Steuerberater-Jahrbuch. Steuerberater-Jahrbuch 2011/2012: Zugleich Bericht über den 63. Fachkongress der Steuerberater Köln, 11. und 12.10.2011. 9783504382766

Das Jahrbuch bietet eine detaillierte Auseinandersetzung mit ausgewählten Themenschwerpunkten. Die behandelten Fragen ze

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Steuerberater-Jahrbuch. Steuerberater-Jahrbuch 2011/2012: Zugleich Bericht über den 63. Fachkongress der Steuerberater Köln, 11. und 12.10.2011.
 9783504382766

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Steuerberater-Jahrbuch 2011/2012

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Steuerberater-Jahrbuch 2011/2012 zugleich Bericht über den 63. Fachkongress der Steuerberater Köln, 11. und 12. Oktober 2011

Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von

Prof. Dr. Thomas Rödder

Dipl.-Kfm. Manfred Günkel

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer

Dr. Dr. Ursula Niemann Steuerberater

Ziüerempfeblung: Verfasser, StbJb. 20011/2012, Seite ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VerlagDr. Otto SchmidtKG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0081-5519 ISBN 978-3-504-62657-0 @2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für V ervielfältigungen, Bearbeitungen. Übersetzungen. Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Satz: C. Wild, Konstanz Druckund Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Der 63. Fachkongress der Steuerberater, der am 11. und 12. Oktober 2011 traditionell in der Industrie- und Handelskammer zu Köln stattfand, eröffnete das Leitthema Unternehmenssteuerrecht mit Vorträgen, die sich mit den Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht sowohl der Kapitalgesellschaften als auch der Personengesellschaften intensiv auseinandersetzen. Im Weiteren wurde die Organschaft einer Bestandsaufnahme unterzogen. Eine Analyse der Chancen und Risiken des § 8b Abs. 7 KStG sowie eine Darstellung der vielschichtigen Fallgestaltungen bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern und eine Erläuterung des Treuhandmodells als Gestaltungsinstrument rundeten die Themenvielfalt dieses Leitthemas ab. Das Leitthema Umwandlungssteuerrecht beschäftigte sich u. a. mit dem vielbeachteten UmwSt-Erlass 2011. Die einheitliche Anwendung des Teilbetriebsbegriffs und die daraus resultierenden Folgerungen für die Praxis waren Gegenstand des ersten Beitrages. Es folgten eine Darstellung zum Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen in Kapitalgesellschaften sowie ausgewählte Fragen hinsichtlich der Veräußerungs- und Ersatztatbestände im Sinne des § 22 UmwStG. Das Leitthema Bilanzsteuerrecht widmete sich dem subjektiven Fehlerbegriff bei Steuerbilanzkorrekturen und der aktuellen Thematik der elektronischen Übermittlung der bilanziellen Gewinnermittlung und gab einen Bericht über den Sachstand sowie die Konsequenzen aus der Pilotierung der E-Bilanz. Verfolgt wurden auch – wie jedes Jahr – aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht. Unter dem Leitthema Internationales Steuerrecht ging es um finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten und -tochtergesellschaften, die Frage der Ergebniszurechnung zu einem in Deutschland nicht steuerpflichtigen Organträger und einer Darstellung der Rechtsprechung und Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 und 10 EStG sowie der damit in Zusammenhang stehenden Frage nach den verbleibenden Steuergestaltungsmöglichkeiten. Das Leitthema Umsatzsteuerrecht bot zunächst einen Überlick über die aktuell wichtigsten Entscheidungen des V. und XI. Senats des BFH. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen war als eine der wichtigsten Rechtsfiguren des Umsatzsteuerrechts ein weiterer thematischer Schwerpunkt. Hierbei wurden die aktuellen Entwicklungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der GiG und deren Auswirkungen auf die Beratungspraxis dargestellt. Diesem Thema folgte abschließend eine Übersicht über die Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs. V

Vorwort Mit besonderen Beratungsrisiken beschäftigte sich das letzte Leitthema in Form von Analysen der Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern, den Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer und den Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln. Der Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2011 wurde zuerkannt Herrn Steuerberater, Dipl.-Kfm. Dr. Sebastian Kläne, LL. M. für seine Arbeit „Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften – Erscheinungsformen und Implikationen aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre“ und Herrn Dipl.-Kfm. Dr. Bernhard Liekenbrock mit seiner Arbeit „Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken – Qualitative Rechts- und quantitative Steuerwirkungsanalyse.“ Die Laudatio hat Prof. Dr.Wolfgang Kessler gehalten. Köln, im Mai 2012 Thomas Rödder

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Manfred Günkel

Ursula Niemann

Inhalt* Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. Wolfgang Kessler Steuerberater, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br. Verleihung des „Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2011“ des Fachinstituts der Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Laudatio für Dr. Sebastian Kläne, LL. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Laudatio Dr. Bernhard Liekenbrock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Leitthema: Unternehmenssteuerrecht Professor Dr. Dietmar Gosch Vorsitzender Richter am BFH, München Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neues zu § 8b KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09: Substanzerfordernisse im Außensteuerrecht IV. Urteil vom 8.9.2010, I R 6/09: Die zuziehende Kapitalgesellschaft . . . . . . .

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Michael Wendt Vorsitzender Richter am BFH, München

1. Anschaffungskosten und sofort abziehbare Betriebsausgaben bei der Auflegung von Fonds. . . . . . . 2. Unentgeltliche Anteilsübertragung und die Bedeutung von Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewerbesteuerliche Sonderfragen bei Personengesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ansparrücklage für Investition nach Realteilung . . . . .

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* Ausführliche Inhaltsübersichten zu Beginn der jeweiligen Beiträge.

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Inhalt Seite

Dr. Steffen Neumann Finanzministerium NRW, Düsseldorf Bestandsaufnahme der Fallen und Klippen bei der Organschaft. . . . .

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A. Fehler, die zur Nichtanerkennung der Organschaft führen . . . B. Fehler ohne Auswirkung auf die Anerkennung der Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. Michael Schaden Rechtsanwalt, Steuerberater, LL. M., Stuttgart Lars Zipfel Steuerberater, Dipl.-Kaufmann, Stuttgart § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG. . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG für Holdingunternehmen als Finanzunternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einzelfälle zu § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ministerialrat Werner Seitz Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, Stuttgart Dr. Alexander Düll Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Heidelberg Übertragung von Wirtschaftsgütern und betrieblichen Sachgesamtheiten in Mitunternehmerschaften . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung eines Einzelwirtschaftsgutes aus einem Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übertragung von Sachgesamtheiten auf eine Mitunternehmerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt Seite

Dr. Thomas Wagner Steuerberater, Düsseldorf Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge des Treuhandmodells. . . . . . . . . . . . . . . Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begründung des Treuhandverhältnisses/steuerliche Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausgestaltung/Strukturdetails . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument . . . . . . VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teilbetriebsbegriff nach UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Leitthema: Umwandlungssteuerrecht Dr. Stefanie Beinert, LL. M. Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Frankfurt a. M. mit Anmerkungen on Dr. Rolf Möhlenbrock, Bundesministerium der Finanzen A. B. C. D. E.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationaler und europäischer Teilbetriebsbegriff . . . Vorgaben der Fusionsrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgaben des UmwStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung des UmwSt-Erlasses 2011 und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Folgerungen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen in Kapitalgesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. Stefan Köhler Steuerberater, Eschborn

I. II. III. IV.

Einleitung und Vorbemerkungen . . . Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . Ausdifferenzierung von Fallgruppen Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . .

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Alexandra Pung Oberfinanzdirektion Koblenz Professor Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Bonn Ausgewählte Fragen hinsichtlich der Veräußerungs- und Ersatztatbestände im Sinne des § 22 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Veräußerungsbegriff im Rahmen des § 22 UmwStG . . . . III. Ausschüttung oder Rückzahlung von Beträgen aus dem Einlagekonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Leitthema: Bilanzsteuerrecht Professor Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln Der subjektive Fehlerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlagen: § 4 Abs. 2 EStG mit einem „Dualismus der Bilanzkorrekturen“. . . . . . . . . . II. Kernproblem: Objektiver versus subjektiver Fehlerbegriff . . III. Vorlagebeschluss des BFH vom 7.4.2010 zum Großen Senat zur Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs auf die Beurteilung von Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beratungserkenntnisse im Zusammenhang mit steuerlichen Bilanzkorrekturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zum Schluss: Wünsche an den Großen Senatsbeschluss . . .

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E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. Ursula Ley Köln 1. E-Bilanz – Ziele der Finanzverwaltung . . . . . . . . 2. Gesetzliche Regelungen der E-Bilanz . . . . . . . . . 3. Festlegung des Mindestumfangs der Taxonomie durch das Bundesministerium der Finanzen . . . 4. E-Bilanz-Assistent der DATEV. . . . . . . . . . . . . . 5. Transferticket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dipl.-Finw. Markus Hülshoff Münster E-Bilanz: Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Pilotierung der E-Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dipl.-Kfm. Manfred Günkel Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wirtschaftliches Eigentum an Forderungen bei Asset Back Security Modellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Negativer Kaufpreis beim Unternehmenskauf . . . . . . . . III. Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen eines Unternehmenskaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung keine Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei börsennotierten Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Passivierung einer Verpflichtung aus Rückkaufverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Abzinsungspflicht für Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Rückstellungen für Kosten künftiger Betriebsprüfungen

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Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten und -tochtergesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Definition finaler Verluste durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . 2. Definition finaler Verluste durch den BFH . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Leitthema: Internationales Steuerrecht Dr. Michael Schwenke Richter am BFH, München

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Inhalt Seite

3. Fälle einer „Finalität“ aus tatsächlichen Gegebenheiten . . . . 4. Neuausrichtung der „Finalität“ durch „Beliebigkeitsrechtsprechung“ des EuGH? . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Thomas Eisgruber Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, München Steuerliche Ergebniszurechnung zu einem in Deutschland nicht steuerpflichtigen Organträger?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. Februar 2011. . Die Argumentationskette des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliches zum Diskriminierungsverbot . . . . . . . Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots. . . . . . . . . Die Auslegung des Diskriminierungsverbots durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abgleich der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Folgen des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Auswege aus der bestehende Situation . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Asmus Mihm Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Frankfurt a.M. Rechtsprechung und Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 und 10 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anrechnungsmethode statt Freistellungsmethode (§ 50d Abs. 9 EStG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deutsche Besteuerung von Sondervergütungen ausländischer Gesellschafter (§ 50d Abs. 10 EStG). IV. Treaty Override . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rückwirkungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Leitthema: Umsatzsteuerrecht Ministerialdirigent Werner Widmann Mainz Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Umsatzsteuer . . .

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1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Geschäftsveräußerung bei Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks auf den Organträger – BFH vom 6.5.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzielle Eingliederung als Tatbestandselement der Organschaft – BFH vom 22.4.2010 und vom 1.12.2010 . . . . . . 4. Steuerbarkeit der Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand – BFH vom 15.4.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. BFH vom 3.3.2011 – Vorsteuerabzug für die Sanierung des Bodenbelags eines Marktplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Organschaft bei der öffentlichen Hand – BFH vom 20.8.2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kein Missbrauch bei doppelter Nichtbesteuerung wegen unterschiedlicher Qualifizierung des Umsatzes in zwei EU-Mitgliedstaaten – EuGH vom 22.12.2010. . . . . . . 8. Exkurs: Anwendungsvorrang des EU-Richtlinienrechts – BFH zu unionsrechtlichen Defiziten der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 18 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Keine Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei Mitwirkung des Lieferers an der Hinterziehung der Erwerbssteuer im Bestimmungsland – EuGH vom 7.12.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Keine Steuerbefreiung für psychologische Gutachten, kein Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtslage – BFH vom 30.3.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Trennung von Vermietungsleistungen und Pflegeleistungen bei Umsätzen von Seniorenwohnheimen – BFH vom 4.5.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Grundsatzurteile zum Vorsteuerabzug – BFH vom 9.12.2010, 13.1. und 27.1.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Abgrenzung der Restaurantdienstleistungen von den Speisenlieferungen – BFH vom 8.6. und 30.6.2011 . . . . . . 14. Steuerschuld gem. § 14c UStG setzt keine Rechnung i. S. v. § 14 UStG voraus – BFH vom 17.2.2011 . . . . . . . . . . . .

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15. (Rück-)Wirkung der Rechnungsberichtigung – EuGH vom 15.10.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. Joachim Eggers, Steuerberater, Dortmund Die Geschäftsveräußerung im Ganzen – Aktuelle Brennpunkte und Beratungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. BFH zur Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Beteiligungsveräußerungen. . . . . . . . . . . . . . . III. BFH zur Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Interessante FG-Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . V. Aktuelles zu § 9 UStG vs. Geschäftsveräußerung im Ganzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit/Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Richtlinienkonforme Umsetzung des Vorsteuerabzugs im UStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorsteuerabzug bei ausschließlich zu unentgeltliche Wertabgaben aus dem Unternehmen bestimmten Leistungsbezügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorsteuerabzug bei teilunternehmerischer Verwendung von Gegenständen und Neuregelung der teilunternehmerischen Nutzung von Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vorsteuerabzug und Vorsteuerkorrektur bei gemischter Verwendung zu unternehmerischen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vorsteuerabzug bei Veräußerung einer Beteiligung . . . . . . . . VII. Einschränkungen des Vorsteuerabzugs im innergemeinschaftlichen Warenverkehr. . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Professor Dr. iur. Wolfram Reiß Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg

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6. Leitthema: Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken Dr. Norbert Schneider Rechtsanwalt, Steuerberater, Köln Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern. . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koordinierter Ländererlass vom 20.10.2010 . Gesetzliche Regelung durch BeitrRLUmsG . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Frankfurt a. M. 1. Grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei Grundstückskaufverträgen. . . . . . . . . 2. Zweifelsfragen bei § 1 Abs. 2 a GrEStG . . 3. Gestaltungsrisiken bei § 1 Abs. 3 GrEStG 4. Offene Fragen zu § 6a GrEStG . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln . . . . . . . . . . .

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Aktuelles zur Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuerabkommen Deutschland-Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Karsten Randt Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, Bonn

XV

Verleihung des „Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2011“ des Fachinstituts der Steuerberater Professor Dr. Wolfgang Kessler Steuerberater, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br. Ich freue mich, dass wir den Gerhard-Thoma-Ehrenpreis in diesem Jahr nach getaner Arbeit, in so angenehmer Atmosphäre, am Ende des ersten Kongresstages übergeben können. Auf diese Weise können Sie – im Gegensatz zu mir – eine Stange Kölsch trinken und sich gleichzeitig von mir erzählen lassen, welche Monographien Sie unbedingt für Ihre Bibliothek erwerben müssen. Zudem gibt uns dies Gelegenheit, im Anschluss an die Laudationes auf das Wohl der Preisträger anzustoßen und uns im Kreis der Kollegen über alles, was die Steuerwelt gerade bewegt auszutauschen. Die Zahl und die Qualität der Bewerbungen waren auch in diesem Jahr erfreulich hoch und wir konnten zwischen mehreren sehr guten und guten Arbeiten wählen. Unter den eingereichten Dissertationen ragten vor allem zwei Arbeiten deutlich heraus, weshalb sich die Jury dazu entschlossen hat, den Ehrenpreis auch in diesem Jahr zu gleichen Teilen an zwei Nachwuchswissenschaftler zu vergeben. Träger des Gerhard-Thoma-Ehrenpreises 2011 sind: Herr Steuerberater, Dipl.-Kfm. Dr. Sebastian Kläne, LL. M. mit seiner Arbeit „Fremdbestimmte Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften – Erscheinungsformen und Implikationen aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre“ und Herr Dipl.-Kfm. Dr. Bernhard Liekenbrock mit seiner Arbeit „Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken – Qualitative Rechts- und quantitative Steuerwirkungsanalyse.“ Als Vorsitzender der Jury habe ich die angenehme Aufgabe, (Ihnen) dem Kongress die Arbeiten und die Preisträger vorzustellen und anschließend die Urkunden zu überreichen. Beide Arbeiten beschäftigen sich mit komplexen und praktisch bedeutsamen Fragestellungen sowohl aus qualitativer als auch aus quantitativer Perspektive, setzen sich intensiv mit den zivil-, gesellschafts- und steuer1

Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2011“ rechtlichen Grundlagen auseinander, leiten Empfehlungen für die Steuerrechtsanwender und den Steuergesetzgeber ab und kommen zu schlüssigen und überzeugenden Lösungen. Vor allem setzten beide Arbeiten neue Maßstäbe für die weitere Forschung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Beide Werke decken das gesamte Aufgabenspektrum dieser Teildisziplin der Steuerwissenschaften ab und zeichnen sich durch eine beachtliche Methodenvielfalt aus.

I. Laudatio für Dr. Sebastian Kläne, LL. M. Die Dissertation wurde von dem Kollegen Marx aus Bremen betreut, vom Promotionsausschuss mit der Note „summa cum laude“ bewertet und 2010 in der Schriftenreihe zum Steuer-, Rechnungs- und Prüfungswesen des Nomos-Verlages veröffentlicht. Das Werk umfasst 333 informative und innovative Textseiten sowie 30 Seiten Anhang mit aufschlussreichen Beispielrechnungen. Gegenstand der Untersuchung sind Steuerwirkungen, die nicht durch Handlungen des Steuerpflichtigen selber, sondern durch Dispositionen „Dritter“ ausgelöst werden. Der Verfasser konzentriert sich dabei auf sog. sphärenübergreifende Steuerwirkungen bei Personen- und Kapitalgesellschaften. Gemeint sind damit Steuerwirkungen, die durch einzelne Gesellschafter oder die Gesellschaft verursacht werden, sich aber auf alle Gesellschafter bzw. die Gesellschaft selber auswirken. Dem einen oder anderen unter Ihnen mag das Thema bekannt vorkommen. In der Tat wurde der Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 1988 Herrn Bernd Rabald für seine Dissertation mit dem Titel „Fremdbestimmte Steuerwirkungen und Personengesellschaftsverträge“ verliehen, auf der die vorliegende Arbeit in gewissem Sinn aufbaut und sie fortentwickelt. Die Dissertation von Herrn Kläne beschäftigt sich mit einem praktisch bedeutsamen Thema, ordnet sich in geradezu idealer Weise in das Forschungsprogramm der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre ein, weist starke Bezüge zu den Steuerrechtswissenschaften auf und entspricht damit – ebenso wie die nachfolgend zu würdigende Arbeit von Herrn Liekenbrock – exakt den Idealvorstellungen des Fachinstituts für die Vergabe des Gerhard-Thoma-Ehrenpreises. Die fremdbestimmten Steuerwirkungen werden in der Arbeit identifiziert, systematisiert und quantifiziert. Es werden Vorschläge für einzelwirtschaftliche Reaktionen zur Vermeidung oder Beseitigung der unerwünschten Steuerwirkungen abgeleitet und de lege lata Anregungen für gesetzgeberische Lösungen sowohl für einzelne Normen als auch für eine Anpassung der Besteuerung von 2

Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2011“ Personengesellschaften an das für Kapitalgesellschaften maßgebliche Konzept aufgezeigt. Schon die systematische Suche und die intensive Durchdringung des deutschen Steuerrechts belegen die ausgeprägten analytischen Fähigkeiten des Verfassers auf eindrucksvolle Weise. Die Ergebnisse werden in vier Tabellen – getrennt nach Rechtsformen und Steuerarten – präsentiert und jeweils im Anschluss mittels eines Verfahrens quantifiziert, das eine Kombination von Teilsteuerrechnung und Kapitalwertmethode darstellt. Prof. Rose würde es sicher freuen, dass eine weiterentwickelte Form der Teilsteuerrechnung – auch und gerade wegen ihrer Erklärungs- und Anregungsfunktion – für bestimmte Problemstellungen besser geeignet erscheint als die kasuistische Veranlagungssimulation. Bereits die bloße Vielzahl der in der Arbeit identifizierten fremdbestimmten Steuerwirkungen überrascht und die exemplarische Quantifizierung im Anhang lässt erahnen, welches Ausmaß die hierdurch induzierten interpersonalen Vermögensverschiebungen erreichen können. Die praktische Bedeutung der Problematik ist hoch und die Systematisierung der gestalterischen Reaktionsformen in die beiden Obergruppen fremdbestimmungsvermeidende (Prophylaxe) und fremdbestimmungsbeseitigende (Medikation) Maßnahmen überzeugt auch im Detail. Die Determinanten der fremdbestimmten Steuerwirkungen werden herausgearbeitet und auf der Grundlage der vom Verfasser weiterentwickelten Teilsteuerrechnung quantifiziert. Dabei zeigt sich, dass die einzelnen Steuerwirkungen vielfältige Dependenzen und Interdependenzen aufweisen und im Einzelfall auch steuerentlastende Wirkungen haben können, weshalb u. a. auch ein Pooling oder gar ein Ignorieren der Effekte gangbare Reaktionsmuster sein können. Herr Dr. Kläne wurde am 26. Mai 1983 in Wildeshausen (im Landkreis Oldenburg) geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bremen in den Jahren 2002 bis 2006 war Herr Kläne wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Marx für Betriebliche Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung. Im Jahr 2010 schloss er seine Promotion ab und erlangte zunächst den Master of Law an der Universität Münster. Seit 2011 ist Herr Dr. Kläne Steuerberater und übt diesen Beruf in einer Steuerberatungsgesellschaft in Bremen aus.

II. Laudatio Dr. Bernhard Liekenbrock Die Dissertation wurde von Prof. Dr. Norbert Herzig betreut und im Wintersemester 2010 als Dissertation an der Universität zu Köln angenommen. Für seine Leistungen hat Herr Liekenbrock die Note „summa cum 3

Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2011“ laude“ erhalten. Veröffentlicht wurde das 408 gehaltvolle Textseiten umfassende Werk in der Forschungsreihe „Rechnungslegung und Steuern“ im Gabler Verlag. Die Zinsschranke weist unter den Normen des deutschen Steuerrechts derzeit unzweifelhaft die größte Dissertationsdichte auf. Das Werk von Herrn Liekenbrock nähert sich dem Thema mit einer ganz eigenständigen und innovativen Perspektive und ragt damit in mehrfacher Hinsicht heraus. Er betrachtet die Zinsschranke als Anwendungsfall des TaxRisk Management und des TaxRisk Accounting. Eingebettet in eine steuerbetriebswirtschaftliche Analyse definiert er ein spezifisches Zinsschrankenrisiko, das eintritt, wenn durch die Zinsschranke eine Steuerwirkung ausgelöst wird, deren Ursache in Informationsdefiziten über die ökonomische Entwicklung des Unternehmens und/oder die Rechtsauslegung des Normengefüges liegt. Aus dieser Definition leiten sich die zentralen Untersuchungsbereiche ab. Aus ökonomischer Perspektive werden die situativen Steuerwirkungen mittels eines analytischen und stochastischen Modells quantifiziert, während aus steuerrechtlicher Sicht die mit der Zinsschranke verbundenen Auslegungsfragen identifiziert, diskutiert und methodengestützt bewertet werden. Das Zinsschrankenrisiko hat zwei Ausprägungen: Ein Zinsschrankenrisiko 1. Ordnung besteht zunächst „nur“ in der Gefahr einer temporären Ertragsteuerbelastung einschließlich der damit verbundenen Zinsnachteile. Dementsprechend liegt ein Zinsschrankenrisiko 2. Ordnung vor, soweit ein bestehender Zinsvortrag faktisch oder rechtlich untergeht. Wie facettenreich die sich aus beiden Risikokategorien ergebenden Beund Entlastungseffekte einschließlich der Ausstrahlung auf die bilanzielle Darstellung sind, wird anhand mehrerer Fallgruppen anschaulich dargestellt. Ein deutlicher Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Identifikation und Bewertung der Zinsschrankenrisiken. Hinzu kommen speziell für Rechtsanwender lesenswerte Ausführungen über die Steuerung der zinsschrankenrelevanten Risiken und die externe Berichterstattung über diese Risiken. So umfassend und auf so hohem Niveau wurde das Thema bislang noch nicht untersucht. Mit der Betrachtung einer steuerrechtlichen Problemstellung aus der Sicht des TaxRisk Managements betritt der Verfasser wissenschaftliches Neuland. Die Analyse der Zinsschrankenrisiken weist einen außergewöhnlich hohen Detaillierungsgrad auf. Die vorhandene Literatur wird vollständig ausgewertet und dabei sehr sorgfältig zwischen Mehr- und Minderheitsmeinung differenziert. Rechtsanwender finden hier eine Quelle von Anregungen für ihre Arbeit. Wissenschaftlich und praktisch hochinteres4

Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2011“ sant sind die Ausführungen zur qualitativen und quantitativen Bewertung von Zinsschrankenrisiken. Im Mittelpunkt der qualitativen Analyse steht eine Befragung von neun hochkarätigen Steuerexperten. Der dabei verwendete Fragebogen umfasst drei Frageblöcke zur gefühlten Rechtsunsicherheit, dem Konfliktpotential mit der Finanzverwaltung und der Beratungsrelevanz. Die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotential sind naturgemäß nicht gleich verteilt und erreichen hinsichtlich der EBITDA und Zinssaldo-Ermittlung ein eher niedriges Niveau. Deutlich rechtsunsicherer und konfliktanfälliger eingestuft werden dagegen der Equity-Escape, die Auslegungsfragen rund um § 8a KStG sowie die Regelungen zum Untergang des Zins- und EBITDA-Vortrags. Bemerkenswert ist dabei eine durchgängig niedrige Standardabweichung, d. h. die Experten waren sich untereinander weitgehend einig. Das gilt auch für die Beratungsempfehlungen. In vier von sieben Fällen weicht die übereinstimmende Beratungsempfehlung von der im BMF-Schreiben niedergelegten Verwaltungsauffassung ab. Nur in zwei von sieben Fällen stimmen die Experten mit der Verwaltung überein, und in nur einem Fall war das Votum der Experten uneinheitlich. Gleicht man die Ergebnisse der Befragung mit dem im vorhergehenden Kapitel herausgearbeiteten Stand der Diskussion in der Literatur ab, so wird deutlich, dass die Experten sich mit ihren Beratungsempfehlungen stets dann der herrschenden Meinung im Schrifttum anschließen, wenn Verwaltung und Fachliteratur unterschiedlicher Auffassung sind. Die Experten sind sich insoweit wiederum erstaunlich einig und scheuen ganz offensichtlich nicht den Konflikt mit der Verwaltung. Im Rahmen der quantitativen Bewertung arbeitet der Verfasser auf der Basis eines von ihm selber entwickelten Modells zur Quantifizierung der Zinsschrankenrisiken 1. und 2. Ordnung im Rahmen einer mehrperiodischen Betrachtung sowie einer Simulation auf Grundlage der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank u. a. heraus, dass die Wahrscheinlichkeit für ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke im verarbeitenden Gewerbe und im Handel oberhalb von 40 % liegt. Nicht verwunderlich ist auch, dass die Wahrscheinlichkeit des Eingreifens der Zinsschranke im Zeitablauf hoch ist, wenn sie bei dem betreffenden Unternehmen bereits einmal gegriffen hat, während die Entlastungswirkungen eines EBITDA-Vortrags in diesem Fall vergleichsweise gering sind. Kriterium für die Auswahl der steuerpolitischen Instrumente zur Steuerung des Zinsschrankenrisikos sind die Rechtssicherheit und der Durchsetzungsgrad. Im Vordergrund der Betrachtung stehen dabei Maßnahmen zur Vermeidung des Grundtatbestands durch konzerninterne Verlagerung und die Substitution der Fremdfinanzierung, z. B. durch Leasing. Flankie5

Kessler, „Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2011“ rend zur Risikovermeidung werden Maßnahmen zur Risikominimierung, Risikodiversifizierung und Risikoüberwälzung diskutiert. Zu denken ist beispielsweise an variabel und niedrig verzinste konzerninterne Darlehen, die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital, zinsertragssteigernde Maßnahmen sowie strukturelle Anpassungen durch Konzentration und Dekonzentration sowie Rechtsformwechsel. Eine Schnittstelle zur Arbeit von Herrn Kläne sind die Ausführungen zur Risikominimierung durch Steuerklauseln, insbesondere bei Mitunternehmerschaften, wo durch Zinszahlungen eines Mitunternehmers fremdbestimmte Steuerwirkungen ausgelöst werden. Sehr gehaltvoll und informativ sind die Ausführungen zur externen Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken nach HBG und IFRS. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht hier die Frage nach dem Ausweis einer Rückstellung. Für die Praxis wichtig und sicher auch zum Teil überraschend ist dabei die Erkenntnis, dass grundsätzlich eine Rückstellung gebildet werden muss, wenn das Unternehmen einen von der Auffassung der Finanzverwaltung abweichenden Standpunkt einnimmt. Empirische Daten, ob bzw. wie häufig dies bislang beachtet wird, liegen nicht vor, würden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufzeigen. Auch insoweit liefert die vorliegende Arbeit also wichtige Anregungen für die weitere Diskussion. Herr Dr. Liekenbrock is ene Kölsche Jung, er wurde am 18. November 1980 hier in Köln geboren. Zwischen 2001 und 2006 studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln, arbeitete nach dem Examen etwa ein Jahr bei einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, um danach eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität zu Köln anzunehmen. Und just heute hat er den ersten Tag der Steuerberaterprüfung hinter sich gebracht, die die meisten von uns auch schon einmal so richtig ins Schwitzen gebracht hat. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg, drücken Ihnen die Daumen für die beiden verbleibenden Prüfungstage. Mit ihren Arbeiten haben beide Preisträger bewiesen, dass sie in der Lage sind, ein wissenschaftlich anspruchsvolles und praktisch relevantes Thema konsequent mit Expertise, Scharfsinn und Kreativität zu bearbeiten. Mit der Preisverleihung möchte das Fachinstitut beide Preisträger anspornen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und das steuerliche Schrifttum durch weitere wissenschaftliche Arbeiten zu bereichern. Herr Kläne und Herr Liekenbrock, wir gratulieren Ihnen und erheben gerne das Glas auf Sie.

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften Professor Dr. Dietmar Gosch Vorsitzender Richter am BFH, München Inhaltsübersicht*

I. Neues zu § 8b KStG 1. Urteil vom 22.12.2010, I R 58/10: Veräußerungsgewinn bei Wertveränderung der Kaufpreisforderung 2. Urteil vom 23.6.2010, I R 71/09: Verhältnis zum abkommensrechtlichen Schachtelprivileg bei Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG 3. Urteil vom 13.10.2010, I R 79/09: Abzugsverbot gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG auch für „finale“ Veräußerungsverluste und Teilwertabschreibungen

II. Organschaft 1. Internationaler Aspekt: Urteil vom 9.2.2011, I R 54,55/10: Grenzüberschreitende Organschaft 2. Nationaler Aspekt: Urteil vom 28.7.2010, I R 89/09: Rückwirkende Organschaft III. Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09: Substanzerfordernisse im Außensteuerrecht IV. Urteil vom 8.9.2010, I R 6/09: Die zuziehende Kapitalgesellschaft

I. Neues zu § 8b KStG 1. Urteil vom 22.12.2010, I R 58/10: Veräußerungsgewinn bei Wertveränderung der Kaufpreisforderung In dem Urteil vom 22.12.2010, I R 58/101 stand die Frage in Streit, ob und ggf. wie es sich auswirkt, wenn ein Kapitalanteil veräußert wird und der Verkäufer mit seiner Kaufpreisforderung ganz oder teilweise wegen Uneinbringlichkeit ausfällt. Verringert sich dadurch rückwirkend der Veräußerungsgewinn, der nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei zu stellen ist? Oder handelt es sich hierbei um einen (späteren) laufenden Verlust? Muss der Veräußerer sich für die vorzunehmende Teilwertberichtigung die Abzugssperre des § 8b Abs. 3 KStG entgegenhalten lassen? Alle drei Varianten werden vertreten. Die Finanzverwaltung2 und wohl auch die * Auf die Wiedergabe der Einführung sowie der resümierenden Schlussworte wurde verzichtet. 1 BFH/NV 2011, 711. 2 BMF v. 13.3.2008, BStBl. I 2008, 506

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht sog. herrschende Meinung im Schrifttum3 sind der ersteren Auffassung und dem hat sich jetzt auch der BFH angeschlossen: Veräußerungspreis i. S. von § 8b Abs. 2 S. 2 KStG ist nur jener Betrag, den der Veräußerer im Ergebnis tatsächlich vereinnahmt. Letztlich nimmt der BFH dabei Anleihe bei der einschlägigen Rechtsprechung zu § 16 Abs. 2 (und auch § 17 Abs. 2) EStG. Dazu hat der Große Senat des BFH4 bekanntlich entschieden, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis seien so lange und so weit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe. Nur auf diese Weise lasse sich eine sachgerechte (Einmal-)Besteuerung sicherstellen. Das rechtfertige es, spätere Wertveränderungen des Kaufpreises spezialgesetzlich auf den Veräußerungsstichtag zurückwirken zu lassen und nur den tatsächlich vereinnahmten Kaufpreis zu erfassen. Nun lässt sich das alles nicht ohne weiteres mit der Situation des § 8b Abs. 2 KStG vergleichen. Denn hier geht es um laufend veranlagte Steuern und hier können die späteren Wertveränderungen regelmäßig ohne weiteres in jenem VZ steuerwirksam werden, in welchem sie eintreten; ein „Stichtagszwang“ zur Vermeidung von Besteuerungslücken besteht nicht. Dessen ungeachtet ist es dem Gesetzgeber aber auch hier unbenommen, aus steuerrechtlichen Gründen – und abweichend von der handelsbilanziellen Lage (!) – eine stichtagsbezogene Wertermittlung zu bestimmen. Eine solche Rechtslage ist insbesondere bei Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen, und das ist für § 8b Abs. 2 KStG anzunehmen: Das Gesetz geht typisierend von der Vorstellung aus, bei dem Veräußerungsgewinn handele es sich um thesaurierte (komprimierte) Gewinne. Unter dieser Annahme zielt die in § 8b Abs. 2 KStG eingeräumte Steuerfreistellung darauf ab, die vorangegangene (körperschaft-)steuerliche Vorbelastung beim Anteilseigner zu neutralisieren. Das aber gelingt nur, wenn man den Veräußerungsvorgang als isolierten, einmaligen Vorgang begreift und diesen Vorgang von der laufenden Besteuerung des Anteilseigners abgrenzt. Dem Veräußerungsvorgang nachfolgende Wertveränderungen der noch ausstehenden Gegenleistung wirken deswegen auf den Veräußerungszeitpunkt, in dem der Veräußerungsgewinn zu ermitteln 3 Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz. 61 ff.; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8b KStG Rz. 195a; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG, GewStG, UmwStG, § 8b KStG Rz. 43c; Rengers in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 8b KStG, Rz. 243; Bahns, Ubg 2008, 762, 766; Hauswirth in Lademann, KStG, § 8b Rz. 95; a. A. Düll/Knödler, DStR 2008, 1665, 1668 4 BFH, Urt. v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht ist, zurück. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ermöglicht es, diese Rückwirkung für die Steuerfestsetzung des Veräußerungsjahres verfahrensrechtlich umzusetzen. Das wird immer dann erforderlich sein, wenn die pauschale ‚Schachtelstrafe‘ des § 8b Abs. 3 S. 1 KStG auf den ursprünglichen Gewinn als Vomhundertsatz berechnet worden ist. Konsequenzen: Bei einem späteren Ausfall der Kaufpreisforderung schlägt die dadurch ausgelöste Wertminderung der noch nicht erfüllten Forderung auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns und damit auf den Umfang der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG durch. Zugleich wird in dem betreffenden VZ, in dem der Forderungsausfall feststeht, korrespondierend kein abzugsfähiger Aufwand erfasst. Anders wird es sich bei Wertveränderungen an der bereits erbrachten Gegenleistung verhalten, z. B. aufgrund von Verschiebungen der Währungsparitäten, bei Sachleistungen, die an Wert verlieren (etwa Aktien), usw. Derartige Wertveränderungen sind nach wie vor auch steuerbilanziell zu erfassen. 2. Urteil vom 23.6.2010, I R 71/09: Verhältnis zum abkommensrechtlichen Schachtelprivileg bei Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG Auch das Urteil des BFH vom 23.6.2010, I R 71/095 betrifft § 8b KStG. Es handelt sich hierbei um ein Urteil mit vielfachen interessanten und folgenreichen dogmatischen Facetten. Konkret betrifft es die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG. Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden danach die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Dividenden, und zwar netto nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit diese nach § 8b Abs. 5 KStG unberücksichtigt bleiben. Im Ergebnis werden damit 95 % der Dividenden wieder hinzugerechnet. Voraussetzung ist indes, dass nicht zugleich die Kürzungserfordernisse des § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG erfüllt sind, also des internationalen gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg, das eine 15 %ige Auslandskapitalbeteiligung erfordert. Das bedeutet: „Streubesitzler“ unterhalb der Mindestbeteiligungsquote sowie solche Anteilseigner, die zwar oberhalb dieser Quote liegen, jedoch aus anderen Gründen an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG scheitern, müssen die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG dulden – es sei denn, so ließe sich argumentieren, sie erfüllen die Voraussetzungen eines DBA-Schachtelprivilegs. Denn davon ist in § 8 Nr. 5 GewStG keine Rede und deshalb gibt es – jedenfalls vordergründig – auch nichts hinzuzurechnen.

5 BStBl. II 2011, 129.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Das war denn auch die Kern-Streitfrage im Urteilsfall, in dem es um eine deutsche GmbH ging, die zwar am 1.1. eine 50 %ige Beteiligung an einer polnischen Spoo hielt, diese Beteiligung dann aber im Laufe des Jahres veräußerte. Womöglich stand ihr wegen dieser Veräußerung das gewerbesteuerliche Privileg nicht zu und deswegen reklamierte sie das entsprechende Privileg des DBA-Polen, um der Hinzurechnung zu entgehen. Nun hat der BFH vor noch nicht allzu langer Zeit – im Urteil vom 14.1.2008, I R 47/086 – entschieden, dass unilaterale und bilaterale Schachtelprivilegien zweierlei sind. In der Regel wirkt sich das indes nicht aus, weil § 8b KStG weiterreicht und das DBA-Privileg im Grundsatz verdrängt. Es gibt dazu jedoch Ausnahmen, und eine solche wird hier vom BFH angenommen: Zwar bleibt § 8b Abs. 1 KStG gemäß § 7 S. 1 GewStG als gegenüber der Abkommensregelung günstigere nationale Regelung zunächst – auf einer 1. Stufe – uneingeschränkt anwendbar. Die hiernach freigestellten (in- wie ausländischen) Gewinnanteile werden nach § 8 Nr. 5 GewStG sodann jedoch – auf einer 2. Stufe – dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet; die Freistellung wird dadurch im Ergebnis neutralisiert. Das wiederum hat zur Konsequenz, dass die abkommensrechtliche Freistellung wiederauflebt. Eine Hinzurechnung auch der hiernach freigestellten Gewinnanteile wird von § 8 Nr. 5 GewStG gerade nicht angeordnet. Der BFH verweist in diesem Zusammenhang auf die Wertungen des § 2 AO, der den prinzipiellen Vorrang völkerrechtlicher Verträge i. S. des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG gegenüber den Steuergesetzen bestimmt. Stangl/ Hageböke haben im Kontext dazu den schönen Begriff von der „völkerrechtsfreundlichen Regelungsauslegung“ gefunden.7 Zwar dienen die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen der Durchführung der (innerstaatlichen) Besteuerung und werden als solche von der abkommensrechtlichen Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht umfasst. Gehört jedoch auch die Gewerbesteuer zum sachlichen Regelungsbereich des DBA und wird auch sie prinzipiell von der darin bestimmten Freistellung von der Bemessungsgrundlage erfasst, dann muss sich die abkommensrechtlich vereinbarte Freistellung der betreffenden Gewinnanteile von der Bemessungsgrundlage schon wegen ihrer begrifflichen Übereinstimmung im DBA einerseits und in § 8 Nr. 5 GewStG andererseits („Gewinnanteile“, „Dividenden“) auch auf die gewerbesteuerliche Besteuerungsgrundlage beziehen. Das gebietet letztlich auch der im Kern gleichgelagerte „Schachtelzweck“. Andernfalls hätte die Hinzurechnung die Wirkung eines ‚verdeckten‘ Treaty Override.

6 BStBl. II 2011, 131. 7 Stangl/Hageböke, Ubg 2010, 651; Hageböke, IStR 2009, 473.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Ich warne jedoch davor, aus der Entscheidung vorschnell allzu viele Konsequenzen auch in anderer Hinsicht zu ziehen, insbesondere jene, dass das DBA-Schachtelprivileg auch von der sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG suspendiere.8 Das ist nicht ausgeschlossen, jedoch keineswegs zwingend und könnte deshalb trügerisch sein. Zwar ließe sich für eine solche Sichtweise neuerlich die Figur des ‚verdeckten‘ Treaty Override fruchtbar machen. Denn mittels des rechtstechnischen „Kniffs“ der Nichtabziehbarkeit fingierter Betriebsausgaben wird die Freistellung der Dividenden letztlich „auf kaltem Wege“ unterlaufen. Das mag bei 5 % – wie bei § 8b Abs. 5 KStG – noch hinnehmbar sein, stößt bei einer entsprechend hohen Quantifizierung des Abzugsausschlusses, etwa bei Kaskadeneffekten, aber doch auf beträchtliche Bedenken.9 Man könnte vielleicht auch an die Spruchpraxis zum Verhältnis von vGA einerseits und nichtabziehbaren Betriebsausgaben denken: „Solange die Rechtsfolgen der Vorschriften nicht voneinander abweichen, kann der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüft.“ Nur im Falle der Rechtsfolgenabweichung muss er sich ‚bekennen‘.10 So aber liegen die Dinge hier: An sich laufen § 8b KStG und das DBA-Privileg völlig parallel. Zum Schwur kommt es dann aber bei der Schachtelstrafe. Jedoch lässt sich auch abgrenzen: Nichtabziehbare Betriebsausgaben und vGA sind trotz z. T. ähnlicher Wirkungsweise im Ergebnis voneinander gänzlich unabhängige Steuerrechtsinstitute; die sog. Schachtelprivilegien sind hingegen nicht nur von der Wirkungsweise, sondern auch vom Zweck her ähnlich und zielen beiderseits auf eine Freistellung zur Vermeidung einer (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung ab. Letzteres könnte es rechtfertigen, die tatbestandlich weitergefasste Vorschrift des § 8b Abs. 1 KStG im Ausgangspunkt unbeschadet des § 8b Abs. 5 KStG und des § 8 Nr. 5 GewStG systematisch-methodisch vorgehen zu lassen. Insoweit sollte im Ergebnis vielleicht doch maßgeblich sein, dass § 8b Abs. 1 KStG in seiner ‚technischen“ Anwendung in keiner Weise beschränkt wird. Die Fiktion der Betriebsausgaben und deren pauschale Nichtabziehbarkeit in § 8b Abs. 5 KStG werden anders als das zweistufige Vorgehen bei der Ermittlung des Gewerbeertrages auf einer anderen Stufe der Einkommensermittlung ‚abgehandelt‘. Diese ‚Technik‘ ist durch die Mutter/Tochter-Richtlinie vorgegeben. Und nicht zuletzt deswegen dürfte der nationale Gesetzgeber dazu befugt sein. Will man anders

8 Gosch in Förster/Kessler/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, Festschrift Herzig, 2010, S. 63; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl., 483. 9 S. auch BVerfG, Urt. v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393. 10 BFH, Urt. v. 7.2.2007 – I R 27, 29/05, BFH/NV 2007, 1230.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht entscheiden, würde wohl auch § 3c Abs. 2 EStG reaktiviert. Im Urteilsfall konnte das alles offen bleiben. Die Diskussion ist noch im Gange.11 3. Urteil vom 13.10.2010, I R 79/09: Abzugsverbot gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG auch für „finale“ Veräußerungsverluste und Teilwertabschreibungen Im Urteil vom 13.10.2010, I R 79/0912 ging es um einen weiteren, ebenfalls internationalrechtlichen Aspekt des § 8b KStG, konkret um eine deutsche Kapitalgesellschaft, zum einen mit einer argentinischen, zum anderen mit einer portugiesischen Tochtergesellschaft. Die eine dieser Tochtergesellschaften – die argentinische Gesellschaft – wurde mit Verlusten verkauft. Die andere – die portugiesische – wurde infolge der Geschäftslage liquidiert, was bei der Mutter vice versa eine Teilwertabschreibung nach sich zog. Die Frage ging nun dahin, ob der Abzugsausschluss gemäß § 8b Abs. 3 S. 3 KStG für „Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in (§ 8b) Abs. 2 genannten Anteil stehen“, gesetzeswidrig ist, und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Zum ersten fragt sich, ob dieser Ausschluss auch Veräußerungsverluste umfasst oder ob diese Verluste bereits der „Steuerbefreiung“ des § 8b Abs. 2 KStG unterfallen. Der BFH lehnt letzteres ab; spezieller und deswegen vorrangig ist § 8b Abs. 3 KStG. Das führt in gewisser Weise zu systematischen Verwerfungen: Veräußerungsgewinne sind im wirtschaftlichen Ergebnis nur zu 95 % steuerbefreit; Veräußerungsverluste bleiben hingegen zu 100 % unberücksichtigt. Zum zweiten könnte erwogen werden, Verluste im Zusammenhang mit Kapitalbeteiligungen unterfielen nur dann dem Abzugsausschluss des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG, wenn sie mit irgendwelchen anteilsbezogenen Einnahmen parallel gingen. In diese Richtung hatte der (IX. Senat des) BFH im Zusammenhang mit ‚privat‘ gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften und insoweit mit § 3c Abs. 2 S. 1 und § 17 Abs. 1 und 4 EStG argumentiert.13 Der (I. Senat des) BFH stellt indes klar: beiden Regelungen – § 3c Abs. 2 S. 1 EStG einerseits, § 8b Abs. 3 S. 3 KStG andererseits – mag zwar dasselbe ‚symmetrische“ Regelungskonzept zugrunde liegen. Es wird jedoch in unterschiedlicher Weise verwirklicht: Hier (bei § 3c Abs. 2 EStG) erfolgte bislang (s. aber jetzt § 3c Abs. 2 S. 2 EStG i. d. F. des JStG 2010) eine Verknüpfung

11 Gosch in Förster/Kessler/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, Festschrift Herzig, 2010, S. 63; Kraft/Gebhardt/Quilitzsch, FR 2011, 593; Stangl/ Hageböke, Ubg 2010, 651; Hageböke, IStR 2009, 473; Schönfeld, IStR 2010, 658. 12 BFH/NV 2011, 521. 13 BFH, Urt. v. 18.3.2010 – IX B 227/09, BStBl. II 2010, 627.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht mit irgendwelchen Einnahmen, dort (bei § 8b Abs. 3 KStG) indes mit ‚Anteilen i. S. des § 8b Abs. 2 KStG“; ein Bezug zu Einnahmen fehlt. Zum dritten: Mittels Veräußerungs- oder Liquidationsverlusten aus Kapitalbeteiligungen kann kaum die Gefahr einer doppelten steuerlichen Verlustberücksichtigung herbeigeführt werden. Solche Verluste sind wirtschaftlich vielmehr endgültig: Bei der Tochter können die Verluste nicht mehr verwertet werden. Im Veräußerungsfall droht überdies § 8c KStG. Und ohnehin stellt der Beteiligungsbuchwert die ‚natürliche‘ Grenze für eine Verlustkompensation dar. Dennoch belässt § 8b Abs. 3 KStG insoweit entgegen der Regelungsintention keine Ausnahme. Das ist vor dem Hintergrund des Nettoprinzips nicht über jeden Zweifel erhaben. Der Abzugsausschluss in § 8b Abs. 3 KStG ist auch keineswegs „systemischgottgegeben“. Er resultiert vielmehr aus einer nachvollziehbaren, jedoch gesetzlich-fiskalischen Regelungsanordnung. Gleichwohl und trotz überschießender Effekte ist das alles – so der BFH – aus regelungstypisierender Sicht hinzunehmen und löst (noch) keinen Verfassungsverstoß aus.14 Und schließlich zum vierten: Unionsrechtliche Bedenken, so sie denn geltend gemacht werden,15 sind (jedenfalls im Kern und vorbehaltlich abkommensrechtlicher Überlegungen – dazu gleich mehr -) ohne Grund: Denn Inlands- und Auslandsbeteiligungen werden durch § 8b Abs. 3 KStG gleichermaßen ‚schlecht‘ behandelt. Das gilt auch dann, wenn man die Existenz eines (tatsächlich ja nicht existenten) Organschaftsverhältnisses unterstellen würde. Überdies gibt der BFH – und er verweist dabei ausdrücklich auf das EuGH-Urteil in Sachen „X-Holding“16- zu bedenken, dass das internrechtliche Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrages, um eine steuerliche Organschaft zu begründen, für sich genommen keineswegs und von vornherein unionsrechtswidrig sein muss. Zudem tendiert der BFH dazu, dass die Organschaft ‚faktisch gelebt‘ werden muss, soll sie grenzüberschreitend anerkannt werden. Das schlösse dann strenggenommen den Ergebnisabführungsvertrag mit ein. Nun mag man einwenden, ein solches faktisches ‚Leben‘ des Organschaftsverhältnisses lasse sich kaum rechtfertigen. De lege lata habe man ja sowieso keine Chance auf Anerkennung. Und in der Tat: Es widerspräche sowohl dem Effektivitätsprinzip als auch dem Frustrationsverbot zu verlangen, dass ein Rechtsstreit um etwas geführt wird, das von vornherein aussichtslos ist. Genau das wurde vom EuGH in der Rechtssache „Metallgesellschaft

14 Ebenso Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b Rz. 108; s. auch Schön, StuW 2000, 151, 158; Birk, StuW 2000, 328, 336. 15 Siehe dazu z. B. Rödder, Ubg 2011, 473; IFSt Nr. 471/2011, 94. 16 EuGH, Urt. v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08, X Holding, DStR 2010, 427.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Hoechst“17 bereits im Jahr 2001 klar bekundet. Doch betrifft das eben jene Situation, dass alle Erfordernisse auf dem Tisch liegen und erfüllt sind – alle, bis auf jenes Erfordernis, das womöglich europarechtswidrig ist. Und damit wären wir dann wieder bei der unionsrechtlichen Einschätzung des Ergebnisabführungsvertrags. Möglicherweise nötigt diese Ausgangslage, es jedenfalls zu versuchen, einen grenzüberschreitenden Ergebnisabführungsvertrag zu schließen oder aber zumindest eine anderweitige schuldrechtliche Verlustübernahme zu vereinbaren. Es gibt zwei Finanzgerichte, das FG in Hannover18 und das in Neustadt,19 die solches schon vorgedacht haben. Zumindest aber wird zu verlangen sein, dass die – seinerzeitige – Absicht, ein Organschaftsverhältnis begründen zu wollen, nach außen hin gegenüber den Finanzbehörden vorgebracht worden ist. Solches erst im Nachhinein unter Hinweis auf die tatsächlichen Gegebenheiten, die das ermöglicht hätten, nur zu behaupten, sollte nicht genügen. Schließlich kennt das deutsche Steuerrecht keinen Organschaftszwang, nur weil die einschlägigen Voraussetzungen solches ermöglichen.20 Mag sein, dass solche Erwägungen des BFH den Gesetzgeber kaum darin beflügeln, bei etwaigen anstehenden Reformüberlegungen zur Organschaft21 so mir nichts, dir nichts auf den Ergebnisabführungsvertrag zu verzichten.22 Und möglicherweise wird eine solche Zurückhaltung noch intensiviert, betrachtet man zusätzlich das schon vieldiskutierte Urteil vom 9.2.2011, I R 54, 55/10:23

17 EuGH, Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98, C-397/98, C-410/98, RIW 2001, 467. 18 Niedersächsisches FG v. 11.2.2010 – 6 K 406/08, EFG 2010, 815, (aus anderen Gründen vom BFH bestätigt, Beschl. v. 9.11.2010 – I R 16/10, IStR 2011, 110). 19 FG Rheinland-Pfalz v. 17.3.2010 – 1 K 2406/07, EFG 2010, 1632 (Rev. I R 34/10 zurückgenommen und eingestellt) 20 S. zwischenzeitlich in diesem Sinne denn auch BFH, Urt. v. 7.12.2011 – I R 30/08. 21 S. dazu nur beispielhaft IFSt-Arbeitsgruppe, IFSt Nr. 471/2011; Kahle/Vogel/ Schulz, Ubg 2011, 763. 22 S. denn auch Wirtschaftswoche v. 2.12.2011: „Schäuble stoppt wichtige Steuervorhaben“. Danach wird eine Reform der Konzernbesteuerung aus Fiskalgründen zunächst und für diese Legislaturperiode auf Eis gelegt. 23 BFH, Urt. v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, IStR 2011, 345. S. zu der sich bereits abzeichnenden Entwicklung dieser Spruchpraxis bereits Gosch in Mellinghoff/ Schön/Viskorf (Hrsg.), Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift für Spindler, 2011, S. 379, 406 ff.

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II. Organschaft 1. Internationaler Aspekt: Urteil vom 9.2.2011, I R 54,55/10: Grenzüberschreitende Organschaft Es geht auch hierbei um die Frage nach der Existenz einer Organschaftsstruktur, die einen immanenten Binnenbezug aufweist und eine Inlandsgesellschaft als Organträger einfordert. Konkret geht es um das Erfordernis eines inländischen Unternehmens, also eines solchen mit Geschäftsleitung im Inland. Dazu haben sich in der Vergangenheit zunächst der BFH und sodann das BMF geäußert: Der BFH hatte mit Urteil vom 29.1.200324 zu einer in das Inland umgezogenen sog. Delaware Corp. entschieden, dass eine US-Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet und die Gesellschafterin einer deutschen GmbH mit Geschäftsleitung im Inland ist, entgegen § 14 KStG a. F. Organträger einer mit der Tochtergesellschaft vereinbarten Organschaft sein kann. Deswegen greife das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot, wenn ihr wegen des statutarischen Sitzes im Ausland die Anerkennung der Organschaft versagt werde. Die Finanzverwaltung hat das in einem Anwendungsschreiben vom 8.12.200425 akzeptiert, was ihr wohl einigermaßen leichtfiel, weil § 14 KStG die Organträgereigenschaft seit 2001 nur noch einfach mit dem Inland verknüpft: nur noch durch die Geschäftsleitung und nicht mehr auch durch den Sitz. Probleme bereitet es der Finanzverwaltung, wenn nun auch die Einbeziehung der Auslandsgesellschaft als Organträgerin verlangt wird. Das verstoße weder gegen Unionsrecht noch gegen den Diskriminierungsschutz des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA. Letzteres erscheint durchaus als bedenklich. Und ersteres ist gleichfalls eigentümlich. Zwar wird sich ein DBA-Diskriminierungsschutz nicht beim potentiellen ausländischen Organträger auswirken, ich denke jedoch, sehr wohl bei der potentiellen Organgesellschaft. Denn diese wird, wenn sie ausländerbeherrscht ist, steuerlich „anders“ behandelt als eine inländerbeherrschte vergleichbare Gesellschaft: Sie wird nicht – wie das § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG befiehlt – als Betriebsstätte des Organträgers angesehen, und sie muss ihr Einkommen selbst versteuern. Diese Andersbehandlung erfüllt dann aber den Tatbestand des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA. Das wird zwar teilweise abweichend beurteilt, namentlich von der OECD, die in Nr. 77 des Musterkommentars 2008 zu Art. 24 einen entsprechenden Vorbehalt einbezogen hat. Vorschriften einer Gruppenbesteuerung und der Konzernkonsolidierung sollen wegen der damit auf den verschiedenen Unternehmensebenen verbundenen und 24 BFH, Urt. v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043. 25 BStBl. I 2004, 1181.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht damit in den jeweiligen Vertragsstaaten ineinandergreifenden steuerlichen Vor- und Nachteile dem Schutzbereich des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA grundsätzlich entzogen werden. In diesem Sinne wurde denn auch etwa im DBA-USA ein spezifischer Abkommensvorbehalt gemacht (in Nr. 21 des Protokolls vom 29.8.1989 i. V. m. Art. 24 Abs. 4). Es wird auch nachhaltig auf den Umstand hingewiesen, dass die strikte Anwendung des Diskriminierungsverbots den Verlust von Besteuerungssubstrat zur Folge haben kann und wird. Doch stört das den BFH nicht. Der Abkommenstext und die Abkommenszusammenhänge sind ihm eindeutig. Auch wenn es dadurch im Ergebnis für die betreffenden Einkünfte zu einer „Keinmalbesteuerung“ in beiden Vertragsstaaten kommen kann, rechtfertigt das vor dem Hintergrund des absolut wirkenden abkommensrechtlichen Verbots vor Diskriminierungen in Art. 24 Abs. 5 OECD-MA keineswegs die steuerliche Andersbehandlung des ausländerbeherrschten gegenüber dem inländerbeherrschten Inlandsunternehmens in Abhängigkeit von einem ansässigkeitsbegründenden – und damit diskriminierungsverbotsauslösenden – Merkmal. Die Entscheidung des BFH betraf zwar noch altes Gewerbesteuerrecht des Erhebungszeitraums 1999, für das es noch nicht auf die Existenz eines Ergebnisabführungsvertrages ankam. Die Grundfrage nach dem Inlandsbezug als notwendige Voraussetzung der Organträgerfunktion stellte sich aber hier wie dort. Dem Urteil könnte dadurch eine enorme, weit über das eng umrissene Gebiet der Gewerbesteuer hinausreichende Sprengkraft zukommen. Denn der BFH hat letztlich die Begründung einer (sog. gewerbesteuerlichen) Organschaft ‚über die Grenze‘ zwischen einer inländischen Untergesellschaft und einer ausländischen Obergesellschaft – also die Inbound-Situation – anerkannt, und das nicht nur nach Maßgabe des Unionsrechts innerhalb der regionalen Begrenzungen der EU, sondern nach Maßgabe des Abkommensrechts und damit ‚worldwide‘. Dass es mittlerweile auch im Gewerbesteuerrecht eines gesellschaftsrechtlichen Gewinnabführungsvertrages bedarf, um ein steuerliches Organschaftsverhältnis begründen zu können, muss dabei – abhängig von dem einschlägigen Gesellschaftsstatut und dem Gesellschaftsrecht der Auslandsgesellschaft – durchaus kein unüberwindbares Hindernis darstellen. Das könnte dann aber das Ende des organschaftlichen Binnensystems bedeuten – mit der Folge der drohenden Keinmalbesteuerung. Denn im Ausland wird der deutsche Gewerbeertrag, werden die deutschen Gewinne naturgemäß kaum versteuert. Das klingt vordergründig verheißungsvoll. Mißliebig wäre es, wenn nicht nur positive, sondern auch negative Einkommen ins Ausland verschwinden würden. Das erweckt zunächst Argwohn. Diskriminierung durch Steuervorteile oder sogar Steuerbesserstellung? Oder anders herum: Steuerbenachteiligung als Konsequenz des Diskriminierungsschutzes? Genau 18

Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht davon scheint der BFH aber wohl auszugehen. Er sieht in dem Verlustexport sozusagen den negativen Effekt des Diskriminierungsverbots, die steuerliche Andersbehandlung. Das ist zu diskutieren. Wäre das aber richtig, bliebe indessen zu fragen, wie es sich im „Finalitätsfall“ aus Sicht des Unionsrechts verhält. Die negative Aussperrung der Verluste kraft Diskriminierungsverbots müsste sich dann eigentlich und gewissermaßen auf die Spitze getrieben ebenso umkehren wie bei der abkommensrechtlich symmetrischen Freistellung.26 Das heißt: Der Ansässigkeitsstaat müsste wiederum als Ausfallbürge zu Verfügung stehen. Andernfalls entstünde wiederum ein nachteiliger und damit abermals diskriminierender Effekt.27 Auf der anderen Seite wäre zu diskutieren – und auch daraus erwüchse ein Steuernachteil –, ob die veränderte Hoheit über den Steuerzugriff nicht (auch) eine – jedenfalls partielle – Steuerentstrickung auszulösen vermag; immerhin wird das innerstaatliche Besteuerungsrecht über die Organgesellschaft zumindest suspendiert. Sieht man von alledem einmal ab: Was ist nun zu tun? Die ersten Reaktionen laufen mittlerweile auf28 und sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Etliche beklagen den drohenden Fiskalausfall. Es werden hehre Worte laut. Die Rede ist von dem Gemeinwesen, das jedem am Herzen liegen sollte, zumindest rhetorisch wird gar die Frage nach einem „‘Anschlag‘ auf das deutsche Staatswesen“ gestellt.29 Am vehementesten meldet sich hierzu Dötsch zu Wort:30 Der BFH müsse sich die Frage gefallen lassen, ob die richterliche Ungebundenheit Entscheidungen wie jene in einer Gesamtschau tatsächlich rechtfertigt …“. Und: Anders als der EuGH, der mittlerweile erkannt habe, dass seine Aufgabe auch darin besteht, den Mitgliedstaaten das Steueraufkommen zuzusichern, würde der BFH in spektakulären Einzelentscheidungen ohne zwingend nachvollziehbare Gründe den finanziellen Lebensnerv des Staates lahmlegen, der letztlich auch den Richtern „ihr Brot zusichert“. Nun, das sind starke Worte die, das sei erwidert, das Wesen, den ‚Lebensnerv‘ dessen, was Gewaltenteilung ausmacht, schlicht nicht verstehen oder verstehen wollen. Aufgabe von Gerichten, diese Bemerkung sei mir praeter rem erlaubt, ist es, Gesetze auszulegen. Das gilt im Allgemeinen. Im Rahmen der Eingriffsverwaltung ist es im Besonderen Aufgabe der Verwaltungs- und damit 26 S. dazu BFH, Urt. v. 9.6.2009 – I R 107/09, GmbHR 2010, 996, m. w. N. 27 Zutreffend IFSt Nr. 471/2011, 93. 28 Z. B. Kotyrba, BB 2011, 1382; Behrens, Ubg 2011, 665; Tetzlaff/Pockelwald, StuB 2011, 414; Mitschke, IStR 2011, 185 und 537; Rehm/Nagler, GmbHR 2011, 551; Stöber, BB 2011, 1943; Lendewig, NWB 2011, 2539; Frotscher, IStR 2011, 697; Lüdicke, IStR 2011, Rödder/Schönfeld, DStR 2011, 886. 29 Früchtl, GmbHR 2011, R225. 30 Konzern 2011, 267.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht auch der Finanzgerichte, Rechtsschutz zu gewähren und den Eingriff des Staates immer und nur im Einklang mit dem Gesetzesvorbehalt zu vollziehen. Dazu gehören auch Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Sie werden als völkerrechtlich-verbindliche Abmachungen in nationales Recht umgesetzt, und sind als solche auch dann ernstzunehmen, wenn sie im Einzelfall ohne anderslautende gesetzliche Gegenwehr Fiskalausfälle nach sich ziehen. Ein Richter, der zuvörderst die Finanzierung seiner Pension im Auge hat, scheint mir eher fehlplatziert. Sieht man von solchen Anwürfen einmal ab, zielt die Kritik an der Entscheidung in zwei Richtungen. Zum einen wird eine teleologische Reduktion angemahnt.31 Mit einigem guten Willen hätte sich der zu weit geratene, ja misslungene Wortlaut des Diskriminierungsverbots zurückfahren lassen, indem man Gruppen-, Konsolidierungs- und eben auch Organschaftskonzepte aus dem Regelungsbereich ausnimmt. Das entspricht denn auch der besagten OECD-Musterkommentierung. Indessen: Ob der Abkommenstext das tatsächlich hergibt, erscheint denn doch fraglich. Und nicht zuletzt: Die betreffende OECD-Musterkommentierung ist dem Kommentar erst im Jahre 2008 angefügt worden. Sie wäre, selbst wenn man ihr trotz des Abkommenstextes hinreichende Tragfähigkeit zuspräche, für die meisten und älteren Abkommen ohnehin unbeachtlich.32 Andere meinen, man müsse die Ansässigkeitsabhängigkeit als Unterscheidungsmerkmal sachgerecht auf die innerstaatliche Steuerpflicht verengen.33 Tue man das, dann gelange man zu den ‚richtigen‘ Ergebnissen.34 Ich habe auch dahin Bedenken. Eher ließe sich nach meinem Dafürhalten im Ansatz argumentieren, dass ein gruppenradiziertes und ein nicht gruppenradiziertes Einkommen von vornherein unterschiedliche Ausgangslagen betreffen, und dass insoweit keine Vergleichbarkeit zu notieren ist; die Gruppenbesteuerung „funktioniert“ gewissermaßen schon „aus sich heraus“ nur binnenstaatsbezogen.35 Dieser Weg ist vielleicht gangbar. Auch er ist aber steinig. Denn dass die Andersbehandlung keine solche sein sollte, weil organschaftlich verbundene Unternehmen mit nicht organschaftlich verbundenen Unternehmen schon im Ausgangspunkt unvergleichlich wären, erscheint bei an sich selbständigen Kapitalgesellschaften eher fragwürdig. Es geht eben nicht um die Besteuerung und – diskriminierungsrechtlich – Andersbehandlung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Allein die inlands- und 31 Behrens, Ubg 2011, 665; Frotscher, IStR 2011, 697; Mitschke, IStR 2011, 717. 32 Zur sog. statischen vs. der sog. dynamischen Auslegung s. z. B. BFH, Urt. v. 9.1.22010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482. 33 Behrens, Ubg. 2011, 665; Frotscher, IStR 2011, 697; Lüdicke, IStR 2011, 740. 34 Behrens, Ubg 2011, 665. 35 Hahn, jurisPR-SteuerR 24/2011, Anm. 5.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht die auslandsbeherrschte Kapitalgesellschaft -darauf stellt der BFH ganz maßgeblich ab – bilden das maßgebende Vergleichspaar, unbeschadet einer konzernierten Verbundenheit.36 Frotscher37 wiederum will die Organgesellschaft schlicht zur Betriebsstätte des ausländischen Organträgers machen. Der BFH hatte an dieser Stelle Zweifel, ob sich diese Reaktion konstruktiv bewältigen lässt, wohl zu Recht. Denn es ist insoweit Abkommensrecht und damit Art. 5 OECD-MA, einschließlich dessen Abs. 7, anzuwenden: „Allein“, so heißt es dort, „dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder über eine Betriebsstätte oder auf andere Weise) ihre Geschäftstätigkeit ausübt, wird keine der beiden Gesellschaften zur Betriebsstätte der anderen“. Wohlgemerkt „allein“. Es ließe sich nun vielleicht vertreten, mit den organschaftlichen Erfordernissen lasse sich eine Betriebsstätteneigenschaft konstruieren. Bei Licht betrachtet überzeugt das aber nicht. Denn zum einen bleibt die Inlands-Kapitalgesellschaft trotz besagter Erfordernisse eine selbständige Kapitalgesellschaft. Daran ändern die früheren gewerbesteuerrechtlichen Eingliederungsmerkmale nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG a. F. nichts, im Grundsatz ebensowenig wie das nunmehr durchgängig – im Gewerbesteuer- und im Körperschaftsteuerrecht – verlangte Vertragserfordernis der Einkommensabführung. Der Abgleich mit einer unselbständigen Betriebsstätte erscheint eigentlich schon von daher nicht recht belastbar. Deswegen „gilt“ die Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG auch internrechtlich nur als Betriebsstätte des Organträgers, sie „ist“ das aber nicht, und jene Fiktion ist abkommensrechtlich – gemessen an Art. 5 Abs. 1 OECD-MA – unbeachtlich. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG in dieser Situation als Treaty Override wirken soll. Zum anderen fußt die diskriminierungsrelevante „Andersbehandlung“ der ausländerbeherrschten Inlandsgesellschaft im Ergebnis schlicht darauf, dass sie eben ausländerbeherrscht ist. Die Beherrschungslage drückt sich nicht nur in der nominalen Anteilsquote, sondern auch in den übrigen Eingliederungsmerkmalen aus.38 Und so gesehen dürfte es eben doch auf dieses Unterscheidungsmerkmal als ausschlaggebend ankommen. Allenfalls aus Erfordernis und Existenz des Abführungsvertrages ließe sich ggf. etwas anderes ableiten.

