ist. Das in der Regel spontane Verstehen eines Textes kann behindert werden: „Der Kommunikationsfaden scheint abzureißen" (S. 29) - es ergeben sich Verstehensprobleme. Häufen sich diese, und kann sie der Rezipient nicht auf Grund seiner Kommunikationserfahrungen beseitigen, so sucht er nach anderen Erklärungen, hält den Autor entweder für neurotisch oder nimmt unsensibles Eingreifen eines weiteren Autoren an. Für letztere Erklärung auf der literarhistorischen Ebene ist Beurteilungsbasis „ein sehr breiter Erfahrungsschatz, der eine Vorstellung wachsen ließ von dem, was in geglückter Kommunikation (noch) möglich ist und was dagegen den Rahmen einer einheitlichen (=kohärenten) Botschaft sprengt." (ebd.) Der Literarkritik fällt damit die Aufgabe zu, Beobachtungen zu sammeln, die als Störungen des Lesevorganges (sowie - von geringerer Tragweite - als stilistische Wechsel) zu identifizieren sind, um über deren Bewertung Aufschluß über ein mögliches literarhistorisches Wachstum eines Textes zu erhalten. Die Literarkritik H. Schweizers geht dazu in den folgenden Schritten vor: 1.) Sammlung und Darstellung der möglichen Verstehensschwierigkeiten; 2.) Zusammenstellung der minimalen Leseeinheiten, d.h. jener aufeinander folgenden Äußerungseinheiten, bei denen „es intern keine Beobachtungen zum Thema .Verständnisschwierigkeit' gegeben" (S. 32) hat; 3.) Identifizierung der Bruchstellen, d.h. Abgrenzung jener minimalen Leseeinheiten, die mindestens zwei „echte" Verstehensschwierigkeiten aufweisen, und damit Identifizierung der Teiltexte; 4.) Zusammenstellung der zusammengehörigen Teiltexte; 5.) Gegenkontrolle.

30

Dies darf freilich nicht zum anderen Extrem führen, daß man wie F. Schickiberger [Literarkritik S. 69] als grundsätzliche Frage der Literarkritik die folgende ansetzt: „Was spricht für die Einheitlichkeit eines Textes?" Literarkritik ist nun einmal eine „Trennkunst". Die Fragen nach der Kohärenz beziehen sich nicht auf den gegebenen Textzusammenhang, sondern die ermittelten Schichten. Texttheoretische Beobachtungen dürften dabei mitunter zu einer Revision literarkritisch erhobener Brüche führen. Als Kohärenzkriterien ersetzen sie die Literarkritik nicht.

31

Zur Kritik an der Beiziehung von Kommunikationstheorien im allgemeinen s. K. Koch: Formgeschichte S. 274f.

52

III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

Die wesentlichen subjektiven Konstituentien dieser Konzeption einer intersubjektiv nachvollziehbaren Literarkritik scheinen mir die folgenden: 1.) Die ausschließliche Orientierung an der Leserperspektive;32 2.) die Voraussetzung eines ursprünglich intakten Textes; 3.) das Postulat zweier Leseschwierigkeiten für die Identifizierung einer Bruchstelle. Hinzu kommt 4.) die Möglichkeit subjektiver Entscheidungen in der literarkritischen Praxis bei der Bewertung der Verstehensschwierigkeiten in der Frage, ob ein stilistisch legitimer Effekt vorliegt. Zu 1.) Es steht unzweifelhaft fest, daß Verstehen mündlicher oder schriftlicher Texte nur sukzessiv in der Leserperspektive erfolgt. Daß aber ein Glossator oder Redaktor sich an diese Leserperspektive zu halten hat, ist reines Postulat. Zu 2.) Es steht unzweifelhaft fest, „daß die Annahme eines ursprünglich intakten Textes, der später erweiternd verändert wurde, viel für sich hat" (S. 34). Es ist aber fraglich, ob der ursprünglich intakte Text, so er durch die Hände von Redaktoren gegangen ist, noch als solcher wiederherstellbar ist. Eine solche buchstäbliche Konservierung durch Redaktoren setzt ein Ansehen der Texte voraus, die sie wohl erst im Endstadium der Bildung des hebr. Kanons erreicht haben. Steht auch kein Fragment am Anfang der Textbildung, so kann der ursprüngliche Text doch nur noch als solches greifbar sein. Zu 3.) Daß „an einer einzigen literarkritischen Bruchstelle wenigstens zwei Beobachtungen zusammenkommen müssen" (S.33)33, ist eine Forderung des Gefühls. Eine solche Forderung mag legitim sein, sie ist aber keineswegs theoretisch gerechtfertigt, sondern zufällig. Wächst das Unbehagen in der exegetischen Wissenschaft gegen literarkritische Operationen weiter an, ist nicht einzusehen, weshalb man die Zahl der notwendigen Beobachtungen nicht auf drei heraufsetzen sollte. Zu 4.) Mit der Kategorie des Stils läßt sich ähnlich wie in Fragen des Metrums alles beweisen, zumal das Problem des Stils vor allem auf theoretische Voraussetzungen des Exegeten hinweist. Auch wenn eine Verstehensschwierigkeit nicht als stilistisch legitimer Effekt zu bewerten ist, ist damit noch nichts über seine literarkritische Relevanz ausgesagt. Das Problem des Stils spitzt sich zudem auf die Fragen des Methodenschemas und der Verfasserfrage hin zu. Die Differenzierung zwischen literarkritisch relevanter Leseschwierigkeit und stilistisch legitimen Effekt läßt eine stilistische Analyse vor der literarkritischen Analyse sinnvoll erscheinen. Da aber mit dem Stil auch die Gattungsfragen akut werden, scheint die gesamte formgeschichtliche Analyse in der Literarkritik zumindest in bestimmten Passagen des Textes antizipiert zu sein. Weiterhin ist zu fragen, inwiefern stilistische Eigentümlichkeiten eines Verfassers als solche erfaßt werden müssen, um zu klaren Ergebnissen zu kommen. Das „Ignoramus", das über den Verfasser in der Literarkritik verhängt ist, mag durchaus zu Fehlentscheidungen führen.

Wenn man diesen Einwänden auch nicht völlig folgen möchte, wird man ihnen doch ihr Recht nicht gänzlich absprechen können. Ist dies der Fall, ergibt sich aber mit Notwendigkeit die Folgerung, daß die literarkriti-

32 33

S. H. Schweizer: Literarkritik S. 32f. Vgl. H. Schweizer: ebd. A.22.

3. Η . Schweizer - Literarkritik und Leserperspektive

53

sehe Konzeption H. Schweizers nicht für jedermann verbindlich sein kann. Daraus folgt weiterhin: U m das Konzept H. Schweizers anzuwenden, ist Übereinstimmung in den Voraussetzungen nötig. Da diese Voraussetzungen eher „Glaubenssätze", denn in sich selbst einleuchtende Axiome sind, ist es möglich, sie abzulehnen. Wahl und Ablehnung sind demgemäß subjektiv. W i e die Theorie selbst ist auch ihre Übernahme von gemachten Erfahrungen abhängig. Damit tritt aber wiederum ein zirkuläres Verhältnis hervor, die Frage des Ansatzes wird auch hier akut. Im Grundsätzlichen ist an H. Schweizer die gleiche Frage zu stellen wie an W . Richter, woran sich zeigt, daß eine gewisse theoretische Übereinstimmung zwischen beiden besteht: Ist Mangel an Vollkommenheit und darin bestehen ja auch die Rezeptionsschwierigkeiten des Lesers als Störungen des Lesevorganges - der Grund der Literarkritik? U m diese Frage nach dem Grund der Literarkritik auf das Problem der geschichtlichen Dimension auszuweiten, sei noch auf das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Konzeption H. Schweizers eingegangen: A n H. Schweizers Theorie scheint der Hinweis auf die Störungen des Lesevorganges völlig richtig zu sein. Jeder Exeget, der einen Text liest, wird schon beim ersten Lesen des Textes, insofern er solche aufweist, Störungen wahrnehmen. Eine andere Frage ist aber, ob sich solche Lesestörungen auf Probleme des Textzusammenhanges und des Stils reduzieren lassen. Denn wenn es zutrifft, daß der Leser für das Verstehen eines Textes entsprechend disponiert sein muß, ist zu fragen, worin eine solche Disposition sich zeigen soll, wenn es ferner stimmt, daß Kommunikationserfahrungen Beurteilungsbasis für die literarkritische Erklärung sind, bleibt zu klären, bis in welche Details eine solche Erfahrung herabsteigen darf. Zwei kleine Beispiele mögen zeigen, wie das Wissen um den Autor beim Rezipienten Verstehen ermöglicht: 1.) Ein Kind, das zu sprechen lernt, ist schwer zu verstehen, weil es sich weder strikt an grammatikalische Regeln hält, noch jedes Wort in der normierten Weise ausspricht. Auf Grund ihrer Erfahrungen, ihrer Disposition werden Eltern und Geschwister die Sätze des Kindes verstehen, die Außenstehenden ohne vergleichbare Erfahrungen als sinnloses Geplapper erscheinen. 2.) Den Text eines Vertrauten versteht man leichter als den eines Fremden zur gleichen Materie, weil man beim ersteren nicht nur die allgemeine, sondern auch dessen individuelle Sprachkompetenz und Stilistik voraussetzen kann. Ein und derselbe Text kann also bei unterschiedlichen Rezipienten eine verschiedene Anzahl von Verständnisproblemen aufwerfen und so zu verschiedenen Urteilen über den Autoren führen.

Will man daraus eine Konsequenz ziehen, so wohl die, daß nicht nur ein allgemeiner Erfahrungsschatz von geglückter Kommunikation Verstehen ermöglicht, sondern auch und viel mehr ein spezifischer Erfahrungsschatz mit mündlichen und schriftlichen Äußerungen des Autors eines vorliegenden Textes. Kann und muß man in der Literarkritik entsprechende Erfahrungen suspendieren, ist es methodisch geboten, ist es plausibel?

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III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

H. Schweizer geht mit der Mehrzahl der Exegeten neuerer Zeit zusammen, wenn er diesen Fragenkomplex bejaht. Mit einem gewissen Recht geschieht dies im prozessual charakterisierten Methodenschema, das die Vorordnung der Literarkritik einschließt. Aber gerade ein starres Schema wird in dieser Hinsicht fragwürdig. Denn das Problem des geschichtlichen Wachstums von Texten wird doch bei weitem unterschätzt, wenn es in der Weise einer ersten Methode behandelt wird. Es hat den Anschein, als ob die neuen Kriterien so sichere Erkenntnisinstrumente an die Hand geben, daß nur ein Mangel an Scharfsinn klare Ergebnisse verhindern kann.34 D e m ist aber nicht so, denn sowohl bei W . Richter als auch bei H. Schweizer bleiben unabwägbare Elemente, die die Alleinherrschaft der „Daten" verhindern. Ist ein solches bei W . Richter das literarkritische Urteil, in dem der Binnenraum des Textes notwendig verlassen wird, so bei H. Schweizer das Problem der Identifizierung einer Störung im Lesevorgang mit einem literarkritischen Kriterium. Bei beiden ist somit das sog. Expertenwissen nicht gänzlich suspendiert und ebensowenig in seiner Bedeutung nivelliert. Zwar vermittelt H. Schweizer den gegenteiligen Eindruck, wenn er es als größte Gefahr bei der Sammlung von Beobachtungen ansieht, daß Beobachtungen „gleich wieder aus der Welt geschafft", „wegerklärt" werden. 35 Das könnte darauf hinweisen, daß der nicht vorbelastete, aber entsprechend methodisch ausgerüstete Neuling die besten Sammelergebnisse erzielt. Die Bewertung dieser Ergebnisse kann aber freilich erst dem recht gelingen, der über die entsprechenden Detailerfahrungen verfügt. 36 Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß gerade die unvorbelastete Sammlung von Beobachtungen mit H. Schweizers Kommunikations-

34

Vgl. zum Fortschritt der normalen Wissenschaft T.S. Kuhn: Struktur S. 51; zum Problem des Methodologismus und gegen die „Befolgung starrer Regeln" s. aber neuerdings R. Smend: Epochen S. 30.

35 36

H . Schweizer: Literarkritik S. 32. Diese Auffassung wirft folgende Fragen auf: Läßt sich die Größe „Kommunikationserfahrungen" bzw. „Kommunikationswissen" festlegen? Welches spezielle Kommunikationswissen ist beim Experten, dem Exegeten, vorauszusetzen? Wirkt sich das Kommunikationswissen beispielsweise eines Jesaja-Fachmannes auf seine literarkritische Analyse eines bestimmten Textes aus? Darf es sich auswirken oder muß der Experte von seinem speziellen Kommunikationswissen in diesem Falle absehen? Inwieweit geht dieses Wissen aber wiederum, sofern es bei der Sammlung von Beobachtungen unterdrückt werden konnte, bewußt oder unbewußt in die Literarkritik zweiter Stufe ein? Mit anderen Worten: darf ein Exeget, der einen Text vorläufig mit einem bestimmten Verfasser in Verbindung bringt, diesen Text auf Grund seiner Erfahrungen mit diesem Verfasser als dessen Produkt analysieren oder muß er von diesem Vorwissen Abstand nehmen und sich gleichsam als „tabula rasa" von H. Schweizer mit einer vorgegebenen Größe „Kommunikationswissen" beschreiben zu lassen?

3. Η. Schweizer - Literarkritik und Leserperspektive

55

theorie kaum in Kongruenz gebracht werden kann. Sind nämlich tatsächlich Lesestörungen für die Sammlung von Beobachtungen ausschlaggebend, hängt es vom bestimmten Leser und seinem Erfahrungsschatz ab, ob er Störungen und welche er wahrnimmt. Das „Wegerklären" mag eine Seite sein, die Bewertung eines Textphänomens als Lesestörung aber ist eine andere. Wird aber diese Bewertung lehrbuchmäßig vorgeschrieben, hat die Sammlung von Beobachtungen in der Literarkritik nichts mehr direkt mit der Rezeption des Textes durch den Leser zu tun, ergibt sich also nicht aus der direkten Kommunikation, sondern geschieht unter Vermittlung fremder Erfahrung und damit unter Voraussetzungen. Auf diese Weise gerät die Sammlung von Beobachtungen zur künstlichen Kommunikation mit dem Text. Wird aber die Frage der Störung des Lesevorganges zugunsten echter Kommunikation freigehalten, ist literarkritisch alles möglich, da sich auch die Erwartungen an einen Text nicht strikt vorschreiben lassen. Dies wird sowohl auf die Lektüre eines Textes unter Voraussetzung eines bestimmten Verfassers 37 zutreffen, von dessen Bild her der Leser bestimmte Textphänomene als Störungen realisiert, die unter Annahme eines „Regelautors" belanglos wären und umgekehrt, wie ebenso auf die Textlektüre unter religionsgeschichtlicher Ausrichtung, in deren Verlauf bestimmte Inhalte den Lesevorgang stören.

Exkurs: Zu Gen 48,7d-13b

- Das Problem textnaher Literarkritik

Als Exempel seiner Methodenkonzeption führt H. Schweizer in seinem Aufsatz eine literarkritische Analyse von Gen 48,7d-13b vor. 38 Er ermittelt vier Schichten: V. 7d, den Komplex V. 8 a - c . 9 a - f . 1 0 c - e . H a - d , weiterhin V. 10ab.l3ab und schließlich V. 12ab. Mit dieser Aufteilung wird H. Gunkels Schichtung in Frage gestellt, die für J V. 9d-f.10ab.13 und für Ε V. 7 - 9 c . l 0 c - 1 2 vorsah. H. Schweizer zieht daraus die Folgerung: „Gunkels Literarkritik macht einige richtige Beobachtungen, ist aber zu summarisch, noch zu wenig textnah und wohl zu sehr von der Hypothese zweier durchlaufender Stränge geleitet." 3 9 Ist H. Schweizers Literarkritik dem Text wirklich näher? - Ein kleines Beispiel mag nützlich sein, die Problematik der Textnähe aufzuzeigen: In V. 9d "iDX"l erblicken sowohl H. Schweizer als auch H. Gunkel ein literarkritisches Kriterium. Nachdem V. 8b Israel das Wort ergriffen hat, in V. 9a aber Josef, ist in V. 9d die Redesituation hinsichtlich des Sprechers nicht klar. H. Gunkel trennt zwischen V. 9c und V. 9d, H. Schweizer nicht. Für letzteren ist die eine Beobachtung für die literarkritische Entscheidung nicht hinreichend.

37

Dies gilt auch für die Voraussetzung einer „Quelle", denn in diesem Fall ist auch eine quellentheoretische Betrachtungsweise nicht a priori als unmethodisch abzulehnen.

38

Die Unterteilung der Verse richtet sich im folgenden nach H. Schweizer: Literarkritik S. 35f.

39

H. Schweizer: Literarkritik S. 42 A.27; s. zum Folgenden auch H. Gunkel: Genesis S. 471-475.

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ΠΙ. Das Paradigma textinterner Literarkritik

So bilden die Minimalleseinheiten 12 (V. 8a-9c) und 13 (V. 9 d - f ) eine Einheit, womit notwendig ein Bruch zwischen V. 9f und V. lOab zu diagnostizieren ist. lOab, wo von der Sehschwäche Israels die Rede ist, tritt nämlich mit V. 8a i>X"ito·' X"P1 und - so H. Schweizer - mit V. 9f in Spannung. Freilich scheint die Spannung zwischen V. 9f und V. lOab gesucht: „lOab ist wie eine breite Begründung, eine Erklärung zur Erzählung. Der Segenswunsch ließ noch nichts von der Gebrechlichkeit ISRAELS erkennen." 40 Doch sei dem, wie es wolle: daß H. Gunkel zwischen V. 9c und V. 9d die Zäsur sieht, H. Schweizer hingegen zwischen V. 9f und V. 10a, läßt keinesfalls auf größere Textnähe bei H. Schweizer schließen, sondern bei seiner Einhaltung der Leserperspektive allenfalls auf größere Lesernähe. Damit stellt sich aber wiederum das oben schon artikulierte Problem, ob ein Redaktor bei seinen Erweiterungen an die Leserperspektive gebunden ist. M.E. liegt kein Grund zu dieser Annahme vor und insofern scheint es mir sinnvoller, dort eine Zäsur zu setzen, wo ein beachtenswertes Kriterium vorliegt, statt sich Kriterien abzuringen, deren Bedeutung sich erst aus ausgesuchter Interpretation ergibt. Das klare Kriterium zwischen V. 8a und V. lOab steht fest und nötigt wohl auch, will man solche Art von Kritik überhaupt noch betreiben, zu überlieferungs- oder literarkritischen Überlegungen, gleichgültig ob ein weiteres Kriterium hinzukommt. Ob man aber nach V. 9c oder V. 9f „schneidet", ist demgegenüber eine relativ unbedeutende Frage, deren Beantwortung weder Textnähe garantiert noch in Textferne rückt, die vielmehr davon abhängt, welches Hintergrundwissen man über hebr. Erzählstil, Pentateuchprobleme und Redaktorentätigkeit in die Analyse einbringt.

4. Zusammenfassung

- die Frage nach dem Zirkel

Das Paradigma textinterner Literarkritik verspricht die wesentlichen Vorteile, forschungsgeschichtliche Vorurteile zum Werden eines Buches oder Textes in Hinsicht auf Verfasser, Redaktion und Komposition auszuschließen und überdies das literarkritische Verfahren zu vereinfachen. Indem klare Kriterien gesetzt werden, besteht überdies die Erwartung eindeutiger Ergebnisse. Doch sowohl in W. Richters Konzept als auch bei H. Schweizer bleiben Unwägbarkeiten, die die Alleinherrschaft der Daten bei der empirischen Analyse verhindern, bei W. Richter die Notwendigkeit des literarkritischen Urteils und bei H. Schweizer das Problem der Identifikation einer Lesestörung als literarkritisches Kriterium. Fällt damit die hermeneutische Spirale als mühsamer Erkenntniszuwachs für die literarkritische Analyse aus, so nicht das Problem des Ansatzes. Dieser Ansatzpunkt wird in der Theorie festgeschrieben, indem die literarkritischen Kriterien auf den Mangel an Vollkommenheit bzw. auf Verstehensschwierigkeiten bezogen werden. Insofern weisen sie auf das sprachliche Kunstwerk einerseits, andererseits auf geglückte Kommunikation zurück, die die zu suchende einfache Einheit ausgezeichnet haben soll.

40

H. Schweizer: Literarkritik S. 36.

4. Zusammenfassung - die Frage nach dem Zirkel

57

Damit wird das Problem des Ansatzes als eine Seite des sog. Zirkels aber nicht gelöst, sondern lediglich ein Ansatz gewählt. Diese Wahl bleibt fragwürdig, weil sie nicht als notwendig bewiesen werden kann. Die literarkritischen Analysen nach dieser Vorgabe werden zwar diese Wahl nicht falsifizieren, was unmöglich ist, weil die Gegenstände der Untersuchung unter dieser Perspektive nur entsprechende „Daten" preisgeben, wie es der Theoriebeladenheit aller Beobachtung entspricht, und so zumindest weithin zu übereinstimmenden Ergebnissen führen und damit Effizienz suggerieren, die Einschränkung der Perspektive und die damit gegebene Konzentration auf bestimmte Probleme, läßt aber kaum geschichtlich vertretbare Ergebnisse erwarten. Der Grund der Literarkritik besteht eben nicht einseitig darin, daß das AT einen Mangel an literarischer Vollkommenheit aufweist, sondern auch in der Erkenntnis geschichtlicher/religionsgeschichtlicher Unterschiede sowie im Wissen um redaktionelle Tätigkeit, das durch Unterschiede in Handschriften, Hinweise auf Quellen und Parallelvorkommen in Quellen gesichert ist. Das Problem des geschichtlichen Wachstums von Texten erfordert wohl eine ganzheitlichere Betrachtung. 41 Daß eine solche Betrachtungsweise unwissenschaftlicher ist, ist klar, wenn man den entsprechenden Begriff von Wissenschaft voraussetzt. Eine Methode wie die Literarkritik kann schließlich nur dann recht funktionieren, wenn man sie entsprechend definiert, d.h. die Anzahl der relevanten Phänomene möglichst klein hält. Ein solcher der Naturwissenschaft nachempfundener Versuchsaufbau scheitert jedoch angesichts der Daten, mit denen es der Literarkritiker zu tun hat. 42 Weil die sprachlichen Daten mehrdeutig, zumindest aber mehrdeutbar sind, ergibt sich für eine literarkritische Untersuchung stets das Problem, über die Sammlung von Daten hinaus, deren Relevanz zu prüfen, diese Daten also zu bewerten. 43 Als literarkritisch relevante Daten sind sie Beschreibungen von Daten, und die Be-

41

Damit sage ich nichts anderes als G. Altpeter [Exegese S. 91]: „Ein Sprung oder Riss kann also auch aus dem konnotativen Kode begründet sein und weist nicht notwendigerweise einen geschichtlichen Werdegang auf." Auf das „sowohl - als auch" kommt es mir an.

42

S. O.H. Steck: Exegese S. 3: „Exegese wahrt ihren wissenschaftlichen Charakter allerdings nicht dadurch, daß sie sich an den experimentellen und empirischen Wissenschaften orientiert und sich an deren Ideal exakt-objektiver Erkenntnis bindet; sie müßte sich dann auf Analyse und Deskription der sprachlichen Oberfläche der Texte beschränken."

43

Selbst für die linguistische Textanalyse setzt z.B. C. Schwarze [Forschungsstand S. 231] ein Übergreifen in andere Bereiche an: Ihm zufolge bleibt es unerlässlich, „nichtlinguistische Theorien und enzyklopädisches Wissen in die Textanalyse einzubeziehen, wenn man auch nur die elementarsten Aussagen zu Struktur und Funktionieren des Textes machen will." Zur Rezeption s. F. Schickiberger: Literarkritik S. 67f; gegen H. Schweizer: Form und Inhalt S. 46.

58

III. Das Paradigma textinterner Literarkritik

Schreibung erfordert ein Wissen, das den Daten vorausliegt. Indem so Vorurteile und Hintergrundwissen die literarkritische Analyse begleiten, können auch bei gleichen Kriterien unterschiedliche Ergebnisse nicht gänzlich ausbleiben. Andererseits scheint die textinterne Literarkritik ein durchaus notwendiges Regulativ gegen eine einseitige Quellen-, Echtheits- und Inhaltsliterarkritik zu sein. Zwar wird man kaum H. Schweizers Auffassung teilen können, daß inhaltlich in einem Text alles möglich sei,44 jedoch Scheidungen auf Grund von lediglich inhaltlichen Erwägungen mit größerer Vorsicht begegnen. Was schließlich die Einbindung der Literarkritik in das Methodenkonzept einer alttestamentlichen Literaturwissenschaft betrifft, scheint eine abschlägige Antwort sinnvoller zu sein. Literarkritik hat mit Literaturwissenschaft nichts zu tun, sondern ist eine Methode, die sich wie auch die Textkritik aus dem Erhaltungszustand des Alten Testaments ergibt. Das bedeutet nicht, daß literaturwissenschaftliche Erkenntnisse weder bei der Textkritik noch bei der Literarkritik greifen würden und müßten. Wenn aber Textkritik nach W. Richter als die den Gegenstand der Literaturwissenschaft herstellende Aufgabe unter die Vorarbeiten einzureihen ist,45 ist dies auch für die Literarkritik zu fordern, denn sie stellt auch nichts weiter als den Gegenstand der Literaturwissenschaft her, nämlich in seiner historischen Schichtung. Freilich zerfällt damit das Postulat einer alttestamentlichen Literaturwissenschaft und legt sich die Anwendung von literaturwissenschaftlichen Verfahrensweisen in einem methodischen Komplex nahe, den G. Fohrer/G. Wanke sprachliche Analyse nennen. 46

44 45 46

So H. Schweizer: Literarkritik S. 27. Zur Textkritik s. unten S. 69 - 79. S. G. Wanke: Sprachliche Analyse.

IV. Die literarkritische Methode 1. Prolegomena zur Abgrenzung a) Die Mehrdeutigkeit der Wendung „Abgrenzung einer Texteinheit" Was in Methodenbüchern und einschlägigen Aufsätzen zum Arbeitsschritt Abgrenzung verhandelt wird, läßt sich wohl kaum auf einen hinreichenden kleinsten gemeinsamen Nenner bringen. Wenn aber methodische Überlegungen und Konzepte - weit davon entfernt, Theorie um ihrer selbstwillen zu sein - exegetische Praxis reflektieren, erweisen sie ein Dilemma der Exegese, nämlich das der Unentschiedenheit darüber, was unter Abgrenzung und Texteinheit zu verstehen sei. Dieses Dilemma findet nur latent Eingang in die Diskussion der Forschung über die Texte. Es zeigt sich wohl vor allem dort, wo divergierende Auffassungen offensichtlich stichhaltig widerlegt werden, denn in einem solchen Fall wird nicht wirklich eine dieser Auffassungen widerlegt, die eine Summe von Methode und Anwendung bildet, sondern in der Regel allein die Anwendung aus dem Blickwinkel der eigenen Methodenkonzeption und insofern ein sprichwörtliches Scheingefecht ausgetragen. So kann Abgrenzung literarkritische Analyse bedeuten: die abgegrenzte Texteinheit ist demnach die Grundschicht bzw., je nach Terminologie verschieden, die ursprüngliche oder kleine oder einfache Einheit. 1 Ein solcher Begriff der Abgrenzung liegt vielfach dort vor, wo nicht der abstrakte Begriff Texteinheit Verwendung findet, sondern schon eine konkrete Größe abgegrenzt werden soll. So ist es durchaus üblich, die literarkritische Scheidung bestimmter Texteinheiten in Jes 40 - 55 als Abgrenzung zu bezeichnen, besonders deutlich bei den sog. Gottesknechtsliedern2: Die Abgrenzung des ersten Gottesknechtsliedes auf Jes 4 2 , 1 - 4 oder 1 - 7 oder 1 - 9 bedeutet immer eine literarkritische Entscheidung darüber, über wie viele Verse sich die einfache Einheit „Gottesknechtslied" erstreckt. Mag diese Vorgehensweise auch mit der konkreten und vor allem illustren Größe „Gottesknechtslied" einhergehen und forschungsgeschichtlich bedingt sein, 3 ist die Polysemie des Begriffs Abgrenzung im Blick auf

1

2 3

S. z.B. E. Zenger: Beispiel S. 109; F. Schickiberger: Literarkritik S. 65; O. Kaiser: Literarkritik S. 58. S. H. Haag: Gottesknecht S. 6 - 8 . Zur Entdeckung und Begriffsprägung der „Ebed-Jahve-Lieder" s. B. Duhm: Jesaia1 S. XIII; zur Kritik s. K. Baltzer: Bestimmung S. 27f.

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IV. Die literarkritische Methode

entsprechende Verfahren andernorts nicht zu übersehen und offenbart eine gewisse Konzeptionslosigkeit.4

Die Polysemie der Begriffe Abgrenzung und Texteinheit wird besonders deutlich im Vergleich zweier jüngerer methodischer Konzepte: Bei E. Zenger ist zwar ebenso wie bei F. Huber die Abgrenzung ein Arbeitsschritt der Literarkritik, dennoch meinen beide völlig Verschiedenes damit: E. Zenger stellt die Abgrenzung als das literarkritische Verfahren dar, in dem Doppelungen, Unebenheiten und Widersprüche in einem vorliegenden Text zusammengestellt, dieser Text auf kleine Einheiten und Fragmente durchgeprüft und schließlich die abgegrenzten kleinen Einheiten und Fragmente zusammengestellt werden. Ganz anders F. Huber: Für ihn ist Abgrenzung die Bestimmung von Beginn und Ende einer Texteinheit. Texteinheit besagt dann nicht ohne weiteres einfache Einheit, die durch die Abgrenzung bestimmte Größe wird vielmehr erst Gegenstand der Untersuchung der Einheitlichkeit und Uneinheitlichkeit.6 Ist den bisher vorgestellten Bestimmungen gemein, daß sie die Abgrenzung in der literarkritischen Fragestellung verwurzeln, wobei zumindest bei F. Huber zu fragen sein wird, ob für seine Auffassung von Abgrenzung literarkritische Kriterien allein die entscheidende Rolle spielen, so gibt es gerade in jüngerer Zeit Ansätze dazu, die Abgrenzung aus der Literarkritik

4

Zur weiteren Verdeutlichung sei auf den Bezug von Jes 42,5-7 zu den V. 1 - 4 verwiesen, in jenen Schichtungsversuchen, in denen das erste Gottesknechtslied auf letztere Verse abgegrenzt wird. Nicht nur dies geschieht in der Nachfolge B. Duhms, in der Regel werden dabei auch V. 5 - 7 als Kommentar verstanden, wie dies der „Vater der Gottesknechtslieder" vorsah, indem er diese Verse „für eine Zusatzdichtung zu v. 1 - 4" (B. Duhm Jesaia5 S. 313; vgl. S. 311; s. aber noch ders.: Jesaia 1 S. 287) hielt. Handelt es sich aber bei den V. 5 - 7 wirklich um einen Zusatz zu V. 1 - 4 , ließe sich V. 1 - 7 durchaus als Texteinheit, nämlich als eine erweiterte Einheit verstehen. Denn V. 5 - 7 sind nicht aus sich selbst verständlich, ebenso wenig wie beispielsweise Jes 7,1* oder 7,17b oder Jes 29,5-8, die bei B. Duhm Erweiterungen von „Stücken" darstellen, gleichviel aber die Abgrenzungsentscheidung nicht tangieren. Allein die Botenformel in Jes 42,5 ist heute wohl ein zu schwaches Indiz für die Herstellung zweier Stücke.

5

S. E. Zenger: Beispiel S. 109. S. F. Huber: Literarkritik S. 48f; G. Altpeter: Exegese S. 139; ähnlich auch H.-A. Wilcke: Arbeiten S. 23. Sein Fazit nach den Ausführungen an Gen lf ist freilich kaum berechtigt: „Literarkritik versucht durch inhaltliche Analyse von Texten sowie durch Feststellung typischer Redewendungen und Stileigentümlichkeiten Texte voneinander abzugrenzen, im vorliegenden Fall Beginn und Ende einer Texteinheit zu bestimmen." Die Zäsur zwischen Gen 1,1 - 2,4a und Gen 2,4b- 25 läßt sich wohl ohne jegliche Beobachtung typischer Redewendungen und Stileigentümlichkeiten markieren. Solche Beobachtungen führen nicht zur Abgrenzung von Texteinheiten, sondern zur Einsicht, daß hier Stücke unterschiedlicher Provenienz vorliegen.

6

1. Prolegomena zur Abgrenzung

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herauszulösen. So hat O. Kaiser darauf hingewiesen, daß dabei „eine Grundkenntnis der Gattungen der alttestamentlichen Literatur vorauszusetzen" 7 sei. In diesem Zusammenhang bleibt jedoch unklar, ob Abgrenzung eher im Sinne F. Hubers oder im Sinne E. Zengers zu verstehen ist. 8 H. Barth/O.H. Steck nehmen diesen Hinweis auf 9 und ordnen die Abgrenzung dem Arbeitsgebiet der Formgeschichte zu. Dabei ändert sich die Aufgabe beispielsweise gegenüber F. Hubers Auffassung nur unwesentlich. Es geht um die Bestimmung von Beginn und Ende der Texteinheit, wobei die Einheit eines Textstückes nicht als gegeben vorausgesetzt, sondern erst zu verifizieren ist: „Ist es ein völlig auf sich stehendes Ganzes? Ist es jedenfalls ein in sich geschlossenes Ganzes mit sinnvollem Anfang und Ende? Welche Fortsetzung nach vorn und hinten setzt es gegebenenfalls voraus?" 10 Diese Fragen differenzieren das, was bei F. Huber einfach Texteinheit heißt. Ein Textstück ist demnach ohne Kontext oder in seinem Kontext isoliert allein aus sich heraus zu verstehen, eine „absolute" Texteinheit, oder weist Bezüge zu seinem Kontext auf, ist darin eingebunden und damit ein in sich geschlossenes Ganzes, das zwar für sich verständlich ist, aber erst im übergreifenden Zusammenhang voll verstanden werden kann, eine ,/elative" Texteinheit. Diese Differenzierung erscheint richtig, muß dann aber auch zu nicht unwesentlichen Konsequenzen bei der Exegese von Textstücken führen: 11 Mögen nämlich absolute Texteinheiten wie etliche Psalmen auch aus sich selbst heraus zu verstehen sein, so suspendiert die Abgrenzung einer relativen Texteinheit keineswegs die Eingebundenheit in den Kontext, aus dem heraus dieses Textstück erst voll verständlich wird. Auf die relative Texteinheit bezogen kann Abgrenzung damit lediglich eine arbeitstechnisch erforderliche Maßnahme sein, die die Funktion hat, einen übergreifenden literarischen Zusammenhang in überschaubare Textbereiche aufzuteilen, eine pragmatische Erfordernis, die der Analyse und Darstellung dient. Diesen Sachverhalt hat W. Richter durchaus richtig erkannt und herausgestellt. 12 Seine weiteren Ausführungen zur Abgrenzung bleiben jedoch unklar: „Die überkommene Kapiteleinteilung genügt als Ausgangspunkt, da sie ihre Einschnitte beim Wechsel von Personen oder dem Ort der Handlung oder ähnlichem setzt. Diese ersten literarkritischen Beobach-

7

ο

9 10 11

12

O. Kaiser: Exegese S. 24. Zur Kritik s. W. Richter: Exegese S. 45 A.48. Zumindest in seinem Aufsatz „Literarkritik und Tendenzkritik" (S. 58) ist für O. Kaiser Abgrenzung mit literarkritischer Analyse gleichbedeutend. S. H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 32 A.24 (vgl. O.H. Steck: Exegese S. 50 A.24). Dies.: Exegese S. 62; vgl. K. Koch: Formgeschichte S. 20. Solche Konsequenzen zieht für die Literarkritik O.H. Steck: Exegese S. 51, ansatzweise schon H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 32. S. W. Richter: Exegese S. 67.

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IV. Die literarkritische Methode

tungen führen also zunächst zur Abgrenzung von Texten."13 Ist die Abgrenzung, so wird man fragen müssen, eine eher belanglose Maßnahme, die der Diskursivität menschlichen Erkenntnisvermögens entgegenkommt, oder ein kritisches Geschäft? Wenn aber letzteres zutrifft, welche Kriterien weisen eine Abgrenzung aus? Was W. Richter dazu anführt, dürfte kaum ausreichen: 1.) Die überkommenen Kapiteleinteilungen haben zu allererst das Problem der Abgrenzung hervorgebracht: Gen 1 und 2 sind geradezu das Paradebeispiel für die Notwendigkeit der Abgrenzung, weil hier die Kapiteleinteilung so deutlich versagt. 2.) Der Wechsel von Personen oder des Orts der Handlung oder ähnlichem garantiert für sich betrachtet nicht selbstverständlich einen sinnvollen Einschnitt. 3.) Diese Kriterien erweisen sich bestenfalls in der erzählenden Literatur als praktikabel, bringen aber für die Poesie, gerade die prophetische Literatur, kaum etwas ein. Es erscheint mir, wie schon angedeutet, fraglich, ob bei der Abgrenzung im Sinne W. Richters oder F. Hubers literarkritischen Beobachtungen wesentliche Bedeutung zukommt: So ist bei F. Huber ein Textanfang durch den Einsatz eines Gedankenganges, Themas oder einer Handlung, durch bestimmte Formeln, Zeitangaben, die Einführung von Personen und die Andeutung der Situation ausgewiesen. „Immer aber muß der Anfang der Texteinheit dadurch ausgezeichnet sein, daß er - ohne Vorangegangenes zum Verständnis vorauszusetzen - das Tor in eine neue Situation aufstößt und im Leser oder Hörer die Erwartung auf Fortsetzung hervorruft." 15 Über das Problem, daß der Anfang einer Texteinheit Vorausgegangenes zum Verständnis nicht vorauszusetzen hat, ist indirekt schon bei der Frage nach der absoluten und relativen Texteinheit gehandelt worden. Die Voraussetzungslosigkeit dürfte allein auf absolute Texteinheiten zutreffen. Solche liegen aber selbst im erzählenden Schrifttum des AT nur selten vor. Waren beispielsweise einige der Erzählungen im Pentateuch auch ursprünglich selbständig, so bilden sie doch spätestens seit ihrer Versammlung in einer bestimmten Quelle des Pentateuchs Bezüge zu anderen Texten aus, seien diese durch redaktionelle Eingriffe im Text selbst oder allein durch die Stellung der Erzählung in der Quellenkomposition ausweisbar.16 Diese Bezüge sind für das Verständnis der Texteinheiten, wie sie F. Huber durch die Abgrenzung anzielt, unabdingbar. F. Hubers Beispiel Gen 22,1 gibt dafür in der Zeitangabe ein beredtes Exempel ab: Diese ist ja nicht absolut wie ein Datum, sondern relativ. In textlinguistischer Terminologie

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W. Richter: ebd. S. schon grundlegend wie ebenso klar und deutlich G. Fohrer: Auslegung S. 151. F. Huber: Literarkritik S. 49. S. z.B. für Gen 32,23 - 33 als Ortssage und in ihrer Stellung im Werk des J, besonders nach Gen 32,10-13 K. Elliger: Jakobskampf.

1. Prolegomena zur Abgrenzung

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ist diese Zeitangabe als anaphorisch zu bezeichnen: Ist aber ein Textanfang grundsätzlich allein durch kataphorische Elemente bestimmt, 17 erweist die Zeitangabe in Gen 22,1, daß es sich dort bestenfalls um den Anfang eines Textabschnittes handelt. Die Bezeichnung Textabschnitt ist ohnehin dem Begriff Texteinheit gegenüber vorzuziehen, zumal dieser Begriff entweder in gewisser Weise tautologisch ist, da „Text" „Einheit" einschließt, 18 oder aber dasselbe meint wie Textstück. Da „Text" eine weitgehend unbeschränkte Größe ist 19 und gerade Gen 22,1 auf Vorausliegendes zurückverweist, wird man Gen 22,1-19 als Textabschnitt zu bestimmen haben, also als Teil eines Textes. 20

Da es bei der Abgrenzung von Textstücken in der Regel auch keine klaren texttheoretischen Kriterien gibt, andererseits aber jene Kriterien, die zur Bestimmung eines Textes führen, meist brauchbar sind, läßt sich eine Passage in einem Buch ohne weiteres auf Grund des Textanfanges, Textendes, der Textverflechtung und der Vor- und Rückverweise abgrenzen. 21 Dabei wird der Exeget - ob nun textlinguistisch oder nicht - auf Grund seiner Erfahrung mit „Texten" die Abgrenzung herbeiführen. Ist das gemeint, wenn O. Kaiser eine Grundkenntnis der alttestamentlichen Gattungen für die Abgrenzung voraussetzt, so hat er das Richtige getroffen. Der Begriff „Gattung" ist freilich höchst unglücklich, da „Text" und „Gattung"

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S. F. Schickiberger: Literarkritik S. 70; vor allem aber W. Dressler: Einführung S. 57f. Es scheint nicht immer einfach zu sein, bestimmte Textphänomene als Kataphora zu identifizieren. So bezeichnet W. Dressler den Anfangssatz von T. Manns Erzählung „Das Gesetz" („Seine Geburt war unordentlich...") als kataphorisch. Diese Funktion kann dem definiten Possessivum nur deshalb zukommen, weil die Abgrenzung des Beispieltextes gesichert ist. Auch von daher ist es nicht selbstverständlich, von der deskriptiven Textlinguistik Kriterien für die Abgrenzung von Texten erwarten zu können. S. zur Kritik an F. Schickiberger H. Schweizer: Literarkritik S. 25 A.6. S. die promiscue-Verwendung von Text und Texteinheit bei F. Huber: Literarkritik S. 45-58. Ein Roman kann ebenso ein Text sein wie ein Satz; zu einsätzigen Texten s. die bei W. Dressler: Einführung S. 58 A.144 angegebene Literatur. Diese Bestimmung trifft sich - nebenbei bemerkt - mit jener „literarkritischen" Entscheidung, die V. 1 als Werk von Ε bestimmt. Nicht nur das anaphorische Element der Zeitangabe legt dies nahe, sondern auch das kataphorische Element „Elohim versuchte Abraham", auf das in V. 12 ein Rückbezug vorliegt, der den Spannungsbogen schließt: In V. 1 wird Erwartung beim Leser geweckt: Wird Abraham die Versuchung bestehen? - In V. 12 findet sich die Lösung: Ja, er hat bestanden. Der Textabschnitt ist damit freilich nicht zuende, weil die in V. 1 3 - 1 9 vorliegenden Anaphern V. 1 - 1 2 voraussetzen. Daß V. 1 3 - 1 9 mit Ausnahme von V. 18f über das in V. 1 angekündigte Thema hinausschießen, verdient sicherlich literarkritisch Beachtung. Dabei dürfte jedoch eine von Vers zu Vers vorgehende Literarkritik angesichts der überlieferungsgeschichtlichen Probleme wohl zum Scheitern verurteilt sein (s. dazu grundlegend R. Kilian: Isaaks Opferung). S. wiederum F. Schickiberger: Literarkritik S. 70f.

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IV. Die literarkritische Methode

nicht notwendig deckungsgleich sind. O. Kaiser selbst - das ließe sich an zahlreichen Beispielen belegen - grenzt nicht notwendig nach Gattungen ab, weshalb die Folgerung H. Barths/O.H. Stecks nicht ohne Probleme ist. Freilich beschränkt sich bei ihnen das Feld der Formgeschichte nicht nur auf die Gattungsanalysen, sondern auch auf das, was etwa bei G. Fohrer, respektive G. Wanke sprachliche Analyse meint. Insofern ist die Abgrenzung als Konstitution des Textes dort am richtigen Ort. Im vom Ablauf der Methoden her festgeschriebenen Schema kommt dann aber die Abgrenzung wohl viel zu spät, um eine Hilfe für die exegetische Analyse zu sein. 22 Deshalb ist es sicherlich sinnvoll, solche Überlegungen aus der Formgeschichte in einen Schritt vor der Text- bzw. Literarkritik zu übertragen. Im anderen Falle suggeriert man entweder, die eine Hand, die einen Textabschnitt der Analyse unterzieht, indem sie ihn abgrenzt, wisse nicht, was die andere in der formgeschichtlichen Analyse tut, oder man muß Gen 1 behandeln, um dann in der Formgeschichte zur beachtlichen (!?) Erkenntnis zu gelangen, daß Gen 1 kein geschlossener Textabschnitt ist. b) Die Aufgabe der Abgrenzung Nach dem Dargelegten scheint folgende Definition sinnvoll zu sein: Die Abgrenzung ist die wissenschaftliche Ausweisung eines Abschnittes innerhalb eines größeren Kontextes als Gegenstand exegetischer Analyse. Das bedeutet zum einen, daß die Abgrenzung von ihrer exklusiv reservierten Situierung im Aufgabengebiet der Literarkritik, quasi als anderer Begriff für die Untersuchung der Einheitlichkeit und Uneinheitlichkeit, abzusetzen ist. Man mag zwar wie O. Kaiser oder F. Schickiberger von der Abgrenzung kleiner Einheiten sprechen, beispielsweise von der Abgrenzung eines Gottesknechtsliedes, womit schon die Grundschicht eines Textabschnittes anvisiert ist, die von späteren redaktionellen Überarbeitungen abzuheben ist, muß sich aber bewußt bleiben, daß damit nur eine Möglichkeit dessen gewählt ist, was die Abgrenzung eines Textstückes als Konstitution des Gegenstandes exegetischer Analyse anbietet. Ein Problem stellt sich dabei auch bei der Wendung „Abgrenzung der kleinen Einheiten" in der Frage nach ihrem Umfang: So haben die Analysen an den Prophetenbüchern schwerpunktmäßig ergeben, daß die einzelnen Stücke die „kleinen Einheiten" beinhalten. Das ist insofern verständlich, als sie zu einem Großteil im weiten Sinne als „Gedichte" zu bewerten sind, die Bücher als Sammlungen solcher „Gedichte". Unbeschadet der Frage, ob etwa in Jes 6,1-8,18* eine durchlaufende Gestaltung und damit im Gesamtkomplex eine kleine Einheit vorliegt,23 ergibt sich damit für die Analyse und Interpretation

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Da H. Barth/O.H. Steck ein interdependentes Methoden-Modell vorstellen, ist dieser Einwand freilich weniger gegen sie gerichtet als vielmehr gegen G. Fohrer/F. Huber, da dort die Abgrenzung, zumal sie texttheoretisch geleistet wird, in die sprachliche Analyse gehört. So etwa O.H. Steck: Beiträge S. 161; C. Hardmeier Verkündigung bes. S. 124; wobei man auch hier noch zwischen der literarischen Einheit und den Redeeinheiten, die auf

1. Prolegomena zur Abgrenzung

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solcher Gedichtesammlungen die Aufgabe, die Stücke voneinander abzugrenzen und daran anschließend - in diesen die kleinen Einheiten festzustellen.24 Anders liegt die Sache in der erzählenden Literatur des AT: Sind hier die kleinen Einheiten Einzelerzählungen oder nicht vielmehr die Quellenschriften, die O. Eißfeldt als die „kleinsten literarischen Einheiten" angesprochen hat? 25 Wie bei den Prophetenstücken sind auch hier die Fragen nach Text und kleiner Einheit eng verbunden. Handelt es sich etwa bei Gen 22,1 - 1 9 um einen Text, läßt sich auch die kleine Einheit daraus ermitteln. Handelt es sich aber lediglich um ein Textstück, einen Abschnitt in einem „Makrotext", erreicht auch die literarkritische Analyse nichts weiter als ein Stück der kleinen Einheit. Und dieser Unterschied dürfte auch bedeutende literarkritische Folgen haben, gerade wenn für die kleinen Einheiten Vollkommenheit postuliert wird, was Abgeschlossenheit einschließt. Damit spielt aber schon eine wesentliche Vorentscheidung in Abgrenzung und Literarkritik auch bei den Geschichtsbüchern mit hinein: Handelt es sich etwa im Buche Genesis um eine Zusammenstellung von Erzählungen ähnlich der Märchensammlungen der Brüder Grimm oder aus „Tausend und einer Nacht" oder um ein Literaturgenre ähnlich dem historischen Roman oder den großen Familiensagen.26 Wenn letzteres angenommen wird, geht schon jede literarkritische Analyse über die Binnenstruktur des Textabschnittes hinaus.27 Aber auch bei der ersten Annahme ist das Ergebnis textinterner Literarkritik immer schon entsprechend präjudiziert. Eine Differenzierung, wie sie F. Schickiberger zwischen Makrotext und kleiner Einheit einführt, verhilft dabei kaum zur Klärung, weil die Voraussetzung kleiner Einheiten, „die dem Autor oder Redaktor eines Makrotextes (Grossraumtextes) zugrunde gelegen haben mögen,"28 zu vage ist. Zu fragen ist nämlich, ob bestimmte „kleine Einheiten" dem Autor oder Redaktor vorgelegen haben und wie sie ihm gegebenenfalls vorgelegen haben. Von „kleinen Einheiten" kann man aber nur sprechen, wenn diese einem Redaktor schriftlich zur Verfügung standen.

Wenn die Aufgabe der Abgrenzung nicht exklusiv literarkritische Analyse und Schichtung, sondern, weiter gefaßt, Konstitution des Gegenstandes exegetischer Analyse ist, läßt sich natürlich theoretisch jegliche

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bestimmte, unterschiedliche historische oder fiktive Redesituationen zurückweisen, zu differenzieren hätte. Zur Auseinandersetzung s. unten S. 104-122. Zu dieser Unterscheidung mit anderen Termini s. schon H. Greßmann: Aufgaben S. 25f. Für die Bedeutung der Beantwortung der Frage nach den literarischen Einheiten ( = Stücke oder Gedichte) auch hinsichtlich nachfolgender Literarkritik verweist er auf Jesaja, „für dessen Interpretation genau die gleichen Regeln gelten wie für die Interpretation Goethes: sie kann nur von den selbständigen Einzelgedichten ausgehen, während die Sammlung als solche ganz oder verhältnismäßig gleichgültig ist. Wie will man Goethe erklären, wenn man nicht weiß, wo ein Gedicht aufhört und das andere anfängt?" S. O. Eißfeldt: Einheit Sp. 333 [S. 143]; vgl. oben S. 14 mit A.3. Ersteres verneint W. Baumgartner [Einleitung S. 191] in Anschluß an H. Schmidt; s. auch O. Eißfeldt: Einheit Sp. 337 [S. 149], S. R. Kilian: Isaaks Opferung S. 33 A. 33. F. Schickiberger: Literarkritik S. 65.

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IV. Die literarkritische Methode

Abgrenzung rechtfertigen. In dieser Weise könnten dann H. Schweizers Ausführungen verallgemeinert gelten: „Bearbeitungsgegenstand" - für die Literarkritik - „ist ein Einzeltext, der entweder schon gut begründet (charakteristische Anfangs-, Schlußsignale) ist oder provisorisch (z.B. ein Kapitel) aus dem Kontext eines Buches herausgenommen wird"29. Beschränkt man sich freilich nicht auf die Literarkritik, sondern faßt man einen bestimmten Textabschnitt als Gegenstand der gesamten exegetischen Methodik ins Auge, scheint es angeraten, eine provisorische Herausnahme eines Abschnittes aus dem Kontext des Buches zu vermeiden und stattdessen einen Textabschnitt zu wählen, der einen in gewisser Weise geschlossenen Eindruck macht und darüber hinaus - gerade bei einem Kommentar wird dies zu fordern sein - nach seiner Herausnahme keine Bruchstücke, sondern ebenfalls offensichtlich geschlossene Einheiten hinterläßt. Gerade bei den Erzähltexten können hierbei texttheoretische Erkenntnisse zur Anwendung kommen, welche freilich, soweit sich dies bisher übersehen läßt, kaum eine grundsätzliche Änderung der Abgrenzungsfragen mit sich bringen dürften. Diffiziler erscheint das Problem gerade in der prophetischen Literatur. Hier gibt es wohl auch kaum absolute Kriterien, Textanfang und -ende werden vielmehr in einer Konvergenzentscheidung bestimmt. Dabei spielen

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H. Schweizer: Literarkritik S. 30. S. F. Schickiberger: Literarkritik S. 69-71; vgl. F. Huber: Literarkritik; s. aber C. Hardmeier: Prophetie S. 18. Da es sich bei den texttheoretischen Erkenntnissen zu Beginn und Ende eines Textes vor allem um abstrahierende Deskription von Gegebenem handelt, ist eine qualifizierte Änderung dieser Fragen nicht zu erwarten, weil die entsprechenden Erfahrungen mit „Texten" schon von jeher von den Exegeten vorausgesetzt wurden. Zwar dürften sich seither die Perspektiven vielfach verschoben haben, wohl auch fernerhin verschieben, im wesentlichen hat sich aber gerade durch den Einfluß der Literaturwissenschaft und Linguistik allein die Terminologie verändert. Es scheint, als ob erst heute mit dem modernen Rüstzeug „Text"-Verständnis möglich sei. Dabei macht es natürlich stutzig, daß die „Alten" anscheinend auch schon bestimmte Phänomene erfaßt haben: „Dem Fachmann wird auch nicht entgangen sein, dass vieles, worauf die neuere (Text-)Linguistik stolz ist, schon früher bekannt war und bei der Auslegung von Bibeltexten von den .Vätern' der Exegese mitberücksichtigt wurde, wohl aber mehr intuitiv und in genialer Ahnung als systematisch." (F. Schickiberger: Literarkritik S. 81) M.E. ist es höchst fragwürdig, zwischen den „Vätern" und den „Kindern" einen solchen Graben anzusetzen. Intuition und Ahnung treiben die Väter in den Vorhof der Wissenschaft. Ob die heutigen Betrachtungsweisen im Innenhof anzusiedeln sind (so z. B. W. Schenk: Kommentar S. 15), scheint mir fraglich. Textverständnis ist wohl kaum erst seit der Etablierung der Textlinguistik möglich. Wer dies unterstellt und Kontinuitäten im Textverständnis unterschlägt, muß auch erklären, wie es dann zum „Wunder" der Etablierung der Textlinguistik gekommen ist. Vgl. dazu allgemeiner K. Koch: Formgeschichte S. 271.

1. Prolegomena zur Abgrenzung

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metrische Beobachtungen, die für sich betrachtet nur selten klaren Aufschluß geben, ebenso eine Rolle wie bestimmte Eröffnungssignale prophetischer Rede wie Botenformeln und Interjektionen oder bestimmte Themen, ja sogar Erkenntnisse hinsichtlich der Gattung.31 Auch hier sind die herkömmlichen Abtrennungen wie die Paraschen- und Kapiteleinteilung ein erster, mitunter freilich unzureichender Anhaltspunkt. In Einzelfällen, z.B. bei redaktionellen Brückentexten, mag es zu Streitigkeiten kommen, doch liegt dies wohl in der Natur solcher Passagen und ist dann ohne Belang, wenn in der Abgrenzung die Literarkritik nicht vorweggenommen wird. Z.B. spricht überhaupt nichts dagegen, Jes 8,23aß.b mit Jes 9,1-6 zusammen zu analysieren. In der Frage der Abgrenzung wird freilich mitunter die literarkritische Entscheidung, 8,23aß.b dem Folgenden als zugehörig oder als redaktionell erweitert zu beurteilen, schon vorweggenommen und damit auf die einfache Einheit abgegrenzt. Auch wenn der Versteil schon früh als Brückentext identifiziert wurde,32 sollte man ob der literarkritischen Entscheidungen seit A. Alt 33 in der Abgrenzungsfrage diesen Versteil dem Folgenden zuschlagen. Erst in der literarkritischen Analyse wird sich dann klären lassen, ob Jes 8,23aß - 9,6 eine einfache Einheit darstellt.34

Wird versucht, einen offensichtlich geschlossenen Abschnitt als Gegenstand der exegetischen Analyse zu konstituieren, ohne die literarkritische Analyse vorwegzunehmen, indem relativ einfache Beobachtungen ausgewertet werden, bedeutet dies für die Analyse, daß die Kontextgebundenheit des Abschnittes nur vorläufig suspendiert ist. In einigen Fragen, so auch der Literarkritik, muß der Kontext deshalb mitberücksichtigt werden. Diese Rücksicht läßt die Abgrenzung nicht zur Vorentscheidung über die literarischen Verhältnisse des Abschnittes werden. In dieser Weise spielt es dann auch keine Rolle, ob ein Abschnitt eine literarhistorische oder lediglich eine kompositorische Einheit darstellt. Um auch hierfür ein Beispiel zu geben, sei schon auf Jes 7 vorgegriffen: In der hier vorgetragenen Sicht spielt es keine Rolle, ob dieses Kap. als Ganzes analysiert wird oder etwa in den Abschnitten 7,1-9.10-17.18-25. Das Kap. stellt sich als kompositorische Situationseinheit dar. V. 18 bindet das Folgende an die Redesituation zumindest von V. 10-17, das seinerseits durch V. 10 mit V. 1 - 9 in dieser Weise verknüpft ist. Daß zwischen V. 17 und dem Rest des Kap. keine literarhistorische Situationseinheit besteht, wie es die

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Freilich ist die Reichweite der Gattungsfragen gering. Eine Abgrenzung wird lediglich die Zerschneidung eines einfachen Gattungsexemplares unterlassen, nicht aber selbstverständlich und in jedem Fall auf ein solches Exemplar abgrenzen. So B. Duhm: Jesaia 1 S. 66; K. Marti: Kern S. 114. S. A. Alt: Befreiungsnacht S.211f. In dieser Weise O. Kaiser: Jesaja I S. 197f, aber auch schon B. Duhm: Jesaia 1 S. 66f; bei W. Werner: Texte S.21f oder H. Wildberger: Jesaja I S. 365 - 371 wird mit der Abgrenzung die Frage der literarischen Einheit entschieden.

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IV. Die literarkritische Methode

Forschung seit Β. Duhm in der Regel annimmt, schließt eine Abgrenzung auf Jes 7,1-25 nicht aus. Denn trifft die Annahme B. Duhms zu, handelt es sich bei dem gesamten Abschnitt um eine mehrfach, auch um Fragmente, erweiterte Einheit. Damit ist aber eine Abgrenzung von Jes 7,1-25 eine Abgrenzung der Texteinheit im Sinne F. Hubers. Will man sich stattdessen auf Jes 7,1-17 beschränken, greifen schon literar- und redaktionskritische Argumente. Streng genommen miißte man unter der Zuhilfenahme der Literarkritik dann aber auf V. 17a abgrenzen, denn in diesem Fall werden schon in Richtung auf die literarhistorische Einheit die Zäsuren gesetzt, aus der V. 17b seit Beginn literarkritischer Forschung am Jesajabuch herausfällt.35

Daß nicht konsequent auf die Weise der Abgrenzung auf die einfache Einheit verfahren wird, hängt damit zusammen, daß die Zäsuren so gesetzt werden, daß befriedigende Analyse-Einheiten entstehen. Abgrenzung einerseits als Literarkritik, andererseits aber in dieser unkritischen Weise lassen sich kaum zu einer klaren Verfahrensweise verbinden. Die Forschung spiegelt diese Inkonsequenz: Wo die Abgrenzung umstritten ist, greifen bei der Bestimmung von Beginn und Ende einer Texteinheit literarkritische Argumente, wo sie außer Zweifel steht, wird das Problem der literarischen Einheitlichkeit nicht artikuliert. In den vorliegenden Darlegungen ist die Abgrenzung der Texteinheiten als eine Aufgabe beschrieben worden, die ein Buch in relativ geschlossene Textabschnitte gliedert, um die Analyse des Buches effizienter und überschaubarer zu gestalten. Die Funktion der Abgrenzung in dieser Sicht dient dementsprechend vor allem der Darstellung in einem Kommentar. Ist die Abgrenzung aber eine arbeitspragmatische Maßnahme, lassen sich bei anderweitiger Darstellung auch andere Abgrenzungen rechtfertigen. So ist es beispielsweise in einer formgeschichtlichen Analyse durchaus sinnvoll und geboten, das in einem Textabschnitt integrierte Exemplar einer einfachen Gattung aus seinem Kontext auszugrenzen. Eine solche Abgrenzung ist als relativer Einschnitt aus arbeitstechnischen Gründen zu bestimmen, der auf Grund der Perspektive, aus der heraus die Abgrenzung vorgenommen wird, vorläufig und problemgebunden bleibt. Da er nur relativ zur Aufgabenstellung ist, darf der Einschnitt nicht als Abschnitt aufgefaßt werden, als ob die damit abgegrenzte Sinneinheit von ihrem Kontext abgeschnitten wäre, sondern im Gegenteil als Ausschnitt aus einem Kontext, welcher für dessen Verständnis nach wie vor von elementarer Bedeutung ist. Entsprechendes gilt auch für eine Abgrenzung aus literarkritischer Perspektive: Die Abgrenzung auf die einfache Einheit entbindet nicht von der Notwendigkeit, abgesonderte Teile in anderen methodischen Schritten mitzubedenken. Wird, um im schon diskutierten Beispiel zu bleiben, eine Abgrenzung auf Jes 9,1-6 vertreten, stellt sich trotzdem die Frage der sekundären Zugehörigkeit von Jes 8,23aß.b zu 9,1-6. Ja, es ist für die literarkritische Beurteilung nicht einmal auszuschließen, daß dabei redaktionskritische Gegebenheiten eine Rolle spielen können: Ergäbe sich bei einer Abgrenzung unter Einschluß des umstrittenen

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Zu den Problemen der Abgrenzung von Jes 7 s. unten S. 101 -104; zu V. 17b S. 197f.

1. Prolegomena zur Abgrenzung

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Versteiles eine klare historische Situierung des Stückes, wäre aber im Falle der Abgrenzung auf Jes 9,1 - 6 für Jes 8,23aß.b keine redaktionskritische Einordnung möglich und somit auch keine vernünftige Bedeutung zu erheben, könnten auf Grund dieser Schwierigkeit einige Argumente, die gegen die Einheitlichkeit sprechen, aufgewogen werden. Ob sie in diesem Einzelfall aber hinreichen, scheint mir allerdings mehr als fraglich.36

Gleichgültig, auf Grund welcher Perspektive man einen Abschnitt in einem Buch abgrenzt, man hat sich über drei wesentliche Fragen klar zu sein: 1.) Was wird abgegrenzt? - ein Text (auch Makrotext), ein relativ geschlossenes Textstück, eine einfache Einheit, das Exemplar einer mutmaßlichen Gattung u.s.f. Dabei scheint es sinnvoll, den Begriff der Texteinheit zu vermeiden, weil er auf Grund seiner Mehrdeutigkeit nur Mißverständnisse veranlaßt. 37 2.) Nach welchem Verfahren wird abgegrenzt? literarkritisch, kompositionskritisch, formgeschichtlich, arbeitspragmatisch u.s.f. 3.) Was wird dabei vorausgesetzt? - Kontexteinbindung des Stückes oder isolierte Stellung im Kontext, Hintergrundwissen zur Komposition des Buches, seiner Redaktionsgeschichte u.s.f. Wenn erst diese Fragen, gerade aber die dritte, bei den umstrittenen Abgrenzungen geklärt sind, wird sich zeigen, daß einige Kontroversen ihre eigentliche Wurzel nicht im Einzeltext haben, sondern sich lediglich als Summe unterschiedlicher methodischer und sachlicher Voraussetzungen an diesem entzünden.

2. Das Verhältnis von Textkritik und Literarkritilc^ Ob es Überschneidungen zwischen Textkritik und Literarkritik gibt, ist eine Frage, die bis heute nicht als endgültig geklärt betrachtet werden kann. Zwar geht man in der Regel von einer klaren Unterschiedenheit aus, sieht aber - je nach Perspektive mehr oder weniger stark - eine Überlagerung der Methoden als gegeben an. 3 9 Da eine solche Überschneidung von Textkritik und Literarkritik neuerdings entschieden negiert wird, 40 ist

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S. W. Werner: Texte S. 21f; gegen H. Barth: Jesaja-Worte S. 142f; C. Hardmeier: Jesajaforschung S. 14. S. etwa F. Huber: Literarkritik S. 45 - 58, wenn er einmal von Beginn und Ende des Textes, ein anderes Mal von der Texteinheit spricht, welche eine einfache, erweiterte oder zusammengesetzte literarische Einheit sein kann (s. oben S. 62f). Zu diesem Paragraphen s. insb. H.-J. Stipp: Verhältnis, der die wesentlichen neueren Veröffentlichungen zum Thema diskutiert. S. grundlegend E. Würthwein: Text S. 103.114, vgl. O. Kaiser: Exegese S. 22; L. Markert: Textkritik S. 41.44. S. H.-J. Stipp: Verhältnis, bes. S. 37; H. Schweizer: Literarkritik S. 24 A.2; auf andere Weise L. Schwienhorst: Eroberung S. 19-21.

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IV. Die literarkritische Methode

nach der Begründung der Grenzziehung zwischen beiden Methoden zu fragen. Als zumindest gewisse Grenze zwischen beiden Methoden wurde und wird vielfach das „Ende des Prozesses produktiver, schriftlicher Gestaltung im AT" 41 angesetzt, welcher Punkt „in der Regel spätestens mit dem Erlangen kanonischer Geltung eines Textes erreicht ist"42. Demnach beziehen sich Textkritik und Literarkritik auf jeweils verschiedene Stadien der Textüberlieferung: Die Literarkritik hat es mit der Phase des literarischen Wachstums, die Textkritik aber mit der Phase der Textweitergabe zu tun. Ob eine solche Grenze klar zu ziehen ist, dürfte aber mit H.-J. Stipp zu verneinen sein 4 3 Vorausgesetzt wird dabei nämlich, daß es mit der Kanonisierung der einzelnen Schriften zu einer Stabilisierung des Wortlautes und einer Beendigung literarischen Wachstums gekommen ist. Diese Voraussetzung wurde anfänglich auch vom Comite pour l'analyse textuelle de l'Ancien Testament hebreu gemacht, im Verlaufe der Arbeiten aber verworfen, nachdem man festgestellt hatte, „daß auch größere Eingriffe an Texten vorgenommen worden waren, denen bereits eine außerordentliche religiöse Würde zugekommen sein mußte." 44 Insofern scheint es weder möglich, eine solche „Kanongrenze", selbst für einzelne Bücher, völlig eindeutig festzulegen,45 noch eine für diesen Zeitpunkt ursprüngliche Gestalt des Textes herzustellen, die dann die Grundlage für die nachfolgende literarkritische Analyse bilden könnte. Indem die Grenzziehung zu einer höchst vagen Angelegenheit wird, verblaßt die Annahme eines ursprünglichen Textes, der mit der Autorität der Schriften als Heilige Schrift ein Stadium reiner Textweitergabe eröffnet haben soll, als Ziel der Textkritik zur Fiktion.46 Überdies ist die Voraussetzung, daß ein solcher „Urtext" in allem sinnvoll war, willkürlich und entsprechend problematisch 47 Diese Voraussetzung wird aber dort ge41

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H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 24; vgl. A. van der Kooij: Textzeugen S. 11, der freilich auch Überschneidungen von Text- und Literarkritik für möglich hält. Dies.: ebd. Als zeitliche Grenze wird je nach Schrifttum das 4. bis 2. Jh. v. Chr. angenommen. O.H. Steck (Exegese S. 38) hat in der Neuauflage die untere Grenze auf das 1. Jh. n. Chr. angesetzt, ohne die entsprechenden Konsequenzen für das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik abzustecken. S. H.-J. Stipp: Verhältnis S. 20f in Auseinandersetzung mit Ε. Τον: The Text-Critical Use of the Septuagint in Biblical Research, 1981. H.-J. Stipp: Verhältnis S. 28; vgl. Ν. Rabe: Textkritik S. 70f. S. O.H. Steck: Exegese, S. 38. So noch A. van der Kooij: Textzeugen S. 9f in Anschluß an E. Würthwein: Text S. 102. Dabei gilt es zu beachten, daß das Urteil „sinnlos" oder „verderbt" immer auf Grund aktueller grammatikalischer und lexikalischer Erkenntnisse gefällt wird (vgl. A. van der Kooij: Textzeugen S. 8). Entsprechendes gilt auch für das Postulat der Lesbarkeit von Handschriften, das die Kriterien bei N. Rabe [Textkritik S. 81] bestimmt.

2. Das Verhältnis von Textkritik und Literakritik

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macht, wo der gesamte Text (und nicht nur die Passagen mit unterschiedlichen Lesarten) im Rahmen der Textkritik einer sachlichen Überprüfung unterzogen wird, 48 innerhalb derer sich der Text - so bei H. Barth/O.H. Steck - eine lexikalische, metrisch-stilistische und grammatikalische Überprüfung gefallen lassen soll. Dem entspricht es dann, daß das Kriterium der lectio difficilior bei H. Barth/O.H. Steck nur dann greift, „sofern die lectio difficilior nicht sinnlos und eher als Abschreibeversehen zu erklären ist" 49 . Es ist in keiner Weise a priori zu begründen, weshalb die ursprüngliche „kanonisierte" Gestalt des Textes nicht verderbt gewesen sein soll. Wann die Textverderbnis oder -entstellung eingetreten ist, wird mit der Annahme von Konjekturen für die Zeit nach der Kanonisierung angesetzt, obwohl für die Richtigkeit dieser Voraussetzung kein Anhaltspunkt besteht. 50 Entsprechendes gilt auch für die Annahme von Glossen, für die eine einheitliche Textbezeugung besteht. Solche Glossen müssen auch nicht jenseits der Kanonisierung des Textes angesetzt werden, sie fallen deshalb nicht notwendig in das Aufgabengebiet der Textkritik. Aus dem bisher Dargelegten ergibt sich, daß auch eine andere Grenzziehung kaum adäquat sein kann, nämlich jene, die zwischen Absichtlichkeit und Unabsichtlichkeit von Textveränderungen unterscheidet. Wie H. Barth/O.H. Steck selbst dargestellt haben, können unabsichtliche Textveränderungen, die prinzipiell in das Aufgabengebiet der Textkritik gehören, schon vor der „Kanonisierung" aufgetreten sein, sind also nicht auf die Zeit nach der besagten Grenze zu beschränken. 52 Ebenso wenig kann aber jenseits der postulierten Grenze mit einem Ende produktiver Textgestaltung gerechnet werden. 53 Ginge man streng und ausschließlich nach dieser Vorgabe vor, würde die Kanongrenze überflüssig. 54 Das Problem, das sich mit einer solchen Aufgabenteilung ergibt, hat H.-J. Stipp deutlich gemacht: „Ein einschlägiger Fall wird beurteilt, und im nachhinein ist - je nach Resultat - die akzeptierte Hypothese als text- oder literarkritische erkennbar. Denn der Entscheid über Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit liegt

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S. E. Würthwein: Text S. 114; H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 25f (vgl. O.H. Steck: Exegese S. 42f). H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 27. Die zweite Bedingung ist unnötige Vorwegnahme des zweiten textkritischen Kriteriums. Auch gegen L. Markert: Textkritik S. 44f. Das Problem liegt nicht darin, daß eine Konjektur vielleicht „Ausdruck der subjektiven Meinung des Exegeten" ist, sondern, daß eine Konjizierung bei „sinnloser" Textüberlieferung über das von ihm dargestellte Ziel der Textkritik, „den ältesten erreichbaren Text zu rekonstruieren" (S. 41), hinausgeht, weil der älteste erreichbare Text in diesem Falle nämlich ein „sinnloser" Text ist. S. A. van der Kooij: Textzeugen S. 10 mit dem Beispiel Jes 7,17b. S. H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 24. S. D. Barthelemy: Critique I S. *70, explizit für Jer, Ez und Prov. So L. Schwienhorst: Eroberung S. 21.

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IV. Die literarkritische Methode

der Hypothese nicht als Datum voraus, sondern ist einer ihrer Bestandteile. Deshalb ist das Kriterium auch unnötig theorieabhängig, insofern jene Entscheidung eben selbst ein wissenschaftliches Urteil darstellt, das prinzipiell jederzeit Gegenstand der Kontroverse sein kann" 55 . Bei H. Barth/O.H. Steck ist dieses Kriterium freilich mit dem der „Kanongrenze" gekoppelt. Sie führen zwar aus, daß die Klärung des Alters von Abschreibeversehen, also unabsichtlichen Textveränderungen, prinzipiell der Textkritik obliegt, sollte ein solches vor diesem Einschnitt liegen, muß es aber dann „dementsprechend im Rahmen der LK bzw. der ÜG bearbeitet werden" . Ist dies richtig verstanden, stellt sich aber hinsichtlich H. Barth/O.H. Steck die Frage, weshalb in der Textkritik überhaupt noch Konjekturen zugelassen werden. Denn wenn Abschreibeversehen vor dem Ende produktiver Textüberlieferung als Möglichkeit angenommen werden, bedeutet dies, daß der „Urtext" durchaus auch mutmaßlich sinnlose Passagen beinhaltet haben kann. Die Emendierung in einem Bereich einheitlicher, aber sinnloser Textüberlieferung müßte demgemäß ebenso unterbleiben wie die schon angeführte Bedingung für die Lectio difficilior.57 Angesichts der Tatsache, daß sich auch le Comit6 pour l'analyse textuelle gegen Konjekturen innerhalb der Textkritik ausgesprochen hat, 58 andererseits aber das Textkritik und Literarkritik sondernde Kriterium verschiedener Phasen der Textüberlieferung versagt, scheint damit für das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik eine Unterscheidung lediglich nach „Datenklassen", wie sie H.-J. Stipp vorgeschlagen hat, angebracht zu sein: „Textkritik analysiert Daten der Textüberlieferung, Literarkritik solche der Textbeschaffenheit."59 Damit ist auch gegeben, „daß die soge55 56

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H.-J. Stipp: Verhältnis S. 35. H. Barth/O.H. Steck: Exegese S. 24. H.-J. Stipp interpretiert diese etwas schwierige Passage dahingehend, daß unabsichtliche Veränderungen vor der Kanongrenze bei H. Barth/O.H. Steck in das Aufgabengebiet der Textkritik fallen. M.E. ist sie so zu verstehen, daß die Textkritik zu klären hat, wann ein Abschreibeversehen eingedrungen ist. Liegt dieses vor der Kanongrenze, gehört es in das Aufgabengebiet von Literarkritik oder Überlieferungsgeschichte. Daß die Textkritik das Alter von Abschreibeversehen zu klären hat, bedeutet dann wohl auch nicht, daß „Barth/Steck Kompetenzen der Textkritik vor dem Umschlag vom ersten zum zweiten Stadium", einräumen, wie dies H.-J. Stipp [Verhältnis S. 34] verstehen will. S. oben S. 71; es sollte in der Frage sinnloser Passagen auch größere Vorsicht geübt werden. Vielfach dürften angeblich sinnlose Passagen nur als solche identifiziert werden, weil das entsprechende Hintergrundwissen fehlt. Die Ausschnitthaftigkeit des lexikalischen Bestandes hebr. Begrifflichkeit disponiert den Exegeten kaum zu „Hoheitsentscheidungen" darüber, ob ein Ausdruck „sinnlos" ist oder nicht. S. D. Barthölemy: Critique I S. *74. H.-J. Stipp: Verhältnis S. 37.

2. Das Verhältnis von Textkritik und Literakritik

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nannte Konjekturalkritik [..] als Prozedur der Literarkritik klassifiziert wird."60 Von einer solchen Idaren Auseinanderhaltung von Textkritik und Literarkritik ist auch H. Schweizer überzeugt, der der Textkritik die Aufgaben „der synchronen Sicherung und Beschreibung tatsächlich existierender Handschriften" und des diachronen Versuchs, „die belegten Handschriften in genealogische Abhängigkeit zu bringen"61 zuteilt. Diese Aufgabenumgrenzung hat für das Verhältnis von Textkritik und Literarkritik dann folgende einfache Konsequenz: „Text- und Literarkritik können methodisch durchaus auseinandergehalten werden. Allerdings gibt es genügend Beispiele diffuser und unseliger Vermischung, z.B. wenn textkritisch viele Glossen behauptet werden, die - bei näherem Zusehen - dadurch entstanden sind, daß nicht ausführlich literarkritisch gearbeitet wurde."62 Es ist sicherlich sinnvoll, für diese Probleme der Überschneidung wenige deutliche Beispiele anzuführen: 1.) Zum Problem der Veränderung „sinnloser" Textüberlieferung: II Sam 7,7 rantz): Der Vers II Sam 7,7 - innerhalb einer Jahwe-Rede an Natan als Redebeauftragung an David - bietet Verständnisschwierigkeiten. Von bxiiir 'ΕΠώ ιπχ-ηχ ist ein Relativsatz abhängig, der wie folgt wiederzugeben ist: „die ich bestellt habe zu weiden mein Volk, Israel". Die Handschriftenüberlieferung ist einheitlich, trotzdem wird eine Änderung in "tscö vorgeschlagen. 63 Dazu kann auf die Parallele I Chr 17,6 rekurriert werden, die den entsprechenden Terminus bietet, wenngleich hier die Handschriften zwischen *DQU> und differieren. Die Änderung in II Sam 7,7 ergibt sich auf Grund der weitgehenden Identifizierung der „Stämme Israels" mit dem „Volk Israel". Diese Änderung wäre dann gerechtfertigt, wenn es in der Textüberlieferung dafür Anhaltspunkte gäbe oder zumindest in I Chr 17,6 eine einheitliche Textbezeugung vorläge, die nicht als Erleichterung der Vorlage angesehen werden könnte. Da "ΌΟώ die einfachere Lesart ist, wenngleich - das bedarf auch einer Berücksichtigung - von einer Weideaufgabe der Richter im AT sonst nie die Rede ist, und außerdem die Verbindung ΐ>ΧΊύΡ -DDÜ nur in I Chr 17,6 und Num 25,5 belegt ist,64 wäre überdies zu fordern, den Nachweis der Sinnlosigkeit von -οηώ zu führen. Da ontz) aber nicht nur Stamm, sondern auch Stab bedeuten kann, ist ein solcher Nachweis nicht zu erbringen. Aber auch wenn eou) nur Stamm bedeuten würde, also der Begriff nicht auf eine auch in II Sam 5,1 möglicherweise bezeugte Führergruppe in Israel anwendbar wäre, 65 könnte man sich

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Ders.: ebd. H. Schweizer: Literarkritik S. 24 A.2; vgl. ähnlich N. Rabe: Textkritik S. 7 9 - 8 1 . H. Schweizer: Literarkritik S. 24 A.2. S. L. Rost: Überlieferung S. 70f; M. Görg: Zelt S. 91; T. Veijola: Verheißung S. 64 mit A.26; vgl. BHK. Vgl. P. de Robert: Juges S. 117. Vgl. II Sam 5,3 "^ρτ. Gegen die Ursprünglichkeit von II Sam 5,If gegenüber V. 3 wird häufig vorgebracht, diese Version sei „historisch schwer vorstellbar" (so T. Veijola: Dynastie S. 64), was natürlich literarkritisch kaum ein Argument sein kann. Zum Problem s. aber auch H.W. Hertzberg: Samuelbücher S. 218, nach dem in V. 1 „von aktiven und verantwortungsbewußten Männern aus den Stämmen" gehandelt sein soll.

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IV. Die literarkritische Methode

immer noch vorstellen, daß der auf 03tt> folgende Relativsatz sekundär zugewachsen ist und so die Verwirrung ausgelöst hat, die sich freilich in der Textüberlieferung nicht niedergeschlagen hat. Indem hier eine Textkorrektur vorgenommen wird, wird der Text lediglich dem eigenen Empfinden angepaßt.66 Bei der syntaktischen Erklärung, die zur Emendation führt, wird zudem für die Verbindung bxiür •'tntö "rrrx immer ein Genetivus partitivus vorausgesetzt, der auch wie folgt paraphrasiert werden könnte: bxntiT heau)D inx oaa). Notwendig ist das nicht. Wie I Sam 26,15 Dvn inx zeigt, könnte auch folgende Paraphrasierung zutreffen: bxnur 'Dattto inx td^x. Dann bezöge sich der Relativsatz nicht auf einen „Stamm", sondern auf „einen aus den Stämmen Israels", und die angeblich sinnlose Aussage würde doch Sinn machen. 67 Da diese syntaktische Erklärung von einer ungewöhnlicheren Konstruktion ausgeht, würde sich zweierlei erklären, nämlich 1.) warum der Chr in 'BOtt) verlesen hat; weil er nämlich nach dem Naheliegenderen "ΕΟώ τπχ als τπχ καώ verstanden hat; und 2.) warum I Reg 8,14-21, ein Stück, das offensichtlich von II Sam 7 abhängig ist, eine Aussage zur Erwählung der Stämme macht, was wohl bedeutet, daß er Taaώ in II Sam 7 vorgefunden hatte. 68 2.) Zum Problem der Wiederherstellung verderbter Verspartien und der Annahme von Glossen II Sam 7,23: II Sam 7,23 ist im MT offensichtlich verderbt. Die verschiedenen Textzeugen können zwar zu einem Teil eine Verbesserung erbringen,69 sind aber ebenso wenig wie MT gänzlich ohne Härten. Die Forschung hat sich nun weitgehend auf folgende

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Es sei ausdrücklich auf den einen Wandel der Betrachtungsweise anzeigenden Unterschied zwischen BHK und BHS bei diesem Problem hingewiesen. Auf der Linie von BHK liegen auch sub voce Bau) G.-B.17 S. 801 und KBL S. 941; zum Problem s. auch HAL IV S. 1293 und die dort angegebene Lit. Vgl. dazu den Hinweis von P. de Robert [Juges S. 117 A.4] auf die Bible du Rabbinat fran^ais: „un seul homme entre les tribus d'Israel". I Reg 8,14-21, eine Ansprache Salomos an das Volk anläßlich der Tempeleinweihung, die dtr Gestaltung zuzusprechen sein wird (s. M. Noth: Könige I S. 173f; vgl. E. Würthwein: Könige I S. 95 - 97), greift auf ein Wort Jahwes an David zurück, das in II Sam 7 seinen Ursprungsort zu haben scheint (s. M. Noth: Könige I S. 183). Wenn II Sam 7 den Hintergrund bildet für die Erwählung Davids (V. 16b - II Sam 7,8b), für das Erwägen Davids, Gott ein Haus zu bauen (aairDV V. 17f - II Sam 7,13; V. 19ba - II Sam 7,12), dann wird man auch vermuten dürfen, daß II Sam 7 für I Reg 8,16a Pate gestanden hat: Wie in II Sam 7,6 wird - terminologisch verschieden, aber inhaltlich übereinstimmend - auf die Herausführung aus Ägypten verwiesen. Wie in II Sam 7,7 ist von den Stämmen Israels die Rede, anders als in II Sam 7,7 wird aber festgestellt, daß Jahwe keine Stadt aus allen Stämmen Israels (ί>χ-ιδτ -BatS !>aD T3>a) erwählt habe, ein Haus zu bauen, damit sein Name dort sei. Ist es angesichts der Bezugnahme von II Reg 8,14-21 auf II Sam 7 nicht denkbar, daß in 8,16a eine Interpretation von II Sam 7,6f vorliegt? - Für die Abhängigkeit in dieser Richtung spricht die entwickeltere Vorstellung in I Reg: die Verbindung der Erwählung Davids mit der Erwählung Jerusalems sowie der Bau eines Hauses nicht für Jahwe, sondern für seinen Namen. M.E. ist es nicht ausgeschlossen, daß der Verfasser von I Reg 8,14-21 II Sam 7,7b schon nicht richtig verstehen, sondern als eine Anspielung auf die besondere Erwählung Jerusalems aus den Städten des Stämmegebiets Israel interpretieren wollte. So wird T-^xb mit LXX und I Chr 17,21 in ttfub zu ändern sein.

2. Das Verhältnis von Textkritik und Literakritik

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Emendation geeinigt:70 Ditobi 05>b rrnsb ηττί>χ ii>n utfx γ-ιχη inx - n bxiür -pys -Di vrrbxi - u my "md tf-iab m x i m mV« QH^ rntovbi nu) Mit dieser Emendation ergibt der Text zwar einen guten Sinn, es fragt sich aber, wie und wann die textliche Verwirrung unter den wesentlichen Textzeugen eingetreten ist. Das Punctum saliens scheint der in der Emendation getilgte Relativsatz •"•nsDD m s ίκ)χ zu sein. Diesen Relativsatz wird man wohl kaum für einen Abschreibefehler halten können. Entweder ist er also sekundär eingedrungen, dann muß er literarkritisch behandelt werden, denn die wesentlichen Textzeugen und auch I Chr 17,2171 weisen ihn auf, oder aber in der einfachen Einheit vorgelegen haben. Und auch wenn man die Textzeugen synchron sichert und beschreibt, wird dieser Relativsatz außerhalb jeglicher textkritischer Diskussion stehen bleiben. Indem hier emendiert wird, wird also ein literarkritisches Problem umgangen und der Text, ohne die Möglichkeiten exegetischer Kritik auszuschöpfen, beschönigt, obwohl es nötig wäre zu fragen, ob der Rückfall in die 2. Pers., der durch den in der Textüberlieferung einheitlichen Relativsatz bezeugt ist, nicht vielleicht in der Übereilung des Verfassers des Verses begründet ist. Es wäre ja durchaus nicht abwegig, daß er den Vergleich in V. 23 nicht stilistisch streng durchgehalten hat. Wenn aber doch, muß man diesen Relativsatz mit einer redaktionellen Tätigkeit in Verbindung bringen, deren Terminus ad quem vor I Chr 17,21 liegt. In beiden Fällen sind die Unterschiede in der Textbezeugung vor allem durch die Anstößigkeit verursacht, die der Wechsel von zu erwartender 3. Pers. Sing, zur 2. Pers. Sing, im den Abschreibern vorliegenden Text provoziert hat. Damit wird die Textverderbtheit, die sich in den verschiedenen Zeugen niederschlägt, begründet. Wenn man stattdessen ohne Rücksicht auf die Textlage einen „sinnvollen" Zusammenhang konstruiert, wird dagegen nichts erklärt, sondern nur der Text einem ästhetischen Vorurteil angepaßt, dem selbst der „kanonisierte Text" als ehemaliges Ziel der Textkritik auf keinen Fall genügt hat. Mit der Billigung der Unterscheidung nach D a t e n k l a s s e n im Sinne H.J. Stipps ist natürlich noch nicht restlos geklärt, ob Textkritik und Literarkritik auch, was ihre Kriterien betrifft, auseinanderzuhalten sind, und was in einer textkritischen Entscheidung an Kenntnis des Textes vorauszusetz e n ist. W. Richter hat bekanntlich die Textkritik in sein Konzept der Literaturwissenschaft des A T nicht a u f g e n o m m e n , sondern sie mitsamt der Konjekturalkritik als die d e n G e g e n s t a n d der Literaturwissenschaft herstell e n d e A u f g a b e bezeichnet, die er „unter d e m N a m e n .Philologie' unter die vorbereitenden Arbeiten" eingereiht wissen w o l l t e . 7 2 N a c h d e m D a r g e l e g t e n ergibt sich die Problematik gerade hinsichtlich der Konjekturalkritik v o n selbst. A b e r noch weitere Fragen stellen sich: Läßt sich zwischen der Textkritik als philologischer M e t h o d e und d e n im e n g e r e n Sinne exegetischen M e t h o d e n in dieser W e i s e differenzieren? Ist in d i e s e m Sinne nicht auch die Literarkritik, die d e n G e g e n s t a n d der

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Text nach M. Görg: Gott-König-Reden S. 212 (mit Lit.). Τ. Willi [Chronik S. 117] rechnet hier mit einer verderbten Vorlage des Chr. S. W. Richter: Exegese S. 20; vgl. auch K. Koch: Formgeschichte; zum Ganzen s. H.J. Stipp: Verhältnis S. 17.

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IV. Die literarkritische Methode

Literaturwissenschaft in seiner geschichtlichen Entwicklung herstellt, Vorarbeit? Welches Verständnis des Textes muß schließlich schon erarbeitet sein, um eine textkritische Entscheidung fällen zu können? Wenn in der Textkritik der Versuch unternommen wird, verschiedene Lesarten zu einer Textstelle diachron in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen, bedarf es doch offensichtlich an diesen Stellen einer Untersuchung, wie sie E. Würthwein und unter den Nachfolgern z.B. H. Barth/ O.H. Steck vorgeschlagen haben. Eine solche lexikalische, metrisch-stilistische und grammatikalische Überprüfung scheint aber nun weit in die Ebenen der Literaturwissenschaft des AT vorzustoßen. So ist etwa neben metrischen Gründen die Sinnlosigkeit einer Aussage Anlaß für eine Konjektur. Der Sinn einer Aussage ist aber keine Sache des Ausdrucks allein, sondern auch des Inhalts. Damit wird aber der Literaturwissenschaft weit vorgegriffen. Müßte nicht, um eine textkritische Entscheidung unter differierenden Textzeugen herbeizuführen, deren Ausdrucks- und Inhaltsseite untersucht sein? Aber selbst bei Konjekturen metri causa 73 wird das, was bei W. Richter Analyse der ornamentalen Form heißt,74 in weiten Teilen schon vorauszusetzen sein. Bei dem Vergleich unterschiedlicher Lesarten im Rahmen einer Textkritik, die sich nicht auf Deskripition beschränkt, sondern Entscheidungen zu fällen versucht, treten gemäß der Vielfalt der Phänomene verschiedene Gesichtspunkte und Kriterien in Kraft, darunter auch literarkritische, gerade für den Spezialfall, daß verschiedene Lesarten unterschiedlichen Umfang aufweisen. Beispielsweise verdient es Beachtung, daß in I Chr 17,1 II Sam 7,1b fehlt. Was bedeutet dies angesichts der Tatsache, daß die Textüberlieferung für II Sam 7,1b einheitlich ist? Verweist das Fehlen auf eine redaktionelle Kürzung durch den Chr oder darauf, daß in I Chr 17 ein gegenüber II Sam 7,1 ursprünglicher Text belegt ist?75 - Weil der Chr recht frei mit dem ihm vorgegebenen Text II Sam 7 umgeht, ohne freilich den Aufbau seiner Vorlage zu verändern, ist die Annahme, daß das Fehlen von II Sam 7,1b auf einen älteren

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Dies gilt auch, wenn man dieses Argument nicht mehr wie früher allein als ausschlaggebend betrachtet. Eine stützende Funktion in Textkritik und Literarkritik wird man ihm nicht gänzlich absprechen können. S. W. Richter: Exegese S. 80 - 82. Das folgende Beispiel, das eigentlich streng genommen kein textkritisches Exempel darstellt, da I/II Chr im Verhältnis zu I/II Sam nicht als Textzeuge im strengen Sinne einer Handschrift zu werten ist, wird deshalb gewählt, weil I/II Chr als früher Zeuge für den Vorgang von Textüberlieferung betrachtet werden kann, der noch keine sklavische Treue gegenüber der ihm vorliegenden Überlieferung aufweist, gleichviel aber den Aufbau seiner Quellen weithin unverändert läßt. Bei der synchronen Sicherung der Daten der Textüberlieferung von II Sam 7 dürfte I Chr 17 nicht auszuschließen sein, es sei denn, man beschränkt sich wie etwa H. Schweizer auf Handschriften zu einer Stelle.

2. Das Verhältnis von Textkritik und Literakritik

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Text zurückverweist, unwahrscheinlich. Gegen diese Annahme spricht ferner, daß ein Grund für eine mögliche Eliminierung durch den Chr angegeben werden kann: Die Aussage von II Sam 7,1b fügt sich nicht in den übergreifenden Zusammenhang weder hinsichtlich II Sam 8 noch I Chr 18 ein. Daß Jahwe David Ruhe von allen seinen Feinden gegeben hat, paßt generell nicht in die Vorstellung von Davids Regierung. So wird die Verstrickung Davids in kriegerische Auseinandersetzungen in I Reg 5,17 (dtr) als Grund angegeben, daß erst Salomo den Tempelbau in Angriff nehmen konnte, dem Jahwe - und hier findet sich auch die sog. Ruheformel aus II Sam 7,1b in wenig verkürzter Form - ringsum Ruhe gegeben hatte. Der Chr hat diese Rechtfertigung des Tempelbaus durch Salomo und damit die Entlastung Davids aus der Erzählung zu den Vorbereitungen zum Tempelbau (II Chr 1,18-2,17) herausgenommen, I Chr 22 integriert und ausgestaltet. Die Anstößigkeit, daß David nicht den Tempel gebaut hat, führt beim Chr dazu, David die wesentlichen Vorbereitungen für den Bau treffen zu lassen. Daß David nur (aber fast alle) Vorbereitungen trifft, wird mit einem Wort Jahwes an David begründet, das dieser seinem Sohn weitergibt: Danach hat Jahwe David den Tempelbau verboten wegen des vielen Blutes, das er vergossen hat, und der schweren Kriege, die er geführt hat. Erst Salomo, der Mann der Ruhe - hier findet sich wiederum die Ruheformel - wird das Haus für Jahwe bauen. In bezug auf II Sam 7,1b ist es von Bedeutung, daß I Chr 22 im folgenden I Chr 17 bzw. II Sam 7 hinsichtlich der Nachkommenverheißung aufgreift. Ist damit ein Bezug zu dieser Stelle hergestellt, läßt sich annehmen, daß der Chr bewußt auf II Sam 7,1b verzichtet hat. Es paßt weder in den näheren Kontext, noch in seine Auffassung von David als Mann des Krieges und Salomo als Mann des Friedens hinein. Es ergibt sich damit aus diesen Erwägungen mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß das Fehlen von II Sam 7,1b in I Chr 17,1 als redaktionelle Verkürzung anzusehen ist.76

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Vgl. hierzu T. Willi: Chronik S. 143. Diese Folgerungen sollten in Übertragung auch bei der Literarkritik von II Sam 7 nicht unberücksichtigt bleiben. Vielfach wird in jüngerer Zeit V. lb ausgeschieden, obwohl es m.E. keine hinreichenden literarkritischen Kriterien gibt (s. M. Görg: Zelt S. 87; T. Veijola: Dynastie S. 72.77; R. Bickert: Geschichte S. 18). Die Doppelung von "|t>Dn in V. la und V. 2a im verbleibenden Text spricht sogar gegen eine Ausscheidung. Weist man V. lb überdies einer dtr Bearbeitungsschicht zu, ist man auskunftspflichtig: Weiß DtrN - wie bei T. Veijola - nicht, daß im folgenden Kap., das ihm schon vorgelegen haben soll, von Davids Kriegen gehandelt wird? Gehört nicht I Reg 5 diesem Nomisten an? (s. E. Würthwein: Könige I S. 51-57) Ist DtrN in diesem Fall auf den Einzeltext fixiert, wo es ihm sonst um die Globalsicht geht? - Wenn es zutrifft, daß V. lb weder in den näheren Kontext noch in eine dtr Konzeption paßt, dürfte es angebracht sein, die Zugehörigkeit von V. lb zu einer Redaktionsschicht zu überdenken. Damit stellt sich auch die Frage, ob die Exklusivität, mit der die Ruheformel im dtr Schrifttum angesiedelt wird, zu halten ist. II Sam 7,1-7 läßt sich wohl generell kaum mit der dtr Auffassung vom Tempelbau in Stimmung bringen. Das kategorische Nein Jahwes zum Tempel, das aus der Geschichte Jahwes mit seinem Volk begründet wird (V. 6.7), ist im DtrG sonst nicht belegt und paßt auch nicht in dessen Konzeption, in der die Existenz des Tempels göttlich legitimiert ist und allein latent die Frage auftaucht, warum erst Salomo und nicht David das Haus für den Herrn gebaut hat.

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IV. Die literarkritische Methode

In der Frage nach den Kriterien für die textkritische Entscheidung ist dann auch eine Anfrage an H.-J. Stipp zu stellen, inwiefern nämlich sich die Untersuchungsweisen von Textkritik und Literarkritik unterscheiden. Wenn Textkritik Daten der Textüberlieferung analysiert, Literarkritik aber solche der Textbeschaffenheit, sind scheinbar die relevanten Phänomene der beiden Methoden getrennt. Eine Analyse der Daten der Textüberlieferung schließt aber eine Analyse der jeweiligen Textbeschaffenheit ein, soll die Analyse zu einer Entscheidung führen und nicht nur gegebene Daten beschreiben. Trifft dies zu, bedeutet das für das Verhältnis der beiden methodischen Schritte, daß sie doch ineinander greifen und eine Interdependenz zwischen Textkritik und Literarkritik besteht. Literarkritik kann dann nicht einfach auf der Grundlage der textkritischen Ergebnisse aufbauen, sondern führt möglicherweise auch zu deren Revision. So kann sich eine angeblich sinnlose Aussage, die textkritisch auf Grund divergierender Textzeugen korrigiert wurde, als lectio difficilior erweisen, wenn der Kontext dieser Aussage als literarisch sekundär zu bewerten ist. Diese Erwägungen gelten auch mit Einschränkung gegen N. Rabe 77 , der in Anschluß an H. Schweizer eine Nähe zwischen der von ihm dargestellten synchronen Textkritik und der Literarkritik erkennt, „insofern beide als Hauptkriterium das der Lesbarkeit des zu interpretierenden Textes anwenden." (S. 86f) So sieht er auch eine gewisse „Gefahr, literarkritische Indizien durch textkritische Operationen zu eliminieren" (S. 87). Wie diese Gefahr auszuschließen ist, wird trotz der diesbezüglichen Erwägungen N. Rabes nicht deutlich: Wenn Textkritik einen lesbaren Text anstrebt und dabei von einem gegebenen Textzusammenhang ausgeht, wird deutliche Unlesbarkeit des Textzusammenhangs durch Textänderungen ausgeschaltet. Wenn Literarkritik aber „die orthographische und lexikalisch-grammatische Verstehbarkeit des Untersuchungstextes nicht mehr behandelt, sondern voraussetzt" (ebd.), hat dies zur Folge, daß literarkritisch relevante Textbefunde durch die Textkritik nivelliert werden können, ohne daß diese Beseitigung noch einmal in Augenschein genommen werden könnte. Denn wenngleich die Literarkritik gegenüber der Textkritik großräumigere Beobachtungen tätigt, ändert dies nichts daran, daß Brüche nicht nur zwischen Versen, sondern auch in Versen und Sätzen gefunden werden und damit in einem Bereich, in dem die Textkritik um Lesbarkeit bemüht ist.

Trifft dies zu, erweist es sich nicht nur für die „Diskussion mit der Sekundärliteratur [...] als hilfreich, die literarkritischen Auswirkungen ihrer Textänderungsvorschläge zu bedenken" 78 , sondern ist auch zu fordern, daß die Textänderungen in der Literarkritik bewußt rezipiert und auf ihre Bedeutung für die Scheidung hin beurteilt werden. Diese Forderung gilt kaum dort, wo sich typische Abschreibefehler ausmachen lassen, jedoch in den Fällen, in denen eine offensichtliche Textverwirrung vorliegt, und zwar

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S. hierzu und zum Folgenden N. Rabe: Textkritik. N. Rabe: Textkritik S. 88.

2. Das Verhältnis von Textkritik und Literakritik

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nicht nur in einer Handschrift, sondern auch in den unterschiedlichen Textzeugen. Gerade in solchen Problembereichen dürfte das Interdependenz-Modell alttestamentlicher Methoden nicht zu umgehen sein.

3. Zum Verhältnis von Literarkritik und Redaktionskritik Das Problem der Ausweisbarkeit geschichtlichen Textwachstums stellt sich der heutigen Forschung stärker denn je. Es geht dabei vor allem um das Verhältnis von Literarkritik und Redaktionskritik. Ging nämlich die alte Literarkritik zu einer Bewertung redaktioneller Arbeit hin, in der die Redaktoren und Sammler der Bücher vornehmlich als mehr oder minder mechanisch verfahrende Kompilatoren oder auch - bei Eingriffen in Texte - als Glossatoren angesehen wurden, so hat die die Eigenart solcher Arbeit in Blick nehmende Methode der Redaktionskritik diese Grundannahme weithin falsifiziert. Eine solche Falsifikation war freilich nur deshalb möglich, weil die redaktionskritische Analyse nicht ohne Auswirkung auf die literarkritische Scheidung blieb. Nicht ein die Methoden klar abgrenzendes Schema, in dem der Literarkritik die Funktion zukommt, den Text in die Bausteine aufzuteilen, die durch die nachfolgenden Schritte, abgeschlossen von der Redaktionskritik, zu einem genetisch verstandenen Bau zusammengefügt werden, 79 steht dabei im Hintergrund, sondern vielmehr ein Interdependenz-Modell, das Literarkritik und Redaktionskritik in einer gewissen Wechselbeziehung vorstellt. 80 Die Gegner eines solchen Modells haben anscheinend leichtes Spiel, können sie sich doch auf die literarkritischen Kriterien berufen, die gerade in ihrer Beschränkung auf die Kategorie des Literarischen eine positive Bewertung redaktioneller Arbeit weithin ausschließen. Dann muß die Literarkritik vor einer solchen Vorstellung der Redaktionsgeschichte „ihre Waffen strecken" 81 , natürlich - das ist hinzuzusetzen - die Art von Literarkritik, die vorausgesetzt wird, in der nämlich Tendenzen eines Textes oder Textstückes und Ergebnisse der Horizontuntersuchung ebensowenig eine Rolle spielen wie geschichtsbezogene Kriterien. 82

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S. E. Zenger: Beispiel S. 108f. S. O. Kaiser: Exegese, S.27f; O.H. Steck: Exegese, S. 18f. Noch stärker verbindet L. Schmidt: Art. Literarkritik S. 211 die beiden Methoden. S.E. schließt Literarkritik Analyse und Synthese ein. Die Redaktionsgeschichte wird damit in die Literarkritik aufgenommen. A.R. Müller: Text S. 59 in seiner Kritik an P. Weimar. Für Beispiele von daraus resultierenden Scheingefechten in der exegetischen Diskussion s. unten die Darstellung der literarkritischen Entscheidungen S. 123-198.

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IV. Die literarkritische Methode

In dieser Frage geht es um die grundlegenden Prämissen jeglicher Literarkritik und Redaktionskritik, die schon in der Darstellung H. Schweizers literarkritischer Konzeption artikuliert wurden: 83 Handelt es sich bei redaktionellen Erweiterungen um unsensible Eingriffe, die entsprechend ohne Probleme ausweisbar sind, oder kann man den Redaktoren alttestamentlicher Schriften auch schöpferische Eigenständigkeit und übergreifende theologische Konzeptionen zutrauen? Und wenn man letzteres bejaht, ist hinsichtlich des Bildes vom Redaktor mit H. Schweizer weiterzufragen: „Kann man ihm eine große literarische Eigenständigkeit einerseits, eine absolute Treue gegenüber der Tradition andererseits zubilligen?" 84 Kann die Forschung auf ein solches Bild der Redaktoren verzichten, und wenn nicht, kann dann Literarkritik überhaupt die einfache Einheit im Sinne eines ursprünglichen Textes erreichen? Diese Fragen lassen sich ohne große Schwierigkeiten beantworten: Es ist ein zu überwindendes Vorurteil, nur von unsensiblen Eingriffen der Redaktoren seinen Ausgang nehmen zu wollen. Zwar wird man sie pauschal als „vorkritische Schriftexegeten" 85 zu charakterisieren haben, in welcher Bezeichnung ein Quantum an negativer Einschätzung aus der Perspektive des kritischen Wissenschaftlers mitschwingt, aber als „Schriftexegeten" kommt ihnen auch eine positive Bewertung zu: Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß den Redaktoren die Überlieferung der Schriften zu verdanken ist. Als Schreiber gehören sie überdies der geistigen Elite ihrer Zeit an, welche kaum mehr als das unaufgeklärte Kindesalter der Menschheit apostrophiert werden kann. Deren Auffassung als unsensible „Glossatoren" steht überdies in Widerspruch zu den späten Texten, die vielfach als Eigenschöpfungen solcher Redaktoren oder Redaktorenschulen zu identifizieren sind. Nur von Inkohärenzen, von „stümperhaften" Anschlüssen, Wiederholungen und Spannungen auf niedrigster Textverständnis-Ebene auszugehen, muß sich von daher verbieten. Andererseits ergibt sich aus diesem Vorverständnis, daß man den Redaktoren kaum in jedem Fall eine absolute Treue gegenüber der ihnen vorliegenden Tradition zuerkennen kann. 86 Man hat demzufolge grundsätzlich zu der Annahme 83 84 85

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S. oben S. 52. H. Schweizer: Literarkritik S. 29 A.15. S. H. Donner: Redaktor S. 26. Einseitig ist freilich auch die Definition E. Nielsens [Oral Tradition S. 102f], nach dem Redaktoren sich um die Harmonisierung der ihnen vorliegenden Überlieferungen bemüht haben sollen. Am ehesten dürfte Eigenständigkeit und Treue für die dtr Redaktion von I/II Reg anzunehmen sein, zumindest legte sich dies nach den Analysen von A. Jepsen [Quellen] und M. Noth [Überlieferungsgeschichtliche Studien] durchaus nahe, und ist durch die redaktionskritischen Studien, nicht zuletzt E. Würthweins [Könige I 4- II], vielfach bestätigt worden. Inwieweit das Veto C. Hardmeiers, nach dem die Quellenkritik auch die Redaktionskritiker zunehmend betriebsblind machen soll, zu einer Veränderung der

3. Zum Verhältnis von Literarkritik und Redaktionskritik

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Anlaß, daß Texte oder Textstücke, die durch eine Redaktion gegangen sind, auch in ihrem Wortlaut nicht rein beibehalten worden sind. Diese Annahme ist je nach Schrift und Literaturgenre unterschiedlich in der Praxis anzusetzen und auch je nach Redaktor zu differenzieren.87 So dürften in poetischen Texten die Veränderungen im Wortlaut kaum eine Rolle spielen, da die Bindung an den Rhythmus solche Eingriffe erschwert. Bei Gedichten verdient deshalb die Hypothese von Erweiterungen an deren Ende und Randglossen durchaus kritisches Zutrauen, zumindest insofern, als sich eine solche rhythmische Struktur unbeschadet der Fragen eines metrischen Systems zweifelsfrei nachweisen läßt. In der Prosa hingegen scheint den Veränderungen im Wortlaut durch einen Redaktor kaum eine Grenze gesetzt zu sein. Trotzdem bietet jedes Buch Anhaltspunkte für eine solche mutmaßliche Grenze. Trifft es nämlich beispielsweise zu, daß ein oder mehrere Redaktoren ihnen vorliegende Quellen im Pentateuch zusammengearbeitet haben, zeigt sich an der Art der Zusammenstellung, die aus unserer Sicht eklatante Widersprüche in Kauf nimmt, daß diese Redaktoren nicht frei mit ihren Vorlagen umzugehen in der Lage waren. Ein Textstück wie die Sintflutgeschichte, als zusammengesetzte Einheit verstanden, bezeugt die Treue des Redaktors seiner Tradition gegenüber. Es handelt sich dort offensichtlich nicht um eine interpretierende Nacherzählung, sondern um weitgehende Konservierung der Vorlagen, denen demzufolge für den Redaktor schon eine erhebliche Autorität zukam.88 Daß es aber auch eine andere Art von Redaktion gibt, darüber erlaubt die Chronik in ihrem Verhältnis zum Samuel- und zum Königsbuch einen Einblick. Unbeschadet textkritischer Fragen und Entscheidungen lassen sich beispielsweise zwischen II Sam 7 und I Chr 17 erhebliche Unterschiede im Wortlaut erheben, obwohl der Aufbau von II Sam 7 in I Chr 17 mit Ausnahme von vier Wortumstellungen (V. 5b.13a.20c.26d) völlig unverändert bleibt. Während mit V. lb.14c.22a.23e.28b nur fünf Sätze ausgelassen werden, ist die Auslassung von einzelnen Nomina, Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen mit 27 Belegen recht hoch. Diesen stehen nur neun, vorwiegend unwesentliche Erweiterungen gegenüber.

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Beurteilung führen wird, läßt sich noch nicht abschätzen (s. C. Hardmeier: Prophetie S. 16, zu einer ersten Kritik s. die Rez. von H.-J. Stipp). Offensichtlich geht es aber auch bei C. Hardmeier nicht um die Quellenkritik schlechthin, sondern um die bestimmte Spielart, die von der Quelle auf den Geschichtsablauf schließt. Zum Wechselverhältnis von Literarkritik und Gegenstand s. schon A. Jepsen: Quellen S. 105, der für das Königsbuch die Methode der Quellenscheidung für gerechtfertigt hält, zumal hier Quellen vorauszusetzen sind, die den Redaktoren schriftlich vorlagen. „Es ist aber nicht ohne weiteres sicher, daß sie auch auf die anderen Schriften, besonders den Pentateuch übertragen werden kann." Mit der Frage der Autorität wird nicht unterstellt, daß der Redaktor seine Vorlagen selbst für widersprüchlich hielt. Vielmehr dürfte H. Donner [Redaktor S. 28] im Recht sein: Der Redaktor „meinte tatsächlich, J und Ρ berichteten dasselbe mit verschiedenen Worten, und zwar nicht nur generell, sondern auch im Detail. Das aber bedeutet, dass R P auf dem Wege zu einer Textbetrachtung war, wie sie später im Zeichen des klassischen qualitativen Kanonbegriffs völlig normal und geläufig gewesen ist. Heilige, kanonische Schriften sind harmonisch".

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IV. Die literarkritische Methode

Noch häufiger als die Auslassung ist die Veränderung des Wortlautes gegenüber II Sam 7 MT gegeben: Sie betrifft an 24 Stellen terminologische Unterschiede, an 13 Stellen ganze Sätze, an vier Stellen das Pronomen und an neun Stellen Konjunktionen und Präpositionen. Wenngleich einige dieser Modifikationen auf textkritischem Wege einer Lösung zugeführt werden können, bleiben die Unterschiede zwischen II Sam 7 und I Chr 17 doch erheblich. Diese Veränderungen weisen auf eine stilistische Angleichung des vorgegebenen Textes an den Stil des Chr hin, die nicht nur oberflächlich bleibt, etwa hinsichtlich der Verwendung bestimmter Konjunktionen und der Vermeidung der Verdoppelung von Präpositionen, sondern auch in die Terminologie und damit in den Inhalt reicht.89 Dabei wird man einige Veränderungen aus einem spezifischen Interesse des Redaktors, des Chr im Verhältnis zu II Sam 7, erklären können. Macht man unter der Voraussetzung, daß der Chr II Sam 7 MT vor sich hatte, die Probe, ob man literarkritisch die Vorlage des Chr erstellen kann, ist das Negativergebnis schon vor Eintritt in eine Analyse vorauszusetzen. Vielfach mag es sich dabei um periphere Veränderungen handeln, die den Sinn der Vorlage nicht entstellen, um sog. leichte Überarbeitungen, aber schon eine literarkritische Analyse des Vokabulars nach seiner zeitlichen Schichtung wird auf Grund der veränderten Terminologie zu Fehlentscheidungen führen. Daß der Chr vielfach die Gottesbezeichnungen bzw. -namen ändert, schließt diese als sonst mögliches Kriterium aus. Darüber hinaus sind die Auslassungen, die beispielsweise für V. lb zu einem kohärenten Makrotext führen, gerade weil sie der Kohärenz in I Chr 17 dienen, nicht literarkritisch aufweisbar. Hinzu kommen interpretatorische Veränderungen: Wäre die Vorlage des Chr verloren, so wäre es auch um den ICXl svn aus II Sam 7,16 geschehen: "|i33 rrn" -|XD3 t ^ n^ur-ry "imiwoi "irP3 iDX3i wird in I Chr 17,14 wie folgt wiedergegeben: Dbisny -p3i rrrr worn o^iym» 'msbDai TP33 irrrnDyrn. Nicht nur, daß die Verheißung von David auf Salomo übergegangen ist, es ist auch nicht mehr vom Haus und Königtum Davids die Rede, sondern von dem Jahwes.90 Daß gerade hier die Voraussetzung , II Sam 7 MT sei Vorlage für I Chr 17 gewesen, kaum von der Hand zu weisen ist, läßt sich wohl religionsgeschichtlich absichern: Die Verheißung einer ewigen Dynastie, eines 10X1 ΓΡ3, hat die Geschichte Lügen gestraft. Wird schon in der Krise der Exilsbewältigung vom Verfasser von Ps 89, gesetzt den Fall, er ist wirklich von II Sam 7 abhängig,91 dieser Begriff vermieden und in V. 5 die Verheißung

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S. J. Becker: Chronik I S. 75; zum Grundproblem S. 5f; zu einigen Details T. Willi: Chronik S. 84-91. G. Fohrer [Einleitung S. 264] spricht dagegen von großer Treue des Chr seinen Quellen gegenüber: „Die geringfügigen formalen Abweichungen beruhen darauf, daß er sie der Sprache und dem Stil seiner Zeit angepaßt, unverständliche Stellen geändert oder weggelassen und gelegentlich erklärende oder ergänzende Bemerkungen hinzugefügt hat." Das dürfte kaum alles sein (s. dazu T. Willi: Chronik S. 67f, der die Auslegung des Chr in 9 Kategorien beschreibt). Ein weiteres Problem besteht in der Textform, in der I/II Sam und I/II Reg dem Chr vorlag, „ob die biblischen Vorlagen in ihrer kanonischen oder einer erweiterten Form, als Midrasch [...] zur Verfügung standen." (O. Kaiser: Einleitung5 S. 187). Nimmt man eine solche auslegende Nacherzählung an, ist das Problem lediglich um eine Stufe versetzt, eine Unbekannte eingeführt, für die man nämliche „redaktionelle" Tätigkeit postulieren müßte.

