Steuerberater-Jahrbuch. Steuerberater-Jahrbuch 2006/2007: Zugleich Bericht über den 58. Fachkongress der Steuerberater Köln, 26. und 27.9. 2006 9783504382711

Das Jahrbuch bietet eine detaillierte Auseinandersetzung mit ausgewählten Themenschwerpunkten. Die behandelten Fragen ze

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Steuerberater-Jahrbuch. Steuerberater-Jahrbuch 2006/2007: Zugleich Bericht über den 58. Fachkongress der Steuerberater Köln, 26. und 27.9. 2006
 9783504382711

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Steuerberater-Jahrbuch 2006/2007

Steuerberater-Jahrbuch 2006/2007 zugleich Bericht über den 58. Fachkongress der Steuerberater Köln, 26. und 27. September 2006

Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von

Prof. Dr. Detlev J. Piltz

Dipl.-Kfm. Manfred Günkel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

Steuerberater u.Wirtschaftsprüfer

Dr. Dr. Ursula Niemann Steuerberater

Ziüerempfeblung: Verfasser, StbJb. 2006/2007, Seite

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VerlagDr. Otto SchmidtKG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0081-5519 ISBN 978-3-504-62652-5 ©2007 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für V ervielfiltigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Satz: Hain-Team, Bad Zwischenahn Druckund Verarbeitung: Bercker, Kevelaer Printed in Germany

Vorwort Der 58. Fachkongress der Steuerberater, der am 26. und 27. September 2006 traditionell in der Industrie- und Handelskammer zu Köln stattfand, behandelte als ersten Schwerpunkt die Unternehmensteuerreform 2008, welche inzwischen durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (Bundesgesetzblatt 2007 Teil I S. 1912) Gesetz geworden ist. Die Beiträge und Diskussionen haben durch die Gesetzesformulierung nichts an Aktualität verloren, weil sie auf der Kenntnis der Entwürfe gründeten. Das Leitthema „Mittelstand“ widmete sich den in Familien und bei Kapitalanlegern populären vermögensverwaltenden Personengesellschaften, den Steuerproblemen neuer Finanzierungsinstrumente und den aktuellen Entwicklungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, die bekanntlich auch im Herbst 2007 noch nicht abgeschlossen sind. Aus dem Bereich der internationalen Besteuerung interessierten der neue Erlass zur Arbeitnehmerentsendung in das Ausland, viele (immer noch) ungelöste Steuerprobleme des § 8b KStG bei ausländischen Tochtergesellschaften und die Entwicklung bei der europäischen Umsatzsteuer und ihre Folgen für Deutschland. Die Überlegungen zur europäischen Steuerbilanz leiteten das Schwerpunktthema „Bilanzrecht“ ein, gefolgt von der Bilanzierung und Besteuerung von Bewertungseinheiten, welche durch § 5 Abs. 1a EStG hoch steuerrelevant geworden sind, und den ausgewählten Problemen zum Bilanzsteuerrecht, welche offenbar nie enden. Im Schwerpunkt „Kapitalgesellschaften und Konzerne“ wurden die Steuerprobleme bei Wertpapierleihe, Pensionsgeschäft, sale-buy-back und lease-back behandelt sowie rechtlich zweifelhafte Anweisungen der Finanzverwaltung zur Vorlage von Unterlagen in der Betriebsprüfung von Kapitalgesellschaften und Konzernen. Die Besteuerung von innovativen Finanzprodukten spielte auch vor der Abgeltungsteuer eine große Rolle, und dass selbst so private Dinge wie Ehe und Ehescheidung extreme Steuerfolgen haben können, zeigte der diesbezügliche Beitrag. Der Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2006 wurde Dr. Carsten Schlotter für seine Dissertation „Verfassungsrechtliche und systematische Fragen des Steuerbilanzrechts“ (veröffentlicht unter dem Titel „Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht“) zuerkannt. Die Laudatio hat Professor Dr. Roman Seer gehalten. Köln, im September 2007 Detlev J. Piltz

Ursula Niemann

Manfred Günkel V

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Inhaltsverzeichnis* Seite Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. Roman Seer Ruhr-Universität Bochum Verleihung des „Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2006“ des Fachinstituts der Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Leitthema: Unternehmensteuerreform Dr. Barbara Hendricks Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, Berlin Unternehmensteuerreform 2008

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Diskussion zur Unternehmensteuerreform . . . . . . . . . . . . Leitung: Prof. Dr. Detlev J. Piltz, Rechtsanwalt, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater

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Dr. Steffen Neumann Leiter der Steuerabteilung Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf Das Land Nordrhein-Westfalen zur Unternehmensteuerreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform . . . Leitung: Prof. Dr. Detlev J. Piltz, Rechtsanwalt, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater

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* Ausführliche Inhaltsübersicht zu Beginn der jeweiligen Beitäge.

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Inhaltsverzeichnis

2. Leitthema: Mittelstand Dr. Roland Wacker Richter am Bundesfinanzhof, München Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu vermögensverwaltenden Personengesellschaften I. Bruchteilsbetrachtung bei Anteilsveräußerung – § 23 EStG – Private Personengesellschaften/ Erbengemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . II. Private Personengesellschaften und Einbringung von Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . III. Realteilung einer Grundstückserbengemeinschaft IV. Einkünftefeststellung bei Zebragesellschaften . .

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Dr. Stephan Eilers, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Köln Dr. Adalbert Rödding, LL.M. Rechtsanwalt, Steuerberater, Köln Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand im Steuerrecht I. Das gegenwärtige Finanzierungsumfeld . . . . . . II. Aktuelle Trends bei hybriden Finanzierungsinstrumenten . . . . . . . . . . . . III. Beispiele aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Thomas Wachter Notar, München Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts – Gesetz zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis . . . . . IV. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

3. Leitthema: Internationale Besteuerung Dr. Oliver Schmidt Steuerberater, Hamburg Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den DBA . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Hans Georg Raber Rechtsanwalt, Wolfsburg Dr. Andreas Körner, LL.M. Rechtsanwalt, Braunschweig Ungelöste Steuerprobleme bei ausländischen Tochtergesellschaften (§ 8b KStG) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Probleme . . . . . . . . . . . III. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . .

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Professor Dr. Hans Nieskens Fachhochschule für Finanzen Nordrhein-Westfalen, Nordkirchen Neue Europäische Umsatzsteuer-Entwicklungen und ihre Folgen für Deutschland I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erwerb, Halten, Veräußern von Beteiligungen . . . III. Der dubiose Leistungspartner in der Umsatzsteuer IV. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Leitthema: Bilanzrecht und Bilanzsteuerrecht Ernst Czakert Ministerialrat, Bundesministerium der Finanzen, Berlin Europäische Steuerbilanz? I. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionsweise einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage . . . . . III. Wesentliche Gründe für das Projekt . . . . . . . . IV. Projektstruktur und Arbeitsmethode . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis V. Bisherige Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Elemente der steuerlichen Gewinnermittlung . . . . VII. Gruppenbesteuerung/Konsolidierung/Internationale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Aufteilung – Formulary Apportionment . . . . . . . IX. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Andreas Barckow Frankfurt Bilanzierung und Besteuerung von Bewertungseinheiten I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Änderung des § 5 im Einkommensteuergesetz vom 28. 4. 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die bilanzielle Abbildung von Sicherungsbeziehungen im Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zu erwartende Gesetzesänderungen im Handelsrecht V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dipl.-Kfm. Manfred Günkel Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Düsseldorf Ausgewählte Probleme zum Bilanzsteuerrecht I. Passivierung von Verpflichtungen aufgrund (kündbarer) Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Emissionsdisagio bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bildung von Bewertungseinheiten in der Steuerbilanz . IV. Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktrittsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . V. Drohverluste/Teilwertabschreibung bei langfristiger Fertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rückstellungen für Altersteilzeit im Blockmodell . . .

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5. Leitthema: Kapitalgesellschaften und Konzerne Professor Dr. Wilhelm Haarmann Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Frankfurt am Main Steuerprobleme bei Wertpapierleihe, Pensionsgeschäft, Sale-Buy-Back, Sale-Lease-Back I. Gegenstand der Erörterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirtschaftliches Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . X

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Inhaltsverzeichnis III. Realisierung stiller Reserven . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenhang des wirtschaftlichen Eigentums und der Realisierung stiller Reserven im Rahmen der verschiedenen Bilanzierungssysteme . . . . . . . V. Auswirkungen der Überlegungen für das echte Pensionsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Überlegungen zum unechten Pensionsgeschäft . . . . VII. Überlegungen zur Wertpapierleihe . . . . . . . . . . VIII. Überlegungen zu einem Sale-Buy-Back bei abnutzbaren Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Überlegungen zum Sale-Lease-Back . . . . . . . . . X. Ausblick: Wie stark verändern IAS/IFRS die HGB/AO-Grundsätze in der Zukunft? . . . . . . . .

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Kurzzusammenfassung der Diskussion zum Vortrag „Steuerprobleme bei „Wertpapierleihe, Pensionsgeschäft, Sale-Buy-Back, Sale-Lease-Back“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsleiter: Bernd Jonas, Rechtsanwalt, Düsseldorf

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Dr. Klaus-Dieter Drüen Privatdozent für Steuer- und Bilanzrecht, Bochum Neue Pflichten zur Vorlage von Unterlagen bei der Betriebsprüfung von Kapitalgesellschaften und Konzernen? I. Einleitung: Die Außenprüfung in der Diskussion . . . . II. Der neue Anwendungserlass zu § 200 AO: Weitreichende Vorlagepflicht „nach Einschätzung der Finanzbehörde“ ohne Begründung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesetzliche Reichweite der Vorlagepflicht in der Außenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Speziell: Vorlagepflichten für Kapitalgesellschaften und Konzernunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kurzzusammenfassung der Diskussion zum Vortrag „Neue Pflichten zur Vorlage von Unterlagen bei der Betriebsprüfung von Kapitalgesellschaften und Konzernen“ . . . Dikussionsleiter: Bernd Jonas, Rechtsanwalt, Düsseldorf

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Inhaltsverzeichnis

6. Leitthema: Besteuerung Privater Martin Haisch Rechtsanwalt, München Besteuerung von innovativen Finanzprodukten im Privatvermögen I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung von Finanzinnovationen . . . III. Besteuerung von Zertifi katen . . . . . . . IV. Besteuerung von Termingeschäften . . . . V. Besteuerung von strukturierten Produkten VI. Besteuerung von Produktkombinationen . VII. Ausblick auf die Abgeltungssteuer . . . . .

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Diskussion zum Vortrag „Besteuerung von innovativen Finanzprodukten im Privatvermögen“ . . . . . . . . . . . . . . . Leitung: Professor Dr. Jörg Bauer, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Remscheid

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Dr. Frank Hannes Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Ehe, Ehescheidung und Steuern I. Erbschaftsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ehe, Ehescheidung und Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . .

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Diskussion zum Vortrag „Ehe, Ehescheidung und Steuern“ . . . . Leitung: Professor Dr. Jörg Bauer, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Remscheid

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XII

Verleihung des „Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2006“ des Fachinstituts der Steuerberater Professor Dr. Roman Seer Ruhr-Universität Bochum Mit der alljährlichen Verleihung des Gerhard-Thoma-Ehrenpreises würdigt das Fachinstitut der Steuerberater entweder das Gesamtwerk anerkannter Persönlichkeiten auf dem Gebiet des Steuerwesens oder es prämiert herausragende Arbeiten junger Steuerwissenschaftler. Für das letztere hat sich die Jury in diesem Jahr entschieden und aus dem nicht gerade kleinen Kreis interessanter Arbeiten die Bonner Dissertation von Carsten Schlotter zum Thema „Verfassungsrechtliche und systematische Fragen des Steuerbilanzrechts (dargestellt am Beispiel von Teilwertabschreibungen, Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung und der Wertaufholung)“ ausgewählt. Die vom Kollegen Wolfgang Schön betreute, fast 400 Seiten starke Schrift ist unter dem etwas stärker konturierten Titel „Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht“ in der Reihe „Rechtsordnung und Steuerwesen“ im Verlag Dr. Otto Schmidt in Köln mittlerweile veröffentlicht. Was macht die Arbeit nun besonders preiswürdig und lesenswert? Schlotter begnügt sich nicht mit einer im isolierten Subsystem des Steuerbilanzrechts verhafteten Betrachtungsweise. Vielmehr schlägt er einen weiten Bogen von den finanzwissenschaftlichen Grundlagen zu den verfassungsrechtlichen Ausgestaltungsdirektiven, um daraus Erkenntnisse für alltägliche Probleme des Steuerbilanzrechts zu gewinnen. Diese Vorgehensweise ist sehr aufwendig und ungewöhnlich, gerade deshalb aber auch auf erfreuliche Weise ertragreich. Den Hintergrund der Untersuchung Schlotters bildet das sog. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 mit der Einführung eines Wertaufholungsverbots sowie den Einschränkungen der Teilwertabschreibungen und allgemein des Imparitätsprinzips. Hier stehen sich zwei Meinungspole gegenüber. Was manche als Schritte zur Neuordnung des Bilanzsteuerrechts am Prinzip der Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit begrüßen, kritisieren andere als schwerwiegende fiskalische Eingriffe in die Tradition steuerlicher Gewinnermittlung. Wer in dieser Auseinandersetzung Orientierung geben will, muss das grundsätzliche Verhältnis von Verfassungs- und Bilanzsteuerrecht klären. Dies ist Herrn Schlotter auf vorzügliche und anspruchsvolle Weise gelungen, indem er die verfassungsrechtliche Kritik am geltenden Bilanzsteuerrecht erheblich spezifiziert. 1

Seer, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2006“ Nach einer ausführlichen verfassungsrechtlichen Analyse folgt Schlotter im Ausgangspunkt der derzeitigen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts. Danach besitzt der Gesetzgeber zwar eine weitreichende Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl des Belastungsgrundes; er muss bei der Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts auch keinem zuvor feststehenden finanzwissenschaftlichen Einkommensbegriff folgen. Hat er jedoch den Belastungsgrund definiert, muss er ihn grundsätzlich folgerichtig und systemkonsequent umsetzen. Demgemäß erweist sich der Vergleichsmaßstab der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwar einerseits als alternativlos, andererseits aber auch als zu konturenschwach, um daraus konkrete Rechtsfolgen abzuleiten. So ist von Verfassungs wegen keine Besteuerung des Lebenseinkommens vorgegeben. Es bedarf immer eines Vergleichsmaßstabs in der Zeit. Deshalb kann der Gesetzgeber – wie er es nach Ansicht Schlotters getan hat – auch das Periodeneinkommen zum Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit machen. Jedoch habe ich Zweifel, ob sich die gesetzgeberische Entscheidung auf die Wahl zwischen dem Gegensatzpaar Perioden-/Lebenseinkommen beschränken lässt. Die wirtschaftliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen ist selten auf einen Jahreszeitraum, sondern regelmäßig überperiodisch angelegt. Demgemäß bildet sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auch überperiodisch heraus, ohne dass man deshalb bereits das Lebenseinkommen zum Maßstab der Besteuerung erheben müsste. Will das Steuergesetz Zufallsergebnisse vermeiden, muss es daher insbesondere Verluste interperiodisch berücksichtigen. Dies sieht Schlotter zumindest im Ergebnis nicht anders. Als folgerichtige Konkretisierung der gesetzlichen Belastungsentscheidung leitet er überzeugend das objektive Nettoprinzip ab, das eine symmetrische Berücksichtigung von Einnahmen und Ausgaben gebiete. Für das Steuerbilanzrecht verbindet Schlotter den Symmetriegedanken mit der Forderung nach einheitlichen Bemessungskriterien für die Ertrags- und Aufwandsseite. Eine Durchbrechung des Systemmaßstabs ist besonders rechtfertigungsbedürftig. Abweichungen können sich insbesondere durch die ebenfalls verfassungsrechtlich fundierten Grundsätze der eigentumsschonenden Besteuerung und der Rechtssicherheit ergeben. Auf dieser Basis überprüft Schlotter das Subsystem des Steuerbilanzrechts. Er kann dabei an seine zuvor geleistete bilanztheoretische Grundlegung anknüpfen, wo er das Spektrum von der traditionell statischen bis zur dynamischen Bilanztheorie abgesteckt und den auf Moxter zurückgehenden Nettorealisationsgedanken herausgearbeitet hat. Das Realisationsprinzip fungiert danach als zentrales Periodisierungskriterium, das die bilanzrechtliche Gewinnentstehung bindet und damit für den zeitgerechten Ausweis von Ertrag und Aufwand verantwortlich ist. Aus der gesetzlichen 2

Seer, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2006“ Struktur des Bilanzrechts lässt sich allerdings nicht ohne weiteres beurteilen, ob der Gesetzgeber einen am Nettorealisationsgedanken orientierten oder einen statischen Vermögensvergleich als Differenzierungs- bzw. Periodisierungsmaßstab präferiert. Je nachdem, von welchem systemprägenden Differenzierungsmaßstab man im Hinblick auf die zeitliche Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips ausgeht, erweist sich das umstrittene Imparitätsprinzip entweder als systemkonsequente Folgerung oder als besondere rechtfertigungsbedürftige Ausnahme. Schlotter arbeitet heraus, dass der Steuergesetzgeber ursprünglich einer statischen Betrachtungsweise gefolgt ist, in jüngerer Zeit aber einen Paradigmenwechsel im Systemverständnis vollziehen will. Will der Gesetzgeber das Imparitätsprinzip nunmehr als Ausnahmetatbestand zum Realisationsprinzip ansehen, macht dies nur Sinn, wenn man das Realisationsprinzip umfassend im Sinne eines Nettorealisationsprinzips versteht. Auf dieser dogmatischen Grundlage hält Schlotter das Wertaufholungsgebot für Teilwertabschreibungen und außerordentliche Abschreibungen – außerhalb verfassungswidriger Rückwirkungsfälle – für gerechtfertigt. Eine vollständige Abschaffung der Teilwertabschreibung sieht Schlotter angesichts der Erfordernisse des aus Art. 14 GG ableitbaren freiheitlichen Dispositionsschutzes aber nur dann für vertretbar an, wenn sie von der Gewährung alternativer Verlustausgleichsmechanismen begleitet wird. Die sehr gründliche Arbeit besticht durch ihre Gedankenvielfalt, Souveränität und abgewogene Ergebnisfindung. Ihre Thesen werden die Diskussion um die Fortentwicklung des Steuerbilanzrechts befruchten. Carsten Schlotter ist ein der Verleihung des Gerhard-Thoma Ehrenpreises würdiger junger Steuerrechtler. Das Fachinstitut der Steuerberater e. V. Köln spricht Herrn Schlotter Anerkennung und Dank für seine hervorragende Leistung aus.

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Unternehmensteuerreform 2008* Dr. Barbara Hendricks Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, Berlin Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Koalitionsparteien haben vereinbart, zum 1. 1. 2008 eine Unternehmensteuerreform umzusetzen und diese Reform wird eines der wichtigsten Projekte dieser Legislaturperiode sein. Bevor ich auf die Ziele und möglichen Inhalte einer solchen Reform eingehe, möchte ich zunächst die Ausgangslage für die Steuerreform kurz skizzieren. Bereits heute ist der Standort Deutschland in vielen Bereichen attraktiv, beispielsweise bietet unser Land eine gute Infrastruktur in der Mitte Europas, aber auch innere Sicherheit und sozialen Frieden. Auch haben sich die wirtschaftlichen Perspektiven in jüngerer Zeit erheblich verbessert. Die Wachstumsprognose für das Jahr 2006 konnte deutlich angehoben werden und, was besonders wichtig ist, die Stimmungslage hat sich nachhaltig verbessert. Der besonders beachtete Indikator des Ifo-Institutes hat einen Fünf-Jahres-Höchststand erreicht, und endlich nimmt auch die Kaufbereitschaft der Menschen in Deutschland, wie die Gesellschaft für Konsumforschung ermittelt hat, spürbar zu. Natürlich ist diese günstige Entwicklung nicht das alleinige Verdienst der Bundesregierung, aber die erkennbare Stimmungsverbesserung hat sicherlich auch mit dem gewachsenen Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit zu tun. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind derzeit so gut, wie seit Jahren nicht mehr und das ist eine gute Ausgangslage für eine Unternehmensteuerreform. Wenn auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Steuerreform die von ihr erhofften Wirkungen entfalten kann, größer als in einer schwierigen wirtschaftlichen Ausgangslage. Dies musste die frühere Bundesregierung leidvoll umgekehrt erfahren. Werfen wir nun einen Blick auf die steuerlichen Rahmenbedingungen einer Unternehmensteuerreform. Wie ich meine, ist auch der steuerliche Rahmen für unsere Unternehmen nicht so schlecht, wie dies zuweilen behauptet wird. So lassen sich als Ergebnis der Steuerpolitik der zurückliegenden Jahre folgende Pluspunkte festhalten. Die Belastung deutscher Unternehmen mit ertragunabhängigen Steuern ist im internationalen Vergleich gering. Deutschland hat die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft, die Vermögenssteuer ausgesetzt und liegt auch bei der Grundsteuer auf nied* Die Redeform wurde beibehalten.

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Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 rigerem Niveau. Durch die Steuerreform aus dem Jahr 2000 und die Maßnahmen der Folgejahre sind die Bürger und Unternehmen um 60 Mrd. Euro pro Jahr entlastet worden. Personenunternehmen profitieren neben den erheblichen Tarifsenkungen von der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer und liegen mit ihrer Belastung damit international im Mittelfeld. Die Politik ist also in der jüngeren Vergangenheit nicht untätig geblieben. Natürlich würde ich nicht bestreiten, dass gegenwärtig noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Doch um diesen zu ermitteln, bedarf es schon eines genaueren Blicks auf die Struktur der in Deutschland tätigen Unternehmen. Der Großteil der Unternehmen in Deutschland mit etwa 84 % firmiert als Einzelunternehmen oder Personengesellschaften. Für diese Personenunternehmen stellt sich die steuerliche Belastungssituation bereits heute günstig dar. Dies gilt sowohl international, wo deutsche Personengesellschaften wie aufgeführt beim Belastungsvergleich im Mittelfeld liegen, als auch im Vergleich mit der steuerlichen Belastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland. Lag der Spitzensteuersatz bei der Einkommsteuer z. Z. der CDU/CSU/FDP-Koalition noch bei 53 %, haben wir heute einen Spitzensteuersatz von 42 %. Der Eingangssteuersatz betrug damals 25,9 % und heute 15 %. Auch die Regelung bzgl. der Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer hat zu einer spürbaren Entlastung der Einzelunternehmen und Personengesellschaften geführt. Damit haben inzwischen mindestens 90 % der deutschen Personenunternehmen eine effektive steuerliche Belastung von unter 20 %. Demzufolge besteht zumindest für die breite Masse der Personunternehmen derzeit kein erhöhter Handlungsbedarf. D. h. aber auch, dass wir unser Augenmerk primär auf die verbleibenden etwa 10 % der Personenunternehmen richten, deren steuerliche Gesamtbelastung in der Nähe der von Kapitalgesellschaften oder im Einzelfall sogar darüber liegt. Grundlegend anders ist die Ausgangslage bei den Kapitalgesellschaften. Hier ist die nominale Steuerbelastung einschließlich Gewerbesteuer mit etwas über 38 % die höchste in der europäischen Union. Dies hat mittelbare nachteilige Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Heute sind innovative ertragsstarke internationale Konzerne bei der Wahl ihres Unternehmensstandorts flexibel. Berücksichtigt man die wichtige Signalfunktion, die die nominale Steuerbelastung bei der Wahl des Standorts hat, ist Deutschland hier mit seinen gegenwärtigen Sätzen für Kapitalgesellschaften leider nicht mehr wettbewerbsfähig. Um Investitionen und Wachstum zu fördern, müssen wir diesen Standortnachteil beseitigen. Eine hohe nominale Steuerbelastung trägt auch zum Verlust der deutschen Steuerbasis bei. Sie bewirkt den Anreiz für die Unternehmen zu künstlichen Gewinnverlagerungen in das niedriger versteuernde Ausland oder zur Aufwandsverlagerung in das Inland. Die Folgen sind sichtbar. Po8

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 tenzielle Investoren werden eher abgeschreckt. Deutsche Unternehmen werden von niedrigeren Steuersätzen vor allem in direkt angrenzenden Nachbarländern angezogen und verlagern Betriebe und Arbeitsplätze ins Ausland, auch wenn dafür natürlich die Besteuerung nicht der allein ausschlaggebende Grund ist. Gleichzeitig führt diese Situation zu Steuerausfällen im Inland. Vor allem international operierende Unternehmen sorgen durch steuerliche Gestaltungen dafür, dass ein erheblicher Teil der in Deutschland erwirtschafteten Gewinne nicht in Deutschland besteuert wird. Die Konsequenz ist eine immer größere Entkopplung der in Deutschland versteuerten Gewinne von der in Deutschland erarbeiteten Wertschöpfung. Deshalb müssen wir nicht zuletzt auch im Sinne eines handlungsfähigen Staates jetzt handeln, um die Steuerbasis in Deutschland zu sichern. Aus dieser Ausgangssituation resultieren fünf zentrale Ziele der Steuerreform: 1. Die Verbesserung der internationalen steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Es geht darum, die Position Deutschlands im internationalen Standortwettbewerb zu verbessern und Investitionen anzuregen. Die Bedingungen für unsere Unternehmen sollen so beschaffen sein, dass der Steuergestaltungs- oder gar Abwanderungsdruck sinkt und die Grundlage für mehr Beschäftigung geschaffen wird. 2. Unternehmen, die ihre Gewinne in Deutschland versteuern, sollen entlastet werden, und Unternehmen, die Gewinne ins Ausland verschieben, sollen mehr zahlen. Dies wollen wir zum einen über die Absenkung der nominalen Steuersätze erreichen. Eine spürbare Senkung der nominalen Steuerbelastung trägt dazu bei, das Deutschland zustehende Steuersubstrat im Inland zu erhalten. Flankierend sollen die Möglichkeiten zur Steuergestaltung eingeschränkt werden. Gegenwärtig saugen international verbundene Unternehmen Gewinne aus Deutschland in Niedrigsteuerländer ab, indem grenzüberschreitende Kredite gewährt oder Lizenzgebühren erhoben werden. Derartigen Steuergestaltungen wollen wir entgegentreten. In Deutschland erwirtschaftete Gewinne sollen auch in Deutschland versteuert werden. Wird der Abzug von gezahlten Zinsen und Finanzierungsanteilen von Mieten, Pachten, Lizenzgebühren und Leasingraten begrenzt, sinkt die Attraktivität dieser grenzüberschreitenden Gestaltungen deutlich. Eine Verminderung des steuerlichen Vorteils der Fremdkapitalfinanzierung würde zudem auch zu größerer Finanzierungsneutralität führen. Bisher wurde die Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland steuerlich begünstigt. Als Folge dieser jahrzehntelangen Begünstigung weisen die deutschen Unternehmen im internationalen 9

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 Bereich eine geringe Eigenkapitalquote auf. Dies ist vor dem Hintergrund nicht nur von Basel II durchaus problematisch. Mit dieser Strategie folgen wir im Übrigen vergleichbaren Steuerreformansätzen unserer europäischen Nachbarn. 3. Größtmögliche Gleichbehandlung bei der steuerlichen Belastung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften. Personengesellschaften sind bisher bis auf Ausnahmen deutlich geringer belastet als Kapitalgesellschaften, weil die meisten von ihnen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit eben gerade nicht mit dem Einkommensteuerspitzensatz besteuert werden. Kapitalgesellschaften unterliegen dagegen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation einem einheitlichen Steuersatz. Wenn dieser im Rahmen der Unternehmensteuerreform gesenkt wird, müssen wir unser Augenmerk darauf richten, dass diese Entlastungen für Kapitalgesellschaften nicht zur Benachteiligung von Personenunternehmen führen. Unser Streben zielt also auf eine möglichst weitgehende Belastungsneutralität unter Berücksichtigung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene. 4. Die Investitionskraft der Kommunen soll gesichert werden. Immerhin sind es die Kommunen, die etwa 60 % aller öffentlichen Investitionen in der Bundesrepublik Deutschland tätigen. Als einer der größten Auftragsgeber in Deutschland können die Gemeinden wichtige Nachfrageimpulse geben. Dass es den privaten Unternehmen besser geht, wenn es auch ihren öffentlichen Auftraggebern gut geht, daran sollte auch in den Steuerabteilungen der Wirtschaftsunternehmen und Verbänden kein Zweifel bestehen. Die Stabilisierung der Kommunaleinnahmen ist daher ein wesentliches Ziel der Unternehmensteuerreform. So würde durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage die Einnahmebasis stabiler, und die Kommunen könnten auf verlässlicher Basis wirtschaften. 5. Es geht es um die langfristige Sicherung der Steuereinnahmen. Die Unternehmensteuerreform zielt auch auf die langfristige Sicherung des Steueraufkommens, denn ohne stabile Einnahmen kann der Staat seine öffentlichen Aufgaben nicht finanzieren. Einem Staat, der nur auf Steuersenkungen setzt, fehlen die Mittel für Investitionen in wichtige Standortfaktoren wie Infrastrukturenbildung. Auch der soziale Friede, der ein ausreichendes Maß an Verteilungsgerechtigkeit voraussetzt, ist ein Pluspunkt für einen Wirtschaftsstandort. Letztlich profitieren die Unternehmen von einem handlungsfähigen Staat. Größere Steuermindereinnahmen, das muss ich an dieser Stelle offen sagen, sind für den Staat absehbar nicht zu verkraften. Aus Haushaltsgründen werden wir 10

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 deshalb insgesamt auf die Aufkommensverträglichkeit unserer Reformmaßnahmen zu achten haben. Deswegen wollen wir einerseits die Steuersätze senken, zugleich aber die Bemessungsgrundlage verbreitern. Beide sind untrennbar miteinander verbunden. Wir setzen bewusst auf die Mischung aus positiven und negativen Anreizen. Es gibt gute Erfahrungen anderer Länder, nach denen moderate Steuersätze auf breiter Bemessungsgrundlage mittelfristig zu einer Verbesserung der Einnahmebasis und damit zur Stabilisierung und sogar Steigerung der Steuereinnahmen führen. Insgesamt ist es in diesen Ländern durch diese Strategie dauerhaft gerade nicht zu Mindereinnahmen gekommen. Diese Strategie hat also trotz Steuersatzsenkungen letztlich durch mehr Wachstum zu mehr Einnahmen geführt. Deshalb streben wir bei der Steuerbelastung einen nachhaltigen europäischen Mittelfeldplatz an. Wir haben gute Chancen, einen solchen Platz mit unserer Reform auch dauerhaft zu erreichen, denn es gibt deutliche Hinweise, dass der internationale Steuersenkungswettbewerb in Europa sich seinem Ende nähert. Dafür sorgt nicht zuletzt auch der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der disziplinierend wirkt. Ich weise darauf hin, dass einige unserer neuen osteuropäischen Partner inzwischen erhebliche und weit über das maßgebliche Kriterium hinausgehende Haushaltsdefi zite aufweisen, was dort zunehmend zu einer Debatte über die Erhöhung der Steuern führt. Tendenziell sind in diesen Staaten mittelfristig Körperschaftssteuersätze von mindestens 20 % zu erwarten. Die hier skizzierten Maßnahmen verbessern die Aussicht, dass vor allem die Körperschaftsteuer wieder stärker vom Wachstum in Deutschland profitiert und Anschluss an die in Deutschland erwirtschafteten Gewinne bekommt. Wen die so formulierten Ziele nun überraschen oder gar enttäuschen mögen, der sei nochmals an die Leitlinie erinnert, die der Koalitionsvertrag für die Unternehmensteuerreform vorgibt, nämlich Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Europatauglichkeit, weitgehende Rechtsform- und Finanzierungsneutralität, Einschränkung von Gestaltungsmöglichkeiten, Verbesserung der Planungssicherheit für Unternehmen und öffentliche Haushalte, nachhaltige Sicherung der deutschen Steuerbasis. Das hat so alles schon im Koalitionsvertrag gestanden. An der Suche nach geeigneten Konzepten für eine Unternehmensteuerreform haben sich auch der Sachverständigenrat und die Stiftung Marktwirtschaft mit der Vorlage eigener Reformvorschläge beteiligt. Eine gründliche Prüfung dieser Konzepte hat jedoch ergeben, dass beide Vorschläge zu enormen Steuereinnahmeausfällen für den Fiskus mindestens in einer Höhe von 10 bis weit über 20 Mrd. Euro führen würden. Steuerliche Entlastungen in diesen Größenordnungen sind jedoch in der 11