36 Das BMF fechten solche Überlegungen nicht an: Es hat im Schreiben v. 27.12.2011 kurzerhand und ohne weitere Begründung die Nichtanwendung des Urteils verfügt. 37 IStR 2011, 697. 38 Zutreff. Wassermeyer in Debtain/Wassermeyer, DBA, Art. 5 Rz. 246.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Lüdicke und auch Schnitger/Berliner vertreten schließlich einen noch anderen Lösungsansatz.39 Sie meinen, einer Betriebsstättenannahme bedürfe es nicht, dieser Umweg führe letztlich in die Irre. Denn abkommensberechtigt bleibe unbeschadet der Organschaft die Organgesellschaft als solche. Folglich stehe dem Ansässigkeitsstaat – also Deutschland – für diese Gesellschaft dann auch das – es ist wohl zu ergänzen: ausschließliche – Besteuerungsrecht zu. Dass bei organschaftsverbundenen Unternehmen der Steuerschuldner ausgetauscht werde, ändere daran nichts. Dieser Einwand scheint mir schon gewichtiger. Überzeugt bin ich von ihm gleichwohl nicht. Zweifellos steht Deutschland zwar das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht zu. Nur macht es davon trotz prinzipiell getrennter Einkommensermittlung beim Organ und beim Organträger keinen Gebrauch. ‚Zugriffssubjekt‘ ist nach vollzogener Einkommenszurechnung vielmehr allein der Organträger. Sichtbar wird das nicht zuletzt an § 15 Satz 2 KStG, wonach dem Organträger und nicht der Organgesellschaft die Abkommensvergünstigung des Schachtelprivilegs zusteht. Und genau darin liegt dann die Andersbehandlung, welche die Diskriminierung auslöst. Zieht man sich angesichts dessen argumentativ wieder auf die strukturelle steuerliche Eigenständigkeit beider Unternehmen zurück, wird das Ganze deshalb zirkulär: Das abkommensrechtlich Diskriminierende wird mit der abkommensrechtlichen Besteuerungszuordnung geheilt – ein mir doch wundersam erscheinendes Ergebnis. Und zur Frage der eigenen Abkommensberechtigung des Organträgers. Fehlt diese bezogen auf das Organeinkommen? Ist der Organträger auch insoweit das „richtige“ Einkunftserzielungssubjekt? Ich meine: ja. Sichtbar wird das an dem Extrembeispiel, dass das nationale Recht die grenzüberschreitende Organschaft in grenzenlosem Altruismus ermöglicht – ein zugegeben sehr theoretischer Ansatz – und dass der andere Vertragsstaat beim Organträger – sozusagen in Übereinstimmung mit dem „Organstaat“ – auf das Besteuerungssubstrat zugreift: Was sonst als die Besteuerung von Unternehmensgewinnen sollte das denn dann – national wie abkommensrechtlich – sein? Soll der Steuerzugriff des Organträgerstaates dem Abkommen und dort Art. 7 OECD-MA widersprechen? Wohl kaum. Der Königsweg zur Problemlösung ist nach allem allein die bilaterale Beschränkung des Diskriminierungsschutzes oder aber die ‚Freigabe‘ der grenzüberschreitenden Organschaft mit der gleichzeitigen Schaffung eines bilateralen Fiskalausgleichs. Ansonsten bleiben dem nationalen Gesetzgeber nur wenige Handlungsspielräume. Ein probater Ausweg, um dem Verlust von Besteuerungssubstrat entgegenzuwirken, mag sein,

39 Lüdicke, IStR 2011, 740; Schnitger/Berliner, IStR 2011, 753.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht die beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Organträgers mit den Organeinkünften anzuordnen. Das wäre nach Lage der Dinge zwar „abkommensüberschreibend“ und geriete in den Fokus des derzeit vieldiskutierten40 Treaty Override, wäre jedoch möglicherweise einer jener (Ausnahme-)Konstellationen, die auch von den Treaty Override-Kritikern als verfassungsfest angesehen werden würden. Sinnvoll dürfte es jedenfalls sein, die Steuerpflicht und Steuerschuldnerschaft abzusichern, und zwar durch die Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft, wie sie in § 73 AO ja ohnehin vorgesehen ist. Greift man den Haftungstatbestand dabei weit und seinerseits diskriminierungsfrei, geht der Organschaftsvorteil im Zweifel aber auf breiter Front dahin, national wie international. Es lässt sich zusammenfassen: Bislang wurde in erster Linie unionsrechtlich argumentiert, wenn es darum ging, die Axt an den Ergebnisabführungsvertrag zu legen. Ob das nach der ‚X-Holding‘-Entscheidung des EuGH41 trägt, ist zumindest zweifelhaft.42 Will man dennoch auf den Ergebnisabführungsvertrag als unnötigen deutschen Sonderweg verzichten, dann stören vor allem die Auslandsverluste, was sich aber möglicherweise auf die Finalitätsfälle beschränken lässt. Der abkommensrechtliche Ansatz, den der BFH wählt, geht aber deutlich darüber hinaus, weil er abweichend vom Unionsrecht – erstens – weltweit, – zweitens – absolut und rechtfertigungslos wirkt und – drittens – nicht bei der Ausfallbürgschaft des Ansässigkeitsstaats für finale Verluste verharrt. Deshalb: Vielleicht ist es vorerst und sicherheitshalber von Vorzug, auf den Ergebnisabführungsvertrag nicht zu verzichten. Das erscheint jedenfalls immer noch besser als eine Radikallösung, wie sie der Gesetzgeber seinerzeit bei Abschaffung der Mehrmütterorganschaft vorexerziert hat. Und weswegen der Ergebnisabführungsvertrag so kompliziert und schwerfällig sein soll, erschließt sich auch nur begrenzt; andernorts werden hochkomplizierte Gestaltungen jedenfalls nicht gescheut.

40 Gosch, IStR 2008, 413. 41 EuGH, Urt. v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08, IStR 2010, 213. 42 Indessen: Tragender Grund für die unionsrechtliche Unbedenklichkeit des strikten Binnenbezugs von Organschaftsregeln ist die angemessene zwischenstaatliche Aufteilung des Besteuerungssubstrats als Rechtfertigung für den Grundfreiheitsverstoß. Dieser Rechtfertigungsgrund orientiert sich aber am OECD-Musterabkommen als ‚Sollvorgabe‘. Scheitert der Besteuerungszugriff jedoch am Diskriminierungsverbot, dann könnte – so ließe sich schlussfolgern – auch die unionsrechtliche Rechtfertigung Schiffbruch erleiden (!).

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht 2. Nationaler Aspekt: Urteil vom 28.7.2010, I R 89/09: Rückwirkende Organschaft Mit seiner Entscheidung vom 28.7.2010, I R 89/0943 urteilte der BFH über einen rein nationalen Aspekt der Organschaft, jenen der Rückwirkung der Organschaftserfordernisse, in casu der finanziellen Eingliederung: Bereits durch Urteil vom 17.9.2003, I R 55/0244 hatte der BFH entschieden, dass eine durch übertragende Umwandlung aus einer Personengesellschaft entstandene Kapitalgesellschaft jedenfalls dann rückwirkend vom Beginn des Wirtschaftsjahres an gewerbesteuerliche Organgesellschaft sein kann, wenn (1.) der steuerliche Übertragungsstichtag gemäß § 20 Abs. 8 S. 1 UmwStG 1995 auf den Beginn des Wirtschaftsjahres zurückverlegt wird und (2.) die Eingliederungsvoraussetzungen gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG 1999 i. V. m. § 14 Nr. 1 und 2 KStG tatsächlich bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres erfüllt waren. Der Mangel, dass die GmbH & Co. KG als Personengesellschaft selbst nicht Organgesellschaft sein konnte, werde durch die Rückwirkungsfiktion des § 25 i. V. m. § 20 Abs. 7 und Abs. 8 UmwStG 1995 behoben. Das richtete sich gegen die seinerzeit einschlägige Verwaltungspraxis45. Das BMF änderte seine Meinung jedoch46 und schien dem BFH zu folgen – das aber „über den entschiedenen Einzelfall hinaus nur (…), wenn der Sachverhalt jenem entspricht, der dem Urteil zugrunde lag“: – Der Rückbezug der Organschaft wird steuerlich in Fallgestaltungen anerkannt, bei denen die bisherige Muttergesellschaft umgewandelt wird, die Tochterbeteiligung auf die Übernehmerin übergeht und die übernehmende Muttergesellschaft als neuer Organträger in den weiterbestehenden Ergebnisabführungsvertrag eintritt. Auch wenn die Tochterbeteiligung in eine andere Gesellschaft eingebracht und zu dieser die Organschaft fortgeführt oder neu begründet wird, wird offenbar eine Anschlussorganschaft akzeptiert, vorausgesetzt, der Ergebnisabführungsvertrag wird noch im selben Jahr abgeschlossen. Nur dann, wenn die Tochtergesellschaft zuvor nicht existierte und sie neu begründet wurde, wird eine Rückwirkung als unmöglich erachtet. – Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der finanziellen Eingliederung soll hingegen alles so bleiben wie vordem. Insbesondere soll bei einer Abspaltung, Ausgliederung oder Einbringung eines Teilbetriebs des Organträgers unter Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages mit der neu gegründeten Tochtergesellschaft die rückwirkende Begründung

43 44 45 46

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BStBl. II 2011, 528. BStBl. II 2004, 534; Gosch, StJb 2004/2005, 325. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268, Tz. Org. 05, Org. 13, Org. 18. Im Schreiben v. 24.5.2004, BStBl. I 2004, 549.

Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht eines Organschaftsverhältnisses nicht möglich sein. Das wurde sodann im BMF-Schreiben vom 26.8.2003 nochmals bekräftigt.47 Es stört die Finanzverwaltung nicht, dass das allseits anders gesehen wird: Danach wird das Merkmal der finanziellen Eingliederung nicht als eine tatsächliche, sondern als eine steuerrechtliche Kategorie begriffen, die einer Rückbeziehung prinzipiell zugänglich ist. Denn § 14 Abs. 1 KStG verlangt hierfür lediglich eine Beteiligung in Höhe der Mehrheit der Stimmrechte, die tatsächliche Stimmrechtsausübung ist irrelevant. Letztlich hatte das auch schon der BFH in seinem Urteil aus dem Jahre 2003 angedeutet, wenn es dort auch nicht ganz zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht worden ist. Der administrativ verfochtenen Rechtsmeinung hat der BFH sich nun abermals widersetzt. Er begründet seine Rechtsauffassung indes nicht, wie man vielleicht erwartet hätte, mit jener Rückwirkungsfähigkeit der finanziellen Eingliederung. Grund hierfür ist ihm vielmehr § 12 Abs. 3 S. 1 UmwStG 1995, wonach im Falle der Kapitaleinbringung die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt, also nach der sog. Fußstapfentheorie. Das gilt für jegliche Gewinnermittlungsvorschriften und damit auch (vgl. § 15 KStG) für die körperschaftsteuerlichen Organschaftsvoraussetzungen: Die rückwirkende Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung mit nachfolgender erstmaliger Begründung einer Organschaft ist sonach möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt. Sind diese Voraussetzungen bei der übertragenden Körperschaft erfüllt, setzt sich dies für die übernehmende Körperschaft fort. Das betrifft auch und gerade den Übergang eines Teilbetriebes der Überträgerin auf eine neu gegründete Tochter-Kapitalgesellschaft durch Abspaltung oder Ausgliederung. Das übergehende Vermögen war hier bereits vor der Umwandlung in die Überträgerin eingegliedert Der BFH versteht die Teilbetriebseigenschaft als „stärkste Form der Eingliederung“. Diese Wirkungen der Rechtsnachfolge in die Organschaftserfordernisse entsprechen gleichermaßen und uneingeschränkt der gegenwärtigen Regelungslage in § 23 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 3 und § 12 Abs. 3 UmwStG i. d. F. des SEStEG. Das Fazit, das zu ziehen bleibt, lautet: Zweifelsfragen allerorten an etlichen Organschafts-Baustellen, aber – wie wir gleich sehen werden – nicht nur dort…

47 BStBl. I 2003, 437 Tz. 12.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht

III. Urteil vom 13.10.2010, I R 61/09: Substanzerfordernisse im Außensteuerrecht … sondern, wie das Urteil des BFH vom 13.10.2010, I R 61/0948 zeigt, auch bei der sattsam unbeliebten Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG und deren Regelungserfordernissen. Konkret ging es um die zwischengeschaltete Tochtergesellschaft eines deutschen Versicherungsunternehmens, und zwar einer Zwischenschaltung in Irland und dort in den Dublin Docks. Hinreichend aktiv ist die Auslandsgesellschaft nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG, wenn sie einen „für ihre Geschäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhält“. Diese Aktivitätsvoraussetzung kann nun, so genügt das dem BFH, auch dann vorliegen, wenn die Kapitalgesellschaft durch einen Betriebsführungsvertrag ein anderes, ihr verbundenes Unternehmen mit der Ausführung des eigentlichen ‚operativen‘ Versicherungsgeschäfts betraut. Das Erfordernis des in kaufmännischer Weise eingerichteten Betriebs betrifft also unmittelbar (nur) die „innere“ Organisation des Betriebs, nicht aber das Erfordernis, selbst und ausschließlich eine entsprechende Tätigkeit „am Markt“ auszuüben. Diese Sichtweise des BFH findet sich übrigens auch andernorts wieder, nämlich in einer noch jungen Entscheidung aus diesem Jahr, jene vom 23.2.2011, I R 52/1049: Sie betraf eine Fondsgesellschaft, die ihr Management gleichermaßen ausgelagert hatte. Der BFH hatte keinen Zweifel daran, dass dies genügte, um eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Fonds anzunehmen. Dem Zweck der Vorschrift läuft das alles jedenfalls dann nicht zuwider, solange das Versicherungsgeschäft in dem erforderlichen Umfang und im Rahmen einer sachlich und personell dafür hinreichend ausgestatteten betrieblichen Organisation im Sitzstaat tatsächlich ausgeübt wird. Richtig „spannend“ wird es erst, wenn der ‚operative Betriebsführer‘ seinerseits im Inland ansässig ist und wenn zudem noch vornehmlich inländische Versicherungen geschlossen und/oder Inlandsrisiken versichert werden. Tatbestandlich kann, muss das aber nicht unbedingt etwas ändern. Und zudem entspricht es ständiger einschlägiger Spruchpraxis, dass die Übertragung der Betriebsführung durch sog. ‚Managementverträge‘ steuerlich grundsätzlich anzuerkennen und nicht als missbräuchlich i. S. des § 42 AO anzusehen ist. Der BFH löst den Fall schon vom „reinen“ Tatbestand her. Die gefundene Lösung ist also „raumgreifend“ und wirkt für alle einschlägigen Unternehmen, welche sich in irgendeiner ‚Steueroase‘ weltweit engagieren. 48 BStBl. II 2011, 349. 49 BFH/NV 2011, 1354; s. zwischenzeitlich auch BFH, Urt. v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165, dazu Wassermeyer, IStR 2011, 931.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Unbeschadet dessen und zusätzlich sieht das Gericht sich durch die Spruchpraxis des EuGH bestätigt. Denn um einen Verstoß gegen die EUNiederlassungsfreiheit zu vermeiden, bedürfte es einer „rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Gestaltung“. Daran fehlt es bei der in einem anderen Mitgliedsstaat errichteten Tochtergesellschaft, die dort aufsichtsrechtlich zum Betrieb eines Versicherungsgewerbes bestimmt und autorisiert ist und die überdies beträchtliche Umsätze und Gewinne erwirtschaftet. Es wird diskutiert,50 ob sich diese Entscheidung jenseits des Versicherungsgeschäfts auf die Bereiche Handel und Dienstleistungen in § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AStG ausdehnen lässt. Was die Substanzanforderungen anbelangt, ist das sicher zu bejahen. Doch bleibt zu gewärtigen, dass es dort – anders als bei Nr. 3 der Vorschrift – beiderseits und zusätzlich einer aktiven „Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr“ bedarf, ähnlich wie übrigens auch § 50d Abs. 3 EStG. Möglicherweise erfordert das eine unterschiedliche Betrachtung. Und Gleiches könnte für die Escape Klausel des § 8 Abs. 2 AStG gelten, zumindest dann, wenn man durch diese Regelung den EuGH und dessen Urteil ‚Cadbury Schweppes‘51 als „richtig“ umgesetzt sieht. Zumindest bezogen auf Kapitalanlagegesellschaften bestehen insoweit allerdings Zweifel; die Substanzanforderungen dürften für solche Gesellschaften sozusagen ‚bedarfsgerecht‘ abzusenken sein.

IV. Urteil vom 8.9.2010, I R 6/09: Die zuziehende Kapitalgesellschaft Schließlich und zu guter Letzt sei der schon angekündigte Blick auf die zuziehende Kapitalgesellschaft geworfen, in diesem Fall einer Schweizer AG, die ihre Geschäftsleitung nach Köln verlegt hatte. Grund dafür bietet das Urteil vom 8.9.2010, I R 6/09.52 Eine ausländische Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung im Inland unterhält, ist im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Ändert sich daran nun etwas, wenn Ursprungsort jener Kapitalgesellschaft ein sog. Drittland und Deutschland deswegen nicht aus Gründen des Unionsrechts gehalten ist, das korporative Rechtskleid der Auslandsgesellschaft anzuerkennen? Der BGH53 50 51 52 53

Z. B. Loose/Herbst, BB 2011, 294; Fuhrmann/Steierberg, IWB 2011, 8. EuGH, Urt. v. 12.9.2006 – Rs.C-196/04, ‚Cadbury Schweppes‘, Slg. 2006, I-7995. BFH/NV 2011, 154. BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192; nachfolgend u. a. v. 15.3.2010 – II ZR 27/09, ZIP 2010, 1003; v. 12.7.2011 – II ZR 28/10, ZIP 2011, 1837.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht hat uns bekanntermaßen in der sog. Trabrennbahnentscheidung wissen lassen, dass es gewohnheitsrechtlich in einer derartigen Konstellation und im Grundsatz bei der sog. Sitztheorie verbleibt. Eine mit ihrem Geschäftssitz nach Deutschland ‚zugezogene‘ Drittstaaten-Kapitalgesellschaft mit statutarischem Sitz in dem Drittstaat ist danach als eine rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln. Welche Konsequenzen hat das für das Ertragsteuerrecht? Teilweise wird hier ein strikter Schulterschluss zum Zivilrecht eingefordert.54 Der gewachsenen Judikatur des BFH entspricht das jedoch nicht. Ich erinnere an die sog. Venezuela-Entscheidung.55 In dieser Entscheidung findet die Sitztheorie zwar eingehend Gehör. Doch stört der BFH sich an den daraus abzuleitenden Konsequenzen nicht. Selbst das Fehlen einer isolierten zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit schließt die die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht danach keineswegs aus, sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG doch auch nicht rechtsfähige Körperschaften steuerpflichtig, wenn ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem EStG unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist.56 Muss diese Spruchpraxis nun aufgegeben werden? Der BFH hat das mit einem eher konkludent bekundeten Federstrich schlicht verneint. Und ich meine zu Recht. Denn Zivil- und Steuerrecht sind in ihren Voraussetzungen und in ihren Zielrichtungen zweierlei. Das eine – das Zivilrecht – hat womöglich zuvörderst ein Haftungskonzept im Auge, das andere – das Steuerrecht – den Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Beides muss sich nicht ‚beißen‘, es kann jedoch auseinanderlaufen. Es erscheint nach allem verfehlt, eine solche Anrufung einzufordern, und genau das haben denn offenbar auch die beiden beteiligten Höchstgerichte so gesehen. Weder der BGH hat den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte wegen der gegenläufigen Judikatur des BFH angerufen, noch ist dies umgekehrt geschehen. Daraus folgt: Der Zuzug bleibt grundsätzlich steuerneutral. Denn die Voraussetzungen für eine Schlussbesteuerung der Betriebsstätte nach § 12 Abs. 1 KStG liegen in diesem Fall nicht vor. Die zuziehende Kapitalgesellschaft besteht vielmehr auch nach dem Zuzug als nämliches Körperschaftsteuersubjekt fort, so dass es nicht zu einem Wechsel der Identität des Steuerrechtssubjekts kommt.57 Durch die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland tritt damit nur ein Wechsel von der be54 Schnittker, FR 2010, 565. 55 RFH, Urt. v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73. 56 BFH, Urt. v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 57 Vgl. Benecke/Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 15.176.

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Gosch, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht schränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ein. Daraus folgt weiterhin: Stille Reserven, die in einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte angesammelt wurden, müssen nicht aufgedeckt werden. Denn das Besteuerungsrecht der zuziehenden Kapitalgesellschaft bleibt vollends erhalten. Es wird nicht durch die Auflösung bzw. Umwandlung der Gesellschaft ausgeschlossen.58 Auch löst der Zuzug bei einem inländischen Gesellschafter der Drittstaaten-Gesellschaft keine Besteuerung aus, was anderweitig wegen § 8b Abs. 2 Satz 3, § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG der Fall wäre; Auflösungsgewinne werden danach mit Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen gleichgestellt.

58 Zur Anwendbarkeit des § 12 Abs. 1 KStG in Fällen eines Rechtsträgerwechsels s. Benecke/Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, a. a. O., Rz. 15.18.

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Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften Michael Wendt Vorsitzender Richter am BFH, München Inhaltsübersicht

1. Anschaffungskosten und sofort abziehbare Betriebsausgaben bei der Auflegung von Fonds 1.1. Fonds-Modelle in der Rechtsform einer Personengesellschaft 1.2. BFH-Urteile vom 14.4.2011 1.2.1. Urteil vom 14.4.2011, IV R 8/10, BStBl. II 2011, 709 1.2.2. Urteil vom 14.4.2011, IV R 15/09, BStBl. II 2011, 706 1.2.3. Anmerkung zu den Entscheidungen 2. Unentgeltliche Anteilsübertragung und die Bedeutung von Sonderbetriebsvermögen 2.1. Regelung der unentgeltlichen Anteilsübertragung in § 6 Abs. 3 EStG 2.1.1. Begriff des Mitunternehmeranteils

2.2. 2.3. 3. 3.1.

3.2. 4.

2.1.2. Anwendungsfälle der unentgeltlichen Anteilsübertragung 2.1.3. Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen BFH-Urteil zur Anteilsübertragung nach § 7 Abs. 1 EStDV a. F. Bedeutung für die aktuelle Rechtslage nach § 6 Abs. 3 EStG Gewerbesteuerliche Sonderfragen bei Personengesellschaften Erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen 3.1.1. Beteiligung an grundstücksverwaltender Zebragesellschaft 3.1.2. Erweiterte Kürzung im Organkreis Verlustvortrag bei Ausscheiden von Gesellschaftern Ansparrücklage für Investition nach Realteilung

1. Anschaffungskosten und sofort abziehbare Betriebsausgaben bei der Auflegung von Fonds 1.1. Fonds-Modelle in der Rechtsform einer Personengesellschaft Die Finanzierung von Großinvestitionen übernehmen seit Jahrzehnten nicht nur Geldinstitute, sondern auch institutionelle und private Kapitalanleger. Die Renditeerwartung stützt sich bei diesen Finanzierungsmodellen einerseits auf eine Beteiligung an den Erträgen aus der Investition, andererseits aber auch auf ertragsteuerliche Vorteile für den Anleger. Diese resultierten früher häufig aus der Ansammlung steuerfreier stiller Reserven, insbesondere in Immobilien. Mit einer Verlängerung der Fristen des § 23 EStG wurden Immobilien als Anlageobjekt aber 31

Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht uninteressanter. Stattdessen richtet sich das ertragsteuerliche Interesse heute mehr auf einen Stundungseffekt durch hohe Betriebsausgaben zu Beginn der Investition und einem erst Jahre später entstehenden Gewinn bei Ausstieg aus dem Finanzierungsprojekt. Aus einem ermäßigten EStTarif können wohlhabende Kapitalanleger seit Wegfall des wiederholt nutzbaren halben Steuersatzes keine Vorteile mehr ziehen. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber mit § 15b EStG auch den Stundungseffekt torpediert, weil Verluste aus von dieser Regelung erfassten Steuerstundungsmodellen nur noch mit den später aus demselben Modell erzielten Gewinnen verrechnet werden dürfen. Dies hat den Markt für derartige Anlagemodelle sehr stark reduziert. Derzeit haben wohl nur noch auf Tonnagesteuer oder subventionierten Erträgen wie im Energiemarkt beruhende Anlagemodelle Konjunktur.1 Allen diesen Modellen ist aber gemeinsam, dass sie in der Rechtsform einer Personengesellschaft organisiert sind, um dem Anleger entweder die künstlich niedrig gehaltenen Gewinne oder Verluste unmittelbar zuweisen zu können.2 Ist die Personengesellschaft lediglich vermögensverwaltend tätig, indem sie das Anlageobjekt einem operativ tätigen Unternehmen zur Nutzung überlässt, kann aus einkommensteuerlicher Sicht gewählt werden, ob Einkünfte aus Vermögensverwaltung i. S. d. § 21 EStG oder gewerbliche Einkünfte erzielt werden sollen, indem je nach Wahl die Gesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt wird oder nicht. Wird die Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft gewählt, insbesondere einer GmbH & Co. KG, unterliegt die Gesellschaft den handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln. Über den Maßgeblichkeitsgrundsatz wirken sich die handelsbilanziellen Regelungen auch auf die Steuerbilanz aus. Das gilt allerdings nur für Gesellschaften, die unternehmerische, insbesondere gewerbliche Einkünfte erzielen. Werden vermögensverwaltende Einkünfte erzielt, bleibt es bei der von § 2 Abs. 2 EStG angeordneten Einkünfteermittlung nach dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, selbst wenn die Gesellschaft Bücher führt. In Bezug auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlageobjekts sollte die Art der steuerlichen Einkünfteermittlung an sich keine Auswirkungen haben. Denn in ständiger Rechtsprechung legt der BFH

1 Zur Bedeutung von Fonds für die Schiffsfinanzierung s. BT-Drucks. 17/6238; zur ertragsteuerlichen Begünstigung von Photovoltaikanlagen s. BT-Drucks. 17/7055. 2 Auf die Bedeutung des Transparenzprinzips für die Zuweisung von Einkünften aus der Tonnagesteuer gehen die Antworten der BReg. auf zwei kleine Anfragen ein (BT-Drucks. 17/5870, 6; BT-Drucks. 17/6238, 4).

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht den steuerlichen Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten, wie er in § 6 und § 7 EStG verwendet wird, einkünfteunabhängig entsprechend § 255 HGB aus.3 Das betrifft dann auch die Anschaffungsnebenkosten, die konsequenterweise immer nach denselben Kriterien bestimmt werden müssen. Bei der steuerrechtlichen Übernahme von § 255 HGB handelt es sich allerdings nur um die partielle Transformation einer handelsrechtlichen Norm, naturgemäß aber nicht um eine allgemeine Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften im Steuerrecht; der Maßgeblichkeitsgrundsatz hätte sonst ja auch keine Bedeutung. Damit übernimmt das Steuerrecht beispielsweise nicht generell § 248 Abs. 1 HGB, wonach Gründungskosten, Kosten für die Beschaffung von Eigenkapital und Kosten für den Abschluss von Versicherungsverträgen nicht aktiviert werden dürfen. Diese Vorschrift kann zwar über den Maßgeblichkeitsgrundsatz für bilanzierende Kaufleute bzw. dem Handelsrecht unterworfene Gesellschaften auch im Steuerrecht Geltung beanspruchen. Außerhalb der Reichweite des Maßgeblichkeitsgrundsatzes hat die Regelung im Steuerrecht aber keine Bedeutung. Die Anwendung des § 248 Abs. 1 HGB hatte deshalb früher insbesondere bei Immobilienfonds für Diskussionen im BFH gesorgt: ist der Immobilienfonds eine Personenhandelsgesellschaft und erzielt er gewerbliche Einkünfte, dürfen etwa Eigenkapitalbeschaffungskosten nicht anders als eine laufende Betriebsausgabe behandelt werden. Erzielt der Fonds dagegen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, kann eine andere Beurteilung der betreffenden Kosten vorgenommen werden. Dazu kam es zunächst bei der BFH-Rechtsprechung zu Bauherrenmodellen. Jedenfalls soweit der Anleger wegen fehlender Beherrschung des Herstellungsprozesses als Erwerber angesehen wurde, hielt es der BFH für angezeigt, bei Zeichnung eines einheitlichen Vertragswerks auch Kosten für die Kapitalbeschaffung in die Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten der Immobilie einzubeziehen4. Die Rechtsprechung wurde dann auf Modelle übertragen, in denen sich der Anleger an einer GbR beteiligte, die ein Gebäude mit mehreren Eigentumswohnungen errichtete, von denen der Anleger bei seinem Ausscheiden aus der GbR eine erhielt.5 In einem weiteren Schritt übertrug der BFH diesen gedanklichen Ansatz zunächst auf geschlossene Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR6 und dann schließlich auch auf einen Fonds in der Rechtsform einer 3 Vgl. etwa Beschlüsse des Großen Senats des BFH v. 22.8.1966 – GrS 2/66, BStBl. III 1966, 672 und v. 4.7.1990 – GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830. 4 Vgl. etwa Urteile des BFH v. 22.4.1980 – VIII R 149/75, BStBl. II 1980, 441 und v. 14.11.1989 – IX R 197/84, BStBl. II 1990, 299. 5 BFH, Urt. v. 7.8.1990 – IX R 70/86, BStBl. II 1990, 1024. 6 BFH, Urt. v. 4.2.1992 – IX B 39/91, BStBl. II 1992, 883.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht nicht gewerblich geprägten KG, deren Geschäftstätigkeit sich auf die Verwaltung der Anlageimmobilie beschränkte.7 In allen genannten Fällen wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und diese aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten errechnet. Das handelsrechtliche Aktivierungsverbot für Eigenkapitalbeschaffungskosten war diesbezüglich erstmals im Jahr 1999 Gegenstand der BFHRechtsprechung, als nämlich über einen Immobilienfonds in der Rechtsform einer gewerblich geprägten KG zu entscheiden war. Der IV. Senat des BFH wollte der Rechtsprechung des IX. Senats unter Hinweis auf § 248 Abs. 1 HGB nicht folgen und die streitigen Eigenkapitalvermittlungsprovisionen nicht als Anschaffungskosten, sondern als sofort abziehbare Betriebsausgaben der KG behandeln. Dies führte zu einer Anrufung des Großen Senats8, die aber später wieder zurückgenommen wurde.9 Stattdessen entschieden IV. und IX. Senat übereinstimmend, dass die bisherige Rechtsprechung des IX. Senats zu Immobilienfonds sowohl bei gewerblich geprägten als auch bei nicht gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaften anzuwenden sei.10 Beide Senate gaben eine übereinstimmende Begründung für diese Handhabung, indem sie auf § 42 AO verwiesen. Diese Vorschrift geht dem Maßgeblichkeitsgrundsatz vor und kann deshalb Rechtsgrundlage dafür sein, in der Steuerbilanz einer gewerblich geprägten Personenhandelsgesellschaft vom Handelsrecht abweichende Anschaffungs- und Herstellungskosten auszuweisen. In dem Urteil des IV. Senat heißt es allerdings: „Dem steht nicht entgegen, dass der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 13. Oktober 1983 IV R 160/78 (BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101) und vom 23. Oktober 1986 IV R 352/84 (BFHE 148, 49, BStBl II 1988, 128) ausgeführt hat, dass Provisionen, die eine KG für die Vermittlung des Eintritts von Kommanditisten schuldet, sofort abziehbare Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG sind. Daran ist weiter festzuhalten. Eine Besonderheit ergibt sich jedoch für die Steuerbilanz eines geschlossenen Immobilienfonds, weil die Anwendung des § 42 AO 1977 zur Folge hat, dass die Provisionen nicht als Kosten der Eigenkapitalbeschaffung, sondern als Kosten im Zusammenhang mit Erwerb und Bebauung des Grundstücks anzusehen sind.“

Daraus war geschlossen worden, dass die Rechtsprechung ausschließlich für Immobilienfonds gelten sollte und auf andere Anlagemodelle nicht zu übertragen sei11. Die Finanzverwaltung war demgegenüber der Meinung, 7 8 9 10

BFH, Urt. v. 11.1.1994 – IX R 82/91, BStBl. II 1995, 166. BFH, Beschl. v. 29.4.1999 – IV R 40/97, BStBl. II 1999, 828. BFH, Beschl. v. 28.6.2001 – IV R 40/97. Urteil des IX. Senats v. 8.5.2001 – IX R 10/96, BStBl. II 2001, 720 und Urteil des IV. Senats v. 28.6.2001 – IV R 40/97, BStBl. II 2001, 717. 11 Vgl. etwa Kempermann, DStR 2001, 1384.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht die Anwendung des § 42 AO führe bei allen Anlagemodellen aufgrund eines vorformulierten Vertragswerks zu einer eigenständigen steuerlichen Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Anlageguts.12 1.2. BFH-Urteile vom 14.4.2011 Es dauerte aber noch zehn Jahre, bis der BFH Gelegenheit hatte, diese Frage zu klären. Erst am 14.4.2011 hatte der BFH über mehrere Fälle zu Schiffs- und Windkraftfonds zu entscheiden, bei denen u. a. die Frage der Behandlung von Eigenkapitalbeschaffungskosten streitig war. 1.2.1. Urteil vom 14.4.2011, IV R 8/10, BStBl. II 2011, 709 Im Fall des Urteils IV R 8/1013 war Kläger ein Schiffsfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft hatte Vertriebs-, Gründungs- und Finanzierungsvermittlungskosten in Höhe von ca. 5,7 Mio. Euro als Betriebsausgaben behandelt, während das FA von Anschaffungskosten ausging. Erstinstanzlich hatte die Klage lediglich in Bezug auf die Gründungskosten Erfolg, die vom FG als Betriebsausgaben anerkannt wurden. Der BFH teilte die Auffassung des FG, dass die anderen Kosten zu aktivieren seien, und wies die Revision der KG zurück. Der Entscheidung ist folgender Leitsatz vorangestellt: „1. Aufwendungen eines in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten Schiffsfonds für die wirtschaftliche und steuerliche Konzeption, die Platzierung des Eigenkapitals, die Geschäftsbesorgung, die Prospekterstellung, die Finanzierungsvermittlung sowie für die Kontrolle der Mittelverwendung sind in der Steuerbilanz der KG in voller Höhe als Anschaffungskosten des Schiffs (hier Tankschiff) zu behandeln, wenn sich die Kommanditisten aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks an dem Fonds beteiligen (Anschluss an BFH-Urteil vom 28. Juni 2001 IV R 40/97, BFHE 196, 77, BStBl. II 2001, 717). …“

1.2.2. Urteil vom 14.4.2011, IV R 15/09, BStBl. II 2011, 706 Ähnlich verhielt es sich im Fall des BFH-Urteils vom 14.4.2011, IV R 15/09.14 Eine Fondgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, deren Zweck die Errichtung und der Betrieb von zwölf Windkraftanlagen war, hatte im Zusammenhang mit der Werbung von Anlegern Kosten für Prospekterstellung, Platzierungsgarantie, Eigenkapitalvermittlung usw. als Betriebsausgaben abgezogen. Für die Koordinierung der Baubetreuung fielen ebenfalls Kosten an, die als Betriebsausgaben behandelt wurden.

12 BMF, Schr. v. 24.10.2001, BStBl. I 2001, 780. 13 BStBl. II 2011, 709. 14 BStBl. II 2011, 706.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Das FA ließ nur Eigenkapitalvermittlungsprovisionen in Höhe von 6 % des Eigenkapitals zum Abzug als Betriebsausgabe zu und behandelte die übrigen Kosten als Anschaffungsnebenkosten. Zwar erkannte das FG im anschließenden Klageverfahren sämtliche Kosten mit Ausnahme der Kosten für Baubetreuung als Betriebsausgaben an. Vor dem BFH hatte das FG-Urteil jedoch keinen Bestand. Der BFH entschied: „Aufwendungen eines in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten Windkraftfonds für die Platzierungsgarantie, für die Prospekterstellung und -prüfung, für die Koordinierung/Baubetreuung und für die Eigenkapitalvermittlung sind in der Steuerbilanz der KG in voller Höhe als Anschaffungskosten zu behandeln, wenn sich die Kommanditisten aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks an dem Fonds beteiligten (Anschluss an BFH-Urteil vom 28. Juni 2001 IV R 40/97, BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717).“

1.2.3. Anmerkung zu den Entscheidungen Der BFH hat den Hoffnungen auf eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung also nicht entsprochen, sondern sie auf Fonds mit jeglichen Anlagegütern erweitert.15 Den Entscheidungsgründen lässt sich entnehmen, dass die im Jahr 2001 eingeschlagene Begründungslinie unverändert beibehalten wird. Es bleibt deshalb bei der gesellschafterbezogenen Betrachtung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Anlageguts mit Folgen für die gesellschaftsbezogen zu aktivierenden Anschaffungs- und Herstellungskosten. Dieses unbefriedigende Ergebnis ist letztlich eine Folge der ertragsteuerlichen Zwitterstellung der unternehmerisch tätigen oder geprägten Personengesellschaft: einerseits ist die Gesellschaft Subjekt der Gewinnermittlung, andererseits ist der Gesellschafter das Besteuerungssubjekt. Während bei vermögensverwaltenden und nicht gewerblich geprägten Gesellschaften die Gesellschaft unter Rückgriff auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO einkommensteuerlich praktisch vollständig negiert und damit allein auf die Perspektive des Gesellschafters abgestellt wird, schwankt die Betrachtung bei unternehmerischen Personengesellschaften zwischen beiden Perspektiven. Aus der Gesellschafterperspektive kann m. E. mit guten Gründen gesagt werden, dass die von den Initiatoren des Anlagemodells vorgenommene Aufspaltung der Investitionskosten des Anlegers in viele Einzelbeträge aus Anlegersicht Nebenleistungen zur eigentlichen Kapitalanlage betrifft und deshalb eine einheitliche Betrachtung angebracht ist. Dies würde auch eine entsprechende Bilanzierung aus der Perspektive des Gesellschafters rechtfertigen, und zwar einschließlich der

15 S. auch die Urteilsanmerkungen von Bode, DB 2011, 1306; Schimmele, EStB 2011, 250; von Glasenapp, BB 2011, 1586; Wendt, BFH/PR 2011, 297; Wit, DStR 2011, 1023.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Vermutung, dass der Teilwert den Anschaffungs- und Herstellungskosten entspricht und deshalb keine Teilwertabschreibung in Höhe der einbezogenen Nebenkosten in Betracht kommt. Denn ein gedachter Erwerber der Beteiligung würde jedenfalls in Höhe marktgängiger Nebenkosten diese beim Erwerb des Anteils mit vergüten. Aus Sicht der Gesellschaft, die das Anlagegut bilanzieren muss, bewirkt eine derartige Betrachtung aber ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz. In der Steuerbilanz muss der ertragsteuerlich maßgeblichen Perspektive des Gesellschafters Rechnung getragen und das Anlagegut mit den erhöhten Anschaffungs- und Herstellungskosten aktiviert werden. Diese Kosten sind auch die Basis für künftige Abschreibungen, insbesondere AfA. In der Handelsbilanz bleibt es demgegenüber bei der reinen gesellschaftsbezogenen Betrachtung. Die Nebenkosten werden nach allgemeinen Grundsätzen den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder aber den sofort gewinnmindernden Betriebsausgaben zugeordnet. Ertragsteuerlich gibt es keinen Unterschied in Bezug auf die Art des Anlageguts. Die seit 10 Jahren von der Finanzverwaltung praktizierte unterschiedslose Behandlung von Anlagefonds hat der BFH mit seinen jetzigen Urteilen bestätigt.16 Ohne Bedeutung ist nicht nur die Art des Investitionsgegenstands sondern auch die Art der Einkunftserzielung. Es spielt keine Rolle, ob die Personengesellschaft rein vermögensverwaltend tätig ist und nur wegen gewerblicher Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerbliche Einkünfte erzielt, ob sie teilweise gewerblich tätig ist und deshalb insgesamt wegen Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerbliche Einkünfte bezieht oder ob sie selbst insgesamt gewerblich tätig ist. Würde ein Schiffsfonds – anders als im Fall des Urteils vom 14.4.2011, IV R 8/10, BStBl. II 2011, 709 – ein Hochseeschiff nicht im Wege des Bareboat-Charter vermögensverwaltend, sondern selbst unternehmerisch betreiben, um z. B. in den Genuss der Tonnagesteuer zu kommen, müssten dieselben Grundsätze der gesellschafterbezogenen Betrachtung gelten. Daraus würden sich selbst bei Eingreifen des Verlustausgleichsverbots nach § 5a Abs. 3 EStG Folgewirkungen ergeben, etwa für Zwecke des § 15a EStG (§ 5a Abs. 5 Satz 4 EStG).

16 Zustimmend auch jüngst der IX. Senat des BFH, Beschl. v. 15.6.2011 – IX B 148/10, BFH/NV 2011, 1516.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht

2. Unentgeltliche Anteilsübertragung und die Bedeutung von Sonderbetriebsvermögen 2.1. Regelung der unentgeltlichen Anteilsübertragung in § 6 Abs. 3 EStG 2.1.1. Begriff des Mitunternehmeranteils Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG findet die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils zum Buchwert statt. Eine insoweit gleichlautende Regelung enthielt bereits die vor 1999 geltende Vorgängervorschrift in § 7 Abs. 1 EStDV a. F. Der Mitunternehmeranteil wird damit dem Betrieb und Teilbetrieb gleichgestellt. Aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entnimmt der BFH, dass das EStG von der Vorstellung ausgeht, Einzelunternehmer und Mitunternehmer seien soweit wie möglich gleich zu behandeln. Daraus ergibt sich für die Auslegung des Begriffs „Mitunternehmeranteil“, dass sowohl der Anteil des Personengesellschafters am Gesamthandsvermögen der Gesellschaft als auch sein Sonderbetriebsvermögen zum Mitunternehmeranteil gehören. Denn ein Einzelunternehmer kann nicht vermeiden, dass in seinem Eigentum stehende und betrieblich genutzte Wirtschaftsgüter zu seinem Betriebsvermögen gerechnet werden. Will der Einzelunternehmer also seinen Betrieb unentgeltlich zum Buchwert übertragen, muss er das gesamte Betriebsvermögen an den Übertragungsempfänger weitergeben, soweit es wesentliche Grundlage des Betriebs ist. Dementsprechend muss auch ein Mitunternehmer neben dem Anteil am Gesamthandsvermögen alle solchen Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens an den Übertragungsempfänger übertragen, die wesentliche Grundlage des Betriebs der Personengesellschaft sind. 2.1.2. Anwendungsfälle der unentgeltlichen Anteilsübertragung Die Übertragung eines ganzen Mitunternehmeranteils ist von der Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils zu unterscheiden und zeichnet sich dadurch aus, dass der Übertragende seine gesamte Gesellschafterstellung verliert. Dazu kommt es etwa dann, wenn der Gesellschafter aus der fortbestehenden Gesellschaft ausscheidet, ohne dass ein neuer Gesellschafter an seine Stelle tritt. Der bisherige Anteil am Gesellschaftsvermögen in der Hand des Ausscheidenden besteht dann zwar nicht mehr. Die dem Ausscheidenden bisher zustehenden ideellen Anteile am Gesamthandsvermögen sind aber natürlich weiter existent und gehen zivilrechtlich im Wege der Anwachsung auf die verbleibenden Gesellschafter im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile am Gesellschaftsvermögen über (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Anteilsübertragung findet auch statt, wenn der Ausscheidende seinen Anteil auf einen neuen oder einen der übrigen Gesellschafter überträgt. Als Anteilsübertragung wird zudem das 38

Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer Personengesellschaft angesehen, sofern der andere Gesellschafter das Unternehmen fortführt. Dies folgt aus der zivilrechtlichen Behandlung dieses Vorgangs als Rechtsnachfolge mit Anwachsung des Vermögens beim übernehmenden Gesellschafter.17 Eine Anteilsübertragung findet schließlich auch bei Beendigung einer atypisch stillen Gesellschaft statt, wenn der Prinzipal das der stillen Gesellschaft gewidmete Vermögen wieder unbelastet von Rechten des stillen Gesellschafters nutzen kann. In allen genannten Fällen kommen sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Übertragungen vor. Von § 6 Abs. 3 EStG erfasst werden nur solche Fallgestaltungen, in denen keinerlei Entgelt für die Übertragung der Anteile geleistet wird. Solche schenkweisen Übertragungen sind regelmäßig nur im Familienkreis anzutreffen. Da als Entgelt auch das Abfindungsguthaben zu verstehen ist, kann das Ausscheiden aus der Gesellschaft nur dann unentgeltlich sein, wenn der Ausscheidende auf sein Abfindungsguthaben verzichtet. Nicht als Entgelt für die Übertragung des Gesellschaftsanteils ist natürlich die Befriedigung von schuldrechtlichen Ansprüchen des Gesellschafters anlässlich seines Ausscheidens anzusehen, insbesondere also die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen. Der Unentgeltlichkeit steht es deshalb nicht entgegen, wenn sich der Gesellschafter Bestände auf Gesellschafterdarlehenskonten auszahlen lässt. Zu den unentgeltlichen Übertragungen gehört auch der Übergang des Mitunternehmeranteils bei Tod des Gesellschafters. Werden vom Nachfolger in den Gesellschaftsanteil allerdings Ausgleichsleistungen an andere Erben erbracht, liegt darin ein Entgelt und der Vorgang wird nicht von § 6 Abs. 3 EStG erfasst. 2.1.3. Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen Wird zeitgleich mit dem Anteil am Gesellschaftsvermögen das gesamte Sonderbetriebsvermögen auf den Empfänger des Gesellschaftsanteils übertragen und dafür insgesamt kein Entgelt geleistet, sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG offensichtlich erfüllt. Rechtsfolge ist, dass Gesellschaftsanteil und Sonderbetriebsvermögen zum Buchwert auf den Empfänger übergehen.18 Der Übertragende erzielt keinen Entnahmeoder Aufgabegewinn, der Übertragungsempfänger ist an die Buchwerte des Rechtsvorgängers gebunden (§ 6 Abs. 3 Satz 3 EStG). Keine Regelung trifft das Gesetz für den Fall, dass keine solche vollständige Übertragung stattfindet. Unproblematisch ist zunächst die Zurückbehaltung von Sonderbetriebsvermögen, das keine wesentliche Betriebs17 Vgl. BGH, Urt. v. 22.9.1993 – IV ZR 183/92, NJW-RR 1993, 1443; BFH, Urt. v. 10.3.1998 – VIII R 76/96, BStBl. II 1999, 269. 18 Gratz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Anm. 1364.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht grundlage darstellt. Der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage ist nach der Rechtsprechung des BFH normspezifisch auszulegen. Im Bereich des § 6 EStG bedeutet das, dass alles funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen mit übertragen werden muss19. Ob erhebliche stille Reserven in einem Wirtschaftsgut gebunden sind, ist ohne Bedeutung. Wann ein Wirtschaftsgut funktional wesentliche Betriebsgrundlage ist, kann nicht allgemein gesagt werden. Es kommt auf die konkrete Nutzung im Betrieb der Personengesellschaft an. Abzustellen ist dabei auf die Zeit vor der Übertragung. Mit Sonderbetriebsvermögen, das keine wesentliche Betriebsgrundlage ist, kann der Übertragende nach Belieben verfahren; er kann es unter Aufdeckung der stillen Reserven in sein Privatvermögen überführen oder an Dritte veräußern oder es zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG in ein anderes Betriebsvermögen überführen bzw. nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG übertragen. Bei wesentlichen Betriebsgrundlagen bestehen derart weitreichende Möglichkeiten nicht. Wird ein solches Gut entnommen oder veräußert, wird der gesamte Vorgang nach der Rechtsprechung als Aufgabe des Mitunternehmeranteils zu werten sein. Folge ist die Aufdeckung der stillen Reserven im Gesamthandsvermögen und im sonstigen Sonderbetriebsvermögen20. Der realisierte Gewinn ist dann zwar insgesamt nach § 16 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 34 EStG tarifbegünstigt. Kommt allerdings nur die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG in Betracht, kann eine erhebliche Steuerbelastung auf den Übertragenden zukommen, die er dann mangels erhaltenen Entgelts aus seinem sonstigen Vermögen finanzieren muss. Eine Ausnahme davon wird lediglich dann gemacht, wenn das Sonderbetriebsvermögen im Erbfall wegen einer qualifizierten Nachfolgeklausel insoweit zwangsläufig entnommen wird, als nicht qualifizierte Nachfolger in den Gesellschaftsanteil Miterben des nicht der Sondererbfolge unterliegenden Sonderbetriebsvermögens werden. Hier nimmt der BFH eine Entnahme durch den Erblasser im Zeitpunkt des Todes an21. Noch ungeklärt sind die Konsequenzen der Ausgliederung von Einzelwirtschaftsgütern im Zusammenhang mit unentgeltlichen Anteilsübertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG. Hierbei sind sowohl im zeitlichen Zusammenhang vor der Anteilsübertragung erfolgte als auch zeitgleich vorgenommene Ausgliederungen von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens in Betracht zu ziehen. Dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 EStG nach kommt es zur Buchwertübertragung des Mitunternehmeranteils auch dann, wenn der Anteil kurz zuvor durch Buchwerttransfers in seinem Wert bzw. in seiner Zusammensetzung vermindert wor19 BFH, Urt. v. 24.8.2000 – IV R 51/98, BStBl. II 2005, 173. 20 BFH, Urt. v. 5.2.2002 – VIII R 53/99, BStBl. II 2003, 237. 21 BFH, Urt. v. 5.2.2002, a. a. O.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht den ist. Die Finanzverwaltung vertritt in einem BMF-Schreiben vom 3.3.200522 allerdings die Auffassung, dass § 6 Abs. 3 EStG bei im zeitlichen Zusammenhang ausgegliedertem wesentlichem Sonderbetriebsvermögen nicht anwendbar sei. Stattdessen seien die im übertragenen Anteil ruhenden stillen Reserven vollständig aufzudecken und als nicht tarifbegünstigter Entnahmegewinn zu versteuern.23 2.2. BFH-Urteil zur Anteilsübertragung nach § 7 Abs. 1 EStDV a. F. Das BFH-Urteil vom 6.5.201024 betrifft den Fall einer Anteilsübertragung unter Ausgliederung von Sonderbetriebsvermögen in eine Schwesterpersonengesellschaft. Es scheint der Auffassung der Finanzverwaltung Recht zu geben. An einer GmbH & Co. KG waren der Vater (A) und seine drei Kinder beteiligt. Das betrieblich genutzte Grundstück befand sich im Sonderbetriebsvermögen des Vaters. Von seinem KG-Anteil schenkte der Vater den beiden Söhnen C und D jeweils ein Viertel mit Wirkung auf den 1.1.1995. Im Dezember 1995 erhielten die beiden Söhne die beiden verblieben Viertel gegen Vorbehalt eines Nießbrauchs an den künftigen Gewinnanteilen abzüglich der ESt-Spitzenbelastung übertragen. Übertragen wurden auch die Anteile an der Komplementär-GmbH mit Ausnahme eines Anteils von 2 %, den der Vater ins Privatvermögen übernahm. Das Betriebsgrundstück wurde zeitgleich auf eine zweite GmbH & Co. KG übertragen, deren alleiniger Kommanditist der Vater war. An deren Komplementär-GmbH waren wiederum der Vater mit 2 % und die Söhne mit 98 % beteiligt. Das FA sah in der ersten Übertragung auf den 1.1.1995 keine Gewinnrealisierung, wohl aber in den Übertragungen im Dezember 1995. Wegen des nicht auf die Söhne übertragenen Grundstücks behandelte das FA die Schenkungen als Entnahme des Anteils an der KG und der Anteile an der Komplementär-GmbH. Auch der BFH sah in seinem Urteil vom 6.5.2010 die Übertragungen im Dezember 1995 als gewinnrealisierenden Vorgang an, allerdings in Gestalt einer Veräußerung. Er stellte seine Entscheidung diesbezüglich unter folgenden Leitsatz: „1. Wird statt eines Mitunternehmeranteils lediglich ein Kommanditanteil von einem Elternteil auf die Kinder übertragen, kann der Buchwert des Anteils nach § 7 Abs. 1 EStDV a. F. auch dann nicht fortgeführt werden, wenn funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen (hier: Verwaltungsgrundstück) des Elternteils

22 BStBl. I 2005, 458. 23 BMF, Schr. v. 3.3.2005, BStBl. I 2005, 458 Rz. 7. 24 BFH, Urt. v. 6.5.2010 – IV R 52/08, BStBl. II 2011, 261.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht gewinnneutral in eine weitere Personengesellschaft eingebracht wird (Bestätigung der Rechtsprechung). …“

Mit dem Urteil steht nun also die Schädlichkeit von zeitgleichen Buchwertausgliederungen nach der vor 1999 geltenden Rechtslage fest. Grund dafür ist der Grundsatz, dass zur Übertragung eines ganzen Mitunternehmeranteils die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört und damit auch solcher Wirtschaftsgüter, die sich im Sonderbetriebsvermögen befinden. Zu Fragen der Gesamtplanbetrachtung enthält die Entscheidung keine Äußerung, weil nur die gleichzeitigen Übertragungen im Dezember 1995 zu beurteilen waren.25 2.3. Bedeutung für die aktuelle Rechtslage nach § 6 Abs. 3 EStG Für die heutige Rechtslage lassen sich aus dem Urteil vom 6.5.2010 m. E. allerdings keine Rückschlüsse ziehen26. Denn heute gilt zwar für die Übertragung der Sachgesamtheit der insoweit mit § 7 Abs. 1 EStDV deckungsgleiche § 6 Abs. 3 EStG. Für die Buchwertausgliederung eines Einzelwirtschaftsguts gilt aber zugleich § 6 Abs. 5 EStG, während früher eine solche gesetzliche Grundlage nicht existierte. Da das Gesetz nun sowohl in § 6 Abs. 3 EStG als auch in § 6 Abs. 5 EStG aus den unterschiedlichsten Gründen Buchwerttransfers – zwingend – vorsieht, sind beide Gesetzesbefehle umzusetzen. Das bedeutet, dass auch gleichzeitige Buchwerttransfers nach Abs. 5 und Abs. 3 des § 6 EStG möglich sein müssen. Die Buchwertverknüpfung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG wurde vom Gesetzgeber mit dem Ziel geschaffen, Umstrukturierungen von Personenunternehmen zu erleichtern. Dafür werden sogar Verstöße gegen das Subjektsteuerprinzip in Kauf genommen. Die Möglichkeiten zur Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen nach § 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG dienen ebenfalls zur Erleichterung von Umstrukturierungen und geraten noch nicht einmal in Konflikt mit dem Subjektsteuerprinzip. Die Buchwertübertragung von Sachgesamtheiten nach § 6 Abs. 3 EStG verfolgt demgegenüber das Ziel, die Generationennachfolge für Personenunternehmen dadurch zu erleichtern, dass trotz Wechsels des Steuersubjekts keine Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt. Die Aufdeckung hätte im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit des Vorgangs zur Folge, dass die Steuer aus dem Vermögen des Übertragenden zu entrichten wäre, was häufig die Versilberung von Betriebsvermögen erforderlich machen würde. Der Betrieb könnte dann nicht in seinem bisherigen Bestand übertra25 Kritisch im Hinblick auf das Fehlen einer Auseinandersetzung mit der Gesamtplanbetrachtung Demuth, GmbH-StB 2010, 220, 221. 26 Gl. A. Wit, DStR 2010, 379; a. A. kk, KÖSDI 2010, 17055, 17056; Levedag, GmbHR 2010, 855, 856.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht gen werden. Letztlich dient eine solche Regelung der Verwirklichung des in Art. 14 Abs. 1 GG ausdrücklich geschützten Erbrechts. Ermöglicht nun § 6 Abs. 5 EStG die jederzeitige Überführung oder Übertragung wesentlichen Betriebsvermögens der Personengesellschaft in ein anderes Betriebsvermögen, ist kein Grund dafür ersichtlich, warum diese Überführung nicht auch zugleich mit einer Übertragung des restlichen Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG zulässig sein sollte27. Umgekehrt ist die Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG unabhängig davon, ob etwa vor Jahren auch noch andere Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens vorhanden gewesen, zwischenzeitlich aber nach § 6 Abs. 5 EStG einem anderen Betriebsvermögen zugewiesen worden sind. Für die Erreichung des Zwecks des § 6 Abs. 3 EStG kommt es nur darauf an, dass die übertragene Sachgesamtheit weiter als Wirtschaftseinheit lebensfähig ist und zur Erzielung betrieblicher Einkünfte dient. Diesem Zweck wird bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils genügt, wenn der Gesellschaftsanteil übertragen, aber entbehrliches Gesamthandsoder Sonderbetriebsvermögen vom Übertragenden an anderer Stelle betrieblich genutzt wird. Es springen dadurch schließlich weniger stille Reserven auf ein anderes Steuersubjekt über, als wenn das betreffende Wirtschaftsgut mit übertragen würde. Die Beibehaltung stiller Reserven in der Hand des Steuerpflichtigen rechtfertigt aber keinen Besteuerungstatbestand, wie sich auch in § 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG zeigt. Deshalb können m. E. im Ergebnis Einzelwirtschaftsgüter im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils nach § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen werden. Wenn solche Buchwerttransfers bereits bei zeitlichem Zusammenfallen mit der unentgeltlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils zulässig sind, können erst recht zeitlich vorgelagerte Ausgliederungen nicht schädlich sein, selbst wenn sie auf einem Gesamtplan beruhen sollten.