90

Vgl. T. Willi: Chronik S. 130f. S. T. Veijola: Verheißung S. 60 - 62; s. aber E.-J. Waschke: Verhältnis S. 168-170.

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3. Zum Verhältnis von Literarkritik und Redaktionskritik

83

offensichtlich unscheinbar statt auf den ΓΓ3 auf den J>"iT bezogen,92 hat man also davon auszugehen, daß II Sam 7,16 schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ohne weiteres rezipierbar war, so führt der Schluß nicht zu weit, daß der Chr die Verheißung hat völlig fallen lassen. Unbeschadet einer Messiasvorstellung des Chr ist die Vorstellung eines ewigen Hauses mit der des Messias trotz aller königsideologischen Züge in der exilisch-nachexilischen Zeit offenbar nicht kompatibel.93 Was das Problem der Literarkritik in ihrem Verhältnis zur Redaktionskritik betrifft, läßt sich am Beispiel von II Sam 7 und I Chr 17 zeigen, daß die Literarkritik bei einem solchen Redaktor wie dem Chr tatsächlich die Waffen strecken muß. Wo man die Vorlagen nicht hat, wird man sie literarkritisch nicht erheben können. In einem solchen Fall hat man sich mit der Auskunft zufriedenzugeben, daß dem Verfasser Quellen vorlagen und er diese in einer Weise verändert hat, die sein Werk als ein Gebundenes aus Altem und Neuem erscheinen läßt, das nicht mehr auseinanderzudividieren ist. Mit dieser Annahme wird gleichzeitig in einem auf I/II Chr begrenzten Umfang der Hypothese der nordischen Schule94 das Wort geredet, die die Verschriftung mündlicher Überlieferung im Exil und danach zum Grundmodell erhebt und so zur Erkenntnis kommt, daß alle Schriften gleichzeitig vorexilisch und nachexilisch seien, freilich mit der doppelten Einschränkung, daß dem Chr eine schriftliche Quelle vorlag, und daß eine redaktionelle Tätigkeit, wie sie für den Chr auszumachen ist, nicht den Regelfall, sondern einen konkreten Fall alttestamentlicher Überlieferung darstellt. A l l e i n dieses Beispiel zeigt an, wie wenig begründet die Forderung ist, die textinterne Literarkritik auf alle Bücher des A T anzuwenden, wie unzureichend e i n e allein textinterne Betrachtungsweise ist und w e l c h e Problematik e i n starres M e t h o d e n s c h e m a in sich birgt. D a s Postulat einer kohärenten e i n f a c h e n Einheit als Ziel der Literarkritik bleibt o h n e redaktionskritische Absicherung im Bereich des Willkürlichen und ist wirklichkeitsfremd. D e m g e g e n ü b e r ist die Forderung zu erheben, literarkritische Auffälligkeiten und B e o b a c h t u n g e n unter Beachtung redaktioneller Möglichkeiten zu b e d e n k e n und zu beurteilen, d.h. textinterne Erhebungen in d e n größeren Z u s a m m e n h a n g e i n e s Buches zu stellen. Mit dieser Forderung ist auch die quellentheoretische Betrachtungsweise prinzipiell legitimiert. 9 5 Z w i s c h e n Analyse und Synthese läßt sich in der exegetischen Praxis nur zuungunsten der Textnähe ein G r a b e n legen. D i e Systemvorstellung als grundlegende Synthese liegt jeder Analyse voraus, die Analyse mag

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93

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EÜ bietet: „Deinem Haus gebe ich auf ewig Bestand". Es ist mir nicht ersichtlich, wie es zu einer solchen Interpretation angesichts der klaren Textlage kommen kann, solange man sich bei einer Übersetzung an das Bedeutungsfeld der entsprechenden Termini hält. Dies spricht auch gegen die von T. Veijola [Dynastie S. 75f; vgl. Verheißung S. 62-65] dargelegte Ansicht, V. 16 sei von DtrG ( = DtrH) geschaffen (s. unten S. 167f). S. I. Engneil: Aspects; Ε. Nielsen: Oral Tradition S. 39-62; vgl. aber auch schon für den Pentateuch J. Pedersen: Auffassung S. 179. Eine ganz andere Frage ist, ob sie auch beispielsweise am Pentateuch funktioniert.

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IV. Die literarkritische Methode

sie ad absurdum führen, eine erneute Analyse bedarf trotzdem wesentlich einer geänderten Systemvorstellung. Insofern bedarf es umgehend einer Ergänzung des die Literarkritik legitimierenden „Schulbeispiels", wie es etwa F. Huber, bewußt überziehend, präsentiert. 96 Es mag in der Tat Texte und Textstücke geben, die mutatis mutandis den Eindruck eines Schüleraufsatzes machen, in dessen Text die an den Rand geschriebenen Lehrerkorrekturen geraten sind. Solche literarkritisch relevanten Phänomene wird man zu einem Teil immer dort annehmen können, wo man mit Treue der Redaktoren gegenüber ihrer Tradition rechnen kann wie möglicherweise im Pentateuch, vor allem aber bei sog. „amtlichen" Quellen sowie in der traditionsbindenden Poesie, in der die Annahme von Randglossen durchaus Sinn macht. Gerade indem Disparates zusammengefügt ist, läßt es sich recht einfach nachweisen.97 Betrifft dies einen Teil alttestamentlichen Schrifttums, so wird man in anderen Fällen ein anderes „Schulbeispiel" anzusetzen haben, etwa das eines Hausaufsatzes eines Schülers, der von der Mutter korrigiert und verbessert wurde. Woran vermag ein korrigierender Lehrer zu erkennen, daß ein solcher Aufsatz nicht ohne fremde Hilfe zustande gekommen ist? - Sicherlich nicht, weil er bestimmte Unvollkommenheiten feststellt, sondern wohl deshalb, weil er eine gewisse Erwartung mit dem Aufsatz des ihm bekannten Schülers verbindet, die durchkreuzt wird, sei dies auf Argumentationsweise, Terminologie oder Stilistik bezogen. Vorauszusetzen ist dabei ein Wissen des Lehrers um die sprachlich-argumentativen Möglichkeiten des betreffenden Schülers. In diesem Sinne scheint auch die Echtheitsfrage in der Literarkritik den ihr zustehenden Ort zu haben, aber auch die Möglichkeit zu bestehen, angesichts eines Informationsdefizites die literarkritische Fragestellung zu suspendieren. Erst eine solche Veränderung der Prämissen literarkritischer und redaktionskritischer Untersuchung kann zu einer Umbewertung redaktioneller Tätigkeit führen. Es genügt kaum, nach der Anwendung der traditionellen literarkritischen Kriterien die Forderung zu erheben, die Bearbeitungen nicht mehr als „sekundär" im abwertenden Sinne zu apostrophieren, sondern sie als Neuinterpretationen zu bewerten.98 In diesem Falle

96 97

98

S. F. Huber: Literarkritik S. 46. S. Segert [Methode S. 618] spricht von „historischen Aufzeichnungen formelhafter Art, Listen u. ä., die ihrer Art gemäß ausschliesslich oder überwiegend schriftlich erhalten wurden", schreibt aber auch der mündlichen Überlieferungsweise hohe Zuverlässigkeit zu, die er „für Prophetenworte, poetische Stücke, Weisheitssprüche, Erzählungen u. ä." betont. Allein bei den Erzählungen wird man dies pauschal kaum behaupten können. S. O.H. Steck: Exegese S. 81; bes. F. Stolz [Altes Testament S. 36-42, bes. S. 42], bei dem es den Anschein hat, als müsse man das Kind „Ergänzung" nur anders taufen, um von einer Stümperei zum Prädikat „theologisch wertvoll" zu gelangen.

3. Zum Verhältnis von Literarkritik und Redaktionskritik

85

kommt es zu einer paradoxen Betrachtungsweise, in der die Erweiterungen erst als Störungen eines Textstückes aufgewiesen und dann als positiv zu beurteilende Fortschreibungen aufgefaßt werden. Kann eine solche Vorgehensweise noch sinnvoll begründet werden, wenn geschichtsbezogene Kriterien zur Anwendung kommen, so nicht dort, wo das sprachliche Kunstwerk Vorgabe literarkritischer Analyse ist. Da nämlich Form und Inhalt im literarischen Schaffen in der Weise zusammenspielen, daß man für einen bestimmten Inhalt eine adäquate Form erwartet und umgekehrt, wird man auch, wenn eine Erweiterung störend aus dem Rahmen der Vorlage herausfällt, kaum einen „wertvollen" Inhalt erwarten. Man mag dem Redaktor eine lobenswerte Intention unterstellen, er bleibt ein Stümper. Das bedeutet, daß die Erwartung einer bestimmten Redaktion schon die literarkritische Scheidung lenken muß. Eine Erwartung scheint nun freilich eine höchst willkürliche Angelegenheit zu sein und sie ist es in der Tat, wenn sie als apriorische Entscheidung an einem Buch bestätigt wird. Doch gibt es auch hier Indizien im Buch, die eine solche Erwartung hegen lassen, und darüber hinaus das Regulativ der Textbearbeitung, das dann in Wirkung ist, wenn man annehmen darf, daß das Vorverständnis im Verlaufe einer Textbearbeitung aufs Spiel gesetzt wird und jedesmal in der Möglichkeit seiner Modifikation steht. Die Zufälligkeit, die in der Wahl des Ansatzes besteht und damit den Anschein der Willkür und Subjektivität erweckt, ergibt also, der Literarkritik der Echtheitskriterien vergleichbar, ebenfalls einen sog. Zirkel, der nur zuungunsten einer ebenso willkürlichen Setzung des Ansatzes ausgeschaltet werden kann. Indem bei einer solchen Setzung mögliche Wirklichkeit redaktioneller Bearbeitung auf einen kleinen Bereich wissenschaftlich erfaßbarer Wirklichkeit eingeschränkt wird, sind auch nur Ergebnisse zu erwarten, die relativ zu diesem Ausschnitt möglicher Wirklichkeit redaktioneller Tätigkeit sind." Diese Reduktionentsprichteinemnaturwissenschaftlich-experimentellen Versuchsaufbau, der sicherlich in bestimmtem Sinne höchst wissenschaftlich, aber kaum mehr geisteswissenschaftlich ist. Indem die Regeln des Textwachstums den empirisch-epistemologischen Möglichkeiten, solche zu erkennen, angepaßt werden, wird Wirklichkeit konstruiert. Konstruierte Wirklichkeit

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S. H. Schweizer: Literarkritik S. 29 A.15: Redaktionen, die literarische Eigenständigkeit und demgemäß keine absolute Treue gegenüber der Tradition aufweisen, lassen sich mit den herkömmlichen literarkritischen Kriterien nicht nachweisen. Die Konsequenz lautet: Also werden solche Redaktionen auch nicht gesucht. Darf man dann aber Literarkritik als Methode jeder Textbearbeitung voraussetzen oder müßte man nicht erst fragen, ob in einem bestimmten Buch eine traditionstreue Redaktion oder eigenständige Redaktion tätig war, um die Literarkritik zu legitimieren? Indem Literarkritik zur Methode jeder Textbearbeitung erhoben ist, ist die Erwartung traditionstreuer Redaktionen Grundgesetz alttestamentlicher Literargeschichte.

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IV. Die literarkritische Methode

ist aber ein Konstrukt von Wirklichkeit, im Falle eines geschichtlichen Gegenstandes wie der alttestamentlichen Schriften ein Konstrukt von Geschichte. 4. Zur Kriterienfrage und Verfahrensweise Sehe ich es richtig, vollzieht sich die Textanalyse klassischer Literarkritik immer nur eingespannt zwischen den Polen eigener Analyse und forschungsgeschichtlicher Bedingung. Sie ist empirische Analyse, in dem sie sich auf den zu bearbeitenden Text bezieht, ist aber zugleich von der Synthese geleitet. Nicht nur die Theorie, die Art und Weise der Beobachtung des Textes, daß nämlich Literarkritik überhaupt betrieben wird, und welche Kriterien Anwendung finden, entnimmt der Exeget der aktuellen Forschung, womit auch eigene Überlegungen gemeint sind, die sich in Auseinandersetzung mit der Forschung ergeben haben, sondern auch prinzipielle Einsichten vom Werden des Alten Testaments sowie z.T. sogar sehr spezielle Einsichten der Einleitungswissenschaft zu dem Buch, in dem sich der zu bearbeitende Text befindet. Damit steht die literarkritische Analyse eines Textes in einer Spannung, die methodologisch nicht aufzulösen ist, wohl aber in Einzeluntersuchungen zu einem bestimmten Pol hin tendieren kann, ohne daß dies methodisch zu verwerfen wäre. Da nämlich die die Literarkritik einzelner Texte betreffenden Erkenntnisse der Einleitungswissenschaft Summen literarkritischer Analysen sind, die selbst von bestimmten Synthesen geleitet waren, und damit zumeist keine gesicherten Erkenntnisse, sondern lediglich Hypothesen darstellen, bleibt die Überprüfung der Richtigkeit weiterhin Aufgabe. Wird aber die Hypothese bei der literarkritischen Analyse nicht nur vorausgesetzt, sondern auch überprüft, und zeigt sich dabei, daß im wesentlichen nur die Hypothese die literarkritische Scheidung herbeiführt, kann dies bei der Einzeluntersuchung dazu führen, daß die Hypothese zugunsten der Textlage preisgegeben wird. Diese Preisgabe bezieht sich sowohl auf die Anwendung der Kriterien als auch auf das durch die Forschung vermittelte Hintergrundwissen. 100 Das erste betrifft sowohl die Anwendung oder Unterlassung bestimmter Kriterien am Einzeltext, z.B.

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Natürlich ist die Frage W.H. Schmidts [Plädoyer S.2] richtig und berechtigt: „Werden nicht einerseits begründete Einsichten der älteren Forschung zu leicht aufgegeben, andererseits Einzelbeobachtungen zu rasch verallgemeinert und zu weitgespannten Folgerungen ausgebaut, die durch andere, längst bekannte Beobachtungen unwahrscheinlich werden?" Jedoch bleibt zu beachten, daß sich diese Erscheinungen offensichtlich in der aktuellen Forschung häufen (s. dazu z.B. U. Struppe: Einführung S. 12), und zu konstatieren, daß sie sich offensichtlich mitunter auch der Verunsicherung um die besagten längst bekannten Beobachtungen verdanken.

4. Zur Kriterienfrage und Verfahrensweise

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des Echtheits- bzw. Verfasserkriteriums, als auch die Beurteilung eines Textbefundes als Kriterium, z.B. eines syntaktischen Bruchs als Indiz für ein Textwachstum. Das zweite, das mit dem ersten einhergehen kann, stellt ein nicht zu leugnendes Problem dar. Indem die durch die Forschung vermittelte Hypothese suspendiert wird, tritt der Text in eine Vereinzelung, die zwar durch eine andere schon bestehende Hypothese abgedeckt sein kann, aber nicht muß. Ist letzteres der Fall, handelt es sich in gewissem Sinne um eine Verabsolutierung des Einzeltextes. Weil sie nicht durch eine entsprechende Hypothese unterbaut ist, kommt ihr nicht der Status quasi gesicherter Erkenntnis zu, sondern verbindet sich mit ihr lediglich eine Erwartung, die als Ausgangspunkt für die Bearbeitung weiterer Texte dienen und zur Etablierung einer neuen Hypothese führen kann. Dabei steht bei jeder neuen Textbearbeitung diese Hypothese wiederum auf dem Spiel. Demgegenüber scheint in der textinternen Literarkritik die Spannung zwischen Analyse und Synthese aufgelöst und „echte" Analyse ermöglicht zu sein. Es zeigt sich aber, daß dies nur deshalb so erscheint, weil die Synthese in die Prämissen verlegt wird. Ist die Scheidung klassischer Literarkritik unter Hypothese offensichtlich als vorläufig zu bewerten, macht sie häufig den Eindruck, am Text „vorbei zu schneiden", schaukelt sich die textinterne Literarkritik nur deshalb auf die Meinung größerer Textnähe ein, weil sie tatsächlich nur analysiert, nachdem sie ihre Hypothesen in der Theorie verankert hat. Darüber hinaus bleibt es aber ohnehin beim Problem der Beurteilung von Beobachtungen. Bei der literarkritischen Analyse handelt es sich demgemäß nicht um einen einzigen analytischen Arbeitsgang, in dem unter Zugrundelegung eines Kriterienkatalogs Beobachtungen zum Thema „literarkritische Auffälligkeit" gemacht werden. Eine solche Analyse geht zwar sinnvoll weiteren Überlegungen zur Textgenese voraus, aber wie sie selbst nicht von forschungsbedingten Voraussetzungen völlig absehen kann, ist auch bei der literarkritischen Entscheidungsfindung auf vermitteltes Expertenwissen nicht zu verzichten. Manche Beobachtung kann am Einzeltext gar nicht als literarkritische Auffälligkeit bewertet werden, wo nicht parallele Beobachtungen an anderen Texten hinzugezogen werden, andererseits können Beobachtungen gemacht werden, die keinerlei literarkritische Relevanz haben, stellt man sie in einen größeren Zusammenhang. 101

101

Ganz banales Beispiel für die erste Möglichkeit ist die Differenz der Gottesnamen und Gottesbezeichnungen im Pentateuch. Daß diese in bestimmten Büchern des AT literarkritisch auffällig sind, muß man wissen, im widrigen Fall nimmt man deren Wechsel zwar wahr, wertet ihn aber für sich sicherlich nicht als literarkritisches Kriterium. Die zweite Möglichkeit besteht z.B. dann, wenn man eine Differenz im Numerus zwischen Subjekt und Prädikat in einem Satz entdeckt. Ohne grammatikalische Vor-

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IV. Die literarkritische Methode

Freilich kann solches Expertenwissen als beharrende Größe auch die literarkritische Analyse behindern und damit andere mögliche Perspektiven ausschließen. So geht es in der Analyse auch um einen Ausgleich zwischen der Textvernachlässigung durch die Bindung an Vorwissen und der Verabsolutierung des Einzeltextes durch die Betonung der Texteigenheit. Gerade die Notwendigkeit des Ausgleiches läßt sich an den Echtheitskriterien genauso wie an den Lesestörungen illustrieren: Nimmt im Verlaufe der Forschung durch die Schärfung der Kritik und Häufung der Beobachtungen die Zahl der Echtheitskriterien an einem Text zu, und basiert in bestimmten Passagen die Scheidung lediglich auf solchen Argumenten, ist mit der Beschneidung in der Literarkritik auch eine Textvernachlässigung insofern gegeben, als Textpassagen monokausal einer bestimmten Hypothese zuliebe geopfert werden. Auch die Scheidung auf Grund einer Lesestörung kann ohne weiteres auf einer Textvernachlässigung beruhen: Eine Lesestörung steht nicht im Text, vielmehr handelt es sich um eine Störung, die der Leser realisiert. Ist aber der Leser für den Text nicht entsprechend disponiert, vermag er auf Grund von Lesestörungen Scheidungen vorzunehmen, die nach weiterer Entwicklung seiner Beobachtungsgabe hinfällig werden, weil mit dem Lernprozeß sich eine Änderung der Auffassung dessen ergibt, was eine Lesestörung ausmacht. Die mangelnde Disposition führt dazu, daß nicht der Text, sondern die Art und Weise, wie man Texte zu lesen pflegt, zur bestimmenden Norm wird. Anders herum kann trotz entsprechender Disposition eine literarkritische Entscheidung vorgenommen werden, die eine Textvernachlässigung darstellt. Denn der Voraussetzung, die zur Scheidung führt, „gelungene Kommunikation" muß der Verfasser des Textes keineswegs notwendig entsprochen haben.

Solche Schablonen der Textanschauung sind nicht auszuschließen, und doch können sie in der literarkritischen Analyse am Einzeltext beurteilt werden und zu neuen Versuchen führen. Eine solche Neubewertung ist immer angreifbar, weil sie nicht alle Folgen, die sie für den Text und andere Texte aufwirft, bedenken kann. Trotzdem kann die Forschung neben prinzipieller Ablehnung auf solche Neubewertungen reagieren, können andere Forscher versuchen, sie in das alte System einzubauen, oder nach Annahme dieser Neubewertung am Neubau weiterarbeiten. Auf diesem Wege kann es schrittweise zu einer Änderung der Bewertung von Beobachtungen in der Literarkritik alttestamentlicher Texte kommen. Die Beobachtungen, soweit sie sich auf die Oberflächenstruktur des Textes beziehen, bleiben wohl im wesentlichen gleich und ändern sich auch nur unmerklich durch geänderte wissenschaftliche Terminologie, die Beurteilung von Beobachtungen aber ist einem Wandel unterworfen und so auch die literarkritische Scheidung von Texten als Beurteilung von Texten als geschichtlich gewachsenen Größen. Im wesentlichen bleibt lediglich der Konsonantenbestand gleich, die Textanschauung ändert sich

kenntnis könnte dies als literarkritische Auffälligkeit gewertet und mit der Erweiterung des Subjekts gerechnet werden.

4. Zur Kriterienfrage und Verfahrensweise

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und verweist auf die Unabgeschlossenheit, damit aber auch Zukunft der alttestamentlichen Exegese. Ist aber die Literarkritik nicht abgeschlossen, gilt dies ebenso folgerichtig für das historische Verständnis von Texten, das eben entwicklungsfähig ist und damit keineswegs objektiv: Die historische Wahrheit (die Wahrheit der Literarkritik eingeschlossen) erschließt sich 10? aproximativ. Das Problem des Verhältnisses von Beobachtung und Beurteilung läßt sich besonders deutlich an den beiden „klassischen" literarkritischen Kriterien, den „störenden Wiederholungen" und „unvereinbaren Spannungen" in der Terminologie und Konzeption F. Hubers nachweisen: Finden sich in der Texteinheit „unvereinbare Spannungen und/oder störende Wiederholungen" 103 , ist sie „uneinheitlich". Eine Wiederholung ist aber, so F. Huber weiter, „nicht störend, wenn sie als Stilmittel verwendet ist" 104 . Die Beobachtung ist die der Wiederholung, sei sie nun formal oder inhaltlich bestimmt. Die Beurteilung als literarkritisches Kriterium ist dagegen Ergebnis einer Abwägung: Ist die Wiederholung stilistisch bedingt, entspricht sie dem Charakter des Textes, oder ist sie Indiz für Uneinheitlichkeit und damit „störend"? Mit Stil und Textcharakter wird auf Erkenntnisse abgehoben, die erst in der sprachlichen Analyse bzw. der Formgeschichte zu ermitteln sind, und die je nach vorausgesetzter Texttheorie differieren durften. Zudem wird mit dem Postulat, eine Wiederholung sei nicht störend, wenn sie stilistisch bedingt ist, vorausgesetzt, daß die einfache Einheit stilistisch einwandfrei war. Die Etikettierung „störende Wiederholung" ist insofern eine von Prämissen abhängige Beurteilung. Weil sich aber diese Prämissen ändern können, ist auch die Beurteilung relativ. Unvereinbare Spannungen sind nach F. Huber inhaltliche Widersprüche, unterschiedliche Terminologie und syntaktische Spannungen. Die Beispiele zu den beiden ersten Kriterien sind an das Kriterium der störenden Wiederholung gebunden. Demnach verursacht ein inhaltlicher Widerspruch oder unterschiedliche Terminologie im Verein mit einer formalen bzw. inhaltlichen Wiederholung unvereinbare Spannungen. Jedoch geben die Beispiele tatsächlich keinen Anhaltspunkt für unvereinbare Spannungen, sondern nur für störende Wiederholungen. Formale - im weiten Sinne, nicht ausdrucksformale - oder inhaltliche Wiederholungen stören dann, wenn sich damit andere Indizien wie nämlich inhaltliche Widersprüche oder unterschiedliche Terminologie einstellen. Für sich genommen sind diese Indizien bei den Beispielen F. Hubers, die inhaltliche Verschiedenheit der Aufträge in Gen 6f und der Unterschied zwischen Gen 6,22 „Elohim" und 7,5 ,Jahwe", dagegen keine unvereinbare Spannungen.105 Für die syntaktische Spannung führt F. Huber Am 3,lf an: „Arnos fordert also in v. la die Israeliten auf, das Wort zu hören, das Jahwe gegen sie geredet hat. In v. 2 folgt dann dieses Wort. Eine Spannung besteht zwischen v. la und v. Ib. In v. la redet Arnos von Jahwe in der 3. Person, in v. lb redet Jahwe in der 1. Person. In v. la sind die Israeliten im

102

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S. O. Kaiser: Einleitung5 S. 10 unter Zitierung C.H. Ratschows [Jesus Christus (Handbuch Systematischer Theologie 5), Gütersloh 1982, S. 249], F. Huber: Literarkritik S. 49; zum Folgenden S. 49 - 53. Ders.: Literarkritik S. 51. S. dazu das ausgeklügelte Beschränkungssystem bei O.H. Steck: Exegese S. 53 - 56.

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IV. Die literarkritische Methode

Vokativ angeredet, in v. l b wird von den Israeliten in der 3. Person geredet. Am 3,lf. ist also nicht einheitlich."106 Eine syntaktische Spannung liegt vor. Die Beurteilung als unvereinbare Spannung allein auf Grund des Subjektwechsels ist aber relativ. Es wird dabei vorausgesetzt, daß eine solche Formulierung literarisch unmöglich ist. Das setzt die Annahmen eines guten Schriftstellers als des Verfassers der Grundschicht und eines stümpernden Redaktoren voraus. Die Beobachtung dürfte, solange man auf die Syntax blickt, bestehen bleiben, während die Beurteilung allein auf Grund einer Verbform durchaus wandelbar erscheint.107 Bedenkt man die Bedeutung der angegebenen Kriterien, zeigt es sich, daß die Beobachtungen keineswegs von der Hand zu weisen sind. Vielleicht wird aber in der literarkritischen Analyse vielfach zu unvermittelt von der Feststellung der Beobachtung zur literarkritischen Scheidung übergegangen und dabei die Frage des Indizienwerts übersprungen, so daß sich „Brüche und Spannungen" als ein Teil der „groben und stumpfen Werkzeuge der Literarkritik" 108 erweisen. Wenn man aber nach der Relevanz dieser Beobachtungen fragt, dürfte es durchaus möglich sein, „die Werkzeuge zu schärfen", denn in dieser Fragestellung können formgeschichtliche, linguistische und texttheoretische Erkenntnisse eine Rolle spielen und den Entscheidungsprozess beeinflussen. Dies gilt gerade auch für die Entscheidungen über die stilistische Möglichkeit einer Wiederholung, über ihre Funktion für die Progression eines Textes, ebenso aber auch über andere „dunkle" Textphänomene, die ehemals und noch mitunter für literarkritische Indizien angesehen wurden und werden, heute aber als „Nullstellen" oder „blinde Motive" in ihrer Bedeutung für den Text erhellt werden. 109

Nach diesen Ausführungen versteht es sich von selbst, daß sich die Bedeutung der Kriterien immer aus der Bearbeitung eines bestimmten Gegenstandes der Analyse ergibt. Die sog. „klassischen" Kriterien stehen dabei außerhalb jeglicher Diskussion. Eine empirische Bestandsaufnahme unter Anwendung dieser Kriterien ist zwar zu fordern, ihr Wert kann aber durchaus nur ein heuristischer sein. Neben diese Kriterien können andere treten: Im Prophetenbuch das Echtheitskriterium im weitesten Sinne (anzunehmender Verfasser/Buchredaktion), das freilich eher stützende denn ausschlaggebende Funktion haben sollte. Hierher gehört das sprachgeschichtlich zu klassifizierende und damit signifikante Vokabular wie auch religionsgeschichtlich einzuordnende Motive, ebenso aber tendenzkritische Beobachtungen,110 genausogut Formeln und Wendungen, die sich auf bestimmte Redaktoren-Schulen zurückführen lassen. 111 Treten 106

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F. Huber: Literarkritik S. 53. Ich sehe übrigens nicht, daß in V. l b von den Israeliten in der 3. Pers. geredet wird. Einheitlich wird Am 3,1 etwa von J. Wellhausen [Kleine Propheten S. 75] und (aus jüngerer Zeit) von J. Vermeylen [Prophete II S. 543f] beurteilt. C. Hardmeier: Prophetie S. 18. S. dazu F. Schickiberger: Literarkritik S. 69 A.18; vgl. S. 71. S. O. Kaiser: Literarkritik S. 58-62. 67. Vgl. K. Koch: Profeten II S. 192.

4. Zur Kriterienfrage und Verfahrensweise

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solche Beobachtungen mit den klassischen Kriterien zusammen, läßt sich das Ergebnis deutlicher absichern. Selbst formkritische und formgeschichtliche Kriterien können bei der literarkritischen Entscheidungsfindung unterstützend mitwirken, wenn z.B. eine offensichtliche Differenz im Metrum eines Stückes besteht, was freilich zumeist nur im Unterschied von metrischer Struktur zur Prosa zu sichern ist, wenn Abschnitte, in denen sich konkrete Lexeme in Häufung ausmachen lassen, anderen gegenüber stehen, die von Abstrakt-Lexemen durchherrscht sind, 112 selbst dann, wenn sich bestimmte syntaktisch-grammatikalische Auffälligkeiten über die syntaktischen Spannungen hinaus aufweisen lassen. Formgeschichtliche Kriterien können sich z.B. aus der gattungsgeschichtlichen Einordnung eines Stückes oder der Unmöglichkeit einer solchen Einordnung ergeben. Zeigen sich in einer Textpassage, in der schon Auffälligkeiten wahrzunehmen waren, auch Anomalien, wenn versucht wird, den Text als Gattungsexemplar anzusprechen, könnte dies auch ein Indiz für eine Erweiterung sein. Bedeutung für die literarkritische Scheidung haben so am Einzeltext ausweisbare Kriterien genauso wie Kriterien, die auf geschichtliche Phänomene im weiten Sinne hinweisen. Die Analyse nimmt ihren Ausgang sinnvoll am Text und den daran aufweisbaren Phänomenen, sammelt formal-inhaltliche Auffälligkeiten, vergewissert sich über das Vokabular, Wendungen und Motive, um diese Beobachtungen in einem zweiten Schritt mit der Forschung zu konfrontieren. Die sich daraus ergebenden Indizien für die literarkritische Scheidung und Ortung des Textes bilden einen ersten Entwurf aus, der im folgenden überprüft wird: Welche Kriterien greifen bei der Scheidung, sind sie hinreichend, ergeben sich weitere Spannungen in der Grundschicht, bestehen Oppositionen in den Erweiterungen, wie viele Schichten sind zu ermitteln? Zur Überprüfung ist eine Prüfung, wie H. Schweizer nach vorgängiger Aufteilung des Textes in Äußerungseinheiten vorsieht, durchaus sinnvoll. 113 Ergeben sich solche Oppositionen, kann dies auch wieder zu einer Revision des Ergebnisses führen und einen neuen Entwurf bilden lassen. Zeigt sich beispielsweise, daß lediglich die Voraussetzung der „Echtheit" einige literarkritische Scheidungen leitete, kann diese Voraussetzung fallengelassen werden, was durchaus auch Folgen für die Bewertung der Beobachtungen haben kann, etwa eine Verschiebung der Oppositionen, die Veränderung der Bewertung des sprachgeschichtlich zu klassifizierenden Vokabulars etc. Hat man einen Verfasser anzunehmen, der folgerichtig

112 113

S. W. Richter: Exegese S. 60; vgl. O.H. Steck: Exegese S. 53. S. H. Schweizer: Literarkritik S.32-35; vgl. zur Kohärenzprüfung das Modell von W.H. Schmidt: Plädoyer S. 2.

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IV. Die literarkritische Methode

Inhalte präsentiert oder einen Schriftsteller, der vielerlei, auch mündlich auf ihn gekommenes, zusammenträgt? Ist eine Grundschicht zu erheben, die inhaltlich abgerundet ist, oder eine Einheit musivischen Charakters zu postulieren? Die literarkritische Scheidung gewinnt sich so aus Konvergenzentscheidungen. Spielen damit verschiedene Methoden zusammen, ergibt sich eine umständlichere Verfahrensweise für die Exegese, die zwar auch von einem methodischen Schritt zum nächsten vorgeht, aber diese Schritte mehrfach durchläuft, in einem ersten Durchgang möglicherweise nur Beobachtungen sammelt, um diese in den weiteren Durchgängen entwerfend einer Lösung und damit Entscheidungen entgegen zu führen. Wird somit die Interdependenz der methodischen Schritte gewahrt, stellt sich allem Anschein nach das Problem der Methodenvermengung. Dieses Problem ist gegenstandslos, wenn Literarkritik als Methode breiter angesetzt wird, in gewisser Weise also in ihre ursprüngliche Bedeutung „Kritik des Literarischen" zurückgeführt wird. Die Kriterien der Literarkritik sind eine Auswahl von Antworten auf die Frage, woran sich zeigt, daß ein Text oder Textstück nicht von ein und demselben Verfasser in ein und demselben Gestaltungsakt konzipiert wurde. Diese Antworten sind in ihrer Zahl prinzipiell unbegrenzt und in ihrer Herkunft aus einer bestimmten methodischen Betrachtungsweise nicht festzulegen. So ist es durchaus möglich, daß bei einer Analyse nur textinterne Kriterien zum Zuge kommen, generell läßt sich aber nicht ausschließen, daß das Textwachstum auch geschichtlich aufweisbar ist. Im folgenden wird aufzuzeigen sein, daß dieses Programm überhaupt nicht neuartig ist, sondern nur reflektiert, was in einer literarkritischen Scheidung in der Forschung schon seit jeher mit hinein spielt. Der einzige „Rückschritt" besteht in der Zulassung geschichtsbezogener Kriterien.

2. Kapitel Jesaja 7,1-17

I. Einführung und Problemstellung Wer sich mit Jes 7,1 - 1 7 1 gerade heute noch beschäftigen will, sieht sich vor eine grundlegende Frage gestellt: Ist es überhaupt sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, diesem Text im ganzen oder in Details ein neues Verständnis abzuringen, gerade diesem Text, der in vielfältiger Hinsicht zentral ist2 und entsprechend oft interpretiert wurde? - Und ein neues Verständnis wird doch erwartet, zumindest aber die Enthüllung einer in Vergessenheit geratenen Ansicht.3 Eine wissenschaftliche Untersuchung hat sich zu rechtfertigen, und eine solche Rechtfertigung besteht darin, daß man eine neue Linie, einen unentdeckten Bezug, eine „bessere" literarkritische oder formgeschichtliche Analyse u.s.f. präsentiert und auf diese Weise der Wissenschaft zu ihrem Fortschritt verhilft.4

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Diese neutrale Bezeichnung wird bewußt gewählt, um inhaltliche Vorentscheide auszuschließen. Gerade Titulierungen wie „Immanuel-Verheißung" bergen ein Problem. Damit wird der Schwerpunkt deutlich auf V. 14b gelegt. So man nicht an der inhaltlichen Bestimmung „Verheißung" Anstoß nimmt, könnte man diese Bezeichnung besser auf die eigentliche Ankündigung in V. 14b-17* anwenden. Auch J J . Stamms Bezeichnung „Immanuel-Perikope" [s. den gleichnamigen Aufsatz] scheint in dieser Beziehung wenig gelungen. Von der Bedeutung für Christentum, Kirche und Theologie durch die Übernahme von V. 14b in Mt 1,23 abgesehen (s. dazu die unterschiedlichen Auffassungen von A.M. Dubarle: Conception; J.B. Payne: Questions; J.T. Willis: Meaning S. 14-17) hat Jes 7,1 -17* im Bereich des AT seinen festen Platz u.a. in den Darstellungen zur Geschichte Israels, in Untersuchungen zur Restvorstellung, zum Glaubensbegriff, zum Verhältnis Prophetie und Königtum, zum Messianismus, zur Zionstheologie, in Abhandlungen zu den Fragen nach dem prophetischen Mahnwort, nach prophetischen Zeichenankündigungen und Zeichenhandlungen, vor allem aber in Studien zum Problem der jesajanischen Verkündigung. Gerade hierfür kommt dem Text ob seiner Stellung in der „Denkschrift" direkt hinter dem Verstockungsauftrag basale Bedeutung zu. So G. Rice: Neglected Interpretation; vgl. ders.: Interpretation. S. unter diesem Aspekt die Ausführungen von F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 27. Auch für die heutige Situation der Forschung hinsichtlich Jes 7,1 -17* und das sich darin spiegelnde Verständnis des Exegeten gilt freilich, was K. Budde schon im Vorwort zu seiner Geschichte der althebräischen Litteratur [S. IX] über den Zustand der Exegese ausführte: „Die übergroße Liebe, die gar zu eifrige Anteilnahme, die diesem Schrifttum zuteil geworden, ist nachgerade in eine Zweifelsucht umgeschlagen, der nichts mehr als sicher, alles als möglich erscheint, und jeder feine Kopf macht sich selbst zum Fundament eines ganz neuen Baues aus den alten Stoffen."

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I. Einführung und Problemstellung

Auch der Verfasser der vorliegenden Untersuchung unternimmt einen solchen Versuch, freilich so vorsichtig, wie es heute in der Beschäftigung mit Jes 7,1 -17* üblich geworden ist. Die Vielfalt der Meinungen zu dieser schon nach M. Buber „wohl umstrittensten Bibelstelle"5, vor der selbst der auf Vollständigkeit zielende H. Wildberger kapitulieren mußte, 6 gebietet eine gewisse Zurückhaltung bei der Präsentation neuer Auffassungen, die sich in den jüngsten, vornehmlich deutschsprachigen Veröffentlichungen häufig schon im Titel oder Untertitel dokumentiert, wo mit „Notizen", „Randbemerkungen", „Anmerkungen" und ähnlichem7 eine gewisse Beschränkung der Reichweite der erzielten Ergebnisse angedeutet zu sein scheint, die sich in Veröffentlichungen vor 1970 kaum aufweisen läßt,8 so es dort nicht nur um Aufsätze zu Details geht.9 Diese Zurückhaltung drückt sich aber auch in den Prolegomena der Exegeten zu ihren Abhandlungen aus, in denen häufig, wie auch in der vorliegenden Studie, M. Buber und/oder H. Wildberger zitiert werden, auf die Unmengen von vergossenem Schweiß einer Unzahl von Exegeten hingewiesen wird,10 um dann der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dem großartigen Bau noch einen kleinen Stein (den „Eckstein"?) einpassen oder gar den gesamten Bau kräftig einreißen zu können. 11 Sie verdankt sich wohl auch der Einsicht, daß die Vielfalt der Ergebnisse kaum mehr hintergehbar ist, zumal sie sich mit als Konsequenz verschiedener Beobachtungspositionen erweist. Damit dürfte sie auch ein Zeichen für Verunsicherung sein, Ausdruck der oben artikulierten Krisenerfahrung alttestamentlicher Wissenschaft.12 Zumindest so viel wird man aus der Betrachtung der literarkritischen Analysen für Jes 7,1-17 schließen dürfen: Der Dissenz literarkritischer Entscheidungen hinsichtlich Jes 7,1-17 läßt sich nicht allein auf Grund verschiedener inhaltlicher Voraussetzungen, d.h. theologischer Prämissen, religionsgeschichtlichen Hintergrundwissens, Konzeptionen jesajanischer Verkündigung etc., verstehen, sondern weist auf verschiedene Konzeptionen der Methode hin. Das bedeutet, daß der Exeget nicht nur zu entscheiden hat, welche Methode er anwendet und 5 6 7

8 9 10 11

12

M. Buber: Glaube S. 177; vgl. E. Bouzon: Mensagem S. 826. S. H. Wildberger: Jesaja I S. 262. S. R. Bartelmus: Stilprinzip; P. Höffken: Notizen; F.D. Hubmann: Randbemerkungen; H. Irsigler: Zeichen; vgl. G. del Olmo Lete: Profecia; W. Werner: Prophetenwort; C. Dohmen: Verstockungsvollzug. S. L.G. Rignell: Immanuelzeichen; J.J. Scullion: Approach. S. T.C. Vriezen: Notizen; N.E. Wagner: Note. So G. Fohrer: Zehn Jahre Literatur S. 69; zit. von R. Bartelmus: Stilprinzip S. 50. S. R. Bartelmus: Stilprinzip S. 51; E. Bouzon: Mensagem S. 826; C. Dohmen: Verstokkungsvollzug S. 37; E. Haag: Immanuelzeichen S. 3. F.D. Hubmann [Randbemerkungen S. 27] spricht vom Weiterbauen an der Spitze des Forschungsberges. S. dazu oben S. 7f; vgl. O. Kaiser: Literarkritik S. 56.

I. Einführung und Problemstellung

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wie er die von ihm angewandten Methoden zusammenspielen läßt, sondern auch, wie er eine bestimmte Methode anwendet. Und gerade die Unterschiede der Art und Weise, wie die Methode von ihren Kriterien her konzipiert wird, bewirken im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Voraussetzungen das disparate Bild der Literarkritik, das die Exegese hinsichtlich Jes 7,1-17 bietet. Insofern kann ich mir die Auffassung von R. Bartelmus nicht zueigen machen: „Daß und wieweit ein enger Zusammenhang zwischen den theologischen Prämissen und z.B. literarkritischen Entscheidungen besteht, ließe sich anhand der folgenden, auf einer relativ zufälligen Auswahl unterschiedlicher Positionen basierenden Liste unschwer aufzeigen, soll hier jedoch nicht näher untersucht werden. [...] Abgesehen von v. 17b, der durch seine asyntaktische Einfügung als Glosse zu erkennen ist, läßt sich offenbar kein Textelement mit wirklich zwingenden Gründen als sekundäre Einfügung aufweisen, sonst könnten die Ergebnisse nicht so divergieren; die literarkritischen Thesen basieren offenbar auf Vorentscheidungen über das Verständnis des Textes" 13 . Der monolaterale Bezug von theologischer Prämisse und Methode bei R. Bartelmus simplifiziert die Problematik. Darüber hinaus läßt sich das Postulat „wirklich zwingender Gründe" für die Ausscheidung, die hinsichtlich V. 17b als asyntaktischer (sie!) Einfügung gegeben sein sollen, wohl auch nicht so leicht einlösen, wie R. Bartelmus dies zu vermuten scheint. Ist Übereinstimmung der Forschung Kriterium dafür, daß eine Ausscheidung als „wirklich zwingend" anzusehen ist? Wenn ja, müßte man weiterfragen: Wie verhält es sich hinsichtlich V. 17b, wenn Exegeten diesen nicht für sekundär erklären? Wodurch zeichnet sich fernerhin V. 17b gegenüber den in der Regel ausgeschiedenen V. l*.8b aus? Über R. Bartelmus hinaus ist die Vermutung berechtigt, daß nicht nur ein Bezug theologischer Prämissen zu literarkritischen Entscheidungen, sondern auch zu deren Unterlassung besteht. In Beurteilung des Dissenses der literarkritischen Analysen scheint P. Höffken gegenüber R. Bartelmus ein wesentliches Plus zu bieten. Die von ihm aufgestellte Liste der Sekundärerklärungen hält zwar auch jener für „abschreckend genug"14, er folgert daraus aber nicht einen Verzicht auf Literarkritik: „Ist man aber an einem Verstehen der literarkritischen Entscheidungen interessiert, wird man weiterzufragen haben. Dann zeigt sich nämlich, daß die disparaten Vorschläge durchaus Sinn machen. Die Forscher reagieren auf im Textduktus angelegte Probleme oder auf forschungsgeschichtlich bedingte Konstellationen" 15 . Scheint auch hier eine Identität von Literarkritik vorausgesetzt zu sein, so ist die Beurteilung P. Höffkens, zumindest, was den Einfluß der Forschungsgeschichte betrifft, nicht von der Hand zu weisen. Ob die Probleme aber, auf die die Forscher reagieren, im Textduktus angelegt sind, ist eine Frage, die sich nicht so leicht beantworten läßt. Das Beispiel, das P. Höffken selbst gibt, vom „verwirrenden Nebeneinander von Du-Anrede an Ahaz und einer Ihr-Anrede" 16 wird noch behandelt werden,17 so viel aber schon vorab: P. Höffken beschreibt mit dieser Beurteilung nicht die Textanlage, sondern den Betrachter selbst, dem

13 14 15 16 17

R. Bartelmus: Stilprinzip S. 51f. P. Höffken: Grundfragen S. 26. Ders.: Grundfragen S. 26f. Ders: Grundfragen S. 27. S. unten S. 161f und S. 210.

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I. Einführung und Problemstellung

die Textanlage von einem bestimmten Standort aus „verwirrend" erscheint, und darin zeigt sich nichts anderes als das der Textauslegung aufgegebene Dilemma der Unmöglichkeit der Unterscheidung von Faktum und Hintergrundwissen, das erst das Problem der Textgemäßheit der Auslegung aufwirft.18

Die von P. Höffken beobachtete Reaktion der Forscher auf forschungsgeschichtlich bedingte Konstellationen erweist sich als große Hilfe für das Verständnis vornehmlich der deutschsprachigen Forschung zu Jes 7,1-17* in den vergangenen zehn Jahren. Die Siebziger Jahre scheinen nämlich von einer gewissen Stagnation hinsichtlich Jes 7,1-17, was seine Zuordnung an Jesaja in der Grundschicht und die Möglichkeit literarkritischer Entscheidungen betrifft, bestimmt gewesen zu sein, was nicht verwunderlich ist angesichts der umfassenden Aufarbeitung im vorangehenden Jahrzehnt, die u.a. mit den Namen von G. Fohrer, J.J. Stamm, H.W. Wolff, Η. Donner, Μ. Rehm, R. Kilian und nicht zuletzt H. Wildberger verbunden ist.19 Trotz der Differenzen in Detailfragen vermittelten diese Arbeiten ein ziemlich geschlossenes Bild von Jes 7,1-17 als eines nur peripher erweiterten jesajanischen Stückes. Das einzig wirklich strittige Problem, freilich zentral für die Gesamtaussage und damit das Profil jesajanischer Verkündigung, bildeten V. 16f: Gehört V. 17 mit V. 16 zusammen, ist in V. 16 der Relativ-Satz zu streichen? Erst mit dem Aufkommen der redaktionskritischen Sichtweise kam die literarkritische Analyse von Jes 7,1-17 wieder in Bewegung. Nach W. Dietrich und J. Vermeylen sowie den weniger ins Blickfeld geratenen Darlegungen von J. Schreiner und P. Höffken 20 wurde O. Kaisers sich schon 1973 andeutende, 1981 mit der Neuauflage seines Kommentares zu Jes 1 - 1 2 vollzogene Neuinterpretation der Überlieferung in Jes 1 - 3 9 und seine Ansiedelung von Jes 7 in den Schatten dtn-dtr Prophetentheologie21 zum „Stein des Anstoßes", an dem sich die seither erschienenen Veröffentlichungen allesamt orientieren und orientieren müssen, sei es in Ablehnung oder in modifizierender Übernahme. Damit stellt sich aber auch ein wesentliches Methodenproblem ein, was die Zuordnung von Literarkritik und Redaktions- sowie Tendenzkritik betrifft. Diese Sichtweisen gehen in O. Kaisers Methodologie eine Art Symbiose ein und treten damit in Widerspruch zu in der Regel geübter 18 19

20

21

S. oben S. 41 mit A.102; vgl. SJ. Schmidt: Beobachter, bes. S. 187. S. G. Fohrer: Jesaja I S. 103-117; JJ. Stamm: Eschatologje; H.W. Wolff: Frieden S. 8 - 52; H. Donner: Israel S. 7 -18; M. Rehm: Messias S. 30 -121; R. Kilian: Verheißung; H. Wildberger: Jesaja I S. 262- 300. S. W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 62-99; J. Vermeylen: Prophfcte I S. 197-221; J. Schreiner: Textgestalt S. 95 - 97; P. Höffken: Notizen. S. O. Kaiser: Jesaja I S. S. 19-27, vgl. ders.: Jesaja II S. 1 - 4 ; s. dazu auch oben S. 29 mit A.59.

I. Einführung und Problemstellung

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Praxis, die vor allem durch den wachsenden Einfluß der Theorie W. Richters, der wohl vor allem dem Placet von G. Fohrer zu „verdanken" ist, wenn auch auf einer anderen Ebene als vormals, zementiert wird. 22 Die Forschungsdiskussion, die sich oberflächlich betrachtet um Verständnisprobleme dreht, kreist seit O. Kaiser in Wirklichkeit lediglich, aber bedeutend genug, um Beobachterprobleme. Und diese Beobachterprobleme werden in der Forschung seit O. Kaisers Neuinterpretation von Jes 7,1-17* besonders bei den Exegeten deutlich, die O. Kaisers Ergebnisse aufnehmen und weiterverfolgen. Gleichzeitig decken sie aber auch jene der Exegeten auf, die in diesen Fragen vom in der Forschung etablierten Jesaja-Bild her entscheiden. Sowohl die konsequente Deutung von Jes 7 als Fremdbericht als auch der Aufweis einer historisierenden Redaktionsschicht haben über die dtr Ansetzung der Grundschicht von Jes 7,1-9.10-17 hinaus weitreichende Konsequenzen mit sich gebracht. Mit dem ersten Punkt geht in eins das Problem der DenkschriftHypothese: Liegt in Jes 7 ursprünglich ein Er-Bericht und das bedeutet dann wohl ein Fremdbericht vor, oder ist der Er-Bericht das Ergebnis einer textgeschichtlichen oder redaktionellen Umstilisierung eines ursprünglichen Ich-Berichts? Wenn aber ersteres zutrifft, läßt sich dann die Hypothese einer jesajanischen Denkschrift an seine Jünger halten? Der Nachweis einer mehr oder minder ausschließlich historisierenden Redaktion der Sammlung Jes 6,1-8,18*, die auch außerhalb dieses Komplexes nachweisbar sein soll, läßt ebenfalls neuen Ideen zur Genese von Jes 7 Spielraum. Erstens bedarf die Sicherung des Umfangs dieser Redaktionsschicht in Jes 7,1-17* weiterer Überprüfung, 23 und zweitens sollte ernstlich und vorab nach der inneren Möglichkeit einer solchen allein historisierenden Redaktionsschicht gefragt werden: Ist es tatsächlich vorstellbar, daß ein Bearbeiter des Jesajabuches oder nur der Sammlung Jes 6,1-8,18* allein historisch orientierte Erläuterungen einbringt? Stützt man sich auf O. Kaisers Ausscheidungen in Jes 7, wird sich zeigen lassen, daß die sog. historisierende Redaktion durchaus Umakzentuierungen vornimmt, so daß ihr zumindest unterschwellig eine theologische Intention nicht abzusprechen sein dürfte. In dieser Sicht wird aber die Frage drängend, ob sich nicht viele Exegeten, die neuerdings von einer historisierenden Redaktionsschicht als gegebener Größe ausgehen und von dieser eine theologisierende Bearbeitung von Jes 7 abheben wollen, auf Grund dieser Voraussetzung bloßer Historisierung in die Irre begeben. 24

22 23 24

S. oben S. 43-50. S. unten S. 201-207. Besonders deutlich bei C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 54f, der eine historisierende und theologisierende Bearbeitung unterscheidet.

100

I. Einführung und Problemstellung

Eine dritte, für literarkritische Scheidungen relevante Folge der Interpretation O. Kaisers besteht in seiner Situierung bestimmter Termini im dtr Milieu. Zog O. Kaiser daraus, je nach Ansicht mehr oder minder radikal, den Schluß auf spät-dtr Provenienz des ganzen Kap., so blieb und bleibt doch auch die Möglichkeit, die entsprechenden Termini und Vorstellungen einer redigierenden Schicht zuzuscheiben und so die Kaisersche Provenienz auf eine dtr Bearbeitung zu verlagern.25 Um dieser komplexen Problematik, vor die O. Kaisers Neuinterpretation in literarkritischer Hinsicht stellt, gerecht zu werden, die auf ältere Probleme der Forschung hinsichtlich Gericht und Heil in Jes 7 und der Frage einer messianischen Umdeutung des Immanuelzeichens zu erweitern ist, bedarf es einer eindringlichen Betrachtung der Lage literarkritischer Analyse von Jes 7. Diese geht in einem ersten Schritt, allein vom Aufbau her der nachgehenden Literarkritik M. Görgs ähnlich,26 den Argumenten für die Ausscheidung bestimmter Teile für sich nach, um diese dann in einem zweiten Schritt in ihrem redaktionskritischen Zusammenhang zu untersuchen. Dabei fragt die Analyse nicht nur nach den Argumenten für sich, sondern auch in welchem Horizont von literarkritischer Konzeption sie jeweils Gültigkeit haben. Vergröbernd werden dabei klassische Literarkritik mit Einschluß der Verfasserfrage/Quellenscheidung und neuere auf den Binnenraum des Textes beschränkte Literarkritik einander gegenübergestellt. Die Darstellung einer eigenen Auffassung zur Textgenese von Jes 7,1-17 wird an das Ende dieses Kap. gestellt. Der literarkritischen Bestandsaufnahme wird ein Paragraph zur Abgrenzung des Textes, in dem auch das Problem der vielfach postulierten Großeinheit Denkschrift behandelt wird, vorausgeschickt.

25

26

In diesem Sinne sind die Versuche von W. Werner [Prophetenwort S. 16-24], R. Kilian [Jesaja I S. 5 1 - 5 7 ] und R. Bickert [König Ahas S. 374-380] zu verstehen. Zur Kritik s. vor allem neuerdings P. Höffken: Grundfragen S. 3 2 - 34. S. M. Görg: Gott-König-Reden S. 186f.

II. Abgrenzung und Konstitution Die Abgrenzung von Jes 7,1-17* ist umstritten und wird dementsprechend häufig diskutiert. Es handelt sich dabei um das allem Anschein nach zentrale Problem, ob V. 1 -17* als ein literarisch geschlossener Abschnitt anzusehen ist oder zwischen V. 9 und V. 10 eine Zäsur vorliegt, die V. 1 - 9 und V. 10-17 als literarisch selbständige Einheiten ausweist. Das Problem liegt jedoch tiefer: Die Einteilungen in V. 1 -17* oder V. 1 - 9 und V. 10-17 werden nämlich nur mitunter als literarisch bedeutsame Abgrenzungen verstanden, häufig aber unter der Voraussetzung einer Großkomposition als Zäsuren, die den Makrotext „Denkschrift" in Teiltexte untergliedern. Damit steht aber eine literarkritisch herbeigeführte Abgrenzung vor der doppelten Aufgabe, über das interne Verhältnis von Jes 7 , 1 - 9 und 7,10-17 und über das Verhältnis von Jes 7,1-17* zum übergreifenden Kontext zu entscheiden.

1. Abgrenzung im Binnenraum von Jes 7 In der heutigen Exegese erweist sich die Frage nach der Abgrenzung von Jes 7, die in den Grundfragen in Kontinuität mit der älteren Forschung scheint, auf Grund veränderter Voraussetzungen und unterschiedlicher Verfahren als gewandelt.1 So wird die lange Zeit nur ausnahmsweise 1

Gegen H. Hackmann [Zukunftserwartung S. 66f|, der Jes 7,1-25 nach Streichung von V. 17 als Einheit bestimmte, s. K. Marti: Jesaja S. 79. B. Duhm [Jesaia 1 S. 54f] hat richtig V. 1 - 1 7 zusammengenommen. Zu den Versuchen, mit V. 17 ein neues Stück beginnen zu lassen (so z.B. G.B. Gray: Isaiah S. 136; S.H. Blank: Immanuel S. 83 A.l; H.-J. Kraus: Prophetie und Politik S. 71; H. Ringgren: Messiah S. 26; N. Palmarini: Emmanuelis Prophetia S. 327) hat K. Budde [Jesaja's Erleben S. 59] das Nötige dargelegt: „Löst man V. 1 7 - 2 5 von V. 1 - 1 6 und stellt das Stück auf eigene Füße, so fällt V. 17 mit der Anrede des Ahas [...] geradezu aus den Wolken, und man müßte dann ein neues Zusammentreffen des Propheten mit dem König annehmen, über das der Bericht vor dem Bruchstück, als das sich V. 17 nun erwiese, fortgefallen wäre." (vgl. K. Fullerton: Immanuel S. 259) Problematisch erwies sich das Verhältnis von V. 1 - 9 und V. 10-17. Zwar hat schon K. Marti [Jesaja S. 71. 75] festgestellt, daß die Erledigung des Auftrags der V. 3ff nicht erzählt und insofern keine Lücke angenommen werden muß, doch angesichts der häufig geäußerten Vermutungen zu redaktionellen Ausfällen in den Kap. 6ff (s. H. Ewald: Prophets II S. 72 - 76 zu Jesajas und seines Sohnes ην^-ηχτ) Namen; T.K. Cheyne: Einleitung S. 31 vor Jes 7,2) lag dies auch für den Übergang von

102

II. Abgrenzung und Konstitution

bestrittene Grunderkenntnis der Forscher, Jes 7 als einen Teil eines größeren literarischen Zusammenhanges zu charakterisieren, nicht mehr selbstverständlich vorausgesetzt. Solange man eine Denkschrift des Propheten vorsieht, sind es nur Nuancen, die die verschiedenen Positionen in der Abgrenzungsfrage unterscheiden. Als Bestandteile ein und desselben Werkes sind V. 1 - 9 und V. 10-17 aufeinander bezogen und gehören auch auf der Ebene des Werkes zusammen. Fraglich bleibt dabei nur, ob sie derselben Redesituation angehören, und je nach Abgrenzung ergeben sich hierzu verschiedene Problemlösungen. Mit der Infragestellung einer jesajanischen Denkschrift haben sich die Möglichkeiten, sich das Verhältnis von V. 1 - 9 und V. 10-17 vorzustellen, erweitert und demgemäß wird die Frage der Abgrenzung wieder stärker diskutiert, in der Regel mit literarkritischen Argumenten. Dafür, daß Jes 7,1-17 literarisch zusammengehört, hat H. Irsigler jüngst folgende drei Argumente beigebracht: 1.) Jes 7,10-17 sind ohne den Rückbezug auf 7 , 3 - 9 überhaupt nicht denkbar. 2.) Es liegt kein literarkritisch bedeutsamer Situationswechsel vor. 3.) 7 , 1 - 9 ist nicht in sich geschlossen, sondern auf Fortsetzung angelegt. Zu 1) Syntaktische Rückbezüge liegen in V. 10 ηοτΊ und V. 16bß vor. V. 10 setzt eine vorgängige Rede Jahwes an Ahas voraus, V. 16bß die Einführung der ^bD und einen Hinweis auf die Furcht des Ahas. Ansonsten beziehen sich Kataphern und Anaphern auf den Binnenraum von V. 10-17. Wenn H. Irsigler über die Identität der Personen und des historischen Anlasses hinaus auf das Zeichenangebot rekurriert, „das ohne den Rückverweis auf 7,4-9 ganz unmotiviert auftaucht" 3 , setzt er formgeschichtliche Ergebnisse voraus, die auf die Formel „Zeichenangebote sind immer auf vorgängige Wortverkündigung bezogen" gebracht werden können.4 Auch wenn sich diese Formel seit CA. Keller zu einer Art Lehrbuchwissen verfestigt hat, hat sie doch keinerlei Belang für die literarische Einheitlich-

V. 9 auf V. 10 nahe (s. T.K. Cheyne: Einleitung S. 33; K. Budde: Redaktion S. 227f). Zwei verschiedene Stücke wurden m.W. erstmals von R. Kittel [Jesaia S. 61] postuliert. Freilich hat er am inhaltlichen Bezug beider Passagen festgehalten und überdies eine eigentliche Zäsur angesichts der Zusammenstellung der Stücke durch Jesaja nicht gesetzt. Die Annahme einer neuen Szene, die im Königspalast stattgefunden haben soll, haben vielmehr erst H. Guthe [Jesaja S. 601; Zeichen S. 190] und O. Procksch [Jesaia S. 119] dezidiert vertreten (vgl. dann etwa J. Fischer: Isaias S. 68; J. Lindblom: Study S. 15. 19; M.E.W. Thompson: Isaiah's Sign S. 67f; J.T. Willis: Meaning S. 4). 2

3 4

S. H. Irsigler: Zeichen S. 77f; vor allem zum zweiten Argument s. R. Bartelmus: Stilprinzip S. 55f; F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 29; H. Wildberger: Jesaja I S. 268;. Weitere Verfechter der literarischen Einheitlichkeit sind z.B. P. Höffken: Notizen S. 322ff (mit gewissen Einschränkungen); R. Kilian: Verheißung S. 3 0 - 32; K. Seybold: Königtum S. 72 A.28; W. Werner: Prophetenwort S. 16. H. Irsigler: Zeichen S. 87 A.15. S. dazu grundlegend CA. Keller: Wort S. 104f.l44f; vgl. H. Haag: Jesaja 7,14 S. 182 mit Verweis auf Ex 3,12; Jdc 6,17ff; Jer 1,9.

1. Abgrenzung im Binnenraum von Jesaja 7

103

keit, denn 1.) können V. 1 - 9 um Zeichenangebot und -gebung sekundär erweitert worden sein5 und 2.) kann nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß V. 4 - 9 die Weissagung darstellen, die V. 10-17 ursprünglich vorausging.6 Zu 2.) Daß kein literarkritisch bedeutsamer Situationswechsel vorliegt, ist bedingt richtig. Die unterschiedliche Stilisierung legt freilich verschiedene Situationen nahe, nämlich die der Beauftragung und die der Erledigung des Auftrages, an welche letztere man V. 10-17 anzuschließen hätte. Ob man die Lücke, die zwischen V. 9 und V, 10 auf Grund dieser unterschiedlichen Stilisierung klafft, noch weiter ausbaut, wie in der Forschung häufig geschehen,7 ist abhängig von der Einschätzung von V. 10 und literarkritischen Entscheidungen hinsichtlich mrr. Berücksichtigt die Abgrenzung die gegebene Textform, ist ein Bruch zwischen V. 1 - 9 und V. 10-17 zu diagnostizieren, der darin besteht, daß Jahwe fortfährt, zu Ahas zu sprechen bzw. wiederum mit dem König spricht, obwohl er vorher zu Jesaja gesprochen hat und ihm den Auftrag erteilt hat, zu Ahas zu sprechen. Dieser Bruch läßt sich nur ausräumen, indem man entweder versucht, Jahwe und Jesaja in gewisser Weise zu identifizieren - wenn Jesaja spricht, spricht durch ihn Jahwe - , oder nach Ausscheidung von „Jahwe" in V. 10 Jesaja Sprecher sein läßt. In beiden Fällen wird vorausgesetzt, daß mit der Beauftragung V. 3 - 9 die Erledigung des Auftrages gegeben ist. Ob der Bruch, sei nun „Jahwe" ursprünglich oder nicht, literarkritisch relevant ist und so zur Abgrenzung führen muß, ist eine andere Frage, die nur unter Berücksichtigung der Verfasserfrage und redaktionskritischer Beobachtungen gefällt werden kann. Zu 3.) Daß V. 9 im Verein mit V. 4 eine Redespannung erzeugt, die in V. 1 - 9 ungelöst bleibt, womit V. 1 - 9 auf Fortsetzung angelegt verstanden werden muß, läßt sich literarkritisch nicht verifizieren. Diese Entscheidung setzt die Interpretation von V. 9b voraus, die ihrerseits auch von der Abgrenzung abhängig ist. Grenzt man auf V. 1 - 9 ab, kann V. 9b kein kataphorisches Element sein, weshalb es sich nahelegt, V. 9b als direkt oder zumindest indirekt an den Leser gerichtete Aussage zu verstehen. Im anderen Falle kann

5

6

7

S. O. Kaiser: Jesaja I S. 137; vgl. H.-C. Schmitt: Gegenwartsbedeutung S. 277; M.E.W. Thompson: Isaiah's Sign S. 67f. S. nochmals CA. Keller: Wort S. 105: „Indessen kann der Zusammenhang von V. lOff. mit V. 1 bis 9 nicht eindeutig bewiesen werden; jedenfalls aber ist klar, daß V. lOff. in dieselbe Zeit fällt, wie V. 1 - 9 und daß zum mindesten irgend eine - uns vielleicht nicht erhaltene - Weissagung ähnlichen Inhaltes vorausgegangen sein muß." S. K. Budde: Redaktion S. 227f: „Die Befolgung dieses Befehls und die Ausrichtung der Botschaft muß dann zwischen den Zeilen gelesen werden, ebenso das Schweigen des Königs auf die erhaltene Mitteilung und in v. 10, unmittelbar anschließend, dieselbe Begegnung fortsetzend, ergeht ein neuer Jahwespruch an Ahaz. Das läßt sich in der Tat zwischen den Zeilen lesen obgleich auch hier dieser oder jener Ausleger an solcher Zumutung, Schiffbruch gelitten hat. Aber hocherwünscht wäre es doch, wenn wir hinter v. 9 noch lesen dürften: ,Da tat ich nach Jahwes Befehl, nahm mein Söhnchen Se'arjaSub an die Hand, machte mich auf den Weg, traf König Ahaz' - etwa noch ,in Begleitung der und der Personen' - .richtete ihm Jahwes Botschaft aus, erhielt aber von ihm keine Antwort." Von O. Procksch [Jesaia S. 119] wird die Lücke noch erweitert und zwar um die Trennung von König und Prophet, die Rückkehr des Königs in seinen Palast und das dort zu lokalisierende erneute Aufeinandertreffen der beiden.

104

II. Abgrenzung und Konstitution

V. 9b durchaus kataphorisch aufgefaßt werden, zumal die 2. Pers. plur. - dann literarisch primär - ihre nähere Bestimmung durch V. 13f erhält.

Von den Argumenten H. Irsiglers bezieht sich nur das dritte auf die literarische Geschlossenheit von Jes 7,1 -17. Sowohl für 1) als auch für 2) ist es irrelevant, ob Jes 7,1-17 eine einfache oder erweiterte Einheit darstellt. Ist Jes 7,10-17 „Anschlußdichtung", kann der Abschnitt ohne weiteres denselben Kriterien genügen, wie dies für den Abschnitt als Teil des primären Zusammenhangs Jes 7,1-17 der Fall wäre. Da aber das dritte Argument H. Irsiglers in gewisser Weise zirkulär ist, ist es für die Untersuchung des Zusammenhangs von V. 1 - 9 und V. 10-17 irrelevant. Trotzdem schließen wir uns dem Abgrenzungsvorschlag H. Irsiglers an, und zwar aus folgenden nicht auf ursprüngliche Einheiten ausgerichteten Überlegungen: Will man einen in sich relativ geschlossen erscheinenden Komplex bearbeiten, hat man in der Abgrenzung als der provisorischen Herausnahme einer arbeitsgerechten Passage aus ihrem Kontext im Buch auf Anfangs- und Schlußsignale, übergreifend auf Gliederungsmerkmale zu achten. In diesem Fall ist eine Abgrenzung auf Jes 7,1-9 oder 7,1-17 naheliegend. Eine Rechtfertigung der Entscheidung für Jes 7,1-17 könnte wie folgt aussehen: V. 1 - 3 bieten einen typischen Erzählauftakt mit Datierung und Einführung der Personen. Diese Personen finden sich auch in V. 10-17. V. 10 bietet zwar als Fortsetzung Schwierigkeiten, entbehrt jedoch seinerseits einer entsprechenden Einführung der Aktanten. Nach V. 17 wird eine Zäsur gesetzt. Dies geschieht, weil 1.) ab V. 18 die Redesituation verlassen wird und weder eine Du-, noch eine Ihr-Anrede folgt, und 2.) unter der Voraussetzung, daß in V. 18 eine typisch redaktionelle Formel vorliegt.8 Die Abgrenzung über V. 9 hinaus bedeutet dabei keine Entscheidung über die literarische Einheitlichkeit.

2. Jes 7,1-17*

und die „Denkschrift"

Mit dem getroffenen Vorschlag ist jedoch das eigentliche Problem übersprungen bzw. ausgesetzt, nämlich die Frage, auf welche Weise Jes 7,1-9 bzw. 17 aus seinem Kontext auszugrenzen sei. Handelt es sich bei Jes 7,1 - 9 (+ 10-17) um (eine) ursprünglich selbständige Einheit(en) oder ist dieses Stück / sind diese Stücke nur als Teiltexte zu verstehen, die „erst und vielleicht überhaupt nur im Blick auf das Ganze der Denkschrift hin konzipiert worden sind"9. Damit geht es um die Frage, wie Jes 7,1-17*

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9

S. W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 55; vgl. G. Fohrer: Jesaja 7,14 S. 169; O. Kaiser: Jesaja I S. 137; H.-P. Müller: Glauben S. 45. C. Hardmeier: Gesichtspunkte S. 43.

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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als Gegenstand der exegetischen Untersuchung zu konstituieren ist, deren Beantwortung wesentliche Folgen für das Verständnis des Stückes und damit für die gesamte Exegese hat. Die Voraussetzungen für die beiden divergierenden Lösungen entnimmt der Exeget der Forschungsgeschichte. Die Annahme von ursprünglich selbständigen Einheiten konvergiert mit der Grundeinschätzung der Forschung, daß in den Büchern der Propheten keine literarischen Großkompositionen, geschweige denn Gesamtkompositionen, aus erster Hand vorliegen, sondern Sammlungen häutig nur ursprünglich mündlich überlieferter Prophetensprüche. Die kleinste literarische Einheit wird demgemäß im Binnenraum eines als Redeeinheit identifizierten Stückes gesucht. Andererseits hat sich gerade hinsichtlich Jes 7,1 -17* die Erkenntnis gebildet, daß dieses Stück im Verein mit Kap. 6 und 8 aus dem typischen Schema der prophetischen Überlieferung herausfällt: Jes 6,1 bzw. 7,1-8,18 bzw. 9,6 sind als eine von Jesaja herrührende Gesamtkomposition anzusprechen, die zwar redaktionell überarbeitet sein mag, gleichviel jedoch im wesentlichen sich einer Gestaltung durch den Propheten verdankt. Bei der Diskussion der beiden Lösungstypen, nachfolgend DenkschriftHypothese und „Denkschrift"-Redaktionshypothese genannt, 10 stellen sich erhebliche Schwierigkeiten ein: Trifft die Behauptung zu, daß schon die Konstitution von Jes 7,1 -17* als Gegenstand der Textbearbeitung, sofern sie die Frage des literarischen Verhältnisses des Abschnittes zu seinem Kontext mitbedenkt, zu Konsequenzen bei der Textbearbeitung führt, ergibt sich bei der Diskussion der Lösungen 1.) das Problem des Verhältnisses von Analyse und Synthese, und 2.) die Frage, ob die eine Lösung von der jeweils anderen überhaupt argumentativ widerlegt werden kann. Zu 1.) Im Hintergrund dieses Problems steht die Frage der Legitimität der wissenschaftlichen Hypothesenbildung. Handelt es sich bei der Voraussetzung der jeweiligen Hypothese um eine Arbeitshypothese, die verifiziert oder falsifiziert werden kann, oder um eine Art von Grundsatz, der die Ergebnisse der folgenden Analyse schon voraussetzt?11

10

Nach H. Reventlow [Ende S. 64] kann es, so man die Denkschrift-Hypothese verwirft, „auch nicht mehr verantwortet werden, den Begriff beizubehalten, ist er doch mit Assoziationen verbunden, die einer sachgemäßen Wertung der Überlieferung im Wege stehen." M.E. genügt die vorgeschlagene Differenzierung völlig. Dabei meint „Denkschrift" im zweiten Fall nichts weiter als den Komplex Jes 6,1 bzw. 7,1 - 8,18 bzw. 9,6, dient also der vereinfachenden Bezeichnung einer unterschiedlich bestimmten Überlieferungsgröße. Setzte man die gleiche Strenge auch an andere traditionelle Bezeichnungen an, könnte man genausogut die Rede von einem „Protojesajabuch" als unverantwortlich zurückweisen.

11

Wir fragen also im Sinne W. Richters [Exegese S. 50. 64f], ob die Hypothesen zur „Denkschrift" wie s.E. die Quellenhypothesen daran kranken, daß sie nur aufgestellt werden, aber nicht der Nachweis ihrer Berechtigung erbracht wird.

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II. Abgrenzung und Konstitution

Gerade hinsichtlich der Literarkritik ist zu fragen, ob die Methode in ihrer Anwendung nicht schon unter dem Einfluß der jeweiligen Hypothese steht und insofern synthetische Erkenntnisse in die literarkritische Analyse eingehen. Zu 2.) Die Widerlegung einer wissenschaftlichen Hypothese durch eine andere kann nicht gelingen, wenn die Analyse unter einer Hypothese schon synthetische Bestandteile aufweist. Eine Hypothese legt das Beschreibungsmuster der zu erfassenden Daten im voraus fest. Sind aber Daten nur in ihrer Beschreibung relevant, dann ist eine Widerlegung der Gegenhypothese unmöglich, weil bei der Argumentation auf Daten zu rekurrieren ist, die in der zu widerlegenden Hypothese auf andere Weise beschrieben werden.

a) Zur Begründung der Denkschrift-Hypothese •yy

Daß „in Jes 6,1-9,6 eine Sammlung eigenen Rechtes vorliegt" , ist m.W. eine Erkenntnis der Wellhausen-Periode.13 Gerade die Suche nach literarischen Bezügen wies auf eine eigenständige Sammlung hin, die vom sog. Kehrvers-Gedicht Jes 5,25-30 und 9,7-20 umklammert sein soll, 14 und um die durch die Wehe-Rufe Jes 5,8-24 und 10,1-4 ein weiterer Rahmen gelegt zu sein scheint.15 Besondere Bedeutung kam diesen Kap. jedoch vor allem infolge des Forschungsinteresses der historisch-kritischen Wissenschaft zu. Die Suche nach der vox ipsissima des Propheten schien hier endgültig an ihr Ziel zu gelangen, stand doch der Auffassung der IchBerichte in Jes 6 und 8 als Eigenberichten des Jesaja nichts im Wege. Trotzdem wurde diese Sammlung lange Zeit gar nicht als solche erkannt und die darin versammelten Stücke als Zusammenstellung ursprünglich selbständiger Einheiten behandelt. Diese Sicht lag schon darin begründet, daß man in Jes 6 die Berufungsvision Jesajas entdeckte, in Jes 7 aber eine Erzählung aus der Regierungszeit des Ahas vorfand, die nach damals üblicher Chronologie der Regierungszeiten der Könige Israels und Judas von einer

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14

15

O. Kaiser: Jesaja I S. 117. H. Reventlow [Ende S. 62] hält es für schwierig, die Entstehungszeit der These von der „Denkschrift" zu bestimmen. M.E. dürften die unten angeführten Beobachtungen zeigen, daß sie, möglicherweise mit Vorbereitung, in die Wellhausen-Periode fallen muß. S. K. Marti: Kern S. 113. Bei C. Hardmeier [Verkündigung S. 124] wird dies Argument für die Denkschrift-Hypothese, obwohl eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Jes 5,25 - 30 und Jes 9,7-20 letztlich auch nur eine Hypothese ist. Kürzlich hat W.P. Brown [Refrain] anhand einer Strukturanalyse nachgewiesen, daß Jes 5,25b nicht ursprünglich zu Jes 9,7-10,4 gehört hat und bestätigt damit auch das Ergebnis R. Kilians [Jesaja I S. 45]. W.P. Brown zieht daraus den Schluß: „one can no longer hold to the traditional view that the .Denkschrift' material was inserted into the middle of an extended poem or that a series of ,woe-oracles' and a self-contained historical poem were split apart and wrapped around it" (S. 443). S. K. Budde: Jesaja's Erleben S. 3f; vgl. neuerdings: Η. Reventlow: Ende S. 64 und bes. A. Laato: Immanuel S. 101; s. selbst noch R. Rendtorff: Altes Testament S. 202.

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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Begebenheit handelte, die sich mindestens 16 Jahre später abgespielt haben mußte. 16 Diese Differenz, verbunden wohl mit der Erkenntnis der unterschiedlichen Stilisierung von Jes 6 und 7, die bei W. Gesenius schon deutlich hervortritt,17 bestätigte so die Grundauffassung über das Werden des Buches aus kleinen Sammlungen ursprünglich selbständiger Stücke, in die auch „unechte" Stücke aufgenommen wurden, welche ihrerseits das Buch als „eine nach dem babylonischen Exil gesammelte Anthologie von Orakeln" 18 erscheinen ließ, als „eine Blumenlese der prophetischen Poesie" 19 , in der „Orakel aus den verschiedensten Zeiten und von ganz verschiedenen Propheten unter seinem Namen gesammelt, und wie einzelne Namenlose Perlen auf eine lange Schnur gereihet zu seyn"20 schienen. Erst K. B u d d e w i e s rund 100 Jahre nach J.G. Eichhorn e i n e n n e u e n W e g z u m Verständnis v o n Jes 6 , 1 - 9 , 6 . Er verstand d e n K o m p l e x nicht als e i n e S a m m l u n g v o n Prophetenworten unter vielen, sondern als e i n e „ D e n k schrift, die der Prophet unter d e m Eindruck tief in sein L e b e n und seine Wirksamkeit einschneidender Ereignisse und Erfahrungen zu Trost und Stärkung seines e n g e r e n Jüngerkreises niedersetzte" 2 1 . D a b e i verdankt sich K. B u d d e vor allem die B e z e i c h n u n g , 2 2 der Sachverhalt wurde ähnlich und auch selbständig schon v o n B. D u h m entdeckt. 2 3 D i e s e Sicht ermöglichten 1.) die geänderte Auffassung über die Chronologie und damit e i n e Annäherung des Todesjahres des U s s i a und des syrisch-ephraimitischen Krieges, 2 4 2.) eine geänderte Bewertung der Verschriftung v o n Jes 6 2 5 und 3.) die literarkritisch orientierte Überwindung der vormals üblichen Zäsursetzung zwischen Jes 6 und 7, die sich unter A n n a h m e e i n e s chronologischen Anordnungsprinzips des Jesajabuches a n g e b o t e n hatte, u m die Verkündigung Jesajas unter U s s i a / J o t h a m und unter A h a s v o n e i n a n d e r abzusetzen. 2 6

16 17 18 19 20 21

22

23 24 25

26

S. J.G. Eichhorn: Einleitung III S. 72 und S. 75. S. W. Gesenius: Jesaia I S. 270. J.G. Eichhorn: Einleitung III S. 102. Ders.: Einleitung III S. 110. Ders.: Einleitung III S. 77. K. Budde: Jesaja's Erleben S. V; vgl. ders.: Schranken S. 165f; Jesaia 1 - 5 S. 19.71. Diese Sammlung soll ursprünglich hinter Jes 1,1 gestanden haben (vgl. ders.: Beobachtungen S. 58). S. K. Budde: Geschichte S. 76. Gegen H. Reventlow: Ende S. 62 A.l; vgl. O. Kaiser Art. Jesaja S. 645. Damit ist auch W. Dietrichs [Jesaja und die Politik S. 61 A.9] Hinweis auf W. Staerk [Weltreich S. 51 A.6] für dessen Bedeutung für die Entstehung der Denkschrift-Hypothese kaum relevant. S. B. Duhm: Jesaia 1 S. XV. S. dazu B. Duhm: Jesaia 1 S. XIV. S. z.B. H. Ewald: Prophets II S. 62; B. Duhm: Jesaia1 S. 43; R. Kittel: Jesaia S. 54, die alle Vision und Niederschrift zeitlich voneinander absetzen. S. z.B. noch C. von Orelli: Jesaja 3 S. 4.

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II. Abgrenzung und Konstitution

Das Wesentliche an der neuen Grundanschauung war nun, daß Jes 6,1-9,6* als „Buch im Buche" 27 verstanden wurde. Während aber B. Duhm in Jesaja weniger den Schriftsteller, den Schöpfer eines Großkomplexes, sah, denn den Redaktor zum Teil schon früher aufgezeichneter Stücke, ging K. Budde von einer literarischen Gesamtkomposition des Jesaja aus, die den Titel „Denkschrift Jesajas im Nachgang der Ereignisse um den syrisch-ephraimitischen Krieg für seine Jünger" im eigentlichen Sinne erst recht verdient. In der Folgezeit hat sich diese Differenzierung der Denkschrift-Hypothese erhalten. In einem gewissen Maße wird dabei nicht nur von einer redaktionellen Tätigkeit nach Jesaja, sondern auch schon von Jesaja selbst ausgegangen. Stellt man dies erst einmal prinzipiell in Rechnung, wird es sogar möglich, Jes 7 als Er-Bericht mit der Denkschrift-Hypothese in Stimmung zu bringen.28 Die Denkschrift-Hypothese ist aber dort verlassen, wo man Jes 7 als Fremdbericht von Schülern Jesajas in die Denkschrift aufgenommen sein läßt, denn gleichgültig, wie früh ein solcher Eingriff zu datieren ist, er ist redaktionell.29 Nach der doppelten, wenngleich in Details differierenden Begründung war das „Buch im Buche" in der Folgezeit die häufig gewählte Hypothese, ob man sich in den Einzelheiten nun eher an B. Duhm oder K. Budde orientierte. So kann unter den neueren Exegeten beispielsweise H. Wildberger trotz seiner Berufung auf K. Budde eher B. Duhm zugeordnet werden,30 während hingegen O.H. Steck und nach ihm vor allem C. Hardmeier die Evidenz der Denkschrift-Hypothese im Sinne K. Buddes weiter zu verdeutlichen suchten.31 Seit der Aufstellung der Hypothese haben sich auch unter deren Voraussetzung notwendig einige Modifikationen und Kritikpunkte ergeben. Ein erstes Problem besteht in der Zuordnung von Jes 6 zur Denkschrift. Auf das Problem der Denkschrift bezogen sind vor allem die Darlegungen T. Lescows zu berücksichtigen. Für T. Lescow ist „eine starke Spannung zwischen 6 9-11 und 8 16-18 unverkennbar [...]: Während 6 9-11 den Ton kompromißloser Gerichtspredigt anschlägt, ist 8 16-18 eher auf den Ton des Klageliedes gestimmt."32 Ob allein der unterschiedliche Ton zur Diagnose

27 28 29 30

31

32

K. Budde: Jesaja's Erleben S. V; vgl. B. Duhm: Jesaia1 S. XVI. Zur Kritik s. unten S. 112-115. Gegen H. Wildberger: Jesaja I S. 270. S. H. Wildberger: Jesaja IS. 273 sowie ders.: Jesaja III S. 1552f. H. Wildbergers Auffassung läßt sich freilich nicht mehr in allem stimmig erheben, s. unten S. 114f. S. O.H. Steck: Bemerkungen S. 199 A.29; ders.: Rettung S. 81f; C. Hardmeier: Gesichtspunkte S. 42f; ders.: Verkündigung S. 122f; und neuerdings ders.: Prophetie S. 54 A.60. Noch weiter geht K. Nielsen [Dramatic Writing], Τ. Lescow: Denkschrift S. 315.

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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einer weitreichenden Spannung führen kann und ob in dieser Hinsicht die Größen Gerichtspredigt und Klagelied überhaupt vergleichbar sind, erscheint mir ebenso zweifelhaft wie das zweite Argument, das T. Lescow zur Stützung seiner These des Beginns der Denkschrift in Jes 7,1 beiträgt. Dieses läßt sich bewußt interpretierend wie folgt beschreiben: Weil Jes 6 der Berufungsbericht Jesajas ist, Jesaja aber vor dem syrisch-ephraimitischen Krieg als Prophet aufgetreten ist und gewirkt hat, kann Jes 7 nicht der direkte Nachfolger von Jes 6 sein.33 Diese Beweisführung ist reichlich von Hypothesen belastet: Sie setzt voraus, daß das Todesjahr des Ussia und der syrisch-ephraimitische Krieg einige Jahre auseinanderliegen und daß in diese Zeit Jesajas Frühzeitverkündigung, die in den Kap. 2 - 5 belegt sein soll, fällt. Daß es eine solche frühe Phase prophetischer Wirksamkeit gegeben hat, läßt sich an den einschlägigen Texten allenfalls unter Voraussetzung einer Zwischenzeit vom Tod Ussias bis zum syrisch-ephraimitischen Krieg wahrscheinlich machen, basiert aber letzlich auf der alten These, nach der das Jesajabuch nach chronologischen Aspekten aufgebaut sein soll. E i n zweites P r o b l e m stellt die Frage nach d e m Abschluß der D e n k schrift dar, das freilich eher a m R a n d e liegt und v o n jeher strittig ist. Suchte K. B u d d e das E n d e in Jes 9,6, so hat die Forschung doch lieber B. D u h m mit seiner Abgrenzung auf 8,18 Recht g e b e n w o l l e n . 3 4 D i e s hängt weniger an der Umstrittenheit v o n Jes 9 , 1 - 6 als vielmehr an der Bewertung, daß in Jes 8 , 1 6 - 1 8 e i n adäquater Abschluß für e i n e literarische K o m p o s i t i o n vorliegen soll. Zentral für die Bewertung der Denkschrift im Sinne B. D u h m s und auch K. B u d d e s scheint nun 3.) die Einschätzung v o n Jes 7 als eines ursprünglichen Ich-Berichts. Weil die „Denkschrift"-Redaktionshypothese gerade an d i e s e m P r o b l e m mit Nachdruck ansetzt, ist eine ausführlichere Auseinandersetzung nötig.

b) D a s P r o b l e m e i n e s ursprünglichen Ich-Berichts in Jes 7 , 1 - 1 7 * Liegt in Jes 7 wie in den Kap. 6 und 8 ursprünglich ein Ich-Bericht vor und läßt sich der Er-Bericht mit der Auffassung einer Denkschrift Jesajas in Stimmung bringen? - das sind die zentralen Fragen, vor d e n e n auch die heutigen Forscher stehen, die sie aber teilweise o h n e größere U m s t ä n d e ihrer Auffassung g e m ä ß entscheiden. Daß in der Stilisierung als Er-Bericht ein Problem liegt, hat schon W. Gesenius erkannt. Er äußerte den Verdacht späterer Aufzeichnung von Jes 7 durch einen Redaktor und begründete dies u.a. „durch den Umstand, daß vom Propheten in der dritten Person gesprochen ist, wie außerdem Kap. 20, 36-39, gegen Kap 8 [sie!] und δ." 35 Welche Bedeutung das Vorliegen eines Er-Berichts für das Verständnis des Textes und seines kontextuel-

33 34 35

S. T. Lescow: Denkschrift S. 315; vgl. G. Fohrer: Jesaja I S. 5. S. aber M.E.W. Thompson: Situation S. 17; A. Laato: Immanuel S. lOlf. W. Gesenius: Jesaia I S. 270.

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II. Abgrenzung und Konstitution

len Zusammenhangs hat, läßt sich nicht nur an den Konsequenzen aufzeigen, die die jüngste Forschung daraus zieht, sondern beispielsweise auch an P. de Lagarde, der mit seiner Auffassung eine klare Gegenposition zu den Exegeten seiner Zeit bezog: „Das kapitel beansprucht nicht, von der hand des Isaias zu sein, da es von ihm redet, nicht ihn selbst reden läßt. der schriftsteller, der es verfaßt hat, ist ungeschickt." 36 Dieses Urteil ist schlichtweg falsch, heißt es zwar im einstimmigen Chor der Gegenstimmen, die, wo es um eine solch bedeutungsvolle Angelegenheit geht, 37 seltene Einheit demonstrieren, eine Widerlegung P. de Lagardes im strengen Sinne scheint jedoch auch nicht möglich zu sein, ist es doch nur die Gegensätzlichkeit der Voraussetzungen, die zu den diametral entgegengesetzten Ergebnissen führt. 38

Hatte man mit Hilfe der Literarkritik erst einmal den Rahmen entdeckt, der sich um Jes 6 , 1 - 9 , 6 spannt, und erkannt, daß diese Kap. eine Größe sui generis darzustellen scheinen, die in Kap. 6 und 8 Ich-Berichte enthält, gegen deren Authentizität Zweifel anzubringen kaum Recht bestand, und daß Jes 7 (in welchem Maße auch immer) redaktionell überarbeitet worden ist, ergab sich wohl wie von selbst die Folgerung, daß auch Kap. 7 ursprünglich als Ich-Bericht stilisiert war, der entweder durch redaktionellen Eingriff oder im Verlaufe der Textgeschichte auf Grund eines Versehens zu einem Er-Bericht geworden ist. So war es zwar als erster K. Budde, der im Jahre 1885 eine Änderung des MT von Jes 7 in einen IchBericht vorschlug, 39 daß aber B. Duhm sich nur wenig später für nämliche Konjektur aussprach, 40 dürfte den Ausschlag für die enorme Reichweite dieser These in der Forschung gegeben haben. So brachte es K. Budde 1928 selbst wie folgt auf den Punkt: „Das Ich des Erlebenden [Jesajas, das sich in den Kap. 6 und 8 findet] muß - das wird heute, nachdem es von

36

P. de Lagarde: Anmerkungen S. 9; vgl. F. Studer: Zur Textkritik des Jesaja, JPTh 1879 S. 76ff, nach dessen Einschätzung, so R. Kittel [Jesaja S.61], Jes 7 auf einer „auch vor eigener Dichtung nicht zurückschreckenden [...] Bearbeitung" beruht. Ahnliche Ausgangspunkte werden von C.F. Whitley [Call S. 4 2 - 45] und H. Greßmann [Messias S. 236f] eingenommen.

37

Bedeutungsvoll ist diese Angelegenheit nicht nur für die historisch-kritische Exegese des Jesajabuches, sondern natürlich auch hinsichtlich theologischer Implikationen: Darf man diesen für Glauben, Kirche und Theologie so immens wertvollen Text einem Stümper zuschreiben? - Schon vor den eigenen Anstrengungen ist man in einen Traditionsstrom der Auslegung eingetreten.

38

Macht etwa B. Duhm [Jesaia 1 S. 49. 52] P. de Lagarde den Vorwurf, er komme zu seinen (Fehl-)Urteilen, weil er schon lange als Glossen erkannte Partien in Jes 7 dem ursprünglichen Zusammenhang belasse, läßt auch er unberücksichtigt, daß die Erkenntnis dieser Glossen von der Voraussetzung eines authentischen Berichts in Jes 7 begünstigt war und mit dem Vorverständnis, Jes 7 einem vernünftigen Autoren zuzuschreiben, zusammenhängt.

39

S. K. Budde: Capitel S. 125.

40

S. B. Duhm: Jesaia 1 S. 52.

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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mir 1885, von Β. Duhm 1892 unabhängig festgestellt war, allgemein anerkannt - in Kap. 7 (statt ,Jesaja' in V. 3, statt ,Er' in V. 13), dem notwendigen Bindeglied zwischen Kap. 6 und Kap. 8, für dessen ganzen Umfang hergestellt werden. So fügen sich die drei Kapitel zu einem geschlossenen Ganzen zusammen, das in dieser Einkleidung persönlicher Berichterstattung im ganzen Buche Jesaja kein Seitenstück findet."41 Daß die Herstellung eines Ich-Berichts in Kap. 7 und die Grundeinschätzung von Jes 6,1-9,6 sich wechselseitig bedingen, wird schon an diesen knappen Ausführungen deutlich. Auf Grund anderweitiger Beobachtungen bildet sich eine bestimmte Erwartung bezüglich dieses Komplexes. Diese Erwartung durchkreuzt zwar die Er-Form des Kap. 7, aber anstatt nun von der Erwartung zu lassen, wird ihr Kap. 7 angepaßt mit einem exegetischen Kunstgriff, für den es keine Argumente gibt als allein das Vorliegen einer jesajanischen Denkschrift. Die Denkschrift-Hypothese bringt die Annahme eines ursprünglichen Ich-Berichts in Jes 7 mit sich, ein ursprünglicher Ich-Bericht aber bestätigt das Vorliegen einer Denkschrift. Auf die Frage, warum sich diese Konjektur in Jes 7 durchsetzen konnte, gibt es wohl vor allem zwei Antworten. Einerseits hatten die Exegeten dieser Zeit weniger Skrupel im Umgang mit dem Text und schlugen vielfach und häufig über die Maßen Konjekturen vor. Andererseits scheinen gerade die Literarkritiker der Wellhausen-Periode auf der Suche nach den Originalen ein wenig befangen gewesen zu sein: Es genügten ja in der Tat nur wenige Federstriche 42 , um eine für die Literarkritiker immens wertvolle Quelle weitgehend unversehrt wieder erstehen zu lassen, zu den verba ipsissima des Jesaja und zu seiner Persönlichkeit vorzustoßen. 43 Und wie wichtig dies für die Kombatanten J. Wellhausens war, läßt sich paradigmatisch an K. Marti zeigen: Für ihn ist Jes 6,1-8,18 eine „kleine Gedächtnisschrift, in der der Prophet seinen Jüngern (8 ie) kurz nach dem Rückzug der Syrer und Ephraimiten von Jerusalem seine Erlebnisse seit seiner Berufung und die ihm von Gott gewordene Beurteilung der Lage aufzeichnet. Was die große aufgestellte Tafel für das allgemeine Publikum ist (8 12), das ist diese Schrift für den intimen Jüngerkreis des Propheten. Was aber das wichtigste ist, es leuchtet aus dieser Schrift in voller Klarheit die wunderbar in sich gefestigte Persönlichkeit des Propheten hervor" 44 .

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44

K. Budde: Jesaja's Erleben S. lf. S. K. Budde: Geschichte S. 76. Vgl. H. Reventlow: Ende S. 63, für den „das Stichwort ,Denkschrift'[...] aufs engste mit der persönlichkeitsorientierten Prophetenauffassung der liberalen Exegese zu Anfang unseres Jahrunderts und ihrem Interesse an zuverlässigen Nachrichten aus dem Leben der Propheten" zusammenhängt. K. Marti: Kern S. 120f.

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II. Abgrenzung und Konstitution

Das Interesse an den Prophetenbüchern dürfte auch heute noch wegen der Persönlichkeit der Propheten so groß sein, wenngleich die wissenschaftliche Betrachtung hier wohl ein wenig neutraler geworden ist als im Zeitalter der Literarkritik.45 Trotzdem verwundert es nicht, daß sich die These eines ursprünglichen Ich-Berichts in Jes 7 auch heute noch zahlreicher Anhänger erfreut, wo vieles, was um die Jahrhundertwende schon als gesicherte Erkenntnis gefeiert wurde, wieder in Fluß geraten ist. Bestehen auch grundsätzliche Bedenken gegen die Konjektural- und Literarkritik der Wellhausen-Periode, so greifen sie in diesem speziellen Fall offensichtlich deshalb nicht, weil man die für Jesaja so zentrale Passage zu bewahren bestrebt ist. Nun gab es freilich auch immer Stimmen, die das Vorliegen eines ErBerichts, respektive Fremdberichts, im MT als gegeben annahmen,46 die Mehrzahl der Exegeten stand und steht jedoch in der Nachfolge K. Buddes und B. Duhms. 47 Ob diese zahlenmäßige Dominanz aber allein schon Berechtigung gibt, in Jes 7,3 „nach fast einhelliger Forschungsauffassung"48 ^bx zu konjizieren und bezüglich dieser Änderung zu fordern, sie „sollte nicht mehr bestritten werden"49, darf man bezweifeln. Die Entscheidung dieser Frage sollte sich doch auf der Grundlage von Argumenten ergeben.

45

46

Vgl. H. Reventlow: Ende S. 64f: „BUDDEs Auffassung lief grundsätzlich [...] darauf hinaus, in 6,1-9,6 eine von Jesaja selbst stammende durchlaufende Quelle zu sehen, die, weil sie authentische Erlebnisse des Propheten wiedergibt, das biographische Interesse des modernen Auslegers in hervorragender Weise befriedigen kann." S. z.B. E. Balla: Botschaft S. 133; A. von Bulmerinq: Immanuelweissagung S. 6; O. Eißfeldt: Einleitung S. 417; N.K. Gottwald: Immanuel S. 36; H. Greßmann: Messias S. 236 A.2; J. Hempel: Worte S. 126; J. Lindblom: Study S. 7; M. Rehm: Messias S. 30. 32f. Unter den neuen Exegeten verbreitet sich diese Ansicht: s. z.B. E. Bouzon: Mensagem S. 829; C. Dohmen: Immanuelzeichen S. 307; ders.: Verstockungsvollzug S. 48; E. Haag: Immanuelzeichen S. 4; P. Höffken: Notizen S. 322; H. Irsigler: Zeichen S. 77; O. Kaiser: Jesaja I S. 137; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 117; K. Koch: Profeten I S. 133.; W.H. Schmidt: Einheit S. 265 A.18; M.E.W. Thompson: Situation S. 13; W. Werner: Prophetenwort S. 2; H. Wildberger: Jesaja I S. 269f.

47

S. u.a. W. Eichrodt: Heilige S. 80f; G.B. Gray: Isaiah S. 112; C. Hardmeier: Gesichtspunkte S. 44 A.10; ders.: Verkündigung S. 124; V. Herntrich: Jesaja I S. 116; O. Kaiser: Jesaja I 1 S. 63; R. Kilian: Verheißung S. 12; C. Kühl: Entstehung S. 184; A. Laato: Immanuel S. 122; T. Lescow: Denkschrift S. 315; E A Leslie: Isaiah S. 47 - 49; K. Marti: Kern S. 115; K. Nielsen: Dramatic Writing S. 1 mit A.2; O. Procksch: Jesaia S. 113.120; E. Rohland: Bedeutung S. 145; J. Schreiner: Textgestalt S. 95; W. Staerk: Weltreich S. 51 A.6; C. Steuernagel: Lehrbuch S. 476; J. Vermeylen: Prophfete I S. 203; A. Weiser: Einleitung S. 151f; modifiziert bei H.W. Wolff: Frieden S. 12f.

48

C. Hardmeier: Verkündigung S. 124. Zur Problematik der .Autoritätsargumente" s. H. Schweizer: Literarkritik S. 32 A.20. T. Lescow: Denkschrift S. 315.

49

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

113

Die Bedingung der Möglichkeit, daß in Jes 7 ein ursprünglicher IchBericht vorgelegen haben kann, steht dabei außerhalb jeglicher Diskussion, ist aber auch nicht der entscheidende Punkt. Fraglich ist nur, ob man, wenn man dies erwägt, die Textüberlieferung oder einen redaktionellen Eingriff für die Umstilisierung in einen Er-Bericht verantwortlich macht. Für ersteres hat sich allem Anschein nach K. Budde ausgesprochen: „Dem des Hebräischen Kundigen braucht kaum erst gesagt zu werden, daß das 'liS'jhw der Textkonsonanten ohne jede beabsichtigte Änderung könnte entstanden sein, durch bloßes Ausschreiben des 'lj [...] des Urtextes, dessen j als Abkürzung des Prophetennamens in Gestalt seines Anfangsbuchstabens aufgefaßt wäre." 50 Andererseits dürfte der Einwand H. Wildbergers gegen eine solche Umstilisierung als einem Versehen in der Textgeschichte gelten und müßte auch, so dies noch nicht geschehen ist, stärker berücksichtigt werden: „Doch es wäre auffallend, wenn sich in der Textüberlieferung ein derartiges Versehen so völlig durchgesetzt haben sollte, daß keine Spuren der ursprünglichen Lesart mehr nachzuweisen sind." 51 Dieser Einwand gilt auch gegen O.H. Steck, dem für die Denkschrift als einer Grunderkenntnis der alttestamentlichen Forschung 52 wesentliche Bedeutung zugesprochen wird, 53 der aber wie viele vor und nach ihm seine Voraussetzung eines durchgehend als Ich-Bericht formulierten Komplexes des Propheten überhaupt nicht befragt. 54 Wenn textkritisch die Annahme eines ursprünglichen Ich-Berichts nicht zu rechtfertigen ist, müßte sie literarkritisch nachgewiesen werden. 55 Wenn man aber in der Literarkritik keinen Großkomplex voraussetzt, kann auch kein ursprünglicher Ich-Bericht postuliert werden. 56 Und damit dreht sich die Argumentation im Kreise. Die Befürworter der Denkschrift-Hypothese im Sinne K. Buddes nehmen Jes 7,1-17* als Teiltext in den Blick, und demgemäß ist es nur natürlich, eine Spannung zwischen den Ich-Berichten in Jes 6 und 8 und dem Er-Bericht in Jes 7 zu diagnostizieren. Die 50

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56

K. Budde: Jesaja's Erleben S. 36 A.1; vgl. O. Procksch: Jesaia S. 113; J. Schreiner: Textgestalt S. 95. Wildberger, Jesaja I S. 270; vgl. W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 63 A.2. S. C. Hardmeier: Jesajaforschung S. 22. Neben C. Hardmeier: ebd. s. J. H^genhaven: Namen S. 231. S. O.H. Steck: Bemerkungen S. 199 A.29; ders.: Beiträge S. 161. Mit einer redaktionellen Umstilisierung rechnet R. Kilian: Verheißung S. 12, hat diese Auffassung aber inzwischen verworfen (s. ders.: Jesaja 1 - 3 9 S. 117). F. Huber [Jahwe, Juda S. 12 A.7] begründet seine Entscheidung für einen ursprünglichen Er-Bericht damit, „daß sich kein einleuchtender Grund für diese Umstilisierung finden läßt, zumal der Ich-Bericht im Zusammenhang von Jes 6 und 8 , 1 - 4 viel besser passen würde." S. auch P. Höffken: Notizen S. 322: „Es gibt freilich, ausser dem Kontext der Kapitel 6 und 8, eigentlich kein Argument, das zu dieser Massnahme nötigen würde." (vgl. R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 117).

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II. Abgrenzung und Konstitution

Befürworter der „Denkschrift"-Redaktionshypothese dagegen blicken in der Literarkritik nicht über Jes 7,1-17* hinaus und können deshalb an der Stilisierung von Jes 7 als Er-Bericht keinen Anstoß nehmen. Indem diese Jes 7 nur als Er-Bericht in den Blick bekommen, wird diese Beobachtung überdies zum Argument gegen die Denkschrift-Hypothese. Dabei wird freilich meistens eine Stufe ohne Bedenken übersprungen. So führt H. Reventlow zum Problem aus: „Zu der Annahme einer durchlaufenden autobiographischen Quelle ist zu sagen, daß diese durch die ErForm in Kap. 7 ausgeschlossen ist."57 Die Er-Form in Jes 7,1-17 widerlegt die Denkschrift-Hypothese nicht. Erst ein Fremdbericht ist dazu in der Lage. Eine Differenzierung zwischen Er-Bericht und Fremdbericht unterbleibt bei den Kritikern jedoch. 58 K. Buddes Denkschrift-Hypothese kann gehalten werden, wenn es sich bei Jes 7 um einen Er-Bericht in Innenperspektive handelt, B. Duhms Abwandlung selbst noch dann, wenn man Jes 7 als einen Er-Bericht in Außenperspektive, als Fremdbericht, bestimmt.59 Trotz der fehlenden Differenzierung ist freilich H. Reventlow durchaus im Recht. Angesichts dessen, daß Jes 6 und 8 als Ich-Berichte stilisiert sind, wäre es höchst auffällig, wenn Jesaja - so die erste Möglichkeit - in Kap. 7 auf einmal von sich in der dritten Person, gesprochen hätte. Zwar gibt es solche Wechsel von der ersten zur dritten Person beispielsweise auch in den ägyptischen Idealbiographien60, andererseits scheint dort Er-Stil vorzuherrschen, wo Formulare wie zur Amtseinsetzung höherer Beamten durch den Pharao Verwendung finden. Das Gegenteil ist bei Jesaja der Fall. Kap. 6, bei dem man am ehesten von einem Berufungsformular reden könnte, ist als Ich-Bericht stilisiert, eine Begebenheit nach der Berufung bzw. Beauftragung dagegen als Er-Bericht. Die zweite Möglichkeit ist in der alttestamentlichen Exegese mit dem Namen H. Ewalds verbunden, der als erster den Er-Bericht in Jes 7 als eine von Jesaja genutzte Schüleraufzeichnung auffaßte. 61 Zu ihr hin scheint H. Wildberger zu tendieren, ohne sich letztlich klar zu offenbaren, wenn er fragt: „Warum sollte von Jesajas Schülern, eventuell sogar von ihm selbst, nicht ein Fremdbericht in diese ,Denkschrift aufgenommen worden sein?" 62 Die Problematik, die in dieser Aussage steckt, besteht darin, daß sich H. Wildberger als Nachfolger K. Buddes in der Frage der Denkschrift des öfteren zu erkennen gibt,63 andererseits Jes 7,1-17* centraler Bestandteil der sogenannten Denkschrift" für ihn ist.64 Wenn nun die Bezeichnung Denkschrift bei H. Wildberger der Hypothese entsprechend gewählt ist, Jesaja

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H. Reventlow: Ende S. 65. S. z.B. P. Höffken: Notizen S. 322: „Kap. 6 und 8 (bis V. 18) sind ein .Ich-Bericht', während Kap. 7 als Fremdbericht stilisiert ist." Zu dieser Terminologie s. E. Leibfried: Kritische Wissenschaft S. 245-255. S. insbesondere die Autobiographie des Rekh-Mi-Re aus der 18. Dynastie (ANET S. 212-214). Zum Begriff der Idealbiographie s. K. Baltzer: Bestimmung S. 28f. S. H. Ewald: JBW 7 [1854/55] S. 35 (zit. nach O. Kaiser: Art. Jesaja S. 645). H. Wildberger: Jesaja I S. 270. S. auch ders.: Jesaja III S. 1552. 1558. Ders.: Jesaja I S. 269.

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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also als Verfasser derselben anzusehen ist und zudem Jes 7,1-17* ein Fremdbericht, nicht Er-Bericht, ist, kann es sich nur um einen von Jesaja genutzten Bericht eines Anderen, dann wohl eines Schülers, handeln. Wenn dagegen SchUler diesen Fremdbericht in die Sammlung aufgenommen haben, dann ist Jes 6,1 - 8,18* als redaktionelles Gebilde anzusprechen. Für die Möglichkeit eines von Jesaja genutzten Fremdberichts lassen sich freilich auch keinerlei Argumente beibringen, wenn man nicht schon voraussetzt, daß es sich bei Jes 6, 1 - 8 , 1 8 (9,6) um einen literarischen Gesamtkomplex aus der Feder Jesajas handelt. Es wäre schon höchst verwunderlich, würde sich Jesaja bei der Konzipierung der Denkschrift, bei der er von Erlebtem schreibt und entsprechend in Kap. 6 und 8 in der 1. Pers. formuliert, bei einer Episode, an der er beteiligt war, nun an eine Schüleraufzeichnung halten und zwar so rigoros, daß er diese nicht einmal dem Stil der anderen Berichte angepaßt hätte. Völlig ausschließen kann man es nicht, aber solange Argumente bei der Bewertung von Texten eine Rolle spielen, hat man keine Handhabe, die Richtigkeit solcher Mutmaßungen zu beweisen.

Somit zeigt sich, daß das Vorliegen eines Er-Berichts in Jes 7 zwischen den Ich-Berichten in Jes 6 und 8 der Annahme einer durchlaufenden Quelle keineswegs günstig ist. Wenn aber eine Umstilisierung eines ursprünglichen Ich-Berichts in einen Er-Bericht weder textkritisch noch literarkritisch begründet werden kann, ohne bei der Begründung von der Denkschrift-Hypothese auszugehen, überdies aber keine Begründung für die Umstilisierung im strengen Sinne erbracht, sondern lediglich plausibel gemacht werden kann, daß die Möglichkeit eines ursprünglichen Ich-Berichts besteht, muß das Vorliegen einer Denkschrift auf der Basis anderer Argumente begründet werden. Können solche erbracht werden, ist auch die Annahme eines ursprünglichen Ich-Berichts nicht auszuschließen, denn darf man eine Großkomposition voraussetzen, dann erweist sich die Stilisierung von Jes 7 als Er-Bericht als Störung des Zusammenhangs. Wenn man überdies mit redaktionellen Zusätzen im größeren Umfange zu Jes 7 zu rechnen hat, wäre es folgerichtig, einer solchen Redaktion auch die Umstilisierung zuzuschreiben. c) Konkurrierende Hypothesen Schon an diesem ersten, aber zentralen Problem zeigt sich, daß die Diskussion um die Denkschrift-Hypothese äußerst diffizil ist. Für den ErBericht in Jes 7,1-17* gibt es zwei Thesen, die einander ausschließen. 1.) Jes 7 stört als Er-Bericht die Abfolge der Ich-Berichte in der einfachen Einheit Denkschrift. 2.) Jes 7 schließt als Er-Bericht das Vorliegen eines genuinen Zusammenhangs in Jes 6,1-9,6* aus. Während die erste These von der Denkschrift als literarischem Großkomplex im Sinne K. Buddes ausgeht, also das Werk als kleinste literarische Einheit ansieht, selbst wenn man für einzelne Passagen noch hinter das Werk zurückzugehen hat, nimmt die zweite These den Wechsel von Ich-Bericht zu Er-Bericht als gegeben hin und schließt von dort darauf, daß ein

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II. Abgrenzung und Konstitution

Großkomplex nicht bestanden habe. Für die zweite These spricht nun einerseits, daß sie den gegebenen Text nicht zu verändern braucht, wofür es mit Ausnahme des kontextuellen kein Argument gibt. Überdies ist eine Erklärung, wie es zu einem späteren Er-Bericht gekommen sein soll, schwierig. Zwar läßt sich eine Umstilisierung plausibel machen, gerade im Rahmen der redaktionellen Erweiterung des Grundbestands, ein überzeugender Beweis, warum und daß es dazu gekommen ist, kann nicht erbracht werden, es bleibt bei einer Bedingung der Möglichkeit. Andererseits kann die zweite These die erste nicht widerlegen: Wenn Jes 6,1 - 8,18* eine einfache Einheit darstellen, reicht die Bedingung der Möglichkeit, daß ein ursprünglicher Ich-Bericht in einen Er-Bericht umgestaltet wurde, angesichts der zu beobachtenden Spannung aus, diese Möglichkeit zu erfassen.65

Ähnliche zirkuläre Argumentationen lassen sich noch in Fülle belegen. Einige Beispiele mögen genügen: O.H. Steck hält die Zweiteilung Königshaus (in den Redegängen 7 , 3 - 9 und 7,10-17) und Volk (in Jes 8,1-8a) durch Jes 7,1*.2 für expositioneil verankert.66 Daß Jes 7,lf ,Jceine sinnvolle Exposition für das Folgende im Rahmen der Denkschriftthese" ist, behauptet dagegen P. Höffken und begründet diese Einschätzung wie folgt: „das Volk in 7,2 ist sozusagen Attribut der Dynastie und keine selbständige Größe."67 In beiden Fällen handelt es sich um jeweils dasselbe Faktum, daß das Königshaus (bzw. der König)68 und das Volk in Jes 7,2 genannt sind. Vom direkten Kontext her stellt sich - hier ist P. Höffken durchaus im Recht - das Volk als Attribut von Königshaus bzw. König dar. Wenn P. Höffken aber den direkten Kontext für normativ erachtet - und das legt seine Beschreibung des Faktums durchaus nahe - , geht er schon wieder grundsätzlich davon aus, daß Jes 7 für sich zu betrachten sei. Hat man aber wie O.H. Steck seinen Ausgangspunkt bei der Großeinheit genommen, zeigt sich V. 2 in anderem Licht. Das vordergründig als Attribut erscheinende „Volk" entpuppt sich unter der Annahme dreier paralleler Redegänge in Jes 7,3-9; 7,10-17 und 8,1-8a als eigenständige Größe.

C. Hardmeiers Ansicht nach weist der Übergang zur konkreten Mahnung an die Adressaten in 8,11-15 sowie 7,9b auf eine literarische Großkomposition hin und ist insofern als Argument für das Vorliegen der Denkschrift zu bewerten.69 Gerade was Jes 7,9b betrifft, wird von C. Hardmeier

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Mim könnte diese Spannung natürlich auch dahingehend auswerten, daß man Jes 7 aus der einfachen Einheit Denkschrift ausscheidet. Aber mit einer solchen Operation zerstört man das Ganze, weil in Jes 8,16-18 dann nur noch ein Sohn vorausgesetzt werden kann. S. O.H. Steck: Beiträge S. 163; ders.: Bemerkungen S. 199 A.29. W. Dietrich [Jesaja und die Politik S. 66 A.22] greift diese Einschätzung auf. Sie dient ihm aber dazu, neben V. 1 auch V. 2 auf der redaktionellen Ebene anzusiedeln. P. Höffken: Notizen S. 324 A.8. Zum Problem des anaphorischen Bezugs in V. 2b s. unten S. 131 A.35. S. C. Hardmeier: Verkündigung S. 125.