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 gegenwärtigen Haushaltslage nicht finanzierbar. Beide Modelle sind überdies zum Teil sehr kompliziert. Ich denke hier z. B. an die Kleinunternehmerausnahmen und die nicht nur sprachlich monströs anmutende transparente Entnahmeregelung bei der rechtsformneutralen Besteuerung der Stiftung Marktwirtschaft. Eine Reduzierung der Komplexität halte ich unbedingt für erforderlich, um die Akzeptanz bei den Unternehmen und in der Verwaltung zu erhöhen. Seit dem Frühjahr wird daher unter der Federführung des Bundesfinanzministers an der Entwicklung eines finanzierbaren Reformkonzeptes gearbeitet, mit dem die soeben genannten Zielvorstellung erreicht werden. Als Zwischenergebnis dieses Prozesses hat sich das Bundeskabinett am 12. 7. 2006 auf die folgenden Eckpunkte für eine Reform verständigt: – Die bisherige Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer werden durch eine föderale und eine kommunale Unternehmensteuer ersetzt. Beide Steuern bekommen darüber hinaus eine einheitliche Bemessungsgrundlage. – Die nominale steuerliche Gesamtbelastung der Körperschaften wird von heute etwa 38,65 % auf knapp unter 30 % gesenkt. – Neben den Körperschaften werden auch die der Einkommensteuer unterliegenden Personenunternehmen von der Reform profitieren. Es wird geprüft, ob dies am besten durch eine Investitionsrücklage oder durch eine generelle Begünstigung des im Unternehmen einbehaltenen Gewinns geschehen kann. – Geprüft werden auch Maßnahmen gegen den Verlust von Steuersubstrat durch Fremdfinanzierung und zur Verstetigung der kommunalen Finanzen. – Es soll ferner eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge eingeführt werden. – Bei der Erbschaftsteuer soll die Unternehmensnachfolge erleichtert werden, indem bei Fortführung des Unternehmens eine steuerliche Privilegierung gelten soll. – Die damit verfolgten Reformansätze bzw. Pläne für eine Unternehmensteuerreform verzichten bewusst auf eine radikale Revision des Steuersystems mit unkalkulierbaren Anpassungskosten und Strukturbrüchen, wie sie mit den Vorschlägen aus der Wissenschaft verbunden wären. Vielmehr wird ein ausgewogenes Bündel überschaubarer, in ihren Auswertungen abschätzbarer Schritte übernommen. Außerdem wird die Unternehmensteuerreform haushaltsverträglich ausgestaltet und soll einen Rahmen von 5 Mrd. Euro nicht überschreiten. Auf Basis dieser Eck12

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 punkte werden die weiteren Arbeiten derzeit vorangetrieben. Wesentliche Prüffelder sind: Die nominale Steuerbelastung der Körperschaften soll wie ausgeführt bei knapp 30 % liegen. Die genaue Austarierung zwischen Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer steht noch nicht fest. Denkbar ist eine Verteilung Körperschaftsteuer 15 %, Gewerbesteuermesszahl 3,3 %. Damit ergäbe sich unter Einbeziehung des Solidaritätszuschlags bei unterstelltem Gewerbesteuerhebesatz von 400 % eine Gesamtbelastung von etwa 29 %. Die Beschränkung des Abzugs von Finanzierungsaufwendungen. Ich halte die, wie mir bewusst ist, von vielen kritisierte Beschränkung des Abzugs von Finanzierungsaufwendungen für einen wichtigen und notwendigen Eckpunkt der anstehenden Reform. Und zwar unter anderem aus folgenden Gründen: Mit der Abzugsbeschränkung wird das deutsche Steuersubstrat gesichert, wobei Gestaltungen international tätiger Konzerne von Fremdfinanzierungsstrukturen eine wichtige Rolle spielen. Mit der Beschränkung des Abzuges von Finanzierungsaufwendungen werden die bestehenden steuerlichen Vorteile der Fremdfinanzierung gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung verringert. Wir nähern uns also der Finanzierungsneutralität. Dies ist auch volkswirtschaftlich erstrebenswert. Die ertragsunabhängigen Elemente tragen zu einer Verstetigung des Steueraufkommens bei. Gerade die Kommunen benötigen diese stetige Einnahmebasis, um auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten ihre Aufgaben erfüllen und ihre Investitionen durchführen zu können. Die Ausweitung der Abzugsbeschränkungen ist unerlässlich zur Gegenfinanzierung der anstehenden Reform. Die Lage der öffentlichen Haushalte erlaubt die vorgesehene deutliche Steuersatzsenkung nur, wenn die Bemessungsgrundlage verbreitert wird. Derzeit werden hierzu verschiedene Modelle diskutiert und geprüft. Nach einem Modell sollen Finanzierungsaufwendungen bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer zum Teil nicht zum Abzug zugelassen werden; das ist die so genannte Hinzurechnung. Nach einem anderen Vorschlag sollen die Finanzierungsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zum Teil vom Abzug ausgeschlossen werden, die so genannte Zinsschranke. Alle Modelle sehen Freibeträge bzw. Freigrenzen vor. Dies wird auch in vielen der jetzt hitzig diskutierten kritischen Fälle und Beispielsrechnungen de facto eine steuerliche Berücksichtigung erlauben. Damit verliert die Diskussion der vergangenen Wochen wesentlich an Brisanz. Die Modelle werden gegenwärtig weiter aufbereitet und evaluiert. Zur Entlastung von Personenunternehmen werden zwei Modelle geprüft: Die Investitionsrücklage. Von einer möglichen Investitionsrücklage können natürlich alle Personenunternehmen in gleicher Weise profitieren. Ge13

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 winne können in eine steuerfreie Rücklage eingestellt werden, wenn sie zu zukünftigen Investitionen genutzt werden. Die Rücklage würde für die großen und gewinnstarken Personenunternehmen aber keinen adäquaten Ausgleich für die niedrige Thesaurierungsbelastung der Kapitalgesellschaften gewähren. Deshalb wird auch eine Thesaurierungsbegünstigung geprüft. Die Thesaurierungsbegünstigung ist ein Ausgleich für die Absenkung des Körperschaftsteuertarifs. Sie gibt den Unternehmen die Möglichkeit, den einbehaltenen Gewinn entsprechend der niedrigen Belastung der Körperschaften mit etwa 29 % zu besteuern. Verknüpft werden mit der Unternehmensteuerreform soll die Einführung einer Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Zielvorgabe ist eine Abgeltungssteuer für Kapitalerträge mit einem attraktiven Abgeltungssteuersatz. Das Halbeinkünfteverfahren soll dabei nicht zur Anwendung kommen. Die genaue Ausgestaltung einer Abgeltungssteuer, insbesondere auch in administrativer Hinsicht, wird noch geprüft. Die Senkung der Steuersätze wird zunächst zu Einnahmeausfällen in Höhe von 5 Mrd. Euro jährlich führen. Das ist natürlich gut angelegtes Geld. Es geht nicht darum, wie uns von mancher Seite vorgehalten wird, etwas zu verschenken oder Unternehmern und Managern die Gehälter zu erhöhen. Immer werden diejenigen Unternehmen entlastet, die ihre Gewinne in Deutschland versteuern. Gewinnverlagerungen ins Ausland werden sich wegen der vorgesehenen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage hingegen verteuern und damit für die Unternehmen deutlich unattraktiver. Damit werden Anreize geschaffen, tendenziell wieder mehr Gewinne der Besteuerung in Deutschland zu unterwerfen. Mittelfristig wird die Reform daher dazu beitragen, das Steueraufkommen zu stabilisieren. Flankierende gesetzliche Maßnahmen sind des Weiteren vorgesehen. Zum einen die Reform der Erbschaftsteuer. Wir wollen die Unternehmensnachfolge im Generationenwechsel reformieren. Die auf begünstigtes Vermögen entfallende Steuer soll über einen Zeitraum von 10 Jahren zinslos gestundet und für jedes Jahr der Unternehmensfortführung 1/10 davon erlassen werden. Die Regelung soll zum 1. 1. 2007 in Kraft treten. Bestandteil der Unternehmensteuerreform ist auch das so genannte SEStEG, nämlich das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften. Die erste Lesung ist für diesen Donnerstag im Bundestag vorgesehen. Mit dem Gesetz wollen wir die europäische Fusionsrichtlinie umsetzen und grenzüberschreitende Umwandlungen von Unternehmen erleichtern. Es geht in dem Gesetz auch darum, dass in Deutschland geschaffene Werte und die Erträge aus diesen Werten in Deutschland besteuert werden. Das Gesetz 14

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 sieht deshalb auch eine sofortige Besteuerung der stillen Reserven derjenigen Wirtschaftsgüter vor, die in eine ausländische Betriebsstätte gebracht werden und bei denen deshalb das deutsche Besteuerungsrecht beschränkt wird. Ferner wird in diesem Gesetz geregelt, dass bei grenzüberschreitenden Fusionen ein bestehender Verlustvortrag des übernommenen Unternehmens nicht über die Übernehmerin übergeht. Damit wird vermieden, dass im Ausland entstehende Verluste in Deutschland berücksichtigt werden müssen. Das sind natürlich gravierende Veränderungen, die zu einer Verstetigung des deutschen Steueraufkommens führen werden. Die oft beklagte Abwanderung von Unternehmen wird damit erschwert werden und zumindest, wenn sie nicht zu vermeiden ist, für die Unternehmen teurer werden. Mir ist bewusst, dass nicht alle Aussagen des Eckpunktebeschlusses Ihre ungeteilte Zustimmung finden werden. In der Politik erwartet bestimmt niemand, dass solche Reformvorschläge von allen Beteiligten gefeiert werden. Das trifft auch auf die Vorschläge einer Unternehmensteuerreform zu. Die Prüfaufträge des Bundeskabinetts verdeutlichen jedoch, dass in vielen zentralen Fragen der Unternehmensteuerreform derzeit noch keine endgültigen Festlegungen erfolgt sind. Vielmehr stecken die Eckpunkte hier quasi die Leitplanken ab, in denen wir uns auf konsensfähige Lösungen zu bewegen. Noch ist nichts in Stein gemeißelt. Derzeit stehen wir mit den Ländern, mit den Kommunen und auch mit Wirtschaftsverbänden im Dialog. Jeder, der sich konstruktiv an dem Prozess beteiligen möchte, ist aufgefordert, seinen Sachverstand in die aktuelle Diskussion einzubringen. Wer hingegen auf überzogenen und unrealistischen Forderungen beharrt, beraubt sich letztlich nur der Chance zur Mitgestaltung. Daher wünsche ich mir von allen Beteiligten eine sachliche Herangehensweise verbunden mit dem gebotenen Realitätssinn. Denn auch wenn viele Einzelfragen derzeit noch offen sind, heißt das nicht, dass alles beliebig zur Disposition steht. Eines will ich deshalb noch einmal deutlich betonen: Eine ausschließliche Senkung der nominalen Steuersätze ohne Erweiterung der Bemessungsgrundlage wird es mit Sicherheit nicht geben. Die Bundesregierung ist bereit, die Unternehmen zur Lösung bestehender Standortnachteile um rund 5 Mrd. Euro netto zu entlasten. Diese Nettoentlastung dient dem Ziel, einen Beitrag zur weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung zu leisten. Der durch die Unternehmensteuerreform ausgelöste Wachstumsimpuls schließt nahtlos an das 25-Mrd.Euro-Programm zu Wachstum und Beschäftigung an. Abschließend wird Sie sicherlich auch das weitere zeitliche Vorgehen interessieren. Ich erwarte, dass die erforderlichen spezifischen Festlegungen zu den noch offenen Punkten der Unternehmensteuerreform zeitnah im Herbst erfolgen werden. Bundesfi nanzminister Peer Steinbrück hat einen 15

Hendricks, Unternehmensteuerreform 2008 Referentenentwurf zur Jahreswende angekündigt. Die Verhandlungen zum Regierungsentwurf werden wohl bis zum Februar 2007 andauern. Damit können dann die anschließenden parlamentarischen Beratungen wie geplant bis Anfang Juli 2007 abgeschlossen werden. Die deutsche Wirtschaft, einschließlich der Beraterschaft, hätte dann ein halbes Jahr Zeit, sich auf diese Unternehmensteuerreform einzustellen. Auch wenn mit der Unternehmensteuerreform nicht jede Erwartung erfüllt werden wird, bin ich sicher, dass wir uns mit dem Ergebnis am Ende sehr wohl werden sehen lassen können. Die geplante Steuerreform wird die nominalen Belastungen der Kapitalgesellschaften unter 30 % senken, grenzüberschreitende Steuergestaltungen erschweren und die Attraktivität der Eigenkapitalfinanzierung erhöhen. Im Gegenzug wird es zu einer moderaten Ausweitung der bisher im internationalen Vergleich geringen ertragsunabhängigen Besteuerung kommen. Unter dem Strich wird sich damit die steuerliche Wettbewerbssituation Deutschlands erheblich verbessern.

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Diskussion zur Unternehmensteuerreform Leitung: Prof. Dr. Detlev J. Piltz, Rechtsanwalt, Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater Teilnehmer: Bernd Jonas

Leiter der Steuerabteilung ThyssenKrupp AG, Leiter des Steuerausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Essen

Dr. Barbara Hendricks

Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Norbert Herzig

Lehrstuhl für Allgemeine BWL und betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität zu Köln

Prof. Dr. Wolfgang Schön Direktor des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München Dr. Klaus Stein

Leiter der Steuerabteilung der August Oetker KG, Bielefeld

Dr. Steffen Neumann

Leiter der Steuerabteilung im Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Prof. Dr. Thomas Rödder Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Bonn

Piltz: Frau Dr. Hendricks, Sie haben uns in plastischer Weise die Motivationslage der Bundesregierung und deren Folgerungen dargelegt. Dass sie mit der Motivationslage der Steuerpflichtigen nicht notwendigerweise übereinstimmt, ist offenbar und verständlich. Bevor wir in die Diskussion auf die speziellen Punkte der Unternehmensteuerreform eingehen, möchte ich einen Gedanken diskutieren lassen, der durch die Ausführungen von Frau Hendricks durchgeschimmert ist. Nämlich den Satz, dass in Deutschland nicht das versteuert wird, was in Deutschland erwirtschaftet wird. Eine Diskussion hierzu gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland, insbesondere in den USA, die dort unter dem Stichwort „Steuerlücke/Tax-Gap“ läuft. Dabei geht es um folgende Frage: Jemand hat den Gewinn aller amerikanischen Kapitalgesellschaften geschätzt und diesen mit dem Steueraufkommen aus der amerikanischen Körperschaft17

Diskussion zur Unternehmensteuerreform steuer verglichen und beides mit dem Körperschaftsteuersatz. Er kam zu dem Ergebnis, dass bei einem (angenommenen) Gesamtgewinn von 100 und einem Steuersatz von (angenommen) 30 das gesamte Körperschaftsteueraufkommen 30 sein müsse. Es gibt aber nur ein Steueraufkommen von (angenommen) 16, wonach sich fragt, wo die 14 Differenz geblieben sind. Die amerikanische Regierung hat einer Forschungsgruppe den Auftrag gegeben, die Differenz zu suchen. Diese rechtstatsächliche Feststellung – es handelt sich nur um eine solche – schimmerte auch durch die Ausführungen der Staatssekretärin hindurch und ich möchte Herrn Jonas fragen, ob das auch seine Sicht ist, danach Frau Dr. Hendricks, auf welche Erkenntnisse sich dieses stützt. Jonas: Ich kann hier nicht für alle Unternehmen sprechen, weil ich nicht überblicken kann, in welchem Umfang tatsächlich oder vermeintlich Steuerverlagerung betrieben wird. Ich bin zunächst der Staatssekretärin dankbar, dass sie nicht wiederholt hat, was von anderen Politikern in den letzten Wochen getan worden ist, nämlich mit total übertriebenen Zahlen zu operieren. Der Gipfel bestand in der Behauptung, dass alle DAX-Unternehmen (gemeint sind wohl die DAX 30-Unternehmen) in Irland mehr Gewinn versteuern würden als im Inland. Jeder kann sich ausrechnen, was das bedeuten würde. Wenn diese Unternehmen 1 Milliarde Gewinn im Inland machen, würde das bedeuten, dass sie bei einem 4 %igen Zinssatz in Irland ein Eigenkapital von etwa 25 Milliarden unterhalten müssen. Das zeigt schon, dass das nicht stimmen kann. Recherchen des deutschen Aktieninstitutes haben auch ergeben, dass dieses weit übertrieben ist. Wenn sie in die Konzernabschlüsse hineinschauen, stellen Sie fest, dass mindestens die Hälfte der DAX-Unternehmen mehr als die Hälfte des Konzernergebnisses – das ja nicht gleich ist mit der steuerlichen Bemessungsgrundlage – im Inland versteuern. Für Irland würde also nur die andere Hälfte übrig bleiben bzw. noch viel weniger. Denn das Ausland ist ja nicht nur Irland, sondern es gibt zahlreiche andere Staaten, in denen deutsche Unternehmen erfolgreich tätig sind. Die politischen Behauptungen sind also falsch und ich wäre sehr verbunden, wenn hier zu mehr Sachlichkeit zurückgekehrt würde. Auch die Berechnungen aus dem BMF, die mit mehreren „Weichspülern“ zu einem angeblichen Verlagerungssubstrat von 65 Milliarden kommen, aus denen der Ministerpräsident von Hessen nun fast 80 gemacht hat, belegen keineswegs, worüber man zunächst reden muss, was nämlich eine Verlagerung ist. Ich kann es, wie gesagt, nicht beurteilen und weiß nur, dass es genug Unternehmen gibt, die nicht in Irland sind. Mein Unternehmen (ThyssenKrupp) gehört übrigens dazu. Piltz: Die Aussage der Staatssekretärin war: Was in Deutschland erwirtschaftet wird, soll auch hier besteuert werden. Was z. B. in Brasilien erwirtschaftet wird, soll in Brasilien besteuert werden. Worauf beruht die Verlagerungsannahme, Frau Hendricks? 18

Diskussion zur Unternehmensteuerreform Hendricks: Herr Jonas hat die Zahl 65 Milliarden schon genannt. Wir haben allerdings bei der Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass dieses eine sehr vorsichtige Schätzung sei. Wir haben also nicht auf Heller und Pfennig gesagt, es müssen 65 Milliarden sein. Wir haben verglichen mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Das ist nicht so einfach wie die von Ihnen gerade beschriebene amerikanische Steuerlücke. Wir haben den Unternehmensgewinn aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung herangezogen und sind zu der genannten Größenordnung gekommen. Es geht uns auch nicht darum, zu sagen, da würden 60 oder 65 Milliarden nicht in Deutschland versteuert, davon kriegen wir 29 % und dann ist alles gut. So einfach haben wir nicht argumentiert. Es ist aber unbestreitbar, und das wissen auch viele Steuerpraktiker aus dem Bereich der Beraterschaft wie der Verwaltung, dass es grenzüberschreitende Gestaltungen im Bereich Zinsen, Lizenzgebühren, Mieten, Pachten, Leasingraten gibt, die mit Fremdvergleichsmethoden nicht immer einfach einzufangen sind, und wo auch der jetzige § 8a KStG nicht richtig hilft, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Es wird sich keiner von Ihnen der Vorstellung verweigern, dass es in grenzüberschreitend tätigen Unternehmen diese Gestaltungsmöglichkeiten gibt, unabhängig von der Größenordnung. Dadurch, dass wir seit dem Jahre 2004 eine Vorschrift zur Dokumentation von Verrechnungspreisen haben, werden wir neue Erfahrungen sammeln können, sobald diese Jahre in die Betriebsprüfung kommen. Man wird dann sehen können, was bisher mit dem Fremdvergleich ohne klare Dokumentation nicht möglich war festzustellen. Dass in den Betriebsprüfungen gerade an dieser Stelle die größten Auseinandersetzungen zwischen den Steuerpflichtigen und ihren Beratern mit der Verwaltung stattfinden, wird auch niemand bestreiten. Piltz: Ich würde gern auf einen Punkt hinweisen, der immer wichtiger wird. Die Frage, wie hohe Steuern eigentlich die Unternehmen zahlen, ist heute Gegenstand eines vollseitigen Artikels im Handelsblatt, in dem es um die Konzernsteuerquote geht. Die Überschrift titelt, dass diese zwischen 0 und 200 % des Gewinns liege, womit ich annehme, dass der handelsrechtliche Gewinn gemeint ist. Ich möchte Herrn Herzig fragen, ob man aus so einer Zahl für die Erkenntnisse, die uns Frau Hendricks und Herr Jonas vorgetragen haben, etwas ablesen kann. Herzig: Ich glaube die Antwort muss sein: Kann man nicht. Die Frage ist ja, was der Ausgangspunkt dieser Zahlen ist. Ausgangspunkt ist der Konzernabschluss und das ist ein Weltabschluss. Es wird der Steueraufwand dieses Weltabschlusses, der sowohl den tatsächlichen als auch den latenten Steueraufwand enthält, ins Verhältnis gesetzt zu dem Ergebnis vor Steuern und zwar konzernweltweit. Dass das keine Aussage über die Besteuerung in Deutschland enthält, ist vollkommen klar. Man muss genau in die Überleitungsrechnungen schauen, woraus sich die Abweichungen der statuta19

Diskussion zur Unternehmensteuerreform rischen von der effektiven Steuerquote ergeben und nur dann kann man Aussagen ableiten. Das ändert natürlich nichts daran, dass die von Frau Hendricks angesprochene Problematik in Teilen existiert und dass deswegen darüber nachgedacht werden muss. Die Frage ist nur, was wir jetzt global tun. Da warne ich. Wenn man auf die Wertschöpfung abstellt, kann das sehr schillernd werden und man in Versuchung geraten, eine Vielzahl von Positionen, die wir jetzt bei der Ermittlung des Ergebnisses abziehen, vom Abzug auszuschließen. Das wäre dramatisch und darf nicht passieren. Man muss sehr genau schauen, wo die Felder sind, wo wir Probleme mit dem Aufwandsabzug haben. Ich will nicht verhehlen, dass z. B. § 8a KStG, der die Gesellschafterfremdfinanzierung beschränken soll, seine Wirkung nicht erzielt. Dass wir mit dem Zinsabzug Probleme haben, kann ich auch nachvollziehen, wenn § 8b Abs. 5 KStG im Prinzip nur 5 % der Dividenden, die aus dem Ausland nach Deutschland geschüttet werden, besteuert und dafür den gesamten Zinsaufwand zum Abzug zulässt. Dass dies im Inland Probleme machen kann, ist verständlich und ich kann den Steuergesetzgeber nachvollziehen, der hier nach Korrekturmöglichkeiten sucht. Die entscheidende Frage ist aber, wie man korrigiert. Piltz: Wir wollen jetzt die wichtigen Einzelpunkte der Unternehmensteuerreform durchgehen und beginnen mit der geplanten Gesamtbelastung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer von zusammen knapp 30 %. Ist dies eine befriedigende Lösung oder gibt es Gegenargumente? Ist die Gewichtung zwischen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer die richtige? Schön: Der Steuersatz hat in der allgemeinen Diskussion sicherlich eine wichtige Bedeutung als Signalfunktion, auch die Funktion einer definitiven Quellenbelastung. Aber der Steuersatz ist nicht das einzige und es gibt in der Diskussion zur Unternehmenssteuer einen Punkt, an dem das Thema Steuersatz gewissermaßen kippt. Ich frage mich, ob wir nicht kurz vor dieser Situation sind. Die Politik, Steuersätze zu senken und dies durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gegenzufinanzieren, kennen wir seit der Steuerreform in den USA in den 80er Jahren. Was wir in Deutschland spätestens seit 1997 erleben, und gewissermaßen über Parteien und Koalitionen hinweg, ist, dass größere oder geringere Absenkungen des Steuersatzes kombiniert worden sind mit massiven Eingriffen in Grundprinzipien der Besteuerung, wie etwa das Nettoprinzip und die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben allgemein. Was ich hier betonen möchte ist, dass knapp 30 % als Zahl richtig sind, aber nicht um jeden Preis. Stein: Dem kann ich mich, was die Zahl angeht, natürlich nur anschließen. Ein wünschenswerter Schritt wäre sicherlich die Reduzierung der Komplexität, indem die Gewerbesteuer ganz verzichtbar gemacht wird. Wir kommen dort nahezu hin, wenn die Bemessungsgrundlage identisch ist. Dann geht es praktisch nur noch um den Finanzausgleich, was ein weiterer Schritt 20

Diskussion zur Unternehmensteuerreform nach vorne wäre. Wenn aber der Preis dafür ist, dass die Bemessungsgrundlage um Kosten erhöht wird, kommen wir in der Tat an den Punkt, wo man sich fragen darf, ob nicht die Schwelle des Seriösen überschritten wird. Ich habe da erhebliche Bedenken und möchte diese gerne in dieser Schärfe auch formulieren. Dadurch würde die Gesamtsteuerbelastung in Größenordnungen getrieben, die sehr kritisch sind. Wenn Sie in Ihrem Eingangsstatement, Frau Staatssekretärin, die Gewinnverlagerung in das Ausland kritisiert haben, ist das sicherlich ein berechtigter Punkt. Nur greifen Sie an dieser Stelle zum Mittel der Kollektivstrafe. Das ist ein Weg, den wir schon beim § 8 a KStG beschritten haben und der jetzt sozusagen über die Abzugsfähigkeit oder Nichtabzugsfähigkeit ganzer Aufwandskategorien weiterverfolgt wird. Dann wird das Ganze doch sehr bedenklich. Man könnte allenfalls sagen, dass die Zinsschranke das kleinere Übel sei, was gleich im Detail zu diskutieren ist. Als weiteren Punkt möchte ich darauf hinweisen, dass der von Ihnen skizzierte Weg der Thesaurierungsrücklage aus der Sicht der Personenfirmen voraussetzt, dass diese tatsächlich effektiv so funktioniert, dass eine Belastungsgleichheit zu den Kapitalgesellschaften gegeben ist. Ich bin sehr gespannt, ob dies im Politischen als Heilungsprozess in geeigneter Form realisiert wird. Neumann: Was die Höhe des Steuersatzes angeht, handelt es sich um eine politische Entscheidung, die wir an dieser Stelle schlecht treffen können. Ob diese knapp unter oder über 30 % liegt, ist eine Zielmarke, die erstrebenswert ist, ob darunter oder darüber, ist hier nicht zu streiten. Was die untrennbare Verknüpfung mit der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage angeht, habe ich persönlich große Bedenke, weil ich denke, dass auch hier die Spielräume ausgereizt sind. Es sollte auf keinen Fall so sein, dass durch die Hinzurechnung von Zinsanteilen auf die gewerbesteuerliche und körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage erhebliche Probleme entstehen. Wir haben mit vier Ländern Berechnungen durchgeführt, stichprobenweise kleine, mittlere und größere Unternehmen herausgenommen und simuliert, wie diese Reform auf diese Unternehmen wirken würde. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz der Absenkung im Steuersatz ein Viertel der Unternehmen eine Verschlechterung erleiden würde. Das ist eine nicht zu unterschätzende Zahl. Das zeigt deutlich, dass es schwierig ist, in diesem Bereich über die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nachzudenken. Zumal hier auch Unternehmen betroffen werden, die nicht im internationalen Vergleich agieren und die deshalb nicht im Fokus der Reform stehen, nämlich internationale Finanzierungsstrukturen zu Gunsten des deutschen Fiskus aufzubrechen. Piltz: Wir stellen fest, dass die Verklammerung des Steuersatzes mit der Bemessungsgrundlage ein Kernpunkt ist. Wir wollen uns jetzt konzentrieren auf die zukünftige Gewichtung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. 21

Diskussion zur Unternehmensteuerreform Jonas: Ich kann Herrn Neumann nur unterstützen. In der Tat müssen wir aufpassen, dass bei dem gesetzgeberischen Anliegen, es den ausländisch beherrschten Unternehmen zu erschweren, aus Deutschland Steuersubstrat abzuziehen – § 8a KStG wirkt nicht –, die falschen getroffen werden, die gar nicht getroffen werden sollen. Bei der Einschränkung der Zinsabzugsfähigkeit dürfen keine Kollateralschäden entstehen. Was hilft die wünschenswerte Reduzierung der nominalen Steuerbelastung auf 30 %, wenn sie keinen erreicht. Das wäre automatisch die Folge, wenn wir den Zinsabzug partiell oder zur Hälfte oder ganz vom Abzug ausschließen, wenn man unterstellt, dass es kaum Unternehmen ohne Zinszahlungen gibt. Die Frage nach der Aufteilung Gewerbesteuer – Körperschaftsteuer ist auch die Frage nach den Kommunalfinanzen. Bei der Reduzierung auf einen Körperschaftsteuersatz von 12,5 %, wie das in den Eckwerten vom 12. 7. 2006 vorgeschlagen war, wird des Guten ein bisschen zu viel getan, weil wir damit das Grundübel der Kommunalfinanzen, nämlich die Gewerbesteuer, nicht angehen. Das Grundübel ist deren hohe Volatilität, die viele Kommunen trifft, wenn auch nicht alle. Wenn fünf Kommunen bzw. Städte ca. 35 % der gesamten Gewerbesteuereinnahmen aller Städte erzielen, sieht man, dass etwas falsch läuft. Ich erlebe es in meiner eigenen Nachbarschaft. Eine Stadt baut jedes Jahr eine neue Sportstätte und die andere kommt nicht dazu, ein neues Stadion zu bauen, obwohl deren Fußballverein in einer höheren Liga spielt als der der anderen. Das ist plakativ, zeigt aber die Problematik. Die Bauindustrie wäre froh, wenn sie das Stadion in der einen Stadt bauen könnte. Man sollte in der Tat noch zwei Überlegungen anschließen. Das eine ist die Zuweisung eines Teil der Lohnsteuer an die Gemeinden, wie sie im Modell der Stiftung Marktwirtschaft vorgesehen war, mit der Folge, dass die Unternehmen dann letztlich weniger Gewerbesteuer zahlen. Dann tritt ein Rückgang der Volatilität ein. Zweite ist die Grundsteuer. Sie haben, Frau Staatssekretärin, gesagt, dass in Deutschland ein niedriges Steuerniveau gegeben sei. Da ist Vorsicht geboten und dürfen nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. In England werden über die Grundsteuer auch Wasser, Kanal und Müllabfuhr abgerechnet. Wenn Sie das bei uns mit einbeziehen würden (ich habe das in unserem Hause untersucht), dann entfielen ein Drittel der Kommunalabgaben auf die Grundsteuer und der Rest auf beitragsabhängige Zahlungen. Dann sähen wir mit unserer Grundsteuer gar nicht mehr so schlecht aus. Wenn an eine Erhöhung gedacht wird, ist das vor dem Hintergrund der Stabilisierung der Einnahmen der Kommunen gut. Aber auch hier sollte man nicht alleine die Unternehmen treffen, für die dann sozusagen eine Grundsteuer „zwei“ begrenzt auf einen Personenkreis eingeführt würde. Vielmehr müssten unter Äquivalenzgesichtspunkten alle belastet werden, die z. B. dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer von A nach B fahren, d. h. auch Behörden, Krankenhäuser, gemeinnützige Institutionen und auch Freiberufler. 22

Diskussion zur Unternehmensteuerreform Rödder: Herr Piltz, wenn Sie gestatten, gehe ich auf ihre Frage ein, und zu den Finanzierungskosten würde ich mir dann gerne ein Statement für gleich vorbehalten. Also zuerst einmal zu Ihrer Frage. Ich kann das Ziel, wonach wir jetzt im Bereich Steuersatz auf unter 30 % kommen wollen, nur ausdrücklich begrüßen. Natürlich ist auch die Frage der Bemessungsgrundlage entscheidend, aber zunächst mal muss man festhalten, das ist ein wichtiger Schritt. In den alten EU-Staaten liegen wir im Schnitt bei 29 %, und da müssen wir auch hin. Natürlich ist eine Reduktion des Steuersatzes um 10 % auch ein ganz wirksames Mittel, das Volumen der Ergebnisverlagerung ins Ausland zu reduzieren, ganz unabhängig von der Bemessungsgrundlagenerweiterung. Der zweite Punkt ist der der Frage Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer. Das hängt mit der von Ihnen angesprochenen Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage zusammen. Ich habe ein bisschen den Eindruck, Frau Hendricks, dass das nicht ernst gemeint ist mit der Vereinheitlichung. Wir haben Differenzen zwischen Gewerbe- und Körperschaftsteuer ja nicht nur im Bereich Finanzierungskostenabzüge, sondern auch bei Dividenden, beim Territorialitätsprinzip, wir haben andere Steuerpflichtige wie bei der Gewerbesteuer die Mitunternehmerschaften etc. Wenn das wirklich so gemeint sein sollte, wie es in den Eckpunkten steht, dass wir zu einer Vereinheitlichung kommen, d. h. die Gewerbesteuer wirklich zu einer körperschaftsteuerähnlichen Steuer verändern, dann würde ich das auch sehr begrüßen. Dagegen spricht aber das, was mit wirtschaftskraftbezogener Unternehmensbesteuerung in den Eckpunkten steht. Jetzt aber noch ein ganz wichtiger Punkt, der damit zusammenhängt. Sie haben vorhin als ein Beispiel geschildert: 15 % Körperschaftsteuer, knapp 15 % Gewerbesteuer. Wenn Sie die Gewerbesteuer nicht Richtung Körperschaftsteuer verändern, führt das nicht zu einem sinnvollen Ergebnis. Das wird ganz deutlich, wenn Sie sich nur mal einen Moment die Anrechnung ausländischer Steuern vergegenwärtigen oder die Frage der Niedrigbesteuerungsgrenze in der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, das ist heute am Körperschaftsteuersatz orientiert. D. h. wir müssten eine Niedrigbesteuerungsgrenze von 15 % haben. Bei ausländischen Betriebsstätten wird das direkt offensichtlich. Dann würde der Abstand zum potentiellen niedrig besteuernden Ausland gar nicht so stark verringert, weil Sie die Niedrigbesteuerungsgrenze von 25 auf 15 absenken müssen. Und umgekehrt haben Sie dann aus Sicht der Steuerpflichtigen Probleme der Anrechnung ausländischer Steuern, die bei der jetzigen Konzeption nur auf die Körperschaftsteuer gelingt, d. h. Sie produzieren Anrechnungsüberhänge. Deswegen die Frage an Sie, Frau Dr. Hendricks: Ist es wirklich ernstgemeint mit der Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen? Herzig: Ich kann hieran mit drei Bemerkungen anknüpfen. Der erste Punkt ist die Gesamtbelastung, von der Frau Hendricks klar zum Ausdruck ge23