3. Gewerbesteuerliche Sonderfragen bei Personengesellschaften 3.1. Erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen Nach § 9 Nr. 2 Satz 1 GewStG ist der Gewerbeertrag um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes zu kürzen. Diese Kürzung dient dem Zweck, eine Doppelbelastung der 27 Gl. A. Koch, BB 2010, 2042; a. A. Wacker, HFR 2010, 939; Kempermann, FR 2010, 946.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Unternehmenserträge mit Realsteuern zu vermeiden, die bei eigenen Grundstücken durch Grundsteuer und Gewerbesteuer eintreten würde. Der typisierte Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG führt bei Unternehmen, deren Erträge ausschließlich aus der Verwaltung eigenen Grundbesitzes stammen, die aber wegen ihrer Rechtsform zwangsläufig der Gewerbesteuer unterliegen, nicht zu einer vollen Beseitigung der Doppelbelastung. Deshalb sieht § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG hier eine Kürzung um die wirklichen Grundstückserträge vor. Dadurch wird eine volle Entlastung von der GewSt erreicht. Die Regelung betrifft gleichermaßen Kapitalgesellschaften und gewerblich geprägte Personengesellschaften. Sie alle erzielen, auch wenn sie nur vermögensverwaltend tätig sind, kraft ihrer Rechtsform gewerbliche Einkünfte. Es gibt aber auch spezifische Probleme der erweiterten Kürzung im Zusammenhang mit Personengesellschaften. Diese haben mit der grundsätzlich auch gewerbesteuerlich bestehenden Transparenz der Personengesellschaft zu tun. Deren Bedeutung und Reichweite sind immer wieder Anlass für Meinungsverschiedenheiten und führen zu letztlich vom BFH zu entscheidenden Rechtsstreiten. 3.1.1. Beteiligung an grundstücksverwaltender Zebragesellschaft Mit Urteil vom 19.10.2010, I R 67/0928 hatte der I. Senat des BFH über die Gewährung der erweiterten Kürzung für eine GmbH zu entscheiden, deren einzige Geschäftstätigkeit das Halten einer Beteiligung als nicht geschäftsführungsbefugte Komplementärin einer nicht gewerblich geprägten GmbH & Co. KG war. Die Tätigkeit der KG beschränkte sich ihrerseits auf die Verwaltung und Vermietung eines Bürogebäudes. Das FA versagte der GmbH die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Mit der Klage hatte die GmbH beim FG zunächst Erfolg. Der BFH gab jedoch der Revision des FA statt und wies die Klage ab. Er entschied, dass einer grundstücksverwaltenden GmbH, die als Komplementärin an einer ihrerseits vermögensverwaltenden KG beteiligt ist, nicht die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu gewähren sei. Nachdem der I. Senat des BFH bereits mit Urteil vom 22.1.1992, I R 61/9029 die Kommanditbeteiligung an einer grundstücksverwaltenden gewerblich geprägten KG und mit Urteil vom 17.10.2002, I R 24/0130 die Beteiligung als Komplementär an einer gewerblich geprägten und ihrerseits ebenfalls grundstücksverwaltenden KG für kürzungsschädlich erklärt hat, erweitert er diese Rechtsprechung mit dem Urteil vom 28 BStBl. II 2011, 367. 29 BStBl. II 1992, 628. 30 BStBl. II 2003, 355.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht 19.10.2010 auch auf Beteiligungen an rein vermögensverwaltenden Grundstücks-Personengesellschaften. Die gelegentlich geäußerte Hoffnung, der BFH werde seine strenge Linie bei der Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aufgeben31, hat sich damit nicht erfüllt. Die auf den Ausnahmecharakter der erweiterten Kürzung gestützte enge Auslegung des Ausschließlichkeitsgebots wird mit dem hiesigen Urteil bestätigt. Ein gewerbliches Unternehmen verwaltet danach auch insoweit keinen eigenen Grundbesitz, als es sich an einer rein grundstücksverwaltenden und nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft (Zebragesellschaft) beteiligt. Zwar wird der zum Gesamthandseigentum der Personengesellschaft gehörende Grundbesitz nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO den Gesellschaftern anteilig zugerechnet, weil für rein vermögensverwaltende Personengesellschaften das uneingeschränkte Transparenzprinzip gilt. Gleichwohl betrachtet der BFH den Grundbesitz der Untergesellschaft auch nicht anteilig als „eigenen“ Grundbesitz der Obergesellschaft. Nachdem nun nicht einmal rein vermögensverwaltende Personengesellschaften ihrem Gesellschafter eigenen Grundbesitz vermitteln, scheint es keine Möglichkeit zu geben, die erweiterte Kürzung auf die Ebene eines Gesellschafters durchschlagen zu lassen. Der Gesellschafter kann in den Genuss der erweiterten Kürzung nur kommen, wenn und soweit Grundbesitz zu seinem zivilrechtlich eigenen Vermögen gehört. Das dürfte auch für das vom BFH vor einiger Zeit „abgesegnete“ Treuhandmodell32 bedeuten, dass eine erweiterte Kürzung von dem Treugeber und alleinigen („Mit“-)Unternehmer für Grundstücke der Treuhandpersonengesellschaft nicht beansprucht werden kann. Beschränkt sich die Tätigkeit der Treuhand-Personengesellschaft auf die Verwaltung eigener Grundstücke und ist die einzige Geschäftstätigkeit der Treugeber-Kapitalgesellschaft das Halten der Beteiligung an der Treuhandgesellschaft, ist die gewerbesteuerliche Rechtslage der im entschiedenen Fall einer Zebragesellschaft vergleichbar. Zwar wird dem Treugeber das Vermögen der Unter-Personengesellschaft einkommen- und gewerbesteuerlich als Bestandteil seines eigenen Unternehmens zugerechnet. Zivilrechtlich gesehen werden jedoch Grundstücke der Unter-Personengesellschaft verwaltet. 3.1.2. Erweiterte Kürzung im Organkreis Mit Urteil vom 18.5.2011, X R 4/1033 hat der X. Senat des BFH eine Grundsatzentscheidung zur Behandlung der Kürzung für Grundstücksunternehmen im Organkreis getroffen. 31 Z. B. Dieterlen/Käshammer, BB 2006, 1935, 1940. 32 BFH, Urt. v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751. 33 BStBl. II 2011, 887.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Der Unternehmer E hatte mehrere Betriebsaufspaltungen mit Kapitalgesellschaften begründet, denen er jeweils Grundstücke für den Betrieb von Einzelhandelsgeschäften vermietete; er war zugleich alleiniger Gesellschafter der Kapitalgesellschaften. Später gliederte er die an eine HandelsGmbH vermieteten Grundstücke in eine Verwaltungs-GmbH aus, die von nun an als Vermieter fungierte und sonst keine andere Geschäftstätigkeit entfaltete. Beide GmbHs waren nach der Rechtslage im Streitjahr 1981 gewerbesteuerlich als Organgesellschaften des E anzusehen. Weil Ergebnisabführungsverträge nicht geschlossen worden waren, lag körperschaftsteuerlich allerdings keine Organschaft vor. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Verwaltungs-GmbH von ca. 2,4 Mio. DM versagte das FA nun die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG und gewährte nur die Kürzung nach Satz 1 der Vorschrift von rd. 10.000 DM. Diese Handhabung hielt das FG für richtig, so dass E sich mit einer Revision an den BFH wandte. Im Streitjahr 1981 (und bis einschließlich EZ 2001) konnte eine gewerbesteuerliche Organschaft auch ohne Ergebnisabführungsvertrag bestehen. Die betreffenden Voraussetzungen waren hier erfüllt, so dass die beiden GmbH als Betriebsstätten des Einzelunternehmens zu behandeln waren (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Diese Regelung wird dahin verstanden, dass auf einer ersten Stufe die Gewerbeerträge jedes Unternehmens eigenständig ermittelt und dann auf einer zweiten Stufe die Gewerbeerträge der Organgesellschaften dem Gewerbeertrag des Organträgers zugerechnet werden. Dabei entstehende Doppelbelastungen oder -entlastungen sind auf der zweiten Stufe zu eliminieren. Gewerbesteuerlich ergibt sich nun das Problem, dass die VerwaltungsGmbH als Grundstücksunternehmen i. S. d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG die erweiterte Kürzung in Höhe des gesamten auf die Grundstücksverwaltung entfallenden Gewerbeertrags beanspruchen kann. Die HandelsGmbH mindert ihrerseits ihren Gewerbeertrag um die für den Grundbesitz gezahlten Mieten; eine korrespondierende Hinzurechnung sah § 8 GewStG auch in seiner damaligen Fassung nicht vor (die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG a. F. betraf nur Nutzungsentgelt für nicht in Grundbesitz bestehende Anlagegüter und korrespondierte mit der Kürzung nach § 9 Nr. 4 GewStG a. F. beim Vermieter). Nach Meinung des BFH folgt aus den Regelungen des GewStG zur Organschaft, dass Geschäftsbeziehungen innerhalb des Organkreises generell nicht zu Hinzurechnungen und Kürzungen führen, also auch nicht in der hier gegebenen Konstellation, in der eine Organgesellschaft alle ihre Grundstücke an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises vermietet. Die erweiterte Kürzung der Verwaltungs-GmbH geht folglich bei der Zusammenrechnung der Gewerbeerträge auf der Ebene des Organträgers verloren. 46

Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht M. E. hätte die erweiterte Kürzung auch bei der Zusammenrechnung beibehalten werden müssen34. Dies lässt sich bei einem Vergleich mit einem Fall erkennen, in dem die Anteile an der Handels-GmbH von einer anderen Person gehalten werden. In einem solchen Fall besteht keine Organschaft, so dass auf die aus der gebrochenen Einheitstheorie folgenden Besonderheiten keine Rücksicht zu nehmen ist. Die Verwaltungs-GmbH könnte dann selbstverständlich die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch nehmen, was im Ergebnis eine Freistellung der Erträge von der GewSt bewirkt. Zugleich wäre der Gewerbeertrag der Handels-GmbH um die gezahlten Mieten gemindert. Kein Gewerbeertrag beim Vermieter, aber Abzug der Miete beim Gewerbeertrag des Mieters ist also das vollkommen normale Ergebnis der erweiterten Kürzung. Dieses Ergebnis ist auch gewollt, denn die erweiterte Kürzung soll vermögensverwaltende Rechtsträger, die nur wegen ihrer Rechtsform der GewSt unterliegen, von der GewSt entlasten, um eine rechtsformneutrale GewSt-Freistellung der reinen Vermögensverwaltung zu gewährleisten.35 Die Vermietungs-Kapitalgesellschaft steht also einer Einzelperson als Vermieter mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gleich. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, im Fall einer Organschaft von dieser grundlegenden Struktur abzuweichen. Einziger Grund für eine Abweichung könnte der Umstand sein, dass sich hinter den betroffenen Rechtsträgern dieselbe (natürliche) Person verbirgt. Dies aber ist im Rahmen des § 9 Nr. 1 GewStG kein Argument für eine Durchbrechung der einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich zugestandenen Abschirmwirkung. Das Gesetz selbst hat bereits eine Regelung dafür getroffen, wie in Fällen von Personenidentität zu verfahren ist. In § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG36 wird die erweiterte Kürzung ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Ratio legis dieser Rückausnahme soll sein, dass keine GewSt-Entlastung gerechtfertigt ist, wenn der Grundbesitz ohne Zwischenschaltung der kraft Rechtsform gewerblichen Gesellschaft ohnehin beim Gesellschafter gewerblichen Zwecken dienen und der Vorteil aus der Nutzung des eigenen Grundbesitzes Eingang in den Gewerbeertrag des Gesellschafters finden würde37. Die Rechtsprechung legt diese Vorschrift dahin aus, dass die Nutzung des Grundstücks im Betrieb eines Personengesellschafters oder einer Schwesterpersonengesellschaft kürzungsschäd-

34 A. A. Herbst, GmbHR 2011, 1003. 35 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 7.8.2008 – IV R 36/07, BStBl. II 2010, 988; Blümich/ Gosch, § 9 GewStG Rz. 45 ff.; jeweils m. w. N. 36 Im Streitjahr noch § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG a. F. 37 So z. B. schon BFH, Urt. v. 18.12.1974 – I R 10/73, BStBl. II 1975, 268.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht lich38, die Nutzung in dem Betrieb einer Kapitalgesellschaft aber unschädlich ist.39 Der Umstand, dass ein Gesellschafter der Grundstückskapitalgesellschaft zugleich Gesellschafter der nutzenden Kapitalgesellschaft ist, führt also nicht zum Wegfall der erweiterten Kürzung. Es gibt keinen Grund, dies anders zu beurteilen, wenn neben der personellen Verflechtung auch noch die sonstigen Kriterien für eine Organschaft erfüllt werden. 3.2. Verlustvortrag bei Ausscheiden von Gesellschaftern Obwohl die GewSt eine Betriebssteuer ist, betrachtet der BFH die Mitunternehmer als Zuordnungssubjekt positiver oder negativer Gewerbeerträge. Folge daraus ist, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust der Personengesellschaft teilweise untergeht, wenn ein Gesellschafter ausscheidet. Die Gesellschaft kann nur den auf die verbleibenden Gesellschafter entfallenden Verlustvortrag nutzen. Der auf den Ausscheidenden entfallende Verlustvortrag kann von diesem andererseits aber auch nicht „mitgenommen“ werden, weil die Verlustverrechnung neben der Unternehmeridentität auch Unternehmensidentität voraussetzt. Der Wegfall des anteiligen Verlustvortrags wurde in der Vergangenheit nicht selten übersehen, und zwar teilweise schon deshalb, weil es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung dafür gab. Diese wurde erst mit dem Jahressteuergesetz 2007 geschaffen (§ 10a Sätze 4 und 5 GewStG). Der BFH hatte jüngst über die Frage zu entscheiden, welche Wirkung ein Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts hat, der fehlerhaft infolge Ausscheidens von Gesellschaftern untergegangene Verlustvorträge weiterhin enthält. Mit Urteil vom 16.6.2011, IV R 11/0840 entschied der BFH, dass der anteilige Fehlbetrag den zum Feststellungszeitpunkt tatsächlich beteiligten Mitunternehmern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zur Verrechnung mit deren künftigen Erträgen zur Verfügung stehe. Aus einer GmbH & Co. KG waren in den Jahren 1994 und 1995 Kommanditisten ausgeschieden. Dies war bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes unbeachtet geblieben. Auf den 31.12.1996 wurden deshalb Verluste von ca. 17,7 Mio. DM bestandskräftig festgestellt, wovon ca. 9,6 Mio. DM auf die beiden ausgeschiedenen Gesellschafter entfielen. Die folgenden Feststellungsbescheide bis einschließlich 2000 bauten auf dieser fehlerhaften Verlustfeststellung auf. Allerdings weigerte sich das 38 BFH, Urt. v. 18.12.1974, aaO.; BFH, Urt. v. 15.12.1998 – VIII R 77/93, BStBl. II 1999, 168. 39 BFH, Urt. v. 15.4.1999 – IV R 11/98, BStBl. II 1999, 532. 40 BStBl. II 2011, 903.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht FA, die auf die ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden Vorträge in späteren Jahren mit Gewinnen zu verrechnen, und beließ die betreffenden Vorträge unverändert weiter in den Verlustfeststellungsbescheiden. Die KG war der Meinung, der zuletzt auf den 31.12.1996 bestandskräftig festgestellte Verlustvortrag stehe den zu jenem Zeitpunkt beteiligten Gesellschaftern zu. Im Klageverfahren konnte sich die KG damit zwar zunächst nicht durchsetzen. Sie hatte aber beim BFH Erfolg. Die Finanzverwaltung stand bisher auf dem Standpunkt, dass der betreffende Anteil am Verlustvortrag unbegrenzt weiter vorzutragen ist, aber niemals mehr genutzt werden kann. Loose/Suck bezeichnen einen solchen Verlustvortrag deshalb treffend als „Fata Morgana“41. Nach Meinung des BFH gibt es solch einen scheinbar verfügbaren Verlustvortrag aber nicht. Aus der Bestandskraftwirkung des Feststellungsbescheids ergibt sich vielmehr, dass der festgestellte Vortrag ungeachtet seiner Fehlerhaftigkeit den zum Feststellungszeitpunkt beteiligten Gesellschaftern zuzuordnen ist. Diese können ihn also zur Verrechnung mit künftigen Gewerbeerträgen der Personengesellschaft nutzen. Der Urteilsfall wies die Besonderheit auf, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter, auf den ein solcher überschießender Vortrag anteilig entfiel, nach einigen Jahren wieder in die Gesellschaft eingetreten war. Die Gesellschaft war der Meinung, dass er nun den über Jahre fehlerhaft „mitgeschleppten“ Verlustvortrag nach seinem Wiedereintritt noch nutzen können müsse. Dieser Auffassung tritt der BFH entgegen, denn mit dem Ausscheiden ist der Vortrag für den Ausscheidenden endgültig verloren. Wird der Verlustvortrag fehlerhaft weiter festgestellt, steht er künftig nur noch den verbliebenen Gesellschaftern zu.

4. Ansparrücklage für Investition nach Realteilung Einen Konflikt zwischen dem Transparenzprinzip des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und einer betriebsbezogenen Betrachtung gibt es nicht nur im Verhältnis von Einkommensteuer und Gewerbesteuer, sondern auch im Einkommensteuerrecht selbst. Der Konflikt entsteht dann, wenn eine Steuervergünstigung betriebs- und nicht personenbezogen ausgestaltet ist. Eine der – wenigen – betriebsbezogenen Steuervergünstigungen war die Ansparabschreibung nach § 7g EStG a. F. und ist heute der Investitionsabzugsbetrag nach dem seit 2007 geltenden § 7g EStG. Ein jüngst ergangenes Urteil des VIII. Senats des BFH42, das noch die alte Fassung des § 7g EStG betrifft, aber auch für den Investitionsabzugsbetrag von 41 FR 2008, 864. 42 BFH, Urt. v. 29.3.2011 – VIII R 28/08, DStR 2011, 1499.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Bedeutung sein dürfte, zeigt das Dilemma auf, das bei der Inanspruchnahme der betriebsbezogenen Steuervergünstigung durch eine Personengesellschaft entstehen kann. In ihrer im März 2005 mit der Gewinnfeststellungserklärung 2003 abgegebenen Einnahmen-Überschussrechnung für 2003 machte eine aus zwei Anwälten bestehende Sozietät eine Ansparrücklage für die Anschaffung eines PKW im Sonderbetriebsvermögen des einen Anwalts im Jahr 2004 oder 2005 geltend. Bereits im Juli des Jahres 2004 war die GbR unter Fortführung der Buchwerte real geteilt worden und beide Anwälte waren seither in Einzelpraxen tätig. Das FA erkannte die aus der Ansparrücklage folgende Sonderbetriebsausgabe nicht an und wurde darin vom FG bestätigt. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass bei Abgabe der Gewinnfeststellungserklärung einschließlich Einnahmen-Überschussrechnung der Betrieb, für den die – noch nicht erfolgte – Investition beabsichtigt sein sollte, nicht mehr existierte. Die Sozietät war zuvor bereits real geteilt worden. Wegen der Betriebsbezogenheit der Steuervergünstigung hatten FA und FG die Ansparabschreibung nach Untergang des Betriebs für unzulässig gehalten. Sie glaubten, gute Gründe dafür zu haben, hatte doch der BFH mehrfach judiziert, dass nur eine im Zeitpunkt der Bildung der Ansparrücklage noch durchführbare, objektiv mögliche Investition zur Inanspruchnahme der Steuervergünstigung berechtigt43. In dem Betrieb der bereits real geteilten GbR war die angegebene Investition nicht mehr möglich. Der VIII. Senat des BFH gab jedoch der Revision statt und entschied, der Sonderbetriebsausgabenabzug sei für das Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers auch dann zuzulassen, wenn sich die beabsichtigte Investition erst künftig im Betriebsvermögen eines nach der Realteilung fortgeführten Einzelunternehmens niederschlagen könne, sofern der Einzelunternehmer seine bisher im Rahmen der Mitunternehmerschaft erbrachte unternehmerische Tätigkeit unter Einsatz seines früheren Sonderbetriebsvermögens unverändert fortführe. Das Urteil muss wohl als Lockerung der Betriebsbezogenheit des § 7g EStG verstanden werden. Es stützt sich dafür auf ein BFH-Urteil des XI. Senats aus dem Jahr 200744, das einen Fall betraf, in dem ein Steuerberater seinen Mandantenstamm bis auf einen kleinen Teil veräußert hatte und anschließend nur noch einen „Restbetrieb“ für wenige Mandanten unterhielt. Der BFH konstatiert im hiesigen Fall eine „vergleichbare wirtschaftliche Kontinuität“. Dass die Realteilung eine Form der Betriebsauf-

43 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 10.11.2004 – XI R 69/03, BStBl. II 2005, 596 und v. 20.12.2006 – X R 31/03, BStBl. II 2007, 862. 44 BFH, Urt. v. 1.8.2007 – XI R 47/06, BStBl. II 2006, 106.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht gabe ist, hält er für unschädlich. Gefordert wird also keine rechtliche Identität des Betriebs, sondern eine wirtschaftliche Kontinuität, obwohl im Fall des „Restbetriebs“ durchaus eine rechtliche Identität bestand. Dieser weitgehenden Auslegung mag man sich vor dem Hintergrund des Subventionszwecks anschließen45, wenn man einmal davon absieht, dass die subventionierte Beschaffung derartiger PKW mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein dürfte46. In einer solchen Auslegung liegt aber zugleich m. E. ein Wertungswiderspruch zur Behandlung von Ansparabschreibungen bei Einbringungen. Im Fall der Einbringung eines Einzelbetriebs in eine Kapitalgesellschaft zu Buchwerten nach § 22 UmwStG 1995 hat erst vor kurzer Zeit der I. Senat des BFH entschieden, dass die Bildung der Rücklage unzulässig war, wenn sie wegen des bereits in Gang gesetzten Umwandlungsverfahrens nicht mehr im Einzelbetrieb realisiert werden konnte.47 Der nach §§ 4 Abs. 2 Satz 3, 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 ausdrücklich angeordnete Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung des Einzelbetriebs reichte dem I. Senat des BFH nicht aus, um eine betriebliche Identität im Sinne des § 7g EStG anzunehmen. Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, auch eine Einbringung nach § 24 UmwStG als schädlich anzusehen.48 Warum sollte aber dann eine Realteilung unschädlich sein, die vor ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 16 EStG als Ausbringung in „reziprok analoger“ Anwendung des § 24 UmwStG angesehen wurde?49 Um Missverständnissen vorzubeugen: hier geht es nicht um die Frage, ob eine bereits zulässig gebildete Ansparabschreibung fortgeführt werden kann. Dies ist nach einer Einbringung zum Buchwert möglich50. Ohne Bedeutung ist m. E. auch, ob die Ansparabschreibung wie im Urteilsfall des VIII. Senats im Sonderbetriebsvermögen oder aber im Gesamthandsvermögen der real geteilten Personengesellschaft in Anspruch genommen wird. Denn in beiden Fällen geht es um eine Investition im Betrieb der Personengesellschaft, weil der Gesellschafter keinen eigenen Betrieb mit seinem Sonderbetriebsvermögen unterhält.

45 In diesem Sinne etwa Pezzer, BFH/PR 2011, 373. 46 Die Ansparabschreibung wird hier für eine Investition gewährt, die bei ihrer Verwirklichung vermutlich nicht zur Inanspruchnahme der Sonderabschreibung berechtigen würde, wenn nämlich der PKW nicht nahezu ausschließlich betrieblich genutzt wird; dies widerspricht m. E. der Funktion der Ansparabschreibung als vorverlagerte Sonderabschreibung. 47 BFH, Urt. v. 19.5.2010 – I R 70/09, BFH/NV 2010, 2072, Rz. 17. 48 So jüngst FG Münster v. 26.5.2011 – 3 K 1416/08 E, G, EZ, Revision unter X R 31/11 anhängig. 49 BFH, Urt. v. 10.12.1991 – VIII R 69/86, BStBl. II 1992, 385. 50 Niedersächsisches FG v. 25.3.2009 – 2 K 273/06, EFG 2009, 1478, rkr.

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Wendt, Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht Man wird also mit Spannung auf die Entscheidung des X. Senats in dem Verfahren X R 31/11 zur Einbringung nach § 24 UmwStG warten können, zumal dem X. Senat auch noch ein Fall mit einer Einbringung nach § 22 UmwStG vorliegt.51

51 Az. X R 21/09.

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Bestandsaufnahme der Fallen und Klippen bei der Organschaft Dr. Steffen Neumann Finanzministerium NRW, Düsseldorf Inhaltsübersicht

A. Fehler, die zur Nichtanerkennung der Organschaft führen I. Fehlerhafter Gewinnabführungsvertrag gem. § 291 AktG 1. Formelle Fehler 2. Materielle Fehler 3. Rechtsfolge der Fehlerhaftigkeit des Gewinnabführungsvertrags a) Verstoß gegen handelsrechtliche Wirksamkeitserfordernisse b) Zu späte Eintragung in das Handelsregister c) Fehlende Verlustausgleichsverpflichtung gem. § 17 KStG d) Fünf-Jahresfrist II. Fehlerhafte Durchführung des GAV 1. Zutreffender Ausweis des ganzen Gewinns a) Richtig ermitteltes Jahresergebnis b) Richtig ermittelter Gewinn c) Abführung des ganzen Gewinns, Vornahme der Verlustübernahme

III. Fehlerhafte Beendigung des Gewinnabführungsvertrags 1. Vertragsbeendigung ohne Kündigung 2. Vertragsbeendigung aus wichtigem Grund a) Vereinbarung eines wichtigen Grundes b) Vorliegen eines objektiv wichtigen Kündigungsgrundes IV. Ausgleichszahlungen (§ 16 KStG) B. Fehler ohne Auswirkung auf die Anerkennung der Organschaft I. Ausgleichsposten 1. Die Bildung und Nachverfolgung von Ausgleichsposten 2. Vorschläge zur Vermeidung der Ausgleichsposten oder zur administrativen Erleichterung a) Vermeidungsmodell im bisherigen Organschaftssystem b) Ausgleichsposten als Korrekturposten zum Beteiligungsansatz (Einlagelösung) II. Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten C. Ausblick

Problematisiert werden in diesem Beitrag nur Konstellationen, die im „Alltagsleben“ einer Organschaft vorkommen können. Besondere Fallgestaltungen, die – wie z. B. Umwandlungsvorgänge1 – sehr komplex und 1 Vgl. hierzu z. B. Blumenberg/Lechner, DB Beilage Nr. 1/2012 S. 57 ff. zu Problemen auf Grund des neuen Umwandlungssteuererlasses v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, 1408 ff.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft schwierig sind und regelmäßig Gegenstand von Auskunftsersuchen sein werden oder Randbereiche der Gestaltungsmöglichkeiten tangieren, tragen die von vornherein zu kalkulierende Gefahr eines Misslingens schon in sich, bedürfen daher einer besonderen Beachtung und Prüfung und sind nicht Gegenstand dieser Abhandlung. Da derzeit auch unter dem Aspekt, dass die Organschaft hohe bürokratische Hürden und sonstige Fallstricke aufweist, diskutiert wird, die Organschaft durch ein anderes Modell der Ergebnisverrechnung im Konzern zu ersetzen, werden hier Vorschläge zur Verbesserung zur Vermeidung nicht sachgerechter Hürden innerhalb des bisherigen Systems unterbreitet. Hierbei unterstellt der Verfasser, dass ein Systemwechsel in absehbarer Zeit möglicherweise nicht gelingt.

A. Fehler, die zur Nichtanerkennung der Organschaft führen I. Fehlerhafter Gewinnabführungsvertrag gem. § 291 AktG Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags ist nicht ohne Klippen, so dass schon die Wegstrecke bis zum Zustandekommen des Vertrags eine Quelle von Fehlern und Mängeln sein kann. Die Fehler können zum einen materiell-rechtlicher Natur sein, wenn der Inhalt des Vertrags nicht denjenigen Anforderungen entspricht, die das Gesetz für seinen Regelungsgehalt voraussetzt. Zum anderen können Fehler auf dem Weg des Abschlusses eines inhaltlich nicht zu beanstandenden Vertragstextes unterlaufen. 1. Formelle Fehler Der Prozess, den ein Gewinnabführungsvertrag zum Zwecke seines wirksamen Zustandekommens durchlaufen muss, ist nicht sehr einfach. Der Abschluss bedarf nach § 293 Abs. 3 AktG der Schriftform. Die Schriftform gem. § 126 BGB muss sich auf alle Ergänzungen, Nebenabreden etc. erstrecken. Die notarielle Beurkundung des Vertragstextes und seiner Nebenabreden ersetzt die zwingende Schriftform (§ 126 Abs. 3 BGB). Die Hauptversammlung der Untergesellschaft muss dann mit mindestens 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals dem Vertrag zustimmen. Sieht die Satzung weitergehende Mehrheiten oder Erfordernisse vor, sind diese maßgebend (§ 293 Abs. 1 AktG). Ist die Untergesellschaft eine KGaA, müssen außerdem der persönlich haftende Gesellschafter und die Kommanditisten nach § 285 Abs. 2 AktG ihre Zustimmung erteilen.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Ist die Obergesellschaft ebenfalls eine AG oder KGaA, gelten die für die Untergesellschaft bestimmten Zustimmungsregeln auch für die Obergesellschaft (§ 293 Abs. 2 AktG). Unklar ist dabei die Rechtslage, ob die Obergesellschaft als Muttergesellschaft auch weiteren Gewinnabführungsverträgen zwischen ihrer Tochtergesellschaft und Enkelgesellschaften in dieser Weise zustimmen muss, weil sich durch diese Kette von Gewinnabführungsverträgen sich das Risiko der Muttergesellschaft entsprechend vergrößert.2 Ist eine GmbH Unter- oder Obergesellschaft, gelten die Form- und Zustimmungserfordernisse gleichermaßen. Die Behandlung des Unternehmensvertrags in der oder den Hauptversammlungen bedarf hinreichender Vorbereitung und Information der Gesellschafter. Hierzu dient die Erstellung eines Berichts über den Unternehmensvertrag gem. § 293a AktG, dessen Prüfung durch einen Vertragsprüfer gem. § 293b AktG (zu den Einzelheiten vgl. §§ 293c ff. AktG), der Kanon der in § 293f AktG beschriebenen Vorbereitungsmaßnahmen für die Hauptversammlung, die Erläuterungspflicht durch die Geschäftsführung sowie das Fragerecht der Gesellschafter (§ 293g AktG) in der Hauptversammlung selbst. Während die Zustimmung der Hauptversammlung zum Vertrag ein Wirksamkeitserfordernis zum Zustandekommen des Vertrags darstellt, führt die Vernachlässigung der Rechte der Gesellschafter nicht dazu, dass der Vertrag schwebend unwirksam bleibt. Jedoch können sich hieraus Gründe für die Anfechtung des zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses ergeben. Schließlich ist die Eintragung des Vertrags in das Handelsregister der Untergesellschaft notwendig. Die Eintragung selbst ist konstitutiv (§ 294 Abs. 2 AktG) mit Wirkung ex nunc; sie wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung zurück. Heilende Wirkung kommt der Eintragung allerdings nicht zu. Ist die Obergesellschaft eine Personenhandelsgesellschaft, müssen deren Gesellschafter dem Abschluss des Gewinnabführungsvertrags zustimmen. Hierbei ist Einstimmigkeit gefordert (§ 116 Abs. 2 HGB). 2. Materielle Fehler Fehlerquelle kann auch der Inhalt der Verabredung sein. In dem Gewinnabführungsvertrag muss die Untergesellschaft sich verpflichten, während der Vertragsdauer ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (§ 291 Abs. 1 AktG). Außerdem muss der Gewinnabführungsvertrag bei Vorhandensein außenstehender Aktionäre noch einen angemessenen Ausgleich vorsehen, weil dieser Aktionärskreis seine Mitverwaltungsrechte ganz oder teilweise und sein Dividendenbezugsrecht 2 Vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl. München 2010, § 293 Rz. 20 m. w. N.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft vollständig verliert. Die Einzelheiten hierzu regelt § 304 AktG3. Außerdem muss der Gewinnabführungsvertrag eine Verpflichtung der Obergesellschaft enthalten, nach der sie auf Verlangen der Minderheitsaktionäre verpflichtet ist, deren Aktien zu einem angemessenen Preis zu erwerben. Die Einzelheiten regelt § 305 AktG. Fehlt im Vertrag eine Bestimmung zur angemessenen Ausgleichszahlung gänzlich, ist er nichtig (§ 304 Abs. 3 Satz 1 AktG). Ist eine Regelung aufgenommen worden, die zwar zur Zahlung einer Ausgleichszahlung verpflichtet, dabei allerdings die Interessen der außenstehenden Aktionäre nicht genügend berücksichtigt, ist der Vertrag nicht nichtig, sondern wirksam. Auch der Hauptversammlungsbeschluss, der diesen in diesem Punkt unzulänglichen Vertrag gutgeheißen hat, ist nicht anfechtbar, sondern die Aktionäre können ihre Rechte nur außerhalb des Zustimmungsprozesses in einem gesonderten Spruchstellenverfahren geltend machen (§ 304 Abs. 3 Satz 3 AktG). Kein Unwirksamkeitsgrund und auch kein Anfechtungsgrund ist das Fehlen einer Abfindungsregelung nach § 305 AktG. Auch insoweit kommt nur eine Nachbesserung über ein Spruchstellenverfahren in Frage (§ 305 Abs. 5 AktG). Neben den aktienrechtlichen Anforderungen an den Vertragsinhalt kommen folgende steuerliche hinzu: § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG verlangt die Vereinbarung einer handelsrechtlich unbekannten Mindestfrist. Hiernach muss der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen sein. Ist die Untergesellschaft zwar eine Kapitalgesellschaft, aber nicht eine der in § 14 KStG benannten (EG, AG, KGaA), kann sie nach § 17 KStG durchaus Organgesellschaft sein, aber nur dann, wenn die Gewinnabführung die Grenzen des § 301 AktG einhält und „eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart wird“. Bei diesem Adressatenkreis besteht also der Unterschied darin, dass die Verlustausgleichsverpflichtung sich nicht eo ipso allein aufgrund des Abschlusses des Gewinnabführungsvertrags ergibt, sondern sie bedarf einer zusätzlichen und ausdrücklichen Aufnahme in den Vertragstext. Die Gründe hierfür mögen sich überlebt haben, weil aus zivilrechtlicher Sicht inzwischen die Überzeugung besteht, dass auch für andere Gesellschaften als die AG und die KGaA der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags mit seiner in § 302 AktG beschriebenen Rechtsfolge möglich sei und dass hierfür das Aktienrecht analog herangezogen werden müsse. Dies ändert allerdings nichts an dem Befund, dass § 17 KStG dieser Entwicklung noch nicht gefolgt ist. 3 Ob diese Verpflichtung auch für die GmbH als beherrschte Gesellschaft gilt, ist nicht geklärt; vgl. hierzu Frotscher, KStG, § 16 Rz. 3; Weber, GmbHR 2003, 1347.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft 3. Rechtsfolge der Fehlerhaftigkeit des Gewinnabführungsvertrags Die Fallstricke schon zu Beginn einer steuerlichen Organschaft sind mannigfach. Je nach Fehlerquelle und Ursache ist dabei wie folgt zu unterscheiden: a) Verstoß gegen handelsrechtliche Wirksamkeitserfordernisse Wenn im Entstehungsprozess des Vertrags Fehler unterlaufen sind, die nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags führen, hat dies auch steuerlich keine weiteren Folgen. Hierzu zählen insbesondere die nicht hinreichend berücksichtigten Anhörungsrechte der Aktionäre und der Mangel einer Abfindungsregelung nach § 305 AktG. Fehlen zivilrechtliche Wirksamkeitserfordernisse (fehlende – ggf. nach erfolgreicher Anfechtung – Zustimmung in der oder den Hauptversammlungen bzw. Gesellschafterversammlung, fehlende Schriftform), ist der Gewinnabführungsvertrag unwirksam. Ein Problem größeren Ausmaßes entsteht dann, wenn dieser Umstand längere Zeit unerkannt geblieben ist oder wenn der Anfechtungsprozess sich über einen längeren Zeitraum hinzieht und die Beteiligten in der trügerischen Vorstellung, die Anfechtungsgründe werden nicht durchgreifen, den Vertrag vollziehen. Stellt sich also erst später – ggf. nach Jahren – die Unwirksamkeit des Unternehmensvertrags heraus, vermeidet die zivilrechtliche Rechtsprechung die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht, indem sie dazu tendieren, in dem tatsächlichen Vollzug des Vertrags eine Rechtsgrundlage für den Leistungsaustausch zu sehen. Auf die Unwirksamkeit des Vertrags können sich die Parteien dann nur für die Zukunft berufen4. Gelingt eine „Reparatur“ des Vertrags, hat also die Unwirksamkeit letztlich für die Beteiligten keinerlei zivilrechtlichen Folgen. Das Steuerrecht hingegen sieht diesen Befund völlig anders. Voraussetzung für eine Organschaft ist die Existenz eines wirksamen Vertrags (vgl. den Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG). Liegt er nicht vor, ist die Organschaft nicht gegeben und alle bislang aus einer vermeintlich vorliegenden, aber letztlich „verunglückten“ Organschaft müssen steuerlich entsprechend gewürdigt werden. D. h. im Einzelnen: Die Rechtsfolgen des § 14 KStG treten nicht ein; die Einkommenszurechnung bei der Obergesellschaft findet nicht statt, und die Untergesellschaft hat nach den normalen Regeln das von ihr erzielte Einkommen selbst zu versteuern. Tatsächlich vollzogene Gewinnausschüttungen sind verdeckte Gewinnausschüttungen, da sie nicht auf einem ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschluss der Untergesellschaft beruhen, und unterliegen bei der ausschüttenden Gesellschaft der Kapitalertragsteuer (§§ 20 Abs. 1 4 Vgl. BGH, II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 4 f.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Nr. 1, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und bei der empfangenden Obergesellschaft den Regeln des § 8 b Abs. 1 KStG. Ist ein Personenunternehmen mit natürlichen Personen als Gesellschafter die Obergesellschaft, sind die „Gewinnabführungen“ dort steuerpflichtige Einnahmen und von den natürlichen Personen nach dem Teileinkünfteverfahren zu besteuern. Verlustübernahmen stellen Einlagen der Obergesellschaft bei der empfangenden Untergesellschaft dar und führen bei der Obergesellschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Die Rechtsfolgen sind in allen noch offenen Veranlagungszeiträumen der Beteiligten zu ziehen. Dass diese den vermeintlich wirksamen Vertrag tatsächlich „gelebt“, also seinen vermeintlichen Inhalt befolgt haben, ist steuerlich ohne Bedeutung. b) Zu späte Eintragung in das Handelsregister Eine weitere Hürde ist die Eintragung des Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister, die konstitutiven Charakter hat. Die Beteiligten haben es vielfach nicht in der Hand, wann die entscheidende Eintragung vom Registergericht vorgenommen wird; beherrschen können sie nur die Stellung des Eintragungsantrags.5 Mit dem StVergAbG v. 16.5.20036 ist die Möglichkeit, die Organschaftsregeln schon für das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft anzuwenden, in dem der Gewinnabführungsvertrag (schwebend unwirksam) abgeschlossen wurde, ausgeschlossen worden. Die Beseitigung dieser steuerlichen Besonderheit führte zum Gleichklang von Handels- und Steuerrecht; denn in der Regel wird die Handelsregistereintragung den Schlusspunkt des mehraktigen Vorgangs des Abschlusses eines wirksamen Gewinnabführungsvertrags darstellen. Hiervon wieder abzuweichen, besteht keine Notwendigkeit, zumal die Praxis nicht Klage über eine säumige Eintragungspraxis der Handelsregister führt. c) Fehlende Verlustausgleichsverpflichtung gem. § 17 KStG In der Vergangenheit sind in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bei anderen Kapitalgesellschaften als AG oder KGaA als Vertragspartner aufgetreten, weil in etlichen Gewinnabführungsvereinbarungen die Verlustausgleichsverpflichtung des § 302 Abs. 1 AktG und die ergänzenden Regelungen des § 302 Abs. 3 und 4 AktG nicht in die von § 17 KStG geforderte Vereinbarung hinreichend präzise aufgenommen worden sind. Dabei sind die Anforderungen an den Vertragsinhalt nicht übermäßig schwierig, so dass die Gründe für diesen „Lapsus“ schwer nachvollzieh5 Vgl. hierzu FG Niedersachsen, Urt. v. 13.12.2007, EFG 2008, 885 – rk. 6 BGBl. I 2003, 660.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft bar sind. Es stehen zwei sichere Durchführungswege zur Verfügung. Man kann zum einen den Gesetzestext des § 302 Abs. 1, 3 und 4 AktG wörtlich übernehmen. Dann läuft man zwar Gefahr, im Falle einer Gesetzesänderung des § 302 AktG den Anforderungen des § 17 KStG nicht (mehr) zu genügen. Jedoch ist in solchen Fällen die Finanzverwaltung regelmäßig großzügig. So hat sie für Altverträge, die vor dem 1.1.2006 geschlossen worden sind, nicht verlangt, dass der seinerzeit neu angefügte § 302 Abs. 4 AktG in diesen Verträgen enthalten oder dort nachträglich eingefügt werden müsse7. Die Schwierigkeiten, die mit solchen nachträglichen Vertragsänderungen einhergehen, sind dabei durchaus gewürdigt worden. Eine weitaus elegantere Möglichkeit besteht darin, auf den jeweils geltenden § 302 AktG in Gänze zu verweisen, ohne ihn inhaltlich zu zitieren (KStR 66 Abs. 3 Satz 3). Bei Verwendung eines solchen dynamischen Verweises auf die einschlägige Regel des AktG läuft man schlichtweg keine Gefahr, sich bei einer wiederholenden Formulierung zu verheddern oder eine nicht mehr gültige Fassung des § 302 AktG im Vertragstext zu haben. Die Folgen einer bloß semantischen Panne in dem Vertragstext sind in der Tat nach der geltenden Rechtslage für die Betroffenen verheerend. Welch einen Ansturm der Entrüstung dies hervorrufen kann, wurde an dem Beispiel der beiden Verfügungen der Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster vom 12.8.20098 nur allzu deutlich.9 Im Kern ging es bei den beiden Verfügungen um die Frage, ob eine Vertragsformulierung, die zwar auf § 302 AktG als Ganzes verweist, dann aber als ausdrücklichen Vertragsinhalt nur die Verlustübernahmeverpflichtung des § 302 Abs. 1 AktG aufnimmt, dahingehend verstanden werden kann, dass die ausdrücklich aufgenommene Verpflichtung des § 302 Abs. 1 AktG die Anwendung des § 302 Abs. 3 und 4 KStG ausschließt, so dass sie dann den Anforderungen des § 17 KStG nicht genügt. Es ist nunmehr müßig über die Richtigkeit eines solchen Verständnisses zu debattieren. Die Geister sind m. E. auch durch das sehr enge Verständnis des in ständiger Rechtsprechung des BFH zu den inhaltlichen Anforderungen an den Vertragsinhalt10 gerufen worden, die Ursache für die beiden Verfügungen gewesen sein mag. Mittlerweile hat der BFH die Geister wieder verscheucht, indem er in einem AdV-Beschluss klargestellt hat, dass die konkrete in den OFD-Verfügungen behandelte Formulierung den Anforderungen des § 17 KStG genüge.11 Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen12, so dass diese Angelegenheit insoweit ausgestanden ist. 7 8 9 10 11 12

BMF, Schr. v. 16.12.2005, BStBl. I 2006, 12. BB 2010, 101. Vgl. statt aller die Hinweise bei Schneider, Der Konzern 2010, 486, 488. Vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 3.3.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132. BFH, Urt. v. 28.7.2010 – I B 27/10, BStBl. II 2010, 935. BMF, Schr. v. 19.10.2010, BStBl. I 2010, 836.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Aber damit ist das im Kern vorhandene Problem keineswegs gelöst. Fehler bei der Formulierung werden immer wieder vorkommen, und dann wird erneut der Streit aufflammen, ob der vereinbarte Vertragstext genügt. Für die betroffenen Steuerpflichtigen wird die Auseinandersetzung ihren mitunter bizarren Charakter nicht verlieren, weil es aus ihrer Sicht nur ein Streit um Worte ist. In der Tat zeichnen sich viele Fälle dieser Art dadurch aus, dass die tatsächliche und ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags über viele Jahre hinweg völlig außer Streit steht, so dass die Wahl einiger Worte oder ihre Stellung innerhalb des Satzes entscheidend für belastende steuerliche Folgen beträchtlichen Ausmaßes sein können. Im Rahmen der o. g. jüngsten Auseinandersetzung haben die Bundesländer bereits einen Vorschlag gemacht, das Problem zu entschärfen. Sie hatten mit einer Prüfbitte des Bundesrats im Rahmen der Befassung mit dem JStG 2010 den Vorschlag gemacht, den § 17 KStG dahingehend zu ändern, dass fortan und mit rückwirkender Kraft für alle noch offenen Fälle eine Vereinbarung genügen soll, nach der „eine Verpflichtung zur Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 des Aktiengesetzes besteht.“13 Der Gesetzgeber ist dieser Anregung – leider – nicht gefolgt. Gleichwohl ist diese „Baustelle“ noch nicht abgearbeitet. Es macht Sinn, diesen Vorschlag der Länder noch einmal zu prüfen. Hilfsweise sollte in den Fällen, in denen solche pathologischen Vertragsinhalte auftauchen, den Betroffenen die Gelegenheit gegeben werden, die Fehler zu bereinigen und dann für die Vergangenheit keine Folgerungen hieraus zu ziehen. Gewährleistet sein muss natürlich, dass die Umstände frei von Missbrauch sind. Es muss sich um ein Versehen der Parteien handeln und darf nicht zu einem Gestaltungsinstrumentarium werden. Zu verlangen ist weiterhin, dass die Durchführung des – gedachten – ordnungsgemäßen Vertrags außer Zweifel steht. d) Fünf-Jahresfrist Unerlässlicher Vertragsinhalt ist die Vereinbarung einer Laufzeit des Vertrags von mindestens fünf Jahren. Es bestand lange Streit, ob mit der Gesetzesformulierung in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG fünf Zeitjahre (= 60 Monate) oder fünf Wirtschaftsjahre (also einschl. Rumpfwirtschaftsjahre) gemeint sind. Die Vertragspraxis hatte sich überwiegend auf diese Unsicherheit eingestellt und deshalb aus Vorsichtsgründen eine Laufzeit von fünf Zeitjahren vereinbart, so dass in diesem Punkt kaum Probleme bekannt geworden sind. Dass dies nicht ausnahmslos gilt, zeigt die Entscheidung des BFH v. 12.1.201114, in der er über einen Sachverhalt 13 BR-Drs. 318/10 (Beschluss), 59. 14 BFH, Urt. v. 12.1.2011 – I R 3/10, BStBl. II 2011, 727.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft zu befinden hatte, in dem die Beteiligten eine geringere Laufzeit als fünf Zeitjahre vereinbart hatten, die gewählte Zeitspanne aber ausgereicht hätte, wenn die Anzahl von fünf Wirtschaftsjahren ausreichen würde. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Der BFH vertritt in dieser Entscheidung, dass fünf Zeitjahre maßgebend sind, und folgert dies aus dem Wortlaut des Gesetzes. Damit schließt er sich allerdings der bislang überwiegend zu dieser Frage vertretenen Auffassung an. Eine Überraschung stellt die Entscheidung des BFH deshalb nicht dar. Damit sind nicht alle Klippen beseitigt. Fallstricke ergeben sich noch bei folgenden Details: Entdecken die Vertragsparteien, dass die im Gewinnabführungsvertrag gewählte Vertragsdauer z. B. um ein Jahr zu kurz ist – etwa weil ihnen bei der Berechnung des richtigen Zeitraums ein Fehler unterlaufen ist oder weil ungeachtet einer korrekten Laufzeitvereinbarung die sonstigen Voraussetzungen der Organschaft wie etwa die hinreichend finanzielle Eingliederung nicht zeitgerecht zum Beginn der Laufzeit gegeben waren –, und vereinbaren sie im Nachhinein (erneut) eine fünfjährige Frist, indem sie ein Jahr „dranhängen“, ist Vorsicht geboten. Die erste Vertragsfassung genügt nicht den Anforderungen des § 14 KStG, so dass die Organschaft zumindest für das erste Wirtschaftsjahr der Geltung der Organschaft nicht wirksam begründet ist. Wird der Vertrag geändert, müssen in diesem Zeitpunkt alle Erfordernisse an die Fünfjahresfrist erfüllt sein. Erreichen die Vertragsparteien allerdings wegen der Änderung und Neueintragung in das Handelsregister des GAV erst das Folgejahr, ist zu berücksichtigen, dass eine Rückwirkung auf das Jahr zuvor ausgeschlossen ist. Im Jahr der Nachbesserung kann die Organschaft dann erstmals wirksam begründet werden, aber auch hier mangelt es wiederum an der Vertragsdauer von fünf Jahren, so dass die Nachbesserung fehlschlägt. M. E. genügt es nicht, dass der Vertrag als solcher eine Vertragsdauer von mindestens fünf Jahren hat, sondern er muss vielmehr sicherstellen, dass während dieser Zeitspanne die Gewinnabführungsverpflichtung besteht. Wenn z. B. die Vertragsparteien, die ein mit dem Kalenderjahr identisches Wirtschaftsjahr haben, zum 1.6.01 einen GAV abschließen, der bis zum 31.5.06 einschließlich gelten soll, weist er zwar eine Dauer von fünf Jahren aus. Da er sich für das Jahr 01 keine Rückwirkung beigemessen hat, ist für das Jahr 01 keine Gewinnabführungspflicht begründet worden. Entsprechendes gilt für 06, weil der Vertrag bereits zum Ablauf des 31.5. dieses Jahres endet. Eine Gewinnabführungspflicht besteht hiernach nur für die Jahre 02 bis 05, mithin nur für vier Jahre. Dies reicht nicht aus. Den Steuerpflichtigen sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, sich vom Finanzamt verbindlich bescheinigen zu lassen, dass der abzuschlie61

Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft ßende, aber auch der bereits abgeschlossene Gewinnabführungsvertrag den steuerrechtlichen Anforderungen genügt. Es würde sich bei der Beurteilung des bereits geschlossenen Vertrags um einen feststellenden Verwaltungsakt handeln, der mit dem Einspruch anfechtbar ist. Eine Änderbarkeit des Verwaltungsakt kann sich nur nach §§ 130, 131 AO ergeben, wenn die Finanzverwaltung einen Gewinnabführungsvertrag zu Unrecht als lege artis erkannt hat und später ihren Irrtum bemerkt oder wenn die Rechtslage sich geändert hat. Da der Verwaltungsakt in Bezug auf seinen Regelungsgehalt dem einer erteilten verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO nahekommt, sollte eine Rücknahme oder ein Widerruf des Verwaltungsakts sich an dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 2 der SteuerAuskunftsverordnung orientieren, d. h. nur mit Wirkung für die Zukunft möglich sein unter Einräumung einer angemessenen Frist für den Steuerpflichtigen, um sich auf die geänderte Situation einstellen zu können. Damit bliebe die Organschaft unangetastet. Etwas anderes gilt, wenn die Erteilung einer unrichtigen begünstigenden Feststellung dem Steuerpflichtigen selbst anzulasten ist oder aus anderen Gründen keinen Vertrauensschutz verdient. § 130 Abs. 2 Nr. 2 bis 3 AO sollte dann anwendbar sein, so dass das Vorliegen eines anerkannten Gewinnabführungsvertrags auch für die Vergangenheit entfällt, so dass im Nachhinein die Organschaftsvoraussetzungen mit den bekannten Rechtsfolgen wegfallen.

II. Fehlerhafte Durchführung des GAV Die fehlerhafte Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags hat für die Beteiligten unangenehme Folgen. Unterläuft ihnen dies innerhalb der Mindestlaufzeit von fünf Jahren, ist die Organschaft von Anfang an für den gesamten bis dahin abgelaufenen Zeitraum nicht anzuerkennen. Aus § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG kann gefolgert werden, dass der Gewinnabführungsvertrag ab Vertragsbeginn einmal fünf Jahre ununterbrochen durchgeführt worden sein muss. Wird also z. B. ab dem dritten Jahr nach Vertragsschluss der Gewinnabführungsvertrag beachtet, muss er bis zum Ende des siebenten Jahres nach Vertragsschluss befolgt werden. Wird in dem Beispiel im siebenten Jahr wiederum gegen den Gewinnabführungsvertrag verstoßen, wird die Organschaft für die gesamte Laufzeit des Vertrags nicht anerkannt und die Fünfjahresfrist beginnt erneut zu laufen. Mitunter nicht immer beachtet wird die Rechtsfolge, wenn nach Ablauf der Mindestfrist von fünf Jahren erstmals gegen den Gewinnabführungsvertrag verstoßen wird. Hier ist zwar nur für das nämliche Jahr eine Organschaftspause eingetreten. Es ist aber zu berücksichtigen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung ab dann der 62

Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Vertrag wieder mindestens fünf Jahre ununterbrochen durchgeführt werden muss.15 Die wichtigsten Fehlerquellen in Bezug auf die Vertragsdurchführung sind in folgenden Bereichen anzutreffen: 1. Zutreffender Ausweis des ganzen Gewinns Abgeführt werden muss der handelsrechtlich ausgewiesene Gewinn. Schädlich ist dabei, wenn der Gewinn nicht vollständig abgeführt wird, wenn ein zu hoher Betrag als Gewinn abgeführt wird oder wenn ein falsch ausgewiesener Gewinn abgeführt wird. a) Richtig ermitteltes Jahresergebnis Der erste Stolperstein besteht darin, dass das handelsrechtliche Ergebnis richtig ermittelt worden sein muss, die Handelsbilanz mithin objektiv zutreffend sein muss16. Das bedeutet, dass alle Bilanzansätze und Bewertungsregeln nach Maßgabe der Bestimmungen der Gewinnermittlungsregeln des HGB in der Fassung des BilMoG zutreffend angewendet worden sein müssen, so dass am Ende eine materiell richtige Bilanz das zutreffende Ergebnis wiedergibt. Beurteilender, ob dies der Fall ist, ist dabei regelmäßig die Finanzverwaltung, die sich mit dem handelsrechtlichen Ergebnisausweis zu befassen hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein zu hohes oder zu niedriges Ergebnis ausgewiesen und letztlich abgeführt wird. Die Fehlerhaftigkeit des abgeführten Ergebnisses an sich reicht schon aus, die Durchführung des Gewinnabführungsvertrags in Frage zu stellen. Dies ist nicht nur wegen der Fülle der unterschiedlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften im Handels- und Steuerrecht und aufgrund des Wegfalls der umgekehrten Maßgeblichkeit eine reichhaltige Quelle für Fehler. Besondere bislang ungelöste Probleme ergeben sich zudem durch – die Reichweite der Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB bei der Aktivierung selbst geschaffener Wirtschaftsgüter, die nach § 301 AktG zur Abführungssperre führt, – den zutreffenden Gewinnausweis von latenten aktiven Steuern gem. § 274 HGB, sofern solche nach Verrechnung mit latenten passiven Steuern ausgewiesen werden dürfen; auch in den Fällen der Aktivierung selbst geschaffener Wirtschaftsgüter sind latente passive Steuern zu berücksichtigen. Dies erfordert eine hinreichend sichere Prognose, in welchem Umfang unter Berücksichtigung geltender Steuersätze und 15 R 60 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStR. 16 BGH, Urt. v. 14.2.2005 – II ZR 361/02, DB 2005, 937.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Verlustverrechnungsmöglichkeiten solche steuerlichen Entlastungen und Belastungen zu erwarten sein werden. Die Folgen eines falschen Bilanzausweises für die Organschaft sind nach wie vor ungeklärt und dies vor dem Hintergrund, dass „fehlerfreie und zwingend eindeutige Bilanzen. die absolute Ausnahme“ seien.17 Ein verlässlicher Maßstab, wann unterlaufene Fehler unbeachtlich sein sollen, ist nicht erkennbar. Die Unanfechtbarkeit der Handelsbilanz ist es sicherlich nicht, auch wenn ihre Nichtigkeit infolge Zeitablaufs nach § 256 Abs. 3 AktG nicht mehr geltend gemacht werden kann. Sie wird durch diese „Heilung“ nicht Grundlage für ein nunmehr zutreffend ausgewiesenes Ergebnis. Fehler können gegenläufiger Natur sein, so dass das Endergebnis zufällig richtig wird, in seinen Einzelkomponenten aber falsch ist. Die Praxis sucht Lösungen, um die Nichtanerkennung der Organschaft als unverhältnismäßig empfundene Rechtsfolge zu vermeiden, indem sie dies mit Wendungen wie „geringfügige Beträge“, „unwesentliche Fehler“ oder die Vermittlung eines Gewinnausweises, der den tatsächlichen Verhältnissen entspricht18, zu begründen versucht. Es liegt auf der Hand, dass dies zwar vom Ergebnis als richtig empfunden wird, aber in der Stringenz der Begründung wenig überzeugt. Folgerichtig ist m. E. allein begründbar, dass jeglicher Verstoß gegen die Abführung des richtigen Gewinns keine ordnungsgemäße Durchführung des Gewinnabführungsvertrags bedeutet19, auch wenn die Rechtsfolge keinen Gefallen findet. Ob ein „richtiger“ Gewinn ausgewiesen ist, sollte m. E. wegen der Komplexität der Materie nicht (mehr) der Entscheidungsprärogative der Finanzverwaltung überlassen sein. Für den Regelfall sollte ein gesondertes Testat für die jeweilige Organgesellschaft, ausgestellt von einem Wirtschaftsprüfer, über die Ordnungsmäßigkeit des bilanziell ausgewiesenen Ergebnisses ausreichend sein, das für die Finanzverwaltung verbindlich ist. Die Verantwortung für die Richtigkeit des erteilten Testats liegt beim Abschlussprüfer; die Vorschriften der §§ 316 ff. HGB sollten entsprechend anwendbar sein. Hat die Finanzverwaltung Zweifel an der Richtigkeit des Testats, sollte sie die Handelsbilanz nicht verwerfen, sondern die Vorlage eines zweiten Testats, erstellt von einem anderen Wirtschaftsprüfer, verlangen können.

17 Baldamus, Ubg 2009, 484, 487 m. w. N. 18 Baldamus, ebenda, 488. 19 Schneider/Hinz, Ubg 2009, 738, 744.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft b) Richtig ermittelter Gewinn Nach Ermittlung des richtigen Jahresergebnisses ergeben sich zur Bestimmung des abzuführenden Gewinns aus der Beachtung des § 301 AktG weitere Klippen, wenn die Organbeteiligung nicht eingegliedert ist (zu den Besonderheiten der eingegliederten Gesellschaft vgl. § 324 AktG). Hiernach ist der Jahresüberschuss zum einen zu mindern um den Verlustvortrag aus vorvertraglicher Zeit. Dies wird häufig übersehen, wohl deshalb, weil steuerrechtlich mit dem Ausschluss der Berücksichtigung vororganschaftlicher Verlustvorträge (§ 15 Satz 1 Nr. 1 KStG) genau das Gegenteil gilt. Die Nichtberücksichtigung vorvertraglicher Verluste führt zur Nichtanerkennung der Organschaft, da nicht der richtige Gewinn, sondern ein handelsrechtlich zu hoher Gewinn abgeführt wird.20 Es ist auch keine „Heilung“ möglich, indem in einer späteren Periode der „vergessene“ Verlust berücksichtigt wird. Auch die unterlassene Berücksichtigung nur geringer Beträge ist objektiv eine nicht zutreffende Beachtung des Gewinnabführungsvertrags. Unter dem Gesichtspunkt der Geringfügigkeit oder Verhältnismäßigkeit wird an verschiedener Stelle in der Literatur reklamiert, dass diese die Rechtsfolge der Verwerfung der Organschaft nicht auslösen dürfe. „Geringfügige“ Vertragsverletzungen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinzunehmen, ist unter dem Blickwinkel, dass solche Vertragsverletzungen zugunsten wie zuungunsten der Steuerpflichtigen wirken können, zwiespältig. Wie soll vernünftig unterschieden werden zwischen einer „geringfügigen“ Vertragsverletzung, mit der die Vertragsparteien gezielt eine „Organschaftspause“ bezwecken, und einer Vertragsverletzung desselben Maßes, die aber zu einer ungewollten Organschaftspause für den Steuerpflichtigen führt?21 Schon wegen dieser Ambivalenz ist es erforderlich, in der Beachtung des Gewinnabführungsvertrags eine ordnungsrechtliche Anforderung zu sehen, die bei Abweichung immer zu derselben Rechtsfolge führt und nicht vom Wunsch der Beteiligten abhängen kann. Eine Heilung ist nur möglich, indem der Jahresabschluss der Organgesellschaft, in dem die gebotene Verlustverrechnung unterblieb, berichtigt wird.22

20 BFH, Urt. v. 21.10.2010 – IV R 21/07, BFH/NV 2011, 151. Steuerlich darf hingegen die Verlustverrechnung gem. § 15 KStG nicht geltend gemacht werden. Ein Verstoß gegen das steuerliche Verbot der Verrechnung mit vororganschaftlichen Verlustvorträgen gefährdet allerdings nicht den Bestand der Organschaft. 21 Neumann in Gosch, 2. Aufl., § 14 Rz. 310. 22 Dötsch, Der Konzern 2009, 171.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Für das Gegenstück, den vorvertraglichen Gewinnvortrag, gilt diese Regelung hingegen nicht entsprechend. Der Grund besteht in dem Schutz der vorhandenen Minderheitsaktionäre, so dass nur bei der eingegliederten Gesellschaft die Abführung zulässig ist. Wird bei einer nicht eingegliederten Organgesellschaft eine in vororganschaftlicher Zeit gebildete Gewinnrücklage aufgelöst und dieser Gewinn abgeführt, ist der Vertrag nicht ordnungsgemäß durchgeführt.23 Dies gilt auch, wenn ein solcher aus der Gewinnrücklage entnommener Betrag für den Ausgleich der Verlustübernahme verwendet wird.24 Die Nutzung einer aufgelösten Gewinnrücklage für eine Gewinnausschüttung ist hingegen unbedenklich. Eine weitere Fehlerquelle ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Jahresüberschuss um den Betrag, der gem. § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, und um den nach § 268 Abs. 8 AktG ausschüttungsgesperrten Betrag zu vermindern. Eine Untergrenze des abzuführenden Gewinns zieht aus steuerlicher Sicht § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KStG ein, indem die Organgesellschaft ihren Jahresüberschuss nur in einem Maße in die Gewinnrücklage nach § 272 Abs. 3 HGB einstellen darf, der bei kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. Hier ist ein weites Beurteilungsfeld eröffnet mit Maßstäben, die nicht „handfest“ sind und deshalb wegen ihrer „Schwammigkeit“ ausgesprochen streitanfällig sein könnten. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass in der Praxis dieses „Minenfeld“ umgangen wird, so dass im Ergebnis Streitfälle überhaupt nicht oder allenfalls sehr selten aufkommen. c) Abführung des ganzen Gewinns, Vornahme der Verlustübernahme Soweit ersichtlich, ist auch die Art der Erfüllung der Gewinnabführung und der Verlustübernahme nicht hinreichend geklärt. In der Praxis haben sich eine Reihe von Varianten der Vertragserfüllung mit dem Ziel, die Liquidität der Vertragsparteien möglichst zu schonen, herausgebildet, bei denen nicht abschließend gesichert ist, ob sie den Anforderungen einer Vertragserfüllung auch tatsächlich genügen. Die Gewinnabführungsverpflichtung wird nach § 266 Abs. 3 C. Nr. 6 HGB in der Handelsbilanz der Organgesellschaft passiviert und ihrer Gewinn- und Verlustrechnung gem. § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB als Aufwand erfasst. Dies reicht für eine zeitnahe Erfüllung dieser Verpflichtung jedoch nicht aus. Deshalb führt ein anschließender Verzicht des Organträgers auf Erfüllung seines Anspruchs zur Nichtdurchführung des 23 R 60 Abs. 4 Satz 1 KStR. 24 R 60 Abs. 4 Satz 2 KStR.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Gewinnabführungsvertrags. Ein Verzicht auf die Verzinsung des Anspruchs mit 5 % ab Fälligkeit gem. §§ 352, 353 HGB ist als Verzicht auf die Erfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht hingegen wohl unschädlich; denn der Zinsverzicht wirke sich erst in späteren Perioden aus und stelle dort unschädliche verdeckte Einlagen dar.25 Der Anspruch der Untergesellschaft auf den Verlustausgleich ist gem. § 266 Abs. 2 B. HGB als Forderung auszuweisen und in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB als Ertrag zu erfassen. Auch er ist ab Fälligkeit mit 5 % zu verzinsen. Zur Erfüllung des Anspruchs reicht ebenfalls der bloße Ausweis in der Handelsbilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nicht aus. Auch dieser Anspruch muss zeitnah, d. h. in angemessener Zeit erfüllt werden. Der Anspruch auf die Abführung des Gewinns wie auch der Anspruch auf Verlustübernahme sind Geldleistungsansprüche und prinzipiell durch Zahlung des entsprechenden Geldbetrags zu erfüllen. In der Praxis haben sich allerdings vielfältige Formen der Erfüllung herausgebildet.26 Umwandlungen der Ansprüche in Darlehen sind vorzufinden wie Aufrechnungen, die Führung von Verrechnungskonten gem. § 355 HGB mit regelmäßiger Saldenfeststellung, Erfüllungen im Rahmen eines Cash-Pooling innerhalb des Konzerns u. a. Soweit ersichtlich, werden diese Möglichkeiten in der Praxis weitgehend akzeptiert. Fälle, in denen wegen einer mangelnden Vertragserfüllung eine Organschaft nicht anerkannt wird, werden nur ausgesprochen selten bekannt. Es ist allerdings zu vermuten, dass der Bereich der tatsächlichen Vertragserfüllung ein „dunkler Fleck“ ist, bei dem viele Gefahren lauern, die vielfach unerkannt sind und letztlich zumeist unaufgedeckt bleiben. Die Erfüllung durch Umwandlung der Forderungen in wechselseitige Darlehen erfordert die Prüfung, ob die Darlehensbeziehungen einem Drittvergleich standhalten, also werthaltig sind und angemessen verzinst werden. Für die Werthaltigkeit kann die Einräumung einer Sicherheit geboten sein. Die Begründung eines Darlehens durch die Organgesellschaft zugunsten ihrer beherrschenden Gesellschafterin kann darüber hinaus die Interessen ihrer Gläubiger tangieren, so dass die Möglichkeit besteht, dass mit der Novation gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften (§ 302 AktG, § 30 GmbHG) verstoßen wird27. Auch Aufrechnungen mit einer Gegenforderung können nur dann zur Erfüllung führen, wenn die Gegenforderungen uneingeschränkt werthaltig sind28. Dies gilt gleichermaßen für die wechselseitigen Ansprüche, die 25 26 27 28

Vgl. BMF, Schr. v. 15.10.2007, BStBl. I 2007, 765. Vgl. hierzu eingehend Suchanek/Herbst, FR 2005, 665. Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 24.11.2003 – II ZR 171/01, GmbHR 2004, 302. BGH, Urt. v. 10.7.2006 – II ZR 238/04, DB 2006, 1778.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft in ein Kontokorrentkonto eingestellt und miteinander verrechnet werden. Eine Verlustausgleichsverpflichtung mit erst künftigen Gewinnabführungsansprüchen verrechnen zu wollen, stellt m. E. keine sachgerechte Durchführung des Gewinnabführungsvertrags dar. Eine dauerhafte Stundung der Ansprüche – und sei es so lange, bis aufrechenbare Gegenansprüche entstanden und erfüllbar sind – ist letztlich auf die Nichterfüllung des Vertrags gerichtet und deshalb schädlich. Die beschriebenen Formen der Erfüllung wechselseitiger Ansprüche beziehen sich unmittelbar auf die zweiseitige Beziehung zwischen Organträger und Organgesellschaft. Eine andere Dimension nehmen diese Leistungsbeziehungen über konzernweite Cash-Pool-Systeme an, weil hier häufig die zweiseitige Leistungsbeziehung verlassen und auf den Gesamtkonzern mit allen Mitgliedern ausgedehnt wird. Abwicklungen der Erfüllungsverpflichtungen über ein Cash-Pooling bedürfen daher eingehender Untersuchung, wie die zivilrechtlichen Strukturen der Leistungserbringungen im Einzelnen gestaltet sind, so dass diese Möglichkeit der Vertragserfüllung keineswegs per se einen „Freibrief“ darstellen kann. Soweit ein Cash-Pooling die Bündelung aller liquiden Mittel im Konzern darstellt, in die die jeweils verpflichtete Gesellschaft tatsächlich einzahlt und auf das das jeweils berechtigte Unternehmen zugreifen kann, sind solche Leistungserfüllungen zwischen den Vertragspartnern des GAV hinnehmbar, weil dort lediglich bankähnliche Funktionen wahrgenommen und für die einzelnen Gesellschaften des Konzerns eigene Konten geführt werden. Cash-Pools hingegen in der Variante einer zusammenfassenden Darstellung der liquiden Mittel des Konzerns, die nicht mehr individuelle Leistungsansprüche zulassen, sind dagegen keine geeignete Form der Durchführung des GAV29. Der Zeitrahmen, in dem die Erfüllung der Ansprüche erfolgen sollte, ist nicht bestimmt; es existiert – soweit ersichtlich – keine Rechtsprechung zur Frage, was unter „zeitnaher Erfüllung“ bzw. „Erfüllung in angemessener Zeit“ zu verstehen ist. Die Zeitvorstellungen hierzu variieren beträchtlich. Teilweise wird vertreten, dass innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Bilanz die Ausgleichsverpflichtungen zu erfüllen seien30, andere wollen hierfür eine Frist von einem Jahr in Anlehnung an § 355 Abs. 2 HGB einräumen31, andere sehen eine Pflicht zum Ausgleich erst spätestens bei Beendigung des GAV vor32. Die Pflicht zum Ausgleich erst bei Vertragsende kommt einer dauerhaften Stundung gleich und ist deshalb abzulehnen. Eine Erfüllung des Vertrags innerhalb von drei 29 30 31 32

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Suchanek/Herbst, FR 2005, 665, 670. Vgl. frühere Auffassung von Walter in Ernst & Young, § 14 Rz. 653, Rz. 2. Suchanek/Herbst, FR 2005, 665, 666 Fn. 10. Dötsch in D/J/P/W, § 14 Rz. 210; Walter in Ernst & Young, § 14 Rz. 653.

Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Monaten nach Feststellung der Bilanz ist zumutbar, wenn man der Meinung ist, dass eine physische Erfüllung in Geld nicht erforderlich und eine Umwandlung in eine werthaltige Darlehensverbindlichkeit ausreichend ist. Die Jahresfrist aus § 355 Abs. 2 HGB entstammt einem rechtlich fremden Bereich – dem Kontokorrentvertragsverhältnis –, so dass eine entsprechende Anwendung dieser Regelung nicht einleuchtet.