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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e i n e B e o b a c h t u n g gemacht, d e r e n Bewertung nur unter Voraussetzung der Denkschrift in s e i n e m Sinne möglich ist. W o die Denkschrift-Hypothese d a g e g e n verworfen wird, kann V. 9b nicht als „Glaubensappell an schwank e n d e A n h ä n g e r Jesajas" 7 0 als d e n Adressaten der Denkschrift aufgefaßt werden. Ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, vor die eine Auffassung von V. 9b als eines evaluativen Teiltextes stellt, zeigt sich auch in der Bewertung von V. 9b, daß bestimmte Erkenntnisse nur hypothesengeleitet erhoben werden können, die dann wiederum zur Stützung der Hypothese herangezogen werden. An und für sich ist das Vorgehen C. Hardmeiers zirkulär: Er setzt eine Denkschrift Jesajas für seine Jünger voraus, die ihn Jes 7,1-9 als Teiltext betrachten läßt, und bewertet unter dieser Perspektive V. 9b auf Grund einiger Beobachterprobleme, die sich in der Forschung bei der Interpretation der Passage als Appell an Ahas wie z.B. auf Grund der Ihr-Anrede eingestellt haben, als Evaluation, als metakommunikatives Element, das damit nicht Ahas, sondern den Adressaten Jesajas, seinen Jüngern, gilt. Diese Bewertung unter Voraussetzung bestätigt die Voraussetzung und wird damit zum Argument für deren Stimmigkeit. Bedeutsam ist dabei, daß nur unter Zugrundelegung der Denkschrift-Hypothese diese Beobachtung in dieser Weise bewertet werden kann. Dabei geht es nicht um die Beobachtung selbst, also die Identifikation von V. 9b als evaluativer Teiltext. Setzt man diese als gegeben voraus,71 kann V. 9b nur als Argument für das Bestehen der Denkschrift gewertet werden, wenn man bei der Denkschrift seinen Ausgangspunkt genommen hat. Denn eine Evaluation in der Form von V. 9b ist nicht einfach eine konkrete Mahnung an die Adressaten der Denkschrift, sondern primär eine solche an die Leser des Textes Jes 7,1-9. Trifft dies zu, ist Jes 7,9b in der Interpretation C. Hardmeiers kein Argument für die Denkschrift, sondern eine Folge der Einschätzung von Jes 6,1-8,18 als Denkschrift. Umgekehrt bedeutet das: Wo ein literarischer Großkomplex nicht vorausgesetzt wird, kann Jes 7,9b zwar als evaluativer Teiltext identifiziert werden, ohne daß dies aber Auswirkungen auf die Einschätzung des Zusammenhangs hätte. O . H . Steck versteht Jes 6 nicht als schriftliche Darlegung der Berufungsvision Jesajas, sondern als Exemplar der Gattung der „Vergabe eines außergewöhnlichen Auftrags in der himmlischen Thronversammlung" 7 2 . A l s Exemplar einer unselbständigen Gattung erweist sich Jes 6 für O . H . Steck auf die Denkschrift hin konzipiert, während bei einer Auffassung v o n Jes 6 als „Berufungsbericht" zwar die Denkschrift-Hypothese nicht notwendig widerlegt ist, aber auch nicht notwendig vorauszusetzen ist. Es ist hier nicht der Ort, über Für und Wider eines jesajanischen „Berufungsberichts" zu entscheiden, vielmehr soll gefragt werden, wie O.H. Steck zu seiner Gattungsbestimmung kommt. Die Gattung einer Auftragsvergabe hat H.-P. Müller an mesopotamischen Belegen

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So der Untertitel des Aufsatzes von C. Hardmeier: Gesichtspunkte. Zur Kritik s. unten S. 162f. O.H. Steck: Bemerkungen S. 191. Wir nennen diese Gattung im folgenden verkürzt Gattung einer Auftragsvergabe.

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II. Abgrenzung und Konstitution

nachgewiesen.73 Sie findet sich dort immer als Bestandteil eines größeren Ganzen und scheint damit eine unselbständige, auf Fortsetzung angelegte Gattung zu sein. Um nun I Reg 22 und Jes 6, die einzigen Belege, die im AT mit dieser Gattung in direkte Verbindung gebracht werden können, als Exemplare dieser Gattung ansprechen zu können, genügt nicht der Nachweis der Struktur der Gattung im Kleinen, sondern muß auch der Nachweis erbracht werden, daß die alttestamentlichen Belege ihrerseits der Struktur der Gattung im Großen entsprechen, also unselbständig, auf Fortsetzung angelegt sind und expositionellen Charakter haben. Was I Reg 22,19- 22 betrifft, überzeugt der Nachweis von O.H. Steck keineswegs. Zwar ist I Reg 22,19-22, wie O.H. Steck bemerkt, „von vornherein auf ein umfassenderes Erzählungsganzes bezogen" 74 , aber eben nicht „geprägter Teil im Rahmen eines Berichts, der auch die Ausführung des erteilten Auftrags wiedergibt"75. Vielmehr handelt es sich in dieser Sicht um eine offensichtliche Modifikation der Gattung, in der eine schon erzählte Begebenheit nachträglich als Erledigung des beschriebenen Auftrags interpretiert und so die Abfolge Vergabe des Auftrags - Erledigung umgedreht wird. Was nun Jes 6 betrifft, geht O.H. Steck davon aus, daß das Kap. „wenigstens literarisch kein selbständiges Stück ist, sondern Teil eines größeren Zusammenhanges." 76 Das bedeutet dann aber, daß die Denkschrift-Hypothese im Sinne eines literarischen Zusammenhangs erst die Möglichkeit eröffnet, Jes 6 als Exemplar der Gattung einer Auftragsvergabe anzusehen. Und somit ergibt sich erneut eine zirkuläre Argumentation: Die Hypothese geht in die Gattungsbestimmung ein, die Bestimmung der Gattung bestätigt die Hypothese.

Gerade bei der Deutung von Jes 6 spielt es eine wesentliche Rolle, ob die Denkschrift vorausgesetzt wird oder nicht. Ist Jes 6 Teil der Denkschrift, dann ist prinzipiell davon auszugehen, daß die Darstellung Jesajas in Jes 6 retrospektiven Charakter hat. Geht der Niederschrift von Jes 6 Jesajas Verkündigung in der Zeit des syrisch-ephrairaitischen Krieges voraus, kann man es sogar wahrscheinlich machen, daß eine Art Rückprojizierung stattgefunden hat.77 Wo man dagegen von einem ursprünglich selbständigen Berufungsbericht ausgeht, kann man zwar einen gewissen zeitlichen Abstand der Niederschrift vom Erlebnis und damit retrospektiven Charakter auch nicht gänzlich ausschließen, die direkten Verbindungen zu einem Scheitern der jesajanischen Verkündigung, das zu einer Rückprojizierung geführt haben soll, sind aber nicht mehr gegeben.

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S. H.-P. Müller: Ratsversammlung S. 260 - 267. O.H. Steck: Bemerkungen S. 193 A.19. Ders.: Bemerkungen S. 193. Ders.: Bemerkungen S. 193 A.19. Die Rückprojizierungsthese ist aber auch auf Grund solcher Voraussetzungen keineswegs selbstverständlich. Zur von F. Hesse [Verstockungsproblem S. 84] angestoßenen Hypothese s. R. Kilian: Jesaja 1 - 39 S. 112 -130. Gegen C. Hardmeier [Jesajaforschung S. 24; vgl. ders.: Verkündigungsabsicht S. 237 - 239] bleibt festzuhalten, daß die Anerkennung des „retroperspektiven" Charakters von Jes 6 keineswegs notwendig die Rückprojizierung einschließt. Zum Begriff der Retroperspektive s. C. Hardmeier: Gesichtspunkte S. 33 -42.

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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Nun kritisiert C. Hardmeier in seinem Bericht „Jesajaforschung im Umbruch" die Position R. Kilians78 bezüglich der Rückprojizierungsthese folgendermaßen: „In der Diskussion der Rückprojizierungsthese hat Kilian jedoch die von Steck neu herausgearbeitete Grunderkenntnis der Forschung seit K. Budde nicht berücksichtigt, daß die .Denkschrift' Jesajas als eine literarische Gesamtkomposition (Jes 6,1 - 8,18*) zu betrachten ist."79 Hiermit verkennt C. Hardmeier gründlich, daß R. Kilian die Auffassung O.H.Stecks hinsichtlich der Denkschrift nicht teilt. Für C. Hardmeier stellt die Rückprojizierung eine sinnvolle Möglichkeit im Rahmen der Denkschrift, die die Retrospektive in Jes 6 sichert, dar, R. Kilians Auffassung kann er aber nicht widerlegen, weil dessen unterschiedliche Voraussetzung zu einer anderen Einschätzung führt, die die Rückprojizierungsthese als unwahrscheinlich erscheinen läßt. C. Hardmeiers Argument ist also nichts weiter als ein Atisdruck der vorausgesetzten Hypothese, die die Rückprojizierung ermöglicht und damit ein theologisches und biographisches Problem der Jesaja-Exegese ausräumt.

Zirkuläre Argumentationen sind freilich nicht allein bei den Befürwortern der Denkschrift-Hypothese nachweisbar, sondern genausogut - auf P. Höffkens Auffassung von Jes 7,2b wurde schon hingewiesen80 - bei Exegeten, die diese Hypothese zu widerlegen versuchen. So führt beispielsweise H. Reventlow gegen das Verständnis von Jes 8,16-18 als Abschluß der Denkschrift aus: „Methodisch wird hier der Fehler gemacht, entgegen der bereits von GUNKEL gewonnenen Erkenntnis, daß Prophetenworte gewöhnlich kurz sind und aus sich heraus verstanden werden müssen, von vornherein einen kapitelübergreifenden Gesamtzusammenhang als Deutungsprinzip einzuführen." 81 Was H. Reventlow als Erkenntnis anführt, ist aber nichts weiter als eine Hypothese, die nicht als gesicherte Grunderkenntnis zur Voraussetzung einer Textbearbeitung gemacht werden kann, sondern als Synthese aus der Betrachtung verschiedener Texte bei jeder Textbearbeitung erneut aufs Spiel zu setzen ist. Wie bei der Voraussetzung der Denkschrift stellt sich auch hier eine erhebliche Schwierigkeit ein: Die Hypothese „kurze Prophetenworte" bringt es mit sich, daß schon in der Abgrenzung vom Vorliegen eines selbständigen Stückes ausgegangen wird und insofern eine Beobachtungsposition eingenommen wird, in der in Beschränkung auf den Einzeltext bestimmte Textphänomene gar nicht als den Zusammenhang überschreitend aufgefaßt werden können, es sei erneut auf Jes 7,2 in der Auffassung P. Höffkens hingewiesen. Finden sich aber solche offensichtlich, werden sie in der Regel auf der redaktionellen Ebene angesiedelt.82 Auch W. Dietrich möchte die Voraussetzungen der Denkschrift-Hypothese gründlich überprüfen, scheitert aber schon mit seiner Prämisse, „daß Jes 7,1-8,18 [ - Jes 6 wird als nicht zum Kernstück gehörig unberücksichtigt gelassen, obwohl das Kernstück lediglich nach dem Mehrheitsprinzip erhoben wird-] aus einer Reihe von ehedem voneinander unabhängi-

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S. R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 125-130; vgl. ders.: Verstockungsauftrag. C. Hardmeier: Jesajaforschung S. 22. S. oben S. 116. H. Reventlow: Ende S. 66. S. dazu die Darlegungen zur Genealogie in Jes 7,1a unten S. 131 -133.

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II. Abgrenzung und Konstitution

gen Texteinheiten besteht." 83 Unter dieser Voraussetzung kann dann nur noch gefragt werden, wer der Redaktor war, die Denkschrift-Hypothese kann jedoch überhaupt nicht mehr überprüft werden, weil diese, obschon sie mit einem Anteil an redaktioneller Tätigkeit Jesajas rechnet, eben von für die Denkschrift konzipierten Stücken Jesajas ausgeht.

Für die beiden, am Anfang des Abschnitts umrissenen Problembereiche bedeutet dies nun m.E. folgendes: 1.) Eine Widerlegung der Denkschrift-Hypothese wie der „Denkschrift"-Redaktionshypothese im strengen Sinne ist nicht möglich, sondern nur deren Leugnung. Setzt man eine Hypothese voraus, scheinen sich Argumente gegen die andere zu ergeben. In Wirklichkeit sind diese aber keine Gegengründe, sondern beruhen auf Beschreibungen von Daten unter geänderten Vorzeichen. 2.) Der Nachweis der Denkschrift-Hypothese wie der „Denkschrift"Redaktionshypothese kann im strengen Sinn, „objektiv" an den Daten überprüfbar, gar nicht gelingen, weil der Nachweis immer schon unter der Hypothese erfolgt. Wenn W. Richter 84 also den Nachweis für Hypothesen verlangt, setzt er voraus, daß es die „objektiven" Daten gibt, an denen die Berechtigung von Hypothesen abgelesen werden kann. Sind aber Daten qua nackte Fakten völlig irrelevant, also nur als beschriebene auf Hypothesen zu beziehen, geht aber in die Beschreibung der Vorentwurf der Hypothese ein, dann verlangt W. Richter nicht nur Unmögliches, sondern verfällt überdies einem empiristischen Verständnis von geisteswissenschaftlichen Fakten. Legt auch W. Richter die Beschreibungsstruktur der Fakten fest, so bleibt es doch dabei, daß schon die Darstellung eines empirischen Befundes Beschreibung ist, die vom gegenwärtigen Stand der Wissenschaft oder einer Schule abhängig ist und insofern immer die Möglichkeit ihrer Veränderung in sich trägt. d) Zur Begründung der Wahl der „Denkschrift"-Redaktionshypothese Nach dem Dargelegten scheint es mir unmöglich, überzeugende Gründe für die „Denkschrift"-Redaktionshypothese und gegen die DenkschriftHypothese zu erbringen, um meine eigene Wahl zu rechtfertigen.85 Bei der 83 84 85

W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 62. S. oben S. 105f mit A . l l . Nach W.H. Schmidt [Plädoyer S.3] „verdient die Hypothese den Vorzug, die mit möglichst wenigen Annahmen möglichst viele Anstöße und Auffälligkeiten des Textes verständlich zu machen weiß, insofern viele Argumente unterschiedlicher Art aufgreift, zusammenfaßt und zu deuten unternimmt." Was die beiden vorgestellten Hypothesen zu Jes 6,1 - 8,18* betrifft, dürfte es schwierig sein, über den Vorzug der einen gegenüber der anderen zu entscheiden, denn mit der Annahme und Voraussetzung der einen oder anderen Hypothese stellen sich auch unterschiedliche Anstöße und Auffälligkeiten ein,

2. Jes 7,1-17* und die „Denkschrift"

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Wahl handelt es sich vielmehr um eine Konvergenzentscheidung, die sich aus unterschiedlichen, schon gedeuteten Anhaltspunkten ergibt und einem bestimmten, vorentwerfenden Hintergrundwissen um die prophetische Überlieferung, näherhin um die des Jesajabuches und des „Denkschrift"Komplexes im speziellen konvergiert. Hinzu kommen zunehmende Probleme, vor die sich der Beobachter der „Denkschrift", so er die Grundhypothese die Bearbeitung der einschlägigen Texte nicht gänzlich bestimmen läßt, gestellt sieht. Gerade diese Beobachterprobleme scheinen auch bei jenen Exegeten zum Wandel der Perspektive geführt zu haben, die die von ihnen ursprünglich vertretene Denkschrift-Hypothese im Verlauf weiterer Arbeit verworfen haben. Beispielhaft soll dies an O. Kaisers Kehrtwendung illustriert werden. Daß die Absage der Denkschrift-Hypothese nicht auf Grund deren Widerlegung erfolgt, sondern eher als Paradigmen-Wechsel erscheint, läßt sich an O. Kaisers Darlegungen zum Problem durchaus zeigen. War ihm noch 1960 Jes 7 „ein zentraler Bestandteil" der durchgängig im „Ich" des Propheten abgefaßten Denkschrift des Jesaja „über seine Tätigkeit in der Zeit des syrisch-ephraimitischen Krieges, die von 6,1-9,6 reicht" 86 , so schließt er rund 20 Jahre später das Vorliegen einer jesajanischen Denkschrift gerade auf Grund seiner Einschätzung von Jes 7 , l - 9 ( + 10-17) aus. Zwar bleibt Jes 7,1-9 ( + 10-17) der „Kern der ganzen Sammlung"87, doch dieser wird auf Grund seines literarischen Charakters als Fremdbericht bestimmt, 88 was nicht nur zur Folge hat, daß Jes 7 selbst schon jenseits von 587 v. Chr. angesiedelt wird, sondern auch, daß eine ursprüngliche Beziehung von Jes 7 mit Kap. 6 und 8 aufgekündigt wird. Wie es zu diesem Umschlag kommt, der sich einmal mehr am Er-Bericht von Jes 7 verankert, läßt sich begründet mutmaßen: Er scheint vor allem durch zunehmende Beobachterprobleme verursacht, vor die die Beibehaltung der DenkschriftHypothese stellt. Diese Probleme kommen sowohl von „außen", wo die veränderte Bewertung der alttestamentlichen Überlieferung ihre Konsequenzen auch für Jes 6,1 - 9,6* einfordert 8 9 als auch von „innen" durch eine Änderung der Betrachtungsweise, die zur Wandlung

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ergeben sich unterschiedliche Argumente, ein Problem, das nicht auf die „Denkschrift" beschränkt zu sein scheint. Das quantitative Kriterium „möglichst wenige Annahmen möglichst viele Antworten" ist zwar üblich, ein qualitatives Kriterium aber auch nicht so einfach auszuschließen. O. Kaiser: Jesaja I 1 S. 63. Ders.: Jesaja I S. 118. S. ders.: Jesaja I S. 117. 135 A.4. Hier ist vor allem der fundamentale Umbruch einschlägig, den O. Kaiser in seiner Einleitung [Einleitung1 S. 9f] hinsichtlich des Verhältnisses von Gesetz und Propheten schon früh sich abzeichnen sah. Gerade die erheblich höher veranschlagte Bedeutung des Deuteronomismus hat auch in der Frage nach dem Werden des Alten Testaments zu einer grundlegenden Neuorientierung geführt, teilweise freilich auch zu Ergebnissen geführt, die weit über ein erträgliches Maß hinausgehen.

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II. Abgrenzung und Konstitution

der Perspektive führt, unter der die Daten des Komplexes erscheinen.90 Demnach ist die „Denkschrift"-Redaktionshypothese, so sie auf die Denkschrift-Hypothese folgt, als ein Neuansatz zu verstehen, der die Verwerfung des vormaligen Vorverständnisses „Denkschrift" auf Grund gescheiterter Entwürfe als Folgen eines Perspektiven-Wechsels voraussetzt.

In der vorliegenden Untersuchung wird der Versuch unternommen, diesen Neuansatz hinsichtlich Jes 7,1 -17* weiter zu verfolgen. Die Berechtigung zu diesem Vorgehen entnehmen wir folgenden Einschätzungen und Vorentscheidungen: 1. Daß Jes 7,1 - 1 7 von der Forschung überhaupt mit Jesaja in Verbindung gebracht wird, ist überwiegend forschungsgeschichtlich bedingt und hängt mit der historisch-biographisch orientierten Perspektive der Bibelwissenschaft vor allem des 19. Jh zusammen. 2. Es gibt keine Indizien in Jes 7,1-17 für dessen primären Bezug zu einem literarischen Großkomplex jesajanischer Prägung. a) Jes 7,1-17 ist ein Er-Bericht, Jes 6 und 8 sind dagegen als Ich-Berichte stilisiert. b) Der Sendungsauftrag in Jes 6 bezieht sich auf den mrr D9n, in Jes 7 wird von einer Botschaft an den König Ahas gehandelt.91 c) Die Datierung in Jes 7,1 gibt auf einen primären Zusammenhang mit Kap. 6 keinerlei Hinweis, vielmehr weist sie das Folgende als selbständig aus. 92 3. Die Annahme eines von Jesaja stammenden literarischen Großkomplexes ist angesichts fehlender gesicherter Parallelen in der Prophetie unwahrscheinlich. 4. Gegenargumente von seiten der „Denkschrift"-Befürworter dürften gänzlich gegenstandslos sein, weil sie schon je unter dem Eindruck einer „Denkschrift" zustande kommen und entsprechend der Hypothese bewertet werden. 93

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In dieser Beziehung ist der redaktionskritische und tendenzkritische Ansatz O. Kaisers ausschlaggebend, der übrigens auch mit der Neubewertung der dtr Bewegung zusammenhängt. Vgl. P. Höffken: Notizen S. 324 A.8. Zum Problem der Genealogie, die in der Tat einen Bezug zu Jes 6,1 herstellt, aber gerade der Denkschrift-Hypothese nicht günstig ist, s. unten S. 131-133. So könnte z.B. eingewendet werden, daß die Denkschrift eine frühe Sonderüberlieferung darstellt, die durch die historisierende Glossierungsarbeit ausgewiesen ist. Die Annahme einer solchen historisierenden Redaktionsschicht hat sich aber auf Grund der Authentizitätsperspektive erst gebildet, ihre Datierung in das 8. oder 7. Jahrhundert ist hypothetisch, soll aber deutlich die Denkschrift-Hypothese stützen. Zum Problem s. unten S. 201-207, bes. S. 207 A.5.

III. Literarkritische Entscheidungen hinsichtlich Jes 7,1-17* 1. Jesaja 7,1 a) Jes 7,1* und II Reg 16,5 Daß es sich bei Jes 7,1** um eine sekundäre Passage in Jes 7,1 - 1 7 * handelt, stellt - von einigen wenigen Ausnahmen neuerer Zeit einmal abgesehen 2 - eine Art Grunderkenntnis der derzeitigen Exegese am Jesajabuch dar. Die Ausnahmen sind freilich Anzeichen da ur, daß die Übereinstimmung der Forscher - wie übrigens wohl immer, wenn eine solche sich abzeichnet - durch bestimmte Konvergenzen des Hintergrundwissens bzw. des Vorverständnisses und der Anschauung zustande kommt. Diese betreffen vor allem das literarische Verhältnis von Jes 7,1* zur meist für authentisch gehaltenen Grundschicht von Jes 7 , 1 - 1 7 sowie die Parallelität von Jes 7,1* mit II Reg 16,5. Die wechselseitige Bedingung der Lösungen dieser Probleme scheint das Ergebnis in einer erfreulich klaren Weise zu sichern. In der Ausscheidung von Jes 7,1* treffen sich klassische und neuere Literarkritik. Da sich die Vorgehensweise der klassischen Literarkritik mit ihrer Einbeziehung der Verfasserfrage und einem unvermittelten Vergleich von Dubletten deutlich von der der heute weithin geforderten textinternen Literarkritik unterscheidet, ist zu fragen, wie es zu diesem Konsens kommt, da doch augenscheinlich in den verschiedenen methodischen Konzeptionen unterschiedliche Gründe wirksam werden müssen. Deshalb soll den Argumenten der älteren Forschung ein erster Abschnitt gewidmet werden, bevor die heutige Forschungssituation in den Blick genommen wird.

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Unter der Bezeichnung Jes 7,1* wird sowohl der gesamte Vers, wie er in der älteren Forschung vornehmlich ausgeschieden wurde, als auch ein Teil davon, wie es fast ausnahmslos heutiger Forschung entspricht, je nach dem mit oder ohne Genealogie des Ahas, verstanden. S. R. Bartelmus: Stilprinzip S. 56; vgl. aber auch die von O. Kaiser [Art. Jesaja S. 637] und die im Aufsatz „Literarkritik und Tendenzkritik" so bezeichneten „Fundamentalisten" wie beispielsweise J. N. Oswalt: Isaiah S. 196f (vgl. E.E. Hindson: Isaiah's Immanuel S. ix und dessen Plädoyer für die Einheitlichkeit und Authentizität von Jes 1-66, bes. S. 5).

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III. Literarkritische Entscheidungen

Die Erkenntnis, daß es sich bei II Reg 16,5 und Jes 7,1* um Dubletten handelt, ist alt.3 Kritisch läßt sich die kaum gestörte Parallelität im Wortlaut der beiden Belege wohl nicht als eine zufällige Übereinstimmung zweier von einander literarisch unabhängiger Texte beurteilen.4 Im vorliterarkritischen Stadium der Exegese am Jesajabuch war, wo man der Übereinstimmung von Jes 7,1* und II Reg 16,5 überhaupt eine solche Bedeutung einräumte, die Beurteilung der Abhängigkeitsverhältnisse durch das Alter der Bücher vorgegeben. Demzufolge handelte es sich bei Jes 7,1 um den ursprünglichen Beleg. Mit dem Aufkommen der Literarkritik wurde es, spätestens seit W. Gesenius' Plädoyer für den Sekundärcharakter von Jes 7,15, unumgänglich, die damals noch beherrschende Position einer Abhängigkeit der Stelle im Königsbuch von Jes 7 argumentativ zu untermauern. Dazu wurde beispielsweise von F. Delitzsch für die Originalität von Jes 7,1* gegenüber II Reg 16,5 geltend gemacht, daß der Verfasser von II Reg 16,5 Jes 7,1 offensichtlich „interpretirt. Statt und nicht vermochte es zu bekriegen sagt er nämlich: und sie belagerten Ahaz und vermochten nicht zu bekriegen. Der Sing. ί>ϊτ bei Jes. ist in den leichteren Plur. verwandelt, und daß die beiden Verbündeten Jerusalem nicht zu berennen oder zu stürmen vermochten (was hier bv Dnbi bed. muß), wird näher dahin bestimmt, daß sie Ahaz vergeblich belagerten"6. F. Delitzsch räumte also in diesem Fall einer Parallelüberlieferung der kürzeren die zeitliche Priorität ein und begründete dies mit dem nach heutiger Methodologie kaum

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S. deutlich schon W. Gesenius: Jesaia I S. 270. So schon K. Budde: Jesaja's Erleben S. 32: „Es ist undenkbar, daß diese beiden Texte unabhängig voneinander wären"; vgl. bes. O. Procksch: Jesaia S. 112: „Der erste Vers, der das Mißlingen des Anschlags vorwegnimmt, hat mit 2 Reg 16, 5 so große Ähnlichkeit, daß Abhängigkeit vorliegen muß. Aber nicht auf Seiten von 2 Reg 16, 5 (Di), sondern von Jes 7, 1, um dem prophetischen Abschnitte eine historische Einleitung zu geben. Höchstens kann man fragen, ob Jes 7, 1 aus unserem Königsbuche oder seiner annalistischen Quelle entnommen ist." Mit dem Begriff der kritischen Beurteilung ist ein Standort der Betrachtung vorausgesetzt, der sich dahingehend auswirkt, daß er dem Rational-Wahrscheinlichen den Vorzug gegenüber dem Irregulierbaren, dem Zufälligen gibt. Freilich ist es auch durchaus möglich, in dieser Frage anders zu entscheiden, nämlich die Textübereinstimmung als zufällig hinzunehmen. So führt beispielsweise E. König: Jesaja S. 99 aus: „Außerdem ist ,Und es geschah in den Tagen usw.' (V. 1) eine ebenso natürliche Aussage, wie .Damals zog herauf usw.' (2 Κ 16 5) an seiner Stelle, und die Übereinstimmung in den Namen kann als unvermeidlich nicht beweisen, daß der eine Wortlaut aus dem andern entlehnt sei." Literarische Abhängigkeit besagt übrigens nicht, daß Jes 7,1* aus II Reg 16,5 abgeschrieben sein muß. Es kann sich ohne weiteres um ein Gedächtniszitat handeln. S. W. Gesenius: Jesaia I, S. 270f. F. Delitzsch, Jesaia5 S. 107; vgl. schon ders.: Jesaia2 S. 128. Es kommt nicht von ungefähr, daß diese Argumente bei J.N. Oswalt [Isaiah S. 197] wiederkehren.

1. Jesaja 7,1

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anwendbaren textkritischen Kriterium der lectio difficilior hinsichtlich des das, in Jes 7,1(MT) im Sing., in II Reg 16,5 in den Plur. gesetzt worden sein soll.7 Auch A. Dillmann argumentierte in dieser Weise und fügte dem, über F. Delitzsch hinausgehend, noch hinzu, daß das absolute rronbDb in II Reg „minder correct" als das um rr^y ergänzte in Jes 7,1 sei, und daß II Reg 16,5 „doch sehr isolirt" stehe und Jes 7,2 „nothwendig etwas wie V. l a vorausgehen" müßte.8

Das einzige schlagende Argument in den Ausführungen F. Delitzschs und A. Dillmanns scheint die Einbindung der Parallelstellen in ihren Kontext zu sein. Daß diese auch völlig anders bewertet werden kann, hat K. Budde sowohl die Einleitung von Jes 7 betreffend als auch hinsichtlich der Textverhältnisse von II Reg 16 aufgewiesen.9 Mit seiner Lösung überwand K. Budde das Manko der Literarkritiker vor ihm, Jes 7,1 als Ganzes aus der Einheit von Jes 7 zu eliminieren.10 Demgegenüber sprach er sich dafür aus, den Anfang der Einheit von Jes 7,1-17* in den ersten Worten von Jes 7,1 zu suchen: „Duhm rightly pronounces that Isaiah cannot have penned the genealogy of Ahaz. But the words frrx •,D,3 TPI may very well have proceeded from him; to demand, upon the analogy of 61, τΓτχ is unnecessary. This specification of time will originally have been followed immediately by v.2"11. Mit dieser Vereinfachung in der Frage von Jes 7 setzte sich K. Budde ebenso durch wie mit seiner Einschätzung von II Reg 16. Die behauptete isolierte Stellung von II Reg 16,5 deutete er nämlich als durch den Einschub von II Reg 16,6 redaktionell verursacht: „The connected account of the course of events is found in the best order in 2 Κ 165 7 f f ; through

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Das textkritische Argument wäre nur zu gebrauchen, wenn man davon auszugehen hätte, daß beide Texte in ihrer ursprünglichen Form erhalten sind. A. Dillmann: Jesaia S. 64f. Einer der letzten Verfechter der These A. Dillmanns dürfte W. C. Graham [Isaiah's Part S. 201f] gewesen sein. S. K.Budde, Isaiah vii, S. 327 - 330. So z.B. B. Duhm: Jesaia 5 S. 70f (s. schon ders.: Jesaia 1 S. 49), T.K. Cheyne: Einleitung S. 31, K. Marti: Jesaja S. 71. Durch diese Scheidung sah man sich mit einer ursprünglichen Erzählung konfrontiert, die keinen rechten Eingang aufwies, was notwendig zu Spekulationen wie bei T.K. Cheyne [ebd.] führen mußte: .Allerdings muss v. 2, der aus der Zeit Jesajas stammt, stets einen Eingang gehabt haben. Aber Kap. 7 in seiner ursprünglichen Fassung stand ohne Zweifel an der Spitze eines Weissagungsbuches, und die Anfangszeilen wurden leicht unleserlich". K. Budde: Isaiah vii, S. 330. Schon R. Kittel [Jesaja S. 63] hatte in diese Richtung gefragt, freilich, wie sich aus dem oben gegebenen schließen läßt, nicht von sich aus: „immerhin musste hier dem V. 2 notwendig etwas wie V. l a vorausgehen" (vgl. oben A. Dillmann mit A.8). Zu vermerken ist, daß K. Budde seine Auffassung bezüglich der Genealogie später revidiert hat, wohl aus der Perspektive der Denkschrift-Hypothese heraus, für die die Zusammenhänge schaffende Nennung des Großvaters des Ahas, Ussia, durchaus gelegen kam (s. ders.: Jesaja's Erleben S.34f). Zum Problem der Genealogie s. unten S. 131-133.

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III. Literarkritische Entscheidungen

the awkward insertion of v.6, which speaks of the city of Elath, the story is torn into two unequal parts, and this is the principal reason why only the first of the two fragments, namely v.5, has found its way into Is. 7, whereas the continuation has been overlooked and not incorporated in the prophet's book." 12 Die Einbindung von II Reg 16,5 in eine größere Erzählung und der damit verbundene Aufweis von II Reg 16,6 als trennender Glosse, deren Einfügung den terminus a quo für die Übernahme von II Reg 16,5 in Jes 7,1 bestimmt, dienten K. Budde gleichzeitig dazu, eine dritte Annahme zum Verhältnis von II Reg 16,5 und Jes 7,1* zu widerlegen, die z.B. P. de Lagarde vertreten hatte, nach dem die beiden Verse von einer gemeinsamen Quelle abhängig sein sollten.13 Dessen geschichtlich argumentierendem Plädoyer für eine gemeinsame Vorlage für II Reg 16,5 und Jes 7,1* war die literarische Argumentation K. Buddes natürlich bei weitem überlegen: Wenn II Reg 16,5 ursprünglich mit V. 7ff zusammengehört, dann kann es keine ältere Vorlage für II Reg 16,5 und Jes 7,1* geben, weil die Parallele auf V. 5 beschränkt ist.14 Gleichzeitig spricht diese Einbindung für die Originalität von II Reg 16,5 gegenüber Jes 7,1*.

K. Buddes Argumentation hat auf Grund ihrer Evidenz Schule gemacht.15 Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß seine Entscheidung der Abhängigkeitsverhältnisse vom jeweiligen Kontext her in gewissem Maße zirkulär war. Einerseits wurde Jes 7,1* in seinem Kontext für störend befunden, einem Kontext jedoch, der insbesondere als authentisch beurteilter störend wirkte, andererseits brachte die Entscheidung der Abhängigkeit der Jesaja-Stelle von II Reg 16,5 bei der in der literarkritischen Scheidung vorausgesetzten Authentizität die Sekundärerklärung von Jes 7,1* notwendig mit sich.

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K. Budde: Isaiah vii, S.327. Zum Sekundärcharakter von II Reg 16,6 s. P.R. Ackroyd: Historians S. 126; E. Würthwein: Könige II S. 389; anders M. Rehm: Könige II S. 158. E.G. Kraeling [Immanuel Prophecy S. 295] bestimmte II Reg 16,6 zwar auch als spätere Ergänzung, sie soll aber in die „lacuna left in manuscripts" eingedrungen sein, nachdem Jes 7,1 - 1 7 ausgelagert war, das dort seinen ursprünglichen Ort gehabt haben soll. Die Duplizität von II Reg 16,5 und Jes 7,1 wird damit nicht erklärt. S. P. de Lagarde: Anmerkungen S. 12: „Assyrien tritt in Isaias 7 so ein, als ob schlechterdings auch nur die möglichkeit eines bündnisses zwischen ihm und Iudaea nicht vorhanden sei, womit bewiesen ist, daß Isaias 7, 1 von Regn 6 16, 5 so wenig abhängt wie Regn 6 16,1 [sie!?] von Isa 7,1: mithin müssen die identischen, in dem geschichtsbuche verständig und leidlich vollständig benutzten worte einem dritten angehören, aus welchem das prophetische wie das historische werk geschöpft hätte." S. K. Budde, Isaiah vii, S. 327. S. z.B. H. Wildberger: Jesaja I S. 265. O. Kaiser [Jesaja I S. 138 A.15] spricht sich dagegen für T.K. Cheyne aus: „Die Annahme, 2 Kön 16,5 sei aus Jes 7,1 entlehnt, wie sie z.B. noch Delitzsch z. St. vertreten hat, darf seit Cheyne, Introduction, S. 30f. als widerlegt gelten." T.K. Cheynes Argumentation ist aber dadurch belastet, daß er den gesamten Vers ausscheidet, worin ihm die moderne Forschung nicht gefolgt ist, und daß er nicht nur literarisch, sondern auch historisch argumentiert.

1. Jesaja 7,1

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Wo Literarkritik die Verfasserfrage miteinschließt, Jes 7 dem Propheten zugeschrieben wird und die Voraussetzung hinsichtlich der Abhängigkeitsverhältnisse von II Reg 16,5 auf Jes 7,1 beibehalten wird, ist die Sekundärerklärung von Jes 7,1* unhintergehbar.16 Anders verhält es sich, wo eine Beschränkung der Literarkritik auf den Binnenraum des Textes gefordert wird. In einer solchen Konzeption ist die Abhängigkeit der Stelle Jes 7,1* von Π Reg 16,5 irrelevant, der Sekundärcharakter von Jes 7,1* muß textintern aufgewiesen werden. Gelingt dies nicht, bedeutet das, daß entweder eine der Voraussetzungen (literarische Abhängigkeit/Originalität von II Reg 16,5) falsch ist, oder aber Jes 7* ein zeitlich nach II Reg 16,5 anzusetzender Text ist. b) Literarkritische Argumente für die Ausscheidung von Jes 7,1* in der heutigen Forschung Das Hauptargument für die Ausscheidung von Jes 7,1* in der heutigen Forschung, das in der Regel immer noch gekoppelt wird mit der Entscheidung für die Originalität von II Reg 16,5 gegenüber Jes 7,1, besteht in der kaum in Frage gestellten Erkenntnis, „daß der Vers inhaltlich dem Folgenden vorgreift." Etliche Exegeten fassen dies wie jüngst W. Werner dahingehend auf, „daß die Vorwegnahme des Ausgangs der Erzählung die Spannung nimmt." 18 Mag das auch in der Tat zutreffend sein,19 ob eine solche die Spannung nehmende Notiz literarisch zu beanstanden ist, ist damit nicht entschieden. Ahnlich wie W. Werner hatte schon P. de Lagarde Jes 7,1b interpretiert: „in vers 1 ist rr^y ortbrrb xbi ungehörig: da im folgenden berichtet wird, das herz des Achaz habe vor den beiden königen gezittert, dürfte nicht unmittelbar vorher angegeben werden, daß die unternemung jener beiden nicht gelungen ist, also Achaz one grund gezittert hat."20

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Unabhängig davon ist die „gesicherte Erkenntnis [...], daß Jes 7,1 aus II Reg 16,5 aufgefüllt wurde", wenn man mit R. Bickert [König Ahas S. 367] unter Auffüllung nicht einen doppelten redaktionsgeschichtlichen Vorgang versteht, in dem Jes 7,1* sowohl im Verhältnis zu II Reg 16,5 als auch zu Jes 7,1-17 in der Grundschicht als sekundär zu betrachten ist.

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J J. Stamm: Eschatologie S. 439 A.2. Vorgänger dieses Arguments sind z.B. B. Duhm: Jesaia5 S. 70 und K. Marti: Jesaja S. 71. Unter den neueren Forschern ähnlich z.B. F.D. Hubmann: Randbemerkungen S.33; C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 40, welcher letztere es als ein logisches Problem der Erzähleinleitung von V. 1 ansieht, „daß durch V.lb bereits das Ergebnis des Ganzen vorweggenommen wird." W. Werner: Prophetenwort S. 16; vgl. W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 66. Zur Kritik s. H. Irsigler: Zeichen S. 81 A.25 sowie P. Höffken: Grundfragen S. 33f. S. II Reg 16,5 + 7 und unsere Überlegungen unten S. 215f u. S. 223-225.. P. de Lagarde: Anmerkungen S. 9.

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19 20

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III. Literarkritische Entscheidungen

Aber gerade P. de Lagarde hat mit dieser Einschätzung keinerlei literarkritisches Urteil verbunden, sondern führte die Ungehörigkeit auf den schwachen Erzähler von Jes 7 zurück. Insofern trifft B. Duhms Kritik an P. de Lagarde, „das Kap. ist kein Roman, und die Spannung konnte v. 1, dessen Inhalt den Zeitgenossen bekannt war, nicht verderben" 21 , nur bedingt zu. Einerseits ist es sicherlich richtig, daß in Jes 7 nicht wie in einem Roman (und auch nicht in jedem) eine spannende Geschichte erzählt wird, andererseits ist Jes 7 in P. de Lagardes Auffassung ja nicht von und nicht für Zeitgenossen der darin erzählten Begebenheit geschrieben, wie dies B. Duhm voraussetzt.22

Ob man diesen Vorgriff als die Spannung nehmend interpretiert und als solchen ausscheidet, hängt von den Vorstellungen ab, die man mit dem Verfasser der Erzählung und mit seiner (bzw. einer abstrakten Größe) „Erzählkunst" verbindet. Nun hat freilich R. Bartelmus darauf hingewiesen, daß es mit Jes 7,1 vergleichbare Vorgriffe auch in anderen Erzählungen des AT gibt und Gen 22,1 sowie II Reg 2,1 benannt.23 Träfe dies zu, würde sich doch eine Möglichkeit ergeben, Jes 7,1*, bei R. Bartelmus jedoch unter gänzlichem Absehen von den mit II Reg 16,5 aufgegebenen Problemen, der Einheit von Jes 7,1 -17* zu belassen. Setzt er Jes 7,1* mit Gen 22,1 und II Reg 2,1 in Parallele, so versteht R. Bartelmus den Vers allem Anschein nach weniger als Vorgriff auf die Erzählung, denn als eine Art Summarium.24 In einem solchen Verständnis erhebt sich jedoch die Frage, ob Jes 7,1* in Jes 7,1 -17* überhaupt noch einmal eingeholt wird. Gen 22 erzählt ja die in Gen 22,1 in Aussicht gestellte Prüfung Abrahams durch Jahwe, II Reg 2 die in V. 1 (freilich kausal etwas anders gefaßte) in Aussicht gestellte Himmelfahrt Elijas. Anders Jes 7,1 -17*: hier tritt ein Kriegszug, wie er in V. 1 als gegenwärtig vorgestellt wird, bestenfalls als zukünftig, als Plan der Feinde, in den Blick, ja möglicherweise überhaupt nicht als eine Möglichkeit.25 Die Erzählebene von V. 2ff wird, sofern man keine zeitlich später anzusetzende Szene in V. 10 - 1 7 postuliert, nur noch graduell verändert.

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25

B. Duhm: Jesaia 5 S. 70. Zu P. de Lagardes Gesamteinschätzung von Jes 7 s. unten S. 214 A.5. Nach der Weise B. Duhms argumentiert auch F. Huber [Jahwe, Juda S. 11 A.5] mit dem Echtheitskriterium der Zeitgenossen. S. R. Bartelmus: Stilprinzip S. 56 A.27. S. dazu R. Bartelmus: Stilprinzip S. 56: „Daß die Situationsschilderung hier ungewöhnlich breit angelegt ist, erklärt sich wohl daher, daß die Kenntnis dieser Hintergründe für das Verständnis des Ganzen unabdingbar notwendig ist, der Autor jedoch die für ihn im Zentrum des Interesses stehenden Reden Jahwes bzw. Jesajas und die Gegenrede des Ahas nicht durch große Erzählungseinschübe voneinander trennen wollte, um die Dramatik des Geschehens nicht durch umständliche Erklärungen zu mindern." Dies trifft zu, wenn man V. 7b in der einfachen Einheit als anaphorisch bestimmt. S. dazu unten den Exkurs S. 153-158.

1. Jesaja 7,1

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Ist dies richtig gesehen, so hat V. 1 weder die Funktion eines Summariums, noch die einer Situationsschilderung, da der Vers die Einführung in die in Jes 7* vorausgesetzte Erzählsituation überhaupt nicht leistet. Diese Funktion übernimmt dagegen klar V. 2.20 Und so liegt für die literarkritische Entscheidung hinsichtlich V. 1* alles daran, das Verhältnis von V. 1 auf V. 2 richtig zu bestimmen. Was das zeitliche Verhältnis von V. 1 und V. 2 betrifft, muß man nach dem Dargelegten von einem Rückschritt ausgehen, der die schon von B. Duhm gezogene Konsequenz anscheinend unausweichlich macht: „Aber v. 1 kann nicht der direkte Vorgänger von v. 2 sein, der uns in die Zeit vor jenem Mißerfolg versetzt."27 Gleichgültig, wie man das philologische Problem von ΠΠ3 in V. 2a auch lösen mag, es ist dort auf eine Aktivität Arams Ephraim betreffend angespielt, die nur vorzeitlich zu V. 1 gedacht werden kann. Demnach müßte "ΤΠ in V. 2 bei allem Bemühen, Jes 7,1 auf einer literarischen Ebene mit V. 2ff zu belassen, plusquamperfektisch aufgefaßt werden, was für das waw-consecutivum wohl unmöglich ist.28 Diese Unmöglichkeit läßt den Übergang von V. 1 auf V. 2 als literarkritisch relevanten Bruch erscheinen. Im anderen Falle könnte man sich den Vers als eine erweiterte geschichtliche Datierung vorstellen, die das Folgende in den größeren Horizont der Geschichte einordnet. Dann diente Jes 7,1* als Datierung, allgemein „in den Tagen des Ahas", präziser zur Zeit der Bedrohung Judas durch Aram und Ephraim. Weitere Argumente, die gegen eine solche Auffassung sprechen und V. 1* als sekundär ausweisen, beziehen sich auf terminologische Differenzen: In V. 1 ist von Pekach und zudem von Pekach als dem König von Israel die Rede, während sonst in Jes 7,1-9* das Nordreich mit „Ephraim"29, dessen König als „Sohn Remaljas" 30 bezeichnet wird. Schließlich kann noch auf die schon von P. de Lagarde erhobene Spannung hingewiesen werden, die darin besteht, daß in V. 1 zwei Könige die Aggressoren sind, in V. 2 aber Aram (und das Nordreich).31 In der Summe bestätigt so

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27 28

29 "IQ

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Vgl. H. Irsigler: Zeichen S. 81 A.25.: „7,3-17 setzen präzise nur die Situationsschilderung von V. 2 voraus (mit Ausnahme der Erwähnung des Ahas in V. 1)." B. Duhm: Jesaia5 S. 70; vgl. aber schon W. Gesenius: Jesaia I S. 270. Vgl. die ähnlichen Probleme hinsichtlich I Sam 15,12. Hinsichtlich Jes 8,3 wurde zwar ähnliches postuliert (s. B. Duhm: Jesaia1 S. 57; K. Marti: Jesaja S. 82; vgl. L.G. Rignell: Orakel S. 41), die bestehenden Grammatik-Normen schließen ein Plusquamperfekt aber wohl aus. S. dazu z.B. A. Laato: Immanuel S. 120. · · S. z.B. R. Kilian: Verheißung S. 14. Bei der Argumentation hinsichtlich des Königstitels sollte schließlich auch nicht V. 16bß unberücksichtigt bleiben. Eine Ausscheidung von V. 1* stellt nämlich auch in dieser Hinsicht den umstrittenen Relativsatz in Frage. S. (wahrscheinlich) P. de Lagarde: Anmerkungen S. 9.

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III. Literarkritische Entscheidungen

die Konvergenz unterschiedlicher Argumente den Sekundärcharakter von Jes 7,1* zur Genüge. Trotzdem ist die Ausscheidung nicht in dem Maße gesichert, wie es auf Grund der Forschungslage erscheinen mag. Denn die grundlegende Perspektive für diese literarkritische Entscheidung, ist nichts weiter als ein Vorverständnis, das sich trotz seines hypothetischen Charakters in der Forschung geradezu zementiert hat, daß nämlich Jes 7 mit der Denkschrift und/oder direkt bzw. indirekt mit Jesaja selbst zu tun hat. Insofern ist im wesentlichen ein Echtheitskriterium für die Sekundärerklärung von V. 1* und die Beibehaltung von V. 2a ausschlaggebend. Damit ineins geht dann aber die beachtenswerte Konsequenz, daß die Literarkritik hypothesengeleitet vollzogen wird und ihrerseits zur Bestätigung der Hypothese notwendig beiträgt, ob diese nun in der Denkschrift oder der Authentizität des Stückes besteht. An der Richtigkeit dieser These ändern weder O. Kaisers noch H. Irsiglers Ausführungen das geringste, denn sie erweisen sich u.a. dem Druck der Forschungsgeschichte verpflichtet, wenn sie trotz geänderter Vorzeichen beim Ergebnis, daß Jes 7,1* sekundäre Erweiterung ist, bleiben. O. Kaiser bleibt den Nachweis des Sekundärcharakters schuldig, übernimmt die communis opinio. Dabei wäre zu überlegen, ob man einem Verfasser der Grundschicht von Jes 7,1-9, der in V. 3 auf das DtrG im Wortlaut zurückgreift, nicht auch ähnliches für V. 1* unterstellen kann. Bei O. Kaiser ist jedoch die Ursprünglichkeit des kompletten V. 1 auch deshalb keine Möglichkeit, weil die Genealogie auf Jes 6 zurückweist, die Grundschicht von Jes 7,1-9 als Kern der „Denkschrift" aber auf nichts zurückweisen kann. Bei H. Irsigler dagegen bleibt die Rückfrage auf die methodologische Fundierung der Sekundärerklärung von V. 1* offen: Zwar fällt V. 1* aus dem literarischen Zusammenhang von Jes 7,1-17 heraus - die Spannung zu V. 2a ist ebenso offensichtlich wie die oben dargelegten terminologischen Differenzen - , aber eben nur, solange man den Versteil ohne Rücksicht auf II Reg 16,5 betrachtet. Stellt man aber nach einem Vergleich von Jes 7,1* mit II Reg 16,5 eine Abhängigkeit der Jesaja-Stelle vom Königsbuch fest, wandelt sich auch die Beurteilung von Jes 7,1* in literarischer Hinsicht. Ist diese Passage nämlich ein Zitat, 32 entfallen die terminologischen Differenzen als literarkritische Kriterien. Es bleibt lediglich die Spannung zum Folgenden erhalten, die nur zuungunsten von V. 1* gelöst werden kann, wenn man V. 5f als primär voraussetzt.33

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Mit der Möglichkeit eines ursprünglichen Zitats rechnet erfreulich konsequent H. Irsigler: Zeichen S. 81 A.25, ohne sich für sie zu entscheiden: „Der Verfasser von Jes 7,1-17 könnte ja von vorneherein das Zitat aus 2 Kön 16,5 als für seine Erzählung brauchbar und notwendig eingebaut haben und erwiese sich damit als vom DtrG abhängig (kaum umgekehrt!)." Besonders deutlich bei E. Haag: Immanuelzeichen S. 5: „Die Einleitung in Jes 7,1 stellt [...] eine [...] Doppelung zu Jes 7,6 dar, wo ohne Zweifel die ursprüngliche Situationsangabe vorliegt." Gründe für diese Bewertung gibt E. Haag nicht an.

1. Jesaja 7,1

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c) Anfangsworte und Genealogie in Jes 7,1 Wie schon dargelegt, hat als erster K. Budde vorgeschlagen, die Anfangsworte in Jes 7,1 der Grundschicht zu belassen. Dies ist dann berechtigt, wenn man in V. 2b die Suffixe der 3. Pers. sing, als auf Ahas bezogene Anaphern bestimmt, wie es m.E. durchaus naheliegend ist, obwohl die andere Möglichkeit, nach der sich das Suffix auf das „Haus David" in V. 2a beziehen soll, nicht gänzlich auszuschließen ist.35 Zu einer solchen Annahme ist man freilich gezwungen, so man V. 1 als Ganzes für sekundär erklärt und nicht gleichzeitig mit dem Ausfall von Überlieferung rechnet, wie dies in der Nachfolge B. Duhms, T.K. Cheynes und K. Martis geschehen kann.36 Läßt sich von daher wahrscheinlich machen, daß Jes 7,1a* von der Ausscheidung von V. 1* auszunehmen ist, ist eine weitere Ausklammerung der Genealogie und des Königstitels wiederum kaum literarkritisch zu begründen, ohne seine Zuflucht bei einem Echtheitskriterium im engen oder weiten Sinne zu nehmen. Und damit gilt nach wie vor B. Duhms reichlich lapidare Feststellung: „Die Genealogie des Ahas kann nicht von Jes. sein, denn man wüsste nicht, für welche Leser er die beigesetzt hätte." Doch während er fortfährt: „Aber der ganze Vers scheint nicht von ihm herzurühren"37, versucht eine große Zahl von Exegeten, die einleitenden 34

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So K. Budde: Isaiah vii S. 330; vgl. J J . Stamm: Eschatologie S. 439 A.2; H.W. Wolff: Frieden S. 13; R. Kilian: Verheißung S. 12; ders.: Prolegomena S. 209; T. Lescow: Denkschrift S. 316; F. Huber: Jahwe, Juda S. 11 A.5; J. Schreiner: Textgestalt S. 95; O. Kaiser: Jesaja I S. 135; C. Hardmeier: Verkündigung S. 124; W. Werner: Prophetenwort S. 16; H. Irsigler: Zeichen S. 81; A. Laato: Immanuel S. 121. S. P.R. Ackroyd: Historians S. 129; O. Kaiser: Jesaja I S. 140 und vor allem P. Höffken: Grundfragen S. 34, bes. S. 36 A.34. Letzterer weist darauf hin, daß im Hebr. Kollektive „Herz" haben können, und untermauert seine Auffassung mit Jer 48,29; Ps 78,8; Jes 10,7; 29,13; 47,8 und Zeph 2,15. Das steht natürlich (s. nur V. 2 1D5> :nb) außerhalb jeglichen Zweifels, ist aber gar nicht das Problem. Vorab ist zu klären, ob „Haus David" in V. 2a die Institution bzw. den Palast oder eine Personengruppe meint. Wenn letzteres der Fall ist - und dafür spräche ja auch Jes 7,13f - , fällt auf, daß Jes 7,13 diese Personengruppe pluralisch faßt, in Jes 7,2 dagegen singularisch. Läßt man auch das nicht gelten, könnte man doch mit H. Irsigler [Zeichen S. 88] bezüglich V. 13 an Emphatisierung denken, bleibt zu berücksichtigen, daß eine Bildung, die das Volk des Hauses David vorstellt, im AT ohne Parallele ist. Demzufolge erfordern die Begriffe „sein Herz" und „Herz seines Volkes" höchstwahrscheinlich die vorgängige Nennung des Königs. Eine gewisse Schwierigkeit bleibt aber auch für den suffigalen Rückbezug auf Ahas: Erzähltechnisch dient eine Datierung mit Person wohl kaum der Einführung der Person, so daß auf sie mit Pronominalisierung kaum zurückverwiesen werden kann. S. P.R. Ackroyd: Historians S. 129; für die komplette Ausscheidung von V. 1 unter Beibehaltung von V. 2 plädiert auch H.-P. Müller: Glauben S. 32f. B. Duhm: Jesaia 1 S. 49; vgl. K. Marti: Jesaja S. 71.

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III. Literarkritische Entscheidungen

Worte unter Preisgabe der Genealogie zu halten. Das Problem ist vielschichtig und stellt sich wie folgt dar: 1.) Es handelt sich bei der Genealogie in Jes 7,1a um ein Element, das über den Binnenraum von Jes 7,1-17* hinausweist. Eine solche Genealogie, die den Großvater einschließt, ist im AT höchst ungewöhnlich. Sie ist wohl nur als Reflex auf die Datierung in Jes 6,1 zu verstehen.38 2.) Ohne Echtheitskriterium ergibt sich keinerlei literarkritische Auffälligkeit. Dies spricht dann z.B. auch gegen O. Kaiser39, der die Genealogie ausscheiden muß, um Jes 7,1-9 als Kern der Denkschrift halten zu können, genausogut aber auch gegen H. Irsigler, denn eine primär textinterne Literarkritik ist außer Stande, hier zu einem literarkritischen Urteil zu kommen. Um so mehr verwundert es, wie leicht man sich in diesem Falle mit dem Verweis auf den redaktionellen Charakter über methodologische Prinzipien hinwegsetzen kann. 40 Gesetzt den Fall - was freilich unwahrscheinlich ist - , der Verfasser von Jes 7,1 - 1 7 wäre für die Konzeption des „Denkschrift"-Komplexes verantwortlich und nicht als Zeitgenosse Jesajas zu identifizieren: es gäbe keinerlei Argument für die Annahme, daß die Genealogie sekundär gebildet ist.41

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Für Ahas ist eine solche Genealogie im AT singular. Der Name des judäischen Königs ist im Jesajabuch, die unsichere Stelle 38,8 mitgerechnet, 7x belegt, je einmal in Mi 1,1 und Hos 1,1, 14x im Königsbuch und 8x in der Chronik, insgesamt also 31x. Nur in II Reg 16,1 wird er als Ahas, Sohn Jotams eingeführt. Eine Verbindung von Ahas über Jotham zu Ussia wird von der Liste der Nachkommen Davids in I Chr 3 abgesehen nur in den redaktionellen Überschriften von Prophetenbüchern Jes 1,1; Mi 1,1 und Hos 1,1 hergestellt. Von daher ist auch für Jes 7,1 auf eine bezüglich Jes 6,1 redaktionelle Tendenz zu schließen. K. Budde hat dies nach der Wandlung seiner ursprünglichen Ansicht [Isaiah vii S. 330; s. oben S. 125 A . l l ] gegen E.G. Kraeling [Immanuel Prophecy] mit aller Deutlichkeit herausgestrichen. Er betont [Immanuelzeichen S. 47 mit A. 33] „die ungemeine Seltenheit der Zurückführung auf den Großvater", für die er nur in II Reg 9,2.14 für Jehu und I Sam 9,1 für Saul Parallelen entdeckt. „Aber beide Male handelt es sich um den Begründer eines Königsgeschlechts, also einen ganz andren Fall." Ich kann dem dank D. Kinet noch die Genealogie zu Joasch von Israel aus II Reg 14,8 hinzufügen. Dort betrifft sie zwar keinen Dynastiegründer, wird jedoch bis auf einen solchen, nämlich Jehu zurückgeführt. Für II Reg 14,13 (II Chr 25,23), einen weiteren Beleg für die Rückführung auf den Großvater, ist eine solche Erklärung aber nicht möglich. Zur Verbindungsfunktion der Genealogie s. vor allem P.R. Ackroyd: Historians S. 129: „the effect of this verse is to draw a parallel to the opening of ch. 6." Entsprechend auch W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 66 A.21; J. Vermeylen: Prophfete I S. 199 A.l; W. Werner: Prophetenwort S.16. Damit entfällt die schwierige Erklärung der Genealogie als einer Zusammenziehung aus II Reg 16,1 und 15,32, die W. Werner dazu vorschlägt, ebenso wie die dynastischen Erklärungen von H. Donner: Israel S. 8; R. Bickert: König Ahas S. 378 (noch einmal anders O. Procksch: Jesaia S. 112).

39

S. O. Kaiser: Jesaja I S. 135. S. H. Irsigler: Zeichen S. 81 A.25. Noch weniger überzeugen E. Haags [Immanuelzeichen S. 5] Darlegungen zum Problem. Er nimmt „die Einführung ,es geschah in den Tagen des Ahas', die in 2 Kön 16, 5 keine

40 41

1. Jesaja 7,1

133

3.) Die Genealogie ist, obwohl sie auf Jes 6,1 zurückverweist, der Denkschrift-Hypothese keineswegs günstig: Jesaja mußte wohl seinen Jüngern nicht sagen, wer dieser Ahas war. Trotzdem hat sich K. Budde für die Ursprünglichkeit der Genealogie ausgesprochen. Hatte er in einem Aufsatz um die Jahrhundertwende B. Duhms Auffassung geteilt, die Genealogie könne nicht von Jesaja herrühren, 42 so vertrat er, ohne seine Wende entsprechend kenntlich zu machen, in seiner Abhandlung „Jesaja's Erleben" die gegenteilige Ansicht, dort offenkundig bewegt von der Evidenz der Denkschrift-Hypothese: „Auch die Zeitbestimmung Jesaja abzusprechen ist unerlaubt; sie dient dazu, zugleich mit der Anführung von Vater und Großvater des regierenden Königs, dies neue Stück zu dem vorhergehenden, das von einem Erleben im Todesjahre des Großvaters erzählt, in das richtige Verhältnis zu setzen, muß daher von Jesaja's Hand stammen." 43 Hier dürfte K. Budde kaum Recht zu geben sein. Zwar setzt die Genealogie „dies neue Stück zu dem vorangehenden [...] in das richtige Verhältnis", aber eben nicht für die Jünger Jesajas, die über die Verhältnisse der Dynastie und der Zeit wohl besser aufgeklärt waren als wir, sondern für spätere Leser, die um diese Zusammenhänge nicht mehr selbstverständlich wissen. Aber schon allein thx " d ^ τ η ist der Denkschrift-Hypothese in ihrer gewöhnlichen Fassung nicht günstig. Dies erkennt auch C. Hardmeier, der nicht zu entscheiden vermag, „ob die jetzige Orientierung in V. 1 aus spürbarer historischer Distanz und gerade wegen dieser Distanz neu hinzugefügt worden ist oder eine ältere Einführung verdrängt hat" 44 . In der Tat weist ja das „in den Tagen des Ahas" schon allein in die Zukunft, in der diese Tage abgeschlossen in der Vergangenheit liegen,45 wie ebenso „im Todesjahr Ussias" (Jes 6,1) einen gewissen Abstand von Schilderung und Ereignis verrät. Von daher ist die Abfassung der Denkschrift im direkten Anschluß an den syrisch-ephraimitischen Krieg wohl ausgeschlossen, es sei denn, man rechnete einmal mehr mit redaktionell bedingtem Ausfall. Daß ein solcher Ausfall nicht begründet werden kann, zeigt sich schon daran, daß C. Hardmeier auf die Präsentation eines alternativen Vorschlags verzichtet.46 Von Bedeutung ist, daß Jes 7, so man die Anfangsworte der Grundschicht beläßt, frühestens in der Zeit Hiskias abgefaßt sein kann, sollte die Genealogie ursprünglich sein, wogegen nur das Echtheitskriterium angewendet werden kann, wesentlich später abgefaßt sein muß, nämlich zu einem Zeitpunkt, da die Geschichte so weit fortgeschritten war, daß nur noch „Insider" um die Verwandtschaftsverhältnisse von Ussia und Ahas wußten, nämlich Schriftgelehrte oder „Historiker".

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Entsprechung hat", ohne Angabe weiterer Gründe von der Ausscheidung aus, nicht aber die Genealogie, für die bezüglich II Reg 16,5 nämliches gilt. S. K. Budde: Isaiah vii, S.330 (vgl. oben S. 125). K. Budde: Jesaja's Erleben, S. 34f; vgl. noch O. Kaiser: Jesaja I 1 S. 63.68. C. Hardmeier: Gesichtspunkte S. 44 A.10. S. richtig W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 66; H. Irsigler: Zeichen S. llOf. Wie sollte ein solcher auch aussehen? Etwa: „Als nun Ahas König geworden war, kurz nur währte die Frist für Jotham, des Ussias Sohn, gleich im soundsovielten Jahr, wie ihr wißt, da wurde dem Haus David gemeldet..."? Ein geeigneter Übergang von Jes 6 zu Jes 7 im Rahmen der Denkschrift scheint nicht so leicht vorstellbar zu sein. Schon von daher wird eine Datierung der Denkschrift kurz nach 732 zu einer Unmöglichkeit.

134

III. Literarkritische Entscheidungen

d) Jes 7,lf als sekundäre Einleitung von Jes 7,1-17* Nach dem bisher Ausgeführten ist es so gut wie ausgeschlossen, daß Jes 7, If en bloc als redaktionelle Einleitung zu Jes 7,3ff aufzufassen sind. Dafür plädieren in neuerer Zeit auf je unterschiedlichem Hintergrund W. Dietrich, J. Vermeylen und C. Dohmen. 47 W. Dietrichs Argumentation kann nicht überzeugen: Nachdem er V. 1 unter der Voraussetzung der von ihm selbst verworfenen Denkschrift-Hypothese im ganzen ausgeschieden hat, 48 kann er gegen V. 2 nur noch vorbringen, daß er „ohne einen Vordersatz etwas in der Luft hängt" 49 und auf den expositionellen Charakter von V. 2b im Sinne O.H. Stecks verweisen.50 Die inhaltlichen Spannungen zwischen V. 1 und V. 2 bleiben bei W. Dietrich ohnehin genauso ausgespart wie bei J. Vermeylen. Letzterer bringt für einen Zusammenhang von Jes 7,1 und 2 noch dazu gar kein Argument vor.51 Hat man aber im Verhältnis von V. 1 zu V. 2 von einem zeitlichen Rückschritt auszugehen und erkennt man überdies die Differenz von V. 1 „Rezin" und „Pekach, König Israels" gegen „Arara" und „Ephraim" in V. 2, ist diese Möglichkeit ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Ausführungen von C. Dohmen, der V. 1 für literarisch integer hält, die Ausscheidung von V. laß.b also ausschließt.52 Indem er nun den suffigalen Rückbe-

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S. W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 66f; J. Vermeylen: Prophöte I S. 199 A.l; C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 45 und ders.: Immanuelzeichen S. 308f. Vgl. (ohne Begründung) R.P. Caroll: Tradition Shifts S. 301 A.3. S. W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 66: „Außerdem setzt die Formulierung den Tod des Ahas voraus; Ahas starb aber nach dem wahrscheinlichsten Ansatz erst rund acht Jahre nach Beendigung des Bruderkriegs - welchen Sinn hätte die Denkschrift noch gehabt?" Hier wird nicht nur auf die unsichere Chronologie rekurriert, sondern auch die Denkschrift, noch dazu als Frühwerk, vorausgesetzt und dies, obwohl W. Dietrichs Darlegungen im Vorfeld [S. 62f] diese These schon widerlegt haben. Ders: Jesaja und die Politik S. 66. S. ders.: Jesaja und die Politik S. 66 A.22. Daß dies reichlich willkürlich ist, ergibt sich von daher, daß die Argumentation O.H. Stecks nur unter der Voraussetzung der Denkschrift akzeptabel ist, ohne diese aber im Sinne P. Höffkens zu entscheiden sein dürfte. Zum Problem s. schon oben S. 116. S. J. Vermeylen: Prophfcte I S. 199 A.l; S. 203. S. C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 45 A.29. C. Dohmen argumentiert lediglich gegen die Absetzung von V. lb und umgeht damit das eigentliche Problem: „Dafür fehlen aber gerade aufgrund der genannten Parallelstelle 1 Kön 16,5 [sie!] die Gründe, da dort in diesem Punkt gleich formuliert wird und eine derartige doppelte Glossierung wenig wahrscheinlich ist. Für die Abtrennung der W . l - 2 spricht auch die Textgliederung". Die Verse gleichen sich bis auf die Zeitangabe, weshalb in Jes 7,1 das „Es geschah in den Tagen des Ahas, des Sohnes Jotams, des Sohnes Ussias, König von Juda" für sich zu betrachten ist. Die Textgliederung, so in lQJes a , ist kein literarkritisches Argument, zumal sie in diesem Falle nur verdeutlicht, daß in den V. 1 - 2 eine geschichtliche Einleitung vorliegt. Zur Kritik hinsichtlich des Bezuges von V. 2b zu V. 4 s. P. Höffken: Grundfragen S. 34.

1. Jesaja 7,1

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zug in V. 2b auf Ahas bezieht, 53 eine Nennung des Ahas aber in V. 2 fehlt, scheidet er auch noch V. 2 aus. Methodisch fragwürdig ist daran schon allein, daß V. 1 erst für sich betrachtet wird, um nach dessen kompletter Ausscheidung entsprechende Konsequenzen für V. 2 zu ziehen, die zu verhindern gewesen wären, hätte C. Dohmen den suffigalen Rückbezug in V. 2 schon bei seiner Entscheidung hinsichtlich V. 1 bedacht. Überdies sind die Anaphern in V. 2b, das sei nochmals betont, als Rückbezüge auf Ahas nicht gesichert.54

2. Jesaja 7,3a.b.4a a) Die Ausscheidung des „Schear-Jaschub" J. Schreiner hat in einer Art Rezension des Jesaja-Kommentares von H. Wildberger vorgeschlagen, den Passus „du und Schear-Jaschub, dein Sohn" in V. 3a für sekundär zu erklären: „Der in 3ay genannte Schearjaschub hat im ganzen weiteren Text keine Funktion und dürfte nachträglich eingefügt sein."55 Auch wenn er es unter ein Fragezeichen setzt, er fällt damit ein Urteil, und es ist offenkundig, daß dieses nicht auf textinternen literarkritischen Kriterien basiert.56 Diese Sekundärerklärung ist wohl auch von der fast schon zermürbenden Diskussion der Forschung um den Sinngehalt des Namens „Schear-Jaschub" mitverursacht. Das Problem läßt sich wie folgt darlegen: Da Schear-Jaschub auf göttliches Geheiß seinen Vater zum Treffen mit dem König begleiten soll, muß er bei diesem Treffen durch seine bloße Anwesenheit eine bestimmte Funktion erfüllen, für einen bestimmten Verkündigungsgehalt

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Zu diesem Problem s. aber oben S. 131 A.35. Lediglich anmerkungsweise sei auf R. Bickerts [König Ahas S. 379f] Vorschlag hingewiesen, in V. 2b IDV auszuscheiden: „das Schicksal des Volkes ist kein Hintergrundthema, sondern, wie schon der Zusammenhang dieses Themas mit V. 3aß zeigt, von dtr Bearbeitung zugefügt. Weiter geben sich auch die mit V. 3aß verbundenen Worte aus V. 2ba* ,und das Herz seines Volkes' eben aufgrund ihres Bezugs auf V. 3aß ebenfalls als dtr zu erkennen." Diese Ausscheidung ist reichlich willkürlich. Sollte es zutreffen, daß das Thema des Volkes in den Horizont einer dtr Bearbeitung gehört, ist nur auf Grund dessen Nennung in V. 2b noch nicht erwiesen, daß damit das Thema „Volk" angeschlagen wird. Überdies ist der Vergleich mit den Waldbäumen (Plur.) natürlicher auf ein pluralisches Subjekt zu beziehen. Geht man allein von der erzählerischen Gestaltung aus, ist es nur natürlich, daß auf eine Furcht erzeugende Botschalt (V. 2a als ursprünglich vorausgesetzt), die primär an das Königshaus geht, davon geredet wird, daß ganz Jerusalem in Furcht geraten ist. Reichlich willkürlich erscheint auch E. Haags Ausscheidung von V. 2b als Ganzes wegen des syntaktisch nicht eindeutigen suffigalen Rückbezugs [Immanuelzeichen S. 5]. J. Schreiner: Textgestalt S. 95; vgl. schon C.F. Whitley: Call S. 43. So sicherlich völlig richtig H. Irsigler: Zeichen S. 86 A.40.

136

III. Literarkritische Entscheidungen

stehen. 57 Weil aber der Sohn nur in V. 3 genannt wird, muß man den Sinngehalt des Namens allein aus dem Kontext erschließen. Dieser Kontext wird jedoch in der Forschung divergierend bestimmt, weshalb die Bedeutung des Namens in den verschiedenen Interpretationen notwendig auseinanderstrebt. Hinzu kommt, daß nicht nur der direkte Kontext von Jes 7,1-17* in die Überlegungen miteinbezogen wird, sondern auch der weitere Kontext, nämlich die bei Authentizität von Jes 7* relevante Resterwartung Jesajas.58

J. Schreiners einziges expliziertes Argument für die Sekundärerklärung des „Schear-Jaschub" ist die fehlende Funktion des Knaben im ganzen weiteren Text. Dessen Relevanz setzt offensichtlich ein bestimmtes Modell eines Erzähltextes voraus, an dem die biblischen Texte gemessen werden sollen, das aber sicherlich höchst fragwürdig ist. Man könnte es - in grober Abbreviatur - vielleicht folgendermaßen präzisieren: Erzähltexte sind nur dann literarisch integer und in sich geschlossen, wenn alle darin vorfindlichen Einzelheiten (voll) zur Entfaltung gebracht werden. Als ähnlich einseitig und damit unzureichend erweist sich auch die neuerdings von E. Haag vorgeführte Begründung für den Sekundärcharakter, die sich in der Feststellung einer „Unausgeglichenheit" erschöpft, „insofern hier auf die Richtungsangabe ,dem Ahas entgegen' erneut eine Nennung des Propheten erfolgt, diesmal in Verbindung mit seinem Sohn, bevor in V. 3b die Richtungsangabe zu Ende geführt wird."59 Schon der Indizienwert „Unausgeglichenheit" dürfte fraglich sein. R. Bickert, der O. Kaisers Analyse von Jes 7,1-9 dahingehend modifiziert, daß er von einer vordtr Grundschicht eine dtr Bearbeitung abhebt, 60 liegt dagegen mit seiner Argumentation auf einer anderen Ebene: Indem er sich der Interpretation H. Wildbergers anschließt, der den Sinngehalt des mu)"1 ΊΧΰ) in „exakter theologischer Korrespondenz"61 zu V. 9b sieht, und V. 9b als dtr Erweiterung bestimmt, scheidet er folgerichtig auch V. 3aß aus. Ob der Interpretation H. Wildbergers auf jeden Fall zu folgen ist, erscheint aber fraglich. Zumindest ist R. Bickerts Argumentation, daß Jes 7,3aß nicht zur jesajanischen Restvorstellung passe,62 höchst inkonsequent: Ein solches Echtheitskriterium kann nicht zur Anwendung kommen, wenn man wie er schon die Grundschicht nicht mehr von Jesaja herleitet. 63 57

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Demgemäß handelt es sich bei der Beauftragung zur Mitnahme des Sohnes um den Befehl zur Ausführung einer symbolischen Handlung (s. dazu grundlegend G. Fohrer: Handlungen S. 29f). Zum Problem s. grundlegend U. Stegemann: Restgedanke; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 2 7 - 39; J. Hausmann: Israels Rest S. 139-170. E. Haag: Immanuelzeichen S. 5. S. R. Bickert: König Ahas S. 3 7 4 - 380. H. Wildberger: Jesaja I S. 279. S. R. Bickert: König Ahas S. 379. S. ders.: König Ahas S. 382.

2. Jesaja 7,3a.b.4a

137

b) Die Ausscheidung der Ortsangabe in V. 3b Die Ausscheidung der Ortsangabe in V. 3b in der neuesten Forschung reagiert wiederum im wesentlichen auf O. Kaisers dtr Ansiedlung von Jes 7* in der Grundschicht.64 In Jes 7,3b soll sich nach O. Kaiser eine antitypische Stilisierung des Ahas gegenüber dem Hiskia der Legenden manifestieren. Wo Jes 7* in der Grundschicht auf Jesaja zurückgeführt wird und die Charakterisierung O. Kaisers geteilt wird, läßt sich die Antitypik nur als redaktionelle Tendenz bewerten. Das Vorliegen nämlicher Ortsangabe in II Reg 18,17 par. wurde in der Forschung vor O. Kaiser kaum für belangvoll gehalten,65 obwohl man schon länger die Auffälligkeit der dezidierten Ortsangabe innerhalb der göttlichen Beauftragung empfand. 66 H. Wildberger scheint den Anstoß zu einem Neubedenken gegeben zu haben, indem er fragte: „Warum das Treffen ausgerechnet am ,Ende der Wasserleitung des oberen Teiches auf der Walkerfeldstraße stattfinden soll, ist für uns nicht recht durchschaubar."67 Solange man das Treffen an der Walkerfeldstraße 68 für ein historisches Datum hielt, haben sich einige Spekulationen um diesen Ort gebildet. Während Vermutungen wie die J. Steinmanns, Ahas habe am Tophet seinen Sohn dem Moloch geopfert und Jesaja solle ihm auf dessen Rückweg an der Walkerfeldstraße entgegentreten,69 auf Grund der historischen Unsicherheit von II Reg 16,3 abwegig sind, hat jene Hypothese große Gefolgschaft gefunden, die als Veranlassung für den Gang des Königs zu diesem Ort eine Inspektion der Wasserversorgung und/oder der an diesem Ort befindlichen Befestigungsanlagen erachtet. 70 Diese

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S. O. Kaiser: Jesaja I S. 144; seither haben W. Werner: Prophetenwort S. 17; R. Kilian: Jesaja I S. 52 und R. Bickert: König Ahas S. 373 V. 3b für sekundär erklärt; vor O. Kaiser schon J. Schreiner: Textgestalt S.95. Selbst P. Höffken [Grundfragen S. 33] möchte jüngst noch das doppelte Vorliegen als unableitbar stehen lassen. Vgl. K. Budde: Redaktion S. 228: „Liegt es nicht sehr nahe, anzunehmen, daß erst die kürzende Redaktion diesen Vermerk aus der hinter v. 9 getilgten Ausführung in den Auftrag v. 3 aufgenommen hat, damit die Stelle des Gottesgerichts nicht verloren ginge?" Diese Annahme basiert auf der höchst unwahrscheinlichen Auffassung K. Buddes, daß die ursprünglich an biographischen Daten reichen Darstellungen der Propheten durch eine rigoristische Redaktion diesbezüglich purifiziert worden seien. H. Wildberger: Jesaja I S. 276. H. Wildberger war freilich nicht der erste, dem dies auffiel. So führte schon P. de Lagarde [Anmerkungen S. 9], von dem H. Wildberger augenscheinlich abhängig ist, zum Problem aus: „warum Achaz von Isaias an der Wasserleitung aufgesucht werden mußte, erhellt nicht." Daß sich H. Wildberger nicht auf P. de Lagarde beruft, erhellt dagegen schon. Zur topographischen Lage s. u.a. M. Burrows: Conduit; R. Wenning/E. Zenger: Systeme S. 280 - 283; anders H. Donner: Israel S. lOf; O. Kaiser: Jesaja I S. 144; zum Handwerk der Walker s. G. Brunet: Terrain. S. J. Steinmann: Isai'e S. 83 mit A.3. Ausgereift liegt dies schon bei J.G. Eichhorn [Ueber Jes. VII S. 458] vor: „Ahas ist im Begriff die Festungswerke von Jerusalem beym obern Teich der Stadt zu besichtigen,

138

III. Literarkritische Entscheidungen

Auffassung verbindet auf schöne Weise den Ort des Treffens mit der für Jes 7,1-17 vorausgesetzten historischen Situation des bevorstehenden bzw. schon in Gang gekommenen Angriffs Arams und des Nordreiches auf Jerusalem, erweist sich aber gerade von daher nicht von Voraussetzungen unbelastet.71

W. Werner greift die von H. Wildberger gestellte Frage auf und führt hinsichtlich der Überlegungen in der Forschung, was es wohl mit diesem Ort auf sich habe, aus: „All diese Mutmaßungen erledigen sich, wenn man hinter der Ortsangabe die Absicht eines Redaktors erblickt, der das Versagen des Ahas an den Ort verlegt, wo später dann der Unterhändler des assyrischen Königs auftritt und die Frömmigkeit des Königs Hiskia sich bewähren kann." Das Urteil W. Werners ergibt sich einerseits aus der antitypischen Charakterisierung der Ortsangabe, andererseits daraus, daß er die Ortsbezeichnungen in Jes 7,3 und II Reg 18,17 par. für literarisch abhängig erklärt und das Abhängigkeitsverhältnis vom Königsbuch auf die JesajaStelle hin bewertet. Es ist in der Tat auffällig, daß sich „der Kanal des oberen Teiches an der Walkerfeldstraße" nur an diesen zwei Stellen im AT findet und dies bis auf die Präpositionen in ein und demselben Wortlaut. Mit H. Wildberger könnte man noch hinzufügen: „Es ist übrigens das einzige Mal, daß wir den Namen einer Straße in oder beim alten Jerusa-

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und überdenkt Muthlos sein und seines Reiches Schicksal bey dem bevorstehenden Ueberfall der verbündeten Feinde." Vgl. P.R. Ackroyd: Historians S. 130; A. von Bulmerincq: Immanuelweissagung S. 6; H. Donner: Israel S. 11; K. Engelken: Frauen S. 52; G. Fohrer: Jesaja I S. 106; G.B. Gray: Isaiah S. 117; H.W. Hoffmann: Intention S. 60; R. Kilian: Verheißung S. 16; H.-J. Kraus: Prophetie und Politik S. 72; Ε Λ . Leslie: Isaiah S. 48; O. Procksch: Jesaia S. 114; G. von Rad: Heiliger Krieg S. 57; K. Seybold: Königtum S. 67; H. Wildberger: Jesaja I S. 277; H.W. Wolff: Frieden S. 16; E. Würthwein: Jesaja 7,1-9 S. 133; zur grundsätzlichen Kritik s. H.-C. Schmitt: Gegenwartsbedeutung S. 278: „man muß solchen Auslegungen biblischer Texte, die mit von außen an den Text herangetragenen Materialien arbeiten, mit großer Vorsicht begegnen." Dies bes. auch gegen R. Wenning/E. Zenger: Systeme S. 281-283, die neuere archäologische Funde dahingehend auswerten, daß Jesaja den König „an der hektischen Großbaustelle an der Walkerfeldstraße beim Südtor" aufsuchen soll, noch dazu über den Umweg Walkerfeldstraße, „archäologisch plausibel, wenn das Südtor infolge der laufenden oder bereits abgeschlossenen Baumaßnahmen des Ahas nicht passierbar bzw. aus strategischen Gründen insgesamt blockiert war." Es dürfte schon kaum gerechtfertigt sein, Baumaßnahmen „vor dem Bau des Tunnelkanalsystems durch Hiskija" auf eine „Verteidigungsmaßnahme des Ahas" engzuführen, „mit der er sich auf die drohende Belagerung Jerusalems im sog. syrisch-ephraimitischen Krieg 734/3 vorbereitete." S. schon E.G. Kraeling: Immanuel Prophecy S. 277 A.2, der diese Annahme für „purely imaginative" hält. Einschränkend natürlich auch O. Kaiser: Jesaja I S. 146. W. Werner: Prophetenwort S. 17.

2. Jesaja 7,3a.b.4a

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lern erfahren"73, um die Auffälligkeit dieser Doppelüberlieferung zu illustrieren, die auf literarische Abhängigkeit hinzudeuten scheint. Wenn man die Schilderung des Ahas in Jes 7* als antitypisch gegenüber Hiskia bestimmt, so läßt sich eine solche literarische Abhängigkeit der beiden Stellen nur in der Weise deuten, daß Jes 7,3 nach II Reg 18,17 bzw. Jes 36,2 gebildet ist, wozu die Beobachtung W. Werners, daß die Ortsangabe in den Legenden „eng mit dem Erzählablauf verwoben"74 ist, durchaus stimmig ist. Setzt man nun das Abhängigkeitsverhältnis in dieser Weise voraus, kann es nur zum literarkritischen Kriterium werden, wenn gleichzeitig eine authentische Grundschicht anvisiert wird. Insofern stehen wir auch hier vor einem Echtheitskriterium. Befragt man Jes 7,3b stattdessen allein auf Grund textinterner literarkritischer Kriterien, ergibt sich keinerlei Handhabe, die Ortsangabe aus der einfachen Einheit von Jes 7* zu eliminieren. Zwar wird man sie nach dem Direktiv τπχ nxnpb nicht für notwendig halten,75 auffällig oder anstößig 73 74 75

H. Wildberger: Jesaja I S. 276. W. Werner: Prophetenwort S. 17. Dagegen s. H. Irsigler: Zeichen S. 86 A.40: „In V. 3 ist eine erläuternde Ortsangabe zum Direktiv ,Ahas entgegen' notwendig". Diese apodiktische Behauptung ist freilich nicht gerade angebracht. Die Verbindung nxipb xir findet sich 38mal im AT. Die Belege lassen sich grob in zwei Gruppen aufteilen: 1.) An zahlreichen Stellen ist der Ausdruck xs- nx~ipi> als terminus technicus des Kriegswesens gebraucht, der die Bewegung eines Heeres bezeichnet. Dementsprechend handelt es sich bei Χ-Γ um ein „Vorrücken" oder „Ausrücken", das nx"ipi> entspricht „gegen" im feindlichen Sinne, was eine lokale Bedeutung schon deshalb nicht ausschließt, weil es sich bei xir um ein Verb der Bewegung handelt (s. dazu Num 20,18.20; 21,23.33; Dtn 1,44; 2,32; 3,1; 29,6; Jos 8,5.14.22; Jdc 20,25.31; I Sam 4,1; (17,55?); II Sam 18,6; II Chr 35,20; Hi 39,21 < übertragen >). 2.) Sein ursprüngliches Bedeutungsspektrum entfaltet Χ2Γ als Korrelat zu X"Q an den anderen Stellen. Hier ist nxipb xs" Ausdruck für eine doppelte Bewegung: Α geht Β entgegen, d.h. Β befindet sich selbst in Bewegung auf Α zu. Paradigmatisch hierfür kann Gen 30,16 genannt werden: „Als Jakob am Abend vom Felde kam, ging ihm Lea entgegen." (vgl. Gen 14,17; Ex 18,7; Num 22,36; 31,13; Jdc 4,18.22; 11,31.34; I Sam 9,14; 13,10; 30,21; II Sam 6,20; Jer 41,6; Sach 2,7; s. dazu die Belege unter 1.) Num 20,18; 21,33; Dtn 1,44; 3,1; Jdc 20,25) Eine gewichtige Ausnahme in diesem Zusammenhang bildet Ex 4,14, wo Moses das Volk Gott zuführt. Neben dem Direktiv nxnpb findet sich eine nähere Ortsbezeichnung nur selten. Der Natur der Sache entsprechend kann sie fehlen, wo der, dem entgegengegangen wird, in Sichtweite ist (vgl. wieder Gen 30,16). Belegt ist sie in Gen 14,17; Num 21,23; 22,36 und mit rnnW? umschrieben in Num 21,33; Dtn 2,32; 3,1; Jos 8,14. Dabei handelt es sich nur bei den ersten Belegen um nähere Ortsbezeichnungen zu nxip^. Sie geben den Treffpunkt der Personen an, die sich aufeinander zu bewegen. Notwendig ist diese Angabe jedoch nicht. Nach Imp. findet sich ΠΧΊ0 im AT an 11 Stellen (Ex 4,27; Jos 9,11; Jdc 7,24; I Reg 21,18; II Reg 4,26; 9,17; Jes 7,3; 21,14; Am 4,12; Ps 35,3; 59,5). Eine nähere Ortsbezeichnung findet sich dabei abgesehen von Jes 7,3 nur in Ex 4,27 (rrmDrr mit he-locale), läßt sich bei weiteren

140

III. Literarkritische Entscheidungen

ist sie in dieser Hinsicht jedoch keineswegs. Damit ist das Problem aber keineswegs erledigt: Hat man die Parallelität von Jes 7,3b und II Reg 18,17 par. erkannt, nötigt der bis auf die Präpositionen identische Wortlaut der Ortsangaben und die von H. Wildberger herausgestellten Tatsachen, daß die beiden Stellen die einzigen sind, an denen die Walkerfeldstraße, ja überhaupt eine Straße Jerusalems im AT genannt ist, zu weiterer Untersuchung: Sollte es sich nämlich tatsächlich so verhalten, daß die Ortsangabe in Jes 7,3 von II Reg 18,17 abhängig ist, wäre die Grundschicht von Jes 7 als nachjesajanisch anzusprechen.

Exkurs zum Verhältnis von II Reg 18,17 und Jes 7,3b In der Frage des Verhältnisses von II Reg 18,17 und Jes 7,3b sind die Auffassungen der Exegeten kontrovers und sie werden es bleiben. Es besteht ein Bestätigungsdilemma, das auf den unterschiedlichen Einschätzungen der Denkschrift basiert. Solange diese - ein Ende ist nicht abzusehen - sich erhalten, ist jenes nicht zu lösen. Die Argumentationen pro und contra sind von daher immer in gewisser Weise zirkulär. Die Frage der Abhängigkeitsver-

Belegen jedoch aus dem Kontext erschließen. Läßt man die Ortsbezeichnung in Jes 7,3 probeweise weg, könnte man, wiederum vom als einheitlich vorausgesetzten Kontext ausgehend, vermuten, daß sich Jesaja zum Palast zu begeben hat, zum „Haus David", aus dem Ahas, der sich aus Angst an den Gottesmann wenden will, ihm entgegenkommt. Scheint eine solche Interpretation auch gewagt, weil sie den Begriff i n svn auch lokal faßt, ist bei Zulassung der Ortsbezeichnung jedoch auch eine andere Interpretation nicht gerade einsichtig, nämlich jene, nach der sich Ahas an der Wasserleitung an der Walkerfeldstraße aufhalten soll. Vielmehr wird man in Analogie zu Gen 14,17 anzunehmen haben, daß der Kanal der Treffpunkt ist, an dem König und Prophet aus zwei verschiedenen Richtungen kommend zusammentreffen, nach Jes 7,3 zusammentreffen sollen, sei es, daß beide gleichzeitig dort eintreffen oder Jesaja dort angekommen den König erwartet. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß nxipb XS' fast ohne Ausnahme in der Bedeutung „entgegengehen" eine doppelte Bewegung anvisiert. Wenn der König sich aber noch nicht dort befindet und somit auch noch nicht die Wasserleitung inspiziert, stellt sich die Frage, was es mit der Örtlichkeit auf sich habe, die König und Prophet als Treffpunkt dienen soll, neu. Wenn Jes 7,3 von II Reg 18,17 par. literarisch abhängig wäre, könnte man auf die Antitypisierung des Ahas gegenüber dem Hiskija der Legenden verweisen und vermuten, daß die Ortsangabe im Blick auf Jes 8,6 eingefügt wurde. Dem Sich-Versagen des Ahas in Jes 7 entspricht das Verwerfen der Wasser des Siloah in Jes 8,6. Mit der Botschaft verwirft Ahas den Ort, der für Jahwes Schutz steht. Die gängige Auffassung, nach der Ahas die Wasserleitung inspizieren soll, scheint auf jeden Fall mehr als fragwürdig. Man versuche einmal, das häufig vorausgesetzte Verständnis von Jes 7,3, nach dem Jesaja hinausgehen soll zur Wasserleitung, um den dort sich aufhaltenden Ahas zu treffen, ins Hebr. zu übertragen. Müßte in diesem Falle nicht etwa folgendes zu lesen sein: 133 aiBhnxah nnx...nb5>n nxpa ιώχ inx"i>x xrii>?

Exkurs zum Verhältnis von II Reg 18,17 und Jes 7,3b

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hältnisse scheint zwar neuerdings durch C. Hardmeier 76 endgültig dahingehend entschieden, daß II Reg 18,17 auf Jes 7,3 zurückgreift, aber diese Endgültigkeit erweist sich als Schein, weil die Entscheidung über die Abhängigkeitsverhältnisse die Entscheidung für die Authentizität von Jes 7 im ganzen als Teil der „sog. Denkschrift" 77 voraussetzt. Von daher muß die Text-Text-Beziehung Jes 7,3; II Reg 18,17 in der Abhängigkeit der Stelle des Königsbuches von Jes 7,3 gesehen werden. Auf Grund seiner nicht unumstrittenen Hypothese einer „Offenbarungserzählung" erübrigt sich eine weitere Argumentation und dies ganz gegen •

· ·

78

seine an O. Kaiser gerichtete Kritik. Die Entscheidung C. Hardmeiers ergibt sich wie die O. Kaisers als Konsequenz der zeitlichen Ansetzung von Jes 7. Das einzige Argument, das für ersteren zu sprechen scheint, ist seine Konformität mit der Mehrheit der Forscher. Denn läßt man die literarhistorischen Situierungen der Texte beiseite, bestätigt sich eher die Auffassung O. Kaisers und zwar aus folgenden Gründen: 1.) Die detaillierte Ortsbestimmung im Botenauftrag Jahwes an Jesaja in Jes 7,3 ist auffällig. 2.) Im Erzählzusammenhang von II Reg 18 ist eine Ortsbestimmung anders als in Jes 7 notwendig. 3.) Es muß sich in II Reg 18 um eine Stelle handeln, die für solche Unterhandlungen, wie sie in II Reg 18 beschrieben werden, geeignet ist und nicht weit entfernt von der Stadtmauer liegt. Dies trifft auch zu, wenn es sich um eine fiktive Lokalisierung der Begegnung des Rabschake mit den Jerusalemer Unterhändlern handelt. 79 Wenn man nun anzunehmen hätte, daß II Reg 18,17 von Jes 7,3 abhängig ist, wäre es als ein zufälliges Zusammentreffen verschiedener Fakten anzusehen, die die Übernahme von Jes 7,3 in II Reg 18,17 möglich gemacht hätte: a) Der Verfasser von II Reg 18,17 hätte gemäß der Antitypologie, die C. Hardmeier in Umkehrung der Vorzeichen von O. Kaiser aufnimmt, Jes 7 als Erzählung eines jesajanischen Heilsorakels (V. 4 - 9 a ) verstehen müssen, „dem Ahas jedoch mißtraut und nicht Folge geleistet hatte ( 7 , 1 0 - 17)." 8 0 Ob man ein solches Verständnis angesichts der Vielfalt divergierender exegetischer Interpretationen, zumal angesichts des „Immanuel" wie selbstverständlich voraussetzen kann, scheint mir mehr als fraglich, b) Für Jes 7,3 spielt es geographisch betrachtet keine Rolle, wo sich Jesaja und Ahas treffen. Für II Reg 18,17 aber muß dieser Ort für die Unterhandlungen - möglicherweise sogar für einen Heeresaufmarsch - geeignet und in der Nähe der Stadtmauer gelegen sein. Es wäre eine glückliche Fügung, könnte der Verfasser von II Reg 18,17 den Rabschake dort aufmarschieren lassen, wo sich einstmals anscheinend Ahas zur Inspektion der Wasserversorgung aufhielt, c) Problematisch muß auch erscheinen, daß „die typologisch interpretie-

76

S. C. Hardmeier: Prophetie, vor allem S. 438f; vgl. z.B. H. Wildberger: Jesaja III S.

77

Ders.: Prophetie S. 416. Bei C. Hardmeier heißt sie sogenannt, weil sie seiner Ansicht

1391; A. Laato: Immanuel: S. 124. nach besser als „autobiographische Offenbarungserzählung" (s. ders.: Verkündigung S. 124) zu charakterisieren ist, im Unterschied zu sog. „Denkschrift" als redaktioneller Größe etwa bei O. Kaiser. 78

S. ders.: Jesajaforschung S. 17: „Doch selbst wenn man eine direkte Beziehung denken würde, ist damit noch lange nicht über die Frage entschieden, welcher der Texte von welchem abhängig ist. Das gilt auch für die angeblich aus 2 Kön 18,17 .entlehnte' Situationsschilderung in Jes 7,3." Zu O. Kaisers Argumentation s. ders.: Jesaja I S. 143f.

79 80

So C. Hardmeier: Prophetie S. 438f, soweit ich sehe, ohne explizite Begründung. C. Hardmeier: Prophetie S. 439; vgl. A. Laato [Immanuel S. 124], der von der Idealisierung Hiskias in Jes 36 - 39 auf die Priorität von Jes 7,3b schließt.

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III. Literarkritische Entscheidungen

rende Nebenabsicht des Erzählers in der Wahl dieses geschichtsträchtigen Begegnungsortes" 81 sich nur in dieser Lokalisierung direkt zeigt. Freilich umgeht C. Hardmeier diese Auffälligkeit, indem er einerseits annimmt, die „ABBJ-Erzählung als ganze dürfte auch als bewußte Antitypologie zu Jes 7 gedacht und konzipiert worden sein"82, andererseits aber die antitypologische Beziehung als „assoziativen Nebenzug" bestimmt, der die „narrative Basisstruktur der ABBJ-Erzählung" nicht tangiert, und auf die über Jes 7,3 hinausgehenden „vielfältigen Situationsanalogien zwischen Jes 7 und II Reg 18,17-19,7'u>* r a m r r i n ist höchst auffällig. O. Kaiser [Jesaja II S. 93] verweist auf Ex 9,35; Lev 10,11; I Sam 28,17; I Reg 12,15; Jer 37; Hag 1,1. 3. Wir fügen dem noch II Reg 17,23; 21,10 hinzu. Darüber, was das für Jes 7,10 und 8,5 bedeutet, läßt sich natürlich streiten. S. H. Wildberger: Jesaja I S. 266f; vgl. G. Fohrer: Jesaja I S. 110.

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III. Literarkritische Entscheidungen

V. 12 enthaltenen Vorwurf in Schutz zu nehmen" 211 sucht, oder, wie W. Werner meint, „den göttlichen Ursprung des Zeichens sichern" 212 will, Schwierigkeiten bleiben trotzdem: 1.) Sollte HDTn ohne mm ursprünglich sein, 213 ist auffällig, daß hier offensichtlich erstmals Jesaja spricht, ohne daß der Subjektwechsel von V. 3 auf V. 10 durch die Einführung des nun Redenden kenntlich gemacht wäre. 2.) Weder R. Kilian noch O. Kaiser, H. Irsigler oder W. Werner nehmen Anstoß daran, daß Jes 7,3 eine Gottesrede vorbereitet, in die V. 7a durch die Botenformel, in deren Anschluß Botenrede bzw. Gottesspruch zu erwarten ist, einschneidet. Besteht man aber in V. 10 darauf, angesichts des Folgenden Jesaja zum Sprecher zu machen, muß auch in V. 3 die Instruktion als sekundäre literarische Gestaltung aufgefaßt werden, denn V. 4 - 9 ist bei der Auftragserledigung durch Jesaja nicht in eine Botenrede umzusetzen. Verlangt die Boteninstruktion bei ihrer Erledigung ein vorangestelltes mm nox m , doppelt sich damit die in V. 7a belegte Botenformel. 214 Den angeführten Exegeten scheint m.E. die Möglichkeit, die Prophetenrede mit der Einleitung in Stimmung zu bringen, anstößig zu sein, und auf Grund dessen wird ohne viel Aufhebens der Ausweg der redaktionellen Umstilisierung, der sich in der Tat anbietet, gewählt. Sucht man nämlich nach einer jesajanischen Grundschicht (Ausnahme: O. Kaiser), will Jes 7,10 aus dem Munde des Propheten kaum gefallen. Wäre der Vers nämlich ursprünglich, wie er ist, und Jesaja zuzusprechen, wäre die Interpretation von O. Procksch unausweichlich: „Der Prophet ist Jahves Mund, sein gehorsamer Knecht. Jahve ist's, der auf Achaz eindringt, dessen Stunde da ist."215 Jesaja, der in Jes 6 des unendlichen Unterschiedes zwischen Gott und Menschen ansichtig geworden ist, mag man solche Identifizierung kaum zutrauen, in diesem Interpretationszusammenhang sicherlich auch mit Recht.

Wäre der ersatzlosen Streichung von „Jahwe" zuzustimmen, bliebe im Verständnis von Jes 7,10-17 und Jes 7,1-9 immer noch eine gewisse Spannung in der logischen Abfolge erhalten: Nach V. 3 kann nur „Jahwe" fortfahren zu reden, nicht aber Jesaja, Jahwe kann sich aber nicht erneut an Ahas richten, sondern nur an den Propheten. Dieses Problem wird zumeist mit dem Hinweis auf den hebr. Erzählungsstil und den einschlägigen Aufsatz von W. Baumgartner erledigt, der es als eine Eigenart hebr. Erzählungen herausgearbeitet hat, daß nach

211 212

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O.Kaiser: Jesaja I S. 150 A.l. W. Werner: Prophetenwort S. 18; vgl. H. Irsigler: Zeichen S. 79: „Entscheidend aber ist die Tendenz, das gesamte Jesaja-Wort des folgenden Gesprächs mit Ahas im Jahwewort zu begründen." S. dazu schon R. Kilian: Verheißung S. 32. So explizit H. Irsigler: Zeichen S. 79. So richtig M. Saeb0: Erwägungen S. 58f; s. oben S. 155. O. Procksch: Jesaia S. 119. S. W. Baumgartner: Kapitel.

5. Jesaja 7,10-13

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der Schilderung eines Auftrags die Mitteilung von dessen Erledigung entfallen kann, gerade auch „dort, wo es sich um einen Auftrag Jahwes an einen Propheten handelt; denn daß ein solcher sich wie Jona dem Auftrag entziehen will, ist etwas ganz Außergewöhnliches."217 Trotz dieser klaren Auskunft bleibt zu fragen, ob die Fortsetzung einer Erzählung nach einem Botenauftrag wie in Jes 7,10 die Auftragserledigung ohne jeglichen Vermerk voraussetzen kann. Hierzu genügt es schon, die Belege W. Baumgartners für das Königsbuch zu sichten: I Reg 12,24b knüpft an die vorausgesetzte Erledigung des Auftrages der V. 22 - 24a mit "im mm an, vermittelt also zwischen Auftrag und Folge der Auftragserledigung. Sowohl I Reg 16,1-4 als auch 20,4-6 sind ohne Handlungsfortsetzung. In I Reg 21,17-20 und II Reg 1,2-6 besteht eine unvermittelte Fortsetzung. Daß dies nun guter Stil ist, wird man für beide Stücke verneinen dürfen, denn in beiden Fällen scheint das Fehlen einer Vermittlung durch redaktionelle Einschübe veranlaßt zu sein. In I Reg 21,17ff schiebt sich die Antwort Ahabs auf den Wortauftrag in eine Botenrede, wodurch sich von V. 20 auf V. 21 ein unvermittelter Übergang von der Rede über Jahwe in der 3. Pers. in die Jahwe-Rede (1. Pers.) ergibt. In II Reg 1,2 - 6 dagegen scheint die Beauftragung Elijas durch den mm "|xi>D gänzlich sekundär zu sein, zumal der anaphorische Bezug von V. 5 nicht die Einführung weiterer Aktanten in V. 3 gestattet und sich V. 3b*.4* mit V. 6* doppelt.218 Doch wenn auch in beiden Fällen die Jes 7,1-17* vorliegende Konstellation durch einen redaktionellen Eingriff zustande gekommen sein sollte, bedeutet dies keineswegs die stilistische Unmöglichkeit der Fortsetzung einer Beauftragung, als sei der Auftrag, der allein geschildert wird, erledigt. Der postulierte Redaktor kann in I Reg 21,20 Ahab ja nur antworten lassen, wenn er mit der Beauftragung deren Erledigung voraussetzt, jener in II Reg 1,3-5 den Auftrag nur eintragen, wenn er damit die Erledigung gegeben sieht. Sollten diese auch keine „großen" Stilisten sein, scheinen sie doch trotzdem Zeugen für die von W. Baumgartner erhobene Eigenart hebr. Erzählungsstils zu sein, die auch in Jes 7,1-17* bezeugt ist.219

c) Zum literarischen Verhältnis von Jes 7,10-17* zu Jes 7,1-9* Nach dem Dargelegten scheint es mir ausgeschlossen, daß in Jes 7,10-17 eine ursprünglich selbständige Einheit vorliegt, sofern man eine solche in V. 10 oder V. 11 beginnen läßt. Wie schon dargelegt220 besagt dies aber nicht, daß die Grundschicht von Jes 7,1-17 über V. 9 hinausgegangen ist. Es könnte sich bei V. 10-17* ebenso gut um eine Anschlußdichtung handeln.

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W. Baumgartner: Kapitel S. 148. Vgl. E. Würthwein: Könige II S. 245 - 253. 266 - 269. Wenn aber mit der Beauftragung die Erledigung vorausgesetzt ist, ist nicht nur Jes 7,3-9 stilistisch erklärt, sondern auch sein Zusammenhang mit Jes 7,10-17. Gegen P. Höffken [Notizen S. 325 A.10], der die Argumentation für tautologisch hält. S. oben S. 101-104.

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III. Literarkritische Entscheidungen

In diesem Sinn faßt O. Kaiser Jes 7,10 - 1 7 auf: „In 7,10 - 1 7 liegt eine Erzählung über ein abgelehntes Zeichenangebot vor. Entstammte sie der gleichen Hand wie 7,1-9 sollte man einen den Übergang von der einen zur anderen Erzählung vermittelnden Satz erwarten. Sachlich hätte er von der Reaktion des Königs auf das ihm durch den Propheten vermittelte Gotteswort handeln müssen." 221 Ganz sicher ist sich O. Kaiser freilich nicht, ob nicht vielleicht doch ein Verfasser für 7,1-9 und 7,10-17 anzunehmen ist,222 und dies völlig zu Recht. Das Fehlen einer Vermittlung zwischen V. 1 - 9 und V. 10-17, das den Ausschlag für die Annahme zweier Verfasser gibt, verträgt sich nämlich kaum damit, daß O. Kaiser die Erzählung in 7,10-17 „als eine sich zwar deutlich an die vorausgehende anschließende, aber ihr gegenüber literarisch doch selbständige Fortschreibung" 223 anspricht, die dem Mangel abzuhelfen suchte, daß Jes 7,1-9 „die Frage unbeantwortet [läßt], wie sich König Ahas der Gottesbotschaft gegenüber verhalten hat." 224 Setzt man einen solchen „Fortschreiber" voraus, überrascht aber das Fehlen eines Übergangs wohl noch mehr als dann, wenn man ein und denselben Verfasser anzunehmen hätte. Denn gesetzt den Fall, der Verfasser von V. 10-17 hätte das Fehlen einer Reaktion des Ahas auf die Gottesbotschaft zum Anlaß seiner Fortschreibung genommen: was wäre naheliegender gewesen, als seine Erzählung folgendermaßen zu beginnen: „Und Jesaja tat nach all diesen Worten. Der König aber schwieg. Da richtete Jesaja erneut das Wort an Ahas und sprach..." Eine entsprechende Vermittlung erwartet O. Kaiser nur für den Fall eines ursprünglichen Zusammenhangs von V. 1 - 9 und V. 10-17. Sie läßt sich aber genausogut für einen Redaktor annehmen. Ihr Fehlen taugt insofern kaum als literarkritisches Argument zur Rechtfertigung einer Erweiterung in V. 10-17.

So besteht im Blick auf V. 10 keinerlei Handhabe für das Urteil, ob Jes 7,10-17 mit 7 , 1 - 9 zusammengeht oder eine Anschlußdichtung darstellt. Damit darf man aber von der Einheit der Stücke 7,1 - 9 und 7,10-17 in ihrem szenischen Zusammenhang ausgehen.225 Für V. 10 wird folgende Wiedergabe vorgeschlagen: „Und Jahwe richtete erneut das Wort an Ahas, indem er sprach" und damit die Elimination von „Jahwe" ausgeschlossen. Dies geschieht weder aus gattungstypischen Hinsichten226 noch wegen des Fehlens textkritischer Anhaltspunkte227, vielmehr deshalb, weil 1.) schon

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O. Kaiser: Jesaja I S. 137; vgl. G. Quell: Propheten S. 171 A.l, der V. llff für eine „Wucherung" hält. S. O. Kaiser: Jesaja I S. 118. Ders.: Jesaja I S. 152. Ders.: Jesaja I S. 137. Zum Begriff des szenischen Zusammenhangs s. P. Höffken: Notizen S. 323 - 325; von diesem Urteil unbeschadet bleibt eine mögliche weitgehende Destruktion des Szenariums, wie sie P. Höffken vorschlägt. S. R. Bartelmus: Stilprinzip S. 58. Daß „Ahas wie Gideon von Jahwe zum Führer im Jahwekrieg ausersehen ist - in v. 10 spricht Jahwe in gattungstypischer Weise selbst mit Ahas!", vermag freilich nur der Leser zu realisieren. S. F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 37, unter Absehen von Tg., im Ergebnis aber richtig.

5. Jesaja 7,10-13

175

V. 3 auf das göttliche Reden abhebt, unter das die Botschaft Jesajas an Ahas völlig gestellt wird, obwohl auch hier (V. 7a) Schwierigkeiten bestehen bleiben, 2.) weil die Stilisierung in V. 3f nicht mit zwingenden Gründen als sekundär bewiesen und in seinem möglichen ursprünglichen Wortlaut rekonstruiert werden kann, 3.) weil ~Q"r pi. mit folgendem iDXb in Jes 1 - 3 9 nur hier sowie Jes 8,5; 16,14; 20,2 belegt ist und in all diesen Stellen Jahwe Subjekt ist und 4.) weil es im ganzen AT zu Jes 7,10 nur eine einzige Parallele für ηο"1 + "im + "iDXb gibt, nämlich Jes 8,5. d) Jesaja 7,11b Literarisch gibt es keinerlei Anhaltspunkte, die V. IIb, die Apposition zum Zeichenangebot von V. IIa, als sekundäre Erweiterung ausweisen. Zwar beanstandet H. Strauß die Wiederholung von bxu),228 diese Beobachtung ist aber schon in MT unscharf, da es sich im ersten Fall um ein Verb, im zweiten um ein Nomen handelt, gänzlich hinfällig jedoch, wenn man die Vokalisation als sekundär anerkennt. 229 Wird aber in V. I I b „die Größe des Angebotes [...] schon über geschichtliches Maß" 2 3 0 unterstrichen, so ergibt sich nichts anderes als ein Echtheitskriterium, das noch dazu auf schwacher Basis ruht, weil es lediglich die Weite des Zeichenangebots im Munde des Propheten für anstößig hält. 231 Für W. Werner ist V. IIb wiederum Ausdruck der redaktionellen antitypischen Stilisierung des Ahas und 2.), was sein Vokabular betrifft, kaum jesajanisch. 232 Zu 1.) Ahas wird hier wie Hiskia in II Reg 20,9ff eine Zeichenwahl eingeräumt. Durch die Streichung von V. IIb wird dieser postulierte Bezug freilich in der Grundschicht nicht gänzlich ausgeräumt. In V. IIa bleibt das Zeichenangebot stehen.

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S. H. Strauß: Messias S. 48. rbXvi wird von α σ θ, LXX, Vg. vorausgesetzt, dieser Lesart dürfte mit H. Wildberger [Jesaja I S. 267] und R. Kilian [Verheißung S. 13 A.7] zu folgen sein, um so mehr, als man die in MT bezeugte Lesart als absichtliche Veränderung eines Abschreibers deuten kann, die Anstoß an der Ausweitung des Zeichenangebots auf den Bereich der Scheol genommen hat. H. Strauß: Messias S. 48. S. schon H. Wildberger: Jesaja I S. 286, der sich schon unsicher ist, ob Jes 7,11 das Zeichenangebot historisch wiedergibt.„Angesichts des zweifellos legendären Angebots, das Jesaja nach 38 7f. Hiskia gemacht haben soll, wird man es tatsächlich nicht für ausgeschlossen halten, daß an diesem Punkt die Wirklichkeit übermalt ist". Erne Handhabe zur historischen Sicherung des Angebots hält H. Wildberger jedoch für nicht gegeben. S. W. Werner: Prophetenwort S. 17f; vgl. R. Kilian: Jesaja I S. 54.

176

III. Literarkritische Entscheidungen

Zu 2.) Hinsichtlich des Vokabulars 233 kann sich W. Werner nur auf den jesajanischen Gebrauch von bXiä stützen und hält fest, „daß alle Stellen in Jes 1-39, die von der Scheol sprechen und gemeinhin als authentisch angesehen werden, die Unterwelt in mythischpersonifizierender Weise vorstellen"234. Den drei Stellen 5,14; 28,15.18 stehen ebenso viele entgegen, die den Begriff der Scheol komplementär zu „oben" oder „Himmel" belegen: Ps 139,8; Hi 11,8; Am 9,2. Sollten diese selbst alle spät zu datieren sein, bilden sie doch keine hinreichende Belegbasis, zumal zu fragen sein dürfte, ob die ansonsten belegte jesajanische Verwendung im Zusammenhang von Jes 7,11b überhaupt von Bedeutung ist.

Stilistisch - das scheint mir gegen eine Ausscheidung zu sprechen wirkt V. IIa allein ein wenig dürftig. Das nachholende Moment in V. IIb paßt zum hebr. Rede- und Erzählstil genauso gut wie die doppelte Ablehnung des Zeichenangebots durch Ahas in V. 12. Auch dort wäre ja bxtöx Xb bzw. rnrr-nx rmx xb jeweils durchaus hinreichend.235 e) Jesaja 7,13 S.H. Blank hat sich m.W. erstmals für „a side-stepping of the thirteenth verse" 236 ausgesprochen. Ausschlaggebend dafür waren ihm vor allem kontextuelle Schwierigkeiten: Nach der Abgrenzung auf Jes 7,1-16 stört V. 13 den Zusammenhang: „Remove verse 13 and the composition in verses 1 - 1 6 has a single mood, a benign and gentle mood, a mood, to be sure which is far from characteristic of Isaiah, but a single mood nevertheless."237 Abgesehen davon, daß schon diese Beschreibung kaum völlig stimmig ist 238 und durch die Abtrennung von V. 17 erkauft ist, bleibt vor allem zu beanstanden, daß der neue Platz, den S.H. Blank für V. 13 vorsieht, wenig überzeugt: Vor V. 17, hinter dem die Anrede-Situation verlassen ist, ist die pluralische Anrede unpassend, was S.H. Blank zuzugeben bereit ist, ohne eine akzeptable Lösung präsentieren zu können. 239

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S. schon die unsichere Argumentation von J. Schreiner: Textgestalt S. 97. W. Werner: Prophetenwort S. 18. Vgl. M. Görg: Hiskija S. 112, nach dem „llbc nicht anders denn als kommentierende Explikation zu IIa zu sehen ist, wie 12c seinerseits als deutende Umschreibung von 12b aufgefaßt werden muß." S.H. Blank: Immanuel S. 83; vgl. ders.: Faith S. 16. 18f. 22. Ders.: Immanuel S. 83. S.H. Blank [Immanuel S. 83fJ muß überdies vermuten, daß auch Schear-Jaschub ursprünglich in eine später weggefallene Einleitung zu V. 13+17ff gehört, und sich hinsichtlich V. 9b der Emendation und Umstellung C. Steuernagels [Einleitung S. 483] anschließen, dem folgend V. 9b, ursprünglich singularisch formuliert, nur ein einfacher Bedingungssatz war und an den Anfang von V. 11 gehörte: „wenn du nicht glaubst, fordere dir ein Zeichen". S. S.H. Blank: Immanuel S. 83 A.2.