Diskussion zur Unternehmensteuerreform bracht hat, dass sie unter 30 % und zwar einschließlich Solidaritätszuschlag liegen soll. Das finde ich eine wichtige Botschaft, weil ich denke, dass die nominelle Steuerbelastung eine Signalwirkung hat, die nicht unterschätzt werden darf. Zu dem zweiten Punkt der Gewichtung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, die zusammen unter 30 % liegen sollen, bin ich skeptisch. Wenn die Körperschaftsteuer 15 % sein soll und die Messzahl bei der Gewerbesteuer auf 3,5 % abgesenkt werden soll, frage ich mich, ob die Kommunen genug Finanzierungsvolumen bekommen. Müssten die dann nicht deutliche Abstriche in Kauf nehmen oder müssten diese Abstriche über die Verbreitung der Bemessungsgrundlage wieder hereingeholt werden, dann aber dramatisch verbreitert? Wenn ich prognostiziere, dass die Kommunen ihr gegenwärtiges Finanzaufkommen erhalten wollen, glaube ich fast, wird der Gewerbesteuersatz über 15 % liegen müssen, d. h. man müsste mit der Körperschaftsteuer unter 15 % gehen. Damit habe ich das Problem, dass wir die Gewerbesteuer zur dominierenden Unternehmenssteuer machen würden. Kann das eigentlich politisch die Richtung sein, in der wir uns bewegen wollen? Der dritte Punkt geht um die Frage der Hinzurechnung. Hier ist eine klare Differenzierung notwendig. Natürlich kann man sagen, dass durch die Hinzurechnung von Aufwandselementen Gegenfinanzierung geschaffen wird. Das ist dann aber einzig und allein nur ein Instrument der Gegenfinanzierung und es wird danach kein Halten mehr für die Grenze dieser Gegenfinanzierung geben. Es sind in der Tat die Zinsprobleme, wo anzusetzen ist. Hendricks: Es geht nicht nur um Gegenfinanzierungen, sondern auch z. B. um die Finanzierungsneutralität und auch z. B. um die Beschränkung von Gestaltungsmöglichkeiten. Herr Neumann hat darauf hingewiesen, dass NRW mit vier weiteren Ländern Beispielsfälle rechnet. Jedes Land hat sich 200 Echtfälle angesehen. Das ist natürlich Gegenstand unserer Beratungen. Es ist work in progress und wir haben die Entscheidung noch nicht fällen können. Der Hinweis in den Medien, dass die Unternehmensteuerreform zeitlich gefährdet sei, ist nicht richtig, wir sind im Zeitplan und kommen zügig voran. Morgen ist die nächste politische Arbeitsgruppe von zwölf Personen, sechs von der Unionsseite und sechs von der SPD, geleitet von den Herren Steinbrück und Koch. Seit Ende August haben die Fachleute des Bundes und der Länder weiter beraten und auch gerechnet, z. B. die Beispiele, die Herr Neumann angesprochen hat. Zu der Frage, wie ernst wir es mit der gleichen Bemessungsgrundlage meinen, will ich Ihnen als Antwort meine politische Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt geben. Wenn es z. B. zu einer 25 %igen Hinzurechnung von Zinsen, Finanzierungsanteilen von Mieten, Pachten und Leasingraten kommt, würde dies insoweit natürlich automatisch bei der Gewerbesteuer und bei der Körperschaftsteuer zu einer gleichen Bemessungsgrundlage 24

Diskussion zur Unternehmensteuerreform führen. Wenn es hierzu nicht, sondern zu einer Zinsschranke kommt, betont der Kollege Meister von der Union neuerdings stark, dass es die gleiche Bemessungsgrundlage geben soll. Damit will er erreichen, dass die im jetzigen Recht bestehende Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen bei der Gewerbesteuer wegfällt. Falls es nicht zu Hinzurechnungselementen kommt, sondern zur Zinsschranke, wird die SPD keinesfalls auf die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen bei der Gewerbesteuer verzichten, und es kommt dann als logische Folge auch nicht zu einer gleichen Bemessungsgrundlage. Wenn wir die Gewerbesteuermesszahl von jetzt 5 auf 4 oder 3,3 % oder was auch immer senken würden, und zugleich noch die Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen wegnehmen würden, würden alle Kommunen in der Republik kopfstehen. Ich mache mein Geschäft jetzt seit acht Jahren, werde auch immer noch von Entwicklungen überrascht, kann aber wohl sagen, dass es so nicht kommen wird. Wie das Ergebnis sein wird, wissen wir natürlich noch nicht. Die Grundsteuer ist von der Union propagiert worden, weil ein stetiges Gesamtsteueraufkommen zu Gunsten der Kommunen gesichert werden soll, wenn man die Gewerbemesszahl senkt, muss man an anderer Stelle etwas tun, also bei der Grundsteuer, wenn es keine Hinzurechnungen gibt. Wenn man die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer verbreitert, könnte man auf die Erhöhung der Grundsteuer verzichten. Das ist alles miteinander in Verbindung. Die Vorstellung ist, die Grundsteuer für gewerblich genutzte Immobilien zu erhöhen, also eine so genannte Grundsteuer C einzuführen. Dabei ist dann zu berücksichtigen, wie das Grundstück genutzt wird, ob überwiegend oder vollständig oder weniger als zur Hälfte gewerblich. Es würde auch verschiedene Tarife geben. Diese Grundsteuer würde natürlich jeden belasten, der irgendwie gewerblich tätig ist, auch Freiberufler. Die frei Gemeinnützigen sind bisher nicht getroffen, also Krankenhäuser z. B., es sei denn sie wären gewerblich tätig, aber bisher nicht die Gemeinnützigen. Bei der Grundsteuer handelt es sich um eine Realsteuer, bei der es dann auch keine Freibeträge geben kann, man fängt beim ersten Quadratmeter an. Und natürlich wäre jeder dabei, auch die Steuerpflichtigen, die durch die anderen Maßnahmen gar nicht entlastet werden und auch nicht entlastet werden können. Also die kleineren und mittleren Personengesellschaften, die in den Entlastungsbereich nicht einbezogen sind, allenfalls mit einer Investitionsrücklage oder einer etwas verbesserten § 7g-Abschreibung o. Ä.; sie wären trotzdem bei der Grundsteuer dabei. Ich bin nicht sicher, ob dieses politisch durchgehalten werden kann. Dagegen würden mit einer ausgeweiteten Hinzurechnungsbesteuerung inklusive eines Freibetrages nach meiner persönlichen Meinung diejenigen zielgerichteter erreicht, die durch die Tarifabsenkungen auch entlastet werden sollen. Von den Tarifabsenkungen profitieren ja nur die ertragsstarken Kapitalgesellschaften. Sie kennen ja auch die GmbHs, in denen der Gesellschafter zugleich Geschäftsführer ist und die nach Abzug des 25

Diskussion zur Unternehmensteuerreform Geschäftsführergehalts keinen Gewinn mehr ausweisen. Die werden nicht entlastet, weil sie nicht entlastet werden können, weil sie schon keine Steuern zahlen. Wir reden von den ertragsstarken Kapitalgesellschaften, die durch die Absenkung des Tarifs entlastet werden. Etwas provokativ gesagt bezweifle ich, ob die Union es durchhält, dass der Bäckermeister die Entlastung für die Deutsche Bank bezahlt. Ich glaube nicht, dass man es tatsächlich über die Grundsteuer erreichen kann, die Kommunen steuerlich schadlos zu stellen, um es einmal bewusst überspitzt zu formulieren. Und es macht natürlich auch einen Unterschied, ob man z. B. die Firma ThyssenKrupp vertritt oder ob man z. B. ertragsstarke Unternehmen im Dienstleistungsbereich vertritt, die zwar eine Vielzahl von Büro- und Geschäftsgebäuden haben, aber im Verhältnis zu im industriellen und sonstigen gewerblichen Bereich tätigen Unternehmen doch überschaubare Grundstücke. Auch da würde es zu Verwerfungen kommen. Nach meiner Meinung würde man mit der Hinzurechnung diejenigen, die man an anderer Stelle entlastet, zielgenauer erreichen. Piltz: Ich möchte die Diskussion auf die Zinsbesteuerung fokussieren. Es ist schon viel von „Hinzurechnung“ und „Zinsschranke“ die Rede gewesen. Diese Wörter sind vielleicht nicht jedem hier geläufig und ich möchte Herrn Rödder darum bitten, dass sie erläutert werden. Rödder: Vielleicht kann ich ganz kurz dazu ein kleines Statement abgeben. Die Überlegung ist einerseits, wie Sie vorhin schon geschildert haben, dass die heutige gewerbesteuerliche Dauerschuldzinshinzurechnung (50 %) vom Gegenstand her erweitert wird auf Zinsanteile in Lizenzen, Mieten, Pachten usw. und auf einen niedrigeren Prozentsatz reduziert wird. Die weitere Frage ist, ob dies auf die Körperschaftsteuer übertragen wird. Der zweite Gedanke der Zinsschranke ist vereinfacht wie folgt: Es gibt ein Ergebnis vor Zinsaufwandsabzug, ein steuerliches Ergebnis, das darf maximal in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes (z. B. 60 oder 70 %) durch Zinsaufwandabzüge reduziert werden, und sobald wir insoweit nicht zu einer Nutzung des Zinsaufwandsabzugspotentials kommen, sagt die Zinsschranke, dass dann das nicht genutzte Zinsaufwandsabzugsvolumen vortragsfähig ist. Das ist also eine ähnliche Technik wie Sie sie heute für die Verlustvortragsverrechnung kennen, für die Mindestbesteuerung. Herr Piltz, wenn Sie gestatten, würde ich dann auch gerne ein paar wertende Worte dazu sagen. Ich meine, im Grunde ist hier vieles schon angeklungen. Ich meine jeder Unternehmensvertreter, jeder Steuerberater, jeder Steuerrechtler wird zutreffend sagen, dass das Nettoprinzip verlangt, Finanzierungsaufwendungen genauso abzuziehen wie alle anderen Aufwendungen auch. Da gibt es überhaupt keinen Dissens. Es gibt aber auch gar keinen Dissens, meine ich, und das ist ja vorhin auch deutlich geworden, dass natürlich aus Fiskalsicht Probleme bei grenzüberschreitenden Finanzierungen da sind. Das ist auch nicht zu bestreiten. Und es ist auch 26

Diskussion zur Unternehmensteuerreform nicht zu bestreiten, obwohl das ein wenig übertrieben wird in der Einschätzung, dass der § 8a KStG sicherlich eine problematische Vorschrift ist und dass auch sonstige grenzüberschreitende Finanzierungssituationen durch den deutschen Gesetzgeber nicht richtig in den Griff bekommen werden. Vor diesem Hintergrund ist eigentlich auch die Schlussfolgerung klar, wie dies hier auch vier- bis fünfmal schon angeklungen ist: Ja, dann lasst uns doch für diese aus Fiskalsicht problematischen Fälle eine vernünftige Regelung finden. Das ist der richtige Vorschlag, nur muss ich auch gestehen, einen vernünftigen Vorschlag dafür habe ich bisher noch nicht gehört. Und jetzt ist das im Grunde eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Dazu gehört übrigens auch die These, dass man das Thema gar nicht mehr gescheit regeln kann. Bei der Frage nach der Finanzierungskostenbeschränkung spielen auch zwei Dinge eine Rolle. Erstens ist ein nur temporäres Versagen von Zinsaufwandabzügen nach Maßgabe einer Zinsschranke deutlich vorzugswürdig gegenüber einer definitiven nichtabzugsfähigen Ausgabe. Zweitens muss man sich vergegenwärtigen bei der Diskussion, dass wir schon heute eine Nichtabzugsfähigkeit von Finanzierungskosten – und zwar auch außerhalb des § 8a KStG – in Form der Dauerschuldzinshinzurechnung haben. Das belastet Zinsaufwendungen bei 400 % Hebesatz mit 8,5 % Gewerbesteuer gegenwärtig. Daran muss man natürlich auch die Diskussion messen, und muss sehen, ob man bei der Zinsschrankendiskussion zu einer Größenordnung kommt, die die Unternehmen, die nicht gestalten können, was die Bemessungsgrundlage anbelangt, halbwegs unbeschadet lässt. Piltz: Hiernach möchte ich Herrn Schön bitten, die beabsichtigte Zinsregelung – gleich in welcher technischen Weise – rechtssystematisch einzuordnen und Herrn Herzig, dieses finanzwissenschaftlich und betriebswirtschaftlich zu tun. Schön: Man sollte, Herr Herzig und Herr Rödder, bei dem Aufwandsabzug nicht zu früh Konzessionen machen. Denn dieser Schritt, einmal gemacht, kann nicht wieder zurückgeholt werden. Der niedrige Steuersatz ist vielleicht irgendwann wieder oben, aber die volle Abzugsfähigkeit der Zinsen bleibt versagt. Es ist eines der Ziele der Unternehmensteuerreform, nach Möglichkeit eine Angleichung der Bemessungsgrundlage von Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer herbeizuführen. Das war von denen, die es sich redlich und systematisch überlegt haben, stets in der Richtung gedacht, dass die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage an die körperschaftsteuerliche angepasst wird. Ich habe den Eindruck, es passiert genau das Gegenteil. Wie es die Staatssekretärin dargestellt hat, bleibt gewerbesteuerlich im Prinzip alles so wie es ist und einzelne Elemente, nämlich die Hinzurechnung von Kostenbestandteilen, wird zur Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Gewinns für die Körperschaftsteuer übernommen. Wenn das die rechtspolitische Grundtendenz ist, wäre ich sogar bereit, auf die einheit27

Diskussion zur Unternehmensteuerreform liche Bemessungsgrundlage von Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer zu verzichten. Wie gehen wir mit den Zinsen um? Zinsen sollten jedenfalls nur einmal besteuert werden. Richtig ist die Besteuerung beim Empfänger, der die wirtschaftliche Verfügungsmacht hat. Das bedeutet, dass für Zinsen, die ins Ausland gehen, der richtige Weg eine angemessene Quellenbesteuerung der Zinsen ist. Genau das ist Deutschland durch eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen und zuletzt durch die Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren im Konzern auch europarechtlich versperrt. Daraus gibt es keinen systematischen Ausweg. Wie gehe ich damit um? Will ich, wie es jetzt vorgeschlagen wird, nicht nur für Zinsen an Gesellschafter, sondern für sämtliche Zinsen, auch unabhängig davon, ob sie ins Ausland gehen, einen Abzug bei der Körperschaftsteuer und vielleicht sogar irgendwann bei der Einkommensteuer ausschließen? Im Grundsatz ist diese Problematik schon lange diskutiert worden. Wenn ich zu einer Nichtabzugsfähigkeit komme, muss ich diese beim Empfänger kompensieren. Um die Einmalbesteuerung zu sichern, dürften dieselben Zinsen beim Empfänger entsprechend nicht mehr steuerpflichtig sein, sonst kommt man zu einer massiven Mehrbelastung der Finanzierung. Bei Zinsen in das Ausland muss eine Abstimmung mit dem Empfängerstaat erfolgen. Hieran sind alle Vorschläge einschließlich des schon zwanzig Jahre alten Modells der Comprehensive Business Tax gescheitert. Natürlich gibt es kein Ausland, das auf seinen Steueranspruch auf die Zinsen verzichtet, weil in Deutschland ein Zinsabzug nicht mehr zulässig ist. Und konsequenterweise müsste Deutschland umgekehrt auf die deutsche Besteuerung von aus dem Ausland eingehenden Zinsen zu Gunsten einer Besteuerung in dem Zahlerstaat verzichten. Wo ist vielleicht eine Lösung? Wir sollten bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer beim Nettoprinzip bleiben und auf eine völlige Angleichung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage an die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage verzichten. Bei der Gewerbesteuer können wir international unabhängig agieren. Ich wäre sogar bereit, den Hinzurechnungssatz auf Zinsen nur bei der Gewerbesteuer auf die 100 % zu erweitern, die es früher einmal waren. Wir müssten dann die Zinszahlung beim Empfänger allerdings gewerbesteuerfrei stellen. Dann habe ich eine normale Einmalbelastung. Zinsen, die ins Ausland gehen, sind damit im Inland mit 15 % Gewerbesteuer belastet. Im Inland kommen wir im Grunde zu einer bloßen Verschiebung beim Steuersubjekt, die sich über die Zinssätze ausgleichen lässt. Der jetzt vorgeschlagene Weg einer langsamen „GewerbesteuerInfizierung“ der Körperschaftsteuer ist wirklich nicht der, den wir beschreiten sollten. Herzig: Die Angleichung der Bemessungsgrundlage von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer war in der Tat immer so gedacht, dass wir die gewerbesteuerliche an die körperschaftsteuerliche angleichen, also die ertragsunab28

Diskussion zur Unternehmensteuerreform hängigen Elemente bei der Gewerbesteuer eliminieren. Dieser Grundgedanke war aber natürlich flankiert von der Idee, den Gemeinden auf anderem Wege stabile Grundlagen zu geben. Das war der Lohnsteueranteil. Was die hier zu lösenden Probleme betrifft, ist ideal und theoretisch sauber natürlich ein Festhalten am Nettoprinzip. In dieser idealen Welt leben wir allerdings nicht mehr, dass wir das ohne Einschränkungen durchhalten können. Schon bei der Gewerbesteuer haben wir jetzt die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen, also einen ertragsunabhängigen Bestandteil. Hinzu kommt die Bindung des Gesetzgebers durch die Zinsrichtlinie. Was kann ein Gesetzgeber in diesem Rahmen tun? Wenn wir sagen, wir wollen Dauerschuldzinsen voll hinzurechnen – ich verweise auf Herrn Schön – sehe ich keinen großen Unterschied, ob wir das bei der Körperschaftsteuer oder Gewerbesteuer tun. Ich würde eher überlegen, ob es nicht andere Modelle gibt. Wir sind dabei, von dem Nettoprinzip in der Tat abzuweichen und ich glaube, wir haben keine andere Wahl, sondern müssen versuchen, den schonendsten Weg zu finden. Für mich ist ein wichtiger Punkt die Frage, was denn beim geltenden Recht wegfallen würde, wenn wir neue Lösungen erörtern. Würde die Hinzurechnung von Zinsen den § 8a KStG und die Dauerschuldzinshinzurechnung bei der Gewerbesteuer erübrigen? Frau Hendricks hat gesagt, dass bei dem Zinsschrankenmodell die Dauerschuldzinshinzurechnung auf keinen Fall fällt, möglicherweise aber bei der umfassenden Hinzurechnung. Das ist eine Frage der Bewertung, die in komplexe Überlegungen mündet, welche alle nicht ideal sind. Die Bewertung wird differenzierter ausfallen müssen und wir müssen an diesem Prozess mitwirken, weil wir uns anderenfalls der Einflussnahme auf diesen Prozess vollkommen begeben würden. Hendricks: Ich bin Herrn Rödder und Herrn Herzig für ihre Einschätzung dankbar, kann aber natürlich auch Herrn Schön von seinem Standpunkt aus verstehen. Wir sind gehalten, in dem gegebenen rechtlichen Umfeld zu agieren. Ich hatte als meine politische Einschätzung gesagt, dass die Dauerschuldzinshinzurechnung bei der Gewerbesteuer bestehen bleiben wird, wenn wir zu einer Zinsschranke kommen. Das ist nicht entschieden. Wenn das Modell des Bundesministeriums der Finanzen mit einer Hinzurechnung der Zinsen und der Finanzierungsanteile von Mieten, Pachten und Leasingraten sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer in der Größenordnung von 25 % kommt, würde dies § 8a KStG obsolet machen und es würde natürlich nicht noch einmal eine Extra-Dauerschuldzinsenhinzurechnung geben. Das Modell der Zinsschranke bezieht die Einkommensteuer mit ein, das ist nicht vermeidbar. Damit kämen wir nach meiner politischen Einschätzung von der Dauerschuldzinsenhinzurechnung bei der Gewerbesteuer nicht weg. Es wäre zugleich verbunden mit einer Ausweitung der Grundsteuer für gewerblich genutzte Immobilien in welchem Umfang auch immer. Das ist das Angebot, das die Union macht, damit die Kommunen keine Einnahmever29

Diskussion zur Unternehmensteuerreform luste erleiden. Es ist gemeinsame Position, dass die Kommunen glatt gestellt werden sollen, also weder Mehreinnahmen noch Einnahmeverluste entstehen. Was an Steuermindereinnahmen zu verzeichnen sein wird, soll zu Lasten von Bund und Ländern gehen, nicht zu Lasten der Kommunen. Am Ende wird sich etwas beim Finanzausgleich tun, die Gewerbesteuerumlage wird zu Gunsten der Kommunen abgesenkt werden, Bund und Länder werden weniger Gewerbesteuerumlage bekommen. Das ist aber ein internes Finanzierungsverhältnis, die Stellschraube für Bund und Länder bzw. Kommunen, die den Steuerpflichtigen nicht tangiert. Die Kommunen könnten auch einen etwas höheren Anteil an der Umsatzsteuer erhalten. Es lässt sich leider nicht leicht eine Lösung finden, welche alle Aspekte in gleicher Weise berücksichtigt. Bis jetzt stehen die beiden hier diskutierten Modelle zur Verfügung. Innerhalb ihrer gibt es noch Möglichkeiten des Abwägens. Wenn wir bei einer Gewerbesteuermesszahl deutlich unter den bisherigen 5 %, also bei 4 oder 3,5 % landen, muss im Bereich der kommunalen Steuern etwas geschehen. Dies entweder durch eine deutliche Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer, also umfassendere Hinzurechnung, oder durch eine deutliche Ausweitung der Grundsteuer für den gewerblichen Bereich. Piltz: Wir wollen vor dem Schlusswort von Frau Hendricks noch einmal auf die Zinsen eingehen. Jonas: Mit den Modellen Zinsschranke oder erweiterte Hinzurechnung von Aufwand habe ich verstanden, dass wir nur noch die Wahl zwischen Skylla und Charybdis haben bzw. die rechte oder die linke Wange hinzuhalten. Ich kann Ihnen eine Reihe von Sachverhalten nennen, wo dies Auswirkungen hat. Z. B. der Lebensmittelhändler, der gerade den turn around geschafft hat und dessen Mieten auf einmal der Hinzurechnung unterworfen werden, der damit sofort wieder in den roten Zahlen ist. Oder Public Private Partnership-Modelle, die dann nicht mehr lebensfähig sind. Die öffentliche Hand legt Wert darauf, dass die Bauindustrie hier fremdfinanzierte Investitionen vornimmt. Das ist mit einer Einschränkung des Zinsabzugs tot. Ich habe gelernt Frau Hendricks, dass sowohl das Modell der Zinsschranke als auch der Aufwandshinzurechnung beide noch in der Diskussion sind und eine Entscheidung für das eine oder andere noch nicht gefallen ist. Mir liegt daran, Herrn Neumann und seine Kollegen, die im Moment die Berechnungen aufstellen, darauf hinzuweisen, dass diese Berechnungen auf Ist-Zahlen beruhen. Es darf nicht vergessen werden, dass die Ist-Zahlen aus einer Niedrig-Zins-Welt stammen, von der keiner garantieren kann, dass sie in zwei Jahren noch so ist. Wenn man das garantieren könnte, wäre es höchste Zeit, die 6 % im § 6a EStG auf 4 % zu reduzieren. Das will aber keiner und es ist auch irreal. Die 4 % Zinsen, die wir aktuell haben, sind nicht die Realität der Zukunft, während das hier zu schaffende Gesetz möglicherweise in 20 Jahren unsere Nachkommen noch beschäftigen wird. 30

Diskussion zur Unternehmensteuerreform Wenn die Zinsen hochgehen, greift die Zinsschranke nicht mehr so, und zusätzlich haben sie automatisch einen höheren Anteil am Ergebnis vor Steuern, das sie dann versteuern müssen. Wenn wir also im Moment auf eine Steuerquote von 45 oder 50 % kommen, sind sie automatisch bei 70 %, wenn die Zinsen z. B. um 70 % ansteigen würden. Neumann: Im Bundesfinanzministerium werden, Frau Staatssekretärin, globale Berechnungen gemacht, die insgesamt zu einer Entlastung für die Unternehmen kommen. Leider ist die Welt sehr bunt. Es soll nicht nur bei den Unternehmen, die Dauerschuldzinsen zahlen, hinzugerechnet werden, sondern auch bei denen, die Finanzierungskomponenten anderer Art haben, die Zinskomponente bei Mietaufwendungen oder Leasingaufwendungen und und und. Das führt dazu, dass es bei vielen Unternehmen nur deswegen, nicht wegen der Dauerschuldzinsen, zu einer signifikanten Verschlechterung kommt. Eine solche Hinzurechnung mag für die Mehrzahl der Unternehmen akzeptabel sein, sie nützt aber nichts dem Viertel, bei dem es nicht aufgeht. Deshalb plädieren wir nicht für die Hinzurechnung, sondern für ein Zinsschrankenmodell. Wir meinen, dass die Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital aus dem Ruder gelaufen ist. Ein vernünftiger Anknüpfungspunkt wäre es, die Zinsen temporär vom Abzug abzuziehen. Es kommt dann nicht zu einer definitiven Besteuerung, sondern temporären Hinzurechnung. Hendricks: Das ist bei dem Zinsschrankenmodell auch vorgesehen. Ein Vortrag wäre möglich. Ich habe hier dargestellt, was derzeit im Spiel ist und was noch nicht entschieden ist. Es ist eine Tendenz möglicherweise mehr zu dem Zinsschrankenmodell hin. Die Entscheidungen werden in den nächsten Wochen fallen. Wir haben bereits im Juli 2006 Eckpunkte beschlossen und haben uns vorgenommen, das Kabinett mit weiter spezifizierten Eckpunkten zu befassen. Die Fragen, die im Juli 2006 offen dargestellt worden sind, müssen von der politischen Arbeitsgruppe – unterstützt von Fachleuten aus Bund und Ländern – zur Entscheidungsreife gebracht werden. Dann wird das Kabinett die spezifizierten Eckpunkte beschließen, sicherlich vor Jahresende, danach wird der Referentenentwurf auf dieser Basis erstellt. Die Vorarbeiten sind natürlich im Gange. Wenn wir diese Eckpunkte beschlossen haben, muss das Gesetzgebungsverfahren anlaufen, wie es üblich ist, mit Beteiligung des Bundesrates und Bundestages. Natürlich ist das alles zustimmungspflichtig und die Länder werden sich zu Wort melden. Piltz: Wir haben der Staatssekretärin ganz herzlich für Ihre Ausführungen und Ihre Teilnahme an der Diskussion zu danken und stellen fest, dass es sich hier nicht um Selbstgänger handelt. „Work in progress“ haben Sie das Ganze genannt. Wir wollen „Progress“ hier nicht nur als Fortschreiten verstehen, sondern als Fortschreiten zu etwas Positiven und nicht zum Negativen. 31

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Das Land Nordrhein-Westfalen zur Unternehmensteuerreform* Dr. Steffen Neumann Leiter der Steuerabteilung Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf Als sich nach den von Frau Dr. Hendricks vorgestellten Konzepten der Bundesregierung zu einer Unternehmensteuerreform das Land NordrheinWestfalen Gedanken gemacht hat, wie eine solche Reform aussehen könnte, haben wir uns an den Zielen orientiert, die Frau Hendricks ebenfalls dargelegt hat. Im Vordergrund muss der internationale Steuerwettbewerb bei Kapitalgesellschaften stehen. Leider scheint sich dieser Schwerpunkt – wie die Diskussion gezeigt hat – auf die Beseitigung von Finanzierungsgestaltungen zu verlagern. Dies sollte ein Nebenprodukt sein, nicht aber ein Hauptmerkmal. Der Ausgangspunkt des Problems im internationalen Steuerwettbewerb der Kapitalgesellschaften ist deren heute gegebene Belastung mit ca. 39 %. Mit der Bundesregierung sind wir der Meinung, dass ein Verbleib auf diesem hohen Niveau international nicht akzeptabel ist. Bei der derzeitigen Belastung liegt der Export von Gewinnen und der Import von Verlusten auf der Hand. Auf dieser Prämisse ist es kein unbedingtes Ziel, sämtliche Personenunternehmen begünstigen zu müssen. Ebenfalls kein Ziel für uns ist eine rechtsformneutrale Besteuerung nach den Konzepten der Stiftung Marktwirtschaft und des Sachverständigenrates. Wir halten deren Konzepte weder für schlecht noch für undurchdacht. Aber wir haben uns überlegt, was politisch durchsetzbar ist. Politisch durchsetzbar scheint uns eher eine evolutionäre als eine revolutionäre Betrachtung. Ohne Durchsetzbarkeit lassen sich Konzepte nicht erfolgreich verwirklichen. Hinzu kommen die erheblichen finanziellen Kosten, die die beiden Modelle verursacht hätten. Wir haben uns vier Module vorgestellt, Module, die bausteinartig sind. Man kann sie auf einen Schlag verwirklichen, man muss es nicht tun. Jedes Modul kann durch neue Ideen angereichert werden. Die mögliche zeitliche Streckung der Module hätte auch Vorteile für die öffentlichen Haushalte. Tarifregelungen wirken sofort, Gegenfinanzierungsmaßnahmen erst wesentlich später, möglicherweise mit Jahren Verzögerung. Deswegen kann eine zeitliche Streckung den Vorteil der Haushaltsverträglichkeit haben.

* Die Redeform wurde beibehalten.