III. Fehlerhafte Beendigung des Gewinnabführungsvertrags Ein weiterer Stolperstein stellt sich bei der Beendigung des Gewinnabführungsvertrags in den Weg, vor allem wenn eine Beendigung des Vertrags innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums gewollt ist. Eine Beendigung ist für die Organschaft in der bislang verstrichenen Periode nur dann unschädlich, wenn der Vertrag allein wegen des Eintritts besonderer Umstände beendet wird oder wenn diese Umstände ein außerordentliches Kündigungsrecht als Gestaltungsrecht einräumen. Dies setzt Klarheit über die Möglichkeit der Vertragsbeendigung und damit über das Schicksal des Vertrages voraus. 1. Vertragsbeendigung ohne Kündigung In folgenden Fällen tritt nach wohl überwiegender Meinung eine „automatische“ Beendigung des Vertrags ohne Kündigung ein: – Hinzutreten eines weiteren Gesellschafters, § 307 AktG; – Verschmelzung von Organgesellschaft und Organträger; – Realteilung der Organträger-Personengesellschaft, wenn diese Personengesellschaft damit untergeht; – Verschmelzung der Organgesellschaft auf einen anderen Rechtsträger: m. E. ist diese Rechtsfolge zweifelhaft, sondern es dürfte zutreffend nur ein wichtiger Grund zur Kündigung einzuräumen sein; – Insolvenz einer der Vertragspartner: m. E. nur wichtiger Kündigungsgrund; – Auflösungsbeschluss: m. E. ebenfalls nur wichtiger Kündigungsgrund. Die Vertragsparteien sind gut beraten, auch in diesen Fällen vorsorglich eine Kündigung auszusprechen. Nehmen die Vertragsparteien nämlich in fehlerhafter Weise an, der Vertrag habe sich durch Beendigung aufgrund besonderer Umstände von selbst erledigt, und haben sie deshalb die Kündigung unterlassen und den Vertrag nicht weiter erfüllt, kann dies empfindliche Folgen für die Vergangenheit haben, wenn zur Beendigung eine außerordentliche Kündigung erforderlich gewesen wäre und damit feststeht, dass ein ungekündigter Vertrag nicht durchgeführt worden ist. 69

Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft 2. Vertragsbeendigung aus wichtigem Grund a) Vereinbarung eines wichtigen Grundes In der Vertragspraxis ist zu beobachten, dass die Vertragsparteien bestimmte Gründe ausdrücklich in den Vertragstext aufnehmen, die nach ihrer Vorstellung als wichtige gelten sollen. M. E. werden Kündigungsgründe nicht allein deshalb wichtig, weil die Vertragsparteien sie als wichtig ansehen. Nur solche Gründe berechtigen zur außerordentlichen Kündigung, die nach objektiven Gesichtspunkten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen.33 b) Vorliegen eines objektiv wichtigen Kündigungsgrundes Zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht führen aus der Sicht der Finanzverwaltung insbesondere folgende Anlässe: – Veräußerung der Organgesellschaft: nach handelsrechtlicher Sicht berechtige die Veräußerung nicht zur außerordentlichen Kündigung; die Finanzverwaltung will hingegen einen wichtigen Grund annehmen.34 – Wird der Organträger gespalten, nimmt die Finanzverwaltung ebenfalls einen wichtigen Grund an; dies ist aus handelsrechtlicher Sicht nicht einsehbar, wenn der übertragende Teil nach dem Spaltungsplan weiterhin Vertragspartei bleiben soll. Die beschriebenen Fallgestaltungen sind – auch wenn sie von den Vertragspartnern zivilrechtlich falsch behandelt werden – in der Regel unproblematisch, solange die Parteien sich bezüglich der steuerlichen Behandlung auf die hierzu verlautbarte Verwaltungsmeinung stützen können. Schwierig wird es allerdings, wenn die Diskrepanz zwischen zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Würdigung offen zutage tritt. Wenn z. B. im Insolvenzfall der Insolvenzverwalter in einem Spaltungsfall auf weitere Erfüllung des Gewinnabführungsvertrags besteht, obgleich die Vertragsparteien davon ausgehen, dass der Vertrag wirksam gekündigt worden ist,35 tritt das merkwürdige Ergebnis ein, dass ein Gewinnabführungsvertrag existiert, von dem die Finanzverwaltung annimmt, er existiere nicht. Dieser Konflikt kann steuerlich jedoch nicht zulasten der Steuerpflichtigen aufgelöst werden. Dies ist für die Beteiligten besonders wichtig in den

33 Str.; a. A. Priester in Herzig (Hrsg.), Organschaft, Stuttgart 2003, 54; Paschos/ Goslar, Der Konzern 2006, 479, 481. 34 R 60 Abs. 6 KStR. 35 Die gemeinsame Vorstellung der Parteien, der Vertrag sei durch Kündigung beendet, lässt sich nicht in einen Aufhebungsvertrag gem. § 297 AktG umdeuten, weil die hierfür erforderlichen formalen Voraussetzungen regelmäßig nicht gegeben sein werden.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Fällen, in denen die Vertragsbeendigung innerhalb der Fünfjahresfrist eintreten soll.

IV. Ausgleichszahlungen (§ 16 KStG) Die Ausgleichszahlungsverpflichtung kann auf zweierlei Weise erfüllt werden. Zum einen kann ein sog. fester Ausgleich gem. § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG vereinbart werden, der sich nach dem durchschnittlichen, auf den außenstehenden Gesellschafter entfallenden Gewinnanteil ermittelt. Ist das herrschende Unternehmen eine AG oder KGaA, ist auch die Vereinbarung eines variablen Ausgleichs (§ 304 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG) möglich. Dieser richtet sich nach dem künftigen Ausschüttungsverhalten des herrschenden Unternehmens. § 304 AktG sieht allerdings nicht eine Ausgleichszahlungsverpflichtung mit dem Inhalt vor, das jeweilige Ergebnis der Organgesellschaft zu berücksichtigen. Ein solcher dem Grunde nach nicht von § 304 AktG gedeckter Verpflichtungsinhalt hat zur Folge, dass der Gewinnabführungsvertrag den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und damit keine Organschaft begründen kann. Ist hingegen die Verpflichtung als solche dem Grunde nach zulässig, in ihrer Ausgestaltung jedoch unangemessen, ist damit der Bestand des Gewinnabführungsvertrags nicht gefährdet, selbst dann nicht, wenn die wirtschaftliche Auswirkung für den außenstehenden Gesellschafter weitaus nachteiliger ist und dem Zweck des § 304 AktG weniger entspricht als eine bereits dem Grunde nach unzulässige Vereinbarung. Der BFH hat selbst eine Kombination von festem Sockelbetrag und variablem, vom Ergebnis der Organgesellschaft abhängendem Zuschlag für unzulässig erachtet, weil hierbei nicht der ganze Gewinn an den Organträger abgeführt werde.36 Dem ist die Finanzverwaltung nicht gefolgt und sieht eine solche Vereinbarung als unschädlich an,37 so dass die hier lauernde Gefahr für die Anerkennung der Organschaft nunmehr gebannt ist. Aufzupassen hat man auch bei der Identifizierung der außenstehenden Gesellschafter; denn jede Leistung der Organgesellschaft an andere Personen, die nicht zu diesem Kreis gehören, führt dazu, dass nicht der ganze Gewinn an den Organträger abgeführt wird38. Ist z. B. an der Organgesellschaft eine weitere Kapitalgesellschaft beteiligt, an der das herrschende Unternehmen und ein Dritter beteiligt sind, ist diese Gesellschaft eine außenstehende Gesellschafterin. Erwirbt das herrschende Unternehmen nunmehr die Beteiligung des Dritten und hält sie ab dann zu 100 %, ist 36 BFH, Urt. v. 4.3.2009 – I R 1/08, FR 2009, 1110. 37 BMF, Schr. v. 20.4.2010, BStBl. I 2010, 372. 38 Zweifelnd Oesterwinter, DStZ 2011, 585, 591.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft diese zweite Gesellschafterin fortan keine außenstehende mehr. Im Rahmen konzerninterner Erwerbsvorgänge oder Konzentrationen können solche Bereinigungen in der Beteiligtenstruktur unbemerkt zur Folge haben, dass andere Gesellschafter der Organgesellschaft ihren Status als außenstehend verlieren mit der Konsequenz der Aberkennung der Organschaft, wenn sie gleichwohl unverändert mit Ausgleichszahlungen bedacht werden.

B. Fehler ohne Auswirkung auf die Anerkennung der Organschaft I. Ausgleichsposten 1. Die Bildung und Nachverfolgung von Ausgleichsposten Das System der Mehr- und Minderabführungen hat seinen Grund in der Abweichung des handelsbilanziell ausgewiesenen Gewinns von dem steuerbilanziellen Ergebnis. Diese Unterschiede sind nach BilMoG in einem Umfang hervorgetreten, der Forderungen nach einer eigenständigen steuerlichen bilanziellen Gewinnermittlung losgelöst vom Handelsrecht laut werden lässt.39 Die beträchtlichen Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz sind in der Praxis schon längst „Alltag“ geworden. Ursachen hierfür sind eine Fülle von abweichenden Ansatz- und Bewertungsvorschriften in den jeweiligen Gewinnermittlungsregeln sowie die Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit. Sinn der Ausgleichsposten in der Steuerbilanz des Organträgers besteht in der Vermeidung einer Doppelbesteuerung bzw. der Keinmalbesteuerung. Ist das zuzurechnende Einkommen höher als der abgeführte handelsbilanzielle Gewinn, so birgt diese Minderabführung das Risiko, dass der Organträger letztlich ein höheres Ergebnis versteuert als er tatsächlich von der Organgesellschaft erhalten hat, wenn sich dieser Unterschied nicht während der weiteren Dauer der Organschaft wieder ausgleicht. Umgekehrt kann am Ende der Organschaft ein Besteuerungsdefizit zutage treten, wenn dem Organträger ein höherer handelsrechtlicher Gewinn, der seine Leistungsfähigkeit steigert, abgeführt worden ist (Mehrabführung), als er zu versteuern hat, und dieser Unterschied bis zum Organschaftsende nicht ausgeglichen wird. Da dieses Mehrergebnis auch die Organgesellschaft nicht versteuert hat, würde auf diese Weise in Bezug auf den Mehrbetrag keine Besteuerung erfolgen.

39 Eingehend Scheffler, Das Maßgeblichkeitsprinzip nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, IFSt Schrift Nr. 474 S. 66 ff.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Eine gesetzliche Regelung für die in der Zeit der Organschaft zu bildenden aktiven Ausgleichsposten für die Fälle der Minderabführung und zu bildenden passiven Ausgleichsposten für die Fälle der Mehrabführung findet sich zwar in § 14 Abs. 4 KStG. Besondere Probleme bereitet jedoch der praktische Umgang mit dieser Regelung und damit mit der Technik der Bildung und Auflösung von Ausgleichsposten. Zunächst muss nämlich ermittelt werden, aus welchem Zeitraum die Bilanzunterschiede letztlich herrühren. Haben sie ihre Ursache in der Zeit vor Begründung der Organschaft, sind Mehrabführungen40 keineswegs beim Organträger erfolgsneutral auszuweisen, sondern führen bei ihm zu steuerlich relevanten Gewinnausschüttungen mit entsprechendem Kapitalertragsteuerabzug bei der ausschüttenden Organgesellschaft. Die Unterschiedlichkeit in der Rechtsfolge zwingt dazu, die Ursächlichkeit der Ergebnisabweichung zu erforschen. Unklar ist ferner, ob außerorganschaftliche Mehr- und Minderabführungen den Regeln der vororganschaftlichen oder der innerorganschaftlichen Mehr- und Minderabführungen zu unterwerfen sind. Mehr- und Minderabführungen in der Organschaftszeit werden nicht für das jeweilige Wirtschaftsjahr saldiert betrachtet, sondern die Ursache der Abführung ist für das einzelne Wirtschaftsgut, bei dem sich eine unterschiedliche Behandlung in Handels- und Steuerbilanz herausgestellt hat, geschäftsvorfallbezogen zu identifizieren. Die sich hiernach ergebende Mehr- oder Minderabführung ist zu ermitteln und schließlich auf der Ebene des Organträgers in der Gestalt eines Ausgleichspostens zu erfassen und zu verfolgen. Der bei dem Organträger ausgewiesene Ausgleichsposten ist also nicht eine saldierte Größe, sondern die Aufaddierung einer Fülle, im Konzern mitunter Hunderter oder Tausender von „Mini“-Ausgleichsposten, wobei jeder für sich gerechnet sowie dessen „Umkehrung“ wegen seiner in der Regel durchaus häufig vorkommenden gegenläufigen Wirkung verfolgt und festgehalten werden muss. Dabei spielt es keine

40 Minderabführungen sind hingegen im Wesentlichen unproblematisch, weil sie stets – gleichgültig, ob sie ihre Ursache in der Zeit vor der Organschaft oder innerhalb der Organschaft haben – als Einlage durch den Organträger behandelt werden (§ 14 Abs. 3 Satz 1, § 27 Abs. 6 KStG). Zwar ist die bilanzielle Darstellung bei dem Organträger unterschiedlich. Im Falle der vororganschaftlich verursachten Minderabführung erhöht der Einlagebetrag den Ansatz der Beteiligung an der Organgesellschaft. Im Falle der organschaftlichen Verursachung wird ein aktiver Ausgleichsposten gebildet, der sich überwiegend wie eine Erhöhung des Beteiligungsansatzes auswirkt. Unterschiede ergeben sich in Randbereichen wie z. B. der Frage nach der Teilwertberichtigung, weil der aktive Ausgleichsposten nach überwiegender Meinung keinen Wirtschaftsgutscharakter besitzt und deshalb einer Teilwertabschreibung nicht zugänglich ist.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft Rolle, ob letztlich die Summe der aktiven Ausgleichsposten und die Summe der passiven Ausgleichsposten in etwa gleich hoch sind und sich deshalb in der steuerlichen Wirkung im Ergebnis (nahezu) aufheben. Diese gesamte Rechenoperation, die für das Unternehmen wie auch für die Finanzverwaltung ausgesprochen arbeitsintensiv und zeitraubend ist, konzentriert sich – jedenfalls wenn der Organträger eine Kapitalgesellschaft ist – wegen § 8 b Abs. 3 Satz 3 KStG nur auf die 5 %-ige Auswirkung bei einem eventuellen Veräußerungsgewinn aufgrund der Auflösung der Ausgleichsposten. Freilich sind die steuerlichen Wirkungen bedeutsamer, wenn der Organträger ein Personenunternehmen ist und dort das Teileinkünfteverfahren greift. Nicht geklärt ist bei dieser Prozedur der Verlustfall, wenn also der Verlustausweis der Organgesellschaft in ihrer Handelsbilanz anders als der in der Steuerbilanz ausfällt. Nach dem Gesetzeswortlaut folgt aus einem höheren handelsrechtlichen Verlust eine Minderabführung, aus einem höheren steuerlichen Verlust eine Mehrabführung. Wenn z. B. das Handelsbilanzergebnis./. 100 und das steuerliche Ergebnis./. 400 beträgt, so folgen hieraus eine Mehrabführung von 300 und die Bildung eines passiven Ausgleichspostens in Höhe von 300 bei dem Organträger. Versteht man die Bildung eines passiven Ausgleichsposten als Korrekturposten, um einen (zunächst) unversteuert gebliebenen Vermögenstransfer von der Organgesellschaft zum Organträger später einmal steuerlich zu erfassen, fällt es schwer, diesen Vermögenstransfer in diesem Fall zu entdecken.41 Andere Stimmen berufen sich trotz dieses Mankos auf den durchaus vertretbaren Standpunkt, ungeachtet des materiellen Verständnisses wolle das Gesetz ausschließlich typisierend Mehr- oder Minderwerte ermitteln.42 Die Typisierung als Zweck verbiete dann die Überprüfung des gefundenen Ergebnisses an dem Maßstab der materiellen Richtigkeit. 2. Vorschläge zur Vermeidung der Ausgleichsposten oder zur administrativen Erleichterung Im Rahmen der gegenwärtigen Diskussion um das Schicksal der Organschaft werden mehrere Modelle vorgeschlagen, die sich von dem Erfordernis des Gewinnabführungsvertrags lösen und schon deshalb das Problem der Mehr- und Minderabführung vermeiden43. Sollte man jedoch am bis-

41 Thiel, FS für Arndt Raupach, 2006, S. 543, 557; Neumann, Ubg 2010, 673, 676. 42 Breier, Der Konzern 2011, 11, 18. 43 Gruppenbesteuerungsmodell der IFSt-Arbeitsgruppe, IFSt Schrift-Nr. 471; bayerisches Modell einer Gruppenbesteuerung, DB 2011, 43; hessisches Gruppenbeitragsmodell, DB 2011, 45.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft herigen Organschaftsmodell festhalten, kommen folgende Möglichkeiten zur Vermeidung von Ausgleichsposten oder zur Entschärfung des Problems in Betracht: a) Vermeidungsmodell im bisherigen Organschaftssystem Das Modell besteht aus einer Kombination von Gewinnabführungsvertrag und sog. Gruppenbeiträgen44. Basis für eine Abführung des Ergebnisses der Organgesellschaft bleibt unverändert ein Gewinnabführungsvertrag. Die Einkommenszurechnung erfolgt jedoch nur in dem Umfang, in dem eine Gewinnabführung aufgrund des Gewinnabführungsvertrags stattfindet. Hiervon abweichende Beträge werden nach den üblichen Regeln behandelt. Das bedeutet im Einzelnen: Mehrabführung: Ist der Abführungsbetrag höher als das zuzurechnende steuerliche Einkommen, erfolgt die steuerliche Zurechnung des Einkommens beim Organträger nach den bekannten Regeln. Das über das zugerechnete steuerliche Einkommen hinaus abgeführte Handelsbilanzergebnis stellt in Höhe des überschießenden Betrags eine Gewinnausschüttung dar und unterliegt bei dem empfangenden Organträger (ggf. mit Durchgang durch die vermittelnde Zwischengesellschaft bei mittelbarer Organschaft) der Dividendenbesteuerung. Minderabführung: Das steuerliche Ergebnis der Periode kann maximal nur in Höhe der tatsächlich erfolgten Abführung dem Organträger zugerechnet werden. Der überschießende Betrag des Einkommens ist bei der Organgesellschaft nach normalen Regeln zu versteuern. Erfolgt in der folgenden Periode eine Mehrabführung, die ihre Ursache in der vorangegangenen Minderabführung hat, gilt gleichwohl das hierzu Gesagte. Der Verlustausgleich durch den Organträger muss tatsächlich erfolgen. Ist der handelsbilanziell ausgewiesene Verlust größer als der Steuerbilanzverlust, stellt der Verlustausgleich durch den Organträger in Höhe des steuerbilanziell ausgewiesenen Verlustes bei ihm Aufwand und in diesem Umfang bei der Organgesellschaft Ertrag dar. Der darüber hinausgehende Verlustausgleich wird als Einlage behandelt. Ist der Handelsbilanzverlust kleiner als der Verlust in der Steuerbilanz, ist der Verlustausgleich durch den Organträger nur in Höhe des Handelsbilanzverlustes möglich. Der verbleibende steuerliche Verlust der Organgesellschaft ist bei ihr festzustellen und mit künftigem selbst zu versteuernden Einkommen (s. o.) zu verrechnen.

44 Hessisches Modell, vgl. Fn. 40.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft b) Ausgleichsposten als Korrekturposten zum Beteiligungsansatz (Einlagelösung) Geht man bei den aktiven und passiven Ausgleichsposten davon aus, dass sie Ausdruck einer typisierten Steigerung oder Minderung des Wertansatzes der Beteiligung sind, könnte nur auf den Wertunterschied zwischen Handels- und Steuerbilanz abgestellt werden. Der Ursache dieses Wertunterschieds muss nicht im Einzelnen nachgegangen werden. Ergibt sich allein aus der Differenz zwischen den beiden Bilanzen eine Minderabführung, wird der Unterschiedsbetrag als Einlage in die Organgesellschaft aufgefasst und dem Beteiligungsansatz bei dem Organträger hinzuaktiviert. Ergibt sich eine Mehrabführung, soll diese eine Einlagenrückgewähr sein, die durch eine Absetzung vom Beteiligungswert abgebildet wird. Fraglich ist, ob für den Fall, dass dabei der Beteiligungsansatz unterschritten wird, eine laufende Besteuerung zu erfolgen hat. Man könnte den durch die Mehrabführung bedingte Unterschreitung des Beteiligungsansatzes zunächst festhalten und künftige Minderabführungen dagegen rechnen. Erst mit Veräußerung der Organgesellschaft sind die für die Unterschreitung des Beteiligungsansatzes vorgesehenen Rechtsfolgen zu ziehen. Diese vorgestellte Methode würde gegenüber dem in den Details als „gerechter“ erachteten Ausgleichspostensystem die Folgerungen aus den bilanziellen Unterschieden holzschnitzartig darstellen. Wenn der Gesetzeszweck dies als Absicht mit Blick auf die Besonderheiten der Organschaft, dass die meisten zu Ausgleichsposten führenden Geschäftsvorfälle sich im Leben der Organschaft wieder gegenläufig aufheben, deutlich herausstellt und die Typisierung im Wertansatz als Maßstab vorgibt, dann ist es durchaus gerechtfertigt, ein solches vergröberndes Konzept an die Stelle des bisherigen zu setzen. Dies ist mit dem Gewinn der erheblichen Vereinfachung im Alltagsgeschäft der Organschaft zu rechtfertigen und mit Blick auf die nunmehr begrenzten steuerlichen Auswirkungen gem. § 8 b KStG bzw. unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens auch zu akzeptieren.

II. Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten45 Die Organgesellschaft ist eigenes Steuersubjekt und Adressat von Körperschaftsteuerbescheiden, gleichgültig, ob wegen der Gewinnabführung ein zu versteuerndes Einkommen von Null zugrunde gelegt wird oder ob die Organgesellschaft die geleistete Ausgleichsverpflichtung gem. § 16 KStG selbst zu versteuern hat. Eine verfahrensrechtliche Ver45 Vgl. hierzu eingehend Hendricks, Ubg 2011, 711.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft knüpfung zwischen dem steuerlichen Ergebnis vor Zurechnung und der Veranlagung des Organträgers besteht nicht. Technisch behilft man sich mit Kontrollmöglichkeiten wie der Anlage MO oder mit Zuständigkeitsvereinbarungen zwischen den jeweils zuständigen Finanzämtern46, um die verschiedenen steuerlichen Ergebnisse zusammenlaufen zu lassen. Anders ausgedrückt: Die Besteuerungsgrundlagen, die dem Körperschaftsteuerbescheid für die Organgesellschaft zugrunde liegen, haben keine Grundlagenfunktion für die Besteuerung des Organträgers. Sie sind bei dem Organträger unselbständige Besteuerungsgrundlagen gem. § 157 Abs. 2 AO, sind dort zugrunde zu legen, obgleich sie sachgerecht nur bei der Organgesellschaft beurteilt werden können. Ändern sich die Besteuerungsgrundlagen bei der Organgesellschaft, die zur Änderung oder Berichtigung des Körperschaftsteuerbescheids führen, können steuerliche Folgerungen für die Besteuerung des Organträgers nur nach den allgemeinen Regeln, also bei Eingreifen einer einschlägigen Berichtigungsnorm innerhalb der Festsetzungsfristen gezogen werden. Eine Lösung des Problems ließe sich mit der Einführung eines Feststellungsverfahrens erreichen, mit dem das zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft für Zwecke der Besteuerung bei dem Organträger bzw. für Zwecke der Erfassung in der einheitlichen und gesonderten Feststellung bei einer Personenorganträgergesellschaft gesondert festgestellt wird. Der auf Ebene der Organgesellschaft ergehende Feststellungsbescheid hätte Grundlagenfunktion i. S. des § 171 Abs. 10 AO.

C. Ausblick Die sich derzeit in der Diskussion befindlichen Modelle, die das bisherige Organschaftssystem ersetzen wollen, bergen die Ungewissheit, dass dadurch bisher bekannte Probleme durch neue unbekannte Probleme ausgetauscht werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber in absehbarer Zeit den mutigen Schritt der Ablösung der Organschaft gehen wird; denn die mit einem Systemwechsel einhergehenden finanziellen Einbußen der öffentlichen Hand sind je nach Vorschlag nicht unbeträchtlich. Erkennbar geht auch von der europäischen Ebene augenblicklich kein Druck in Richtung eines Systemwechsels aus. Kurzum: Es sollte ins Kalkül gezogen werden, dass die Organschaft auch die jüngste Diskussion über ihre Existenzberechtigung im Rahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung47 über46 Vgl. FM NRW, Erl. v. 7.5.1990 – S 0402 – 3 – V C 5. 47 Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit, Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung, S. 17 ff.

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Neumann, Bestandsaufnahme der Fallen bei der Organschaft lebt. Dann sollte es gleichwohl nicht alles „beim Alten“ bleiben. Es gibt innerhalb des bekannten Systems Modernisierungsbedarf, der nicht viel kosten wird, aber den Beteiligten im Alltagsgeschäft beträchtliche Erleichterungen und erhebliche Einsparungen bei den Befolgungskosten bescheren kann.

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§ 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Professor Dr. Michael Schaden Rechtsanwalt, Steuerberater, LL.M., Stuttgart Lars Zipfel Steuerberater, Dipl.-Kaufmann, Stuttgart Inhaltsübersicht

I. Einleitung 1. Grundprinzip des § 8b KStG 2. Entwicklung des § 8b Abs. 7 KStG 3. Vorteil des § 8b Abs. 7 KStG 4. Nachteil des § 8b Abs. 7 KStG II. Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG 1. Gesetzestext des § 8b Abs. 7 KStG 2. Erste Fallgruppe: Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute 3. Zweite Fallgruppe: Finanzunternehmen 4. Dritte Fallgruppe: EU-/EWR-Unternehmen III. Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG für Holdingunternehmen als Finanzunternehmen? 1. Persönliche Voraussetzung: Finanzunternehmen 2. Sachliche Voraussetzungen a) Anteile b) Erwerb der Anteile mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs IV. Einzelfälle zu § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG 1. Erwerb einer ausländischen Tochtergesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen

2. Kapitalerhöhung 3. Organgesellschaft als Finanzunternehmen 4. Organträger als Finanzunternehmen 5. Sacheinlage a) Verkauf des eingebrachten Anteils durch die FUGmbH b) Verkauf des erhaltenen Anteils 6. Barkapitalerhöhung 7. Einschaltung von Personengesellschaften a) Zwischengeschaltete Personengesellschaft als Finanzunternehmen und Mitunternehmer H-GmbH hält Anteile b) Zwischengeschaltete Personengesellschaft als Finanzunternehmen hält Anteile an D-AG c) Zwischengeschaltete Personengesellschaft mit Anteilen an D-AG und mit FU als Mitunternehmer d) Zwischengeschaltete Personengesellschaft mit FU als Mitunternehmer, die Anteile an A-GmbH halten

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance?

I. Einleitung Eine Vorschrift im Körperschaftsteuerrecht, die sowohl ein erhebliches Risiko in sich birgt als auch als Chance für Gestaltungen anzusehen ist, stellt § 8b Abs. 7 KStG dar. Auf den ersten Blick nur für den Bankensektor relevant, kann diese Vorschrift bei genauerem Hinsehen auch für normale Industrieunternehmen von erheblicher Bedeutung sein. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Chancen und Risiken, die von § 8b Abs. 7 KStG ausgehen, sowie mit den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Vorschrift. 1. Grundprinzip des § 8b KStG Seit der Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens im Jahr 2000 sieht das körperschaftsteuerliche Schachtelprivileg in § 8b KStG vor, dass von Kapitalgesellschaften erzielte Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften grundsätzlich zu 100 % steuerfrei sind (§ 8b Abs. 1 und Abs. 2 KStG). Technisch werden diese Erträge bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außerbilanziell vom Gewinn gekürzt. Auf diese Weise soll eine Kumulation der Belastungen mit Körperschaftsteuer (Kaskadeneffekt) innerhalb eines Kapitalgesellschaftskonzerns vermieden werden. Allerdings sieht § 8b Abs. 5 bzw. Abs. 3 S. 1 KStG vor, dass 5 % der erhaltenen Dividenden bzw. 5 % des Veräußerungsgewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln sind. Im Ergebnis sind damit lediglich 95 % der Dividenden und der Veräußerungsgewinne effektiv steuerbefreit, so dass der Kaskadeneffekt nicht vollständig beseitigt wird. Diese pauschale Besteuerung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben in Höhe von 5 % des Veräußerungsgewinns oder der Dividenden führt im Gegenzug dazu, dass grundsätzlich Betriebsausgaben, die mit den steuerfreien Einkünften in unmittelbaren Zusammenhang stehen, zu 100 % steuerlich abgezogen werden können. Denn § 8b Abs. 3 Satz 2 (für Veräußerungsgewinne) bzw. § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG (für Dividenden) schließen die Anwendung des § 3c Abs. 1 KStG aus. Eine Ausnahme besteht für Veräußerungskosten. Diese mindern nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG den Veräußerungsgewinn und sind damit im Ergebnis nur zu 5 % abzugsfähig. Nachteil der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG ist allerdings, dass Veräußerungsverluste aus Anteilen an Kapitalgesellschaften und Teilwertabschreibungen auf solche Beteiligungen gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Dieser Nachteil des § 8b KStG soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Beispiel 1: Die D-AG erwirbt am 1.1.2011 100.000 Aktien an der A-AG zu je 100 Euro (Anschaffungskosten 10 Mio. Euro). Ebenfalls am 1.1.2011 schließt die D-AG zwecks Absicherung gegen Wertverluste einen Terminverkauf (Barausgleich) zu einem Terminverkaufspreis von 100 Euro pro Aktie zum 30.6.2011 ab. Am 30.6. verkauft die D-AG sämtliche A-Aktien zu 80 Euro an Investor B, wodurch sich ein Aktienveräußerungsverlust von 2 Mio. Euro ergibt. Gleichzeitig erzielt die D-AG einen Gewinn aus dem Terminverkauf in Höhe von 2 Mio. Euro. Wirtschaftlich erzielt die D-AG damit keinen Gewinn, da der Verlust aus dem Aktienverkauf durch den Gewinn aus dem Terminverkauf exakt ausgeglichen wird. Aus steuerlicher Sicht erzielt die D-AG jedoch einen Gewinn in Höhe von 2 Mio. Euro. Denn der Aktienveräußerungsverlust ist nach § 8b Abs. 3 KStG steuerlich nicht zu berücksichtigen, während der im Rahmen des Termingeschäfts realisierte Gewinn in Höhe von 2 Mio. Euro voll zu versteuern ist. Denn der Gewinn aus dem Termingeschäft fällt nicht unter die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG. Es handelt sich hier nicht um eine begünstigte Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen.

Kauf am 1.1.2011: 100.000 A-Aktien zu 100 Euro AK = 10 Mio. Euro (100.000 x 100)

Verkauf am 30.6.2011: 100.000 Aktien zu 80 Euro VP (100.000 × 80) ./. AK (100.000 × 100)

wirtschaftlich 8 Mio. Euro 10 Mio. Euro

steuerlich

= Veräußerungsverlust – 2 Mio. Euro

0 Euro (§8b Abs. 3 KStG)

Abschluss Termingeschäft zum 30.6.2011: 100.000 A-Aktien zu 100 Euro

Termingeschäft am 30.6.2011: 100.000 Aktien zu 100 Euro VP (100.000 × 100) ./. AK (100.000 × 80) = Veräußerungsgewinn Gesamtgewinn

1.1.2011

Kursverlust: 20 Euro

Kurs A-Aktie: 100 Euro

10 Mio. Euro 8 Mio. Euro 2 Mio. Euro

2 Mio. Euro

0 Mio. Euro

2 Mio. Euro

wirtschaftlich

steuerlich

30.6.2011

Kurs A-Aktie: 80 Euro

2. Entwicklung des § 8b Abs. 7 KStG § 8b KStG wurde durch das Steuersenkungsgesetz im Jahr 2000 im Rahmen des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren (heute Teileinkünfteverfahren) neugefasst. Ziel laut Gesetzgeber war eine Vermeidung der Doppelbesteuerung, wenn eine Kapitalgesellschaft Gewinne an eine andere Kapitalgesellschaft ausschüttet.1 Einen weiteren 1 BT-Drs. 14/4626.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Absatz 7 erhielt die Vorschrift im Jahr 2000 durch das „Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999“. Dies geschah mit der Absicht, negative Folgen der – durch das StSenkG eingeführten – steuerlichen Behandlung von Aktien und Derivaten insbesondere bei Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen zu verhindern.2 3. Vorteil des § 8b Abs. 7 KStG Liegen die Voraussetzung des § 8b Abs. 7 KStG vor, sind sowohl Dividenden als auch Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften zu 100 % steuerpflichtig. Im Gegenzug zur Steuerpflicht können Veräußerungsverluste aus Teilwertabschreibungen im Zusammenhang mit solchen Anteilen steuermindernd geltend gemacht werden. Denn nach § 8b Abs. 7 KStG gilt § 8b Abs. 3 KStG nicht. Folglich sind auch Teilwertabschreibungen auf bestimmte Gesellschafterdarlehen an entsprechende Kapitalgesellschaften steuerlich abzugsfähig. Aus der Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG können sich potenzielle steuerliche Vorteile für Unternehmen ergeben, die Aktienveräußerungsverluste nicht ausschließen können. Fortführung des Beispiels 1: Kommt in Beispiel 1 der § 8b Abs. 7 KStG zur Anwendung, entspricht der steuerliche auch dem wirtschaftlichen Gewinn. In diesem Fall steht dem steuerpflichtigen Gewinn aus dem Termingeschäft ein gleich hoher Verlust aus der Veräußerung der Aktien gegenüber. Dieser Verlust ist steuerlich in voller Höhe zu berücksichtigen, da § 8b Abs. 3 KStG nach § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG nicht zur Anwendung kommt.

4. Nachteil des § 8b Abs. 7 KStG Liegen die Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG vor, steigt die Steuerbelastung auf Veräußerungsgewinne und Dividenden erheblich an, wie die folgende Tabelle zeigt: kein § 8b Abs. 7 KStG

§ 8b Abs. 7 KStG

Steuererhöhung um

GewSt, KSt, SolZ

GewSt, KSt, SolZ

Absolut

Relativ

Veräußerungsgewinne

1,49

29,83

28,34

1.902%

Dividende (gewerbesteuerliche Schachtelbeteiligung = Schachteldividende

1,49

15,83

14,34

962%

14,79

29,83

15,04

102%

Dividende keine gewerbesteuerliche Schachtelbeteiligung = Streubesitzdividende 2 BT-Drs. 14/4626, 3.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Das Ergebnis veranschaulicht, dass die Steuermehrbelastung infolge von § 8b Abs. 7 KStG sowohl absolut als auch relativ bei den Veräußerungsgewinnen aus Kapitalgesellschaftsanteilen am höchsten ist. Sie erhöht sich von effektiv 1,49 % auf 29,83 % und somit um 1.902 %. Bei Dividenden ist für die Höhe der Steuerbelastung noch zu unterscheiden, ob diese als Streubesitzdividende der Gewerbesteuer unterliegen oder nicht. Bei Dividenden, die unter das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg fallen, fällt bei Anwendung von § 8b Abs. 7 KStG lediglich Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag an, da die Dividenden der gewerbesteuerlichen Kürzung unterliegen und im Ergebnis zu 100 % gewerbesteuerfrei sind3. Somit ergibt sich eine absolute Steuererhöhung um 14,34 Prozentpunkte auf 15,83 %. Bei gewerbesteuerlichen Streubesitzdividenden erhöht sich die Steuerlast absolut um 15,04 %. Dies ergibt sich dadurch, dass bei Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG 100 % und nicht lediglich 5 % der Dividenden der Körperschaftsteuer und dem Solidaritätszuschlag unterliegen. Bei der effektiven Gewerbesteuerbelastung ergibt sich jedoch bei Streubesitzdividenden keine Differenz, da sowohl bei Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG als auch bei Nichtanwendung des § 8b Abs. 7 KStG 100 % der Streubesitzdividenden der Gewerbesteuer unterliegen.

II. Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG 1. Gesetzestext des § 8b Abs. 7 KStG Der lediglich drei Sätze umfassende Absatz 7 des § 8b KStG ist überschaubar und lautet wie folgt: 1Die

Absätze 1 bis 6 sind nicht auf Anteile anzuwenden, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1a KWG dem Handelsbuch zuzurechnen sind. 2Gleiches gilt für Anteile, die von Finanzunternehmen im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden. 3Satz 2 gilt auch für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäi-

3 Bei Dividenden, die zu 100 % gewerbesteuerfrei sind, mindern damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Aufwendungen die Bemessungsgrundlage nicht (§ 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG).

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? schen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens. Für die Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG sind demzufolge drei Fallgruppen zu unterscheiden. 2. Erste Fallgruppe: Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute Ursprünglicher Adressatenkreis des § 8b Abs. 7 KStG war der Bankensektor. Die erste Fallgruppe betrifft somit auch Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute: Gemäß § 8b Abs. 7 Satz 1 KStG ist die Sondervorschrift für Anteile anzuwenden, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1a KWG dem Handelsbuch zuzurechnen sind. Nach § 1 Abs. 1 KWG werden Kreditinstitute als Unternehmen definiert, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bei Finanzdienstleistungsinstituten handelt es sich gemäß § 1 Abs. 1a KWG um Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und die keine Kreditinstitute sind. Zur Anwendung der Rechtsfolgen des § 8b Abs. 7 KStG ist weiterhin erforderlich, dass es sich um Anteile handelt, die dem Handelsbuch des Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituts zuzurechnen sind. Bei einem Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut können die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 7 KStG danach durch eine Zuordnungsentscheidung der Anteile zum Handelsbuch erreicht werden. Zu beachten ist, dass nach § 1a Abs. 4 KWG die Einbeziehung von Anteilen in das Handelsbuch nach institutsintern festgelegten, nachprüfbaren Kriterien zu erfolgen hat, die der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank mitzuteilen sind. 3. Zweite Fallgruppe: Finanzunternehmen Die zweite Fallgruppe umfasst Finanzunternehmen i. S. d. KWG: Nach Satz 2 der Vorschrift gelten die Abs. 1 bis 6 des § 8b KStG nicht für Anteile, die von Finanzunternehmen im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden. Dieser Beitrag beschäftigt sich im Folgenden vor allem mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen § 8b Abs. 7 KStG auch für Holdingunternehmen anzuwenden ist. Um dies zu klären, müssen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG detailliert überprüft werden. Dies soll unter Punkt III näher analysiert werden. 84

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? 4. Dritte Fallgruppe: EU-/EWR-Unternehmen Des Weiteren ist die Vorschrift gemäß § 8b Abs. 7 Satz 3 KStG auch für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens anzuwenden.

III. Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG für Holdingunternehmen als Finanzunternehmen? 1. Persönliche Voraussetzung: Finanzunternehmen Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, in welchen Fällen ein Finanzunternehmen im Sinne des KWG vorliegt. Nach § 1 Abs. 3 KWG sind dies solche Unternehmen, die keine Kreditinstitute bzw. Finanzdienstleistungsinstitute sind und deren Haupttätigkeit u. a. im Erwerb von Beteiligungen besteht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF, Schr. v. 25.7.20024) ist der Begriff des Finanzunternehmens weit auszulegen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes umfasst der Begriff „Finanzunternehmen“ als erste Voraussetzung alle Unternehmen des Finanzsektors als Restgröße, d. h. alle, die nicht Institute nach § 1 Abs. 1b KWG sind. Beispielhaft führt die Finanzverwaltung aus, dass Holding-, Factoring-, Leasing-, Anlageberatungs- und bestimmte Unternehmensberatungsunternehmen, sowie grundsätzlich auch vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften als Finanzunternehmen klassifiziert werden können. Dieser Auffassung hat sich der BFH mit Urteil vom 14.1.20095 angeschlossen, indem er Holding- und Beteiligungsgesellschaften grundsätzlich als Finanzunternehmen ansieht. Denn § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KWG a. F. erfordere nicht, dass ein Finanzunternehmen seinen Beteiligungsbesitz fortwährend am Markt „umschlägt“ oder dass es sich bei jenem Beteiligungsbesitz um seiner Art nach „typischerweise“ handelbaren Aktienbesitz handelt. Beteiligung in diesem Sinne ist jede beabsichtigte Überlassung von Vermögenswerten; auf die Dauerhaftigkeit komme es nicht an. Ob ein Unternehmen unter die Definition des Finanzunternehmens fällt, bestimmt sich gemäß BMF-Schreiben vom 25.7.20026 außerdem noch danach, ob das Erwerben und Halten von Beteiligungen die Haupttätig4 BMF, Schr. v. 25.7.2002 – IV A 2 – S 2750 a – 6/02, BStBl. I, 712. 5 Vgl. BFH, Urt. v. 14.1.2009 – I R 36/08, BStBl. II 2009, 671; s. a. BFH, Beschl. v. 15.6.2009 – I B 46/09, BFH/NV 2009, 1229. 6 A. a. O.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? keit des Unternehmens ausmacht. Für die Abgrenzung dieser Frage greift die Finanzverwaltung auf ihre im Zusammenhang mit der Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG a. F. aufgestellten Grundsätze zurück (Tz. 81 und 82 des BMF-Schreibens vom 15.12.19947). Demnach setzt der Begriff der Haupttätigkeit voraus, „dass das Halten von Beteiligungen und die Finanzierung der Beteiligungsgesellschaften den Schwerpunkt der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft bildet. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn ihre Bruttoerträge […] im Durchschnitt der drei vorausgegangenen Jahre zu mindestens 75 v. H. aus begünstigten Tätigkeiten, nämlich dem Halten der Beteiligungen an und der Finanzierung von Kapitalgesellschaften stammen.“ Die Literatur stimmt der Finanzverwaltung nicht zu. So vertritt beispielsweise Gosch8 die Ansicht, dass der Wortlaut des KWG lediglich das Erwerben und Halten von Beteiligungen nennt. Laut Gosch ist anhand der Gesamtumstände zu ermitteln, ob die Haupttätigkeit eines Unternehmens im Halten und Erwerben von Beteiligungen besteht. Kriterien für die Bestimmung der Haupttätigkeit könnten zum Beispiel der Anteil am Gesamtumsatz oder die Bilanzsumme sein. In der Regel sei darauf abzustellen, ob die Tätigkeit „Beteiligungen zu erwerben und zu halten“ mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens und somit den Schwerpunkt des Ganzen ausmacht. Demnach kann nach Auffassung von Gosch ein einziges Geschäft für ein Unternehmen ausreichend sein, um sich als Finanzunternehmen zu qualifizieren. Legt man diesen Maßstab zu Grunde, sind die Anwendungsvoraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG eher erfüllt als nach Auffassung der Finanzverwaltung. Als Zwischenfazit ist bereits festzuhalten, dass Holding- und Beteiligungsunternehmen sowohl nach Auffassung der Finanzverwaltung als auch des BFH relativ schnell in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 7 KStG fallen können. Insoweit ist Vorsicht geboten! 2. Sachliche Voraussetzungen a) Anteile Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG ist das Vorliegen von Anteilen. Hier war lange umstritten, ob es sich um Anteile im Sinne des KWG handeln muss. Laut BFH-Urteil vom 14.1.20099 erfasst § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG jeglichen Anteil an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG. Demnach werden auch GmbH-Anteile und Eigenkapital-Genussrechte erfasst. Es sei für diese 7 BMF, Schr. v. 15.12.1994 – IV B 7-S 2742a-63/94, BStBl. 1995 I, 25. 8 Gosch, KStG, Kommentar, 2. Aufl., § 8b KStG Abs. 7 Rn. 565. 9 BFH, Urt. v. 14.1.2009 – I R 36/08.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Frage nicht der Anteilsbegriff des KWG zu verwenden und somit nicht auf die Grundsätze des KWG zurückzugreifen, da dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ableitbar sei. Die Handelbarkeit der Anteile ist als Tatbestandsvoraussetzung somit nicht erforderlich. Im Ergebnis besitzt § 8b Abs. 7 KStG damit möglicherweise einen über seinen Sinn und Zweck hinausgehenden Anwendungsbereich. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lässt jedoch keinen anderweitigen Interpretationsspielraum zu. Beispiel 2: Das Finanzunternehmen FU-AG erwirbt sämtliche Anteile an der Y-GmbH für 5 Mio. Euro mit dem Ziel, diese innerhalb von sechs Monaten mit Gewinn zu verkaufen. Dies gelingt ihr auch und die Anteile werden für 7 Mio. Euro veräußert. Der steuerliche Berater ist der Auffassung, dass der Gewinn gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerlich außer Ansatz bleibt. § 8 b Abs. 7 KStG komme nicht zur Anwendung, da GmbH-Anteile nicht handelbar im Sinne des KWG sind und es sich nicht um Anteile im Sinne der Norm handelt.

Es stellt sich die Frage, ob diese Auffassung richtig ist. Lösung: Da nach Auffassung des BFH ein Abstellen auf die Handelbarkeit der Anteile keine Tatbestandsvoraussetzung des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG ist, kann der Auffassung des steuerlichen Beraters nicht zugestimmt werden. Auch hinsichtlich der geringen Anforderungen, die der BFH an Anteile i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG stellt, bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass sich Holdinggesellschaften schnell im Anwendungsbereich des § 8b Abs. 7 KStG befinden können. Damit kommt den weiteren Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG eine erhebliche Bedeutung zu. b) Erwerb der Anteile mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs Die Finanzverwaltung vertritt in ihrem BMF-Schreiben vom 25.7.200210 die Auffassung, dass das Merkmal „Erwerb der Anteile mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs“ immer dann gegeben ist, wenn die entsprechenden Anteile dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Doch diese Vereinfachung wird u. E. den Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG nicht in jedem Fall gerecht. Ob die Voraussetzung des „Erwerbs der Anteile mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs“ vorliegt, ist vielmehr nach den gesamten Tatbestandsvoraussetzungen der Norm zu beurteilen. Im Folgenden sollen 10 BMF, Schr. v. 25.7.2002 – IV A 2 – S 2750 a – 6/02, BStBl. I, 712.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG vor diesem Hintergrund untersucht werden. Vorliegen des Erwerbs i. S. d. § 8b Abs. 7 KStG: Zunächst stellt sich die Frage, was unter dem Begriff „Erwerb“ zu verstehen ist. Liegt ein solcher Erwerb auch bei Neugründung einer Gesellschaft vor und wie verhält es sich mit Anteilen aus Einbringungen oder aus einem Anteilstausch und was ist mit Anteilen, die im Zuge einer Verschmelzung oder einer Spaltung entstehen? Nach Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 3.5.200611 liegt kein Erwerb von Anteilen i. S. d. § 8 b Abs. 7 Satz 2 KStG mit dem Ziel des kurzfristigen Eigenhandelserfolges vor – bei einem Unternehmen, das – von ihm gehaltene Anteile an Vorratsgesellschaften veräußert, – die das Unternehmen zuvor selbst gegründet hat. Auch die Zeichnung von Anteilen im Rahmen der Gründung einer Gesellschaft beim Gesellschafter stellt keinen Erwerb i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG dar. Beispiel: 1. Finanzunternehmen FU-GmbH gründete die Vorratsgesellschaft Y-GmbH am 9.6.2006 für 25 TEuro. 2. Am 15.6. veräußerte die FU-GmbH die Anteile an der Y-GmbH für 30 TEuro.

FU-GmbH

Y-GmbH

Fragestellung: Kommt § 8 b Abs. 7 KStG zur Anwendung? Lösung: Da die FU-GmbH die Y-GmbH selbst gegründet hat, liegt kein Erwerb i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG vor, so dass die Veräußerung steuerfrei erfolgen kann. 11 BFH, Urt. v. 3.5.2006 – I R 100/05, BStBl. II, 2007 60.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Diese Auffassung bestätigte der BFH in seinem Beschluss vom 12.10.201012. In diesem Beschluss sahen die Richter einen Erwerb i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG jedoch als gegeben an, wenn der Anteil an einer Vorratsgesellschaft von einem Dritten erworben wurde. Beispiel: Sachverhalt: 1. Die FU-GmbH kaufte die Vorratsgesellschaft Y-GmbH am 9.6.2006 für 25 TEuro. 2. Am 15.6. schloss die Y-GmbH einen vorteilhaften Vertrag über den Kauf einer Immobilie ab. 3. Am 30.6. veräußerte die FU-GmbH die Y-GmbH für 7,6 Mio. Euro.

FU-GmbH

Y-GmbH

Frage: Kommt § 8 b Abs. 7 KStG zur Anwendung? Lösung: Folgt man der Argumentation des BFH, wonach von einem Dritten erworbene Anteile als Erwerb im Sinne des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG gelten, kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns entstehen. Ein schädlicher Erwerb hätte somit vermieden werden können, wenn die FU-GmbH die Vorratsgesellschaft selbst errichtet hätte. Offen gelassen wurde bisher, ob Einlagen oder Einbringungen von Anteilen beim aufnehmenden Unternehmen Erwerbe im Sinne des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG darstellen. Nach Auffassung von Gosch kann dies gegeben sein.13 Der Gesetzgeber hat den Begriff „Erwerb“ i. S. d. § 8b Abs. 7 KStG nicht näher eingeschränkt. Da z. B. nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 UmwStG auch einbringungsgeborene Anteile „erworben“ werden, kann 12 BFH, Beschl. v. 12.10.2010 – I B 82/10, BFH/NV 2011, 69 (NV). 13 Vgl. Gosch, KStG, Kommentar, 2. Aufl., § 8b KStG Abs. 7, Rn. 586.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass durch diesen oder ähnliche Vorgänge erhaltene Anteile bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft als Erwerbe zu klassifizieren sind, die auf anderer rechtlicher Grundlage als einem Kaufvertrag erworben wurden.14 Höchstrichterlich ist die Frage noch nicht geklärt. Nach der Formulierung in Rn. 00.02 des neuen Umwandlungssteuererlasses stellen Umwandlungen und Einbringungen auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers sowie des übernehmenden Rechtsträgers Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge hinsichtlich des übertragenen Vermögens dar. Es bleibt abzuwarten, ob diese Verwaltungsauffassung dazu führt, dass auch bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft Erwerbe i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG anzunehmen sind. Falls ja, könnte vor allem die Beurteilung einer Neugründung durch Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft fraglich sein. Denn nach gefestigter BFH-Rechtsprechung stellt die Neugründung einer Vorratsgesellschaft keinen Erwerb durch das gründende Unternehmen dar. Es kann u. E. jedoch keinen Unterschied machen, ob bei einer Neugründung die Gegenleistung für die neuen Anteile bar oder durch Einbringung von Anteilen an einer anderen Gesellschaft erbracht wird. Zusammenfassend bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass ein Erwerb i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG jedenfalls dann vorliegt, wenn die Beteiligung durch einen Übertragungsakt von einem Dritten erlangt wird. Will man die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG vermeiden, sollten nach Möglichkeit solche Beteiligungen veräußert werden, die das Mutterunternehmen (= Finanzunternehmen) selbst gegründet hat. Auch hier wäre ggf. danach zu unterscheiden, ob die Neugründung durch Bareinlage oder durch Einbringung von Anteilen erfolgte. Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges: Es gilt zunächst zu klären, was unter „Eigenhandel“ zu verstehen ist, da § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG nur für Anteile anzuwenden ist, die mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben wurden. Laut BFH-Urteil vom 14.1.2009 (I R 36/08) umfasst der Begriff Eigenhandelserfolg den „Erfolg aus jeglichem „Umschlag“ von Anteilen i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG auf eigene Rechnung und erfordert nicht das Vorliegen eines Eigenhandels als Finanzdienstleistung i. S. v. § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 KWG.“ Somit ist jeglicher Erwerb von Anteilen auf eigene Rechnung erfasst. Hier kommt es auf die Realisierung von Wertdifferenzen im Eigengeschäft an.15 Eigenhandel liegt demzufolge bei der Vermittlung und dem Kauf auf fremde Rechnung nicht vor.

14 Vgl. Kröner, Ernst & Young KStG-Kommentar, § 8b Abs. 7 KStG, Rn. 280.2. 15 Vgl. auch Gosch, KStG, Kommentar, 2. Aufl., § 8b Abs. 7 KStG, Rn. 587.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Fraglich ist auch, was unter dem Ziel eines kurzfristigen Erfolgs i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG zu verstehen ist. Diese Frage ist bisher noch nicht abschließend geklärt. In der Literatur werden die unterschiedlichsten Ansätze unterbreitet. So schlägt ein Teil des Schrifttums vor, den Begriff zeitlich abzugrenzen und in Anlehnung an andere steuerliche Regelungen, z. B. in § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG einen Zwölf-Monats-Zeitraum als kurzfristig anzusehen.16 Es wird aber auch vorgeschlagen, dass Finanzunternehmen fiktiv den Bestand eines Handelsbuchs ermitteln,17 bzw. dass auch bei Finanzunternehmen interne Zuordnungskriterien maßgeblich sein sollen, soweit sie konsistent und konsequent angewendet werden.18 Andere Stimmen, wie z. B. auch die Finanzverwaltung verzichten auf die Festlegung eines verbindlichen Zeitraums und sehen stattdessen in der Zuordnung der Anteile zum Umlaufvermögen als eine Dokumentation die Absicht des Finanzunternehmen als gegeben an, einen kurzfristigen Erfolg zu erzielen. Diese Lösung der Finanzverwaltung stellt zwar einen praktikablen Ansatz dar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann dies allerdings lediglich als ein Indiz nicht aber als alleiniges Indiz für die Eigenhandelsabsicht des Finanzunternehmens gewertet werden.19 Es ist der „wahre Wille“ zum Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich. So muss es möglich bleiben, durch den Nachweis der Indizien für oder gegen die Eigenhandelsabsicht im Erwerbszeitpunkt, eine ursprünglich falsche Zuordnung zum Umlaufvermögen zu verändern. Dazu ist die Zweckbestimmung im Erwerbszeitpunkt ausschlaggebend, mit der ein Vermögensgegenstand im Betrieb eingesetzt wird. Dies ist nicht damit zu verwechseln, dass der Steuerpflichtige an eine einmal getroffene, zutreffende Zuordnung zum Umlaufvermögen gebunden bleibt. Diese Auffassung ist nach dem Wortlaut des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG zu begründen. Denn dieser stellt unmissverständlich auf das Ziel des Finanzunternehmens im Zeitpunkt des Erwerbs ab, so dass eine spätere Änderung der mit den Anteilen verfolgten Ziele und daher die Qualifikation der Anteile in Hinblick auf § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG nicht möglich ist.20 Diese Ansicht steht auch im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung. Danach ist die Absicht, einen kurzfristigen Eigenhandelserfolg i. S. d. 16 17 18 19 20

Vgl. Kröner, Ernst & Young KStG-Kommentar, § 8b Abs. 7 KStG, Rn. 281. Pyszka/Brauer, BB 2002, 1669, 1671. Dreyer/Herrmann, DStR 2002, 1837, 1839. Vgl. Gosch, KStG, Kommentar, 2. Aufl., § 8b Abs. 7 KStG, Rn. 589. Vgl. Kröner m.w.H. in Ernst & Young KStG-Kommentar zu § 8b Abs. 7 KStG, Rn. 282.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG zu erzielen, nach Auffassung des BFH21 im Zeitpunkt des Anteilserwerbs entscheidend. Spätere Maßnahmen des Erwerbers, um den Wert der Anteile bis zum Weiterverkauf zu beeinflussen, stehen einer solchen Absicht nicht entgegen. Anders ausgedrückt kann mit der Umwidmung von Anteilen aus dem Anlage- ins Umlauf- oder umgekehrt vom Umlauf- ins Anlagevermögen daher die Abziehbarkeit von Wertverlusten bzw. die Steuerfreiheit von Wertsteigerungen nicht erreicht werden. Das Gleiche muss gelten, wenn der Ausweis des Anteils nicht geändert wird, aber entgegen der ursprünglichen Absicht und dem Bilanzausweis Anteile des Anlagevermögens kurzfristig veräußert werden oder Anteile des Umlaufvermögens langfristig gehalten werden; auch in diesen Fällen ist § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG nach Maßgabe der bei Erwerb der Anteile verfolgten Absicht anzuwenden.22 Beispiel: M-GmbH ist seit vielen Jahren an der Y-GmbH beteiligt und plant, die Anteile zeitnah zu veräußern. Die AK betragen Euro 50 Mio. Eine Unternehmensbewertung ergibt einen Wert von Euro 100 Mio. Aufgrund der unsicheren Zeiten ist M-GmbH nicht sicher, ob sich der Wert realisieren lässt. Der Steuerberater schlägt vor, dass M-GmbH die Y-GmbH zunächst für Euro 100 Mio. an die FU-GmbH veräußert. 6 Monate später können schließlich die Anteile an der Y-GmbH durch die FUGmbH veräußert werden, allerdings nur für Euro 80 Mio.

M-GmbH

FU-GmbH

Y-GmbH

Frage: 1. Ist der Veräußerungsverlust bei der FU-GmbH aufgrund § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG zu berücksichtigen? 2. Ändert sich das Ergebnis, wenn die FU-GmbH ursprünglich die Anteile an der Y-GmbH zum Erwerbszeitpunkt dem Anlagevermögen und später dem Umlaufvermögen zuordnet?

21 BFH, Urt. v. 14.1.2009 – I R 36/08. 22 Vgl. Kröner in Ernst & Young KStG-Kommentar zu § 8b Abs. 7 KStG, Rn. 282.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Lösung: 1. Erwirbt die FU-GmbH, die als Finanzunternehmen anzusehen ist, die Anteile an der Y-GmbH mit dem Ziel der Erzielung eines Eigenhandelserfolgs und ordnet die FU-GmbH die Anteile dem Umlaufvermögen zu, dürfte der spätere Veräußerungsverlust der FU-GmbH in Höhe von 20 Mio. Euro nach Maßgabe des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG in vollem Umfang zu berücksichtigen sein. 2. Eine spätere Umwidmung der Anteile an der Y-GmbH vor dem Hintergrund der Nutzung der Veräußerungsverluste ist nicht möglich. Zur Vermeidung von späteren Streitigkeiten ist zur Bestimmung der Absicht des Erwerbers zu empfehlen, beim Kauf der Anteile im Kaufvertrag die Zielsetzung des Anteilserwerbs z. B. durch Dokumente, den Strategieplan oder Budget zu dokumentieren. Nur so können die Indizien für die Erwerbsabsicht beigebracht werden. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Finanzverwaltung die Beweislast dafür hat.

IV. Einzelfälle zu § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG 1. Erwerb einer ausländischen Tochtergesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen Zunächst soll ein Fall des Erwerbs einer Auslandsgesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen betrachtet werden. Sachverhalt: XYZ hält 100 % der Anteile an einer im DBA-Ausland ansässigen Tochterkapitalgesellschaft (ForCo). Die ForCo ist nicht mehr aktiv tätig und verfügt über Euro 101 Mio. Kassenbestand. Das Nennkapital der Gesellschaft beträgt Euro 1 Mio. die Gewinnrücklagen Euro 100 Mio.

XYZ

A-GmbH

ForCo

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Die als Finanzunternehmen zu klassifizierende A-GmbH erwirbt die ForCo für Euro 101 Mio. und weist die Anteile an der Gesellschaft im Umlaufvermögen aus. Die ForCo schüttet sodann den Gewinn in Höhe von Euro 100 Mio. an die A-GmbH aus und die A-GmbH veräußert die ForCo-Anteile für Euro 1 Mio. an D.

Frage: Findet § 8b Abs. 7 KStG bei der A-GmbH Anwendung? Lösung: Legt man die einschlägigen Normen und die Rechtsprechung des BFH zugrunde, dürfte sich folgende Lösung ergeben: 1. Da in diesem Fall die Voraussetzungen des § 8 b Abs. 7 KStG vorliegen, sind im Grunde die Dividenden und Veräußerungsgewinne aus der ForCo steuerpflichtig, während im Gegenzug die Veräußerungsverluste steuerlich abzugsfähig sind. Damit wären die Dividenden in Höhe von 100 Mio. Euro steuerpflichtig und die Veräußerungsverluste in Höhe von 100 Mio. Euro steuerlich abzugsfähig. 2. Eine Steuerfreiheit von Dividenden kann sich jedoch nicht nur über § 8b Abs. 1 KStG ergeben, sondern grundsätzlich auch nach dem DBASchachtelprivileg. Danach können Dividenden sowohl für körperschaftsteuerliche als auch für gewerbesteuerliche Zwecke steuerfrei vereinnahmt werden. Dies hat der BFH zuletzt zum DBA Polen mit Urteil vom 23.6.201023 entschieden. Danach ergibt sich die Steuerfreiheit der Dividenden unabhängig von der Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG. 3. Damit hätte man im Ergebnis die Steuerfreiheit der Dividenden und die volle steuerliche Berücksichtigung der Veräußerungsverluste erreicht.24 4. Um endgültig zu diesem Ergebnis zu gelangen, sind gegebenenfalls noch das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) sowie eines Gesamtplans auszuräumen. Ein vergleichbares Ergebnis könnte erreicht werden, wenn die Dividenden aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie steuerfrei bleiben müssen. In diesem Fall setzt § 8b Abs. 9 KStG die Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG hinsichtlich der Dividenden außer Kraft. Diese Rückausnahme des § 8b Abs. 9 betrifft allerdings nur § 8b Abs. 1 KStG, während 23 Vgl. BFH, Urt. v. 23.6.2010 – I R 71/09. 24 Hier könnte ggf. argumentiert werden, dass der Veräußerungsverlust in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der steuerfreien Dividende steht, so dass der Veräußerungsverlust nach § 3c Abs. 1 EStG nicht abziehbar wäre. Da sich die Steuerbefreiung aufgrund des Schachtelprivilegs und nicht aufgrund § 8b Abs. 1 KStG ergibt, ist die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG nicht per se suspendiert.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? § 8b Abs. 2, 3 KStG weiter unanwendbar bleiben. Veräußerungsverluste (ebenso Teilwertabschreibungen) können daher weiterhin abgezogen werden.25 2. Kapitalerhöhung Sachverhalt: Der Wert der T-GmbH soll 1 Mio. Euro betragen. Das Stammkapital der T-GmbH 90.000 Euro. Die X-AG führt der T-GmbH im Rahmen einer Kapitalerhöhung in Höhe von 10.000 Euro 1 Mio. Euro neues Kapital zu, d. h., es wird ein Aufgeld von 990.000 Euro geleistet. Anschließend verkauft die X-AG den zum Umlaufvermögen zugeordneten Anteil an der T-GmbH zum Verkehrswert.

X-AG

T-GmbH

Fragestellung: Wie ist die Kapitalerhöhung auf Ebene der X-AG steuerlich zu erfassen? Findet § 8b Abs. 7 KStG bei der A-GmbH Anwendung? Lösung: Nach Auffassung des BFH dürfte nach dem Urteil vom 27.5.200926 ein für den Erwerb eines GmbH-Anteils im Rahmen einer Kapitalerhöhung gezahltes Aufgeld (Agio) ausschließlich dem neu erworbenen Anteil als Anschaffungskosten zuzuordnen sein. Es handelt sich nicht (auch) um nachträgliche Anschaffungskosten auf die bereits vorher bestehende Beteiligung. Dies gelte auch dann, wenn die Summe aus dem Nennbetrag des neuen Anteils und des Aufgeldes den Verkehrswert des neuen Anteils übersteigt. Das Aufgeld ist in Höhe des „Überpreises“ keine verdeckte Einlage. 25 Vgl. Rengers in Blümich, § 8b Abs. 7 KStG, Rz. 492. 26 Vgl. BFH, Urt. v. 27.5.2009 – I R 53/08.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Dies bedeutet für den Beispielsfall Folgendes: 1. Nach der Kapitalzuführung hat die T-GmbH einen Wert von 2 Mio. Euro. Der Wert des Anteils aus der Kapitalerhöhung in Höhe von 10 % des Nennkapitals beträgt damit 200.000 Euro (10 % des Gesamtwerts der T-GmbH), während die Anschaffungskosten durch das Aufgeld nach der Auffassung des BFH 1 Mio. Euro betragen. 2. Bei einer Veräußerung ergäbe sich ein Veräußerungsverlust von 800.000 Euro, der bei Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG in vollem Umfang steuerlich berücksichtigt werden könnte. 3. Fraglich ist demnach, ob die Voraussetzung des § 8b Abs. 7 KStG vorliegen. Dies ist im vorliegenden Fall selbst dann zu verneinen, wenn die X-AG ein Finanzunternehmen darstellen würde. Denn die Ausgabe neuer Anteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung stellt nach derzeitiger Auffassung kein Erwerb i. S. d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG dar. Damit ist der Veräußerungsverlust für die X-AG steuerlich nicht nutzbar. 3. Organgesellschaft als Finanzunternehmen Besonderheiten bei der Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG ergeben sich in Organschaftsfällen. Sachverhalt: Die OG-GmbH erfüllt die Voraussetzungen eines Finanzunternehmens. Ihr Ergebnis wird aufgrund eines Organschaftsverhältnisses der OT-GmbH zugerechnet. Die OG-GmbH erzielt Beteiligungserträge i. S. des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG.

Organschaft OT-GmbH Kein Finanzunternehmen 100 % OG-GmbH = Finanzunternehmen

– Dividenden – Veräußerungsgewinne

Frage: Findet § 8b Abs. 7 KStG bei der OG-GmbH Anwendung? 96

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Lösung: Grundsätzlich finden die Steuerbefreiungen des § 8b KStG nicht auf der Ebene der Organgesellschaft, sondern auf Ebene der Organträgerin – sofern eine Kapitalgesellschaft – Anwendung. Konkret regelt § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG, dass für die Organgesellschaft die Absätze 1 bis 6 des § 8b KStG nicht anzuwenden sind. Liegen auf Ebene einer Organgesellschaft die Voraussetzungen eines Finanzunternehmens i. S. des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG vor, unterliegen die von der Organgesellschaft zugerechneten Beteiligungserträge – sofern die übrigen Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG erfüllt sind – auf Ebene des Organträgers der vollen Steuerpflicht, da § 8b Abs. 1 bis 6 KStG insoweit auch auf Ebene des Organträgers keine Anwendung findet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG). Dies gilt unabhängig davon, ob der Organträger die Voraussetzungen eines Finanzunternehmens erfüllt. 4. Organträger als Finanzunternehmen Betrachtet sei nun der umgekehrte Fall einer Organträgerin, die die Voraussetzungen eines Finanzunternehmens i. S. des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG erfüllt. Die Organgesellschaft, welcher die Beteiligungserträge i. S. des § 8b KStG zufließen, stelle dagegen kein Finanzunternehmen im Sinne der Vorschrift dar. Sachverhalt: Die OT-GmbH erfüllt die Voraussetzungen eines Finanzunternehmens, die OGGmbH jedoch nicht. Das Ergebnis der OG-GmbH wird aufgrund eines Organschaftsverhältnisses der OT-GmbH zugerechnet. Die OG-GmbH erzielt Beteiligungserträge i. S. des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG.