5. Jesaja 7,10-13

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S.H. Blanks Argumentation ist fast völlig inhaltsbezogen und insofern wenig überzeugend. Trotzdem findet zumindest dessen Beobachtung, daß die pluralische Anrede in V. 13 nach V. 1 0 - 1 2 stört, 241 heute vermehrt Anhänger. So verweist H. Strauß auf „die im Duktus unvermittelte (erneute) Anrede an eine Mehrheit" 242 und auch M. Görg stellt diesbezüglich eine „Diskontinuität" fest, hält dies aber allein nicht für ein „hinlängliches Kriterium der Literarkritik" 243 . Von wesentlicher Bedeutung bei diesem Problem ist die Frage, ob V. 13 eine literarisch primär sinnvolle Antwort auf V. 12 sein kann. M. Görg verneint: „Der Verweigerung des Königs gegenüber YHWH sollte nun am ehesten in einer direkten Antwort die Reaktion YHWHs zum Ausdruck gebracht werden, jedoch so, daß das nun einmal ausgeschlagene ,Zeichen' nicht mehr thematisiert und dafür die alleinige Initiative YHWHs akzentuiert würde. Dieser erwarteten Konsequenz trägt aber erst V. 17 Rechnung, da hier einer Zukunft das Wort geredet wird, die dem Nein des Königs das Nein Gottes gegenübersetzt." Mit gleichem Recht könnte man freilich erwarten, daß auf die Ablehnung des Ahas jetzt erst recht ein Zeichen folgen muß, entweder, um diese Ablehnung des Ahas als negatives Verhalten zu entlarven, oder deshalb, weil Jahwe nun selbst das Zeichen gibt, dessen Wahl Ahas in seiner frommen Haltung nicht wagte. Denn daß die Ablehnung in V. 12 eine Verweigerung ist, ergibt sich ja nicht aus dem Vers, sondern aus V. 13 oder schon V. 9b, die für M. Görg jedoch beide nicht ursprünglich auf V. 12 zu beziehen sind. Damit behält er aber trotz der Kappung der Bezüge, die V. 12 in seiner Bedeutung festlegen, diese kontextbezogene Deutung bei. Sollte V. 13 jedoch sekundär sein, dürfte die Interpretation S.H. Blanks durchaus zu berücksichtigen sein: „Now, when Ahaz refuses the sign, there is no reason whatever to charge him with mock piety [...]. His unquestioning faith is piety of the highest order, the sort that God rewards." 245 Geht man vom Text aus und nicht von Erwartungen, ergeben sich für V. 13 als Folgeglied zu V. 12 trotzdem Schwierigkeiten. Nicht nur, daß V. 13 sich nicht mehr allein oder direkt an Ahas richtet, auch sein Inhalt scheint nicht so recht als Antwort auf V. 12 zu passen. Was hat es mit dieser in der Frage artikulierten Kontrastierung des Ermüdens von Men-

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S. R. Kilian: Verheißung S. 35 A.49, der S.H. Blanks Ausscheidung von V. 13 zu den „typisch willkürliche[n] Textmanipulationen" zählt; vgl. die Ablehnung von O. Kaiser: Jesaja I S. 150 A.l. S. S.H. Blank: Immanuel S. 83 A.2. H. Strauß: Messias S. 48. M. Görg: Hiskija S. 110; vgl. C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 42. M. Görg: Hiskija S. 113. S.H. Blank: Immanuel S. 84f; vgl. die Kritik an M. Görg bei H. Irsigler: Zeichen S. 87.

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III. Literarkritische Entscheidungen

sehen und von Gott auf sich? 246 - H. Strauß hält diese s.E. in ihrem Kontext sekundäre Aussage für eine „Art theologisch reflektierender, grundsätzlicher Klarstellung"247 und in ähnlicher Weise, jedoch präziser urteilt auch P. Höffken: Er bezeichnet V. 13 als „ein Scheltwort- oder begründungsartiges Gebilde [...] von äusserst grundsätzlicher Statur und steigernder Struktur"248 und wertet diese Beschreibung im Verein mit der pluralischen Anrede für eine literarische Zäsursetzung aus: „Der Grundsätzlichkeit der Formulierung wird eine Engführung des Vorwurfs auf das, was sich gerade zwischen Jesaja und Ahas abspielt, nicht gerecht"249. Solange man V. lOff für die Erzählung einer historischen Begebenheit hält, stellt die Rede vom „Ermüden von Gott und Menschen" in der Tat vor Interpretationsprobleme. •

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Einigermaßen gesichert dürfte noch das Verständnis von V. 13 als Scheltwort sein, was aber unter dem nxb von Menschen und von Gott zu verstehen sei, wird dagegen kontrovers diskutiert. L.G. Rignell möchte rrxb mit „für kraftlos halten" übersetzen, 251 was philologisch nicht unmöglich ist, 252 andererseits weist der alttestamentliche Befund für nxi> hi. neben Jes 7,13 (Jer 12,5; Ez 24,12; Hi 16,7; Mi 6,3) eindeutig in die Bedeutungsrichtung „ermüden". 253 Schon J.G. Eichhorn hat hierzu eine weit verbreitete Wiedergabe und Deutung geboten: Im Zusammenhang meint nxi> „die Geduld von jemanden erschöpfen". Dabei bezieht sich das „Ermüden von Menschen" auf den Propheten selbst: „Mitleidig und geduldig hatte er [Jesaja] bisher den Kleinmütigen [Ahas] ertragen, und der verzagten Jugend alles verziehen. Nun [V. 12] tritt der König der Ehre Gottes zu nahe: wer könnte dabey gelassen und kalt bleiben?" 254

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Gerade auf Grund dessen negiert C. Dohmen [Verstockungsvollzug S. 45] einen inhaltlichen Bezug zwischen V. 12 und V. 13. H. Strauß: Messias S. 48 A.177. P. Höffken: Notizen S. 323. Ders.: Notizen S. 323 A.4. S. J J . Stamm [Gespräch S.31] in Auseinandersetzung mit E. Hammershaimb: Gegen dessen Verständnis von V. 14-17 als reines Heilswort spricht nach J J . Stamm nicht nur V. 9b, sondern auch V. 13, „dessen Inhalt, wenn man ihn ohne absichtsvolle Abschwächung würdigt, nur als Drohung verstanden werden kann." Hierzu genügt es, auf die ebenfalls vorwurfsvollen Strukturparallelen zu V. 13 in Gen 30,15 und Num 16,9f und auf den höchst auffälligen Wechsel von ·ρπϊ?χ V. 11 zu Tibx in V. 13 hinzuweisen, der im Zusammenhang eine „entscheidende Wende" (T. Lescow: Geburtsmotiv S. 175) anzuzeigen scheint, mitunter sogar mit Rücksicht auf V. 9b als Indiz für den Vollzug des Bundesbruches bewertet wird (s. R. Kilian: Verheißung S. 35). L.G. Rignell: Immanuelzeichen S. 110. S. G.-B. 17 S. 374 zum Terminus, wo als Parallele das assyrische lä'ü „klein, schwach sein" angegeben wird. H. Wildberger [Jesaja I S. 287] will auf Grund von Mi 6,3 für nxt> auf einen Sitz im Rib schließen, was angesichts eines einzigen Belegs kaum gerechtfertigt ist. J.G. Eichhorn: Ueber Jes. VIIS. 461; zur gegebenen Übersetzung s. ders.: a.a.O. S. 462; vgl. hierzu LXX mit παρέχειν άγώνα.

5. Jesaja 7,10-13

179

Wie verträgt sich diese vielfach wiederholte Interpretation, nach der Ahas bisher die Geduld Jesajas strapaziert hat und nun auch Entsprechendes Gott zumutet, 255 mit der Anrede „Haus David"? Es kommt kaum von ungefähr, daß J.G. Eichhorn i n n n mit „ihr Enkel Davids" wiedergibt,256 oder H. Wildberger den Ahas begleitenden „ H o f mit angeredet sieht,257 denn die Anrede „Haus David" auf die Antwort des Ahas macht einen typisierend-generalisierenden Eindruck, so man sie als Ausdruck für die Daviddynastie versteht. Dies mag auch H.W. Wolff bewogen haben, die Ermüdung von Menschen auf die Bündnispolitik des Königshauses vor dem Treffen zu beziehen. 258 S.H. Blank möchte gar in Verbindung mit 28,12 auf wirtschaftliche Ausbeutung durch die Davididen hinaus, eine Folge seiner Abtrennung von V. 13, die kaum zu überzeugen vermag. Hierin zeigt sich, daß sich eine losgelöste Interpretation von V. 13 ebenfalls nicht einfach gestaltet. So bleibt auch P. Höffken recht allgemein und denkt „an eine belastende Überforderung und damit Ermüdung von .Menschen' [...], die durch unterschiedliche Phänomene bewirkt sein kann." 259 Diese Allgemeinheit ist dadurch bedingt, daß man sich auf das „Ermüden Gottes" kaum einen rechten Reim machen kann. Mit rrxb hi. ist ein solches nirgendwo im AT mehr belegt, allein Mal 2,17 und Jes 43,24 bieten Vergleichbares mit dem Verb w hi. Da es sich in Jes 7,13 um etwas handeln muß, das mit dem „Ermüden von Menschen" in einen Bezug gesetzt werden kann, ist freilich weder materielle Ausbeutung noch belastende Überforderung ein wahrscheinliches Verständnis.

V. 13 verrät, hierin ist P. Höffken im Recht, eine grundsätzliche Statur. Diese läßt aber - gegen ihn - kaum den Rückschluß darauf zu, daß eine einfache Einheit qua Dynastieorakel mit V. 13 begonnen hat. Gerade die Strukturparallelen zu Jes 7,13, nämlich Gen 30,15: "B^Jcrix innp üVDrr im D3 nrrpbi und Num 16,9f Π3Π3"03 MD toporr, sind ohne vorstehende Zusammenhang nicht denkbar. Sowohl die Frage Leas als auch die des Mose setzen eine Forderung voraus, nämlich im ersten Fall die Bitte Rachels um die Alraunen, die Ruben, Leas Sohn, auf dem Feld gefunden hatte, und im zweiten Fall die Forderung Korachs und seiner Anhänger, das Priestertum übertragen zu bekommen. 260 In beiden Stellen

255 256 257 258 259 260

Vgl. R. Kilian: Verheißung S. 34. J.G. Eichhorn: Ueber Jes VII. S. 462. S. H. Wildberger: Jesaja I S. 277. S. H.W. Wolff: Frieden S. 30. P. Höffken: Notizen S. 323 A.4. Zumindest dürfte der Redaktor, der Num 16,8 - 1 1 in den ihm vorliegenden Zusammenhang eingefügt hat, das Voranstehende in der Weise verstanden haben. Dafür, daß Num 16,8-11 kein ursprünglich selbständiges „Leviten-Orakel" war, s. M. Noth: Numeri S. 108, der hinsichtlich 16,8-11 vermutet, „daß es sich bei der ,Leviten'-Version nicht um ein eigenständiges, unabhängiges Stück handelt, das nachträglich mit der ,250-Männer'Version zusammengearbeitet worden wäre, sondern vielmehr um einen sekundären Zuwachs zu der letzteren." Vgl. in diesem Sinne schon G.B. Gray: Numbers S. 192f; B. Baentsch: Numeri S. 545f.

180

III. Literarkritische Entscheidungen

enthält die steigernd angelegte Frage in ihrem zweiten Teil die vorher schon geschilderte Forderung. Entsprechendes ist dann auch für Jes 7,13 anzunehmen: Das Haus David hat Gott ermüdet, und zwar, wie dem Kontext zu entnehmen ist, durch die Antwort des Ahas. Indem die Antwort, die dem König gilt, auf das Haus David ausgedehnt wird, spricht sich im Verhalten des Ahas das typische Verhalten des Hauses David aus, und damit wohl nicht das des Hofes in der Regierungszeit des Ahas, sondern das der von David begründeten Dynastie. Trifft diese Interpretation zu, weist V. 13 tatsächlich über die Redesituation hinaus und umfaßt einen weiten geschichtlichen Horizont, in dem die Erfahrungen mit der Daviddynastie gebündelt sind. Eine Bestätigung erhält sie wiederum von Num 16, wo der vergleichbar strukturierten Frage folgendes vorausgeht: rröD nox^T im "nb xr^Dtt). Auch hier wird Korach angeredet, in ihm aber, dem Urenkel Levis, alle Söhne Levis, und zwar insofern, als sein Aufbegehren in „geschichtlicher" Situation paradigmatisch ist für die zu niederen Diensten berufenen Leviten. Ob man Jes 7,13 wegen seines weiten Horizonts für sekundär hält, hängt nun einerseits davon ab, ob man eine solche Generalisierung in der Zeit Jesajas für möglich hält oder darin eine retrospektive Verarbeitung des Abtretens der Dynastie erblickt, andererseits davon, ob man diesen Text in der Zeit Jesajas angesiedelt sein läßt. Für die Sekundärerklärung reichen auf jeden Fall allein Numeruswechsel und Horizont nicht aus. Im Textzusammenhang steht gegen sie vor allem der Bezug von V. 11 "pnbx mit V. 13 "Trbx, ein sicherlich intendierter Kontrast, 261 sowie die Fortsetzung in V. 14a, die eine Zäsur zwischen V. 13 und V. 14 ausschließt.

6. Jesaja 7,14b -17*

Bei der Immanuelweissagung im engeren Sinne ist scheinbar nie ohne literarkritische Ausscheidungen auszukommen und entsprechend disparat stellen sich die Forschungsergebnisse dar. 263 Nahezu ein Konsens besteht heute hinsichtlich V. 15, besonders umstritten ist dagegen V. 16bß. Auf diese beiden Problembereiche wird deshalb im folgenden ein gewisser Schwerpunkt gelegt.

261

262

263

Man beachte die Schwierigkeiten, die S.H. Blank [Faith S. 22] damit hat, nachdem er V. 13 vor V. 17 piaziert hat. Gegen C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 45 mit P. Höffken: Grundfragen S. 28. 1Π3 mx wird mit b in Dtn 6,22; Jos 2,12; Jes 7,14, mit bx in Dtn 13,2, mit 3 in Neh 9,10 konstruiert, zudem mx ntoy mit 3 oder b in Ex 4,17. 30; Num 14,22; Dtn 11,3; Jos 24,17; Jdc 6,17 und nix trto mit 3 oder b in Gen 4,15; Ex 10,2; Jes 66,19; Jer 32,20; Ps 78,43. S. dazu die Liste von R. Bartelmus: Stilprinzip S. 52.

6. Jesaja 7,14b-17*

181

O h n e Kontinuität mit der älteren Forschung ist die Ausscheidung der Immanuelweissagung, die j e unterschiedlich O. Kaiser, E. H a a g und M. G ö r g propagieren. A l l e drei Versuche haben ihre Schwierigkeiten: Über das Problem, daß M. Görg die Zäsur zwischen V. 12 + -iDX-n und V. 13* setzen will, wurde schon gehandelt.264 O. Kaiser will dagegen V. 14b- 16ba aus der ursprünglichen Einheit ausgrenzen.265 Gegen diese Operation sprechen aber mehrere Gründe: 1.) Der V. 17a kann nur uneigentlich als Zeichen aufgefaßt werden. Zwar gibt es Parallelen dafür, daß ein Zeichen eine Verbindung zum Bezeichneten herstellt, für V. 17a besteht jedoch das Problem, daß letztlich das von Jahwe gegebene Zeichen das Unheil selber ist.266 2.) Auf die Ankündigung eines Zeichens durch Gott selbst ist ein göttliches Zeichen zu erwarten. V. 17a ist aber ein Zeichen in Prophetenrede. 3.) Daß dieses Zeichen weit in die Zukunft blickt, läßt sich nur unter sonst unbegründeter Elimination von " b v in V. 17a wahrscheinlich machen. Dabei ist es für diese Auffassung problematisch, daß durch die Anrede in der 2. Pers. sing, zumindest ein indirekter Bezug zu Ahas bestehen bleibt. 4.) Die Anrede einer 2. Pers. sing, ist überdies angesichts der pluralischen Größe, die als Adressat des Zeichens in V. 14a angegeben wird, auffällig. E. Haag 267 ermittelt für V. 10-17 schließlich eine Grundschicht, die nur noch V. 10 und V. 17* enthält. Diese Minimallösung läßt sich nur rechtfertigen, wenn man sich bei der Literarkritik mit einer äußerst schmalen Argumentationsbasis begnügt und die auf dieser Grundlage gewonnenen Ergebnisse der Analyse von Jes 7,1-9 für V. 10-17 voraussetzt. Dabei ist nicht nur das Zustandekommen des Endtextes, sondern auch die Grundschicht als selbständige Überlieferungseinheit schwer vorstellbar, weil 1.) auf die Einleitung einer Jahwerede Prophetenrede folgt und 2.) die Asyndese als Redeeinleitung kaum vorstellbar ist. Gibt m a n solchen V e r s u c h e n nicht nach, hat m a n wenigstens e i n e n festen Anhaltspunkt in V. 14b. In alles, was darüber hinausgeht, spielen schon Kontextinterpretationen mit hinein und damit indirekt die Frage, was das für e i n Z e i c h e n sei, das d e m H a u s D a v i d / A h a s g e g e b e n wird: Ist V. 13 e i n e Schelte oder e i n e Art „Stoßseufzer"? Leitet V. 14a d e m n a c h e i n e D r o h u n g oder - neutraler - eine Ankündigung ein? M u ß m a n in d e m N a m e n „Immanuel" nicht auf j e d e n Fall e i n e n Heilsaspekt ausgedrückt s e h e n ? W i e verträgt sich ein solcher mit der Schelte in V. 13 (so dort e i n e vorliegt), vor allem aber mit der D r o h u n g in V. 17a (so es überhaupt e i n e ist)? Ist aber V. 17a e i n e Drohung, wie verträgt sich dieser V e r s mit d e m vollständigen V. 16? - A b e r damit nicht genug: auch die F o r m will berücksichtigt sein: V. 14b ist offensichtlich eine Geburtsankündigung. M u ß dann nicht auch die N a m e n g e b u n g begründet werden? Erweist sich schon v o n daher V. 15 als spätere Erweiterung, oder hat m a n hier, weil die Geburtsankündigung ein Z e i c h e n ist, mit A n o m a l i e n zu rechnen? Ja, liegt

264 265 266 267

S. S. S. S.

oben S. 177; vgl. aber auch unten S. 211f. O. Kaiser: Jesaja I S. 158-163. W. Werner: Texte S. 18; vgl. R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 13f. E. Haag: Immanuelzeichen S. 7f.

182

III. Literarkritische Entscheidungen

vielleicht überhaupt gar kein Zeichen vor, sondern im ursprünglichen Zusammenhang in der Tat nur eine Geburtsankündigung? All diese Fragen und noch einige mehr müssen gestellt und beantwortet werden, und da sie allesamt in der Exegese kontrovers entschieden werden, ist es überhaupt nicht verwunderlich, daß die Lösungstypen so erheblich differieren. Dabei geht es keineswegs nur um inhaltliche Vorentscheide, sondern im wesentlichen um Beobachtungen, die unterschiedliche Bewertungen erfahren. Und auf Grund dieser Diskrepanz ist es auch nicht erstaunlich, daß in der jüngeren Zeit die Lösungen immer mehr dahin gehen, die alte Frage nach Gericht oder Heil in der Immanuelweissagung in Richtung auf ein „sowohl - als auch" hin zu entscheiden. a) Jesaja 7,15 Daß V. 15 im Zusammenhang von V. 14b-17* sekundär ist, wurde und wird häufig festgestellt.269 Die Argumente lassen sich wie folgt wiedergeben: 1.) V. 15 reißt Namengebung (V. 14b) und Begründung (V. 16) auseinander. 2.) V. 15 verrät ein personales Interesse am Immanuel, das V. 14b. 16 fremd ist. 3.) V. 15 scheint in Rücksicht auf V. 16 und V. 22 gebildet zu sein. 4.)V. 15b doppelt sich mit V. 16a* und bezeugt im Unterschied zu V. 16a die Piene-Schreibung. Auch wenn es den Anschein haben sollte, sind die Argumente gar nicht so gewichtig. Allein die Doppelung (4) ist offensichtlich, freilich hat man auch hier Schwierigkeiten, den Unterschied von scriptio plena und scriptio defectiva im Rahmen redaktioneller Nacharbeit zu erklären. 270 Die weitgehende Übereinstimmung der Exegeten ergibt sich entscheidender aus

268 269

270

So F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 39; s. unten S. 211f. Nach F. Hitzig: Jesaja (s. K. Marti: Jesaja S. 77) haben sich u.a. dafür ausgesprochen: B. Duhm: Jesaia1 S. 54; H. Hackmann: Zukunftserwartung S. 63; T.K. Cheyne: Isaiah S. 11; K. Marti: Jesaja S. 77; K. Fullerton: Immanuel S. 283; K. Marti: Kern S. 118; E.G. Kraeling: Immanuel Prophecy S. 292; K. Elliger: Prophet und Politik S. 138 A.28; S.H. Blank: Immanuel S. 83 A.3; N.K. Gottwald: Immanuel S. 40 A.2; H.W. Wolff: Frieden S. 12. 44; W. McKane: Interpretation S. 212f; R. Kilian: Verheißung S. 37.40; H. Wildberger: Jesaja I S. 269; O.H. Steck: Beiträge S. 162ff; H.-P. Müller: Glauben S. 39 m. A.7; J. Schreiner: Textgestalt S. 96; W. Berg: Identität S. 11 A.13; P. Höffken: Notizen S. 326.; C. Hardmeier: Verkündigung S. 124; H. Strauß: Messias S. 50; W. Werner: Prophetenwort S. 21 A.93; H. Irsigler: Zeichen S. 82 m. A.27; R. Kilian: Jesaja IS. 55; P. Höffken: Grundfragen S. 32 (weitere Belege bei J.J. Stamm: Proph6tie S. 108 A.2). Von daher versteht sich M. Görgs [Hiskija S. 110] Feststellung mit Verweis auf H.W. Wolff [Frieden S. 44], daß „der sekundäre Charakter von V. 15 keiner weiteren Begründung" bedarf. S. dazu W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 79.

6. Jesaja 7,14b-17*

der Interpretation des Verses, die an der Deutung von sowie am Verständnis von myrb hängt.

183 und rrxorr

Zu 1.) Schon das erste Argument ist streng genommen nicht literarkritisch, sondern basiert auf der Beobachtung, daß in V. 14b-17* ein Zeichen in Form einer Geburtsankündigung vorliegt. Weil in dieser Gattung auf die Namengebung die Begründung des Namens des Sohnes folgt, kann man wie W. Berg in einer Form- und Gattungsanalyse hinsichtlich V. 15 auf die Kommentare für den Nachweis des Sekundärcharakters hinweisen.271 Gegen eine solche Vorgehensweise spricht jedoch nicht nur, daß die Gattungsbestimmung in Jes 7,14b-17*, die einseitig auf das Geburtsorakel abhebt, dem gegebenen Textzusammenhang nicht gerecht wird, sondern auch, daß V. 16 als Begründung der Namengebung aus dem Schema auszubrechen scheint. Nicht nur Gen 16,11, sondern auch Mt 1,21 wird nämlich die Namengebung einer Ätiologie nachempfunden begründet, während man in Jes 7,16, selbst wenn man V. 16bß dem ursprünglichen Bestand beläßt, schon über einige Ecken denken muß. Nach W. Berg „wird in Jes 7,16 der Name des Sohnes ,immanuel' mit dem künftigen Geschick des Landes der beiden Angreifer Judas, Rezin und Pekach, und der damit verbundenen Bedeutung dieses Geschicks für Juda und das Haus David in Verbindung gebracht." 272 Μ .a.W.: Das Kind soll Immanuel genannt werden, weil in einigen Jahren ein fremdes Land verlassen sein wird, und die Adressaten des Zeichens dann wissen, daß Gott mit ihnen war und ist.273 Sollte diese Interpretation je zutreffen, muß die Form, in der dies ausgedrückt wurde, auffallen, läßt doch die Begründung dann gerade das Naheliegende und Eigentliche unausgesprochen. Weshalb die indirekte Mitteilung, wo doch folgendes völlig eindeutig und einsichtig, von der Gattung her sogar erfordert wäre: iai Dirai m i r dsdv Wollte der Verfasser dies zum Ausdruck gebracht haben, hat er sich bewußt dunkel und gattungsinkonform ausgedrückt. Mehr oder minder nachdrücklich wird bei dem Verständnis von V. 16 als Begründung von V. 14b vorausgesetzt, für den Immanuel-Namen sei „eine ausdrückliche Begründung zu erwarten" 274 . Dabei dürfte aber mehr die Perspektive, über die Identität des Immanuel Aufschluß zu erlangen, den Ausschlag geben als der biblische Befund. Im AT ist für das Geburtsorakel eine Namensdeutung wie in Gen 16,11 singulär, und auch Mt 1,21 ist für die neutestamentlichen Geburtsorakel kaum signifikant, es genügt, auf Lk 1,31-33 und Lk 1,13-17 hinzuweisen. Weder die Aufforderung zur Namengebung Jesu noch zu der des Johannes wird dort begründet. In Lk 1,13-17 findet sich zwar auch ein Begründungssatz (V. 15 έσται γάρ...), aber dieser bezieht sich nicht auf die Namengebung in V. 13, sondern auf die vorausgesagte Freude über die Geburt des Johannes in V. 14 und entspricht so Jes 7,14b-17* im gegebenen Textzusammenhang. Insofern erscheint es tatsächlich als „too hasty"275, vom Geburtsorakel auf eine Begründung des Namens in V. 16, die V. 15 als trennenden Einschub entlarvt, zu schließen. Der direkteste Hinweis darauf ist vielmehr in Jes 8,3f zu suchen. Aber im Unterschied zu Jes 7,16 bringt 8,4 das Ergehen von Damaskus und Samaria in einen Bezug zu dem Namen 13 u>rr bbu) "iro, wenngleich ein wenig gezwun-

271 272 273 274 275

S. W. Berg: Identität S. 11 A.13. W. Berg: Identität S. 10. So schon B. Duhm: Jesaja 1 S. 54, der aber auch darin den Gegensatz akzentuiert. H. Irsigler: Zeichen S. 82 A.27; vgl. schon H. Wildberger: Jesaja I S. 269. A. Laato: Immanuel S. 131.

184

III. Literarkritische Entscheidungen

gen, da nur bbxä wiederholt wird, für T3 aber i>TT steht, und kann als Namenbegründung aufgefaßt werden. Zu 2.) Daß V. 15 personales Interesse eignet, ist nur nach Klärung der syntaktischen Verhältnisse von V. 15 zu postulieren. Dabei besteht die Kontroverse, ob es sich bei dem mit b + Inf. eingeleiteten Satz um einen Final- 276 oder Temporalsatz 277 handelt. Für die Möglichkeit der Auffassung als Finalsatz bedarf es keiner Begründung. Sie macht aber in Jes 7,14b-17* Schwierigkeiten. Wie verträgt sich die Vorstellung des Essens mit einem bestimmten Ziel mit V. 16, wo ausgesagt ist, daß vor dem Erreichen des Zieles die iTDix verlassen sein wird? Letztendlich könnte man allenfalls vermuten, daß durch das „Essen von Dickmilch und Honig" durch den Immanuel-Knaben die Zeit bis zu seiner Reifung, was die Wahl von Gutem und Bösen betrifft, verkürzt werden soll. Aber damit paßt V. 16 nicht zusammen, denn Q1B3 bleibt m r a , ob der Immanuel nun 1,2,3 oder mehr Jahre braucht, um zu dem Wissen zu kommen. Eine temporale Auffassung drängt sich angesichts von V. 16 geradezu auf. So verwundert es nicht, daß LXX πριν und Tg. i s bieten, sich schon J.G. Eichhorn oder W. Gesenius mit „bevor" bzw. „bis" 278 diesen Textzeugen mehr oder minder deutlich anvertraut haben. Jedoch ist das temporale Verständnis grammatikalisch als Ausnahme zu betrachten. Für b + VT Inf. es. gibt es im AT keine Parallele, für b + Inf. es. sind sie überdies rar gestreut. Gegen P.-G. Duncker 279 findet sich itwib Jes 7,15 zwar im temporalen Sinn zumindest in einem Lexikon,280 aber dieser Sinn ist sonst so selten belegt (Gen 24,63; Dtn 23,12; Ex 14,27; Jdc 19,26; II Sam 18,29 ; Ps 46,6), daß selbst G.-K.28 nur in einer Anmerkung darüber handelt. 281 Auch für b mit folgendem Nomen sind die Belege dürftig, so Gen 3,8, auf welche Stelle sich z.B. B. Duhm und K. Marti für Jes 7,15 beziehen,282 Gen 8,11; Ps 30,6; II Sam 11,l. 283 Doch selbst bei dieser geringen Anzahl an Belegen kann dennoch nicht mit grammatikalischer Unmöglichkeit hinsichtlich Jes 7,15 argumentiert werden, und ebenso wenig können die temporalen Belege für b + Inf. es., wie es H. Irsigler will, dahingehend eingegrenzt werden, daß ihnen „auch ein klarer Zeitbegriff' 284 folgt. Zumindest auf II Sam 18,29 trifft dies nicht zu. Versteht man nun V. 15 temporal, zeigt sich in diesem Vers ebenso viel oder wenig Interesse an dem Knaben wie etwa in V. 16a. Dann gehört nämlich die Speise zum Zeichen

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So etwa K. Budde: Capitel S. 122; H. Ringgren: Messiah S. 26 m. A.2; H.-P. Müller: Glauben S. 39 A.7; H. Wildberger: Jesaja I S. 268 (ohne das andere Verständnis gänzlich auszuschließen); J. Schildenberger: Mutter Maria S. 116; H. Irsigler: Zeichen S. 82 A.27. S. H.-J. Kraus: Prophetie und Politik S. 72; R. Kilian: Verheißung S. 38; M.E.W. Thompson: Situation S. 29 A.44; O. Kaiser: Jesaja IS. 150. Die Auffassungen differieren zwischen einem gleichzeitigen („wenn") und vorzeitigen („bevor") Verständnis von b. S. J.G. Eichhorn: Ueber Jes. VII S. 463; W. Gesenius: Jesaia I S. 305. S. P.-G. Duncker: Ut sciat S. 409. S. G.-B.17 sub voce b S. 373. S. G.-K.28 § 114f A.l; vgl. C. Brockelmann: Syntax § 107b, wo jedoch als exakte Parallele nur Jdc 19,26 angegeben wird. S. B. Duhm: Jesaia 1 S. 54; K. Marti: Jesaja S. 77. Nach P.-G. Duncker: Ut sciat S. 408. H. Irsigler: Zeichen S. 82 A.27.

6. Jesaja 7,14b-17*

185

hinzu, das in V. 16b gedeutet wird. Wenn man V. 15b aber final auffaßt und damit ein literarkritisches Kriterium erhält, muß man einmal mehr einen unsensiblen Redaktoren annehmen: Da dieser nämlich seine Erweiterung aus V. 16a und V. 22 gebildet haben soll, unterstellt man ihm, daß er, obschon er recht geschickt zwei Stellen zu einer Aussage zu verbinden in der Lage war, rabiat in den Kontext eingegriffen und eine im Kontext unmögliche Aussage eingeschoben hat. Zu 3.) Auch das redaktionskritische Argument der Bildung von V. 15 aus V. 16a und V. 22 hält jedoch nicht Stand, wie sich von Jes 7,21f her zeigen läßt. Nach der Einleitung (vgl. V. 18.23), die eine Verbindung mit V. 10-17* herstellt, wird festgestellt, daß ein Mann nur ein Jungrind und zwei Schafe am Leben erhalten kann (vgl. I Reg 18,5) bzw. aufzieht (vgl. II Sam 12,3): rrrr pi. asynd. P.-K. Dieses Bild für den Zustand „an jenem Tag" drückt deutlich reduzierte Verhältnisse aus, eine Kargheit, die die Minderung oder Zerstörung der sozio-kulturellen Gegebenheiten voraussetzt. Es gibt keine Herden mehr, nur noch Einzeltiere, kein ausgewachsenes Rind, sondern nur noch eine npn und damit ein Kalb, das wohl noch kaum zum vollen Einsatz im Ackerbau taugt.285 Das Jungrind und die zwei Schafe werden nun eine solche Menge Milch geben, daß man Dickmilch essen kann, rrrn V. 22a steht ohne direkten syntaktischen Bezug zum Folgenden, nbrr mtzw a m wird für gewöhnlich mit „wegen der vielen Milch, die sie geben" oder ähnlich wiedergegeben. Da auf 3iD im AT sonst immer ein Nomen folgt, in diesem Fall der Inf. es. von ntov, hat man diesen auch als Nominalform zu verstehen, der als St. es. zum folgenden 3ΐ?π fungiert. So richtig die gewöhnliche Wiedergabe sinngemäß ist, im Hebr. ist anders herum konstruiert, so daß F. Delitzschs Übersetzung „ob der Menge des Milchgewinns"286 besser paßt, zumal beim herkömmlichen Verständnis die fehlende Pronominalisierung des vorausgesetzten Subjekts, ,Jungrind und zwei Schafe" auffällt.287 Mit '3 eingeleitet folgt ein invertierter Verbalsatz mit dem Objekt in Erst- und dem Subjekt in Endstellung. Diese Satzstellung betont nicht nur das vorangestellte Objekt, sondern bildet auch einen Chiasmus mit V. 22aß. Die Übersetzung von 'S kann nicht endgültig gesichert werden. Es kann begründende („denn"), demonstrative („fürwahr", „gewiß",, ja") oder eine Funktion analog zum δτι recitativum haben. Ein großer Unterschied ergibt sich unter den Möglichkeiten im Zusammenhang von V. 22 nicht: „Dickmilch und Honig wird essen, wer übrig geblieben ist inmitten des Landes." Literarkritisch auffällig ist in V. 21f kaum V. 22a, wenn er auch mit dem „typischredaktionellen" γργπ beginnt, sondern vielmehr V. 22b, wo unvermittelt als Speise neben der eingeführten rrxDrr nun löm auftaucht. So bringt auch C. Dohmen gegen die Ausscheidung von V. 22a vor: .jedoch beseitigt diese Rekonstruktion eine Grundspannung des Textes nicht, sondern verstärkt sie eher noch, nämlich das unvermittelte und unpassende Nebeneinander der Tiere und der Nahrungsprodukte: junge Kuh und zwei Stück Kleinvieh auf der einen Seite, Rahm und Honig auf der anderen." 288 C. Dohmen seinerseits folgert, daß V. 22b sekundär ist, zumal angesichts des Subjektwechsels V. 21.22a U>*x, V. 22b murr. Darüber hinaus hält er V. 22b als eine Assoziierung aus V. 18 und verbindet mit dem „Honig" der

285 286 287

288

S. aber die Übertragung in Jdc 14,18 und die Anforderung an Opfertiere in Dtn 21,3. F. Delitzsch: Jesaia2 S. 142. Zur Bedeutung von ntos> als „erarbeiten" oder „sich erwerben" s. G.-B.17 zum Terminus Id) S. 622. C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 49 A.48.

186

III. Literarkritische Entscheidungen

„Bienen" die Vorstellung der „Abhängigkeit von der herrschenden Großmacht. 289 Gegen diese Auffassung spricht jedoch nicht nur, daß sie sehr weit hergeholt ist, sondern entscheidender, daß weder der Subjektwechsel eindeutig ist, der ti^x kann ja durchaus zum Rest gehören, noch die verbleibenden V. 21.22a als ursprüngliche Einheit überzeugen. Auch C. Dohmens Gerichtswort „wirkt recht farblos"290, und daß es ein Gerichtswort ist, kann man nur mit einem kraftraubenden interpretatorischen Klimmzug nachweisen. Gegen C. Dohmen wird man anerkennen müssen, daß gerade V. 22a ein Hinweis auf Überfluß gegeben ist. Nimmt man das Stück als eine Einheit, und m.E. spricht nichts entscheidend dagegen, kann man die literarkritische Spannung zwischen nbn und nXDrr auf der einen undtt)3"nrrron auf der anderen Seite dadurch erklären, daß in V. 22b, auf welchen Halbvers die Einheit zielt, auf Jes 7,15 zurückgegriffen und damit der Rest mit dem „Immanuel" identifiziert wird. Demnach scheint V. 15 die Priorität gegenüber V. 22 zuzuerkennen zu sein.

Von den in der Forschung dargelegten Argumenten für den Sekundärcharakter von V. 15 scheint also nur ein einziges stichhaltig zu sein, das aber für sich genommen das Urteil nicht zu tragen vermag. Daß eine Sekundärerklärung trotzdem häufig vertreten wird, ist einerseits vom illustren „Immanuel" her bedingt, für den eine Geburtsankündigung mit Namenbegründung erwartet wird, andererseits aber vielfach auch durch die Beibehaltung von V. 16bß. Beläßt man den Relativsatz in V. 16 der einfachen Einheit, bezieht sich die Ankündigung der Verlassenheit des Ackerbodens auf die syrisch-ephraimitische Koalition. In diesem Falle hat das Essen des Immanuel, der doch mit Juda zu tun hat, keinen rechten Bezug zum Folgenden. Man kann ihn zwar konstruieren, aber nur unter Preisgabe der Möglichkeit messianischer Nachinterpretation mit der althergebrachten Annahme, daß der Immanuel in dieser Zeit noch unter kärglichen Verhältnissen lebt, die durch den syrisch-ephraimitischen Krieg im Lande verursacht wurden. Weil aber in diesem Punkt bei der Deutung der „Alten" die Glaubwürdigkeit der Berichte der Chronik vorausgesetzt wurde, die sich als unberechtigt erwiesen haben dürfte, spricht natürlich nicht gerade viel dafür. Daraus folgt dann aber, daß eine die Probleme nicht überlesende Analyse, so sie sich an V. 16bß festklammert, auf V. 15 verzichten muß, eine interessante Erscheinung angesichts der Tatsache, daß den Exegeten, die V. 16bß ausscheiden, häufig Subjektivität und Willkür zum Vorwurf gemacht wird. b) Jesaja 7,16bß Kaum eine literarkritische Entscheidung hinsichtlich Jes 7,1-17 ist so umstritten wie die Ausscheidung des Relativsatzes in V. 16bß. Daß dem so ist, leuchtet sofort ein: Gerade V. 16bß ist für die Interpretation des Imma289 290

S. C. Dohmen: ebd. Ders.: ebd. gegen W. Werner: Texte S. 136f.

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nuelzeichens von grundlegender Bedeutung. An diesem Relativsatz entscheidet es sich, ob der heilvolle Aspekt des Immanuel auf seinen Namen beschränkt bleibt oder auf das künftige Ergehen des Königs Ahas und Judas zumindest indirekt ausgedehnt werden kann.291 Die Polarisierung in dieser Frage, die die heutige Forschung bestimmt, prägte schon die klassische Literarkritik: Während B. Duhm, K. Marti, T.K. Cheyne lieber V. 17 von der Immanuel-Weissagung abtrennten, entschied sich K. Budde für V. 16292 und setzte von V. 16aba später noch einmal V. 16bß ab, nach seiner Auskunft überzeugt durch eine schriftliche Mitteilung von A.B. Davidson. 293 Seine Argumentation basiert sowohl auf kontextuellen als auch sprachlichen Überlegungen. Letztere brachte K. Budde 1933 gegen E.G. Kraeling294 prägnant auf den Punkt: „Gehörten die beiden Könige dem ursprünglichen Wortlaut an, so würde ba unfehlbar lauten η^ΊΧΓτTOTOTund das letzte Wort irp~i>Q. Auch das Wort rraix statt Y~ix ist nur für das eigene Land Juda richtig und wird dafür durch 6 11 belegt; nur daß rTDixrr 3T5>n in dieser Bedeutung als fest überlieferter Text vorlag, nötigte den Interpolator zu so wunderlichem Ausdruck." 295 Kontextuell argumentiert K. Budde nicht nur vom seiner Ansicht nach für Ahas und die Seinen auf Grund von V. 13.14a nur drohend aufzufassenden Immanuelzeichen her, was man freilich zirkulär hätte bewerten müssen, sondern auch vom weiteren Kontext, der hinsichtlich der Bezüge zu Texten der vorausgesetzten Denkschrift heute freilich als problematisch angesehen werden muß. Er erkennt in V. 16 „eine bedeutende Steigerung der Heilsansage von V. 7 - 9 und eine ungehörige Vorwegnahme dessen, was 8, 4 bringt, wie denn auch die Fassung des Verses aus 8, 4 entlehnt zu sein scheint."296 Vor allem seine Disqualifizierung des Relativsatzes „als falsche, obendrein stilistisch und logisch sehr schlechte Epexegese" 297 wurde in der Forschung mehrfach bestätigt, so vor allem durch

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So richtig C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 47. Falsch ist seine Leugnung weiterer Anhaltspunkte im Text. Bisher hat m.W. nur T. Lescow [Geburtsmotiv S. 174] versucht, V. 16 unter Beibehaltung von V. 16bß als Drohung gegen Juda zu verstehen, indem er fragte: „Wird Juda ungeschoren davonkommen können angesichts einer Katastrophe, deren Folge die Verödung des syrisch-ephraimitischen Landes ist?" Zu berücksichtigen ist ferner die messianische Interpretation von V. 14b-16ba durch O. Kaiser [Jesaja I S. 158-160. 166f]. S. K. Budde: Capitel S. 123: Er hält den Vers für „die unglücklichste unter alle den vielen Glossen, durch die unser Capitel entstellt ist", es „schlägt v. 16 allem Vorhergehenden und Nachfolgendem ins Gesicht."; vgl. ders.: Jesaja's Erleben S. 56; nur wenige Exegeten stellen V. 16, vom Relativsatz abgesehen, in Frage. O. Procksch [Jesaja S. 124] wollte metri causa V. 16ba ausscheiden, A.H J . Gunneweg [Heils- und Unheilsverkündigung S. 31f] den gesamten Vers, nachdem er sich für die Ursprünglichkeit von V. 15 als der lectio difficilior gegenüber der „recht triviale[n] Exegese in VV21-22" entschieden hatte. S. K. Budde: Schranken S. 169 (Es handelt sich augenscheinlich um einen Brief). S. E.G. Kraeling: Immanuel Prophecy. Κ. Budde: Immanuelzeichen S. 29. Ders.: Jesaja's Erleben S. 57. Ders.: Schranken S. 169.

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III. Literarkritische Entscheidungen

G. Fohrer, der, vielfach hierin zitiert, Jes 7,16bß mit folgender Begründung streicht: „Der Zusatz am Ende von V. 16 deutet das Zeichen fälschlich auf Aram und Nordisrael, obwohl die Verbindung Ackerboden, vor dessen zwei Königen dir graut' sprachlich und sachlich unmöglich ist." 298

Bevor in dieser Frage eine klare Antwort zu erreichen ist und weitere Argumente beigebracht werden, empfiehlt es sich, auf die Argumente zu blicken, die die Gegner einer Eliminierung des Relativsatzes in V. 16 neuerdings für die Beibehaltung von V. 16bß vorbringen:299 Von F.D. Hubmann abgesehen, der sich mit Polemik gegen die Literarkritiker begnügt,300 trägt vor allem H. Irsigler beachtenswerte Argumente zusam-

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G. Fohrer: Jesaja I S. 116 A.58; vgl. schon J. Hempel: Worte S. 128. Ein beliebtes Argument der Forschung der „vorausliegenden Generation" kann wohl nur noch anmerkungsweise abgehandelt werden. J.J. Stamm [Rez. Kilian S. 98] hat es m.W. als letzter aus den Reihen ernstzunehmender Exegeten gegen R. Kilian angewendet. Nach ihm ist es bezüglich V. 16bß gewagt, „einen gut überlieferten Text einer bestimmten Interpretation zuliebe zu verändern." R. Kilians kritische Replik [Prolegomena S. 209f] entzieht sowohl Vorgängern J J . Stamms wie E. König [Jesaja S.118] wie auch potentiellen Nachfolgern den Boden: „Gegen das Argument, V. 16bß sei ein gut überlieferter Text, der nicht einer bestimmten Interpretation zuliebe gestrichen werden dürfe, ist anzuführen, daß V. 16bß nicht besser und nicht schlechter überliefert ist, als die Verse 1. 8b und der Schluß von V. 17. Da diese Texte aber trotz ihrer guten Uberlieferung gemeinhin als sekundär bestimmt werden, kann man mit der guten Überlieferung von V16bß nicht unbedingt für die Ursprünglichkeit dieses Versteiles plädieren. Und zugleich ist zu fragen, ob V. 16bß nicht häufig ebenfalls einer bestimmten Interpretation zuliebe für ursprünglich erklärt wird." Weniger vorsichtig ausgedrückt: Die Frage nach dem überlieferten Text hat als Argument gegen die literarkritische Scheidung im Falle von V. 16bß keinerlei Relevanz, mag es für andere Fälle auch einst noch so gebräuchlich gewesen sein. S. F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 38 A.25 gegen G. Fohrer und R. Kilian zu V. 16bß: „Ein solches Urteil unterstellt aber, daß der Text durch die Hände von Glossatoren gegangen ist, die weder ihrer Muttersprache mächtig, noch auch in den .Sachen* bewandert waren. Ob ein solches Urteil aber aus der Distanz von mehr als zwei Jahrtausenden sinnvoll ist, bleibe dahingestellt!" F.D. Hubmann verkennt damit vor allem das Problem der Fortschreibung, der Relecture, in der ein vorliegender Text neu interpretiert wird. Daß eine solche Fortschreibung nicht in den Sachen bewandert war, will doch gar nicht gesagt sein. Im Gegenteil, lägen die Sachen so, und zwar klar und deutlich, wie sie sich der Bearbeiter vorstellt, würde sich ein Eingriff in den Textbestand erübrigen. Daß ein möglicher Glossator von V. 16bß nicht seiner Muttersprache mächtig war, ist ebenso wenig zu unterstellen. Lag einem solchen nämlich V. 16aba schon vor, versteht sich die syntaktisch-stilistisch unglückliche Ankoppelung von selbst und ist der „wunderliche Ausdruck" (K. Budde) wohl besser begründet, als wenn man ihm dem ursprünglichen Text und dem Verfasser der Einheit beläßt.

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men: „der Relativsatz [...] sperrt sich syntaktisch, lexikalisch-semantisch und kontextuell-inhaltlich immer noch gegen eine Streichung."301 1.) Was die Syntax betrifft, hat R. Bartelmus schon die grundlegende Vorarbeit für H. Irsigler geleistet. Er hält den Relativsatz für syntaktisch einwandfrei formuliert und führt „für diese Art von .verschränkten' Relativsätzen" Num 22,30 an: „Relativsätze sind im Hebräischen stets wie selbständige Sätze konstruiert." 302 Dem ist selbstverständlich stattzugeben, und Entsprechendes gilt auch von den von H. Irsigler über R. Bartelmus hinaus angeführten Belegen Gen 7,22; 3,11; 21,17; Dtn 11,6; Jos 10,2s,303 fraglich bleibt aber, ob damit der Kern des Problems getroffen ist. Denn es bleibt allemal auffällig, daß die „Könige" in den Relativsatz gesetzt sind, obwohl eine Constructus-Verbindung o^dtidtx, nach G. Fohrer 3M eine Aussage wie „Ackerboden, der den zwei Königen gehört, vor denen dir graut" stilistisch betrachtet wohl günstiger gewesen wäre. Darf man dies nicht als schlechten Stil bezeichnen? 305 2.) Lexikalisch-semantisch will H. Irsigler die Ursprünglichkeit von V. 16bß mit dem Begriff „nmxrr" sichern: Dabei setzt er den alten Streit, ob man rrotx als Ackerboden oder Wohnland zu verstehen habe, auf anderer Ebene fort. Beriefen sich die Befürworter des ersten und damit auch des Sekundärcharakters von V. 16bß, auf den jesajanischen Sprachgebrauch, so R. Kilian, der auf den Begriff in Jes 1,7; 6,11; 28,24 als „sicher echten Jesajastellen" und auf die Tatsache hinwies, „daß Jesaja selbst für die Länder der Feinde bzw. für die Fremdländer nie den Terminus ,adamä verwendet,"306 so konnten sich die Exegeten, die nmx als Wohnland verstanden, zumindest auf Am 3,2 berufen. 307 H. Irsigler versucht ohne diesen Beleg die Bedeutung „bewohntes Land" aus dem Verb Ni. herauszulesen: „Der Gebrauch entspricht dem von ha=,an Jes 6,12, nicht unmittelbar dem von 6,11. Gerade weil 'adatnä nicht das politische Territorium als solches im Auge hat [...], kann das Wort auf zwei Könige bezogen werden und deren Wohnland bezeichnen."308 Allein auf Grund des Verbs die Bedeutung von rroixn zu determinieren, verbietet sich. Zwar wäre die Aussage üblicher, würde so etwas wie Jes 6,11 rooö nxtön noixn statt roixrr mvn zu lesen sein, das Gegebene 301

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H. Irsigler: Zeichen S. 86f; auch A. Laato [Immanuel S. 132f] bringt einige Argumente gegen den Sekundärcharakter vor. R. Bartelmus: Stilprinzip S. 60 A.41. S. hierzu und zum Folgenden H. Irsigler: Zeichen S. 87 A.41. G. Fohrer: Jesaja I S. 116 A.58 (s. oben S. 188). Vgl. neben G. Fohrer R. Kilian: Prolegomena S. 208; W. Werner: Prophetenwort S. 19. S. dazu auch A. Laatos [Immanuel S. 132] Wiedergabe, die beweisen mag, wie seltsam der Relativsatz ist: „It can be translated literally in roughly the following way: , . . . the land will be laid waste, in regard to which it is such that you feel horror before two kings, namely the kings of the land in question.' " R. Kilian: Verheißung S. 41; ders.: Prolegomena S. 207f.; letzteres belegt mit Jes 18,1.3.6; 22,18; 30,6. S. H.W. Wolff: Frieden S. 45; vgl. V. Herntrich: Jesaja S. 133; J. Schildenberger: Mutter S. 349; J. Lindblom: Study S. 25f mit Jer 12,14, vgl. A. Laato: Immanuel S. 133. Letzterer wagt die Behauptung: „The fact that the wordTOnxoften appears in Isaiah to mean the farmland of Judah does not prove anything at all." H. Irsigler: Zeichen S. 87 A.41.

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III. Literarkritische Entscheidungen

berechtigt jedoch nicht zu solcher Festlegung.309 Der Bezug zu Jes 6,12 mag auf Grund dieser Vorgabe offensichtlich sein, aber gerade dort ist γπχ zu lesen und gegen minx wäre ja auch in Jes 7,16 überhaupt nichts einzuwenden.310 Mag schließlich der Begriff nmx, der sich nicht auf ein politisches Territorium bezieht, auf zwei Könige anwendbar sein, muß diese Verbindung doch als auffällig gewertet werden, weil Entsprechendes im gesamten AT für noix nicht belegt werden kann. 3.) Das kontextuell-inhaltliche Argument H. Irsiglers, daß V. 14 und V. 16 kompatibel sein müssen, V. 16 deshalb für Ahas Heil aussprechen muß, weil V. 14b auf Grund des Vertrauensnamens des Kindes keine Drohung gegen Ahas zuläßt, erledigt sich im Blick auf die ambivalente Zeichenstruktur, die H. Irsigler selbst hinsichtlich des Immanuelnamens und der von ihm postulierten Diskrepanz zwischen V. 16 und V. 17 entwickelt. Wenn er V. 17a von V. 16a syntaktisch abhängig sein läßt, eine Auffassung, der ich mich anschließe,311 begründet V. 17 ebenso wie V. 16 V. 14b, und damit läßt sich im Anschluß an H. Irsigler die Suggestivfrage stellen, wie ein als bloße Unheilsaussage verstandener V. 17a direkt die heilvolle Namengebung begründen könnte, denn daß V. 17a an zweiter Stelle steht, bedeutet ja nicht, daß dadurch kein Bezug bestünde.

Halten wir fest: 1.) V. 16bß ist stilistisch betrachtet zumindest auffällig. 2.) Die Verbindung von rrDTX, „Ackerland" bzw. „bewohntes Land" mit zwei Königen ist zumindest ungewöhnlich. 3.) Allein auf Grund der heilvollen Konnotation des Immanuel-Namens läßt sich nicht für den Verbleib von V. 16bß argumentieren. Damit sind die Argumente und Indizien für eine Ausscheidung des Relativsatzes jedoch nicht erschöpft: 4.) Wesentlich scheint in diesem Zusammenhang, daß in V. 16bß der Titel "t>0 begegnet: 312 Wer V. 1 und damit die einzige Stelle, wo sich dieser Titel neben V. 16bß noch in Jes 7,1-17 auf Rezin und Pekach angewendet findet, für sekundär erklärt, setzt den Königstitel in V. 16bß in Isolation, noch dazu aber besteht wohl ein Kontrast gerade zu dem abschätzigen "irrbDT"p und vielleicht sogar zu V. 8a.9a ώ π , V. 4 mn^T. 5.) Im Abschnitt von V. 10-17 spielen Rezin und Pekach, von V. 16bß abgesehen, überhaupt keine Rolle mehr. Daß auf sie in V. 16bß Bezug genommen wird, ist nicht selbstverständlich. 6.) Ist V. 7b in der einfachen Einheit anaphorisch aufzufassen, wäre der gesamte V. 16 als Untergangsdrohung nach der Ansage des Scheiterns des Feindplanes eine unvermittelte Steigerung, ansonsten doppelt es sich mit V. 7b.8a.9a.313

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Vgl. Jes 27,10, wo von der Stadt der Chaosmacht gesagt wird -OTD3 3T931. Der Vergleich setzt doch voraus, daß auch die Wüste verlassen ist (3TV ni.); weshalb dann nicht auch der Ackerboden? S. K. Budde: Immanuelzeichen S. 29. S. unten S. 195 zu V. 17. Vgl. R. Kilian: Verheißung S. 41; ders.: Prolegomena S. 209. Vgl. K. Budde: Jesaja's Erleben S. 57 (s. oben S. 187). Dies auch gerade zu H. Irsigler, der meint, daß mit V. 8a.9a V. 7b sekundär ein neues Subjekt zugewachsen ist.

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7.) Erstreckt sich das Zeichen nicht nur auf V. 14 und gilt es, in V. 14a eingeleitet, einer Mehrzahl, ist der Übergang in die 2. Pers. sing, in V. 16bß unvermittelt. 314 Trotz all dieser Indizien und trotz der großen Zahl übereinstimmender Voten in den jüngeren Veröffentlichungen 315 kann die Sekundärerklärung von V. 16bß nicht als gesicherte Erkenntnis der Forschung betrachtet werden. Zwar kann man sie wohl längst nicht mehr für willkürlich halten, 316 trotzdem erweist sie sich nicht unabhängig von vorgängigen Überlegungen und Einsichten zur ursprünglichen Textgestalt von Jes 7,1-17*. Natürlich hat diese Ausscheidung wesentliche Folgen. Die Entscheidung über V. 16bß dürfte wohl das folgenreichste Ergebnis der Literarkritik an diesem Text sein. Es ist klar, daß man um diesen Relativsatz weiter streiten wird: Er muß zugehörig sein, weil er das Bedeutendste ist. 317 c) Die Adressaten in V. 17aa Die Drohung in V. 17 scheint, was seine Adressaten betrifft, all zu üppig zu sein. So verwundert es nicht, daß jeder dieser drei Adressaten schon in seiner Ursprünglichkeit angezweifelt worden ist, zumal - das wesentliche literarkritische Kriterium - auch die Abfolge Ahas - sein Volk - Haus seines Vaters kaum eine ursprüngliche Zusammenstellung zu sein scheint. Drei Möglichkeiten der Ausscheidung ergeben sich, paradigmatisch stehen dafür die Auffassungen von drei Exegeten: -5-I Q

1.) H.W. Wolff geht davon aus, daß sekundär eingedrungen ist, setzt diese Vermutung aber schon selbst unter ein Fragezeichen: „Die Texterweiterung unterbricht den Zusammenhang zwischen dem König und seiner Familie. Oder ist .über das Haus

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Vgl. P. Höffken: Notizen S. 323. Hier zeigt sich im besonderen, daß C. Hardmeiers Postulat einer sorgfältigen Adressierung in V. 1 0 - 1 7 gegenüber V. 1 - 9 eine Farce ist (s. oben S. 162f). Es sei zudem vermerkt, daß für M. Görgs literarkritische Scheidung, die sich an den Du-und Ihr-Adressierungen orientiert, die Ausscheidung von V. 16bß als Du-Anrede in einem angeblichen Ihr-Anrede-Zusammenhang (V. 13-16ba) notwendig ist (s. oben S. 177). Über die Genannten hinaus s. G. Fohrer: Jesaja 7 14 S. 169; ders.: Propheten I S. 119 A.29; M. Görg: Hiskija S. 110; G.B. Gray: Isaiah S. 132; H. Haag: Jesaja 7,14 S. 183 A.13; P. Höffken: Notizen S. 326 bes. A.13; O. Kaiser: Jesaja I S. 156; C.A. Keller: Wort S. 108; R. Kilian: Jesaja IS. 55; O. Procksch: Jesaia S. 119.123f; J. Schreiner: Textgestalt S. 97; J. Vollmer: Rückblicke S. 185f; W. Werner: Prophetenwort S. 19. So explizit noch H.W. Wolff: Frieden S. 45f. S. nur L. Brodie: Children S. 28, der den Inhalt von V. 1 0 - 1 6 in drei Sätzen zusammenfaßt und dabei zwei Mal auf V. 16bß zu sprechen kommt. S. aber G. Fohrer: Jesaja I S. HOf, der alle drei Adressaten streicht.

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III. Literarkritische Entscheidungen

deines Vaters' nachgetragen, nachdem sich die Drohung an Achas selbst nicht erfüllt hat? Dann könnte ,über dein Volk' alt sein. Aber das ,Haus David' als solches wird schon in V. 13 angeredet und beschäftigt Jesaja bei der Niederschrift von Anfang an (V. 2). Andererseits erwartet Jesaja im Volk den Rest, der umkehrt" 319 . 2.) H. Wildberger spricht sich gegen H.W. Wolff, diesen aber rezipierend, für die Ausscheidung von "pax rrn'byi aus, weil es seiner Ansicht nach nachhinkt.320 3.) O. Kaiser hält schließlich T^y und das folgende 1 für eine sekundäre Historisierung: „Einmal auf der Spur dieser Historisierung verwischte der Bearbeiter auch den weit in die Zukunft blickenden Charakter von V. 17a. Er bezog seine Drohung mittels der Einfügung eines ,über dich' in V. 17aa auf Ahas" 321

Es gibt, so viel wird man aus diesem Nebeneinander der Auffassungen ersehen können, anscheinend keine klaren Kriterien für den literarisch auffälligen Befund der drei Adressaten der Drohung in V. 17aa. Je nach Auffassung über die zentrale Zielrichtung der postulierten Grundschicht wird ein Element als störend ausgeschieden. Dabei hat auch O. Kaisers Entscheidung nicht weniger, aber auch nicht mehr Plausibilität als die herkömmlichen, in der Forschung eingeführten Eliminationen. Jedoch scheint O. Kaisers Vermutung einer Historisierung durch die Hinzufügung eines y b v in diesem Zusammenhang wenig wahrscheinlich. Wenn die Dynastie in seiner Auffassung im Zentrum des Interesses von Jes 7,10-17 wie von Jes 7 , 1 - 9 steht, sollte man eine Reihenfolge -py-bsn "psx rrrrty erwarten, ganz abgesehen davon, daß nach der von O. Kaiser vollzogenen Ausscheidung von V. 14b - 1 6 viel eher ein Satz wie der folgende statt des gegebenen zu erwarten wäre: „< Siehe >, Tage werde bringen ..." 322 319

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H.W. Wolff: Frieden S. 10 A.s; s. ferner H. Greßmann: Messias S. 236 A.2; E.G. Kraeling: Immanuel Prophecy S. 293 A.29; R. Kilian: Verheißung S. 44; O.H. Steck: Beiträge S. 163f; M. Görg: Hiskia S. 110; R. Kilian: Jesaja I, S. 56; E. Haag: Immanuelzeichen S. 8. H. Gese [Natus S. 85 A.37] versteht unter QV die Blutsverwandten väterlicherseits, in Anbetracht von V. 2b wohl völlig ohne Grund. S. H. Wildberger: Jesaja I S. 268; vgl. T. Lescow: Jesajas Denkschrift S. 323 A.43; W. Werner: Prophetenwort S. 22. O. Kaiser: Jesaja I S. 168; anders noch s. ders.: Jesaja I 1 S. 76. Dabei gilt es zu beachten, daß Tax rra nicht selbstverständlich mit „Haus David" identisch ist, wie dies vielfach, z.B. durch J.M. Asurmendi: Guerra S. 83, vorausgesetzt wird. Dazu muß der Ausdruck schon mit der Wendung vax i n in Verbindung gebracht werden, die sich der Natur der Sache entsprechend vorwiegend im Buch der Könige und in der Chronik findet (vgl. II Reg 16,2; 18,3; 20,5; 22,2; Jes 38,5; Ruth 4,17; II Chr 17,3; 21,12; 28,1 u.ö.). DtrG/H gebraucht diesen Ausdruck in seiner dem Rahmen zugehörenden Beurteilung der Könige Judas. So wird gerade über Ahas in II Reg 16,2 gesagt, daß er nicht tat wie sein Vater David (vgl. II Chr 28,1). Ist es also möglich, daß David Vater eines späteren Sukzessors auf seinem Throne genannt werden kann, wird man nicht gänzlich ausschließen können, daß mit Tax rra in V. 17aa in Variation zu i n rra in

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Die konventionellen Lösungstypen vermögen aber auch nicht gänzlich zu überzeugen. Wird nDV^Vl ausgeschieden, liegt das Verbleibende zwar auf der Linie von V. 13f, der Bezug von zu V. 2b muß aber gekappt werden. Dies sieht auch R. Kilian: „Auf Grund der Erwähnung des Volkes in V. 2 und auf Grund der zwischen König und Volk bestehenden Solidarität könnte ,und über dein Volk' tatsächlich jesajanisch sein. Gegen die Ursprünglichkeit spricht jedoch, daß ,und über dein Volk' zwei Momente in der Aufzählung auseinanderreißt, die sicher zusammengehören, nämlich ,über dich' und ,über das Haus deines Vaters'." 323 Wird hier die Störung als durch Einschub verursacht gedacht, so im Falle der Ausscheidung von "pax ΓΡ3~ΐ>9ΐ durch Anhängung. Für letzteres könnte sprechen, daß das Zeichen Gottes denen vom Haus David gilt. War dies in V. 17 nicht genannt, könnte dies darauf hinweisen, daß ein Redaktor sich genötigt fühlte, es nachzutragen. Auf Grund des ihm Vorgegebenen war es ihm dann nicht möglich, einfach m rra zuzusetzen, und so prägte er den Begriff T a x ΓΡ2, wozu ihm die geläufige Benennung Davids als Vater eines beliebigen Davididen möglicherweise Anlaß gegeben hat 3 2 4 Solche Vermutungen haben freilich eben so stark hypothetischen Charakter wie die W. Werners, nach dem die Genealogie in V. 1 als sekundäres Pendant zu T l x rrn anzusehen ist 3 2 5 So bleibt es bei einem Bestätigungsdilemma. Ahas, sein Volk und das Haus seines Vaters, über die Jahwe Tage bringen wird, haben allesamt ihre Referenzen im Text von Jes 7,1-17. Die Störung in der Abfolge der Adressaten läßt sich nur auf Grund vorgängiger literarkritischer Entscheidungen im Text beurteilen und scheint zudem einmal mehr abhängig vom vorauszusetzenden Verfasser 3 2 6 Wenn man dagegen V. 17a als Ganzes Produkt eines Redaktors sein läßt, mag man die gestörte Abfolge auf sich beruhen lassen. Es wäre ja immerhin denkbar, daß ein solcher Bearbeiter

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V. 13 dasselbe gemeint ist, nämlich die Dynastie. Großartige Argumentationen sollte man freilich nicht darauf aufbauen, zumal die Erklärung wahrscheinlicher ist, daß sich das Haus David aus Ahas und dem Haus seines Vaters zusammensetzt, Haus seines Vaters also nur die Teilmenge bildet, die nach Addition mit Ahas das Haus David zur Zeit dieses Königs bildet. R. Kilian: Verheißung S. 44. Nach der Sekundärerklärung von V. 2b ist die entsprechende Ausscheidung in V. 17a bei E. Haag [Immanuelzeichen S. 8] folgerichtig. Vgl. in diesem Sinne T. Lescow: Denkschrift S. 323 A.43. S. W. Werner: Prophetenwort S. 22. S. dazu explizit R. Kilian: Verheißung S. 44. Während R. Kilian als Argument die vorauszusetzende Stilistik und Gedankenabfolge anführt, ist jenes bei H. Wildberger [Jesaja I S. 298] inhaltlich auf die jesajanische Verkündigung bezogen: „Wenn ,und über das Haus deines Vaters' Zusatz ist, wird das Unheil dem Ahas persönlich angesagt, nicht der davidischen Dynastie überhaupt, die nach der Meinung Jesajas noch ihre große Zukunft hat."

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III. Literarkritische Entscheidungen

die gesamte judäische Partei in dem ihm vorliegenden Text in das Unheil einbeziehen wollte. Fand er Ahas V. 1, das Volk V. 2b und schließlich das Haus David, erst in V. 13 als Dynastie verstanden, vor, stellte er sie in der ihm im Text erscheinenden Reihenfolge zusammen. d) Jesaja 7,17a Für die Ausscheidung des gesamten Verses hat sich nach Vorbereitung durch die Literarkritik der Wellhausen-Periode dezidiert K. Elliger ausgesprochen. Ihm „erweist sich der Unheil verkündende V. 17 sowohl durch das Fehlen der unbedingt zu erwartenden Adversativpartikel am Anfang als auch durch seinen Stil und seinen Inhalt als Redaktorenarbeit". Ebenso wie seine Vorgänger B. Duhm, K. Marti und T.K. Cheyne 328 erzielt K. Elliger dieses Ergebnis auf Grund der Interpretation von V. 16. Besagt dieser im gegebenen Textzusammenhang Heil für Ahas, so kann V. 17 nicht ursprüngliche Fortsetzung sein, ist aber notwendige redaktionelle Überleitung zu den in V. 18-25 versammelten Drohworten.

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K. Elliger: Prophet und Politik S. 138 A.28. Daß V. 17 Unheil verkündet, wurde vielfach bestritten (s. Hattendorf: Zu Jes. 7,17 S. 324f; E. Hammershaimb: Immanuel Sign S. 137f; J. Lindblom: Study S. 26f; S. Mowinckel: He That Comes S. 119; Η. Gottlieb: Amos und Jerusalem S. 444; W. McKane: Interpretation S. 215; J.J. Scullion: Aproach S. 299). Paradigmatisch für die heilvolle Interpretation Ε. Hammershaimb [Immanuel Sign S. 137]: „The prospect of happiness held out to the king, his people, and his house in v. 17 is so rich that one would have to go right back to the time before the partition of the kingdom to find its equal." Für ΧΌ hi. + b'J verweist er wie Hattendorf [Zu Jes. 7,17 S. 324] auf Gen 18,19, das eine Ausnahme zum sonstigen Sprachgebrauch bildet, und wo χι3 mit „erfüllen" wiederzugeben sein wird. Daß E. Hammershaimb [Immanuel Sign 138] notiert: „ .Bring days upon' becomes more or less synonymous" mit D^xn tro"·, ermöglicht eine heilvolle Interpretation. Zur Kritik s. vor allem J J . Stamm: Gespräch, bes. S. 32. Lexikalisch-semantisch läßt sich für χτη hi. + bv mit dem Subjekt Jahwe bzw. Gott ein heilvolles Verständnis von Jes 7,17a fast sicher ausschließen: In nahezu allen Fällen wird damit zum Ausdruck gebracht, daß Jahwe über etwas/jemanden Unheil bringt (s. nur die entsprechende dtr Wendung bv nyi ΧΌΠ rnrr in II Sam 17,14; I Reg 14,10; 21,29; II Reg 21,12; 22,16. 20; Jer < 17,18; > 19,3; 23,12; 42,17; 44,2; 45,5; 49,37; 51,64; vgl. Ez 14,22 bis; Sach 3,8; Hi 42,11; Dan 9,14; mit PWTba I Reg 9,9; Jer 19,15; 36,31; Neh 13,18; II Chr 7,22). Eben nur Gen 18,19 stellt eine wirkliche Ausnahme dar, in Jer 32,42 wird ein analoges Handeln Jahwes zum Ausdruck gebracht. Setzen diese beiden Stellen überdies den erst im Jeremiabuch nachweisbaren promiscue-Gebrauch von Ϊ5Χ und bv voraus, läßt sich zumindest das Postulat einer authentischen Heilsaussage nicht halten. Zum gesamten Problem s. schon R. Kilian: Verheißung S. 46 A.88; zum Sekundärcharakter von Gen 18,19 vgl. ders.: Abrahamsüberlieferungen S. 106. S. B. Duhm: Jesaia 1 S. 54f; K. Marti: Jesaja S. 79; T.K. Cheyne: Einleitung S. 35.

6. Jesaja 7,14b-17*

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Κ. Elligers Argumentation mit der fehlenden Adversativpartikel kann kaum befriedigen, setzt er doch einmal mehr wenig sprachgewandte Redaktoren voraus, die selbst noch einen selbstverständlichen Übergang verstümpern. Entweder wird man 1.) davon auszugehen haben, daß der Anfang von V. 17 in MT verderbt ist oder man faßt ihn 2.) als weiteren Nachsatz zu V. 16 auf, wie es schon K. Marti vermutete,329 oder erwartet 3.) auf Grund der Asyndese gleichgerichtete Aussagen in V. 16 und V. 17. Für die erste Möglichkeit läßt sich zwar auf andere Textzeugen verweisen, vor allem lQIs a und LXX, 330 trotzdem gilt hier nach textkritischen Kriterien konsequent nach wie vor die Auffassung R. Kilians: „Das in Qumran, 1 QIs a , überlieferte w zu Beginn von V. 17 und das entsprechende άλλά in der Septuaginta besagen nichts für den ursprünglichen Text." 331 Natürlich besteht hier wiederum ein methodisches Problem: Ist der heute vorliegende Text für V. 16f ohne waw-adversativum überhaupt lesbar, und muß nicht über den Sekundärcharakter von V. 16bß schon entschieden sein, um die Asyndese jiqtol-x als lectio difficilior bestimmen zu können? - Sofern man auf Grund der Asyndese inhaltlich gleichgerichtete Aussagen erwartet, 332 dürfte die erste Frage zu verneinen und die zweite zu bejahen sein. Andererseits dürfte H. Irsigler im Recht sein, wenn er V. 17a vom mit D1D3 eingeleiteten Nebensatz in V. 16a regiert sein läßt und daraus folgert, daß die Aussagen von V. 16 und V. 17 in zeitlicher Parallelität aufzufassen sind.333

Wie bei K. Eiliger hängen auch bei J. Vollmer die literarkritischen Entscheidungen hinsichtlich V. 16bß und V. 17a zusammen. So sieht dieser es nach Ausscheidung von V. 16bß als wesentliches Argument für den Sekundärcharakter von V. 17a an, „daß ν. π die lapidare Drohung von v. i6ba rrDTxn ητνη entscheidend mildert."334 Erneut muß die Interpretation von V. 17a vorausgesetzt werden. Ob aber das Unheil durch die Reichsteilung in keinem Verhältnis zur Verödung des Kulturlandes steht, wie er

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S. K. Marti: Jesaja S. 79. Vgl. H.W. Wolff: Frieden S. 10 A.r; H. Wildberger: Jesaja I S. 268. 297f; A. Laato: Immanuel S. 135. R. Kilian: Verheißung S. 43; zur Argumentation s. ders.: Prolegomena S. 208. So R. Kilian: Verheißung S. 43; ders.: Prolegomena S. 208; ders.: Jesaja 1 - 3 9 S. 15; vgl. J. Lindblom: Study S. 26 (freilich mit gegensätzlichen Folgerungen). S. H. Irsigler: Zeichen S. 92; vgl. O.H. Steck: Beiträge S. 165f. 169ff. Daß dabei Probleme bleiben, hat P. Höffken [Notizen S. 327 bes. A.15] deutlich gemacht hat: „widerspricht dem nicht die totalisierende (und zeitlich nicht komprimierbare) Formulierung .Jahwe wird Tage über dich ... bringen (usw.)'?" Ganz überzeugend ist die Kritik aber nicht, weil P. Höffken den Schwerpunkt eben auf die Tage legt. „Verlassensein des Landes" und „Bringen von Tagen" ist aber durchaus zeitlich zu parallelisieren, wenn man V. 16bß der Einheit beläßt. Da dies P. Höffken nicht tut, muß er aus seiner Sicht Widerspruch einlegen. Das Problem trifft er damit jedoch keineswegs. J. Vollmer: Rückblicke S. 186.

196

III. Literarkritische Entscheidungen

und nach ihm einige Exegeten mehr postulieren,335 dürfte eine offene Frage bleiben. Der Interpretation ist hier ein Spielraum geboten, der eindeutige Klärung verhindert. Denn wird in V. 17 auf die Dezimierung des Großreiches aus der Sicht Judas von 12 auf zwei Stämme angespielt, würde eine analogisierbare Dezimierung Judas nun das völlige Ende bedeuten. 336 Es erscheint jedoch fraglich, ob man die Reichstrennung wirklich als Dezimierung auffassen kann. Andererseits ist es durchaus möglich, nicht die Reichsteilung als tertium comparationis vorzustellen, sondern die Zeit seit der Reichsteilung. In dieser Sicht erledigt sich die Verlegenheitsauskunft, wenn es um den Stellenwert der Reichsteilung als Unheil geht, nach der der Stachel, den die Trennung getrieben hatte, so tief gesteckt haben soll.337 Dann besagt V. 17a lediglich, daß Jahwe Tage bringen wird, wie sie seit der Reichsteilung nicht gekommen sind, sicherlich auch eine Drohung, aber kaum eine Drohung, die mit V. 16a.ba in Übereinstimmung gebracht werden könnte.

Die weiteren Argumente J. Vollmers setzen die Echtheit der Grundschicht von Jes 7,1-17 voraus: „Jesaja hat [...] das kommende Gericht nicht veranschaulicht durch bisher Geschehenes, denn das, was Israel bevorsteht, sprengt den Rahmen seiner bisherigen Geschichte."338 Die Verwendung des Sodom-Gomorrha-Motivs, das J. Vollmer als Ausnahme anführt, wobei er Jes 1,9.10 für jesajanisch, 3,9; 13,19 für nachjesajanisch hält, dürfte heute in bezug auf die Authentizität auch in der Frage stehen. 339 Auch ist mit J. Vollmer zu beachten, daß Jesaja den Tag Jahwes erwartet, nicht aber Tage. 340 Schließlich gilt es folgendes zu berücksichtigen: Wenn V. 16 Begründung von V. 14 ist, V. 17 aber Teil dieser Begründung und andererseits (V. 14a) Jahwe selbst es ist, der das Zeichen gibt, muß es sonderbar anmu335 336

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S. J. Vollmer: ebd.; vgl. P. Höffken: Grundfragen S. 37 . S. R. Kilian: Verheißung S. 44: „Eine ähnliche Dezimierung wie die von 926 besagt schlicht und einfach den Untergang der davidischen Dynastie!" Zum tertium comparationis „Reichsteilung" s. auch W. Eichrodt: Heilige S. 90; H. Gese: Natus S. 85. A. Laato [Immanuel S. 129] geht noch darüber hinaus: „the prophet expresses that the dissolution of Ephraim and Judah was one of the greatest (if not the greatest) catastrophes in Israel's history." Von daher spricht für ihn nichts dagegen, Jesaja Hoffnungen auf Wiedervereinigung zuzuschreiben, dies natürlich gänzlich gegen Jes 7,1-17*. Die Aussagen, das Nordreich betreffend, biegt er notgedrungen um. So nahm Jesaja lediglich Anstoß an Pekach (V. 4); V. 5 besagt dazu nichts, da A. Laato die Nennung Ephraims und des Remalja-Sohnes als Objekt (der Überredung Arams) bestimmt. V. 9a wird einfach stimmig gemacht: „Ephraim is represented by Samaria and Remaliah's son" (ebd.). Auf V. 8a angewendet würde dies bedeuten, daß Jesaja auch nichts gegen Aram hatte, sondern lediglich gegen Damaskus und Rezin. J. Vollmer: Rückblicke S. 186. S. O. Kaiser: Jesaja I S. 33f; W. Werner: Israel; J. Vermeylen: Prophdte I S. 50-57, die sich nur hinsichtlich der späten Ansetzung treffen, bei unterschiedlichen literarischen Schichtungen. S. J. Vollmer: Rückblicke S. 186 mit Belegen A. 248.

6. Jesaja 7,14b-17*

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ten, daß in V. 17a von Jahwe in der dritten Person die Rede ist. Es wäre doch eigentlich die 1. Pers., also Gottesrede zu erwarten. Anders verhält es sich, wenn man V. 13f als sekundär aus dem Redezusammenhang ausscheiden müßte oder die Begründung des Zeichens deutlich vom eigentlichen Zeichen V. 14b abzusetzen hätte. 341 e) V. 17b: „den König von Assur" V. 17b gehört zu den am frühesten von der Bibelwissenschaft aufgefundenen Glossen. 342 Nicht nur, daß damit ein in Jes 7,1-17» bisher nicht bezeichneter Aktant auftaucht, gerade die Art und Weise seiner Einführung weist die Worte offensichtlich als sekundär aus. Als Objekt klappen sie hinter dem Relativsatz nach, zudem sind sie wohl als Erläuterung zu den „Tagen" zu verstehen und mit diesen treten sie in Spannung. Möglicherweise - im Versuch einer positiveren Bewertung - handelt es sich bei ~|i>D nx um ein zweites, von den D",D"' syntaktisch unabhängiges Objekt und dürfte dann wie folgt zu verstehen sein: (Jahwe bringt über dich ...) den König von Assur.34 Dabei muß dann auch nicht mit einer asyntaktischen Einfügung344 gerechnet werden, denn eine Anfügung mit τ wäre inhaltlich nicht gerechtfertigt, da die Tage diesbezüglich mit dem König von Assur durchaus in einem Verhältnis stehen. Auf diesem Wege könnte man V. 17b als eine απο icoivoö-Konstruktion verstehen.345 Zumindest denkbar ist auch, nx nicht als Nota accusativi, sondern als Präposition mit instrumentaler Bedeutung aufzufassen. In dieser Weise versteht es F.D. Hubmann und schließt V. 17b in den Relativsatz ein, 346 der dann folgende Bedeutung haben soll: (Tage,) die nicht gekommen sind, seit sich Ephraim von Juda,entfernt' hat mit Hilfe des Königs von Assur. n o bezeichnet in der Fassung F.D. Hubmanns das Abziehen Ephraims als Kriegsgegner im syrisch-ephraimitischen Krieg und schließt sich in seiner Zeitperspektive mit V. 1* zusammen. 347 Die sonst übliche Interpretation des Relativsatzes auf die Reichsteilung verwirft er als „ein von Kommentar zu Kommentar weitergereichtes, jedoch nie hinterfragtes

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So einerseits M. Görg: Hiskija S. 110, andererseits R. Kilian: Verheißung S. 117. S. schon J.G. Eichhorn: Ueber Jes. VII S. 457. Für diesen Halbvers wird auf das sonst in der Untersuchung geübte „name dropping" verzichtet. Ein identisches Verständnis erzielt E. Haag: Immanuelzeichen S. 7, indem er das Objekt in V. 17a zusammen mit dem Relativsatz für sekundär erklärt. S. R. Bartelmus: Stilprinzip S. 51. S. oben S. 97. S. W. Bühlmann/K. Scherer: Stilfiguren S. 52. S. F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 32; vgl. C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 48 A.44; s. aber ders.: Immanuelzeichen S. 309 A.12, wo C. Dohmen zwar seine Interpretation - umständlich genug - beibehält, aber nur V. 17b auf der redaktionellen Ebene ansiedelt. S. F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 29.

198

III. Literarkritische Entscheidungen

Erbstück alt. Wissenschaft" 348 , bleibt aber selbst den Nachweis schuldig, daß "HD q. das Abziehen eines Heeres bezeichnen kann. Im AT ist zumindest ein solcher militärischer Terminus nirgendwo belegt. Zwar gibt es einen Beleg in I Reg 20,39, wo ein einzelner Soldat aus der Schlacht(-reihe) tritt, und auch in II Sam 2,21.22 wird mit diesem Verb das Ablassen von einer kämpferischen Bedrohung, nämlich der Verfolgung Abners durch Asael, zum Ausdruck gebracht, das in Jes 7,17 belegte biO ist in beiden Belegen nicht verwendet, von einem Abzug eines Heeres überdies nicht die Rede. Wie das Verb n o generell hat auch "iiD q. mit bvo ein ziemlich breites Bedeutungsspektrum. Mit dieser Präposition entfaltet das Verb zwar kaum mehr seine Grundbedeutung „von der eingeschlagenen Richtung abbiegen" 349 (vgl. I Sam 6,12), kann aber noch eine Ortsveränderung zum Ausdruck bringen (Num 12,10; II Chr 35,15 vgl. Num 16,26; Neh 9,19), wo TID dann „verlassen" meint wie mehrfach auch in eher übertragener, denn lokaler Bedeutung, wenn vom Weichen der Kraft (Jdc 16,19), eines schützenden Schatten (Num 14,9), einer Last (Jes 10,27; 14,25), der Torheit (Prov 27,22), eines bösen Geistes (I Sam 6,23) oder Gottes (Jdc 16,20; I Sam 28,15. 16) die Rede ist. Theologisch kann HD q. mit bs>D schließlich für den Abfall von Gott (Jer 32,40; Ez 6,9) verwendet werden. Dabei nähern sich schließlich die negativen Aussagen, vom Nicht-Ablassen von der Sünde (II Reg 10,31; 15,18) an die Grundbedeutung von n n an: sie bogen vom eingeschlagenen Weg der Sünde nicht wieder ab. Da nun π α nirgendwo als Terminus für das Abrücken eines Heeres gebraucht ist, sich dafür aber mit SDi durchaus ein terminus technicus im AT finden läßt (s. II Reg 3,27 mit bvo; II Reg 19,8. 36),350 ist Tin in Jes 7,17a doch wahrscheinlicher auf die Reichstrennung zu beziehen, die gerade im DtrG religiös-ethische Dimensionen erhält und als eine der „Sünden Jerobeams" dargestellt wird, von denen seine Nachfolger nicht ablassen (nD q. II Reg 10,29. 31; 13,6. 11; 14,24; 15,9. 18. 24. 28). Damit fällt auch F.D. Hubmanns Erklärung aus, nach der Ephraim durch die Intervention Assurs zum Abzug von Juda/Jerusalem gezwungen wurde. 351 Das nx als Präposition auf den Hauptsatz zu beziehen, dem widerrät schließlich die singuläre Konstruktion und ungewöhnliche Stellung.

Gehört V. 17a der Grundschicht von Jes 7,1-17* an, dürfte V. 17b sinnvoll als Glosse auszumachen sein. Ist dies nicht der Fall, wird man sich streiten können. Nach dem zur Aussage von V. 17a Dargelegten handelt es sich jedenfalls, wenn überhaupt, um eine sachgerechte Glossierung und keineswegs um „a clumsy addition"352, eine „Umdeutung des Immanuelzeichens in drohende Richtung"353.

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F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 29 A.7. S. S. Schwertner: Art. Ί10 Sp. 149. Vgl. bvn nbv q. (I Reg 15,19; II Reg 12,19; Jer 21,2 u.ö.); s. G.-B.17 zum Terminus S. 589. Zur Kritik s. auch P. Höffken: Grundfragen S. 31 A.20; H. Irsigler: Zeichen S. 88 A.44. E. Hammershaimb: Immanuel Sign S. 138. H. Gottlieb: Arnos und Jerusalem S. 444 A.3.

7. Zusammenfassung

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7. Zusammenfassung Die literarkritische Bestandsaufnahme dürfte deutlich genug gezeigt haben, daß Jes 7,1-17 in der vorliegenden Textgestalt keine einfache Einheit bzw. kein einheitlicher Teiltext ist. Zwischen älterer und neuer Forschung läßt sich sogar ein Grundkonsens ermitteln, der in der von der großen Mehrheit vollzogenen Ausscheidung von V. 1*.8b. 17b besteht. Das ist deshalb nicht verwunderlich, weil die klassische Literarkritik mit ihrer Voraussetzung des „guten" Schriftstellers zumindest zu einem Teil von der aktuellen Methodenkonzeption weitergeführt wird. Zwar hat sich vielfach die Argumentationsweise geändert, kamen doch bei diesen Erweiterungen in der klassischen Literarkritik mehr oder minder auch Echtheitskriterien mit ins Spiel, die Erweiterungen, die von der Mehrzahl aktuell tätiger Exegeten genauso aufgefunden werden wie von den „Vätern", scheinen aber ein hinreichendes Fundament zu sein, auf dem die weitere literarkritische Analyse aufbauen kann. Diese Einschätzung mag für V. 8b tatsächlich zutreffen, denn solange man noch Literarkritik betreibt, wird man um das literarkritische Urteil für diesen Halbvers nicht herumkommen, für die anderen beiden Entscheidungen erscheint eine Fundamentlegung aber trügerisch, zumindest dann, wenn man sich der Fiktion hingibt, hier lägen gesicherte Erkenntnisse vor, und die Sekundärerklärung dieser Verse sei deshalb kaum mehr in jeder Untersuchung zu verlangen. Gerade, was V. 1* betrifft, scheinen doch auch Voraussetzungen wirksam zu werden, nehmen wir nur die Beibehaltung der Datierung unter Ausscheidung der Genealogie, die die textinterne Literarkritik als Erbe aufnimmt, ohne damit den eigenen methodischen Richtlinien zu entsprechen. Auf dem vermeintlich festen Boden der zu einem Vorentscheid gewachsenen Ausscheidungen wird in der aktuellen wissenschaftlichen Arbeit aufgebaut, weitere Spannungen und Wiederholungen erforscht und der Textbestand immer weiter deformiert. In diese Entwicklung gehen Versuche aus verschiedenen exegetischen Lagern ein. Die textinterne Literarkritik findet weitere Spannungen auf, vornehmlich auf der Ausdrucksebene bei syntaktischen Brüchen wie dem „Adressatenwechsel" (V. 9b.13.14a), die tendenz- und redaktionskritisch orientierten Analysen setzen auf anderer Ebene die Literarkritik der Echtheitskriterien fort. So wird das Echtheits- oder Verfasserkriterium vielfach gerade dort, wo man von einer dtr beeinflußten Redaktionsschicht ausgeht, implizit angewandt und erhält mitunter sogar ausschlaggebende Bedeutung (V. 3b.4a.9b.llb). In der Bestandsaufnahme dürfte auch deutlich geworden sein, daß bei den literarkritischen Entscheidungen in zahlreichen Fällen die Kriterien nur in Anwendung kommen können, wenn bestimmte Inhalte identifiziert sind, das bedeutet aber auch, über semantische und syntaktisch-grammatikalische Verhältnisse entschieden ist. Selbst die Identifikation von Formen

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III. Literarkritische Entscheidungen

und Gattungsmustern spielt bei der literarkritischen Entscheidungsfindung eine Rolle, besonders deutlich bei V. 8a.9a, V. 9b und V. 15. Gerade im Blick auf die Immanuelweissagung im engeren Sinne wird man mit und gegen R. Bartelmus' Auffassung, die literarkritischen Thesen basierten auf Vorentscheidungen über das Verständnis des Textes,354 darauf hinweisen können, daß die literarkritischen Entscheidungen zumindest meist - nicht sichtbar mit theologischen Prämissen zusammenhängen, sondern vielmehr Konsequenzen semantischer, syntaktisch-grammatikalischer und formgeschichtlicher Entscheidungen sind. Erst wenn auf diesen Ebenen ein Textverständnis hergestellt ist, können inhaltliche Spannungen aufgefunden werden. Bei den syntaktischen Brüchen verhält es sich zwar anders, denn sie ergeben sich aus der Analyse der Ausdrucksstruktur, ihre Bewertung ist aber wiederum nur auf dem Hintergrund des Textverständnisses möglich. Damit zeigt sich ein zweifaches: 1.) Das Problem der Divergenz literarkritischer Ergebnisse ist nicht allein ein Problem der Literarkritik, sondern primär des Textverstehens und damit der gesamten Exegese. 2.) Eine Literarkritik, die als erste Methode von anderen exegetischen Schritten abgehängt wird, muß entweder versagen, oder mehr voraussetzen, als sie eigentlich darf. Ist dies richtig gesehen, ist auch eine Literarkritik als erste Stufe im Methodenschema erledigt. Mit der Notwendigkeit, form- und gattungskritische Erkenntnisse vorauszusetzen, ist auch die Möglichkeit eröffnet, andere Kriterien in die literarkritische Entscheidung einfließen zu lassen, wie vor allem tendenz- und redaktionskritische Überlegungen, damit aber auch Vorentscheidungen über den für die Grundschicht vorauszusetzenden Verfasser.

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S. oben S. 97.

IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionssschichten1 1. Die historisierende Redaktion in Jes 7,1-17 Einige sekundär beurteilte Passagen in Jes 7,1-17 werden in der Forschung einer redaktionellen Bearbeitung zugeordnet, die die Intention verfolgt haben soll, den Text späteren Lesern historisch zu erschließen. Dieser historisierenden Redaktion sollen mit V. 1*.8b. 17b vor allem jene Stellen angehören, deren Sekundärcharakter seit dem Aufkommen der Literarkritik konsensfähig geworden ist.2 Hinzu kommen V. 4b.5b*.16bß.3 Der Konsens wird nicht nur durch unterschiedliche Zuordnungen, sondern vor allem auf Grund differierender zeitlicher Ansetzungen gemindert.4 So dient einem Teil der Exegeten der Nachweis einer auf die Denkschrift beschränkten und diese als Sonderüberlieferung auszeichnenden historisierenden Redaktion als Argument für die Denkschrift-Hypothese.5 Anderer-

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Die messianische Bearbeitung, die in der Regel auf V. 15 beschränkt wird, bleibt im folgenden außer Betracht s. dazu schon oben S. 182-186. S. W. Gesenius: Jesaia I S. 266 - 316; vgl. K. Budde: Capitel; B. Stade: Geschichte I S. 589 - 595; B. Duhm: Jesaia 1 S. 49-55; T.K. Cheyne: Einleitung S. 29 - 35; K. Marti: Jesaja S. 7 1 - 7 9 . Letzterer erklärt auch schon V. 4b für sekundär. S. O. Kaiser: Jesaja I S. 119; W. Werner: Prophetenwort S. 22; R. Kilian: Jesaja I S. 5 1 - 5 6 . Auch wenn sich H. Wildberger über eine historisierende Redaktionsschicht ausschweigt, spricht er doch V. I*.4b.5b*.8b.l7b als Glossen an und erzielt damit ein weitgehend identisches Ergebnis (s. H. Wildberger: Jesaja I S. 262 - 300). Vgl. P. Höffken: Grundfragen S. 31. Zu Varianten s. dessen Liste auf S. 30f. S. z.B. C. Hardmeier: Verkündigung S. 125 mit Verweis auf H. Barth [Jesaja-Worte S. 278f], Dessen Datierung erscheint als Konsequenz einer jesajanischen Denkschrift und einer vorexilischen Assur-Redaktion und erweist sich gerade hinsichtlich Jes 7,8b „terminus ad quem 722" (a.a.O. S. 197) - auf Grund einer problematischen Interpretation als gesucht: H. Barth möchte die Ankündigung von V. 8b nicht auf die Umsiedlungsmaßnahmen in Samaria in den 60er Jahren des 7. Jh, sondern auf 733/32 beziehen und demgemäß wie folgt verstehen: „Binnen 65 Jahren, nachdem das Nordreich zum ersten Male existenzbedrohend gefährdet war, ist es nunmehr nach dem assyrischen Eingriff 733/32 mit seinen territorialen Konsequenzen und Umsiedlungsmaßnahmen ,als Volk zerschlagen'." (ebd.) Dieses Verständnis, das im Ansatz an die Erklärungen der Rabbinen, Eusebius' und Hieronymus' (s. bei W. Gesenius: Jesaia I S. 285) erinnert, nach denen von Jesaja auf das Wort des Arnos über den Untergang des Nordreiches in

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IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionsschichten

seits wird diese Schicht erst in der nachexilischen Zeit angesetzt und über den Denkschrift-Komplex hinaus ausgeweitet.6 Daß bei der Erhebung dieser Redaktion die klassische Literarkritik nach- und fortwirkt, läßt sich nicht nur an Teilen zeigen, sondern auch am Gesamtbild, das die Zufügungen vom Profil dieser Schicht zeichnen. Legt man den von O. Kaiser aufgewiesenen Bestand der V. I*.4b.5b*.8b.l6bß. 17aa*.b zugrunde,7 erweist die Kohärenzprüfung eine Redaktion, die willkürlich und konzeptionslos ihre Erweiterungen dem ihr vorliegenden Text inkorporiert hat. Einerseits scheint der historisierende Redaktor seine eigene Einschätzung Uber den Gegner, die anders als im gegebenen Text mit seiner Betonung Arams auf die Parallelisierung Arams und des Nordreiches bzw. deren Könige abhebt8 und die Kriegsgefahr weniger

Am 7,11.17 angespielt sei, beseitigt eine Schwierigkeit durch das Setzen einer anderen. Die Terminologie von V. 8b, so die von H. Barth beseitigte Schwierigkeit, soll, legt man die Ereignisse und Asarhaddon und Assurbanipal zugrunde, „ - etwa gegenüber dem Gewicht der Ereignisse von 722 - sachlich kaum berechtigt" (ebd.) sein. Dies mag durchaus zutreffen, es wird dabei aber - und das gilt es zu berücksichtigen - dem Verfasser der Glosse , wohl kaum mit Recht, ein nahezu objektives Geschichtsbewußtsein unterstellt. Die Schwierigkeit, die H. Barths Rückrechnung einbringt, ist dagegen die, daß der Verfasser der Glosse augenscheinlich ein für das Verständnis wesentliches Glied unausgesprochen läßt, nämlich einen Nebensatz, den H. Barth inhaltlich mit „nachdem das Nordreich zum ersten Male existenzbedrohend gefährdet war" wiedergibt. Hier zeigt sich deutlich, daß dem TW auch bei H. Barths Wiedergabe mit „binnen" oder „innerhalb" allem Anschein nach doch der Sinnakzent „noch" eigen ist (gegen H. Barth S. 197 A.45). Gerade das Fehlen des zeitlichen Fixpunktes ist auch der Grund,

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weshalb schon W. Gesenius [Jesaja IS. 285f] gegen die Rechnung der Rabbinen von Am 7,11.17 her, um V. 8b für Jesaja sinnvoll zu erhalten, kräftig polemisiert hat: „Freylich aber eine der ungeschicktesten und verkehrtesten Erklärungen, die aus einem rabbinischen Kopfe hervorgegangen seyn mögen. Denn da die Worte Ί:π D'öu) in noch fünf und sechzig Jahren, deutlich genug anzeigen, daß der terminus a quo eben der Zeitpunct der Rede ist, so würde Jesaia, wenn er doch die Zeit von Arnos an datirt hätte, nichts besseres gethan haben, als der einfältige Knabe im Volksmährchen, der, als man ihm auftrug, die Nachricht an einen Verwandten zu bringen, daß der Bruder übermorgen ankommen würde, auch nach dreyen Tagen noch bey seinem ,Uebermorgen' blieb." So O. Kaiser: Jesaja I S. 22f. Den historisierenden Ergänzer erkennt O. Kaiser außerhalb der „Denkschrift" in Jes 3,8f; 5,13.14*(.15.16); 9,8aß(.20a). Diese Ausweitung der historisierenden Glossierungsarbeit ist schon deshalb notwendig, weil Jes 7,16bß der messianischen Bearbeitung in V. 14b-16ba folgt, diese aber mit den messianischen Weissagungen in Jes 1 - 39 in Verbindung gebracht wird. S. dazu O. Kaiser: Jesaja I S. 167-169. Es gilt jedoch dabei zu berücksichtigen, daß bei O. Kaiser wie zumeist schon die Grundschicht eine gewisse Zwiespältigkeit hinsichtlich der Gegner aufweist: die Betonung Arams (V. 2.5) und die Parallelisierung der beiden Könige (V. 4a*.8a.9a).

1. Die historisierende Redaktion in Jes 7,1-17

203

bedrohlich schildert, gegen seine Vorlage eingebracht, andererseits aber die eigene Tendenz dem gegebenen Text gegenüber zurückgestellt zu haben. Hat der Redaktor den Sing, von in-1 in V. 1 mit Rücksicht auf V. 5 gebildet,9 so hat er trotzdem in V. 5 das bestimmende Subj. erweitert. Hat er in V. 1 mit der Auslassung der Belagerungsnotiz die Gefahr durch die Feinde heruntergespielt,10 akzentuiert er sie in V. 4b gegenüber seiner Vorlage als bedeutender. 11 Verwandelt er in V. 4b die dort gegebene Zweigliedrigkeit der Gegner des Ahas unverständlicherweise in eine Dreigliedrigkeit, so führt er in V. 16bß die mit V. 4a* übereinstimmende Zweigliedrigkeit wieder ein. Schafft er in V. 16bß eine beide Reiche betreffende Untergangsdrohung, so reduziert er sie in V. 8b auf Ephraim und damit den in der Vorlage als unbedeutender dargestellten Kriegsgegner.

Es zeigen sich damit in ein und derselben Redaktionsschicht deutliche Oppositionen, die zusammen mit den stilistischen Schwächen, die den Redaktor auszeichnen, zu einem Redaktorenprofil führen, das das Prädikat „stümperhaft", mit O. Kaiser in Verallgemeinerung von Urteilen im Detail gesprochen, „plump" und „schulmeisterlich"12, verdient.

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So O. Kaiser: Jesaja I S. 167 (zur Kritik s. R. Bickert: König Ahas S. 368). Angesichts dessen, daß V. 1* in der Regel als Zitat von II Reg 16,5 bewertet wird, überzeugt diese Beurteilung mehr als etwa die Auffassung H. Wildbergers [Jesaja I S. 265], der dem Sing, gegenüber dem Plur. in II Reg 16,5 die Priorität einräumt. Im Sing, von soll gemäß H. Wildberger zum Ausdruck kommen, daß „die treibende Kraft des Unternehmens [...] Rezin, Pekach [...] nur Mitläufer unter aramäischem Druck" war. Das mag zur historischen Einschätzung des syrisch-ephraimitischen Krieges besser passen, aber weil Jes 7,1* in Jes 7 auch laut H. Wildberger einen Nachtrag darstellt und seiner eigenen Aussage zufolge „zweifellos auf das Königsbuch zurückgeht", müßte die Möglichkeit des Sing, in II Reg 16,5 nachgewiesen werden, was H. Wildberger jedoch unterläßt (s. dazu den Versuch unten S. 223 - 225.) Für die Ursprünglichkeit des Sing, plädiert auch R. Bickert [König Ahas S. 361-384] und schließt daraus auf eine ursprüngliche Erzählung, in der von einem Kriegszug Arams und Rezins allein die Rede war, verknüpft also auch deutlich historisches Interesse mit seinen literarkritischen Entscheidungen. Wie er hatte auch schon K. Budde [Isaiah vii S. 328] aus II Reg 16,5 und Jes 7,1 Schlüsse auf die ursprüngliche Textform gezogen, die für II Reg 16,5 wie folgt ausgesehen haben soll: Qn-bv Drrbrrb xbo Trrx"bs> i - n n (vgl. V. Herntrich: Jesaja I S. 115; E.G. Kraeling: Immanuel Prophecy S. 295 A.33 und die Erinnerung an diese These bei W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 66 A.17). S. O. Kaiser: Jesaja I S. 167f. Die Erläuterung in V. 4b stellt eine deutliche Umakzentuierung dar: Erweist die metaphorische Redeweise die Könige als Gegner, von denen aktuell noch Gefahr ausgehen mag, deren Macht aber im Schwinden begriffen ist, ein letztes Aufflackern vor dem Erlöschen, so vermittelt die Erläuterung mit der möglicherweise aus dem Bild assoziierten „Zornesglut" eine andere Vorstellung von der Gefährlichkeit: Rezin, Aram und der Remalja-Sohn kommen im Zorn. Daß dieser zeitlich oder qualitativ eingeschränkt ist, ergibt sich aus der Aussage nicht. Vgl. dazu schon oben S. 145-147. O. Kaiser: Jesaja I S. 168.

204

IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionsschichten

Auf Grund der Spannungen und Inkonsistenzen scheint es nicht verwunderlich zu sein, daß die angeführten sekundären Passagen auf verschiedene Bearbeitungen verteilt werden. So sieht H. Barth bespielsweise V. 4b und V. 17b als historisierende Erweiterungen an, setzt davon V. 5b ab, nimmt später V. 8b dazu und läßt V. 1* ansonsten unberücksich13 tigt. C. Hardmeier schließt lediglich V. 1* aus der historisierenden Redaktionsschicht (V. 4b.5b.8b.17b) aus.14 H. Irsigler schließlich erkennt die „historisierende verdeutlichende oder vervollständigende Bearbeitung" in V. l*.4b.5b*.17b und führt mit V. 8a.9a und V. 8b, jeweils verstanden als vaticinia ex eventu, zwei weitere Bearbeitungsschichten bzw. Glossierungen ein.15

Die Zuordnung der sekundären Textpassagen erweist sich offensichtlich von der Charakterisierung der Redaktionsschicht als einer erläuternden und nur erläuternden Bearbeitung abhängig. Dabei gilt es nochmals mit P. Höffken zu berücksichtigen, daß schon V. 4b „nicht allein ein historisierendes Deutungsinteresse" eignet. 16 Ist dies richtig, erscheint die ohnehin schon wenig wahrscheinliche Vermehrung der Bearbeitungsstufen als der falsche Weg. Letztendlich wird man sich allein über V. 8b streiten können, 17 zumal dort, wo V. 16bß der historisierenden Redaktionsschicht zuerkannt wird.18 Überdies bleibt zu fragen, ob V. 1* nicht der dtr beeinflußten Bearbeitung zuzusprechen ist, sofern eine solche postuliert wird.19 Wirkt die klassische Literarkritik im Postulat einer historisierenden Redaktion nach und fort, scheint es angesichts methodischer Neuorientierung fragwürdig, auf diesen Entscheidungen aufzubauen. Einerseits wird bei Übernahme der Entscheidungen klassischer Literarkritik der Text nämlich schon als zeitgenössisches Zeugnis vorausgesetzt, andererseits führt die Anknüpfung an diese scheinbar sicheren Ergebnisse zur weiteren Destruktion des Textes.

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18

19

S. H. Barth: Jesaja-Worte S. 196-200. 281f. S. C. Hardmeier: Verkündigung S. 124f. S. H. Irsigler: Zeichen S. 81f. 85f. P. Höffken: Grundfragen S. 31 (vgl. dazu oben S. 146f). Auch R. Bickert [König Ahas S. 368 A.49] schließt für die historisierende Schicht allein erläuternde Funktion aus. Zur Absetzung des V. 8b von der historisierenden Redaktion s. F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 41 A.29; H. Irsigler: Zeichen S. 81f; P. Höffken: Grundfragen S. 31f; R. Bickert: König Ahaz S. 374; fragend aber auch schon O. Kaiser: Jesaja I S. 168. S. dazu schon die V. 8b und V. 16 vergleichende Argumentation für den Sekundärcharakter von V. 8b bei W. Gesenius: Jesaja I S. 284. Vgl. dazu unten S. 209. Diese Anfrage ist aber z.B. auch an H. Irsigler [Zeichen S. 79f] zu stellen, der in V. 10 rnrr und nur hier den Schöpfer des „Denkschrift"-Komplexes am Werke sieht, denn offensichtlich schafft auch die Genealogie in V. 1* einen Zusammenhang, nämlich mit Jes 6,1.

1. Die historisierende Redaktion in Jes 7,1 - 1 7

205

Hier ist vor allem die häufige, weiter unten zu behandelnde Annahme einer theologisierenden Redaktion einschlägig.20 Komplizierter verhält es sich bei R. Bickert,21 der nicht nur eine dtr beeinflußte Schicht in Jes 7,1-9 nachweist, sondern auch die historisierende Redaktion auf zwei Schichten verteilt: Erster wesentlicher Ansatzpunkt für R. Bickert ist dabei die Erzählung in II Reg 16,5.7-9, die sich s.E. nicht als literarisch geschlossen erweist, weil nach der Schilderung des Angriffs zweier Könige auf Jerusalem nur noch das durch den Hilferuf des Ahas heraufbeschworene Schicksal des Königs von Damaskus referiert wird. Von Jes 7,1* und dem Sing, von bn" her, den er für „echt und ursprünglich und so aus II Reg 16,5 übernommen" (S. 369) hält, rekonstruiert R. Bickert für II Reg 16,5.7-9 eine Grundschicht, die nur einen Angriff Rezins von Aram auf Jerusalem zum Inhalt hatte und die später um die Beteiligung von Pekach von Israel in V. 5 und V. 7b erweitert wurde, nachdem in Jes 7,1* von einem Redaktor „und Pekach, der Sohn Remaljas, der König von Israel" eingebracht worden war. In Jes 7,1-9 führt dies zu einer Aufspaltung der historisierenden Redaktion: In einer ersten Bearbeitung wurde V. 1*. 3b. 4b „Rezin" und V. 8a der Grundschicht beigestellt, in einer zweiten V. 1* um die Nennung Pekachs erweitert, die Metapher V. 4aß, V. 4b „der Sohn Remaljas", V. 5b* und V. 9a eingebracht. Grundproblem dieses literarkritischen Versuchs ist die postulierte redaktionelle Erweiterung von Jes 7,1* um „Pekach, der Sohn Remaljas, der König von Israel", einem Titel, der sich nur in Jes 7,1, II Reg 16,5 und II Reg 15,32 vollständig belegen läßt.22 Sollte er Eigenbildung des zweiten historisierenden Redaktors sein, erweist er sich mit dessen sonstigen Erweiterungen als nicht stimmig, da dieser sonst nur „Sohn Remaljas" (V. 4b. 5b*. 9a) und „Ephraim" (V. 5b*.9a) verwendet. Überdies ist es unwahrscheinlich, daß dieser Redaktor in V. lb den Sing, hat stehen lassen, zumal der von Jes 7,1* abhängige Redaktor in II Reg 16,5. 7 - 9 die belegten singularischen Verbformen in den Plur. gesetzt haben soll. Versteht sich aber die ausführliche Nennung Pekachs in Jes 7,1* zwangloser, wenn man sie als Zitat aus dem Königsbuch versteht, bedarf es nicht der ohnehin unwahrscheinlichen wechselseitigen Beeinflussung von II Reg 16,5.7-9 und Jes 7,1-9, die R. Bickert annehmen muß. Zwar bleibt es für II Reg 16 auffällig, daß das Schicksal des Nordreiches auf das Hilfegesuch des Ahas nicht zum Thema wird, doch besteht diese Auffälligkeit vor allem in historischer Perspektive, und überdies kann sie im Rahmen der redaktionellen Bearbeitung des Königsbuchs dahingehend erklärt werden, daß der Redaktor eine entsprechende Notiz über das Vorgehen Tiglat-Pilesers III. gegen das Nordreich nach II Reg 15,29 für überflüssig hielt, oder gerade an dieser Stelle vorgeordnet hat 2 3

20 21 22

23

S. dazu unten S. 210-212. S. hierzu und zum Folgenden R. Bickert: König Ahas S. 367 - 383. Besondere Beachtung verdient, daß sich der Name Pekach außerhalb des Königsbuches, dort 9x, davon 7x mit der Apposition „Sohn Remaljas", nur in Jes 7,1 und II Chr 28,6 findet, „Sohn Remaljas" allein nur in Jes 7,4b.5b.9a und Jes 8,6. Zu dieser Sicht s. H. Tadmor/M. Cogan: Ahaz S. 508: „May one suggest, that 2 Kgs 15,29 was once part of an original, fuller account concerning Ahaz, and that during the course of editing, the writer of Kings apparently preferred to join the list of the Galilean cities to the narrative unit whose topic was the reign of Pekah? This would explain the apocopated ending of the Ahaz story, the topic of the present inquiry." Sieht man von der dort belegten Datierung ab, ließe sich II Reg 15,29 durchaus in II Reg 16,9 einfügen, zumal in V. 9a die Doppelung nu>x ibo auffällt.

206

IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionsschichten

Angesichts dieser fortschreitenden Destruktion des Grundbestandes und Verkomplizierung der Genese des Textes, stellt sich die Frage, ob das Fundament, auf dem die Literarkritik in Jes 7,1-17 ruht, tragfähig ist. Gerade hinsichtlich der Einschätzung von V. 1 als einer sekundären Einleitung von Jes 7,1-17 erweist sich die aktuelle Literarkritik, auch wenn sie textintern zu argumentieren scheint, von den Echtheitskriterien abhängig. Nur so ist es zu verstehen, daß V. 2 und V. 5f immer die Priorität gegenüber V. 1 eingeräumt wird. Textintern literarkritisch läßt sich diese Entscheidung nämlich nicht begründen, zumal die weiteren Argumente für die Ausscheidung von V. 1, so sie sich nicht auf das Verhältnis von V. 1 zu V. 2.5f beziehen, keineswegs überzeugen. Wenn etwa H. Irsigler als Argument für die Ausscheidung von V. 1 die unterschiedliche Bezeichnung des Nordreiches mit „Israel" und Titulierung des Königs „Pekach" anführt,24 ist dies auch ein Argument, das gegen seine Zuordnung von V. 1 zur historisierenden Redaktion spricht, da diese den König sonst nur rpbDvp, das Nordreich „Ephraim" nennt, ja, nachdem H. Irsigler in einem weiteren Argumentationsgang V. 8a.9a aus der Grundschicht ausscheidet, ist die Namensnennung des Königs überhaupt kein Argument mehr, weil ein „Ben-Remalja" in der Grundschicht gar nicht vorkommt, wohl aber etwa der mit V. 1* Verbindung schaffende Königstitel in V. löbß. 25

Damit scheint bei der Zusammenlegung der schon in der WellhausenPeriode, teilweise aber schon früher, gefundenen Glossen zu einer Redaktionsschicht das Vorverständnis dieser Periode weiterzuwirken und die Suche nach Intentionen einer solchen Bearbeitung wenig weiterführend, weil man über das Urteil „Stümperei" und „Inkonsequenz" nicht hinauszukommen vermag. Im Gegenteil bewirkt die Zusammenlegung in diesem Fall eine noch größere Abwertung als die Annahme unabhängiger Randglossen. Und damit ist gerade an O. Kaiser und jeden Exegeten, der Jes 7,1-17 in der Grundschicht nicht mehr mit Jesaja in Verbindung bringt, die entscheidende Frage zu stellen, ob eine historisierende Redaktionsschicht, die auf den Voraussetzungen einer Echtheitsliterarkritik basiert und im wesentlichen schon unter dieser Petitio principii aufgefunden

24

25

S. H. Irsigler: Zeichen S. 81 A.25 [=S. 161 A.25], Die Anmerkung dürfte abgefaßt sein, bevor H. Irsigler V. 8a.9a als sekundär erkannt hatte, und erweist sich so als Indiz für „wissenschaftliche Fortschreibung". Zum Folgenden s. auch ders.: Zeichen S. 85f. S. dazu oben S. 190. Speziell bei H. Irsigler verdient die Tatsache Beachtung, daß seine Grundschicht nur von Aram, Ephraim, den Brandscheitstummeln und Königen die Rede ist, die Herrscher von Aram und Nordreich also überhaupt nicht identifiziert werden. Woher weiß H. Irsigler dann eigentlich so sicher, daß die Grundschicht mit dem syrisch-ephraimitischen Krieg in Beziehung zu setzen ist? - Wenn der Text erst in den Tagen Hiskias (so H. Irsigler: Zeichen S. llOf) niedergeschrieben wurde, war er zu diesem Zeitpunkt schon für Historisierung offen.