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Neumann, Das Land Nordrhein-Westfalen zur Unternehmensteuerreform Modul 1 Hier geht es um niedrige Unternehmenssteuersätze, was in Zahlen eine Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 18 % bedeutet. Bei dieser Zahl haben wir im Blick, dass das Gesamtvolumen 5 Milliarden Euro Steuerausfälle nicht überschreiten sollte. Unser Modell hält den Rahmen nicht ganz ein, orientiert sich aber an dieser Zahl. Im ersten Schritt würden wir die Gewerbesteuer in ihrer jetzigen Ausgestaltung unverändert beibehalten. Das hätte zum Ergebnis, dass die bisherige Belastung der Kapitalgesellschaften sich von 39 % auf ca. 32,5 % bei Thesaurierung verringern würde. Wir wollen eine Steuerreform für Unternehmen machen, nicht für die Unternehmer, also die Anteilseigner. Das bedeutet, dass die Anteilseigner keine Entlastung erfahren, soweit es sich um natürliche Personen handelt. Das Halbeinkünfteverfahren würde umgestellt auf ein Zweidrittel-Verfahren mit dem Ergebnis, dass die Gesamtbelastung ausgeschütteter Gewinne für natürliche Personen bei ca. 52 % zu liegen käme. Modul 2 Bei vorstehendem Modell, das bei Kapitalgesellschaften auf eine Thesaurierungsbelastung von 32,5 % käme, hätten wir das Problem, dass bei Personengesellschaften, die ähnlich strukturiert sind wie solche Kapitalgesellschaften, die Thesaurierungsbelastung unverändert bei 42 % läge plus Solidaritätszuschlag plus nicht anrechenbare Gewerbesteuer. Für thesaurierte Gewinne hätten wir folglich bei vergleichbar tätigen Personengesellschaften, die auch international agieren, eine Spreizung von über 10 %. Bisher ist die Spreizung bekanntlich deutlich geringer und kann hingenommen werden. Wir sind aber der Meinung, dass bei einer Spreizung von mehr als 10 % verfassungsrechtliche Probleme auftreten. Deswegen muss eine Lösung für Personenunternehmen gesucht werden. Dazu gibt es zwei Überlegungen. Ausgangspunkt bei den Überlegungen ist die Statusverbesserung für international agierende Kapitalgesellschaften auf deutschem Boden durch konkurrenzfähige Steuersätze. Es wäre dann konsequent, nur ähnlich agierende Personenunternehmen zu begünstigen, nicht alle Personenunternehmen. Das wird auch dadurch bestätigt, dass 90 % aller Personenunternehmen mit einem Steuersatz von unter 30 % arbeiten und gar nicht in die Belastungszone einer Kapitalgesellschaft hineinkommen können. Die Lösung besteht in einer Option für Personengesellschaften, sich wie Kapitalgesellschaften besteuern lassen zu können. Diese Personengesellschaften müssen also nicht in die Rechtsform der Kapitalgesellschaften wechseln. Aus vielerlei Gründen können und wollen sie das häufig nicht. Zu diesen Gründen gehören die erbschaftsteuerliche Begünstigung, die Verlustverrechnung, Mitbestimmungsfragen und dass ausländische Anteils34

Neumann, Das Land Nordrhein-Westfalen zur Unternehmensteuerreform eigner diesen Weg wegen § 20 Abs. 3 UmwStG nicht gehen können. Ich bin mir bewusst, dass auch die Besteuerung von Kapitalgesellschaften viele Probleme aufwirft, aber das sind bekannte Probleme, nicht unbekannte Probleme. In der Sache reicht es aus, dass nur große Personengesellschaften, die körperschaftlich strukturiert sind, an der Begünstigung teilhaben. Allerdings ergibt sich ein politisches Problem, wenn in der Debatte als störend herausgestellt wird, dass nur große Personenunternehmen in dieser Weise begünstigt werden sollen und kleine nicht. Dies würde bedeuten, die Begünstigung dann für alle Personenunternehmen eröffnen zu müssen. Dies dürfte aus meiner Sicht nur in der Form möglich sein, dass es jedem Personenunternehmen eröffnet ist, sich wie eine Kapitalgesellschaft behandeln zu lassen. Allerdings kann das nicht bedingungslos sein. Es muss vielmehr eine entsprechende Trennung der Vermögen stattfinden. Bekanntlich ist die Entnahme von Geld aus Kapitalgesellschaften wesentlich komplizierter als bei Personenunternehmen, weil z.B. Gewinnverteilungsbeschlüsse erforderlich sind. Einzelunternehmen einzubeziehen, die bekanntlich mit ihrem Inhaber keine Verträge abschließen können und bei denen folglich eine juristische Vermögenstrennung nicht stattfindet, wird problematisch sein. Bei Verwirklichung dieser Überlegungen hätten wir für Kapital- und Personengesellschaften in gleicher Weise eine Thesaurierungsbelastung bei 32,5 %, und die Anteilseigner sowohl von Kapitalgesellschaften als auch von großen Personengesellschaften lägen dann bei 52,5 Punkten. Es würde dann kein Steuerpflichtiger nur deswegen unterschiedlich behandelt, weil er in der falschen steuerlichen Rechtsform ist. Modul 3 Hier geht es um die Reform der Gewerbesteuer. Sie vollends abzuschaffen, halten wir aus politischer Sicht für ein hoffnungsloses Unterfangen. Es gibt schon erhebliche Probleme bei Änderungen für die Dauerschuldzinsen, um wieviel mehr dann bei einer vollen Abschaffung der Gewerbesteuer. Wir wollen die Gewerbesteuer behalten, aber innerhalb des bisherigen Rahmens reformieren. Die subjektive Steuerpflicht kann so bleiben wie bisher. Die Bemessungsgrundlage wird in der Form geändert, dass sämtliche Hinzurechnungen und Kürzungen der §§ 8 und 9 GewStG abgeschafft werden. Insofern erfolgt eine Angleichung an die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage. Veräußerungsgewinne sind einbezogen, Anlaufverluste werden berücksichtigt. Es verbleiben nur insoweit Hinzurechnungen und Kürzungen, als sie zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen notwendig sind. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen bei Personengesellschaften wäre es nicht sachgerecht, dass die gewerbesteu35

Neumann, Das Land Nordrhein-Westfalen zur Unternehmensteuerreform erliche Belastung einmal auf der Ebene der Gesellschaft und ein zweites Mal auf der Ebene der Gesellschafter eintritt. Vielmehr sollte die Gewerbesteuer nur einmal bei der Gesellschaft anfallen. Zuflüsse beim Gesellschafter müssten bei ihm gewerbesteuerlich eliminiert werden, wenn er ebenfalls Gewerbetreibender ist. Die Gewerbesteuer würde auch nicht mehr bei der Körperschaftsteuer und bei der Einkommensteuer als Betriebsausgabe abziehbar sein. Die Steuermesszahl wird auf etwa 3 % sinken. Bei der Messzahl für Personenunternehmen würde die Staffelung abgeschafft. Der Freibetrag würde um etwa 30 000 Euro erhöht. Auch müsste die Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG angepasst werden. Nach solchen Änderungen würde allerdings das notwendige Gewerbesteueraufkommen für die Kommunen nicht mehr erreicht werden. Hier würden wir auf eine Idee der Stiftung Marktwirtschaft zurückgreifen wollen, um dieses auszugleichen und insofern eine Lohnsummenkomponente ohne Hebesatzrecht einführen wollen. Wir haben eine gewisse Korrelation zwischen Unternehmen, die Dauerschuldzinsen zahlen und zugleich Arbeitgeber sind. Unternehmen, bei denen hohe Dauerschuldzinsen nicht mehr hinzugerechnet würden, haben einen hohen Lohnsteueranteil, und auf diesem Wege könnte die Sicherung der Ertragskraft der Gemeinden auch gewährleistet werden, ohne dass eine allzu große Verzerrung stattfindet. Modul 4 Hier geht es um die Besteuerung der Finanzierungsgestaltungen. Nach unserem Modell bleiben alle Zinsen und Zinsanteile nach dem Nettoprinzip sowohl bei der Körperschaftsteuer wie der Gewerbesteuer abziehbar. Um besonderen Finanzierungsgestaltungen einen Riegel vorzuschieben, würden wir eine Art Zinsschranke einziehen. Wir würden hierbei nicht an den Gewinn anknüpfen wollen, weil dieser als Bezugsgröße aus unserer Sicht nicht hinreichend begründbar ist. Aus unserer Sicht macht es mehr Sinn, eine typisierende Eigen- und Fremdkapitalkorrelation herzustellen. Nur dann, wenn die Finanzierungen überhand nehmen, aus dem Normalruder laufen, muss man insofern eine Beschränkung einführen. Uns schwebt vor, ein typisiertes Eigenkapital von 20 % anzunehmen und konsequenterweise ein typisiertes Fremdkapital von 80 %, sowie einen typisierten Zinssatz von 6 %. Im Regelfall stellt dann ein Zinsaufwand von 6 % des Fremdkapitals eine Obergrenze dar, der ohne Einschränkungen abziehbar ist. Welche Zinsen miteinbezogen werden müssen, ist zu diskutieren. Natürlich müssen es alle Zinsen sein, aber es ist auch an Zinsanteile zu denken, soweit sie in Leasingraten, Mieten und Pachten stecken. Alles was in dem betreffenden Jahr nicht abziehbar ist, wird vortragsfähig und in zukünftigen Perioden abziehbar sein. Es gibt also keine defi nitive Belastung durch Hinzurechnung auf die Bemessungsgrundlage. 36

Neumann, Das Land Nordrhein-Westfalen zur Unternehmensteuerreform Damit endet unser Modell. Es gibt kein Modul 5 für die Abgeltungssteuer, schon deswegen, weil die Abgeltungssteuer aus unserer Sicht mit der Unternehmenssteuer nichts zu tun hat. Wir haben auch kein Modul zur erbschaftsteuerlichen Erleichterung für die Unternehmensnachfolge, auch wenn die dortigen Vorstellungen des Bundes von NRW in seiner Zielrichtung mitgetragen werden. Dies ist aber nicht Bestandteil unseres Konzepts.

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Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform (Leitung und Teilnehmer siehe S. 17, jedoch ohne Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen Dr. Barbara Hendricks) Piltz: Vielen Dank Herr Neumann für diese Ausführungen, die auf unsere Zuhörer gewiss durchdacht und realistisch gewirkt haben. Was mich interessieren würde, ist ein prozeduraler Punkt: Die Überlegungen des Landes NRW sind ja kein Hobby, sondern darauf gezielt, in die Gesetzgebung einzugehen. Im Hinblick auf das, was Frau Hendricks zuvor dargestellt hat, wäre interessant zu wissen, wie Sie sich das Prozedere dieser Einschleusung vorstellen. Neumann: Das Prozedere ist schwierig. Wie Sie den Medien entnehmen, sind von den Ländern bei der Gesetzgebung nur wenige beteiligt u. a. Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern, Nordrhein-Westfalen nicht, ebenso wenig wie Niedersachsen und Baden-Württemberg. NRW stellt natürlich allen politischen Beteiligten im Bundestag seine Grundsätze vor. Wir haben auch unsere Bedenken hinsichtlich einer Hinzurechnung von Zinsen, sowohl bei der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage als auch bei der Einkommensteuer, vorgetragen. Piltz: Von den großen Punkten haben wir noch zwei offen, nämlich die Besteuerung der Personenunternehmen und die Abgeltungssteuer. Zuvor möchte ich aber noch einmal die Frage an die Panel-Mitglieder richten, ob sie zur Abzugsfähigkeit der Zinsen, nach dem was Herr Neumann gesagt hat, möglicherweise zu ihren bisherigen Aussagen etwas hinzufügen möchten. Schön: Vielen Dank. Die Grundsatzdiskussion von eben wollen wir nicht noch mal aufgreifen. Solche Eigenkapital-/Fremdkapitalrelationen geben einen gewissen Sinn, wenn es um die Gesellschafterfremdfinanzierung geht. Da kann man sich fragen: Ist es materiell unterkapitalisiert, hätte ein Dritter jedoch einen Kredit gegeben, wie viel Eigenkapital muss ein Unternehmen selber beibringen? Wir gehen aber davon aus, dass diese Regelungen auch Anwendung finden sollen, wenn es sich um ganz normal stark fremdfinanzierte Unternehmen handelt. Und da ist das Ganze schon wieder ein bisschen schwieriger. Stellen wir uns ein Unternehmen vor, ein Familienunternehmen, das lange Zeit gut gewirtschaftet hat. Vielleicht wurde ursprünglich nur mit Eigenkapital gearbeitet, dann stieg die Fremdkapitalquote, weil man investiert hat, und dann kam plötzlich ein Konjunktureinbruch. Das Eigenkapital verschwindet so langsam, das Fremdkapital ist noch da. Soll dies dazu führen, 39

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform dass Zinsen, die vorher abzugsfähig waren, als es dem Unternehmen gut ging, plötzlich nicht mehr abzugsfähig sind? Kann eigentlich nicht sein. Das würde ganz ähnlich wie die Mindestbesteuerung, die wir jetzt erleben, gerade in kritischen, in schwierigen Situationen Unternehmen mit einer zusätzlichen Steuerlast bestrafen. Oder soll man auf den Zeitpunkt abstellen, in dem ein Darlehen gegeben wurde? Da kommt man in schwierige Diskussionen aus dem Gesellschaftsrecht. War im Zeitpunkt der Darlehensvergabe der Kreditnehmer noch kreditwürdig oder nicht? Alles Dinge, die man eigentlich nicht möchte. Kurzum, ich halte die 80/20-Lösung, weil sie wenigstens versucht, eine Art Unterkapitalisierungstatbestand abzubilden, sicherlich für tauglicher als diese anderen %-Sätze, die sich auf die Gewinnhöhe beziehen oder andere. Aber letztlich haben sie alle denselben Effekt. Dass nämlich Unternehmen, die in Schwierigkeiten kommen, dann noch einmal steuerlich gewissermaßen eine Zusatzhürde überwinden müssen und das führt mich zu meiner Ausgangsüberlegung, dass die ganze Linie mir wie dem alten Kaiser Wilhelm hier nicht passt. Stein: Eine feste Eigenkapital-/Fremdkapitalrelation basiert immer auf der Annahme, dass der Gesellschafter es in der Hand hätte, auch Eigenkapital zuzuführen. Dem – so müssen wir in der Praxis bei Familienunternehmen häufig feststellen – ist nicht so. Die praktische Frage lautet doch im Kern, ob ich eine Investition vornehme, was zu einer schlichten Bilanzverlängerung führt und jede schlichte Bilanzverlängerung senkt rechnerisch die Eigenkapitalquote. Und dann komme ich einfach, wenn ich die Alternative der Eigenkapitalzuführung nicht habe, schon in Probleme. Das ist das erste. Und das zweite ist natürlich das praktische Problem der Berechnung. Das Eigenkapital ist nämlich eine Saldogröße. Die Berechnung ist in relativ überschaubaren Einheiten ein einfaches Thema. Wenn Sie sich nur kleine mittelständische Unternehmensgruppen vorstellen, dann stelle ich mir das schon relativ schwierig vor, in einem nur dreistufig gelagerten Familienunternehmen ohne weiteres zu sagen, auf was ich abstelle: auf das konsolidierte Eigenkapital oder das Eigenkapital jeder Gesellschaft. Wir kommen also im Grunde zu den ganzen Problemen, die wir heute aus dem § 8a KStG ansatzweise kennen. Das bereitet sicherlich dann in der Praxis Bauchkribbeln. Jonas: Zwei kurze Feststellungen: Vor dem Hintergrund des Nettoprinzips ist im Grunde jede Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben abzulehnen. Von den drei Modellen, die vorgestellt worden sind, ist natürlich dasjenige, das Herr Neumann präsentiert hat, das Vorzugswürdigste oder – besser formuliert – das am wenigsten nachteilige. Rödder: Problematisch ist an dieser Lösung die Bestimmung des Eigenkapitals. Man hat dann die Probleme, welche heute im Rahmen des § 8a KStG eine Rolle spielen. Man muss entscheiden, ob es eine Holding-Regelung 40

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform gibt, ob Beteiligungswerte gekürzt werden. Viele technische Probleme des heutigen § 8a KStG würden sich hier wieder stellen. Ich stehe dem Grundgedanken aber offen gegenüber, den man als eine Variante diskutieren muss. Herzig: Wir stehen wieder vor diesem Grundproblem. Wenn man eine absolute Betrachtung vornimmt, kann man an der Lösung natürlich viel Negatives finden. Aber ich glaube, wir haben nicht die Situation für diese absolute Betrachtung. Wir müssen fragen, wie ist das im Vergleich zu anderen Vorschlägen, also eine relative Beurteilung anstellen. Wenn man es im Vergleich zu anderen Vorschlägen sieht, dann würde der § 8a KStG entfallen können. Wir hätten auch keine Dauerschulden. Aber wenn man das im Zusammenhang sieht, dann sieht diese Regelung schon ganz anders aus. Dann kann man hier sehr wohl positive Elemente abgewinnen. Auch die Tatsache, dass vorgetragen werden kann, macht diese Lösung durchaus verträglicher, da es keine endgültigen Differenzen hier zwischen handels- und steuerrechtlichem Ergebnis gibt. Von daher denke ich, wir sollten versuchen, diese Lösung mit in die Überlegung einzubeziehen. Sie ist auf jeden Fall ein ganz wichtiger Beitrag, der hier möglicherweise eine Lösung darstellen kann. Und noch ein Wort zu der Gesellschafterfremdfinanzierung, meine Damen und Herren. Gedanklich ist es richtig, bei den ganzen § 8aÜberlegungen auf die Gesellschafterfremdfinanzierung abzustellen. Aber ich warne davor. Wir haben es bei dem § 8a KStG nicht geschafft, die Grenze von der Gesellschafterfremdfi nanzierung zu anderen Fremdfinanzierungen vernünftig zu ziehen. Der Rückgriffsfall, den wir eigentlich nicht gelöst haben, zeigt sehr deutlich, dass wir diese Grenze nicht wirklich markieren können. Und weil das so ist, bleibt, wenn man es nüchtern sieht, gar keine andere Wahl, als sich pragmatisch eben von diesem Gesellschafterbezug zu lösen, so richtig er grundsätzlich auch ist. Allerdings müssten die Parameter richtig sein und darauf haben Sie auch Wert gelegt. Darum muss man sprechen, wie sieht der Zinssatz aus, wie sieht das Verhältnis aus, das wäre alles diskussionsbedürftig. Neumann: Ich bin dankbar für diese Ratschläge. Natürlich soll unser Ansatz den § 8a KStG ersetzen. Herr Rödder hat Recht mit dem Hinweis, dass die Eigenkapitalbestimmung gestaltbar und schwer zu ordnen ist. Aber auch im § 8a KStG haben wir das Eigenkapital zu bestimmen und die Finanzierungsgestaltung. Der Wegfall des letzteren Feldes ist schon ein Gewinn, also die Back to back-Finanzierungen und anderes, was in dem BMFSchreiben geregelt, aber zum Teil nicht mehr durchschaubar ist. Unsere Lösung ist ein Anknüpfungspunkt weg von dem Gewinnansatz. Wenn das Eigenkapital so gestaltet wird, dass die Fremdfinanzierung kein Problem darstellt, haben wir keine unterkapitalisierte Kapitalgesellschaft. Wir als Finanzverwaltung können darüber froh sein. 41

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform Piltz: Wir verlassen jetzt den Komplex Fremdkapitalisierung und Zinsabzug und widmen uns den Gesetzgebungsvorschlägen zur Besteuerung der Personengesellschaften. Stein: Nach den bisherigen Beiträgen, meine Damen und Herren, könnte ich mich eigentlich ganz entspannt zurücklehnen, denn das hört sich ja alles sehr wohlwollend an, zumindest dahingehend, dass überhaupt eine Lösung in diesem Punkt kommt. Wir müssen uns nur noch darüber unterhalten, wie es im Detail aussieht, ob es eine Investitionsrücklage ist oder eine Thesaurierungsrücklage oder ein drittes, der Thesaurierungsrücklage nahe stehendes Modell etwa in der Prägung aus NRW. Ich muss aber vorweg noch mal zu bedenken geben: die Messen sind da noch nicht gesungen rein politisch, und zwar deswegen nicht, weil die Vorschläge alle relativ stark im Nebulösen sind. Und die Gefahr ist, wie wir auch bei der Stiftung Marktwirtschaft traurig haben erleben müssen: der Teufel steckt im Detail. Es kann politisch natürlich noch einiges passieren, und darauf muss man hinweisen und davor muss man warnen, dass man bei der Ausformulierung doch feststellt, dass es Detailprobleme gibt. Die gibt es natürlich, je nach dem welchen Lösungsansatz man beschreitet. Und dass die Politik das dann als glückliche Handreichung dafür auffasst, zu sagen: unser Finanzierungsvolumen ist ja insgesamt so bescheiden, wir haben nur 5 Mrd. im Skat, wenn die Zahl richtig ist, die genannt wird. Das mit der Gegenfi nanzierung über die Zinskomponente ist ja noch gar nicht mal so deutlich und dann vertagen wir das Thema, weil es technisch schwierig ist, mal auf morgen und d. h. eventuell auf unbestimmte Zeit. Dieses Problem ist für mich noch nicht komplett beseitigt, die Gefahr sehe ich noch ganz realistisch. Wenn man mal diese Sorge ausklammert, wird es vielleicht nicht überraschen, dass ich tendenziell präferiere, eine Lösung in der Einkommensteuer zu suchen, weil – ganz kurz gesagt – die Alternativen unbefriedigend sind. Die einheitliche Unternehmenssteuer ist in der ganz strengen Lösung sehr gut zu handhaben und sehr einfach, verhilft aber nur den ganz großen Personengesellschaften zu einer einigermaßen brauchbaren Lösung, beschert aber eben den 80 oder 90 % der kleineren maximalen Nachteile. Deswegen ist die Stiftung Marktwirtschaft den Weg der Ausnahmen gegangen und hat die Entnahmelösungen etc. gesucht. Dann sieht das Ganze aus wie ein Schweizer Käse. Es entstehen enorme Folgeprobleme im internationalen Steuerrecht, im Gesellschaftsrecht usw. Diese Probleme habe ich weitestgehend nicht, wenn ich eine Lösung in der Einkommensteuer suche. So sieht es jetzt im Augenblick aus, Investitionsrücklage und Thesaurierungsrücklage spielen in der Einkommensteuer. Die Investitionsrücklage ist für die im internationalen Wettbewerb stehenden großen Personenunternehmen komplett uninteressant. Wenn diese Unternehmen 100 000 Euro Begünstigungsvolumen erhalten, ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, das ist 42

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform einfach gar nichts. Es geht im Prinzip um ein politisches Problem. Wie treffe ich auch die Anliegen der kleineren Personenunternehmen, die sehr wichtig sind, insbesondere die Handwerker? Wie kann ich denen eine Brücke bauen? Da muss es also Verbesserungen beim § 7 g EStG oder ähnliche Dinge geben, weil sie sonst bei dieser Reform leer ausgehen. Wenn aber für Personenunternehmen nichts kommt, zahlen wir alle die Zeche über die Gegenfinanzierung. Vielleicht noch eine Anmerkung an dieser Stelle dazu. Es erscheint mir kaum durchhaltbar zu sein, wenn Frau Staatssekretärin Hendricks sagt, die Hinzurechnung der Zinsen findet nur in der Körperschaftsteuer statt. Dann müsste man ja gleichzeitig sagen, in der Gewerbesteuer wird die entsprechende Vorschrift der Hinzurechnung der hälftigen Dauerschuldzinsen gelöscht. Daran glaube ich nicht. Jetzt suchen wir in der Einkommensteuer eine Art System kommunizierender Röhren, um eine annähernde Belastungsgleichheit bei den Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften im Entnahme- und Thesaurierungsfall herzustellen. Das kann ich mir nicht vorstellen, wenn die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer komplett anders ausfällt. Auf der anderen Seite haben wir den § 35 EStG, der dieses Problem jedenfalls abmildert in der heutigen Form. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Hinzurechnung, wenn das noch politisch in der Diskussion ist, sich nur auf die Körperschaftsteuer erstreckt. Da habe ich doch erhebliche Bedenken. Und in der Zinsschranke werden wir dann dieselbe Diskussion auch wieder erleben. Es wird uns einholen, wenn die Personengesellschaften nicht entsprechend entlastet werden wie die Kapitalgesellschaften. Dann zahlen die natürlich die Zeche für die Körperschaftsteuersenkung – vereinfacht gesagt, weil wir dann an den Gegenfinanzierungsmaßnahmen beteiligt sind, ohne Entlastung zu erfahren. Das kann also so auch nicht bestehen. Also steuert das Ganze, meine ich, wenn man den Weg konsequent beschreitet, auf eine Thesaurierungsrücklage mehr oder weniger zwingend zu. Nur wir wissen nicht genau, wie sie aussieht. Der einzig ausformulierte Vorschlag, der bislang auf dem Tisch liegt, ist das T-Modell, das im wissenschaftlichen Beirat von Ernst & Young entwickelt worden ist. Wenn man sich das genau ansieht, dann kommt man natürlich zu vielen Positionen, über die man dann im Detail reden muss. Hat der einzelne Mitunternehmer das Wahlrecht? Wie ist das in tief gestaffelten Personengesellschaftsgruppen gedacht? Muss das Wahlrecht sozusagen bis ganz nach unten in den Tannenbaum ausgeübt oder kann es nur einmal oben an der ersten Stelle ausgeübt werden? Wie halte ich das kontenmäßig nach? Ist das ein großer Mehraufwand oder nicht? Das sind natürlich alles Details, wo man Einwände oder Bedenken haben kann. Wie ist es im internationalen Sachverhalt? Die Entnahme aus inländischen Betriebstätten etc., kann ich das nachhalten? Also das sind ganz viele kleine Punkte, über die man noch sprechen muss, aber das T-Modell ist bislang der einzige Ansatz, der so auf dem Tisch liegt, dass man die Punkte auch erwi43

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform schen kann. Es wäre dann an dieser Stelle mein Petitum zu sagen: lassen Sie uns diesen Entwurf nehmen als Diskussionsgrundlage, dann hat man etwas Klares in der Hand. Was glaube ich schwierig ist, ist so ein Mittelding, Herr Dr. Neumann, so wie Sie es angedeutet haben zwischen einer körperschaftlichen Lösung und einer einkommensteuerlichen Lösung. Und zwar ist die Krücke nicht die Technik, sondern der Anknüpfungspunkt. Man unterscheidet nach dem Subjekt, wer begünstigt ist. Ist es also die Personengesellschaft, die einen körperschaftlichen „Anstrich“ hat. Da muss ich mich dann fragen: sind es nur die haftungsbeschränkten Handelsgesellschaften – § 264a HGB analog? Das halte ich für einen relativen schwierigen Weg. Oder ich gehe den Gedanken weiter und suche wieder zurückzukommen zu dem Gedanken der Option. Der ist allerdings bei den Brühler Empfehlungen nicht zu Unrecht am Ende nicht weiterverfolgt worden, weil dort sehr viele Probleme, vor allen Dingen im Gesellschaftsrecht und im internationalen Steuerrecht, einer Lösung noch zugeführt werden müssten, von denen ich auch glaube, das werden wir auf die Schnelle nicht schaffen. Und nun sind wir wieder bei dem Problem der Zeitachse. Das Ganze muss jetzt relativ schnell zu einem Paket geschnürt werden. Daher sollte man doch Lösungen wählen, die relativ klar und einfach sind, um möglichst wenig Friktionen an dem Rändern zu schaffen. Piltz: Dass die Optionsidee zu kompliziert sei, kann ich nicht ganz glauben. Es gibt sicherlich sechs bis acht Länder auf der Welt, die ihren Personengesellschaften freistellen, sich wie eine Körperschaft besteuern zu lassen. In Amerika läuft das unter dem Namen Check the box-Verfahren; man kreuzt an, ob man in der einen oder anderen Weise besteuert werden will. Offenbar ist das national möglich. Klar ist, dass dieses über die Grenze zu undurchsichtigen Gestaltungen führen kann. Aber das Problem haben diese Staaten auch. M. E. liegt das Problem einer Optionslösung nicht darin, dass sie administrativ nicht zu bewerkstelligen wäre, das ist sie, sondern in der Willensentscheidung des Gesetzgebers hierzu. Herzig: Ich stimme Herrn Stein zunächst mal zu, dass die Investitionsrücklage sicherlich kein taugliches Modell ist. Wir sollten den anderen Weg gehen und die steuerbegünstigte Rücklage wählen. Darin sehe ich in der Tat im Grundsatz auch den Weg. Man kann sagen, okay, da kommt es nicht zu Mitnahmeeffekten. Warum ist das so? Wir müssen uns vor Augen führen: wenn Sie die Belastung auf Gesellschaftsebene und die Nachbelastung bei Entnahme sehen, dann sollte das in der Summe so ungefähr bei 52 % liegen und damit deutlich über dem Einkommensteuerspitzensatz. D. h. jeder wird sich, der diese Rücklage in Anspruch nimmt, sehr genau überlegen, ob er die in Anspruch nimmt. Nur wenn langfristig thesauriert wird, macht das Sinn. Bei kurzer Thesaurierung wird man diese Rücklage nicht in Anspruch nehmen. Von daher wird dann jeweils eine Rechnung notwendig 44

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform sein, wann das sinnvoll ist und wann das keinen Sinn macht. Technisch will ich aber nicht verhehlen, dass ich dadurch nicht unerhebliche Probleme sehe, die mit Sicherheit nicht dazu führen, dass die Besteuerung von Personengesellschaften einfacher wird. Sondern wir müssten ein besonderes Kapitalkonto führen. Wir müssten sagen, wie verrechnen wir das, wenn Entnahmen stattfinden. Was geht zuerst, wenn da Verluste sind, wie gehen die darein. Könnte jemand als Gesellschafter zunächst immer aus dem Altrücklagen entnehmen und damit diese neue Rücklage zeitlich unbegrenzt thesauriert lassen? Eine Fülle von Fragen, die sich stellen und mit Blick auf die Nachversteuerung denke ich, stellt sich ja doch ein bisschen das Problem, ob wir hier nicht zumindest partiell Personenunternehmen ähnlich wie eine Kapitalgesellschaft behandeln. Und deswegen würden wir zwei Regime von Besteuerungen haben. Rödder: Ich würde auch Herrn Stein weitestgehend zustimmen. Zur Nachversteuererungsthematik: Ich befürchte, dass das noch nicht so weit ist nach den Eckpunkten. Wir kommen gleich zu der Abgeltungssteuerdebatte, das glaube ich, spielt in diesem Punkt rein, da würde ich aber gleich noch mal darauf zurückkommen. Ich glaube aus Steuerpflichtigensicht hängt die Wahl zwischen Thesaurierungsrücklage und Optionsmodell an einem zentralen Punkt. Bei der Thesaurierungsrücklage bleibe ich komplett in der Einkommensteuer und habe nach wie vor eine Transparenz. Wenn es keine Spezialregelung gibt, gibt auch eine Verlustverrechnungsmöglichkeit. Ich wechsle nicht in eine intransparente Besteuerung, wie es beim Optionsmodel passieren würde. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass aus Sicht der Personenunternehmen eine Tendenz dazu besteht, die Thesaurierungsrücklage zu befürworten und nicht das Optionsmodell. Es ist sicherlich so, dass die Zahl der Personenunternehmen größer wäre, die die Thesaurierungsrücklage nutzt, als die, die die Option nutzt. Es setzt übrigens bei Personengesellschaften mit 100 Gesellschaftern dann auch irgendwie Einstimmigkeit voraus. Das kann ich so nicht partiell machen. Die Thesaurierungsrücklage kann ich mitunternehmerbezogen ausgestalten. Das Optionsmodell geht nur hop oder top insgesamt für den ganzen Gesellschafterkreis. Jonas: Herr Vorsitzender, Sie hatten mich als Vertreter eines Kapitalgesellschaft-Konzerns apostrophiert. In dieser Eigenschaft muss ich natürlich aufpassen, dass nicht ein neues Wettbewerbsproblem zu Lasten der Kapitalgesellschaften entsteht. Zurzeit haben die Personengesellschaften Nachteile gegenüber voll thesaurierenden Kapitalgesellschaften, wenn es denn solche gibt. Dieses Problem könnte sich umkehren mit einem Vorteil für Personengesellschaften, wenn es zu der Thesaurierungsrücklage kommt. Das sollten wir verhindern. Ansonsten sehe ich natürlich den Handlungsbedarf, den es bei den Personengesellschaften bei einer Realisierung der 45

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform Steuersatzkürzung für Kapitalgesellschaften gibt. Dies gilt besonders für diejenigen 10 % der Personengesellschaften und Einzelunternehmer, deren Ergebnis mit einem höheren Durchschnittssteuersatz als 30 % versteuert wird. Schön: Vielen Dank. Ich kann mich Ihnen eigentlich auch anschließen. Warum ist eigentlich die Option immer so schlecht geredet worden? Wer das Gesetzgebungsverfahren damals 2000 verfolgt hat, weiß: Es waren eigentlich zwei Gruppen. Es waren die Berater, die befürchteten, wegen fehlerhafter Optionsberatung in die Haftung genommen zu werden, und es war die Finanzverwaltung, die sich natürlich einer Vielzahl neuer Gestaltungen ausgesetzt sah. In der Sache ist die Option gar nicht so schlecht. Wer sich anschaut, und Herr Herzig hat es ja schon angedeutet, mit den Kapitalkonten, die geführt werden müssten, mit der Nachversteuerung, die durchgeführt werden muss, was auf uns zukäme mit einer Begünstigung nicht entnommener Gewinne bei Personenunternehmen, der weiß, wir laufen da in eine Art Körperschaftsteuer light hinein. Im Grunde wieder in Fiktionen selbstständiger Vermögensträger mit den verschiedenen Schwierigkeiten, wie es das in der Körperschaftsteuer gibt, und wir kombinieren das mit einigen Problemen bzw. auch Vorzügen, die wir in der Personengesellschaftsversteuerung haben. Als Vorzüge hat Herr Rödder schon die Verlustverrechnung genannt, man könnte auch die Durchreichung steuerfreier Betriebsstättengewinne bis auf die Anteilseignerebene nennen, weil ja keine Dividendenausschüttung vorliegen würde. Man kann auch Probleme wie etwa das Sonderbetriebsvermögen bringen. Wenn wir uns nur mal das Sonderbetriebsvermögen anschauen und die Frage, in welchem Umfang etwa zwischen Gesellschaftsebene und Gesellschafterebene bei Gesellschaftsvermögen und Sonderbetriebsvermögen solche Thesaurierungen durchgeführt und hin und her geschoben werden könnten, dann kriegt man schon eine leise Ahnung davon, was auf uns zukommen würde. Was nun die Option angeht: In der Tat würden nur wenige davon Gebrauch machen. Das ist doch ein Zeichen dafür, dass die jetzige Situation so schlecht gar nicht ist. Das Zweite, was man überlegen muss: für welche Steuerarten soll die Option eigentlich gelten? Wenn man diese Sache beschränkt auf die Einkommensteuer bzw. dann die hineinoptierte Körperschaftsteuer, dann entfällt das Problem der Erbschaftsteuer. Wenn man die Erbschaftsteuer da lässt, wo sie ist, nämlich als Besteuerung von Personenunternehmen, wenn eine KG oder OHG in Rede steht, dann wäre auch dieses Feld gewissermaßen draußen und dann könnte man sich vielleicht doch für eine Option als eine Auffanglösung im bekannten vorgefundenen rechtlichen Rahmen entscheiden. Und wenn dann noch die Umwandlungsvorgänge, die damit fiktiv verbunden sind, etwa im Bereich des Sonderbetriebsvermögens geregelt werden können, dann wäre das Ergebnis gar nicht so schlecht. 46