Organschaft OT-GmbH Kein Finanzunternehmen 100 % OG-GmbH = Finanzunternehmen

– Dividenden – Veräußerungsgewinne

97

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Frage: Findet § 8b Abs. 7 KStG bei der OT-GmbH Anwendung? Lösung: Da die Organgesellschaft (OG-GmbH) die Beteiligungen i. S. des § 8b KStG erworben hat, stammen die Beteiligungserträge nicht aus Anteilen, die von einem Finanzunternehmen erworben worden sind. Dass der Organträger (OT-GmbH) die Voraussetzungen eines Finanzunternehmens erfüllt, ist hierbei nicht entscheidend. Die im Rahmen der Organschaft erfolgende Zurechnung der Beteiligungserträge an die Organträgerin (Finanzunternehmen) berührt nicht die originäre Zuordnung der Beteiligungserträge zu einem Nicht-Finanzunternehmen (OG-GmbH). Letztere Zuordnung ist m. E. hier maßgeblich. Im Ergebnis dürften die der Organträgerin zugerechneten Beteiligungserträge i. S. des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG somit steuerfrei sein. 5. Sacheinlage Die Frage der Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG stellt sich auch im Zusammenhang mit Sacheinlagen von Kapitalgesellschaftsanteilen. Betrachtet sei der Fall eines Stammhauses (M-GmbH), das die langjährige Beteiligung an einer Tochterkapitalgesellschaft (T-GmbH) in ein Finanzunternehmen (FU-GmbH) einbringt und im Gegenzug neue Anteile am Finanzunternehmen erhält (Anteilstausch). Vor Umwandlung: Neue Anteile

Nach Umwandlung:

M-GmbH

100 %

Stammhausunternehmen

100 % (>10 Jahre)

M-GmbH 100 %

Einbringung FU-GmbH

T-GmbH

Stammhausunternehmen

Neue Anteile Verkauf Fall A

FU-GmbH 100 %

Verkauf Fall B

T-GmbH

Für die Anwendbarkeit des § 8b Abs. 7 KStG wird im Folgenden zwischen dem Verkauf des eingebrachten Anteils an der T-GmbH durch die FU98

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? GmbH einerseits und dem Verkauf der neuen Anteile an der FU-GmbH durch die M-GmbH unterschieden. a) Verkauf des eingebrachten Anteils durch die FU-GmbH Handelt es sich bei der FU-GmbH um ein Finanzunternehmen i. S. des § 1 Abs. 3 KWG, kommt eine Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG in Betracht, sofern es sich bei dem vorherigen Anteilstausch um einen Erwerb im Sinne der Vorschrift handelt. Dies lässt die bisherige Auffassung in der Literatur27 und der neue Umwandlungssteuererlass in Rn. 00.02 vermuten. Somit käme es auf das subjektive Tatbestandsmerkmal der Absicht zur Erzielung eines kurzfristigen Eigenhandelserfolgs im Zeitpunkt des Erwerbs an. Bei kurzfristiger Weiterveräußerung der T-GmbH besteht demnach das Risiko einer vollständigen Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 7 KStG. Vorbeugend ist es daher ratsam, bei konzerninternen Umstrukturierungen im Erwerbszeitpunkt die langfristige Absicht hinter der konzerninternen Umstrukturierung zu dokumentieren.

M-GmbH 100 %

Stammhausunternehmen

Neue Anteile

FU-GmbH 100 %

Verkauf Fall B

T-GmbH

Im Falle einer Einbringung zu Buchwerten sollte die Anwendung der Fußstapfentheorie dazu führen, dass der Status der Anteile an der T-GmbH fortgeführt wird. Somit sollte ein Erwerb zum Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges und damit die Anwendung von § 8b Abs. 7 KStG ausgeschlossen sein. Eine vollständige Steuerpflicht im Falle der Anwendung von § 8b Abs. 7 KStG würde andernfalls zu einer Schlechterstellung gegenüber einer Einbringung zum gemeinen Wert darstellen, die steuersystematisch nicht gerechtfertigt wäre. Denn die Ein27 Vgl. u. a. Breuninger/Winkler, Ubg 2011, S. 11 ff.

99

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? bringung zum gemeinen Wert hätte eine nur zu 5 % steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven auf Ebene der M-GmbH ausgelöst. b) Verkauf des erhaltenen Anteils Die Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG auf den Verkauf der im Zuge des Anteilstauschs erhaltenen Anteile an der FU-GmbH dürfte bereits daran scheitern, dass es sich bei der veräußernden M-GmbH als Stammhaus um kein Finanzunternehmen i. S. des § 1 Abs. 3 KWG handelt.

M-GmbH 100 %

Stammhausunternehmen

Neue Anteile Verkauf Fall A

FU-GmbH 100 % T-GmbH

6. Barkapitalerhöhung Auch bei der Barkapitalerhöhung gegen neue Anteile stellt sich die Frage, ob § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG auf die Veräußerung der neuen Anteile anwendbar ist.

H-GmbH

100 % Barkapital

Neue Anteile Verkauf

D-AG

100

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Entscheidend ist wiederum, ob ein Erwerb i. S. des § 8b Abs. 7 KStG vorliegt. Gesichert steht seit dem Urteil vom 3.5.2006 (1 R 100/05) lediglich fest, dass die Zeichnung von Anteilen im Rahmen der Gründung einer Gesellschaft beim Gesellschafter keinen solchen Erwerb begründet. Doch auch für den vorliegenden Fall einer Barkapitalerhöhung kann die Urteilsbegründung hilfreich sein. Der BFH stellt in dem Urteil für die Frage, ob ein Erwerb vorliegt, auf einen „Übertragungsakt von einem Dritten“ ab, der bei einer Kapitalerhöhung jedoch nicht stattfindet. Dies gilt jedenfalls bei Kapitalerhöhungen einer GmbH. Zivilrechtlich entstehen die neuen Geschäftsanteile einer GmbH im Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung originär in der Hand der jeweiligen Übernehmer. Gleiches dürfte auch für neue Aktien gelten, die eine AG anlässlich einer Erhöhung ihres Grundkapitals ausgibt. Für die Anwendung des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG fehlt es somit an einem Erwerb. 7. Einschaltung von Personengesellschaften Fraglich sind auch die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 7 KStG, wenn Personengesellschaften zwischengeschaltet sind. Finanzunternehmen i. S. des KWG können sowohl Personengesellschaften als auch Kapitalgesellschaften sein. Nach Gosch folgt § 8b Abs. 7 KStG mit der Anknüpfung an das KWG zugleich der dort bestehenden prinzipiellen Irrelevanz der Rechtsform des Finanzunternehmens.28 Wird eine Personengesellschaft zwischengeschaltet, die als Finanzunternehmen zu klassifizieren ist, schlägt diese Qualifikation nicht auf deren Mitunternehmer durch. Diese sind nur dann vom Anwendungsbereich des § 8b Abs. 7 KStG betroffen, wenn diese selbst Finanzunternehmen darstellen. Umgekehrt ist nach Gosch § 8b Abs. 7 KStG nicht anzuwenden für Kapitalgesellschaften als Finanzunternehmen, die an einer Personengesellschaft beteiligt sind.29 In diesen Konstellationen ist allerdings dem § 42 AO ausreichend Beachtung zu schenken.30 Die folgenden vier Fälle sollen hierbei näher beleuchtet werden:

28 Vgl. Gosch, KStG, Kommentar, 2. Aufl., § 8b KStG, Rn. 567. 29 Vgl. Gosch, KStG, Kommentar, 2. Aufl., § 8b KStG, Rn. 567. 30 Vgl. Pryszka, BB 2002, 2049.

101

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? a) Zwischengeschaltete Personengesellschaft als Finanzunternehmen und Mitunternehmer H-GmbH hält Anteile Sachverhalt: Die H-GmbH (kein Finanzunternehmen) ist an der FU-KG, die als Finanzunternehmen zu klassifizieren ist, beteiligt. Die H-GmbH hält 100 % der Anteile an der D-AG, die steuerrechtlich dem Sonderbetriebsvermögen der FU-KG zuzurechnen sind.

H-GmbH

100 % = SBV

FU-KG Verkauf D-AG

Frage: Findet § 8b Abs. 7 KStG bei der H-GmbH Anwendung? Lösung: § 8b Abs. 7 KStG ist nicht anwendbar, da es bei der als Finanzunternehmen zu klassifizierenden FU-KG an einem Erwerb i. S. des § 8b Abs. 7 fehlt und der Gesellschaft, die die Anteile an der D-AG erworben hat (H-GmbH) kein Finanzunternehmen darstellt. Dies gilt selbst dann, wenn die Anteile an der D-AG als Sonderbetriebsvermögen der FU-KG einzuordnen sind.

102

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? b) Zwischengeschaltete Personengesellschaft als Finanzunternehmen hält Anteile an D-AG Sachverhalt: Die H-GmbH (kein Finanzunternehmen) ist an der FU-KG, die als Finanzunternehmen zu klassifizieren ist, beteiligt. Die FU-KG hält 100 % der Anteile an der D-AG in ihrem Gesamthandsvermögen.

H-GmbH 100 %

FU-KG Verkauf D-AG

Frage: Findet § 8b Abs. 7 KStG Anwendung? Lösung: In diesem Fall ist § 8b Abs. 7 KStG anwendbar. Der Erwerb erfolgte durch die FU-KG, die nach KWG ein Finanzunternehmen darstellt. Es kommt nicht darauf an, ob die Eigenschaft als FU auf den MU durchschlägt. Denn § 8b Abs. 7 KStG besagt, dass Abs. 6 der Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, wenn die Anteile durch ein FU mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden. Die Rechtsform des FU ist dabei prinzipiell irrelevant.31 Im vorliegenden Fall kommt es auf die Eigenschaft der Personengesellschaft als FU an, die hier die Steuerbefreiung nicht vermitteln kann.

31 Vgl. auch Gosch, KStG, Kommentar, § 8b Abs. 7 KStG, Rn. 567, 568.

103

Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? c) Zwischengeschaltete Personengesellschaft mit Anteilen an D-AG und mit FU als Mitunternehmer Sachverhalt: Die FU-GmbH (Finanzunternehmen) ist an der ZH-KG (kein Finanzunternehmen) beteiligt. Die ZH-KG hält 100 % der Anteile an der D-AG in ihrem Gesamthandsvermögen.

FU-GmbH 100 %

ZH-KG Verkauf D-AG

Frage: Findet § 8b Abs. 7 KStG Anwendung? Lösung: In diesem Fall kommt § 8b Abs. 7 KStG auch nicht zur Anwendung. Die FU-GmbH ist zwar als Finanzunternehmen zu klassifizieren. Doch es fehlt hier an einem Erwerb i. S. des § 8b Abs. 7 KStG, denn dieser erfolgt bei der ZH-KG, die kein Finanzunternehmen darstellt. d) Zwischengeschaltete Personengesellschaft mit FU als Mitunternehmer, die Anteile an A-GmbH halten Sachverhalt: Die FU-GmbH (Finanzunternehmen) ist an der ZH-KG (kein Finanzunternehmen) beteiligt. Die FU-GmbH hält 100 % der Anteile an der D-AG, die steuerrechtlich dem Sonderbetriebsvermögen der ZH-KG zuzurechnen sind.

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Schaden/Zipfel, § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance?

FU-GmbH

100 % = SBV

ZH-KG Verkauf D-AG

Frage: Findet § 8b Abs. 7 KStG Anwendung? Lösung: In diesem Fall kommt § 8b Abs. 7 KStG zur Anwendung. Einerseits ist die FU-GmbH als Finanzunternehmen zu klassifizieren und andererseits liegt bei dem Finanzunternehmen ein Erwerb i. S. des § 8b Abs. 7 KStG vor.

105

Übertragung von Wirtschaftsgütern und betrieblichen Sachgesamtheiten in Mitunternehmerschaften Ministerialrat Werner Seitz Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, Stuttgart Dr. Alexander Düll Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Heidelberg Inhaltsübersicht

1. Vorbemerkungen 2. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen 2.1 Allgemeines 2.2 Überführung von Wirtschaftsgütern 2.3 Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern 2.3.1 Konzept der Gegenleistung im Regelungszusammenhang des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 2.3.2 Übertragung zwischen Gesamthandsvermögen von Schwestergesellschaften 2.3.2.1 Kettenübertragung als Ausweichmöglichkeit 2.3.2.2 Veräußerung und Gewinnübertragung gemäß § 6b EStG

2.4 Sperrfrist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG 2.5 Die Fälle des § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG 3. Übertragung eines Einzelwirtschaftsgutes aus einem Privatvermögen 3.1 Allgemeines 3.2 Konzept der Gegenleistung im Rahmen des Einlagevorgangs 4. Übertragung von Sachgesamtheiten auf eine Mitunternehmerschaft 4.1 Allgemeines 4.2 Konzept der Gegenleistung im Regelungszusammenhang des § 24 UmwStG 4.3 Einzelfragen 4.3.1 Ausgliederung eines Betriebes oder Teilbetriebes 4.3.2 Einbringung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft

1. Vorbemerkungen Die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern bzw. von betrieblichen Sachgesamtheiten auf eine Mitunternehmerschaft orientiert sich weder an einem einheitlichen Schema noch an einer einheitlichen Regelung. Zu unterscheiden ist zunächst, ob das Einlagesubstrat in einem Einzelwirtschaftsgut oder in einer Sachgesamtheit besteht. Im nächsten Schritt 107

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern ist der Ursprung zu unterscheiden, ob beispielsweise die Einlage aus dem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen erfolgt. Je nach Befund kommen auf den Einlagevorgang unterschiedliche Vorschriften zur Anwendung. Im Folgenden sollen die Einlagevorgänge der verschiedenen Fallgestaltungen dargestellt und anhand einzelner Beispiele problematisiert werden.

2. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen Werden Einzelwirtschaftsgüter aus einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt, so sind die Buchwerte fortzuführen, wenn dabei die spätere Erfassung der stillen Reserven sicher gestellt bleibt. Dies gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch dann, wenn Einzelwirtschaftsgüter im Rahmen von Mitunternehmerschaften übertragen werden. Hierbei kommt es zu einem Rechtsträgerwechsel mit der Folge, dass stille Reserven von einem Steuersubjekt auf andere Steuersubjekte überspringen. Gleichwohl nimmt der Gesetzgeber diese Konsequenz hin, um Umstrukturierungen auch in diesen Fällen steuerlich nicht zu behindern. Allerdings müssen dabei einige Restriktionen beachtet werden. 2.1 Allgemeines Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens veräußert oder entnommen, dann kommt es grundsätzlich zur Aufdeckung stiller Reserven und zu einem laufenden Gewinn. Dies ist dann anders, wenn ein betriebliches Wirtschaftsgut in ein anderes Betriebsvermögen (auch Sonderbetriebsvermögen) des Steuerpflichtigen überführt wird; in diesem Fall liegt zwar begrifflich auch eine Entnahme aus dem bisherigen Betriebsvermögen vor, die aber nach § 6 Abs. 5 Satz 1 oder 2 EStG steuerneutral erfolgt. Ebenso verhält es sich in bestimmten Konstellationen, wenn ein Einzelwirtschaftsgut bei Mitunternehmerschaften unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten vom Gesamthandsvermögen in das Betriebsvermögen eines Mitunternehmers oder umgekehrt übertragen wird (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG). Die Finanzverwaltung hat zu diesen Fragen ein umfangreiches BMF-Schreiben herausgegeben.1

1 BMF, Schr. v. 8.12.2011 – IV C 6 – S 2241/10/10002, BStBl. 2011 I, 1279.

108

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern 2.2 Überführung von Wirtschaftsgütern Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut von einem inländischen Betriebsvermögen in ein anderes inländisches Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt, dann handelt es sich dabei um eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen, welches das Wirtschaftsgut verlässt, und eine Einlage in das aufnehmende Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen. In einem solchen Fall, schreibt § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG die Fortführung des Buchwerts vor, wenn die Besteuerung der stillen Reserven weiterhin sicher gestellt ist. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein Wirtschaftsgut des Anlageoder des Umlaufvermögens handelt. Dies gilt auch für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und für im Sammelposten erfasste Wirtschaftsgüter.2 Die gleichzeitige Übernahme von Verbindlichkeiten schadet dabei nicht.3 Bei der Überführung eines Wirtschaftsguts gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG in ein anderes Betriebsvermögen oder gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG in ein Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen kommt es nicht zu einem Rechtsträgerwechsel, denn die stillen Reserven bleiben weiterhin beim selben Steuersubjekt steuerverstrickt. Daher ist die Buchwertüberführung auch nicht mit einer Sperrfrist behaftet. 2.3 Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG schreibt auch bei der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern bei Mitunternehmerschaften die Fortführung des Buchwerts vor, allerdings gilt dies nicht allgemein, sondern nur in bestimmten Fallgestaltungen. Dies ist der Fall, wenn ein Einzelwirtschaftsgut – unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt (Nr. 1), – unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, und umgekehrt (Nr. 2) oder

2 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 4. 3 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 3 Satz 4.

109

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern – unentgeltlich zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft (Nr. 3) übertragen wird. In diesen Fällen kommt es zu einem Rechtsträgerwechsel und es springen stille Reserven von einem Mitunternehmer auf andere Mitunternehmer bzw. umgekehrt über. Vor diesem Hintergrund ordnet zwar der Gesetzgeber auch hier die Buchwertfortführung an, knüpft sie jedoch an die Einhaltung einer Sperrfrist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG. 2.3.1 Konzept der Gegenleistung im Regelungszusammenhang des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG Bei einer unentgeltlichen Übertragung handelt es sich um eine Entnahme aus dem abgebenden Betriebsvermögen; bei einer Übertragung gegen Gesellschaftsrechte liegt ein tauschähnlicher Vorgang, also ein Veräußerungsgeschäft, vor. Nichtsdestotrotz ist in den Fällen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG der Buchwert anzusetzen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern die sog. „Trennungstheorie“ gilt. Dies bedeutet, dass eine Buchwertfortführung nur dann erfolgt, wenn entweder keine Gegenleistung erbracht wird oder die Gegenleistung lediglich in der Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht. Wird demgegenüber eine weitere Gegenleistung erbracht (z. B. Übernahme von Verbindlichkeiten), dann ist die Übertragung in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Vorgang aufzuteilen; die Aufteilung erfolgt nach Maßgabe des Werts der Gegenleistung zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts. Im Regelungszusammenhang des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG besteht damit folgendes Konzept der Gegenleistung Gesellschafterkonto Kapitalkonto I

Rücklagekonto

Verrechnungskonto Kapitalkonto II

Ausgleichszahlung/ Übernahme Verbindlichkeiten

Buchwertübertragung

Buchwertübertragung

(teil)entgeltlich

entgeltlich

Die vorstehenden Ausführungen können an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Beispiel A ist mit 40 %, B und C sind jeweils mit 30 % an der A-B-C-OHG beteiligt. Im Anlagevermögen der OHG befindet sich ein unbebautes Grundstück (BW = 100.000 Euro; gemeiner Wert = 600.000 Euro). Das übrige Gesamthandsvermögen

110

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern der OHG hat einen Wert von 3 Mio. Euro. Das Grundstück wird auf A übertragen, der es weiterhin der OHG zur Nutzung überlässt (? Sonderbetriebsvermögen des A). Dafür gibt A 12 % seiner Beteiligung ab, so dass er künftig nur noch mit 28 % und B und C jeweils mit 36 % an der OHG beteiligt sind. Das Grundstück wird aus dem Gesamthandsvermögen der OHG in das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters A bei der OHG übertragen. Hierfür mindern sich die Gesellschaftsrechte des A. Es liegt also eine Übertragung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG vor mit der Folge, dass A das Grundstück in seiner Sonderbilanz weiterhin mit dem Buchwert von 100.000 Euro ansetzen muss. Abwandlung Der Erwerb des Grundstücks durch die OHG war fremdfinanziert. Das Darlehen, das noch mit 300.000 Euro valutiert ist, wird von A übernommen. Für den Erwerb des Grundstücks gibt A 6 % seiner Anteile an B und C ab. Durch die Übernahme der Darlehensverbindlichkeit liegt ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft vor. Der entgeltliche Anteil beträgt 50 %. Daher sind 50 % der stillen Reserven im Grundstück (= 250.000 Euro) aufzudecken. In der Sonderbilanz des A ist das Grundstück mit 350.000 Euro zu aktivieren und das Darlehen mit 300.000 Euro zu passivieren.

2.3.2 Übertragung zwischen Gesamthandsvermögen von Schwestergesellschaften Nach Auffassung der Finanzverwaltung sieht § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine Übertragung zum Buchwert vom Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft unmittelbar in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft nicht vor. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften handelt. Diese Auffassung wurde vom I. Senat4 des Bundesfinanzhofs bestätigt. Der I. Senat sieht – ebenso wie die Finanzverwaltung – in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG eine enumerative und abschließende Aufzählung der Fallgestaltungen, bei denen das übertragene Einzelwirtschaftsgut beim aufnehmenden Betriebsvermögen mit dem Buchwert anzusetzen ist. Da darin eine unmittelbare Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft nicht vorgesehen ist, führe diese zur Aufdeckung der stillen Reserven. Dies gelte auch dann, wenn es sich um beteiligungsidentische Personengesellschaften handele. Da der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung diesen Fall ausdrücklich angesprochen und sich bewusst gegen eine Buchwertübertragung ausgesprochen habe, vermag der I. Senat auch keine planwidrige Lücke zu erkennen, die durch einen Analogieschluss beseitigt werden könnte.

4 BFH, Urt. v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. 2010 II, 471.

111

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Demgegenüber kommt der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in einem Aussetzungsbeschluss vom 15. April 20105 zu dem Ergebnis, dass jedenfalls dann, wenn es sich um beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften handelt, in der Versagung der Buchwertverknüpfung die Gefahr eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestehe. Denn hierbei käme es zwar zu einem Rechtsträgerwechsel, wobei allerdings wegen der Beteiligungsidentität gerade keine stillen Reserven von einem Steuersubjekt auf ein anderes überspringen würden. Deshalb sei es geboten, die Ungleichbehandlung mit einem Analogieschluss auf § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG zu beseitigen. Die Auffassungen im Schrifttum gehen auseinander. Von einem Teil der Literatur wird die Auffassung des I. Senats geteilt, die eine Buchwertverknüpfung bei der Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften verneint.6 Die überwiegende Meinung im Schrifttum folgt, wenn auch teilweise mit unterschiedlicher Begründung, allerdings der Auffassung des IV. Senats.7 Die Finanzverwaltung hält im BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2011 an ihrer ablehnenden Haltung fest.8 Sie gewährt aber auf den Aussetzungsbeschluss des IV. Senats hin in diesen Fällen Aussetzung der Vollziehung.9 2.3.2.1 Kettenübertragung als Ausweichmöglichkeit Als Alternativlösung wird vielfach diskutiert, die Aufdeckung stiller Reserven bei der Übertragung eines Einzelwirtschaftguts dadurch zu vermeiden, dass der Übertragungsvorgang in zwei Teilschritte aufgeteilt wird. Dabei soll zunächst das Einzelwirtschaftsgut gegen Minderung von Gesellschaftsrechten in das Sonderbetriebsvermögen – entweder bei der Ausgangs-Personengesellschaft oder aber bei der Ziel-Personengesellschaft – übertragen werden. Dieser Vorgang zieht unweigerlich die Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG nach sich. In einem zweiten Schritt wird dann das Einzelwirtschaftsgut aus dem Sonderbetriebsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen der Ziel-Personengesellschaft weiter übertragen. Bei isolierter Betrachtung wäre auch dieser zweite Schritt ein Fall der 5 BFH, Beschl. v. 15.4.2010 – IV B 105/09, BStBl. 2010 II, 971. 6 Gosch, DStR 2010, 1173, 1175; Brandenberg, FR 2010, 731; Wißborn, NWB 2010, 4275. 7 Groh, DB 2002, 1904, 1906; Kanzler, FR 2010, 761; Wacker, NWB 2010, 2382, 2388; Wendt, FR 2010, 386, 387; Leisner-Egensberger DStZ 2010, 900; Reiß in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 15 Rdnr. 461. 8 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 18 Satz 2. 9 BMF, Schr. v. 29.10.2010, BStBl. 2010 I, 1206.

112

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob dieser Aufteilung des Übertragungsvorgangs nicht die Gesamtplanrechtsprechung10 im Wege steht. Danach ist eine Gestaltung nicht anzuerkennen, wenn ein steuerliches Ziel, das der Gesetzgeber bei einer wirtschaftlich naheliegenden Konstruktion des Übertragungsvorgangs gerade nicht eintreten lassen wollte, über eine Umwegkonstruktion erreicht werden soll. Der Umwegkonstruktion wird jedenfalls dann die steuerliche Anerkennung versagt, wenn die einzelnen Übertragungsschritte auf einem Gesamtplan beruhen.11 Beispiel A, B und C sind an der X-OHG und an der Y-KG beteiligt. Zum Gesamthandsvermögen der OHG gehört ein Grundstück, das in das Gesamthandsvermögen der KG übertragen werden soll. Da eine unmittelbare Übertragung zum Buchwert gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht möglich ist, soll es zunächst in das Sonderbetriebsvermögen des A bei der OHG übertragen werden. Hierfür erhalten B und C Gesellschaftsanteile des A an der OHG. In einem zweiten Schritt wird es wenige Wochen später vom Sonderbetriebsvermögen des A bei der OHG in das Gesamthandsvermögen der KG übertragen. Hierfür erhält A Kommanditanteile von B und C. Die beiden Übertragungsschritte erfolgen für sich betrachtet jeweils mit Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG. Es fragt sich jedoch, ob sie wegen der engen zeitlichen Abfolge steuerlich nicht anzuerkennen sind. Da nur wenige Wochen zwischen den beiden Übertragungsschritten liegen, ist von einem schädlichen Gesamtplan auszugehen, der hier zur Aufdeckung der stillen Reserven im Grundstück auf der Ebene der OHG zwingt.

Ergibt sich der Gesamtplan nicht bereits aus den vertraglichen Abreden, dann stellt sich die Frage, innerhalb welchen zeitlichen Zusammenhangs der einzelnen Übertragungsschritte von einem Gesamtplan auszugehen ist. Diese Frage ist äußerst umstritten. In der Literatur wird vereinzelt vertreten, dass bereits bei einem zeitlichen Abstand von wenigen Monaten nicht mehr von einem Gesamtplan gesprochen werden könne.12 Es gibt aber auch Stimmen, die einen Fünfjahreszeitraum als äußerste Grenze für die Annahme eines Gesamtplans nennen.13 Eine klare Festlegung hierzu gibt es jedenfalls nicht, auch die Finanzverwaltung hat sich bislang nicht zu den zeitlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Gesamtplans geäußert. Es erscheint ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren sachgerecht; dies lässt sich auch in Anlehnung an den Zeitraum, 10 BFH, Urt. v. 6.9.2000 – IV R 18/99, BStBl. 2001 II, 229, sowie v. 6.12.2000 – VIII R 21/00, BStBl. 2003 II, 194. 11 Vgl. hierzu auch BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 19, wonach bei Kettenübertragungen zu prüfen ist, ob der Buchwertfortführung die Gesamtplanrechtsprechung oder missbräuchliche Gestaltungen i. S. des § 42 AO entgegenstehen. 12 Vgl. Paus, StBp 2004, 357, 360. 13 G. Söffing, BB 2004, 2777, 2787; Spindler, DStR 2005, 1, 4.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern innerhalb dessen noch von einer begünstigten Betriebsaufgabe ausgegangen werden kann, begründen. 2.3.2.2 Veräußerung und Gewinnübertragung gemäß § 6b EStG In der Regel dürften sich hohe stille Reserven vor allem in Grundstücken des Anlagevermögens ansammeln. Daher kann insbesondere bei diesen Wirtschaftsgütern ein Bedürfnis dafür bestehen, sie im Hinblick auf eine wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung in ein anderes Gesamthandsvermögen zu übertragen, ohne dass dabei stille Reserven aufgedeckt werden müssen. Dies kann bei personen- oder sogar beteiligungsidentischen Mitunternehmerschaften unter Umständen über eine Veräußerung und die Anwendung der Vorschrift des § 6b EStG erreicht werden. Grundstücke, und zwar Grund und Boden sowie Gebäude, gehören zu den nach § 6b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 EStG begünstigten Wirtschaftsgütern. Erforderlich ist weiter, dass sie zum Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre lang zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG). Da die Regelung des § 6b EStG gesellschafterbezogen ausgestaltet ist, stellt die Veräußerung durch die Gesellschafter bei der einen Mitunternehmerschaft zugleich eine Anschaffung der Gesellschafter bei der anderen Mitunternehmerschaft dar. Damit können die durch die Veräußerung aufzudeckenden stillen Reserven von den Anschaffungskosten, die den Mitunternehmern bei der anderen Mitunternehmerschaft entstehen, abgezogen werden. Bei beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften lässt sich somit der Veräußerungsgewinn neutralisieren. Probleme können sich jedoch bei personenidentischen Schwesterpersonengesellschaften ergeben, wenn die Beteiligungsquoten in beiden Gesellschaften sehr unterschiedlich sind. Beispiel A und B sind jeweils mit 50 % an der X-OHG und an der Y-KG beteiligt. Im Anlagevermögen der OHG befindet sich ein unbebautes Grundstück (BW = 300.000 Euro), das vor mehr als zehn Jahren angeschafft wurde. Das Grundstück soll zum Verkehrswert (= 1,9 Mio. Euro) an die KG veräußert werden. Die Veräußerung führt zur Aufdeckung stiller Reserven und damit zu einem laufenden Gewinn in Höhe von 1,6 Mio. Euro, der jeweils hälftig auf A und B entfällt. Da das Grundstück aber ausreichend lange zum Betriebsvermögen der OHG gehörte, kommt § 6b EStG zur Anwendung. Damit können sowohl A wie B von den auf sie entfallenden Anschaffungskosten für das Grundstück bei der KG (= 950.000 Euro = 1,9 Mio. Euro: 2) den auf sie entfallenden Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks bei der OHG abziehen. Abwandlung A ist an der OHG zu 80 % und B zu 20 % beteiligt. Bei der KG sind die Beteiligungsverhältnisse genau umgekehrt; A ist an der KG zu 20 % und B zu 80 % beteiligt.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Auch hier liegt eine begünstigte Reinvestition von A und B bei der KG vor. Allerdings entfällt auf A bei der OHG ein Gewinnanteil aus der Veräußerung des Grundstücks von 1,28 Mio. Euro (= 0,8 × 1,6 Mio. Euro), dem Anschaffungskosten bei der KG von lediglich 380.000 Euro (= 0,2 × 1,9 Mio. Euro) gegenüber stehen. Der Gewinnanteil des B von 320.000 Euro (= 0,2 × 1,6 Mio. Euro) kann von dessen Anschaffungskosten bei der KG (= 1,52 Mio. Euro = 0,2 × 1,9 Mio. Euro) vollumfänglich abgezogen werden. Damit ist das Grundstück in der KG-Bilanz mit 1,2 Mio. Euro zu aktivieren. In der OHG kann danach für A weiterhin eine 6b-Rücklage in Höhe von 900.000 Euro gebildet werden, mit der die Besteuerung des Gewinns aus den restlichen auf A entfallenden aufzudeckenden stillen Reserven suspendiert wird. Diese Rücklage kann aber nicht zeitlich unbegrenzt Bestand haben, sondern ist bis zum Ablauf der folgenden vier Wirtschaftsjahre befristet.

2.4 Sperrfrist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG Anders als bei der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG springen bei einer Übertragung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG stille Reserven von einem Mitunternehmer auf andere Mitunternehmer über. Der Gesetzgeber nimmt dies ausdrücklich hin, um wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen innerhalb der Mitunternehmerschaft nicht zu behindern. Damit soll aber kein Weg geebnet werden, um die stillen Reserven zu günstigeren steuerlichen Bedingungen aufzudecken. Deshalb macht § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG den Bestand der Buchwertübertragung von der Einhaltung einer Sperrfrist abhängig. Die Sperrfrist beträgt drei Jahre, sie beginnt jedoch nicht bereits mit der Übertragung des Wirtschaftsguts zu laufen, sondern setzt erst dann ein, wenn die Einkommensteuer- oder Feststellungserklärung, in der der Übertragungsvorgang (bei Steuerpflicht) zu erfassen wäre, beim zuständigen Finanzamt abgegeben wird (Anlaufhemmung). Wird das zum Buchwert übertragene Wirtschaftsgut innerhalb der Sperrfrist veräußert oder entnommen, muss rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert angesetzt werden. Damit wird bei Sperrfristverletzung sichergestellt, dass die stillen Reserven, die bis zur Übertragung entstanden waren, beim übertragenden Mitunternehmer, in dessen Sphäre sie sich gebildet hatten, versteuert werden. Der rückwirkende Ansatz des Teilwerts wird immer in voller Höhe vorgenommen, so dass die bis zur Übertragung des Wirtschaftsguts entstandenen stillen Reserven nicht nur in der Person des übertragenden Mitunternehmers, sondern stets auch in dem Jahr versteuert werden, in dem die Übertragung erfolgte. Dies hat aber keine rückwirkende Vollverzinsung zur Folge, denn in dem Sperrfrist verletzenden Vorgang ist ein rückwirkendes Ereignis14 zu sehen, welches den Verzinsungszeitraum hinausschiebt (§ 233a Abs. 2a AO). 14 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 27 Satz 3.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Beispiel A übertrug am 5.5.2010 ein unbebautes Grundstück (BW= 500.000 Euro, Teilwert = 1,5 Mio. Euro) aus dem Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer OHG, an der er zusammen mit B und C jeweils zu 1/3 beteiligt war. Hierdurch erhöhte sich sein Gesellschaftsanteil auf 1/2 und die Anteile von B und C verringerten sich auf jeweils 1/4. Das Grundstück wird am 18.6.2014 an den Käufer K für 1,8 Mio. Euro veräußert. Die Einkommensteuererklärung des A für 2010 wurde am 15.9.2011 bei dessen Wohnsitzfinanzamt abgegeben. Mit der Veräußerung des Grundstücks sind insgesamt stille Reserven von 1,3 Mio. Euro (= 1,8 Mio. Euro – 500.000 Euro) aufzudecken und als laufender Gewinn zu versteuern. Allerdings sind sie nicht den Gesellschaftern A, B und C nach deren Beteiligung an der OHG zuzurechnen. Da die Veräußerung des Grundstücks noch innerhalb der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG erfolgt, muss rückwirkend der Teilwert (= 1,5 Mio. Euro) angesetzt werden. Daher ergibt sich im Wirtschaftsjahr 2014 lediglich noch ein Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks in Höhe von 300.000 Euro (= 1,8 Mio. Euro – 1,5 Mio. Euro), der zur Hälfte auf A (= 150.000 Euro) und jeweils zu einem Viertel (= 75.000 Euro) auf B und C entfällt. Daneben muss A noch die stillen Reserven aus dem rückwirkenden Teilwertansatz (= 1 Mio. Euro) im Wirtschaftsjahr 2010 bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen) erfassen. Der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2010 des A kann gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden. Die hieraus resultierende nachzuzahlende Einkommensteuer ist jedoch nicht bereits ab 1.4.2012 zu verzinsen, weil der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem es zur Veräußerung des Grundstücks kommt, zu laufen beginnt (§ 233a Abs. 2a AO). Abwandlung A hatte seine Einkommensteuererklärung für 2010 bereits zum 30.5.2011 bei seinem Wohnsitzfinanzamt eingereicht. Da bei der Veräußerung des Grundstücks die Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG bereits abgelaufen ist, sind die stillen Reserven in voller Höhe bei der Gewinnermittlung der OHG im Wirtschaftsjahr 2014 zu erfassen und als laufender Gewinn den Mitunternehmern nach deren Beteiligungsquoten zuzurechnen. Damit entfällt auf A ein Gewinnanteil von 650.000 Euro sowie auf B und C von jeweils 325.000 Euro.

Trotz Sperrfristverletzung unterbleibt ein rückwirkender Teilwertansatz, wenn die Buchwertverknüpfung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in der Weise erfolgte, dass das Wirtschaftsgut in der Gesamthandsbilanz mit dem Teilwert angesetzt und die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven dem übertragenden Mitunternehmer durch Erstellung einer negativen Ergänzungsbilanz zugeordnet wurden. Damit bleiben die stillen Reserven bei dem Steuerpflichtigen steuerverhaftet, in dessen Sphäre sie entstanden waren. Dies gilt unabhängig davon, ob diese stillen Reserven innerhalb oder nach Ablauf der Sperrfrist aufgedeckt werden. Dies sieht die Finanzverwaltung allerdings dann anders, wenn durch die Übertragung zwar ein Rechtsträgerwechsel erfolgt, der Übertragende aber weiterhin in gleichem Umfang am Wirtschaftsgut beteiligt bleibt. Dies ist 116

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern z. B. der Fall, wenn ein betriebliches Wirtschaftsgut in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft übertragen wird, an der der Übertragende zu 100 % beteiligt ist.15 Bei einer Sperrfristverletzung kann der rückwirkende Teilwertansatz außer Progressionswirkungen auch Bedeutung für die Frage haben, ob der die Sperrfristverletzung auslösende Veräußerungsvorgang nach § 6b EStG begünstigt ist (vgl. § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG, der eine mindestens sechsjährige ununterbrochene Zugehörigkeit des begünstigten Wirtschaftsguts zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte fordert). Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund es zu einer Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts innerhalb der Sperrfrist kommt. So liegt eine Sperrfristverletzung auch dann vor, wenn ein Gläubiger auf das Einzelwirtschaftsgut zugreift und es innerhalb der Sperrfrist zu dessen Verwertung kommt. Auch eine „fiktive“ Entnahme i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG kann eine Sperrfristverletzung und damit den rückwirkenden Ansatz des Teilwerts auslösen. Allerdings lässt die Finanzverwaltung auch Ausnahmen von einer Sperrfristverletzung zu. So wird in einer nachfolgenden Übertragung des Wirtschaftsguts keine Sperrfristverletzung gesehen, wenn es innerhalb der ursprünglichen Sperrfrist wiederum gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zum Buchwert übertragen wird oder es zu einer Überführung nach § 6 Abs. 5 Satz 1 oder 2 EStG kommt16. Während bei einer Überführung des Einzelwirtschaftsguts die bisherige Sperrfrist weiter läuft, endet bei einer neuerlichen Buchwertübertragung die bisherige Sperrfrist und wird durch eine neue Sperrfrist ersetzt17. Kommt es in diesen Fällen dann doch noch zu einer Sperrfristverletzung, dann ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der Teilwert rückwirkend auf den Zeitpunkt der letzten Übertragung anzusetzen. Dies kann zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass in den Fällen einer zweiten Buchwertübertragung die bis zum Zeitpunkt der ersten Übertragung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG entstandenen stillen Reserven bei einem anderen Rechtsträger erfasst werden als demjenigen, in dessen Sphäre sie entstanden waren, während sie bei einer Sperrfristverletzung nach erfolgter Überführung des Einzelwirtschaftguts weiterhin bei den ursprünglich übertragenden Mitunternehmern erfasst werden. Beispiel An einer GmbH & Co. KG sind A und B mit jeweils 50 % als Kommandististen beteiligt. Die Komplementär-GmbH ist nicht vermögensmäßig beteiligt. Am 10.11.2011 wurde das Eigentum an einem unbebauten Grundstück, das zum Anlagevermögen der GmbH & Co. KG gehört, auf A übertragen, der es weiterhin der KG entgeltlich zur Nutzung überlässt (BW = 200.000 Euro, TW= 800.000 Euro). 15 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 26 Abs. 2 Satz 2. 16 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 23 Satz 1 und 3. 17 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 23 Satz 2.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Das Grundstück wird damit Sonderbetriebsvermögen des A. Hierfür gibt A 20 % Gesellschaftsrechte an B ab, der nunmehr mit 70 % an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Die Übertragung des Grundstücks erfolgt gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG zum Buchwert. Da die GmbH & Co. KG alsbald keinen Bedarf mehr für das Grundstück hat, wird das Nutzungsverhältnis bereits nach etwas mehr als einem Jahr beendet. Alternative 1: A überlässt das Grundstück am 12.12.2012 der X-KG, an der er zu 20 % beteiligt ist, zur Nutzung (? Überführung ins SBV des S bei der X-KG, § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG). Alternative 2: Das Grundstück wird am 12.12.2012 in das Gesamthandsvermögen der X-KG übertragen. S erhält hierfür 10 % weitere Gesellschaftsrechte an der X-KG (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG). Der Teilwert des Grundstücks beträgt zu diesem Zeitpunkt 860.000 Euro. Am 20.2.2016 wird das Grundstück an den Käufer K für 900.000 Euro veräußert (in Alternative 1 durch A, in Alternative 2 durch die X-KG). Die Feststellungserklärung der GmbH & Co. KG für das Jahr 2011 wird erst am 10.3.2013 beim zuständigen Finanzamt eingereicht. Die Feststellungserklärung für das Jahr 2012 der GmbH & Co. KG wird am 20.9.2013 abgegeben. Durch die Veräußerung des Grundstücks an K kommt es in beiden Fallvarianten zu einer Sperrfristverletzung. Bei Alternative 1 läuft die Sperrfrist bis zum 10.3.2016 und in Alternative 2 bis zum 20.9.2016. In der Alternative 1 kommt es zum rückwirkenden Teilwertansatz auf den ursprünglichen Übertragungsstichtag (= 10.11.2011). Damit sind stille Reserven von 600.000 Euro durch die Gesellschafter der GmbH & Co. KG, also durch A und B jeweils zur Hälfte, zu versteuern. Die restlichen stillen Reserven (= 100.000 Euro), die nach der ursprünglichen Übertragung entstanden sind, versteuert A allein, weil sie aus der Veräußerung seines Sonderbetriebsvermögens resultieren. In der Alternative 2 kommt es zum rückwirkenden Teilwertansatz auf den Zeitpunkt der zweiten Buchwertübertragung (= 12.12.2012). Damals war das Grundstück bereits Sonderbetriebsvermögen des A, so dass A nun im Jahr 2012 stille Reserven in Höhe von 660.000 Euro (= 860.000 Euro – 200.000 Euro) zu versteuern hat. Die restlichen stillen Reserven von 40.000 Euro werden im Jahr 2016 auf der Ebene der X-KG von A zu 30 % (= 12.000 Euro) und von den übrigen Mitunternehmern der X-KG zu 70 % (= 28.000 Euro) aufgedeckt und versteuert.

Eine weitere Ausnahme, in der die Finanzverwaltung keine Sperrfristverletzung annimmt, stellt die Realteilung einer Personengesellschaft dar, wenn für die gemäß § 6 Abs. 5 EStG übertragenen Wirtschaftsgüter eine neue Sperrfrist ausgelöst wird.18 Dies ist bei einer Realteilung aber nur für Grund und Boden, Gebäude oder andere wesentliche Betriebsgrundlagen der Fall (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Schließlich nimmt die Finanzverwaltung dann keine Sperrfristverletzung an, wenn das zum Buchwert übertragene Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt aus dem Betriebsvermögen während der Sperrfrist ausscheidet.

18 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 23 Satz 1.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Demgegenüber sieht die Finanzverwaltung einen Sperrfrist verletzenden Vorgang auch darin, dass das sperrfristbelastete Wirtschaftsgut mit einem Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gemäß § 24 UmwStG in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wird. Dies gilt unabhängig davon, ob bei der Einbringung Buchwerte, gemeine Werte oder Zwischenwerte angesetzt werden.19 2.5 Die Fälle des § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG Wird ein Einzelwirtschaftsgut nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen, an der auch eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse kapitalmäßig beteiligt ist, ist eine Buchwertverknüpfung insoweit nicht möglich, als hierdurch unmittelbar oder mittelbar der Anteil an dem Wirtschaftsgut für die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse begründet wird oder sich ein bereits bestehender Anteil erhöht. In diesen Fällen kommt es zu einem partiellen Teilwertansatz. Der Grund für diese einschränkende Regelung besteht darin, dass Körperschaften einem anderen Besteuerungsregime unterworfen sind, als dies für natürliche Personen als Mitunternehmer der Fall ist. Beispiel An einer GmbH & Co. KG sind der Kommanditist A und die B-GmbH als Komplementärin mit jeweils 50 % kapitalmäßig beteiligt. A überträgt eine Maschine (BW = 10.000 Euro, TW = 20.000 Euro), die er bisher der KG zur Nutzung überlassen hatte (? SBV des A), gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen der KG. Die Beteiligungsverhältnisse sehen danach so aus, dass A zu 60 % und die B-GmbH zu 40 % an der KG beteiligt sind. Es handelt sich um eine Übertragung eines Einzelwirtschaftguts i. S. des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG, die grundsätzlich zum Buchwert erfolgt. Weil hierdurch aber ein Anteil der B-GmbH an der Maschine in Höhe von 40 % begründet wird, kommt es insoweit zum Teilwertansatz. Die Maschine ist daher in der Gesamthandsbilanz mit 14.000 Euro (= 40 % aus 20.000 Euro zzgl. 60 % aus 10.000 Euro = 8.000 Euro + 6.000 Euro) zu aktivieren. Durch die Veräußerung seines Sonderbetriebsvermögens erzielt A einen (Sonder-)Gewinn in Höhe von 4.000 Euro (14.000 Euro – 10.000 Euro).

Ist die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse zu 100 % am Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft beteiligt, erfolgt die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus deren Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 oder 2 EStG zum Buchwert, denn deren Anteil am Wirtschaftsgut erhöht sich dadurch nicht. Das Gleiche gilt, wenn sich durch die Übertragung deren Anteil am Wirtschaftsgut verringern würde.20 19 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 33. 20 BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. 2011 I, 1279 Rdnr. 30.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern

3. Übertragung eines Einzelwirtschaftsgutes aus einem Privatvermögen 3.1 Allgemeines Die Finanzverwaltung hat sich mit Datum vom 11. Juli 201121 mit der Fallgestaltung der Übertragung eines Einzelwirtschaftsgutes aus dem Privatvermögen in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft beschäftigt. Das BMF-Schreiben ersetzt das vorangegangene BMF-Schreiben vom 26. November 2004.22 Anlass für die Neufassung des BMFSchreibens war vorangegangene BFH-Rechtsprechung23, die eine Anpassung bzw. Überarbeitung erforderlich machte. 3.2 Konzept der Gegenleistung im Rahmen des Einlagevorgangs Im BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 werden verschiedene Fallgestaltungen der Gutschrift auf Gesellschafterkonten als Gegenleistung für die Einlage des Einzelwirtschaftsgutes behandelt. Unterschieden werden dabei folgende Gesellschafterkonten: Kapitalkonto I

Gesellschafterkonto, das Gesellschafterrechte repräsentiert

Kapitalkonto II

variables Gesellschafterkonto, auf dem auch Entnahmen und Einlagen verbucht werden

gesamthänderisch gebun- Rücklagekonto bei der Personengesellschaft, denes Rücklagekonto das nicht auf den Namen eines Gesellschafters lautet, sondern den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zusteht

Dabei werden folgende Fallgestaltungen für mögliche Gegenbuchungen auf Gesellschafterkonten behandelt – Gutschrift auf einem Kapitalkonto I – Gutschrift auf einem variablen Kapitalkonto II – Gutschrift teilweise auf Kapitalkonto I und teilweise auf dem variablen Kapitalkonto II – Gutschrift teilweise auf dem Kapitalkonto I und teilweise auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagekonto – Gutschrift auf dem gesamthänderisch gebundenen Rücklagekonto

21 BMF, Schr. v. 11.7.2011, BStBl. 2011 I, 713. 22 BMF, Schr. v. 26.11.2004, BStBl. 2004 I, 1190. 23 BFH, Urt. v. 24.1.2008 – IV R 37/2006, BStBl. 2011 II, 617; BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. 2009 II, 464.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Entscheidend für die steuerliche Behandlung ist daher die bilanzielle Behandlung des Übertragungsvorgangs in der Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft.24 Das BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 übernimmt die Grundwertungen der vorangegangenen Rechtsprechung, wonach die Einlage eines Einzelwirtschaftsgutes aus einem Privatvermögen in das Gesamthandsvermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten25 stets und in vollem Umfang als entgeltlicher Vorgang zu werten ist. Naheliegend ist, dass die Gutschrift der Gegenleistung für die Einbringung auf einem variablen Gesellschafterkonto, das im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter als Forderung/Verbindlichkeit anzusehen ist, als entgeltlicher Vorgang gilt, da es sich um ein entgeltliches Austauschgeschäft mit Leistung und Gegenleistung handelt. Naheliegend ist ferner, dass auch die Gutschrift der Gegenleistung teilweise auf dem Kapitalkonto I und teilweise auf dem variablen Kapitalkonto II gleichermaßen als entgeltlicher Vorgang gilt. Lediglich dann, wenn die Gutschrift der Gegenleistung ausschließlich auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagekonto erfolgt, soll es sich bei dem Einlagevorgang um einen unentgeltlichen Vorgang handeln, dem kein Austauschgeschäft zugrunde liegt. In diesem Fall kann die Einlage in das Gesamthandsvermögen mit dem Verkehrswert erfolgen, ggf. ergibt sich eine Beschränkung des (steuerlichen) Einlagewertes aus § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG.26 Auf Ebene des einlegenden Gesellschafters entsteht damit kein Realisierungsvorgang, unabhängig davon, ob dieser noch steuerbehaftet ist oder nicht. Da es sich bei dieser Einlage um einen unentgeltlichen Vorgang handelt, unterliegt dieser u. U. der Besteuerung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer, da Begünstigte des Einlagevorgangs die Mitgesellschafter des einlegenden Gesellschafters sind. In Übereinstimmung mit dem BFH27 kommt das BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 zu dem Ergebnis, dass auch Einlagevorgänge, deren Gutschrift teilweise auf einem Kapitalkonto I und teilweise auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagekonto erfolgen, nicht aufzuteilen sind in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil. Das BMFSchreiben vom 11. Juli 2011 geht davon aus, dass es sich in diesem Fall um einen in vollem Umfang entgeltlichen Vorgang handelt. Dieses

24 Vgl. Tiede, StuB 2011, 610; Wißborn, NWB 2011, 2694. 25 BFH, Urt. v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BStBl. 2011 II, 617; BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. 2009 II, 464. 26 Begrenzung des Einlagewertes auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten bei einer vorangegangenen Anschaffung innerhalb von drei Jahren, bei einer wesentlichen Beteiligung gem. § 17 EStG bzw. einem Vermögensgegenstand gem. § 20 Abs. 2 EStG. 27 So auch BFH, Urt. v. 17.7.2008 – R 77/06, BStBl. 2009 II, 464.

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Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Ergebnis, insbesondere die Ungleichbehandlung der vollständigen Einlage auf dem gesamthänderischen Rücklagekonto, ist unbefriedigend.28 Zusammengefasst ergibt sich damit aus dem BMF-Schreiben folgende Wertung: Gesellschafterkonto Kapitalkonto I

Rücklagekonto gesamthänderisch

Verrechnungskonto Kapitalkonto II

Ausgleichszahlung

entgeltlich

Buchwertübertragung

entgeltlich

entgeltlich

Die einzelnen Fallgestaltungen des BMF-Schreibens vom 11. Juli 2011 können an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: A und B sind Gesellschafter der A & B OHG mit einem Kapitalkonto von je 100. B hält Anteile an einer GmbH (AK 100, Verkehrswert 200) im Privatvermögen. B legt die Anteile in A & B OHG ein. Die Gutschrift des Einlagewerts erfolgt: a) Einlagewert 200, Gutschrift auf Kapitalkonto I mit 200 b) Einlagewert 200, Gutschrift auf Kapitalkonto I mit 100 und auf gesamthänderischem Rücklagekonto mit 100 c) Einlagewert 100, Gutschrift auf gesamthänderischem Rücklagekonto mit 100

Nach dem BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 handelt es sich bei den Fallgestaltungen a) und b) jeweils um einen entgeltlichen Vorgang. Die Fallgestaltung c) ist dagegen voll unentgeltlich, ggf. handelt es sich um einen schenkungsteuerbaren Vorgang. Im BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 ist weiterhin die Fallgestaltung angesprochen, dass die Einlage des Einzelwirtschaftsgutes durch den einlegenden Gesellschafter nicht mit dem Verkehrswert des eingelegten Wirtschaftsgutes, sondern mit einem unter dem Verkehrswert liegenden Wert erfolgt und die Gutschrift (mit dem geringeren Wert) auf dem Kapitalkonto I erfolgt. Nach den vorangestellten Überlegungen führt die Verbuchung der Gegenleistung auf dem Kapitalkonto I zu einem voll entgeltlichen Vorgang und damit in vollem Umfang zu einer Realisierung möglicher stiller Reserven. Das BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 bietet demgegenüber die Möglichkeit, weiter von der bisherigen Verwaltungsauffassung auszugehen.29 Hiernach soll dieser Einlagevorgang aufzuteilen sein in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil. Soweit die Einlage danach auf dem Kapitalkonto I gutgeschrieben wird, handelt es sich um einen entgeltlichen Vorgang, der (anteilig) zu einer Auflösung von stillen Reserven führt. Soweit der Einlagewert unter dem Verkehrs-

28 So auch Tiede, StuB 2011, 612. 29 BMF, Schr. v. 29.3.2000, BStBl. 2000 I, 462.

122

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern wert des eingelegten Wirtschaftsguts liegt, soll es sich um eine verdeckte Einlage handeln.30 Erfolgt im oben genannten Beispiel die Einlage mit 120 (^ = 60 % des Verkehrswertes) auf dem Kapitalkonto I, handelt es sich zu 60 % um einen entgeltlichen und zu 40 % um einen unentgeltlichen Vorgang.

4. Übertragung von Sachgesamtheiten auf eine Mitunternehmerschaft 4.1 Allgemeines Die Übertragung von Sachgesamtheiten auf eine Mitunternehmerschaft erfolgt grundsätzlich innerhalb des Regelungsbereichs des § 24 UmwStG, sofern die Einlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten geleistet wird. Im sog. Umwandlungsteuererlass31 ist die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung auch im § 24 UmwStG erfasst. Unter einer Sachgesamtheit werden im Allgemeinen ein Betrieb oder Teilbetriebe verstanden. Darüber hinaus können Anteile an einer Mitunternehmerschaft, aber auch Anteile an einer Kapitalgesellschaft unter den Begriff subsumiert werden. Letztere werden aber auch im Kontext der Übertragung in bzw. aus Gesellschaften auch als Einzelwirtschaftsgüter genannt. 4.2 Konzept der Gegenleistung im Regelungszusammenhang des § 24 UmwStG Auch bei der Übertragung einer Sachgesamtheit auf eine Personengesellschaft handelt es sich grundsätzlich um einen tauschähnlichen Vorgang, der zu einer Aufdeckung von stillen Reserven führt32, d. h. die Wirtschaftsgüter sind mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Sind im Einzelnen die Voraussetzungen des § 24 UmwStG gegeben, kann auf Antrag auf die Auflösung von stillen Reserven verzichtet werden. Es besteht in diesem Fall das Wahlrecht, die Einlage mit dem Teilwert, dem Buchwert oder einem Zwischenwert anzusetzen. Liegen die Voraussetzungen des § 24 UmwStG vor, kommt im Falle der Buchwertoption das sog. Nettoprinzip zur Anwendung, d. h. die Einzelbestandteile der Sachgesamtheit, 30 Vgl. Siegmund/Ungemach, NWB 2011, 2859. 31 BMF, Schr. v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. 2011 I, 1314 (zur Anwendung des Umwandlungsteuergesetzes i. d. F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften [SEStEG] = Umwandlungsteuererlass). 32 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock: Umwandlungssteuerrecht, § 24 Rdnrn. 81 ff.

123

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern die Vermögensgegenstände und Schulden können jeweils mit ihrem steuerlichen Buchwert übernommen werden, wie er von dem einlegenden Gesellschafter in der Schlussbilanz angesetzt worden ist. Das Konzept des § 24 UmwStG unterscheidet sich insoweit von dem Handelsrecht. Die Einlage eines Betriebes oder Teilbetriebes in eine Mitunternehmerschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten gilt handelsrechtlich aus Sicht der Mitunternehmerschaft als Anschaffungsvorgang, der es erlaubt, die erworbenen Vermögenswerte mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Als Anschaffungspreis (Gegenleistung) gelten dabei die ausgegebenen neuen Gesellschaftsrechte bzw. deren Verkehrswert. In der Handelsbilanz der aufnehmenden Mitunternehmerschaft muss der eingelegte Betrieb oder Teilbetrieb bzw. die zugrundeliegenden Vermögensgegenstände und Schulden damit mit dem Verkehrswert angesetzt werden. Für steuerliche Zwecke kann von der handelsrechtlichen Behandlung abgewichen werden. Liegen die Voraussetzungen des § 24 UmwStG vor, kann der Übertragungsvorgang steuerlich zu Buchwerten erfolgen. Abzustellen ist dabei auf die steuerliche Gesamtbilanz der aufnehmenden Mitunternehmerschaft. Werden hiernach handelsrechtlich im Zuge der Übertragung stille Reserven des Betriebes oder Teilbetriebes aufgedeckt, können diese für steuerliche Zwecke durch eine Ergänzungsbilanz wieder abgestockt werden. Eine Gewinnrealisierung unterbleibt, sofern aus der Zusammenfassung von Gesamthands- und Ergänzungsbilanzwert der Wertansatz der steuerlichen Schlussbilanz des einlegenden Gesellschafters entspricht. Zu beachten ist lediglich, dass in der Handelsbilanz eine Rückstellung für passive latente Steuerbelastung nach § 253 HGB entsteht. Voraussetzung für die Anwendung des § 24 UmwStG ist allerdings, dass als Gegenleistung für die Einlage des Betriebs oder Teilbetriebs eine Verbuchung auf dem Festkapital (Kapitalkonto I) bzw. auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagekonto.33 Die Buchung muss also auf dem Kapitalkonto erfolgen, das Gesellschaftsrechte repräsentiert, oder es müssen weitere Gesellschaftsrechte eingeräumt werden.34 Dabei bleibt allerdings offen, was unter „weiteren Gesellschaftsrechten“ in diesem Kontext zu verstehen ist, wie z. B. zusätzliche Stimmrechte, erhöhter Anteil am Liquidationserlös o. ä. Erfolgt dagegen eine Gutschrift auf dem Gesellschafterverrechnungskonto, handelt es sich insoweit um einen (teil-)entgeltlichen Vorgang, der zu einer (Teil-)Aufdeckung von stillen Reserven führt. Gegenüber dem Vorentwurf des Umwandlungsteuererlasses ist in Tz. 24.07 Abs. 1 Satz 4 nun ausdrücklich klar gestellt, dass auch die Ver-

33 Vgl. BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. 2011 I, 1314 Rdnr. 24.07 Abs. 1. 34 BFH, Urt. v. 25.4.2006 – VIII R 52/04, BStBl. 2006 II, 847.

124

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern buchung auf einem variablen Kapitalkonto (z. B. Kapitalkonto II) für die Anwendung des § 24 UmwStG unschädlich ist.35 Dabei bleibt allerdings offen, ob dies nur den Fall betrifft, in dem der Gesellschaftsvertrag keine festen Kapitalkonten vorsieht, die die Gesellschaftsrechte repräsentieren oder jegliche Gesellschafterkonten, die wegen einer Haftung für Verluste als Eigenkapital zu werten sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist eine anteilige Verbuchung auf einem gesamthänderischen Rücklagekonto der Mitunternehmerschaft unkritisch. Je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages ist handelsrechtlich jedoch auch ein Ausweis eines Gesellschafterkontos als Rücklage möglich, auch wenn das betreffende Konto auf den Namen des Gesellschafters lautet. Entscheidend ist dabei lediglich, ob das betreffende Kapital für die Abdeckung künftiger Verluste der Gesellschaft haftet.36 Ist nach einer Gesamtbetrachtung das betreffende Konto als Eigenkapital zu werten, kommt in der Handelsbilanz ein Ausweis als Rücklage und damit als Bestandteil des Eigenkapitals in Betracht, auch wenn die Rücklagekonten individualisiert sind.37 Gesellschafterkonten einer Personengesellschaft sind häufig als Kapitalkonto I, Kapitalkonto II, Kapitalkonto III usw. bezeichnet, ohne den Begriff als Rücklage, Verrechnungskonto usw. zu verwenden. Die Bezeichnung eines Kontos als Kapitalkonto schafft für sich betrachtet noch nicht die Übereinstimmung mit § 24 UmwStG. Der Charakter des Kapitalkontos muss vielmehr anhand allgemeiner Kriterien beurteilt werden. Als entscheidendes Merkmal kommt auch für steuerliche Zwecke die mögliche Verrechnung mit künftigen Verlusten der Gesellschaft in Betracht38. Es ergibt sich hiernach folgende Klassifizierung im Regelungskontext des § 24 UmwStG: Gesellschafter- Rücklagekonto konto gesamtindividuell Kapitalkonto I händerisch

Verrechnungs- Ausgleichskonto zahlung Kapitalkonto II

Buchwertübertragung

entgeltlich

Buchwertübertragung

BuchwertÜbertragung?

entgeltlich

Vergleicht man das Konzept der Gegenleistung bei der Einlage eines Einzelwirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen bzw. aus dem Privat-

35 36 37 38

Vgl. Rödder/Rogall, Ubg 2011, 758. Vgl. Entwurf des IDW RS 7. Vgl. Wälzholz, DStR 2011, 1815. Vgl. BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. 2011 I, 1314 Rdnr. 24.07 Abs. 1 Satz 6 i. V. m. BMF, Schr. v. 30.5.1997, BStBl. 1997 I, 627; BMF, Schr. v. 11.7.2011, BStBl. 2011 I, 713; Strahl, Ubg 2011, 439.

125

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern vermögen sowie bei der Einlage von Sachgesamtheiten ergibt sich folgendes Bild: Einzelwirtschaftsgut

Sachgesamtheit

Betriebsvermögen

Privatvermögen

§ 24 UmwStG

Kapitalkonto I

Buchwert

entgeltlich

Buchwert

Kapitalkonto I und Rücklage

Buchwert

entgeltlich

Buchwert

Kapitalkonto I (teil)entgeltlich und Verrechnungskonto

(voll)entgeltlich

(teil)entgeltlich

gesamthänderisches Rücklagekonto

Buchwert

Buchwert

§ 6 Abs. 3 EStG?

Übernahme von Verbindlichkeiten

entgeltlich

entgeltlich

Buchwert (Nettoprinzip)

4.3 Einzelfragen 4.3.1 Ausgliederung eines Betriebes oder Teilbetriebes Voraussetzung für die Anwendung des § 24 UmwStG bei der Einbringung eines Betriebes oder Teilbetriebes in eine Mitunternehmerschaft ist, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die Mitunternehmerschaft übertragen werden. Eine wesentliche Betriebsgrundlage wird in diesem Zusammenhang funktional verstanden und nicht wertmäßig.39 Im Gegensatz zu § 20 UmwStG ist in § 24 UmwStG keine vergleichbare Regelung enthalten, nach der die Gewährung einer sonstigen Gegenleistung im Rahmen eines Einlagevorgangs unschädlich ist. Die Finanzverwaltung folgert hieraus, dass immer dann, wenn eine anteilige Verbuchung der Gegenleistung auf einem Verrechnungskonto des einlegenden Gesellschafters erfolgt, es sich anteilig um einen Teilrealisierungsvorgang handelt.40 Die Behandlung steht im Gegensatz zu dem allgemeinenX Nettoprinzip bei der Anwendung des § 24 UmwStG. Im Übrigen ist auch nach Auffassung des BFH Voraussetzung für die Anwendung des § 24 UmwStG, dass die Gegenleistungen für die Einlage des Betriebes ausschließlich Gesellschaftsrechte sein müssen.41 VIm Umwandlungsteuerlass wird in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 11. Dezember 200142 Bezug genommen. Im Schrifttum wird 39 40 41 42

Vgl. Strahl, Ubg 2011, 436. Vgl. BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. 2011 I, 1314 Rdnr. 24.07 Abs. 2. BFH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII R 13/07, BStBl. 2009 II, 993. BFH, Urt. v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. 2002 II, 420.

126

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern unter Bezugnahme auf das sog. „Einbringungsurteil“43 allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung gerade nicht die Einbringung von betrieblichen Sachgesamtheiten, sondern die Einbringung von Einzelwirtschaftsgütern betrifft.44 Im Rahmen der Ausgliederung eines Betriebes oder Teilbetriebes können sich dabei ungewollte Realisierungsvorgänge ergeben. Dies zeigt folgendes Beispiel: C&D GmbH & Co KG hat zwei Teilbetriebe Teilbetrieb I mit einem anteiligen Eigenkapital von 100 und einem Verkehrswert von 500 soll in eine 100 %ige Tochtergesellschaft eingebracht werden. Das anteilige Eigenkapital wird bei der Tochterpersonengesellschaft auf dem Kapitalkonto I (Fall 1), auf dem Kapitalkonto I und Rücklagekonto (Fall 2), auf dem Kapitalkonto II bei einem Verrechnungssaldo auf der Aktivseite (Fall 3) bzw. auf dem Kapitalkonto I bei einem Passivsaldo gutgeschrieben: Bei den einzelnen Alternativen ergibt sich folgendes Bilanzbild:

Anlagevermögen Umlaufvermögen

Fall 1

Fall 2

Fall 3

Fall 4

1.000

1.000

1.000

1.000

550

550

300

550

Verrechnungskonto Aktiva Gesamt

250 1.550

1.550

1.550

1.550

Pensionsverpflichtung

800

800

800

800

Verbindlichkeiten

650

650

650

500

Verrechnungskonto Verbindlichkeiten Gesamt Kapital

150 1.450

1.450

1.450

1.450

100

40

100

100

1.550

1.550

Rücklagekonto Passiva Gesamt

60 1.550

1.550

In dem genannten Beispiel sind die Fälle 1 und 2 im Kontext des § 24 UmwStG unkritisch. Die Gegenleistung erfolgt ausschließlich auf dem Kapitalkonto I bzw. auf einem gesamthänderischen Rücklagekonto, womit die Voraussetzungen des § 24 UmwStG vorliegen. Im Fall 3 entsteht ein Verrechnungskonto zwischen Gesellschafter und Tochtergesellschaft, allerdings zugunsten der aufnehmenden Personengesellschaft. Da es sich insoweit nicht um eine Gegenleistung an den einlegenden Gesellschafter handelt, ergibt sich auch keine (Teil-)Gewinnrealisierung. Im Gegensatz dazu entsteht in der Fallgestaltung 4 ein Verrechnungskonto 43 BFH, Urt. v. 15.7.1976 – I R 17/74, BStBl. 1976 II, 748. 44 Strahl, Ubg 2011, 440.

127

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern auf der Passivseite der aufnehmenden Personengesellschaft. Nach den geschilderten Prinzipien liegt insoweit eine sonstige Gegenleistung vor, was zu einer (Teil)Gewinnrealisierung führt45. Im Beispielsfall errechnet sich diese wie folgt: Gegenleistung:

Nominalwert

Verkehrswert

anteilig

Kapitalkonto I

100

350

70 %

Verrechnungskonto

150

150

30 %

500 Veräußerungsgewinn Verrechnungskonten ./. 30 % v. Buchwert (nominal) steuerpflichtig also

150 30 120

Das Beispiel zeigt, dass sich je nach Fallgestaltung über eine Zufälligkeit ein (teil-) entgeltlicher Vorgang ergeben kann. Die Zufälligkeit einer Fallgestaltung zeigt aber auch, dass das Entgeltgeltkonzept des § 24 UmwStG nicht schlüssig ist46, insbesondere soweit dies von dem Konzept des § 20 UmwStG abweicht. Auch wenn sich im Zuge der Einlage ein Verrechnungs- oder Darlehenskonto ergibt, bleiben die stillen Reserven des Betriebs bzw. Teilbetriebs in Gänze erhalten und werden durch die Gesellschaftsrechte repräsentiert. Ein Lösungsansatz zur Vermeidung unerwünschter Realisierungsvorgänge kann darin bestehen, einzelne Vermögenswerte gezielt dem Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft zuzuweisen, so dass ein Verrechnungskonto zugunsten des Gesellschafters vermieden wird. Dies kann anhand folgenden Beispiels verdeutlicht werden: Einzelunternehmer A beabsichtigt, sein Einzelunternehmen in eine GmbH & Co KG „umzuwandeln“. Das Einzelunternehmen hat ein Eigenkapital von 1.500 und einen Verkehrswert von 3.000. 1. Alternative: Das gesamte Einzelunternehmen inkl. Betriebsgrundstück wird auf die A GmbH & Co KG übertragen. 2. Alternative: A behält das Grundstück in seinem Eigentum zurück und verpachtet das Betriebsgrundstück an die A GmbH & Co KG.