1. Die historisierende Redaktion in Jes 7,1-17

207

wurde, eine reale Möglichkeit darstellt, sobald man zur Erkenntnis gekommen ist, daß die einfache Einheit von Jes 7 , 1 - 1 7 nicht von Jesaja stammen kann. 2 6 Wenn der dtr orientierte Verfasser nach O. Kaiser mit V. 3b auf II Reg 18,17 zurückgegriffen hat, was nötigt zu der Annahme, daß nicht derselbe mit einem Rückgriff auf II Reg 16,5 seine Erzählung einleitete? Wenn die Antitypisierung zutrifft, die V. 3b spürbar werden soll, was hindert dann, diese ein und demselben Verfasser auch in V. llff zuzuschreiben? Wenn man einen Verfasser anzunehmen hat, der für situationsunkundige Leser schreibt, muß man dann nicht auch annehmen, daß er sie in diese Situation einführt, zumal er seine weit in die Zukunft blickenden Aussagen ja gerade in dieser bestimmten geschichtlichen Situation verankert? 2. Die theologisierende Redaktion in Jes

7,1-17

a) Das Problem einer dtn-dtr beeinflußten Redaktion Wie schon in der Einleitung dieses Kap. kurz angeschnitten, 27 reagiert die Forschung mit der Annahme einer „dtr" Redaktion in Jes 7,1 - 1 7 * auf O. Kaisers Situierung der Grundschichten von Jes 7 , 1 - 9 und 7,10-17 im dtr Milieu. 28 Wenn man O. Kaisers Ansatz folgt, ihn aber dahingehend modifiziert, daß man den dtr Einfluß auf die redaktionelle Ebene verlagert, stellen sich weitreichende Konsequenzen ein. Da O. Kaiser eine konventionelle literarkritische Analyse zu Jes 7 , 1 - 9 geboten hat, diktiert die redaktionskritische Voreinstellung eines dtr Einflußes eine Änderung der literarkritischen Perspektive. Am deutlichsten wird diese Folge bei R. Bickert, der die Interpretation O. Kaisers weitgehend teilt und auf Grund dessen den Text von Jes 7 , 1 - 9 in einer wohl kaum zu überbietenden Weise zerstückelt. Der dtr Bearbeitung weist er V. laa* (nur „des Sohnes Jotams, des Sohnes Ussias"); V. 2ba* (nur „das Herz deines Volkes"); V. 3aß (die Einführung Schear Jaschubs); V. 4aa (ohne χ τ η bx); V. 9b zu. 29 In den Ausführungen R. Bickerts wird deutlich, daß es sich weitgehend um inhaltliche Argumente handelt, die zur Ausscheidung der Textpassagen führen. Die leitende Fragestellungen liegen klar auf der Hand: Ist es möglich, eine vordtr Grundschicht zu eruieren? Die Petitio principii „vordtr Grundschicht" im Verein mit der Suche nach einer ursprünglichen Aram-Schicht aus historischer Perspektive führt die Ausscheidung von Textstücken herbei, die streng literarkritisch

26

27 28 29

Analog ist die Anfrage an die Exegeten zu stellen, die ihre Literarkritik von der Frage der Echtheit lösen. Vgl. dazu oben S. 100. S. O. Kaiser: Jesaja I S. 135-169. S. R. Bickert: König Ahas S. 3 7 4 - 380.

208

IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionsschichten

unantastbar sind. Dabei werden die Bezüge, die O. Kaiser entdeckt hat, mit Ausnahme bei V. 4aa als gegeben hingenommen. Damit macht es sich R. Bickert wohl ein wenig zu leicht. Zwar ist es durchaus möglich, daß ein postulierter dtr Redaktor die Bezüge innerhalb von Jes 7,1-9 so gesehen hat, wie dies O. Kaiser annimmt, daß dieser aber alle Passagen, die solche Bezüge aufweisen, geschaffen hat, müßte erst durch literarkritische Analyse bewiesen werden. Wo diese aber allein auf dem Inhalt basiert, näherhin auf Interpretation, wird die Analyse höchst fragwürdig. Die Art und Weise der Analyse ist freilich schon von R. Bickert in seiner Kritik an O. Kaiser verwurzelt: „Aber darf man, wenn V. 4 und 9b dtr sind, darum V. 1 - 9 * im ganzen für dtr halten? Die Textbasis für eine derartige Folgerung ist doch sehr schmal." Dagegen fordert R. Bickert, daß „nur die Teile des Textes von Jes 7,1-9* als dtr angesprochen werden, die selbst als solche zu identifizieren sind, ohne daß von da aus alles übrige ebenfalls für dtr erklärt wird."30 Eine solche Forderung ist nicht zu halten. Man müßte sonst voraussetzen, daß ein dtr Bearbeiter auf Schritt und Tritt als solcher zu identifizieren sei. Eine solche Voraussetzung wäre aber nur möglich, wo man annehmen könnte, daß die dtr Schule eine neue Sprache eingeführt habe. Eine Erzählung vordtr Provenienz und dtr Provenienz zum gleichen Thema wird sich beispielsweise wohl auch nicht grundsätzlich und generell, sondern nur an bestimmten Eckpunkten unterscheiden. Man hat also abzuwägen, ob man in Jes 7,1-9*, so man darin dtr Kennzeichen entdeckt, eine dtr Redaktion oder Grundschicht anzunehmen hat. Angesichts der literarkritischen Zerstückelung von Jes 7,1-9* durch R. Bickert scheint mir O. Kaisers Auffassung durchaus naheliegender. Vorsichtiger geht in dieser Beziehung W. Werner vor,31 der eine deutliche Mittlerposition zwischen O. Kaiser und R. Kilian32 einnimmt. Er ordnet der dtr beeinflußten Redaktionsschicht in Jes 7,1-17 V. 3b.4a.10 („Jahwe"). IIb zu: Über das Problem von V. 3b wurde schon gehandelt: Diese Ortsangabe als abhängig von II Reg 18,17 par. zu betrachten, ist durchaus möglich. Problematisch aber bleibt es, V. 3b nur mit dem Stichwort „Antitypik" aus der Grundschicht von Jes 7,1 - 1 7 herauszulösen. Weitere Kriterien scheinen aber zu fehlen, weshalb die Ausscheidung, allein tendenzkritisch begründet, wenig abgesichert ist. Genauso steht auch bei V. 4a ein Echtheitskriterium im Vordergrund. Entdeckt man in diesem Versteil eine Nähe zur dtn-dtr Kriegsansprache, führt man aber die Grundschicht auf einen früheren Verfasser zurück, ist die Ausscheidung allein dadurch nahegelegt. Noch klarer auf Authentizität ist schließlich die Sekundärerklärung von V. IIb ausgelegt, die sich letztlich nur auf das problematische Kriterium des Sprachgebrauchs stützen kann.

Betrachtet man aber die Textstadien, die sich auf Grund R. Bickerts oder W. Werners Scheidungen ergeben, präsentiert sich ein anderes Bild als bei der historisierenden Redaktion. Eine mehr oder minder vollkommene Einheit wird nicht durch Erweiterungen deformiert, sondern im Gegen-

30 31

32

R. Bickert: König Ahas S. 375. S. zum Folgenden W. Werner: Prophetenwort S. 16-24. Für ihn ist ein dtr orientierter Redaktor für die Zusammenstellung der „Denkschrift" verantwortlich. Von Jes 7,1-17* abgesehen führt W. Werner Jes 6,12f; 8,5.11.12b. 13b und 8,16 - 1 8 auf diesen Redaktor zurück. S. noch R. Kilian: Verheißung S. 14-46; dagegen aber nun ders.: Jesaja I S. 51-56.

2. Die theologisierende Redaktion in Jes 7,1-17

209

teil eine eher kärgliche Grundschicht redaktionell in der Tat verbessert, was bei W. Werner zumindest eindeutig auf V. 3b und V. I I b zutrifft. Freilich ist der Preis dafür hoch, denn wenn sich die Argumente letztlich in Echtheitskriterien erschöpfen, sonst aber keine Indizien für den Sekundärcharakter vorliegen, steht man vor einer Aporie: Kann man Passagen im Text, die man als dtn-dtr beeinflußt identifiziert hat, unter der Voraussetzung einer authentischen Grundschicht ohne weitere oder aber mit Hilfe ansonsten nur schwacher Kriterien ausscheiden, oder hat man auf Grund dieser Identifikation die Voraussetzung zu stürzen? - Es handelt sich in der Tat um eine Aporie. Nur wenn man davon ausgeht, daß sich Eingriffe in einen Text auch literarisch bemerkbar machen müssen, womit man gleichzeitig das Bild von Redaktoren setzt, die wenig einfühlsam mit ihnen vorliegenden Texten umgegangen sind, kann man sich für die zweite Möglichkeit entscheiden. Diese Voraussetzung wird zwar allgemein bestätigt, aber eben gerade deshalb, weil man bei einer Literarkritik seinen Ausgang genommen hat, die zu keinem anderen Ergebnis führen kann. Am Anfang der Textgeschichte steht die vollkommene Einheit, Störungen sind auf der redaktionellen Ebene zugewachsen. Verwirft man aber dieses Paradigma, das die Textgeschichte als Dekadenzgeschichte sehen lehrt, verliert man auch den festen Boden sicherer Kriterien und steht in Gefahr, in Willkür und Subjektivität abzurutschen. 33 Problematisch bleibt auch der Umfang dieser dtr Bearbeitung. Gerade die Korrespondenz von V. 1* gemäß der Interpretation O. Kaisers und V. 4a legt es nahe, diesen Vers aus der historisierenden Redaktion herauszulösen und der dtr Bearbeitung zuzuordnen, 34 und dies um so mehr, als der dtr Redaktor für V. 3b auf II Reg 18,17 ( par. Jes 36,2), für V. 4a auf Dtn 20,3 und für V. IIb auf II Reg 20,9ff zurückgreifen soll. Dies gilt insbesondere auch für die Genealogie. Wenn die dtr Bearbeitungsschicht konstitutiv für den Denkschrift-Komplex sein sollte, fügt sich hier V. la* durchaus ein. Daß der Zusammenhang, den die Genealogie zu Jes 6 herstellt, sich dem historisierenden Redaktor verdankt, 35 läßt sich zwar nicht ausschließen, ist aber auch nicht wahrscheinlich. Auch V. 9b kann diesbezüglich in Frage kommen. Daß aber hier beispielsweise W. Werner diesen Schritt nicht vollzieht, ist gegen P. Höffken durchaus einzusehen: Mit dem Wegfall von V. 9b kippt nämlich dessen jesajanische Grundschicht. Ohne V. 9b steht auch das Folgende nicht mehr unter dem Vorzeichen der Glaubensentscheidung und damit

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35 36

Vgl. zu diesen Ausführungen schon oben S. 79 - 86. S. P. Höffken: Grundfragen S. 32: „Es wäre doch theoretisch konsistenter, wenn man v. lb im Gefolge von 2 Kön 16,5 dieser dtr Redaktion zurechnete!" Vgl. oben S. 204. So W. Werner: Prophetenwort S. 16 A.67. S. P. Höffken: Grundfragen S. 32.

210

IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionsschichten

gerät auch V. 13.14a zu einem im Zusammenhang kaum vorbereiteten Wechsel im Erzählungsverlauf.37 Insgesamt betrachtet erscheint der Versuch, O. Kaisers Situierung von Jes 7,1-17* in exilisch-nachexilischer Zeit in eine Redaktionsschicht zu überführen, im wesentlichen als Fortsetzung einer Literarkritik der Echtheitskriterien. Der Entwurf geht auf eine jesajanische oder vor-dtr Grundschicht hin und nimmt Ausscheidungen von Stellen vor, die als jüngeren Datums zu identifizieren sind. Damit tritt eine solche Analyse aber an die Grenze zu ihrem eigenen Umschlag, nach dem ein neuer Entwurf entsteht, der nicht mehr auf eine vor-dtr Grundschicht hinzielt. b) Die Annahme einer theologisierenden Bearbeitung Das Problem der Literarkritik der Echtheitskriterien scheinen jene Versuche umgehen zu können, die - von den üblichen Sekundärerklärungen abgesehen - ihre Entscheidungen am Nebeneinander von Du- und Ihr-Anreden orientieren, denn allein schon der mehrfache Wechsel scheint ein textintern erhebbares literarkritisches Kriterium bereitzustellen. Es hat sich indessen schon weiter oben gezeigt, daß das literarkritisch relevante Etikett „Adressatenwechsel" schon eine bestimmte, engführende Beschreibung bestimmter Textdaten darstellt, also keineswegs ein empirischer Befund im engen Sinne, sondern ein interpretierter Befund ist, der ein bestimmtes Textverständnis voraussetzt.38 Dies zeigt sich etwa an P. Höffkens Einschätzung eines „verwirrenden Nebeneinander von Du-Anrede an Ahaz und einer Ihr-Anrede, die in v. 9b unerklärt bleibt, aber in v. 13f erklärt wird: Es geht hier um die Davidsdynastie."39 Die Titulierung „verwirrendes Nebeneinander" scheint schon der literarkritischen Scheidung vorzubauen. Es handelt sich um eine Lesestörung, die freilich wohl vor allem deshalb realisiert wird, weil der textinterne Literarkritiker besonders für Subjekt- (und auch Objekt-)Wechsel und sonstige syntaktische Schwierigkeiten sensibilisiert ist. Und auch die Gleichsetzung von i n fra mit der „Davidsdynastie" durch P. Höffken kommt einem Vorentscheid gleich, der eine ursprüngliche Beziehung von Ahas mit dem τ π rra aufgegeben hat. Wie bereits dargelegt,40 ist die Bewertung der pluralischen Anrede als literarkritisches Argument das Ergebnis der Beobachtung eines Numeruswechsels, der als Adressatenwechsel aufgefaßt und als solcher für literarkritisch relevant gehalten wird.

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38 39 40

C. Dohmen [VerstockungsvoUzug S. 51-54] will ohne V. 9b und V. 13 Jes 7,1-17* mit der Verstockung in Jes 6 in Verbindung bringen. Um dieses Verständnis zu erreichen, muß er aber die von ihm ausgeschiedenen Passagen in der Interpretation zumindest implizit voraussetzen und überzeugt auf diesem Weg keineswegs. S. oben S. 161f. P. Höffken: Grundfragen S. 27. Vgl. schon oben S. 97f. Vgl. nochmals oben S. 161f.

2. Die theologisierende Redaktion in Jes 7,1 - 1 7

211

Als Beispiele für die Reaktion auf den Numeruswechsel können gerade in jüngster Zeit unterschiedliche Versuche herangezogen werden: 1. C. Dohmen schneidet die Ihr-Anreden einfach ab, indem er V. 9b. 13*(ohne "iDX""i). 14a*(nur D3b) ausscheidet.41 2. F.D. Hubmann schließt V. 14b-16 direkt an V. 9a an. Eine Opposition von Du- und Ihr-Anreden bleibt damit im redaktionellen Komplex V. 11-14a erhalten, dem auch V. 17 zugehört.42 3. Ahnliches läßt sich bei E. Haag feststellen, der seine „ältere Bearbeitung" in V. 2b. 3aß.4aß.9b.ll - 13.14b.15a.16a.17a (nur -pirbin) wirksam sieht.43 4. M. Görg rechnet mit einer Überarbeitung des in V. 10- 12.13a*(nur ^DX^).r7a bestehenden Grundbestands um V. 13f.16a.ba, nimmt also wie E. Haag, aber anders als C. Dohmen und F.D. Hubmann die Immanuel-Verheißung im engen Sinne in den Zusammenhang der Ihr-Anrede hinein.44 5. Entsprechendes findet sich schließlich bei P. Höffken, der das Nebeneinander der Duund Ihr-Anrede mit Hilfe der Annahme erklärt, daß zwei kürzere Worte V. 5 - 7 * und V. 13f. 16a.ba, die jeweils unterschiedliche Anrede-Stilisierung aufwiesen, aufeinander bezogen wurden.45

Diese Disparatheit der Ergebnisse scheint schon darauf hinzudeuten, daß der Text einen gewissen Spielraum für die Setzung der Zäsuren läßt, und die Indizien, die die literarkritische Scheidung nach sich ziehen, offensichtlich nicht so schlagkräftig sind wie bei den gemeinhin anerkannten sekundären Erweiterungen, auf denen bei diesen Versuchen aufgebaut wird. C. Dohmen orientiert sich strikt am Wechsel von Du- zur Ihr-Anrede und steht, von der grundsätzlichen Problematik abgesehen, vor zwei Schwierigkeiten: 1.) Nach seiner eigenen Aufbauanalyse ist der Wechsel von V. 4f „Du" zu V. 9b „Ihr" überhaupt nicht relevant, weil V. 4f in den Redebefehl der Jahwe-Rede, V. 9b aber in der Gottesspruch der Prophetenrede gehört. 2.) Die Streichung von cnb in V. 13 „ist reinem Purgierungsinteresse verpflichtet und erscheint willkürlich"46. F.D. Hubmanns Versuch dagegen wirkt konstruiert: Weder findet sich im AT eine formgeschichtliche Parallele zu der von ihm erhobenen Grundschicht, in der sich zudem die Untergangsdrohung gegen die Feinde des Ahas (V. 7b.8a.9a + V. 16) doppelt,47 noch

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42

43 44 45 46 47

S. C. Dohmen: Verstockungsvollzug S. 48 - 50; vgl. ders.: Immanuelzeichen S. 307 - 313. Der theologisierenden Redaktion wird von C. Dohmen außerdem auch V. 15 zuerkannt. S. F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 40 - 42. Er nimmt zudem eine spätere Bearbeitung in V. lb und eine Glossierung in V. 8b an. S. E. Haag: Immanuelzeichen S. 8.10-12. S. M. Görg: Hiskija S. 110-115. S. P. Höffken: Notizen S. 325 - 332. P. Höffken: Grundfragen S. 28. Vgl. H. Irsigler: Zeichen S. 88.

212

IV. Zu den in der aktuellen Forschung diskutierten Redaktionsschichten

ist die Art und Weise der Erweiterung des Grundbestands wahrscheinlich zu machen, denn daß eine Geburtsankündigung in eine Zeichenankündigung umgesetzt wird, setzt einen Umgang mit Texten nach dem Baukastenprinzip voraus. Schon F.D. Hubmanns literarkritische Argumentation ist inkonsequent: Er erkennt vor allem eine Spannung zwischen singularischen Anrede in V. 16bß und pluralischen Anrede in V. 13.14a. Eine solche ist auch zwischen V. Ilf.l7a und V. 13.14a zu entdecken, wo sie von F.D. Hubmann literarkritisch nicht urgiert wird. Daß das Zeichen nicht „mit der Glaubensforderung von V. 9b verbunden werden" kann und „eben nach der vorangehenden Ablehnung alles andere als wiederum ein ,Zeichen' zu erwarten wäre" 48 , gilt auch auf der redaktionellen Ebene. Gerade der Redaktor, der V. 9b und V. 13.14a gestaltet hat, hat aber nach F.D. Hubmanns Ansicht die ursprüngliche Geburtsankündigung durch seinen Zusatz zu einem Zeichen gemacht. E. Haags literarkritische Scheidung erweist sich ebenfalls als nur schwach begründet: Für die Ausscheidung von V. 9b verweist er neben dem inhaltlichen Argument „Glaubensproblematik", die schon in V. 2b.4aß thematisiert sein soll, auf die Mehrheit der Adressaten, 49 stellt V. 9b aber dann mit V. 4aß sowie V. 11 zusammen. V. 11-13 werden mit denselben Argumenten ausgeschieden, obwohl auch hier ein Übergang von Anrede des Ahas und Anrede einer Mehrzahl zu diagnostizieren ist, der noch dadurch verschärft wird, daß die Ankündigung V. 14b.15a.16a mit dem der Grundschicht schon zugehörigen V. 17* am Ende in den Sing, zurückfällt. Noch weniger überzeugt, daß V. 14a.15b.16b nochmals abgesetzt und einer zweiten Redaktionsschicht zuerkannt werden. 50 Auch M. Görgs sauberer Schnitt bleibt unbefriedigend, der, wie schon dargelegt,51 seinen Ansatzpunkt in der Erwartung über den Fortgang der Diskussion nach V. 12 für die Ausscheidung von V. 13-16ba nimmt, obwohl für die Deutung von V. 12 V. 13 vorausgesetzt wird, weil sich allein aus diesem Vers das Verständnis von V. 12 als Verweigerung des Ahas ergibt. Zudem kann mit H. Irsigler darauf hingewiesen werden, daß V. 17 „nicht unmittelbar an V. 12 (bzw. die Redeeinleitung 13a) anschließen"52 kann. Höchst beachtlich ist schließlich P. Höffkens Lösungsversuch, der Jes 7,1-17 als Gestaltung aus zwei kürzeren Vorlagen (V. 5 - 7 und V. 13f. 16aba) bestimmt, deren Aufeinanderbezug und stilistische Angleichung die literarischen Verhältnisse in Jes 7,1 - 1 7 ansprechend erklärt. Die Schwierigkeiten liegen hier insbesondere bei der Vorlage „Dynastieorakel". Treffen unsere oben gemachten Bedenken zu,53 ist V. 13 kaum Beginn einer ursprünglich selbständigen Einheit. Zudem tritt das Zeichen als Fortsetzung einer Schelte in formgeschichtliche Anomalie. Allemal ist es natürlicher ein Zeichen als Fortsetzung einer Ankündigung anzusehen und eine solche auch für Jes 7,14b-16* als primär gegeben vorauszusetzen.

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F.D. Hubmann: Randbemerkungen S. 39. S. E. Haag: Immanuelzeichen S. 6. S. ders.: Immanuelzeichen S. 7f. Ein drittes Argument für dessen Ausscheidung von V. 11 - 1 3 ist „die Profilierung Jesajas gegenüber dem König", die schon V. 3a gegeben sein soll. Die zweite Bearbeitungsschicht erkennt E. Haag in V. Iaß.b.5a.7a.l6b(!).17aß. „Dazu kommen noch ein paar glossenartige Erweiterungen (V. 4b. 8b. 15b)." (S. 8) S. oben S. 177. H. Irsigler: Zeichen S. 87. S. oben S. 179f.

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung und einer darauf aufbauenden Interpretation 1. Ausgangspunkt und Fragestellung Bei dem nun folgenden Versuch einer Neuorientierung wird der Ausgang bei der Einschätzung von Jes 7,1-17* als Fremdbericht genommen, der nicht in der Zeit Jesajas anzusiedeln ist. Die Berechtigung für diese Kehre gegenüber dem üblichen Vorgehen ergibt sich aus der Forschungsgeschichte sowie den literarkritischen Scheidungen und redaktionskritischen Zuordnungen der aktuellen Forschung. Richtig hat P. Höffken jüngst in seinem Forschungsbericht herausgestellt, „daß die Unverzichtbarkeit von v. 5 - 7 * einen Forschungskonsens bildet" 1 , wohl gemerkt den einzigen Konsens, der sich in den literarkritischen Analysen von Jes 7,1-17* überhaupt ausmachen läßt. Dieser Minimalkonsens erweist sich jedoch kaum als quasi gesicherte Erkenntnis, sondern im wesentlichen vielmehr als Erbe der Forschungsgeschichte, die Jes 7,1-17* von jeher in der Regel als, wenngleich redaktionell überarbeiteten, so doch im großen und ganzen authentischen Bericht bestimmte. Dieses Erbe einer Literarkritik, die sich auch der Echtheitskriterien bediente, wird vor allem im Postulat einer historisierenden Redaktion wirksam, was es gerade hinsichtlich der Ausscheidung von V. 1 mit sich bringt, daß der Text als zeitgenössisches Zeugnis erscheint.2 Indem die aktuelle Forschung auf diesen Ergebnissen aufbaut und dies zum Teil trotz geänderter methodischer Richtlinien, wird ein solcher Konsens - unbeschadet der fortschreitenden Destruktion des Grundbestandes und der Vermehrung redaktioneller Bearbeitungen, die die weiter ins Detail dringenden Forschungen mit sich bringen, - überhaupt erst ermöglicht. Die Entscheidung zugunsten V. 2a.5f gegenüber V. 1 läßt sich jedoch textintern-literarkritisch nicht fällen, sondern bildet eine Voraussetzung textintern-literarkritischer Untersuchung. Dies nachzuweisen, dient der folgende Versuch: Im Ausgang von einem primären V. 1 ergibt sich eine neue literarkritische Scheidung, aber auch eine literarhistorische Ortung des Textes im dtn-dtr Milieu exilisch-nachexilischer Zeit. So wird einerseits O. Kaisers zeitliche Anset-

1

2

P. Höffken: Grundfragen S. 27. Neuerdings geht freilich E. Haag [Immanuelzeichen S. 6] mit der Sekundärerklärung von V. 5a ein Stück weit über diesen Konsens hinaus. S. dazu oben S. 123-130 u. S. 201-207.

214

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

zung von Jes 7,1-9*. 10-17* in der Grundschicht bestätigt,3 andererseits aber eine Grundschicht erhoben, die nicht nur dem „Insider" verständlich war,4 sondern jedem Leser eine Einführung in die geschichtliche Situation der Erzählung präsentiert hat. 5 Ob das erzielte Ergebnis historisch möglich ist, wage ich nicht zu beantworten, denn mit Ausnahme der Entscheidung zugunsten eines ursprünglichen V. 1 ist die Scheidung textbezogen angelegt. Damit bleibt es beim Versuch einer neuen Hypothese, die, im wesentlichen auf den zu bearbeitenden Text beschränkt, keine Patentrezepte für die Lösung der Überlieferungsprobleme in Jes 6,1-8,18*, geschweige denn in Jes 1 - 3 9 bietet, auch nicht bieten will. Der Neuansatz versteht sich primär als Hinweis auf das Problem und als Versuch, recht in den Zirkel hineinzukommen.6

2. Die literarkritische Scheidung

Daß Jes 7,1-17 in der vorliegenden Form keine einfache Einheit ist, dürfte außer Zweifel stehen. Bei der literarkritischen Analyse zeigen sich zahlreiche Indizien für ein Textwachstum, besonders deutlich dort, wo bestimmte Passagen mehr oder minder massive Probleme aufwerfen. So dürfte der Sekundärcharakter von V. 8b kaum zu bezweifeln sein, ob man nun mit Echtheitskriterien oder im Binnenraum von Jes 7,1-17 argumentiert. Der Charakter eines Einschubes verrät sich dadurch, daß Zusammengehöriges auseinandergerissen wird. Inhaltlich ist der Halbvers deplaziert und zwar nicht nur zwischen V. 8a.9a, da er besser hinter V. 9a stünde, sondern generell wegen der Zeitangabe, die weder mit V. 16 (inkl. 16bß) noch mit V. 7b.8a.9a im Verständnis als Subjektsatz-Gefüge zusammen-

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S. O. Kaiser: Jesaja I S. 135-169. S. O. Kaiser: Jesaja I S. 145, der Leser voraussetzen muß, die mit den Berichten im Königsbuch vertraut waren. Mit O. Kaiser teile ich eine Auffassung früherer Vorstöße in ähnliche Richtung keineswegs, daß es sich nämlich bei Jes 7,1 - 1 7 * um eine Prophetenlegende handeln soll. P. de Lagarde [Anmerkungen S. 9-13], H. Greßmann [Messias S. 237], E.G. Kraeling [Immanuel Prophecy S. 277 - 297], F.C. Whitley [Call S. 43f] und S.H. Blank [Faith S. 16-20] gingen allesamt in die Richtung, Jes 7,1-17* mit den Hiskia-Legenden des Jesajabuches gleichzusetzen. Dies ist schon deshalb kaum sinnvoll, weil Jes 7,1-17*, von der Einleitung und dem Zeichenangebot abgesehen, fast jegliche legendarische Darstellung abgeht, zu der zumindest gehören müßte, daß die Erfüllung erzählt wird, daß alles so gekommen ist, wie es der Prophet gesagt habe. Die Wortdominanz in Jes 7 läßt nur an einen am Prophetischen interessierten Schriftsteller denken, so man nicht direkter Jesaja oder einen seiner Schüler voraussetzt (vgl. G. von Rad: Heiliger Krieg S. 56; H.W. Wolff: Frieden S. 16). Zu diesen Problemen s. schon oben S. 3 5 - 4 1 u. S. 86 - 92.

2. Die literarkritische Scheidung

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stimmt, und auf Grund der Konzentration auf Ephraim, für die es in Jes 7,1-17* kein Seitenstück gibt. Ähnliches gilt auch für V. 4b: Bei diesem Halbvers zeigt sich zwar anders als hinsichtlich V. 8b deutlich die Tendenz, das Voranstehende zu erklären, die Art und Weise, wie diese Erklärung der Metapher von V. 4a* gestaltet ist, scheint aber nur auf redaktioneller Ebene denkbar, weil V. 4b gegenüber V. 4a eine Tendenzverschiebung und statt der nötigen Zweigliedrigkeit eine Dreigliedrigkeit aufweist. Hat man gerade hier einigermaßen festen Boden unter den Füßen und liegt in V. 4b keine in den Text gerutschte Randglosse vor, sondern offensichtlich eine bewußt an dieser Stelle in den Text eingefügte Ergänzung, ist der Kern für eine mögliche Redaktionsschicht entdeckt und ein erster Anhaltspunkt für eine mögliche das Textwachstum anzeigende Opposition gefunden, die Diskrepanz zwischen der Darstellung der Feinde als Volksverbände (Aram neben Rezin und Remalja-Sohn) und als deren Herrscher. Der folgende literarkritische Versuch hängt - das sei vorausgeschickt - an drei „seidenen Fäden": Man könnte sie als Voraussetzungen auffassen, sie bewegen sich jedoch richtiger auf den Ebenen der Bewertung, der Voraussetzung und der Folge. Das erste Problem besteht in V. 15:7 1.) Im Rahmen der Betrachtung von Jes 7,21f hat es sich nahegelegt, V. 22b* als Aufnahme zu bewerten. V. 21.22a führen nur auf rrxDn hin, die Nennung des aus dem Zusammenhang herausfallenden ctai erklärt sich jedoch ohne literarkritische Scheidung, wenn man V. 22b* als Zitat versteht. Von daher wird eine Abhängigkeit des V. 15 von V. 16 und V. 22 ausgeschlossen. 2.) Das letztlich formgeschichtliche Argument für die Ausscheidung, daß V. 15 den Zusammenhang von V. 14 und V. 16 unterbricht, sticht weder hinsichtlich der Gattung des Geburtsorakels (vgl. Lk 1,13-17) noch angesichts der Tatsache, daß Jes 7,14b-17* kein Geburtsorakel, sondern ein Zeichen in Form eines Geburtsorakels darstellt. 3.) Persönliches Interesse am Immanuel dokumentiert V. 15 nur, wenn man den mit inyrb eingeleiteten Satz final auffaßt. Dieser Einschätzung stellen sich jedoch auch im redaktionellen Kontext erhebliche Hindernisse in den Weg. Für die vorzunehmende Scheidung ist die Auffassung des mit b eingeleiteten Satzes als Temporalsatz naheliegend. Das b ist in seiner Grundbedeutung „in Richtung auf", „gegen - hin" und der Inf. von sn* als indirekter Zeitweiser zu verstehen, "inytb meint demgemäß „in Richtung auf sein Erlernen hin", also „gegen die Zeit hin, da er weiß". 8 Die Betonung des Satzes V. 15a liegt auf dem Objekt, das sich infolge von Inversion in Erststellung befindet. Damit liegt der Schwerpunkt des Interesses auf seiner Speise, nicht auf dem Knaben. Das zweite Problem besteht im Satzgefüge V. 7b.8a.9a. Über das Für und Wider der Auffassung der mit ' 3 eingeleiteten Sätze in V. 8a.9a als Subjektsätze zu V. 7b wurde schon ausführlich gehandelt. 9 Im vorliegenden Textzusammenhang ist das anaphorische Verständnis von V. 7b am naheliegendsten, d.h. dann, wenn V. 5f den begründenden Vordersatz zu

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Vgl. dazu oben S. 182-186. Vgl. F. Delitzsch: Jesaia 2 S. 139 mit Verweis auf Am 4,7; Lev 24,12 und T.K. Cheyne: Prophecies II S. 141. Vgl. dazu oben den Exkurs S. 153-158.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

V. 7a.b darstellen. Für die vorzunehmende Scheidung ist die Auffassung von V. 8a.9a als Subjektsätzen zu V. 7b notwendig. Trotz der - freilich auch mit einem impliziten Fragezeichen vorgetragenen - Einwände P. Höffkens 10 scheint zumindest eine theoretische Möglichkeit zur Auffassung von V. 8a.9a als Subjektsätze zu V. 7b zu bestehen, und dementsprechend wird H. Irsigler zu folgen sein, der eine Entscheidung im totalen Ausschlußverfahren für unmöglich hält. 11 Entscheidet er sich dahingehend, daß mit V. 8a.9a V. 7b ein neues Subjekt zugewachsen ist, läßt sich folgern, daß eine grammatikalische Unmöglichkeit auf Grund der 3. Pers. sing. f. nicht besteht. Das dritte Problem besteht schließlich in V. Ib. Für die vorzunehmende Scheidung ist es naheliegend, den Sing, von auf Ahas zu beziehen. Es wurde schon dargelegt,12 daß unter zwei Voraussetzungen dieser Sing, von einer redaktionellen Tendenz her zu erklären ist, II Reg 16,5 dem Text von Jes 7,1-17 anzupassen: 1.) Jes 7,1* ist von II Reg 16,5 abhängig und 2.) die Auslassung der Belagerungsnotiz basiert auf bewußter redaktioneller Überarbeitung. In diesem Sinne dürfte dann der Sing, als Subjekt Rezin voraussetzen und dessen übergeordnete Bedeutung in der Auseinandersetzung herausstreichen. Die Insuffizienz dieser Vermutung auf der redaktionellen Ebene ist aber offensichtlich: In Jes 7,1-17* findet sich neben der Parallelisierung und damit Gleichgewichtung der Feinde V. 4a.8a.9a.l6bß auch eine Betonung Arams als HauptgegnerV. ,2a?.5. Wird letztere als ursprünglich angesehen, kann der Sing, von i w dem Rechnung tragen, jedoch nur auf redaktioneller Ebene, wobei dann eine Zuordnung zur historisierenden Redaktion ausscheidet, weil diese gerade versucht, eine Parallelisierung der Gegner herbeizuführen (V. 5b). Auf Grund dieses Problems und angesichts der darzulegenden Einschätzung, daß in Jes 7,1-17* in der Grundschicht die Dominanz Arams gar nicht bezeugt war, ziehen wir K. Buddes Auffassung zu in modifizierter Form vor.13 D a m i t s t e h e n wir a m zentralen Punkt der Neuorientierung: D e r w e s e n t l i c h e Ansatz für die v o r g e n o m m e n e Schichtung liegt in der Verhältnisbestimmung v o n V. 1 und V. 2a. D e r Sekundärcharakter v o n V. 1* gilt nicht nur in der Literarkritik der Echtheitskriterien, sondern auch in der textinternen Literarkritik als gut abgesichert. W i e bereits dargelegt, 1 4 schließt die A n n a h m e einer authentischen Grundschicht V. 1* auf Grund seiner Abhängigkeit v o n II R e g 16,5 als sekundär aus, und auch in B e schränkung auf d e n Binnenraum v o n Jes 7 , 1 - 1 7 * ergeben sich Spannungen, zu V. 2a ( Z e i t / A r a m + E p h r a i m / E p h r a i m statt Israel) und V. 6 (Juda statt Jerusalem). D e r textinterne A u f w e i s ist aber auf d e m Hintergrund v o n zwei P r o b l e m e n zu hinterfragen.

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S. P. Höffken: Notizen S. 329 A.25: „Offenbar wird das Verb im Subjektsatz [sie!] bei unpersönlichem Subjekt maskulin formuliert"; gegen ders.: Untersuchungen S. 70f mit K. Seybold: Königtum S. 68 A.9, der für den Nachweis auf Gen 21,22; 26,8; 41,32; Dtn 9,11; Prov 22,18 (vgl. Gen 6,15) verweist. S. H. Irsigler: Zeichen S. 85; vgl. dazu oben S. 158. Vgl. oben S. 203 A.9. Vgl. nochmals oben S. 203 A.9. S. oben S. 126f.

2. Die literarkritische Scheidung

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1.) Die Spannungen werden ohne Rücksicht auf die Dublette in II Reg 16,5 erhoben. Ist aber Jes 7,1* von II Reg 16,5 abhängig, besagen sie nichts für den Sekundärcharakter von Jes 7,1* in Jes 7,1-17*. Ist Jes 7,1* nämlich ein Zitat, kann es sich auch um ein Zitat handeln, mit dem ein Verfasser einen Text einleitete.15 Dabei kann es mit dem Folgenden durchaus in gewisser Spannung stehen, ohne daß damit relevante Kriterien gegeben wären. 2.) Die Spannungen von V. 1* mit V. 2a und V. 6 werden immer zuungunsten von V. 1* entschieden. Damit wird vorausgesetzt, daß V. 2a.6 ursprünglich sind, was willkürlich ist. Letztlich ist für diese Voraussetzung nämlich nichts weiter ausschlaggebend als die Forschung an Jes 7, die an der Ursprünglichkeit von V. 2a.6 niemals Zweifel laut werden ließ.

Angesichts dieses fast einhelligen Vorentscheids der Forschung ergibt sich aber das Problem des Anfangs der Erzählung: V. 2a ist als Beginn erzähltechnisch höchst unbefriedigend und der suffigale Rückbezug in V. 2a legt die vorgängige Nennung des Ahas nahe. Daraus folgt die Absetzung von V. l a a aus der Sekundärerklärung, obschon zwischen V. laa und laß keinerlei Kriterien vorliegen. Schließlich wird in den meisten Fällen noch die Genealogie der Erweiterung zuerkannt. Gerade letzteres ist aber wiederum nur durch Echtheitskriterien oder redaktionskritisch, keineswegs jedoch textintern-literarkritisch zu begründen. Wenn man mit C. Hardmeier schon „einen dtr.-nachdtr. Sprachgebrauch im Verseingang (vgl. Jer 1,3; Gen 14,1?; Ruth 1,1; Est 1,1 neben Jes 36,l)" 1 6 entdeckt, spricht nichts für eine Zäsur innerhalb des ersten Verses. Das hat dann jedoch wiederum zur Folge, daß man für Jes 7,2-17* mit dem Ausfall einer Einleitung zu rechnen hat, denn weder als ursprünglich selbständige Einheit, noch im Rahmen der Denkschrift ist mit V. 2 eine überzeugende, sinnvolle Einleitung für das Folgende gegeben. Nimmt man wahr, daß die Priorität von V. 2a.5f sich nur aus der Forschungsgeschichte ergibt, nicht aber aus gewichtigen Gründen, die nicht - zumindest indirekt - mit der Echtheitsfrage zu tun hätten, scheint es durchaus sinnvoll, das Verhältnis einmal umzudrehen und seinen Ausgang bei V. 1 zu nehmen, der alle Anforderungen für den Eingang einer Erzählung erfüllt. Die Richtigkeit dieses Schrittes läßt sich natürlich nicht beweisen, er ist aber keineswegs willkürlicher als das ansonsten praktizierte Verfahren. Erwartet man keine jesajanische Grundschicht und hält man es für möglich, daß in der Einleitung einer Erzählung ein Zitat verwendet wurde, verliert Jes 7,1* seine Anstößigkeit. In V. 2a wird nun eine Aktion Arams in bezug auf Ephraim als Inhalt einer Botenmeldung an das Haus David dargestellt. Von den Aktanten in V. 1 wird abgesehen: Statt der Könige wird hier von den politischen Größen gehandelt, die jene regieren. Inhaltlich ergibt sich die Schwierigkeit, daß in V. 1 von einem Kriegszug gegen Jerusalem die Rede ist, nun aber 15 16

S. H. Irsigler: Zeichen S. 81 A.25. C. Hardmeier: Gesichtspunkte S. 44 A.10.

218

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

von einem militärisch-politischen Ereignis, das wahrscheinlich in Ephraim stattgefunden hat. Demnach und im Wissen um die geschichtlichen Hintergründe müßte man in V. 2a plusquamperfektisch auffassen, was grammatikalisch kaum möglich sein dürfte. Zwischen V. 1 und V. 2a dürfte insofern begründet eine literarische Fuge auszumachen sein. V. 2a hat gegenüber V. 1 den Charakter einer weiteren Einführung. Was die Zuordnung von V. 2b betrifft, ist die Entscheidung hinsichtlich V. lb vorauszusetzen. Sollte es unmöglich sein, daß in V. lb Ahas als Subjekt von fungiert, wäre V. 2b V. 2a zuzuschlagen und die Fortsetzung von V. 1 in V. 3 zu suchen. Gegen letzteres könnte zwar vorgebracht werden, daß in diesem Fall V. lb proleptisch zu fassen wäre und V. 3a mit der waw-P.-K. keinen geeigneten Anschluß darstellt, dieses Argument sticht jedoch nicht, weil in II Reg 16,5.7 die Verhältnisse ähnlich liegen: „sie belagerten Ahas, konnten aber nicht,kämpfen'. Da schickte Ahas..."17 Für Jes 7,1 + 3 könnte trotz des Fehlens der Belagerungsnotiz Entsprechendes gelten: „...zum Kampf gegen sie. Er [Rezin mit Pekach] konnte aber nicht kämpfen. Da sprach Jahwe...". Ein anderer, freilich beschwerlicherer Weg, bietet sich an im Blick auf das Verhältnis von V. 2a und V. 2b: 1.) Das „Haus David" als Bezugspunkt der Suffixe in V. 2b scheidet höchstwahrscheinlich aus.18 2.) Der Vergleich in V. 2b setzt eine ernsthafte Bedrohung von König und Volk voraus, die in V. 2a noch nicht vorliegt. Die beliebte Paraphrasierung „sie zitterten wie Espenlaub" 19 wird der hebr. Aussage nicht gerecht: Es geht nicht um die Darstellung einer psychotischen Schreckhaftigkeit oder Unsicherheit, die beim kleinsten Zwischenfall eine Überreaktion verursacht, sondern um eine Erschütterung durch erhebliche Fremdeinwirkung: Das Bild beschreibt Waldbäume, die vom Sturm erschüttert werden, keine Zitterpappeln, deren Blätter beim leichtesten Windhauch flattern. O. Kaiser meint, V. 2b in Anschluß an V. 2a die Aufgabe zuerkennen zu können, „im Leser oder Hörer der Geschichte die Frage nach den Gründen dieser Furcht zu provozieren und mithin sein Interesse am weiteren Gang der Erzählung zu wecken."21 Möglich ist dies

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Um der logischen Folgerichtigkeit willen muß man dort wie E. Würthwein [Könige II S. 385] onb mit „angreifen" wiedergeben. Ob das sinnvoll ist, da Anmarsch und Belagerung doch Teil eines Angriffs sind, bleibe dahingestellt. G.-B. 17 [zu onb S. 383] schlägt für beide Stellen sowie für Num 22,11 und Sach 10,5 die prägnante Bedeutung „siegen" vor (vgl. P.R. Ackroyd: Historians S. 126; F. Huber: Jahwe, Juda S. 11 A.5). Zur Diskussion des suffigalen Rückbezugs s. oben S. 131. A.35. So G.-B. 17 sub voce S. 493, welche Auffassung dort nur als Interpretationseintrag von Jes 7,2 her zu verstehen ist; vgl. J. Ziegler: Isaias S. 30. Zur zerstörenden Wirkung des Windes s. R. Albertz/C. Westermann: Art. rrn Sp. 730; vgl. O. Kaiser: Jesaja I S. 140. O. Kaiser: Jesaja I S. 140.

2. Die literarkritische Scheidung

219

schon, fraglich ist aber, ob ein Verfasser, der schon um den Ausgang weiß und seiner eigenen Einschätzung der Gefährlichkeit der Gegner, deutlich gerade in V. 4a*, Ausdruck verleiht, davon absehen könnte zugunsten einer Spannung erzeugenden, neutralen Aussage über den fundamentalen Charakter der Bedrohung. Gerade nach V. 2a wäre eine polemische Aussage über den Ausbruch einer kopflosen Panik dem Folgenden besser zuzuordnen als ein erzähltechnischer Kunstgriff. Sollte in V. l b A h a s ursprünglich Subjekt g e w e s e n sein, erklärt sich unter A u s k l a m m e r u n g v o n V. 2 a mehr als deutlich, warum er und mit i h m das V o l k in tiefe Furcht geraten, v e r m ö g e n sie es doch nicht, sich zu verteidigen. D i e nächste literarkritisch auswertbare Spannung besteht im Verhältnis v o n V. 4 a mit V. 4b. Während die Metapher in V. 4a v o n zwei Brandscheitstummeln redet, die auf Grund v o n V. 1 zu identifizieren sind, wird in V. 4 b nochmals e i n e Identifikation g e b o t e n und z u d e m e i n weiteres Objekt der Furcht eingeführt. Schließlich weist sich V. 4b durch e i n e Tendenzverschiebung hinsichtlich der Gefährlichkeit der F e i n d e als sekundär a u s . 2 2 H a b e n wir hier e i n e Erweiterung vor uns, die V. 4a nicht nur erläutert, sondern auch umdeutet, stellt sich die Frage nach der Intention. D a ß der R e d a k t o r v o n V. 4b mehr will, als nur zu erklären, was unter d e n „Stummeln" zu verstehen ist, dürfte sicher sein. Es m u ß sich d e m n a c h auch u m d e n Versuch einer Überleitung zu V. 5f handeln. Gerade diesbezüglich wurde schon weiter oben 23 eine Aporie der Forschung wahrgenommen: Wenn der Redaktor von V. 4b zwischen V. 4a und V. 5f zu vermitteln sucht und so Aram wegen V. 5a einführt, weshalb setzt er dann noch V. 5b* hinzu? Durch die Erweiterung von V. 4b wird die Parallelisierung der Feinde in V. 4a aufgehoben und das Schwergewicht auf Rezin + Aram gelegt, in V. 5b*, stilistisch äußerst ungeschickt, aber durch die Einführung weiterer Subjekte zu y y , „Ephraim und der Sohn Remaljas" wieder tendentiell aufgehoben. Dabei ist zudem ein Nebeneinander von V. 4a und V. 5* vorausgesetzt, das eine doppelte Opposition aufweist: V. 4a bezeugt die Gleichschaltung der Feinde, die als „Stummel" in ihren Königen repräsentiert zu sein scheinen, V. 5* dagegen die ausschließliche Nennung Arams, nicht des Herrschers, und damit eine klare Verlagerung des Schwerpunkts auf diesen einen Kriegsgegner.24 P. Höffkens Auffassung zwischen V. 4a und V. 5 liege eine literarische Fuge, kann sich in dieser Perspektive, die die Ausscheidung von V. 2a voraussetzt, also durchaus auf Kriterien stützen.25

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Voraussetzung für diese Sicht ist die Petitio principii, daß der Text nach hinten erweitert wurde und der Ausgangspunkt nicht bei einem redaktionell überarbeiteten V.4b genommen werden kann, wie dies R. Bickert [König Ahas S. 373] erwägt. Zu diesem Versuch s. oben S. 147f. S. oben S. 202f. In V.6 wird trotz dieser versuchsweise postulierten alleinigen Nennung im Zusammenhang kaum an eine Selbstaufforderung Arams zu denken sein. S. P. Höffken: Notizen S. 329.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

Nach Ausscheidung von V. 4b und der konsequenten, aber wenig konsistenten Sekundärerklärung von V. 5b* bleibt weiterhin eine Fuge zwischen V. 4a und V. 5f*, die dazu nötigen könnte, V. 4a von einem Grundbestand der V. 5ff abzuspalten. Damit scheint für die Textgenese eine doppelte Redaktion naheliegend zu sein.

Der nötige Nachweis einer dreifachen Opposition in V. 4f wird aber gar nicht erbracht. Vielmehr ist es lediglich die Erwartung eines alten Kerns, der V. 5f* nach Ausscheidung von V. 5b* von V. 4b absetzen läßt. Die Funktion der Überleitung für V. 4b wird auf Grund dieser Erwartung relativ zu V. 5f immer auf der redaktionellen Ebene angesetzt, die Frage, ob V. 4b deshalb an V. 4a angefügt ist, um literarisch primär auf V. 5f überzuleiten, kann auf Grund des durch die Forschung legitimierten Vorverständnisses, daß an V. 5f der primäre Zusammenhang von Jes 7,1-9 hängt, gar nicht gestellt werden. Vom hier eingenommenen Standpunkt aus kann V. 4b den V. 5f zugeschlagen und diese Entscheidung wie folgt begründet werden: 1.) V. 4b ist redaktionelle Erweiterung von V. 4a, zeichnet die Gefahr, die von den Kriegsgegnern des Ahas ausgeht, bedrohlicher und bringt überdies mit Aram ein weiteres Objekt der Furcht des Ahas ein. Der Schwerpunkt liegt auf der aramäischen Partei, der mit Rezin und Aram zwei Glieder zugehören. In V. 5 findet sich diese Betonung wieder: Aram fungiert als eigentliches Subjekt des Planes, „Ephraim und der Sohn Remaljas" wirken angehängt, müssen aber keineswegs für sekundär erklärt werden, wenn man nicht voraussetzt, daß V. 4b von V. 5 abzusetzen ist. Wie in V. 4b eine Vermischung von Land und Königen vorliegt, nämlich „Rezin, Aram und der Sohn Remaljas", so in V. 5 mit „Aram, Ephraim und der Sohn Remaljas". In beiden Fällen ist trotz der Variation die Funktion dieselbe. In V. 4b wird durch die Doppelgliedrigkeit, in V. 5 aber durch die Voranstellung der Schwerpunkt auf die Aktantengruppe Aram/ Rezin gelegt. Literarkritisch gibt es also in Konzentration auf V. 4f keinen Anlaß, V. 4b von V. 5 abzusetzen.26 2.) Nimmt man seinen Ausgang bei V. 1 und nicht wie üblich bei V. 2a, sind V. 5f unvorbereitet. In V. 1.4a geht es offensichtlich um die Könige Rezin und Pekach, in V. 5 tritt unvermittelt Aram und damit einer der Gegner in Betonung hervor. Schließlich richtet sich der Plan nicht wie in V. 1 gegen Jerusalem, sondern gegen Juda, wobei man sich über die Relevanz streiten kann, da V. 6 als Eigengestaltung mit dem Zitat in V. 1 nicht unbedingt völlig deckungsgleich zu sein braucht und sich außerdem mit V. 6b m i m durchaus nämliches Ziel wie in V. 1 verbinden ließe. Schließlich ist die inhaltliche Spannung zwischen V. 1 und V. 6 offensicht-

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Dieses Ergebnis dürfte auch erzielt werden, wenn man sich mit H. Schweizer [Literarkritik] bei der Literarkritik am Lesevorgang orientiert.

2. Die literarkritische Scheidung

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lieh: In V. 1 stehen die Feinde vor Jerusalem, in V. 6 planen sie nach Juda hinaufzusteigen. Damit stehen die V. 5f in einem Bezug zu V. 2a. 3.) Auf dem Hintergrund der formgeschichtlichen Problematik der V. 4 - 9 ist eine Ausscheidung von V. 5f möglich und trägt zur Entflechtung der Schwierigkeiten bei. Bei der Untersuchung des Komplexes sind bei gegebenem Text folgende Probleme zu erkennen: a) Sind V. Sf vorangestellte Begründung bei anaphorischem V. 7b, begründen sie, daß Gott spricht, und was er spricht. Dazu gibt es keine Parallele im AT, weder für i v noch für ~ιΐύκ IV. Fungiert eine der beiden Konjunktionen als Einleitung eines begründenden Vordersatzes, so schließt der Nachsatz, der mehrfach mit 13b eingeleitet wird, eine Ankündigung ein, die im Wechselverhältnis von Ursache-Folge zum Vordersatz steht. Jes 7,5-7 ist der einzige Beleg, in dem ein Begründungssatz dieser Form eine Botenformel (V. 7a) begründet. Literarisch auffällig ist dann zudem, daß die Botenformel in dieser Weise fest in den Redebefehl Jahwes an Jesaja verwoben ist. b) Diese Schwierigkeit umgeht die Auffassung von V. 8a.9a als Subjektsätze zu V. 7b. Sind V. 7b.8a.9a eine durch V. 5f begründete Ankündigung, kann V. 7a - wie bereits dargelegt27 - in Parenthese gesetzt werden. Beispiele für eine solche Konstellation liegen in II Reg 21,10-12; Jer 29,31f; 35,18f; Ez 26,2 zumindest für "ittix IV vor, jedoch mit dem nicht unerheblichen Unterschied, daß in allen diesen Belegen der Zusammenhang von Vorderund Nachsatz durch ein 13!? vor der Botenformel angezeigt und gesichert wird. Da ein ursprünglicher Konnex von V. 5 - 7 wegen der 3. Pers. sing. f. der Prädikate in V. 7b einen anaphorischen Rückbezug jedoch eher nahelegt, ist hier überdies ein Hindernis gegeben.

Wenn aber die V. 5f erst sekundär zugewachsen sind, erweist sich das Problem als gegenstandslos. V. 4a setzt mit einer Mahnung ein, die durch ein mit der Botenformel angeschlossenes Gotteswort begründet wird. Da es keine Indizien dafür gibt, daß V. 9b nicht dem Gottesspruch zugehört, entfällt bei der Absetzung des V. 4 von V. 7b - 9 durch die Botenformel in V. 7a das Argument des Anredewechsels. Die Boteninstruktion sieht die Anrede in der 2. Pers. sing., der darin zitierte Gottesspruch die Anrede in der 2. Pers. plur. vor. Die Parallelisierung der Gegner in V. 8a.9a entspricht dem Befund in V. 1.4a und ist der Grundschicht zuzuerkennen. Nach V. 8b scheint wieder V. 10 literarkritisch auffällig zu sein. Die wesentlichen Fragen hierzu wurden schon erörtert. 28 Wenn man erkennt, daß die Stilisierung von V. 3 - 9 * als Boteninstruktion in Überschreitung logischer Gesetze die Tendenz hat, Prophetenrede als Gottesrede zu deklarieren, wie an dem Übergang von V. 3 auf V. 7a sichtbar wird, 29 wird man an V. 10 in der gegebenen Form, obwohl er sich mit V. 11.13 nicht verträgt, keinen Anstoß nehmen.

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S. oben S. 157. S. oben S. 169-173. Vgl. die ähnlichen Verhältnisse in II Reg 21,10-12.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

Literarkritisch bedeutsam sind erst wieder V. 16f: V. 16a doppelt sich in den wesentlichen Teilen mit V. 15b und bezeugt im MT anders als V. 15b die scriptio defectiva. Hinreichende Kriterien für die Ausscheidung sind damit nicht an die Hand gegeben.30 Diese liegen m.E. erst in V. 16bß vor: der ominöse Relativsatz weist sich auf Grund folgender, nicht allesamt gleichwertiger Beobachtungen und Einschätzungen als sekundär aus: 1.) V. 13.14a wird ein Zeichen für die pluralische Größe ΤΠ rro angekündigt, V. 16bß fällt in die Anrede an Ahas (V. 11) zurück, und dies, obwohl der Name des Kindes mit seinem pluralischen Suffix offensichtlich einen Bezug zu den Adressaten des Zeichens herstellt. 2.) Der Königstitel wurde in der Grundschicht bislang nur im Zitat gebraucht. 3.) Ein vager terminologischer Bezug ergibt sich zu V. 6 mit den Begriffen ynp und ~|bD. 4.) Der Relativsatz fügt sich schlecht an das vorangehende Wort HD7X an. 31 5.) Die Untergangsdrohung doppelt sich mit V. 7b. 8a. 9a. 6.) Im Kontext32 kann es sich nur um einen drohenden Zeichengehalt handeln, der durch den kompletten V. 16 als Begründung von V. 15 aufgehoben wird. Für V. 17 trifft das erste Argument auch zu, weshalb der Vers wohl zu V. 16bß gehört. Noch deutlicher wird die Diskrepanz durch die Wendung T3X rrn. Ist sie mit i n rrn in V. 13 nicht deckungsgleich, ergibt sich eine Spannung. Ist sie aber damit zu identifizieren, ist auch nichts gewonnen. Denn wenn V. 13 mit TH rrn eine Personengruppe meint, die Ahas einschließt, ist die Differenzierung -pby und TDK verfehlt. Als weiteres Objekt wird überdies das „Volk" nach V. 13 unvermittelt in Szene gesetzt. Auch die Rede von Jahwe in der 3. Pers. tritt in Spannung mit V. 14a, und schließlich ergibt sich eine inhaltliche Spannung zu V. 16a.ba, der von der Verlassenheit des Landes spricht, während V. 17 Tage über weiter differenzierte Adressaten zu bringen kündet. Ob V. 17b noch einmal davon abzusetzen ist, läßt sich kaum mit hinreichender Sicherheit entscheiden. Es scheint sich dabei um eine άπο κοινοΰ-Konstruktion zu handeln, die ziemlich gewagt erscheint, aber nicht primär unmöglich ist.33 Damit ergibt sich folgender Grundbestand: V. 1.2b?.3.4a.7.8a.9. 10löba. 34 Als Erweiterungen sind V. 2a.2b?.4b-6.8b.l6bß.l7 anzusprechen.

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Vgl. dazu oben S. 186. S. die ausführliche Erörterung S. 189f. Zum ausdrücklichen Nachweis s. unten S. 231f. Vgl. dazu oben S. 197. Auf Grund der Abhängigkeit von II Reg 16,5 - das ist nochmals zu betonen - erweist sich die Grundschicht als Werk eines frühestens im Exil tätigen Verfassers und damit nicht als historiographisches Zeugnis des Jahres 734/33, sondern als theologische Rückschau auf eine Schicksalsstunde der Geschichte Judas und seines Königshauses. Im folgenden werden weitere Argumente für die Datierung beigebracht, bei der Interpretation freilich diese Datierung gleichzeitig vorausgesetzt.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

223

3. Erklärung der einzelnen Schichten a) Die Grundschicht Der Text Jes 7,1-16* beginnt mit einer Datierung nach dtr Manier, die einen erheblichen Abstand des Verfassers verrät. Relativ weitläufig wird das Folgende in den Regierungsjahren des Königs Ahas von Juda situiert, detailliert aber dessen Abstammung bestimmt. Weil sich daran die Schilderung eines Kriegszuges Rezins, 36 des Königs des damaszenischen Arams und Pekachs, des Königs des Nordreiches Israel anschließt, die aus dem Königsbuch übernommen zu sein scheint, liegt es nicht fern, die Weitläufigkeit der Datierung damit in Zusammenhang zu bringen, daß schon in der Vorlage der Zeitpunkt mit 7X wenig exakt bestimmt war (II Reg 16,5) und sich die Zuordnung an Ahas aus diesem Vers und aus der Stelle II Reg 16,1 ergab, die wohl auch als Fundort für die Einführung von 37 Dnv~"p in Jes 7,1 bestimmt werden kann. Die Nennung des Großvaters ist damit nicht erklärt. Für diese läßt sich als wesentlicher Anhaltspunkt Jes 6,1 erkennen und damit der Kontext im Jesajabuch. Ob damit der Text in Anschluß an Jes 6* gestaltet wurde, läßt sich nicht sichern. Die Nennung Ussias kann nur unter Hinweis auf Jes 6,1 ausgeschieden werden, ob dies als Begründung ausreicht, bleibe dahingestellt. Der auf die Datierung folgende Satz schildert in Abhängigkeit von II Reg 16,5 den Heereszug gegen Jerusalem. Gegenüber der Vorlage, soweit man MT voraussetzen darf, fehlt die Aussage, daß die Gegner Ahas bedrängt bzw. belagert haben, der Vermerk, daß sie nicht zu „kämpfen" vermochten, ist in den Sing, gesetzt. Hält man diese Differenzen für belangvoll, gibt es mehrere Möglichkeiten, ihr Zustandekommen zu erklären: 1.) Wenn II Reg 16,5.7-9 eine ursprüngliche Einheit bildete, die durch den Einschub von II Reg 16,6 auseinandergerissen wurde,39 ist es denkbar, daß der V. 5 infolge seiner Isolierung umgestaltet wurde. Im einmal bestehenden Zusammenhang beschreibt V. 7 nicht

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S. oben S. 217. T^n dürfte in der ursprünglichen Aussprache "T!n ZU vokalisieren sein; s. H. Wildberger: Jesaja I S. 265 mit Verweis auf B. Landsberger: Sam'al, 1948, S. 66 A. 169 und W. von Soden: Das akkadische Syllabar, AnOr 27,1948, S. 108. Der Name dürfte „aram. ra'jän, hebr. gelautet haben" und die Bedeutung „Wohlgefallen" gewesen sein (dagegen M. Noth: Personennamen S. 224, der ursprünglich TS"? „Quelle" annahm (s. auch J. Lindblom: Study S. 11: von γ χ ι „zerbrechen"). Zum Problem der Vokalisierung von lirbD-i, gerade hinsichtlich lQIs a und LXX s. wiederum H. Wildberger: Jesaja I S. 265. Gegen H. Wildberger: Jesaja I S. 268, der Jes 7,1a* für eine „präzisere Datierung" als II Reg 16,5a* hält, ohne Berücksichtigung des Kontextes aber zu Recht. Zum Problem der Genealogie s. schon oben S. 131-133. S. oben S. 125f.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

mehr die direkte Folge von V. 5, sondern vor allem von V. 6, woraus sich auch wahrscheinlich die Einführung Rezins in V. 6 erklärt, die noch durch die mögliche Verwechslung von 07X und m x erleichtert worden sein könnte. Hat sich aber für V. 6 wegen des Folgenden eine Änderung ergeben, die zumindest, was "psi betrifft, nicht textkritisch erklärt werden kann, ist es legitim, für II Reg 16,5 Entsprechendes zu postulieren. Sobald in V. 6 statt des Königs von Edom der König von Aram der Agierende ist, kann nämlich V. 5 kein kataphorisches Element mehr enthalten. Der Kriegszug von Rezin und Pekach gegen Jerusalem muß abgeschlossen sein, damit sich Rezin in V. 6 nach Elat aufmachen kann. Unter dieser Voraussetzung wäre es denkbar, daß Jes 7,1* vielleicht ein gegenüber II Reg 16,5 ursprünglicheres Textstadium repräsentiert. 2.) Die von uns erhobene Grundschicht parallelisiert die beiden in II Reg 16,5 vorfindlichen Feinde, womit der Sing, von bD"1 nicht stimmig ist. Sollte er auf Rezin zu beziehen sein, trifft er sich mit der Tendenz der Erweiterungen von V. 2a.4b-6 und könnte auf redaktioneller Änderung beruhen. 40 3.) Trotz des zugegebenermaßen reichlich hypothetischen Charakters sei folgender Lösungsversuch präsentiert: Unter der Voraussetzung, daß II Reg 16,6 „rabiat" in seinen Kontext eingebracht wurde und nachträglich ein Ausgleich der entstandenen Spannungen gesucht wurde, läßt sich eine redaktionelle Änderung in V. 6 aufweisen, für V. 5 und V. 7 vermuten. Könnte man den Sing, von bD- für ein Relikt der alten Fassung in II Reg 16,5 halten, ergäbe sich für V. 5b.7* folgende Textlage: (τπχ) orrbnb b:r xbi τπχ-b» n i ' i •OXbo. Nach Eindringen von V. 6 ist der Bezug von V. 5b und V. 7a aufgehoben und damit angesichts des Folgenden eine Umwandlung des Sing, in den Plur. naheliegend, weil damit V. 5 abgeschlossen vorliegt (nnb in prägnanter Bedeutung41) und V. 6 neu ansetzen kann. Wäre dem je so, könnte man für Jes 7,1 annehmen, daß dorthin II Reg 16,5 in der ursprünglichen Fassung übernommen wurde. Entweder hat dann der Abschreiber oder aus dem Gedächtnis schreibende Verfasser die „Belagerungsnotiz" versehentlich ausgelassen, oder sie ist von der Redaktion getilgt worden, weil sie deren eigener Vorstellung zuwiderlief.42 Den Sing, ließ der Redaktor dann aber stehen und bezog ihn auf Rezin 4 3

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In diesem Falle verstünde der Redaktor das waw vor Pekach wohl als waw concomitantiae; s. dazu G.B. Gray: Isaiah S. 114; zur Möglichkeit s. G.-K.28 § 154a A.lb) mit den Belegen Hi 41,12; Ex 10,10; 12,8; Lev 1,12; Jes 42,5; vgl. auch die Übersetzung von H. Wildberger: Jesaja I S. 264. S. neuerdings D. Barthelemy: Critique II S. 45f: „Mieux vaut done, en Is 7,1 oü l'initiative du roi d'Aram est soulignie, traduire le premier ,et' par ,avec' ". S. ferner H. Ewald: Prophets II S. 79; H.M. Orlinsky: Studies S. 331. E. König [Jesaja S. 100] will unter Heranziehung von Gen 11,9 den Sing, mit unpersönlichem Subjekt wiedergeben. S. dazu oben S. 218 A.17. Für jede der beiden Möglichkeiten könnte man dabei annehmen, daß sich ihr die Einfügung des ersten rrbv verdankt; vgl. dazu K. Budde: Isaiah vii S. 328; anders O. Procksch: Jesaia S. 112, nach dem nonbo „wie ein aramäischer Infinitiv noch verbale Rektionskraft" habe und H. Wildberger: Jesaja I S. 265; der mit dem rrb5> auch noch norrbob als Dittographie zu rrbv onbnb streichen will, angesichts dessen, daß sich nonbob auch in II Reg 16,5 findet, sicherlich unbegründet. Das zweite rrbv dürfte mit H. Donner [Israel S. 8] als Homoioteleuton zu bestimmen sein (vgl. O. Procksch: Jesaia S. 110).

3. Erklärung der einzelnen Schichten

225

Natürlich ist das nicht mehr als eine Spekulation, wesentliche Folgen hat ihre Abweisung jedoch nicht: Ist nämlich Jes 7,1b auf den/die Kriegsgegner als Subjekt zu beziehen, muß lediglich V. 2b geopfert und der Erweiterung von V. 2a zuerkannt werden. Dies hätte durchaus auch seine Vorteile, denn dann tritt nicht nur das Furchtmotiv erst in den sekundären Passagen zutage, nämlich V. 2a.6.16bß, sondern verdankt sich auch die Einführung des Volkes in V. 2a. 17a lediglich der Redaktion. Somit könnte dann keinerlei Zweifel mehr darüber aufkommen, daß es in der Grundschicht um etwas anderes als um die Davidsdynastie geht, oder daß in V. 4a vielleicht doch ein Heilsorakel vorliegt, daß auf Überwindung einer Furcht riesenhaften Ausmaßes aus ist. In diesem Sinne sind die Ausführungen zu V. l b und V. 2b als unter Fragezeichen gesetzt zu verstehen.

Ist in V. lb Ahas das Subjekt, beschreibt V. 2b folgerichtig die Reaktion des Ahas und des Volkes 44 auf das Scheitern der Verteidigung: Es besteht große Furcht, die der Vergleich mit den Waldbäumen illustriert. König und Volk schwanken, wie sonst nur Waldbäume schwanken,45 die ein gewaltiger Sturm (vgl. Jes 27,8; 32,2; Hi 1,19; 30,15) zu entwurzeln droht.46 Anders als in II Reg 16,5.7-9, wo sich an die Schilderung der Belagerung die der Absendung des Hilfegesuchs an Tiglat-Pileser III. anschließt, setzt V. 3 mit einer prophetischen Boteninstruktion ein, die über einen Redebefehl hinaus die Beauftragung des Propheten enthält, zusammen mit seinem Sohn 31Ö"1 ~iW2> einen bestimmten Ort aufzusuchen.47 Historische Spekulationen über „das Ende des Kanals des oberen Teiches, die Walkerfeldstraße" sind müßig, denn es geht wesentlich nicht um die Umstände der Wortausrichtung, sonst wäre diese nämlich auch erzählt, sondern um die Beauftragung, nach der Jesaja mit seinem Sohn zur Walkerfeldstraße gehen soll, um sein/Gottes Wort an Ahas zu richten. Und damit wird er just dahin gesandt, wo wenige Jahrzehnte später der Rabschake im Auftrag des Großkönigs das Vertrauen Hiskias auf Jahwe verhöhnte (II Reg 18,19-25), an den typologischen Ort der Glaubensentscheidung.

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Das „Volk" bleibt gemäß dieser Interpretation ein Nebenmotiv. Zur ungewöhnlichen Vokalisation des Inf. es. von 5>·η s. G.-K.28 § 72q; P. Joüon: Grammaire § 80k. Vgl. oben S. 218. Setzt man die Kenntnis von II Reg 16,5.7-9 voraus, war dem Verfasser nicht nur das Scheitern der folgenden Intervention des Propheten/Jahwes klar, sondern steht auch das Hilfegesuch im Hintergrund der Szenen. Syntaktisch fällt die Doppelung von i>J< in Jes 7,3 auf (als ob es sich um zwei Ortsangaben handelte). Jes 36,2 findet sich doppeltes 3, in II Reg 18,17, so der Text ursprünglich ist, wird „die Walkerfeldstraße" durch ιώχ zur näheren Bestimmung der ersten Angabe. Vermutungen, wie die, daß es sich um eine wichtige oder bekannte Stelle gehandelt haben muß (s. O. Procksch: Jesaia S. 114; H. Wildberger: Jesaja I S. 276), erledigen sich mit dieser Interpretation.

226

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

Angesichts der Tatsache, daß der Verfasser auf II Reg 16,5.7 - 9 zurückgreift, läßt sich das Nebeneinander der Ortsangaben in Jes 7,3 und II Reg 18,17 dahingehend verstehen, daß II Reg 18,17 in Jes 7,3 aufgenommen wird, was sich schon oben als wahrscheinlicher gezeigt hat. In diesem Sinne ist eine antitypische Stilisierung des Ahas gegenüber dem Hiskia der Legenden mit O. Kaiser durchaus naheliegend.49 Auf dieser Ebene könnte dann auch die Anordnung zur Mitnahme des 310"' ιχώ als ein nur vom Leser zu realisierender Auftrag zur Ausführung einer symbolischen Handlung zu verstehen sein. Der Name des Sohnes steht dabei vordergründig wie der des Vaters für die Ahas gegebene positive Möglichkeit, ohne fremde Hilfe und im Vertrauen auf Jahwe aus der bedrängenden Situation herauszukommen: Nur ein Rest Arams und Israels wird aus der Auseinandersetzung um Jerusalem zurückkehren,50 verweist in Anbetracht der Verweigerung des Ahas aber schon hintergründig auf die verspielte Möglichkeit.51

Die Botschaft, die Jesaja zu überbringen hat, ist eine doppelte: Warnung und Zuspruch zugleich, die sich in ihrer Zweiseitigkeit auch formal durch den Wechsel von den Imperativen zu den Jussiven bzw. Vetitiven zu erkennen gibt. 52 -DU) ni. (insgesamt 36x ohne Ps 37,28 im AT) wird wie in Jes 7,4aa in Dtn 2,4; Jdc 13,4; I Sam 19,2 (mit Zeitangabe); II Reg 6,10 (mit Ortsangabe) und Hi 36,21 ohne Objekt konstruiert. Gegenüber der Konstruktion mit b und is, die für den Jussiv von "iDtö ni. in Mehrzahl in Dtn belegt ist (Dtn 4,23; 6,12; 8,11; 11,16; 12,13.19. 30; 15,9) und den Eindruck dtn-dtr Sprachgebrauchs macht, dürfte der objektlose Gebrauch bei gerade sechs Belegen kaum an eine Schulsprache zu binden sein. Beachtenswert ist jedoch, daß Jes 7,4aa der einzige Beleg neben Hos 12,14, wo IDS) ni. passivisch für sich steht 5 3 in der vorexilischen Prophetie sein soll, und in Jes 1 - 3 9 weder der Gebrauch von "Otö q. (nur Jes 26,2 und das bei immerhin über 370 Belegen im AT) noch von dessen Derivaten (1DÖ Jes 21,11.12; "ιρφ 25,6bis; n"iQtt)p Jes 21,8) in zumindest umstrittenen Belegen auszumachen ist. Die reflexive Bedeutung von ~ido> ni., die in vielen Fällen durch b + Pers.-Pronomen ausgedrückt wird, dürfte beim absoluten Gebrauch nicht gesichert sein. Bei der Wiedergabe mit „achten auf" 54

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S. oben den Exkurs S. 140-142. Vgl. H. Irsigler: Zeichen S. lOlf, der eine semantische Isotopie des „Restes" im Namen des Sohnes mit der Rede von den „Brandscheitstummeln" entdeckt; s. aber auch Jes 17,3 und die Bewertung der iXtö-Belege, die vom Rest eines Volkes handeln, bei W. Werner: Texte S. 115: „Alle Texte, die von einem Rest aus Juda/Israel ausgehen, sehen darin eine zukunftsträchtige Größe. Dagegen handeln die Verse, die vom Rest eines fremden Volkes reden, stets über den unbedeutenden Überrest dieses Volkes." Daß im Nachgang des Gerichts Jesaja und sein Sohn Zeichen bleiben, eine neue Möglichkeit bezeichnen, gerade angesichts V.9b, legt der Text darüber hinaus nahe. Vgl. die Unterscheidung von „directive" und „assurance" bei E.W. Conrad: Fear Not Warrior S. 53, von „Mahnung/Warnung" und „Ermunterung" bei H. Irsigler: Zeichen S. 99. S. G. Sauer: Art. iDtt) Sp. 984. Gewöhnliche Konstruktion wäre ιοώ hi. + 3 (vgl. Ex 23,13; Dtn 24,8; II Sam 20,10).

3. Erklärung der einzelnen Schichten

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stellt sich jedoch das Problem, daß damit eine Beziehung zum folgenden Imperativ hergestellt werden muß, der dann als Objektsatz zu fungieren hat. Diese syntaktische Auffassung bleibt auch bei der Interpretation nicht ohne Folgen und legt das Schwergewicht auf die Forderung „Ruhe zu halten". Die mit ι verbundenen Imperative geben formal dazu keinerlei Veranlassung, so daß die Übersetzung „sei auf der Hut!" vorzuziehen ist. Mit G. von Rad ist nDtön als allgemeiner Anruf zur Wachsamkeit zu charakterisieren, der „aber doch schon stark negativ, d. h. Einhalt gebietend" 55 ist. Dieser negative Akzent wird durch den zweiten Imperativ tspön verstärkt, der eine Anweisung zur Unterlassung einer Handlung darstellt. Von den 10 Belegen für Dpa) hi. ist Jes 7,4aa der einzige Imperativ. Typisch dtr ist der Terminus keineswegs. Seine Deutung in Jes 7,4 ist auf Grund der objektlosen Verwendung umstritten. Sollte Ahas gemahnt werden, Ruhe zu bewahren, also nicht in Furcht zu geraten, steht dazu die schon bestehende Furcht in gewissem Gegensatz, der Imperativ wird also Ahas mahnen, sich still, ruhig zu verhalten.56 Dabei bleibt wieder offen, worin das Ruhighalten besteht. K. Elliger wollte darin „das äußere und innere Sichgeborgenfühlen im Vertrauen auf das bestimmte Wort Jahwes" 57 ausgesprochen sehen, eine Auffassung, die sich mit Jes 30,15 und 32,17 glänzend in Stimmungbringen läßt. Dabei dürfte gerade der ersten Stelle58 wesentliche Bestimmungsfunktion zukommen, zumal sich über den Inf. abs. von tapö hi. hinaus noch die Nomina rrrrDD und mnö fmden. Kann ΠΠΒ3 mit Jes 7,9b in Verbindung gebracht werden, so mnö mit dem Jesaja-Sohn. Die Authentizität beider Stellen vorausgesetzt kann dann mit H. Wildberger Jes 7 als prophetische Verkündigung in einer bestimmten Situation angesehen werden, ebenso wie Jes 30,15 als ,JCritik der Staatspolitik", dort aber in einer Formulierung, „die als zeitlose Beschreibung echter Glaubenshaltung gelten kann und als solche auch gewirkt hat" 59 , ein sicherlich imposantes Interpretationsmodell. Die Bedeutung von Dpa) in Jes 30,15 wird aber auch bei H. Wildberger nicht aus dieser Stelle erhoben, sondern aus Jes 7,4, wo die Warnung vor dem Bündnisschluß mit Assur ausgedrückt sein soll.60 Eine ansprechende Interpretation ist aber auch von Jes 31,1-3 her möglich, das einige beachtliche thematische und terminologische Bezüge zu Jes 30,15-17 unterhält.61 Ist es legitim, im Inf. von Dpu> hi. in Jes 30,15 ein Ruhigbleiben als Abstehen von der Ausschau nach fremder Hilfe von Jes 31,1-3 her ausgedrückt zu sehen, ohne gleich von Jes 7,4 her zu argumentieren, kann neben Jes 30,15 auch in Jes 7,4 die Warnung vor einer Bündnissuche ausgesprochen sein.62 Zumindest soviel wird man sagen können: Weder im Kriegsorakel

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G. von Rad: Heiliger Krieg S. 57. S. neuerdings mit E. Würthwein und R. Kilian H.C. Schmitt: Gegenwartsbedeutung S. 279. K. Elliger: Prophet und Politik S. 135. Zur literarisch sekundären Abhängigkeit der Stelle Jes 32,17 von Jes 30,15 s. selbst H. Wildberger: Jesaja III S. 1274. H. Wildberger: Jesaja III S. 1188. S. ders.: Jesaja III S. 1185; vgl. ders.: Jesaja I S. 280. Zentrales Thema in beiden Stellen: Vertrauen auf Ägypten/Pferde oder Vertrauen auf Jahwe. Mit "|5>tö · om · nra · t»niir uJnp sind die terminologischen Bezüge von Jes 31,1 und Jes 30,15f deutlich. S. aber O. Kaiser: Jesaja I S. 141f. 146, der Jes 7,4 (aber auch mit Fragezeichen SchearJaschub S. 144) von Jes 30,15-17 abhängig sein läßt.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

noch in einem Heilsorakel sind die Imperative gattungstypisch. Auch die Parallele fur optt) in Bhrr hi. Ex 14,14 ist abzuweisen, weil Ö"in dort nicht Handlungsanweisung ist, sondern Aufmunterung als Fortsetzung der Beistandszusage.63 Haben aber beide Imperative keinen traditionsgeschichtlichen Halt und keinen Platz in einer der für Jes 7,4 postulierten Gattungen, bezeugen sie darüber hinaus eine Warnung, dann ist eine Gattungsbestimmung Heilsorakel für V. 4a nicht gerechtfertigt. Allenfalls kann man V. 4a als originelle Abwandlung eines Kriegsorakels bestimmen, das zwei Spitzen hat, die Mahnung zur Furchtlosigkeit gegenüber machtlosen Gegnern und die Warnung vor einem falschen Verhalten. Unter Voraussetzung eines Verfassers, der II Reg 16,5.7-9 kennt, können die Imperative als Warnung vor der Absendung des Hilfegesuchs an Tiglat-Pileser III. durch Ahas verstanden werden.64

Der Warnung folgt der Zuspruch, der anders als die Imperative ein Objekt erhält. Daß darin Topoi des Kriegsorakels aufgegriffen werden, ergibt sich nicht nur auf Grund der Parallele der Jussive/Vetitive im Kriegsorakel in Dtn 20,3 (vgl. noch Jer 51,46),65 sondern auch auf Grund der Metapher, die die Funktion hat, die Feinde verächtlich zu machen. Angesichts der in V. 1 vorausgesetzten Situation ist es möglich, in der Ermutigung von V. 4a über einen traditionsgeschichtlichen Zusammenhang zum Jahwekrieg hinaus hier eine originelle Abwandlung des Kriegsorakels belegt zu sehen, das sich atypisch an den König richtet, aber wie in Dtn 20,3 vom charismatischen Führer ausgesprochen werden soll. Mit der Botenformel eingeleitet folgt die Begründung des Zuspruchs, die als unbegründetes Drohwort stilisiert ist, das den Untergang der feindlichen Könige und ihrer Hauptstädte ankündigt. Daß diese Ankündigung in der historischen Situation des Ahas zur Begründung der Ermunterung unzureichend ist,66 ist völlig richtig. Offensichtlich geht es aber nicht nur darum, vielmehr scheint der Verfasser seine eigene Einschätzung der Situation in den Text einzubringen, die geschichtliche Situation auf seine Weise zu deuten. Versteht man die Imperative in V. 4a als Warnung vor dem Hilfegesuch, von dessen Absendung der Verfasser des Textes durch II Reg 16,5.7-9 weiß, so weist er mit den Vetitiven auf die Möglichkeit hin, die Ahas in geschichtlicher Stunde gegeben war, die dieser aber nicht wahrgenommen hat: Auch ohne das Hilfegesuch wäre es gekommen, wie es gekommen ist. Die Ankündigung in V. 7b.8a.9a stellt sich als vaticinium

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Auch gegen R. Bickert: König Ahas S. 376. Es bleibt also bei E.G. Kraelings [Immanuel Prophecy S. 280] Behauptung: „without a clear understanding of this background the entire passage is a sealed book." Vgl. dazu Ε. Würthwein: Jesaja 7,1-9 S. 134; R. Kilian: Verheißung S. 21; H. Wildberger: Jesaja I S. 280; W. Zimmcrli: Jesaja und Hiskia S. 93; H.W. Hoffmann: Intention S. 62; CA. Evans: Use S. 95. Weitere Belege bei H.-P. Stähli: Art. JO" Sp. 773. So H. Irsigler: Zeichen S. 84.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

229

ex eventu dar, das von der Bündnissuche des Ahas abgekoppelt in die göttliche Verfügung hineingenommen wird. 67 Wie demnach die Warnung nur indirekt mit der Ermunterung in V. 4a zu tun hat, so verhält es sich mit der Untergangsdrohung V. 7b.8a.9a und der bedingten Drohung in V. 9b. V. 9b ist nicht Bedingung für die Realisierung der Untergangsankündigung, sondern gibt die Bedingung dafür an, ob in der gegebenen Situation Ahas zum Heil oder Unheil hin handelt. So ist V. 9b auf die Imperative in V. 4a hin ausgerichtet und bildet mit ihnen zusammen den Rahmen des Inhalts des Redebefehls. Zu erklären bleibt die pluralische Ausweitung der Adressaten: Darf man 1DX ni. als Aufnahme der Verheißung eines ewigen Hauses für David interpretieren, 68 ist der Adressat der Verheißung entsprechend nicht mehr allein Ahas, sondern mit ihm die gesamte Davidsdynastie, der folgerichtig die an den Glauben gebundene Bedingung des Bestandes gilt, in die sie mit Ahas hineingenommen ist. 69 In der Konfrontation mit der DynastieVerheißung fungiert Ahas in Jes 7,1-9* nicht mehr als Einzelperson, die für sich in ihrer spezifischen Situation von Betracht wäre, sondern als Typos. Setzt man dabei voraus, daß es sich in Jes 7 , 1 - 9 auf Grund der gegebenen literarkritischen Scheidung frühestens um einen exilischen Text handelt, kann neben der Ankündigung in V. 7b.8a.9a auch V. 9b als vaticinium ex eventu aufgefaßt werden. Dann reflektiert V. 1 - 9 , warum es zum Abtreten der Dynastie trotz der ihr gegebenen Verheißung des Bestandes gekommen ist. Scheint auch die Situation des Ahas für eine solche Reflexion die ungeeignete Stunde zu sein, da ja die Dynastie noch rund 150 Jahre weiter bestanden hat, 70 scheint Ahas trotzdem der richtige Davidide zu sein, an dem das Thema Glauben und Bestand der Dynastie illustriert werden kann. Denn mit Ahas beginnt auf Grund dessen eigenwilligen Schrittes in die Abhängigkeit die Zeit der Unterwerfung unter die Herrschaft der Weltmacht, der Anfang vom Ende. So interessiert den Verfasser des Textes offensichtlich nicht Ahas qua Ahas, sondern lediglich Ahas, sofern sich in ihm Typisches für die Dynastie zeigt, und deshalb geht es auch nicht

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Daß der Untergang Arams und der des Nordreichs historisch betrachtet zeitlich auseinander liegen, spielt in dieser Sicht keine Rolle. Zu den Problemen dieser Interpretation s. oben den Exkurs S. 166-169. Angesichts der durch V.l schon vorausgesetzten zeitlichen Situierung des Textes dürfte gelassener darüber zu entscheiden sein. Ein traditionsgeschichtlicher Bezug zur Dynastie-Verheißung erscheint mir als das wahrscheinlichste, wobei nicht auszuschließen ist, daß der Verfasser der Grundschicht II Sam 7 schon in der dtr Bearbeitung kennt. Daß V.9b jeglichen Leser anspricht und so auch für ihn zur Bedingung des Bestandes werden kann, ist damit gar nicht ausgeschlossen. So der Einwand von L. Schmidt [Art. Literarkritik S. 219] gegen die Datierung der Grundschicht durch O. Kaiser.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

darum, ex eventu Jesaja aufmarschieren zu lassen, um dem König die Angst zu nehmen, ihn zu einer rechten Verhaltensweise anzuleiten, sondern vielmehr um den Aufweis, was die Fehlentscheidung dieses Ahas für die Dynastie Davids bedeutet hat. In diesem Sinne dokumentiert V. 9b die Auffassung des Verfassers, daß die Dynastie geblieben wäre, hätte Ahas in entscheidender Stunde auf die Warnung Jahwes/Jesajas gehört, hätte er sich wie der Verheißungsempfänger David als rnrp-n» (II Sam 7,5.8.19. 20.21.25.26.27.28.29), nicht aber als T«toc T3i> (II Reg 16,7) erwiesen.71 Dieser Interpretation fügt sich die Fortsetzung und Verdeutlichung in V. 10-16ba. Wie hinsichtlich der Differenz von V. 3.7b wird in V. 10 selbst das Prophetenwort als Jahwewort deklariert. Gegenüber V. 1 - 9 * ist lediglich die Ausrichtung vorauszusetzen und damit der Auftakt der Konfrontation Jesajas/Jahwes mit Ahas/Dynastie. Dem König wird eine völlig unbegrenzte Zeichenbitte eingeräumt.72 Das zu erbittende Zeichen soll im Kontext der V. 1 - 9 die Ankündigung dieser Verse bestätigen, Ahas als weitere Versicherung dienen.73 Man mag sich weiterhin fragen, was für ein Zeichen sich Ahas hätte erbitten können, wenn er sich denn eines erbeten hätte. Es geht nicht darum, ob ein solches Zeichen ein Wunder hätte sein können, sondern darum, daß Ahas das Zeichenangebot abgelehnt hat. Hiskia hat sich selbst ein Zeichen erbeten, und es war ein Wunder (II Reg 20,8-11). Ahas hätte sich auch ein solches Wunder erbitten können, einen Blitz aus heiterem Himmel oder ein Erdbeben, er hätte „Himmel und Hölle in Bewegung"74 setzen können, und Jesaja, wie der Verfasser sicherlich überzeugt war, hätte mit Gottes Hilfe dieses Wunder auch gewirkt.75 Aber weder ist es geraten, vom Zeichenangebot in V. 11 auf ein wunderbares Zeichen in

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Vgl. dazu O. Kaiser: Jesaja I S. 147. V.llb ist dahingehend zu verstehen, daß damit eine Totalität der Zeichenauswahl ausgedrückt ist (vgl. P. Boccaccio: Termini S. 173-190). Wenn man „Höhe" und „Tiefe" auf das Räumliche beschränkt, dürfte dies ein Indiz für eine anachronistische Betrachtungsweise sein. Nach M. Görg [Hiskija S. 116] soll die Freistellung einer Zeichenbitte in Jes 7,11 vergleichbar mit I Reg 3,5 und Ps 2,8 „Charakteristikum prophetischer .Königsideologie' " sein. Überzeugend ist das deshalb nicht, weil es sich bei den Belegen offensichtlich um die Gewährung einer Bitte für den neuen König handelt, die möglicherweise Motiv des judäischen Krönungsrituals gewesen ist (s. E. Würthwein: Könige I S. 32). In Jes 7,1 - 1 7 ist eine völlig andere Situation vorausgesetzt. Vgl. O. Kaiser: Jesaja IS. 152, der das Zeichen als Beglaubigungszeichen charakterisiert. Daß Jahwe mit "pnbx mrr bezeichnet wird, ist nicht nur hinsichtlich V.13 von Bedeutung, sondern auch angesichts der Tatsache, daß eine solche Verbindung in Jes 1 - 3 9 mit Ausnahme von Jes 37,4 ( = 1 1 Reg 19,4) nicht mehr begegnet (vgl. O. Procksch: Jesaia S. 119). O. Procksch: Jesaia S. 120. Von unserer Perspektive aus erledigt sich die Frage, ob Jesaja schon Erfahrung mit der Wunderwirkung hatte (so G.B. Gray: Isaiah S. 122). Der Verfasser der Erzählung weiß, daß Jesaja Wunder wirken konnte.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

231

V. 14 zu schließen, weil dazwischen eben V. 12f liegen, noch V. 11 mit V. 14 derart zu parallelisieren, daß man jeweils auf einen heilvollen Zeichengehalt schließt.76 Das Zeichenangebot ist eine Bewährungsprobe für Ahas, die der König nicht besteht, und es steht offensichtlich der Legende höchst nahe. 77

Ahas lehnt dieses Zeichenangebot in frommer Manier mit einer Antwort ab, die V. 11 stilistisch komplementär erscheint78 und so auf literarische Gestaltung (und keineswegs historisch zuverlässige Wiedergabe eines Dialogs) hindeutet. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß das Zeichen zu erbitten mit dem Versuchen Jahwes79 gleichzusetzen ist. Die Antwort geht also durchaus dem apodiktischen Verbot in Dtn 6,16 konform, daß sie die falsche ist, ergibt sich aus V. 13, läßt sich aber schon aus V. 10 erahnen, mit dem letztlich ja Jahwe selbst zum Urheber des Zeichenangebots gemacht wird. Im Kontext wird Ahas durch seine Antwort als eine Person charakterisiert, die sich prophetischer bzw. göttlicher Orientierung verschließt, das Sich-Versagen aber nicht beim Namen nennt. Ahas weiß fromme Worte zu benützen, ohne sich von deren Wahrheit ansprechen zu lassen. Es ist durchaus ein Affront gegen das Zeichenangebot in der Antwort des Königs zu erkennen. Ahas will Jahwe nicht versuchen, d.h. „soviel wie Wunder erwarten oder begehren"80, und gibt damit indirekt seiner Auffassung Ausdruck, was er von dem an ihn herangetragenen Zeichenangebot hält. Zugleich entzieht er sich dadurch der Glaubensforderung82 und setzt damit den Bestand der Dynastie aufs Spiel. Die Form des folgenden Wortes ist die des Gerichtswortes an einen Einzelnen bzw. 83 der Unheilsprophezeiung. Es mag sich dabei, wie M. Görg meint, um „eine originelle

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Vgl. G. Fohrer: Jesaja 7 14 S. 168; R. Kilian: Verheißung S. 36. Gegen K. Elliger: Prophet und Politik S. 138 A.28. Versteht man freilich Jes 7* als historisch zuverlässigen Bericht, dürfte K. Elligers Frage zu bedenken sein. Wenn schon V.3b antitypisch zu verstehen ist, liegt es nahe, auch hier eine antitypisierende Darstellung des Ahas gegenüber dem Hiskia der Legenden ausgedrückt zu sehen. S. oben S. 176 mit A.35. Es darf angemerkt werden, daß Jes 7,13 der einzige von 36 alttestamentlichen Belegen für πμ pi. in den Prophetenbüchern ist. Das zugehörige Nomen ttdd ist nur dtn-dtr bezeugt (Dtn 4,34; 7,19; 29,2). Der typologische Ort der Versuchung Jahwes im AT ist die Wüste (Ex 17,2. 7; Dtn 6,16; Ps 78,18. 41. 56; 95,8f; 106,14). G. Gerleman: Art. TOi Sp. 70; vgl. dazu Ex 17,2; Num 14,22. Vgl. M. Rehm: Messias S. 38. Vgl. z.B. O. Kaiser: Jesaja I S. 165; R. Kilian: Verheißung S. 35; gegen K. Eiliger: Prophet und Politik S. 138 A.28. S. C. Westermann: Grundformen S. 92-119; K. Koch: Formgeschichte S. 258-261. Schon C. Westermann [a.a.O. S. 98] hat Jes 7,10-16 als solches identifiziert. R. Kilian [Verheißung S. 114-117] hat den dezidierten Nachweis geführt.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

Variante des an den Einzelnen gerichteten Gerichtsworts [handeln], das in diesem Fall nicht nur eine pluralische Ausweitung erfahren hat, sondern auch mit Elementen anderslautender Provenienz verwoben worden ist."84 Was für ihn Indiz für literarisches Wachstum zu sein scheint, weist m.E. auf spätere Schreibtischarbeit hin. Es besteht tatsächlich ein Problem bei der Bestimmung von Jes 7,13-17* als Gerichtswort bzw. Unheilsprophezeiung, daß nämlich in dieses eine Zeichenankündigung und eine Geburtsankündigung verwoben sind. Diese Vielschichtigkeit läßt zumeist die Form des Gerichtswortes in den Hintergrund treten und den Schwerpunkt auf das formgeschichtlich am leichtesten zu identifizierende Element, nämlich die Geburtsankündigung legen. Doch auch dort, wo die Zeichenankündigung und die Unheilsprophezeiung berücksichtigt werden, ergibt sich nach Ausscheidung von V. 15 eine seltsame Anomalie. V. 16f gehören dann nämlich zur Unheils- (Zeichen-) Ankündigung und hier fällt auf, daß in dieser von Jahwe in der 3. Pers. die Rede ist.85 Vergleichen wir dagegen V. 13-16 nach der gegebenen literarkritischen Scheidung, löst sich diese Anomalie in doppelter Weise auf. Unter Zugrundelegung des Aufbaus der Unheilsprophezeiung bei K. Koch ergibt sich folgende Struktur: 1.) Aufmerksamkeitsappell (νο'ύ) V. 13a; 2.) Lagehinweis/Scheltwort V. 13.; 3.) Überleitung (i;b) + Botenformel (ersetzt durch Zeichenankündigung) V. 14a; 4.) Unheilsankündigung (mn + Präsentativ) V. 14b-15; 86 5.) Abschließende Charakteristik (eingeleitet mit "3) V. löa.ba. 87

Daß die Antwort des Ahas auf dem Hintergrund von V. 9b zu verstehen ist, zeigt sich deutlich in V. 13, der wie V. 9b in die pluralische Anrede wechselt. Auf den Aufmerksamkeitsappell mit Bezeichnung des Adressaten „Haus David" folgt das als steigernde Doppelfrage angelegte Scheltwort. Auch wenn dabei die Schwere der Anklage unterschiedlich bewertet werden kann, zumindest aber das Gott Ermüden nicht die Verweigerung des Ahas dokumentiert, ist diese doch aus dem Vers herauszulesen, indem hier durch den Wechsel von V. 11 „dein Gott" zu „mein Gott" die Trennung angezeigt wird. 88 Zugleich wird sie durch die Adressatenerweiterung

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M. Görg: Hiskija S. 115. Selbst in der Struktursynthese H. Irsiglers [Zeichen S. 98-100] bleibt dies ausgespart. Damit ist eine konditionale Auffassung von mn, die die kollektive Deutung des Immanuel begünstigt, ausgeschlossen; zu dieser These s. L. Koehler: Verständnis S. 48 - 50; G. Fohrer: Jesaja 7 14 S. 168; ders.: Wandlungen S. 17 m. A.15; O. Kaiser: Jesaja I 1 S. 70; aber auch schon J.G. Eichhorn: Ueber Jes. VII S. 456.462: „Der Prophet macht einen Knaben, dessen Empfängniß in demselben Augenblick er sich als möglich denkt, zum Sinnbild des Reiches Juda". Die formgeschichtliche Übereinstimmung ist so deutlich, daß sie die literarkritische Entscheidung zugunsten V.15 und gegen V.16bß.l7 unterstützen dürfte. Die Variante zur Unheilsprophezeiung besteht lediglich darin, daß die Unheilsankündigung eine Zeichenankündigung ist. Vgl. R. Kilian: Verheißung S. 35; H. Gese: Natus S. 85; A. Laato: Immanuel S. 134. Zugunsten der vorgetragenen Auffassung eines späten Textes ist anzumerken, daß Jesaja sonst nie von Jahwe als seinem Gott redet (s. H. Wildberger: Jesaja I S. 288; ); zu den Problemen des Verses s. schon S. 176-180.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

233

über Ahas hinaus auf die Dynastie ausgeweitet. So scheint dem SichVersagen des Ahas, das unter frommer Maske Tarnung sucht, die Verweigerung der Dynastie zu entsprechen. Und weil dies so ist, geht auch die Unheilsankündigung in V. 14 - 16ba nicht auf Ahas als dem eigentlichen und einzigen Adressaten, sondern auf die gesamte Dynastie. An das die Ankündigung einleitende 13b89 schließt sich in V. 14a nicht die Botenformel an, sondern eine Abwandlung, die das Folgende als Zeichen für die vom Haus David (V. 14a mit V. 13) charakterisiert.90 Das Zeichen wird mit einer Geburtsankündigung eröffnet, die sich aus den Elementen Schwangerschaft, Geburt eines Sohnes und Namengebung zusammensetzt. Auf Grund von V. 14a und des futurischen Aspekts der P.K. liegt schon die Schwangerschaft der HD^y, die in V. 14b vergegenwärtigt wird, in der Zukunft.91 In der Exegese ist immer wieder eine Diskussion um die Bedeutung von rmbv für nötig befunden worden. Was den Terminus in Jes 7,14b betrifft, hat sich die Exegese von dem auf diese Stelle durch die LXX gelegten Traditionsdruck befreit. 92 Die Wiedergabe der LXX παρθένος (vgl. S; Hieronymus) erweist sich dem hebr. Original gegenüber nicht als sachgemäß. 9 3 Zwar kann man sich nicht auf die Versionen berufen, die mit ihrer Übersetzung ν ε ά ν ι ς wohl schon auf eine Reaktion gegen die Vereinnahmung der LXX durch die Christen zurückzuführen sind, 94 der alttestamentliche Befund reicht aber zu, in rrobi? nichts weiter bezeichnet zu sehen als „ein geschlechtsreifes Mädchen [...], das unverheiratet, aber ebenso auch verheiratet, das Jungfrau sein kann oder auch nicht" 95 . Terminus a quo für diese Bezeichnung dürfte der Eintritt der Geschlechtsreife, terminus ad quem aber die Geburt des ersten Kindes sein. 96 Keiner der neun Belege, Gen 24,43; Ex 2,8; Jes 7,14; Ps

OQ

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Angesichts der Einbindung in die Unheilsprophezeiung erübrigt sich eine Diskussion darüber, ob 13b drohenden oder nur ankündigenden Sinn hat. Ein Rekurs auf jesajanischen Sprachgebrauch wie bei J J . Stamm [Gespräch S. 311 scheidet überdies aus. Zu 'S-TX vgl. V.7b, dort mit mrr\ Eine textkritische Änderung in rnrr, wie sie H. 91

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Wildberger [Jesaja I S. 267] vorschlägt, dürfte unnötig sein. Mit H. Irsigler: Zeichen S. 89; vgl. die Argumentationen bei T. Lescow: Geburtsmotiv S. 177 u. O. Kaiser: Jesaja I S. 155. S. noch J. Fischer: Isaias S. 70-72; N. Palmarini: Emmanuelis prophetia S. 323f. Zu den Lesarten, auch der übrigen TObs>-Belege im AT s. bes. ausführlich R.D. Wilson: Meaning S. 308 - 311. Vgl. O. Kaiser: Jesaja I S. 153. R. Kilian: Verheißung S. 36; entsprechend, aber schärfer schon B. Duhm: Jesaia 5 S. 75; vgl. R.G. Bratcher: Study S. 100; S. Mowinckel: He That Comes S. 113; Μ. Rehm: Wort S. 93; R.E. Clements: Isaiah S. 88; J.T. Willis: Meaning S. l l f ; gegen W. Eichrodt: Heilige S. 88; C. Lattey: Term S. 89; H. Lenhard: „Jungfrau" S. 266; R.D. Wilson: Meaning S. 314, die auf den Status der Unverheirateten abheben. S. R. Kilian: Verheißung S. 36; vgl. L. Köhler: Verständnis S. 50; C.H. Gordon: 'Almah S. 106.; KBL sub voce robv S. 709; O. Kaiser: Jesaja I S. 153; s. aber H. Wildberger: Jesaja I S. 290.

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V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

46,1; 68,26; Prov 30,19; Cant 1,3; 6,8; I Chr 15,20, läßt einen Rückschluß darauf zu, daß im Begriff der robl> notwendig die Jungfräulichkeit mit ausgesagt sei. Terminus technicus für .Jungfrau" ist nbiro. 97 In Gen 24,43 ist die rob? zwar nbim, aber daß sie es ist, ergibt sich nicht aus der Bezeichnung roby, sondern aus V. 16, wo Rebekka eben nbim genannt wird.98 Von den neun alttestamentlichen Belegen geben wohl Ps 46,1 und I Chr 15,20 kaum einen Hinweis auf die Bedeutung von nnbv, da hier eine schwer zu deutende, offensichtlich musikalische Anweisung vorliegt, die entweder mit „im Sopran" (nach Mädchenweise?) oder „nach der elamitischen Weise" wiederzugeben sein wird.99 Prov 30,19 scheint für die gegebene Begriffsbestimmung wesentliche Bedeutung beanspruchen zu dürfen. Von textkritischen Emendationen abgesehen wird hier mitunter die Nennung einer Person ausgeschlossen, so von M. del Olmo Lete, der nach Auswertung ugaritischer Parallelen und gemäß seinem Verständnis des Zahlenspruchs rebj> mit „Finsternis" wiedergeben will,100 oder von G. Gerleman, die die von ihr erhobene Grundbedeutung von obIV und obv als „Sperre, Grenze" auf Prov 30,19 anwendet und robsn mit „in der Verdecktheit" (d.h. dort, wo kein Weg sich findet) übersetzt.101 Zur Aussage des Zahlenspruches mögen diese Auffassungen besser passen, zumal dann, wenn man eine Steigerung in ihnen ausschließt.102 Berücksichtigt man den phönizischen Text des Kilamu (KAI 24; 9Jh.), in dem (Z. 8) die Termini nobv und "OM offensichtlich auf eine Entsprechung hinweisen, ist aber "DM dort

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Dies zuzugeben ist selbst E.E. Hindson [Isaiah's Immanuel S. 41] bereit. Doch weil der Gebrauch von nbiro allein nicht garantiere, daß die so Bezeichnete tatsächlich eine Jungfrau sei, schließt er keineswegs überzeugend: „if Isaiah wished to use a word that would exactly express his intention, the use of 'almah would better signify virginity than would the more common term betülah." S. D.M. Beegle: Virgin S. 23; R. Kilian: Geburt S. 10; gegen R.D. Wilson: Meaning S. 315. Ähnliches gilt wohl kaum für die bekannte ugaritische Parallele im Nikkal-Text (KTA 24,7), der bezüglich C.H. Gordon ['Almah S. 106] angenommen hatte, in Z.5 sei btlt zu lesen, womit die glmt in Z.7 als Jungfrau anzusehen sei, ohne daß glmt generell darauf festgelegt sei. Postwendend bezog E.R. Lacheman [Apropos S. 43] dies auf Jes 7,14 und Schlug die Bedeutung „virgin" für rob? vor, „but only in the mythological sense and without dogmatic assumptions." Demgegenüber hatte schon Β. Vawter [Use S. 321] auf die Fragwürdigkeit des von C.H. Gordon gebotenen Textes in Z.5 aufmerksam gemacht und mit Goetze statt „tld btl[t ]" , ,tld bn l[n]h" lesen wollen, was für Z.7 bedeutet: „we have one instance to show that glmt implies simply a marriageable young woman, and may be applied indifferently to one who is a virgin or not." S. hierzu und zu den übrigen ugaritischen Belegen C. Dohmen: Art. ncbv Sp. 171 -173, der freilich auch schon hier stark auf die für Jes 7,14 postulierte Bedeutung „fremde Frau" abhebt und Nikkal ids die Fremde, nämlich sumerisch-hurritische Mondgöttin, bei ihrer Hochzeit mit dem westsemitischen Mondgott verstehen will. S. R. Kilian: Geburt S. 10; vgl. H. Lenhard: „Jungfrau" S. 265. S. M. del Olmo Lete: Nota S. 68 - 74. S. G. Gerleman: Grenze S. 347; zur Kritik der Vernachlässigung des außerbiblischen Materials bei G. Gerleman s. C. Dohmen: Art. rrabv Sp. 172. Zur Klimax im Zahlenspruch s. H.D. Preuß: Einführung S. 48.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

235

wie anderswo auf eine für rroi>j> häufig postulierte Spezialbedeutung103 nicht zwanglos festzulegen, sondern steht meist allgemein für „Mann", wobei ihn die Wurzel 135 als in seiner Stärke, Kraft und Überlegenheit in den Blick bringt, läßt sich schließlich rroby als weibliches Pendant zu "na verstehen, von der Wurzel Qi>v „stark sein" 104 als Synonym zu miaa, dann ist für Prov 30,19 Entsprechendes zu postulieren: Im Zahlenspruch von Prov 30,17-19 geht es dann eben nicht um das Rätsel der Weglosigkeit, daß sich der Adler am Himmel trotz Fehlen eines Weges zurechtfindet, die Schlange auf dem Felsen, das Schiff in der See, der junge Mann dort, wo Finsternis herrscht oder kein Weg sich zeigt, (wobei gerade die beiden letzten Dinge empirisch durchaus auch falsifizierbar sind,) sondern vielmehr um die Zuordnung der Glieder innerhalb eines Spruches: Wie der Adler zum Himmel, die Schlange zum Felsen, das Schiff zum Meer, gehört der "na zur rrabv. Darf nobv demnach auch in Zukunft als Bezeichnung für .junge Frau" verwendet werden, 105 bleibt zu klären, was es mit dem Artikel vor robv auf sich hat. Trotz aller Unsicherheiten 106 scheint dieser darauf hinzuweisen, daß mit nobvn eine bekannte Größe eingeführt wird. 107 Dabei ist es weniger wahrscheinlich, daß der Artikel die Funktion eines Demonstrativ-Pronomens übernimmt, 108 vielmehr scheint es sich um eine Frau zu handeln, die der Leser identifizieren kann. Trifft dies zu, kann nD^vn nur die Königsgattin oder eine illustre Gestalt wie die Mutter des Messias sein.

Diese Auffassung wird durch den Namen „Immanuel" bestätigt, für dessen Pronominalsuffix der 1. Pers. plur. im Kontext nur V. 13.14a, die Anrede an die vom Haus David, einen Anknüpfungspunkt bildet. Wie die Mutter steht demnach auch der Knabe mit dem Haus David in einem Bezug. Es verdient Beachtung, daß sich ein Name bx n w - von Jes 8,8b ist auf Grund der Abhängigkeit von Jes 7,14b abzusehen - im AT sonst nirgendwo findet,109 häufig aber ein

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S. AOT 2 S. 442 und A. Schulz: 'Alma S. 229: „Jungfrau"; M. Rehm: Wort S. 94: „Sklavin"; C. Dohmen: Art. nnbi> Sp. 172: „ethnisch Fremde". S. dazu F. Delitzsch: Jesaia 2 S. 136, nach dem nbv „stark, saft- und kraftvoll, geschlechtsreif s." bedeutet; vgl. H. Wildberger: Jesaja I S. 290. Die neueren semasiologischen Untersuchungen von G. Gerleman und C. Dohmen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, schon unproblematische, da eindeutige Belege auf ihre Grundthesen hin zu interpretieren, und nur auf diesem Weg erscheint es dann plausibel, daß die HQbv in Jes 7,14b eine Person ist, die vom Gespräch zwischen König und Prophet nichts weiß (so G. Gerleman: Grenze S. 349), oder eine ethnisch Fremde im Harem des Ahas ist (so C. Dohmen: Art. robs Sp. 176). Neben dem Versuch, den Artikel kollektiv zu verstehen (so nach L. Köhler: Verständnis S. 49 noch G. Fohrer: Jesaja 7 14 S. 167), ist es auch möglich, daß der hebr. Artikel dem unbestimmten Artikel im Deutschen entspricht (s. G.-K.28 §126q-t). Vgl. H.D. Preuß: Linguistik S. 11 mit Bezug auf die Kommunikationssituation. S. noch T. Lescow: Geburtsmotiv S. 178, nach dem Jesaja „auf irgendein junges Mädchen zeigt, das zufällig in der Nähe steht." Vgl. G. Gerleman: Grenze S. 348.

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V. Versuch einer Iiterarkritischen Neubewertung

identisch oder ähnlich gebildeter Nominalsatz, der gerade in der Zionstheologie (Jes 8,10; Ps 46,4.8.12) als Vertrauensruf eine Rolle spielt. Als gesichert darf bezüglich Jes 7,14 gelten, daß der Name „Immanuel" einen Vertrauensnamen darstellt.110 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund gibt D. Vetter eine allumfassende Antwort: „Der Symbolname Immanuel ,Gott (ist) mit uns' wird auf dem Hintergrund der Jerusalemer Kulttradition zu verstehen sein (vgl. Ps 46,8.12); der Zusammenhang läßt auch an den Jahwekrieg (vgl. Dtn 20,4) und an die Davidstradition (vgl. 2Sam 23,5) denken" 111 . Damit sind die Möglichkeiten, die Jes 7,1-17 bietet, und die in der Forschung erkannten Bezüge vollständig aufgezähltt. Und in der Tat läßt sich wohl kaum einer dieser Bezüge mit Recht ausschließen. Zwar macht die Verwurzelung in der Kulttradition Schwierigkeiten, so man von einem jesajanischen Grundbestand ausgeht und die Zionstheologie als eine eschatologische Erscheinung bestimmt, aber daß ein „Gott mit uns" ein kultischer Ruf in vorexilischer Zeit gewesen sein kann, wird wohl niemand bezweifeln. Die Jahwe-Krieg-Tradition steht im Hintergrund von V. 4a, und auch für das durch das Zeichen bezeichnete Unheil kann man eine kriegerische Auseinandersetzung durchaus annehmen. Zentral scheint aber der Bezug zur Davidstradition, zumal wenn der Immanuel mit dem Haus David (V. 13.14a) zusammengehört.

Ein weiteres Indiz für dieses Verhältnis besteht in dem Wählen zwischen Gut und Böse. Das natürlichste Verständnis geht dahin, hier wie in I Reg 3,9 (vgl. Gen 3,5; Dtn 1,39) eine Anspielung auf das Entscheidungsvermögen des Erwachsenen zu erkennen. Als unmöglich wurde und wird dies aus latenten historiographischen, aber auch kontextuellen Gründen angesehen, besonders deutlich bei H J . Stoebe: „da die Verheißung als in Bälde eintreffend gedacht ist, kann nicht an körperliche Reife oder gar ein Alter von zwanzig Jahren gedacht sein [...], sondern nur an das Bewußtwerden des eigenen Willens."113 Das Unterscheidungsalter wird dementsprechend zumeist auf zwei, drei Jahre festgesetzt, womit sowohl die historischen Eckdaten, als auch der Bezug zu Jes 8,3 gewahrt bleiben.114

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S. M. Noth: Personennamen S. 160, aber auch M. Görg: Hiskija S. 122; gegen T. Lescow: Denkschrift S. 327 u. ders.: Geburtsmotiv S. 176 s. schon die Kritik an J. Hempel bei H. Kruse: Alma S. 21. Daß I Reg 8,57 das Verständnis als Wunschname zuläßt, ist mit O. Kaiser [Jesaja IS. 153] anzumerken. Textkritische Emendationen wie bei F. Zimmermann [Immanuel Prophecy S. 157] u. T.K. Cheyne [Critica S. 13] überzeugen nicht. D. Vetter: Art. oi> Sp. 328; zur Herkunft der Rede vom Mit-Sein Gottes aus dem Bereich der Nomadenwanderung s. ders.: a.a.O. Sp. 326; H.-D. Preuß: „ . . . ich will mit dir sein!" S. 154. So O. Kaiser: Jesaja I S. 159f, aber auch schon ders.: Jesaja I 1 S. 75; M. Görg: Hiskija S. 120f; H. Irsigler: Zeichen S. 109. 91 mit A. 52 einschränkend; vgl. G.W. Buchanan: Meaning S. 117f; J. Jensen: Age: S. 225 - 227.; H.S. Stern: Knowledge S. 415. H J . Stoebe: Art. 3TO Sp. 659. S. H.-P. Stahli: Knabe S. 94; R. Kilian: Verheißung S. 42f; T. Lescow: Denkschrift S. 328; G. Fohrer: Jesaja IS. 115; H. Wildberger: Jesaja IS. 296f; J J . Stamm: Eschatologje S. 440; G. Gerleman: Grenze S. 348f; vgl. schon W. Gesenius: Jesaia I S. 305. J.G. Eichhorn [Ueber Jes. VII S. 464] vertrat demgegenüber noch eine andere Auffassung: „Noch ehe als der Knabe ganz erwachsen ist, und mit Ueberlegung handelt. . . "

3. Erklärung der einzelnen Schichten

237

Erkennt man aber, daß das Zeichen nur dem Typos Ahas, also primär dem Haus David gilt, spielen solche zeitgeschichtlichen Deutungen keine Rolle mehr. Dann ist der Knabe, der Immanuel genannt wird, naheliegend ein Sproß aus dem Hause David, seine Mutter aber die Königsgattin, die den Thronfolger zur Welt bringt. Der Name, den sie ihrem Sohn gibt,115 scheint zwar Garant für das Mit-Sein Gottes mit der Dynastie zu sein, erweist sich aber nur als scheinbare Garantie angesichts der Einbindung in die Unheilsprophezeiung und der auf die Folgen der als Zeichenankündigung stilisierten Unheilsverkündigung hinweisenden abschließenden Charakteristik, mit der zumindest latent ein Übergang zur Schilderung des Unheils gebildet wird. Dementsprechend sind Dickmilch und Honig, die der Knabe kurz vor dem Erlangen der Regierungskompetenz essen wird, als dürftige Speisen zu verstehen. Sicherlich ist Ε J . Kissane im Recht, wenn er hinsichtlich Jes 7,15 und dessen heilvoller Interpretation annimmt, sie sei von zwei Grundannahmen beeinflußt: ,,a) the analogy of the expression ,a land of flowing with milk and honey' so frequently employed to describe the fertility of the land of Canaan; and b) the context. The prophet is giving a ,sign' or guarantee that his prophecy of deliverance will be fulfilled. The name Emmanuel symbolises deliverance, and it would seem that the following clause must refer to the results of deliverance, the period of peace and prosperity which would follow."116 Von diesem Ausgangspunkt her ist es nicht verwunderlich, daß man V. 15 in einem heilvollen Sinn verstand und „Dickmilch und Honig" als Zeichen einer Heilszeit. Nun ist aber gerade die Assoziation mit dem „Land, das von Milch und Honig überfließt" für rrxon und öan keineswegs berechtigt.117 Die Wendung idrm übn m i ynx (Ex 3,8. 17; 13,5; 33,3; Lev 20,24; Num 14,8; 16,13.14; Dtn 6,3; 11,9; 26,9.15; 27,3; Jos 5,6; Jer 11,5; 32,22; Ez 20,6. 15) kann zur Deutung von Jes 7,15 schon deshalb nicht herangezogen werden, weil es sich dabei um „eine leicht verständliche literarische Formel" 118 handelt, die selbst heute noch sprichwörtlichen Charakter hat, und weil nicht nur nbn statt rrxcn belegt

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nxnpi ist in MT als 3. Pers. sing. f. vokalisiert. Von einer Emendation ist abzusehen. Gerade weil die Textzeugen erheblich differieren, verdient MT als lectio difficilior den Vorzug. Die beliebte Änderung in die 2. Pers. sing. m. mit Verweis auf LXX BA und α σ θ (vgl. Mt 1,21; Lk 1,31) verdankt sich der engführenden Deutung von V.14b als Geburtsankündigung (so bei L. Dequeker: Isaie vii S. 334f u. H.-P. Müller: Glauben S. 39 mit A.4), in der der Adressat des Orakels, nicht generell die Mutter, wie dies T. Lescow [Geburtsmotiv S. 177] behauptet, auch der Namengeber ist. Mit P. Höffken [Notizen S. 323 A.5] ist festzuhalten: „Da eine Zeichenankündigung vorliegt (und kein Geburtsorakel), entfällt auch die Regel, dass der Angesprochene der Namengeber sein müsse."