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform Piltz: Herr Neumann, die Finanzverwaltung betreibt ja auch Rechtsvergleichung, weiß also, dass andere Staaten das Optionsmodell kennen. Warum spielt die Optionsmöglichkeit aus der Sicht der deutschen Verwaltung so eine zurückgenommene Rolle? Neumann: Die Motive für die Rechtsform der Personengesellschaft sind natürlich sehr vielschichtig und liegen auch im außersteuerlichen Bereich. Angeführt wird die Struktur der Gesellschafter untereinander, die sich anders darstellt als Kapitalgesellschaften. Auch Mitbestimmungsfragen spielen eine große Rolle. Die Verlustverrechnung ist zu beachten, die Personengesellschaft genießt oft erbschaftsteuerliche Begünstigungen. NRW hat sich nach reiflicher Überlegung nicht für eine Thesaurierungsbegünstigung für den stehen gelassenen Gewinn entschieden. Wir möchten vermeiden, eine neue Ungleichheit zu bekommen. Wenn Personengesellschaften diese Möglichkeit hätten, müsste sich jeder einzelne Unternehmer, jeder Mitgesellschafter in jedem Jahr die Frage stellen, ob es für ihn Sinn macht, seine Einkommensbesteuerung progressiv zu gestalten (durch Entnahme) oder bei der Thesaurierung zu bleiben. Sobald er den Grenzsteuersatz von 30 Punkten erreicht, wird er idealiter in die Rücklage hineingehen. Das würde bedeuten, dass er für diese Periode einen Steuersatz unter 30 % hat und damit bessergestellt ist als eine Kapitalgesellschaft. Stein: Warum ist die Option international vorhanden und bei uns hat sie sich nicht durchgesetzt? Man muss zuerst einmal sagen, die Personengesellschaft hat in Deutschland natürlich eine Verbreitung und eine Kultur, die international unüblich ist. Sie spielt in anderen Ländern wie Frankreich im Wirtschaftsleben nicht die Rolle. Das ist ein faktisches Thema. Und natürlich: man könnte mit der Option leben, wenn man all die Problemfälle löste, die bei dem letzten Gesetzentwurf nicht angegangen worden sind. Das führt zu der Frage, wir haben es angesprochen, wie es bei der Erbschaftsteuer weitergeht. Es macht überhaupt keinen Sinn zu sagen, ich möchte die Familienunternehmen einkommensteuerlich entlasten und bringe sie in einem Zielkonflikt zwischen Einkommensteuer auf der einen und Erbschaftsteuer auf der anderen Seite. Das würde ich als inkonsequent begreifen. Bei der Optionslösung muss ich die gesellschaftsrechtlichen Probleme lösen. Mangels Regelung im Gesellschaftsvertrag – und die Option hat in älteren Verträge keiner bedacht – braucht es Einstimmigkeit der Gesellschafterkreise. Dazu kann man nur einfach anmerken: wer schon immer mal lästiger Gesellschafter spielen wollte, der hat dann natürlich eine schöne Klaviatur, die man ihm hinhält. Diese Probleme kann man lösen, wenn man in dem Gesetzentwurf z. B. ein Quorum aufnimmt, mit dem diese Entscheidung erfolgen kann und analog Umwandlungsrecht den dissentierenden Gesellschafter eventuell ein Kündigungsrecht gibt. Diese Probleme kann man lösen, muss man aber auch lösen. Und dann gibt es die Probleme 47

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform im internationalen Steuerrecht. Gestern haben wir über das SEStEG gesprochen. Wenn wir einfach annehmen, sie hätten Gesellschafter in den USA oder Kanada – und es gibt Menschen, die leben da ganz gern oder studieren da, vielleicht auch nur zeitweise – und sie würden jetzt sagen, ich unterstelle einen fi ktiven Formwechsel, der in den heuten § 20 UmwStG fällt, dann haben wir im Nicht-EU-Sachverhalt, also den Drittstaatenfällen, eine Entstrickungsbesteuerung. Das ist natürlich auch prohibitiv. All das sind gravierende Probleme. Wenn man die vernünftig löst, kann man natürlich auch diesen Weg beschreiten. Die Frage ist in der Einschätzung: Welche Probleme sind geringer? Ich glaube, die bei der Option erscheinen mir größer zu sein. Nur: es ist auch eine Frage der Zeit. Wir müssen da jetzt irgendwann einmal Eckpunkte festlegen und dann das ausformulieren. Probleme kommen immer noch auf den Tisch, und zwar reichlich. Piltz: Wir haben noch die Abgeltungssteuer abzuhandeln. Herr Neumann hat gesagt, dass dieses mit der Unternehmensteuerreform eigentlich nicht zusammenhängt. Andererseits lässt sich argumentieren, dass ein solcher Zusammenhang sehr wohl besteht, weil mit der Abgeltungssteuer das Halbeinkünfteverfahren ersetzt werden soll. Neumann: Einmal unabhängig von der Unternehmensbesteuerung habe ich bei der Abgeltungssteuer ein Problem aus dem Gerechtigkeitsaspekt mit der Findung des richtigen Steuersatzes auf Zinsen. Wenn der Steuersatz zu niedrig ist, ist die Spreizung zwischen Abgeltungssatz und 42 % zu hoch. Ist er zu nah an 42 %, müsste man ein Veranlagungswahlrecht einräumen und die ganze Vereinfachung ginge ins Leere. Der zweite Punkt ist die Allokation von Investitionsentscheidungen. Wenn wir einmal eine Abgeltungssteuer von 30 Punkten auf Dividenden annehmen, würde das ein normaler Dividendenempfänger von börsennotierten Kapitalgesellschaften wahrscheinlich akzeptieren. Aber auch der Gesellschafter einer GmbH? Wenn er in die GmbH 1000 eingelegt hat und die GmbH 10 % Zinsen, also 100 Gewinn generiert: Soll dann die GmbH einmal 30 % bezahlen und der Anteilseigner auf die 70 Ausschüttungen noch einmal 30 %? Da liegt er nicht bei 30 %, sondern bei 51 % ohne Solidaritätszuschlag oder ähnliche Dinge. Gäbe er seiner GmbH nicht Eigen-, sondern Fremdkapital und würde einen Zinsertrag von rd. 100 bekommen, würde er nur 30 Punkte zahlen. Diese Spreizung von 21 Punkten in meinem Beispiel ist problematisch. Die Lösung müsste folglich sein, dass es Sondersteuersätze für Dividenden gibt. Aber es wird auch schwierig zu vermitteln sein, wenn ein Dividendenbezieher einer börsennotierten Kapitalgesellschaft besser fährt, als jemand, der sein Geld bei der Bank anlegt. Schließlich die technischen Probleme: Welche Zinsen sollen einbezogen werden: auch die in einem gewerblichen Betrieb erzielten und Veräußerungsgewinne? Wie behandeln wir aus dem Ausland kommende Zinsen und Veräußerungsgewinne? Wenn man die 48

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform Abgeltungssteuer will, bedarf es nicht nur der Eckpunkte, sondern präziser Aussagen zu den einzelnen Punkten. Piltz: Vielen Dank. Die Abgeltungssteuer hat ja eine gewisse Nähe zu den Ideen des Sachverständigenrates, Herr Schön. Schön: Vielen Dank Herr Piltz. In der Tat, die Abgeltungssteuer passt in das Modell der dualen Einkommensteuer, weil sie schlicht nichts anderes tut, als den Proportionalsatz, etwa 25 % gegriffen, der auf Kapitaleinkommen aller Art angewendet werden soll, als Quellenabzug der Zinsen ggf. auch bei Dividenden zu übernehmen. Dies gilt auch, wenn man einer reinen Proportionalsteuer folgt, wie bei einer Flat-Tax, da passt es auch rein. In einer synthetischen Einkommensteuer, Herr Herzig hat es heute Morgen schon gesagt, ist die Abgeltungssteuer immer ein Fremdkörper. Interessanterweise aber ein Fremdkörper, der in vielen anderen Staaten, die im Prinzip auch synthetisch vorgehen, doch mehr oder weniger verkraftet werden kann. Wahrscheinlich ist es dann schon so, dass man dann für Dividenden und Zinsen unterschiedliche Abgeltungssteuersätze festlegen muss. Wahrscheinlich ist es schon so, dass man zwischen hohem und niedrigem Steuersatz abwägen muss. Der niedrige Steuersatz ist der attraktive, der aber auch gewissermaßen weniger gleichheitskonform ist, wenn er zu hoch geht. Wenn er dann keine Rücksicht mehr nimmt auf Vorbelastungen, geht’s in die andere Richtung. Also ich würde sagen, dass man an der Abgeltungssteuer im Rahmen des synthetischen Systems mit Hängen und Würgen festhalten kann, aber Herr Neumann hat völlig Recht, das muss dann richtig lange ausgearbeitet werden, sonst passt es überhaupt nicht. Piltz: Unterschiedliche Abgeltungssätze gibt es z. B. in Italien. Dort gibt es Wertpapiere, bei denen die Abgeltungssteuer 12,5 % beträgt, bei anderen 25 %. Der Abzug wird gleich von der Bank erledigt. Der Steuerpflichtige hat damit nichts zu tun, weil er die verschiedenen Wertpapiere kaum richtig einordnen könnte. Rödder: Ich will den Punkt noch mal etwas versuchen zu verdeutlichen, weil ich nicht sehe, dass das mit einer synthetischen Einkommensteuer vernünftig gelöst werden kann. So wie der Sachverständigenrat es kon zipiert hat, ist das nichts anderes als ein Sondersteuersatz. Man sagt, Ausschüttungen sind 0 %-steuerpflichtig. Jedenfalls soweit wir über die Normalrendite gesprochen haben, dann passt das. Dann haben wir Finanzierungsneutralität. Was Herr Neumann gesagt hat, stimmt ja. Man würde doch als Gesellschafter sagen, lege ich ein Darlehn hin, 25 % Abgeltungssteuer, da abzugsfähig. Lege ich Eigenkapital hin, habe ich beide Belastungen. Das funktioniert nicht und das Schlimme an der Debatte ist, dass sie den Überlegungen Vortrieb gibt, Finanzierungskosten generell nicht zum Abzug zuzulassen, mit dem Scheinargument der Finanzierungsneutralität. Deswe49

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform gen muss man bei der Abgeltungssteuer sehr sehr vorsichtig sein. Das funktioniert eigentlich nur, wenn man wirklich zu einer dualen Einkommensteuer wechselt. Ich glaube nicht, dass das gescheit funktioniert bei der synthetischen. Vielleicht als letzten Punkt das Thema Nachversteuerung. Es leuchtet mir ehrlich gesagt aus der Sicht der Bundesregierung nicht ein, wenn wir sagen, Ausschüttungen werden am Ende mit 25 % Abgeltungssteuer belastet. Das ist ja nun die Vorgabe, sozusagen über 30 auf 25 %. Dann heißt das, der ausgeschüttete Gewinn wird in der Summe nicht über Einkommensteuerspitzensatz belastet. Wenn Sie das rechnen mit 30 % Thesaurierungsbelastung + 25 auf die 70, dann liegen wir in der Summe der Belastung bei einem Einkommensteuerspitzensatzniveau, anders als bisher. Dafür kann man viel systematisch ins Feld führen. Für die Stiftung Marktwirtschaft ist es sozusagen ein Credo gewesen, das genauso zu konzipieren. Das heißt also: wer die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch nimmt, kann überhaupt nicht mehr verlieren. Er kann nur gewinnen, weil der Steuerbelastungsnachteil bei Ausschüttung ihn nur auf Einkommensteuerspitzensatzniveau hebt. Das war ein wesentlicher Punkt, weshalb die Vorschläge der Stiftung Marktwirtschaft als zu teuer angesehen worden sind. Wie die Bundesregierung jetzt sagen kann, wir machen es genauso mit der Variante der Abgeltungssteuer, das kostet uns aber sehr viel weniger, das hat sich mir noch nicht ganz erschlossen. Piltz: Herr Jonas, bitte. Jonas: In der Tat, das hat mit Unternehmenssteuern nichts zu tun. Dies spielt ja insoweit eine Rolle, als in den 5 Mrd. Euro Entlastungsvolumen, die Frau Hendricks ansprach, 2 Mrd. Euro als Ausfall für die Abgeltungssteuer enthalten sind, so dass wir netto nur noch über 3 Mrd. Euro Entlastungsvolumen für die Unternehmen sprechen. Herr Ministerpräsident Koch hat in einem Interview eine Art neues Korrespondenzprinzip eingeführt, indem er gesagt hat, wenn die Zinsen nur der Abgeltungssteuer unterliegen, dann dürften sie auch bei der zahlenden Kapitalgesellschaft nur zur Hälfte abzugsfähig sein. Wenn man das zu Ende denkt, dann dürfte eigentlich die Aufsichtsratsvergütung beim Empfänger nur noch zur Hälfte steuerpflichtig sein. Das wäre eine gute Lösung, um das Thema der hälftigen Nichtabzugsfähigkeit der Aufsichtsratsvergütungen als Betriebsausgabe zu erledigen. Im Ernst: Wer beklagt, dass die bisherige Besteuerungssituation die Fremdfinanzierung fördert, dem muss doch entgegengehalten werden, dass die Abgeltungssteuer – und das hat ja das Beispiel von Herrn Dr. Neumann gezeigt – die höchste Form der Förderung der Fremdfi nanzierung darstellt, weil man da ja mit 25 % Steuerlast davonkommt. Herzig: Ich glaube klar ist: In das geltende System, und das ist ja auch von Herrn Schön deutlich gesagt worden, passt die Abgeltungssteuer eigentlich nicht. Sie passt in das Konzept des Sachverständigenrates. Da ist sie genui50

Fortsetzung der Diskussion zur Unternehmensteuerreform ner Bestandteil und überall anders ist sie eine Krücke; daran kommt man nicht vorbei. Die Frage ist, kann man sie möglicherweise unter Vereinfachungsgesichtspunkten rechtfertigen? Und dann wäre ja die Frage, wo liegt die Vereinfachung? Es ist glaube ich auch klar, dass man ohne ein Veranlagungswahlrecht nicht auskommt. Dann ist ein Großteil der Vereinfachung weg. Ähnliches gilt für die Kontenabfrage, die wird auch nicht vollständig eingestellt werden können, so dass ich nicht sehe, dass wir hier diese dramatische Vereinfachung haben, die möglicherweise als Rechtfertigung ins Feld geführt werden könnte. Dann ist natürlich in der Tat diese Verzerrung zu sehen, was die Kapitalallokation anbelangt. Diese dramatische Begünstigung von Fremdkapital ist nicht zu verstehen, ist nicht nachvollziehbar. Ein Gesichtspunkt ist auch noch nicht zu Ende gedacht: Wie ist das eigentlich mit der Gesamtbelastung? Wenn ich Frau Hendricks richtig verstanden habe, dann war der Gedanke, nur die Unternehmen sollen entlastet werden, nicht die Unternehmer. Aber die Rechnung geht nicht auf, meine Damen und Herren. Die Unternehmer würden dann deutlich entlastet, das war eigentlich nicht die Zielsetzung. Was ich noch nicht so richtig sehe ist, wie das miteinander verknüpft werden soll. Möglicherweise, meine Damen und Herren, bleibt uns die Abgeltungssteuer aus einem anderen ganz simplen Grund erspart, weil nämlich die Kirchensteuerprobleme nicht gelöst werden, die mit einer Abgeltungssteuer zusammenhängen, und wenn das dann der Punkt wäre, an dem sie scheitern würde, wäre das vielleicht nicht der Schlechteste. Piltz: Wir haben heute einen gesamten Vormittag der Unternehmensteuerreform gewidmet, in der einen Absicht, unsere Zuhörerschaft auf den heutigen Stand der Klasse zu bringen und in der anderen Absicht, sie für die auf die Steuerpflichtigen und ihre Berater zukommenden Probleme zu sensibilisieren. Bekanntlich verlangt der Bundesgerichtshof, dass die steuerberatenden Berufe nicht nur das geltende Steuerrecht kennen, sondern sich auch über zukünftige Steuerentwicklungen informieren und ihren Mandanten Hinweise auf diese möglichen zukünftigen Entwicklungen geben, z. B. derart, dass bestimmte Maßnahmen richtigerweise zeitlich nach hinten geschoben werden sollen oder unbedingt noch vor dem Inkrafttreten einer Reform realisiert werden müssen. Es ist auch klar, dass wir heute eine Zwischenbilanz gemacht haben und das Thema im nächsten Jahr in gleicher Intensität wird diskutiert werden müssen, also vielleicht auf dem nächsten Fachkongress, auf jeden Fall aber in einer Kölner Steuerkonferenz.

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Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu vermögensverwaltenden Personengesellschaften Dr. Roland Wacker Richter am Bundesfinanzhof, München Inhaltsübersicht I. Bruchteilsbetrachtung bei Anteilsveräußerung – § 23 EStG – Private Personengesellschaften/ Erbengemeinschaften 1. BFH vom 20. 4. 2004 – IX R 5/02, BStBl. II 2004, 987 1.1 Leitsatz 1.2 Sachverhalt (verkürzt) 1.3 Aus den Gründen 2. Hinweise II. Private Personengesellschaften und Einbringung von Privatvermögen 1. BFH vom 6. 10. 2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 1.1 Leitsatz 1.2 Sachverhalt (verkürzt) 1.3 Aus den Gründen 2. Schuldzinsen 3. Hinweise

III. Realteilung einer Grundstückserbengemeinschaft 1. BFH vom 14. 12. 2004 – IX R 23/02, BStBl. II 2006, 296 1.1 Leitsatz 1.2 Sachverhalt (vereinfacht) 1.3 Aus den Gründen 2. Hinweise IV. Einkünftefeststellung bei Zebragesellschaften 1. Vorlagebeschluss vom 30. 10. 2002 – IX R 80/98, BStBl. II 2003, 167 und bisheriger Meinungsstand 1.1 Sachverhalt 1.2 Streitfragen 1.3 Bisheriger Meinungsstand 1.4 Vorlagebeschluss (IX. Senat) 2. Beschluss des Großen Senats vom 11. 4. 2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 2.1 Leitsatz 2.2 Aus den Gründen 2.3 Hinweise

I. Bruchteilsbetrachtung bei Anteilsveräußerung – § 23 EStG – Private Personengesellschaften/Erbengemeinschaften 1. BFH vom 20. 4. 2004 – IX R 5/02, BStBl. II 2004, 987 1.1 Leitsatz „Erwirbt ein Miterbe entgeltlich den Erbteil eines anderen Miterben, so entstehen ihm insoweit Anschaffungskosten für ein zum Nachlass gehörendes 55

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH Grundstück, die dazu führen, dass der Gewinn aus der Veräußerung dieses Grundstücks nach § 23 EStG a. F. steuerbar ist, wenn es innerhalb der Spekulationsfrist von nicht mehr als zwei Jahren seit Erwerb des Erbteils veräußert wird.“ 1.2 Sachverhalt (verkürzt) Die Klägerin war neben ihrer Schwester S Miterbin nach ihrem Vater, zu dessen Vermögen umfangreicher Grundbesitz gehörte. Im Jahre 1995 erwarb die Klägerin den Erbteil der S; bereits im Jahre 1996 veräußerte sie eines der Nachlassgrundstücke mit einem erheblichen Gewinn. (Hinweis: Die Höhe des Verkaufspreises war offenkundig entweder durch spekulative Momente oder eine kurzfristig eingetretene Wertsteigerung bestimmt.) Das FA ging begrenzt auf den entgeltlichen Erwerbsteil – hälftiger Veräußerungspreis abzüglich anteiliger Erwerbskosten für Erbteil der S und abzüglich Veräußerungskosten – von einem Spekulationsgewinn der Klägerin nach § 23 EStG a. F. aus. Dies wurde vom IX. Senat – entgegen der Ansicht der Vorinstanz (FG Nds. DStRE 2003, 397) – bestätigt. 1.3 Aus den Gründen „1. Das FG hat den Gewinn aus dem Verkauf des Grundstücks unzutreffend nicht als Spekulationsgewinn erfasst … . Nach diesen Vorschriften sind Einkünfte aus Spekulationsgeschäften Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Diesen Tatbestand erfüllt die Klägerin; denn sie hat das im Jahre 1995 zur Hälfte (nämlich in Höhe des Erbteiles ihrer Schwester) entgeltlich erworbene Mehrfamilienhaus im Streitjahr wieder veräußert und daraus einen Gewinn erzielt. a) Die in § 23 Abs. 1 und Abs. 4 EStG verwendeten Begriffe ,Anschaffung‘ und ,Anschaffungskosten‘ sind i. S. des § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) auszulegen (…). Anschaffungskosten sind danach u. a. die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Eine Anschaffung liegt vor, wenn das Grundstück entgeltlich erworben wird (so bereits BFH-Urt. in BStBl. II 1988, 250). b) Im Streitfall hat die Klägerin den Miterbenanteil ihrer Schwester und damit zugleich deren Anteil am veräußerten Grundstück entgeltlich erworben. aa) Die ihr entstandenen Anschaffungskosten sind auf die zum Nachlass gehörenden Wirtschaftsgüter und deshalb auch auf das hier streitige Grund56

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH stück zu verteilen. Erwirbt nämlich ein Miterbe den Erbanteil eines anderen Miterben, entstehen ihm Anschaffungskosten für die hinzuerworbenen Anteile am Gemeinschaftsvermögen (so BFH-Beschl. v. 5. 7. 1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837, C. II. 2. a; vgl. dazu Groh, DB 1990, 2135, 2138; G. Söffi ng, DB 1991, 773, 778). bb) Soweit einem Wirtschaftsgut Anschaffungskosten zugeordnet werden, ist es ,angeschafft‘. Dies gilt unabhängig davon, dass ein Miterbe nach § 2033 BGB nicht über seinen Anteil an den Nachlassgegenständen (§ 2033 Abs. 2 BGB), sondern nur über seinen Anteil am Nachlass schlechthin verfügen kann (§ 2033 Abs. 1 BGB) und – umgekehrt – der Erwerber zivilrechtlich keine Anteile an den Nachlassgegenständen, sondern den Anteil am Nachlass erwirbt. Welche Vorgänge als ,Anschaffung‘ angesehen werden müssen, ist wirtschaftlich zu verstehen (vgl. auch BFH-Urt. v. 13. 9. 1994 – IX R 104/90, BFH/NV 1995, 384). Deshalb liegt kein Widerspruch darin, dem Erwerber eines Erbteils Anschaffungskosten für die dadurch miterworbenen Anteile an den Wirtschaftsgütern der Erbengemeinschaft zuzurechnen. Dieses Ergebnis entspricht dem wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalt, der gegeben ist, wenn Miterben Gemeinschaftsvermögen im Wege der Auseinandersetzung unter sich verteilen. Bei einer solchen Erbauseinandersetzung durch Realteilung (§ 2042 Abs. 2 i. V. m. § 752 BGB) ist ein entgeltlicher – auch zu einer Anschaffung i. S. des § 23 Abs. 1 EStG führender – Erwerb eines Erben insoweit gegeben, als der Wert des Erlangten den Wert seines Erbanteils übersteigt und der Erbe deshalb Ausgleichszahlungen leistet (BFH-Beschl. in BFHE 161, 332, BStBl. II 1990, 837, und BFH-Urt. in BFHE 151, 143, BStBl. II 1988, 250). cc) Nach diesen Maßstäben ist das Grundstück, um dessen Veräußerung es hier geht, von der Klägerin in Höhe des von ihr erworbenen Erbteils ihrer Schwester, also zur Hälfte, angeschafft … dd) Soweit der Klägerin Anschaffungskosten am Grundstück zurechenbar sind, betrifft die Veräußerung dieses Grundstücks auch das nämliche – also das angeschaffte – Wirtschaftsgut (vgl. dazu BFH-Urt. in BStBl. II 2003, 712, II. 2. b, m. w. N.). In Höhe ihres eigenen Anteils am Nachlasswert ist ein unentgeltlicher Erwerb gegeben. c) Das FA hat auch zutreffend den Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 3 EStG ermittelt, indem es dem hälftigen Veräußerungspreis die anteiligen Anschaffungskosten gegenübergestellt hat. Bei einem teilweise entgeltlichen Erwerb führt nur die Veräußerung des entgeltlich erworbenen Teils zu einem Spekulationsgewinn (so BFH-Urt. in BFHE 151, 143, BStBl. II 1988, 250, 252).“ 57

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH 2. Hinweise (1) Der Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings ist es erstaunlich, dass die Urteilsgründe mit keinem Wort auf die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 a. F. = Satz 4 n. F. EStG eingehen, nach der „die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen WG“ gilt. (2) Dies ist zum einen deshalb bemerkenswert, weil die Vorinstanz die Klagestattgabe auf den Umstand gestützt hatte, dass § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. nur Personengesellschaften, nicht hingegen Erbengemeinschaften erfasse.1 Zum anderen kommt hinzu, dass die Vorschrift als Reaktion auf die vom BFH – bis zu unserem Besprechungsurteil – vertretene Ansicht verstanden werden muss, nach der im Rahmen von § 23 EStG eine zivilrechtliche Sicht geboten sei und deshalb die Verfügung über einen Gesamthandsanteil nicht mit derjenigen über die zum Gesamthandsvermögen gehörenden Grundstücke gleichgesetzt werden könne. Der BFH spricht deshalb auch in seinem Urteil vom 10. 7. 19962 davon, das – mit Wirkung ab VZ 1994 – § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG eine „Fiktion und als echte Neuregelung zu werten sei“3. (3) Diesen Zusammenhängen kann man nur entgehen, wenn man – mit dem Besprechungsurteil – das zivilrechtliche Verständnis des Grundstücksbegriffs im Sinne von § 23 EStG zugunsten einer allgemein wirkenden Bruchteilsbetrachtung (§ 39 AO) mit der Folge aufgibt, dass § 23 Abs. 1 Satz 2 a. F. = Satz 4 n. F. lediglich deklaratorische Bedeutung hat. (4) Im Ergebnis wird damit die Bruchteilsbetrachtung für Zwecke des § 17 EStG (ständige Rspr. des VIII. Senats) auf § 23 EStG übertragen (zu Vermögensübertragungen zwischen den Gesellschaftern und der privaten Gesellschaft s. unten zu II.). Dies ist systematisch – trotz der aufgezeigten entstehungsgeschichtlichen Verwerfungen – zutreffend4. Nur in Klammern: mit der im Urteil angesprochenen Realteilung unter Vereinbarung von Ausgleichsleistungen hat dies wenig zu tun. Die systembildenden Prinzipien sind nicht vergleichbar (z. B. Unentgeltlichkeit trotz überproportionaler Übernahme von Schulden; vgl. hierzu aber zu III.).

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S. hierzu auch Tiedtke/Wälzholz, ZEV 2004, 296. BFH, Urt. v. 10. 7. 1996 – X R 103/95, BStBl. II 1997, 678. Vgl. auch BMF, Schr. v. 20. 10. 1997 – IV B 3 – S 2256 – 54/97, BStBl. I 1997, 899. Vgl. i. E. Wacker, DStR 2005, 2014, 2016.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH (5) Die zutreffende Sicht des IX. Senats ist weiterhin mit Ausstrahlungen auf nach wie vor im Schrifttum erwogene Ausweichstrategien verbunden. Entgegen der Ansicht von Tiedtke/Wälzholz5 kann nunmehr kein Zweifel daran bestehen, dass auch die Veräußerung entgeltlich erworbener Erbanteile innerhalb der Fristen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. bis 3 EStG – d. h. beurteilt nach der Zusammensetzung des Nachlasses – zu steuerbaren Einkünften führen kann.6

II. Private Personengesellschaften und Einbringung von Privatvermögen 1. BFH vom 6. 10. 2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 1.1 Leitsatz „1. Bringen Bruchteilseigentümer Grundstücke zu unveränderten Anteilen in eine personenidentische Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Vermietungseinkünften ein, liegt steuerrechtlich kein Anschaffungsvorgang vor, weil die Gesellschafter gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 weiterhin im bisherigen Umfang als Bruchteilseigentümer der Grundstücke anzusehen sind. 2. Schuldzinsen sind als Werbungskosten abziehbar, wenn sie für ein Darlehen gezahlt worden sind, das tatsächlich zum Erzielen von Einkünften verwendet worden ist.“ 1.2 Sachverhalt (verkürzt) Die Eheleute B waren Miteigentümer verschiedener Grundstücke. Die Grundstücke (EFH) X und Y waren vermietet und entschuldet. Das zu eigenen Wohnzwecke genutzte ZFH Z war in erheblichem Umfang fremdfinanziert. Im Jahre 1997 wurden die Grundstücke X und Y unter Übernahme der auf Haus Z, das im Miteigentum der Eheleute verblieb, lastenden Restschuld (z. B. 1 Mio. DM) in die neu gegründete GbR (= Klägerin = private Personengesellschaft mit VuV-Einkünften) eingebracht. Die Klägerin ging von Grundstücksanschaffungen und somit von Abschreibungen auf der Grundlage der übernommenen Schulden sowie davon aus, dass auch die übernommene Zinslast ihre VuV-Einkünfte mindere. 5 Tiedtke/Wälzholz, ZEV 2004, 296. 6 Vgl. hierzu – wenn auch ohne konkrete Aussage – BMF, Schr. v. 14. 3. 2006 – IV B 2 – S 2242 – 7/06, IV B 2 – S 2242 – 2/04, BStBl. I 2006, 253 – Tz. 41-43; ohne Aussage auch Gragert, NWB F 3, 13937, 13940.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH Dem konnte sich weder das FA noch das Finanzgericht (EFG 2002, 12) noch der IX. Senat des BFH anschließen. 1.3 Aus den Gründen 1.3.1 Vorspann „Das FG hat zu Recht (stillschweigend) die Klage der Klägerin als zulässig angesehen und damit deren Beteiligtenfähigkeit (§ 57 FGO) und Klagebefugnis (§ 48 FGO) bejaht.“ 1.3.2 Anschaffung / AfA „Das FG hat zutreffend die von der Klägerin (über den vom FA bereits anerkannten Betrag hinaus) geltend gemachte AfA und die Schuldzinsen unberücksichtigt gelassen. a) Zu den bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (…) abziehbaren Werbungskosten gehört gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch die AfA für das Gebäude. Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (…). Welche Aufwendungen hierzu zählen, ist für die Gewinn- und Überschusseinkünfte – und damit auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – unter Rückgriff auf § 255 des Handelsgesetzbuches zu bestimmen (z. B. BFH-Urt. v. 25. 2. 2003 – IX R 31/02, BFH/ NV 2003, 775, m. w. N.). Danach sind Anschaffungskosten u. a. alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. b) In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob der – soweit ersichtlich nicht notariell beurkundete – Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Klägerin formgerecht war und sie überhaupt – zivilrechtlich wirksam – Eigentümerin der Grundstücke geworden ist. Selbst wenn man davon ausgeht, ist steuerrechtlich kein Wechsel des Rechtsträgers erfolgt, weil die (Eheleute B als) Gesellschafter der Klägerin (weiterhin) als Bruchteilseigentümer der Grundstücke anzusehen sind. Dies ergibt sich aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Im Anwendungsbereich des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 wird damit steuerrechtlich die Gesamthandsgemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft angesehen (z. B. BFH-Urt. v. 11. 3. 1992 – II R 157/87, BFHE 167, 174, BStBl. II 1992, 543; v. 13. 7. 1999 – VIII R 72/98, BFHE 190, 87, BStBl. II 1999, 820; Kruse in Tipke/Kruse, § 39 AO Tz. 86 …).