45 Vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht, § 24 Rdnr. 60. 46 A. A. Patt, GmbH-StB 2011, 303 unter Verweis auf FG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2011, EFG 2011, 491.

128

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern Ausgangssituation

1. Alternative

2. Alternative

Gesamthand SoBV Anlagevermögen Grundvermögen

1.000

1.000

Sonstiges AV

1.500

1.500

Umlaufvermögen

1.800

1.800

1.800

Aktiva Gesamt

4.300

4.300

3.300

1.000

Eigenkapital

1.500

500

500

1.000

Verbindlichkeiten

2.800

2.800

2.800

Verrechnungskonto Passiva Gesamt

1.000 1.500

1.000 4.300

4.300

3.300

1.000

Das Beispiel zeigt, dass bei der ersten Alternative ein Verrechnungskonto zugunsten des einlegenden Gesellschafters entsteht, was zu einer Teilgewinnrealisierung führt. Diese unerwünschte Folge kann dadurch vermieden werden, dass das Grundstück im Eigentum des Gesellschafters zurückbehalten wird. Wird das Grundstück an die aufnehmende Personengesellschaft zur Nutzung überlassen, handelt es sich um Sonderbetriebsvermögen. Die teilweise Übertragung von notwendigem Betriebsvermögen in Sonderbetriebsvermögen hindert nicht die Anwendung des § 24 UmwStG.47 Bei Alternative 1 handelt es sich um eine Einlage gegen Mischentgelt, das anteilig zu einer Realisierung von stillen Reserven führt. Gegenleistung: Kapitalkonto I Verrechnungskonto

Nominal

Wert

anteilig

500

2.000

66,67 %

1.000

33,33 %

1.000

3.000 Veräußerungsgewinn Verrechnungskonten

1.000

./. 33,33 % v. Buchwert

167

steuerpflichtig also

833

Bei der Alternative 2 entsteht keine Gegenleistung. Die Übertragung in das SoBV ist ausreichend.48

47 Strahl, Ubg 2011, 438. 48 BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. 2011 I, 1314 Rdnr. 24.05.

129

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern 4.3.2 Einbringung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft Auch die Einbringung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten gilt als tauschähnlicher Vorgang, der zu einer Realisierung von stillen Reserven führt49. Der Anteil an einer Kapitalgesellschaft kann Bestandteil eines Betriebsvermögens oder aber Bestandteil des Privatvermögens sein. Dies steht im Gegensatz zu den sonstigen Sachgesamtheiten Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil, die begrifflich stets als Betriebsvermögen anzusehen sind. Bei dem Anteil an einer Kapitalgesellschaft handelt es sich grundsätzlich um ein Einzelwirtschaftsgut. Umfasst der Anteil an der Kapitalgesellschaft jedoch das gesamte Grund- oder Stammkapital, bedeutet dies innerhalb des Umwandlungssteuergesetzes eine Sonderstellung. Der 100 %ige Anteil am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft wird im Kontext der Spaltung einer Kapitalgesellschaft gemäß §§ 15 ff. UmwStG als Teilbetrieb fingiert.50 Im Zuge der Abfassung des neuen Umwandlungsteuererlasses war zunächst offen, ob diese Wertung auch für § 24 UmwStG übernommen werden kann.51 Der Entwurf des Umwandlungsteuererlasses in der Fassung vom 2. Mai 2011 enthielt insoweit keine konkrete Aussage.52 Der endgültige Umwandlungsteuerlass in der Fassung des BMF-Schreibens vom 11. November 2011 regelt nun aber ganz klar, dass der 100 %ige Anteil an einer Kapitalgesellschaft auch für Zwecke des § 24 UmwStG als Teilbetrieb gilt.53 Auf der Grundlage dieser Fiktion kann daher auch die 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als fiktiver Teilbetrieb nach § 24 UmwStG in eine Mitunternehmerschaft eingebracht werden. Diese gesetzliche Fiktion gilt allerdings nur für den 100 %igen Anteil am Grund- oder Stammkapital. Wird diese Grenze nicht erreicht, verbleibt es bei der generellen Einordnung als Einzelwirtschaftsgut. § 24 UmwStG unterscheidet tatbestandlich nicht nach dem Ursprung der Einlage, ob es sich also um Betriebs- oder Privatvermögen handelt. Aus diesem Grund liegt es nahe, § 24 UmwStG auch auf die Einlage eines 100 %igen Anteils an einer Kapitalgesellschaft anzuwenden, der Bestandteil eines Privatvermögens ist. Bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen in und aus einer Mitunternehmerschaft besteht innerhalb des Regelungsbereichs des § 24 UmwStG 49 50 51 52 53

BFH, Urt. v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BFH/NV 2008, 854. BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. 2011 I, 1314 Rdnr. 15.02. Verneinend: BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. 2009 I, 464. Vgl. Ott, StuB 2011, 471. BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. 2011 I, 1314 Rdnr. 24.02; vgl. hierzu auch Rödder/Rogall, Ubg 2011, 758.

130

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern keine schlüssige und durchgängige Systematik. Dies kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: H hält Anteile an der Gamma GmbH, die in die G GmbH & Co KG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingelegt werden sollen. Mitgesellschafter der G GmbH & Co KG ist G. Alt. 1: H hält 100 % der Gesellschaftsanteile Alt. 2: H hält 95 % der Gesellschaftsanteile

Lösungshinweis Bei Alt. 1 handelt es sich um einen fiktiven Teilbetrieb i. S. des § 24 UmwStG. Unabhängig von dem Ursprung der Vermögensart (Betriebsoder Privatvermögen) kann die Einlage auf der Grundlage des § 24 UmwStG in die Personengesellschaft zum Buchwert erfolgen. Bei Alt. 2 kommt dagegen die Teilbetriebsfiktion nicht zur Anwendung. Ist der Anteil Bestandteil eines Betriebsvermögens, erfolgt die Einlage gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1. Alternative 1 zwingend zum Buchwert. Handelt es sich bei dem GmbH-Anteil des Einbringenden H dagegen um Privatvermögen, liegt ein tauschähnlicher Vorgang vor, der zwingend zu einer Aufdeckung von stillen Reserven führt. Abwandlung 1 H wandelt die Gamma GmbH vor der Einlage in eine GmbH & Co KG um/Gegenstand der Einlage ist ein Mitunternehmeranteil Alt. 1: H hält 100 % der Gesellschaftsanteile Alt. 2: H hält 95 % der Gesellschaftsanteile

Lösungshinweis In beiden Alternativen entsteht durch die Umwandlung der Gamma GmbH in eine GmbH & Co KG ein Mitunternehmeranteil, der die Voraussetzungen des § 24 UmwStG erfüllt. Die Einlage kann daher zum Buchwert erfolgen. Es müssen jedoch die vorgelagerten steuerlichen Konsequenzen der Umwandlung der GmbH in eine Mitunternehmerschaft beachtet werden. Scheidet ein Mitunternehmer aus einer Mitunternehmerschaft gegen Übernahme von Vermögenswerten aus dem Gesamthandsvermögen aus, handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH um gegenläufige Veräußerungen, zum einen um die Veräußerung des Mitunternehmeranteils des ausscheidenden Gesellschafters, zum anderen um die Veräußerung der Mitunternehmerschaft zur Befriedigung des Ausscheidensguthabens.54 Dies gilt selbst dann, wenn der ausscheidende Mitunternehmer

54 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 24.5.1973 – IV R 64/70, BStBl. II 1973, 655; BFH, Urt. v. 28.11.1989 – VIII R 40/84, BStBl. II 1990, 561.

131

Seitz/Düll, Übertragung von Wirtschaftsgütern eine Sachgesamtheit in Form eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils übernimmt.55 Abwandlung 2 Nach zwei Jahren stellen G und H fest, dass sie nicht zusammenarbeiten können und dass der alte Zustand wieder hergestellt werden soll. Alt. 1: Tochtergesellschaft GAMMA ist eine GmbH Alt. 2: Tochtergesellschaft GAMMA ist eine GmbH & Co KG

Lösungshinweis Bei der 1. Alternative kann eine Rückübertragung der GmbH-Beteiligung auf der Grundlage des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG zum Buchwert erfolgen, wenn die Übertragung in ein Betriebsvermögen und gegen Minderung von Gesellschaftsrechten bei der G GmbH & Co KG erfolgt. Wird die Beteiligung dagegen in ein Privatvermögen überführt, erfolgt zwingend eine Auflösung von stillen Reserven, unabhängig davon, ob es sich um eine 100 %ige Beteiligung an der Kapitalgesellschaft handelt oder nicht. Erfolgt die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Auflösung der GmbH & Co KG, kann die Übertragung nach den Grundsätzen der Realteilung gem. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG zum Buchwert erfolgen. Voraussetzung ist allerdings die Übertragung in ein Betriebsvermögen jeweils von H und G. Handelt es sich bei dem zurück zu übertragenden Gesellschaftsanteil um den Anteil an einer Personengesellschaft, besteht die Problematik, dass keine Vorschrift existiert, die eine Buchwertübertragung explizit erlaubt. Die analoge Anwendung des § 24 UmwStG wird im Allgemeinen abgelehnt. Denkbar ist jedoch auch in diesem Fall die Übertragung im Zuge einer Realteilung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG. Dies setzt jedoch die Auflösung der Personengesellschaft voraus.56

55 Dietel, DStR 2011, 1493. 56 Vgl. Dietel, DStR 2011, 1493.

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Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Dr. Thomas Wagner Steuerberater, Düsseldorf Inhaltsübersicht

I. Einleitung II. Grundzüge des Treuhandmodells III. Historie IV. Begründung des Treuhandverhältnisses/steuerliche Anerkennung V. Ausgestaltung/Strukturdetails 1. Beteiligungsverhältnisse 2. Kein „atypisches“ Treuhandmodell VI. Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument 1. Organschaftsähnliche Wirkung 2. Steuerneutrale Realisation von stillen Reserven

a) Verfolgter Zweck b) Flexibilität im Vergleich mit anderen Gebilden/Vorschriften c) Übertragung von Grundbesitz d) Sale & lease-back 3. Strukturierung von Verkaufsprozessen a) Share statt asset deal b) Steuerliche Konsequenzen c) Veräußerung nur von 94,9 % der KG-Anteile d) Formwechsel in GmbH als Zwischenschritt VII. Fazit

I. Einleitung Die jüngere BFH-Rechtsprechung (BFH vom 3.2.2010 – IV R 26/07)1 hat dem Treuhandmodell zu einer Renaissance verholfen, zumal auch die Finanzverwaltung in Anbetracht des BFH-Urteils ihre Position überdacht hat. Der folgende Beitrag geht auf die Gestaltungsmöglichkeiten ein, die sich durch das Treuhandmodell eröffnen.

II. Grundzüge des Treuhandmodells Das Treuhandmodell baut auf einer von einem einzigen Gesellschafter wirtschaftlich beherrschten Kommanditgesellschaft (KG) auf. Sie ist derart ausgestaltet, dass sie zwar zivilrechtlich existent, ertragsteuerlich aber vollumfänglich transparent ist. Die Transparenz erstreckt sich dabei nicht nur auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern auch auf die Gewerbesteuer. Die KG ist nicht selbst Gewerbesteuerschuldner. 1 BFH, Urt. v. 3.2.2010 – IV R 26/07, BStBl. II 2010, 751.

133

Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Die typische Struktur beim Treuhandmodell sieht wie folgt aus:

Komplementär Treugeber

Treuhandvertrag 100 %

99,9 %

Kommanditist Treunehmer 0,1 %

TH-KG

Abbildung 1: Zivilrechtliche Struktur2

Die Treuhand-KG (TH-KG) hat zwei Gesellschafter (Komplementär und Kommanditist). Der Komplementär beteiligt sich mit nahezu 100 % (hier: 99,9 %) am Vermögen der Gesellschaft. Der einzige Kommanditist – zumeist eine GmbH – hält eine minimale Vermögensbeteiligung (hier: 0,1 %). Üblicherweise hält der Komplementär zugleich 100 % der Anteile an der GmbH, die als Kommanditist fungiert. Im Hinblick auf den vom Kommanditisten gehaltenen Anteil an der Treuhand-KG wird ein Treuhandvertrag geschlossen. Nach diesem Vertrag hält der Kommanditist als Treunehmer3 das Treugut in Gestalt des KG-Anteils zu Gunsten des Komplementärs als Treugeber. Dabei wird durch die Vereinbarungen im Treuhandvertrag die zivilrechtliche Gesellschafterstellung des Kommanditisten mit ihren Rechten und Pflichten derart ausgehöhlt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung der Komplementär – und nicht der Kommanditist – als Gesellschafter erscheint. Das Ertragsteuerrecht schließt sich dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise an. Dementsprechend wird der treuhänderisch gehaltene KG-Anteil ebenso wie die Einkünfte aus dem Anteil nicht dem zivilrechtlichen Gesellschafter – mithin dem Kommanditisten als Treunehmer –, sondern dem wirtschaftlichen Eigentümer – mithin dem Komplementär als

2 Siehe eine ähnlich Abbildung u. a. bei OFD Rheinland v. 24.11.2010, Kurzinfo Est 55/2010G 1400 – St 157 (02/2007); Benz/Goß, DStR 2010, 840; Hubertus/Lüdemann, BB 2010, 2476. 3 Die Wörter „Treunehmer“ und „Treuhänder“ sind austauschbar. Im Beitrag wird der Begriff „Treunehmer“ verwendet.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Treugeber – zugerechnet.4 Der Komplementär vereinigt damit wirtschaftlich seinen eigenen Anteil mit dem vom Kommanditisten zivilrechtlich gehaltenen Anteil. Er wird damit zum alleinigen (Mit-)Unternehmer. Der Kommanditist ist kein Mitunternehmer der Treuhand-KG, weil ihm Mitunternehmerrisiko und -initiative fehlen.5 Da eine Mitunternehmerschaft im ertragsteuerlichen Sinne mindestens zwei Mitunternehmer benötigt und die Treuhand-KG nur einen (Mit-)Unternehmer hat (daher auch die Bezeichnung als „Ein-Unternehmer-Personengesellschaft“6), kann sie keine Mitunternehmerschaft sein. Die Treuhand-KG ist ertragsteuerlich vollständig transparent. Im Regelfall ist die KG wie eine Betriebsstätte im Hinblick auf den Gewerbebetrieb des Komplementärs (Stammhaus) zu behandeln.7 Auf Ebene der KG ist damit keine einheitliche und gesonderte Feststellung der von der KG erzielten Einkünfte vorzunehmen. Die KG ist auch kein Gewerbesteuerschuldner, wobei dies bis zum Urteil des BFH vom 3.2.2010 umstritten war. Abweichend von der zivilrechtlichen Struktur ergibt sich damit ertragsteuerlich folgendes Bild:

Komplementär Stammhaus 100 % Kommanditist

TH-KG Betriebsstätte Abbildung 2: Ertragsteuerliche Struktur8

4 Siehe insb. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO; BFH v. 3.2.2010, a. a. O., Tz. 27 aa), wobei der BFH aus ertragsteuerlicher Sicht zu Recht nicht auf den KG-Anteil als solchen abstellt, sondern auf die aus dem Anteil erzielten Einkünfte. 5 BFH v. 3.2.2010, a. a. O., Tz. 27 aa). 6 Siehe u. a. BFH v. 3.2.2010, a. a. O., Tz. 28 bb); OFD Rheinland v. 24.11.2010 – Kurzinfo Est 55/2010G 1400 – St 157 (02/2007). 7 Siehe dazu Benz/Goß, DStR 2010, 839 m. w. N. in Fn. 5. Bei fehlenden gewerblichen Einkünften der Treuhand-KG dürfte wohl nicht einmal eine Betriebsstätte, sondern lediglich ein unselbständiger Teil des Betriebs des Komplementärs vorliegen. 8 Siehe eine ähnliche Abbildung u. a. bei Benz/Goß, DStR 2010, 840.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Infolge der ertragsteuerlichen Transparenz gelingt es auch im Rahmen der Gewerbesteuer Verluste der Treuhand-KG (Betriebsstätte) mit Gewinnen des Komplementärs (Stammhaus) zu verrechnen und vice versa. Der bei einer als Mitunternehmerschaft ausgestalteten KG mögliche „lockin-Effekt“ im Hinblick auf gewerbesteuerliche Verluste wird vermieden, da die Treuhand-KG nicht selbst Gewerbesteuerschuldner ist.9 Des Weiteren sind Rechtsgeschäfte zwischen dem Komplementär und der Treuhand-KG ertragsteuerlich unbeachtlich. Daher können Wirtschaftsgüter – ohne spezifische Voraussetzungen – ertragsteuerneutral zwischen dem Komplementär und der Treuhand-KG bewegt werden. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um ein entgeltliches Geschäft zwischen Komplementär und Treuhand-KG handelt, bei dem handelsrechtlich stille Reserven realisiert werden.

III. Historie Die einkommen- bzw. körperschaftsteuerliche Behandlung einer nach dem Treuhandmodell ausgestalteten KG war – im Gegensatz zur gewerbesteuerlichen Behandlung – in der jüngeren Vergangenheit unumstritten (keine Mitunternehmerschaft). Mit Blick auf die Gewerbesteuer stellte sich die Finanzverwaltung im März 2005 jedoch abweichend von der vorherigen Praxis in diversen OFD-Verfügungen10 auf den Standpunkt, dass eine Treuhand-KG selbst Gewerbsteuerschuldner ist. Lediglich für Altfälle, d. h. vor dem 18.9.200411 bekannte und anerkannte Fälle, wurde Bestandsschutz gewährt. Ungeachtet der im Schrifttum geäußerten Kritik an der geänderten Finanzverwaltungsauffassung bestätigte das FG Düsseldorf mit seiner Entscheidung vom 19.4.200712 diese Auffassung im Ergebnis.13 Die FGEntscheidung wurde in der Revision durch den BFH mit Urteil vom 3.2.201014 jedoch aufgehoben. Der BFH setzte sich dabei umfassend mit 9 Siehe auch Hubertus/Lüdemann, BB 2010, 2476. 10 OFD Münster v. 13.2.2004, aktualisiert am 16.3.2005, DStR 2005, 744; OFD Hannover v. 22.3.2005 – G 1400 – 430 – StO 254, DB 2005, 858; OFD Magdeburg v. 4.4.2005 – G 1400 – 13 – St 213, DStR 2005, 867. 11 Am 18.9.2004 fand eine Sitzung der Bund- und Länderreferenten statt, in der diese sich entschlossen, dem Treuhandmodell die (gewerbesteuerliche) Anerkennung zu versagen. Siehe dazu u. a. Wild/Reinfeld, DB 2005, 69 sowie Benz/ Goß, DStR 2010, 840 mit dem Hinweis auf einen Antrag zur Erteilung einer verbindlichen Auskunft als Auslöser für die Sitzung. 12 FG Düsseldorf v. 19.4.2007 – 16 K 4489/06, EFG 2007, 1097. 13 Zur Historie des Treuhandmodells bis zum 2009 siehe auch Ley, Ubg 2009, 260 f. 14 BFH, Urt. v. 3.2.2010 – IV R 26/07.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument den Erwägungen des FG Düsseldorf – bspw. im Hinblick auf die Bedeutung von § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG15 – auseinander und wies dessen Auffassung zurück. Nach Ansicht des BFH ist eine Treuhand-KG nicht nur keine Mitunternehmerschaft, sondern auch kein Gewerbesteuerschuldner. Infolge der BFH-Entscheidung hat auch die Finanzverwaltung ihre Praxis überdacht. Sie hat ihre geänderte Auffassung aus dem Jahr 2005 aufgegeben und wendet das BFH-Urteil über den Einzelfall hinaus an. Mit der Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt erkennt sie das Treuhandmodell wieder an.16 Zudem gibt es diverse OFD-Verfügungen, die sich in diese Richtung äußern.17

IV. Begründung des Treuhandverhältnisses/steuerliche Anerkennung Zur Begründung des Treuhandverhältnisses ist ein Treuhandvertrag erforderlich. Die Kernelemente dieses Vertrags sind: – das Halten des KG-Anteils durch den Kommanditisten (als Treunehmer) für Rechnung und Gefahr des Komplementärs (als Treugeber), – die Weisungs- und Herausgabeberechtigung des Komplementärs (als Treugeber) im Hinblick auf das Treugut oder zumindest im Hinblick auf das mit dem Treugut Erlangten sowie die korrespondierende Gebundenheit des Kommanditisten (als Treunehmer) in dieser Hinsicht sowie – die Vollmacht des Kommanditisten (als Treunehmer) zu Gunsten des Komplementärs (als Treugeber) hinsichtlich der Ausübung der Gesellschafterrechte aus dem Kommanditanteil. Sämtliche aufgezählten Kernelemente des Treuhandvertrags zielen darauf ab, die mit dem rechtlichen Eigentum am KG-Anteil verbundene

15 BFH v. 3.2.2010, a. a. O., Tz. 32 ff. Das FG Düsseldorf (a. a. O.) hatte hier ebenso wie die Finanzverwaltung (bspw. die OFD Magdeburg in ihrer Verfügung v. 4.4.2005), eine zivilrechtliche Auslegung von § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG befürwortet. 16 Siehe zur Wirkung der Veröffentlichung eines Urteils im Bundessteuerblatt zuletzt BFH v. 31.08.2011 – X R 19/10, BFH/NV 2012, 300. Siehe zudem u. a. OFD Magdeburg v. 18.2.2011 – G 1400 – 13-St 216. 17 OFD Niedersachsen v. 5.10.2010 – G 1400 – 430 – St 254; OFD Rheinland v. 24.11.2010 – Kurzinfo Est 55/2010G 1400 – St 157 (02/2007); OFD Magdeburg v. 18.2.2011 – G 1400 – 13-St 216. Eine offizielle Äußerung des BMF in Gestalt eines BMF-Schreibens ist nicht zu erwarten, da es ausschließlich um die Frage nach der Gewerbesteuer geht, deren Aufkommen den Gemeinden zusteht.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Verfügungsmacht dergestalt einzuschränken, dass sie letztlich als „leere Hülle“ erscheint. Als Folgewirkung geht die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten verloren und das Treuhandmodell kann seine Wirkung entfalten.18 Mit Blick auf die steuerliche Anerkennung des Treuhandverhältnisses sind in § 159 AO besondere Nachweispflichten verankert. Diese besonderen Nachweispflichten sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass ein Treuhandverhältnis formlos geschlossen werden kann. In der Praxis empfiehlt es sich selbstverständlich, die Treuhandvereinbarung schriftlich zu schließen. Ferner ist zu empfehlen, ein Entgelt für die Tätigkeit als Treunehmer19 zu vereinbaren. Auch wenn die Vereinbarung eines Entgelts nicht zwingend für die steuerliche Anerkennung ist, so ist das Entgelt dennoch ein Indiz für die Existenz einer solchen Vereinbarung und für ihre tatsächliche Durchführung.20

V. Ausgestaltung/Strukturdetails 1. Beteiligungsverhältnisse Die idealtypische Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses ist in Abschnitt II beschrieben. Auch wenn sich diese idealtypische Ausgestaltung in der Praxis empfiehlt, kann von ihr abgewichen werden, ohne dass die steuerliche Anerkennung der Konstruktion gefährdet ist. So muss der Komplementär nicht (100 %-)Gesellschafter des Kommanditisten sein. Für das Treuhandmodell ist es ausreichend, wenn der Kommanditist seinen KG-Anteil treuhänderisch für den Komplementär hält.21

18 Um ertragsteuerlich zusätzliche Sicherheit zu schaffen, empfiehlt es sich, die Rechte des Kommanditisten bereits im Gesellschaftsvertrag der KG soweit zu beschränken, dass schon nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen fraglich ist, ob der Kommanditist – unter Ausblendung des Treuhandverhältnisses – in ausreichendem Maße über Mitunternehmerrisiko und -initiative verfügt. Sollte das Treuhandverhältnis nicht anerkannt werden, könnte dann immer noch auf die fehlende Mitunternehmerstellung des Kommanditisten verwiesen werden. Vgl. dazu auch Clemens, Tax Notes International 2010, 558. 19 Bei der Tätigkeit handelt es sich regelmäßig um eine Geschäftsbesorgung des Treunehmers für den Treugeber: Für die Tätigkeit besteht ein Anspruch des Treunehmers auf Vorschuss und Ersatz von Aufwendungen (§§ 669, 670 BGB). 20 Sollte der Komplementär zudem – wie üblich und in Abbildung 1 unterstellt – sämtliche Anteile am Kommanditisten (in der Rechtsform einer GmbH) halten, kann der Verzicht auf ein Entgelt zur Annahme einer vGA führen. 21 Siehe Clemens, Tax Notes International 2010, 556.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Zudem funktioniert das Treuhandmodell auch mit anderen Beteiligungsverhältnissen im Hinblick auf die jeweils vom Komplementär und vom Kommanditisten gehaltenen Vermögensbeteiligungen an der Treuhand-KG als den beispielhaft gewählten 99,9 % und 0,1 %. Insbesondere kann der Kommanditist auch eine höhere Beteiligung am Vermögen der KG halten, wenngleich davon aus diversen steuerlichen Gründen abzuraten ist.22 Ob nicht nur eine Annäherung, sondern sogar eine vollumfängliche Realisierung der steuerlich eigentlich wünschenswerten 100 %/0 %-Struktur möglich ist, ist fraglich. Zwar ist die Stellung des Kommanditisten grundsätzlich an seine (bedungene) Einlage gebunden,23 was die Verpflichtung zur Leistung zumindest einer minimalen Einlage nahelegt. Allerdings sind in der Praxis Strukturen zu beobachten, in denen der Kommanditist ohne (bedungene) Einlage und damit ohne jegliche Beteiligung am Vermögen der KG nur über die Vereinbarung einer Haftsumme an der KG beteiligt ist. Diese Strukturen werden von den Registergerichten auch eingetragen. Insofern scheint eine 100 %/0 %-Struktur realisierbar. 2. Kein „atypisches“ Treuhandmodell Beim Treuhandmodell ist der Treugeber stets der Komplementär und der Treunehmer ist stets der Kommanditist. Das Treugut ist damit stets die KG-Beteiligung des Kommanditisten („typisches“ Treuhandmodell). Ein „atypisches“ Treuhandmodell mit dem Kommanditisten als Treugeber und dem Komplementär als Treunehmer funktioniert dagegen aus steuerlicher Sicht nicht. Die Treuhand-KG wäre bei einer solchen Konstellation weiterhin Mitunternehmerschaft und damit auch weiterhin Gewerbesteuerschuldner.24 Grund hierfür ist, dass einem Komplementär anders als einem Kommanditisten die Haftung und auch die Vertretungsmacht25 nicht vertraglich entzogen werden können.26 Der Komplementär bliebe daher selbst im Falle einer Treuhandvereinbarung im Hinblick auf seine Beteiligung an der KG Mitunternehmer und die KG wäre als Folgewirkung weiterhin eine Mitunternehmerschaft, da sie mit dem Kommanditisten und dem Komplementär zwei Mitunternehmer hätte.

22 U.a. mit Blick auf § 15a EStG und die Grunderwerbsteuer. 23 Vgl. §§ 167 Abs. 2, 169 Abs. 1 HGB und Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 172 Rz. 10. 24 Siehe Clemens, Tax Notes International 2010, 557. 25 Siehe § 170 HGB. Die Geschäftsführungsbefugnis kann dagegen entzogen werden. 26 BFH v. 3.2.2010, a. a. O., Tz. 27 aa). Vgl. auch Hubertus/Lüdemann, BB 2010, 2477.

139

Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument

VI. Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Die umfassende ertragsteuerliche Transparenz der Treuhand-KG kann in vielfältiger Weise genutzt werden. 1. Organschaftsähnliche Wirkung Das Treuhandmodell kann unter anderem zum Aufbau von Konzernstrukturen genutzt werden. Die operative Trennung von Geschäftsbereichen kann durch die rechtliche Trennung begleitet werden (eine Treuhand-KG pro Geschäftsbereich). Obwohl einzelne Geschäftsbereiche dann in Tochter-KGs betrieben würden, fände ertragsteuerlich infolge der einheitlichen Gewinnermittlung beim Komplementär eine Konsolidierung statt. Das Treuhandmodell hat somit organschaftsähnliche Wirkungen.27 Diese Ähnlichkeit bezieht sich insbesondere auf die Möglichkeit der Verlustverrechnung für Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuerzwecke. Anders als bei der ertragsteuerlichen Organschaft kommt es bei Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen dem Stammhaus und der Betriebstätte (oder im Falle mehrerer KGs zwischen den diversen Betriebsstätten) auch nicht zur Realisierung von Zwischengewinnen.28 Nachteilig im Vergleich zur ertragsteuerlichen Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft kann sich beim Treuhandmodell allerdings die fehlende Eignung der KG als Organgesellschaft für Zwecke der Umsatzsteuer auswirken.29 Dies gilt vor allem dann, wenn steuerbefreite Leistungen erbracht werden, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Wirkungen und Voraussetzungen des Treuhandmodells im Vergleich zur ertragsteuerlichen Organschaft: Ertragsteuerliche Organschaft

Treuhandmodell

Rechtsfolgen Verlustverrechnung Für Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuerzwecke

Für Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuerzwecke

Keine Besteuerung von Zwischengewinnen

Ja

Nein

27 Siehe in diesem Sinne u. a. Stegemann, INF 2003, 631; Hubertus/Lüdemann, BB 2010, 2476. 28 Vgl. Clemens, Tax Notes International 2010, 559. 29 Kraft/Sönnichsen, DB 2011, 1937.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument Ertragsteuerliche Organschaft

Treuhandmodell

Vermeidung gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen

Ja (für Zahlungen innerhalb des Organkreises)

Ja (für Zahlungen zwischen Komplementär und Treuhand-KG)

GewerbesteuerHebesatzeffekt

Ja (Vor-/Nachteil je nach Verteilung)

Ja (Vor-/Nachteil je nach Verteilung)

Haftungsabschirmung

Nein (Verlustübernahme/ § 302 AktG)

Nein (Haftung als Komplementär)

(Mindest-)Laufzeit

Grundsätzlich 5 Jahre (wg. Gewinnabführungsvertrag)

Keine

Beteiligungsvoraussetzungen

> 50 % Stimmrechte, faktisch wg. Gewinnabführungsvertrag oftmals 75 % bzw. bei GmbH sogar 100 %

100 % Stimmrechte und Vermögen

Begleitende umsatzsteuerliche Organschaft möglich

Keine begleitende umsatzsteuerliche Organschaft möglich

Voraussetzungen

Sonstiges Umsatzsteuer

2. Steuerneutrale Realisation von stillen Reserven Der Haupteinsatzbereich des Treuhandmodells ist wohl die durch dieses Modell geschaffene Möglichkeit, handelsrechtlich stille Reserven ohne gleichzeitige ertragsteuerliche Belastung aufzudecken und auf diese Weise ertragsteuerneutral ein höheres Eigenkapital im HGB-Einzelabschluss zu schaffen.30 Zu diesem Zweck setzt eine GmbH (als späterer Komplementär) das Treuhandmodell auf und überträgt in einem Folgeschritt das Vermögen auf die Treuhand-KG. a) Verfolgter Zweck Die Erhöhung des Eigenkapitals kann vor allem unter folgenden Gesichtspunkten notwendig oder zumindest wünschenswert sein: – Verbesserung der Eigenkapitalquote,31 bspw. mit Blick auf covenants in Kreditverträgen. 30 Bei handelsrechtlichem Verkehrswertansatz und gleichzeitig steuerlicher Fortführung der Buchwerte sind allerdings passive latente Steuern zu berücksichtigen. Vgl. Bünning, BB 2011, 2358. 31 Siehe dazu auch Hubertus/Lüdemann, BB 2010, 2477.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument – Ermöglichung von Ausschüttungen bei fehlenden handelsbilanziellen Rücklagen. Im Zusammenhang mit der Erhöhung des Eigenkapitals kann ggf. auch zusätzliche Fremdfinanzierung (von Banken oder vom Gesellschafter32) aufgenommen werden, um die Ausschüttung zu finanzieren. – Schaffung der Möglichkeit zum Erwerb eigener Anteile.33 – Ermöglichung eines „debt push-downs“, insbesondere durch einen downstream merger (mit Schuldenüberhang) im Anschluss an eine fremdfinanzierte Übernahme. b) Flexibilität im Vergleich mit anderen Gebilden/Vorschriften Losgelöst von dem im Einzelfall verfolgten Zweck ist zu betonen, dass die Übertragung von Wirtschaftsgütern des Komplementärs auf die Treuhand-KG ertragsteuerlich stets unbeachtlich ist.34 Die Ertragsteuerneutralität des Übertragungsvorgangs ist daher immer gewährleistet und damit zugleich unabhängig davon, ob: – die Übertragung unentgeltlich, teil- oder vollentgeltlich (oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an der KG) erfolgt, – der Übertragungsgegenstand ein einzelnes Wirtschaftsgut, mehrere Wirtschaftsgüter oder ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil ist und – Schulden mit übernommen werden oder nicht.35 Im Vergleich zu sonstigen Vorschriften bzw. Gebilden, die das deutsche Ertragsteuerrecht für die ertragsteuerneutrale Übertragung von Vermögen auf eine Tochterpersonengesellschaft zur Verfügung stellt, erweist sich das Treuhandmodell damit als deutlich flexibler. Die Vorteile sind dabei nicht auf den Übertragungsvorgang als solchen begrenzt, sondern betref32 Es würde sich dann um eine fremdfinanzierte Ausschüttung handeln, über die effektiv ebenso wie beim downstream merger ein „debt push-down“ erreicht werden kann. 33 Seit BilMoG erfolgt ein offenes Absetzen von den Rücklagen unabhängig davon, ob die eigenen Anteile zum Zweck der Einziehung oder zu einem anderen Zweck (bspw. Weiterveräußerung) erworben werden. Vgl. § 272 Abs. 1a HGB. 34 Insbesondere bedarf es dabei keiner Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG, auch nicht von S. 1 des § 6 Abs. 5 EStG. Vgl. Stegemann, INF 2003, 631; Wild, DB 2005, 69. 35 Zu beachten sind in diesem Zusammenhang allerdings die umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Je nach Gegenstand der Übertragung kann es sich daher um eine Lieferung oder sonstige Leistung handeln. Ggf. kommt auch eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i. S. v. § 1 Abs. 1a UStG in Frage.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument fen auch die laufende Besteuerung nach erfolgtem Übertragungsvorgang. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick:36 Mitunternehmerschaft

Vermögensverwaltende Personengesellschaft

TreuhandKG

Gewerbesteuer- Ja schuldner

Nein

Nein

Betrieb (Zinsschranke)

Nein

Nein37

Ja

Nein38

§ 6 Abs. 5 S. 3 ff. EStG

§ 24 UmwStG

Laufende Besteuerung der Personengesellschaft

Ja

Einheitliche Ja und gesonderte Feststellung Übertragung auf die Personengesellschaft Übertragungsgegenstand

Einzelne Wirtschaftsgüter

(Teil-)Betrieb, Im Ergebnis Keine (Teil) Mitunter- keine WirtRestriktion nehmer-Anteil schaftsgüter, die zu gewerblichen Einkünften führen

Gegenleistung

Unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten

Gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten

Wertansatz

Zwingend Buchwert

Buchwert, Zwi- Zwingend schenwert oder Buchwert39 gemeiner Wert

Problemfeld

Vorbehalte (Sperrfristen)/ Übernahme von Verbindlichkeiten gilt als Entgelt40

Fehlende Qualifikation als (Teil-)Betrieb oder (Teil-) Mitunternehmer-Anteil

Keine Restriktion

Keine Restriktion

Zwingend Buchwert

Wirtschaftsgüter, die zu gewerblichen Einkünften führen

36 Siehe für einen ähnlichen Vergleich auch Bünning, BB 2010, 2357. 37 Kraft/Sönnichsen, DB 2011, 1937. 38 Siehe hierzu nur BMF v. 8.12.2011 IV C 6 – S 2241/10/10002, DStR 2011, 2401, Tz. 15. 39 Gl. A. OFD Berlin, St 122 – S 2241 – 3/02, DB 2004, 1235. A. A. Niedersächsisches FG vom 28.9.2009, 3 K 869/04, EFG 2010, S 729. Die Revision ist beim BFH anhängig (Aktenzeichen: IV R 44/09). 40 Vgl. u. a. Kraft/Sönnichsen, DB 2011, 1937; BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 – S 2241/10/10002, DStR 2011, 2401, Tz. 15.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument c) Übertragung von Grundbesitz Bei der Übertragung von Grundbesitz vom Komplementär auf die Treuhand-KG sind die grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen zu beachten. Die Übertragung ist zwar regelmäßig steuerbar. Allerdings greift jedenfalls im Umfang der unmittelbaren zivilrechtlichen Beteiligung des Komplementärs am Vermögen der Treuhand-KG die Befreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG.41 Wenn es bei der Übertragung von Grundbesitz auf die Treuhand-KG um die Erhöhung des Eigenkapitals des Komplementärs geht, kann als Alternative zur rechtlichen Übertragung des Grundbesitzes auch eine „quoad sortem“-Einlage, d. h. eine Einlage nur dem Werte nach ins Auge gefasst werden. Zwar kommt es auch hier zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang (Verschaffung der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG). Allerdings zieht diese Alternative keine Grundbuchberichtigung nach sich. Bei einer (fremd-)vermieteten Immobilie bleibt zudem auch die (rechtliche) Vermieterstellung des Komplementärs unberührt. d) Sale & lease-back Oftmals werden die auf die Treuhand-KG übertragenen (Einzel-)Wirtschaftsgüter – bspw. Immobilien, Lizenzen o. Ä. – weiterhin für den Betrieb des Komplementärs benötigt. In diesen Fällen ist es daher erforderlich, die Wirtschaftsgüter nach der Übertragung an den Komplementär zurück zu überlassen (sale & lease-back). Die Zahlungen des Komplementärs an die Treuhand-KG sind ertragsteuerlich unbeachtlich. Sie unterliegen damit keiner gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. 3. Strukturierung von Verkaufsprozessen a) Share statt asset deal Ein weiterer Anwendungsbereich des Treuhandmodells ist die Strukturierung von Verkaufsprozessen. Ein kommerzieller Vorteil kann dabei vor allem entstehen, wenn mehrere Vermögensgegenstände oder Rechtsbeziehungen (bspw. Lieferanten- und Kundenverträge, Anstellungsverträge etc.) oder sogar ein gesamter Geschäftsbereich herausgelöst und veräußert werden sollen. Die einzelnen Vermögensgegenstände und/oder Rechtsbeziehungen werden dann zunächst in eine nach dem Treuhand41 Kraft/Sönnichsen, DB 2011, 1937. Möglicherweise kommt sogar eine vollumfängliche Befreiung in Betracht, obwohl der Kommanditist einen Zwerganteil hält. Vereinzelt werden verbindliche Auskünfte mit einer vollumfänglichen Befreiung erteilt. Bei der Übertragung von Grundbesitz auf die Treuhand-KG durch eine Personengesellschaft als Komplementär ist im Übrigen nicht § 5 Abs. 2 GrEStG, sondern § 6 Abs. 3 GrEStG einschlägig.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument modell ausgestaltete KG übertragen und im Anschluss daran wird der KG-Anteil veräußert (siehe dazu Abbildung 3). Am Markt kann dann das gesamte Konglomerat angeboten und im Rechtsmantel der KG und durch Anteilsübertragung veräußert werden (share deal statt asset deal).

Komplementär Stammhaus 1

Einzelnes WG, (Teil-)Betrieb 2

Verkauf Anteile

TH-KG Betriebsstätte Abbildung 3: Vermögensübertragung und share deal

Ein möglicher Erwerber kann dann im nächsten Schritt entscheiden, ob er: – die KG anwachsen lassen möchte, – die KG fortbestehen lassen möchte (steuerlich wahlweise als Mitunternehmerschaft oder unter Etablierung eines Treuhandmodells) oder – die KG formwechseln und beispielsweise als GmbH fortbestehen lassen möchte. b) Steuerliche Konsequenzen Ertragsteuerlich ist die vorbereitende Übertragung der Vermögensgegenstände und Rechtsbeziehung auf die Treuhand-KG irrelevant. Die Gewinnrealisierung erfolgt erst bei Verkauf der KG-Anteile. Der Verkauf der KG-Anteile wird dabei so besteuert, als wären die zum KG-Vermögen gehörenden Wirtschaftsgüter einzeln durch den Komplementär veräußert worden. Ungeachtet der ertragsteuerlichen Irrelevanz der Vermögensübertragung auf die KG liegt aus umsatzsteuerlicher Sicht grundsätzlich eine steuerbare Lieferung oder sonstige Leistung vor.42 Je nach Art des Übertragungs42 Bei fremdunüblichem Entgelt kommt ggf. die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4, 5 UStG in Frage. Die Treuhand-KG könnte eine nahestehende Person des Gesellschafters des Komplementärs sein. Siehe dazu Abschnitt 10.7 Abs. 1 UStAE.

145

Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument gegenstands kann es sich auch um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i. S. v. § 1 Abs. 1a UStG handeln. Die Veräußerung der KG-Anteile dürfte regelmäßig nach § 4 Nr. 8 f. UStG umsatzsteuerbefreit sein.43 Die Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug des Komplementärs wäre in diesem Fall zu beachten.44 Wenn auch Grundbesitz auf die Treuhand-KG (zum Zweck der späteren Mitveräußerung) übertragen werden soll, dann sind wiederum die grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen zu beachten. Die Übertragung von Grundbesitz vom Komplementär auf die Treuhand-KG ist steuerbar, aber nach § 5 Abs. 2 GrESt steuerbefreit. Die Bemessungsgrundlage dieses steuerbefreiten Vorgangs ist der Wert der Gegenleistung, d. h. bei einem schlichten Kauf durch die KG der Kaufpreis (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).45 Dieser Kaufpreis kann auch fremdunüblich niedrig sein. Eine Mindestbemessungsgrundlage kennt das Grunderwerbsteuerrecht nicht. Bei Verkauf der KG-Anteile innerhalb von 5 Jahren nach der Übertragung des Grundbesitzes auf die KG wird die Befreiung insoweit rückgängig gemacht, wie sich der Anteil des Komplementärs am Vermögen der Treuhand-KG vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG). Im Falle einer Veräußerung sämtlicher KG-Anteile im Anschluss an die Grundstücksübertragung ist der Übertragungsvorgang daher effektiv voll steuerpflichtig. Bei der Rückgängigmachung der Steuerbefreiung handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO.46 Die Veräußerung von mindestens 95 % der KG-Anteile löst zudem ein weiteres Mal Grunderwerbsteuer aus (siehe § 1 Abs. 2a bzw. 3 GrEStG). Die Bemessungsgrundlage ist in diesem Fall der Bedarfswert nach § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG. Die Steuerbelastung durch das zweimalige Auslösen von Grunderwerbsteuer dürfte sich indes infolge der Anrechnung gemäß § 1 Abs. 2a S. 3 GrEStG zumeist in Grenzen halten. Falls es dagegen durch die Anteilsübertragung zu einer signifikanten Mehrbelastung mit Grunderwerbsteuer kommt, kann über Strukturierungsmaßnahmen nachgedacht werden, die die Entstehung von Grunderwerbsteuer auf diese Anteilsübertragung vermeiden.

43 Wegen der Veräußerung von 100 % der Anteile könnte auch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i. S. v. § 1 Abs. 1a UStG vorliegen. Vgl. in diesem Sinne BFH v. 27.1.2011 – IV R 38/09, DStR 2011, 454, wobei es im Streitfall um eine AG ging. Vgl. in diesem Kontext auch Grünwald, DStR 2012, 437. 44 Das Problem der Versagung des Vorsteuerabzugs dürfte indes regelmäßig durch Option zur Steuerpflicht nach § 9 Abs. 1 UStG beherrschbar sein. 45 Bei einem unentgeltlichen Vorgang oder bei einer Einbringung sind dagegen die Bedarfswerte heranzuziehen (§ 8 Abs. 2 GrEStG). 46 Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Auflage, § 5 Rz. 113.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument c) Veräußerung nur von 94,9 % der KG-Anteile Um die Grunderwerbsteuer auf die Veräußerung der KG-Anteile zu vermeiden, kann über die Veräußerung von nur 94,9 % der Anteile nachgedacht werden. Die weiteren 5,1 % der Anteile werden zurückbehalten. Um dem Käufer ein möglichst großes Maß an Rechtssicherheit zu geben, wird eine Kaufoption für die zurückbehaltenen Anteile vereinbart. Diese Option wird erst nach Ablauf von 5 Jahren ausgeübt. Effektiv fällt in diesem Fall auf die Übertragung von 100 % der KG-Anteile nur Grunderwerbsteuer i. H. v. 5,1 % des Bedarfswerts des Grundbesitzes an. Zudem wird die Befreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG nur zu 94,9 % rückgängig gemacht. Losgelöst von den grunderwerbsteuerlichen Vorteilen stehen einer solchen zweistufigen Übertragung von KG-Anteilen oftmals kommerzielle Erwägungen im Wege. Daher bietet sich eine weitere Strukturalternative an. d) Formwechsel in GmbH als Zwischenschritt Bei dieser Strukturalternative wird zwischen der Übertragung des Vermögens (inkl. Grundbesitz) und der Veräußerung der Anteile ein Formwechsel der KG in eine GmbH vorgenommen (siehe Abbildung 4).

Komplementär Stammhaus

1 3

2

Verkauf Anteile

TH-KG GmbH

Abbildung 4: Formwechsel als Zwischenschritt

Die Anteile an der GmbH können dabei vom Erwerber durch einen 94,9 %/5,1 % „Grunderwerbsteuer-Blocker“ erworben werden, so dass die Übertragung der GmbH-Anteile mangels Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG keine Grunderwerbsteuer auslöst. Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG auf die Übertragung des Grundbesitzes vom Komplementär auf die Treuhand-KG wird infolge des Formwechsels in eine GmbH zwar rückgängig gemacht (sinn-

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument gemäße Anwendung von § 5 Abs. 3 GrEStG).47 Allerdings kennt das Grunderwerbsteuergesetz wie bereits zuvor erwähnt keine Mindestbemessungsgrundlage mit der Konsequenz, dass auf alle Strukturierungsschritte ggf. nur einmal Grunderwerbsteuer anfällt. Der Kaufpreis als Bemessungsgrundlage kann hierbei zudem fremdunüblich niedrig sein kann. Die aufgezeigte Gestaltung kann vor dem Hintergrund der Erhöhung der Grunderwerbsteuer in diversen Bundesländern eine Strukturierungsalternative mit der Zielsetzung der Konservierung niedriger Grunderwerbsteuersätze sein. Da es sich bei dem Wegfall der Befreiung nach § 5 Abs. 3 GrEStG um ein rückwirkendes Ereignis handelt, müssten auch die niedrigen, im Zeitpunkt des (usprünglichen) Übertragungsvorgangs auf die KG geltenden Grunderwerbsteuersätze Anwendung finden. Ein in der Zwischenzeit bis zum Formwechsel in die GmbH erhöhter Steuersatz müsste dagegen irrelevant sein. Sofern eine Veräußerung von Grundbesitz geplant ist und eine Grunderwerbsteuererhöhung droht, kann daher eine Übertragung von Grundbesitz auf die KG erfolgen. Der Formwechsel in die GmbH sowie die Veräußerung der GmbH-Anteile erfolgen erst dann, wenn ein Käufer für den Grundbesitz gefunden wurde. Ertragsteuerlich ist zu beachten, dass der Formwechsel zu einer – im Vergleich zum Anteilsverkauf vorgezogenen – Aufdeckung der stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern führt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei der Übertragung nicht (zumindest) um die Einbringung eines Teilbetriebs handelt (vgl. § 20 UmwStG), die die Buchwertfortführung ermöglichen würde. Die steuerlichen Nachteile durch die Realisierung der stillen Reserven schon beim Formwechsel dürften indes überschaubar sein, weil der Formwechsel stets (mit zeitlichem Abstand zur ursprünglichen Übertragung und) in zeitlicher Nähe zur Veräußerung der GmbH-Anteile erfolgen dürfte. Die beim Formwechsel aufgedeckten stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern schlagen sich dabei in Anschaffungskosten für die GmbH-Anteile nieder (gedachte Ein-

47 Ein Sonderfall könnte vorliegen, wenn die Treuhand-KG durch eine Ausgliederung von Vermögen des Komplementärs entstanden ist und der Grundbesitz vom Komplementär im Zuge dieser oder einer späteren Ausgliederung auf die Treuhand-KG übertragen wird. Neben der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG könnte dann auch § 6a GrEStG einschlägig sein (Grunderwerbsteuerbefreiung von Umwandlungsvorgängen im Verbund). Da § 6a GrEStG auch Ausgliederungen auf eine GmbH umfasst, bestünde jedenfalls im Hinblick auf den Formwechsel keine Notwendigkeit, die Befreiung rückgängig zu machen. Im Moment der Veräußerung der GmbH-Anteile (binnen 5 Jahre nach Ausgliederung des Grundbesitzes) würde dann allerdings – wiederum rückwirkend – die Grunderwerbsteuer erhoben.

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Wagner, Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument bringung zum Teilwert), so dass bei der Veräußerung der Anteile regelmäßig kein (signifikanter) Veräußerungsgewinn zu besteuern sein dürfte.

VII. Fazit Durch das BFH-Urteil vom 3.2.2010 und infolge der Anwendung dieses Urteils durch die Finanzverwaltung dürfte das Treuhandmodell eine Renaissance erleben. Das Modell eröffnet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Hervorzuheben ist dabei seine organschaftsähnliche Wirkungsweise und die damit verbundene Möglichkeit zur Schaffung von Personengesellschaftskonzernen ohne Gewerbesteuerinseln. Zudem ermöglicht das Treuhandmodell bei Existenz von stillen Reserven eine ertragsteuerneutrale Erhöhung des Eigenkapitals im HGB-Einzelabschluss. Außerdem kann es bei der Strukturierung von Verkaufsprozessen eingesetzt werden.

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Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Dr. Stefanie Beinert, LL. M. Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Frankfurt a. M. mit Anmerkungen von Dr. Rolf Möhlenbrock, Bundesministerium der Finanzen, Berlin Inhaltsübersicht

A. Einführung B. Nationaler und europäischer Teilbetriebsbegriff I. Nationaler Teilbetriebsbegriff II. Europäischer Teilbetriebsbegriff C. Vorgaben der Fusionsrichtlinie I. Kriterien des Teilbetriebs 1. Funktionaler Aspekt 2. Finanzieller Aspekt 3. Maßgebliche Perspektive II. Zuzuordnende Wirtschaftsgüter 1. Praktikabilität 2. Funktionaler Aspekt 3. Missbrauchsaspekt 4. Keine Besonderheit bei Verbindlichkeiten III. Übertragung der maßgeblichen Wirtschaftsgüter D. Vorgaben des UmwStG I. Fiktiver Teilbetrieb 1. Fiktiver Teilbetrieb: 100 %Beteiligung 2. Fiktiver Teilbetrieb: Mitunternehmeranteil II. Zeitpunkt des Vorliegens des Teilbetriebs E. Auslegung des UmwSt-Erlasses 2011 und kritische Würdigung I. Doppeltes Teilbetriebserfordernis (Abspaltung) II. Originärer Teilbetrieb 1. Kriterien des Teilbetriebs 2. Zuzuordnende Wirtschaftsgüter

3. 4. 5. 6.

III. 1. 2. 3.

a) Funktional wesentliche Betriebsgrundlagen b) Nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbare Wirtschaftsgüter aa) Aussagen im UmwStErlass 2011 bb) Aussagen von Vertretern der Finanzverwaltung cc) Zuordnung im Lichte der FusionsRL c) Rechtsfolgen bei fehlerhafter Zuordnung Zeitpunkt des Vorliegens des Teilbetriebs Übertragung der maßgeblichen Wirtschaftsgüter Veränderungen im Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Umwandlung Gestaltungsmöglichkeiten bei gemischt-genutzten wesentlichen Betriebsgrundlagen a) Wirtschaftliches Miteigentum b) „Auslagerung“ einzelner Wirtschaftsgüter c) Nach wirtschaftlichen Grundsätzen zuordenbare Wirtschaftsgüter Fiktiver Teilbetrieb Zuzuordnende Wirtschaftsgüter Zuordenbare Wirtschaftsgüter Zeitpunkt des Vorliegens des Teilbetriebs

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG IV. Rechtsfolgen auf Anteilseignerebene bei Fehlen der Teilbetriebsvoraussetzung

F. Folgerungen für die Praxis

A. Einführung Die Finanzverwaltung hat sich im UmwSt-Erlass 20111 entschlossen, ab dem 31.12.20112 einheitlich – also auch in rein nationalen Umwandlungsfällen – den europäischen Teilbetriebsbegriff anzuwenden. Der BFH hatte hinsichtlich der Übertragung der funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem obiter dictum eine Übereinstimmung des europäischen und des nationalen Teilbetriebsbegriffs festgestellt.3 Man hätte daher meinen können, dass die Umstellung auf den europäischen Teilbetriebsbegriff in vielen Fällen nicht zu wesentlichen Änderungen führt, auch wenn es in Einzelfragen durchaus Abweichungen gibt.4 Der UmwSt-Erlass 2011 nimmt aber zum einen eine gravierende Verschärfung vor, indem er auf Grundlage des europäischen Teilbetriebsbegriffs nicht mehr allein die funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Teilbetrieb zählt, sondern auch die „nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter“, die mit übertragen werden müssen. Dieses neue Regelungskonzept wird nicht weiter ausgeformt; insbesondere wird nicht festgelegt, was der Zuordnungsmaßstab ist. Die Folge ist ganz erhebliche Rechtsunsicherheit. Der UmwSt-Erlass 2011 sieht zum anderen Verschärfungen vor, die sich von vornherein nicht mit dem europäischen Teilbetriebsbegriff begründen lassen. Zu diesen Verschärfungen gehört insbesondere die „Rückverlegung“ der Teilbetriebsvoraussetzungen auf den steuerlichen Übertra1 BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314. 2 Maßgebend ist der Umwandlungsbeschluss bzw. der – bei Einzelrechtsnachfolge – Einbringungsvertrag, vgl. Rz. S.04 u. S.05 UmwSt-Erlass 2011. 3 BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. Offen ist, ob der BFH weitergehend der Ansicht ist, dass nationaler und europäischer Teilbetriebsbegriff inhaltlich insgesamt übereinstimmen. Für eine weitgehende Übereinstimmung Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 125; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 60 (Jan. 2009); Wochinger in Lüdicke, Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, 2011, 168. 4 Vgl. zu den Abweichungen u. a. Jäschke in Lademann, EStG, § 20 UmwStG n. F. Rz. 26 (Dez. 2008); Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (172); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1020 f.). Aus der Zeit nach Inkrafttreten des UmwSt-Erlasses 2011 Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 62 ff.; Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 20 Rz. 90 ff.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG gungsstichtag sowie die Ansicht, dass auch ein Teilbetrieb im Aufbau nicht mehr ausreichen soll.

B. Nationaler und europäischer Teilbetriebsbegriff Der Teilbetrieb hat zentrale Bedeutung für das UmwStG. Bestimmte Umwandlungsformen sind nur dann steuerneutral möglich, wenn ein Teilbetrieb vorliegt; das gilt für Auf- und Abspaltungen (§§ 15 f. UmwStG) ebenso wie für Einbringungen (§§ 20 ff. UmwStG). Trotz seiner zentralen Bedeutung wird der Teilbetrieb aber weder im UmwStG noch in den anderen nationalen Normen, in denen er enthalten ist,5 definiert.6 Unstreitig ist er nicht einheitlich, sondern jeweils normspezifisch auszulegen.7

I. Nationaler Teilbetriebsbegriff Die Finanzverwaltung vertrat für das UmwStG bislang in Anlehnung an die Rechtsprechung8 einen am nationalen Recht ausgerichteten Teilbetriebsbegriff. Nach Rz. 15.02 UmwStE 19989 ist ein Teilbetrieb in Anlehnung an die zu § 16 EStG (Teilbetriebsveräußerung) entwickelten Grundsätze „ein mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des Einkommensteuergesetzes aufweist und für sich allein (funktions- bzw.) lebensfähig ist.“

Durch langjährige Rechtsprechung haben sich indizielle Abgrenzungskriterien entwickelt, die es der Praxis ermöglichen, vergleichsweise rechtssicher damit umzugehen.10 5 Z. B. § 6 Abs. 3, § 16 EStG. 6 Ausnahme § 6 Abs. 2 EnWG a. F., gültig bis 3.8.2011. Die Fortgeltung der Teilbetriebsfiktion sollte durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden (vgl. BR-Drs. 390/11) geregelt werden. Der Vermittlungsausschuss wurde einberufen (BR-Drs. 659/11). 7 BFH, Urt. v. 2.10.1997 – IV R 84/96, BStBl. II 1998, 104; BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. 8 BFH, Urt. v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123; BFH, Urt. v. 4.7.2007 – X R 49/06, BStBl. II 2007, 772; BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.1.2011 – 6 K 3004/07 (Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 13/11). 9 BMF, Schr. v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, 268. 10 Vgl. die Erläuterungen des Teilbetriebsbegriffs bei Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (160 f.); Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 20 Rz. 77 ff.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG

II. Europäischer Teilbetriebsbegriff Gemäß Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 2011 soll künftig, d. h. außerhalb des Anwendungsbereichs der Übergangsregelung, der Teilbetriebsbegriff von Art. 2 Buchst. j FusionsRL11 (europäischer Teilbetriebsbegriff) gelten. Ein Teilbetrieb ist danach „die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb, d. h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen.“

Zwar verweist das UmwStG nicht direkt auf die FusionsRL; aus der Gesetzesbegründung zum SEStEG folgt aber die Anwendbarkeit des europäischen Teilbetriebsbegriffs für internationale wie auch für rein nationale Fälle.12 Die Gesetzesbegründung lautet:13 „Geschaffen wird ein systematisch in sich geschlossenes zukunftsfähiges steuerliches Umstrukturierungsrecht […]. Künftig gelten europaweit die gleichen steuerlichen Grundsätze für inländische und für alle grenzüberschreitenden Umstrukturierungen von Unternehmen.“

Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber allerdings auch die Regelungen zur Spaltung „im Grundsatz materiell unverändert“ in das neu gefasste UmwStG übernehmen.14 Dies kann meines Erachtens nur so aufgelöst werden, dass grundsätzlich der europäische Teilbetriebsbegriff zur Anwendung kommt, der nationale Teilbetriebsbegriff aber dort weiter gilt, wo er großzügiger ist als die FusionsRL.15 Der Gesetzgeber darf Kriterien für einen Teilbetrieb herausarbeiten, die den europäischen Teilbetriebsbegriff zugunsten des Steuerpflichtigen liberalisieren.16

11 Fusionsrichtlinie 2009/133 EG, ABl. L 310 v. 25.11.2009. 12 So u. a. auch Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 85; Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 67. Anders dagegen die sog. „gespaltene“ Anwendung des Teilbetriebsbegriffs, vgl. u. a. R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (143), allerdings unter Hinweis darauf, dass sich die Gestaltungspraxis auf die neue Sichtweise einzustellen habe. 13 BT-Drs. 16/2710, 25 f. 14 BT-Drs. 16/2710, 35. 15 So aus jüngerer Zeit u. a. auch Menner in Haritz/Menner, UmwStG, 3. Aufl. 2010, § 20 Rz. 100; Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (172 ff.); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1019); Wochinger in Lüdicke, Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, 2011, 182; Blumers, BB 2011, 2204 (2206); Schmitt, DStR 2011, 1108 (1110). A. A. Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/ Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 67; Rasche, GmbHR 2012, 149 (153). 16 Vgl. z. B. die Anerkennung fiktiver Teilbetriebe in § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG; so auch Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Anmerkung Möhlenbrock: Der oft zu findende Hinweis auf die Gesetzesbegründung wird die Finanzverwaltung vermutlich nicht davon abhalten, von einem einheitlichen (europäischen) Teilbetriebsbegriff für das UmwStG auszugehen. Die Aussage in der Gesetzesbegründung ist in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass § 13 UmwStG in der Fassung des RegE nicht an die Teilbetriebsvoraussetzung des § 15 UmwStG anknüpfte, sondern isoliert zu prüfen war. Erst im Zuge der Beratungen durch den Bundestag und Bundesrat kam es zur Änderung der Systematik, sodass die betreffende Passage in der Gesetzesbegründung praktisch gegenstandslos wurde.17 These 1 (contra Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 2011): Der nationale Teilbetriebsbegriff gilt dort weiter, wo er großzügiger ist als der europäische Teilbetriebsbegriff. Die FusionsRL beschäftigt sich nicht näher mit den einzelnen Merkmalen des Teilbetriebsbegriffs. Dieser ist – auch für rein nationale Sachverhalte – vom EuGH auszulegen.18 Bisher existiert jedoch lediglich ein Urteil, das sich direkt mit dem europäischen Teilbetriebsbegriff auseinandersetzt.19 Anders als der Begriff „Teilbetrieb“ wird der Begriff „Betrieb“ in der FusionsRL nicht definiert, woraus der UmwSt-Erlass 2011 zu Recht schließt, dass die Anforderungen, die er aus dem europäischen Teilbetriebsbegriff ableitet, nicht auf Betriebseinbringungen übertragbar sind.20

C. Vorgaben der Fusionsrichtlinie Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte des europäischen Teilbetriebsbegriffs vor dem Hintergrund der Vorgaben der FusionsRL und unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch den EuGH beleuchtet.

17 18 19 20

Rz. 126; Asmus in Haritz/Menner, UmwStG, 3. Aufl. 2010, § 15 Rz. 63; Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1019 f.). Vgl. auch Benecke in: Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1020). In § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG wurde der Verweis auf § 13 Abs. 2 UmwStG aufgenommen. Vgl. EuGH, Urt. v. 17.7.1997 – Rs. C-28/95, Leur-Bloem, Slg. 1997, I-4161, Rz. 32; EuGH, Urt. v. 15.1.2002 – Rs. C-43/00, Andersen og Jensen, Slg. 2002, I-379, Rz. 18; EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, BIAO, Slg. 2003, I-1, Rz. 90. EuGH, Urt. v. 15.1.2002 – Rs. C-43/00, Andersen og Jensen, Slg. 2002, I-379. Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (9); Rasche, GmbHR 2012, 149 (152); Stangl, GmbHR 2012, 253 (259).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG

I. Kriterien des Teilbetriebs 1. Funktionaler Aspekt Das Merkmal der Selbständigkeit in organisatorischer Hinsicht wird vom EuGH21 als Synonym („d. h.“) für eigenständige Funktionsfähigkeit verwandt. Die Tätigkeit muss sich daher – abweichend von § 16 EStG – qualitativ nicht von den anderen Tätigkeiten des Betriebs unterscheiden.22 Es muss nur eine organisatorische Verselbständigung festzustellen sein, wobei diesbezüglich die Rechtsprechung zum nationalen Teilbetriebsbegriff herangezogen werden kann.23 These 2: Nach dem europäischen Teilbetriebsbegriff muss sich die Betätigung des Teilbetriebs wohl auch nach der Auffassung der Finanzverwaltung nicht von der übrigen Betätigung des Unternehmens abheben. Es wird lediglich eine organisatorische Verselbständigung vorausgesetzt; hierzu kann auf die Vorgaben der Rechtsprechung zum nationalen Teilbetriebsbegriff abgestellt werden. 2. Finanzieller Aspekt Der EuGH24 führt aus, dass „das selbständige Funktionieren des Betriebs in erster Linie unter einem funktionellen Aspekt“ und „in zweiter Linie unter einem finanziellen Aspekt“ zu beurteilen sei. Dies ist wohl so zu verstehen, dass kein Teilbetrieb vorliegt, wenn sich im Zeitpunkt der Übertragung der Schluss aufdrängt, dass der übernehmende Rechtsträger sehr wahrscheinlich ohne zusätzliche Investitionen oder Einbringungen nicht lebensfähig ist.25 Stellt sich später – entgegen der Prognose – heraus, dass der übernehmende Rechtsträger tatsächlich nicht lebensfähig ist bzw. war, kann meines Erachtens nicht rückwirkend im Rahmen einer Außenprüfung die Teilbetriebseigenschaft verneint werden. Die Aussage im Schrifttum, der Teilbetrieb müsse sich im Zeit-

21 EuGH, Urt. v. 15.1.2002 – Rs. C-43/00, Andersen og Jensen, Slg. 2002, I-379, Rz. 34, 35. 22 Vgl. aus jüngerer Zeit u. a. Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (169); Rogall, NZG 2011, 810 (811); Blumers, BB 2011, 2204 (2205, 2207); Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 65. 23 Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (169); wohl auch Blumers, BB 2011, 2204 (2205). 24 EuGH, Urt. v. 15.1.2002 – Rs. C-43/00, Andersen og Jensen, Slg. 2002, I-379, Rz. 35. 25 Bei einem dauerdefizitären Teilbetrieb der öffentlichen Hand dürfte ein (rechtlich oder tatsächlich) gesicherter Verlustausgleich ausreichen.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG ablauf als finanziell funktionsfähig erweisen,26 ist insoweit missverständlich. Auch der Gedanke, dass der Teilbetrieb eine dem Gesamtunternehmen vergleichbare Eigenkapitalquote haben sollte, überzeugt meines Erachtens nicht. So weisen die Autoren, die diesen Gedanken erörtern, selbst darauf hin, dass auch eine niedrigere Eigenkapitalquote des übernehmenden Rechtsträgers unschädlich sein kann, etwa wenn eine Fremdfinanzierung auf Grund eines zu erwartenden Leverage-Effekts wirtschaftlich nachvollziehbar ist.27 Dies zeigt deutlich, dass es sich auch bei der Eigenkapitalausstattung um eine unternehmerische Entscheidung handelt, die der Überprüfung durch die Finanzverwaltung entzogen ist. These 3: Darüber hinaus wird auch eine finanzielle Lebensfähigkeit vorausgesetzt. Diese ist – da der Regelfall – zu unterstellen; nur im Ausnahmefall kann eine negative Prognose angestellt werden. 3. Maßgebliche Perspektive Da der EuGH davon ausgeht, dass die Wirtschaftsgüter zu übertragen sind, die für die Funktionsfähigkeit des Teilbetriebs beim übernehmenden Rechtsträger erforderlich sind, ist – abweichend von Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 2011 – die Perspektive des übernehmenden Rechtsträgers maßgebend.28

II. Zuzuordnende Wirtschaftsgüter Unter Berücksichtigung der obigen Aspekte ergibt sich schließlich auch ein sachgerechter Maßstab für die Zuordnung der (aktiven und passiven) Wirtschaftsgüter.