116

E J . Kissane: Butter and Honey S. 169. S. schon W. Gesenius: Jesaia I S. 306, z.B. gegen A. Vaccari: De Signo S. 75f; W. Eichrodt: Heilige S. 89; M. Rehm: Messias S. 67; A.H J . Gunneweg: Heils- und Unheilsverkündigung S. 31; s. dazu auch H. Groß: Idee: S. 71. W. Werner: Texte S. 135; A. Caquot: Art. tfm Sp. 139.

117

118

238

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

ist, sondern auch die Aussage auf den Überfluß an diesen Speisen abhebt. Die Belege für eine Paarung Ö s n rrron sind schon wegen der geringen Anzahl von Belegen für nxDrt begrenzt. Eindeutig als paradiesische Speisen werden sie in Hi 20,17 gebraucht. Der Frevler darf die nxern ö t t ^rrn nicht schauen, in welcher Metapher, ähnlich wie in der oben angesprochenen Formel auf den Überfluß angespielt ist. II Sam 17,29 finden sich die beiden Termini unter anderen Speisen und Gegenständen, die David und dem Volk aus Mahanajim ins Lager gebracht werden. Hier läßt sich kein Indiz für eine Vorzugsspeise entdecken. Es verbleiben nur noch Jes 7,15.22. Auch bei der Sichtung der einzelnen Termini ist der Befund nicht eindeutig: rrXDn, die aus Milch hergestellte Dickmilch oder weiche Butter (s. Prov 30,33),119 ist weder als Heilsspeise festgelegt (Hi 20,17; 29,6), noch als kärgliche Nahrung, sondern dient als gewöhnliches Nahrungsmittel (Gen 18,8; Jdc 5,26; II Sam 17,29). Weil nxon in Dtn 32,14 als Produkt des Kulturlandes dargestellt wird, ist auch eine Festlegung auf ein typisch nomadisches Nahrungsmittel nicht geboten, wobei sich dieses Verständnis für Jes 7,15 durchaus anbietet, wenn man V. 15 in Verbindung bringt mit der Verlassenheit der m i x in V. 16ba. 120 0 3 t ist ein Oberbegriff wie der „Honig" im Deutschen und „kann außer dem Produkt der (wilden) Biene auch den durch Kochen und Eindicken gewonnenen Sirup aus Datteln oder Trauben meinen. So steht der Begriff für ein ,Naturprodukt' ebenso wie für ein ausgesprochenes Kulturlanderzeugnis."121 Gerade wegen seiner Süße, die in Vergleichen mehrfach die Nennung von mit sich bringt (s. Ex 16,31; Jdc 14,18; Ez 3,3 ; Ps 19,11; 119,103; Prov 16,24), ist der Honig ein besonders geschätztes Nahrungsmittel und wird auch zu den kostbaren Speisen gezählt (Gen 43,11; Jer 41,8). Als Götterspeise, wie dies einige Exegeten für Jes 7,15 vorsehen,122 ist im AT jedoch nirgendwo belegt. Ganz im Gegensatz zu den Götterspeisen in der griechischen Mythologie, Nektar und Ambrosia, die, in Ausnahmefällen Menschen gewährt, diesen übermenschliche Eigenschaften verleihen,123 wird der Honig weder in Israel noch in seiner Umwelt als besondere Götterspeise verstanden. Zwar dient er vielfach als Opfergabe, gerade in Israel wird U)m aber nach Lev 2,11 als solche nicht zugelassen.124

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S. u.a. im Gefolge G. Dalmans [Arbeit VI S. 307-313, bes. 311] H. Wildberger: Jesaja I S. 268; O. Kaiser: Jesaja I S. 159. Vgl. auch M. Rehm: Messias S. 66 A.128 mit Verweis auf die LXX und Hieronymus. Völlig daneben liegt M. Rehm [a.a.O. S.66], wenn er aus der Bedeutung von nxon folgert: „Die Nahrung des Kindes ist das Beste und Köstlichste, das aus der Milch gewonnen wird." (vgl. entsprechend auch A. Laato: Immanuel S. 134) Man vergleiche nur Prov 30,33. Nur über solche Brücken kann man für Jes 7,15 auf eine Uberbietung der Formel vom Land, das von Milch und Honig überfließt, kommen. Zum Verständnis von UtaVi rrXDn als Speise des Nomadenlandes s. B. Stade: Land S. 323; O. Procksch: Jesaia S. 123; G. Fohrer: Jesaja 7 14 S. 169; ders.: Jesaja I S. 115; R. Kilian: Verheißung S. 39. W. Werner: Texte S. 135. Für den wilden Honig vgl. μέλι άγριον in Mk 1,6; Mt 3,4. S. A. von Bulmerincq: Immanuelweissagung S. 14; T.E. Bird: Boy S. 439; vgl. H. Greßmann: Messias S. 241, der eine messianische Speise darin erkennt. Zur Wirkung von Ambrosia s. J. Schmidt: Art. ambrosie S. 34. S. zum ersten J J . Stamm: Prophdtie S. 113f; zum zweiten W. Werner: Texte S. 136 mit A.98.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

239

Überblickt man den Befund, bestätigt sich die Bewertung W. Werners für Jes 7,21f (und ebenso für V. 15): „Nirgendwo meint in besonderer Weise eine .Heilsspeise' oder eine .Nomadenspeise'. Das gilt auch für die Belege, die rrxDrr und t ö n nebeneinander bezeugen (2 Sam 17,29; Ijob 20,17). Von den in Jes 7,21f. erwähnten Nahrungsmitteln fTXDn und läßt sich weder der Heils- noch der Gerichtscharakter des Wortes herleiten. Somit ist man bei der Interpretation in erster Linie auf den Kontext angewiesen."125 Hinzugefügt werden kann, daß die Begriffe selbst keinen Anhaltspunkt für Wohlstand und Überfluß geben, sondern immer von diesem Wohlstand und Überfluß die Rede ist, wenn die Begriffe so verstanden werden. 126

Vielleicht sind auch Dickmilch und Honig wegen ihrer Doppeldeutigkeit verwendet. Wie der „Immanuel"-Name könnten auch diese Termini prinzipiell als Heilsaspekte angesehen werden, obwohl sie im Kontext als Unheilsaspekte determiniert sind. Und gerade der Name „Immanuel" erweist sich im Gesamt der V. 13-16ba als genauer Kontrapunkt zur Antwort des Ahas auf das Zeichenangebot. Wie Ahas eine „Floskel" benutzt, um seine Verweigerung als gottesfürchtige Haltung zu tarnen, greift das Zeichen eine „Floskel" auf, um das Gegenteil auszudrücken: Es wird dem Haus David ein Thronfolger geschenkt werden, er kommt aus der rrDby, der jungen Gattin des Königs, - und sie wird ihn Immanuel, Gott ist mit uns, nennen, wohl wahrscheinlich angesichts einer kriegerischen Bedrohung, im Vertrauen auf den guten Ausgang, den das gottgerechte Verhalten der Dynastie verbürgt, das sich im Nicht-VersuchenWollen Jahwes anscheinend manifestiert. Aber wie dies ein Schein ist, so ist auch die Hoffnung Trug. Der Sproß wird zwar Milch und Honig essen gegen die Zeit hin, da er die Kompetenz zu regieren erlangt hat, aber er wird nicht Nektar und Ambrosia trinken, sondern immer nur Dickmilch und Honig essen, immer wieder saure Milch und wilden Honig, weil es kein Brot, keine Mehlspeisen mehr zu essen, keinen Wein mehr zu trinken gibt. Denn der Ackerboden wird verlassen sein, eine Öde, wie dies Jes 6,11 terminologisch unterschiedlich expliziert. Was vordergründig wie eine Zusicherung aussieht, ist hintergründig eine deutliche Absage. Wie Ahas sich trotz anscheinend gottesfürchtiger Worte Jahwe verweigert, so verweigert sich trotz anscheinend der Dynastie günstiger Worte Jahwe der Dynastie. 127

125 126

127

W. Werner: Texte S. 136. S. auch KTU 1.6 III = C.H. Gordon: Textbook 49 III = W. Beyerlin: Textbuch S. 236f: „Regnen die Himmel Ol, Die Wadis führen Honig", was an die Formel vom „Land, das von Milch und Honig überfließt", erinnert [s. W. Beyerlin: ebd. A. 92], Ebenso der Beleg in SAHG S. 127 bei H. Wildberger: Jesaja I S. 296: „der Hirte, der der Hürde Fett und Milch vermehrt". Es ist ausdrücklich zu vermerken, daß O. Kaiser [Jesaja I S. 161] dies für „ein ironisches Spiel mit dem Immanuelnamen [hält], den man dem Kinde angesichts der scheinbaren

240

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

Endgültig geht das Zeichen über die geschichtliche Situation des Ahas hinaus und reflektiert den Abgang der so lange herrschenden Davidsdynastie. Weil deren Repräsentanten Jahwe-Worte im Munde führten, ohne sich in diesem Gott festzumachen, deshalb und nur deshalb ist es so gekommen, daß ein Sproß des Hauses Davids in kärglichen Verhältnissen sein Leben fristen, im Schatten einer Verwüstung aufwachsen muß. Einen Immanuel hat es freilich nie gegeben, doch das Zeichen setzt auch keinen solchen als Persönlichkeit voraus. Er ist der unbestimmte Thronfolger, der die Folgen der verfehlten Haltung der Dynastie repräsentiert und sie zu tragen hat, und er ist die Personifikation eines Vertrauensrufes, der ähnlich wie der Ruf „der Tempel des Herrn" bei Jeremia (Jer 7) auf falschen Voraussetzungen aufbaut, einer Heilssicherheit, die sich als brüchig erweist, als brüchig erwiesen hat.

Exkurs: Fragen zum Immanuel In diesem abschließenden Exkurs soll nicht, wie sonst üblich, die gesamte Forschungslage referiert werden, sondern nur noch einmal grundlegend gefragt werden, wie es zu den disparaten Lösungen hinsichtlich des Immanuel kommt. 128 Es werden auf den Text bezogene Entscheidungsfragen 129 gestellt und zwar so, daß die eigene Wahlmöglichkeit immer

Beseitigung der Gefahren in Selbsttäuschung über die wahre Lage gäbe, wie es so im feierlichen Rahmen des Geburtsorakels kaum angenommen werden darf." (Zu einem ironischen Verständnis s. schon J. Hempel: Worte S. 128) Es macht nachdenklich, daß V.14b-16ba von O. Kaiser [Jesaja I S. 158-163] geradezu gegensätzlich interpretiert werden. Vielleicht ist aber dessen Verständnis, das sich auf dem Absehen vom Kontext gründet, in dem die Verse vorliegen, ein Hinweis darauf, warum das Immanuelzeichen (vielleicht in Mi 5,2 als Ankündigung des Messias aufgenommen,) am Ende der biblischen Tradition als prophetische Verheißung auf Jesus hin verstanden werden konnte. 128

129

Für die Diskussion um die Identifikation des Immanuel sei verwiesen auf M. Rehm: Messias S. 80-121; R. Kilian: Verheißung S. 59 - 94; ders.: Jesaja 1 - 3 9 S. 15-26; A. Laato: Immanuel S. 136-159. Kürzere Darstellungen sind bei E. Jenni: Art. Immanuel S. 677f, O. Kaiser: Jesaja I S. 154-157 und H. Wildberger: Jesaja I S. 289 - 291 einzusehen. Für die ältere Forschung s. A. von Bulmerincq: Immanuelweissagung S. 7-15; A. Clamer: Art. Emmanuel; P. Cruveilhier: Art. Emmanuel. Weitere Literatur bei O. Kaiser: Jesaja I S. 154 A.30. Ausgeschlossen sind dabei alle Fragen, in deren Beantwortung geschichtliche Bewertungen einließen wie beispielsweise: Kann der Immanuel überhaupt mit Hiskia gleichgesetzt werden, da dieser doch wohl zum Zeitpunkt der Begegnung schon geboren war? Ist in der Chronologie den Synchronismen des Königsbuches oder II Reg 18,13 zu folgen? Kann Immanuel ein Sohn Jesajas sein, da Maher-Schalal Hasch-Baz um die gleiche Zeit geboren sein muß? Kann die Frau Jesajas ί7θΐ>9 genannt werden, da sie doch schon Schear-Jaschub geboren zu haben scheint? Ist die nobv Jesajas zweite Frau? usw.

Exkurs: Fragen zum Immanuel

241

voransteht. Das bedeutet, daß der Fragenkatalog nur einen kleinen Ausschnitt aus den Fragen der Forschung widerspiegelt.

-

-

Ist V. 13 ein Scheltwort oder eine eher neutrale Frage? Ist der Wechsel von -pnbx (V. 11) zu 'nbx von Bedeutung oder nicht? Ist 13b als Einleitung einer Unheilsankündigung oder nur begründend zu verstehen? Ist das Zeichen V. 14a von dem, das in V. 11 angeboten wird, zu unterscheiden oder liegt mx auf einer Linie mit dem Zeichenangebot in V. 11? Sind V. 14bff ursprüngliche Fortsetzung von V. 13.14a oder ist die Verbindung sekundär? Ist Π3ΓΓ als Präsentativ (Deutepartikel) zu verstehen oder als konditionale Konjunktion? Determiniert der Artikel vor robv eine Einzelperson oder ist er generalisierend zu denken? Ist die rrabv eine Frau oder eine symbolische Größe (Haus David, Zion)? Ist die rrai>y eine junge Frau oder eine Jungfrau? Ist die junge Frau verheiratet oder nicht? Wird die TObv durch den Artikel lediglich determiniert oder ist der Artikel auch deiktisch? Ist ΓΗΓΤrobynein Nominalsatz oder hat mn attributive Funktion? Ist die Schwangerschaft zukünftig oder besteht sie schon? Ist nxipi 3. Pers. sing. f. oder 2. Pers. sing, m.? Ist ηχ-ιρι konstatierend oder appellativisch zu verstehen? Ist MT hinsichtlich bx 13DJ> zu folgen, oder muß emendiert werden? Ist bx 13DV ein Vertrauensname oder ein Angstruf? Ist der Name für den Zeichencharakter irrelevant oder determiniert er einen Heilsaspekt? Steht das pluralische Suffix mit den Adressaten des Zeichens in einem Bezug oder nicht? Ist für den Namen eine Deutung unnötig oder unabdingbar? Gehört V. 15 in den ursprünglichen Text oder ist er sekundär? Sind Dickmilch und Honig Ausdruck für Dürftigkeit oder für Fülle? Ist wy-rb temporal oder final zu verstehen? Ist "inytb vorzeitig oder gleichzeitig aufzufassen? Bezeichnet die Unterscheidung von Gut und Böse die Regierungskompetenz oder die Fähigkeit des Kleinkindes, zwischen Nützlichem und Schädlichem zu unterscheiden? Ist in V. 16 begründend oder deiktisch? Ist der Immanuel oder Schear-Jaschub? Ist V. 16bß sekundär oder ursprünglich V. 16a.ba zugehörig? Ist V. 17a sekundär oder ursprünglich?

Es handelt sich bei dieser Liste von Fragen, die sich teilweise überlagern, wie gesagt, nur um einen Ausschnitt. Durch die Entscheidung bestimmter Fragen werden andere ausgeschlossen und gar nicht mehr gestellt. Es zeigt sich aber schon allein bei diesem Ausschnitt, daß die verschiedenen Lösungen des Immanuel gar nicht vereinheitlicht werden können, solange es zu jeder der Fragen zwei verschiedene Antworten in der Forschung gibt. Bei vielen wird man ohne Umschweife antworten können, bei anderen wird man nur ohne Umschweife antworten können, wenn man sich auf die Gegenposition nicht einlassen will,

242

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

und einige wird man schließlich wohl nie mit hinreichender Sicherheit beantworten können. Bei der vorgetragenen Lösung - das ist nochmals zu betonen - spielten die literarkritischen Entscheidungen einerseits und andererseits die Interpretation von Jes 7,13 -16* als Unheilsprophezeiung die entscheidenden Rollen.

b) Die Erweiterungen Für die Zusammengehörigkeit von V. 2a mit V. 4 b - 6 spricht nicht nur die übereinstimmende Betonung des Kriegsgegners, sondern auch, daß durch den zeitlichen Rückschritt von V. 2a die Einführung des Feindplanes in V. 5f erst ermöglicht wird. Auch stellt die Meldung an das Königshaus einen Bezug zu V. 6 her, dem Vorhaben, den Sohn Tophels auf den Thron Judas zu erheben. V. 8b mit seiner Konzentration auf Ephraim läßt sich dieser Erweiterung nicht zuordnen. Für V. 16bß.l7 ist dies fraglich, da gerade in V. 16bß von zwei „Königen" die Rede ist. Weil aber der Relativsatz mit der Feststellung der Furcht des Ahas mglw. auf V. 6 zurückweist, und die Einführung der Könige vom schon vorliegenden Text her verursacht sein dürfte, steht der Zuordnung von V. 16bß.l7 zu V. 2a.4b - 6 nichts im Wege. Noch offensichlicher wäre die Zusammengehörigkeit, wenn V. 2b dieser Redaktion zugeordnet werden könnte, da sich ihr dann die Einführung der Furcht in Juda (V. 2b.6.16bß) und des Volkes (V. 2b. 17a) verdanken würde. Daß wir es hier, entgegen der oben vorgebrachten Bedenken gegen ein solche,130 in der Tat mit einer historisierenden Redaktion zu tun haben, liegt auf der Hand. Es geht ihr darum, die Ursachen des in der Vorlage nur oberflächlich behandelteten Kriegszuges zu erhellen und auf die tatsächlichen Folgen der Auseinandersetzung hinzuweisen. Offenbar verstand der Bearbeiter V. 1* schon als mehr oder minder abgeschlossenen Bericht, den er wahrscheinlich am Ende gerinfügig seiner eigenen Intention anpaßte. 131 V. 1* dient ihm anscheinend weniger als einführende Schilderung, denn als allgemeine geschichtliche Situierung, an die er seine Erweiterung in V. 2a anbringt, um damit die Möglichkeit zu schaffen, in V. 5f die Gegner ihren Plan aussprechen zu lassen. Er hat sehr wohl verstanden, daß es in dem ihm vorliegenden Text um die Existenz der Davidsdynastie geht, seine Vorlage aber auch mißverstanden, weil er seinen Ausgang nicht bei der Davidsdynastie im weiten Sinne der Grundschicht nimmt, sondern bei der Dynastie, soweit sie zur Zeit des Ahas repräsentiert ist. Eine Meldung geht an den i n rrn, d.h. den Hof oder Königspalast, gedacht ist auf jeden Fall an eine Personengruppe, wie es die Belege für Tfl waw-P.-

130 131

S. oben S. 201-207. S. oben S. 223 - 225.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

243

K. ho. mit b nahelegen. 132 Sollte V. 2b V. 2a zugehören, wird man den suffigalen Rückbezug auf i n rrn annehmen müssen. Das könnte sich angesichts der Ungewöhnlichkeit einer dann vorauszusetzenden Verbindung „das Herz des Volkes des Hauses David" vielleicht dahingehend erklären lassen, daß der Redaktor den τ π ΠΌ weitgehend mit Ahas identifiziert hat. Zumal da V. 13 den τ π ΓΡ3 als pluralische Größe erfaßt, wäre hier ein Unterschied zwischen V. 2 und V. 13 zu erkennen. Der Redaktor schaltet mit V. 2a die Schilderung einer Meldung an das Königshaus ein, die nur vorzeitlich zu V. 1 zu verstehen ist. Im Zitat bringt er seine Einschätzung der Dominanz Arams vor Ephraim schon indirekt zum Ausdruck.134 Vor dem Kriegszug der beiden Könige, die den Redaktor gar nicht zentral interessieren, kommt es ihm doch darauf an, das Vorhaben als das der Staaten, insbesondere Arams darzustellen, kam es zu einer Aktion Arams in bezug auf Ephraim. Nimmt man den Text als gegeben hin, kann das Prädikat nrn entweder als 3. Pers. sing. m. vom gleichlautenden Verb oder als 3. Pers. sing, f von irrc aufgefaßt werden. Beides ist möglich, weil D"ix in seinem Geschlecht nicht festgelegt ist. Auch V. 5a ist nicht eindeutig, weil man dort die grammatikalische Regel des Ausgangs von der neutralen Verbform bei « «

der Satzbildung vermuten kann, um so mehr, wenn V. 5b* V. 5 ursprünglich zugehört hat. Da ΠΓ73 nicht paßt, wird meist m) vorgeschlagen, in seiner Grundbedeutung aber meist abgebogen oder eine andere angenommen. Die ältere Forschung ließ sich dabei vielfach von der vorausgesetzten Historizität von Jes 7,2 leiten und versuchte die Aussage mit der Auffassung vom syrisch-ephraimitischen Krieg zu verbinden. Sollte Jes 7,2a auf den Schluß des Bündnisses zwischen Aram und Israel anspielen? - O. Eißfeldts Ableitung des mi von einem akkad. nähu, das „paktieren", „sich verbünden" bedeuten soll, ist vielfach rezipiert worden und hat die vormalige Emendation in ηπκι gegenstandslos gemacht, die in der Bedeutung fast identisch war. 136

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136

Dabei ist Jes 7,2 der einzige Beleg für diese Formulierung (insgesamt 24 Fälle), wo keine Einzelperson Empfänger der Meldung ist. Von den übrigen Belegen von "Hi ho. beziehen sich Dtn 17,4; Jos 9,24; Jes 40,21 auf ein eine pluralische Größe bezeichnendes oder pluralisches, weitere sechs Belege auf ein singularisches Objekt. S. die Einschätzung von S.H. Blank: Faith S. 21. S. z.B. O. Procksch: Jesaia S. 113; J. Priest: Covenant S. 401 A.10; B. Oded: Background S. 163. Gegen G.R. Driver: Studies VI S. 377. G.R. Driver leitet es von arab. nhy ab und übersetzt nach Ersetzung von bv zu bx: „A. has inclined towards (become allied with) E." vgl. ferner das ugaritische nh(w) „sich wohin begeben" (J. Aistleitner: Wörterbuch S. 204 Nr. 1767.). S. O. Eißfeldt: nüah S. 124-128; vgl. z.B. R. Kilian: Verheißung S. 12 A.3; M.E.W. Thompson: Situation S. 22 A.2; P.R. Ackroyd [Historians S. 129] wagte gar die kühne Behauptung: „an explict Statement is made of the formation of an alliance between the two northern countries." Mit Hinweis auf LXX συνεφώνησεν und S konjizierten D5> rmxi P. de Lagarde: Anmerkungen S. 13f; O. Procksch: Jesaia S. 110. 113.

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

244

Wie gerade in dieser Frage das geschichtliche Hintergrundwissen wirkt, läßt sich paradigmatisch an G.B. Gray ablesen, der die Bedeutung „verbrüdern" „verbünden" mit dem Hinweis auf II Reg 15,37 ablehnt. Die Historizität dieser Notiz vorausgesetzt, war ein Bündnis zwischen Aram und Israel schon zur Zeit Jothams existent. Wenn aber auch Jes 7,2 historisch ist, kann dort von der Bildung des Bündnisses keine Rede sein.137 Für das Verständnis dürfte die Konstruktion von ΓΤΠ5 mit bv letztlich den Auschlag geben. E.G. Kraeling übersetzte schon diesbezüglich adäquat: „Aram has alighted upon 1 TO

Ephraim" , und das würde bedeuten, daß rm in Jes 7,2 „sich niederlassen auf, herfallen über" meint, wie die Parallelen in Jes 7,19; Ex 10,14; II Sam 17,12; 21,10 es nahelegen. 139 Wäre ein solches Verständnis vorauszusetzen, müßte man es in der Tat mit K. Budde dahingehend deuten, daß hier eine kriegerische Aktion Arams gegen Ephraim in Analogie zu 7,19 vorliegt, die nicht in den Textzusammenhang paßt, wo trotz der Vorordnung Arams eine Beteiligung Ephraims nicht ausgeschlossen wird.140 Hypothetisch bleibt dann auch die Annahme O. Kaisers, der bv rna als einen sonst nicht belegten militärischen Terminus der Bedeutung „aufmarschieren in" versteht. 141 Doch wird man das vertreten können, zumal es der Grundbedeutung von rna durchaus noch nahesteht. Enthält der Satz eine feindliche Nuance, könnte sie darauf hinweisen, daß der Redaktor die Dominanz Arams noch weiter zu betonen suchte, nicht um Ephraim als unbedeutenden Mitläufer zu stempeln, sondern es im Gegenteil als gezwungenen, überredeten Partner im Juda-Feldzug zu kennzeichnen, und damit nachträglich zumindest zu einem Teil zu entschuldigen.

Gehört V. 2b der Redaktion an, will der Bearbeiter damit zum Ausdruck bringen, daß schon die sich andeutende Bedrohung allein ausreicht, um riesenhafte Furcht in Juda/Jerusalem zu erregen. Die letzte Stunde für Ahas bzw. die Dynastie und das Volk hat zwar noch nicht geschlagen, aber man sieht sie schon unabwendbar auf sich zukommen. Besteht kein ursprünglicher Zusammenhang, kann diese Deutung auch auf der redaktionellen Ebene vertreten werden. Sie konvergiert einerseits mit der Einschätzung des Redaktors, was die Gefährlichkeit der Feinde betrifft, andererseits mit dem Vorhaben der Feinde, die Juda in Furcht stürzen wollen. Gegen die Tendenz seiner Vorlage stellt der Redaktor in V. 4b die Gefährlichkeit der Feinde heraus, in Anlehnung an das ihm Vorgegebene, aber auch auf Grund von V. 9a, dessen Abwertung des israelitischen

137

138 139 140 141

S. G.B. Gray: Isaiah S. 116; freilich könnte man natürlich auch mit G. Fohrer [Jesaja I S. 106] argumentieren, um beide Stellen in Übereinstimmung zu bringen. Jes 7,2 meint zwar auch ein Bündnis, aber nicht das der Bildung der Koalition gegen Assur, sondern vielmehr das der Bündnispartner zu einem Krieg gegen Juda. E.G. Kraeling: Immanuel Prophecy S. 277; vgl. schon K. Marti: Jesaja S. 71. S. H. Wildberger: Jesaja I S. 265; vgl. F. Stolz: Art. π 15 Sp. 43. S. K. Budde: Immanuelzeichen S. 23 A.l. S. O. Kaiser: Jesaja I S. 135 A.2. Die gleiche Bedeutung nahm, obwohl er als Wurzel wie G.R. Driver nahä wählte, J.D. Michaelis an (s. J A . Emerton: Notes S. 189).

3. Erklärung der einzelnen Schichten

245

Königs der Redaktor teilt, 142 identifiziert er die „Stummel" als Rezin und den Sohn Remaljas, unterläßt es aber auch hier nicht, seine eigene Sicht der Dinge hinzuzusetzen, daß nämlich die „Zornesglut" wesentlich von Aram geschürt wurde. Indem er Aram zwischen die beiden von V. 4a her motivierten Namen stellt, leitet er zu V. 5 über, der mit V. 4b zusammen als redaktioneller Anschluß an V. 4a nicht begründet, warum sich Ahas nicht fürchten soll, sondern worin die Zornesglut besteht: Aram führt Übles gegen Ahas im Schilde,143 Ephraim und der Sohn Remaljas. Das Satzgefüge ist zwar holprig, das hat aber seinen guten Grund: Ephraim war beteiligt und ist mitsamt seinem Herrscher untergangen. Daran ist nicht zu rütteln (V. 9a), aber Ephraim war, und damit akzentuiert der Redaktor seine Vorlage um, nicht in derselben Weise wie Aram verantwortlich. Das Böse geht eigentlich von Aram aus. Der Plan Arams (Ephraims und des Sohnes Remaljas) sieht vor, nach Juda zu ziehen, mit dem Ziel, dort einen neuen König einzusetzen. Die Dynastie in ihrem Repräsentanten Ahas ist also in der Tat bedroht. Die genaueren Umstände, wie dieser Plan realisiert werden soll, lassen sich nur noch mutmaßen, weil die beiden Verben yip und ypn nicht nur textkritisch, sondern auch lexikalisch umstritten sind. Soll man yip oder pis lesen, γιρ I oder II, VP oder gar γρ-1 voraussetzen, was soll man unter vpn verstehen? Beläßt man es beim gegebenen Text ist n^'p^i als mit Hilfe von Nun-energicum suffigierter Kohortativ hi. von yip zu bestimmen. Bei Ableitung von yip I ist es der einzige Beleg für das Hi. im AT und müßte mit „wir wollen ihm (Juda) Furcht einjagen" wiedergegeben werden. 144 Das dürfte trotzdem sinnvoller sein, als das Verb aus arab. qyd abzuleiten, um die Bedeutung „to destroy" 145 oder „to break up" 146 annehmen zu können. Ebenso wenig Uberzeugend ist G.R. Drivers Vorschlag, in Anschluß an LXX nach arab. käda „laßt uns Handlungsbeziehungen mit ihm eröffnen" zu übersetzen. 147 Was 5>P3 betrifft, so liegt neben Jes 7,6 nur noch ein Beleg im Hi. im AT vor, II Reg 3,26, wo das Verb auch mit bx, aber ohne direktes Objekt konstruiert ist. So ist man auch hier auf Vermutungen angewiesen, bei denen die Wiedergabe „aufspalten" die größte Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen dürfte. Dabei bleibt dann noch ein Spielraum im

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Zur Abwertung, die in der Bezeichnung „Sohn Remaljas" liegt, s. schon W. Gesenius: Jesaia I S. 278. Eine Änderung von zu "nro mit S (s. O. Kaiser: Jesaja I S.135 A.5) scheint mir ebenso wenig nötig wie mit N.E. Wagner [Note S. 438] auf Grund von lQIs a "ΊΠ3 auf die Wurzel i m zurückzuführen. Zur Konstruktion s. G.-K.28 §119dd; Y5>' + Akk.-Obj. + bv kommt noch Jes 14,26; 19,17; 23,8f; Jer 49,30 vor. So H. Wildberger: Jesaja I S. 266 mit ausführlicher Diskussion; vgl. schon O. Procksch: Jesaia S. 115. S. S. Speier: Uneqisennah S. XIV. S. I. Eitan: Contribution S. 58. S. H. Wildberger: Jesaja I S. 266.

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

246

Sinn, der von „sich gefügig machen" bis „sich durch Eroberung bemächtigen" 148 reicht. Von LXX her könnte sich zwar eine Ableitung von arab. baqa'a anbieten, womit die Bedeutung „to make go over" anzunehmen wäre, 149 ob das aber besser in den Kontext paßt, 150 steht dahin. Offensichtlich paßt es besser in den Kontext des postulierten Geschichtsablaufes.

Der Plan verfolgt das Ziel, einen neuen König in Juda einzusetzen, was darauf hinweisen könnte, daß die Invasion weniger auf Zerstörung und Zerschlagung, sondern vielmehr auf Überraschung ausgelegt ist, darauf, Panik auszulösen und von daher größeren Widerstand auszuschließen. Den Namen des Aspiranten auf den judäischen Thron erfahren wir nicht: Er wird lediglich nach seinem Vater benannt und als bezeichnet. Das könnte in Analogie zu w b D V p eine abschätzige Tendenz verraten.151 Wahrscheinlich ist das deshalb nicht, weil der Vatername im Feindeszitat genannt ist und damit in einem Zusammenhang, der für den Eintrag solcher Tendenzen der denkbar ungeeignetste Ort ist. Denn die Abschätzigkeit fiele direkt nicht auf die Einschätzung des Verfassers des Textes zurück, sondern auf die, die er den Plan aussprechen läßt. Man müßte also davon ausgehen, daß der Verfasser auch im Feindzitat, das sonst keine ironisch-zynischen Züge trägt, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten kann. Unter geschichtlicher Perspektive und die Authentizität vorausgesetzt war es angängig, den Sohn von b?oa (s. LXX; Esr 4,7), des Trägers eines offensichtlich aramäischen Na1 M

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mens, mit einer damals durchaus bekannten Persönlichkeit zu identifizieren. Hatten die „Alten" eine Identifikation noch gescheut,153 hielt C.J. Bredenkamp eine solche für nötig: „Da es unwahrscheinlich ist, dass irgend ein unbekannter Mensch zum König von Juda gemacht werden sollte, so wird der Sohn Tab'els, [wofür der syrische Name (gleichbedeutend mit Tabrimmon) spricht] kein anderer als Resin sein, welcher als Hauptfeind immer zuerst genannt ist." 154 B. Duhm wollte hingegen in Anschauung der vernünftigen Politik' Assurs, Ägyptens und Babylons, „Eingeborne zu Vasallenfürsten unterworfener Länder zu machen", 155 eine syrische Herkunft ausschließen und einen O r a n n a annehmen, dessen Vatername nicht mitgeteilt wird, „weil auch er [wie der Sohn Remaljas] ein Emporkömmling ist." 156 In ähnliche Richtung ging dann auch A. Alt: er erkannte in Ben-Tophel einen „Mann

148 149 150 151 152

153 154

155 156

S. G.-B.17 zum Terminus S. 111. S. I. Eitan: Contribution S. 58; vgl. A. Brüx: Is. 7,6 S. 71. So I. Eitan: ebd. So W. Gesenius: Jesaia I S. 278. S. W.F. Albright: Son S. 35; E. Vogt: Filius S. 264; H. Wildberger: Jesaja I S. 266; s. aber auch schon W. Gesenius: Jesaia I S. 280f; CJ. Bredenkamp: Jesaia S. 46. S. W. Gesenius: Jesaia I S. 280; aber auch schon J.G. Eichhorn: Ueber Jes. VII S. 459. C J . Bredenkamp: Jesaia S. 53; zu den Nachfolgern dieser These s. O. Procksch: Jesaia S. 115f. B. Duhm: Jesaia 1 S. 51. Ders.: ebd.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

247

von nichtköniglicher Herkunft, aber in gehobener Stellung, sei es in einem der Nachbarreiche oder wahrscheinlicher am Hof von Jerusalem selbst"157. Wie bei B. Duhm wird also auch hier ein Bezug zu Juda gesucht. Noch deutlicher wird dies bei W.F. Albright und E. Vogt: Beide, letzterer in deutlicher Anlehnung an den erstgenannten, nehmen ihren Ausgang bei einem 1952 in Nimrud aufgefundenen Brief eines hohen Beamten mit Namen Qurdi-ASäür an den König von Assur, der in etwa in die zwanziger Jahre des 8. Jh.s zu datieren sein dürfte. 158 In Z.5 des Briefes findet sich die Bezeichnung Ta-ab-i-la-aya, und aus Z.6 geht hervor, daß dieser Ezazu heißt („ m E-za-zu Sumäu"). Daraus wird geschlossen, daß Ezazu, ein Bote Ajanürs (Z.4), ein Tabelit" ist, Ajanür selbst „an important official (perhaps ,king') of the land of Täb'el" 159 , das nördlich von Ammon und Gilead gelegen haben soll (vgl. Z.11: Gi-di-ra-aya = Geder?). 160 So kann es sich bei dem ϊ»αΒ"ρ in Jes 7,6 (vgl. dazu vor allem Jdc 3,31 r w q ) um einen „Mann aus dem Haus Täb'el" oder den „Tabeliten" handeln. 161 Bei der Identifikation des Tabeliten spielt dann wieder die Authentizitätsproblematik mit hinein: W.F. Albright und in deutlicher Abhängigkeit E. Vogt bestimmen Ben-Tophel als einen „prince of Judah", als „presumably son of Uzziah or of Jotham by a princess of Täb'el." 162 Damit ist sowohl Β. Duhms Postulat vernünftiger Politik Genüge getan, als auch der Historizität von Jes 7,6 Rechnung getragen. In der Tat ist die Vermutung, die in Abschaloms und Rehabeams Herkunft (II Sam 3,2; I Reg 14,21) Parallelen finden könnte, jedoch nichts weiter als textunabhängige Spekulation, die offensichtlich nicht einmal den Quellen gerecht wird, aus denen sie geschöpft ist.163 Fragt m a n d a g e g e n für Jes 7,6 nicht nach einer geschichtlichen Hintergrundinformation, kann m a n mit A. Alt und S. Mittmann in d e m Sohn T o p h e l s e i n e n „Vertreter des subalternen Ministerialenstandes, nicht aber d e n A b k ö m m l i n g des Herrscherhauses" 1 6 4 b e z e i c h n e t sehen, d e s s e n Vatern a m e ihn als Syrer ausweist. U n d das dürfte dann auch das Wesentliche sein, was der R e d a k t o r mit d e m Zitat des Feindplanes ausdrücken wollte: Im syrisch-ephraimitischen Krieg ging der Plan A r a m s (Ephraims und des S o h n e s R e m a l j a s ) dahin, die Davidsdynastie zu stürzen und e i n e n ihm gefügigen Fremdherrscher syrischer Herkunft auf d e n Thron Judas zu bringen, u m Juda seiner politischen Eigenständigkeit zu berauben. O b der Redaktor hier tatsächlich eine Hintergrundinformation verwertet, kann aus d e m N a m e n „Sohn Tophels" nicht geschlossen werden. D e r N a m e des

157 158

159 160 161 162 163 164

A. Alt: Menschen S. 213. S. W.F. Albright: Son S. 34; E. Vogt: Filius S. 264; der Text wurde erstmals veröffentlicht von H.W.F. Saggs in: Iraq 17 [1955] S. 131 -133; Text mit Übersetzung bei W.F. Albright: ebd., aus welchem im folgenden zitiert wird. W.F. Albright: Son S. 35. S. ders.: ebd.; vgl. E. Vogt: Filius S. 264. S. E. Vogt: Filius S. 264; vgl. W.F. Albright: Son S. 35; H. Wildberger: Jesaja I S. 266. W.F. Albright: Son S. 35; vgl. E. Vogt: Filius S. 264. Zur Kritik s. S. Mittmann: Ostjordanland, bes. S. 16f. S. Mittmann: Ostjordanland S. 17 mit Verweis auf A. Alt: Menschen S. 198-213.

248

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

Prätendenten auf den judäischen Thron fehlt, und der Name des Vaters kann durchaus auch als Kontextbildung ohne geschichtlichen Wert aufgefaßt werden, die dem „Immanuel" in V. 14b ein Pendant von seiten der Koalierten entgegensetzt.165 V. 2a.(2b?.).4b-6, im Überblick betrachtet, weisen auf einen historisierenden Redaktor hin, dem es um die damalige Geschichte ging, und dies weit mehr als seiner Vorlage. Es genügt ihm nicht die Schilderung des Krieges, sondern er ergründet die Ursachen und beleuchtet damit seine Vorlage neu. Ephraim wird in den Hintergrund gerückt, Aram dagegen die Hauptinitiative und damit auch die wesentliche Schuld und Verantwortung zugesprochen. Hatte die Vorlage die Tendenz, die Gefährlichkeit der Feinde des Ahas herunterzuspielen, so zeichnet der Redaktor ein gegenteiliges Bild: Es bestand tatsächlich eine große Gefahr für König und Volk, und so ist deren Furcht nicht unbegründet. Und wie der Bearbeiter die Ursachen zu ergründen suchte, so auch die Folgen, die sich für alle Beteiligten in der Zeit nach diesem Krieg ergaben. Aus seiner Vorlage (V. 7b.8a.9a), aber wohl auch aus anderen Quellen weiß er, daß sowohl Aram als auch Ephraim das gleiche verheerende Schicksal getroffen hat, beide Staaten ein gewaltsames Ende gefunden haben. Auch versteht er wohl, daß das in V. 11 gemachte Zeichenangebot von Ahas böswillig ausgeschlagen wurde und V. 13ff nur eine Drohung gegen das Haus David sein können. Aber er versteht dieses Haus David anders als seine Vorlage als das Haus David der Zeit des Ahas. War damals die rrDTX Judas verlassen? - Keineswegs. Verlassen war bald danach die rrmx Arams, und auch die rroix Ephraims wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen. Nicht die rrD"rx Judas also, sondern die h d i x der beiden Könige, vor denen Ahas gegraut hatte. Gebunden an den ihm vorliegenden Text konnte der Bearbeiter diese Kenntnis anscheinend nur auf etwas unbeholfene Weise einbringen und damit späteren Augen wie bei V. 4b verdächtig machen. Er wiederholt damit die Ankündigung von V. 7b. 8a.9a, greift das Thema der Furcht nochmals auf und bezieht es mit der Du-Anrede auf Ahas, gerechtfertigt dadurch, daß er, da er das Haus David als das der Zeit des Ahas identifiziert hat, im „Ihr" in V. 13.14a vornehmlich Ahas als den amtierenden Davididen angeredet sieht. Aber die Drohung bleibt: Wie V. 16b nun den Untergang der feindlichen Staaten voraussieht und damit V. 7b. 8a. 9a bestätigt, so der vom Redaktor angefügte V. 17 die Drohung gegen Juda. Gerade durch die Asyndese in V. 17a wird dabei V. 17 mit V. 16b in ein zeitliches Bezugsverhältnis gesetzt, das von V. 16a regiert wird. In der Zeit, da der Ackerboden der beiden Könige verlassen sein wird, wird Jahwe Tage bringen. Mit seiner Einführung von

165

S. die Linienführung F.D. Hubmanns [Randbemerkungen S. 30f] unter redaktioneller Perspektive; Entsprechendes bei H. Irsigler: Zeichen S. 97.

3. Erklärung der einzelnen Schichten

249

Jahwe setzt der Bearbeiter V. 16+17 von dem Zeichen als dessen Deutung stärker ab. Die Nennung der „Tage" ist eine deutliche Abschwächung gegenüber dem ursprünglichen V. 16a.ba, der Begriff selbst wohl vom Folgenden her veranlaßt oder darauf ausgerichtet, obwohl der Plur. mit dem Sing, der Formeln in V. 18ff nicht in gänzliche Übereinstimmung zu bringen ist. Die Adressaten der Tage, eine Crux der Literarkritik, scheinen sich auf der redaktionellen Ebene klären zu lassen: Primär geht es um Ahas, den König, dessen Herrschaft bedroht ist, mit dem König aber auch um das Volk. Der Τ2Χ~ΓΡ2 schließlich dürfte als die Teilmenge zu deuten sein, die nach Addition mit Ahas den damaligen T r r w a bildet. 166 Mit dem König soll demnach seine Familie oder Sippe und damit eben auch seine Kinder in das drohende Unheil einbezogen werden. Die Tage, die Ahas, Volk und Ahas-Sippe erwarten, werden durch den Relativsatz näher spezifiziert. Der darin integrierte Temporalsatz verweist auf die Reichsteilung, die als Abfall Ephraims von Juda beschrieben wird. Was sind das für Tage, „wie sie nicht gekommen sind, seit Ephraim von Juda abfiel"? - Sicherlich keine glücklichen Tage, wie sie seither nicht mehr gekommen sind, aber wahrscheinlich auch nicht Tage, die ein mit der Reichsteilung analogisierbares Unheil bringen, vielmehr dürfte die Reichsteilung lediglich der terminus a quo sein.1 Die Zeit der getrennten Reiche wird als Unheilszeit interpretiert, die Tage, die dem Ahas angedroht werden, als ein Unheil, das als das größte dieser Unheilszeit anzusehen ist. 168 Damit blickt der Redaktor nicht nur in die Vergangenheit des Ahas zurück, sondern doch über diesen noch ein Stück hinaus. Wohl geht es ihm - und gerade dies läßt V. 17b für ursprünglich zu V. 17a zugehörig erachten - um die assyrische Bedrohung, die ihre ersten Auswirkungen unter der Regierung des Ahas zeitigte, ihre wesentlichen jedoch erst unter dessen Sohn Hiskia. Von hier aus zeigt sich dann auch eine Möglichkeit, die Adressaten der „Tage" V. 17a zu verstehen: Das Unheil durch Assur nimmt bei Ahas seinen Ausgang, betrifft ihn und das Volk, aber auch seine Sippe, der auch Hiskia, der Thronfolger angehört. Erstaunlich bleibt, daß in der Darstellung nicht Ahas das Unheil selbst auf sich zieht, etwa so, wie es der Chr zu beschreiben weiß, der den Hilferuf des Ahas an Tiglat-Pileser III. schon gar nicht mehr mit dem syrischephraimitischen Krieg, sondern mit Übergriffen der Edomiter und Philister in Verbindung bringt: „da kam zu ihm Tiglat-Pileser, der König von Assur und er bedrängte ihn, half ihm aber nicht." (II Chr 28,20)

166 167 168

Vgl. dazu oben S. 192 A.322. S. oben S. 195f. Vgl. zu dieser Auffassung H.-P. Müller: Glauben S. 42.

250

V. Versuch einer literarkritischen Neubewertung

Gerade in V. 17 geht es sicherlich um drohende Bedrängnis, aber das Subjekt, das diese Bedrängnis heraufbeschwört, ist nicht Ahas, der mit seinem Hilfegesuch ein „Eigentor geschossen" hätte, sondern Jahwe. Könnte das darauf hinweisen, daß dem Redaktor der Bezug des Hilfegesuchs mit dem syrisch-ephraimitischen Krieg schon nicht mehr gegenwärtig ist? - Auf jeden Fall weist diese Sicht der Dinge auf eine Parallele hin, die sicherlich auch redaktionell überarbeitet ist, das Drohwort in Jes 8,5ff. In diesem begründeten Drohwort entspricht dem Handeln des Volkes, dem Verwerfen der sanft fließenden Wasser des Siloah, das Handeln Jahwes, der die gewaltigen Wasser des Stromes über sie bringt, welche letztere mit Assur und seiner Herrlichkeit identifiziert werden. So ist auch in Jes 8,7 wie in Jes 7,17 Jahwe der, der Assur über Juda bringt. Indem der Redaktor nach seiner Einschätzung der Geschichte und ihrer Folgen seine Erweiterungen an den Text anfügt, scheint er aus seiner Perspektive heraus das ihm vorliegende Wort zu berichtigen. Damit verwischt er nicht nur den Charakter seiner Vorlage, die weit über die Zeit des Ahas hinausblickte, hinsichtlich ihrer weiten Dimension, sondern auch den Zeichencharakter: Letztlich wird durch ihn der „Immanuel" erst doppelseitig und zu einem Zeichen für Ahas. Gerade mit dem ersten geht dann spätestens die Möglichkeit einher, im Immanuel einen heilbringenden Sproß aus dem Hause Davids zu erkennen. V. 8b kann am Ende kurz behandelt werden: Am sinnvollsten dürfte es sein, diese Halbvers als Randglosse zu V. 9a zu bestimmen. Irgend ein Leser assoziierte aus irgendwelchen Quellen oder eigenen Berechnungen, daß der Untergang Ephraim 65 Jahre nach der Weissagung traf, oder vielleicht, daß zwischen Weissagung und Untergang ein „Menschenalter" verging. Möglicherweise ist der Spruch auch nur geliehen, und der betreffende Leser hat ihn dazu gesetzt, ohne groß Rücksicht auf den Textzusammenhang und spätere Rätsler zu nehmen. Sinnlos erscheint daher jeder Versuch, auf Grund dieser Glosse auf das Alter des Primärtextes schließen zu wollen. Auf ihr eigenes Alter läßt sich aus dem Halbvers allein keinerlei Rückschluß führen. Analoges gilt für die Bearbeitungsschicht: Terminus a quo ist die Grundschicht, man kommt also wohl mit Sicherheit über die exilische Zeit hinaus.

3. Kapitel Das Ariellied (Jes 29,1-8)

I. Einführung Das Ariellied Jes 29,1-8* gehört nicht zu den Stücken in Jes 1-39, die auf Grund ihrer Gestaltung und ihres Inhalts größeres Interesse auf sich gezogen haben. Da es kaum unter die „Perlen hebräischer Poesie" zu zählen sein dürfte, ist es wenig erstaunlich, daß beispielsweise W. Gesenius, der Jes 7,1-17* rund 50 Seiten in seinem Kommentar einräumte, das Ariellied in knapp vier Seiten erledigt hat. 1 In der aktuellen Forschung zu Jes 1 - 3 9 scheint sich jedoch hinsichtlich Jes 29,1-8* eine Wende abzuzeichnen. Gerade bei der Frage nach Alter und Herkunft der Zionstheologie, die von eminenter Bedeutung für das Problem jesajanischer Heilserwartung ist, stellt sich nämlich das Paradoxon ein, daß dieses meist eher nebenbei verhandelte und damit vernachlässigte Stück auf einmal wie bei H. Wildberger in das Zentrum exegetischen Interesses rückt: „Wie eng Gericht und Rettung für Jesaja nebeneinanderstehen, zeigt am besten das eben erwähnte Wort von 29, Iff., das so etwas wie den Schlüssel zum Verständnis der jesajanischen Verkündigung in dieser Zeit bietet: Jerusalem wird schonungslos der Bedrängnis preisgegeben, aber ,dann geschieht's, plötzlich, im Nu', und der Schwärm der Völker, der gegen den Ariel zu Feld gezogen ist, wird zerstoben sein. Man kann es wohl verstehen, wenn manche Kommentatoren versuchen, durch Beschneidung oder Umdeutung des Textes diesen angeblichen Widerspruch aufzulösen. Das geht darum nicht an, weil Jesaja ja auch sonst von der Rettung der Stadt spricht, am allerdeutlichsten in 31,4-9, wo der Sturz Assurs angekündigt wird."2 Bei H. Wildberger wird damit das Ariellied zum Paradigma jesajanischer Verkündigung in der Zeit kurz vor der Invasion Sanheribs und des am Ende für Juda/Jerusalem mehr oder minder glücklichen Abzuges der Assyrer im Jahre 701 v. Chr. Der Nebeneinanderbestand von Gericht und Rettung bildet H. Wildberger zufolge nur einen angeblichen Widerspruch, der literarkritisch zwar vielfach in der Forschung für relevant gehalten wird, aber ohne Signifikanz ist, hat man erst den richtigen Schlüssel zum Verständnis zur Hand. Doch auch bei H. Wildberger bleiben Schwierigkeiten, so vor allem die, daß sich die Schlüsselfunktion von Jes 29,1-8 nicht aus dem Ariellied allein heraus erschließen läßt, sondern unter

1 2

S. W. Gesenius: Jesaia I S.266 - 316 und ders.: Jesaia II S. 850 - 854. H. Wildberger: Königsherrschaft I S. 124f; vgl. ders.: Jesaja III S. 1110.

254

I. Einführung

Berücksichtigung anderer Stellen, die ihrerseits in der Diskussion um die Fragen nach Grundbestand und Authentizität umstritten sind. Es sind dies jene Stücke in Jes 1 - 3 9 , die teilsweise explizit, teilweise scheinbar von der Bedrohung Judas/Jerusalems durch Assur handeln, deren Erfolg, die Eroberung der Stadt Jerusalem, durch einen Eingriff Jahwes zugunsten Zions vereitelt wird. In der Frage nach der Authentizität dieser Texte stehen sich neben vermittelnden Auffassungen zwei Grundpositionen diametral entgegengesetzt gegenüber: Die eine geht davon aus, daß Jesaja in diesen Texten einen Traditionskomplex über die Vorstellungen von der Unverletzlichkeit des Zions aufnimmt, die andere, daß diese Texte, die eine Nähe zu den Zionspsalmen der Korachiten aufweisen, frühestens aus exilischer Zeit datieren. Eine fruchtbare Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Grundauffassungen ist bislang nicht gelungen. 3 In jede Analyse von Jes 29,1-8 spielt diese Problematik aber mit hinein und zumindest im Hintergrund auch dort, wo man bestrebt ist, sich soweit als irgend möglich auf den Text selbst zu konzentrieren.

Auf Grund dieses Sachverhalts ist es nicht verwunderlich, daß die literarkritische Scheidung und Ortung von Jes 29,1-8 nicht allein auf Grund literarkritischer Kriterien im engen Sinne vollzogen wird, vielmehr verschiedene exegetische Gesichtspunkte in der literarkritischen Analyse ihre Rolle spielen: Dies ist schon ersichtlich dort, wo die Heilsankündigung als literarisch sekundär von der Drohung abgesetzt wird. Diese Entscheidung basiert offensichtlich auf unterschiedlichen Perspektiven des exegetischen Hintergrundwissens wie z.B. der Grundanschauung über die Art der Fortschreibung vorexilischer Gerichtsworte oder des Vorwissens um die Gerichtsverkündigung der vorexilischen Propheten. Sie reagiert aber wohl auch auf die Schwierigkeit, die Gattung des Arielliedes im gegebenen Textzusammenhang zu bestimmen, wie dies gerade O. Kaiser mit aller Deutlichkeit dargestellt hat: „Sucht man die Gattung der Dichtung zu bestimmen, kommt man in Schwierigkeiten: Soll man sie von ihrem Anfang oder ihrem Ende her definieren? Das V. 1 eröffnende ,Wehe' läßt ein Drohwort erwarten. Aber spätestens V. 7 leitet zu einer Heilsschilderung über, ja schon V. 5bß führt den Umschwung ein. Nur die Doppeldeutigkeit des von uns mit .heimsuchen' übersetzten hebräischen Verbs in V. 6aa hat diese Einsicht immer wieder durchkreuzt, weil man es hier im feindlichen Sinne meinte verstehen zu sollen. Aber nachdem die Stadt bereits von einem unzählbaren Schwärm von Feinden belagert ist, käme 5bß.6 so verstanden zu spät. Da man das Gedicht schließlich als ganzes und also von seinem Ende her verstehen muß, ist es als Heilsankündigung zu bestimmen, die ihr eigentümliches, von der Bedrohung zur Errettung führendes, Gefälle durch den ihr vorgegebenen Vorstellungskomplex des Völkerkampfes um Jerusalem

3

Zur Zionstheologie s. unten S. 304 A.51.

I. Einführung

255

erhält, nach dem die Völker bei ihrem Angriff auf die Gottesstadt von Jahwe selbst geschlagen werden sollen." 4 Sollte Jes 29,1-8 eine Heilsankündigung sein, wie O. Kaiser meint, ergibt sich das Problem der Parallelen: Gibt es eine Jes 29,1-8 ähnliche Heilsankündigung im AT, die literarisch primär den Adressaten einleitend mit „Wehe" droht, um ihnen am Ende Heil anzusagen? Höchst aufschlußreich ist in dieser Hinsicht ein Blick auf die Untersuchungen zum alttestamentlichen Weheruf, in denen mehr oder minder a priori der Grundbestand von Jes 29,1-8 auf die Drohung reduziert und von diesem Ausgangspunkt her das Problem von Gericht und Heil in Jes 29,1-8 von vorneherein ausgeschlossen wird.5 Mit dieser Vorentscheidung wird nicht nur Jes 29,1-8 der vorausgesetzten „Gattung"6 angepaßt, sondern auch darüber hinaus das „gattungsgeschichtliche" Problem völlig aus dem Blickfeld verloren, wie ein mit „Wehe" eingeleitetes Drohwort, wenn auch möglicherweise redaktionell, in eine Heilsankündigung umgedeutet werden konnte.

Das Problem der Gattung findet seine Zuspitzung, wo es um die Authentizität von Jes 29,1-8 im ganzen oder in seinen Teilen geht. Wie in der Grundfrage nach der jesajanischen Heilserwartung sind die Positionen, Jes 29,1 - 8 * als Ganzes oder nur in einer als Drohwort anzusprechenden Grundschicht Jesaja zuzuerkennen, konträr. Schwenkt auch die Mehrheit hin zu der zweiten Möglichkeit, geschieht dies jedoch wohl häufiger aus dem gattungskritischen Hintergrund heraus und in Anschauung des Textes als eines im Kern jesajanischen Stückes, denn aus der Undenkbarkeit der Möglichkeit, Jesaja habe eine wie in Jes 29,5-7 belegte Vorstellung hegen können. Gerade der zeitgeschichtliche Rahmen, in den Jes 29,1-8* eingesetzt werden kann, scheint bestens Einheitlichkeit und Authentizität bestätigen zu können. Wenige Jahre vor der Invasion Sanheribs hat demnach Jesaja diesen Ansturm vorausgesehen. Hellsichtig erkannte er die aus dem Norden aufziehende Gefahr und die zu erwartende enorme Bedrängnis für Juda/Jerusalem. Und doch war er sich bewußt, daß es zu keiner Katastrophe kommen würde, daß Jahwe im letzten Moment, ganz plötzlich, seine Stadt bewahren und der Hybris des Assyrers ein Ende machen würde. Nicht anders ist es im Jahre 701 v. Chr. gekommen, als Sanherib kurz vor der völligen Zerschlagung des Südreiches von Jerusalem

4

5

6

O. Kaiser: Jesaja II S. 210f; vgl. H. Wildberger: Jesaja III S. 1100, der das Problem der Gattungsbestimmung in Verbindung mit der Auffassung jesajanischer Verkündigung als Gerichtsverkündigung als Anlaß für die literarkritische Scheidung der Arielliedes ansieht. S. C. Hardmeier: Texttheorie S. 227 A.148; W. Janzen: Mourning Cry S. 55 A.46; H.J. Krause: höj S. 33; J.G. Williams: Alas Oracles S. 90. Zur Problematik, von einer Gattung des alttestamentlichen Wehe-Wortes zu reden, s. unten S. 2 9 2 - 299.

256

I. Einführung

abzog, will man den Legenden im Königsbuch Glauben schenken, abziehen mußte. Für eine solche Deutung des Arielliedes spricht nun nicht nur die Geschichte, sondern eben auch, daß es neben Jes 29,1-8 zahlreiche Texte in Jes 1 - 3 9 gibt, die angesichts einer Bedrohung durch Assur oder Völker den rettenden Eingriff Jahwes erwarten. Daß unter diesen Texten Verbindung bestehen, ist offensichtlich, ob man sie mit Jesaja in Verbindung bringen kann oder in wesentlichen Teilen mit einer Redaktionsschicht, für die sich seit H. Barths Grundlegung die Bezeichnung „Assur-Redaktion" eingebürgert hat,7 steht noch in Frage. Das Problem, das heute in der Forschung mehr und mehr zugunsten der Ansicht H. Barths entschieden wird, ohne daß ihm in der zeitlichen Ansetzung der Redaktion auf alle Fälle gefolgt würde, ist schon so alt wie die historisch-kritische Exegese am Jesajabuch. So meldete schon J.G. Eichhorn seine Zweifel an der Authentizität sämtlicher nachmalig sog. „Assur-Texte" an, bemerkte er doch bei den Orakeln, die von Sanheribs Niederlage handeln,8 eine gewisse Einförmigkeit: „Nun ist es zwar leicht zu vermuthen, daß mehrere Dichter, Propheten und Volksredner, deren, wie wir wissen, unter Hiskias eine große Zahl lebte, über diesen merkwürdigen furchtbaren Einfall, und seinen für Juda fröhlichen Ausgang geredet, ihn beschrieben, besungen und bespottet haben. Aber frage sich selbst, wer Dichter ist, ob er es wagen würde, so oft auf dieselbe Begebenheit zurückzukehren, und ihr zu Ehren so oft das Saitenspiel zu rühren? Ist wohl zu erwarten, daß derselbe Dichter sie mit so großer Manchfaltigkeit zu behandeln im Stand seyn werde? Sollten also nicht vielmehr die Empfindungen mehrerer Dichter, Propheten und Volksredner über diese merkwürdige Begebenheit im Jesaias aufbewahrt, und was daraus folgt, sollten nicht in unsrem Jesaias Stüke von allerlei Verfassern zusammengestellt seyn?"9

Die folgende Untersuchung versucht über die Nachzeichnung der Argumentationen auf der literarkritischen Ebene 10 besonders den angeschnittenen Problemen nachzugehen und zu klären, welche Eigenarten das Ariellied als ein mit "nn eingeleitetes Drohwort im Vergleich mit den Exemplaren des alttestamentlichen Wehe-Rufes aufweist, und wie sich das Ariellied als originäre Einheit von Gericht und Rettung zu den alttestamentlichen Belegen des Völkerkampf-Motivs verhält, um von daher Anhaltspunkte für die literarkritische Scheidung und Ortung des Textes zu liefern. Ein Lösungsversuch schließt das Kap. ab.

7 8

9 10

S. H. Barth: Jesaja-Worte; vgl. O. Kaiser: Jesaja I S. 22; ders.: Art. Jesaja S 644f. J. G. Eichhorn [Einleitung S. 82] zählt dazu Jes 10,5-27; 14,24-27; 17,12-14; 18,1-7; 29,1-6. 7f. 9-24; 30,1-26. 2 7 - 33; 31,1-9; 33,lff. J. G. Eichhorn: Einleitung S. 82f. Anders als in Kap. 2 kann eine Untersuchung der postulierten Redaktionsschichten unterbleiben, weil in der Forschung keine mehrfach nachtragenden Redaktionsschichten, sondern nur sukzessive Erweiterungen angenommen werden.

II. Zur Abgrenzung Die Abgrenzung ist allgemein anerkannt, lautet der Grundtenor der Forschung. Zwar gibt es, wie immer, Ausnahmen, doch sind diese weniger als häufig sonst in der Lage, das Einheitsvotum zu durchlöchern. So nahm J.G. Eichhorn in Jes 29,1-8 aus nicht mehr zu rekonstruierenden Gründen mit Jes 29,1-6 und 7f zwei Stücke an,2 O. Procksch zog über V. 1 - 8 hinaus auch noch V. 9 - 1 2 hinzu und verstand diese angeschlossenen Verse als Erwiderung Jesajas auf die Reaktion der Hörer auf die Botschaft der V. 1 - 8 . 3 Indessen hat schon W. Gesenius, obgleich er das Kap. 29 als Ganzes analysierte, eine deutliche Zäsur nach V. 8 gesetzt.4 Daß in V. 1 mit dem einleitenden "nrr ein neues Stück gegenüber Jes 28,23 - 29 beginnt, bedarf keiner Diskussion. Und auch der Abschluß in V. 8 ist deutlich, zumal V. 9 offensichtlich neu ansetzt.5 Eine Anrede an eine 2. Pers. plur. (zuletzt V. Iba) verbindet sich mit einem Themenwechsel und der Veränderung der metrischen Struktur, die nicht nur gegenüber V. 8 auffällt, sondern im gesamten Stück in dieser Strenge keine Entsprechung hat.6 Damit wird für eine Konzeption von Abgrenzung votiert, die der Aufteilung des fortlaufenden Textes in überschaubare Abschnitte in einem Kommentar dient: Da zumindest V. 8 fast einhellig für sekundär erklärt wird, handelt es sich dabei offenkundig um die Bestimmung von Beginn 1 2 3 4 5

6

S. z.B. H. Wüdberger: Jesaja III S. 1100; W. Werner: Texte S. 179. S. J.G. Eichhorn: Einleitung S. 82; vgl. oben S. 256 A.8. S. O. Procksch: Jesaia S. 369f. 375. S. W. Gesenius: Jesaia II S. 850. 854. Eine äußerliche Markierung durch eine Formel fehlt jedoch, wie H. Wildberger [Jesaja III S. 1100] richtig bemerkt. Die Kurzverse in V. 9 sind gesichert. Ob auch in V. 10 Doppelzweier vorliegen, ist strittig, zumal einige Erläuterungen in den Text geraten zu sein scheinen (s. H. Wildberger: Jesaja III S. 1113). Daß in Jes 29,7 Doppelzweier - Doppeldreier - Doppelzweier vorliegen, wie H. Wildberger vermutet (s. ders.: Jesaja III S. 1102), halte ich für ausgeschlossen. Erstens bedarf es beim Doppeldreier nicht nur der Betonung von bo, sondern auch der von bv, was beides problematisch erscheint. Der zweite Doppelzweier ist Produkt entsprechender verkürzender Emendation durch H. Wildberger und insofern kaum gesichert (s. unten S. 315 A.31). Ob V. 7b überhaupt metrisch zu lesen ist, dürfte entschiedener zu fragen sein. Schließlich könnte man auch im „prosaischen" V. 8 den letzten Teil des Verses als Siebener lesen; vgl. Ν J. Schlögl: Jesaja S. 39, der den ganzen Vers metrisch zu lesen versucht.

258

II. Abgrenzung

und Ende einer „erweiterten Texteinheit". Es zeigt sich also, daß bei diesem Fall der Abgrenzung literarkritische Argumente nicht in dem Maße greifen, wie dort, wo die Abgrenzung eines Textstückes umstritten ist. Hinsichtlich Jes 29,1-8 wird zwischen Abgrenzung und literarkritischer Analyse der Einheitlichkeit differenziert. Dies geschieht jedoch auch nicht überall. So spricht F. Huber von der Abgrenzung des Spruches und meint damit die Bestimmung des ursprünglichen Umfanges der mit Jes 29,1 beginnenden Einheit. Damit erweist sich also auch hier zumindest am Rande die methodologisch-terminologische Verwirrung. Bei der Abgrenzung auf Jes 29,1-8 auf Grund der gegebenen Argumentation wird, obwohl literarkritisch kaum hinreichend begründet, vorausgesetzt, daß die zu erhebende Grundschicht des Stückes nur aus diesem Binnenraum ermittelt werden kann. Da es sich offensichtlich um eine gewachsene (= erweiterte oder zusammengesetzte) Einheit handelt, bleibt nachträglich zu fragen, in welchem Verhältnis gerade die auf V. 8 folgenden Verse dazu sich verhalten, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß V. 9f, wenn auch ursprünglich selbständig, im redaktionellen Gefüge bewußt an die Stelle hinter V. 1 - 8 gerückt wurden. Im kompositionellen Zusammenhang könnte es sich demgemäß bei Jes 29,1 - 8 + 9 - 1 2 wiederum um eine gewachsene Einheit handeln. Die herkömmliche Sonderung von Jes 29,1-8 und 29,9 - 1 2 trägt diesen Gesichtspunkten kaum Rechnung. So kommt es, daß beide Einheiten isoliert für sich betrachtet werden, der ursprüngliche Sinn der jeweiligen Grundschichten und der offensichtlichen Erweiterungen eruiert wird, ohne die Bedeutung in der Komposition zu beachten. Auf diese Weise führt auch die Rückfrage nach den Einheiten zu einer Atomisierung der Schriften, die die folgende Untersuchung ein Stück weiterführt. Im folgenden wird vorausgesetzt, wie es wohl auch vertretbar ist, daß Jes 29,1-8* einer redaktionellen Sammlung integriert ist.8

7 8

S. F. Huber: Jahwe, Juda S. 166. Anders noch C.H. Cornill: Composition S. 100 (vgl. B. Stade: Jes 32\33 S. 257).

III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1 - 8* Die folgenden Untersuchungen sind in zwei Schritte aufgeteilt. Im zweiten Abschnitt wird das literarkritische Grundproblem des Arielliedes diskutiert, mithin die Frage, ob die Droh- und Heilsaussagen in Jes 29,1-8* ursprünglich miteinander verbunden sind, im ersten Abschnitt literarkritische Einzelfragen, die sich auf jene Passagen des Arielliedes beziehen, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Grundfrage stehen.

1. Diskussion der literarhitischen Einzelfragen a) Jesaja 29,8 Wenn sich überhaupt hinsichtlich des Arielliedes Übereinstimmung unter den Exegeten, die sich der historisch-kritischen Methodik bedienen, ausmachen läßt, so in der fast einhelligen Überzeugung, daß wir es in V. 8 mit einem Zusatz zu tun haben.1 Dabei wird als Hauptargument in der Regel vorgestellt, V. 8 sei im Gegensatz zu den metrisch geformten V. 1 - 7 prosaisch. Hält man sich jedoch an das heute üblicherweise propagierte starre Methodenschema, ist dies streng genommen kein literarkritisches Argument. Die Interdependenz der Methoden anerkannt, mag man diesem zumindest unterstützende Relevanz einräumen. Die allzu oberflächliche Beurteilung des V. 8 als prosaisch gilt es freilich zu revidieren, setzt sie doch einerseits ein dergestalt noch ungesichertes Wissen tun die metrischen Regeln

1

2

So votieren u.a. H. Barth: Jesaja-Worte S. 186; T.K. Cheyne: Einleitung S. 192; B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 54; R.E. Clements: Isaiah S. 237; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 189; B. Duhm: Jesaia5 S. 208; W. Eichrodt: Herr der Geschichte S. 145 (wobei dieser noch mit einem jesajanischen Fragment spekuliert); G. Fohrer: Jesaja II S. 76 A.79; ders.: Propheten V S. 144 A.50; F. Huber: Jahwe, Juda S. 166; H.M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 102; K. Marti: Jesaja S. 213f; J. Scharbert: Propheten S. 278; H. Schmidt: Propheten S. 98 A.3; O.H. Steck: Friedensvorstellungen S. 54 A.149; J. Vermeylen: Prophfcte I S. 403f; W. Werner: Texte S. 179; H. Wildberger: Jesaja III S. 1102; W. Zimmerli: Grundriß S. 172. Eine Ausnahme bildet anscheinend nur O. Kaiser: Jesaja II S. 209f. Vgl. u.a. H. Barth: Jesaja-Worte S. 186; B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 54; R.E. Clements: Isaiah S. 237; B. Duhm: Jesaia 5 S. 208; H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 102; W. Werner: Texte S. 179; H. Wildberger: Jesaja III S. 1102.

260

ΠΙ. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

der alttestamentlichen Literatur voraus, und verkennt sie andererseits die parallele Struktur von V. 8a.3 Ist die Unterscheidung von Poesie und gehobener Sprache im alttestamentlichen Hebr. weithin fließend, erscheint es als sinnvoller, von einer im Vergleich zu den V. 1 - 7 anders gearteten metrischen Struktur von V. 8 zu sprechen, nicht aber von Prosa. Fraglich muß diese Qualifizierung von V. 8 freilich im Blick auf V. 1 - 7 auch insofern bleiben, als das Metrum in Jes 29,1-8 nicht so klar zu bestimmen ist, wie dies wünschenswert wäre. Nicht nur der allem Anschein nach verstümmelte V. 7 wirft in dieser Frage Probleme auf, sondern auch die Versuche der Exegeten, das Metrum im gesamten Lied zu bestimmen. Selbst H. Wildbergers bewundernswerte Akribie erweist die Aporie der Exegeten in dieser Hinsicht, die Textoperationen metri causa nach wie vor mit Vorsicht begegnen läßt.4

Für die Ausscheidung von V. 8 sind andere Gründe maßgeblicher: So wurde schon von B. Duhm herausgestellt, daß V. 8 eine Dublette zu V. 7 darstelle.5 Damit ist richtig gesehen, daß V. 8 Elemente von V. 7 aufnimmt, andererseits - hier trifft H. Barths Kritik an B. Duhm völlig zu6 - kann man die beiden Verse wohl kaum als „zwei Bearbeitungen desselben Gedankens"Ω7 ansehen. Zwar wird das Stichwort Dlbrr aus V. 7 in V. 8 aufgenommen, hatte es aber dort die Funktion, als Vergleich zu dienen, der die Flüchtigkeit des Ansturmes der Völker vor Jerusalem beschreibt, so sind es nun in V. 8 die Völker, die in ihrem Verlangen, Jerusalem zu erobern, in einem Vergleich als Hungernde und Dürstende beschrieben werden. Offensichtlich ist auch die Übernahme von V. 7a* in V. 8b angesichts der Wiederholung von D^xn^rr D-narr^ ilDn.10 Mit der Bezeichnung ~in TPS, die an die Stelle von b x n x in V. 7a tritt, wird überdies das „Rätsel" des Ariel-Namens gelöst. Ob man diese Auflösung für unnötig oder gar für plump hält und daraus auf die typische Arbeit eines „Glossatoren" schließt, ist eine nicht gerade leicht zu beantwortende Frage. Natürlich mußte ei-

3

4 5 6 7 8 9 10

· * Es ist überraschend widersprüchlich, daß einerseits auf den prosaischen Charakter von V. 8 abgehoben wird, andererseits aber ι "Vl> mrn als überflüssige oder sinnstörende Glosse textkritisch ausgeschieden wird. Die unzureichende Abdeckung durch Textzeugen (2 Mss) verhindert dies offensichtlich deshalb nicht, weil V. 8a, wenn auch anders als die voranstehenden Verse, streng parallel aufgebaut sind. S. BHS; vgl. H. Wildberger: Jesaja III S. 1100; W. Werner: Texte S. 179 A.12. Das Gegenteil nimmt NJ. Schlögl [Jesaja S. *15] an. Jesaja III S. 1102. S. H. Wildberger: S. B. Duhm: Jesaia 1 S.184; vgl. B.S. Childs: Assyrian Crisis S.54. S. Η. Barth: Jesaja-Worte S.186 A.49. B. Duhm: Jesaia 1 S.184. S. H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 102. Vgl. H. Barth: Jesaja-Worte S.186f. Vgl. H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 102; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 189; H. Barth: Jesaja-Worte S. 186.

1. Diskussion der literarkritischen Einzelfragen

261

nem verständigen Hörer oder Leser nicht erklärt werden, was es mit dem Ariel auf sich hat - V. laß gibt in dieser Hinsicht genug vom Rätsel um den „Ariel" preis - , andererseits bindet sich eine solche Disqualifizierung doch offensichtlich an die Verfasserfrage. Einem Jesaja mag man solches nicht zutrauen wollen, charakterisiert man jedoch das gesamte Stück als musivisch und erkennt man darin einen Verfasser, der „künstlich ein Halbdunkel über seine Erwartungen"11 legt, ist es nicht auszuschließen, daß V. 8 trotz seiner Umakzentuierung von V. 7 der einfachen Einheit angehört. In den Problembereich des Mosaik-Stils fällt dann die Frage, ob V. 8a zusammen mit V. 8b für Jes 29,1-7* konzipiert wurde, oder ob es sich dabei um die Abwandlung einer Art Lebensweisheit handelt, die unter die Überschrift „Der Traum - das Brot der Hungrigen" gesetzt werden könnte, m.a.W.: Ist V. 8 von V. 8b abgesehen als Neuproduktion oder Reproduktion anzusehen? - Solange man eine jesajanische Grundschicht in Jes 29,1-8* voraussetzt, wird man diese Frage gar nicht stellen, denn unter der Voraussetzung der Authentizität erweist sich V. 8 deutlich genug als sekundäre Erweiterung. In diesem Falle ist es schon hinreichend, wie üblich, auf die unterschiedliche metrische Struktur hinzuweisen, denn mit der Authentizität ergibt sich auch die Annahme, daß in Jes 29,1-8* in der Grundschicht eine Rede des Propheten erhalten sei. Die anderen literarkritischen Beobachtungen konvergieren überdies allesamt in diese Richtung. Wer wollte es denn Jesaja zuschreiben, daß er sich selbst kopiert und dies noch auf so banale Weise? Anders verhält es sich, wenn man als Verfasser des Stückes eben eine Art Redaktor voraussetzt, der aus allerlei Brocken ein mehr oder minder einheitliches Ganzes schuf.12 Α priori kann man weder das eine noch das andere entscheiden, vom Befund her gesehen spricht aber die Wahrscheinlichkeit doch eher für die Ausscheidung von V. 8.

b) Jesaja 29,4b Die Ansicht, nach der V. 4b eine Glosse zu V. 4a darstellt, hat sich in der Wellhausen-Periode gebildet und ist seither mehrfach bestätigt worden. 13 B. Duhm hat seine Auffassung wie folgt formuliert: „v. 4b scheint eine Erklärung dazu [V. 4a] sein zu sollen, die aber eine andere Auffassung geltend machen und die Demüthigung vor dem Belagerer entfernen will. Jerusalem wird wie ein Todtengeist aus der Erde her zirpen, nämlich wegen tödtlicher Erschöpfung. Aber bei dieser Auffassung weiss man gar nicht, was das Reden bedeuten soll und wozu es erwähnt wird. Deshalb scheint mir die Möglichkeit ausgeschlossen zu sein, dass wir in v. 4b eine

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O. Kaiser: Jesaja II S.212. B. Duhm [Jesaja 1 S. 184f] erwägt z.B. u.a. die Möglichkeit der Edition des Textes durch Jünger Jesajas. S. B. Duhm: Jesaja 1 S. 184; K. Marti: Jesaja S. 213; T.K. Cheyne: Einleitung S. 190; vgl. H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 102; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 189; J. Vermeylen: Proph6te I S. 402.

262

III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Selbstverbesserung Jesaias vor uns haben. Der Vf. der Corrector mochte meinen, dass Jerusalem nach c. 37 gar nicht demüthig zu dem Assyrer geredet habe." 14 Im Vordergrund der Argumentation scheint das Problem zu stehen, dem Halbvers eine Bedeutung abzuringen, das in Verbindung mit der formalen Ähnlichkeit von V. 4b und V. 4a 15 bei vorausgesetzter Authentizität des Grundbestandes einer Zuordnung an Jesaja nicht günstig ist. Von Interesse ist dabei, daß B. Duhm nicht von einer Dublette spricht. Er hält V. 4b offensichtlich für eine umdeutende, nach heutiger Terminologie umakzentuierende Erläuterung. Trifft dies zu, ist eine Ausscheidung nicht allein auf Grund formaler Beobachtungen zu begründen. Wenn etwa B.S. Childs konstatiert: „v. 4b parallels 4a" 16 , ist das nicht nur höchst dürftig, sondern sowohl inhaltlich als auch formal falsch. Denn inhaltlich bringt V. 4b zumindest mit dem Vergleich mit dem Totengeist ein neues Element, formal ist zumindest eine gewisse Variation nicht zu übersehen: V. 4ba entspricht V. 4aß in der Endstellung des Subjekts, V. 4bß V. 4aa in der Endstellung des Verbs. Überdies ist V. 4bß gegenüber V. 4aß in der Satzstellung variiert.17 Ebensowenig überzeugt W. Dietrichs Begründung: „V. 4b, eingeleitet mit dem typisch redaktionellen wehäyäh, ohne das von da an kaum noch ein Satz beginnt, ist eine überflüssige, nur zu V. 5ff überleitende Dublette zu V. 4a. Hat V. 4b nämlich die Funktion, zu V. 5ff überzuleiten, kann der Halbvers diese nur erfüllen, wenn er nicht überflüssige Dublette zu V. 4a ist. Darüber hinaus ist zu prüfen: 1.) ob mm in V. 4ba typisch redaktionell ist und 2.) ob V. 4b tatsächlich zu den V. 5ff überleitet. Zu 1.) Es fällt in Jes 2 9 , 1 - 8 tatsächlich die Häufung der Satzbildungen mit τ und rrn auf, die in V. 2ba.bp.4ba.5a.bß.7a.8a (ohne 1 in P.-K. überdies V. 8b) anzutreffen sind. Als typisch redaktionell kann mit Sicherheit nur der Beleg in V. 8a angesprochen werden, da nur hier rem als Einleitung eines selbständigen Satzgefüges fungiert, die der zeitlichen Parallelisierung von V. 8 zum Vorstehenden dient.19 V. 2ba.bß ist rrrrrn Prädikat, ebenso γργτί in

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B. Duhm: Jesaia1 S. 184. Vgl. ders.: Jesaja5 S. 207, wo deutlicher von „Variante oder Erklärung" die Rede ist. B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 54. Ähnlich auch schon K. Marti: Jesaja S. 213, nach dem V. 4b Erklärung zu V. 4a ist, „wie die genaue Parallele zeigt." Gegen F. Huber: Jahwe, Juda S. 169 A.54, der V. 4bß als „eine stilistisch recht harte Wiederholung von v. 4aß" charakterisiert, was dies auch immer bedeuten möge. O. Procksch: Jesaia S. 373 konstatiert dagegen: „wegen des Parallelismus membrorum ist aber weder v. 4 a noch v. 4 b [...] entbehrlich." W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 189. S. dazu z.B. Jes 31,4, wo bei identischer syntaktischer Grundstruktur rrrn fehlt. Vgl. zu Jes 29,8 G.-K. 28 § 112y. Wenn sich H.-M. Lutz [Jahwe, Jerusalem S. 101 A.2] über V. 8 hinaus auch für V. 4b.5aa.7a auf G.-K. beruft, verkennt er diesen Sachverhalt. Sein

1. Diskussion der literarkritischen Einzelfragen

263

V. 5bß. Angesichts dieser Belege ist es nicht ausgeschlossen, daß in V. 4ba.5a.7a mm ebenfalls als Prädikat aufzufassen ist. Im anderen Fall muß der jeweils anschließende Vergleich als Nominalsatz angesehen werden. Das ist zwar möglich, aber nicht nötig, weshalb die Bezeichnung „typisch redaktionell" kaum das Richtige trifft. Zu 2.) Stilistisch betrachtet kann nur V. 4ba als Überleitung zu V. 5a.ba.7a angesehen werden. 20 Auf mrn folgt ein mit 3 eingeleiteter Vergleich, auf den das Subjekt des Satzes in Endstellung folgt. Inhaltlich betrachtet scheint dies in der Auffassung der V. Sff bei W. Dietrich nicht der Fall zu sein. Als literarkritisches Argument kann diese Funktion zudem nur dienen, wenn V. 5ff als sekundär erkannt sind. Diese Erklärung scheint indirekt wiederum auf B. Duhm zurückzugehen, der eine Umdeutung in V. 4b beobachtete. Leitet diese Umdeutung zu dem als Drohung gegen die Feinde Jerusalems verstandenen V. 5a.ba über? - Vor W. Dietrich hat dies H.-M. Lutz vermutet, 21 der aber die notwendige Erklärung schuldig blieb, worin die postulierte positive Abschwächung von V. 4b gegenüber V. l - 4 a bestehen soll. 22 Wenngleich in V. 4a die Demütigung durch das einleitende r.bctöi im Mittelpunkt steht, kann man V. 4b trotzdem nicht wie B. Duhm auf die Rede aus dem Staub zentrieren. Die Umdeutung, die V. 4a durch V. 4b erhält, besteht vielmehr im Vergleich mit dem Totengeist. Die Beugung in die Erde, nicht die Beugung zur Erde ist der Zielpunkt. 23 Eine solche Steigerung muß man gar nicht in den Text hineinlesen. Steht bx—ix unter dem „Wehe", wird damit die Totenklage über die Stadt antizipiert, 24 dann ist auch der Vergleich in V. 4b nichts weiter als Antizipation: Wenn die Stimme Ariels der eines Totengeistes gleicht, so deshalb, weil sie, über die das „Wehe" ausgerufen worden ist, so gut wie tot ist.

Damit kann man sich der Ansicht W. Werners anschließen: „Die Auffassung, Jes 29,4b sei nur eine Variante zu V.4a, verkennt die Aussagesteigerung. Ariel/Jerusalem liegt nicht nur wie ein im Kampf Überwältigter am Boden, sondern die Stadt macht den Eindruck, als befände sie sich bereits im Totenreich." 2 5

Hinweis auf O. Plöger [Theokratie S. 124] bringt überdies nichts ein, weil hier am ehesten ein V. 8 paralleler Fall diskutiert wird. Trotz rrm ist Joel 3,5 nach O. Plöger „nicht als eine nachträgliche Ergänzung anzusehen, sondern als abschließende Deutung und Zusammenfassung der voher genannten, verschiedenartigen Vorstellungen." 20 21 22

23

S. deutlich J . Vermeylen: Proph&e I S. 402. S. H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 104. Eine Unsicherheit bei H.-M. Lutz ist in dieser Frage unverkennbar. Denn an anderer Stelle [Jahwe, Jerusalem S. 105 A . l ] meint er, V. 4b verdeutliche einen Nebenzug von V. 4a. Damit entsteht letztlich sogar ein Widerspruch zwischen der Annahme einer umakzentuierenden Erweiterung und der einer verdeutlichen Glosse. Das bedeutet nicht, daß man zur Interpretation O. Prockschs [Jesaia S. 373] greifen müßte, nach dem „Jerusalem sich vor der drohenden Gefahr in die Erde verkriecht, aus der seine Stimme wie bei einem Totengeist [...] hervordringt. Es ist tot vor Schreck, nur noch der Schatten seiner selbst".

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Zum Problem des Weherufs s. unten S. 292 - 299.

25

W. Werner: Texte S. 181. Im Ansatz ist diese Deutung schon bei B. Duhm [Israels Propheten S. 161] gegeben:, Jahwe wird die Stadt, wo einst David seinen Sitz aufschlug,

264

III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Daß diese Möglichkeit von den oben angeführten Exegeten nicht ergriffen wird, scheint nun weniger an den offensichtlichen stilistischen Bezügen zwischen V. 4a und V. 4b zu liegen, welche wohl mehr den Anstoß als den Grund für die Ausscheidung darstellen, sondern eher darin, daß der Vergleich mit dem Totengeist unter Voraussetzung einer jesajanischen Grundschicht anstößig ist. Zumindest ist auffällig, daß Exegeten, die V. 4b ausscheiden, auch Jes 8,19 für sekundär halten,26 bei Jes 19,3, dem dritten und letzten Beleg in Jes 1-39, scheint dies ja ohnehin außer Frage zu stehen. Jes 8,19 bildet mit 15S eine weitere Parallele, einem Verbum, das sonst nur noch in Jes 10,14; 38,14 belegt ist, dort im Sinn von „Vogelgezwitscher". Wenn nun Jes 8,19 als direkteste Parallele zu Jes 29,4b in Jes 1 - 3 9 wie gleichermaßen im AT auf den „culte des revenants" anspielt, „qui est condamnd avec vigneur par la thdologie deutöronomienne surtout" 27 , ist es nur folgerichtig, auch Jes 29,4b darauf zu beziehen, obwohl man, wofern man einen solchen literarischen Bezug feststellt, durchaus auch von einer Entwicklung von Jes 29,4b auf Jes 8,19 ausgehen könnte.

Ist dies richtig gesehen, bedeutet das für den Sekundärcharakter von V. 4b, daß er sich nur auf schwache Indizien im strengen Sinne stützen kann, aber unter Voraussetzung einer authentischen Grundschicht durchaus zu vertreten ist. 28 c) Jesaja 29,2b Die Sekundärerklärung der zwei Hemistichen in V. 2b wurde von O. Procksch vorgeschlagen, hat aber wohl deshalb keine Nachahmung gefunden, weil sie aus metrischen Gründen erfolgt zu sein scheint: „Mit der Ausscheidung von v. 2 b , so daß sich v. 2 a mit v. 3 a zu einem Doppeldreier verbände, würde mehr gewonnen als verloren; denn es entstünden dann in v. 1 - 4 drei Vierzeiler."29 Die Begründung erschöpft sich aber auch bei O. Procksch nicht in einem „metri causa", das, obgleich die Beobachtung sicherlich richtig ist, kaum Gewicht in der literarkritischen Beurteilung besitzt. V. 2ba hält er

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ängstigen, bis sie einem Opferherd gleicht, wo die Opfertiere stöhnen, bis sie wie eine Sterbende am Boden liegt." S. B. Duhm: Jesaja 5 S. 86; J. Vermeylen: Prophete I S. 402. 229f. J. Vermeylen: Prophfete I S. 402. Gegen die Ausscheidung spricht aber nicht, daß „bisher eine einleuchtende Erklärung" fehlt, „warum die Glossierung vorgenommen sein sollte", wie dies H. Barth [JesajaWorte S. 187] behauptet. Dieses Argument ist zwar, wie man vermuten könnte, nicht methodisch unzulässig, weil in der Konzeption H. Barths/O.H. Stecks das Bedenken redaktionsgeschichtlicher Möglichkeiten in die literarkritische Analyse hineinspielt, aber fragwürdig. Daß eine Erklärung fehlt, bedeutet nicht, daß eine solche nicht gegeben werden könnte. So wäre etwa zu erwägen, ob ein Redaktor mit V. 4b die Betonung der Todesverfallenheit Ariels zu unterstreichen versuchte, wozu er vom einleitenden Wehe in V. la hätte angeregt werden können. O. Procksch: Jesaia S. 370.

1. Diskussion der literarkritischen Einzelfragen

265

vor V. 4 zwar lediglich für entbehrlich, in V. 2bß erkennt er aber eine Störung, die die Ausscheidung von V. 2ba aus metrischen Gründen nach sich zieht.30 V. 2bß stellt s.E. eine „unziemliche Tautologie" dar, die noch dazu am falschen Platz stehen soll, wenn man i>x"nx als „Opferherd" versteht. Es „würde dieser Vergleich erst nach der Eroberung berechtigt sein, nicht schon während der Belagerung, die nach v. 3ff. noch fortdauert." 31 Daß V. 2bß eine Tautologie zu V. la ist, weil schon hier die Stadt (Jerusalem) mit dem Ariel identifiziert ist, kann nur abhängig von einer bestimmten Deutung des „Ariel"-Namens angenommen werden. Glaubt O. Procksch, es handle sich bei Ariel um einen Teil der Zionsburg, die den Namen „Gotteslöwe" trug,32 macht V. 2bß natürlich keinen Sinn. Anders verhält es sich jedoch, wenn man unter „Ariel" den „Opferherd" oder „Gottesherd" versteht, denn dann expliziert V. 2bß, weshalb dieser Name in V. 1 für die Stadt gewählt wurde. 3 Das zweite Argument ist jedoch nicht so leicht von der Hand zu weisen. Offensichtlich handelt es sich doch bei den Prädikaten in V. 2 - 4 a um Perf. cons. Beschreiben diese Verbformen eine Abfolge, ergibt sich ein Bruch zwischen V. 2bß und V. 3a. V. 3a kann nicht auf V. 2bß folgen, sondern ist V. 2a parallel. Überdies ergibt sich ein Wechsel von der 3. Pers. sing. f. (Ariel) in die Anrede der 2. Pers. sing. f. Literarkritisch scheint die Ausscheidung von V. 2b also gerechtfertigt zu sein, zumal dann, wenn man von der textglättenden Emendation in V. 2bct absieht. Hinzufügen könnte man schließlich, daß V. 2ba gegenüber V. 2a einen Subjektwechsel aufweist, daß V. 2bct V. 4 vorgreift, dazu aber noch in gewisser Spannung steht, weil dort die Reaktion auf die Belagerung V. 3 ein demütiges Flüstern ist, hier aber die wohl laute Wehklage. Die Gegenargumentation kann an verschiedenen Punkten ansetzen: 1.) Der Wechsel von der 3. zur 2. Pers. sing. f. bleibt auch bestehen, wenn V. 2b ausgeschieden wird, nämlich im Verhältnis von V. 2a zu V. 3a.34 2.) 30 31

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34

S. hierzu und zum Folgenden O. Procksch: Jesaia S. 372. Dies spricht auch gegen eine Umstellung, wie sie W. Eichrodt [Herr der Geschichte S. 141-143] vorschlägt. S. O. Procksch: Jesaia S. 371; zur Auseinandersetzung s. unten S. 309f. Unter Voraussetzung dieser Deutung ist C. Hardmeier [Texttheorie S. 227] im Recht. S.E. handelt es sich bei „Ariel" in V. 1 „um eine im Folgetext entschlüsselte, arbiträre Inbezugsetzung bzw. Zuordnung von Ausdruck und Sache und aus diesem Grunde um eine namenartige Verwendung des Ausdrucks mit symbolischer Funktion." Das Problem des Wechsels von der Anrede Ariels zur Rede über Ariel läßt sich in Jes 29,1-8* textkritisch nicht lösen. Allein für V. Iba, den Übergang in den Plur., gibt es mit lQIs" "'DD eine Variante, die aber als lectio facilior zurückzuweisen ist. Eine Änderung in V. 2bß in rrrn bzw. n"m ( s . B. Duhm: Jesaia5 S. 206; K. Marti: Jesaja S. 212; J. Ziegler: Isaias S. 87) ist freie Konjektur. Laut H. Wildberger [Jesaja III S. 1098] „ist die kleine Änderung auf viel Zustimmung gestoßen", bewiesen ist damit nichts.

266

III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Bei Ausscheidung von V. 2b bleibt die erneute Nennung von in V. 2a unmotiviert, die in bezug auf V. 2bß aber sinnvoll und geboten ist. Durch die Eliminierung wird damit die Korrespondenz dieser beiden Hemistichen zerstört. 3.) Das Problem des Subjektwechsels betrifft nicht nur V. 2a.ba, sondern auch V. 2ba.bß, wie O. Procksch selbst bemerkt hat. 35 Das Subjekt von V. 2bß kann anders als das von V. 2ba (ΓΡ3ΧΓΙ) nur die mit dem Namen „Ariel" bezeichnete Stadt ( m p in V. laß) sein. Als sicheres Argument bleibt damit nur der Vorgriff von V. 2b über V. 3 hinaus erhalten. Dessen literarkritische Relevanz läßt sich anzweifeln: Ganz einfach könnte man es sich machen, wenn man darauf hinwiese, daß die Bestimmung der Verbformen Sache der Formkritik ist, die Spannung zwischen V. 2bß und V. 3a also gar nicht literarkritisch bedeutsam ist. Das Problem des Vorgriffs bleibt aber trotzdem, zumindest inhaltlich, erhalten. Eine akzeptable Lösung scheint nur darin zu bestehen, daß man V. 2 als Exposition der den Ariel erwartenden ,,drohenden"(?) Geschehnisse versteht, die in V. 3 - 7 * in ihrer Abfolge ausführlicher geschildert werden. In dieser Sicht entspricht V. 2a V. 3, V. 2ba V. 4, V. 2bß V. 5-7*. Freilich ist dieses Verständnis schon von daher problematisch, daß die Ausdehnung der Grundschicht über V. 4 hinaus nicht einfach vorausgesetzt werden kann. Überdies ist zu fragen, ob V. 2ba tatsächlich V. 4 entspricht.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik hinsichtlich Jes 29,1-8 Die Literarkritik steht bei der Analyse von Jes 29,1-8 im wesentlichen vor einem zentralen Grundproblem: Gehören die Unheilsankündigung im ersten Teil des Stückes und die Heilszusage an dessen Ende literarisch primär zusammen? 36 Weil in die Entscheidung dieser Frage auch Vorentscheidungen über den anzunehmenden Verfasser eingehen, ergeben sich drei grundsätzliche Lösungstypen, die die aktuelle Forschungssituation bestimmen: 1.) Jes

Auch in V. 6 wird - ohne Absicherung durch Textzeugen - "'"rpsn emendiert (s. K. Marti: Jesaja S. 213; N J . Schlögl: Jesaja S.*15; H. Greßmann: Messias S. 101; H. Donner: Israel S. 154; O. Kaiser: Jesaja II S. 210; W. Werner: Texte S. 179). Auch H. Wildberger [Jesaja III S. 1099] hält MT für möglich, bietet in der Übersetzung aber trotzdem die 2. Pers. sing. Ähnliche Zerstreutheit bei H.-M. Lutz, für den die 3. Pers. sing. f. in V. 6f zum literarkritischen Kriterium wird, weil die Stadt in V. 1 - 5 in der 2. Pers. sing. f. angeredet wird: Ihm zufolge „sprechen beide Verse von der bedrohten Stadt in der 3. Person und unterscheiden sich darin von den w 1 - 5 " (Jahwe, Jerusalem S. 103). In V. 2bß hat H.-M. Lutz gleichviel die 3. Pers. stehenlassen (a.a.O. S. 101). 35 36

S. O. Procksch: Jesaia S. 372. Vgl. H. Barth: Jesaja-Worte S. 187; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 188.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

267

29,1-8* geht als Einheit von Gericht und Heil auf Jesaja zurück.37 2.) Jes 29,1-8* ist qua Gerichtsankündigung jesajanisch, die Anfügung der Heilszusage ist jedoch Werk eines Redaktors. 3.) Jes 29,1-8* ist zwar eine Einheit, in der Gericht- und Rettungsaussagen ursprünglich aufeinander bezogen sind, aber Jesaja abzusprechen.39 Fragt man über die Differenz der Grundauffassungen hinaus nach Konsensen der literarkritischen Analysen, erhält man eine Fehlanzeige: Von dem Minimalkonsens bezüglich V. 8 abgesehen zeigen sich tiefgreifende Dissensen, eine selbst die Grundpositionen differenzierende Vielschich-

37

S. J A . Alexander: Isaiah S. 460 -465; H. Barth: Jesaja-Worte S. 184-189; H. Bultema: Isaiah S. 270 - 272; F. Delitzsch: Jesaia 5 S. 317-319; B. Duhm: Jesaia 1 S. 181-185; J.C. Exum: Broken Pots S. 331-352; J. Fischer: Isaias S. 192-194; G. Fohrer: Jesaja II S. 71-76; D.D. Garland: Isaiah S. 62f; H. Greßmann: Messias S. 100-106; J.H. Hayes: Tradition S. 424 - 426; H.-J. Hermisson: Zukunftserwartung S. 56 A.8; A. Laato: Immanuel S. 230f; H.C. Leupold: Isaiah I S. 450 - 455; J.Y. Mückle: Isaiah S. lOOf; H.-P. Müller: Ursprünge S. 86 - 90; O. Procksch: Jesaia S. 370; G. von Rad: Theologie II S. 165; J. Scharbert: Propheten S. 278; J. Schreiner: Sion-Jerusalem S. 255 - 263; K. Seybold: Königtum S. 99f; O.H. Steck: Friedensvorstellungen S. 54 A.149; H. Wildberger: Jesaja III S. 1103; ders.: Königsherrschaft I S. 124f; J.T. Willis: Isaiah S. 294- 296; W. Zimmerli: Grundriß S. 172. Diese Position schließt auch die Vertreter der Einheitlichkeit und jene ein, die eine „Relecture" durch Jesaja an seinem eigenen Stück behaupten: A.S. Herbert: Isaiah S. 167. R.B.Y. Scott: Isaiah S. 322f; G.E. Wright: Isaiah S. 70.

38

Auf V. 1 - 4 * begrenzen die Grundschicht: R.E. Clements: Isaiah S. 234 - 237; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 188-190; H. Donner: Israel S. 155; B. Duhm: Jesaia5 S. 205 - 209; C. Hardmeier: Texttheorie S. 227 A.148; F. Huber: Jahwe, Juda S. 165-170; H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 100-110; J. Vermeylen: Prophete I S. 401-404; J. Vollmer: Rückblicke S. 165f. Eine Grundschicht von V. 1 - 6 * nehmen dagegen an: T.K. Cheyne: Einleitung S. 190-192; B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 53-57; W. Eichrodt: Herr der Geschichte S. 141-145; W. Janzen: Mourning Cry S. 55f; K. Marti: Jesaja S. 212-214; S. Mowinckel: Prophecy and Tradition S. 75f. Zu den Vertretern dieser Auffassung wird auch E. Rohland [Bedeutung S. 163f] gezählt, der die sekundären Teile für jesajanische Fragmente hält, die ein Redaktor dem Ariellied interpoliert haben soll (vgl. schon ähnlich W. Staerk: Weltreich S. 71).

39

Gegenüber der älteren Forschung hat sich damit die Palette der Lösungstypen um ein Element erweitert. Dem entgegengesetzt sah noch 1976 W. Dietrich [Jesaja und die Politik S. 188f] lediglich die Frage für bedeutend an, ob man Jesaja nur die Drohung oder Drohwort und Heilszusage zuerkennen könne: „Die Diskussion zwischen beiden Grundauffassungen scheint abgeschlossen, es kommen kaum mehr neue Gesichtspunkte hinzu." Diese Kommentierung der Forschungslage war W. Dietrich zu diesem Zeitpunkt nur deshalb möglich, weil er O. Kaisers Lösungsversuch [Jesaja II S. 209 - 214] und die entsprechenden Anfragen bei H. Donner [Israel S. 154] polemisch als „rabiat" (ebd. A.292) disqualifizierte, in dieser Weise sicherlich unberechtigt, wie die aktuelle Entwicklung zeigt (s. G. Fohrer: Propheten V S. 143-145; W. Werner: Texte S. 178-183; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 63 - 73).

268

III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

tigkeit auf Grund unterschiedlicher Deutungen einzelner Partien, die selbst in die literarkritischen Entscheidungen hineinwirken. Diesbezüglich umstrittene Fragen sind, ob V. 5a.ba einerseits und V. 5bß.6 andererseits die Gerichtsankündigung gegen Ariel/Jerusalem fortsetzen oder zur Heilszusage gehören. Je nach Antwort wird in der Konsequenz die Zäsur zwischen V. 4 und V. 5a, zwischen V. 5a.ba und V. 5bß oder zwischen V. 6 und V. 7 gesetzt, und damit die Grundschicht gerade bei der zweiten Möglichkeit einer jesajanischen Unheilsankündigung entweder auf V. 1 - 4 , V. l - 5 a . b a oder V. 1 - 6 abgegrenzt, wobei sich noch weitere Differenzen auf Grund der unterschiedlichen Einschätzung von V. 4b und V. 5a.ba ergeben. Der bunten Palette literarkritischer Ergebnisse, von denen in der Forschung bislang nur V. 1.2a.3.4a ausgenommen wurden,40 entspricht die Vielfalt der redaktionskritischen Hypothesen: Geht lediglich O. Kaiser mit einer Unzahl von Kommentatoren, die sich der literarkritischen Fragestellung enthalten, von einer einfachen Einheit von Jes 29,1-8 aus, hat sich die Mehrheit der Exegeten auf die Annahme einer Überarbeitung oder die Hypothese eines dreischichtigen Textwachstums eingependelt. Trotzdem steigt die Zahl der postulierten Schichten mitunter weit über dieses Richtmaß hinaus. Kaum mehr zu überbieten dürfte dabei die Sechs-Stufen-Rekonstruktion von H.-M. Lutz sein. 41 Ist es richtig, daß die Deutung bestimmter Partien zu Konsequenzen in der literarkritischen Analyse führt, kann von vorneherein erwartet werden, daß den literarkritischen Kriterien im engen Sinn bei der Scheidung

40

41

Mit einem solchen Grundbestand spielt O. Kaiser [Jesaja II S. 211f], verwirft diesen Versuch aber wieder (gegen A. Laato: Immanuel S. 228). S. H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 104: „Der gegenwärtige Bestand ließe sich als die Folge einer Reihe von Korrekturen wechselnden Anliegens erklären. Der Grundbestand der w l - 4 a wurde zunächst durch die Zufügung der Versteile 4b und 5aba in positivem Sinne leicht korrigiert. Ob beide Zusätze von einer Hand stammen oder verschiedenen Autoren zuzuschreiben sind, muß offen bleiben; ich halte letzteres für wahrscheinlicher. Gegen die positive Abschwächung des Grundbestandes durch die w 4b.5aba hat sich dann ein Späterer mit den w 5bß.6 gewandt und das für die Stadt bedrohliche Element erneut hervorgehoben. In deutlichem Anschluß an ν 5 aba unterstreicht dann ein dritter Bearbeiter wiederum das traumhaft Flüchtige der Bedrohung .Ariels' durch die Völker. Ein letzter schließlich mißversteht das Stichwort,Traum' aus ν 7 und glaubt, allen späteren Lesern seine eigene Deutung (v 8) nicht vorenthalten zu können." H.-M. Lutz liefert ungenügende Antworten auf durchaus berechtigte Fragen. Bei seiner Hypothese scheint einiges nicht nachvollziehbar zu sein, so die Vielzahl der Korrekturen, aber auch und insbesondere die jeweiligen Texteinheiten. Ist es denn möglich, daß der Text je in der Form Jes 29,1 - 5 b a bestanden hat? Und hat nicht die positive Abschwächung durch die Verse 4b.5a.ba dann eine Verstärkung durch V. 5bß.6 erfahren? - Es scheint unmöglich, eine solche Konzeption nur für wahrscheinlich zu halten (vgl. den ähnlichen Rekonstruktionsversuch bei W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 189).

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

269

von Jes 29,1-8* nicht die ausschlaggebende Rolle zukommt. Und in der Tat stellt sich die Grundsatzfrage der Literarkritik am Ariellied anders da als etwa bei etlichen Stücken im Pentateuch oder auch in Jes 7,1 -17*. Sie lautet nicht: Wo finden sich im Text Indizien, die auf ein geschichtliches Wachstum schließen lassen?, sondern vielmehr: Kann der Text Jesaja zugeschrieben werden, ganz, in Teilen oder gar nicht? Den Antworten auf diese Frage entsprechen die oben dargestellten Lösungstypen, ihre Beantwortung erweist sich im wesentlichen abhängig von folgenden Vorentscheidungen: Für die Einheitlichkeit kann vorausgesetzt werden: 1.) V. 5a.ba ist Fortsetzung der Drohung, V. 5bß markiert den Umschwung zur Heilsankündigung.2.) V. 6 beschreibt ein Eingreifen Jahwes zugunsten Jerusalems. 3.) Die Wendung zum Heil ist in einer mit „Wehe" eingeleiteten Unheilsankündigung im ursprünglichen Zusammenhang möglich. Für die Einheitlichkeit und Authentizität wird darüber hinaus vorausgesetzt: Jesaja kann einen WeheRuf über Jerusalem aussprechen, um der Stadt Unheil und Heil anzusagen. Bei Scheidung von Gericht und Heil unter Voraussetzung der Authentizität der zu erhebenden Grundschicht ergibt sich folgende Vorentscheidung: 1.) Ein Ineinander von Gericht und Rettung wie in Jes 29,1-8 ist für Jesaja unmöglich.

Bei der Verifikation dieser Vorentscheidungen am Text stellen sich folgende Gesichtspunkte für eine Zäsur zwischen den Gerichts- und Heilsaussagen ein: a) Die fehlende Motivation der Umkehrung vom Gericht zum Heil für Ariel/Jerusalem. b) Das Problem, daß die Völker als Feinde Jerusalems erst explizit in der Heilszusage in Erscheinung treten, während in V. 2f der Schwerpunkt auf Jahwe als Feind Jerusalems liegt, c) Der Wechsel von Gottesspruch (?) in V. 2f (Jahwe in 1. Pers.) zur Prophetenrede (?) in V. 6 (Jahwe in 3. Pers.). Weiterhin ist zu klären, ob d) V. 5a.ba die Drohung gegen Ariel/Jerusalem fortsetzt, und e) V. Sbß.6 als eine Heimsuchung Jerusalems durch Jahwe in bonam oder malem partem, zum Heil oder zum Gericht, zu verstehen ist. Im Hintergrund der Authentizitätsproblematik ergeben sich schließlich die folgenden Fragen: f) Läßt sich das Ineinander von Gericht und Rettung in Jes 29,1-8* auf Jesaja zurückführen? - Ist eine Wendung zum Heil in einer mit „Wehe" eingeleiteten Unheilsankündigung als Werk eines Verfassers möglich, und welchen Platz nimmt Jes 29,1 - 8* als Einheit unter den mit „Wehe" eingeleiteten Worten des AT ein? - Wie verhält sich Jes 29,1-8* als Einheit zu den alttestamentlichen Belegen des Völkerkampfmotivs?

a) Zur fehlenden Motivierung der Wende Die Unmöglichkeit eines primären Zusammenhangs zwischen Gericht und Heil trägt der Ansicht Rechnung, daß die Umkehrung völlig unmotiviert ist: Liegt in V. 4 die Stadt infolge der Belagerung durch Jahwe am Boden, so ist es in V. 5bß.6 derselbe Jahwe, der zugunsten Ariels/Jerusalems erscheint. Ein solch schroffer Umschwung scheint unmöglich von einem Verfasser herrühren zu können.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

G. Fohrer hat zwar versucht, diese Schwierigkeit auszuräumen, doch hat er aus ersichtlichen Gründen kaum Nachfolger gefunden.42 Er versteht V. 5 - 7 als Konsequenz einer Umkehr, zu der V. 4 auffordern soll. Demnach gibt V. 4 die Bedingung an, die das Heil der V. 5 - 7 ermöglicht. Konvergiert diese Auffassung auch mit der Grundthese G. Fohrers, nach der die vorexilischen Gerichtspropheten und gerade Jesaja nie nur das Gericht allein angesagt, sondern ihre Hörer vor das „Entweder-Oder der Vernichtung oder der Rettung"43 gestellt haben, ihre Botschaft also als Ruf zur Entscheidung oder als Umkehrruf aufzufassen ist, haben Detailuntersuchungen zu Jes 29,4 in der Folge doch ergeben, daß dieser Vers kaum als Umkehrforderung zu interpretieren ist. So hat sich F. Huber um die Klärung der Frage bemüht, ob die V. 4 belegten Verben bctö und ΠΠΚ) „eher eine reuevolle Selbstdemütigung bezeichnen oder eine gewaltsame Demütigung durch andere." 44 Bei isQÖ spricht der Befund eindeutig, bei nrrti) mit Ausnahme von Jes 60,14; Ps 35,14; 38,7; Thr 3,20 zumindest in der überwiegenden Zahl der Fälle für die zweite Möglichkeit. Über den lexikalisch-semantischen Befund hinaus führt F. Huber drei weitere Argumente gegen die Auffassung von V. 4 als Selbstdemütigung an: 1.) daß „die Aufeinanderfolge von Scheit- und Drohwort, prophetischer Vorwegnahme der Reue und Verheißung bei Jesaja meines Wissens nicht mehr belegt"45 ist, ein Argument, dessen Relevanz auf Grund der vorausgesetzten Authentizität freilich nur relativ sicher ist, 2.) daß nbotth ein Perf. cons, ist und von daher eher eine Folge, denn eine Aufforderung beschreibt, und 3.) daß V. 4 als Folge des Eingreifens Jahwes formale Parallelen in Jes 28,13b; 29,14b und 30,17b an seiner Seite hat. 46 In methodischer Hinsicht ist an dieser Argumentation beachtenswert, daß eine literarkritisch relevante Beobachtung dadurch erzeugt wird, daß eine Auffassung, die diese verhindern würde, nicht nur mit Hilfe einer lexikalisch-semantischen Analyse, sondern auch mit Ergebnissen der Form- und Gattungskritik widerlegt wird. M.E. ist dieser aus der Sicht eines starren Methodenschemas als methodischer Fehler zu beurteilende Schritt in diesem Fall unumgänglich, denn erst nach Ausschließung anderer Verständnismöglichkeiten läßt sich beurteilen, ob eine Aussage zu einer anderen paßt oder nicht, in diesem Fall ob V. 5ff mit V. 1 - 4 vereinbar sind.