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH c) Im Streitfall ist § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 anzuwenden. Die getrennte Zurechnung ist im Sinne dieser Vorschrift für die Besteuerung erforderlich, wenn eine Gesamthandsgemeinschaft nicht selbst Schuldnerin der Steuer ist, aber den Besteuerungstatbestand erfüllt (vgl. dazu z. B. BFH-Urt. v. 4. 10. 1990 – X R 148/88, BFHE 162, 304, BStBl. II 1992, 211, unter 2. b, zu § 23 EStG a. F.). Diese Voraussetzung ist gegeben. Die Klägerin ist – anders als z. B. bei Umsatz- und Grunderwerbsteuer, die die Erwerbsvorgänge der Gesamthandsgemeinschaft als solcher besteuern (s. dazu Kruse in Tipke/Kruse, a. a. O., § 39 AO Tz. 89, m. w. N.) – bei der Ertragsteuer nur insoweit Steuerrechtssubjekt (partielle Steuerrechtsfähigkeit), als sie in der gesamthänderischen Verbundenheit ihrer Gesellschafter die Merkmale eines Besteuerungstatbestandes (hier: § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind (z. B. BFH-Urt. v. 1. 12. 1987 – IX R 170/83, BFHE 152, 101, m. w. N.; s. dazu auch Kruse in Tipke/Kruse, a. a. O., § 39 AO Tz. 90, m. w. N.). Die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 wird auch nicht durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG verdrängt (s. dazu z. B. BFH-Urt. v. 28. 11. 2002 – III R 1/01, BFHE 201, 133, BStBl. II 2003, 250, unter II. 1. b; ferner Kruse in Tipke/Kruse, a. a. O., § 39 Tz. 91). Die Klägerin ist nicht gewerblich tätig, sondern erzielt als vermögensverwaltende GbR Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.“ 2. Schuldzinsen Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dies setzt voraus, dass sie für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung – hier aus Vermietung und Verpachtung – veranlasst ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn mit dem Darlehen die Herstellungs- oder Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes tatsächlich fi nanziert worden sind. Ein allein rechtlicher Zusammenhang – etwa aufgrund einer Besicherung des Grundstücks – reicht ebenso wenig aus wie eine bloße gedankliche Zuweisung des Steuerpflichtigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFHUrt. v. 8. 4. 2003 – IX R 36/00, BFHE 202, 280, BStBl. II 2003, 706, m. w. N.). Ein einmal begründeter wirtschaftlicher Zusammenhang des Darlehens mit der Einkünfteerzielung entfällt nicht, wenn ein mit Darlehensmitteln angeschafftes, bislang zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendetes Wirtschaftsgut veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkünfteerzielung eingesetzt wird (z. B. 61

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH BFH-Urt. v. 23. 10. 2001 – IX R 65/99, BFH/NV 2002, 341, m. w. N.). Hieran fehlt es bei den noch streitigen Schuldzinsen. Die Darlehen der Sparkasse A sind nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Zweifamilienhauses in Z verwandt worden; die hierdurch begründete Zweckbestimmung ist unverändert geblieben. Die Klägerin hat die Darlehen nicht im Rahmen eines Anschaffungsvorganges durch eine neue tatsächliche Verwendung den eingebrachten Grundstücken zugeordnet. Dass sie auch auf diesen Grundstücken abgesichert waren, schafft keinen tatsächlichen, sondern allenfalls einen – nicht ausreichenden – rechtlichen Zusammenhang. 3. Hinweise (1) Auch dieser Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. (2) Folgt man nämlich bei privaten Personengesellschaft der Bruchteilsbetrachtung für Zwecke der §§ 23 und 17 EStG (s. dazu oben), so kann die Bestimmung der AfA-Bemessungsgrundlage z. B. für Zwecke des § 21 EStG keinen anderen Regeln unterstehen.7 Unter diesem Blickwinkel ist das Besprechungsurteil nicht mehr als eine – die Vermögensübertragung zwischen Gesellschaft und Personengesellschaft (oder vice versa) betreffende – Modalität der Entscheidung IX R 5/02 (zur Veräußerung von Erbanteilen). (3) Hiernach unterliegen WG im bisherigen Miteigentum auch nach der Einbringung der Bruchteilsbetrachtung mit der Folge, dass – aufgrund der Zurechnungskontinuität – steuerrechtlich ein Anschaffungsvorgang (Rechtsträgerwechsel) ausscheidet.8 Demgemäß können die übernommenen Schuldzinsen – anders als im Falle der Einbringung in eine gewerbliche Personengesellschaft – in steuerrechtlicher Sicht auch keinem Anschaffungsvorgang zugeordnet werden. Ihr Finanzierungszusammenhang zu dem nicht eingebrachten ZFH blieb mithin erhalten. (4) Zu den Folgerungen der Bruchteilsbetrachtung im Hinblick auf die steuerrechtliche Anerkennung von Mietverhältnissen zwischen der Per7 Ausführlich Wacker, DStR 2005, 2014, 2017; vgl. hierzu auch BFH, Urt. v. 27. 7. 2004 – IX R 20/03, BStBl. II 2005, 33 = DB 2004, 2027 einschl. Ausnahmen für Sonderabschreibungen nach FördG. 8 A. A. – jedoch ohne erkennbare Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Besprechungsurteils – FG Köln v. 20. 4. 2005 – 5 K 625/00, EFG 2006, 781; Rev. IX R 18/06: § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steht der Annahme eines zu AfA berechtigenden Anschaffungsvorgangs nicht entgegen.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH sonengesellschaft und dem Gesellschafter vgl. BFH vom 18. 5. 2004 – IX R 83/009, Leitsatz 2 und zustimmend H 21.6 EStH 2005: keine Anerkennung, soweit dem Gesellschafter das Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen ist; ebenso BFH vom 18. 5. 2004 – IX R 49/0210, Leitsatz 3 zu Miteigentümergemeinschaft: Wird eine Wohnung eines im Miteigentum stehenden Wohnhauses an einen Miteigentümer vermietet und nutzt dieser das gemeinschaftliche Wohnhaus insgesamt über seinen Miteigentumsanteil hinaus, so erzielt der andere Miteigentümer anteilig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung11. (5) Als Sachverhaltsalternative ist denkbar, dass nur ein Gesellschafter WG in die private Personengesellschaft einbringt. Geschieht dies ohne Gegenleistung der anderen Gesellschafter liegt zumindest in der ertragsteuerrechtliche Wertung hierin ein Schenkung. Im Falle eines Entgelts, veräußert der Einbringende anteilig an die Mitgesellschafter (Folge u. U.: §§ 17, 23 EStG; § 21 UmwStG a. F.). (6) Werden von den Gesellschaftern verschiedene Wirtschfatsgüter eingebracht – z. B. Grundstück 1 von Gesellschafter A und Grundstück 2 von Gesellschafter B – hat die Bruchteilsbetrachtung zur Folge, dass im Verhältnis der Gesellschafter zueinander ein Tauschgeschäft vorliegt, das wiederum die Besteuerung nach den §§ 17, 23 EStG, § 21 UmwStG a. F. auslösen kann. (7) Grundsätzlich anders liegen die Dinge, wenn PV in eine gewerbliche Personengesellschaft eingebracht wird. Geschieht dies gegen Barentgelt oder Übernahme von Verbindlichkeiten, ist hierin eine Anschaffung zu sehen. Trotz BFH vom 16. 6. 2004 – X R 34/0312 (betr. verdeckte Einlage in Betriebskapitalgesellschaft vor 1999), ist allerdings ungeklärt, ob der Gewinn nach Trennungstheorie (so Finanzverwaltung) oder nach der sog. Einheitstheorie zu bestimmen ist13. (8) Nach BFH-Rspr. gilt darüber hinaus Gleiches – d. h. grundsätzlich Gewinnrealisierung -, wenn private Wirtschaftsgüter gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die gewerbliche Personengesellschaft überführt werden (dazu BMF-Schr. v. 26. 11. 200414: Kapitalkonto I u II; nicht aber gesamthänderisch gebundene Rücklage, Ausnahme: zeitna-

9 10 11 12 13 14

BFH, Urt. v. 18. 5. 2004 – IX R 83/00, BStBl. II 2004, 898. BFH, Urt. v. 18. 5. 2004 – IX R 49/02, BStBl. II 2004, 928. Dazu Treiber, KFR Fach 3, § 21 3/04. BFH, Urt. v. 16. 6. 2004 – X R 34/03, BStBl. II 2005, 378. Vgl. hierzu Wacker in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 15 EStG Rz. 665. BMF, Schr. v. 26. 11. 2004 – IV B 2 – S 2178 – 2/04, BStBl. I 2004, 1190 = DB 2004, 2667.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH he Umbuchung auf Kapitalkonto). Dies ist – jedenfalls in der rechtspolitischen Wertung – mit § 6 Abs. 5 EStG kaum vereinbar.

III. Realteilung einer Grundstückserbengemeinschaft 1. BFH vom 14. 12. 2004 – IX R 23/02, BStBl. II 2006, 296 1.1 Leitsatz „Die von einem Miterben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übernommenen Schulden der Erbengemeinschaft bilden insoweit Anschaffungskosten der von ihm übernommenen Nachlassgegenstände, als sie seinen Anteil am Nachlass übersteigen.“ 1.2 Sachverhalt (vereinfacht) Die Brüder A und B sind Miterben zu jeweils ½ nach ihrer Mutter. Zum Nachlass gehörte ein Grundstück (Wert: 1 Mio. DM). Darauf lasteten Verbindlichkeiten in Höhe von 0,5 Mio. Nettowert mithin 0,5 Mio. DM. Im Zuge der Erbauseinandersetzung übernimmt A Grundstück und Verbindlichkeit; zum Ausgleich zahlt er an B 0,250 Mio. DM. Er macht geltend, ihm seien Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 0,5 Mio. DM, bestehend aus a) Abfi ndungszahlung (0,250 Mio.) und b) Schuldübernahme, soweit sie seine Erbquote übersteige (hier: 0,25 Mio. DM). Streitig war nur Letzteres (Schuldübernahme). Der IX. Senat gab dem Kläger Recht. 1.3 Aus den Gründen „Zutreffend hat das FG einen Betrag von … als Anschaffungskosten des Klägers berücksichtigt und – soweit er auf die Gebäude entfällt – in die Bemessungsgrundlage für die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG einbezogen. 1. Nach dieser Vorschrift bemisst sich die AfA nach den Anschaffungskosten. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 HGB … . Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind u. a. die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. 64

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH a) Dazu rechnen grundsätzlich auch Ausgleichszahlungen eines Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Entgeltlich ist der Erwerb in dem Umfang, in dem der Wert des Erlangten den Wert des Erbanteils des übernehmenden Erben übersteigt und dieser hierfür Ausgleichszahlungen leisten muss (BFH-Beschl. in BFHE 161, 332, BStBl. II 1990, 837; so bereits die BFH-Urt. v. 9. 7. 1985 – IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl. II 1985, 722, und v. 2. 9. 1987 – IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl. II 1988, 250). Auch übernommene Schulden sind Anschaffungskosten, soweit sie die Erbquote übersteigen (so BFH-Urt. v. 20. 12. 1990 – XI R 1/85, BFH/NV 1991, 382; vgl. auch BFH-Urt. v. 25. 7. 1991 – XI R 9/85, BFH/NV 1992, 30). b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision nicht aus dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 161, 332, BStBl. II 1990, 837. Wenn der BFH dort (unter C. II. 2. a) der Schuldübernahme keine Bedeutung beigemessen hat, so in einem Fall, in dem bei einer Auseinandersetzung – anders als im Streitfall – dem Miterben Nachlassvermögen entsprechend seiner Erbquote zugeteilt wurde. Wie bei einer Schenkung erwirbt er den Gegenstand so, wie er beim Übergeber vorhanden ist. Die Verbindlichkeiten bilden dann lediglich Rechenposten für die Ermittlung des Werts des Erbanteils (BFH-Urt. v. 10. 4. 1991 – XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl. II 1991, 791). Kein Rechenposten, sondern Anschaffungskosten liegen aber vor, wenn der Erbe von der Erbengemeinschaft mehr Gemeinschaftsvermögen erhält, als dies dem Wert seines Erbteils entspricht und er im Gegenzug Abfi ndungsleistungen erbringt, indem er über seine Erbquote hinaus Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt. Dann liegt in der Erbauseinandersetzung – wie dies der Kläger in der mündlichen Verhandlung zutreffend hervorhob – ein mit einem Kauf vergleichbares entgeltliches Rechtsgeschäft (vgl. dazu auch Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 63. Aufl., § 2042 Rz. 6 a. E., m. w. N.). 2. Nach diesen Maßstäben zählen die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten zu den Anschaffungskosten, soweit sie seine Erbquote übersteigen. Da der Kläger und sein Bruder je zur Hälfte an der Erbengemeinschaft und damit am Nachlass beteiligt waren, bilden die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft zur Hälfte Anschaffungskosten für die aufgrund der Erbauseinandersetzung erworbenen Anteile seines Bruders an den Grundstücken. Das bedeutet: Von den Darlehensschulden der Erbengemeinschaft , die der Kläger übernommen hat, bilden die Hälfte, also (250 000 DM), Anschaffungskosten des Klägers. Im Übrigen hat er die Grundstücke unentgeltlich erworben, so dass sich die AfA gemäß § 11d Abs. 1 EStDV nach den Anschaffungskosten seiner Mutter bemisst. Die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten (in Höhe der anderen Hälfte von 250 000 DM) bilden lediglich Rechenposten, um den Wert des unentgeltlich Erlangten zu ermitteln.“ 65

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH 2. Hinweise (1) Widerspruch zu BFH GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837? Kernstück des Beschlusses des Großen Senats ist die Ausdehnung der betrieblichen Realteilungsgrundsätze auf das gesamte Nachlassvermögen. Die mit der Realteilung verbundene Nettobetrachtung (Saldierung von Aktiva und übernommenen Schulden) gilt demgemäß auch dann, wenn zum Nachlass Privatvermögen (oder Privatvermögen und Betriebsvermögen; sog. Mischnachlass) gehört. Die sog. Nettobetrachtung steht im Zusammenhang damit, dass der Vorgang der Auskehrung (Erbauseinandersetzung) ertragsteuerrechtlich als unentgeltliches Rechtsgeschäft zu qualifi zieren ist (Erfüllung des unentgeltlich erworbenen Auseinandersetzungsanspruchs) und dass in diesen Vorgang auch die übernommenen Nachlass- und Nachlassverwaltungsschulden der Erbengemeinschaft einzustellen sind. Demgemäß kommt den übernommenen Verbindlichkeiten lediglich die Bedeutung eines Rechenfaktors zu. Diese Grundsätze sind auch dann zu beachten, wenn der übernommene Bruttowert den Wert des Erbanteils übersteigt. D. h.: Wird der Bruttowert durch übernommene Verbindlichkeiten neutralisiert, entfällt zum einen die Ausgleichspflicht gegenüber dem/den Miterben, zum anderen bleibt der Vorgang der Auskehrung in dieser Höhe unentgeltlich15. (2) Widerspruch zu XI R 9/85, BFH/NV 1992, 30? „Nach dem Beschluß des Großen Senats … bilden Erbfall und Erbauseinandersetzung im Einkommensteuerrecht keine rechtliche Einheit. Ausgleichszahlungen eines Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung und Aufwendungen für den Erwerb eines Miterben führen beim Leistenden grundsätzlich zu Anschaffungskosten. Dies gilt – anders als bei der vorweggenommenen Erbfolge – nicht für die Übernahme von Verbindlichkeiten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Großen Senats … zu C. I. 2. und II. 2.“ Damit hat der XI. Senat seine anderslautende Aussage im Urteil XI R 1/8516 korrigiert.

15 Zu Bsp. s. unten; Wacker, DStR 2005, 2014; Wacker in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 16 EStG Rz. 630; a. A. Heuermann, INF 2005, 242. 16 BFH, Urt. v. 20. 12. 1990 – XI R 1/85, BFH/NV 1991, 382. Vgl. auch v. 26. 6. 1991 – XI R 5/85, BFH/NV 1992, 24; v. 24. 4. 1991 – XI R 5/83 BStBl. II 1991, 793.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH (3) Widerspruch zur Verwaltungsansicht? Die Ansicht des Urteils IX R 23/02 (aaO) widersprach schließlich auch dem BMF v. 11. 1. 199317, Rz. 25 ff. betr. ertragsteuerrechtliche Beurteilung der Erbengemeinschaft und ihrer Auseinandersetzung.18 Die Verwaltung hat mit BMF-Schreiben vom 14. 3. 200619, Tz. 18 (Betriebsvermögen), Tz. 23 ff. (Privatvermögen), Tz. 34 (Mischnachlass) an ihrer Ansicht festgehalten und darüber mit Schreiben vom 30. 3. 200620 ausdrücklich die Nichtanwendung der Grundsätze des Besprechungsurteils verfügt.21 (4) Variante I Wie BFH-Fall, aber Frist nach § 23 EStG (10 Jahre, gerechnet ab Grundstücksanschaffung durch M = Erblasserin) ist noch nicht abgelaufen. Folge der Ansicht des IX. Senats22 ist, dass B – nach den Grundsätzen der sog. Trennungstheorie – nicht nur bezüglich der Ausgleichszahlung, sondern auch bezüglich der von A übernommenen Verbindlichkeiten einen nach § 23 EStG steuerbaren Veräußerungsgewinn erzielt.23 Zudem wird für den erwerbenden Miterben (A) eine neue Veräußerungsfrist nach § 23 EStG in Gang gesetzt.24 (5) Variante II Grundstückswert und Nachlassverbindlichkeiten entsprechen einander (jeweils 0,5 Mio. DM). Folge nach IX. Senat: A hat Anschaffungskosten in Höhe des hälftigen Grundstückswerts = hälftige Verbindlichkeiten = 0,25 Mio. DM. Wäre er hingegen Alleinerbe seiner Mutter geworden, hätte er in vollem Umfang deren Anschaffungskosten fortzuführen. Zu § 23 EStG bei B („veräußernder Miterbe“) s. o. sowie § 23 Abs. 2 Satz 4 EStG: Kürzung der anzusetzenden 17 BMF, Schr. v. 11. 1. 1993 – IV B 2 – S 2242 – 86/92, BStBl. I 1993, 62. 18 Vgl. hierzu Wacker/Franz, BB Beil. 5/93, 10; Hörger/Stephan/Pohl, Unternehmens- und Vermögensnachfolge, 2. Aufl., Rz. 914; Wacker in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 16 EStG Rz. 630. 19 BMF, Schr. v. 14. 3. 2006 – IV B 2 – S 2242 – 7/06, IV B 2 – S 2242 – 2/04, BStBl. I 2006, 253. 20 BMF, Schr. v. 30. 3. 2006 – IV B 2 – S 2242 – 4/06, IV B 2 S 2242 – 15/06, BStBl. I 2006, 306. 21 Zustimmend Wacker, DStR 2005, 2014; Röhrig/Doege, DStR 2006, 969, 971; schwankend Grager, NWB F 3, 13937, 13942). Eine Klärung durch den BFH steht allerdings aus, so zutr. Hannes, ZEV 2006, 164, 165. 22 Vgl. auch BFH, Urt. v. 14. 12. 2004 – IX R 24/02, BFH/NV 2005, 877. 23 Gl. A. Strahl, BeSt 3/2005, 26, 27; Wacker, DStR 2005, 2014. 24 Zutr. Strahl, BeSt 3/2005, 26, 27.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH Anschaffungskosten – um damit Erhöhung des Veräußerungsgewinns – um die bisher in Anspruch genommenen AfA. (6) Variante III Zum Nachlass gehört ein Betrieb (tatsächlicher Wert 30 Mio. Euro; Buchwert 1 Mio. Euro, stille Reserven 29 Mio. Euro) sowie Grundstücke (20 Mio. Euro), die mit Verbindlichkeiten über 10 Mio. Euro belastet sind. Miterbe A übernimmt Betrieb und die bisher privaten Verbindlichkeiten; Miterbe B den Grundbesitz ohne Verbindlichkeiten. Lösung nach BMF Gewinnneutrale Realteilung, da Verbindlichkeiten als Rechenposten zum Abgleich von Vermögenszuteilung und Erbauseinandersetzungsanspruch eingesetzt werden können. Zudem geht BMF BStBl. I 2006, 253 Tz. 3425 davon aus, dass die bisherigen Privatschulden in der Hand des A zu Betriebsschulden werden26. Lösung nach IX. Senat Da A mit dem Betrieb überquotal bedacht wird (Wert des Betriebs 30 Mio.; Wert des Auseinandersetzungsanspruchs 20 Mio) ist die Schuldübernahme als Anschaffungskosten und damit aus Sicht des B als Veräußerungserlös zu qualifi zieren, „soweit A über seine Erbquote hinaus Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt“ (hier: ½ x 10 Mio. Euro = 5 Mio. Euro). Demgemäß ergäbe sich ein Veräußerungsgewinn des B in Höhe von 4,83 (= 5 Mio. Euro – 0,17 [= 1/6 aus 1 Mio. Euro (Buchwert)]).

IV. Einkünftefeststellung bei Zebragesellschaften 1. Vorlagebeschluss vom 30. 10. 2002 – IX R 80/98, BStBl. II 2003, 167 und bisheriger Meinungsstand 1.1 Sachverhalt Der Kläger (Architekt) war an verschiedenen Grundstücks-Personengesellschaft beteiligt, die jeweils vermögensverwaltend, also nicht gewerblich tätig waren. Durchgerechnet (§ 39 AO) auf die dem Kläger zuzurechnenden

25 = BMF, Schr. v. 11. 1. 1993 – IV B 2 – S 2242 – 86/92, BStBl. I 1993, 62 – Rz. 37. 26 Krit. Wacker in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 16 EStG Rz. 641.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte war dieser jedoch gewerblicher Grundstückshändler. Für die Gesellschaft (sog. Zebra-Gesellschaft) ergingen F-Bescheide gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO, mit denen jeweils VuV-Einkünfte festgestellt wurden. Im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung sowie der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG des Klägers ging das FA hingegen von einem Gewerbebetrieb und damit von Einkünften nach § 15 EStG aus. Der Klage hat das FG mit der Begründung stattgegeben, dass die F-Bescheide (VuV-Einkünfte) Bindungswirkung entfalteten. 1.2 Streitfragen (1) Ungeklärt war, ob Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft mit Rücksicht auf die unterschiedliche Qualifikation auf der Ebene der Gesellschafter (sog. Zebra-Gesellschaft) – Zugehörigkeit des Gesellschafts-Anteils zum Betriebsvermögen des Gesellschafters (z. B. Einzelgewerbebetrieb; Kapitalgesellschaft) – als Einkünfte verschiedener Einkunftsarten nach § 180 Nr. 2a AO festgestellt werden müssen. (2) Fraglich war ferner, ob dann, wenn man eine solche Verpflichtung bejaht, die Feststellung nur von Überschusseinkünften Bindungswirkung für Einkommen-Besteuerung des Gesellschafters mit der Folge entfaltet, dass der Ansatz gewerblichen Einkünfte ausgeschlossen wäre (so Vorinstanz). 1.3 Bisheriger Meinungsstand (20 Jahre nach Gepräge-Beschluss/Aufgabe der Bilanzbündeltheorie!27) (1) IV. und. I. Senat (zugleich h. M.): Feststellung von Überschuss- und Gewinneinkünften erforderlich und für Gesellschafter-FA bindend. (2) VIII. Senat: keine Feststellung erforderlich, demnach ist GesellschafterFA frei, abweichend vom F-Bescheid zu qualifi zieren und die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu erfassen. (3) III. Senat: Vermittelnde Lösung(sog. „Ping-Pong-Verfahren“), d. h. Gesellschafter-FA hat über Art der Einkünfte zu entscheiden; dieser Einkünftezuordnungsbescheid ist Grundlagenbescheid für den ggf. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändernden F-Bescheid des Gesellschafts27 Vgl. zusammenfassend Wacker in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 15 EStG Rz. 202 ff.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH FA (getrennte Einkunftsermittlung); der F-Bescheid ist wiederum Grundlagenbescheid für den Einkommensteuer-Bescheid, der ggf. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu korrigieren ist. (4) Weitere Mindermeinung im Schrifttum: im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung des gewerblich beteiligten Gesellschafters seien die Überschusseinkünfte – ohne neue Einkunftsermittlung – als gewerblich zu übernehmen (Umetikettierung; Ausnahme: Korrektur um Veräußerungsgewinne/-verluste). (5) Finanzverwaltung28: Grundsätzlich wie VIII. Senat, jedoch bei freiwilliger Gewinnermittlung durch Zebra-Gesellschaft kann das Ergebnis beim Gesellschafter übernommen werden. Zudem: Vereinfachungsregelung für Beteiligungen von weniger als 10 v. H. (Übernahme des VuVErgebnisses; Beteiligungskonto). Ping-Pong-Lösung lehnt die Verwaltung ab. 1.4 Vorlagebeschluss (IX. Senat) Wie VIII. Senat und Finanzverwaltung, da die Umqualifikation auf der Stufe des Gesellschafters die Einkünfte der Personengesellschaft unberührt lasse (keine Einkunftsfeststellung aufgrund gesellschafterbezogener Umstände; folglich auch keine Bindungswirkung). Erwägungen Größere praktische Schwierigkeiten seien beim Verfahren der Verwaltung (Gesellschafts-FA übermittelt Daten an Gesellschafter-FA) bisher nicht aufgetreten. Angesichts der Ermittlungsmöglichkeiten des Gesellschafter-FA (Auskunftsersuchen an Beteiligten i. V. m. Einsichtsrechten des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft; Betriebsprüfung bei Gesellschaft) bestehe kein Bedürfnis für eine im Gesetz nicht vorgesehen Kompetenzverlagerung, zumal hierdurch das Steuergeheimnis berührt werde (Offenbarung der betriebliche Verhältnisse des Gesellschafters gegenüber den anderen Gesellschaftern der Zebra-Gesellschaft).

28 BMF, Schr. v. 29. 4. 1994 – IV B 2 – S 2241 – 9/94, IV A 4 – S 0361 – 11/94, BStBl. I 1994, 282; v. 27. 12. 1996 – IV B 2 – S 2241 – 78/96, BStBl. I 1996, 1521; v. 8. 6. 1999 – IV C 2 – S 2241 – 35/99, BStBl. I 1999, 592.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH 2. Beschluss des Großen Senats vom 11. 4. 2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 2.1 Leitsatz „Die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters ist sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen.“ 2.2 Aus den Gründen „C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage Der Große Senat teilt die Auffassung des vorlegenden Senats.“ 2.2.1 Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO „Nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 … werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Nach diesen Vorschriften sind insbesondere die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte sowie deren Verteilung auf die Gesellschafter im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu erfassen (…). Im Rahmen dieser Feststellung ist auch über die Art der erzielten Einkünfte zu entscheiden. Im Bereich der Einkünfte aus VuV ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung vorzunehmen, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen, sei es in der Form einer Gesamthands- oder einer Bruchteilsgemeinschaft (…). Im Streitfall hat das FA für die verschiedenen Grundstücksgesellschaften, an denen die Kläger beteiligt waren, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und gesondert festgestellt und den Beteiligten zugerechnet. Die Feststellungsbescheide sind bestandskräftig; die in den Bescheiden enthaltenen Feststellungen sind als Besteuerungsgrundlagen bindend, soweit die Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 reicht.“ 2.2.2. Wer erzielt die Einkünfte? „Die einkommensteuerrechtliche Qualifi zierung der Einkünfte von Gesellschaftern einer Personengesellschaft hängt grundsätzlich davon ab, welche Einkunftsart durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, mithin durch die Tätigkeit der Gesellschaft verwirklicht wird (BFH-Beschluss v. 25. 6. 1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405, 71

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH BStBl. II 1984, 751, unter C. III. 3. a…). Die Beteiligung eines oder mehrerer gewerblich tätiger Gesellschafter an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zwar nicht dazu, dass die Tätigkeit dieser sog. Zebragesellschaft insgesamt als gewerblich anzusehen wäre (BFH-Beschl. a. a. O., unter C. III. 3. b bb). Wird ein Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft von einem Gesellschafter im gewerblichen Betriebsvermögen gehalten, führt dies jedoch dazu, dass die Anteile dieses Gesellschafters an den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft bei ihm Betriebsvermögen sind. Sie sind diesem Gesellschafter getrennt zuzurechnen und – … – sind die Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch die Personengesellschaft bei ihm anteilig zu erfassen (vgl. BFH-Urt. in BFHE 185, 177, BStBl. II 1999, 401, unter II. 1. b cc).“ 2.2.3 Umwandlung in betriebliche Beteiligungseinkünfte „Ist an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft ein Gesellschafter betrieblich beteiligt, wandeln sich bei dem Gesellschafter die ihm zuzurechnenden Beteiligungseinkünfte in betriebliche Einkünfte um.“ 2.2.3.1 Vorlagebeschluss IX. Senat „Der vorlegende Senat ist der Ansicht, diese Umqualifizierung vollziehe sich außerhalb der ,Zebragesellschaft‘. Auf der Ebene der vermögensverwaltenden Personengesellschaft sei eine solche Umqualifizierung nicht möglich, weil die Art der Einkünfte einer Personengesellschaft durch die Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt werde und die Gesellschafter insoweit lediglich Einkünfte aus einer bestimmten (Überschuss-)Einkunftsart erzielt hätten (…). Daran ändere sich auch dann nichts, wenn sich diese Überschusseinkünfte materiell-rechtlich in der Hand eines betrieblich beteiligten Gesellschafters als Gewinnbestandteil seines Betriebs darstellten (ebenso z. B. … .). Der IX. Senat widerspricht damit jenen Stimmen im Schrifttum, wonach die Gewinnanteile an den Einkünften der Personengesellschaft verfahrensrechtlich auch dann einheitlich und gesondert festzustellen sind, wenn die Personengesellschaft mit ihrer Tätigkeit nur Überschusseinkünfte erzielt (z. B. …).“ 2.2.3.2 Großer Senat „Der Große Senat schließt sich dem vorlegenden IX. Senat an.“ 2.2.3.2.1 Begrenzte Reichweite des Feststellungsverfahrens „Die Vorschriften der § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO bezwecken, in verfahrensrechtlich gestufter und abschichtender Weise die 72

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH notwendigen Entscheidungen verbindlich vorzugeben, um auf dieser Grundlage die Folgebescheide erlassen zu können. In diesem Zusammenhang erfordert der Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 eine Beteiligung an ,den Einkünften‘, worunter der IX. Senat zu Recht die ,nämlichen Einkünfte‘ der Personengesellschaft versteht. Auch wenn danach für die einkommensteuerrechtliche Qualifi zierung der Einkünfte der Gesellschafter einer Personengesellschaft grundsätzlich maßgeblich ist, welche Einkunftsart durch die Tätigkeit der Gesellschaft, d. h. der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit verwirklicht wird, so folgt daraus nicht, dass es sich bei den Einkünften der Gesellschafter um die Einkünfte der ,von der Personengesellschaft verwirklichten Einkunftsart‘ handeln muss. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 setzt lediglich voraus, dass mehrere Personen gemeinschaftlich steuerpflichtige Einkünfte erzielen. Die Einkünfte der beteiligten Gesellschafter können anteilig einer anderen Einkunftsart zuzuordnen und unterschiedlich zu qualifi zieren sein. Das ändert jedoch nichts an der lediglich begrenzten verfahrensrechtlichen Reichweite der Feststellungswirkung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977, die sich stets nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale bezieht, nicht aber auf solche außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung. Diese Tatbestandsmerkmale treten vielmehr zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung des Gesellschafters hinzu. Sie gehören nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids. Die bei Beteiligung an einer sog. Zebragesellschaft erforderliche Umqualifi zierung im Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters berührt also nicht die Grundlagenentscheidung. ,Diese wird weiterhin als richtig anerkannt, erscheint nur auf der Ebene des Gesellschafters im Zusammenhang mit den genannten, außerhalb des Regelungsbereichs des Grundlagenbescheids liegenden Umständen in einem ‚anderen Licht‘ (so …). Die Entscheidung über Art und Höhe der betreffenden Einkünfte, die von außerhalb der Gesellschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmalen abhängig sind, muss deswegen auf der Ebene des Gesellschafters erfolgen.“ 2.2.3.2.2 Steuergeheimnis „Diese Auslegung entspricht zudem den rechtlichen Wertungen, die dem Steuergeheimnis zugrunde liegen (vgl. § 30 AO 1977). Allerdings hat der Gesellschafter das Risiko des Bekanntwerdens seiner Verhältnisse – bedingt durch seine Beteiligung an der Gesellschaft – selbst auf sich genommen. Insofern verhält es sich nicht anders als beispielsweise im Hinblick auf die (persönlichen) Sonderbetriebsausgaben und -einnahmen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), die ebenfalls ungeachtet des Schutzzwecks des Steuer73

Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH geheimnisses in die einheitliche und gesonderte Feststellung eingehen (ständige Rechtsprechung …); die Gesellschafter sind im Gewinnfeststellungsverfahren keine Dritten (vgl. BFH-Urteil …). Dementsprechend lässt § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 seit 1995 ausdrücklich die Einbeziehung solcher (anderer) Besteuerungsgrundlagen in das Feststellungsverfahren zu, die mit den betreffenden Einkünften im Zusammenhang stehen (vgl….). Für Beteiligungen an sog. Zebragesellschaften gilt dies jedoch nicht, weil die persönlichen Verhältnisse, die zur anteiligen Umqualifi zierung der Einkünfte führen, gerade in keinem Zusammenhang mit der Beteiligung stehen. Anders als Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben werden diese persönlichen Verhältnisse auch nicht durch eine materiell-rechtliche Vorschrift ausdrücklich den Beteiligungseinkünften zugeordnet. Mithin wird die einschränkende Auslegung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 den mit dem Steuergeheimnis verbundenen Zielsetzungen am ehesten gerecht (…).“ 2.2.3.2.3 Ordnungszweck „Die Auffassung des Großen Senats entspricht schließlich einerseits dem Ordnungszweck des Feststellungsverfahrens, verbindliche Entscheidungsvorgaben für alle (materiell-rechtlich) an der Einkunftsquelle Beteiligten zu liefern und divergierende Entscheidungen der Finanzämter möglichst auszuschließen. Sie verhindert andererseits eine unnötige Verkomplizierung der Rechtsanwendung, insbesondere für jene Sachverhalte, bei denen Gesellschafts-FA und Wohnsitz-Finanzamt nicht identisch sind und überdies – wie z. B. häufig bei Immobilien-Fonds – eine Vielzahl von Gesellschaftern mit unterschiedlichen Einkünften beteiligt ist. Hier würde die Einbeziehung der persönlich vom jeweiligen Gesellschafter verwirklichten Tatbestandsmerkmale das Gesellschafts-FA nötigen, sich die notwendigen Informationen bei den Wohnsitz-Finanzämtern zu beschaffen. Das aber ist vor allem bei mittelbar gehaltenen Beteiligungsketten kaum durchführbar. Vergleichbare Schwierigkeiten ergeben sich namentlich in den Fällen des gewerblichen Grundstückshandels, bei denen die Qualifi zierung der Einkünfte häufig und vor allem dann streitig ist, wenn einzelne Gesellschafter an mehreren vermögensverwaltenden Gesellschaften beteiligt sind und erst infolge der Anzahl dieser Beteiligungen in Verbindung mit Grundstücksveräußerungen durch einzelne Gesellschaften einen Gewerbebetrieb unterhalten. Hingegen bereitet es dem Wohnsitz-Finanzamt in der Regel keine größeren Schwierigkeiten, sich notwendige Informationen bei dem Gesellschafts-FA zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund hat die Auslegung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 durch den Großen Senat den Vorteil der größeren Praktikabilität und Verfahrensökonomie.“