26 St. Neumann, EStB 2002, 437 (438); Blumers, BB 2008, 2041 (2045); Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (169); Blumers, DB 2010, 1670 (1672); Menner in Haritz/Menner, UmwStG, 3. Aufl. 2010, § 20 Rz. 94; Benz/Rosenberg, DB 2011, 1354 (1355); Blumers, BB 2011, 2204 (2205). 27 Herzig/Dautzenberg/Heyeres, DB 1991, Beil. 12, 7 Fn. 55; in diesem Sinne wohl auch Thömmes, IWB EG F. 11a, 561, 566. 28 So aus jüngerer Zeit u. a. auch Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1020); Blumers, BB 2011, 2204 (2205). A. A. (Perspektive der übertragenden Gesellschaft) aus jüngerer Zeit u. a. Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 87; Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 66; Patt in Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 20 Rz. 92.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG 1. Praktikabilität Der Auffassung, dass alle Wirtschaftsgüter übertragen werden müssen,29 kann nicht zugestimmt werden. So hat der BFH zu § 16 EStG entschieden, dass die Zurückbehaltung unwesentlicher Betriebsgrundlagen einer Betriebsveräußerung/-aufgabe deshalb nicht entgegenstehe, weil § 16 EStG andernfalls aller praktischer Relevanz entkleidet würde.30 Entsprechendes gilt für das UmwStG. In Umwandlungsfällen wird das unternehmerische Engagement bei dem übernehmenden Rechtsträger fortgesetzt. Dies soll nicht durch steuerrechtliche Folgen behindert werden, die ohne die Regelungen des Umwandlungsteuerrechts eintreten würden.31 Käme es aber darauf an, alle Wirtschaftsgüter mit zu übertragen, würden die Vorschriften, die auf die Übertragung eines Teilbetriebs abstellen, ihrer Praktikabilität beraubt.32 2. Funktionaler Aspekt In Art. 2 Buchst. j) FusionsRL beschreibt der Relativsatz „die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb darstellen“ die Wirtschaftsgüter, die übertragen werden müssen. Zwar bezieht sich der EuGH in seinem einzigen Urteil in Tz. 34 auf diese Definition.33 Der EuGH führt in Tz. 35 aber weiter aus, „Daraus folgt, dass das selbständige Funktionieren des Betriebes in erster Linie unter einem funktionellen Aspekt – die übertragenen Unternehmensteile müssen als selbständiges Unternehmen funktionsfähig sein, ohne dass sie hieraus zusätzlicher Investitionen oder Einbringungen bedürfen – […] zu beurteilen ist.“

29 Vgl. u. a. Hahn, IStR 1998, 326 (328); Jäschke in Lademann, EStG, § 20 UmwStG n. F. Rz. 26 (Dez. 2008); Weier, DStR 2008, 1002 (1005); Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 20 UmwStG Rz. 95; Greil, StuW 2011, 84 (89); Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 20 Rz. 93. Ablehnend: Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 151; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 60 (Jan. 2009); Schmitt, DStR 2011, 1108 (1109). 30 Vgl. BFH, Urt. v. 26.5.1993 – X R 101/90, BStBl. II 1993, 710 (714). So bereits Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 16 Rz. B 225 (August 1992). 31 So ausdrücklich BT-Drs. 12/6885, 14. 32 In diese Richtung auch Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 151; Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (417). 33 EuGH, Urt. v. 15.1.2002 – Rs. C-43/00, Andersen og Jensen, Slg. 2002, I-379, Rz. 34.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Hieraus ergibt sich, dass auch der EuGH eindeutig auf die Funktionsfähigkeit auf Seiten des übernehmenden Rechtsträgers abstellt und somit nicht sämtliche irgendwie zuordenbaren Wirtschaftsgüter meint.34 These 4: Wirtschaftsgüter, die für den Teilbetrieb nicht funktionsnotwendig sind, d. h. betriebswirtschaftlich nicht erforderlich und damit schadlos entnehmbar oder veräußerbar, können frei zugeordnet werden.35 Anmerkung Möhlenbrock: Dies ist freilich nicht die Haltung der Finanzverwaltung. Sie will funktionsgemäß zuordenbare Wirtschaftsgüter ebenfalls übertragen wissen (Tz. 15.07). In der falschen Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter erkennt sie ein Spaltungshindernis. Nur Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft, das weder zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen noch zu den nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgütern gehört, kann jedem der Teilbetriebe zugeordnet werden. Die Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter kann bis zum Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses erfolgen. 3. Missbrauchsaspekt Der EuGH stellt maßgebend auf den Missbrauchsgedanken ab. Der EuGH führt in Tz. 26 zur Frage der Schädlichkeit der Trennung von Darlehensvaluta und Darlehensverbindlichkeit aus, „dass die einbringende Gesellschaft und die übernehmende Gesellschaft im Ausgangssachverhalt das gleiche Ergebnis erzielt hätten, wenn die übernehmende Gesellschaft das Darlehen aufgenommen und anschließend die Unternehmensteile der einbringenden Gesellschaft gegen Übertragung ihrer eigenen Aktien sowie des Darlehenskapitals erworben hätte. Eine solche Übertragung, die teilweise gegen eine Geldleistung erfolgt wäre, wäre jedoch keine Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne der Richtlinie.“

Der EuGH hat daher die Übertragung eines Teilbetriebs deshalb verneint, weil durch die vorliegende Sacherverhaltsgestaltung ein Veräußerungstatbestand umgangen werden sollte, der zur Aufdeckung und Gewinnrealisierung der stillen Reserven geführt hätte. Wird lediglich eine missbräuchliche Gestaltung als schädlich angesehen, impliziert dies meines Erachtens aber die grundsätzlich freie unternehmerische Entscheidung bei der Zuordnung der Wirtschaftsgüter.36 These 5: Bei der Frage, welche Wirtschaftsgüter funktionsnotwendig sind, ist grundsätzlich der Entscheidung der Geschäftsleitung zu folgen. 34 Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (170); Blumers, BB 2011, 2204 (2207). 35 Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (169). Ähnlich Menner/Broer, DB 2002, 815 (817); Blumers, BB 2008, 2041 (2042); Menner in Haritz/Menner, UmwStG, 3. Aufl. 2010, § 20 Rz. 97; Schmitt, DStR 2011, 1108 (1109); Blumers, BB 2011, 2204 (2207); Förster, GmbHR 2012, 237 (241). 36 In diese Richtung auch Herzig/Dautzenberg/Heyeres, DB 1991, Beil. 12, 7.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Die Außenprüfung darf nicht ex post als der bessere Kaufmann agieren, dessen „unternehmerische Entscheidung“ an die Stelle derjenigen des Unternehmens gesetzt wird. Anmerkung Möhlenbrock: Der Teilbetrieb muss, allein um die Teilbetriebsvoraussetzungen zu erfüllen, auf ein „operatives Ziel“ gerichtet sein. Von einem gewillkürten oder einer freien unternehmerischen Entscheidung unterliegenden Akt kann daher keine Rede sein. Der Steuerpflichtige muss die Voraussetzung im Zweifel darlegen. Die Auffassung, wonach generell solche Wirtschaftsgüter mit zu übertragen sind, die eine Besicherungsfunktion erfüllen oder unter Bewertungsaspekten die Ertragskraft des Teilbetriebs steigern,37 ist zu weitgehend. Sie steht meines Erachtens im Widerspruch zur Auffassung des EuGH, der klar zwischen funktionsnotwendigen und anderen Wirtschaftsgütern unterscheidet und keine Bedenken gegen den Zurückbehalt einer kleineren Anzahl von Aktien an einer dritten Gesellschaft ohne Bezug zum übergehenden Unternehmensteil hatte.38 Auch wenn diese Aktien nicht zur Finanzierung eingesetzt wurden, so steigerten diese vermutlich doch die Ertragskraft. 4. Keine Besonderheit bei Verbindlichkeiten Für Verbindlichkeiten gilt nichts anderes. Von Teilen des Schrifttums wird bei der Zuordnung von Verbindlichkeiten ein strengerer Maßstab angelegt als bei aktiven Wirtschaftsgütern. Begründet wird dies zum einen damit, dass die (Mit)Übertragung von Verbindlichkeiten sachlich einer sonstigen Zuzahlung gleichkomme, die von der FusionsRL aber nicht vorgesehen sei. Das daraus im Umkehrschluss resultierende Verbot barer Zuzahlungen könne leicht umgangen werden, wenn Verbindlichkeiten mit übertragen werden, die mit dem Teilbetrieb nichts zu tun haben.39 Zum anderen habe der EuGH entschieden, dass es an der Übertragung eines Teilbetriebs fehle, wenn Darlehensmittel bei dem übertragenden Rechtsträger verbleiben, die Darlehensverbindlichkeit aber übergehe.40

37 So aber St. Neumann, EStB 2002, 437 (439). 38 Goebel/Ungemach/Seidenfad, DStZ 2009, 354 (361). 39 Thömmes in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 23 UmwStG Rz. 70 (Sept. 2000); Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG (SEStEG) Rz. R 5 (April 2007); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1020 f.). 40 Thömmes, IWB EG F. 11a, 561 (566); Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 15 UmwStG Rz. 83; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 64 (Jan. 2009).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Meines Erachtens spricht die Argumentationskette des EuGH (vgl. Tz. 25 und 26) dafür, eine getätigte oder unterlassene Zuordnung von Verbindlichkeiten ebenfalls nur auf einen Missbrauch hin zu überprüfen. Zwar verneint der EuGH in Tz. 25 das Vorliegen eines Teilbetriebs, weil es zu einer Trennung von Darlehensvaluta und Darlehensverbindlichkeit kam; in Tz. 26 stellt der EuGH aber darauf ab, dass die Gestaltung im vorliegenden Fall lediglich gewählt wurde, um einen steuerrelevanten Tatbestand zu umgehen. Daher seien die Anforderungen der FusionsRL nicht erfüllt. Es besteht somit (allenfalls) die Gefahr, dass die Teilbetriebseigenschaft verneint wird, wenn ein nach Herkunft und Zweckbestimmung eindeutig und klar erkennbarer Zusammenhang zwischen (nicht übertragener) Verbindlichkeit und (übertragenem) Vermögen besteht. Dies ist z. B. der Fall, wenn – wie im EuGH-Fall – das Darlehen eindeutig zum Zwecke der Liquidationsbeschaffung zu Gunsten der einbringenden Muttergesellschaft aufgenommen wurde und gerade nicht zur Finanzierung des eingebrachten Teilbetriebs. In diesem Fall hätte die Darlehensverbindlichkeit nicht mit übertragen werden dürfen; eine künstliche Trennung „liegt auf der Hand“.41 Abseits solcher Missbrauchsfälle ist eine Zuordnung von Verbindlichkeiten aber Ausdruck unternehmerischen Ermessens. Für das UmwStG kommt hinzu, dass dieses abweichend von der FusionsRL kein absolutes Verbot barer Zuzahlungen kennt, was als Entscheidung des Gesetzgebers zu verstehen ist, eine freie Zuordnung von Verbindlichkeiten anzuerkennen.42 These 6: Bei einer Einbringung schadet auch eine missbräuchliche Zuviel-Übertragung von aktiven Wirtschaftsgütern oder ein Zurückbehalten von Verbindlichkeiten nicht, da das zurückbleibende Vermögen keine Teilbetriebsqualität haben muss.43 Anmerkung Möhlenbrock: Auch Verbindlichkeiten können funktional zu einem Teilbetrieb gehören oder zuordenbar sein und sind dann ggf. mit zu übertragen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass innerhalb bestimmter Grenzen Zuzahlungen möglich sind. Der UmwSt-Erlass verdeutlicht dies in Tz. 15.10 anhand der Pensionsrückstellungen. Diese sind dem Teilbetrieb zuzuordnen, mit dem sie wirtschaftlich zusammen41 Der Fall wirft die Frage auf, ob wirtschaftlich nicht ein (teilweiser) Verkauf des Betriebsteils vorlag, vgl. Blumers, BB 2008, 2041 (2045); Schumacher, DStR 2008, 325 (328); Goebel/Ungemach/Seidenfad, DStZ 2009, 354 (361); Herlinghaus in FS Meilicke, 2010, 159 (169 f.). 42 Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1023). I. E. für eine weitgehende Zuordnungsmöglichkeit auch Menner/Broer, DB 2002, 815 (817); Schumacher in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 153; Blumers, BB 2011, 2204 (2208 f.). 43 So für die Einbringung Benz/Rosenberg, DB 2011, 1354 (1356 f.).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG hängen. Bei noch bestehenden Arbeitsverhältnissen hat deshalb derjenige Rechtsträger die Rückstellung zu bilden, der in die Rechte und Pflichten aus den am Spaltungsstichtag bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. In den übrigen Fällen hat der Rechtsträger die Rückstellung zu bilden, der die aus den Pensionszusagen sich ergebenden Verpflichtungen übernimmt.

III. Übertragung der maßgeblichen Wirtschaftsgüter Nach umstrittener Auffassung, der sich der BFH in einem obiter dictum angeschlossen hat, setzt eine Teilbetriebsübertragung die Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums an den maßgeblichen Wirtschaftsgütern voraus; es reiche nicht, wenn der übernehmende Rechtsträger insoweit nur ein obligatorisches Nutzungsrecht erhalte.44 Nach meines Erachtens zutreffender Ansicht der Literatur ist dem nicht zu folgen.45 Der Wortlaut der FusionsRL ist – auch in der englischen und französischen Originalfassung – bezüglich der Frage, ob eine Übertragung des Eigentums erforderlich ist oder eine schuldrechtliche Nutzungsüberlassung ausreicht, offen. Die Begriffe „Übertragung“, „to transfer“ und „transfère“ implizieren nicht zwingend auch die Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums. Die Ansicht, die im Rahmen der „Übertragung“ eine Eigentumsübertragung verlangt, bildete sich auf Grundlage der Rechtsprechung des BFH zu § 16 EStG heraus. Diese Grundsätze können aber nicht ohne weiteres auf das Umwandlungssteuerrecht übertragen werden. Hier ist den normspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Sinn und Zweck des UmwStG ist es, eine steuerneutrale Fortsetzung des unternehmerischen Engagements beim übernehmenden Rechtsträger zu ermöglichen. Es müssen die Wirtschaftsgüter übertragen werden, die für die Funktionsfähigkeit notwendig sind, unabhängig davon, ob sie im Eigentum des übertragenden Rechtsträgers stehen oder nicht. So ist z. B. auch erforderlich, dass der übernehmende Rechtsträger in evtl. beste44 BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. Ebenso aus jüngerer Zeit u. a. Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 63; R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (143). 45 Vgl. aus jüngerer Zeit u. a. Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 4. Aufl. 2011, § 20 Rz. 16; Benz/Rosenberg, DB 2011, 1354 (1356); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beil. 1 zu Heft 2, 25 (34). Vgl. auch Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 88, der allerdings meint, dass zumindest zu prüfen sei, inwieweit sich die Nutzungsüberlassung auf die finanzielle Lage und die selbständige Lebensfähigkeit des übernehmenden Rechtsträgers auswirken wird.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG hende schuldrechtliche Nutzungsrechte des bisherigen Teilbetriebsinhabers eintreten kann, wenn diese für die Funktionsfähigkeit notwendig sind.46 Wenn es aber erforderlich ist, auch solche funktionsnotwendigen Wirtschaftsgüter zu „übertragen“, die nicht im Eigentum des bisherigen Teilbetriebsinhabers stehen, so muss es umgekehrt ausreichen, wenn funktionsnotwendige, im Eigentum des übertragenden Rechtsträgers stehende Wirtschaftsgüter lediglich im Wege einer schuldrechtlichen Nutzungsüberlassung „übertragen“ werden, sofern dadurch die Funktionsfähigkeit des übergehenden Teilbetriebs gewährleistet ist. Sinn und Zweck der §§ 16, 34 EStG ist demgegenüber die Begünstigung der Besteuerung einer (Teil)Betriebsaufgabe bzw. (Teil)Betriebsveräußerung; die während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven sollen nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif erfasst werden.47 Daher kommt es im Rahmen der §§ 16, 34 EStG bei der Frage, ob alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Teilbetriebs veräußert wurden, entscheidend darauf an, ob das (wirtschaftliche) Eigentum an den Wirtschaftsgütern übertragen und damit die stillen Reserven realisiert wurden. These 7 (contra Rz. 15.07 UmwSt-Erlass 2011): Eine Nutzungsüberlassung der zu übertragenden Wirtschaftsgüter reicht aus. Anmerkung Möhlenbrock: Die Haltung der Finanzverwaltung in diesem Punkte wird allerdings eine andere sein. Die Funktionsfähigkeit eines Teilbetriebs mag zwar durch die Nutzungsüberlassung ebenfalls hergestellt werden können. Allerdings handelt es sich bei den Vorgängen des Umwandlungs- und damit auch des Umwandlungssteuerrechts um Vermögensverschaffungsvorgänge, die ihrem Wesen nach Realisationstatbestände sind. Für sie wird ausnahmsweise Steuerneutralität gewährt, wenn die Voraussetzungen des UmwStG bezogen auf die übertragenen Wirtschaftsgüter vorliegen. Im Falle des § 20 UmwStG muss deshalb die Teilbetriebseigenschaft bezogen auf die übertragenen Wirtschaftsgüter vorliegen.

D. Vorgaben des UmwStG Wie bereits dargestellt ist der (europäische) Teilbetriebsbegriff, den der UmwSt-Erlass 2011 heranzieht, richtlinienkonform auszulegen; es sind also die soeben angesprochenen Auslegungsergebnisse zu berücksichti46 Vgl. Blumers, DB 2001, 722 (725); Goebel/Ungemach/Seidenfad, DStZ 2009, 354 (360). 47 BFH, Urt. v. 18.10.1999 – GrS 2/98, BStBl. II 2000, 123 (126 f.).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG gen. Da der Gesetzgeber aber auch von der FusionsRL abweichende, für den Steuerpflichtigen günstige Regelungen treffen darf (vgl. unter B.II.), sind darüber hinaus auch die Vorgaben des UmwStG zu beachten.

I. Fiktiver Teilbetrieb Neben den originären Teilbetrieben kennt das UmwStG 100 %-Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sowie Mitunternehmeranteile als „fiktive“ Teilbetriebe (§ 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG). In Rz. 24.02 UmwSt-Erlass 2011 wird die Teilbetriebseigenschaft von 100 %-Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auch für Zwecke des § 24 UmwStG ausdrücklich angeordnet.48 1. Fiktiver Teilbetrieb: 100 %-Beteiligung Nach Rz. 15.06 UmwSt-Erlass 2011 soll eine 100 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft dann keinen fiktiven Teilbetrieb darstellen, wenn sie funktional wesentlich für einen (originären) Teilbetrieb ist. Eine entsprechende Regelung gibt es nicht für den Fall, dass eine 100 %-Beteiligung einem (originären) Teilbetrieb nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbar ist.49 Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass Rz. 15.06 UmwSt-Erlass 2011 auch auf diese Fälle Anwendung finden müsste.50 Dem ist nicht zu folgen, und dem Umwandlungssteuererlass lässt sich ebenfalls keine Aussage dieses Inhalts entnehmen. Rz. 15.06 UmwSt-Erlass 2011 steht in Widerspruch zum insoweit eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG, wonach eine 100 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft uneingeschränkt einem Teilbetrieb gleichsteht.51 Für eine Ausdehnung von Rz. 15.06 UmwSt-Erlass 2011 fehlt daher – erst Recht – jede Grundlage. 48 A. A. BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; dazu Nichtanwendungserlass v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671. Unklar ist, ob dem fehlenden Verweis in Rz. 24.06 auf Rz. 15.11 (Zuordnung von Wirtschaftsgütern) entnommen werden muss, dass einer 100 %-Beteiligung bei einer Einbringung nach § 24 UmwStG keine anderen Wirtschaftsgüter zugeordnet werden können. Ein solches Auslegungsergebnis überzeugt nicht. 49 Zu dieser Gruppe von Wirtschaftsgütern vgl. E.II.2. 50 Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2012, 273 (274 f.). A. A. Förster, GmbHR 2012, 237 (241). 51 Vgl. u. a. Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 169; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 15 UmwStG Rz. 73, 103; Schmidt-Naschke/Hempelmann, DStR 2010, 301 (304); Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (619); Schumacher/ Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (416).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG 2. Fiktiver Teilbetrieb: Mitunternehmeranteil Nach der Entwurfsfassung des UmwSt-Erlasses 2011 vom 2.5.2011 sollte Entsprechendes für Mitunternehmeranteile gelten. Diese Aussage findet sich nicht mehr im UmwSt-Erlass 2011, was meines Erachtens nur so verstanden werden kann, dass wieder die alte Rechtlage gilt, wonach Mitunternehmeranteile frei übertragbar sind.52 Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Mitunternehmeranteil ertragsteuerlich kein Wirtschaftsgut,53 weshalb er steuersystematisch auch weder als funktional wesentliche Betriebsgrundlage eines originären Teilbetriebs angesehen werden kann54 noch als Wirtschaftsgut, das dem Teilbetrieb nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbar ist. Da es dem Vernehmen nach Stimmen in der Finanzverwaltung gibt, die dies anders sehen, empfiehlt sich im Zweifelsfall die Einholung einer verbindlichen Auskunft.

II. Zeitpunkt des Vorliegens des Teilbetriebs Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen des Teilbetriebs ist zwar nicht ausdrücklich im UmwStG geregelt, ergibt sich aber aus dem Wortlaut und der Systematik der relevanten Vorschriften. Die Finanzverwaltung ging bislang davon aus, dass ein (zu übertragender) Teilbetrieb spätestens im Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses oder bei Abschluss des Einbringungsvertrags vorliegen muss.55 Die Literatur folgte diesem Ansatz grundsätzlich, stellte allerdings zum Teil auf den (späteren) Zeitpunkt der Handelsregistereintragung ab.56 Diese Sichtweise entspricht auch der gesetzlichen Systematik und Intention. Wenn tatsächliche Vorgänge (wie z. B. Gesellschaftsgründungen57) 52 So auch Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 15 UmwStG Rz. 77 (Juli 2011); Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 86; R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145); Förster, GmbHR 2012, 237 (241); Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2012, 273 (274). In diesem Sinne auch Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 73. 53 BFH, Urt. v. 25.2.2010 – IV R 49/08, BStBl. II 2010, 726. Vgl. auch BFH, Urt. v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBI. II 2010, 471. 54 Zur Kritik an der Entwurfsfassung vgl. u. a. Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (619); Weber/Hahne, Ubg 2011, 420 (423); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (416). 55 Tz. 15.10, 20.19 UmwStE 1998. 56 Vgl. u. a. Jäschke in Lademann, EStG, § 20 UmwStG n. F. Rz. 28 (Dez. 2008); Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 20 Rz. 68. A. A. (Maßgeblichkeit des steuerlichen Übertragungsstichtags) Herzig/Förster, DB 1995, 338 (343). 57 BFH, Urt. v. 28.7.2010 – I R 89/09, BStBl. II 2011, 528.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG nach §§ 2, 20 Abs. 5 und 6, § 24 Abs. 4 UmwStG zurückbezogen werden, ist auch bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Teilbetriebseigenschaft erfüllt sein muss, auf den Zeitpunkt der Übertragung abzustellen.58 Zudem entspricht diese Auffassung dem Ziel des SEStEG, einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland zu leisten und steuerliche Hemmnisse für betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen zu beseitigen.59 Gerade in größeren Umstrukturierungsfällen ist die Teilbetriebsabgrenzung mit erheblichen Aufwendungen, wie vorbereitende innerbetriebliche Umorganisationen (teilbetriebskonkretisierende Maßnahmen) oder Einholung verbindlicher Auskünfte, verbunden. Gegen die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts spricht auch nicht, dass für die Prüfung des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts i. S. v. § 11 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG auf den steuerlichen Übertragungsstichtag abzustellen ist.60 Bei einer Verschmelzung wird für die Möglichkeit der Buchwertfortführung u. a. verlangt, dass es weder zu einem Ausschluss noch zu einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kommt (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG). Da es um den Ansatz der Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft geht, liegt es nahe, auf den steuerlichen Übertragungsstichtag abzustellen. Im Rahmen der Spaltung heißt es in § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG ergänzend, dass auf die Übernehmerin ein Teilbetrieb „übertragen“ wird. Es wird also expressis verbis auf die Übertragung abgestellt. Diese zusätzliche Voraussetzung kann meines Erachtens denn auch erst im Zeitpunkt der Übertragung beurteilt werden und wird durch die Grundanforderungen des § 11 UmwStG nicht berührt. §§ 2, 20 Abs. 5 und 6, § 24 Abs. 4 UmwStG führen zu einer Vorverlegung der Rechtsfolgen des jeweiligen Umwandlungs- oder Einbringungsvorgangs, fordern aber nicht die tatsächliche Erfüllung der Teilbetriebseigenschaft zu diesem Zeitpunkt.61 These 8 (contra Rz. 02.14, 15.03 UmwSt-Erlass 2011): Nach §§ 15, 20, 24 UmwStG ist die Teilbetriebseigenschaft im Zeitpunkt der Übertragung zu beurteilen. Dies entspricht Sinn und Zweck des UmwStG, steuerliche Hemmnisse für sinnvolle Umstrukturierungen zu beseitigen. Anmerkung Möhlenbrock: Die Finanzverwaltung sieht dies anders. Nach den o. g. Rz. des UmwSt-Erlasses 2011 müssen die Teilbetriebsvorausset58 So Blumers und Wochinger bereits 1996 in Herzig, Neues Umwandlungssteuerrecht: Praxisfälle und Gestaltungen im Querschnitt, 53 f. 59 Vgl. BT-Drs. 16/2710, 25. 60 So aber Benecke in Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1021 f.). 61 Vgl. u. a. Stangl/Grundke, DB 2010, 1851 (1853 f.); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1022); Kessler/Philipp, DStR 2011, 1065 (1066 f.); Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617 (618); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (416).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG zungen bereits zum Rückwirkungszeitpunkt vorliegen.62 Einerseits ist damit eine Änderung der Verhältnisse im Zeitraum zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Eintragung der Umwandlung in das Register für das Vorliegen der Teilbetriebsvoraussetzungen unschädlich. Andererseits kann ein zum steuerlichen Übertragungsstichtag noch im Aufbau befindlicher Teilbetrieb nicht steuerneutral übertragen werden. Frei zuordenbare Wirtschaftsgüter können hingegen auch noch in der Interimszeit zugeordnet werden.63 Der geänderten Sichtweise der Finanzverwaltung dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die gesellschaftsrechtliche Rückwirkung der Erleichterung bei der praktischen Abwicklung der Umwandlung dienen soll (insbesondere wird das übergehende Vermögen auf diesen Zeitpunkt bewertet). Die Voraussetzungen für die steuerlichen Rechtsfolgen sollten deshalb ebenfalls auf diesen Zeitpunkt vorliegen.64

E. Auslegung des UmwSt-Erlasses 2011 und kritische Würdigung I. Doppeltes Teilbetriebserfordernis (Abspaltung) An dem sog. doppelten Teilbetriebserfordernis wird weiterhin festgehalten (Rz. 15.01 UmwSt-Erlass 2011). Demnach muss sich im Falle einer Abspaltung auch das gesamte beim übertragenden Rechtsträger zurückbleibende Vermögen zwingend einem oder mehreren Teilbetrieben zuordnen lassen. Dem kann nicht zugestimmt werden.65 Zum einen ist der durch das SEStEG geänderte Wortlaut des § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG heranzuziehen, wonach eine steuerneutrale Abspaltung möglich ist 62 Das ist gegenüber der bisherigen Sichtweise (Teilbetriebsvoraussetzungen müssen zum Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses vorliegen) eine Änderung. Die Finanzverwaltung gewährt deshalb eine Übergangsregelungen, vgl. Rz. S 04 des UmwSt-Erlasses 2011. 63 Das dürfte sich bereits aus der Tatsache ergeben, dass es zu ihrer Zuordnung einer Willensentscheidung der Beteiligten bedarf. Diese wird indessen typischerweise im Zusammenhang mit dem Umwandlungsbeschluss getroffen. 64 Es ist allerdings zweifelhaft, ob die geänderte Sichtweise der Finanzverwaltung mit dem Teilbetriebsbegriff der Fusionsrichtlinie begründet werden kann; vgl. auch Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 70a a.E. 65 Kritisch aus jüngerer Zeit u. a. Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (415); Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (757). A. A. Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/ Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 56; R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (142).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG „wenn … im Falle der Abspaltung oder Teilübertragung bei der übertragenden Körperschaft ein Teilbetrieb verbleibt.“

Es fehlt das Wort „nur“ (ein Teilbetrieb verbleibt). Zum anderen verstößt das Ausschließlichkeitserfordernis gegen die FusionsRL. In Art. 2 Buchst. c) FusionsRL ist lediglich ein Mindesterfordernis geregelt („[…] wobei mindestens ein Teilbetrieb in der einbringenden Gesellschaft verbleiben muss […]“).66 Anmerkung Möhlenbrock: Nach Auffassung der Finanzverwaltung lässt sich das doppelte Teilbetriebserfordernis indessen durchaus mit der FusionsRL vereinbaren. Denn bei diesem Umwandlungserfordernis handelt es sich nicht um eine Einengung des Teilbetriebsbegriffs, sondern um zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Steuerneutralität des Umwandlungsvorgangs. Als solche gelten sie für inländische und grenzüberschreitende Umwandlungen gleichermaßen.

II. Originärer Teilbetrieb Die Aussagen im UmwSt-Erlass 2011 zum originären Teilbetrieb und seiner Übertragung sind kurz. 1. Kriterien des Teilbetriebs Mangels anderslautender Aussagen im UmwSt-Erlass 2011 zu den Kriterien des Teilbetriebs gelten die Thesen 2 und 3. 2. Zuzuordnende Wirtschaftsgüter Nach dem UmwSt-Erlass 2011 gehören sowohl die funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter als auch die nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter zum Teilbetrieb und müssen mit übertragen werden (Rz. 15.07, 20.06). Nur andere („neutrale“) Wirtschaftsgüter sind frei zuordenbar (Rz. 15.09, 20.06). Die Finanzverwaltung weicht damit von der Gesetzesbegründung zu § 20 UmwStG67 ab, die nur von den wesentlichen Betriebsgrundlagen spricht und für deren Qualifizierung eine funktionale Betrachtungsweise für maßgeblich erachtet. Die Finanzverwaltung weicht möglicherweise auch von der Auffassung des BFH ab, der hinsichtlich der Übertragung der 66 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (142) geht davon aus, dass der Gesetzgeber keine vollständige Geltung der FusionsRL in reinen Inlandsfällen erreichen wollte. 67 Vgl. die Gesetzesbegründung zu § 20 UmwStG (BT-Drs. 16/2710 zu § 20 Abs. 1 UmwStG, 42).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem obiter dictum eine Übereinstimmung des europäischen und des nationalen Teilbetriebsbegriffs festgestellt hat.68 a) Funktional wesentliche Betriebsgrundlagen Die funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen sind nach Rz. 15.02 UmwSt-Erlass 2011 i. V. mit der BFH-Rechtsprechung die Wirtschaftsgüter, die für den Betriebsablauf ein erhebliches Gewicht haben, mithin für die Fortführung des Betriebs notwendig sind oder dem Betrieb sein Gepräge geben.69 b) Nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbare Wirtschaftsgüter Unklar sind hingegen die Kriterien, nach denen sich die wirtschaftlichen Zusammenhänge sonstiger Wirtschaftsgüter bestimmen. aa) Aussagen im UmwSt-Erlass 2011 Im UmwSt-Erlass 2011 finden sich lediglich eine unmittelbare und eine mittelbare Aussage zu diesen Wirtschaftsgütern: – Ändert sich bei einem solchen Wirtschaftsgut nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag aufgrund dauerhafter Änderung des Nutzungszusammenhangs die Zuordnung zu einem Teilbetrieb, wird es nicht beanstandet, wenn auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses bzw. Einbringungsvertrags abgestellt wird (Rz. 15.09, 20.06 UmwSt-Erlass 2011).70 – Eine steuerneutrale Spaltung/Einbringung scheidet aus, wenn eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage von mehreren Teilbetrieben genutzt wird (Rz. 15.08, 20.06 UmwSt-Erlass 2011). Eine solche Rege68 BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. Offen ist, ob der BFH weitergehend der Ansicht ist, dass nationaler und europäischer Teilbetriebsbegriff inhaltlich insgesamt übereinstimmen. Für eine weitgehende Übereinstimmung Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 125; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 60 (Jan. 2009); Wochinger in Lüdicke, Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, 2011, 168. 69 BFH, Urt. v. 19.1.1983 – I R 57/79, BStBl. II 1983, 312; BFH, Urt. v. 24.8.1989 – IV R 135/86, BStBl. II 1989, 1014; BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.1.2011 – 6 K 3004/07 (Rev. eingelegt; Az. des BFH: I R 13/11). 70 Abzugrenzen von der Nutzungsänderung ist die Übertragung bzw. Überführung auf einen anderen Rechtsträger. Hier ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen (Rz. 20.07 UmwSt-Erlass 2011).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG lung gibt es nicht für die nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter. Daraus folgt, dass der UmwSt-Erlass 2011 von einem gewissen Zuordnungsermessen ausgeht, wobei – vorbehaltlich der dauerhaften Nutzungsänderung – die Verhältnisse am steuerlichen Übertragungsstichtag maßgebend sind.71 Insbesondere gibt er bei den gemischt-genutzten Wirtschaftsgütern nicht vor, welchem der Teilbetriebe das betroffene Wirtschaftsgut zugeordnet werden muss. bb) Aussagen von Vertretern der Finanzverwaltung Vertreter der Finanzverwaltung haben beschrieben, wie sie die Zuordnung sehen: – Es sollen (insbesondere) willkürliche Zuordnungen vermieden werden72. – Auch betragsmäßig nicht wesentliche Wirtschaftsgüter sind nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbar.73 Es muss aber nicht jeder „Kugelschreiber“ identifiziert und zugeordnet werden.74 – Bei Wirtschaftsgütern der Zentralabteilung besteht (in aller Regel) die Möglichkeit, diese zurückzubehalten, wenn die Zentralfunktionen beim übertragenden Rechtsträger verbleiben.75 – Forderungen und Verbindlichkeiten bedürfen einer genauen Zuordnung nach wirtschaftlicher Veranlassung, soweit dies möglich ist.76 Durch echtes Factoring oder Forfaitierung kann der wirtschaftliche Zusammenhang zu dem Teilbetrieb gelöst werden.77 – In einfacheren Fällen können die zuzuordnenden Wirtschaftsgüter bereits über das Rechnungswesen identifizieren werden.78

71 Vermutlich kommt es nicht auf den steuerlichen Übertragungsstichtag als „Schlaglicht“ an, sondern auf die Führung des Betriebs, wie er sich rund um den steuerlichen Übertragungsstichtag darstellt. 72 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). 73 Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 90. 74 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). 75 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). 76 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). 77 Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 89. 78 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). Ähnlich Rasche, GmbHR 2012, 149 (153): Zuordnung unproblematisch, soweit für Teilbetrieb eine gesonderte Buchführung eingerichtet wurde.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG – Gemischt-genutzte Wirtschaftsgüter sollten immer nur einem Teilbetrieb vollständig zugeordnet werden.79 Aus Vorsichtsgründen wird empfohlen, das Wirtschaftsgut dem Teilbetrieb zuzuordnen, der das Wirtschaftsgut überwiegend nutzt.80 Ist nicht eindeutig erkennbar, welcher Teilbetrieb das ist, kann es frei zugeordnet werden.81 Auch hier wird ein gewisses Zuordnungsermessen deutlich, die Konturen bleiben aber weiter unscharf. Festzustellen ist ein gewisses Unbehagen darüber, dass eine fehlerhafte Zuordnung (ein „vergessenes“ Wirtschaftsgut) zu einer Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven des Teilbetriebs führen soll.82 Vertreter der Finanzverwaltung meinen, dass es bei einer fehlerhaften Zuordnung betragsmäßig nicht wesentlicher Wirtschaftsgüter nicht zum Entfallen der Steuerneutralität kommen sollte.83 Der UmwStErlass 2011 trägt dem allerdings nicht Rechnung. cc) Zuordnung im Lichte der FusionsRL Es bedarf der Rückbesinnung auf die FusionsRL (Thesen 4–6). Danach sind nur die funktionsnotwendigen Wirtschaftsgüter zwingend dem Teilbetrieb zuzuordnen. Bei der Frage, welche Wirtschaftsgüter funktionsnotwendig sind, ist grundsätzlich der Entscheidung der Geschäftsleitung zu folgen, die einer Missbrauchskontrolle unterliegt. Das Ergebnis ist interessengerecht. Da das UmwStG bei einer Spaltung keinen Wertausgleich zum „Gleichwertigmachen“ von Teilbetrieben zulässt, bliebe andernfalls (jenseits von Factoring oder vergleichbaren Maßnahmen) keine Möglichkeit, mit der steuerneutralen Zuordnung von flüssigen Mitteln und Schulden, also weiterhin neutralem Vermögen, zu „operieren“.84 Es bliebe nicht mehr die Möglichkeit, Schulden zurückzubehalten, um nicht in den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UmwStG zu fallen. Nur so wird zudem gewährleistet, dass Teilbetriebsumwandlungen und -einbringungen nicht (deutlich) schlechter gestellt werden als die Einbringung von Betrieben, bei der die Zurückbehaltung nicht funktional wesentlichen Betriebsvermögens unschädlich ist.85 Nur so löst sich auch 79 Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beil. zu Heft 1, 25 (34) bezeichnen die Auffassung der Finanzverwaltung in diesem Punkt als „offen“. 80 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). Offen gelassen (für funktional wesentliche Betriebsgrundlagen) vom BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. 81 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). 82 Kritisch u.a. Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (7). 83 Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 90. 84 So Wochinger bereits 1992, DB 1992, 163 (170). 85 Strahl, Ubg 2011, 433 (437); Strahl, KÖSDI 2011, 17506 (17516).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG der Teilbetriebsbegriff nicht zu weit von den nationalen Regelungen (§§ 6 Abs. 3, 16 EStG), die (allein) auf den Übergang der wesentlichen Betriebsgrundlagen abstellen. Will man darüber hinausgehen, bietet sich allenfalls eine gewisse Parallelität dazu an, wie der BFH Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte zuordnet. Der Wille der Geschäftsleitung ist für den BFH Hilfskriterium in den Fällen, in denen eine eindeutige Zuordnung eines Wirtschaftsguts nicht möglich ist. Das ist wohl so zu verstehen, dass die unternehmerische Dispositionsfreiheit anerkannt wird und ihre Grenze (nur) in einer widersprechenden wirtschaftlichen Betrachtung findet.86 Selbstverständlich sollte sein, dass Wirtschaftsgüter, die nach Herkunft und Zweckbestimmung zwar einem Teilbetrieb zuzuordnen sind, aber nicht übertragen werden können, kein Spaltungshindernis sind. Nach § 43 S. 1 AO bestimmen z. B. die Steuergesetze, wer Steuerschuldner ist. Die Steuerschuld geht auf einen Rechtsnachfolger (grundsätzlich) nur nach Maßgabe des § 45 AO und damit nur „bei Gesamtrechtsnachfolge“ über.87 Eine Ausgliederung oder Abspaltung ist aber kein Fall der Gesamtrechtsnachfolge, sondern eine Sonderrechtsnachfolge, durch die der zivilrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz ersetzt wird.88 Die an einer Ausgliederung oder Abspaltung beteiligten Rechtsträger können daher nicht über den Übergang der Steueransprüche disponieren.89 Eine steuerneutrale Spaltung kann daran nicht scheitern. c) Rechtsfolgen bei fehlerhafter Zuordnung Nach dem UmwSt-Erlass 2011 führt eine fehlerhafte Zuordnung dazu, dass keine steuerbegünstigte Teilbetriebsübertragung vorliegt. Überzeugender wäre es meines Erachtens, wenn nicht die Steuerneutralität der Teilbetriebsübertragung insgesamt versagt würde, sondern es bei einer Übertragung falsch zugeordneter Aktiva nur zur Aufdeckung der stillen Reserven in diesen Aktiva käme.90 Eine Übertragung falsch zugeordneter Verbindlichkeiten sollte als Gegenleistung des übernehmenden 86 Vgl. Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 2. Aufl. 2011, Rz. 737 ff. m. w. N. 87 BFH, Urt. v. 28.10.1970 – I R 72/68, BStBl. II 1971, 26. 88 BFH, Urt. v. 5.11.2009 – IV R 29/08, BFH/NV 2010, 356. 89 Zu Genehmigungen vgl. Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 88. 90 Für die (insoweit aber anderslautende) Entwurfsfassung v. 2.5.2011 vgl. Rogall, NZG 2011, 810 (812); vgl. auch Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (756). Für den UmwSt-Erlass 2011 schlagen Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 90 vor, dass eine unzutreffende Zuordnung betragsmäßig nicht wesentlicher Wirtschaftsgüter nicht zum Entfallen der Steuerneutralität führt.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Rechtsträgers qualifizieren. Im Einbringungsfall (§ 20 UmwStG) würde dies erst dann zur Realisierung führen, wenn der gemeine Wert dieser Verbindlichkeiten den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens übersteigt (§ 20 Abs. 2 S. 4 UmwStG). Für § 24 UmwStG sollte das analog gelten.91 Im Spaltungsfall (§ 15 UmwStG) käme es nach § 15 i. V. m. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG zur teilweisen Realisation.92 3. Zeitpunkt des Vorliegens des Teilbetriebs Nach Rz. 02.14 u. 15.03 UmwSt-Erlass 2011 können die Teilbetriebsvoraussetzungen nicht mehr im Zeitraum zwischen einem (in der Vergangenheit liegenden) steuerlichen Übertragungsstichtag und dem Umwandlungsbeschluss erfüllt werden. Vielmehr ist bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag eine Konkretisierung der zu übertragenden/einzubringenden Sachgesamtheit hin zu einem Teilbetrieb herbeizuführen.93 Dies gilt bei einer Abspaltung nach Auffassung der Finanzverwaltung wohl auch für das zurückbleibende Vermögen, obwohl dieses Vermögen nicht an der Rückwirkung des § 2 UmwStG teilnimmt.94 Grundsätzlich gilt das auch für die nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter. Rz. 15.09, 20.06 UmwSt-Erlass 2011 stellen nur im Falle einer dauerhaften Nutzungsänderung auf den Zeitpunkt des Spaltungsbeschlusses bzw. des Einbringungsvertrags ab. Das zeitliche Vorverlegen der Teilbetriebsvoraussetzungen gewinnt dadurch noch einmal deutlich an Schärfe und zeigt, dass diese Vorverlegung mit Sinn und Zweck des UmwStG, Umwandlungen zu erleichtern, nicht vereinbar ist. Für diese Sichtweise findet sich weder eine Grundlage in der FusionsRL noch im UmwStG (vgl. unter D.II.). Auch in der BFH-Rechtsprechung findet sie keine Stütze.

91 Vgl. aber FG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2010 – 15 K 931/09 F, EFG 2011, 491 (Rev. eingelegt, Az. des BFH: X R 42/10): anteilige Aufdeckung stiller Reserven. 92 Vgl. zum Fall, dass bei einer Abspaltung eines fiktiven Teilbetriebs zu viele Verbindlichkeiten mit übertragen werden Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 15 UmwStG Rn. 103 (Juli 2011); Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, KSt, § 15 UmwStG (SEStEG) Rn. 89 (Feb. 2008); Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 15 UmwStG Rn. 97. 93 Kessler/Philipp, DStR 2011, 1065 (1066); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beil. zu Heft 1, 25 (33): Im Idealfall sei zu dem Zeitpunkt auch schon die verbindliche Auskunft eingeholt. 94 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (144); Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2012, 273 (276).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG In der Entscheidung vom 22.6.201095 führt der BFH in Tz. 17 ausdrücklich aus, dass für die Prüfung der Teilbetriebseigenschaft auf die Situation zum Zeitpunkt der Übertragung abzustellen ist. In Tz. 18 prüft der BFH lediglich, ob die Voraussetzungen für einen Teilbetrieb im Aufbau vorlagen. Durch die etwas missverständliche Formulierung „zum Übertragungsstichtag hatte sie noch kein Grundvermögen angeschafft“ wollte der BFH meines Erachtens lediglich zum Ausdruck bringen, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben waren, dass sich die immobilienverwaltende Tätigkeit im Aufbau befand, da keinerlei funktional wesentliche Betriebsgrundlagen vorhanden waren. Am Ende der Tz. 18 stellt der BFH selbst wieder auf den Zeitpunkt der Übertragung ab, indem er ausführt: „Ein für sich funktions- bzw. lebensfähiger Teilbetrieb, der auf die X-GmbH hätte übertragen werden können, lag daher nicht vor.“

Schließlich führt der BFH auch in Tz. 19 ausdrücklich aus, dass zum Zeitpunkt der Übertragung ein Teilbetrieb vorliegen muss. Der BFH-Entscheidung lässt sich daher eindeutig entnehmen, dass der BFH weiterhin96 davon ausgeht, dass die Teilbetriebseigenschaft im Zeitpunkt der Übertragung vorliegen muss. Die Rückverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts wird noch einmal dadurch verschärft, dass ein „Teilbetrieb im Aufbau“97 nicht mehr ausreichen soll.98 Ein Teilbetrieb im Aufbau liegt vor, wenn die funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen bereits vorhanden sind und bei zielgerechter Weiterverfolgung des Aufbauplans ein selbständig lebensfähiger Organismus zu erwarten ist.99 Zwar dürfte der Teilbetrieb im Aufbau nicht vom Anwendungsbereich der FusionsRL erfasst sein;100 die Finanzverwaltung könnte aber Erleichterungen gegenüber der FusionsRL gewähren und das bewährte Rechtsinstitut beibehalten.

95 BFH, Urt. v. 22.6.2010 – I R 77/09, BFH/NV 2011, 10. 96 Vgl. BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467. 97 Vgl. Rz. 15.10 UmwSt-Erlass 1998; BFH, Urt. v. 22.6.2010 – I R 77/09, BFH/NV 2011, 10. 98 Rz. 15.03 UmwSt-Erlass 2011. 99 Vgl. BFH, Urt. v. 7.11.1991 – IV R 50/90, BStBl. II 1992, 380; BFH, Urt. v. 1.2.1989 – VIII R 33/85, BStBl. II 1989, 458; BFH, Urt. v. 22.6.2010 – I R 77/09, BFH/NV 2011, 10. 100 Vgl. u. a. St. Neumann, EStB 2002, 437 (438); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1021); Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 20 Rz. 95. A. A. Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 134; Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (416).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Durch die neue Sichtweise wird das Rad der Geschichte des Umwandlungsteuerrechts zurückgedreht.101 Sie nimmt der steuerlichen Rückwirkung ihren Vereinfachungscharakter und kommt in einigen Fällen einer Versagung der Rückwirkung „durch die Hintertür“ gleich.102 4. Übertragung der maßgeblichen Wirtschaftsgüter Rechtlich werden die zum Teilbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter durch den Spaltungsvertrag/-plan/Einbringungsvertrag zugeordnet und – ggf. nach Teilung – übertragen. Nach Rz. 15.08 UmwSt-Erlass 2011 reicht dafür die Begründung wirtschaftlichen Eigentums aus.103 Dies gilt auch dann, wenn der übertragende Rechtsträger „Vollrechtsinhaber“ ist und nur wirtschaftlich Eigentum „überträgt“. Dabei spielt es keine Rolle, dass das Rechtsgeschäft, mit dem das wirtschaftliche Eigentum erstmals begründet wird, erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag abgeschlossen wird und neben dem eigentlichen Spaltungsvertrag/-plan/Einbringungsvertrag steht, da es mit diesem verknüpft ist,104 und daher auch an der Rückwirkung des § 2 UmwStG teilnimmt.105 Gemäß These 7 sollte meines Erachtens auch eine Nutzungsüberlassung ausreichen. 5. Veränderungen im Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Umwandlung Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass eine steuerneutrale Umwandlung nicht mehr möglich sei, wenn zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem Spaltungsbeschluss/Einbringungsvertrag funktional wesentliche Wirtschaftsgüter veräußert werden, die dem Teilbetrieb zuzuordnen sind. Unklar bleibt, ob dahinter die Vorstellung 101 So bereits Blumers 1996 in Herzig, Neues Umwandlungssteuerrecht: Praxisfälle und Gestaltungen im Querschnitt, 53 gegen die damals von Herzig so vertretene Auffassung. 102 Kritisch ebenso u. a. Ausschuss Steuerrecht des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2011, 819 (822); Stangl/Grundke, DB 2010, 1851 (1852); Kessler/Philipp, DStR 2011, 1065 (1066 f.); Schmitt, DStR 2011, 1108 (1113); Rogall, NZG 2011, 810 (811); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beil. 1 zu Heft 2, 25 (33). Kritiker finden sich auch in den Reihen der Finanzverwaltung, vgl. Aßmann in Patt/ Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 85 f.; Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 20 Rz. 113. 103 So bereits Bayerisches Landesamt für Steuern v. 6.3.2006, DStR 2006, 946; OFD Hannover v. 30.1.2007, DB 2007, 888. 104 Schmidt-Naschke/Hempelmann, DStR 2010, 301 (307); Sistermann/Beutel, DStR 2011, 1162 (1164). Zweifelnd Benecke in Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1021). 105 Sistermann/Beutel, DStR 2011, 1162 (1164).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG steht, dass der Teilbetrieb quasi „eingefroren“ wird106 oder ob es (allein) um die Sorge geht, dass die Finanzverwaltung analog Rz. 20.07 UmwStErlass 2011 die Grundsätze der Gesamtplanrechtsprechung anwenden könnte.107 Beides lässt sich dem UmwSt-Erlass 2011 nicht entnehmen. Das Gebot einer Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums (Rz. 15.07, 20.06 UmwSt-Erlass 2011) bezieht sich nur auf die zum Teilbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter, die zum Zeitpunkt der Übertragung noch existieren. Anders gesagt: Der UmwSt-Erlass 2011 lässt auch eine steuerneutrale Übertragung einer nicht mehr teilbetriebsfähigen „Rest-Sachgesamtheit“ zu.108 Dies ist schlicht Ausfluss der Rückverlegung des Teilbetriebserfordernisses auf den steuerlichen Übertragungsstichtag. Ein „Einfrieren“ des Teilbetriebs wäre betriebswirtschaftlich auch nicht sinnvoll und kann deshalb mit Blick auf die Erwägungen in der Gesetzesbegründung des SEStEG109 auch nicht gewollt sein. Eine begünstigte Sachgesamtheit ist und bleibt auch in der Zeit nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag ein lebender Organismus. Daher ist weder ein zwangsweises Ausscheiden einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage im Rückwirkungszeitraum schädlich (wie z. B. die Zerstörung durch einen Brand oder eine Enteignung),110 noch eine Veräußerung oder sonstige Maßnahme. Im Ergebnis heißt dies, dass auf den steuerlichen Übertragungsstichtag eine Übertragung der zum Teilbetrieb gehörenden, aber nicht mehr vorhandenen Wirtschaftsgüter fingiert wird mit der Folge, dass die Veräußerung derselben für Ertragsteuerzwecke nach §§ 2, 20 Abs. 5 und 6, 24 Abs. 4 UmwStG bereits dem übernehmenden Rechtsträger zuzurechnen ist.111 Die Surrogate treten so automatisch an die Stelle der ursprünglichen Wirtschaftsgüter.

106 In diese Richtung Kessler/Philipp, DStR 2011, 1065 (1066); Heurung/Engel/ Schröder, GmbHR 2012, 273 (276). 107 So Schaflitzl/Götz, DB 2012 Beil. 1 zu Heft 2, 25 (35); wohl auch Benz/Rosenberg, DB 2012 Beil.1 zu Heft 2, 38 (41). Es empfiehlt sich daher im Zweifelsfall, eine geplante Veräußerung durch Einholung einer verbindlichen Auskunft abzusichern. 108 Vgl. auch R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (144), der diese Auffassung des UmwSt-Erlasses 2011 allerdings für unzutreffend hält. Vgl. auch Förster, GmbHR 2012, 237 (241). 109 Vgl. BT-Drs. 16/2710, 25. 110 Stangl/Grundke, DB 2010, 1851 (1855). 111 Benz/Rosenberg, DB 2011, 1354 (1357); Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/ Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 70b.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Wirtschaftsgüter, die erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft werden, können frei zugeordnet werden. Da die Anforderungen des UmwSt-Erlasses 2011 an die „Übertragung“ der zum Teilbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter für neu angeschaffte Wirtschaftsgüter nicht gelten, ist es steuerlich zu akzeptieren, wenn neu angeschaffte Wirtschaftsgüter nicht im Spaltungsvertrag/-plan/Einbringungsvertrag mit übertragen werden, sondern zurückbleiben und ggf. dem übernehmenden Rechtsträger nur zur Nutzung überlassen werden. In diesem Fall werden die Wirtschaftsgüter steuerlich dem übertragenden Rechtsträger zugerechnet. Werden neu angeschaffte Wirtschaftsgüter nach dem Spaltungsvertrag/-plan/Einbringungsvertrag auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen, gelten diese steuerlich bereits als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers angeschafft (§§ 2, 20 Abs. 5 und 6, § 24 Abs. 4 UmwStG). Anmerkung Möhlenbrock: Es ist allerdings keineswegs sicher, dass auch die Finanzverwaltung dies in allen Fällen so sehen wird. Etwa kann die für die angeschafften Wirtschaftsgüter hingegebene Gegenleistung zum Übertragungsstichtag eindeutig einem bestimmten Teilbetrieb zuzuordnen sein, oder es handelt sich um die Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts. In diesen Fällen spricht einiges dafür, dass auch das in der Interimszeit angeschaffte Wirtschaftsgut diesem Teilbetrieb zuzuordnen ist und nicht frei zugeordnet werden kann. 6. Gestaltungsmöglichkeiten bei gemischt-genutzten wesentlichen Betriebsgrundlagen Wird eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage von mehreren Teilbetrieben genutzt, ist der Umwandlungsvorgang nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht steuerneutral möglich (Rz. 15.08 UmwSt-Erlass 2011). Nach dem UmwSt-Erlass 2011 ist es also nicht möglich, eine gemischt-genutzte wesentliche Betriebsgrundlage dem Teilbetrieb zuzuordnen, der sie überwiegend nutzt.112

112 Vgl. Krebs, BB 1998, 2082; weitergehend Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 15 UmwStG Rn 76; Frotscher in Frotscher/ Maas, KStG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz. 62 (Jan. 2009). Offen gelassen von BFH, Urt. v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. 2011, 467.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG a) Wirtschaftliches Miteigentum Denkbar ist aber die Einräumung „wirtschaftlichen Miteigentums“.113 Bei immateriellen Wirtschaftsgütern114 könnte eine Teilung z. B. so aussehen, dass durch einen Mitbenutzungsvertrag der übernehmende Rechtsträger ein ausschließliches und unentgeltliches Nutzungsrecht an dem immateriellen Wirtschaftsgut für seinen Tätigkeitsbereich erhält und ggf. an einem etwaigen Veräußerungserlös mit entsprechender Quote partizipiert. Der UmwSt-Erlass 2011 spricht allerdings nur Grundstücke an. Dabei bleibt offen, ob die Einräumung wirtschaftlichen Miteigentums genügen kann.115 Rz. 15.08 S. 2 UmwSt-Erlass 2011 sieht für Grundstücke eine zivilrechtliche Realteilung bis zum Spaltungsbeschluss vor (z. B. durch Begründung von Teileigentum nach § 1 Abs. 3 WEG), im Einzelfall auch eine ideelle Teilung (Bruchteilseigentum). Wirtschaftliches Miteigentum wird nicht erwähnt. Aufteilungsmaßstab dürften dabei die Nutzungsverhältnisse am steuerlichen Übertragungsstichtag sein.116 Nach zutreffender Auffassung ist die Notwendigkeit einer Teilung aber wirtschaftlich zu verstehen,117 so dass es auch bei Grundstücken ausreichen sollte, durch vertragliche Vereinbarung wirtschaftliches Miteigentum zu begründen. b) „Auslagerung“ einzelner Wirtschaftsgüter Nach Rz. 20.07 UmwSt-Erlass 2011 ist die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung zu prüfen, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Einbringung in ein anderes Betriebsvermögen überführt werden.118 Dies ist wohl so zu ver113 Vgl. zur Quotentreuhand an einem Geschäftsanteil BFH, Urt. v. 6.10.2009 – IX R 14/08, BStBl. II 2010, 460. Vgl. u. a. auch Sistermann/Beutel, DStR 2011, 1162 (1164); Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 409 (416); Aßmann in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 87 f. (bei der gemischten Nutzung von Software bestehe die Möglichkeit, die Quellcodes zu duplizieren und dem übernehmenden Rechtsträger die uneingeschränkte Nutzung zu ermöglichen). 114 Zu immateriellen Wirtschaftsgütern als funktional wesentliche Betriebsgrundlage vgl. FG Düsseldorf, Urt. v. 16.2.2011 – 15 K 1414/10 E, GmbHR 2011, 1229; BFH, Urt. v. 16.12.2009 – I R 97/08, BStBl. II 2010, 808. 115 R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (144). 116 Vermutlich kommt es nicht auf den steuerlichen Übertragungsstichtag als „Schlaglicht“ an, sondern auf die Führung des Betriebs, wie er sich rund um den steuerlichen Übertragungsstichtag darstellt. 117 Vgl. u. a. Sistermann/Beutel, DStR 2011, 1162 (1164); Schaden/Ropohl, BBSpezial zu Heft 35/2011, 11 (14); R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (144). 118 Trotz fehlendem Verweis auf diese Rz. bei der Spaltung ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung die Gesamtplanrechtsprechung auch dort prüft.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG stehen, dass die Finanzverwaltung eine Gesamtbetrachtung mehrerer zeitlich auseinanderfallender Rechtsgeschäfte auch ohne Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs i. S. v. § 42 AO für geboten erachtet.119 Dem ist nicht zu folgen. Der X. Senat hat im Beschluss vom 19.1.2011 dargelegt, dass sich die Figur des Gesamtplans nicht als eigenständiger Tatbestand gegenüber § 42 AO verselbstständigt hat, sondern die Vorstellung des Gesamtplans dazu dient, § 42 AO auszufüllen.120 Dem entspricht die Auffassung des I. Senats, wonach eine Auslagerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage im Vorfeld einer Einbringung nach § 20 UmwStG der Buchwertfortführung nicht entgegen steht, sofern sie auf Dauer erfolgt und deshalb andere wirtschaftliche Folgen auslöst als die Einbeziehung des betreffenden Wirtschaftsguts in den Einbringungsvorgang.121 Die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften zielen auf die Erleichterung einer die betriebliche Sachgesamtheit erhaltende Umstrukturierung. Die betriebliche Sachgesamtheit ist dabei aber nicht statisch zu verstehen. Dem Steuerpflichtigen bleibt es vielmehr unbenommen, vor wie nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag, die Sachgesamtheit durch Veräußerungen oder Umwandlungen zu verändern. Erst wenn dadurch am steuerlichen Übertragungsstichtag nur noch eine Ansammlung „loser“ Wirtschaftsgüter verbleibt, ist die Privilegierung des UmwStG zu versagen.122 Eine Einschränkung kann sich daher allenfalls dann ergeben, wenn die Umwandlung nicht Ausdruck einer auf Dauer angelegten Unternehmensumstrukturierung ist, sondern der Vorbereitung einer (nach § 8b KStG oder §§ 16, 34 EStG begünstigten) Veräußerung dient, in die bewusst nicht alle zum Teilbetrieb gehörenden wesentlichen Betriebsgrundlagen einbezogen werden sollen. Nur in diesem Fall kann es ggf. geboten sein, die Buchwertfortführung zu versagen. So erklärt sich meines Erachtens das Urteil des VIII. Senats vom 11.12.2001,123 auf das der UmwSt-Erlass 2011 in Rz. 20.07 verweist. Dort 119 So Patt in Patt/Rupp/Aßmann, Der neue Umwandlungssteuererlass, 2011, 122 f. Vgl. auch Kai, GmbHR 2012, 165 (170). 120 BFH, Urt. v. 19.1.2011 – X B 43/10, BFH/NV 2011, 636. A. A. z. B. Wendt, FR 2010, 381 (386). 121 BFH, Urt. v. 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471. Vgl. hierzu FinMin Schleswig-Holstein v. 22.12.2010 – VI 308-S 1978c-006, juris. Vgl. auch FG Münster, Urt. v. 30.10.2009 – 14 K 2937/06 E, EFG 2010, 369 (Rev. anhängig, Az. des BFH: X R 60/09). 122 Auch nach BFH, Urt. v. 20.5.2010 – IV R 74/07, BStBl. II 2010, 1104 begründet eine auf Dauer angelegte Unternehmensumstrukturierung (Zwischenschaltung einer Holding) keinen Missbrauch i. S. v. § 42 AO. 123 BFH, Urt. v. 11.12.2001 – VIII R 23/01, BStBl. II 2004, 474.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG ging es um die Frage, ob eine Umstrukturierung im Rahmen eines einheitlichen Veräußerungsplans in die Gewerbesteuerpflicht nach § 18 Abs. 4 UmwStG einzubeziehen ist. § 18 Abs. 4 UmwStG soll vermeiden, dass eine Kapital- in eine Personengesellschaft umgewandelt und diese anschließend gewerbesteuerfrei veräußert wird. Dieser Missbrauchsgedanke mag eine Zusammenfassung einzelner Schritte rechtfertigen. So erklärt sich auch das Urteil des IV. Senats vom 25.2.2010,124 auf das der UmwSt-Erlass 2011 ebenfalls verweist. Dort ging es um die Frage, ob eine steuerneutrale Überführung eines Grundstücks in eine Schwesterpersonengesellschaft die anschließende Privilegierung der Veräußerung des Mitunternehmeranteils nach §§ 16, 34 EStG ausschließt. c) Nach wirtschaftlichen Grundsätzen zuordenbare Wirtschaftsgüter Unklar ist, warum Rz. 20.07 UmwSt-Erlass 2011 auch bei einer Auslagerung nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbarer Wirtschaftsgüter die Gesamtplanrechtsprechung prüfen will. Da gemischt-genutzte Wirtschaftsgüter einem Teilbetrieb zugeordnet werden können, sollte es meines Erachtens auch möglich sein, sie in einer eigenen Gesellschaft zu verselbständigen. Annmerkung Möhlenbrock: Die Finanzverwaltung dürfte bei Rz. 20.07 des UmwSt-Erlasses 2011 wohl im Wesentlichen solche Fälle vor Augen gehabt haben, in denen das betreffende Wirtschaftsgut ausschließlich einem der Teilbetriebe zuzuordnen ist und im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einbringung in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen wird.

III. Fiktiver Teilbetrieb 1. Zuzuordnende Wirtschaftsgüter Einer 100 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft müssen keine weiteren Wirtschaftsgüter zugeordnet werden. Nach Rz. 15.04, 20.10 i. V. m. 20.06 S. 4 UmwSt-Erlass 2011 ist bei einer Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils das Sonderbetriebsvermögen anteilig mit zu übertragen.125 Mangels ausdrücklicher 124 BFH, Urt. v. 25.2.2010 – IV R 49/08, BStBl. II 2010, 726. 125 So die Rspr. zur Betriebsveräußerung nach § 16 EStG. Anders (m. E. zu Recht) u. a. Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 15 UmwStG Rz. 67 (Juli 2011); Schumacher in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, § 15 Rz. 163; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 15 UmwStG Rz. 94; Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2011, 617

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Einschränkung auf wesentliche Betriebsgrundlagen, könnte das so zu verstehen sein, dass auch eine (anteilige) Übertragung solcher Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens verlangt wird, die dem Mitunternehmeranteil lediglich nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbar sind. Zu beachten ist aber, dass die FusionsRL keine fiktiven Teilbetriebe kennt. Somit können die für originäre Teilbetriebe geforderten Zuordnungen, die – angeblich – auf der FusionsRL beruhen, nicht gelten. Eine Mitübertragung auch desjenigen Sonderbetriebsvermögens, das dem Mitunternehmeranteil lediglich nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbar ist, ist daher (wie bisher) nicht erforderlich.126 2. Zuordenbare Wirtschaftsgüter Einem fiktiven Teilbetrieb können Wirtschaftsgüter zugeordnet werden. Nach Rz. 15.11 UmwSt-Erlass 2011 gilt dies allerdings nur für solche Wirtschaftsgüter, die in „unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“ mit dem fiktiven Teilbetrieb stehen. Rz. 15.11 UmwSt-Erlass 2011 ist keine Billigkeitsregel.127 Da § 15 Abs. 1 S. 3 UmwStG eine uneingeschränkte Gleichstellung von fiktiven und originären Teilbetrieben vorsieht, ist von einem weiten Verständnis der zuordenbaren Wirtschaftsgüter auszugehen. Demzufolge können jedenfalls die Wirtschaftsgüter zugeordnet werden, die für die Verwaltung der Beteiligung erforderlich sind (z. B. Erträgniskonten, Einrichtungen, Verwaltungsgrundstücke, Darlehen zur Finanzierung der Beteiligung)128 oder in wirtschaftlichem Zusammenhang zum Geschäftsbetrieb der Beteiligungsgesellschaft stehen.129

126

127 128

129

(620). Wie die Finanzverwaltung demgegenüber Rogall, DB 2006, 66 (67); Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 72. Vgl. R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (146), der auch den UmwSt-Erlass 2011 (kein Verweis in Tz. 15.04 auf Tz. 15.02) so versteht, dass nur eine (anteilige) Übertragung des als wesentliche Betriebsgrundlagen zu qualifizierenden Sonderbetriebsvermögens zu erfolgen hat; vgl. auch Stangl, GmbHR 2012, 253 (259). Anders das Verständnis des UmwSt-Erlasses 2011 von Förster, GmbHR 2012, 237 (241) und Heurung/Engel/Schröder, GmbHR 2012, 273 (275). Anders R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). Vgl. Dötsch/Pung in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl. 2012, § 15 Rz. 88. Hierzu gehören meines Erachtens auch die von Scholten/Griemla, DStR 2008, 1172 (1176) als Wirtschaftsgüter A bezeichneten Wirtschaftsgüter. Vgl. Scholten/Griemla, DStR 2008, 1172 (1176).