G. Fohrer hat sich zwischenzeitlich der Auffassung seines Schülers insoweit angeschlossen, als er die Interpretation von V. 4 als Umkehrforde-

42 43 44 45 46

S. G. Fohrer: Jesaja II S. 71f.74f; vgl. noch J. Scharbert: Propheten S. 278. G. Fohrer: Struktur S. 151; vgl. ders.: Jesaja I S. 15f. F. Huber: Jahwe, Juda S. 166. Ders.: Jahwe, Juda S. 168. S. ders.: ebd. mit Verweis auf C. Westermann: Grundformen S. 122; zur Kritik an G. Fohrers Interpretation von V. 4 s. auch H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 107 A.2; B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 55; J. Vollmer: Rückblicke S. 165f, bes. A.163; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 72.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

271

rung aufgegeben hat, was auch, aber wohl nicht allein, zu einer wesentlichen Veränderung der zeitlichen Situierung des Arielliedes geführt hat. 47 Mit der Abweisung dieser Interpretation, die Jes 29,1-8 im ganzen als bedingte Verheißung verstehen lassen würde, bleibt aber das Problem des unmotivierten Übergangs von der Unheils- zur Heilsankündigung bestehen, die sich auf dem Hintergrund des Problems, daß Jahwe die Fronten wechselt, vom Belagerer Ariels/Jerusalems zu dessen Schirmherrn wird, noch verschärft. Wo für ein authentisches Stück plädiert wird, ist es deshalb auch nicht hinreichend, von der jesajanischen Heilsverkündigung her zu argumentieren, wie dies H. Wildberger tut. Sein Verweis auf Jes 31,4-9 bestätigt nur, daß Jesaja Heil verkündet hat. Erst wenn man das gesamte Kap. als Einheit liest, ist ein Vergleich mit Jes 29,1-8* hinsichtlich des Nebeneinanderbestandes von Gericht und Rettung möglich. Eine primäre Einheit schließt dort freilich selbst H. Wildberger aus, indem er die Stücke V. 1 - 3 und V. 4*.5.8f als Grundschichten ermittelt. 48 Allein H. Barth kann mit Fug und Recht für Jes 29,1-8* auf Jes 31 verweisen, weil er mit Jes 31,1-4.8a eine Grundschicht rekonstruiert, die Jes 29,1-8* inhaltlich an die Seite gestellt werden kann. 49 Da sein Rekonstruktionsversuch eher ungewöhnlich ist und insofern für die meisten Exegeten eine Jes 29,1-8* als Einheit bestätigende Parallele nicht besteht, ist die Tendenz, in der Umkehrung von Gericht in Heil im Ariellied unter Annahme jesajanischer Verfasserschaft einen groben Widerspruch aufzudecken, erklärlich. Anders verhält es sich für den Fall eines späteren Autoren: Darf es als gesichert gelten, daß in exilisch-nachexilischer Zeit vorexilische Drohworte vielfach um Heil aussagende Erweiterungen bereichert worden sind, worin sich die Hoffnung ausdrücken dürfte, daß angesichts des erfahrenen Gerichts, das als ein Handeln Jahwes zuungunsten Judas/Jerusalems verstanden wurde, nun ein entsprechendes Handeln zugunsten seines Volkes folgen würde, ist das Problem des unmotivierten Wechsels vom Gericht zum Heil gegenstandslos. Setzt man nur versuchsweise einen von der exilisch-nachexilischen Eschatologie beeinflußten Verfasser voraus, wäre es eher verwunderlich, eine Motivierung der Heilsankündigung wie etwa eine Umkehrforderung vorzufinden, erwartet sich ein solcher doch nichts oder aber nur wenig vom Menschen, sondern alles von Jahwes die bestehenden Verhältnisse umwendenden Eingriff.

b) Jahwe und die Völker in Jes 29,1-8 Die zuletzt angeführten Vermutungen erweisen sich schon im Blick auf das zweite Problem als reichlich spekulativ: In V. 2f belagert Jahwe Ariel/Jerusalem, in V. 6 aber soll die Heimsuchung Jerusalems durch Jah47 48 49

S. G. Fohrer: Propheten V S. 143-145. S. H. Wildberger: Jesaja III S. 1226-1248. S. H. Barth: Jesaja-Worte S. 7 7 - 92.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

we gegen die möglicherweise V. 5a.ba erstmals, sicherlich aber in V. 7 genannten Völker als den Feinden Jerusalems gerichtet sein. Dabei wird, wie schon unter a) vorausgesetzt, daß das „Ich" in V. 2f mit „Jahwe" zu identifizieren ist. Gegen diese Vormeinung der Exegeten hat m.W. erstmals J. Schreiner Bedenken geäußert: 50 Er hält V. 2f für eine Kampfansage Sanheribs, die Jesaja dem Ariellied integriert haben soll. Seine Argumentation gegen die Auffassung von V. 2f als Gottesrede basiert auf drei Beobachtungen: „1. Vers 6 wird Jahwe Sebaoth in der 3. Person eingeführt, während die Stadt Vers 1 - 6 durchgehend (in der 2. Person) angesprochen ist. Er kann also nicht der Redende sein. 2. Die Unheilsankündigung bzw. der ganze Abschnitt wird als Jahwerede weder eingeleitet noch geschlossen. Das gleiche ist der Fall beim Spruch gegen Samaria (28,1-4), der wohl in den letzten Jahren des Nordreiches ergangen ist. 3. Der Vergleich mit dem .Lagern Davids' (Vers 1) schwebt, falls Gott der Sprechende ist, in der Luft, so daß manche zu dem Versuch neigen, an Davids Wohnaufenthalt zu denken. Gegen diese Deutung aber wendet sich Vers 3. Wenn Gott von sich sagt, er belagere die Stadt mit militärischem Apparat (Vers 3), gilt dies nur im uneigentlichen Sinn. In Wirklichkeit handelt eine feindliche Heeresmacht, allerdings in seinem Auftrag. Nun heißt es aber nirgends sonst im AT, daß Jahwe eine Stadt .bedränge' (pis Hi.) und einschließe' (TO) oder eine Belagerung durchführe' (ΓΓ5Π). Bedränger Jerusalems sind Is 29, 7 offensichtlich die Völker, und 51, 13 ist es Babel. Nach Jer 52, 4 wird es von Nebukadnezar belagert und Jer 37, 5; 39,1 von ihm eingeschlossen. In der prophetischen Gerichtsverkündigung tauchen die genannten Termini nicht auf. - Aus den angeführten Gründen wird zu überlegen sein, ob nicht der zum Sturm ansetzende Feind es ist, der in Vers 1-3(4) das Wort nimmt." (S. 257) J. Schreiners erstes Argument ist keineswegs stichhaltig, denn V. 6 könnte entweder redaktionell sein oder aber Jahwe Zebaoth stehen, um abschließend zu verdeutlichen, wer der Bedränger der V. 2f war. Von einer Einführung Jahwes in V. 6 kann ebenso wenig die Rede sein wie von einer durchgehenden Anrede der Stadt in der 2. Person. Daß der Abschnitt - J. Schreiners zweites Argument - weder als Jahwerede eingeleitet noch geschlossen wird, muß nicht darauf verweisen, daß Jahwe nicht der Redende ist. Es könnte z.B. auch ein Hinweis darauf sein, daß eine entsprechende Botenformel ausgefallen ist. Außerdem ist es immer noch möglich, daß der Verfasser mit Bedacht den Bedränger der V. 2f ungenannt läßt. 51 So etwas ist dann möglich, wenn in V. 2f tatsächlich Jahwe der Sprecher ist, nicht aber im Falle Sanheribs. Denn eine Formel wie: So spricht der König von Assur könnte von Jesaja nur dann weggelassen werden, wenn es sich bei der Kampfansage um einen seinen Zuhörern geläufigen Text gehandelt haben sollte. Doch wäre das selbst der Fall, müßte Jesaja diese Kampfansage, damit sie von den Hörern als solche erkannt werden könnte, unverändert lassen. Änderungen der hypothetischen Kampfansage durch Jesaja muß aber selbst J. Schreiner annehmen. Um eine Verbindung mit Sanherib herstellen zu können, ist zudem die Wiedergabe von ί>χ·ηχ nach lQIs a notwendig.52 Daß das „Uruel" in V. 2bß nicht

50 51 52

S. hierzu und zum Folgenden J. Schreiner: Sion-Jerusalem S. 257- 259. S. unten S. 276f. lQIs" bietet b x n x (s. - gegen M. Burrows und J.C. Trever - D.M. Beegle: Proper Names S. 29). A. Vaccari [Lectionibus S. 258] hat daraus m.W. erstmals auf die Verwendung eines Namens der Stadt Jerusalem in Jes 29,Iff geschlossen (s. aber schon NJ.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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paßt, bereitet mehr Probleme, als J. Schreiner einzugestehen bereit ist: „ ,so daß es für mich sein wird Uruel' (MT) verlangt eine nähere Bestimmung." (S. 259) Abschließend ist auch die Lesart der LXX „wie David" für den Vergleich der Belagerung Davids mit der Sanheribs C'i höchst willkommen, textkritisch aber zumindest als problematisch anzusehen.

Ist die Auffassung von V. 2f als Jahwe-Rede wahrscheinlicher, stellt sich gerade hinsichtlich V. (5a.ba.)7 die Frage nach der Beteiligung der Völker an der Belagerung Ariels/Jerusalems durch Jahwe: Sind sie implizit oder ist gar nicht an sie gedacht? Welche Folgen ergeben sich aus der Klärung der Frage für die Bewertung des literarischen Zusammenhangs von V. 1 - 4 mit V. (5a.bct.)7? Zumeist wird die Schwierigkeit, daß von den Völkern als Feinden Jerusalems explizit erst so spät die Rede ist, gar nicht thematisiert. So führt O. Kaiser zur Stelle aus: „Während die Gemeinde ahnungslos ihre Neujahrsfeste feiert, weiß der Dichter um das Geheimnis der Zeiten, aber offenbar nicht genug, um genaue Angaben zu machen. Vielleicht gehört die verschleiernde Rede aber wiederum lediglich zu seinem Stil. Jedenfalls will er sagen, daß in spätestens einigen Jahren die von ihm Jahwe selbst in den Mund gelegte Prophetie eintreffen, der Altar- und Opferherd Jerusalem von einem feindlichen Heer in Jahwes Auftrag eingeschlossen wird."54

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Schlögl: Jesaja S.*15, der bx-ny lesen wollte). Zur Kritik s. E.Y. Kutscher: Language S. 97f. Für die These A. Vaccaris sind vier Entscheidungen vorauszusetzen: 1.) 1 und * wurden in der Zeit des Kopisten nicht unterschiedslos gebraucht. 2.) Das ι muß ursprünglich sein. 3.) Jesaja hat den Begriff „Urusalimu" aufgegriffen, wußte um die Bedeutung des obrä als Gottesbezeichnung und hat diese durch Ϊ5Χ ersetzt. 4.) Er bediente sich der akkadischen Namensform und übersetzte nicht ins Hebr. Angesichts der Problematik dieser Voraussetzungen und der Textbezeugung in LXX und Tg. dürfte MT weiterhin vorzuziehen sein. Für diese Lesart kann man sich auf LXX berufen, sicherlich aber nicht auf lQIs a , die "ΡΠ zumeist in Scriptio plena bietet, so auch Jes 29,1, aber nicht in Jes 29,3 (s. E.Y. Kutscher: Language S. 99; vgl. H. Bardtke: Konsonantentexte S. 35). Gegen MT entscheiden sich u.a. CJ. Bredenkamp: Jesaja S. 174; T.K. Cheyne: Isaiah S. 29 A.15; ders.: Einleitung S. 191; K. Marti: Jesaja S. 213; A.B. Ehrlich: Randglossen IV S. 103; D.D. Garland: Isaiah S. 63; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 189; O. Procksch: Jesaia S. 372f; N J . Schlögl: Jesaja S.*15. CA. Evans [Use S. 98] setzt die Änderung einfach voraus, während J.C. Exum [Broken Pots S. 342f] trotz Berufung auf LXX eingesteht, daß er die lectio difßcilior preisgibt. Offensichtlich will eine textkritische Begründung kaum glücken. Weder kann man sich wie jüngst A. Laato [Immanuel S. 226] auf einen gut möglichen „change of the letter daleth to resh" stützen (vgl. schon mit Einschränkung S. Loewinger: Corrections S. 82), da das Gegenteil ebensogut möglich ist, von A. Laato [Immanuel S. 227] auch selbst für V. 7b postuliert wird, noch vom Kontext (V. laß) her argumentieren, der LXX als Lectio facilior, da vorbereitete Lesart, ausweist. O. Kaiser: Jesaja II S. 212f; vgl. ähnlich H. Wildberger: Jesaja III S. 1106; R. E. Clements: Isaiah S. 235; J A . Alexander: Isaiah S. 460 u.v.a.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Dagegen hatte schon früher H.-M. Lutz die These vertreten, in Jes 29, Iff sei die Belagerung allein als das Werk Jahwes anzusehen: „In Jes 29, Iff erfährt die Vorstellung vom Kampf Jahwes gegen Jerusalem eine sehr eigenwillige Entfaltung: Jahwe bedient sich nicht wie in Zeph 3,8 und Sach 14,1-2 des Mediums der .Völker', sondern er selbst belagert die Stadt." Mit dieser Auffassung hat sich schon F. Huber kritisch auseinandergesetzt. Er gibt zu bedenken, daß 1.) die Aussage, Jahwe kämpfe, nicht wörtlich verstanden werden muß und auch die bei H.-M. Lutz angeführte Belegstelle Jes 28,14-22 auf ein Ereignis in der Geschichte Israels verweist, bei dem ein menschliches Heer den Sieg errang, und daß 2.) das Vokabular in V. 3, auch wenn man die umstrittenen Termini und mSD nicht mit „Posten" und „Wachen" übersetzt, sondern mit „Sturmbock" und „Festungswällen" wie H.-M. Lutz, ein feindliches Heer als Gerichtswerkzeug voraussetzt. 56 Dem ist sicherlich zuzustimmen, trifft aber letztlich nicht das hier in den Blick genommene Problem, das sich F. Huber mit seiner „Abgrenzung" der Grundschicht auf die V. 1 - 4 gar nicht mehr stellt: Ist es literarkritisch relevant, daß in V. 2f Jahwe als der Hauptakteur bei der Belagerung Ariels/Jerusalems fungiert und die Völker als menschlische Gerichtswerkzeuge im Hintergrund zwar mitgedacht werden können, aber aus diesem nicht explizit hervortreten, und daß diese Völker erst zu einem selbständigen Thema werden, wenn Jahwe zugunsten seiner Stadt die Fronten gewechselt hat? Zu V. 1 - 4 kann F. Huber in einem gewissen Resümee festhalten: ,Jm Handeln der Völker handelt Jahwe an Juda. Zwischen diese beiden Pole - Jahwe und Juda - i s t das Auftreten anderer Völker eingespannt, ohne daß diese Gegenstand eigenen Interesses würden." 57 Ist dies richtig, ergibt sich daraus, daß spätestens in V. 7 eine Umakzentuierung unverkennbar und damit eine literarkritisch relevante Beobachtung gegeben ist. Ob diese zu einer literarischen Zäsur führt, ist aber erneut nicht gesichert. Die Entscheidung kann nur dann zuungunsten eines Verfassers ausfallen, wenn man einem solchen nicht zutrauen darf, daß er ein wie in Jes 29,1-8* geschildertes paradoxes Handeln Jahwes in dieser Weise beschreiben kann: Jahwe ist der Herr über die Völker bei deren Führung zur und in der Belagerung Ariels/Jerusalems sowie bei deren Abwehr vor Einnahme der Stadt. Postuliert man eine solche Hintergründigkeit, bedeutet das, daß der Verfasser seine Botschaft von der Allgewalt Gottes mehr ver-

55

56 57

H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 100; vgl. im Ansatz schon ähnlich J A . Alexander: Isaiah S. 462 und J.H. Hayes: Tradition S. 426: „In the Ariel oracle (29 1-8), the destruction is directly assigned to Yahweh. ,1 will distress, I will encamp, I will lay siege,' all describe the work of Yahweh." S. F. Huber: Jahwe, Juda S. 170. Ders.: Jahwe, Juda S. 171.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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schlüsselt, denn enthüllt. Er gibt seinen Lesern Rätsel über Jahwes Wege auf, nötigt ihm zum Verweilen, zum Wieder- und Wiederlesen. Damit ineins scheint es höchst unwahrscheinlich, daß das Ariellied zum öffentlichen Vortrag bestimmt war. Gerade wenn man die Jesajanität voraussetzt, dürften die Schwierigkeiten erheblich sein. Es reicht in diesem Zusammenhang, Jes 5,1 - 7 s 8 mit Jes 29,1 - 8 * zu vergleichen, die H. Wildberger beide für jesajanische Reden hält. Hier ein Beispiel gelungener Kommunikation, die den Hörer mitnimmt und verstehen läßt, dort ein dumpfer Drohspruch über den Ariel, bei dem der Hörer, aber auch nicht jeder, noch erkennen kann, daß es die Stadt Jerusalem ist, die da mit dem Gericht bedroht wird, um dann zu erfahren, daß alles gar nicht so schlimm kommt, wie es am Anfang geschildert wurde. Hier eine Präsentation, die dem Hörer Identifikationsmöglichkeiten bietet, um ihn dann betroffen zu machen, dort eine andere Art, die den Hörer abschreckt, um ihn dann in seiner Heilssicherheit zu bestätigen, also ihm zu bescheinigen, was ihm trotz politisch brisanter Lage fröhlich Feste feiern ließ, daß nämlich Jahwe Zion nicht von fremden Mächten antasten läßt. c) Jahwe als Subjekt in der 1. und 3. Pers. sing, in V. 2f und V. 6 Gerade in der textinternen Literarkritik dürfte der Wechsel von der Rede Jahwes in der 1. Pers. V. 2f zur Rede von Jahwe in der 3. Pers. V. 6 größere Bedeutung für sich beanspruchen. Doch obwohl der Befund eindeutig ist, bleibt zu fragen, ob er auch eindeutig auf literarisches Wachstum hinweist. Es ist schon früh aufgefallen, daß vor V. 2f eine Formel fehlt, die das Folgende als Gottesrede ausweist. Rechnete man mitunter mit einem Ausfall der Botenformel, hat sich diese Vermutung dennoch nicht durchsetzen können, setzt sie doch voraus, daß V. 1 vom Propheten gesprochen ist, 58

Zur Interpretation s. bes. R. Kilian: Jesaja I S. 39-41. Neuerdings wird auch hinsichtlich dieses Textes die Authentizität angefochten (s. J. Vermeylen: Prophfete S. 163; O. Kaiser: Jesaja I S. 100), mitunter aber auch literarische Uneinheitlichkeit festgestellt (s. O. Loretz: Weinberglied S. 573 - 576; P. Höffken: Probleme S. 392 - 410; H. Niehr: Gattung S. 99-104). Ob solche Entscheidungen sinnvoll sind, läßt sich in dieser Anmerkung nicht entscheiden. Zumindest verdient es jedoch Beachtung, daß sie keinen Grund in der Literarkritik der Wellhausen-Periode haben (s. B. Duhm: Jesaia 1 S. 33 - 35). Besonders deutlich ist bei H. Niehr die Fundierung in der textinternen Literarkritik, die auf Subjektwechsel, Stilbrüche und oberflächlich erhobene Widersprüche ausgerichtet ist. Sollte ein älteres Weinberglied Vorlage für Jes 5 , 1 - 7 gewesen sein, wie H. Niehr, aber auch O. Loretz annehmen, so sicherlich nicht Jes 5,lb.2. Allenfalls könnte man diese Verse als Teil eines älteren Liedes bestimmen, denn daß ein solches geschrieben sein soll, nur um eine „Mißernte" zu konstatieren, ist wenig wahrscheinlich. Solche „Bänkellieder" dürften auch eine Pointe gehabt haben.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

eine Auffassung, für die jeglicher Anhaltspunkt im Text fehlt. Abgesehen davon dürfte grundsätzlich der Ausfall einer Botenformel im Verlauf der Textüberlieferung die Ausnahme sein, während das Gegenteil sehr häufig der Fall gewesen zu sein scheint. Ist nach dem in MT vorliegenden Text die Gottesrede nicht entsprechend als solche ausgewiesen, kann V. 6 die Funktion zukommen, von hinten das in V. 2f redende „Ich" zu identifizieren. Ob diese Identifikation als primär oder redaktionell zu bewerten ist, läßt sich nur auf Grund des Wechsels nicht entscheiden. Ebensowenig kann mit hinreichender Sicherheit behauptet werden, daß V. 6 eine Rede über Jahwe bietet. Es ist auch möglich, daß der Verfasser des Stückes den vorher nicht Genannten hier seinen Namen sagen läßt. d) Die Aussage von V. 5a.ba Wer das Ariellied als Einheit von Gericht und Heil bestimmt, versteht V. 5bß.6 als die Wendung zum Guten für Jerusalem, als das unerwartet plötzliche Eingreifen Jahwes zugunsten seiner Stadt. Das hat zur Folge, daß V. 5a.ba, einer sinnvollen Abfolge der Darstellung entsprechend, die Drohung der V. 1 - 4 fortsetzen muß. Dem steht MT offensichtlich entgegen, denn hier sind Fremde/Gewalttätige, also wohl erstmals die Völker als Feinde Jerusalems explizit genannt und dies in einem Zusammenhang, aus dem die Aussage, da sie allem Anschein nach die Nichtigkeit der Feinde ausdrückt, als störend herausfällt. In der Forschung werden zwei Möglichkeiten erwogen, die die gegebene Beschreibung falsifizieren: 1.) V. 5a.ba ist Fortsetzung der Gerichtsankündigung der V. 1 - 4 und bezieht sich auf die verderbte Oberschicht in Jerusalem, und 2.) V. 5a.ba spielt auf die Allgegenwart der Feinde Jerusalems an und setzt damit das Gerichtsbild fort. Die erste Deutung ist abhängig von der häufiger vertretenen, textkritisch begründeten Änderung von T"n in "pn 59 und trägt der Einschätzung Rechnung, daß eine Aussage über die Nichtigkeit der Gegner Jerusalems vor V. 5bß.6 zu früh kommt. Für die Änderung kann man sich zwar trotz des Einwandes von A. Laato auch weiterhin auf τ ϊ τ in lQIs a berufen, 60 aber wohl keineswegs berechtigtermaßen auf LXX, die άσεβων bietet wie in Jes 13,11 für

59

60

S. nach Vorgang durch R. Lowth E. Rohland: Bedeutung S. 164; H. Barth: Jesaja-Worte S. 185f.l87f; H. Wildberger: Jesaja III S. 1099; R.E. Clements: Isaiah S. 236; besonders akzentuiert bei J. Becker: Isaias S. 67f. Inhaltlich entspricht dem auch I. Eitans [Contribution S. 72] Versuch, T"n von arab. zawr oder zur „Master, Lord" abzuleiten und "if oder Hl zu lesen, was nicht unmöglich, aber völlig unnötig ist. S. neuerdings D. Barthdlemy: Critique II S. 203f; dies vor allem gegen A. Laato: Immanuel S. 226, der aus offensichtlich eigener Anschauung bezweifelt, daß in Z . l l der Platte XXII τ τ τ gelesen werden muß.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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IT; 25,2.5 für ητ MT, 33,14 für ηίπ.61 Daß άσεβης ττ voraussetzt, läßt sich zwar postulieren, aber kaum beweisen. Die LXX gibt nur in Jes 13,11 den hebr. Begriff mit άσεβης wieder, sonst mit άλλότριος (Mal 3,15; Ps 19,14), αλλογενής (Mal 3,19), was beides π voraussetzen dürfte, παράνομος (Ps 86,14; 119,51.85; Prov 21,24) und υπερήφανος (Ps 119,69.78. 122). Zu beachten ist fernerhin, daß die einzigen Belege, in denen MT IT bietet, LXX aber άσεβής Ubersetzt, Jes 25,2.5 und 29,5 sind. Das ist insofern nicht verwunderlich, als π von der Wurzel yit her ein anderes Bedeutungsspektrum als άσεβής aufweist. Neben die Grundbedeutung „kochen" (Gen 25,25), die noch erhalten ist in " f n „Gekochtes" = „Gericht", tritt die übertragene Bedeutung „aufwallen, überwallen" (ΤΠ'Τ, nur Ps 124,5), die auf menschliches Verhalten übertragen „frech, übermütig sein" meint. Dieser „Übermut" kann theologisch als „Frevel" angesehen werden, der Zeichen der „Gottlosigkeit" ist. Direkter ist der Bezug von π und άσεβής. π τ II „sich abwenden", ursprünglich wohl ein Verb der Bewegung (Ortsveränderung) schließt vor allem die personale Entfremdung mit ein, im Gottesverhältnis das „Abtrünnig werden". Zumindest im Ni. ist "in in Jes 1,4 und Ez 14,5 für das Gottesverhältnis gebraucht, n , das eigentlich Part, von "in ist,62 kann insofern von der Wurzel her schon mit άσεβής zusammengehen, ίτ als der „Fremde" bezeichnet zwar vor allem den Gegensatz zum „Eigenen, Bekannten". Der „Fremde" als der „Unbekannte" ist jedoch, so sicherlich die grundsätzliche Erfahrung, auch der „Bedrohliche", damit der „Feind", religiös gewendet der „Heide", der „Gottlose". Diesem Bedeutungsspektrum entspricht mit Ausnahme der religiösen Komponente LXX mit dem Begriff άλλότριος, 63 der sowohl einen Gegensatz zu ίδιος als auch zu οικείος darstellt und im Sinne des letzteren wie auch π τ die „Entfremdung, Abwendung" beinhaltet. Für das Problem von Jes 29,5 bedeutet dies, daß die Entscheidung für "TT wohl zu vorschnell getroffen wird, wenn sie an LXX aufgehängt wird. Es ist zwar möglich, daß LXX "" voraussetzt, gesichert ist dies nicht. Die Argumentation hinsichtlich LXX muß wohl auf Jes 1 - 3 9 beschränkt bleiben, weil gerade hier die Unterschiede zur sonstigen Übertragung der Worte "it und "H durch LXX vorliegen: Jes 13,11, der einzige Beleg für π in Jes 1-39, wird von LXX mit άσεβής wiedergegeben. Das ist, wie schon angeführt, auch der einzige Beleg für eine solche Wiedergabe im AT. Jes l,7bis und 28,21 wird "it jeweils mit άλλότριος wiedergegeben. Jes 17,10 bietet άπιστος, 25,2.5 und 29,5 άσεβής. Allein auf Grund von Jes 13,11 ist nicht zu entscheiden, ob für den Übersetzer π und π je nach Kontext bedeutungsgleich waren, oder er auch für die Fälle 17,10; 25,2.5; 29,5 π gelesen hat. Scheiden Jes l,7bis und 28,21 als in LXX übliche Übersetzung von "it aus, bleibt bei den angeführten Belegen eine Unsicherheit. Jes 17,10 άπιστον kann aber durchaus π voraussetzen. Die „Fremden" sind dann in der Sicht des Übersetzers die „Barbaren", die „Heiden", die „Ungläubigen". Dasselbe in Jes 25,2.5 vorausgesetzt kann auf die Konjektur, die dort 2 Mss mit LXX(?) unterstützen, verzichtet werden.64 Entsprechendes gilt dann auch für Jes 29,5.

61 62 63 64

S. dazu schon EJ. Kissane: Isaiah S. 314. S. G.-B.17 zum Terminus S. 205. Wo es um Volkszugehörigkeit geht, verwendet LXX dagegen für π άλλογενής. Auf eine solche verzichtet z.B. O. Kaiser: Jesaja II S. 158f. F. Delitzsch [Jesaia2 S. 295f) gibt D-n in Jes 25,2.5 mit „Barbaren" wieder; Für E. Rohland [Bedeutung S. 164 A.l] steht dagegen „eindeutig" fest, daß in Jes 25,5; Ps 54,5 d-tt zu lesen ist. D. Barthdlemy [Critique II S. 177f] stellt das deutlich in Zweifel. I. Eitan [Contribution S. 72] nimmt für LXX in Jes 25,2.5 sogar das Gegenteil an.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Bei der Argumentation für ursprüngliches "n spielt freilich auch die Paarung von π und y n y eine Rolle: Das Begriffspaar η und y n y findet sich im MT in Jes 13,11 und Ps 86,14. In Ps 54,5 wird es regelmäßig hergestellt und ebenso für Jes 25,5 behauptet. Für dieses Begriffspaar wird auch hinsichtlich Jes 29,5 angenommen, es sei aus der Psalmensprache entnommen, höchst gewagt angesichts eines sicheren Belegs. Die Änderung in Ps 54,5 ist zwar auf Grund von Ps 86,14 durchaus einleuchtend, textkritisch angesichts mit Mss und Tg. aber kaum gerechtfertigt, zumal LXX άλλότριος bietet.65 In der Diskussion werden zudem Belege wie Ez 28,7; 30,llf; 31,12 völlig vernachlässigt,66 in denen eine Beziehung von "it und γ*Ί9 besteht. So zeigt beispielsweise Ez 28,7 mit ο "na Ο'ΊΤ, daß das Postulat, η und V"W paßten nicht zusammen 67 kaum das Richtige trifft. Weil natürlich schon in diese textkritische Entscheidung die literarkritischen Fragen nach der Einheitlichkeit und der Echtheit mit hineinspielen, D^n als Bedränger aber im AT erst in exilischer Zeit belegt sind,68 scheint diese Vernachlässigung nicht ohne Grund zu erfolgen. Die Argumentation ist jedoch einseitig. Das zeigt sich besonders deutlich bei H. Wildberger, wenn er nach Verweis auf H. Barth ausführt: „Für diese Emendation spricht auch das Suffix, das so seinen guten Sinn bekommt: VIT sind die Hochmütigen Jerusalems." 69 Wenige Sätze zuvor hatte er das Fehlen eines Suffixes bei urgiert. Das scheint nun keine Rolle mehr zu spielen, aber gerade in dieser Sicht ist das Suffix nötig.70 Denn es ist festzustellen, daß für t r ^ ' y keine Varianten vorliegen, und zu unterstreichen, daß LXX auch τητ ohne Suffix übersetzt.

Unbeschadet der Zweifelhaftigkeit dieser Emendation spricht gegen einen primären literarischen Zusammenhang von V. 5a.ba mit V. 1 - 4 in dieser Sichtweise, daß sich in V. 1 - 4 nirgendwo ein Indiz ausmachen läßt, das darauf hinweisen könnte, daß die Drohung nicht der Gesamtheit der unter Ariel zu Subsumierenden gilt: Der Weheruf ergeht über Ariel, die Belagerung wird Ariel angedroht, die Demütigung trifft die ganze Stadt. 71

65 66 67 68

69 70

71

A. Weiser [Psalmen I S. 280- 282] entscheidet sich z.B. gegen eine Emendation. S. aber D. Barth61emy: Critique II S. 204. So etwa H. Wildberger: Jesaja III S. 1099. S. W. Werner: Texte S. 181 mit Verweis auf Ez 7,21; 11,9; Ob 11; Jer 51,51 (vgl. Jer 30,8; Joel 4,17). W. Werner schließt für Jes 29,5 daraus folgendes: „Somit liegt dem Sprachgebrauch in Jes 29,5 eine Tradition zugrunde, die sonst innerhalb des Alten Testaments frühestens in exilischer Zeit belegt ist." H. Wildberger: Jesaja III S. 1099. Auch gegen W.H. Irwin: Isaiah 28 - 33 S. 52: „All awkwardness surrounding the suffix of zryk [...] is removed when the suffix is interpreted dativally." Das Problem besteht nicht in der Verbindung von ίτ mit dem Suffix, sondern darin, daß es bei E r i n y fehlt. Hier 7 m s zu lesen, wie E. Rohland [Bedeutung S. 163 A.2] es will, ist völlig unbegründet. Bei einer Abschrift dringt nach V. 4 viel leichter das Suffix in den Text von V. 5a, als es in V. 5ba wegfällt. Eine solche Emendation ist rein willkürliche Textglättung. Vgl. schon E. Rohland: Bedeutung S. 164, obwohl dieser für o , - jt plädiert: „V. 5 dagegen deutet die in V. 1 - 4 angedrohte Strafe in einem neuen Bild ausschließlich auf die 0*71 und die Anmaßenden und Tyrannen, eine Einschränkung, die der ursprünglichen Situation (V. lf) des Spruches nicht entspricht."

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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Selbst wo man T*TT als ursprünglich ansieht, ergibt sich damit in V. 5a.ba eine in V. 1 - 4 nicht vorbereitete, überraschende Engführung der Adressaten der Gerichtsankündigung. Die Argumentation, die diesen Widerspruch zu einem angeblichen reduziert, ist unscharf: Weder kann man sich darauf berufen, daß eine verderbliche Oberschicht nach der Kategorie der kollektiven Schuld auch dem Volk das Verderben bringt, denn die Einschränkung auf die „Übermütigen" schließt ja letztendlich das Volk aus der Verantwortung aus, noch auf Stellen wie Jes 1,21-26, in welchem Stück Jerusalem ein Ausschmelzungsprozess angekündigt wird: Im Unterschied zu Jes 2 9 , l - 5 b a wird nicht die Stadt bzw. dort das Volk als Ganzes bedroht und überdies die Ausmerzung der Oberschicht (V. 24f) nicht unvorbereitet (V. 22f) angekündigt.72 Die zweite der oben angeführten Deutungen beläßt MT "IT, muß aber, um die Zugehörigkeit von V. 5a.ba zu V. 1 - 4 zu halten, die Aussage als Fortsetzung der Drohung verstehen. O. Kaiser stellt es sich so vor, daß mit dem Staub- und Spreuvergleich die Zahllosigkeit der Feinde angesprochen sei, die in ihrer Menge „dem Pulverstaub gleichen" und „die selbst so zahllos wie die vor dem Wind auf der Tenne dahinfliegende Spreu sind"73. Für V. 5a scheint diese Interpretation immerhin möglich, ob der Spreuvergleich aber auf diese Weise zu erfassen ist, ist aber durchaus fraglich.74

72

Gegen J. H^genhaven: Gott und Volk S. 74. Noch offensichtlicher ist die Nivellierung des Problems bei H. Wildberger: Von der „Gattung" Wehewort schließt er darauf, daß das „Wehe" über Ariel nur der selbstsicheren und sorglosen Oberschicht Jerusalems gilt, ein Zug, der für die prophetischen Wehe-Worte im 8. Jh typisch sein soll (Jesaja III S. 1103; vgl. H.-J. Krause: hdj S. 45). Dieses im Text nicht ausweisbare Vorverständnis - allein deshalb unsinnig, weil der Weheruf des Arielliedes in der Konzeption H. Wildbergers formal als untypisch anzusehen ist, - hat dann schon bei der Deutung von V. 4 Konsequenzen: Zwar bringt die Einschließung der Stadt (V. 3) „dem letzten ihrer Einwohner zum Bewußtsein, welche Stunde es geschlagen hat", die Demütigung trifft aber lediglich die „Großsprecher und Festfreudigen" und diese sind in der Ansicht H. Wildbergers „die Trcrt "tfix, die mn ονπ die einst so stolze Worte im Munde führten" (Jesaja III S. 1107). Diese Gleichschaltung von V. 4 und V. 5a.ba ist schon deshalb als Möglichkeit ausgeschlossen, weil V. 4 mit der Du-Anrede die gleiche Größe voraussetzt wie das Suffix in V. 5a. Wären in V. 4 die Führer dieses Volkes angesprochen, dann in V. 5a die Menge der Übermütigen dieser Führer. Wenn man sich auf solche Unschärfen einlassen will, erweckt man den Eindruck, als wüßte man schon vorher, was im Text steht, dem Text wird man auf jeden Fall nicht gerecht.

73

O. Kaiser: Jesaja II S. 213. S. schon W. Eichrodt: Herr der Geschichte S. 143: „Denn die Scharen der Feinde sind so zahlreich wie Staub und Spreu (V. 5a), so daß für Menschenkraft kein Erfolg zu erhoffen ist." Ähnlich auch H. Bultema: Isaiah S. 272 mit Hinweis auf Ez 3 8 , 1 - 8 und P. Auvray. Isai'e S. 258. In dieser Beziehung bringt auch der Hinweis W. Werners [Texte S. 181 A.31] auf Ex 9,8f wenig ein.

74

280

III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Die Deutung der Vergleiche in V. 5a.ba auf die Allgegenwart der Feinde kann sich nämlich auch hier nur auf den Begriff p3X stützen, für YD gibt es dagegen keine Parallele. Was die „Spreu" betrifft, lassen sich eindeutige Aussagen treffen: Wenn im Bild der Spreu geredet wird, ist dies im gesamten AT ein Zeichen für Unbeständigkeit und Flüchtigkeit. In Jes 17,13b ergeht es den Völkern wie der Spreu, die auf den Bergen vom Wind gejagt wird, in Ps 35,5 soll persönliche Feinde des Beters dasselbe Schicksal ereilen. Ob bezogen auf Frevler (Hi 21,18; Ps 1,4), auf das Volk als Mahnung zur Umkehr (Zeph 2,2), auf das dem Baalsdienst verfallene Volk (Hos 13,3) oder schließlich in Jes 41,15 - zu YD, 75 Spreu zu werden, bedeutet immer dem Gericht anheimfallen, zerstreut werden.

So muß auch W. Werner in Jes 29,5ba eine ungewöhnliche Verwendung von YD postulieren: Demnach handelt es sich dabei um eine bewußte ambivalente Aussage, die darin besteht, daß sich nach dem Umschlag des Geschehens, nach der postulierten „eschatologischen" Wende, die in V. 5bß einsetzen soll, das Bild der Spreu als das der Unbeständigkeit der Feinde erweist.76 Über diese Einschätzung läßt sich streiten, denn sie erweist sich wiederum abhängig von der Erwartung, die man hinsichtlich des Verfassers des Stückes hegt. Erkennt man in diesem einen Eschatologen, mag man ihm eine solche verhüllende Ausdrucksweise zutrauen. Trotzdem stellen sich Bedenken ein, gerade wenn man die „Ambivalenz" von V. 5a.ba mit der des Ariel-Namens vergleicht. Diesbezüglich ist unter dem Vorbehalt der Einheitlichkeit von Jes 29,1-8* folgende Ausführung W. Werners sicherlich richtig: „Die Stadt wird Jahwe zum zum Opferherd. Es gehört zur dunklen Ambivalenz des Orakels, daß der Hörer oder Leser nun mutmaßen kann, ob auf dieser überdimensionalen Opferstätte die Einwohnerschaft der Stadt geopfert werden soll, oder ob schon andeutungsweise, wie O. Kaiser vermutet, davon die Rede ist, daß Jerusalem zum Opferherd für die feindlichen Völker bestimmt ist."

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76

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Zu diesen Belegen könnte auch Hab 3,14 hinzugerechnet werden, wo BHS Y03 als Emendation vorschlägt, vgl. W. Werner: Texte S. 181. S. W. Werner: Texte S. 181; vgl. J.C. Exum: Broken Pots S. 345: „But the dust simile raises questions. It might mean that foreigners will cover the land as fine dust covers, that the foe will be innumerable. On the other hand, it carries connotations of insubstantiality and lowliness - at least this seemed to be the meaning of the dust imagery in v. 4. The comparison of the hämdn to driven chaff in v. 5b appears to support the insubstantial aspect of the image. The third stanza will reveal that both ideas are, in fact, present: the multitude of all the nations (kol haggdyim) presents a formidable adversary, yet one which turns out to be as insubstantial as a dream." W. Werner: Texte S. 181.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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Geht man von der Rezeption des Liedes durch den Leser aus, wird dieser auf Grund des einleitenden „Wehe" über Ariel in V. 2bß wohl naheliegend auf die erste Verständnismöglichkeit, nach der die Einwohnerschaft der Stadt geopfert werden soll, gestoßen. Auf Grund von V. 5bß.6f kann er jedoch die andere Möglichkeit realisieren und im Blick zurück auf V. 2bß die Aussage als gegen die Feinde Jerusalems gerichtet verstehen. Wäre demnach V. 2bß als doppelwertige Aussage aufzufassen, kann der Leser diese in ihrer Zweiseitigkeit erkennen: Identifiziert er am Anfang lediglich den Ariel mit Zion, weiß aber nicht, weshalb dieser Name gewählt wurde, so ergibt sich eine erste Erklärung durch V. 2bß, die nach der Rezeption der V. 5 - 7 nochmals in anderem Licht erscheint. Anders verhält es sich mit der Ambivalenz von V. 5a.ba: Angesichts des eindeutigen alttestamentlichen Befundes, demgemäß die Spreu als Bild auf die Nichtigkeit hinweist, wie es auch heutiger Spracherfahrung entspricht, ist bei der Textrezeption nicht zu erwarten, daß der Leser V. 5a.ba anders als eine Gerichtsansage gegen die Feinde versteht. Dies vorausgesetzt, kommt es im Lesevorgang mit V. 5bß.6f nicht zu einer Rückkoppelung, die V. 5a.ba anders verstehen läßt, sondern zu einer Bestätigung des in V. 5a.ba verstandenen, das in Anbetracht der Plötzlichkeit der Wende in V. 5bß eine Lesestörung produziert.78 Doch nicht nur für die Rezeption, auch für die Textproduktion bleibt fraglich, ob der Verfasser eine ambivalente Aussage angesichts des determinierten „Spreu"-Vergleichs intendiert hat. Dagegen spricht zudem, daß die Völker als bedrohliches Element hinter V. 4 zu spät kommen, wo, nachdem Ariel am Boden liegt, nur noch die Einnahme oder Rettung der Stadt folgen kann, daß die Nennung der Feinde in dieser Sinngebung mit der Betonung der Belagerung als Handeln Jahwes kontrastiert, und daß schließlich die exakte Identität der Form von V. 5a, V. 5ba und V. 7a eine inhaltliche Parallelität der Aussagen erwarten läßt.79 Dürfte es auf Grund dieser Erwägungen höchst wahrscheinlich sein, daß V. 5a.ba zur Heilsankündigung gehört, bleibt zu fragen, ob das Distichon an dieser Stelle sinnwidrig ist. Wenn ja, muß entweder mit einer redaktionellen Umstellung oder einer Erweiterung gerechnet werden. Je nach Bestimmung des Grundbestandes variieren diesbezüglich die Lösungstypen. Schon an B. Duhms Jesaja-Kommentar ist die Grundproblematik ablesbar. In der ersten Auflage hielt er Jes 29,l-4a.5bß.6f für das ursprüngliche Jesaja-Wort und stellte hinsichtlich V. 5a.ba fest: „Wenn sich für die Umstellung neben den inneren Gründen auch

78

79

Das könnte dann vielleicht ein Grund sein, weshalb sich die Lesart V"" in lQIs 3 gebildet hat. S. dazu unten S. 307f.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

äussere ausfindig machen Hessen, so würde ich v. Sa etwa hinter v. 6 oder v. 7a stellen. Oder ist v. 5a [...] von fremder Hand verfasst und nur vom Rande eingedrungen?"80 Wägt B. Duhm also hier die Möglichkeit einer Umstellung gegen die einer Randglosse (wohl zu V. 7a) ab, bezieht er V. 5a.ba nach der Reduktion des Grundbestandes auf V. l - 4 a infolge einer Neubearbeitung des Textes in den Zusammenhang einer redaktionellen Erweiterung ein: „ 5 - 8 ist ein Zusatz von der Hand des Redaktors, der die Bedrohung des Gottesberges seinem Publikum nicht ohne Hinweisung auf den tröstlichen Ausgang in die Hände geben wollte. Allem Anschein nach benutzt er dazu allerlei entlehntes Gut [...], sonst wäre ja wohl das Ganze etwas besser disponiert. Die vier ersten Stichen von 5 würden besser hinter v. 6 stehen." 81 Hier scheint sich eine nicht unwesentliche Umorientierung vollzogen zu haben. Zwar hält B. Duhm V. 5a.ba immer noch für am falschen Platz befindlich, die Annahme einer Randglosse ist aber fallengelassen. Damit zeigt sich, daß es einen Unterschied macht, ob man V. 5a.ba in bezug auf den Verfasser der Grundschicht oder in bezug auf einen Redaktor beurteilt. Zieht man die ursprüngliche Einheit über V. 5 hinaus, ist V. 5a.ba an seiner Stelle sinnwidrig. Nimmt man aber den Abschluß der Grundschicht in V. 4 an, kann die fortbestehende Sinnwidrigkeit als Indiz für mangelhaftes Dispositionsvermögen des Redaktors bewertet werden.

Allein aus den Überlegungen B. Duhms läßt sich erkennen, daß die Entscheidungen hinsichtlich V. 5a.ba, die Annahmen einer Randglosse, Erweiterung oder Umstellung, von der Einschätzung V. 5bß.6 abhängig sind. e) Zur Bedeutung von V. 5bß.6 Handelt es sich bei V. 5bß.6 um die Fortsetzung des Drohwortes gegen den Ariel oder um die von Jahwe herbeiführte Wende zugunsten Jerusalems? Gehört V. 5bß.6 dem Grundbestand von Jes 29,1-8* zu oder ist diese Passage sekundär zugewachsen? Vielfach stehen diese Fragen in einem Wechselverhältnis, prinzipiell sind sie aber unabhängig voneinander zu beantworten. Wird V. 5bß.6 als Fortsetzung des Drohwortes aufgefaßt, bietet es sich an, die Passage als Abschluß der einfachen Einheit zu bestimmen.82 Ist V. 5bß.6 als Heilswort zu verstehen, erweist sich die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten dieser Passage abhängig von der Beurteilung, ob das Ineinander von Gericht und Rettung in Jes 29,1-8* literarisch primär möglich ist. Was die Deutung von V. 5bß.6 betrifft, muß es einfach einmal als gegeben hingenommen werden, daß die Exegeten immer beide Möglichkeiten vertreten haben und sich schon die Literarkritiker der WellhausenPeriode in dieser Frage uneins waren, B. Duhm auf der einen, T.K. Cheyne und K. Marti auf der anderen Seite.

80 81 82

B. Duhm: Jesaia 1 S. 184. Ders.: Jesaia5 S. 207. S. aber H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 102f.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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Dabei hat B. Duhm offensichtlich gute Gründe für das Verständnis als Heilsaussage auf seiner Seite: „Urplötzlich kommt Jahwe im Wetter, um den Opferherd [...] heimzusuchen. Das ist nicht etwa Wiederholung der Drohung in v. 2ff., denn wenn Jahwe Jerusalem durch eine langwierige Belagerung an den Rand des Verderbens bringt, so kommt er weder plötzlich noch mit Donner und Sturmestosen; daß er aber nachträglich, wenn die Assyrer ihr Werk vollbracht haben, auch noch persönlich zur Hülfe Assurs erscheinen sollte, ist eine unmögliche Häufung von Drohungen und ein abenteuerlicher Gedanke, der einem Manne wie Jes. nicht zuzutrauen ist. Die Heimsuchung ist also im guten Sinne zu verstehen, als Jahwes Intervention im letzten Akt, die plötzlich dem AssyTer in den Arm fällt und ihn verhindert, Jerusalem ganz zu vernichten und darauf vielmehr die Heiden selber vernichtet." 83 Der wesentliche Ansatzpunkt bei B. Duhm besteht folglich in der Inkompatibilität der vorausgesetzten Belagerungssituation mit der plötzlichen Heimsuchung. Dieses Problem versucht K. Marti dadurch auszuräumen, daß er annimmt, in der Belagerungssituation komme der Fall der Stadt trotzdem noch zu einem unerwarteten Zeitpunkt: „Es handelt sich nur um eine Strafheimsuchung: Jahwe, der die belagernden Assyrer leitete, fällt dann urplötzlich über Jerusalem her; mit Donner und Blitz, mit Sturm und Wetter fährt er darein und der längst drohende und vorbereitete Zusammenbruch tritt plötzlich ein vgl. 30 13."84 Die Motivation, die hinter dieser Auffassung steht, läßt sich deutlicher an T.K. Cheynes Ausführungen ablesen, der zu V. 6 darlegt, Jerusalem sei in V. 1 - 4 a zwar in große Nöte gebracht worden, V. 6 sei aber als Abschluß nicht zu entbehren, da hier Jahwe seine Stadt in den unentrinnbaren Untergang stürze.85 In der Tat scheint der Grundbestand der V. l - 4 a lediglich wie ein Fragment. Der Ausgang bleibt offen. Es wird zwar die Demütigung Ariels/Jerusalems angekündigt, aber nicht, daß die Stadt genommen wird und so das Gericht an sein Ziel kommt, obwohl man dies gerade von V. 2bß her erwarten sollte. Unbefriedigend bleibt in dieser Beziehung selbst eine Grundschicht, die den gesamten V. 4 einschließt. Zwar weist der Vergleich mit dem Totengeist auf den Weheruf in V. 1 zurück, wenn dieses „Wehe" nicht nur droht, sondern schon die Todesverfallenheit impliziert,86 es bleibt aber bei einer Andeutung, die zudem lediglich das ""in befriedigt, aber nicht einmal erklärt, warum der Verfasser die Bezeichnung Ariel verwendet hat. Nimmt man einen Grundbestand qua Drohwort an, ergäbe sich in V. 6 mit dem abschließenden und insofern akzentuierten nbaix nnb eine pointierte Auflösung des ArielNamens. In einem auf V. 4 beschränkten Grundbestand bleibt V. 2bß dagegen ein überschießendes Element, das erst durch V. 6 hinreichend abgedeckt wird.

Die beiden Auffassungen über den Inhalt von V. 6 lassen sich wohl nicht vereinheitlichen. Das hängt zum einen mit dem Verbum i p o zusammen, zum anderen mit den Begleiterscheinungen der Heimsuchung. 83

84 85 86

B. Duhm: Jesaia 5 S. 208. Für die vielfache Übernahme dieser Gedanken unter Konzentration auf das Wesentliche s. z.B. F. Feldmann: Isaias S. 344; vgl. auch G. Beer: Zukunftserwartung S. 16. K. Marti: Jesaja S. 213. S. T.K. Cheyne: Einleitung S. 190f. Zum Problem s. unten S. 298.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Was tpo betrifft, ist bei den Exegeten, die V. 6 als Heimsuchung zugunsten Jerusalems verstehen, der Rekurs auf die einschlägige Untersuchung J. Scharberts zwar beliebt, aber wenig schlagkräftig, weil dieser hinsichtlich Jes 29,6 nicht auf Grund eines lexikalischen Befundes, sondern in bezug auf den Kontext des Arielliedes argumentiert. 87 Freilich ist eine solche kontextbezogene Argumentation insofern notwendig, als eine Konstruktion von "rpQ ni. mit mrr DVD im AT nur an dieser Stelle vorliegt. Von einer Heimsuchung ist mit ipQ ni. sonst noch Num 16,29; Jes 24,22; Prov 19,23 die Rede. Diese Stellen belegen offensichtlich die Vorstellung einer strafenden Heimsuchung und sind einer positiven Auffassung in Jes 29,6 nicht gerade günstig. So bemüht auch H. Wildberger mit Gen 21,1; 50,24f; Ex 4,31; 13,19; I Sam 2,21; Jer 23,2 (vgl. Jes 26,19) lediglich Belege für ipo q., um die von ihm erwogene Bedeutung „sich annehmen" zu untermauern. 88 Eine adäquatere Beschreibung des Sachverhalts liefert B.S. Childs: „The phrase ,to be visited by Yahweh' occurs both in a good and a bad sense, although in the niphal it is predominantly in the latter sense (Num. 16.29; Isa. 24.22; Prov. 19.23)."89

Festzuhalten bleibt, daß vom Verbum ipa allein weder auf eine Heimsuchung in bonam noch in malem partem geschlossen werden kann. Das Verbum fügt sich dem jeweils vorausgesetzten Kontext ein. Entsprechendes gilt auch für die Begleiterscheinungen der Heimsuchung, die offensichtlich aus den Theophanieschilderungen übernommen sind. Bei deren Deutung muß immer schon der Sinn von "rp3 erschlossen sein. Dabei ergibt sich aber zumindest aus syntaktischen Gründen bei deren Verständnis in bonam partem eine gewisse Irritation. Dieser Sachverhalt läßt sich ohne weiteres an O. Kaisers Paraphrasierung von Jes 29,6 veranschaulichen: „Er kümmert sich um seine Stadt, indem er seine Donner krachen, seinen Sturmwind brausen und seine Blitze auf die Belagerer niederfahren läßt, vgl. 30,27ff. und

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S. J. Scharbert: Verbum S. 215; vgl. H. Barth: Jesaja-Worte S. 188 A.58; J. Schreiner: Sion-Jerusalem S. 260 A.85. S. H. Wildberger: Jesaja III S. 1109; vgl. G. Fohrer: Jesaja II S. 71; ders.: Propheten V S. 143; J. Scharbert: Propheten S. 278. B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 55. S. R.E. Clements: Isaiah S. 237 mit Verweis auf J. Jeremias [Theophanie], welcher die Beurteilung der Abhängigkeitsverhältnisse jedoch letztlich offenläßt: „Wohl ist es denkbar, daß sich diese Texte [Jes 29,6; Ez 13,13] aus den ausführlicheren Theophanieschilderungen heraus entwickelt und verselbständigt haben; aber auch die entgegengesetzte Möglichkeit ist zu erwägen. Sie könnten ihrerseits die Theophanieschilderungen beeinflußt haben, indem sie ihnen neue Motive, die das Kommen Jahwes ausgestalteten, lieferten. Dann hätten diese Texte völlig unabhängig von den Theophanietexten bestanden und wären von diesen streng zu scheiden. Darauf könnte immerhin weisen, daß sie so von einem Eingreifen Jahwes reden, wie es auch oft die Berichte der Jahwekriege tun (vgl. etwa Jos.10,11; l.Sam.7,10; 14,15). Sollten sie von der Tradition des Jahwekrieges abhängig sein, und sollten die in ihnen geschilderten Naturwaffen Jahwes von dorther stammen?"(Theophanie S. 72).

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

285

31,8."91 Geht man von der Grundbedeutung „besuchen" für "t[!S aus, bezeichnet das mit 3 angefügte das, was der Besucher mitbringt. Im Falle von Jes 29,6 würde es sich demzufolge um ein indirektes „Gastgeschenk" handeln, das zugunsten Jerusalems gegen seine Feinde zum Einsatz kommt, zumindest eine ungewöhnliche Vorstellung. So nimmt auch J. Fischer an, daß Jerusalem vom Donner und Sturm zumindest in gewisser Weise mitbetroffen sei, behilft sich aber mit Verweis auf Jes 30,27ff mit der Annahme, Jerusalem vernähme lediglich „Jahves Kommen im Wettersturm" 93 , das für sie Erlösung, für die Feinde aber Verderben bedeute. Damit wird zumindest ein Ausweg aus der Schwierigkeit gesucht, die darin besteht, daß Donner und Sturm den gegen Zion versammelten Völkern gelten, obwohl diese gar nicht als Objekt in Erscheinung treten. Dieses Problem vermag auch W. Werner nicht auszuräumen, denn die von ihm angeführten Belege treffen direkt auf Jes 29,6 nicht zu. Es mag zwar richtig sein, daß die Vielzahl dieser Stellen für die Heimsuchung Jahwes im Wettersturm „Hilfe für die, die auf Jahwe bauen" 94 bezeugt, aber ist denn Ariel/Jerusalem in Jes 29,1-8* in der Weise einer Gruppe von Menschen dargestellt, die auf Jahwe bauen? - Angesichts des einleitenden „Wehe" über Ariel/Jerusalem und des Vorgehens Jahwes wie eines Feindes gegen Jerusalem in V. 2f ist ein Untersuchungsmuster vorzuziehen, das danach fragt, in welchen Fällen Heimsuchung im Wettersturm gegen Feinde Jahwes inkl. Israel/Juda geschieht.95 Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die von W. Werner angeführten Stellen, verbleiben lediglich Ps 77,19; Hi 26,14 (ovi), Dtn 5,22 ( b n j bin), Hi 38,1; 40,6 (msn) Begleiterscheinungen einer Theophanie im Guten, während I Sam 7,10 ( b n s i>IP), Nah 1,3; Ps 83,16 (TOID), Sach 9,14 (mj>D) und Jes 30,30 (rrbmx löx nnb) feindlich zu verstehen sind.

Trägt man diesen Beobachtungen Rechnung und legt V. 6 als eine gegen den Ariel gerichtete Aussage aus, verbleiben als literarkritische Kriterien lediglich das Reden von Jahwe in der 3. Pers. im Unterschied zur 1. Pers. in V. 2 - 4 sowie die unterschiedliche Darstellungsart von V. 6 mit seinen Mythologemen gegen die vorwiegend konkret-anschauliche Darstellung der V. 2 - 4 . Daß Jahwe hier in der 3. Pers. eingeführt wird, scheint einen Wechsel von Gottesrede zu Prophetenrede anzudeuten. Gesichert ist dies aber ebenso wenig wie die Bestimmung von V. 1 als Prophetenrede und die Annahme des Ausfalls einer Botenformel vor V. Sollte schon ursprünglich auf eine solche Botenformel verzichtet worden sein, kann die

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O. Kaiser: Jesaja II S. 213. Sie wird für Jes 29,6 vorgeschlagen von O. Procksch: Jesaia S. 369; entsprechend im angelsächsischen Bereich „to visit" bei H. Bultema: Isaiah S. 271; B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 53; R.E. Clements: Isaiah S. 237; J.C. Exum: Broken Pots S. 342; W.H. Irwin: Isaiah 28 - 33 S. 44; R.B.Y. Scott: Isaiah S. 324; vgl. auch P. Auvray: Isafe S. 258. J. Fischer: Isaias S. 194. W. Werner: Texte S. 182. Vgl. zu dieser Frageweise B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 55: „fire, whirlwind, and storm are signs of his anger which are directed against enemies (Pss. 77; 97; Nah I; Hab. 3,14). He does not visit graciously with these means." S. oben S. 275f.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Nennung Jahwes in V. 6 als Erklärung dafür gedeutet werden, wer unter dem Sprecher der V. 2 - 4 zu verstehen sein soll. Ob diese Erklärung literarisch sekundär ist, läßt sich aus dem Argument allein nicht entscheiden. Was die mythologische Ausdrucksweise betrifft, sticht sie natürlich von der Schilderung der Belagerung ab, scheint aber durch V. 2bß zumindest in gewisser Weise vorbereitet. Für das Verständnis eines Zusammenhanges ergeben sich zwei Möglichkeiten, die ineinander spielen können: Trifft die oben gegebene Deutung von V. 2 als Exposition zu, 97 expliziert V. 5bß.6 die Aussage von V. 2bß, wofür auch das den Vers 6 abschließende ÖX 3rrb rr^Dix herangezogen werden kann. Andererseits kann V. 5bß.6 komplementär zu V. 2 - 4 und diese Verse übersteigernd aufgefaßt werden. Demgemäß würde die Heimsuchung im Wettersturm die Darstellung der Ariel drohenden Geschehnisse, die in V. 3 im Bild einer Belagerung vorgetragen wurden, ergänzen. V. 5bß könnte so als Kontrast zu V. lb verstanden und damit als Rekurs auf den Beginn der Bedrohung aufgefaßt werden. Sollte diese Deutung zutreffen, bleibt zu klären, wie es in diesem Fall zur Umdeutung durch V. 5a.ba.7 gekommen ist, welche Verse als redaktionelle Erweiterung aufzufassen wären, da ihr wesentlicher Haftpunkt im heilvollen Verständnis von V. 5bß.6 verloren ist. Diesbezüglich scheint nun der Ambiguität von ipQ ein wesentlicher Stellenwert zukommen zu können. Ist die Bedeutung von "TpD und damit von V. 5bß.6 auch im postulierten Zusammenhang determiniert, läßt sich doch annehmen, daß ein entsprechend sensibilisierter Redaktor die Wendung von der „Heimsuchung Jahwes" in einem heilsorientierten Sinne verstanden hat. Wie es einem Späteren selbst noch in Jes 6 möglich war, auf Grund eines in seinem Kontext eindeutigen Begriffs seine Hoffnung Platz greifen zu lassen, indem er den kläglichen rmD als 3ΠΤ interpretierte (Jes 6,13), kann ein anderer auf Hoffnung ausgerichteter Redaktor Jes 29,5bß.6 als die plötzliche Wende, den Eingriff Jahwes zugunsten Zions verstehen und dieser Deutung Ausdruck verleihen. Es wäre dies eine Art von „Relecture", die der ursprünglichen Aussage zwar nicht gerecht würde, aber so geschickt vorgenommen wäre, daß selbst der historisch orientierte, auf Widersprüche und Spannungen achtende Leser nur mit Mühe ihrer gewahr werden könnte. f) Zum Problem des Ineinanders von Gericht und Rettung bei Jesaja Nach dem bisher zur Problematik Ausgeführten stellt sich die Möglichkeit, daß Jesaja eine Einheit von Gericht und Rettung in Jes 2 9 , 1 - 8 * geschaffen hat, als höchst unwahrscheinlich dar. Nehmen wir noch einmal die Auffassung von V. 5bß.6 als Fortsetzung des Drohwortes zurück und 97

S. oben S. 266.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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setzen die Einheit des Drohwortes mit der Heilsankündigung voraus, müßte für die Möglichkeit einer jesajanischen Redeeinheit der Nachweis erbracht werden, daß Jesaja auch in anderen Stücken in ein und derselben Redeeinheit eine mit Jes 29,1-8* vergleichbare Darstellung des Nebeneinanderbestandes von Gericht und Rettung konzipiert hat. Der Rekurs auf eine - überdies umstrittene - jesajanische Heilserwartung ist dagegen nicht ausreichend, weil zwischen Unheils- und Heilsankündigung in unterschiedlichen Stücken und damit verschiedenen Situationen und Unheils- und Heilsankündigung in ein und demselben Redezusammenhang ein wesentlicher Unterschied besteht. Ebensowenig genügt ein Hinweis wie bei H. Wildberger auf den Immanuel und den Schear-Jaschub in Jes 7. Sollten diese überhaupt im Sinne H. Wildbergers ambivalent zu verstehen sein, so ergibt sich diese Ambivalenz auf Grund der Differenzierung derer, denen der betreffende Verkündigungsgehalt gilt, in zwei Gruppen: Für die einen, Ahas und die Seinen, bedeuten Immanuel und Schear-Jaschub Mahnung, Drohung oder Gericht, für die anderen, die auf Jahwe bauen, Immanuel sagen können und zum Rest gehören, aber Heil. Hinsichtlich der postulierten Ambivalenz von Jes 29,1-8* ist schließlich auch die Bewertung Assurs als Gerichtswerkzeug nicht einschlägig, weil sie, sofern sie Jesaja in der überwiegenden Zahl der Fälle zugesprochen wird, nicht als ein Nebeneinander in ein und derselben Situation verstanden wird, sondern auf eine Entwicklung zurückgeführt wird, in der Jesaja zu einer veränderten Einschätzung Assurs als Gerichtswerkzeug Jahwes gelangte." Wie schon dargestellt, ist allein H. Barths Verweis auf Jes 31 in dieser Beziehung sinnvoll. Er kann sich zudem auf Jes 1,21 - 2 6 ; 10,33a+11,1 - 5 ; 28,14ff berufen, in welchen seiner Einschätzung zufolge „jesajanischen Einheiten Unheils- und Heilsaussage in einer sachlich wie formal komplexen Anlage miteinander verbunden sind." 100 Weil sich eine Argumentation, so sie sich mit all diesen entweder hinsichtlich der Abgrenzung oder in der Frage der Authentizität umstrittenen Texten auseinandersetzt, leicht des Zirkels verdächtig macht, beschränken wir uns auf die Überprüfung von Jes 31,1-4.8a, das laut H. Barth formal-inhaltlich dem Ariellied am nächsten stehen soll, 101 wobei es vor allem auf H. Barths Verständnis von V. 4 und seine Bestimmung von V. 8a als Abschluß des Stückes ankommt.

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S. oben S. 271. S. grundlegend G. Fohrer: Wandlungen S. 19 - 21; ausführlich wird das Problem erörtert bei W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 101-114; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 98-106. H. Barth: Jesaja-Worte S. 189. S. ders.: ebd.; diese Beschränkung ist auch insofern gerechtfertigt, als nur diese beiden Texte formgeschichtlich direkt vergleichbar sind. Eine H. Barth ähnliche Schichtung erreichen R. Fey: Amos S. 133-136 und O.H. Steck: Friedensvorstellungen S. 55 A.150.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Die Probleme hinsichtlich Jes 31,4 liegen ähnlich wie bezüglich Jes 29,5bß.6: Soll man das Bild inhaltlich m i t d e n V . l - 3 i n Verbindung bringen und als Drohung gegen Jerusalem auffassen oder entspricht es in seiner Aussage V. 5, der offenkundig heilvollen Charakter bezeugt. 102 Die Deutung ist umstritten, zumal der Abschluß in V. 4, der das Löwenbild deutet, eine syntaktische Ambiguität enthält: Steigt Jahwe herab zum Kriegsdienst gegen den Zion (bv X3üb)103 oder steigt er herab auf den Zion zum Kampf (bv τι'') 104 ? Die Frage wird lebhaft diskutiert, letztlich muß man sich eingestehen, daß alle Argumente, so die hinsichtlich des Metrums oder der Stellung des Zakkev parvum, sich der Deutung des Kontextes unterzuordnen haben. 105 H. Barth trägt nun seinerseits Bedenken vor, „ob die Alternative Unheils- oder Heilswort für V4 überhaupt sinnvoll und zutreffend ist. Da V4 unbestrittenermaßen jesajanisch ist, gilt es für seine Interpretation nämlich, die Eigenart jesajanischer Heilserwartung zu berücksichtigen: Jesaja kennt keine unbedingten Rettungs- und Heilszusagen für die Menschen in Jerusalem und Juda; seine Heilserwartung ist vielmehr von vornherein, jedenfalls potentiell, gegenwartskritisch; entspricht das menschliche Verhalten nicht der Forderung Jahwes, so verbindet sich in Jesajas Sicht Jahwes Heilshandeln mit dem Vollzug seines Gerichts. In diesem Licht betrachtet ist für Jes 31,4 die Alternative Unheils- oder Heilswort in der Tat als unangemessen anzusehen, und die Mehraspektigkeit des Bildes ist Ausdruck einer auch in der Sache differenzierten Sicht: Jahwe ,zieht' hier gegen den Zion zu Felde' (... und solches Vorgehen beinhaltet auf jeden Fall ein Handeln zur Vernichtung (der ,Löwe' kauert über der von ihm geschlagenen ßeute'\); aber neben diesem Unheilsaspekt steht ein Heilsaspekt: Wie der Löwe sich seine Beute nicht streitig machen läßt, so läßt auch Jahwe den Zion nicht in die Hände der Fremdvölker, hier der Assyrer, fallen; Jahwe bewahrt den Ort, an den er sich gebunden hat, vor einem selbstmächtigen Übergriff seines Gerichtswerkzeuges."106

Die Bedenken gegen diese Synthese der unterschiedlichen, von Beobachterproblemen provozierten Auffassungen von V. 4 sind erheblich: I.) Trifft es zu, daß V. 4b eine syntaktische Ambiguität eignet, bedeutet das nicht, daß der Verfasser eine mehrdeutige Aussage intendierte. 107

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Als Verheißung verstehen Jes 31,4 u.a. G. Beer: Zukunftserwartung S. 16; B. Duhm: Jesaja 5 S. 231; G J . Botterweck: Gott und Mensch S. 121; O.H. Steck: Friedensvorstellungen S. 55 A.150; R. Fey: Amos S. 134-136; J. Schreiner: Sion-Jerusalem S. 244ff; H. Wildberger: Jesaja III S. 1240f, als eine Drohung dagegen K. Marti: Jesaja S. 231f; O. Procksch: Jesaia S. 406f; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 183-185; J. Vollmer: Rückblicke S. 174; J. Vermeylen: Prophfete I S. 422; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 80f. S. R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 79; vgl. Num 31,7; Jes 29,7f; Sach 14,12. S. O. Kaiser: Jesaja II S. 251. Anzumerken bleibt freilich, daß ein Bezug des t>5> zu TT1 nicht notwendig ein heilvolles Verständnis impliziert. H. Barth: Jesaja-Worte S. 84. Es wäre m.E. ein Trugschluß anzunehmen, daß der Verfasser von V. 4b mit diesem Satz beide Möglichkeiten anvisiert hat. Nur auf Grund dessen, daß die Exegeten verschiedener Meinung sind, läßt sich diese Annahme nicht rechtfertigen. Ambiguität und

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

289

2.) Das Löwenbild unterscheidet drei Gruppen: den Löwen, die Beute, die Hirten. Nach H. Barth sind die Hirten mit Assur zu identifizieren.108 Dies unterstellt, ist das Bild eindeutig: Die Assyrer als die Hirten sind im Begriff, Jahwe als dem Löwen Zion als seine Beute streitig zu machen. Gemäß dieser Deutung ist dann auch V. 4b erklärt: Jahwe steigt herab nach Jerusalem zum Kriegsdienst (gegen Assur). Wäre dies richtig, bestünde aber zwischen V. 4 und V. 1 - 3 keinerlei Bezug, denn in V. 3 finden sich zwar ebenfalls drei Gruppen, nämlich Jahwe, die Hilfesuchenden und die Helfer, nicht aber Assur. Natürlich, so kann man einwenden, Assur ist in V. 1 - 3 explizit nicht genannt, aber doch wohl vorausgesetzt. Ähnlich wie in Jes 29,1-8* muß ein solcher Einwand als Konstruktion abgewiesen werden: Denn wie in Jes 29,2f ist von einem Gerichtswerkzeug Jahwes nicht die Rede, es mag zwar vorausgesetzt sein, wird aber nicht zum Thema. Thema der V. 1 - 3 ist vielmehr, daß sich angesichts einer Kriegsgefahr Menschen um politische Bündnisse bemühen, anstatt auf ihre eigene Stärke zu vertrauen, ihren Gott. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, von wem diese Kriegsgefahr ausgeht. Ebensowenig Bedeutung kommt der Frage zu, wie Jahwe auf Grund des Fehlverhaltens jener Menschen, die auf Bündnisse vertrauen, sein Unheil vollziehen wird. Mit V. 4 ergibt sich damit aber nicht nur ein Umschwung zum Heil, sondern auch ein Themenwechsel.109

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intendierte Ambivalenz sind in dieser Frage streng auseinanderzuhalten. Beispielsweise ist ein Satz wie „die Wahl des Papstes fand Beifall" nicht ambivalent, sondern stellt ohne den zum Verständnis notwendigen Kontext, aus dem hervorgehen kann, daß es sich um eine Papstwahl oder etwa eine Bischofsernennung durch den Papst handelt, eine syntaktische Ambiguität dar, weil ohne Zusammenhang nicht klar ist, ob „des Papstes" als Gen. subj. oder obj. aufgefaßt werden soll. In Jes 31,4 dagegen ist ein Kontext gegeben, aber eben ein doppelter: die V. 1 - 3, die in V. 4 die syntaktische Verbindung by X3S möglich erscheinen lassen, und V. 5, der zu bv τ ι - tendieren läßt. Eher ist J.C. Exum [Broken Pots S. 338] im Recht, der V. 4 als Gerichtsaussage versteht, die durch V. 5 umgedreht wird. S. H. Barth: Jesaja-Worte S. 86. Mit dieser Identifikation hat er freilich die eingangs vorgetragene Einsicht, „daß das Bild nicht wie eine Allegorie Zug um Zug ausgelegt werden kann" (S. 83), zu einem guten Stück wieder aufgegeben. Dies rechtfertigt auch unsere Überlegung der Identifikation der Hirten mit den Ägyptern. Natürlich ist auch in dieser Argumentation ein gewisser Zirkel nicht zu umgehen: Wenn man Jes 31 und Jes 29 wie H. Barth aufeinander bezieht und in ihnen Ähnlichkeiten entdeckt, kann man nur vom einen auf das andere und vom anderen auf das eine argumentieren. Wenn wir also schon hinsichtlich Jes 29,1-8* skeptisch sind, dann macht sich diese Skepsis auch in Jes 31 bemerkbar. Dabei spielt weniger die Skepsis gegen die Einheitlichkeit als vielmehr gegen die Authentizität eine Rolle. Versteht man wie H. Barth diese formgeschichtlich komplexen Einheiten als jesajanische Reden, muß man damit die Einsicht verbinden, daß Jesaja seine Hörer gründlich überfordert hat. Ist es vorstellbar, um nochmals auf das schon diskutierte Beispiel Jes 5,1 - 7 zurückzukommen (vgl. oben S. 275), daß ein Redner Einheiten wie Jes 5,1-7 und daneben solche wie Jes 29,1-7 oder Jes 31,l-4+8a schafft? Spricht die postulierte Ambivalenz nicht für Einheiten, die zum Lesen geschaffen wurden, weisen sie nicht hin auf eine Schreibtischarbeit? - Solche Einwände können immer entkräftet werden. Kein Dichter verfaßt nur Stücke von gleicher Qualität, jeder Redner hat schon einmal seine Hörer überfordert.

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III. Literarkritische Entscheidungen in Jes 29,1-8*

Will man V. 4 dagegen auf V. 1 - 3 beziehen und damit als Fortsetzung des Drohwortes verstehen, ergibt sich folgende Bilddeutung: Jahwe als der Löwe läßt sich in der Durchsetzung seines Gerichtswillens an Jerusalem als der Beute von den zum Schutz der Stadt angeforderten Ägyptern als den Hirten nicht abbringen.110 3.) Die Identifikation der Assyrer als den Hirten erweist sich als höchst unwahrscheinlich: Der Wirklichkeitsbereich, dem der Vergleich entnommen ist, determiniert nicht nur den Löwen als den Aggressoren, sondern auch die Hirten als „Hüter". Die Interpretation H. Barths setzt eine dem Erfahrungsbereich gegenläufige Aussage voraus, die es erfordert, daß Feinde Judas/Jerusalems selbst in einem Bild als Hirten bezeichnet werden können, wofür es m.W. keine Parallele im AT gibt.111

Was nun V. 8a betrifft, ist folgendes deutlich: Allein wenn das „in V8a explizit thematisierte Assur [...] im V4 in den,Hirten', die dem Löwen die Beute entreißen wollen, bereits im Blick"112 ist, kann V. 8a als Fortsetzung von V. 4 angesehen werden. Weil aber m.E. in diesem Fall V. 4 sich von V. 1 - 3 inhaltlich (Heilsaussage) und thematisch (Assur) abhebt, spricht letztlich auch nichts gegen eine Zusammengehörigkeit von V. 4 und V. 5. Zwar ist auch in V. 5 eine Feindesgröße nicht explizit genannt, aber doch deutlich im Schirmen Jahwes vorausgesetzt. V. 8a ist in diesem Fall, „die konsequente, sachlich notwendige Fortführung von V 4 " m und ebensogut von V. 5. Damit ergibt sich unter der Voraussetzung von V. 4 als heilvollem Bild, daß die in MT belegte und durch die wohl redaktionelle Formel unterstrichene Zäsur zwischen V. 1 - 3 und V. 4 - 9 berechtigt ist und insofern zwei verschiedene Stücke anzunehmen sind. Wahrscheinlicher erscheint m.E. gerade wegen des Löwenbildes die entgegengesetzte Auffassung von Jes 31,4. Dann wäre es immerhin möglich nach einem Bezug von V. 4 zu V. 1 - 3 zu fragen. V. 5 wäre dann eine Umdeutung der ursprüngli-

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Es ist aber eine Frage, ob ein Lösungsversuch sinnvoll aufrechterhalten werden kann, der eine Unzahl von Einwänden auf sich zieht. Ob Juda zur Beute oder den Hirten gehört, mag offenbleiben, wahrscheinlicher ist wohl die erstgenannte Möglichkeit. Diese Deutung - das gilt es einzugestehen - steht vor einer gewissen Schwierigkeit bei der Verhältnisbestimmung von Bild- und Sachhälfte. Das Bild weist dem Löwen eine Defensivrolle zu, V. 4b handelt aber von einer Actio Jahwes. Von daher ist B. Duhms [Jesaja 1 S. 208] Streichung von V. 4b verständlich. O. Kaiser [Jesaja II S. 252] setzt dagegen, auch nicht ohne Berechtigung, diese Störung „auf das Konto eines wohl in seinen Absichten, nicht aber in ihrer Durchführung eben starken Dichters" (vgl. dazu schon oben S. 34). Zumindest im 8. Jh. - die Authentizität von V. 4 einfach vorausgesetzt - dürfte das Bild nur als Drohung zu verstehen sein. Schon der „Löwe" ist in dieser Zeit determiniert; s. J. Vollmer: Rückblicke S. 174 A.200; zu Hos 11,10 s. W. Rudoph: Hosea S. 208 -219. H. Barth: Jesaja-Worte S. 86. Ders.: ebd.

2. Die Grundsatzfrage der Literarkritik

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chen Aussage von V. 4, ermöglicht durch die syntaktische Ambiguität von V. 4b. Steht nach dem Dargelegten hinsichtlich V. 4b lediglich in Frage, ob der Vers eine Aussage zugunsten oder zuungunsten Jerusalems birgt, nicht aber, ob er beides zum Ausdruck bringt, ist für Jes 29,1-8 in der Konsequenz festzuhalten, daß die wesentliche Stütze H. Barths für die Einheitlichkeit von Gericht und Rettung bei Jesaja nicht trägt. Jesaja mag zwar Gericht und Heil verkündet haben, für das Ineinander von Gericht und Heil in einer Art und Weise, die der von Jes 29,1-8* ähnlich wäre, fehlt jegliche Parallele. Sollten angesichts dieser Ausführungen noch Zweifel darüber bestehen, ob nicht doch Jes 31 ursprünglich die V. 1 - 4 + 8 a aufgewiesen habe, sind im folgenden noch ein paar wenige Argumente gegen die Vergleichbarkeit von Jes 31,1 -4*8a und Jes 29,1-7 darzulegen. H. Barth charakterisiert die Verwandtschaft der beiden von ihm postulierten Einheiten wie folgt: „In beiden Fällen läuft ein Wehe-Spruch auf eine Heilsaussage aus; hier wie dort führt Jahwe das Unheil durch historisch-politische Mächte herbei, und sein Gericht gilt den Frevlern in seinem Volk; das Heil besteht jeweils in der Bewahrung des Zion, und zwar vor dem (eigenmächtigen) Übergriff ebenjener Völkergrößen, die zuvor noch Werkzeug des Gerichtes Jahwes waren." 114 1.) Das Gericht gilt in Jes 29,1-8 primär nicht den Frevlern, sondern Ariel, - und das bedeutet auch bei H. Barth - ganz Jerusalem. Damit zumindest ein indirekter Bezug zwischen Jes 31 und Jes 29 hergestellt werden kann, ist die textkritisch streng nicht zu fällende Emendation in V. 5a notwendig und die daraus resultierende Störung als literarkritisch irrelevant abzuweisen. 2.) Gerade wenn man sich wie H. Barth auf die Gemeinsamkeit hinsichtlich des „Wehe-Spruchs" beruft, sollte man die Unterschiede zwischen beiden nicht außer Acht lassen. Jes 31 kann als typischer prophetischer Weheruf aufgefaßt werden, Jes 29,1 dagegen nicht. 3.) Die Gerichtswerkzeuge sind im einen Fall ,,Völker"(29,7), im anderen Fall ist es „ A s s u r " (31,8a). 4.) „Assur" verfällt dem Gericht (31,8a), über das Schicksal der „Völker" wird dagegen keine Aussage gemacht (29,7).

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H. Barth: Jesaja-Worte S. 189. Was die Darstellung der Funktion der Völker betrifft, ist die Interpretation, wie schon oben erörtert (s. oben S. 271-275), schief. Daß das Unheil durch historisch-politische Mächte herbeigeführt wird, steht so nicht im Text, vielmehr ist die Betonung so sehr auf Jahwe gelegt, daß die Völker gar nicht zum eigenständigen Thema werden. In den Text hineingelesen ist auf jeden Fall der eigenmächtige Übergriff der Völker. Wenn Jahwe, wie in Jes 29,2f vielfach vorausgesetzt, an der Spitze eines Völkerheeres steht und die Belagerung Jerusalems leitet, dann ist die Eroberung der Stadt zu erwartende Folge und nicht eigenmächtiger Übergriff der Völker. Das Postulat der Eigenmächtigkeit, das weder in Jes 29 noch in Jes 31 bezeugt ist, sondern wiederum aus anderen Texten auf diese bezogen wird, soll doch nur das paradoxe Handeln Jahwes von seiner Anstößigkeit befreien, die jedoch nur für den besteht, der beide Texte als Einheit von Gericht und Rettung auf Jesaja zurückführen will.

IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung Wird in der literarkritischen Analyse für die Einheitlichkeit und Authentizität von Jes 29,1-7 bzw. 8 plädiert, ist für die Bedingung der Möglichkeit nicht nur auf das Profil jesajanischer Heilserwartung zu rekurrieren, das als Echtheitskriterium die literarkritische Scheidung zu blockieren vermag, sondern auch der Nachweis zu führen, daß einer Einheit wie Jes 29,1-7 (oder 31,1-4+8a bei H. Barth) keine formgeschichtlichen Hindernisse im Wege stehen. Mithin stellt sich die Frage, ob die Kehre zum Heil in mit "»in eingeleiteten prophetischen Stücken zur Zeit Jesajas überhaupt als sinnvolle Möglichkeit denkbar ist. Darüber hinaus ist zu klären, ob Jes 29,1-8 als einer ursprünglichen Einheit alttestamentliche Parallelen zum darin verarbeiteten Völkerkampfmotiv an die Seite zu stellen sind.

1. Jes 29,1-8

und der alttestamentliche Weheruf

a) Zum alttestamentlichen "ΊΓτ-Ruf Man hat sich in der Forschung der sechziger und siebziger Jahre lebhaft bemüht, die mit „Wehe" eingeleiteten Worte als eigenständige prophetische Gattung zu etablieren. Dieses Unternehmen scheint gescheitert zu sein, man kehrt auf anderer Ebene zu der vormaligen Auffassung zurück, es handle sich bei den Weherufen um eine Sonderform des prophetischen Scheltwortes und damit um „eine Form der Einleitung eines Profetenspruches unter vielen"1: Den Fortschritt gegenüber der älteren Forschung zeigt das Ergebnis der Monographie C. Hardmeiers an, in der die prophetischen Klagerufe ("ΊΠ + Nomen) als Stilkonstante einer prophetischen Trauermetaphorik bestimmt werden.2 Dieses Ergebnis trägt der Unklarheit Rechnung, die in den gattungskritischen Untersuchungen deutlich zutage trat: Über den "Hrr-Ruf selbst hinaus, der in der Prophetie in der Grundform "nrr + Part, begegnen soll, liessen sich keine Strukturelemente eines Wehe-Wortes ausmachen, die als Grundform oder Gattungsmuster hätten angesprochen werden können. In der Diskussion hat man sich vor allem um die Klärung der Herkunft des prophetischen Weherufes bemüht. Nach der die Fragestellung

1 2

H.-J. Krause: hdj S. 16. S. C. Hardmeier: Texttheorie, bes. S. 375 -388.

1. Jes 29,1-8 und der alttestamentliche Weheruf

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aufwerfenden These C. Westermanns, nach der er seinen Ursprung in dem der Rechtspraxis einbezogenen Fluch haben soll,3 haben sich zwei Grundpositionen gebildet, von denen die eine den prophetischen Weheruf als Übernahme aus der Sippenweisheit, die andere als prophetische Abwandlung der profanen Totenklage bestimmt.4 Die Unterschiede zwischen den Auffassungen sind nicht all zu erheblich, weil auch die erste Position vielfach die Herkunft aus der Totenklage einschließt, aber anders als die zweite in der Sippenweisheit eine Übermittlungsinstanz von der Totenklage zum festgefügten prophetischen Weheruf annimmt.5 Bei der Beantwortung spielen insbesondere zwei Fragen eine Rolle, ob nämlich 1.) "'irr je nach Belegung ein unterschiedliches Bedeutungsspektrum entfaltet, und 2.) ob "'in und "nx zu unterscheiden sind. Zu 1.) "ΊΓΓ ist im AT an 51 Stellen im MT belegt.6 Lexikographisch wird diese Partikel recht verschiedenartig behandelt: So unterscheidet etwa G.-B.17 ·ηγγ als Interjektion der Drohung, der Trauer, des Ermahnens und der Erregung.7 Dagegen differenziert HAL das Wörtchen nach drei Arten des Vorkommens: 1. bei der Qina, 2. als schmerzlicher Drohruf des Propheten und 3. aufmunternd: ha!8 Fragt man danach, wo ·ίπ als aufmunternde Interjektion begegnet, zeigt sich im Blick auf die Forschung ein gewisses Dilemma 9 Allein hinsichtlich Jes 55,1 und Sach 2,10 läßt sich ein Konsens ausmachen, Jes 1,24; 17,12; 18,1; Jer 30,7; 47,6 und Sach 2,11 stehen in Diskussion. Daß eine Bedeutungsvielfalt für "in angenommen wird, hängt scheinbar mit den Schwierigkeiten zusammen, die sich für den prophetischen Wehe-Ruf ("in + Nomen) in der üblichen phrastischen, d.h. satzhaften, Wiedergabe, die das auf "•"irr folgende Nomen dativisch oder präpositional auffaßt, ergeben haben. C. Hardmeier hat gezeigt, wie sich in solchen Wiedergaben die Übersetzungstradition und das Vorbild der neutestamentlichen Weherufe ausgewirkt hat,10 und dies, obwohl „die hebräischen Quellentexte entsprechende Kasusindikatoren (b oder bv) in den fraglichen Tex-

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S. C. Westermann: Grundformen S. 142. Verbindungen zum Fluch stellen je unterschiedlich auch folgende Exegeten her: S. Mowinckel: Psalmenstudien V S. 2; G. Fohrer: Prophetie und Magie S. 255; R J . Clifford: Use S. 459; J.L. Crenshaw: Influence S. 47f; H. Wildberger: Jesaja I S. 182. S. R J . Clifford: Use S. 459; H.-J. Krause: hdj S. 44f; E. Otto: Stellung S. 74; vgl. auch G. Wanke: "nx. S. E. Gerstenberger: Woe-Oracles S. 261; W. Schottroff: Fluchspruch S. 119; H.W. Wolff: Amos' geistige Heimat S. 16; ders.: Amos S. 286f. In Am 5,7; 6,13; Jes 5,23; Hab 2,5; Jer 15,18 wird "in vielfach konjiziert. Diese Stellen bleiben unberücksichtigt. S. G.-B. 17 zum Terminus S. 177. S. HAL I zum Terminus S. 232; vgl. die Definition bei H.-J. Krause: hdj S. 15 A.3. S. dazu die Einordnungen bei R J . Clifford: Use S. 458; Ε. Gerstenberger: Woe-Oracles S. 251; HAL I sub voce "in S. 232; E. Jenni: Art. "in Sp. 475.; W. Schottroff: Fluchspruch S. 113; G. Wanke: -ix S. 217; H.W. Wolff: Amos S. 285 A.l; H.-J. Zobel: Art. -in Sp. 383. S. C. Hardmeier: Texttheorie S. 169f.

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IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung

ten durchweg vermissen lassen" und „noch nie jemand die syntaktisch gleich strukturierten Vorkommen des zeremoniellen Totenklagerufs dativisch bzw. präpositional übersetzt hat." 11 Hat man sich erst einmal von der Übersetzungstradition gelöst, scheint die Annahme verschiedener Partikeln ήγγ entbehrlich zu sein. So geht die Tendenz in einschlägigen Monographien jüngerer Zeit dahin, von der Annahme einer von όπ als Weheruf zu unterscheidenden Interjektion abzurücken. W. Janzen negiert eine Bedeutungsvielfalt des "Πΐτ und führt sämtliche Belege auf das ,-in der Totenklage zurück.12 Das hat jedoch zur Folge, daß er für die in ihrer Bedeutung umstrittenen Belege wie Jes 17,12; Jer 30,7; Sach 2,10bis „one-wordZio^-formulae"13 annehmen muß. Diese These wird begünstigt von der Grundannahme W. Janzens, daß das prophetische ''in wie das der Totenklage im „personal, addressee-directed speech of the prophet" 14 Verwendung fand, das er selbst in jenen Weherufen voraussetzt, in denen ein Part, auf "Ίίτ folgt.15 Abgesehen von der Schwierigkeit, die Part, als Vokative auffassen zu können, ist zu fragen, ob die Annahme von „Ein-Wort-Wehe-Formeln" wirklich gesichert ist, zumal W. Janzen selbst für Jes 55,1 vermutet, dort sei "in scheinbar „no more than a call to attention" 16 . Wird solcherlei für einen Beleg vermutet, kann überprüft werden, ob Entsprechendes auch auf andere Belege wie gerade Jes 17,12; Jer 30,7; Sach 2,10bis zutrifft. Für die Diskussion ist natürlich auf Grund der komplizierten Sachlage zu erwarten, daß es bei unterschiedlichen Lösungen als dem Ausdruck eines Bestätigungsdilemmas bleibt. Anders als W. Janzen weist C. Hardmeier aus sprachtheoretischen Erwägungen das Vorliegen verschiedener "'in-Partikeln zurück. S.E. „werden Homonymien besonders in ein und demselben Paradigma aus sprachökonomischen Gründen [...] tendenziell vermieden, dh es erfolgt je nach Bedarf, vor allem wenn sich die Anwendungsbereiche überschneiden, eine Ausdrucksdifferenzierung, um ein zu großes Maß an Mehrdeutigkeit auszuschließen. Aus diesem Grunde ist methodisch von der Einheitlichkeit der virtuellen Bedeutung eines Ausdrucks auszugehen. Eine Bedeutungsanalyse, die ohne die Annahme von Homonymien auskommt, ist auf jeden Fall vorzuziehen."17

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C. Hardmeier: Texttheorie S. 169. S. W. Janzen: Mourning Cry S. 19-21. Ders.: Mourning Cry S. 21. Ders.: Mourning Cry S. 22. S. ders.: Mourning Cry S. 23: „it is very likely that at least some of the participles following upon hoy are intended as vocatives in a life context of direct confrontation." Dies ergibt sich W. Janzen nicht nur aus dem Kontext einiger Weherufe, in denen auf das Part, eine Anrede folgt, sondern auch aus Weherufen mit folgendem Nomen sowie aus der Ableitung des "ΊΠ aus der Totenklage. Ein Part, als Vokativ auffassen zu können, hält W. Janzen angesichts G.-K.28 § 116s für grammatikalisch nicht unmöglich (S. 23 A. 81). Gerade die Partizipien mit Art. versteht er wiederum mit G.-K.28 (§ 126e) als „vocative in nature" (ebd.) Angesichts dessen trifft die Kritik von H.-J. Krause [hdj S. 46] keineswegs den Kern des Problems: „Leider verwendet Janzen den Begriff der ,Adresse'(81) recht unkritisch, denn er verfälscht das Bild insofern, weil im hdj-Spruch gerade nicht eine Anrede (2. f. m. sg. pl.) erfolgt!" W. Janzen: Mourning Cry S. 20 A.69. C. Hardmeier: Texttheorie S. 171. Daß dieser Sachverhalt mehrfach dargelegt wird, macht hellhörig, s. ferner S. 190f und S. 200.

1. Jes 2 9 , 1 - 8 und der alttestamentliche Weheruf

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Daß Homonymien tendenziell in ein und demselben Paradigma vermieden werden, ist unstrittig, aber trotzdem gibt es sie. 18 Bei den Interjektionen ist Homonymie sogar eher die Regel. 1 9 Deren Bedeutung läßt sich lediglich in der Kommunikation direkt erfassen, nach der Verschriftung aber allein aus dem Kontext der Aussage erheben. Fraglich ist vor allem, ob ''irr als Inteijektion den dargelegten methodischen Anforderungen C. Hardmeiers unterzogen werden muß, da eine Interjektion keine lexikalische Bedeutung im strengen Sinne hat, 20 und ob letztlich selbst C. Hardmeier entgegen seiner „gattungs"-kritischen Sicht auf Grund der Vorfindlichkeit der "on-Rufe im prophetischen Schrifttum einer gattungstheoretischen Bestimmung insofern unterliegt, als er vom Genre „prophetische Verkündigung" (und nicht vom Sprachparadigma) auf eine Bedeutungseinheit von schließt. Von einer Homonymie kann man hinsichtlich 'irr überdies nur sprechen, wenn die masoretische Vokalisation als bindend vorausgesetzt wird. Es ist aber gar nicht gesagt, daß 'irr als Ruf der Totenklage mit einem zur Aufmerksamkeit mahnenden Ruf ,-irr homophon gewesen sein muß. Was uns der Konsonantentext bietet, ist lediglich eine Homographie. 21 Zu 2.) Wie "nn wird auch ' i x im Deutschen zumeist mit „Wehe" wiedergegeben. Diese Partikel kommt 23x im MT vor, in Koh 10,16 wird sie konjiziert und Ps 120,5 wird mit dem längeren m x meist in die Untersuchung miteinbezogen. Für die formgeschichtliche Untersuchung eines alttestamentlichen Weherufes ist es nun von weitreichender Bedeutung, ob dieser unterschiedslos aus den Belegen von und "".χ erhoben werden kann, oder ob die beiden Partikel in dieser Frage auseinanderzuhalten sind. In Auseinandersetzung mit E. Gerstenberger und H.W. Wolff 22 , die gleichermaßen von einer unterschiedslosen Verwendung der beiden Partikeln ausgingen, hat hierzu G. Wanke das Nötige dargelegt. 23

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S. C. Hardmeier: Texttheorie S. 171 A. 32 mit dem Beispiel „ r e i f . Weitere : „Kiefer", „Kreuzer", „Mark", „Ton" und eben „Wehe": Differenzierung erfolgt hier durch verschiedene Artikel: die Wehe - das Wehe, wobei „die Wehe" einerseits das schmerzhafte Zusammenziehen der Muskeln der Gebärmutter bei der Geburt bezeichnet (etym. wohl von „Wehe" als Ausdruck des Schmerzes), andererseits vom Wind Verwehtes. Man denke nur an ha! als Ausdruck der Erheiterung (meist verdoppelt: haha), des Erstaunens (vgl. hoi), des Erschreckens dritter und des Fragens (vgl. h e ). S. H. Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft sub voce „Interjektion" S.216f; vgl. A. Angermeyer: Inteijektion, bes. S. 41. Entsprechendes gilt auch für die Interjektionen in Beziehung auf reine Synonymie (s. C. Hardmeier: Texttheorie S. 191) die C. Hardmeier für die fünf emotional-affektiven Partikeln (e-a Partikeln) im AT ausschließt, deren Bedeutungen er a priori auflistet. 'in kann m.E. u.a. folgendermaßen vokalisiert werden: •• "irr, -"in, 'in (vgl. die syrische Parallele bei HAL I sub voce "in S. 232), "irr. Diesbezüglich gilt es auch, den Befund der LXX zu beachten: '"in wird dort zumeist mit ούαί wiedergegeben (vgl. E. Jenni: Art. "Vr Sp. 477) l l x aber auch mit ώ bzw. ώ (mit ο ί μ ο ι in Jer 22,18 inc.). ούαί seinerseits steht in LXX aber nicht nur für 'irr, sondern auch für "Ίχ, "Χ, ϊγτ, -π sowie rtifr, ώ bzw. ώ für arjx, Ί χ , Π3Χ, nn und 'Ή. Das bedeutet wohl nicht nur, daß sich bestimmte Interjektionen in ihrer Bedeutung überlagern, zumal in verschiedenen Sprachparadigmen, sondern auch, daß die Interjektionen selbst nicht nur einen Sinngehalt bezeichnen. S. E. Gerstenberger: Woe-Oracles; H.W. Wolff: Amos' geistige Heimat S. 12-23. S. hierzu und zum Folgenden G. Wanke: ΊΧ (vgl. den entsprechenden Literaturhinweis m G.-MD. 18 I zum Terminus "ix S. 22. Daß C. Hardmeiers Monographie bei den Lite-

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a) Anders als die "ΊΠ-Rufe (""lit + Nomen, meist Part.) läßt sich für die OX-Rufe in der Mehrzahl der Fälle die Form ,fiX + b (suff.) + 'S (+ Begründungssatz) ausmachen. Überlagerungen in der Syntaxstruktur sind dabei selten.24 b) Die Streuimg der Belege von ,-ix und '"in im AT weist Unterschiede auf: Mit Ausnahme von I Reg 13,30 finden sich alle Belege für "nn im prophetischen Schrifttum, "ΊΧ und seine Polygraphien "'X und m x dagegen finden sich daneben noch in Prov 23,29; Koh 4,10; 10,16 ('X); Num 21,29; 24,23; I Sam 4,7.8; Ps 120,5 ( m x ) und Thr 5,16. c) Der syntaktische Unterschied läßt auf verschiedene Verwendungszusammenhänge von "ΊΧ und "on schließen: "ΊΧ + b + Suff, der 1. Pers. sing./plur. erscheint als Angst- oder Klageruf, der durch eine unerwartete oder scheinbar unabwendbare Unheilssituation des Sprechers provoziert wird, die durch den mit Ό eingeleiteten Satz bezeichnet wird. Mit Suffix der 2. oder 3. Pers. sing./plur. nähert sich die Bedeutung der Drohung an, die wie im ersten Fall durch eine bestimmte Unheilssituation begründet wird. Demgegenüber ist *vt entweder Klageruf über Tote oder Klageruf über Lebende, die für den Sprecher schon im Tode sind. Im zweiten Fall erhält die Partikel drohenden Charakter. Wenn überdies das „Wehe" bestimmten Personen oder Personengruppen gilt, deren Verhalten durch Part, oder Adj. zum Ausdruck gebracht wird, liegt es nahe, dieses Verhalten als Anlaß des Totenklage-Rufes zu verstehen. Demgemäß ergibt sich für G. Wanke: „Das wohl ursprünglich der Totenklage zugehörige "Ίγγ soll deutlich machen, daß einem bestimmten menschlichen Verhalten der Keim des Todes bereits innewohnt."25 C. Hardmeier hat G. Wankes Auffassung eines syntaktischen Unterschiedes einer Kritik unterzogen, ohne vollkommen zu überzeugen.26 Er zählt "ΊΠ und "'"ix zu den emotional-affektiven (e-a) Partikeln im Althebr., denen noch rrnx (nn), xix (nix) und nxn (nx) zugehören sollen. Mit dem Begriff der e-a Partikeln umgeht C. Hardmeier einerseits den der Interjektion, der per definitionem auf die aphrastische Verwendung eingeschränkt ist, und legt andererseits den Gehalt der Partikeln auf den emotional-affektiven Gehalt fest, schließt also einen primär appellativen Gehalt aus.27 Zu fragen ist dann aber, ob die Umdeutung der Interjektionen des Althebr. als e-a Partikeln nicht als notwendig bewiesen werden müßte. C. Hardmeier „tauft" die als Interjektionen in den Grammatiken behandelten hebr. Lautgebärden lediglich neu, begründet aber nicht, weshalb nur ein emotionalaffektiver Gehalt und nicht auch ein appellativer diesen entspricht. Auch C. Hardmeiers Begründung phrastischer und aphrastischer Verwendung der Partikeln überzeugt nicht, weil seine Exempel in dieser Beziehung kaum von Belang sind. So führt er als Beispiel an: „(1) Aua! Das tut mir weh! (2) Ich habe Aua."(S. 177) Aua! auch Au! Autsch! einige Polygraphien eingerechnet - ist nun im Deutschen keineswegs eine e-a Partikel im Sinne C. Hardmeiers, sondern eine e-a Interjektion, die per definitionem nur aphrastisch verwendet wird. Zwar ist die phrastische Variante (2) bei C. Hardmeier empi-

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raturhinweisen nicht berücksichtigt wird, erscheint mir als ein unerfreuliches Versäumnis (s. aber wenigstens die Rez. C. Hardmeiers von H.-D. Preuß: Linguistik S. 26). ΌΧ wird in Num 24,23; Ez 24,6.9 ohne b konstruiert, 'in dagegen mit Präp. in Jer 50,27; Ez 13,3 (bv), in Jer 48,1 (bx) und Ez 13,18 (b). G. Wanke: ^X S. 218. S. hierzu und zum Folgenden C. Hardmeier: Texttheorie. S. C. Hardmeier: Texttheorie S. 176. Diese Einschränkung läßt sich von der Definition A. Gardiners her, die C. Hardmeier heranzieht, kaum rechtfertigen.

1. Jes 29,1-8 und der alttestamentliche Weheruf

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risch zu belegen, sie stellt aber keine Normalität der Kommunikation und damit der Grammatik dar. 28 Vielmehr ist (2) nicht nur auf Grund einschlägiger Erfahrungen, sondern wohl auch aus grammatikalischen Einsichten als Kindersprache zu identifizieren. Diese Identifikation ergibt sich auf Grund dessen, daß eine (lediglich aphrastisch verwendbare) Interjektion in einem Satz als Akk.-Objekt fungiert. C. Hardmeiers zweites Beispiel „hallo!" (S. 177) ist ebenfalls zurückzuweisen: „Hallo!" wird als appellative Interjektion nicht phrastisch verwendet.29 Das Gegenbeispiel „es gab ein großes Hallo." zeigt nur, daß die Möglichkeit besteht, daß eine Interjektion substantiviert werden kann. In diesem Fall liegt dann aber keine Interjektion mehr vor, sondern nur noch ein indirekter Bezug zu einer bei einem bestimmten Anlaß vielfach verwendeten Interjektion. Daß es solche Übertragungen gibt, berechtigt nicht zur Annahme einer bestimmten grammatikalischen Kategorie phrastisch und aphrastisch verwendbarer Partikel, weil die umgekehrte Entwicklung ebensogut nachweisbar ist.30 „Im Hui ist es vorbei" (ebd.) - C. Hardmeiers drittes Beispiel - scheint mir dagegen seine eigene Prägung zu sein, zumindest ist mir lediglich „Im Nu ist es vorbei" bekannt. Sollte es sich tatsächlich empirisch nachweisen lassen (was ja spätestens seit C. Hardmeier der Fall ist), dann wohl nur in Anpassung der Eltern an die Sprache ihrer Kinder wie etwa im folgenden Beispiel: .Jetzt geht es aber husch-husch ins Bett", wo die Interjektion ein superlativisches Adverb, z.B. „ganz schnell", ersetzt. Für C. Hardmeier ist mit diesen Beispielen der Nachweis phrastischer und aphrastischer Verwendung der e-a Partikeln erbracht, m.E. dagegen fehlt jegliche Begründung einer Partikel, die als Inteijektion oder als Satzglied zu verwenden wäre. Geht man noch einmal vom Deutschen aus, und schließt einen zu postulierenden Gehalt der Trauer in "ix und 'irr ein, läßt sich die Differenz einer Inteijektion und eines phrastisch verwendeten Ausrufes noch von anderer Seite her deutlich machen: „Weh!" steht für gewöhnlich in syntaktischer Beziehung „Weh mir/dir/ihm", „o weh!" dagegen aphrastisch. Diese Aphrastizität kann nur aufgelöst werden, indem „o" von „weh" isoliert wird und zur eigenständigen Interjektion wird: „o, weh mir/dir/ihm". Dagegen ist „o weh mir/dir/ihm" unmöglich. Ebensolches gilt für die lexikalisch nicht eindeutig bestimmbare Interjektion „ach" als Ausdruck der Trauer, des Mitleids, des fragenden Erstaunens (vgl. ja?). Auf Grund dessen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die syntaktische Formation von '"ix und •"in, die in der Vielzahl der Belege different ist, nicht doch einen signifikanten Unterschied dieser Partikeln offenlegt. Für die abnormalen Belege ist zumindest der Nachweis durchaus zu führen, daß es sich tatsächlich um Ausnahmen handelt. So ist Num 24,23, „der einzige Beleg für eine eindeutig aphrastische Verwendung" (S. 191) nämlich kaum signifikant dafür, daß "ΊΧ prinzipiell auch aphrastisch verwendet wurde.31

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Man stelle sich (2) im Kontext einer Arztkonsultation aus dem Munde eines Erwachsenen auf die Frage des Arztes nach dem Befinden vor. „Hallo dir" wäre höchst auffällig gegenüber „Hallo du", wobei „du" deiktisch zur Identifikation einer Person unter vielen diente oder fragend aufzufassen wäre. So dürfte „Mist" im Deutschen ein Nomen sein, das überwiegend metaphorisch für Fehler, Irrtum Verwendung findet und in dieser Bedeutung vielfach als Interjektion gebraucht wird, um Enttäuschung oder Wut auszudrücken. Man kann entweder eine Übertragung erwarten wie hinsichtlich „ein Bier!" im Kontext einer Restaurant-Bestellung (s. C. Hardmeier: Texttheorie S. 179) oder den Ausruf mit

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IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung

Was ·*ΊΓΓ mit folgendem Präpositionalausdruck betrifft, der in Jer 48,1; 50,27; Ez 13,3.18 vorliegt, muß dieser Befund ebensowenig auf eine prinzipielle aphrastische und phrastische Verwendbarkeit von ,- in zurückgeführt werden. Weil 'in ohne Kasusfunktionsbezeichnung im AT bei weitem überwiegt (47:4 Fälle), können die vier Belege durchaus als Ausnahmen gewertet werden, die eine sprachgeschichtliche Angleichung von 'ix und der Interjektion "ΊΠ voraussetzen. In diesem Zusammenhang kann auch auf die LXX hingewiesen werden, deren Übersetzer zwischen 'ix und 'in offensichtlich nicht mehr differenzieren konnten. Denn obwohl im Griechischen verschiedene Partikeln für die Übertragung "ΊΧ und , i n verfügbar waren, wurden beide hebr. Partikeln mit den verschiedenen, zur Verfügung stehenden griechischen Äquivalenten οίμοι, ούαί und ώ wiedergegeben.

Treffen diese Überlegungen zu, bleibt es legitim, verschiedene Bedeutungen für ""irr anzunehmen, und "HX- und "'ΊΠ-Rufe auf Grund ihrer syntaktischen Bildungsweise zu unterscheiden. Ob die unterschiedliche Streuung der Partikeln in den Büchern des AT repräsentativ ist, läßt sich zwar nicht entscheiden, was aber die Herkunft der "nrr-Rufe aus der Weisheit betrifft, steht dieser These gerade die Tatsache entgegen, daß in der Weisheitsliteratur dieser Ruf eben nicht belegt ist. Da sich überdies frühestens bei Jer, sicher aber erst bei Ez ein promiscue-Gebrauch der beiden Partikeln ausmachen läßt, und in diesem Stadium schon mit einer sprachgeschichtlichen Überlagerungsentwicklung gerechnet werden kann, sind "ΊΧ und "ΊΓΓ in ihrer ursprünglichen Verwendung zu sondern. Unter Ausklammerung der Belege für den zeremoniellen Klageruf ("'in + Adressat + Suff. 1. Pers. sing./plur.) und jener, die hinsichtlich der Frage nach einer Interjektion der Erregung umstritten sind, ergibt sich für den Weheruf folgender Befund: Auf "ΊΠ folgt ein Nomen im Nominativ (+ Erweiterungen nominaler und verbaler Art), das den Adressaten des Weherufs spezifiziert. Bis auf drei Ausnahmen (Jes 10,5; 29,1; Zeph 2,5) wird der Adressat durch das Nomen oder Erweiterungen als Träger bestimmter schuldhafter Verhaltensmerkmale charakterisiert. Ist diese Verbindung von Adressat und dessen Verhalten signifikant, bestätigt sich weitgehend G. Wankes Auffassung: "ΊΠ als Antizipation des zeremoniellen Klagerufs wird über Lebende ausgerufen, die auf Grund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens für den Sprecher schon im Tode sind. Da es sich bei der prophetischen Verwendung des Weherufes nicht um Tote, sondern um Lebende handelt, bedarf diese Antizipation der Totenklage einer Begründung. Fragt man danach, ob es sich bei den mit "'irr eingeleiteten Worten um eine eigenständige Gattung handelt, kommt man zu einem negativen

folgender Frage in Num 24,23 trotz der oberflächenstrukturellen Aphrastizität für tiefenstrukturell phrastisch halten: Das „Wehe" gilt allen, die die Frage verneinen. Da es sich aber um eine Suggestiv-Frage handelt, für die die Antwort „niemand" erwartet wird, ist der Befund "ΊΧ + Frage nichts weiter als eine pointierte Abwandlung der Aussage: Weh allen, denn niemand wird am Leben leben.

1. Jes 29,1-8 und der alttestamentliche Weheruf

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Ergebnis.32 Es zeigt sich, daß der Weheruf als Strukturelement verschiedener Gattungsmuster Verwendung finden kann. Am naheliegendsten ist auf Grund des Bezugs von Adressat und dessen Verhalten die Verwendung als Einleitung des prophetischen Gerichtswortes. In anderen Gattungen kann dann in der Tat dem Weheruf nur noch die Funktion einer Stilkonstante prophetischer Redeeröffnung zuerkannt werden. Von wesentlicher Bedeutung scheint aber zu sein, daß, obschon er als Element verschiedener Gattungsmuster fungieren kann, der Weheruf, dem zeremoniellen Klageruf ähnlich, eine formgeschichtlich in sich geschlossene Einheit zu bilden scheint.33 Denn wie der zeremonielle Klageruf ist auch der prophetische Weheruf •'irr + Adressat in sich gerundet. Er kann insofern als die kürzeste Form einer Unheilsankündigung angesprochen werden. Gerade wegen seiner Kürze ist es nur zu verständlich, daß er nicht einzeln gesprochen und überliefert, sondern in größere Zusammenhänge aufgenommen wird. Das können Gattungsmuster wie das prophetische Gerichtswort oder das Disputationswort sein, aber auch Weheruf-Reihen, wie sie, ursprünglich möglicherweise wesentlich kürzer, in Jes 5 und Hab 2 vorliegen.34 b) Jes 29,1-8* als alttestamentlicher Weheruf Vergleicht man Jes 29,1-8* mit den im AT belegten Weherufen, fallen einige Eigenheiten auf: Auf das "nn folgt ein Eigenname, wie er sonst nur noch im Weheruf gegen Assur begegnet (Jes 10,5-15*), offen32

33 34

Deutlich läßt sich die Insuffizienz eines Versuchs, über den Weheruf hinaus Strukturelemente einer Gattung „Wehewort" zu ergründen, an E. Gerstenbergers Darstellung der Möglichkeiten des Anschlusses an den Weheruf erkennen: „The indictment frequently leads to a threat: Isa 5 9, 13 f., 24; 28 2-4; 30 3-5; 31 2-3; Mic 2 3; Hab 2 16; Zeph 3 5. Other continuations are: a lament (Isa 1 5 f.); a series of ironical questions as they may occur in a dispute (Isa 10 3, 4a); a proverbial saying (Isa 29 16; 45 9b); a new accusation, in some cases with renewed threat or judgment (Isa 45 11; Jer 22 15 ff.; 23 2; Ezek 13 4 - 6 ; 13 1 8 b - 1 9 ; 34 2 b - 4 ) ; a rhetorical question, this element occuring also in some of the mentioned accusations (Amos 6 2; Hab 2 7,13); applications of the woe-saying to the totally different realm of world history (Hab 2 8, 10, 16-17); a further indictment in different style (Zeph 3 3 - 4 ) . " (Woe-Oracles S. 252f) Für Ε. Gerstenberger ist dies Indiz dafür, daß die Weherufe den Propheten aus der Sippenweisheit vorgegeben waren, ihre Anwendung in diversen Redeformen aber eine Applikation der Propheten darstellt, weshalb die Fundorte auch so differieren. Jedoch kann man auch ohne solche Zwischenstationen die relative Geschlossenheit der Weherufe erklären, wenn man sie nur aus dem zeremoniellen Klageruf ableitet. Denn mit Adressierung des Weherufs an Lebende wird die Begründung des Wehe nötig und muß so etwas wie das Verhalten durch Part., Adj., Genitiv-Verbindungen oder Relativsätze zum Ausdruck gebracht werden. S. neben G. Wanke bes. W J . Whedbee: Isaiah and Wisdom S. 83. S. bes. O. Kaiser: Jesaja I S. 100-114; W. Werner: Studien S. 11-32.

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IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung

sichtlich einem Fremdvölkerorakel, in der Tat aber wohl einem Wort, das sich an den Großkönig richtet. Im Gegensatz zur Mehrzahl der Belege wird nicht eine Personengruppe bezeichnet, sondern ganz Jerusalem, was man auf Grund der Entschlüsselung des Ariel-Namens in Jes 29,laß wohl voraussetzen darf. Ob das doppelte „Ariel" Nomen im Nominativ oder Vokativ ist, 35 läßt sich nicht sichern. Gegen die Auffassung als Nominativ spricht zumindest nichts. Es ist aber auffällig, daß eine dativische Übersetzung in der Exegese des Textes kaum gewählt wird.36 Anders als bei den meisten Belegen des Weherufs fehlt in Jes 29,1 jeglicher direkte Hinweis auf ein schuldhaftes Verhalten des Ariel. 37 Interpretiert man das Ariellied

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S. HAL I sub voce "irr S. 232 neben Jes 1,4; 17,12; 28,1; 29,16 cj.; 30,1; Jer 23,1; 47,6; Ez 34,2; Sach 2,11; 11,17; Zeph 3,1 und Nah 3,1; vgl. W. Schottroff: Fluchspruch S. 114. E. Rohland [Bedeutung S. 162] übersetzt „Wehe dir, Feuerstatt, Feuerstatt", was nicht nur ohne jegliches Textindiz geschieht, sondern zudem eine Spannung mit dem Imp. plur. in V. lb ergibt. Die Bedeutung von V. lb, der diesbezüglich einschlägig ist, ist freilich umstritten. V. lbß wird vielfach für eine Zeitangabe gehalten, dergemäß die Katastrophe „Jerusalem binnen Jahresfrist treffen soll" (H. Donner: Israel S. 155; s. ferner F. Delitzsch: Jesaia5 S. 317f; H. Bultema: Isaiah S. 270; J. Fischer: Isaias S. 193; W.H. Irwin: Isaiah 28-33 S. 47; H.-J. Krause: höj S. 33; H. Barth: Jesaja-Worte S. 184 A.28 mit Verweis auf G.K.28 §159i [sie!?]). Diese Auffassung wird von V. 2a nicht unbedingt nahegelegt, dessen einleitendes ι nicht notwendig konsekutiv, sondern durchaus auch adversativ aufgefaßt werden kann, ist aber von V. Iba her wohl eher auszuschließen. Der Parallelismus der Vershälfte gekoppelt mit der Asyndese, dem Chiasmus und der Rahmung durch ähnlich klingende Worte bestätigt eher H. Wildbergers [Jesaja III S. 1106] Ansicht, nach dem in V. lb ein Hendiadyoin vorliegt. Damit stellt sich die Frage, ob die beiden Hälften von V. lb als Begründung des „Wehe" aufzufassen sind oder als ironische Aufforderung zum Feste-Feiern fungieren. Die „Formgeschichtler" erweisen sich bei der Beantwortung dieser Frage als reichlich oberflächlich: W. Janzen [Mourning Cry S. 55] beschreibt Jes 29,1-8* wie folgt: „A rather unbalanced Gerichtswort could be discerned, with a shorter Begründung (verses 1-2) and a longer Ankündigung (verses 3-4_5c-6), the latter in the form of divine speech." H.-J. Krause [höj S. 33] „ist die Anprangerung nicht mehr recht verständlich", gleichviel nimmt er an: „Die Beschaffenheit der Leute zwingt Jahwä zum Handeln." Andererseits versteht er V. lbß offensichtlich als Angabe des Zeitpunkts des Eintreffens der Bedrohung Ariels. Die Frage nach der Anprangerung eines schuldhaften Verhaltens in V. lb dürfte eher im Sinne O. Kaisers [Jesaja II S. 211] zu beantworten sein. Ihm „fällt auf, daß dem Drohwort ein eigentliches Scheltwort fehlt, lb kann diese Funktion nur ungenügend erfüllen: Warum sollen die Jerusalemer schließlich das Neujahrsfest nicht feiern? Ein Jesaja hätte dafür Gründe angegeben, die nicht in der Zukunft, sondern in der Gegenwart liegen." Es ist zwar offensichtlich, daß in der Aufforderung zum Feste-Feiern ein Tadel mitschwingt, nämlich der, daß die Angeredeten den Ernst ihrer Situation nicht richtig einschätzen können, mehr aber nicht. Weder ein Hinweis darauf, daß Jesaja lärmige Feste zuwider waren (s. H. Wildberger: Jesaja III S. 1106), noch auf die Kultkritik kann sich auf Textindizien stützen.