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH 2.2.4 Keine Ping-Pong-Lösung „Allerdings wären diese Verfahrensziele möglicherweise besser durch wechselbezügliche verbindliche Feststellungen zu erreichen, wie sie im Wege einer teleologischen Auslegung der III. Senat (und dem folgend der X. Senat) des BFH für geboten hält (Urteile …). Hervorgehoben wird hierbei namentlich der Aspekt der besonderen Sachnähe der jeweiligen Finanzämter (…). Unproblematische und unumstrittene Sachverhalte, welche ,ein unnötiges lediglich formales Hin und Her zwischen Wohnsitz-FA und Gesellschafts-FA‘ nicht erforderten, ließen sich leicht durch Anwendung des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 bewältigen (..). Der Große Senat stimmt indes dem vorlegenden IX. Senat darin zu, dass es für derartige korrespondierende Feststellungen an den unerlässlichen Rechtsgrundlagen fehlt.“ 2.3 Hinweise (1) Dem Beschluss ist m. E. zuzustimmen.29 (a) Materiell-rechtlich sollte es nach Überwindung der sog. Bilanzbündeltheorie nicht fraglich sein, dass die Qualifi kation der Einkünfte der Gesellschafter sich nach den Merkmalen bestimmt, die sie in ihrer gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit erzielen. Folge: § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (gewerbliche Einkünfte) erzielt eine vermögensverwaltende Personengesellschaft nicht deshalb, weil ein oder mehrere Gesellschafter ihre Beteiligung in einem Betriebsvermögen halten. D. h., dieser persönliche Umstand färbt nicht auf die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte ab. Vielmehr erzielt lediglich der betrieblich beteiligte Gesellschafter laufende gewerbliche Einkünfte; Letzteres i. d. R. selbst im Falle der Veräußerung seines Gesellschaftsanteils30. (b) Verfahrensrecht. Auch wenn diese materiell-rechtliche Vorgabe dafür spricht, die Umqualifi kation erst auf der Stufe des Gesellschafters vorzunehmen und damit das F-Verfahren hiermit nicht zu belasten, lässt der Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO auch die Lösung der bisherigen h. M. zu. Der Kern der Argumentation des Großen Senats ist deshalb in der Abwägung zwischen den Komplikationen zu sehen, die sich einstellten, wenn entweder (aa) das Gesellschafts-FA die persönlichen Umstände des Gesellschafters ermitteln müsste (einschließlich der Gefahr divergierender Beurtei-

29 Gl. A. Fischer, NWB F 2, 8813; schroff ablehnend Lüdicke, DB 2005, 1813. 30 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 16 EStG Rz. 405; Ausnahme: Veräußerung zusammen mit eigenem Betrieb des Gesellschafters.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH lungen, bei Beteiligung des Gesellschafters an mehreren Zebra-Gesellschaft) oder (bb) das Gesellschafter-FA sich die Informationen über die zutreffende Bestimmung des gewerblichen Gewinnanteils beim Gesellschafts-FA beschaffen muss. M. E. hat sich der Große Senat hierbei – insbesondere unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen der FA – zutreffend für Lösung (2) entschieden.31 Allerdings hat er zu Recht auch auf die Vorzüge einer Ping-PongLösung hingewiesen (Entscheidungskompetenz entspr. Sachnähe), diese jedoch – wiederum zu Recht – mangels gesetzlicher Grundlage verworfen. (2) Die Finanzverwaltung wird durch den Beschluss des Großen Senats grundsätzlich bestätigt. Ob dies allerdings auch für die Billigkeitsregelungen gem. BMF BStBl. I 1994, 282 (Übernahme des freiwillig von der Zebragesellschaft ermittelten Gewinnanteils; bei Beteiligung bis 10 v. H. Übernahme des VuV-Ergebnisses i. V. m. Beteiligungskonto und späterem Veräußerungsgewinn, s. o.) gilt, war nicht Gegenstand der Entscheidung des Großen Senats. Man wird aber davon ausgehen können, dass die Verwaltung jedenfalls zunächst keine Veranlassung sieht, von ihrer bisherigen Praxis abzurücken. Hinweis: Das genannte Schreiben ist überholt mit Rücksicht darauf, dass in die Feststellung der von den Gesellschaftern erzielten private Einkünfte auch solche nach den §§ 17, 23 EStG einzustellen sind. Bezügl. § 17 EStG hat die Rspr. dies klar verworfen; bezügl. § 23 EStG kann m. E. nichts anderes gelten. (3) Einzelheiten und Kritik (a) Die Grundsätze des Großen Senats gelten auch, wenn mehrere Gesellschafter der Zebragesellschaft betrieblich beteiligt sind.32 (b) Bezügl. der Besteuerung der laufenden Einkünfte aus der Zebragesellschaft ist zu beachten, dass die Wirtschaftsgüter beim betrieblich Beteiligten zum Umlaufvermögen gehören können (z. B. gewerblicher Grundstückshändler) mit der Folge, dass AfA nicht zu gewähren sind33. (c) In der Literatur wird aus dem Beschluss abgeleitet, für die Zebra-Gesellschafter seien auch dann Einkünfte aus VuV festzustellen, wenn

31 A. A. Lüdicke, DB 2005, 1813, 1814; Dürrschmidt/Friedrich-Vache, DStR 2005, 1515; krit. Kempermann, FR 2005, 1030. 32 Fischer, NWB F 2, 8813, 8820. 33 Fischer, NWB F 2, 8813, 8820.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH sie keine Einkunftserzielungsabsicht (sog. Liebhaberei) hätten34. Dem ist m. E. nicht zu folgen. Vielmehr ist entsprechend der Vorgabe des Großen Senats danach zu differenzieren, ob diese bezügl. der Einkünfte aus VuV oder bezügl. der gewerblichen Beteiligungseinkünfte vorliegt. Beides muss (insbesondere mit Rücksicht auf die unterschiedliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen sowie die betriebliche Funktion der Zebra-Beteiligung) nicht zu gleichsinnigen Ergebnissen führen. Jedenfalls entfaltet eine ablehnende Entscheidung im F-Verfahren (betr. die VuV-Einkünfte der Zebra-Gesellschafter) keine Bindungswirkung für die Einkunftserzielungsabsicht des gewerblich Beteiligten35. (d) Die Erklärungspfl icht für das Vorliegen gewerbl. Beteiligungseinkünfte trifft erstens den Beteiligten selbst; sie liegt zweitens außerhalb des F-Verfahrens36. Die Handhabung dieser Grundsätze ist problemlos im Hinblick auf die Art der vom Gesellschafter erzielten Einkünfte; d. h., es liegt in seinen persönlichen Umständen und damit in seiner Sphäre, ob er betrieblich beteiligt ist. Schwierigkeiten können sich hingegen im Hinblick auf die Angaben zur Höhe der erzielten Beteiligungseinkünfte ergeben (s. dazu unten). (e) Erzielen die Gesellschafter der Zebra-GbR in ihrer Verbundenheit Einkünfte aus VuV, so ist – diesbezüglich – die Außenprüfung nach std. Rspr. nicht bei der GbR, sondern gegenüber den Gesellschaftern anzuordnen (§ 193 Abs. 2 Nr. 2 AO37). Der Hinweis im Vorlagebeschluss des IX. Senats (BStBl. II 2003, 167 zu Abschn. B V 4 b/bb) auf die Bestimmung des § 194 Abs. 2 AO (Einbeziehung der steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter in die bei einer Gesellschaft durchgeführten Außenprüfung) dürfte hieran nichts geändert haben.38 (f) Konsequenz der Ansicht des Großen Senats ist – wie bereits dargelegt – auch, dass der Gesellschafter die Höhe seines gewerblichen Gewinnanteils – ggf. nach Bilanzierungsgrundsätzen – ermitteln und gegenüber dem Gesellschafter-FA erklären muss, das wiederum die Erklärung zu überprüfen hat. In der Praxis scheint dieser etwas umFischer, NWB F 2, 8813, 8820. Insoweit gl. A. Fischer, NWB F 2, 8813, 8820. Fischer, NWB F 2, 8813, 8820. Vgl. BFH, Urt. v. 18. 10. 1994 – IX R 128/92, BStBl. II 1995, 291; v. 25. 3. 2003 – IX R 106/00, BFH/NV 2004, 1379; zur Abgrenzung in Fällen einer sog. ScheinKG vgl. BFH v. 19. 2. 1996 – VIII B 4/95, BFH/NV 1996, 660; v. 28. 4. 1998 – IX R 24/94, BFH/NV 1998, 1192: Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 1 AO. 38 Vgl. auch Fischer, NWB F 2, 8813, 8821 f.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH ständliche Weg – jedenfalls nach den der Rspr. bekannt gewordenen Sachverhalten – ohne größere Komplikationen zu funktionieren, weil entweder die Zebra-Gesellschaft ihrem Gesellschafter oder das Gesellschafts-FA dem Gesellschafter-FA die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellt (vgl. Beschluss des GrS, aaO, zu C 3 b/cc: „es bereitet dem (Gesellschafter-)FA regelmäßig keine größeren Schwierigkeiten, sich die notwendigen Informationen beim Gesellschafts-FA zu beschaffen; vgl. auch Vorlagebeschluss, aaO, zu Abschn. B V 4/c: „allenfalls theoretische Gefahr,… da auch im Streitfall nicht die Höhe der vom Gesellschafter-FA ermittelten Einkünfte … streitig“). A. A. J. Lüdicke39: Der Gesellschafter habe keinen ausreichenden Informationsanspruch gegen die Zebra-Gesellschaft und sei deshalb den Ermittlungsergebnissen der FA unter Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit „hilflos ausgeliefert“. Eine solche Rechtsschutzlücke verletzte aber das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Ansicht steht – bereits im Ausgangspunkt – im Widerspruch zur Beurteilung des Vorlagebeschlusses des IX. Senats (aaO, zu Abschn. B III 4/d), der m. E. zutreffend darauf hinweist, dass selbst einem Kommanditisten neben den Rechten des § 166 Abs. 1 HGB (Abschrift des Jahresabschlusses, Überprüfung durch Einsichtnahme in Bücher und Papiere) ein allgemeines Informationsrecht – auch für Zwecke der Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten – zusteht40. Für BGB-Gesellschafter sind insbesondere die Einsichts- und Auskunftsrechte nach den §§ 713, 716 BGB zu beachten.41 Hinzu kommt, dass die Ermittlung des gewerblichen Gewinnanteils eines oder mehrer Gesellschafter dann auf die Rechnungslegung der Zebra-Gesellschaft zurückgreifen kann, wenn diese in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft geführt wird und damit nach den §§ 6, 105 Abs. 2, 238 HGB handelrechtlich zur Buchführung verpflichtet ist (vgl. auch § 140 AO; zur – nicht buchführungspflichtigen ZebraGbR – s. Schlagheck42).

39 J. Lüdicke, DB 2005, 1813. 40 Dazu Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 166 HGB Rz. 11; zur gerichtlichen Anordnung nach § 166 Abs. 3 HGB s. z. B. OLG Hamm, DB 2005, 2683. 41 Zu Mitteilungspfl ichten nach § 259 BGB s. auch Wollny, DStZ 1985, 107, 110, Fn. 23. 42 Schlagheck, StuB 2003, 346, 349.

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Wacker, Aktuelle Rechtsprechung des BFH (g) Fraglich ist schließlich4*, ob an der Rechtsprechung des I. Senats des BFH43 , nach der Einkünfte, die beim Gesellschafter nicht steuerpfl ichtig sind, grds. nicht Gegenstand einer einheitlichen Feststellung sein können, festgehalten werden kann (vgl. hierzu – sowie zu den Implikationen für dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Ergebnisanteile – auch den allerdings vor Veröffentlichung des Zebra-Beschlusses des Großen Senats verfassten Beitrag von Griemla44).

43 BFH, Urt. v. 24. 2. 1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 44 Griemla, FR 2005, 719.

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Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand im Steuerrecht Dr. Stephan Eilers, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Köln Dr. Adalbert Rödding, LL.M. Rechtsanwalt, Steuerberater, Köln Inhaltsübersicht I. Das gegenwärtige Finanzierungsumfeld 1. Einführung – Grundsatz der Finanzierungsfreiheit 2. Außersteuerliche Einschränkungen des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit 3. Steuerliche Einschränkungen des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit II. Aktuelle Trends bei hybriden Finanzierungsinstrumenten 1. Genereller Trend 1.1 Begriff 1.2 Entwicklung 1.3 Ausgestaltungsformen 1.4 Charakteristika 1.5 Vorteile 1.6 Nachteile 1.7 Vergütung 2. Handelsrechtliche Vorgaben 2.1 Nachrangigkeit

3. 4.

III. 1. 2.

IV.

2.2 Erfolgsabhängige Vergütung 2.3 Teilnahme am Verlust 2.4 Längerfristigkeit Vorgaben nach IAS/IFRS Steuerliche Vorgaben 4.1 Allgemeine Voraussetzungen zur steuerlichen Abzugsfähigkeit 4.2 Gewerbesteuerliche Auswirkung 4.3 § 8a KStG 4.4 Behandlung beim Investor 4.5 Einbehalt von Kapitalertragsteuer Beispiele aus der Praxis IAS/IFRS kompatible Hybridanleihen PREPS (Preferred Pooled Shares) 2.1 Strukturmerkmale 2.2 Steuerliche Behandlung von PREPS Zertifi katen 2.3 Emissionsvehikel Zusammenfassung

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand

I. Das gegenwärtige Finanzierungsumfeld1 1. Einführung – Grundsatz der Finanzierungsfreiheit Trotz Erhöhung der Leitzinsen in den letzten Jahren besteht für Unternehmen nach wie vor ein günstiges Marktumfeld für die Finanzierung durch Fremdkapital. Die zunehmende Einengung der rechtlichen Rahmenbedingungen – und damit der weiteren Einschränkung des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit – wird dem Trend zur weiteren Fremdfi nanzierung wohl keinen Einhalt gebieten können. Angesichts der zunehmend restriktiven Haltung der Kreditwirtschaft bei der Vergabe von Fremdmitteln wird dabei die Bedeutung von hybriden2 Finanzierungsinstrumenten weiter zunehmen. Neben allgemeinen konjunkturellen Vorgaben und etwaigen Beschränkungen durch die tatsächlichen Gegebenheiten im konkreten Finanzierungsumfeld, sind es sowohl außersteuerliche wie auch steuerliche Rahmenbedingungen, die den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit3 immer weiter einschränken.

1 Arntz/Custodis/Häuselmann/Maibaum, Strukturierte Finanzierungen im Bilanz- und Steuerrecht, Innovative und bewährte Finanzprodukte erfolgreich umsetzen, Euroforum 2006; Bösl/Sommer (Hrsg.), Mezzanine Finanzierung, 2006; Ballof, Mezzanines Kapital, Alternative Finanzierungsmöglichkeiten für den Mittelstand?, EStB 2006, 426; Breuninger/Prinz, Ausgewählte Bilanz- und Steuerrechtsfragen von Mezzaninefi nanzierungen, DStR 2006, 1345; Brohkamp/Hölzer, Innovative Finanzierungen mittels mezzaniner Finanzinstrumente, FR 2006, 272; Carlé/Rosner, Mezzanine-Finanzierungen, KÖDSI 2006, 15365; Golland/Gehlhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, Mezzanine-Kapital, Beilage zu BB 2005, Heft 13; Elser/Jetter, Steuereffi ziente Ausgestaltung von Mezzaninekapital, Finanz Betrieb 2005, 625; Kahle/Dahlke, IFRS für mittelständische Unternehmen?, DStR 2007, 313; Küting/Dürr, Mezzanine-Kapital – Finanzierungsentscheidung im Sog der Rechnungslegung, DB 2005, 1529; Marx/Kaufmann, Mezzanine Finanzierungsinstrumente im internationalen Steuerrecht, SteuerStud 2006, 304; Sultana/Willeke, Bilanzierung von Mezzanine-Kapital – Darstellung und Abbildung im handelsrechtlichen Jahresabschluss, StuB 2006, 220; Vater, „Ewige Anleihen“: Funktionsweise, Einsatzzweck und Ausgestaltung, Finanz Betrieb 2006, 44; Wagner, Bilanzfragen und steuerliche Aspekte bei hybriden Finanzierungen, Der Konzern 2005, 499. 2 Zum Begriff siehe unten II 1.1. 3 Dazu ausführlich Eilers in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfi nanzierung im Mittelstand (erscheint demnächst), Teil A.; aus steuerlicher Sicht; BFH v. 5. 2. 1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 533 ff.; v. 6. 11. 2003– IV R 10/01, BFH/NV 2004, 697.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand 2. Außersteuerliche Einschränkungen des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit Gesellschaftsrechtliche, kapitalmarktrechtliche und bilanzrechtliche Regelungen, die allgemeine konjunkturelle Lage und das Finanzierungsumfeld schränken neue Finanzierungsinstrumente ein. Besondere Bedeutung kommt den bilanzrechtlichen Bestimmungen zu. In den maßgeblichen Rechnungslegungsstandards wie HGB und IAS/IFRS existieren unterschiedliche Anforderungen für die Qualifikation des Eigenkapitals. Zudem schränkt das Gesellschaftsrecht Finanzierungsinstrumente nach jüngeren Entscheidungen des BGH stark ein. So hat der BGH zum einen entschieden, dass konzerninterne „upstream“ Finanzierungen nur aus freiem, nicht gebundenem Vermögen der Tochterkapitalgesellschaften hingegeben werden dürfen, selbst wenn der Rückzahlungsanspruch im Einzelfall voll werthaltig ist4. Weiter wird die konzernweite Errichtung eines Cash-Pooling-Systems dadurch erschwert, dass auch innerhalb des Pools die gesetzlichen und die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kapitalaufbringungsregeln beachtet werden müssen und kein Sonderrecht für Cash-Pooling-Syteme besteht5. Kapitalmarktrechtliche Einschränkungen ergeben sich für einzelne Instrumente, wie zum Beispiel Genussrechte, für die nur eine eingeschränkte Handelbarkeit besteht. In diesem Umfeld haben sich hybride Finanzierungsinstrumente unter institutionellen Investoren etabliert. Unter den Anlegern finden sich neben Banken vermehrt auch Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen und Fondgesellschaften. Hybride Finanzierungen stellen eine Alternative zu den herkömmlichen Fremdkapitalinstrumenten dar, insbesondere weil sie flexibel ausgestaltet werden können, so dass sie handelsrechtlich als Eigenkapital und steuerlich als Fremdkapital zu qualifi zieren sind. Allerdings ist eine adäquate Versorgung mit hybriden Finanzierungsinstrumenten noch nicht gewährleistet. Für einige Unternehmen bestehen Angebotslücken, die sich erst langsam zu schließen beginnen. Neue hybride Finanzierungsinstrumente sehen Zinssätze von 10 % und mehr vor und erscheinen deswegen als „teuer“. 3. Steuerliche Einschränkungen des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit Der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit wird durch zahlreiche steuerliche Regelungen eingeschränkt. Dies ist insbesondere für hybride Finanzierungsinstrumente relevant. In steuerlicher Hinsicht können hybride Finanz4 BGH v. 24. 11. 2003 – II ZR 171/01, DStR 2004, 427. 5 BGH v. 16. 1. 2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand instrumente den strengen Regulierungen der Gesellschafterfremdfinanzierung im Sinne des § 8a KStG unterliegen. Der Zinsabzug kann also eingeschränkt sein. Ebenso ist die eingeschränkte Nutzung von Verlustvorträgen gemäß § 8 Abs. 4 KStG i. V. m. § 10d EStG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf Reformbestrebungen stand die Erhöhung der Mindestbesteuerung im Rahmen des § 10d Abs. 2 EStG zu Diskussion. Von diesen Plänen scheint der Gesetzgeber aber Abstand genommen zu haben. Das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) führte zu einer Streichung von § 12 Abs. 3 UmwStG. Dadurch gehen Verlustvorträge bei Verschmelzungen nicht mehr auf die übernehmende Gesellschaft über. Die nunmehr verabschiedete Unternehmensteuerreform 2008 sieht die Streichung von § 8a KStG in seiner bisherigen Fassung vor. Die wesentliche Änderung besteht in der Einführung einer Zinsschranke. Die zentralen Normen sind § 4h EStG und § 8a KStG n.F. Der Gesetzgeber beabsichtigt, mit den Regelungen zur Zinsschranke die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zur Sicherung inländischen Steuersubstrats sowie zur Vermeidung missbräuchlicher Steuergestaltungen zu beschränken. Grundsätzlich sollen Zinsaufwendungen nur noch bis zur Höhe von 30 % des EBiTDA steuerlich abzugsfähig sein. Änderungen in den genannten Vorschriften werden die steuerlichen Unsicherheiten bei der Strukturierung von Finanzierungen erhöhen. Traditionell mit geringer Eigenkapitalbasis ausgestattete Mittelstandsunternehmen werden unter den Mehrbelastungen zu leiden haben.

II. Aktuelle Trends bei hybriden Finanzierungsinstrumenten 1. Genereller Trend Der Einengung der rechtlichen Vorgaben der Unternehmensfinanzierung begegnet die Praxis mit immer ausdifferenzierteren Finanzierungsformen. Derlei Finanzierungsformen zielen darauf ab, handelsrechtlich einen Ausweis als Eigenkapital zur erreichen, um die Eigenkapitalquote des Unternehmens zu erhöhen. Gleichzeitig soll die steuerrechtliche Qualifikation als Fremdkapital der Zinsabzug erhalten bleiben. 1.1 Begriff Hybride Finanzierungsinstrumente sind begrifflich Teil der sog. „Mezzanine Finanzierung“. Der Begriff Mezzanine stammt aus der Architektur 84

Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand und bezeichnet ein Zwischengeschoss zwischen zwei Hauptstockwerken. Er ist Oberbegriff für eine Vielzahl hybrider Finanzierungen. Mezzanine Finanzierungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihrem Wesen nach zwischen Eigenkapital und Fremdkapital anzusiedeln sind. Je nach Ausgestaltungsform sind sie bilanziell dem Eigenkapital oder dem Fremdkapital zuzuordnen. 1.2 Entwicklung Basel II6 hat dazu beigetragen, dass Kreditinstitute die Kreditvergabe wesentlich restriktiver handhaben. Denn bei der Kreditvergabe muss seitdem das Rating eines Unternehmens mit einbezogen werden. Mitverantwortlich für diese Entwicklung sind unter anderem die große Zahl von Unternehmensinsolvenzen, die zu hohen Ausfällen bei den Kreditinstituten führten. Traditionell ist die Eigenkapitalausstattung im deutschen Mittelstand im internationalen Vergleich sehr niedrig. Mezzanine Finanzierungsinstrumente sollen dazu beitragen, die Eigenkapitalquote zu verbessern. Dadurch schafft sich das Unternehmen eine bessere Verhandlungsposition bei der Vergabe von Krediten. Denn eine bessere Eigenkapitalausstattung führt zu besseren Konditionen bei der Vergabe dieser klassischen Finanzierungsinstrumente. Mezzanine Kapital steht zwischen Fremdkapital und Eigenkapital. Da es aber nicht in diesem Sinne in der Bilanz ausgewiesen werden darf, kann es nur als Eigenkapital oder Fremdkapital ausgestaltet werden. Handelsbilanziell besteht ein Interesse, das Mezzanine Kapital als Eigenkapital auszugestalten, während steuerrechtlich gerade ein Interesse besteht, das Instrument so auszugestalten, dass es Fremdkapital darstellt, um einen Betriebsausgabenabzug zu erreichen. Außerdem erhöhen hybride Finanzierungen die Möglichkeit für Unternehmen, nach Ausschöpfung der herkömmlichen Finanzierungen, sich Liquidität zu verschaffen7. 1.3 Ausgestaltungsformen Mezzanine Finanzierungsinstrumente werden eingeteilt in solche mit Eigenkapitalausrichtung, hybride Formen und solche mit Fremdkapitalausrichtung. Als Mezzanine Finanzierungsinstrument mit Eigenkapitalausrichtung gilt die atypisch stille Beteiligung. Genussrechte können sowohl als Eigenkapital als auch als Fremdkapital ausgestaltet werden. Hybride Formen der Mezzanine Finanzierung sind Wandel- und Optionsanleihen. Darunter fallen auch die ewigen Anleihen, die auch „Perpetual Bonds“ genannt werden. Mezzanine Finanzierungsinstrumente mit Fremdkapitalausrichtung sind Nachrangdarlehen, auch Junior Debt genannt, Verkäu6 Dazu Steiner/Schiffel in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 3 ff. 7 Wagner, Der Konzern 2005, 499.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand ferdarlehen („Vendor Note“), die typisch stille Beteiligung und partiarische Darlehen. 1.4 Charakteristika Mezzanine Finanzierungsinstrumente zeichnen sich durch eine längerfristige, aber zeitlich befristete Kapitalüberlassung von in der Regel vier bis acht Jahren aus (teilweise aber auch länger). Die Vergütung für die Überlassung des Kapitals ist höher als bei klassischem Fremdkapital. Denn es besteht ein höheres Risiko, weil Mezzanine Finanzierungen üblicherweise nachrangig sind und Sicherheiten in der Regel nicht bestellt werden. Die Vergütung ist meist erfolgsabhängig und flexibel ausgestaltet. Der Kapitalgeber verzichtet in der Regel auf die Bestellung von Sicherheiten und nimmt unter Umständen am Verlust teil. Steuerlich wird das Mezzanine Kapital unter Umständen gegenüber dem Eigenkapital dadurch bevorzugt, dass die Vergütung als Betriebsausgabe abzugsfähig ist. Letztlich zeichnen sich Mezzanine Finanzierungsinstrumente auch dadurch aus, dass sie Mitspracherechte und Kontrollrechte – die deutlich geringer sind als bei einem Eigenkapitalgeber – des Kapitalgebers flexibel regeln. 1.5 Vorteile Die Vorteile der Mezzanine Finanzierung bestehen darin, dass sich die Eigenkapitalquote erhöht, soweit das Mezzanine Kapital als Eigenkapital anerkannt wird. Damit verbessern sich die bilanziellen Kennzahlen. Die Bonität und das Rating des Unternehmens können sich verbessern. Der Fremdfinanzierungsspielraum weitet sich aus. Zudem kann sich die Liquiditätssituation zur Finanzierung von Investitionen verbessern. Denn die laufende Liquiditätsbelastung wird – bei einer Endfälligkeit von Zinsen und Tilgung – gesenkt. Damit können die Cash Flows für Investitionen genutzt werden. Vorteilhaft ist weiterhin, dass das Kapital unbesichert gewährt wird, da die Finanzierung auf dem Cash Flow basiert. Somit bleiben die vorhandenen Sicherheiten für vorrangige Finanzierungen frei. Die Vergütungen können dem erwarteten Cash Flow angepasst werden. Die bisherigenKapitalstrukturen,GesellschafterstrukturenoderStimmrechtsverhältnisse bleiben im Regelfall über die Laufzeit der Finanzierung erhalten. Der wesentliche Einfluss auf die unternehmerische Führung bleibt beim Management. Bei entsprechender Gestaltung sind die auf Mezzanine Kapital gezahlten Vergütungen steuerlich beim Kapitalnehmer als Betriebsausgabe abzugsfähig.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand 1.6 Nachteile Allerdings dürfen auch die mit der Mezzaninen Finanzierung verbundenen Nachteile nicht ungenannt bleiben. Die Vergütung für Mezzanine Kapital ist deutlich höher als die Vergütung klassischer Kredite. Denn aufgrund der Nachrangigkeit ist das Ausfallrisiko für den Kapitalgeber deutlich höher als bei der reinen Finanzierung durch Kredite. Für die Vergütung bedarf es eines stabilen, nachhaltigen Cash Flows, damit der Kapitalgeber bedient werden kann. Allerdings relativieren sich die Mehrkosten, weil die Vergütung meist aus einer Kombination von fester und variabeler Verzinsung besteht und die Vergütung häufig endfällig zu leisten ist. Bedingung für eine erfolgreiche Durchführung der Mezzaninen Finanzierung ist, dass das Unternehmen die im Voraus definierten finanziellen Ziele beziehungsweise den Businessplan erreicht. Diese sog. Covenants für die Gewährung von Mezzanine Kapital sind gegenüber der klassischen Fremdfinanzierung in der Regel deutlich schärfer formuliert. Es bestehen umfassende Berichtspflichten und Verhaltenspflichten8. 1.7 Vergütung Mezzanine Finanzierungsinstrumente zeichnen sich durch verschiedene Entgeltkomponenten aus. In der Regel sehen sie eine feste Verzinsung auf das Mezzanine Kapital vor. Dabei kann es sich um eine laufende Verzinsung handeln. Denkbar ist auch eine endfällige Verzinsung, die dazu führt, dass die Liquiditätsabflüsse am Anfang der Laufzeit niedrig sind. Außerdem kann das Mezzanine Finanzierungsinstrument als Vergütung eine Beteiligung am Gewinn des Unternehmens vorsehen. Letztlich ist eine einmalige Vergütung am Ende der Laufzeit, beim Exit des Kapitalgebers denkbar (Kicker-Komponente). Es handelt sich um eine variable Entgeltkomponente. Sie ermöglicht die Teilnahme am Unternehmenserfolg. Der Kicker kann ganz verschieden ausgestaltet sein. Bei dem Non-Equity-Kicker handelt es sich um eine vorher fest vereinbarte Sondervergütung am Ende der Laufzeit. Er wird auch als Back End Fee oder Back Ended Fee bezeichnet. Der Equity Kicker dagegen räumt Bezugsrechte, Optionsrechte, Wandlungsrechte oder Umtauschrechte an Geschäftsanteilen oder Aktien der Gesellschaft zu einem festen Betrag ein. In diesem Fall erlischt der Rückzahlungsanspruch des Fremdkapitalgebers gegen unmittelbare Gewährung von Geschäftsanteilen. Über den Beteiligungserwerb partizipiert der Kapitalgeber an der Steigerung des Unternehmenswertes. Daneben gibt es den virtuellen Equity-Kicker. Es handelt sich um eine Sonderzahlung, die an die Wertsteigerungen des Unternehmens geknüpft beziehungsweise sich nach dem Un8 Jetter in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfi nanzierung im Mittelstand (erscheint demnächst), Teil C I.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand ternehmenswert bemisst. Die Vergütung kann auch ergebnisabhängig an den Jahresüberschuss gebunden sein. Variable Entgeltvereinbarungen, die in Form einer ergebnisabhängigen Vergütung gestattet werden beinhalten aber allgemein das Risiko, nicht den steuerlichen Betriebsausgabenabrechnung zu erreichen, § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG. Etwas anderes kann gegebenenfalls für den virtuellen Equity-Kicker gelten. 2. Handelsrechtliche Vorgaben Die Normen des HGB sind von einem materiellen Eigenkapitalbegriff geprägt9. Im Vordergrund stehen die Gläubigerschutzfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und das Kapitalerhaltungskonzept10. Nach § 247 Abs. 1 HGB ist das Eigenkapital gesondert von den Schulden sowie den Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen und hinreichend aufzugliedern. Für Kapitalgesellschaften und bestimmte Personenhandelsgesellschaften bestimmen die §§ 266 Abs. 3, 272 HGB, wie das Eigenkapital aufzugliedern ist. Der Hauptfachausschuss des Institut der Wirtschaftsprüfer e. V. (IdW) hat in der Stellungnahme HFA 1/1994 „Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften“ Kriterien zur Einordnung von Genussrechten als Eigen- oder Fremdkapital definiert. Zwar hat das IdW in RS – HFA 7 vom 1. 10. 2002 speziell für Personenhandelsgesellschaften vorgesehen, dass eine Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung für die Eigenkapitalqualifi kationen nicht mehr notwendig ist11. Die allgemeinen Anforderungen des „Genussrechtstests“ dürften dadurch aber nicht aufgehoben sein. Diese Grundsätze sind daher auch weiterhin auf andere hybride Finanzierungsinstrumente für die Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigenkapital übertragbar12 . Die Einordnung mezzaniner Finanzierungsinstrumente als Eigen- oder Fremdkapital aus Sicht der Banken orientiert sich an § 10 KWG. Damit kommt ungeachtet der bilanziellen Behandlung für Finanzierungszwecke die Einordnung zum Beispiel der stillen Beteiligung als eigenkapitalähnlich in Betracht. Darunter fallen neben Ergänzungskapital auch Drittrangmittel13.

9 BFH v. 22. 8. 1990 – I R 119/86, BStBl. II 1991, 415; v. 13. 7. 1999 – VIII R 31/98, BStBl. II 1999, 724; Winnefeld, Bilanz-HB, Kapitel D, Rz. 1691; Küting/Dürr, DB 2005, 1529, 1530. 10 Winnefeld, Bilanz-HB, Kapitel D, Rz. 1665, 1674; Küting/Dürr, DB 2005 1529, 1530. 11 Siehe auch Beschluss der Bundessteuerberaterkammer, DStR 2006, 668. 12 WPg 1994, 419 ff.; WPg 1998, 891 ff.; siehe auch Brokamp/Hölzer, FR 2006, 272, 273 f.; vgl. für die Stille Gesellschaft: Küting/Dürr, DB 2005 1529, 1532. 13 Schimpfky in Bösl/Sommer, S. 148.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand Nach handelsrechtlichen Vorschriften (HGB) ist ein Ausweis als bilanzielles Eigenkapital nur möglich, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind14: 2.1 Nachrangigkeit Eine Nachrangigkeit im Sinne des IDW-Standards ist anzunehmen, wenn dem Gläubiger im Falle der Insolvenz oder Liquidation ein Rückzahlungsanspruch erst dann zusteht, nachdem alle anderen Gläubiger befriedigt und hinreichend gesichert wurden15. Es bedarf also der Vereinbarung einer Nachrangklausel, wonach der Rückzahlungsanspruch des jeweiligen Darlehensgebers im Falle der Insolvenz oder Liquidation erst nach Befriedigung aller vorrangig berechtigten Gläubiger erfolgen darf. Das Charakteristikum der Nachrangigkeit impliziert die dem Eigenkapital eigene Haftungs- und Risikofinanzierungsfunktion des Mezzanine Kapitals16. Gegenüber den Forderungen der Gesellschafter sind die Forderungen, die hybride Finanzierungsinstrumente begründen, allerdings vorrangig17. 2.2 Erfolgsabhängige Vergütung Der Eigenkapitalcharakter erfordert die Erfolgsabhängigkeit der Vergütung. Eine Erfolgsabhängigkeit liegt vor, wenn die Vergütung für das Mezzanine Kapital nur aus Eigenkapitalbestandteilen, die nicht besonders gegen Ausschüttungen durch Kapitalerhaltungsvorschriften geschützt sind, erfolgt. Wenn das Unternehmen eine bilanzielle Behandlung als Eigenkapital anstrebt, scheidet die Vereinbarung einer Mindest- oder Grundverzinsung allein aus. 2.3 Teilnahme am Verlust Das Eigenkapital muss bis zum Zeitpunkt seiner Rückführung in voller Höhe an den aufgelaufenen Verlusten vor den besonders gegen Ausschüttungen geschützten Eigenkapitalbestandteilen teilnehmen. Ein Ausweis als handelsrechtliches Eigenkapital scheitert, wenn aufgrund der Mezzanine Finanzierungsvereinbarung eine Teilnahme am Verlust ausgeschlossen ist.