1. Jes 29,1-8 und der alttestamentliche Weheruf

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schließlich von seinem Ende her als eine Art Heilsorakel, steht es in dieser Form einzigartig in der Gruppe der Weherufe. So ist nur verständlich, daß in Untersuchungen zum alttestamentlichen Weheruf immer eine auf die Drohung reduzierte Grundschicht des Arielliedes Gegenstand der Analyse wird. Die erhobenen Eigentümlichkeiten des Arielliedes können im Vergleich mit Stücken, in denen auf 'in ein Eigenname folgt, Jerusalem bzw. das Volk unter das „Wehe" gestellt wird und auf den Weheruf ein Drohwort folgt, verdeutlicht werden. Die Tatsache, daß in Jes 29,1a auf das ''in ein Eigenname folgt, rückt es in formale Nähe zu Jes 10,5, den Weheruf „über" Assur, der für gewöhnlich auf die V. 5 - 1 5 abgegrenzt wird. Auch in diesem Stück fungiert der Weheruf nicht als Scheltwort, fehlt jegliche Begründung des ""irr, ist aber außerdem ursprünglich auch keine Drohung gegen den Adressaten des Weherufs enthalten. In V. 12 fällt Assur als Gerichtswerkzeug zwar selbst dem Gericht anheim, doch gerade dieser Vers weist überdeutliche Indizien des Sekundärcharakters auf.38 Wenn in Jes 10,5-15* nach Ausscheidung von V. 12 jegliche Drohung fehlt, steht das ''in deutlich in der Ausnahmestellung des einzigen Elements einer Gerichtsankündigung. Im Unterschied zu Jes 29,1-8*, wo der Bezug zur zeremoniellen Klage durch den Inhalt (V. 4) gesichert ist, entfällt in Jes 10,5-15* jeglicher inhaltliche Anhaltspunkt für einen solchen Bezug. Das läßt die Frage aufwerfen, ob das -in tatsächlich als das „Wehe" der Totenklage zu identifizieren ist. Vorstellbar wäre, daß das 'in nur noch als Stilkonstante der Redeeröffnung fungiert, als Interjektion der Erregung verwendet ist oder aber sich erst redaktioneller Bildung verdankt. Im ersten Fall dürfte mit einer sprachgeschichtlichen Verblassung gerechnet werden. Der zweite Fall erwiese sich bestenfalls mit V. 5f als stimmig, würde aber der Gesamtkomposition nicht gerecht. Eine redaktionelle Bildung, wie sie R. Kilian erkennt, scheint schließlich durchaus denkbar: Der Zustand von V. 5b, für den man im MT „gar keinen vernünftigen Sinn mehr ermitteln kann" 39 , könnte darauf hinweisen, daß in V. 5 durch einen redaktionellen Eingriff etwas in Unordnung geraten ist. Die Stellung hinter Jes 10,lf ließe vermuten, daß durch das 'in in V. 5 ein redaktioneller Anschluß zu dem Weheruf gesucht wurde. 40 Damit wäre erklärt, weshalb in Jes 10,5 nirgendwo die Terminologie der Trauer sichtbar wird, eine Begründung des Wehe fehlt, und auch keine Drohung gegen Assur folgt. Folgt man R. Kilian in dieser Frage, verbleibt Jes 29,1-8* als einziger, ursprünglicher Beleg eines 'irr-Rufes mit folgendem Eigennamen. Weiterhin ist auf jene Belege einzugehen, in denen das vrr über das ganze Volk bzw. die Bevölkerung Jerusalem als Ganzes ausgerufen wird. Neben Jes 29,1 sind dies Jes 1,4 und Zeph 3,1. In beiden Belegen ist anders als in Jes 29,1 der Bezug von "ίγγ und einem schuld-

38

39 40

S. dazu G. Fohrer: Jesaja I S. 156; K. Fullerton: Viewpoints S. 48f; O. Kaiser: Jesaja I S. 220; R. Kilian: Jesaja I S. 80; K. Marti: Jesaja S. 104; H. Wildberger: Jesaja I S. 392. Bei F. Huber [Jahwe, Juda S. 47] wird das Fehlen eines Drohwortes nach dem „Wehe" zum Indiz dafür, daß Jes 10,5-15* ursprünglich mit Jes 14,24- 27 eine Einheit bildet. Zur Kritik s. C. Hardmeier: Jesajaforschung S. 8f, der das 'in zwar beibehält, das Stück aber als Disputationswort versteht. R. Kilian: Jesaja I S. 80. S. ders.: ebd.

302

IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung

haften Verhalten deutlich. In Zeph 3,1 folgt ein Part, sing., in Jes 1,4 ein Substantiv + Part, dem einleitenden ''irr. Ihre Besonderheit besteht darin, daß sie sich nicht auf einen bestimmten Personenkreis mit einem bestimmten Verhalten beziehen, sondern auf das Volk bzw. die Bevölkerung Jerusalem als Ganzes. Dabei gilt es hinsichtlich Jes 1,4-9 mit H.-J. Krause festzuhalten: „Der Spruch in Jes 14-9 ist der einzige hdj-Spruch bei den Profeten des 8Jh., bei dem die Anprangerung das Volksganze und nicht nur eine bestimmte Gruppe o.ä. betrifft." 41 Bei der Erklärung dieses Sachverhalts stellen sich wieder Unschärfen ein. Die Verderbtheit der Oberschicht in Jerusalem und im Volk verdirbt die gesamte Bevölkerung/das ganze Volk, sodaß man dann folgern darf: „Mithin werden alle Bereiche des Lebens und alle Schichten des Volkes von den hdj-Worten erfaßt, so daß dann auch Jerusalem (Jes 29, 1; Zeph 3,1) oder Israel als ganzes (Jes 1,4) Adressat des hdj sein kann." 42 Was auf Zeph 3,1 tatsächlich zutrifft, da hier das „Wehe über die gewalttätige Stadt" gleichsam Überschrift ist, unter der die einzelnen Vergehen der verschiedenen Stände aufgezählt werden (V. 3f), ist weder aus dem Text von Jes 1,4-9 noch aus dem von Jes 29,1-8* zu erschließen. Gerade was das Verständnis von Jes 1,4-9 betrifft, scheint weithin noch die von G. Fohrer begründete Auffassung gültig zu sein, daß Jes 1 als das Programm der Verkündigung Jesajas zu verstehen sei, und in diesem Kap. einige der letzten Aussprüche Jesajas versammelt seien 4 3 In dieser Sicht wird dann Jes 1,4-9 in der Spätzeitverkündigung Jesajas angesiedelt und Jes 22,1-4 an die Seite gestellt.44 Das Problem, das sich daraus ergibt, liegt klar auf der Hand. Der Weheruf in Jes 1,4 ergeht anders als die übrigen für Jesaja postulierten Belege post festum. Nimmt man diese Besonderung wahr, die auf Reflexion hinzuweisen scheint, und stellt ihr die Tatsache bei, daß Jes 1,4 der einzige Weheruf über das Volksganze im 8 J h ist, erkennt man darüber hinaus, daß die Vorwürfe recht allgemein gehalten sind wie nirgendwo sonst in den für authentisch gehaltenen Belegen, und daß schließlich die Auffassung des "ίγτ nicht ganz einfach ist, da es zwischen Drohung, Schelte und Klage oszilliert, wobei die Schelte überwiegt, 45 sind schon erste Indizien dafür erbracht, daß dieses Stück eine gewisse Sonderstellung in der Reihe der von Jesaja hergeleiteten Weherufe einnimmt. 46 Allein aber ein Vergleich zwischen Jes 1,4-9 und Jes 29,1-8 macht deutlich, daß es sich hier um ganz unterschiedliche Exemplare der mit , i n eingeleiteten Worte handelt. Hier ein Stück, das in die Zukunft blickt, aber kein Scheltwort erkennen läßt, dort ein Wort, das in die Vergangenheit gerichtet ist, und ein schuldhaftes Verhalten, wenngleich in allgemeiner Formulierung, sichtbar werden läßt. Ähnliches gilt auch im Verhältnis von Jes 29,1-8 zu Zeph 3,1-5*. Mag dieses Stück von Zephanja herrühren, 47 zeigt sich hier der Weheruf auf dem Weg zur

41 42 43 44 45 46

47

H.-J. Krause: hdj S. 37. H.-J. Zobel: Art. "in Sp. 387; vgl. H.-J. Krause: hdj S. 45. S. G. Fohrer: Jesaja 1. S. z.B. W. Janzen: Mourning Cry S. 56f. S. O. Kaiser: Jesaja I S. 34 A.18. Zum Nachweis der Einheitlichkeit und des Sekundärcharakters s. W. Werner: Israel S. 69f; ders.: Texte S. 118-126; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 33. Exilisch-nachexiHsch setzen das Stück auch O. Kaiser: Jesaja I S. 33f und J. Vermeylen: Prophfete I S. 50 - 57 an. S. K. Elliger: Kleine Propheten II S. 74 - 76; T. Robinson/F. Horst: Kleine Propheten S. 197; G. Krinetzki: Zefanjastudien S. 137f. 239; vgl. O. Eißfeldt: Einleitung S. 573f. Gegen die Ursprünglichkeit votieren z.B. G. Fohrer: Einleitung S. 502; O. Kaiser: Einleitung 4 S. 212.

1. Jes 29,1-8 und der alttestamentliche Weheruf

303

Ausweitung des Adressaten auf eine größere disparate Gruppe von Menschen, die deshalb als Adressat des Weherufs fungieren kann, weil sie als Oberbegriff kleinerer Gruppen dient, die auf Grund ihres je spezifischen Verhaltens das „Wehe" auf sich ziehen. Es bleibt noch Zeph 2,5 zu betrachten, nach G. Wanke der einzige Beleg des alttestamentlichen Weherufs neben Jes 29,1, der ein Drohwort einleitet.48 Zwar geht Zeph 2,5 formal mit der Mehrzahl der Belege des AT dahingehend gemein, daß dem ''in ein Part, folgt, ob damit aber auch ein Bezug des „Wehe" mit einem schuldhaften Verhalten gegeben ist, ist nicht sicher. Man müßte ^u)"1 dann schon mit W. Rudolph dahingehend verstehen, „daß die Schuld der Philister ihre bloße Anwesenheit auf dem Boden Palästinas ist."49 Bei dieser Interpretation scheint die Bewertung des Weherufs als Scheltwort eine Rolle zu spielen. Man wird jedoch schon unter Voraussetzung dieser Interpretation erkennen können, daß der Bezug von "ΊΠ und schuldhaftem Verhalten nur noch in Übertragung vorliegt. 30"' kann nur im uneigentlichen Sinne als ein Verhalten apostrophiert werden und weist als Part, natürlicher auf einen Zustand hin. So dürfte wohl eher K. Elliger im Recht sein, wenn er in Zeph 2,5f „eine reine Drohung" 50 ausgedrückt sieht. Im Vergleich mit Jes 29,1-8 ist von grundlegender Bedeutung, daß Zeph 2,5f ein Fremdvölkerorakel darstellt. Eine Begründung des 'irr ist von daher anders als in Jes 29,1 gar nicht grundsätzlich zu erwarten.

Jes 2 9 , 1 - 8 * steht als Einheit in mehrfacher Hinsicht unter den mit "'irr eingeleiteten Stücken des AT einzigartig dar. Dem Weheruf geht eine eigentliche Schelte ab, er leitet ein Drohwort ein wie nur noch im Fremdvölkerorakel Zeph 2,5. Deutlich ist der Bezug zum zeremoniellen Klageruf allein durch V. 4. Dagegen ist eine Nähe zum prophetischen Weheruf nicht mehr nachweisbar. Ganz ins Abseits gerät das Stück, wenn es als Einheit von Gericht und Heil bestimmt wird. Das bedeutet zwar nicht, daß eine solche Einheit nicht möglich wäre und damit ein literarkritisches Kriterium zur Hand wäre, wenn Jes 2 9 , 1 - 8 * aber als literarische Einheit von Gericht und Heil zu bestimmen wäre, dürfte es als späte Bildung auszumachen sein. In der Tat wäre es allenfalls möglich, an ein eschatologisches Orakel zu denken, das, dunkel genug, die Kluft zwischen Gericht und Heil durch die Hoffnung „durch Gericht zum Heil" überbrückt. Solange man die Weherufe in Jes 1 - 3 9 in der Mehrzahl von Jesaja gesagt sein läßt, wird man gut daran tun, Jes 2 9 , 1 - 8 in der Einheit von Gericht und Heil nicht diesem zuzusprechen. Doch auch dort, wo der Grundbestand auf ein ursprüngliches Drohwort reduziert wird, spricht nicht viel dafür, daß Jes 2 9 , 1 - 8 * von Jesaja stammt. Das Fehlen eines schuldhaften Verhaltens der Adressaten des Weherufs sowie der unbestimmte Adressat „Ariel" selbst sprechen eher gegen als für ein authentisches Stück.

48 49 50

S. G. Wanke: -ix S. 218 A.10. W. Rudolph: Micha S. 280; vgl. G. Krinetzki: Zefanjastudien S. 101. K. Eiliger: Kleine Propheten II S. 72; vgl. T. Robinson/F. Horst: Kleine Propheten S. 196.

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IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung

2. Jes 29,1 -8* und das Völkerkampfinotiv Für das Problem der literarkritischen Scheidung und Ortung des Textes spielt auch die Frage eine Rolle, wie sich Jes 29,1-8* als eine Einheit von Gericht und Heil zu den alttestamentlichen Exemplaren des Völkerkampfmotivs51 verhält. Es stellen sich dabei folgende Fragen: 1.) Tritt in Texten, die das Völkerkampfmotiv beinhalten, Jahwe wie in Jes 29,1-4 als Handelnder im Völkersturm auf? 2.) Gibt es Belege dafür, daß die Völker erst explizit in Erscheinung treten, wenn sie dem Gericht anheimfallen wie in Jes 29,7? 52 3.) Ist das Völkerkampfmotiv in einem Drohwort gegen Jerusalem bzw. Israel belegt, das Jes 29,1-8* ähnlich, von seinem Ende her als Heilsorakel zu verstehen ist? - Untersucht man unter Zugrundelegung dieses Rasters die einschlägigen und die ihnen nahestehenden Texte 53 51

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53

Zum Problem des Völkerkampfmotivs und der damit in Verbindung stehenden Frage nach der Zionstradition s. G. Wanke: Zionstheologie; zur Kritik an seiner These, nach der sich das Völkerkampfmotiv (s. die Definitionen von G. Wanke: Zionstheologie S. 75 und F. Huber: Jahwe, Juda S. 69), für das sich keine außerisraelitischen Parallelen ausmachen lassen (gegen F. Stolz: Strukturen S. 72. 86), einerseits aus der sagenhaften Vorstellung eines Feindes aus dem Norden, andererseits aus der legendarischen Ausgestaltung der Belagerung Jerusalems im Jahre 701 v. Chr. entwickelt hat, s. H. - J. Kraus: Psalmen I 5 S. 106-108.; H . - M . Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 213-216. Die Kritik berief sich gegen G. Wanke auf die von diesem kurzerhand für nachjesajanisch bestimmten Texte Jes 8,9f und 17,12-14 (s. G. Wanke: Zionstheologie S. 117). Freilich werden diese Texte auch häufig genug allein mit Verweis auf das hohe Alter der Psalmen und die Behauptung, Jesaja habe die Zionstradition gekannt, für jesajanisch gehalten (s. z.B. H. Wildberger: Jesaja II S. 668), obwohl die Tendenz der Forschung auch nach H.-J. Kraus dahingeht, Jes 8,9f und 17,12-14 Jesaja abzusprechen (s. in Auseinandersetzung mit H.-M. Lutz grundlegend F. Huber: Jahwe, Juda S. 6 9 - 82; ferner W. Werner: Texte S. 176-178; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 47-51, aber auch C. Hardmeier: Jesajaforschung S. 8.10). Ob G. Wankes These zudem auf einer „Verkennung der archaischen Überlieferungen in Ps 46 und Ps 48 (aber auch in Ps 76 und zahlreichen in anderen Psalmen aufweisbaren Passagen)" (H.-J. Kraus: Psalmen I s S. 108) beruht, dürfte fraglich sein. Zumindest bietet H.-J. Kraus' Gewährsinstanz E. Rohland (Bedeutung S. 143) keinen Beweis für das hohe Alter einzelner Psalmen und damit einer sich durch Kontinuität auszeichnenden Tradition im Kult, die dann von Jesaja rezipiert worden sein soll, sondern verweist lediglich auf die von den meisten Kommentaren vorgenommene Frühdatierimg von Ps 46. Diese Frage ist nur berechtigt, wenn man V. 5a.ba entweder als Aussage gegen die Oberschicht Jerusalems oder gegen die Feinde Jerusalems versteht. Wenn man V. 5a.ba dagegen wie O. Kaiser und W. Werner als Aussage gegen Jerusalem versteht, ist die Frage falsch gestellt. Ich halte dagegen diese Interpretation für falsch (s. oben S. 279f). Das Textmaterial richtet sich bezüglich der Belege aus Jes 1 - 3 9 nach R. Kilian: Jesaja 1-39, S. 4 0 - 97, hinsichtlich der übrigen nach G. Wanke: Zionstheologie S. 70 - 93. Weitere Exemplare des Motivs scheinen in Joel 2,1-11; Zeph 3,6-8; Ob 16-18 und

2. Jes 29,1-8* und das Völkerkampfmotiv

305

J e s 8 , 5 - 1 0 * j 5 4 1 0 , 2 7 b - 3 4 * ; 14,24 - 27; 1 7 , 1 2 - 1 4 ; 3 0 . 2 7 - 3 3 ; 5 5 3 1 . 1 - 9 * ; 5 6

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Sach 9,11-17 vorzuliegen (zu Joel 2 s. A. Deissler: Zwölf Propheten. Hosea S. 74f; zu Zeph 3,6-8, das im redaktionellen Zusammenhang mit Jes 29,1-8 vergleichbar ist, s. K. Elliger: Kleine Propheten II S. 78). Daß Jes 8,5 - 1 0 keine ursprüngliche Einheit darstellt, ist offensichtlich. Trotzdem scheint das Stück zumindest im kompositionellen Zusammenhang als Einheit zu lesen zu sein. In der eschatologischen Gesamtkomposition führt Jahwe die Völker heran (V. 7a), sie bedrängen Jerusalem/Juda (V. 7b.8a), werden aber schließlich von diesem verdrängt (V. 8b -10). Aus einem ursprünglichen Drohwort gegen den πτπ DViT wurde durch redaktionelle Erweiterung ein Heilsorakel. Daß der Verfasser von Jes 8,9f mglw. schon einen solchen Zusammenhang herzustellen intendierte, läßt sich zwar nicht sichern, aber vermuten, da er offensichtlich eine Anschlußdichtung geschaffen hat (s. bes. W. Werner: Texte S. 170f). Die Authentizität dürfte nach den Ausführungen von F. Huber (Jahwe, Juda S. 82; vgl. W. Werner: Texte S. 169; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 47f; C. Hardmeier: Jesajaforschung S. 8) kaum mehr zu vertreten sein. Für nicht jesajanisch halten das Stück z.B. auch B. Stade: Jes 32*.33 S. 260 A.l; K. Marti: Jesaja S. 85f; G.B. Gray: Isaiah S. 145.149; K. Budde: Schranken S. 171; ders.: Jesaja 8 S. 423 - 428; K. Fullerton: Interpretation S. 253- 289 (in seiner jetzigen Form); G. Fohrer: Jesaja I S. 128f. Eine Herleitung von Jesaja nehmen an: G. Beer: Zukunftserwartung S. 16; B. Duhm: Jesaia 5 S. 81; H. Schmidt: Propheten S. 78; A. Bentzen: Jesaja S. 69f; J. Lindblom: Study S. 32; H. Donner: Israel S. 25 - 27; Μ Saety: Traditionsgeschichte S. 142; H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 43f. Bei der Beurteilung der Authentizität zeigen sich schroffe Gegensätze. So führt H.-M. Lutz aus: „Bei aller Vorsicht in der Beurteilung der Verse wird man beide Beobachtungen - gedankliche Verwandtschaft und Berühungen im Wortfeld zugunsten einer Herleitung des Abschnittes von Jesaja verbuchen dürfen." Dagegen H. Donner: „Sachlich gewichtige Gründe, den Spruch dem Propheten abzusprechen (so zuletzt Fohrer), gibt es nicht." Zur Motivabwandlung in Jes 30,27- 33 s. W. Werner: Texte S. 187. Zur These H. Barths [Jesaja-Worte S. 98ff], demzufolge es in Jes 30,27 - 33 gar nicht um ein Geschehen in Jerusalem, sondern in Assur gehe, s. O. Kaiser: Jesaja II S. 244; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 83f. Zum Problem einer einfachen Einheit angesichts des problematischen V. 4 s. oben S. 289. Der Grundbestand von Jes 31,1-3 wird in der Regel Jesaja zugeschrieben (selbst neuerdings wieder von O. Kaiser: Literarkritik S. 58 - 62), V. 2 dürfte darin aber als sekundäre Erweiterung auszumachen sein (s. ders.: ebd.; H. Donner: Israel S. 135f; B.S. Childs: Assyrian Crisis S. 34; J. Vermeylen: Prophfcte I S. 420-424; R. Kilian: Jesaja 1 - 3 9 S. 81). Erkennt man mit H. Donner [Israel S. 138f] in V. 4 ein älteres Spruchfragment, das von der Aussage her eher, wenngleich nicht ohne Spannungen, V. 1 - 3 zuzuordnen ist, sind V. 5 mit V. 8f als Relecture zu verstehen, die die Mehrdeutbarkeit der Aussage von V. 4 in ihrem Sinne festschreibt (V. 6f sind nochmals abzusetzen, s. H. Donner: Israel S. 136; B. Duhm: Jesaia5 S. 232; R. Fey: Amos S. 133 A.l; J. Vermeylen: Prophfete I S. 423; H. Wildberger: Jesaja III S. 1239). Von der Struktur her ähnelt Jes 31 im redaktionellen Zusammenhang Jes 29,1-8* deutlich: Einem begründeten Weheruf folgt eine Drohung, die unversehens durch die V. 4f gekippt wird. Jahwe ist der, der das Unheil an Jerusalem vollzieht, die Völker (Assur), die im Hintergrund von V. 1 - 3

306

IV. Exegetische Absicherung der literarkritischen Scheidung

Ez 38,1-9*. 39,1-5. 17-20; 57 Joel 4,1-3. 9-12; Mi 4,11-13; Sach 12,2-8; 14; Ps 46; 48; 76, ergibt sich folgendes Ergebnis: 1.) Es lassen sich Texte ausmachen, in denen Jahwe die Völker zum Sturm auf Jerusalem/die Gottesstadt beauftragt (Ez 38,1-9*; Mi 4,12; Sach 14,1-3). In den beiden zuletzt genannten Belegen scheint er sogar am Völkersturm beteiligt zu sein. Entsprechendes könnte auch für Jes 30,27-33 gelten, sofern man V. 28 mit dem Völkersturm in Verbindung bringt.58 In allen einschlägigen Texten wird die Teilnahme Jahwes am Völkersturm jedoch nie so deutlich und prägnant wie in Jes 29,2f geschildert, wo Jahwe derart im Zentrum des Geschehens steht, daß die Völker explizit überhaupt nicht in Erscheinung treten. 2.) In einigen Fällen, so etwa in Jes 14,24-27,30,27-33(?) und Ps 76, ist der Wegfall des Völkersturmes zu konstatieren, womit gegeben ist, daß die Völker erst nach der Wende zum Guten für Jerusalem genannt werden. Dieser Wegfall hängt mit dem in diesen Texten verlagerten Themenschwerpunkt zusammen und ist mit der Konstellation in Jes 29,1-8* nicht zu vergleichen.59 3.) Es gibt neben Jes 29,1-8* keinen Beleg für das Völkerkampfmotiv, der als eine einfache Einheit eines Drohwortes gegen Jerusalem/Israel und einer Heilsankündigung zu werten wäre. Demgegenüber lassen sich aber Nachträge zu Drohworten aufweisen, die Heilsverheißungen mit Bezügen zum Völkerkampfmotiv enthalten. Zu diesen Belegen, den Drohworten in Jes 8,5-8* und Jes 31,1-4* mit ihren Nachträgen in Jes 8,9f und Jes 31,5-9* bestehen die naheliegendsten Parallelen für Jes 29,1-8*, sofern man versucht, sie als redaktionelle Komposition zu lesen.

57 58

59

durchaus mitzudenken sind, erscheinen explizit erst zu dem Zeitpunkt, da sie dem Gericht anheimfallen. In der Komposition von Jes 31 läßt sich damit die näheste Parallele zu Jes 29,1-8 erkennen. S. W. Zimmerli: Ezechiel II S. 933 - 938. F. Huber [Jahwe, Juda S. 53f] fragt, ob V. 28 dahingehend zu interpretieren sei, daß im „Irreführen" der Feinde von der Führung der Völker nach Jerusalem durch Jahwe die Rede ist, d.h. „daß Jahwe die Völker zum Kampf gegen Jerusalem veranlaßt in der Absicht, sie zu vernichten." Ein finales Verständnis von V. 28 erscheint jedoch als wahrscheinlicher (s. z.B. O. Kaiser: Jesaja II S. 245; W. Werner: Texte S. 187, letzterer mit Verweis auf Jes 19,14; 37,29). Jes 14,24 - 27 ist „durch und durch vom Gedanken des Plans Jahwes bestimmt" (W. Werner: Texte S. 191), man kann wohl nur noch von einem Anklingen des Völkerkampfmotivs sprechen. In Ps 76 ist offensichtlich der Schwerpunkt auf das „Gottesgeschehen" (A. Weiser: Psalmen II S. 358f) verlagert.

V. Lösungsversuch 1. Literarkritische Scheidung Nimmt man Jes 29,1-8* als eine Einheit von Gericht und Heil, steht es nicht nur, was den alttestamentlichen Weheruf betrifft, sondern auch als Beleg für das Völkerkampfmotiv ziemlich einzigartig dar. Es ist zwar trotzdem nicht mit Sicherheit auszuschließen, daß es in einem Zuge von einem Verfasser niedergeschrieben wurde. Freilich wird man in diesem Fall einen ziemlichen Sonderling annehmen müssen, einen Apokalyptiker, der mehr verdunkelt als erhellt, dem aber auch kaum etwas Vergleichbares an die Seite zu stellen ist. Da sich über die Frage der Einheitlichkeit von Gericht und Heil hinaus aber auch literarkritische Indizien für ein Textwachstum im engen Sinne gezeigt haben, scheint es durchaus gerechtfertigt, die Einheit des Verfassers aufzugeben. Die literarkritische Scheidung setzt bei V. 5a.bct an.1 Dieser Vers läßt sich nicht textkritisch gerechtfertigt in eine Aussage über die verderbte Oberschicht Jerusalems umbilden. Die Konjektur von ητ zu 17 ist auch deshalb unberechtigt, weil sie eine Spannung zwischen V. 1 - 4 (Drohung gegen den gesamten „Ariel") und V.5 (Drohung nur gegen die Oberschicht des „Ariel") einbringt. Ebensowenig überzeugt die Auffassung des Verses als Fortsetzung der Drohung. Denn weder läßt sich von YD auf etwas anderes als eine Aussage gegen die Feinde Jerusalems schließen, noch überzeugt das Verhältnis einer solchen Aussage zu V. 2f, wo Jahwe als der Hauptakteur der Bedrohung Ariels fungiert und die Feinde überhaupt nicht genannt werden. In diesem Sinne käme V. 5a.ba dann jedenfalls zu spät. Muß V. 5a.ba demgemäß als eine Aussage gegen die Feinde Jerusalems verstanden werden, kommt sie gegenüber V. 5bß.6 zu früh. Treten in allen Fällen literarkritische Indizien geringerer oder weiterer Relevanz auf, dürfte eine Ausscheidung dieses Bikolons aus seinem Zusammenhang gerechtfertigt sein. Nach der hier bevorzugten Interpretation von Jes 29,5a.ba ergibt sich ein überdeutlicher Bezug zu V. 7a. V. 5a: V. 5ba: V. 7a: 1

T1T D^-iy D'narrba

Vgl. hierzu oben S. 276 - 282.

•pDrr •pon •pDrr

ρτ P2X3 -ay YDD nb"b τιτπ Dibm

rrrn 1 ΓΡΓΠ

308

V. Lösungsversuch

Rein formal betrachtet ist die Übereinstimmung der Versteile mehr als deutlich. Aber nicht nur die Ordnung der Sätze ist jeweils gleich (für die Satzstruktur allein könnte man noch auf V. 4ba verweisen), auch inhaltlich ergeben sich Bezüge. Sowohl die Attribute zu den drei Vorkommen von "ilDrr als auch die jeweils mit 3 eingeleiteten Vergleiche sind inhaltlich aufeinander bezogen. IT, γ "Π 3? und "na gehören zusammen, sind Bezeichnungen für Völker und kommen in dieser Reihenfolge in Ez 28,7 D^ia CT"17 (vgl. Ez 31,12) vor. Die Vergleiche drücken allesamt die Vergänglichkeit und Unbeständigkeit dieser Völker aus und zwar in einer steigernden Struktur vom Staub über die Spreu zum Traum. Das Gerichtsbild wird durch die Vergleiche verschärft: Während pT p3X eine wertfreie, neutrale Sache bezeichnet, ist YD, obgleich noch real, schon deutlich negativ bewertet, Dlbrr schließlich ist in V. 7a Ausdruck für die Irrealität der Völker. Legen formale und inhaltliche Gesichtspunkte die Zusammengehörigkeit von V. 5a.ba.7a nahe und ist zudem die Einheit von Gericht und Heil im Ariellied auf Grund der vorstehenden Erwägungen aufzugeben, ist dieser Komplex aus Jes 29,1-8* auszuscheiden. Als Folgeentscheidung ergibt sich die Sekundärerklärung von V. 7b und V. 8, für die jeglicher sinnvolle Anknüpfungspunkt im Text verloren ist. Für V. 8 spielen dabei inhaltliche Erwägungen die Hauptrolle. 2 Als Grundbestand bleiben damit V. l-4.5bß.6 erhalten. Von einer Absonderung des V. 5bß.6 wird abgesehen, weil er, obschon die Rede von Jahwe in der 3. Pers. ohne Anhaltspunkt im übrigen Lied ist, als Gerichtsdrohung aufzufassen ist und in V. 2bß einen Anknüpfungspunkt besitzt. Daß nach V. 2 - 4 eine Eroberung der Stadt nicht mehr plötzlich kommen kann, ist zwar richtig, sollte die Interpretation von V. 2 als einer Exposition zutreffen, aber nicht relevant. Auch an der unterschiedlichen Begriffswelt - V. 2f Termini der Belagerungstechnik, V. 6 mythologische Sprache wird kein Anstoß genommen, weil auch diesbezüglich V. 2bß schon aus dem Rahmen fällt. Die Frage der Zuordnung der redaktionellen Partien kann mit aller Vorsicht als ein Zwei-Stufen-Wachstum erklärt werden können. In einem ersten Schritt sind V. 5a.ba. 7a dem Grundbestand zugewachsen und mit Hilfe von V. 7b daran angeglichen worden. In einem zweiten Schritt wurde V. 8 hinzugesetzt. Vermutet werden kann, daß der Bearbeiter, der diesen Vers anfügte, für die Plazierung von V. 5a.ba an seinen heutigen Ort verantwortlich ist. Der Grund für diese Umstellung könnte darin liegen, daß er das durch V. 5a.ba.7 festgelegte Verständnis von V. 6 durch die Voranstellung eines Teiles der Unheilsankündigung über die Feinde deutlicher herausstreichen wollte.

2

S. dazu oben S. 259 - 261.

2. Untersuchung der einzelnen Schichten

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2. Untersuchung der einzelnen Schichten a) Die Grundschicht Das Orakel hebt mit dem Ruf der Totenklage über Ariel an, dem im Gegensatz zu den meist für authentisch gehaltenen jesajanischen Belegen des prophetischen Weherufs (Jes 5,8.11.18.20.21.22; 10,1; 29,15; 30,1; 31,1) kein Scheltwort folgt. Die Totenklage wird damit über das im Bild des „Ariel" anvisierte Jerusalem und seine Bevölkerung ausgerufen. Angesichts V. laß und V. 2bß ist es am wahrscheinlichsten, daß i w n x in V. laa mit Rücksicht auf Ez 43,15f, Altarherd" bedeutet und die etymologischen Wurzeln des Begriffs im arabischen '77 zu suchen sind.3 Zwar läßt der biblische Befund für bx ,- ix und ähnliche Bildungen verschiedene Möglichkeiten offen,4 in Jes 29,1-8* aber die Bedeutung „Gotteslöwe" anzunehmen, ist ohne literarkritische Folgeerscheinungen kaum möglich, ob man nun den i w n x als „Kriegshelden" oder als städtebaulichen Teil Jerusalems bestimmt.5 Auch

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S. dazu grundlegend W. Zimmerli: Ezechiel II S. 1093f. Es läßt sich darüber streiten, ob t>x Gottesbezeichnung (s. F. Delitzsch: Jesaia 2 S. 326; H. Wildberger: Jesaja III S. 1105; vgl. u.a. W. Eichrodt: Herr der Geschichte S. 142; F. Feldmann: Isaias S. 342; J. Fischer: Isaias S. 192; D.D. Garland: Isaiah S. 62; J. Scharbert: Propheten S. 278; W. Zimmerli: Grundriß S. 172) oder Nominalbildungselement ist (so R. Smend: Art. Herd Sp. 694; vgl. T.K. Cheyne: Einleitung S. 190; K. Marti: Jesaja S. 212; R.E. Clements: Isaiah S. 235;. die Bedeutung Altarherd/Opferherd findet sich auch u.a. bei E. Rohland: Bedeutung S. 165f; W. Zimmerli: Ezechiel II S. 1090; K. Seybold: Königtum S. 99). Die Mesha-Inschrift (s. KAI Nr. 181 Z.12) legt die zweite Möglichkeit näher. Eindeutig identifizierbar ist bx'ix in Esr 8,16 als Personenname in der Liste der Heimkehrer und in Ez 43,15f als Bezeichnung für den obersten Teil des Brandopferaltares des Tempels zu Jerusalem, wenn auch dort die Schreibweise stark differiert: Auf ein i>x-irrrr folgt im Ketib in V. 15 und V. 16 je einmal ^χ-ιχη, im Qere bx-nx. Zu bx-irrn haben 5 Mss ^x'nxrr, LXX liest durchgehend Αριηλ, Vg. „ariel", S i>*x-in und Tg. n r m o (s. dazu W. Zimmerli: Ezechiel II S. 1090; S. Feigin: Meaning S. 131f). Unklar bleibt dagegen II Sam 23,20=1 Chr 11,22: 3X1D bxix ^t!) nx mrr xin, wobei I Chr ί>Χ"ΊΧ liest. LXX übersetzt in II Sam 23,20 υίούζ Αριηλ deutet bx"nx also als Personennamen, während Vg. „leones" bietet, also allem Anschein nach nxicbx ή χ gelesen hat (s. sub voce t>x'ix G.-B.17 S. 65). S hat tn-an, ähnlich Tg. wodurch sich der Vorschlag •^χίχ für I Chr 11,22 von BHS als wahrscheinlich ausmacht und mit der Bedeutung „Krieger" zu rechnen wäre. Dazu kann auf Gen 46,16 „Areli", einen der Söhne Gads, und auf Num 26,17 'bxnxrr rirrauto 'bxixb verwiesen werden. Völlig im Dunklen ist und bleibt Dbxix in Jes 33,7, eine crux interpretum, wie H. Wildberger [Jesaja III S. 1098] richtig bemerkt, das von Jes 29,1-8*, aber auch von den vorgenannten Stellen abhängig sein kann (weitere Lösungsvorschläge bei G.-B.17 sub voce 0Ϊ3ΧΊΧ S. 62; S. Feigin: Meaning S. 133f). Anzufügen sind Jes 15,9 und 21,8, wo LXX γ γ ί χ in MT mit Αριηλ wiedergibt, was im ersten Fall auf die Verbindung mit axw zurückgeführt werden kann. Zum ersten s. A.H. Godbey: Ariel S. 253 - 266 (vgl. u.a. JA. Alexander: Isaiah S. 461; H. Bultema: Isaiah S. 270; s. aber auch schon H. Ewald: Propheten I S. 264); zur Kritik

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V. Lösungsversuch

eine Doppelbedeutung „Unterwelt" und „Götterberg" läßt sich nicht sichern, zumal schon der für diese Deutung herangezogene babylonische Begriff „arallüm" eine solche offensichtlich nicht aufgewiesen hat. 6 Die Verwendung des Symbolnamens ijx-ix versteht sich von V. 2bß her, läßt aber überdies angesichts V. lb vermuten, daß sie in einer Verbindung mit der bestehenden Festfreude steht und Jerusalem als Kultzentrum anvisiert. Dem Kontrast zwischen Festfreude (V. lb) und Trauer (V. 2ba) könnte demzufolge auch der des Altarherdes als Zeichen der Heilssicherheit und als Ort der Gerichts entsprechen.

Daß tatsächlich Jerusalem mit dem „Ariel" gemeint ist, läßt sich aus der näheren Bestimmung erschließen, die auf das wiederholt ausgerufene „Ariel" folgt. Die Wendung „Stadt, da sich lagerte David"7 verweist zwar nicht unbedingt auf die Belagerang Jerusalems durch David,8 mit Sicherheit läßt sich dieses Verständnis jedoch auch nicht ausschließen, weil der Bedeutungsunterschied zu mn in V. 3, wo sicherlich die Vorstellung einer Belagerung gegeben ist, allein aus dem Fehlen der Präp. bv geschlossen wird, das in V. laß jedoch aus metrischen Gründen erklärt werden könnte. In V. lb werden die Jerusalemer (Imp. plur.) ironisch aufgefordert, Jahr an Jahr zu reihen, die Feste kreisen zu lassen. Bezieht sich dieser Vorwurf auf die Fehleinschätzung der Bewohner Jerusalems, was ihre Lage anbelangt, auf Sorglosigkeit und Sicherheitsgefühl, ist Jes 29,1 mit Jes 32,9 -14, einem unbegründeten Drohwort, das sich an die Frauen in Jerusalem wendet,9 vergleichbar. Ob es sich bei diesem Kreislauf der Feste im Jahreszyklus betont um das Herbstfest oder das Neujahrsfest handelt,

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an einer solchen Auffassung s. schon B. Duhm: Jesaia1 S. 182. A.H. Godbey bestimmt das zweite „Ariel" samt der folgenden Apposition in V. 1 als Glosse und schließt sich für V. lb und "ΙΠ3 in V. 3 LXX an. Ebenso wird V. 2bß ohne Kommentar gestrichen. Könnte man für die Bezeichnung „Gotteslöwe" mglw. auch auf Gen 46,16; Num 26,17; II Sam 23,20 par. und Jes 33,7 verweisen, so stellt sich doch der Kontext des Arielliedes gegen diese Interpretation. Zum zweiten s. O. Procksch: Jesaja S. 371, der in Analogie zu einem Turm mit der Bezeichnung „Gott ist gnädig" annahm, Ariel sei „der Name eines Teils der Zionsburg, etwa eines Eckturmes in der Mauer. Er könnte der .Gotteslöwe' geheißen haben". Auch hierzu ist die Ausscheidung von V. 2bß nötig. Die Bedeutung „Unterwelt" hat mit Verweis auf A. Jeremias H. Greßmann [Messias S. 102f] vorgeschlagen. Eine Doppeldeutigkeit wurde z.B. von S. Feigin [Meaning S. 133] und W F. Albright [Temple-Tower S. 139; Archaeology S. 150-152 = Religion S. 168-170] postuliert. Dem steht jedoch entgegen, daß sich für „arallüm" nirgendwo die Bedeutung „Gottesberg" sicher belegen läßt (s. AHw I S. 64). Zur Constr. s. G.-K.28 § 130d. So z.B. A.B. Ehrlich: Randglossen IV S. 103f. O. Kaiser [Jesaja II S. 260f| bezieht diesen Text auf eine Bearbeitung, die nach 587 v. Chr. erneut mit einer Bedrohung Jerusalems in der Endzeit rechnet, schließt aber nicht aus, daß es sich dabei um ein vaticinium ex eventu handelt, in dem „der dichtende Schriftsteller" an die Zerstörung von Jerusalem im Jahre 587 erinnern wollte.

2. Untersuchung der einzelnen Schichten

311

läßt sich nicht sichern. Nimmt man ein Neujahrsfest an, spricht dies auf jeden Fall für frühestens exilische Abfassung, diese Rückführung ist aber nicht hinreichend gesichert.10 In die sorglose Festfreude bricht das göttliche Gericht herein. V. 2 bildet die Exposition dieses unerwarteten Geschehens. Hier werden die Stadien, die das göttliche Gericht durchlaufen wird, zusammengefaßt. Im „Ich" spricht sich, für den Leser noch nicht deutlich, Jahwe selber aus. Er kommt den Ariel zu bedrängen (Dtn 28,53.55.57; Jes 51,3bis; Jer 19,9), wie ein menschlicher Feind, der in allen Belegen pis hi. als Subjekt fungiert. 11 Die Bedrängung Ariels läßt die Stimmung in Jerusalem jäh umschlagen. Die Paronomasie ΓΓ3Χ1 r p s x n findet sich nur noch in Thr 2,5, rrDX nur noch in späteren Passagen von Jes 1 - 3 9 (Jes 3,26; 19,8).12 Wehklage und Klagegeschrei sind dort, wo vorher ausgelassene Festfreude herrschte. Und dieser Umschwung hat seine Berechtigung, da der „Ariel" (Jerusalem) Jahwe zum „Ariel" (Feuerherd) werden soll. Ohne V. 7f kann dies nur bedeuten, daß Jerusalem und seine Bewohner dem Gericht Jahwes anheimfallen. V. 2a findet in V. 3 seine Fortsetzung. Jahwe kommt nicht „wie David", Lager zu schlagen, d.h. Wohnung zu beziehen, wie es für V. laß vermutet werden kann, sondern um die Stadt „ringsum" zu belagern. Diese feindliche Dimension wird durch das dreifache ΤΪ>3> ' n diesem Vers unterstrichen, mit dem zur direkten Anrede der Stadt übergegangen wird. Die Belagerungsschilderung wird durch V. 3b in zwei vollkommen parallel konstruierten Hemistichen näher entfaltet. Die inhaltliche Erfassung von V. 3b wird durch die direkten Objekte und ni^D erschwert. ist Hapax legomenon 13 und leitet sich von rm als dessen substantiviertes Part. ho. ab. Demnach handelt es sich um etwas, das aufgestellt, aufgeführt, aufgeworfen wird.14 In Anschluß an F. Delitzsch ist zwar die Übersetzung „Wachtposten" beliebt,1S weil

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Für das Herbstfest als Anlaß der Rede Jesajas votieren z.B. K. Marti: Jesaja S. 212; E. Rohland: Bedeutung S. 164; K. Seybold: Königtum S. 99; H. Wildberger: Jesaja III S. 1106 mit Fragezeichen, für einen Bezug von V. 1 zum Neujahrsfest O. Kaiser: Jesaja II S. 212; W. Werner: Texte S. 180. Zum Problem s. S. Lehming/B. Reicke: Art. Neujahr Sp. 1309-1311; O. Keel: Art. Neujahrsfest Sp. 1226f; J. Nelis: Art. Laubhüttenfest Sp. 1017-1020; E. Auerbach: Neujahrs- und Versoehnungs-Fest S. 337 - 343. Vgl. J. Schreiner: Sion-Jerusalem S. 257. Zu Jes 19,1 - 1 5 s. G. Fohrer: Jesaja I S. 226; O. Kaiser: Jesaja II S. 81f; zu Jes 3,25-4,1 s. R. Kilian: Jesaja I S. 37; O. Kaiser: Jesaja I S. 89-91; K. Marti: Jesaja S. 46. In Jdc 9,6 dürfte ursprüngliches rnxo vorliegen, dessen letzter Konsonant in Wegfall geraten ist. S. dazu HAL II sub voce n^D S. 587. S. H. Ewald: Propheten I S. 265. S. F. Delitzsch: Jesaia5 S. 318 (vgl. schon J A . Alexander: Isaiah S. 462); vgl. K. Marti: Jesaja S. 213; G. Fohrer: Jesaja II S. 70. 73; H.-J. Krause: hdj S. 33.

312

V. Lösungsversuch

aber der Parallelismus in V. 3b auch eine inhaltliche Bezogenheit der Begriffe 3XD und mSD nahelegt, der zweite Terminus aber kaum eine dem „Posten" entsprechende Auffassung zuläßt,16 scheint diese Übersetzung kaum naheliegend zu sein. Hinzu kommt, daß ein Aufstellen von Posten weder der Aussage von V. 3a noch der Reaktion des „Ariel" in V. 4 entsprechen würde. "ßffl ist singulär in Jes 1 - 3 9 und bedeutet ansonsten in der Regel „Feste" oder „Festung" (II Chr ll,10f. 23; 12,4; 14,5; 21,3; Nah 2,2inc.). Die Verwandtschaft zu H » ; legt die Übersetzung „Schanze" oder „Wall" nahe. Der Terminus nxD bezeichnet in Dtn 20,20 ein Belagerungswerk, zu dessen Fertigung Holz benötigt wird.17 Man wird daraus schließen dürfen, daß es sich bei 3XD und müD in Jes 29,3 um Termini der Belagerungstechnik handelt, deren Bedeutung versuchsweise mit „Belagerungswall" und „Sturmschanzen" wiederzugeben sein dürfte. Eine solche Auffassung legen zudem LXX und Vg. nahe, die n^D mit χάραζ bzw. „agger" übersetzen.18 Neben den beiden Begriffen ist auch die Konstruktion von V. 3ba ungewöhnlich, da Tis nicht nur bs (Dtn 20,12 II Sam 11,1; I Reg 15,27; 16,17; 20,1 u.ö.), sondern auch ein direktes Objekt zugeordnet ist. Hält man an der Bedeutung „belagern" fest, wird man 3XD als instrumentales Objekt zu verstehen haben.

Inhaltlich dürfte V. 3b damit kaum besagen, daß Jahwe die Stadt von ihrem Umfeld durch die Aufstellung von Posten und Wachen abschirmt, sondern vielmehr, daß er die Stadt mit massiven Maßnahmen belagern wird. Daß er sich dazu eines ausführenden Mediums bedient, muß nicht ausgeschlossen werden, es ist aber keine Rede davon. Handelt es sich auch um einen Überraschungsangriff, ist in V. 3 dennoch nicht an einen sofortigen Sturm der Stadt zu denken, die in V. 3b geschilderten Maßnahmen weisen vielmehr auf eine längerfristige Belagerung hin.19 In V. 4 wird die Reaktion des „Ariel" auf das in V. 3 geschilderte Belagerungswerk zur Darstellung gebracht.20 Die Asyndese "Ha-rn · · • nbsttfl gibt die Grundrichtung des Redens an: „Ariel" wird gebeugt, aus dem Staub sprechen.21 Die Termini ί>0ώ q. und π ritz) ni. in V. 4a begegnen sonst in Reihung noch in Jes 2,9. 11. 17; 5,15; 25,12; 26,5; Koh 12,4, mglw. auch in Jes 2,12 (BHS). Hat es den Anschein, als ob hier jesajanischer Sprachgebrauch vorliege, steht dem entgegen, daß nur eine geringe Anzahl der Belege authentisch sein dürften, vielleicht sogar nur Jes 2,17 von Jesaja selbst

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S. aber G. Fohrer: Jesaja II S. 70. 73; ders: Propheten V S. 143, der „Wachen" übersetzt, während F. Delitzsch [Jesaia5 S. 318] den fraglichen Begriff in V. 3bß mit „Sturmdächern" wiedergibt. Vgl. G. von Rad: Deuteronomium S. 93. 95. Vgl. H. Wildberger: Jesaja III S. 1098. Vgl. ders: Jesaja III S. 1107. Zu den Problemen des Verses s. schon oben S. 261-264. Zur Konstruktion s. G.-K.28 § 120g vgl. Jer 13,18; gegen H. Wildberger: Jesaja III S. 1099, der das erste Verb als adverbielle Ortsbestimmung ansehen will.

2. Untersuchung der einzelnen Schichten

313

stammt. 22 Sachlich kommt das in Jes 29,4 Geschilderte Koh 12,4 am nächsten, da in beiden Passagen die betreffenden Verben in Verbindung mit dem Leiserwerden der Stimme stehen, und sich neben diesen Verben mit yix und "iss weitere terminologische Bezüge zeigen. Der Vergleich mit einem Totengeist ist singular im AT. In 11 von 16 Belegen begegnet 3ΊΧ in Verbindung mit „Wahrsager" oder „Wahrsagegeist" (Lev 19,31; 20,6 .27; Dtn 18,11; I Sam 28,3. 9; II Reg 21,6; 23,24; II Chr 33,6; Jes 8,19; 19,3). Von einem „Flüstern oder Zischeln des Totengeistes ist nur in Jes 8,19 und 29,4 , jeweils mit dem Verbum ηοχ, die Rede, welches Verb sich im AT nur in Jes 1-39, über die genannten Belege hinaus, noch in Jes 10,14 und 38,14 findet.

Steht in V. 4a die Beugung „Ariels" als Reaktion auf die Belagerung in V. 3 betont im Mittelpunkt, so verlagert sich der Schwerpunkt in V. 4b auf die Totverfallenheit des „Ariel". Damit ergibt sich eine Aussagesteigerung: Ariel, d.h. seine Bewohner sind zwar noch am Leben, aber schon so gut wie tot. 23 Mit V. 4b wird ein Anschluß zum Ruf der Totenklage in V. la hergestellt. Eine gewisse Abrundung ist erreicht, jedoch sind noch nicht alle Fäden zu ihrem Ende geführt. Die Einlösung der Ankündigung von V. 2bß steht noch aus,24 sie folgt in V. 5bß.6. Diese Passage bildet den Abschluß des Drohwortes. Im Gegensatz zur konkret-anschaulichen Darstellung von V. 3 bedient sich hier der Verfasser Bildern, die in den Theophanieschilderungen ihren Ursprungsort haben. Urplötzlich wird es geschehen, daß Jahwe sein Gerichtshandeln am „Ariel" vollendet. Wie kann aber plötzlich die Eroberung der Stadt vor sich gehen, da doch die Belagerung schon darauf hingedeutet hat, daß sie fällt?25 - Diese Frage ist tatsächlich nicht leicht zu beantworten. Man könnte es sich so zurechtlegen, daß der Fall der Stadt, nachdem sich jedermann auf eine längere Belagerung eingestellt hat, plötzlich, nämlich früher als erwartet kommt. Allzu wahrscheinlich ist das nicht. Vielmehr wird man, wenn man V. 5bß.6 als Gerichtsansage versteht, davon auszugehen haben, daß hier das ganze Geschehen in den Blick genommen und zu einem dezidierten Abschluß geführt wird. Die „Urplötzlichkeit"

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S. R. Kilian: Jesaja I S. 31f; vgl. O. Kaiser: Jesaja I S. 73-75. Die Begriffe yix und "W vermögen diese Steigerung zu unterstützen. Sind sie in V. 4a neutral für Boden, Erde, Staub gebraucht, könnten sie in V. 4b schon mit der Unterwelt in Verbindung gebracht werden. S. zu diesem Verständnis H.H. Schmid: Art. Y"ix Sp. 230; G. Wanke: Art. -av Sp. 355. Gegen F. Huber: Jahwe, Juda S. 169 A.53, der fragt, „ob die Ankündigung, daß Jerusalem im Staub liegen werde, nicht die Einnahme der Stadt impliziert". Da er in V. 4a als Perf. consec. bestimmt, V. 4 also als Folge der Belagerung beschreibt, ist dies nicht einsichtig. Vielmehr ist H.-M. Lutz [Jahwe, Jerusalem S. 107] zuzustimmen: „Als Folge der Belagerung durch Jahwe wird die Stadt,demütig vom Boden her sprechen'. Zwar bleibt ihr die Vernichtung erspart, aber sie wird zutiefst gedemütigt werden." S. zu dieser Frage z.B. B. Duhm: Jesaia5 S. 208; O. Kaiser: Jesaja II S. 210; H. Barth: Jesaja-Worte S. 188; H. Wildberger: Jesaja III S. 1100; W. Werner: Texte S. 182.

314

V. Lösungsversuch

dürfte also auf den Beginn der Belagerung und des damit gegebenen Wechsel von Festfreude zu Klagegeschrei verweisen, wenngleich auch dies weder ganz deutlich, noch von der Logik der Abfolge her ganz stimmig ist.

In V. 6 wird das bisher nicht identifizierte „Ich" benannt. Der Leser konnte wohl bisher schon ahnen, daß der Bedränger Jerusalems niemand anderes als Jahwe sei, aber wohl nicht aus der Art und Weise der Belagerung, die ja deutlich die Züge eines menschlichen Feindes trägt, sondern aus dem Textgenre. In V. 6 wird nun der Bedränger beim Namen genannt. Der, der wie ein menschlicher Feind gegen Ariel/Jerusalem vorgeht, ist kein anderer als Jahwe Zebaoth. Wie in V. 2 wird auch in V. 6 wieder über den Ariel geredet. Diesen Ariel sucht Jahwe heim mit Donner und Sturm und macht ihn nun zu einem Ariel, einem Feuerherd, indem er eine fressende Feuersbrunst über ihn bringt. Auf dieses rfraix ttfx I n ^ i treibt V. 6 als Zielpunkt hin und schildert die Gerichtsheimsuchung Jahwes. Was die Begleiterscheinungen betrifft,26 scheint es sich um eine eigentümliche und reichlich üppige Zusammenstellung zu handeln. Der Verfasser des Arielliedes greift hier zwar auf allerlei bekannte Vorstellungen zurück, stellt sie aber in der Art und Weise einer Neuschöpfung zusammen. Die Verbindung rtbmx ö x nrrb findet sich sonst nur in Jes 30,30, sr6 allein in Jdc 13,20; Jes 66,15; Joel 2,15; Hi 39,23; 41,15, steht freilich dem über alle Bereiche der alttestamentlichen Bücher verstreuten Terminus rnrjb durchaus nahe. Eine Verbindung der Begriffe nmD und myD findet sich sonst nirgendwo im AT, wenngleich Ps 83,16 mit nsiD und Adäquates bietet. Auch die Reihung von Din und B)jn ist höchst selten und kommt nur noch in Hi 39,24f vor. Schließlich ist ^TTS bei 27 Belegen, davon neun in den prophetischen Büchern (Jes 29,6; 36,13; Jer 3,12.13; 11,16; 51,55; Ez 8,18; 9,1; 11,13), weit verstreut aufzufinden. Direkte Bezüge zu anderen Texten für die Gesamtkomposition von V. 6 bestehen nicht. In vergleichbaren Texten kommen höchstens zwei der sechs in Jes 29,6 belegten Begleiterscheinungen vor.

b) Die Erweiterungen Die erste Erweiterung setzt hinter V. 6 an und schildert die Aussichtslosigkeit der Völker bei ihrem Sturm auf die Gottesstadt. Wie es zu der Erweiterung um V. 5a.ba.7 hinter V. 6 kommt, läßt sich leicht erklären. Ein späterer Leser versteht V. 5bß nicht mehr als die Darstellung der Gerichtsvollstreckung am „Ariel", sondern vielmehr als plötzlichen Eingriff Jahwes zugunsten seiner Stadt. Hat er das mehrdeutbare "rpa im freundlichen Sinne verstanden und sah er im Belagerungsgeschehen V. 2 die Mitwirkung fremder Völker eingeschlossen, gab ihm dies das Recht, sein Verständnis von V. 6 durch seine Anfügung im Text festzuschreiben. Das Eingreifen Jahwes zugunsten seiner Stadt hat die Flüchtigkeit der Völker

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S. dazu schon oben S. 284f.

2. Untersuchung der einzelnen Schichten

315

zur F o l g e , die der R e d a k t o r in V e r g l e i c h e n mit Staub, Spreu und T r a u m beschreibt, w o b e i er sich für die B e z e i c h n u n g der V ö l k e r w o h l auf e i n e gebräuchliche Phrase, die sich i m Ezechielbuch dokumentiert, stützt. D i e Bedränger Jerusalems sind die D"nT. Π3Χ ist selten (Ex 9,9; Dtn 28,24; Jes 5,24; 29,5; Ez 26,10). Es bezeichnet in der Regel im Gegensatz zu "isv, dem Staub der Erde, welcher Begriff freilich auf Grund seines häufigen Gebrauchs mannigfaltige Bedeutungsnuancierungen entwickelt hat, den leichten, aufwirbelbaren Pulver-Staub.27 Das in Jes 29,5 folgende Adj. unterstreicht die Bedeutung „Pulverstaub". ΤΠ, eigentlich „dünn gestoßen", leitet sich von PRT her und steht für Kleines und Spärliches.28 Substantiviert kann der Terminus wie in Jes 40,15 auch selbst Staub bedeuten. YD in V. 5ba ist immer Bild für Vergänglichkeit im AT. 29 Von „auffliegender Spreu" reden neben Jes 29,5 in Gerichtsbildern auch Jer 13,24, wo wie in Jes 29,5 belegt ist, aber statt YD und bei identischer Terminologie Zeph 2,2. Ein Traumvergleich ist nur in Jes 29,7.8; Ps 73,20; 126,1 und Hi 20,8, eine Verbindung von D^n und "|ίτπ nur in Jes 29,7a und Dan 1,17, läßt man auch das verwandte, derselben Wurzel mn entstammende l^yr zu, noch in Hi 7,14; 20,8 und 33,15 belegt, wobei der zuletzt aufgeführte Beleg nVb ·ρνπ mi>m eine annähernde Parallele zu Jes 29,7a darstellt. Mit d e n V e r g l e i c h e n in V. 5a.ba.7a wird die Zerstreuung der V ö l k e r in einer Aussagesteigerung beschrieben. 3 0 U m diese Völker als die g e g e n A r i e l / J e r u s a l e m anstürmenden Scharen mit d e m B e l a g e r u n g s g e s c h e h e n in V. 2f in Verbindung zu bringen, dürfte der Redaktor V. 7b, der einige terminologische B e z i e h u n g e n zu V. 2f unterhält, geschaffen haben. Möglicherweise versteht sich v o n daher auch der seltsame Textzustand v o n V. 7b. Ordnet m a n V. 7b d i e s e m Redaktor zu, ist das textkritische P r o b l e m hinsichtlich r r a s w o h l dahingehend zu lösen, daß hier ein R ü c k b e z u g auf V. 3 b a vorliegt. O b aber tatsächlich r r n s D dort ursprünglich gestanden hat, ist nicht zu sichern. 3 1

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S. G. Wanke: Art. IDV Sp. 354. S. sub voce PT HAL I S. 220; G.-B.17 S. 167. S. oben S. 280. S. oben S. 307f. Der Text von V. 7b scheint verderbt zu sein, was sich allein an den Unterschieden der Textzeugen andeutet. MT ist zwar nicht unübersetzbar (so B. Duhm: Jesaia 1 S. 185; vgl. H.-M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 108 A.5), stellt aber mit der Aufnahme von V. 7a crxnn in r r n j r t a und hinsichtlich nrnxDi vor Probleme. Erkennt man im letzten Glied der Vershälfte eine Aufnahme von V. 2a, läßt sich für die beiden ersten Glieder Entsprechendes postulieren. Statt n t m o i wäre dann mit lQIs" und Vg. nmsDi zu lesen und damit eine Verbindung zu V. 3bß bzw. V. 3ba hergestellt. Für das erste Glied könnte man schließlich mit einem Ausfall des ersten Konsonanten rechnen und in rrnxo-^a eine Aufnahme von V. 3ba entdecken (vgl. mit gelegentlichen Variationen B. Duhm: Jesaia 1 S. 185; K. Marti: Jesaja S. 214; O. Procksch: Jesaia S. 374; NJ. Schlögl: Jesaja S.*15; H M. Lutz: Jahwe, Jerusalem S. 108 A.5; H. Barth: Jesaja-Worte S. 186; R.E. Clements:

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V . Lösungsversuch

Der Redaktor von V. 8 greift das Traumvergleichsmotiv aus V. 7a erneut auf und bezieht es auf die Völker als Träumern. Die Völker träumen nur davon, den Ariel zu bestürmen, verlangen danach, aber wenn sie aufwachen, ist ihre Begierde ungestillt. Dieser Ergänzer meint auch, späteren Lesern das Rätsel des „Ariel"-Namens auflösen zu müssen und wiederholt in V. 8b V. 7a mit dem geringfügigen Unterschied, daß er statt bx'nji TPS "irr einsetzt. Sollte diesem Redaktor der „Ariel" und sein Geschick tatsächlich ein Rätsel gewesen sein, und hat er beim ersten Lesen V. 5bß.6 als eine Gerichtsankündigung gegen den Ariel verstanden, ist es durchaus denkbar, daß er späteren Lesern solche Schwierigkeiten ersparen wollte. Mit der Plazierung von V. 5a.ba an seinen heutigen Ort meinte er - diese Ausführungen sind natürlich schon spekulativ - die Bedeutung von V. 5bß.6 zu verdeutlichen, hat dadurch freilich große Verwirrung gestiftet. Möglicherweise verdankt sich ihm auch die Verschreibung von ΰΉΤ in "piT, denn ersteres dürfte ursprünglich gewesen sein, sollte V. 5a ehemals an V. 6 angeschlossen gewesen sein. Hat er V. 5a.ba.7 auseinandergerissen, dürfte er vor V. 7 wahrscheinlich auch ein Γτνη eingefügt haben. c) Zur Datierung der Schichten Bei der zeitlichen Einordnung der Grundschicht von Jes 29,1-8* besteht ein größeres Problem: Läßt sich dieser Text Jesaja zuschreiben, ist es eine Rede oder ein schon ursprünglich als schriftlicher Text konzipiertes Stück? Bei der Beantwortung ist man auch auf vorgängiges Wissen um einen Grundbestand jesajanischer Verkündigung angewiesen. Geht man von einem Minimalkonsens aus, kann man mit H. Wildberger feststellen: „Die Propheten reden grundsätzlich nicht von einem kommenden Eingreifen Gottes, ohne es zu begründen."32 Fehlt aber eine solche Begründung

Isaiah S. 237; W . Werner: Texte S. 179 A.lOf). Gegen H. Wildbergers Emendation (Jesaja III S. 1100; vgl. ähnlich A . Laato: Immanuel S. 227) spricht, daß er seinen Ausgang bei den drei Part, der L X X nimmt, dann aber nur zwei Part, herstellt. Es verdient darüber hinaus Beachtung, daß die textkritische Emendation des ersten Gliedes von V . 7b eine literarkritisch relevante Spannung ausräumt (s. F. Feldmann: Isaias S. 344), und gerade bei H. Wildbergers Lösungsvorschlag im Hintergrund das Bestreben, eine metrische Gliederung für V . 7b zu erreichen, eine Rolle spielt. Entscheidet man sich für die oben vertretene Emendation, sollte man sich der Unsicherheit bewußt bleiben. Diesbezüglich sind H. Barths [Jesaja-Worte S. 188] Ausführungen nicht nur subjektiv, sondern auch methodisch problematisch: „ V 7 nimmt V . l - 5 b a in einer Weise auf, die nicht nach literarischem Kopieren mit direkten und platten Formulierungsentsprechungen, sondern nach einem genuinen, subtilen kompositioneilen Rückbezug aussieht: Ohne daß es direkt gesagt werden muß, wird dabei deutlich gemacht, daß der V2f gegen Jerusalem zu Felde ziehende Jahwe an der Spitze eines Völkerheeres steht!" 32

H. Wildberger: Jesaja I S. 137.

2. Untersuchung der einzelnen Schichten

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in Jes 29,1-8*, ist zumindest aber keine Begründung aufweisbar, die diese Bezeichnung mit Recht verdienen könnte, ergibt sich schon ein erstes Indiz gegen eine Herleitung des Grundbestandes von Jesaja. Erkennt man überdies an, daß hier ein Stück vorliegt, das, obschon es mit einem Weheruf eingeleitet wird, die für die von Jesaja hergeleiteten Belege typische Verbindung von "'"irr mit einem schuldhaften Verhalten der Adressaten vermissen läßt, überdies unterschiedlich den ganzen Ariel als Adressaten des Weherufs vorstellt, und läßt auch das Vokabular, wie es oben deutlich geworden sein dürfte, keinerlei Rückschluß auf jesajanische Verfasserschaft zu,34 können gerechtfertigte Zweifel an der Authentizität des Stückes geltend gemacht werden. Der in mehrfacher Hinsicht dunkle Text, der zwischen Totenklage und Drohung oszilliert, hat offensichtlich ein zentrales Anliegen, nämlich die Allmacht Gottes im Gericht über Jerusalem zu demonstrieren. Jahwe kommt wie ein menschlicher Feind, nicht ein Heer fremder Völker, sondern er selbst führt eine Belagerung des Ariel durch, erobert die Stadt, die in ein Flammeninferno getaucht wird.35 Gerade der Symbolname Ariel gibt dem Lied seine sonderbare Färbung. Jerusalem, im Bild des Brandopferaltares angesprochen, wird angedroht, daß es selbst zu einem solchen werden wird. Den Bewohnern Jerusalems wird dabei kein Hintertürchen offen gelassen. Ob sie nun Feste feiern, wozu sie der Verfasser ironisch auffordert, oder nicht, scheint letztlich gleichgültig zu sein. Über den Grund dieses Gerichts schweigt sich der Verfasser genauso aus wie über den Zeitpunkt des Beginns der Belagerung des Ariel. Auch dies steht einer Herleitung von Jesaja im Wege. Bringt man das Stück in der Regel in direkte oder indirekte Verbindung mit dem Sanherib-Feldzug im Jahre 701 v. Chr.,36 kann man weder erklären, warum von Assur überhaupt nicht die Rede ist,37 noch

33 34

35 36

37

S. O. Kaiser: Jesaja II S. 211, s. oben S. 300 A.37. Allein für m p (Jes 22,2) und die Paarung von und nntö (Jes 2,17) lassen sich Parallelen ausmachen. Besonders gegen H. Wildberger: Jesaja III S. 1106. S. P. Auvray: Isaie S. 259; H. Bultema: Isaiah S. 271; H. Donner: Israel S. 155; J. Scharbert: Propheten S. 277; J. Schreiner: Sion S. 255; H. Wildberger: Jesaja III S. 1103 (vor dem Ansturm Sanheribs); F. Feldmann: Isaias S. S. 352; J. Fischer: Isaias S. 192 (702); A. Robert/A. Feuillet: Einleitung S. 505; (703/702); T.K. Cheyne: Einleitung S. 193; K. Marti: Jesaja S. 212 (703); R.E. Clements: Isaiah S. 234; W. Dietrich: Jesaja und die Politik S. 190; O. Procksch: Jesaia S. 372 (705 - 701); G. Fohrer: Jesaja II S. 74 (nach 711); H. Barth: Jesaja-Worte S. 189f (Spätzeitverkündigung); anders B. Duhm: Israels Propheten S. 148 (722 - 705). Konstruktionen wie bei H. Wildberger: Jesaja III S. 1106 spiegeln diese Not: „Man feiert in Jerusalem, aber Jahwe wird den Ariel .bedrängen', vgl. Dt 28,55. Wie das vor sich geht, sagt V. 3 konkreter: Jahwe wird sich wie ein Heer rings um den Ariel lagern:

318

V. Lösungsversuch

daß in Jes 29,lf von einem krassen Stimmungsumschwung die Rede ist, der, wenn man beim Text bleibt, allein durch den Beginn der Belagerung Jerusalems ausgelöst wird. Konnte Jesaja sich vorstellen, daß Sanherib ganz Juda so schnell niedermacht, daß man in Jerusalem immer noch Feste feiert, wenn er vor der Stadt steht? Warum ist Juda in diesem Stück völlig ausgeblendet, geht es nur um Jerusalem, den Opferherd? - Die zeitgeschichtliche Deutung muß hier unscharf bleiben. Nicht nur, daß die Geschichte anders gelaufen ist, sondern, daß sie gar nicht anders laufen konnte, erschwert eine Einordnung in die Zeit vor 701 erheblich. Denn wenn das Feiern der Feste je auf den Kult hinwiese und Anzeichen dafür wäre, daß man sich des Beistands der Gottheit zu versichern suchte, wäre schon vor der Belagerung Jerusalems der Umschlag von Festfreude zu Wehgeschrei erfolgt. Das Wehgeschrei hätte nur nach diesem Zeitpunkt eine andere Farbe bekommen.

Die Beantwortung der Frage nach dem Verfasser des Arielliedes kann nach den Argumenten gegen die Authentizität nur in zwei Richtungen gelöst werden. Entweder ist hier ein Schriftsteller zu postulieren, der in Anblick der Katastrophe von 587 v. Chr. ein Vaticinium ex eventu verfaßt und so Jesaja das Gericht voraussagen läßt, oder wir haben einen Verfasser anzunehmen, der nach 587 v. Chr. ein neuerliches Gottesgericht in der Endzeit erwartet. Nimmt man die erste Möglichkeit an, erklärt sich, warum Jahwe in der Schilderung der Belagerung Jerusalems in V. 3 so deutlich in den Mittelpunkt gerückt ist. Hier könnte die durch die Eroberung Jerusalems ausgelöste Glaubenskrise ihren Niederschlag gefunden haben, die Frage, ob Jahwe sich als der Schwächere in der Auseinandersetzung mit den babylonischen Göttern erwiesen habe, eindeutig mit Nein beantwortet sein (vgl. Thr 2,16f). Gerade die Übereinstimmungen mit Thr 2 könnten in diese Richtung weisen. Die Paronomasie (Jes 29,2ba; Thr 2,5), die Beschreibung der Demütigung der Jerusalemer mit den Begriffen Y"ix und "iss (Jes 29,4; Thr 2,10), die Anspielung auf den jähen Wandel von der Festfreude zur Trauer (Jes 29,lf; Thr 2,6), die Betonung des Handelns Jahwes gegen Jerusalem (Jes 29,2f. 6; Thr 2,4. 17), die Beschreibung des Gerichtshandelns mit dem Bild der „fressenden Flamme" (Jes 29,6; Thr 2,3) und schließlich der gemeinsame Bezug zum Tempel (Jes 29,lf; Thr 2,6f), all diese Gemeinsamkeiten könnten, ohne auf literarische Abhängigkeit schließen zu wollen, darauf hinweisen, daß beiden Stücken eine ähnliche Situation zugrunde liegt, die retrospektive Verarbeitung der Eroberung Jerusalems im Jahre 587 v. Chr. Träfe dies für Jes 29,1-8* zu, dürfte man es zeitlich wohl früher als das Klagelied ansetzen. Denn während in diesem die Ohnmacht Jahwes überhaupt keine Frage mehr ist, könnte es in der Grundschicht des Arielliedes durchaus im Zentrum stehen. Demnach könnte man eine exilische Abfassung durchaus vertreten. 38

38

Jahwe, weil er Herr der Geschichte ist, in Wirklichkeit denkt Jesaja natürlich an das Heer der Assyrer". Zur Datierung des zweiten Klageliedes s. O. Kaiser: Klagelieder S. 330. 335; gegen H.J. Kraus: Klagelieder S. 40f; W. Rudolph: Klagelieder S. 193.

2. Untersuchung der einzelnen Schichten

319

Wäre demnach Jes 29,1-8* eine Thr 2 vergleichbare Bewältigung des Schicksalsjahres 587, die zwar auch auf die Klage eingestimmt ist, aber diese Frage nach einem Rückschritt in die Zeit Jesajas in die Zukunft projiziert, melden sich doch gegen eine solche Auffassung Zweifel an: Gibt es keinen Grund für das, was geschehen ist, läßt sich nichts benennen, was das Handeln Gottes wider seine Stadt rechtfertigen könnte? - Nimmt man diese Fragen ernst, scheint es nicht abwägig, daß sich in Jes 29,1-8* eine Stimme zu Wort meldet, die auf ein erneutes Gericht über die Gottesstadt in der Endzeit wartet. Auch dann wäre eine indirekte Beziehung zum zweiten Klagelied denkbar, und zwar insofern, als sich das in der Zukunft erwartete Geschehen nur in schon Erfahrenem ausdrücken kann. Gerade das Fehlen einer einleuchtenden Begründung für den Angriff Jahwes auf die Gottesstadt ließe sich in dieser Perspektive durchaus verstehen. Sollte das Stück Jes 32,9 - 1 4 einer solchen Redaktion zuzuordnen sein, könnte man Jes 29,1-8* durchaus auf diese Weise vorstellen. Aber selbst bei diesem Stück kommt man in Zweifel, ob es auf 587 v. Chr. zurückblickt oder auf ein neues Gericht ausblickt. Weil auch hier Zweifel bleiben, kann die Auffassung, daß das Ariellied in der Grundschicht eine retrospektive Bewältigung der Eroberung Jerusalems ist, die wohl nur kurz nach diesem Ereignis niedergeschrieben wurde, durchaus vertreten werden: Ein religiöser Dichter hatte gelernt, die Zerstörung Jerusalems als das Wirken seines Gottes zu verstehen. Nicht Nebukadnezar oder die Babylonier mit der Unterstützung ihrer Götter hatten Jerusalem zu Fall gebracht. Ihr Bemühen wäre gescheitert, wäre ihnen nicht ein Mächtigerer zur Seite gestanden, der die Fäden in der Hand hielt, Jahwe der Gott Israels. Das Drohwort in Jes 29,1-8*, das sich aus dieser Deutung gewinnt, ist ein Vaticinium ex eventu, in dem der Verfasser nichts mehr zum Ausdruck bringen will, als daß die Zerstörung Jerusalems nicht Ausdruck der Schwäche Jahwes, sondern Beweis seiner Allmacht war. Der Autor griff dafür den Ruf der Totenklage auf, der für ihn schon laut geworden war, und rief ihn klagend und drohend über Jerusalem aus, welche Stadt er im Bild des Brandopferaltares in den Blick nahm. Der Tempel und sein Altar waren zerstört - nach der Kultzentralisation unter Josia war dies besonders einschneidend - Jerusalem selbst war zu diesem Opferherd geworden. Eine sichere Datierung der Redaktionsschichten läßt sich auch nicht angeben. Der erste Redaktor kennt auf jeden Fall das Völkerkampfmotiv,

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S. oben S. 310. Zum Nachweis einer solchen Bearbeitung in Jes 1 - 3 9 s. O. Kaiser: Jesaja I S. 22. Es steht nach diesen seinen Ausführungen zu erwarten, daß O. Kaiser in einer Neuauflage des zweiten Teils seines Kommentares das Ariellied in einer Grundschicht auf diese Schicht zurückführt.

320

V. Lösungsversuch

vielleicht auch Ez*, wenn es sich nicht bei CP "Orr "ΊΤΊ? ΰ^ΊΤ um einen allgemein gebräuchlichen Topos für die fremden Völker handelt. Für die zeitliche Ansetzung erweist sich der Traumvergleich in V. 7a als möglicher Ansatzpunkt, da er die Ablehnung des Traumes als Offenbarungsmittel voraussetzt. Kommt der Traum im AT in Vergleichen vor, dient er in der Regel „zum Ausdruck der Unwirklichkeit und Nichtigkeit."40 Dies trifft auf Hi 20,8, wo es um den Jubel der Frevler geht, der wie ein Traum und ein Nachtgesicht verfliegt, als auch auf Ps 73,20, eine Beschreibung des Endes des Frevlers, der wie ein Traum vergeht,41 während allein Ps 126,1 einen positiven Vergleich verwendet, in dem der Traum aber die Bedeutung „eines Sinnbildes der Unwirklichkeit"42 hat. Der Vergleich in Ps 126,1 kontrastiert somit geschichtliche Wirklichkeit und Traum, der als Antizipation der erhofften Zukunft gesehen wird 4 3 Die mit Jes 29,7.8 vergleichbaren Texte, Hi 20,8 und Ps 73,20 sind nachweislich späten Datums, 44 und auch die Ablehnung des Traumes als Offenbarungsmittel scheint in die nachexilische Zeit zu verweisen.

Höchstwahrscheinlich kann der Redaktor mit der eschatologischen Bearbeitung des Jesajabuches in Verbindung gebracht werden. Diese Schicht wird man wohl kaum auf eine einzige Hand reduzieren können, zumal wenn sich in Jes 29,1-8* zwei unterschiedliche Hände mit ähnlichem Anliegen aufweisen lassen. Besonders deutlich ist der Bezug zu Jes 31,5-9*, so zumindest auf einer Textstufe V. 4 den Abschluß des ursprünglichen mit "ΊΠ eingeleiteten Drohwortes gebildet hat: Ein „schillernder" Satz wurde dann hier wie dort durch einen Zusatz in einen anderen Bedeutungshorizont gebracht. Auch V. 9b (vgl. Jes 30,33) bildet einen Bezug zum Ariellied aus, zumindest in seiner redaktionellen Fassung, in der der „Ariel" nach der Wende als für die Völker bestimmt zu verstehen ist und damit auch an das Völkeropfermotiv in der Gogweissagung (Ez 39,17-20) erinnert. Über die zweite Redaktion läßt sich keine Aussage machen. Daß sie der Anfügung von Jes 29,5a.ba.7 nachfolgt, dürfte außer Frage stehen, mehr läßt sich aber auch nicht erschließen.

40 41 42 43 44

J. Bergman/M. Ottoson/GJ. Botterweck: Art. Dbn Sp. 998. S. E.L. Ehrlich: Traum S. 153f. Ders.: Traum S. 154. S. W. Beyerlin: Träumende S. 29f. Vgl. W. Werner: Texte S. 183; zu Ps 73,20 s. G. Fohrer: Einleitung S. 313; A. Weiser: Psalmen II S. 345. Zum Alter der Vorstellung der Ablehnung des Traumes als Offenbarungsmittel s. E.L. Ehrlich: Traum S. 155-169 mit Jer 23,25 - 32; 27,9f; 29,8f; Dtn 13,2-6; Sach 10,2; Koh 5,2. 6; Sir 31,1-8 (34,1-8); 40,5c-7; Arist 213-216.

Literaturverzeichnis Aufsätze und Monographien werden in der Regel mit Hilfe des ersten Substantivs des Titels zitiert, Kommentare dagegen mit dem Titel des entsprechenden biblischen Buches. Aufsätze aus Zeitschriften und Sammelbänden, die mehrfach publiziert wurden, werden jeweils nach der letzten im Literaturverzeichnis aufgeführten bibliographischen Angabe zitiert. Ausnahmen sind in Klammern gesetzt. Die für Zeitschriften, Serien und Standardwerke benutzten Abkürzungen richten sich nach S. Schwertner: Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin-New York 1976. Diesem Werk sind auch die Abkürzungen der biblischen Bücher sowie die allgemeinen Abkürzungen entnommen. Abkürzungen zur hebr. Grammatik richten sich in der Regel nach E. Jenni: Lehrbuch der Hebräischen Sprache des Alten Testaments, Basel -Frankfurt a.M. 21981. Weithin übliche Abkürzungen (s. z.B. Duden Rechtschreibung der deutschen Sprache [Duden Bd. 1], Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich 201991) werden nicht vermerkt. Uber die bei S. Schwertner vorfindlichen oder von diesem abweichend werden noch folgende Abkürzungen verwendet: A.-K. AEb ACUT BET BN BSC(Gr) DMGR EPC FMDA

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Register Gen If I,1-2,4 1 2 2 , 4 - 3,24 2.4 - 25 3.5 3,8 3,11 4,15 6f 6,15 6,22 7,5 7,22 8,11 II,9 12 14,1 14,17 16.11 18,8 18,19 18,29 21,1 21,17 21,22 22 22,1-19 22,1-12 22,1 22.12 22,13-19 22,18f 24,16 24,43 24,63 25,25

60 60 62, 64 62 50 60 236 184 189 180 89 216 89 89 189 184 224 165 217 139, 140 183 238 194 171 284 189 216 128 63,65 63 62, 63, 128 63 63 63 234 233, 234 184 277

26,8 273 30,15 30,16 32,10-13 32,23 - 33 41,32 43,11 46,16 48,7-13 48,7- 9 48,7 48,8f 48,8 48,9 48,10-12 48,10 48,11 48,12 48,13 50,24f

216 157 178, 179 139 62 62 216 238 309,310 55 55 55 56 55, 56 55, 56 55 55, 56 55 55 55 284

12,8 13,5 13,19 14,14 14,21 14,27 16,21 17,2 17,7 18,7 23,13 33,3

224 237 284 228 165 184 238 231 231 139 226 237 Lev

1,12 2,11 10,11 19,31 20,6 20,24 20,27 24,12

224 238 171 313 313 237 313 215

Ex 2,8 3 3,8 3,12 3,17 4,14 4,17 4,27 4,30 4,31 9,8f 9,9 9,35 10,2 10,10 10,14

233 159 237 102 237 139 180 139 180 284 279 315 171 180 224 244

Nurn 11,18 - 20 12,10 13,27 14,8 14,9 14,11 14,22 16 16,8-11 16,9f 16,13 16,14 16,26 16,29 20,18

155 198 237 237 198 165 180, 231 180 179 178,179 237 237 198 284 139

342

Register

20,20 21,23 21.29 21,33 22,11 22,19 22.30 22,36 24,23 25.5 26,17 31,7 31,13

139 139 296 139 218 171 189 139 296, 297 73 309, 310 288 139 Dtn

1,32 1,39 I,44 2,4 2,32 3,1 3,26 4,23 4,34 5,22 6,3 6,12 6,16 6.22 7,19 8,11 9,11 9.23 II,3 11.6 11,9 11,16 12,13 12,19 12,30 13,2- 6 13. 2 15,9 17,4 18,11 20.3

165 236 139 226 139 139 171 226 231 285 237 226 231 180 231 226 216 165 180 189 237 226 226 226 226 320 180 226 243 313 143, 209, 228

20,4 20,12 20,20 21,3 23,12 24,8 26,9 26,15 27,3 28,24 28,53 28,55 28,57 29,2 31,20 32,14

236 312 312 185 184 226 237 237 237 315 311 311, 317 311 231 237 238 Jos

2,12 5,6 8,5 8,14 8,22 9,11 9,24 10,11 10,25 24,17

180 237 139 139 139 139 243 284 189 180 Jdc

3,31 4,18 4,22 5,26 6,17ff 6,17 7,24 9,6 9,37 11,31 11,34 13,4 13,20 14,18 16,19 16,20

247 139 139 238 102 180 139 311 171 139 139 226 314 185,238 198 198

19,26 20,25 20,31

184 139 139 I Sam

2,21 2,35 3,6 3,8 4,1 4,7 4,8 6,12 6,23 7,10 9,1 9,14 13,10 13,14 14,15 15,12 17,55 19,2 24,21 25 25,28 26,15 28,3 28,15 28,16 28,17 30,21

284 168 171 171 139 296 296 198 198 284, 285 132 139 139 157 284 129 139 226 157 169 168 74 313 198 198 171 139 II Sam

2,21 2,22 3,2 5,If 5,1 5,3 6,20 7

198 198 247 73 73 73 139 74, 76, 77, 81, 82, 83, 162, 166, 169, 229 7,1-7 77 7,1 45, 76, 77, 81, 82 7,2 77

Register 7.5 7,6f 7.6 7.7 7,8ff 7.8 7.9 7.10 7.12 7.13 7.1 4 7.16 7.1 9 7.20 7.2 1 7.22 7.23 7.25 7.26 7.27 7.28 7.29 8 11,1 12,3 17,12 17.1 4 17.15 17,29 18,6 18,22 18,29 20,10 21,10 23,5 23,20

3,5 3,9 5 5.1 7 8,14-21 8.1 6 8.1 7

81, 230 74 74,77 73,74,77 45 45, 74, 230 45 45 74 74, 81 81 82, 83, 164, 165, 166-169 230 81, 171, 230 230 81 74, 75, 81 230 81, 230 230 81, 230 230 77 184, 312 185 244 194 150 238, 239 139 171 184 226 244 236 309, 310 I Reg

230 236 77 77 74 74 74

8,19 8,57 9. 9 11.38 12,15 12,22-24 12,24 13.30 14,10 14,21 15.19 15,27 16,1-4 16,5 16.1 7 18,5 20,1 20,4-6 20.39 21,17ff 21,17-20 21.18 21.20 21.21 21,29 22 22.19 - 2 2

1.2- 6 1.3- 5 1. 3 1.4 1. 5 1. 6 2 2,1 3.26 3.27 4,26 6.10 9,2 9,14 9,17 10,29 10.3 1

343 74 236 194 168 171 173 173 296 194 247 198 312 173 134 312 185 312 173 198 173 173 139 173 173 194 118 118

II Reg

173 173 173 173 173 173 128 128 245 198 139 226 132 132 139 198 198

12,19 198 13,6 198 13,11 198 13,19 152 14.8 132 14,13 132 14,24 198 15.9 198 15,18 198 15,24 198 15.28 198 15.29 205 15,32 132, 205 15,37 244 16 125, 205 16.1 126, 132, 223 16. 2 192 16.3 137 16,5-9 147 16.5 123-127, 130, 132, 133, 203, 205, 207, 209, 216, 217, 218, 222, 223, 224, 225, 226, 228 16.6 125, 126, 223, 224 16,7ff 125, 126 16,7- 9 205, 223, 225, 226,228 16. 7 127, 205, 218, 223, 224, 230 16,9 205 17,23 171 18-20 19, 142 18 141 18.3 192 18,13 240 18,17-19,7 142 18,17 137, 138, 139, 140-142, 207, 208, 209, 225, 226 18,19- 25 225 19.4 230 19,6f 142 19.8 198 19,36 198 20,1-11 142 20.5 192

344 20,8-11 20,9ff 20,12-19 21,6 21,10-12 21,10 21,12 22,2 22,16 22,20 23,24

Register 230 175, 209 142 313 221 171 194 192 194 194 313

Jes 1-66 123 1-39 2, 36, 38, 43, 98, 142, 171, 175, 176, 202, 214, 226, 230, 253, 254, 256, 264, 277, 303, 304, 311, 312, 313, 319 1-12 2, 98 1 302 1. 1 107, 132 1.2 171 1,4- 9 302 1,4 277, 300, 301, 302 l,5f 299 1,7 189, 277 1.9 196 1.10 196 1.20 171 1,21-28 166 1,21-26 279, 287 1.21 166, 167 l,22f 279 l,24f 279 1,24 293 1,26 166, 167 2- 5 109 2,9 312 2.11 312 2.12 312 2,17 312, 317 3,8f 202 3,9 196 3,16f 155, 156 3,25-4,1 311

3,26 311 5 299 5,1-7 14,275,289 5,If 275 5,8 - 24 106 5,8 309 5,9 299 5,11 309 5,13f 299 5,13 202 5,14 176, 202 5,15 202,312 5,16 202 5,18 309 5,20 309 5,21 309 5,22 309 5,23 293 5,24 299, 315 5,25- 30 106 5,25 106 6ff 101 6,1-9,6 . . . . 105, 106, 107, 108, 110, 111, 112, 115, 121 6,1-8,18 64, 99, 105, 111, 115, 116, 117, 119, 120, 214 6 105, 106,107, 108, 109, 110, 111, 113, 114, 115, 117, 118, 119, 121, 122, 130, 133, 172, 209, 210, 223, 286 6,1 122, 125,132, 133,204,223 6,5 159 6,9-11 108 6,11 187,189,239 6,12f 208 6,12 189, 190 6,13 286 7,1-9,6 105 7f 158 7,1 - 8,18 105, 119 7,1-8,8 157 7 67, 95-250, 287

7,1-25 68,101 7 , 1 - 1 7 . . .2, 3, 68, 9 5 - 250, 253,269 7,1-16 101, 176, 223 7,1-9 67, 99, 101, 102, 103,104, 117, 121, 129, 130, 132, 136, 147,156, 160, 162, 165, 167, 170, 171, 172, 173-175, 181, 191, 192, 205, 207, 208, 214, 220, 229, 230 7,1-3 104 7,lf 116, 134f 7,1 60, 97, 109, 116, 122, 123-130, 131,132, 134, 135, 137, 147, 149, 188, 190, 193, 194, 197, 199, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 209, 212, 213, 214, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 228, 229, 242, 243 7,1a . . . 119, 125, 131-133, 134, 207, 209, 217, 223 7,1b 127,134, 145, 148, 205, 209, 211, 216, 218, 219, 225 7,2ff 128, 129 7,2-17 217 7,2 101, 116, 119, 125, 129, 131, 134, 135, 144, 162, 192, 193, 202, 206, 217, 218, 243, 244 7,2a 129, 130, 131, 135, 147, 148,213,216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 224, 225, 242, 243, 248 7,2b 116, 119, 131, 134, 135, 193,194, 207, 211, 212, 218, 222, 225, 242, 243, 244, 248 7,3ff 101,134 7,3-17 129, 161 7,3- 9 102, 103, 116, 157,158,169,173, 221

Register 7,3f 73

170, 175 I l l , 112, 130, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 172, 175, 218, 221, 222, 225, 226, 230 7,3a 135f, 207, 211, 212, 218 7,3b 136, 137-142, 143, 199, 205, 207, 208, 209, 231 7,4ff 162, 163 7,4- 9 102, 103, 153, 154, 155, 161, 172, 221 7,4-9a 141, 142, 160, 162, 163, 164 7,4-6 155 7,4f 156, 211, 220 7,4 103, 134, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 154, 155, 156, 157, 162, 163, 164, 170, 190, 196, 208, 221, 227, 228 7,4a 135, 143-145, 146, 147, 148, 155, 164, 199, 202, 203, 205, 207, 208, 209, 211, 212, 215, 216, 219, 220, 221, 222, 225, 226, 227, 228, 229, 236, 245 7,4b-9a 145 7,4b-6 222, 224, 242, 248 7,4b 145-148, 149, 201, 202, 203, 204, 205, 212, 215, 219, 220, 244, 245, 248 7,5ff 220 7,5-9 156, 159 7,5 - 7 144, 153, 154, 158, 211, 212, 213, 221 7,5f 130, 144, 145, 147, 155, 156, 157, 158, 159, 206, 213, 215, 217, 219, 220, 221, 242 7,5 144, 146, 148, 149, 150, 155, 158, 196,

202, 203, 205, 216, 219, 220, 243, 245 7,5a 147, 148, 212, 213, 219, 243 7,5b 148-150, 201, 202, 204, 205, 216, 219, 220, 243 7.6 130, 144, 148, 149, 162, 167, 216, 217, 219, 220, 221, 222, 225, 242, 245, 247 7,6b 220 7,7ff 158 7,7-9 155, 187 7.7 156, 159, 216,222 7,7a 154, 155, 158, 172, 175, 212, 221 7,7b-9 155,170, 221 7,7b.8a.9a. . . 151, 190, 211, 214, 215, 221, 222, 228, 229, 248 7,7b 128, 144, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 163, 190, 215, 216, 221, 230, 233 7,8f 151, 154 7. 8 150 7,8a.9a 144, 150, 151, 152, 153-160, 163, 190, 200, 202, 204, 206, 214, 215, 216, 221, 222 7,8a 151, 196, 205 7,8b 97, 150-153, 188, 199, 201, 202, 203, 204, 211, 212, 214, 215, 221, 222, 242, 250 7,9 34, 101, 102, 103, 104, 137, 167, 170, 173, 222, 244 7,9a 151, 152, 163, 1%, 205, 211, 214, 245, 250 7,9b 103, 116, 117, 136, 142, 143, 151, 158, 160-169, 176, 177, 178, 199, 200, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 221, 226,

345 227, 229, 230, 232 7,10ff 103, 162, 178 7,10-17 67,99, 101, 102, 103, 104, 116, 121, 128, 141, 142,157, 162, 163, 169, 172, 173-175, 181, 185, 190, 191, 192, 207, 214 7,10-16 191, 222, 230, 231 7,10-13 169 7.10-12 177,211 7.10 67, 101, 102, 103, 104, 162, 169-173, 174, 175, 181, 204, 208, 221, 230, 231 7,llff 174,207 7.11-1 7 169, 170 7,11-14a 211 7,11-13 211, 212 7,llf 212 7.11 170, 171, 173, 175, 176, 178, 180, 202, 212, 221, 222, 230, 231, 232, 241, 248 7,11a 175, 176 7,11b 175f, 199, 208, 209, 230 7,12f 231 7.1 2 170, 172, 176, 177, 178, 181, 212 7,13ff 171,248 7,13-17 163,232 7,13-16 191, 212, 232, 239, 242 7,13f 104, 131, 160, 193, 197, 210, 211, 212 7,13.14a 163, 167, 187, 199, 210, 211, 212, 222, 235, 236, 241, 248 7.13 111, 131, 162, 176-180, 181, 192, 193, 194, 210, 211, 212, 221, 222, 230, 231, 232, 233, 241, 243 7,13a . . . 170, 211, 212, 232

346 7,14ff 241 7,14-17 178 7,14-16 233 7.14 180, 190, 191, 196, 215, 231, 233, 236 7,14a . . . 180, 181, 191, 196 212, 222, 232, 233, 241 7 , 1 4 b - 1 7 . . . 95,180,182, 183, 184, 215 7,14b-16 . . . 181, 187, 192, 202, 211, 212, 240 7,14b-15 232 7,14b 95, 181, 182, 183, 190, 197, 211, 212, 233, 235, 237, 248 7,15f 152 7.15 180, 181, 182-186, 187, 200, 201, 211, 215, 222, 232, 237, 238, 239, 241 7,15a 211, 212, 215 7,15b 185, 212, 222 7,16f . . . 98, 195, 222, 232 7,16 98, 152, 153, 157 181, 182, 183, 184, 186, 187, 188, 190, 194, 195, 196, 204, 211, 212, 214, 215, 222, 232, 241, 249 7,16a 182, 184, 185, 190, 195, 211, 212, 222, 248 7,16b . . .102, 129, 153, 163, 180, 183, 185, 186-191, 195, 201, 202, 203, 204, 206, 212, 214, 216, 222, 225, 232, 238, 241, 242, 248 7,17ff 176 7,17-25 101 7,17 67, 98, 101, 104, 163, 176, 177, 180, 181, 187, 188, 190, 191, 193, 194, 195, 196, 198, 202, 211, 212, 222, 232, 242, 248, 249, 250 7,17a 68, 181, 190,

Register 191-197, 198, 211, 212, 225, 241, 242, 248, 249 7,17b 60, 68, 71, 97, 197f, 199, 201, 204, 205, 222, 249 7,18ff 249 7,18- 25 67, 194 7.18 67,104,170, 185 7.19 244 7.20 170 7,21f . . . 185, 187, 215, 239 7.2 1 170, 185, 186, 215 7.22 182, 185, 186, 215,238 7.23 170, 185 8 105, 106, 109, 110, 111, 113, 114, 115, 121, 122

8,1-8 8,1-4 8. 1 8.2 8,3f 8.3 8.4 8,5ff 8,5-10 8,5-8 8.5 8,6ff 8,6f 8. 6 8. 7 8,8-10 8.8 8,9f 8.9 8.10 8,11-15 8.1 1 8,12 8,13 8,16-18

116, 157 113, 170 Ill Ill 183 129, 236 157, 183, 187 250 305 306 169, 170, 171, 175,208 170 155, 156 140, 205 170, 250, 305 305 235,305 304, 305, 306 153 158, 236 116 208 208 208 108, 109, 116, 119, 208

8,16 Ill 8.18 109, 114 8.19 264, 313 8,23-9,6 67 8,23 67,68,69 9,1-6 67, 68, 69, 109 9,6 109 9,7-10,4 106 9,7-20 106 9,8 202 9,14f 155 9.20 202 10,1-4 106 10,If 301 10. 1 309 10.2 34 10.3 299 10.4 299 10,5- 25 256 10,5-15 299,301 10,5f 301 10.5 147, 298, 301 10,7 131 10.1 2 301 10,14 264, 313 10.27- 34 305 10,27 198 10,33 287 11,1-5 287 11,4 34 13,11 276, 277, 278 13,19 196 14,24- 27 . . . 256, 301, 305, 306 14.24 158 14.25 198 14.26 245 14.28- 32 34, 35 14,29 - 3 2 35 14.29 34, 35 14.30 35 14.3 1 34, 35 14.32 34, 35 15,9 309 16.1 3 171 16.14 151, 171, 175

347

Register 17,If 156 173 33, 226 17.10 277 17,12-14 . . . 256, 304, 305 17.12 293, 294, 300 17.13 280 18,1-7 256 18.1 189, 293 18,3 189 18,6 189 19,1-15 311 193 264,313 19,8 311 19.14 306 19,17 245 20 109 20.2 171, 175 20.3 151 21,8 226, 309 21.1 1 226 21,12 226 21,14 139 21.16 151 21.17 171 22,1-4 302 22. 2 317 22.18 189 22,25 171 23,8f 245 23,17 151 24.3 171 24,22 284 25,2 277 25.5 277,278 25.6 226 25,8 171 25,12 312 26,2 226 26,5 312 26.19 284 27,8 225 27.10 190 28.1-4 272 28,1 300 28.2-4 299 28.1 1 171

28.1 2 28.13 28,14ff 28.14- 22 28.15-1 8 28.15 28.16

179 270 287 274 158 176 34, 160, 165, 166, 167 28,18 176 28,21 277 28,23-29 257 28,24 189 28,29 1 29 257, 289, 291 29,lff 253, 272, 274 29,1-8 1 , 4 , 2 5 3 - 320 29,1-7. . . 1, 259, 260, 261, 289, 291, 292 29,1-6 256, 257, 267, 268, 272 29,1-5 266,268,279, 316 29,1-4 264,267,268, 270, 272, 273, 274, 276, 278, 279, 304, 307, 308 29,1-4a 263, 268, 281, 282,283 29.1-3 272 29,lf 278, 300, 318 29. 1 254, 257, 258, 265, 268, 272, 273, 275, 283, 285, 291, 298, 300, 301, 302, 303, 310, 311 29,1a 261, 264, 265, 266, 273, 300, 301, 309, 310, 311, 313 29,1b 257, 265, 286, 300,310 29,2ff 283 29.2- 4 285, 286, 308 29,2-4a 265 29,2f 269, 271, 272, 273, 274, 275f, 285, 289, 291, 306, 307, 308, 315, 316, 318 29.2 266, 285, 286,

308, 311, 314 264, 265, 266, 268, 300, 311, 315 29,2b 262, 264- 266, 272, 281, 283, 286, 308, 309, 310, 313, 318 29,3ff 265 293-7 266 29,3f 300 29.3 . . . 265, 266, 268, 272, 273, 274, 279, 286, 310, 311, 312, 313, 317, 318 2 9 , 3 a . . . 264, 265, 266, 312 29,3b 311, 312, 315 29.4 265, 266, 268, 269, 270, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 301, 303, 312, 313, 318 29,4a 261, 262, 263, 264, 268, 312, 313 29,4b 261-264, 268, 308, 313 29,5ff 262, 263, 270 29.5 - 8 60,282 29,5 - 7 255, 266, 270, 281 29.5 263, 268, 269, 272, 273, 276 - 282, 286, 304, 307, 308, 314, 315, 316, 320 29,5a . . .262, 263, 268, 278, 279, 281, 282, 291, 316 29,5b-7 281 29,5b.6 254,268,269, 276, 282 - 286, 288, 300, 307, 308, 313, 316 29,5b 254, 262, 263, 268, 269, 278, 280, 281, 314, 315 29,6f 266 29.6 266, 268, 269, 271, 272, 275f, 282, 283, 284, 285, 286, 308, 314, 316, 318 29,6a 254 29,7f ...256,257,288,311 29,2a

348 29.7

254, 257, 260, 261, 268, 272, 273, 274, 286, 291, 304, 308, 314, 315, 316, 320 29,7a 260, 262, 263, 281, 282, 307, 308, 315, 316, 320 29,7b 257, 273, 308, 315,316 29. 8 257, 258, 259-261, 262, 267, 268, 308, 315, 316, 320 29,8a 260, 261, 262 29,8b . . .260, 261, 262, 316 29,9-24 256 29,9-12 257, 258 29,9f 258 29.9 257 29.10 155, 257 29,13f 155 29.13 131 29.14 270 29.15 309 29.16 299, 300 30,1-26 256 30,1 300, 309 30,3 - 5 299 30,6 189 30,13 283 30,15-17 227 30,15f 227 30,15 227 30.17 270 30,27ff 284, 285 30.27 - 3 3 . . . 256, 305, 306 30.28 306 30,30 285, 314 30,33 320 31 29, 30, 33, 271, 287, 289, 291, 305 31,1-9 256, 305 31,1-4 33, 271, 287, 289, 291, 292, 306 31,1-3. . . 1, 154, 227, 271, 288, 289, 290, 305 31,1 29, 227, 309

Register 31,2f 31,2 31,3 31,4- 9 31,4f 31,4 287, 31,5 - 9 31,5 31,6f 31,7 31,8f 31,8 285, 31,9 32,2 32,9-14 32,17 33,Iff 33,7 33,14 35,5 36-39 36,1 36,2 36,13 37 37,4 37,22 37,29 38,5 38,7f 38,7 38,14 40ff 40 - 6 6 4 0 - 55 40,15 40,21 41,15 42,1-9 42,1-7

299 29, 305 29, 289 33, 34, 253, 271, 290 305 29, 33, 262, 271, 288, 289, 290, 291, 305,320 306, 320 29, 33, 271, 288, 289, 290, 305 29, 33, 34, 305 29 271, 305 1, 29, 33, 271, 287, 289, 290, 291, 292 29, 320 225 310,319 227 256 309, 310 277 151 19, 28, 109, 141 217 139, 209, 225 314 262 230 171 306 192 175 171 264, 313 14, 18, 28 25 59 315 243 280 59 59, 60

42,1-4 42,5- 7 42,5 43,24 45,9 45,11 47,8 51,3 51,6 51,13 55,1 60,14 61,1 65,12 66 66,4 66,15 66,19

59, 60 60 60, 224 179 299 299 131 311 157 272 293, 294 270 155 155 34 155 314 180 Jer

1,3 1,9 3,12 3,13 7 11,5 11,16 12,5 12,14 13,18 13,24 15,18 17,18 19,3 19,9 19,15 21,2 21,23 22,15ff 22,18 23,2 23,12 23,25 - 3 2 27,9f 29,8f 29,31ff

217 102 314 314 240 237 314 178 189 312 315 293 194 194 311 194 198 145 299 295 284, 299 194 320 320 320 221

349

Register 30.7 30.8 32,20 32,22 32,40 32,42 35,18f 36,31 37 37.5 39.1 41.6 41.8 42.17 44.2 45.5 47.6 48,1 48.29 49.30 49,37 50,27 51,46 51,51 51,55 51,64 52.4

3,3 6,9 7,21 8,18 9,1 11.9 11,13 13.3 13,4- 6 13,13 13,18f 13.18 14.5 14,22 20.6 20,15 24,6

293, 294 278 180 237 198 194 221 194 171 272 272 139 238 194 194 194 293, 300 296, 298 131 245 194 296, 298 228 278 314 194 272 Ez

238 198 278 314 314 278 314 296,298 299 284 299 296, 298 277 194 237 237 296

24,9 24,12 26,2 26,10 28,7 30,llf 31,12 34,2 - 4 34,2 35,12 38,1-9 38,1-8 39,1-5 39,17 - 20 43,15f 43,15 43,16

296 178 221 315 278, 308 278 278, 308 299 300 145 306 279 306 306, 320 309 309 309 Hos

1,1 11,10 12,14 13,3

2 2,1-12 2,15 3,5 4,1-3 4,9-12 4,17

132 290 226 280 Joel

305 304 314 263 306 306 278

Am 3,lf 3,1 3,2 3,6 4,7 4,12 5,7 6,2 6,13 7,2 7,11 7,17

89, 90 89, 90 89,189 158 215 139 293 299 293 157 202 202

9,2

176 Ob

11 16-18

278 304 Mi

1,1 2,3 4,11-13 4,12 5,2 6,3

1 1,3 2,2 3,1

132 299 306 306 240 178 Nah

285 285 312 300

Hab 2 2,5 2,7 2,8 2,10 2,13 2,16-17 2,16 3,14

299 293 299 299 299 299 299 299 280, 285 Zeph

2,2 2,5f 2,5 2,15 3,1-5 3,1 3,3f 3,5 3,6- 8 3,8

280,315 303 298, 303 131 302 300,301,302 299, 302 299 304, 305 274 Hag

1,1 1,3

171 171

350

Register Sach

2. 7 2.10 2.11 3. 8 9,11-17 9.14 10.2 10.5 11,17 12,2-8 14 14,1-3 14,lf 14,12

139 293, 294 293, 300 194 305 285 320 218 300 306 306 306 274 288 Mal

1,4 2,17 3.15 3,19

145 179 277 277 Ps

1,4 2,8 19,11 19,14 30. 6 35.3 35.5 35,14 37,28 38.7 46 46,1 46.4 46.6 46.8 46,10 48 54.5 59,5 68,26 73,20 76 77

304,

304, 277,

315, 304,

280 230 238 277 184 139 280 270 226 270 306 234 236 184 236 236 306 278 139 234 320 306 285

77,19 78,8 78,18 78,41 78,43 78,56 83,16 86,14 89 89,4 89,5 89,37f 95,8f 97 106,14 119,51 119,69 119,78 119,85 119,103 119,112 120,5 124,5 126,1 132 139,8

285 131 231 231 180 231 285,314 277, 278 82, 168 168 82 157 231 285 231 277 277 277 277 238 277 295,296 277 315, 320 168 176

39,24f 40,6 41,12 41,15 42,11

225 315 176 178 315, 320 238, 239 280 158 285 171 238 225 315 171 226 285 139 314

4,10 5,2 5,6 10,16 12,4

Prov 15,22 16,24 19,23 21,24 22,18 23,29 27,22 30,17-19 30,19 30,33

158 238 284 277 216 296 198 235 234, 235 238 Ruth

1,1 1,2 4,17

217 157 192 Cant

1,3 6,8

Hi 1,19 7,14 11,8 16,7 20,8 20,17 21,18 22,28 26,14 27,1 29,6 30,15 33,15 36,1 36,21 38,1 39,21 39,23

314 285 224 314 194

234 234 Koh 296 320 320 295, 296 312, 313 Thr

2 2,3 2,4 2,5 2,6f 2,6 2,10 2,16 2,17 3,20 5,16

318, 319 318 318 311, 318 318 318 318 318 318 270 296

Register Est 1,1

I Chr 217

Dan 1,17 I,21 9,14 II,17

315 157 194 158 Esr

4,7 8,16

351

246 309

3 11,22 15,20 17 17,1 17,6 17,14 17,18 17,21 18 22

132 309 234 76, 77, 81, 82, 83,168 76, 77 73 82, 168 171 74, 75 77 77

Neh 9,10 9,19 13,18

180 198 194

Π Chr 1,18- 2,17 7,22

77 194

ll,10f 11,23 12,4 14,5 17,3 20,20 21,3 21,12 25,23 26,22 28,1 28,6 28,20 32,32 33,6 35,15 35,20

312 312 312 312 192 160 312 192 132 19 192 205 249 19 313 198 139

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G

Walter de Gruyter Berlin · New York

lichen und sprachlichen Einleitungen und textkritischen Anhängen Begründet von Georg Beer und Oscar Holtzmann. Unter Mitarbeit zahlreicher Gelehrter des In- und Auslandes in Gemeinschaft mit Günter Mayer und Rudolf Meyerf herausgegeben von Karl Heinrich Rengstorf und Leonhardt Rostf Groß-Oktav. Kartoniert

/ . Seder. Zeraim

5.Traktat. Schebiit (Vom Sabbatjahr) Bearb. von Dietrich Correns. - VIII, 181 Seiten. 1960. DM 131.ISBN 3-11-0052230-X

ö.Traktat. Terumot (Priesterheben) Bearb. von Eberhard Güting. - X, 235 Seiten. 1969. DM 170.ISBN 3-11 -002649-X

7.-8. Traktat Maaserot / Maaser Scheeni (Vom Zehnten / Vom zweiten Zehnten) Bearb. von Wolfgang Bunte. - VIII, 285 Seiten. 1962. DM 200.ISBN 3-11-005231-8

II. Seder. Mo'ed

7.Traktat Besa (Ei) Bearb. von Wolfgang G. Gerber. - VI, 108 Seiten. 1963. DM 81.ISBN 3-11-005232-6

9.TYaktat Taanijot (Fastentage) Bearb. von Dietrich Correns. - VIII, 154 Seiten. 1989. DM 128.ISBN 3-11-002439-X

10.Traktat. Megilla (Esther-Rolle) Bearb. von Lothar Tetzner. - VIII, 154 Seiten. 1969. DM 113.ISBN 3-11-005236-9

11.Traktat. Mo'ed qatan (Halbfeiertage) Bearb. von Eugen Ludwig Rapp. - IV, 59 Seiten. 1931. DM 44,50 Archiv-Nr. 3-10-390331-3

III. Seder. Naschim

4.TraktaL Nazir (Nasiräer) Bearb. von Maas Boertin. VIII, 243 Seiten. 1971. DM 175.ISBN 3-11-002436-5

5.Traktat Gittin (Scheidebriefe) Bearb. von Dietrich CorTens. - X, 188 Seiten. 1991. DM 158.ISBN 3-11-012464-5

w DE

G

Walter de Gruyter Berlin · New York

6.Traktat. Sota (Die des Ehebruchs Verdächtigen) Bearb. von Hans Bietenhard.- VII, 212 Seiten. 1956. DM 155.ISBN 3-11-005226-1

V. Seder. Kodaschim 5.Traktat. Arakin (Schätzungen) Bearb. von Michael Krupp. - X, 161 Seiten. 1971. DM 120.ISBN 3-11-001873-X

VI. Seder. Toharot 1 .Traktat. Kelim (Gefäße) Bearb. von Wolfgang Bunte. - VI, 558 Seiten. 1972. DM 390.ISBN 3-11-000463-2

2.Traktat. Ohalot (Zelte) Bearb. von Wolfgang Bunte. - IX, 471 Seiten. 1988. DM 298.ISBN 3-11-9808-3

4.Traktat. Para (die rote Kuh) Bearb. von Günter Mayer. - VII, 164 Seiten. 1964. DM 120.ISBN 3-11-005233-4

5.Traktat. Toharot (Reinheiten) Bearb. von Wolfgang Bunte. - VIII, 330 Seiten. 1981. DM 240.ISBN 3-11-006837-0

7.Traktat. Nidda (Unreinheit der Frau) Bearb. von Benyamin Barslai. - X, 193 Seiten. 1980. DM 142.ISBN 3-11-002465-9

9.IVaktat. Zabim (Die mit Samenfluß Behafteten) Bearb. von Wolfgang Bunte. - VII, 122 Seiten. 1958. DM 89.ISBN 3-11-005228-8

10.Traktat Tebul Jom (Der am selben Tage Untergetauchte) Bearb. von Gerhard Lisowsky. - VI, 69 Seiten. 1964. DM 55.ISBN 3-11-005234-2

11.Traktat. Jadajim (Hände) Bearb. von Gerhard Lisowsky. - VI, 97 Seiten. 1956. DM 72.ISBN 3-11005227-X

12.Traktat Uskim (Stiele) Bearb. von Gerhard Lisowsky. - IV, 62 Seiten. 1966. DM 46.50 ISBN 3-11-005227-X (Die Abonnementspreise liegen um etwa 15% unter den hier angegebenen Ladenpreisen)

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