14 Vgl. Ellrot/Krämer in Beck Bil-Komm., § 266 HGB, Rz. 185 ff.; Winnefeld, BilanzHB, Kapitel D, Rz. 1665, 1674. 15 Winnefeld, Bilanz-HB, Kapitel D, Rz. 1694. 16 Küting/Dürr, DB 2005 1529, 1531. 17 Küting/Dürr, DB 2005 1529, 1531.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand 2.4 Längerfristigkeit Ein Eigenkapital-Finanzierungsinstrument muss durch Nachhaltigkeit geprägt sein. Die bilanzmäßige Behandlung als Eigenkapital erfordert allerdings nicht, dass der Investor auf eine Rückzahlung bis zur Liquidation oder Insolvenz des Unternehmens verzichtet18. Vielmehr muss es sich um eine langfristige Kapitalüberlassung handeln, die mit einer mindestens 5-jährigen Kapitalüberlassung verbunden sein muss, während der die Beteiligung nicht kündbar ist. Die Fünfjahresfrist wurde aus den für Banken geltenden Regelungen gem. § 10 Abs. 5 KWG entnommen und soll analog für die bilanzielle Behandlung von stillen Beteiligungen und Genussrechten Geltung haben. Darüber hinaus sieht § 10 Abs. 5 KWG vor, dass der Rückzahlungsanspruch nicht in weniger als 2 Jahren fällig sein darf. Entsprechend sieht die IDW-Stellungnahme von der Festsetzung einer Mindestdauer ab. 3. Vorgaben nach IAS/IFRS Die Anforderungen an die Bilanzierung einer Mezzanine Finanzierung als Eigenkapital sind nach IAS/IFRS noch strenger19. Ziel der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze IAS/IFRS ist es, zunehmend komplexere Finanzierungsinstrumente sachgerecht im Jahresabschluss abzubilden. Sie knüpfen daher nicht an einzelne Bilanzpositionen für Ansatz und Bewertung, sondern nach IAS 32.18 an die wirtschaftliche Substanz der Finanzierungsinstrumente an. Nach IAS 32.11 umfassen finanzielle Schulden vertragliche Verpflichtungen, die das Unternehmen zur Übertragung von Geld oder anderen finanziellen Vermögenswerten auf einen Dritten oder zum Tausch von Finanzinstrumenten mit einem Dritten unter potenziell nachteiligen Bedingungen verpflichtet. Darüber hinaus erfasst IAS 32.11 Verträge über bestimmte derivative oder nicht derivative Finanzinstrumente, die in eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens erfüllt werden oder erfüllt werden können. Ein Finanzinstrument in diesem Sinne ist also ein Vertrag, der gleichzeitig bei dem Investor zu einem finanziellen Vermögenswert und bei dem Unternehmen zu einer finanziellen Verbindlichkeit (Schulden) führt. Entscheidend ist, dass es sich um einen Austausch monetärer Vermögenswerte handelt. Für die Bilanzierung im deutschen Handels- und Steuerrecht ist in der Regel entscheidend, wie die Finanzierungsinstrumente im Einzelnen ausgestaltet sind. Dagegen ist dies in einem IAS/IFRS-Abschluss wegen dieser abstrakten Definition ohne Bedeutung. Nach IAS 32.18 (b), 32.19 (b) liegt eine finanzielle Verbindlich18 Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Kapitel D, Rz. 1695. 19 Kahle/Dahlke, DStR 2007, 313.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand keit vor, wenn dem Inhaber eine Kündigungsmöglichkeit oder ein anderes Rückgaberecht zusteht (puttable instrument20), oder wenn sich der Emittent der vertraglichen Verpflichtung zur Abgabe von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten unterworfen hat. Nach IAS 32.20 führt bereits eine faktische Verpflichtung, die sich indirekt aus den Vertragsbedingungen ableiten lässt, zu einer Fremdkapitaleinstufung. Alle Finanzinstrumente, die pflichtgemäß oder wahlweise einen Rückzahlungsanspruch begründen, sind auch bei hinausgeschobener Fälligkeit oder Nachrangigkeit als Verbindlichkeit und nicht als Eigenkapital zu behandeln21. Die Kündigungsfrist oder die Dauer der Überlassung des Kapitals sind keine Kriterien für die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital. Daher ist zum Beispiel langfristig rückzahlbares Genussrechtskapital, das nach HGB dem Eigenkapital zuzuordnen ist, nach IAS/IFRS als Fremdkapital auszuweisen. Dies gilt auch für eine stille Beteiligung aufgrund des Rückzahlungsanspruchs. Daraus kann sich die Notwendigkeit zur Anpassung von Kapitalüberlassungsvereinbarungen mit Dritten ergeben, wenn diese an eine bestimmte Eigenkapitalausstattung anknüpfen. Das Finanzierungsinstrument ist nach IAS 39.14 erstmalig zu bilanzieren, wenn das Unternehmen Vertragspartner wird und zur Leistung oder Gegenleistung verpflichtet oder berechtigt wird. Ein Eigenkapitalinstrument bzw. Eigenkapital ist nach IAS 32.11 ein Vertrag, der einen Residualanspruch an den Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller dazugehörigen Verbindlichkeiten begründet22 . Verpflichtungen dürfen sich lediglich im Rahmen der Ergebnisverwendung aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen ergeben. Unter einem Residualanspruch versteht man einen Anspruch auf den verbleibenden Rest oder einen nachrangigen Anspruch des Eigenkapitalgebers. Entscheidend für die Qualifi kation als Eigenkapital ist die Dauerhaftigkeit des Verbleibs der Ressource im Unternehmen. Dabei kommt es auf einen objektiven Standpunkt und nicht auf eine Betrachtung aus der Perspektive des Investors an. Ein Eigenkapitalinstrument zeichnet sich dementsprechend dadurch aus, dass kein Fälligkeitstermin für die Rückzahlung des Nominalbetrages vorgesehen ist und es vom Investor nicht kündbar ist. Nach IAS 32.16 wird ein Finanzinstrument nur dann als Eigenkapitalinstrument eingestuft, wenn keine vertragliche Verpflichtung besteht, flüssige Mittel oder andere Vermögenswerte zu liefern, keine finanziellen Vermögenswerte oder finanzielle Schulden unter potentiell nachteiligen Bedingungen ausgetauscht werden müssen und auch keine Andienung eigener Kapitalanteile vorgesehen ist 20 Kündbares Instrument. 21 Schimpfky/Schneider in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 117. 22 Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar, § 20 Rz. 4; Küting/Dürr, DB 2005, 1529, 1530.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand oder werden kann. Unerheblich für die Zuordnung als Eigenkapital sind die Art der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Finanzierungsinstruments, die Nachrangigkeit, ein Kündigungsrecht des Emittenten und die Teilnahme am Liquidationserlös. 4. Steuerliche Vorgaben 4.1 Allgemeine Voraussetzungen zur steuerlichen Abzugsfähigkeit Die steuerrechtliche Abzugsfähigkeit eines Finanzierungsinstruments hängt wesentlich vom Bestehen des sog. „Genussrechtstest“ i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 2, Alt. 2 KStG ab. § 8 Abs. 3 Satz 2, Alt. 2 KStG bestimmt als Rechtsfolge, dass Ausschüttungen auf Genussrechte das Einkommen nicht mindern, wenn sich diese als Eigenkapital qualifi zieren lassen. Die Frage, ob die Finanzierung als Eigenkapital oder Fremdkapital zu qualifi zieren ist, richtet sich also allein nach § 8 Abs. 3 Satz 2, Alt. 2 KStG. Danach mindern Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte das Einkommen nicht, wenn sie das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft beinhalten. Wie der Wortlaut zeigt, müssen die Bedingungen kumulativ vorliegen23. Gewinnbeteiligung ist jede erfolgsabhängige Vergütung24. Wenn neben der Gewinnbeteiligung eine feste Vergütung vereinbart ist, muss die erfolgsabhängige Vergütung im Vordergrund stehen25. Der BFH hält es für ausreichend, wenn die erfolgsabhängige Vergütung mindestens der Hälfte der Gesamtvergütung entspricht26. Eine Beteiligung am Liquidationserlös liegt vor, wenn der Investor im Liquidationsfall einen Anteil auch an den stillen Reserven, das heißt am Abwicklungsendvermögen im Sinne des § 11 KStG erhält und wenn nicht allein das Mezzanine Kapital zurückgezahlt wird27. Das heißt, eine Beteiligung am Liquidationserlös ist nicht gegeben, wenn ein Investor bei der Abwicklung einen von der Höhe des Gesellschaftsvermögens völlig unabhängigen Forderungsbetrag zurückverlangen kann als den Nennwert seiner ursprünglichen Kapital-

23 RFH v. 17. 4. 1934 – I A 316/32, RStBl. 1934, 773; BFH v. 19. 1. 1994 – I R 67/92, BStBl. II 1996, 77; FG Baden-Württemberg v. 1. 10. 1992 – 3 K 338/88, EFG 1993, 174. 24 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG Rz. 125; Wrede in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rz. 48; Gosch, KStG, § 8 KStG Rz. 151; Schulte in Erle/Sauter, KStG, § 8 KStG Rz. 243. 25 Gosch, KStG, § 8 KStG Rz. 151; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG Rz. 125. 26 RFH v. 17. 4. 1934 – I A 316/32, RStBl. 1934, 773; BFH v. 28. 6. 1960 – I 85/60, DB 1960, 1057 = HFR 1961, 13. 27 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG Rz. 125; Lang in Ernst & Young, KStG § 8 Rz. 1160; Breuninger/Prinz, DStR 2006 1345.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand überlassung28. Eine strengere Auffassung vertritt die Finanzverwaltung29, die davon ausgeht, dass auch dann eine Beteiligung am Liquidationserlös bestehe, wenn eine Rückzahlung des Genussrechtskapitals vor der Liquidation nicht verlangt, oder wenn der Rückforderungsanspruch erst nach mindestens 30 Jahren geltend gemacht wird. Dem hält der BFH und die herrschende Lehre entgegen, dass dies dem Wortlaut der Vorschrift widerspreche30. Eine Beteiligung am Liquidationserlös kann nur vorliegen, wenn sie bei der Liquidation zum Tragen kommt. Das ist auch bei einer mehr als 30-jährigen Laufzeit nicht der Fall31. Auf die Entscheidung des BFH hat das BMF mit einem Nichtanwendungserlass reagiert32 . Ein Eigenkapitalausweis von Mezzanine Kapital bei gleichzeitiger steuerlicher Abzugsfähigkeit der Vergütungen als Betriebsausgaben lässt sich daher erreichen, wenn man bei der Gestaltung darauf achtet, dass eine Beteiligung am Gewinn und eine Beteiligung am Liquidationserlös nicht kumulativ vorliegen. 4.2 Gewerbesteuerliche Auswirkung Im Rahmen der Gewerbesteuer ist zu berücksichtigen, dass bei den einzelnen Finanzierungsinstrumenten im Falle der steuerrechtlichen Behandlung als Fremdkapital die Hälfte der anfallenden Zinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen ist. Das heißt, die als Betriebsausgabe abziehbare Vergütung wird für Gewerbesteuerzwecke grundsätzlich gemäß § 8 Nr. 1 GewStG zur Hälfte bei der gewerbesteuerlichen Gewinnermittlung zum Gewerbeertrag hinzugerechnet. Bei einer typisch stillen Beteiligung kann sich eine volle Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 3 GewStG ergeben, wenn die Gewinnanteile beim Investor nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Nur bei den Genussrechten im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG findet eine Hinzurechnung nicht statt. Zu beachten ist, dass im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 die Hinzurechnung von Zinsen für Gewerbesteuerzwecke auf 25 % begrenzt ist.

28 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG Rz. 125; Wrede in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rz. 50; Brohkamp/Hölzer, FR 2006, 272, 275. 29 BMF v. 8. 12. 1986 – IV B 7 – S 2742 – 26/86, BB 1987, 667. 30 BFH v. 19. 1. 1994 – I R 67/92, BStBl. I 1996, 77; Gosch, KStG, § 8 KStG Rz. 151; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG Rz. 125. 31 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG Rz. 125. 32 BMF v. 27. 12. 1995 – IV B 7 – S 2742 – 76/952 (2), BStBl. I 1996, 29.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand 4.3 § 8a KStG § 8a KStG ist zunächst bei Gesellschafterdarlehen zu beachten, zum anderen in Fällen, in denen das Kapital, das ein Dritter der Gesellschaft gewährt, durch einen Gesellschafter so besichert ist, dass eine „back-to-back“-Finanzierung vorliegt33. Schädliche back-to-back-Finanzierungen liegen grundsätzlich nur dann vor, wenn der Kapitalgeber auf Geldanlagen einer Gesellschaft beim darlehnsgebenden Dritten zugreifen kann. Der Anwendungsbereich von § 8 a KStG auf sogenannte „back-to-back Finanzierungen“ ist im Erlassweg erheblich eingeschränkt worden. § 8a KStG erfasst entgegen seiner Bezeichnung als Regelung zur „Gesellschafter-Fremdfinanzierung“ damit nicht nur konzerninterne Finanzierungen, sondern auch Finanzierungen Dritter, die einen Rückgriff auf den Gesellschafter oder auf diesem nahe stehende Personen bzw. Unternehmen zulassen. § 8a KStG begrenzt die Gesellschafterfremdfinanzierung und die Finanzierung durch gesellschaftergesicherte Fremddarlehen. Mezzanine Finanzierungen werden typischerweise von Nicht-Gesellschaftern (Dritten) begeben, sodass nur back-to-back Finanzierungen zu vermeiden sind. Dritte können insbesondere Mezzanine Institute und Banken sein. Soweit für das hingegebene Kapital keine Sicherheiten durch die Gesellschafter bestellt werden, findet § 8a KStG keine Anwendung. Etwas anderes gilt im Einzelfall, wenn der Investor rückgriffsberechtigter Dritter im Sinne von § 8a Abs. 1 Satz 2 KStG ist. Dies ist der Fall, wenn ein Gesellschafter oder eine der Gesellschaft nahe stehende Person zu Gunsten des Dritten eine Sicherheit bestellt hat. Diese Fälle sieht die Finanzverwaltung34 als schädlich an. Hybride Finanzierungen eröffnen also die Anwendbarkeit von § 8a KStG, wenn sie nicht ausschließlich mit eigenen Sicherheiten des Schuldners besichert werden. Die Zinsen sind bei einer Finanzierung durch Dritte grundsätzlich Betriebsausgaben. Im Falle einer back-to-back-Finanzierung handelt es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung. Unter back-to-back-Finanzierung verstand die Finanzverwaltung ursprünglich Finanzierungen, bei denen der Gesellschafter einer Bank Sichteinlagen überlässt und die Bank gleichzeitig einer Tochtergesellschaft des Gesellschafters ein Darlehen gibt. Später schränkte die Finanzverwaltung die Auslegung des Begriffs des rückgriffsberechtigten Dritten ein35. Sie modifizierte ihre Aussage dahingehend, dass § 8a KStG nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Gesellschafter eine Kapitalforderung besitzt und über diese aus Anlass der Kapitalgewährung eine Verfügungsbeschränkung zugunsten des rückgriffsberechtigten Investors trifft. Verfügungsbeschränkungen in diesem Sinne können sein dingliche Sicherheiten an der Ka33 BMF v. 15. 7. 2004 – IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl. I 2004, 593, Tz. 25; BMF v. 22. 7. 2005 – IV B 7 – S 2742 a – 31/05, BStBl. I 2005, 829. 34 BMF v. 15. 12. 2004 – IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl. I 2004, 593, Tz. 25. 35 BMF v. 22. 7. 2005 – IV B 7 – S 2742a – 31/05, BStBl. I 2005, 829.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand pitalforderung, Verfügungsbeschränkungen sowie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung des Anteilseigners gegenüber dem Investor. Schuldrechtliche Sicherheiten wie beispielsweise eine Bürgschaft des Anteilseigners für die Forderung aus dem Finanzierungsinstrument sind unschädlich, sofern keine Verfügungsbeschränkungen zugunsten des Investors vereinbart sind. Auch Sicherheiten von nachgeordneten Gesellschaften sieht die Finanzverwaltung als schädlich an. So ist es schädlich, wenn eine Tochtergesellschaft eine Sicherheit für das Finanzierungsinstrument bestellt. Liegen die Voraussetzungen von § 8a KStG bei einer Finanzierung durch einen Investor als Dritten vor, scheidet auf der Ebene des Schuldners nach § 8a Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ein Abzug der an den Dritten gezahlten Vergütung aus. Nicht unter § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG fallen jedenfalls Vergütungen, bei denen mit der verbesserten rating-bezogenen Bonität des Kapitalnehmers der Zinssatz sinkt (Ratchet Loans), da dies keine gewinnabhängige Vergütungsform darstellt36. Für die Anwendung von § 8a KStG ist zwischen erfolgsunabhängigen Vergütungen im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG und erfolgsabhängigen Vergütungen im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG zu unterscheiden. Bei erfolgsunabhängigen Vergütungen ist der Umfang der maximal zulässigen Fremdfinanzierung (safe haven) eingeschränkt. Darüber hinaus muss er einem Drittvergleich standhalten. Gewinn oder umsatzabhängige Finanzierungsformen im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG sind vollständig vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, sofern die Vergütungen für das Fremdkapital insgesamt die Freigrenze von 250 000 Euro übersteigen. Die Freigrenze ist gesellschafts- und nicht gesellschafterbezogen auszulegen. Eine auch nur geringfügige Überschreitung führt hierbei in vollem Umfang zur Umqualifi zierung in eine verdeckte Gewinnausschüttung. Für erfolgsabhängig vergütetes Fremdkapital besteht weder ein safe haven, noch kann der Steuerpflichtige die Rechtsfolge der verdeckten Gewinnausschüttung durch einen Drittvergleich abwenden, wenn die Vergütungen für das Fremdkapital insgesamt die Freigrenze übersteigen. Die Abgrenzung ist gerade im Bereich von Mezzanine Finanzierung problematisch. Nach überwiegender Ansicht ist § 8a Abs. 1 Nr. 1 KStG Auffangtatbestand gegenüber § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG. Danach sind erfolgsabhängige Vergütungen alle Vergütungen, die von den Erwerbschancen und -risiken der Kapitalgesellschaft abhängen37.

36 Breuninger/Prinz, DStR 2006 1345, 1346; Kulzer/Schmidt in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 116. 37 BMF v. 15. 12. 1994 – IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, 25, Tz. 53.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand Mezzanine Finanzierungen können Zinskomponenten mit der Kicker-Komponente verbinden. Denn sie sehen häufig vor, dass sich die Höhe der Zinsen auch nach Gewinn, Umsatz, Cash Flow etc. richtet. Damit handelt es sich grundsätzlich um erfolgsabhängige Vergütungen, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von § 8a KStG zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen. Nach Sinn und Zweck des § 8a KStG sowie der Intention des Gesetzgebers fallen nur solche Zinsstaffelvereinbarungen unter § 8 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, bei denen der Zins mit dem Unternehmenserfolg steigt. Denn die Intention des Gesetzgebers ist, eine Gewinnabsaugung durch unangemessene Gesellschafterfremdfinanzierung zu verhindern38. Nach Auffassung der Finanzverwaltung39 ist der Anwendungsbereich des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG bei einer hybriden Finanzierung eröffnet, wenn die Beteiligten eine am Erfolg des Fremdkapitalempfängers bemessene Fälligkeit der Vergütung vereinbaren. Danach schließt auch die Stundung von Zinszahlungen im Falle von Verlusten die steuerliche Abzugsfähigkeit aus. Mezzanine Finanzierungen sehen teilweise neben einer in gleichen Zeitabständen fällig und zahlbaren Zinskomponente eine zusätzliche Verzinsung vor, die erst mit der Kapitalsumme am Ende der Laufzeit oder wenn das Unternehmen bestimmte Kennziffern erreicht, zu zahlen ist (Ballonzins; Aufzinsung). Unklar ist, ob die Finanzverwaltung auch bei solchen Vereinbarungen zu dem Ergebnis käme, dass es sich um schädliche Vergütungsabreden im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG handelt. Dies wäre zu verneinen, da die bloße Stundung von Zinsen den grundsätzlichen Charakter der Vergütungsabrede, die sich nur an dem zur Verfügung gestellten Kapital bemisst nicht berührt40. Unklar ist, ob der Equity-Kicker eine erfolgsabhängige Finanzierung nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG ist. Zur Wandelanleihe vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass bei der Vereinbarung eines Umtauschrechtes von Fremdkapital in Eigenkapital neben einer festen Verzinsung, die Vergütung insgesamt nicht abzugsfähig sein soll41. Teilweise wird vertreten, dies lasse vermuten, dass die Finanzverwaltung auch das für Mezzanine Darlehen typische Zusammentreffen von Fremdkapitalüberlassung und EquityKicker unter § 8a Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumieren würde42 . Dies sei aber mit

38 Prinz, FR 2002, 24; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 a KStG Rz. 80. 39 BMF v. 15. 12. 1994 – IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, 25 Tz. 55. 40 Golland/Gehlhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB Spezial 4/2005, 1 ff., 26. 41 BMF v. 15. 12. 1994 – IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995 25, Tz. 55. 42 Kulzer/Schmidt in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 117; Jänisch/Moran/Weibel, DB 2005, 2455 ff.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand der Intention des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren43. Denn bei den verschiedenen Ausgestaltungen des Equity-Kickers handele es sich in der Regel um getrennte Rechte des Investors zum einen gegenüber dem Anteilseigner bezüglich des Equity-Kickers und zum anderen gegenüber dem Schuldner bezüglich der Zinsen. Schuldet Letzterer sowohl den Equity-Kicker als auch die Zinsen, soll der Anwendungsbereich dagegen eröffnet sein. Diese Zusammenfassung der verschieden Rechte des Fremdkapitalgebers ist aber nicht zu rechtfertigen. Breuninger/Prinz44 werfen die Frage auf, ob die Aussicht auf eine Gesellschafterstellung möglicherweise § 8a KStG im Hinblick auf die normalen Vergütungskomponenten auslöst, lehnen dies aber ab. Zum einen fehle es in der Regel an einer potentiell wesentlichen Beteiligung des Mezzaninekapitalgebers im Sinne des § 8a KStG. Zum anderen könne eine zukünftige potentielle Gesellschafterstellung eine vorgezogene Anwendung des § 8a KStG auf den Vergütungsaufwand nicht auslösen. Entscheidend sei der Zeitpunkt, in dem die Vergütung erfolgt. Liegen dann die Voraussetzungen des § 8a KStG nicht vor, handelt es sich um eine Betriebsausgabe und nicht um eine verdeckte Gewinnausschüttung. § 8a KStG ist wegen der Gesamtbetrachtung von Gesellschafterdarlehen und einer nach § 8a KStG schädlichen Mezzaninen Finanzierung für den Mittelstand bedeutend. Denn häufig bestehen neben einer Mezzanine Finanzierung Gesellschafterdarlehen. Allerdings unterscheiden sich hybride Finanzierungsinstrumente von klassischen Darlehen durch die Hausbank gerade dadurch, dass in der Regel keine fiduziarischen oder akzessorischen Sicherheiten zu Gunsten des Investors, sei es durch den Schuldner, sei es durch den Anteileigner, bestellt werden. Deswegen stellt sich das Problem einer back-to-back-Finanzierung in der Regel nicht, ist aber im Auge zu behalten. Aufgrund der Unternehmensteuerreform 2008 wird der jetzige § 8a KStG komplett abgeschafft und durch die Zinsschrankenregelung des § 4h EStG n. F. und § 8a KStG n. F. ersetzt. Danach können – vereinfacht gesprochen – Zinsen von bis zu 30 % des EBITDAs abgesetzt werden, es sei denn, der Darlehensnehmer weist nach, dass seine Verschuldung niedriger ist als die Verschuldung der Gruppe oder gleich hoch. Das gilt für sämtliche Finanzierungsformen, die eine Zahlung von Zinsen beinhalten.

43 Kulzer/Schmidt in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, S. 117. 44 Breuninger/Prinz, DStR 2006, 1345, 1346.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand 4.4 Behandlung beim Investor Ein Investor erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen, § 20 Abs. 1 EStG, soweit das Investment für steuerliche Zwecke Eigenkapital ist45. Ist das Finanzierungsinstrument eine stille Beteiligung, die nicht als Mitunternehmerschaft zu qualifi zieren ist, liegen Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor. Eine Mitunternehmerschaft liegt vor, wenn der Investor als stiller Gesellschafter Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Handelt es sich um Einkünfte aus Genussrechten im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG (Eigenkapitalgenussrecht), ist § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG einschlägig; bei sonstigen Genussrechten (Fremdkapitalgenussrechten) § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dasselbe gilt für Einkünfte aus Wandelschuldverschreibungen und Nachrangdarlehen. Dagegen handelt es sich bei einem partiarischen Darlehen um Einkünfte aus § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Die Einnahmen aus Hybridanleihen können typischerweise als Finanzinnovationen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c) und d) EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterliegen. Dagegen liegen nach § 20 Abs. 3 EStG gewerbliche Einkünfte vor, wenn sich das hybride Finanzierungsinstrument im Betriebsvermögen des Investors befindet. Im Falle einer back-to-back-Finanzierung hat die Qualifi kation als verdeckte Gewinnausschüttung keinen Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Vergütung beim Investor als rückgriffsberechtigtem Dritten46. 4.5 Einbehalt von Kapitalertragsteuer Bei einem Eigenkapital-Mezzanine-Instrument ist der Darlehensnehmer/ die Gesellschaft verpflichtet, Kapitalertragssteuer einzubehalten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG)47. Bei einem Fremdkapital-Mezzanine-Instrument hat der Darlehensnehmer/ die Gesellschaft auf Zinszahlung grundsätzlich keine Kapitalertragssteuer einzubehalten, da es sich bei solchen Zinszahlungen um Zinszahlungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handelt. Eine Ausnahme wäre nur bei Registrierung und Verbriefung des Darlehens bzw. dann anzunehmen, wenn der Kreditnehmer ein Kreditinstitut ist (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

45 Carlé/Rosner, KÖDSI 2006, 15365, 15375. 46 BMF v. 15. 7. 2004 – IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl. I 2004, 593, Tz. 25. 47 Marx/Nienaber, SeuerStud 2006, 304, 306.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand

III. Beispiele aus der Praxis Auf Grundlage der engen rechtlichen Grenzen haben sich in der Praxis folgende Gestaltungen als Weiterentwicklungen der Mezzanine Finanzierung etabliert: 1. IAS/IFRS kompatible Hybridanleihen Um eine Qualifikation nach IAS/IFRS als Eigenkapital zu ermöglichen und gleichzeitig die steuerliche Abzugsfähigkeit als Zinsaufwand zu erhalten, sind in der Praxis sog. „Hybridanleihen“ entwickelt worden. Derartige Anleihen beinhalten regelmäßig einen vertraglichen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Investors und eine ermessensabhängige Zinszahlungsverpflichtung des Emittenten. Eine Absicherung des Zinsauszahlungsanspruchs wird hergestellt, indem der Anleihegläubiger auch immer dann bedient werden muss, wenn eine Ausschüttung an die Anteilseigner stattfindet.48 Hybride Anleihen werden genutzt, um die Kapitalstruktur eines Unternehmens zu optimieren, da sie der Unternehmer in einer Bilanz nach IAS/IFRS als Eigenkapital ausweisen kann. Sie werden auch als ewige Hybridanleihen, Equity Credit, Constant Maturity Swaps (CMS) und Perpetual Bonds bezeichnet. Als Anleihen bezeichnet man Wertpapiere, die in Serie zu gleichen Bedingungen am Kapitalmarkt platziert werden und in denen der Emittent den Investoren Rückzahlung und Verzinsung einer bestimmten Geldsumme zu den im Voraus festgelegten Bedingungen verspricht49. Sie sind mangels Haftungsfunktion üblicherweise nicht als Eigenkapital ausweisbar50, es sei denn es handelt sich um eine Hybridanleihe. Hybridanleihen sind durch eine sehr lange Laufzeit und den Ausschluss eines ordentlichen Kündigungsrechts für den Investor gekennzeichnet51. Sie verbriefen ebenso wie Genussscheine schuldrechtliche Ansprüche der Forderungsinhaber gegen den Emittenten. In der Regel enthalten die Anleihebedingungen ein einseitiges vorzeitiges Kündigungsrecht zu Gunsten des Emittenten, eine variable Gestaltbarkeit des Zinskupons mit automatischem Step-up, Erfolgsabhängigkeit und Nachrangigkeit52 . Hybridanleihen beinhalten weder einen Anteil am Liquidationserlös noch partizipieren sie am Unternehmenserfolg. Andernfalls lägen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG vor. Wenn die 48 Beispiel: Im Jahr 2004 hat der Landmaschinenhersteller Claas eine sog. ewige Anleihe mit einem Emissionsvolumen von 80 Mio. Euro aufgelegt. 49 Grohkamp/Hölzer, FR 2006, 272, 273. 50 Breuninger/Prinz, DStR 2006, 1345, 1346. 51 Grohkamp/Hölzer, FR 2006, 272. 52 Vater, FB 2006, 44, 45.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand Hybridanleihe vorzeitig gekündigt wird, ist lediglich eine Tilgung in Höhe des Nennwerts vorgesehen. Eine explizite Verlustabsorption besteht nicht. Indirekt besteht eine Teilnahme am Verlust, da eine Rückzahlung des vollen Nennbetrages nur erfolgen kann, wenn ausreichend Kapital zur Verfügung steht. Hybridanleihen enthalten weder Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Vermögensrechte. Hybridanleihen weisen eine unbegrenzte Laufzeit auf. Es handelt sich um eine Konstruktion ohne Fälligkeitstermin, aber mit Zinszahlungstermin. Auch wenn kein bestimmter Fälligkeitstermin besteht, enthalten die bislang am Markt platzierten Konstruktionen in der Regel ein einseitiges Kündigungsrecht des Emittenten53. Nach IAS/IFRS kann man Hybridanleihen als Eigenkapital ausweisen, wenn vertraglich kein ordentliches Kündigungsrecht des Investors vorgesehen ist und der Emittent nach freiem Ermessen entscheiden kann, ob und wann er Zinsen zahlt. Die Beteiligten sichern die Zinszahlung durch einen Dividend Pusher ab. Dieser verpflichtet zu einer Zinszahlung (am Zinstermin), wenn die Gesellschafter (zuvor) die Ausschüttung einer Dividende beschließen. Innerhalb der Kategorie der nachrangigen Finanzierungstitel stehen die Hybridanleihen für gewöhnlich an letzter Stelle. Unmittelbar danach werden die Aktionäre bedient. Die Vergütungen an die Anleihegläubiger sind körperschaftsteuerlich voll und gewerbesteuerlich im Ergebnis zur Hälfte abziehbar. Sie sind also anders als Dividenden steuerlich abzugsfähig. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass es sich um Genussrechte im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2KStG handelt, wenn eine Beteiligung am Liquidationserlös und am Gewinn vorliegt, und eine Laufzeit von mehr als 30 Jahren vereinbart ist. § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG ist aber aufgrund des eindeutigen Wortlauts und mangels einer eigenen steuerrechtlichen Definition nur auf Genussrechte im gesellschaftsrechtlichen Sinne anwendbar54, nicht dagegen auf Hybridanleihen, da schon die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG nicht vorliegen. Dennoch sind im Ergebnis bei Hybridanleihen die §§ 8 Abs. 3 Satz 2, 8a KStG sowie die Dauerschuldproblematik des § 8 Nr. 1 GewStG zu beachten. Auf Seiten privater Investoren fallen Hybridanleihen wohl unter die Finanzinnovationen gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG, da die Rückzahlung von den Finanzbehörden als garantiert, die Höhe des Ertrags aber als von einem ungewissen Ereignis abhängig gewertet wird.

53 Vater, FB, 2006, 44, 45. 54 Grohkamp/Hölzer, FR 2006, 272, 275.

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Eilers/Rödding, Neue Finanzierungsinstrumente für den Mittelstand 2. PREPS (Preferred Pooled Shares) Im Zuge einer PREPS Transaktion erhalten mittelständische Unternehmen Mezzanine Kapital in Form von Genussrechten vom Kapitalmarkt. Die Genussscheine von Mittelständlern werden gebündelt, verbrieft und an institutionelle Investoren weitergereicht. Sie können nach HGB Eigenkapital darstellen, wenn sie den sog. „Genussrechtstest“ erfüllen55. Eine Qualifi kation der Genussrechte als Eigenkapital unter IFRS/IAS ist regelmäßig nicht möglich. Dazu folgender vereinfachter Fall:

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