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG 3. Zeitpunkt des Vorliegens des Teilbetriebs Stellt man mit dem UmwSt-Erlass 2011 hinsichtlich des Zeitpunkts des Vorliegens der Teilbetriebsvoraussetzungen auf den steuerlichen Übertragungsstichtag ab, ist es konsequent, auch hinsichtlich der fiktiven Teilbetriebe auf den steuerlichen Übertragungsstichtag abzustellen (Rz. 15.04, 15.05 UmwSt-Erlass 2011). Für Kettenumwandlungen (Einbringung in Kapital- oder Personengesellschaft mit nachfolgender Einbringung/Abspaltung der erhaltenen Anteile) sind die Rz. 20.14, 24.06 UmwSt-Erlass 2011 zu beachten.130

IV. Rechtsfolgen auf Anteilseignerebene bei Fehlen der Teilbetriebsvoraussetzung Bei Fehlen der Teilbetriebsvoraussetzung kommt es auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers zur Aufdeckung der stillen Reserven (§ 15 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 UmwStG, § 20 Abs. 1 UmwStG). Bei den Anteilseignern (Fall der Spaltung) findet grundsätzlich die Veräußerungsfiktion des § 13 Abs. 1 UmwStG Anwendung. Für Kleingesellschafter, die der Abgeltungsteuer unterliegen,131 gilt allerdings § 20 Abs. 4a EStG (Rz. 13.01 UmwSt-Erlass 2011). Während bei § 20 Abs. 4a S. 1 EStG die erhaltenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile treten (Fußstapfentheorie), sieht § 20 Abs. 4a S. 5 EStG vor, dass die Anschaffungskosten der neuen Anteile EUR 0 betragen. Lässt sich allerdings die Höhe des Kapitalertrags (also der gemeine Wert der neuen Anteile) ermitteln, ist der Vorgang bei Anwendung von § 20 Abs. 4a S. 5 EStG voll steuerpflichtig. Nach Rz. 15.12 UmwSt-Erlass 2011 unterfallen Abspaltungen (anders als Aufspaltungen), bei denen die Teilbetriebsvoraussetzungen nicht eingehalten sind, § 20 Abs. 4a S. 5 EStG mit der Folge, dass, wenn die Höhe des Kapitalertrags ermittelbar ist, Kapitaleinkünfte in Höhe des gemeinen Werts der neuen Anteile vorliegen. Inlandsfälle, bei denen die Höhe des Kapitalertrags ermittelbar ist, werden so schlechter behandelt als Auslandsfälle, bei denen dies im Zweifel nicht so ist. Richtigerweise ist § 20 Abs. 4a S. 1 EStG anzuwenden.132 Dem Vernehmen nach soll durch das JStG 2013 der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG ausdrücklich auf Abspaltungen erstreckt werden. Diese

130 Vgl. Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (758). 131 Anteilseigner i. S. v. § 20 Abs. 8 EStG. 132 Vgl. Beinert, GmbHR 2012, 291.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG gesetzgeberische Klarstellung ist zu begrüßen und sollte rückwirkend geschehen.

F. Folgerungen für die Praxis Der Sinn und Zweck der FusionsRL besteht darin, durch die Erleichterung von Umstrukturierungsvorgängen zu einer Erhöhung der Produktivität und einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beizutragen.133 Die Rückverlegung des Zeitpunkts des Vorliegens der Teilbetriebsvoraussetzungen, die der UmwSt-Erlass 2011 vorgenommen hat, lässt sich damit nicht vereinbaren. Vor allem aber darf der Teilbetrieb nicht das „große schwarzes Loch“ des UmwSt-Erlasses 2011134 bleiben. Die bereits jetzt vorliegende Vielzahl an Vorschlägen zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern135 zeigt, dass es dringend klarer Richtlinien bedarf, die sich an der FusionsRL orientieren müssen. Derzeit empfiehlt sich für die Praxis die Aufnahme vertraglicher Auffangbestimmungen. Wird ein Wirtschaftsgut im Spaltungsvertrag/-plan/Einbringungsvertrag nicht ausdrücklich erfasst („vergessen“), kommt es zur (ergänzenden) Vertragsauslegung,136 die steuerlich anzuerkennen ist. Es empfiehlt sich eine Auffangbestimmung aufzunehmen, die klarstellt, dass alle nach Herkunft, Zweckbestimmung oder Nutzung zum Teilbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter übertragen werden. Wird ein Wirtschaftsgut im Spaltungsvertrag/-plan/Einbringungsvertrag versehentlich falsch zugeordnet, kommt es ebenfalls auf die Möglichkeit einer (ergänzenden) Vertragsauslegung an. Meines Erachtens empfiehlt sich hier die Aufnahme einer weiteren Auffangbestimmung, die klarstellt, dass ein irrtümlich falsch zugeordnetes Wirtschaftsgut zu übertragen (bzw. rückzuübertragen) ist und sich die Parteien so stellen, als wäre die Übertragung auch im Außenverhältnis erfolgt (bzw. nicht erfolgt). Eine solche Auffangbestimmung beruht auf der Überlegung, dass für Zwecke der §§ 15, 20, 24 UmwStG eine inhaltliche und zeitliche Ver-

133 Erwägungsgrund (2) der Fusionsrichtlinie 2009/133 EG, ABl. L 310 v. 25.11.2009, S. 34 ff. 134 R. Neumann, GmbHR 2012, R 33 (34). 135 Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (756); Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, 1 (6); Schaflitzl/Götz, DB 2012, Beil. 1 zu Heft 2, 25 (34 f.); R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (144 f.); Förster, GmbHR 2012, 237 (241); Stangl, GmbHR 2012, 253 (259 f.). 136 Zur Auslegung eines Ausgliederungsvertrags nach § 123 Abs. 3 UmwG vgl. BGH, Urt. v. 8.10.2003 – XII ZR 50/02, DB 2003, 2589.

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Beinert, Teilbetriebsbegriff nach UmwStG knüpfung mehrerer Übertragungsakte ausreicht;137 diese Verknüpfung wird durch die Auffangbestimmung hergestellt. Ein bloßes (Rück)Erwerbsrecht dürfte dagegen nicht ausreichen. Fehlen solche vertraglichen Bestimmungen und stellt sich erst später ein Fehler heraus, bleiben Billigkeitsmaßnahmen. Die Finanzverwaltung sollte hier mit Augenmaß vorgehen. Daneben ist eine Absicherung durch verbindliche Auskunft unerlässlich. Die Frage, ob vertragliche Auffangbestimmungen akzeptiert werden, ist ebenso eine Rechtsfrage wie die Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Das größte Problem liegt in der Darstellung des Sachverhalts und der (weitgehenden) Erfassung aller Wirtschaftsgüter. Denkbar wäre insbesondere die Abstimmung von Gruppen von Wirtschaftsgütern anhand bestimmter Kriterien etwa dergestalt, dass die zum Overhead oder den Shared Services oder den EDV-technischen Abrechungsbereichen gehörenden Wirtschaftsgüter dem Gesamtunternehmen dienen und daher nicht mit einem Teilbetrieb übertragen werden müssen138 oder dass Betriebsdarlehen oder der Cash Pool als neutrales Vermögen frei zuordenbar sind.139

137 Zu § 20 UmwStG Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 20 UmwStG Rz. 235. 138 So R. Neumann, GmbHR 2012, 141 (145). Unklar ist, ob diese Wirtschaftsgüter (da „neutral“) übertragen werden können. Meines Erachtens hängt dies davon ab, ob die Zentralfunktion übertragen wird. Wird die Zentralfunktion aufgespalten, kommt es gemäß der Grundsätze der gemischt-genutzten Wirtschaftsgüter auf die überwiegende Nutzung an. 139 Vgl. Rödder/Rogall, Ubg 2011, 753 (756).

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Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen in Kapitalgesellschaften Professor Dr. Stefan Köhler Steuerberater, Eschborn Inhaltsübersicht

I. Einleitung und Vorbemerkungen II. Rechtliche Grundlagen 1. Ertragsteuern 1.1. Umwandlungssteuergesetz 1.2. Inkongruenter Gewinnbezug 1.2.1 Rechtsprechung 1.2.2. Finanzverwaltung 1.2.3. Beurteilung 2. Schenkungsteuer 2.1 Rechtslage alte Fassung 2.1.1. Zuführung in eine bestehende Gesellschaft

III. 1. 2.

IV.

2.1.2. Neugründung 2.2. Gesetzesänderung Ausdifferenzierung von Fallgruppen Der Ausgangsfall – Wertproportionale Erhöhung Fälle der Wertungleichheit 2.1. Grundfälle des Ausgleichs 2.2. Kartellrecht 2.3. Sonderbetriebsvermögen bei Formwechsel 2.4. EAV mit Ausgleichszahlung Fazit und Ausblick

I. Einleitung und Vorbemerkungen Um eine Erstarrung bestehender Unternehmensstrukturen aus steuerlichen Gründen zu vermeiden – und damit steuerlich motivierte Effizienzverluste und Verluste in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu verhindern – regelt das Umwandlungssteuerrecht, dass grundsätzlich stille Reserven beim Übergang von einem Betriebsvermögen in ein anderes bzw. von einer Gesellschaft auf eine andere nicht aufzudecken sind. Unternehmerische Restrukturierungen werden somit erleichtert, indem eine (sofortige) Besteuerung stiller Reserven bei Übergang durch Umwandlung vermieden wird. Dies entspricht auch ausdrücklich der Zielsetzung des Gesetzgebers, nach der das UmwStG betriebswirtschaftlich erwünschte Umstrukturierungen nicht durch steuerrechtliche Folgen, die ohne die Regelungen des UmwSt-Rechts eintreten würden, hindern soll.1 Dieser Steueraufschub findet seine Grenzen im Rahmen von Umwandlungen allerdings insbesondere dort, wo es nicht mehr (nur) um die Weiterführung einer unternehmerischen Aktivität in einem neuen recht1 Vgl. BT-Drs. 12/6885, 14.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen lichen Kleid, in einer größeren (z. B. nach Verschmelzung) oder in einer kleineren (z. B. nach Spaltung) Einheit geht, sondern sich die Position eines der beteiligten Rechtsträger dergestalt verändert, dass das unternehmerischen Engagement im Rahmen der Umwandlung zurückgeführt wird, d. h. unternehmerische Risiken und Chancen im Rahmen einer Umwandlung gegen feste Größen eingetauscht werden und an Stelle von einer lediglich umgewandelten, jedoch fortgeführten unternehmerischen Aktivität „Kasse gemacht wird“. Die Abgrenzung begründet sich damit, dass Umwandlungen und Umstrukturierungen von Unternehmen grundsätzlich auf den Erhalt und die Verbesserung der Erwerbsgrundlage abzielen und nicht auf die Erzielung von Markteinkommen. Entsprechend lässt das UmwStG grundsätzlich keine Gewährung von Gegenleistungen zu, mit Ausnahme der Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (wobei und wodurch das unternehmerische Engagement durch die Übernehmerin fortgeführt wird).2 Bei einem richtig verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzip (d. h. unter Einbeziehung des Markteinkommensprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) verzichtet das UmwStG insoweit sachgerecht auf die Realisierung der übergegangenen stillen Reserven.3 In diesem Spannungsfeld zwischen steuerunschädlicher Fortführung der unternehmerischen Aktivität in neuem Gewand und steuerschädlicher Veränderung (d. h. Rückführung insbes. durch Veräußerung) bewegt sich die nachfolgend zu diskutierende Frage nach dem „Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen in Kapitalgesellschaften“. Hierbei geht es um solche Konstellationen, in denen besondere (äußere) Umstände oder Nebenbedingungen dazu führen, dass – abweichend vom Regelfall – ergänzende Sondervereinbarungen bzgl. Art, Umfang und Ausgestaltung („Ausstattung“) der neu gewährten Beteiligung getroffen werden. Auslöser können z. B. Auflagen von Kartellbehörden, Probleme hinsichtlich mit zu übertragendem Sonderbetriebsvermögens oder ähnliche (nachstehend näher zu diskutierende) Fallgestaltungen sein. Kommt es also im Rahmen von Einbringungsfällen zu einem „Wertausgleich“, so ist zu unterscheiden, ob es sich um – eine steuerunschädliche Fortführung der unternehmerischen Aktivität oder aber um – eine steuerschädliche Veränderung (Veräußerung) handelt, die insoweit grundsätzlich keiner Buchwertfortführung zugänglich ist.

2 Vgl. Rödder, UmwStG, Einführung, Rz. 3. 3 Vgl. Rödder, a. a. O. m. w. N.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Eine Abgrenzung ist oft nicht einfach und die Grenzen im Einzelfall womöglich fließend. In der Besteuerungspraxis wird der Steuerpflichtige daher dem Vernehmen nach häufig in einschlägigen Fällen mit Vorbehalten der Finanzverwaltung konfrontiert und wirtschaftlich sinnvolle Gestaltungen können dadurch blockiert bzw. in Frage gestellt werden. Die nachfolgenden Ausführungen sollen helfen, eine Klärung der Zweifels- und Abgrenzungsfragen herbeizuführen.

II. Rechtliche Grundlagen 1. Ertragsteuern 1.1. Umwandlungssteuergesetz Gem. § 20 Abs. 1 UmwStG kann ein Betrieb, Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft (übernehmende Gesellschaft) grundsätzlich auf Antrag zu Buchwerten eingebracht werden, soweit der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft (Sacheinlage) erhält. Weitere Voraussetzung in diesem Zusammenhang ist insbesondere, dass, soweit der Einbringende neben den Gesellschaftsanteilen auch andere Wirtschaftsgüter erhält, deren gemeiner Wert den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens nicht übersteigt. Die übernehmende Gesellschaft hat das eingebrachte Betriebsvermögen mindestens mit dem gemeinen Wert der anderen Wirtschaftsgüter anzusetzen. Der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile. In den Fällen des Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gilt § 20 entsprechend (§ 25 UmwStG). Diese Grundsätze finden beim Anteilstausch gem. § 21 UmwStG entsprechende Anwendung: Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft (erworbene Gesellschaft) in eine Kapitalgesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft eingebracht, kann die übernehmende Gesellschaft auf Antrag die eingebrachten Anteile mit dem Buchwert ansetzen, wenn die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der eingebrachten Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft innehat (qualifizierter Anteilstausch). Erhält der Einbringende neben den Gesellschaftsanteilen auch andere Wirtschaftsgüter, deren gemeiner Wert den Buchwert der eingebrachten 189

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Anteile übersteigt, hat die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile mindestens mit dem gemeinen Wert der anderen Wirtschaftsgüter anzusetzen. Der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile ansetzt, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Im Ergebnis lässt damit das Umwandlungssteuergesetz unter den weiteren Voraussetzungen eine Buchwertübertragung (i)

uneingeschränkt zu, soweit ausschließlich Gesellschaftsrechte gewährt werden.

(ii) eingeschränkt bei der zusätzlichen Gewährung anderer Wirtschaftsgüter zu, soweit deren gemeiner Wert nicht den Buchwert des übertragenen Betriebsvermögens überschreitet. Nur und insoweit als es zu einem Überschreiten kommt, sind stille Reserven aufzulösen und nur insoweit kommt es zur Versagung der Buchwertfortführung. Die Gewährung anderer Wirtschaftsgüter kann dabei sowohl von der Gesellschaft als auch einem Gesellschafter oder sogar von einem Dritten erfolgen.4 Die Wertansätze auf Ebene der Gesellschaft spiegeln sich entsprechend in den Anschaffungskosten der im Rahmen der Einbringung an den Gesellschafter neu gewährten Anteile. Diese entsprechen grundsätzlich dem Buchwert des übertragenen Betriebsvermögens. Werden daneben andere Wirtschaftsgüter als zusätzliche Gegenleistung gewährt, vermindert deren gemeiner Wert in dieser Höhe die Anschaffungskosten der neu gewährten Anteile. Um einen negativen Wert der neu gewährten Anteile zu vermeiden, bedarf es daher einer Aufstockung des Betriebsvermögens immer dann, wenn der Buchwert des übertragenen Vermögens überschritten wird. Das Umwandlungssteuergesetz (§§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG) verlangt in diesem Zusammenhang als Tatbestandsmerkmal die Gewährung „neuer Anteile“ an der übernehmenden Gesellschaft. Dies insbesondere deshalb, da diese – früher als einbringungsgeborene, heute als sperrfristbehaftete Anteile (für 7 Jahre) bezeichnet – einem umfassenden Sonderregime unterfallen und daher für Besteuerungszwecke entsprechend identifizierbar und abgrenzbar sein müssen. Weitergehende, spezifizierende oder einschränkende Voraussetzungen bzgl. der Qualität der „neuen Anteile“ (z. B. Vorliegen von Stimmrechten bzw. Stimmrechte proportional zu der gewährten Kapitalbeteiligung usw.) wurden nicht 4 Vgl. Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Umwandlungssteuerrecht, § 20 UmwStG, Rz. 168, 187 sowie Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 20, Rz. 134.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen kodifiziert.5 Hieraus sollte man schließen können, dass folglich auch keine weiteren solchen qualifizierenden Voraussetzungen bzgl. der „Qualität“ und damit der genauen Ausgestaltung der neuen Anteile bestehen. Entscheidend ist nach diesem Normenkreis allein die Gewährung einer Beteiligung am Kapital in Form von „neuen“, d. h. zusätzlichen, bislang nicht bestehenden Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft. Es kommt diesbezüglich z. B. auch nicht darauf an, ob Höhe bzw. Wert der neu gewährten Anteile demjenigen des eingebrachten Vermögens entspricht.6 Während in der Vergangenheit zum Teil strittig war, ob bei einer Unterbewertung des eingebrachten Vermögens (d. h. vergleichsweise zu kleinem ausgegebenen Nominalkapital im Verhältnis zu den übertragenen Werten) gegebenenfalls neben der offenen Sacheinlage steuerlich ergänzend noch eine verdeckte Einlage angenommen werden müsse, ist dies nunmehr auf Basis der jüngeren BFH-Rechtsprechung klar zu verneinen.7 Auch dies entspricht wiederum dem Gesetzeswortlaut, der neben der Ausgabe neuer Anteile keine weitergehenden qualitativen oder quantitativen Bedingungen normierte. 1.2. Inkongruenter Gewinnbezug Von einer Inkongruenz geht man insbesondere dann aus, wenn das Gewinnbezugsrecht abweichend vom Nominalkapital vereinbart wird bzw. eine solche abweichende Gewinnausschüttung im konkreten Einzelfall erfolgt. Während die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit aufgrund entsprechender Satzungsregelungen bei der AG bzw. Verankerung im Gesellschaftsvertrag der GmbH als wohl unstrittig gilt und darüber hinaus für den Sonderfall der Vorzugsaktie sogar ausdrücklich aktienrechtlich gesetzlich geregelt ist, muss die Frage nach der steuerlichen Anerkennung als (zum Teil) höchst kontrovers bezeichnet werden. Wie nachfolgend näher ausgeführt, herrscht hier seit Jahren ein heftiger Streit zwischen den Steuerpflichtigen sowie der Rechtsprechung einerseits und der Finanzverwaltung andererseits. Hintergrund des Streites sind Gestaltungen, die während der Geltung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens umgesetzt wurden, und darauf abzielten, Körperschaftsteueranrechnungsguthaben dadurch zu „heben“, dass, abweichend von dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel, Körperschaftsteueranrechnungsguthaben bestimmten Gesellschaftern per disproportionaler 5 Vgl. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, § 20, Tz. 205. 6 Vgl. Herlinghaus, a. a. O., Rz. 130, Frotscher, Internationalisierung des Ertragsteuerrechts, Rz. 344; Winkeljohann/Fuhrmann, Handbuch Umwandlungssteuerrecht, 843. 7 Vgl. Herlinghaus, a. a. O., Rz. 133; BFH, Urt. v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230; BFH, Urt. v. 24.4.2007 – I R 35/05, DStR 2007, 1388.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Ausschüttung zu Gute gebracht wurde, bei denen durch Verrechnung mit Aufwendungen/Verlusten eine weitgehende Erstattung der Körperschaftsteuer erfolgen konnte sowie durch entsprechende Wiedereinlageverpflichtungen in die Gesellschaft Nachteile für die Mitgesellschafter vermieden wurden. Während die Rechtsprechung – soweit ersichtlich – in diesem Zusammenhang auch extremen Gestaltungen die Anerkennung nicht versagte (im Folgenden näher dargestellt), möchte die Finanzverwaltung dagegen eine vom Nominalkapital abweichende Gewinnverteilung nur unter sehr engen, restriktiven Voraussetzungen anerkennen. Im Kontext des vorliegenden Themas erhält dieser Streit eine besondere Brisanz, da eine Fallgruppe von Wertausgleichsüberlegungen bei Buchwerteinbringungen darauf basiert, vom Nominalkapital abweichende Gewinnbezugsrechte o. Ä. zu vereinbaren. Hieraus ergibt sich dann – je nach einzelner Fallgestaltung – das Risiko, dass die Einräumung eines inkongruenten Gewinnbezugsrechts in Höhe des Überschießens gegenüber dem Gewinnbezugsrecht in Übereinstimmung mit der Nominalbeteiligung als Gewährung anderer Wirtschaftsgüter neben dem „regulären“ Anteil angesehen werden könnte, mit der Konsequenz, dass – insbesondere bei Überschreiten des Buchwertes des übertragenen Vermögens – sich hieraus unmittelbare ertragsteuerliche Konsequenzen ableiten könnten. Dem Vernehmen nach hat die Finanzverwaltung diese Ansicht in mehreren relevanten Fällen vertreten und so wohl auch zwischen den Bundesländern abgestimmt. Zu dieser Problematik nachstehend im Einzelnen wie folgt: 1.2.1 Rechtsprechung Der Bundesfinanzhof entschied mit Urteil vom 19.8.1999,8 dass von den Beteiligungsverhältnissen abweichende inkongruente Gewinnausschüttungen und inkongruente Wiedereinlagen steuerrechtlich anzuerkennen seien und grundsätzlich auch dann keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO darstellen, wenn andere als steuerliche Gründe für solche Maßnahmen nicht erkennbar seien. Das sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren stelle grundsätzlich keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar. Das gelte auch dann, wenn sich die – zueinander als fremde Dritte gegenüberstehenden – Anteilseigner einer GmbH auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende („inkongruente“) Gewinnausschüttung verständigten, um dadurch einem der Anteilseigner einen Verlustabzug zu ermöglichen, und wenn anschließend der hierdurch begünstigte Anteilseigner die an ihn ausgeschütteten Gewinne seinerseits wieder inkongru8 Vgl. BFH, Urt. v. 19.8.1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen ent in die GmbH einlege. Eine Zuwendung an den Mitgesellschafter sei bei einer anschließenden Wiedereinlage nicht anzunehmen.9 Ein Gestaltungsmissbrauch läge nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht.10 Auch gesellschaftsrechtlich seien inkongruente Gewinnausschüttungen zulässig; die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft können sich auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnbeteiligung verständigen.11Grundsätzlich und für sich genommen bestünden entsprechend keine Bedenken, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen. Dies insbesondere auch deshalb, da jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolge (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), zugleich auch eine inkongruente Gewinnausschüttung darstelle. Es erscheine daher nicht begründbar, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich hiervon abweichend zu behandeln. Gleichfalls stehe der Umstand, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG regelmäßig der Anteilseigner erzielt, dem nicht entgegen, denn darüber, dass dieser Anspruch beteiligungsidentisch sein müsse, sei nichts gesagt.12 Ebenso wenig ist es bei isolierter Betrachtung steuerrechtlich bedenklich, wenn durch eine derartige Ausschüttung erreicht werden soll, das Verlustausgleichspotential eines Anteilseigners möglichst umfassend auszunutzen. Die Ausschöpfung von Verlusten entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit einem Verfassungsgebot.13 Jedenfalls für den streitgegenständlichen Fall der inkongruenten Ausschüttung und Wiedereinlage durch einen der Gesellschafter verneint der 9 Vgl. Abgrenzung zum BFH, Beschl. v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl. II 1998, 307. 10 Vgl. BFH, Urt. v. 19.5.1993 – I R 124/91, BFHE 172, 37, BStBl. II 1993, 889; BFH, Urt. v. 23.10.1996 – I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl. II 1998, 90; Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 42 AO 1977, Rz. 15 m. w. N. 11 Vgl. § 29 Abs. 3 GmbHG; Goerdeler/W. Müller in Hachenburg, Kommentar z. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., § 29, Rz. 59; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 29, Rz. 52; Emmerich in Scholz, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 29, Rz. 135 ff. 12 Vgl. z. B. Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 20 EStG, Anm. 178; Lenz, GmbHRundschau 1999, 701, 703; Gollers/Tomik, DStR 1999, 1169, 1172 f.; vgl. auch BFH, Urt. v. 25.11.1997 – VIII R 29/94, BFHE 184, 543, BStBl. II 1998, 257. 13 Vgl. im Einzelnen von Groll in Kirchhof/Söhn, EStG, § 10d, Rdnr. A 70, m. w. N.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen BFH weiterhin klar eine Anwendung des § 42 AO dergestalt, dass dann die fraglichen Beträge bei einem anderen Anteilseigner als fiktiv zugeflossen behandelt werden könnten. In einem solchen Fall wäre vielmehr ein direkter Ausgleich zwischen den beteiligten Gesellschaftern anzunehmen, nicht jedoch die Fiktion einer andersartigen Ausschüttung durch die Gesellschaft. Dies begründet der BFH damit, dass § 42 AO es zwar zulässt, einen missbräuchlichen Vorgang zu neutralisieren, nicht aber Ersatzsachverhalte zu fingieren. Der BFH prüfte weiterhin, ob Anhaltspunkte für schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern bzgl. der inkongruenten Gewinnausschüttung und inkongruenten Kapitalzuführungen bestanden. Es erschien ihm als denkbar, dass der eine Anteilseigner seine zukünftigen Gewinnansprüche an den anderen Gesellschafter anteilig – im Umfang der disquotalen Ausschüttung – abgetreten14 und der andere Gesellschafter sich im Gegenzug zu einer gleichermaßen disquotalen Wiedereinlage der ausgeschütteten Beträge verpflichtet hätte. Solche Vereinbarungen lagen indes wohl nicht vor. So erhielt der dividendenverzichtende Gesellschafter kein Entgelt von dem die inkongruente Gewinnausschüttung beziehenden Gesellschafter. Zwar verpflichtete sich Letzterer im Vorhinein zur Wiedereinlage der ausgeschütteten Beträge, gleichwohl kann auch dies nach Ansicht des BFH nicht als Zuwendung an den anderen Gesellschafter qualifizieren, da der die Dividende beziehende Gesellschafter wiederum in die Gesellschaft einlegte und damit der Mitgesellschafter nichts erlangte. Schließlich prüfte der BFH, ob die Gewinnausschüttung in jenem Umfang, in dem sie inkongruent beschlossen wurde, dem Mitgesellschafter als eigener Gewinnanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Gewinnausschüttung an eine nahestehende Person zuzurechnen sei denn nach allgemeinen Grundsätzen sei der fragliche Ertrag nicht vom „Nahestehenden“ zu versteuern, sondern vom Gesellschafter. Auch diesen Gedanken lehnte der BFH ab. Es sei auch diesbezüglich nicht erkennbar, auf welche Rechtsgrundlage sich eine derartige „Spaltung“ einer Gewinnausschüttung stützen könne. Offen ausgeschüttete Gewinne werden stets und nur bei demjenigen Anteilseigner der Besteuerung unterworfen, dem sie auch in dieser Eigenschaft als Anteilseigner zufließen. Unabhängig davon werden mehrere Anteilseigner dadurch, dass ihrem Ausschüttungsverhalten eine „gleichgelagerte“ Motivation zugrunde liegt, nicht zu einander nahestehenden Personen.

14 Vgl. dazu BFH, Urt. v. 21.5.1986 – I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl. II 1986, 794; BFH, Urt. v. 17.12.1997 – I R 30/97, BFH/NV 1998, 1093, m. w. N.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Diese Rechtsprechung führte der BFH auch für die sicherlich als exotisch zu bezeichnenden Fälle der „Mobilisierung von Körperschaftsteuerguthaben“ unbeirrt fort.15 Schlussendlich bestätigte der BFH mit Beschluss vom 27.5.2010,16 dass die Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung mehr besitze, vielmehr habe der BFH diese Frage bereits mit Urteil vom 19. August 199917 entschieden und im Rahmen späterer Entscheidungen (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 200618 und vom 8. August 200119) auf dieses Urteil Bezug genommen, ohne sich von den dort niedergelegten Grundsätzen in irgendeiner Weise zu distanzieren. Aus Sicht der Rechtsprechung ist damit in Bezug auf die steuerrechtliche Behandlung von inkongruenten Gewinnverteilungsabreden mit keiner Bewegung mehr zu rechnen. Insoweit muss wohl konstatiert werden, dass die nachfolgend dargestellte Rechtsansicht der Finanzverwaltung – jedenfalls ohne gesetzlich verschärfende Nachbesserung – auf tönernen Füßen steht und im Einzelfall wohl kaum (noch) eine Chance auf rechtliche Durchsetzbarkeit aufweist. 1.2.2. Finanzverwaltung Gem. BMF-Schreiben vom 7.12.200020 vertritt die Finanzverwaltung unverändert bis heute in Bezug auf inkongruente Gewinnausschüttungen und inkongruente Wiedereinlagen folgende Ansicht: Die vorstehend dargestellten Grundsätze des BFH-Urteils vom 19.8.1999 seien über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht allgemein anzuwenden. Inkongruente Gewinnausschüttungen seien steuerlich (nur) dann anzuerkennen, wenn für eine vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung besondere Leistungen (aber wohl nicht Einlagen) eines oder mehrerer Gesellschafter für die Kapitalgesellschaft ursächlich seien. Dabei sollen die für die abweichende Gewinnverteilung sprechenden Gründe im Verhältnis zwischen der den Gewinn ausschüttenden Kapitalgesellschaft und den begünstigten Gesellschaftern bestehen. Derartige, für eine inkongruente Gewinnausschüttung beachtliche Gründe könnten (nur) dann angenommen werden, wenn einem Gesellschafter, im Hinblick auf zusätzliche Beiträge zum Gesellschaftszweck, eine Mehrbeteiligung am Gewinn der Kapitalgesellschaft eingeräumt wird. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn ein Gesellschafter der Kapi15 16 17 18 19 20

Vgl. BFH, Urt. v. 28.6.2006 – I R 97/05, BFH/NV 2006, 2207. Vgl. BFH, Urt. v. 27.5.2010 – VIII B 146/08, BFH/NV 2010, 1865. Vgl. BFH, Urt. v. 19.8.1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43. Vgl. BFH, Urt. v. 28.6.2006 – I R 97/05, BFH/NV 2006, 2207. Vgl. BFH, Urt. v. 8.8.2001 – I R 25/00, BFH/NV 2002, 461. Vgl. BStBl. I 2001, 47.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen talgesellschaft wertvolle Grundstücke unentgeltlich zur Nutzung überlässt oder wenn er unentgeltlich die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft übernimmt. Dagegen lägen beispielsweise keine wirtschaftlich beachtlichen Gesellschafterleistungen vor, wenn eine inkongruente Gewinnausschüttung mit einer inkongruenten Einlage verbunden sei. Lägen keine wirtschaftlich beachtlichen Gesellschafterleistungen für die vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnausschüttung vor, sollen die Ausschüttungen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft zugerechnet werden. Die vorstehend dargestellten Besteuerungsfolgen sollen auch dann eintreten, wenn die inkongruente Einlage der inkongruenten Gewinnausschüttung zeitlich vorangeht. Diese Grundsätze sollen wohl – entgegen der vorstehend dargestellten und diametral anders lautenden BFH-Rechtsprechung – weiterhin Bestand haben. So wird das Schreiben weiterhin auch in der Positivliste des BMF geführt.21 1.2.3. Beurteilung Die von der Finanzverwaltung vertretenen Thesen können ganz überwiegend nicht überzeugen. Die Finanzverwaltung vertritt eine in sich systematisch nicht geschlossene und nicht durchdachte Sichtweise, die hauptsächlich auf dem Argument basiert, dass die Gewinnverteilung stets nach einem „gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel“ erfolgen müsse und dass ein Abweichen davon außerhalb enger Ausnahmen nicht anzuerkennen sei. Tatsächlich stellt die Verteilung des Gewinns entsprechend des Nominalkapitals jedoch nur den gesetzlichen Regelfall dar. Das Gesellschaftsrecht erlaubt aber auch ausdrücklich ein Abweichen davon durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Einen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz des Ausschlusses von inkongruenten Gewinnverteilungsabreden gibt es folglich nicht.22

21 Vgl. Anwendung von bis zum 1.4.2011 ergangenen BMF-Schreiben v. 4.4.2011 – IV A 2 – O 1000/10/10283 und auch in einem jüngeren BMF-Schreiben zitiert (JStG 2009, Betriebe gewerblicher Art und Eigengesellschaften von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, BMF, Schr. v. 12.11.2009 – IV C 7 – S 2706/08/10004): Die aufgrund § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG getroffenen Verlusttragungsvereinbarungen lassen die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 7.12.2000 (BStBl. I 2001, 47) unberührt. Danach ist bei einer disquotalen Verlusttragung der jPöR für die Anerkennung einer disquotalen Gewinnverteilung eine „besondere Leistung“ des privaten Gesellschafters erforderlich. 22 Ebenso Rose, FR 2002/1, 6.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Ein steuerliches Abweichen von einer gesellschaftsrechtlich wirksamen Regelung bedarf grundsätzlich wiederum einer steuergesetzlichen Spezialregelung oder der Annahme eines Missbrauchs. Beides ist nicht erkennbar. Wenn und soweit fremde Dritte gesellschaftsrechtlich wirksam einen inkongruenten Gewinnverteilungsmaßstab vereinbaren, so ist diesem grundsätzlich zu folgen. Die Parteien werden dies darüber hinaus in aller Regel nur dann vereinbaren, wenn eine Ausgeglichenheit aus Sicht der betroffenen Gesellschafter vorliegt (anderenfalls wären Schenkungsteuerfolgen zu prüfen – dazu nachstehend). In diesem Zusammenhang ist u. U. weiterhin zu unterscheiden zwischen einerseits (entgeltlichen) Leistungen zwischen den Gesellschaftern (z. B. Erwerb eines Gewinnbezugsrechts von einem Gesellschafter durch den anderen) von andererseits solchen – allein hier relevanten – Vorgängen der Leistung in die Gesellschaft mittels Einlage, die entsprechend auch zu einem erstmaligen (bei Neueintritt) bzw. erhöhten Gewinnbezugsrecht (bei Aufstockung der Beteiligung) des leistenden Gesellschafters führen. Letztere Fallgruppe erlaubt wohl kaum einen Eingriff in die gegebene Gewinnverteilungsregelung, da diese gesellschaftsrechtlich wirksam, zwischen fremden Dritten vereinbart, wirtschaftlich begründet und damit angemessen ist. Entsprechend liegt auch kein Missbrauch vor, da die Gestaltung nicht als gekünstelt, umständlich oder kompliziert durch eine richtigere, einfachere ersetzt werden kann.23 Ferner ist beachtlich, dass auch jede verdeckte Gewinnausschüttung eine inkongruente ist und gleichfalls keine steuerliche Reallokation der geflossenen Beträge erfolgt. Weiterhin unterscheidet die Finanzverwaltung willkürlich und in unzutreffender Weise zwischen Leistungen an die Gesellschaft und Einlagen in die Gesellschaft. So soll nach Ansicht der Finanzverwaltung z. B. die unentgeltliche Überlassung eines wertvollen Grundstücks an die Gesellschaft eine steuerlich anzuerkennende inkongruente Gewinnausschüttung begründen können, eine Übertragung des Grundstücks kraft Einlage – mit einer damit einhergehenden Vereinbarung einer inkongruenten Gewinnverteilung – stelle dagegen keinen Grund für eine steuerlich anzuerkennende inkongruente Gewinnverteilungsabrede dar. Dies stellt allerdings die Dinge auf den Kopf: Während der, der nur unentgeltlich überlässt und damit gerade keine Einlage in die Gesellschaft leistet, einen steuerlich anzuerkennenden erhöhten Gewinnanspruch erzielen können soll, soll dagegen derjenige, der eine Einlage leistet, für steuerliche Zwecke keinen erhöhten Gewinnanspruch für sich reklamieren können. Ein Widersinn in sich, der die schwache Position der Finanzverwaltung verdeutlicht. 23 Vgl. dazu auch Rose, FR 2002/1, 7.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen 2. Schenkungsteuer 2.1 Rechtslage alte Fassung Mit gleichlautendem Ländererlass vom 20.10.2010 hat die Finanzverwaltung H18 der Erbschaftsteuerrichtlinien neu gefasst,24 welcher Leistungen von Gesellschaftern und Dritten an Kapitalgesellschaften und deren (mittelbare) schenkungsteuerliche Wirkung bei den Mitgesellschaftern behandelt. Diese Grundsätze der Finanzverwaltung sind u. U. im Hinblick auf das vorliegende Thema relevant, da in bestimmten Fällen auch Zuführungen in Kapitalgesellschaften als (mittelbare) Schenkung an mitbeteiligte Gesellschafter angesehen werden können. Die möglicherweise für die vorliegende Diskussion relevanten Eckpunkte gem. H18 seien daher kursorisch nachfolgend dargestellt (zu der neuen Rechtslage vgl. nachstehend 2.2.). 2.1.1. Zuführung in eine bestehende Gesellschaft Führt ein Gesellschafter einer bestehenden Kapitalgesellschaft im Wege einer offenen oder verdeckten Einlage einen Vermögenswert zu und erhöht sich infolgedessen der gemeine Wert sämtlicher Anteile, stellt die Werterhöhung der Beteiligungsrechte der anderen Gesellschafter grundsätzlich keine steuerbare Zuwendung an diese dar.25 Erwirbt ein Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung neue Anteile an einer Kapitalgesellschaft gegen eine Einlage, die den Wert der Anteile übersteigt, kommt regelmäßig die Annahme einer steuerbaren Zuwendung an die übrigen Gesellschafter ebenfalls nicht in Betracht.26 Erfolgt jedoch in zeitlichem Zusammenhang mit einer solchen Einlage eine offene oder verdeckte Ausschüttung, ist regelmäßig der an die anderen Gesellschafter ausgeschüttete Betrag Gegenstand einer Zuwendung des Einlegenden an die Ausschüttungsbegünstigten im Sinne einer Weiterleitung des eingelegten Vermögens an den jeweiligen Beschenkten.27 Erwirbt dagegen ein Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung neue Anteile an einer Kapitalgesellschaft gegen eine – nach Maßgabe der Wertverhältnisse – zu geringe Einlage und ohne weitere Verpflichtungen eingehen zu müssen, so ist er mit der Eintragung im Handelsregister auf 24 Die geänderte Fassung des H18 ist auf alle Erwerbsfälle anzuwenden, für die die Steuer nach dem 20.10.2010 entsteht. Eine Anwendung auf Erwerbsfälle, für die die Steuer vor dem 21.10.2010 entstanden ist, sei möglich, soweit R 18 ErbStR, H 18 ErbStH und die amtlich veröffentlichte Rechtsprechung des BFH dem nicht entgegenstehen. 25 Vgl. BFH, Urt. v. 9.12.2009, BStBl. II 2010, 566 und v. 25.10.1995, BStBl. II 1996, 160. 26 Vgl. BFH, Urt. v. 9.12.2009, BStBl. II 2010, 566. 27 Vgl. BFH, Urt. v. 19.6.1996, BStBl. II 1996, 616.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Kosten der Altgesellschafter bereichert. Hierbei ist der gemeine Wert der Anteile maßgebend.28 2.1.2. Neugründung Wird eine Kapitalgesellschaft neu gegründet und erbringt ein Gesellschafter seine Stammeinlage ohne dafür eine gleichwertige Kapitalbeteiligung zu erhalten, bilden die Vereinbarungen ein einheitliches Rechtsgeschäft mit der Folge, dass die durch diese Einlage veranlasste Erhöhung des gemeinen Wertes der Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter als Zuwendung an diese behandelt wird.29 2.2. Gesetzesänderung Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum „Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie – Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG)“ wurde, unter anderem, § 7 ErbStG um einen neuen Absatz 8 ergänzt, nach dem als Schenkung nun auch gilt, wenn eine Person (Zuwendender), die selbst nicht Gesellschafter sein muss, durch ihre Leistung eine Werterhöhung der Kapitalgesellschaft bewirkt und eine unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung diese Werterhöhung als Bedachter erlangt. Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften sollen dagegen nur dann als eine entsprechende freigiebige Zuwendung gewertet werden, soweit diese in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern, und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind (KonzernKlausel).30 Damit werden durch diese Gesetzesergänzung grundsätzlich alle Fälle der (freigiebigen) überquotalen Einlage als Schenkung an die Mitgesellschafter qualifiziert, selbst wenn kein Wille zu einer freigiebigen Zuwendung vorliegt. Eine klare Gegenausnahme ist nur für bestimmte Konzernfälle gegeben. In der Begründung wird dazu erläuternd ausgeführt, dass bei disquotalen Leistungen regelmäßig von einer privaten freigiebigen Veranlassung auszugehen sei, soweit der leistende und der begünstigte Gesellschafter nahe Angehörige i. S. des § 15 AO seien. Unter fremden Dritten würden dagegen überproportionale Einlagen allenfalls mit gesellschaftsrechtlichen Zusatzabreden vorgenommen, die für den einlegenden Gesellschafter gewährleisten, dass eine überproportionale Einlage nicht zu einer endgül28 Vgl. BFH, Urt. v. 20.12.2000, BStBl. II 2001, 454. 29 Vgl. BFH, Urt. v. 12.7.2005, BStBl. II 2005, 845. 30 Vgl. BGBl. I 2011, 2614 v. 13.12.2011.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen tigen Vermögensverschiebung zu Gunsten der Mitgesellschafter führt. Als mögliches Beispiel werden in diesem Zusammenhang Sanierungsfälle erwähnt.31 Nach der bisherigen Rechtslage, wie sie H18 weitgehend widergespiegelt, dürften grundsätzlich nur Fälle der inkongruenten Kapitalerhöhung in Neugründungsfällen problematisch gewesen sein, soweit bei bestehenden Gesellschaften nicht zeitnah zu einer disproportionalen Einlage zugleich auch eine (inkongruente) Gewinnausschüttung an den bzw. die Mitgesellschafter erfolgte. Unter neuem Recht könnten disproportionale Kapitalerhöhungsfälle (insbes. zwischen Nahestehenden) dagegen regelmäßig schenkungsteuerlich problematisch werden.32 Soweit die Fälle allerdings fremde Dritte betreffen, spricht vieles dafür, dass hier (jedenfalls für den Regelfall) von keiner Schenkung auszugehen sein dürfte. Vielmehr dürfte, in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung, davon auszugehen sein, dass fremde Dritte durch „gesellschaftsrechtliche Zusatzabreden“ genau dies verhindern werden. Diese Passage der Gesetzesbegründung verdeutlicht damit noch einmal eindrucksvoll das bestehende Spannungsverhältnis zwischen der ertragsteuerlichen Beurteilung disproportionaler Gewinnausschüttungen durch die Finanzverwaltung einerseits und der – ebenfalls durch die Finanzverwaltung initiierten – Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts. Wenn einerseits das Schenkungsteuerrecht (zutreffend) davon ausgeht, dass fremde Dritte sich nichts „schenken“ und in Fällen disproportionaler Einlagen entsprechende Abreden treffen, die vom gesetzlichen Regelfall abweichen um Schenkungen auszuschließen, so kann nicht zugleich eine solche (drittübliche) Vorgehensweise zu ertragsteuerlichen Nachteilen, also einer fehlerhaften Behandlung durch die Finanzverwaltung führen. Ein solches Paradoxon ist sachgerecht aufzulösen und belegt, auf welch tönernen Füßen die Ansicht der Finanzverwaltung bzgl. der ertragsteuerlichen Behandlung disquotaler Gewinnverteilungsabreden steht.

31 Vgl. BR-Drs. 253/11, 34, 35 v. 17.6.2011. 32 Bzgl. der schenkungsteuerlichen Behandlung disquotaler Einlagen und Gewinnausschüttungen nach § 7 Abs. 8 ErbStG vgl. van Lishaut/Ebber/ Schmitz, Ubg 2012, 1 ff.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen

III. Ausdifferenzierung von Fallgruppen Nachfolgend werden anhand einer Reihe von Beispielsfällen einzelne Kernaspekte zum einen bzgl. der Mechanik der unterliegenden Normen sowie zum anderen bzgl. kritischer Auslegungsfragen dargestellt und diskutiert. 1. Der Ausgangsfall – Wertproportionale Erhöhung B

A 50 %

50 %

GmbH

KG

KG

50

Sachverhalt Konzern A und Mittelständler B möchten komplementäre Sparten in einem Joint Venture zusammenführen. Beide Sparten werden bereits heute jeweils als eigenständige Tochter-KG geführt und zeigen ähnlichen Umsatz und Gewinn. Der Verkehrswert jeder KG beträgt 50. Entsprechend führen die Partner ihre Aktivitäten in einer gemeinsamen TochterGmbH (Anteilsbesitz je 50 %) unter Buchwertfortführung gegen Gewährung neuer Anteile steuerneutral zusammen (jeweils vollständige Einbringung des Mitunternehmeranteils, u. U. gefolgt von einem Austritt des zu 0 % beteiligten Komplementärs mit anschließender Anwachsung). Steuerliche Beurteilung Bei diesem Ausgangsfall handelt es ich um den „Schulfall“ der Einbringung von Mitunternehmeranteilen in eine Kapitalgesellschaft. In diesem Fall bestehen – unter Erfüllung der weiteren Voraussetzungen, die hier nicht kritisch diskutiert werden sollen – keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Buchwertfortführung. Insbesondere erfolgt kein (sonstiger) Wertausgleich, der die Buchwerteinbringung in Frage stellen könnte.

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Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen

2. Fälle der Wertungleichheit 2.1. Grundfälle des Ausgleichs Sachverhalt In Abwandlung zu dem zuvor dargestellten Grundfall sei es nun so, dass die Geschäfte des Mittelständlers B profitabler gemanagt sind und ihm daher grundsätzlich ein größerer Anteil zustünde (der Wert der KG des B sei entsprechend 60). Gleichwohl möchten die Partner ein „50:50 Joint Venture“ errichten. B

A 40 %

60 %

GmbH

KG

KG

40

60

Diesbezüglich werden die folgenden Alternativen erwogen: (1) Der Konzern legt neben seiner KG-Beteiligung zusätzlich einen Barbetrag ein, sodass sich dadurch ein Wertverhältnis von 50:50 ergibt. (2) Der Mittelständler B ordnet der übertragenen Einheit einen erhöhten Fremdverschuldungsgrad zu und senkt dadurch „künstlich“ den Wert seiner KG-Beteiligung. (3) Der Konzern A erwirbt vor Einbringung einen entsprechenden Anteil von B, sodass im Moment der Einbringung gleichmäßige Wertverhältnisse hergestellt sind. (4) Der Konzern A leistet im Rahmen der Einbringung eine Ausgleichszahlung an B, sodass hierdurch die Wertungleichheit abgegolten wird. (5) Im Rahmen der Einbringung wird dem Mittelständler zusätzlich zu den Anteilen (i) von der Gesellschaft ein Kaufpreis gezahlt oder (ii) eine Forderung gegen die Gesellschaft gewährt, die den Wertausgleich bewirkt.

202

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen (6) Im Rahmen der Einbringung wird dem Mittelständler zusätzlich zu den Anteilen eine typische stille Beteiligung an der Gesellschaft gewährt, die den Wertausgleich bewirkt. (7) Dem Mittelständler wird für einen festen Zeitraum (z. B. 7 Jahre) ein erhöhtes Gewinnbezugsrecht eingeräumt, aufgrund dessen ihm nur für diesen Zeitraum ein erhöhter Anteil des ausschüttbaren Gewinns zusteht (z. B. 75 % statt 50 %). Aufgrund der Planung der Gesellschaft sollte hierdurch der Wertausgleich (in einer Barwertbetrachtung der aus den geplanten Gewinnen resultierenden Dividendenzahlungen) erreicht werden. (8) Es wird vereinbart, dass dem Mittelständler B bis zu dem Ausgleich des eingebrachten Mehrwertes überquotale Ausschüttungen gutgebracht werden (denkbar: alleiniges Gewinnbezugsrecht von B bis zur Abgeltung der Wertungleichheit). (9) Dem Mittelständler wird ein zeitlich unbegrenzt erhöhter Gewinnanteil und entsprechendes Nominalkapital eingeräumt (z. B. 60 %), lediglich die Stimmrechte werden auf 50:50 eingestellt. Steuerliche Beurteilung Zu (1): B

A 50 %

50 %

GmbH

KG

KG

40 Einlage + 20 60

60

Die Einlage von Barmitteln durch den „kleineren Partner“, um eine 50:50 Beteiligung darstellen zu können, stellt einen unkritischen Fall der möglichen Buchwerteinbringungen dar. Beachtlich ist allerdings, dass A in diesem Fall zusätzliche Barmittel aufbringen muss und sich die erhöhte Einlage auch in erhöhten Anschaffungskosten der neu gewährten Anteile an A spiegelt. Für B bleibt der

203

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Vorgang vollständig neutral. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ergänzend zu berücksichtigen, dass durch diesen Vorgang die GmbH tendenziell „überkapitalisiert“ würde, was in einer niedrigeren Rentabilität resultieren könnte. Weiterhin muss A in diesem Fall 20 (die volle Wertdifferenz) einlegen, da nur 50 % der Mehreinlage den Anteil von B erhöht, die anderen 50 % der Mehreinlage (also die weiteren 10) jedoch dem eigenen Anteil des A wieder zugerechnet werden (anders dagegen nachstehend in den Fällen (3) und (4)). Zu (2): B

A 50 %

50 %

GmbH

KG

KG

40

60 – 20 Verschuldung 40

Die Alternative der Zuordnung einer erhöhten Verschuldung stellt grundsätzlich gleichfalls einen (allerdings der Höhe nach begrenzten) unschädlichen Tatbestand dar. Strittig kann hier im Einzelfall sein, ob es sich um Verschuldung handelt, die dem operativen Geschäft zuordenbar ist und daher im Rahmen des einzubringenden Mitunternehmeranteils den Buchwert des selben mindert, oder ob es sich um eine getrennt zu qualifizierende, isolierte Fremdverschuldung handelt, die ihrerseits dann als weitere (sonstige) Gegenleistung anzusehen sein könnte. Für das steuerliche Ergebnis bleibt die Unterscheidung grundsätzlich irrelevant, da in beiden Fällen eine erhöhte Verschuldung den Nettobuchwert des eingebrachten Vermögens absenkt und dadurch die Buchwertübertragung dann und insoweit in Frage stellt, als die zusätzliche Verschuldung den Buchwert übersteigt. B reduziert mit dieser Maßnahme mindestens den Buchwert der neu gewährten Anteile. Übersteigt die zugeordnete Verschuldung den Buchwert des übertragenen Vermögens, tritt insoweit eine sofortige Gewinnrealisierung ein.

204

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Während damit die Zuführung weiterer Mittel (Fall 1) der Höhe nach unbegrenzt erfolgen kann, wird die Zuführung von Schulden (Fall 2) – jedenfalls aus steuerlicher Sicht – durch den Buchwert des Gesellschafters, dem diese zugeordnet werden, limitiert. Spiegelbildlich zum ersten Fall besteht hier die Gefahr einer Unterkapitalisierung. Gegebenenfalls können die Parteien in solchen Fallkonstellationen darüber nachdenken, einen „Mix“ aus Einlage und Schuldenzuordnung durchzuführen (d. h. A bringt einen gewissen Barbetrag zusätzlich ein und B ordnet gewisse Schulden zu, sodass für beide Parteien die Beträge geringer und die (künftigen) steuerlichen Auswirkungen sowohl für A als auch für B günstiger wären), sodass die tatsächliche Finanzausstattung der Gesellschaft wieder gegen die betriebswirtschaftlichen Zielgrößen konvergiert. Zu (3): A

B

Erwerb 10 von M 50 %

50 %

GmbH 16,67 % (10)

83,33 % (50) KG

40

60

Der der Einbringung vorangehende An- bzw. Verkauf stellt eine Transaktion dar, die sich außerhalb der Regelung des Umwandlungssteuergesetzes bewegt und entsprechend den allgemeinen Grundsätzen unterfällt (Gewinnrealisierung). Der Wertausgleich wird zwar erreicht, eine Buchwertfortführung ist insoweit jedoch ausgeschlossen. Der erwerbende Konzern A erhöht durch den Erwerb seine Anschaffungskosten in Höhe des Kaufpreises und schafft zugleich zusätzliches Abschreibungsvolumen in der Gesellschaft (Fortführung der durch den Erwerb entstandenen Ergänzungsbilanz nach Einbringung in der GmbH). Diesbezüglich ergibt sich als Folgefrage, ob für die hieraus resultierende Steuerminderung eine zusätzliche Ausgleichsrechnung (zu Gunsten von 205

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen A) notwendig wäre bzw. ob vor dem Hintergrund dieser Steuerminderungen A einen (marginal) geringeren Anteil von B erwerben müsste. Weiterhin ist eine ggf. auf Ebene der Mitunternehmerschaft entstehende Gewerbesteuer aus der Veräußerung zu berücksichtigen (in Abhängigkeit der gewerbesteuerlichen Befreiung des Veräußerungsgewinns gem. § 7 GewStG in Bezug auf B). Wirtschaftlich gesehen erhält B eine „Ausgleichszahlung vorab“ (siehe dazu auch nachstehend Fall (4)), die er – im vorliegenden Verkaufsfall – jedoch nur pro rata gegen den Buchwert der Beteiligung insoweit verrechnen kann, als ein Anteil an der Beteiligung auf A übergeht (im Beispiel: 16,67 %). Der überschießende Betrag stellt einen Veräußerungsgewinn dar, der nach den allgemeinen Regelungen zu versteuern ist. Entgegen den Fällen (1) und (2) muss vorliegend jedoch nicht die volle, sondern – aufgrund der angestrebten 50:50 Beteiligung – nur die Hälfte des Wertunterschieds ausgeglichen werden, da der Wertausgleich nicht in die Gesellschaft, sondern an den Gesellschafter erfolgt. Zu (4): A

B

Ausgleichszahlung 10 50 %

50 %

GmbH

KG

KG

40

60

Erfolgt der Wertausgleich nicht „im Vorhinein“ als offene Kaufpreiszahlung, sondern leistet der Mitgesellschafter eine Ausgleichszahlung im Rahmen der Einbringung (die wirtschaftlich letztendlich nicht anders einzuordnen ist), eröffnet dies den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG. Wortlautgemäß spricht die Regelung davon, dass „der Einbringende neben den Gesellschaftsanteilen auch andere Wirtschaftsgüter“ erhält. Die Norm limitiert allerdings nicht – wie man es vielleicht erwarten könnte – den Kreis derer, die eine Ausgleichszahlung leisten könnten, auf die übernehmende Gesellschaft. Vielmehr ist der Personen-

206

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen kreis der Leistenden unbestimmt. Nach wohl herrschender Meinung können daher solche Ausgleichszahlungen insbesondere auch durch Mitgesellschafter erfolgen.33 Als Konsequenz dessen ergibt sich dann bei dem die Ausgleichszahlung erhaltenden Gesellschafter eine entsprechende Minderung der Anschaffungskosten der neu gewährten Anteile. Nur soweit die Ausgleichszahlung den Buchwert des übertragenen Vermögens übersteigt – und damit die Anschaffungskosten der Anteile negativ würden –, kommt es zur Auflösung stiller Reserven und entsprechend zur Versagung der Buchwertfortführung. Eine Übertragung ohne eine steuerpflichtige Auflösung stiller Reserven ist folglich nur bei Gegenleistungen möglich, deren gemeiner Wert den Buchwert des übertragenen Vermögens nicht übersteigt. In den übrigen Fällen kommt es allerdings auch nur bzgl. des übersteigenden Betrags zu einer Gewinnrealisierung. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass nur ein anteiliger Wertausgleich (10) erfolgen muss, da die Leistung wiederum an den Gesellschafter fließt und – anders als im vorstehenden Fall (3) – nicht nur pro rata in Höhe des anteilig übertragenen Anteils gegen den unterliegenden Buchwert (16,67 %) gegengerechnet, sondern vorliegend der Buchwert bis zu dessen voller Höhe gegen die Ausgleichszahlung verrechnet werden kann. Wenn und soweit hier also relevante Buchwerte bestehen und die prozentuale Verschiebung nicht zu hoch ausfällt, ergeben sich aus dieser unterschiedlichen Technik der Verrechnung der Buchwerte entsprechend relevante Unterschiede für die Besteuerungssituation im Einbringungszeitpunkt (d. h. in Fall (4) entsteht tendenziell kein bzw. ein geringerer Gewinn als in Fall (3)). Diese „erweiterte“ Steuerneutralität wird allerdings durch ein entsprechendes Absinken der Anschaffungskosten der neu gewährten Anteile erkauft. Insoweit wird eine (erhöhte) Steuerpflicht in die Zukunft verschoben. Aufgrund der dem B zufließenden Mittel erscheint dieses Ergebnis allerdings insoweit sachgerecht. Der die Ausgleichszahlung leistende (zukünftige) Mitgesellschafter A erhöht entsprechend der seinerseits geleisteten Ausgleichszahlung die Anschaffungskosten seines neuen Anteilsbesitzes. Im Ergebnis fingiert damit die Ausgleichszahlung zwischen den Gesellschaftern eine Einlage durch den einen Gesellschafter in die Gesellschaft

33 Vgl. Menner in Haritz/Menner, UmwStG, § 20, Tz. 518; Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwStG, § 20 UmwStG Tz. 363; Widmann/Mayer, UmwStG, § 20, Tz. 1234.

207

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen (Erhöhung der Anschaffungskosten) sowie eine Gewährung einer sonstigen Gegenleistung an den anderen Gesellschafter durch die Gesellschaft (sowie Kürzung der Anschaffungskosten des anderen Gesellschafters; falls diese dadurch negativ würden, werden stille Reserven des übertragenen Vermögens aufgelöst). Während man womöglich in anderen Konstellationen dies als eine „missbräuchliche“ Umgehung eines direkten Verkaufs ansehen könnte, bedarf es im vorliegenden Fall offenkundig keiner komplexen „Umweggestaltung“, da der direkte Weg der Ausgleichszahlung zwischen den Einbringenden steuerlich anerkannt wird. Zu (5): B

A 50 %

50 % – Einmalzahlung 20 – Forderungseinräumung GmbH

KG

KG

40

60

Die Gewährung eines sofortigen Barausgleichs oder einer Forderung durch die Gesellschaft an den einbringenden Gesellschafter bedeutet gleichfalls die Gewährung anderer Wirtschaftsgüter neben dem Gesellschaftsanteil, was zunächst – und soweit gegeben – den Buchwert der neu gewährten Anteile mindert („Verkauf gegen Buchwert“). Der Wertausgleich wird erreicht. Ob es auch zugleich zur Buchwertfortführung des eingebrachten Vermögens kommt, hängt wiederum entscheidend von der Höhe des Buchwerts des übertragenen Vermögens und der Höhe der gewährten Gegenleistung ab. In jedem Fall mindert diese Vorgehensweise die Anschaffungskosten der neu gewährten Anteile und erhöht damit einen späteren Veräußerungsgewinn. Es bleibt aber auch in dieser Fallkonstellation beachtlich, dass der „volle Buchwert“ gegen die sonstige Gegenleistung verrechnet werden kann und es nicht zu einer „pro rata Betrachtung“ (wie im Verkaufsfall (3)) hinsichtlich Buchwert und Gegenleistung kommt. Weiterhin ist beachtlich, dass in diesem Fall die Höhe der Ausgleichszahlung jedoch wiederum

208

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen dem vollen (20) und nicht nur dem anteiligen Unterschiedsbetrags (10) entspricht, wie dies im Fall der Ausgleichszahlung durch einen Gesellschafter der Fall wäre (Fall (4)). Insoweit wirkt dies nachteilig, da tendenziell eher der Buchwert „verbraucht“ wird und dies eine (anteilige) Steuerpflicht auslösen kann. Ein Vorteil dieser Variante besteht allerdings darin, dass die wertausgleichenden Zahlungen aus künftigen Gewinnen (bzw. Cash Flow) der Gesellschaft gespeist werden können (jedenfalls im Fall der Einräumung einer Forderung), sodass weder bei einem der Gesellschafter selbst noch bei der Gesellschaft Liquiditätsengpässe im Zeitpunkt der Einbringung entstehen müssen. Zu (6): A

B 50 %

50 % stille Gemeinschaft – nominal 10 – gemeiner Wert 20 GmbH

KG

KG

40

60

Im Grundsatz bedeutet die Gewährung einer typischen stillen Beteiligung gleichfalls die Gewährung einer sonstigen Gegenleistung, die insoweit daher auch in gleicher Weise der zuvor dargestellten Systematik folgt (Minderung der Anschaffungskosten und Realisierung von stillen Reserven bei Übersteigen des übertragenen Buchwertes). Gegenüber einer direkt erfolgenden Einmalzahlung oder Gewährung einer regulär verzinslichen Forderung ist bzgl. einer stillen Gesellschaft beachtlich, dass hier der Nominalwert der gewährten stillen Beteiligung u. U. unter deren gemeinem Wert liegen kann. Immer dann, wenn die stille Beteiligung eine Überrentabilität (im Vergleich zum Marktzins) aufweist, deutet dies (gegebenenfalls nach Adjustierung bzgl. Bonität der gewährenden Gesellschaft, Risikoprofil und anderer wertbeeinflussender Faktoren) auf einen gemeinen Wert der stillen Beteiligung hin, welcher den Nominalwert übersteigen kann. Entsprechend bedarf es hier zusätzlich einer Bewertung der stillen Gesellschaft, um deren gemeinen Wert zutreffend zu

209

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen ermitteln und in dieser Höhe den Buchwert des übertragenen Vermögens sowie die Anschaffungskosten der neu gewährten Anteile zutreffend zu kürzen (bzw. im Falle eines Übersteigens eine Gewinnrealisierung in Kauf zu nehmen). Im Rahmen der Einbringung ist entsprechend mit einem – gegenüber dem Nominalwert – ggf. erhöhten gemeinen Wert der zu vereinbarenden stillen Gesellschaft zu kalkulieren, um eine anderweitig eventuell den Buchwert übersteigende sonstige Gegenleistung zu vermeiden bzw. steuerplanerisch rechtzeitig antizipieren zu können. Zu (7): B

A 50 %

50 % 7 Jahre Vorzugsgewinnrechte GmbH

KG

KG

50

50

In diesem Fall erhält der Mittelständler ein Vorzugsgewinnrecht für einen bestimmten Zeitraum (z. B. 7 Jahre), nicht aber in einer (fest vor)bestimmten Höhe. Soweit man hier ein entgeltliches, zusätzliches Geschäft sehen wollte, stellt sich dann als zusätzliche Folgefrage, ob und wie dieses Geschäft steuerlich beurteilt werden soll. Da kein fester Betrag vereinbart wurde, sondern nur ein erhöhtes Gewinnbezugsrecht, bleibt es inhaltlich bei einer vollständigen unternehmerischen Risikoposition. B erhält zwar ein erhöhtes Gewinnbezugsrecht, dies bedeutet jedoch nicht, dass es überhaupt bzw. falls es zu Gewinnausschüttungen käme, in welcher Höhe diese erfolgen würden. Insoweit könnte eine mögliche Besteuerung wohl überhaupt nur auf der Basis erfolgen, dass der im Transaktionszeitpunkt durch die beiden Parteien der Transaktion zugrunde gelegte Gewinn geschätzt würde („Business Plan“). Dieser bildete dann die Berechnungsgrundlage für den Mehrgewinnausgleich, müsste im Nachhinein aber wohl gem. § 175 AO mit dem tatsächlich erzielten Mehrgewinn abgeglichen werden. Die Höhe des Wertausgleichs würde sich dann aus der Wertdifferenz zwischen regulärem und erhöhtem Gewinn-

210

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen bezugsrecht ergeben. Es erscheint allerdings höchst fraglich, ob diese Vorgehensweise zutreffend wäre. Die zeitlich begrenzte Gewährung einer erhöhten Gewinnbeteiligung stellt sicherlich im Hinblick auf die hier zu diskutierende Frage einen „Hybrid“ dar. Einerseits wird keine andere Gegenleistung außer neuen Gesellschaftsanteilen gewährt, andererseits sind diese Gesellschaftsanteile allerdings mit einer vom Regelfall abweichenden Besonderheit ausgestattet, die darüber hinaus auch nur zeitlich begrenzt gewährt wird. Damit stellt sich hier in besonderer Weise die Frage, ob i. S. des § 20 Abs. 2 UmwStG „neben den Gesellschaftsanteilen auch andere Wirtschaftsgüter“ gewährt wurden, die insoweit als deren gemeiner Wert wiederum den Buchwert des eingebrachten Vermögens übersteigt, eine Buchwertübertragung ausschließen würden. Diesbezüglich sind sicherlich mehrere Sichtweisen möglich: (i)

Da nur Gesellschaftsanteile gewährt werden, liegt ein unschädlicher Vorgang vor (uneingeschränkte Buchwertfortführung).

(ii) Das zusätzliche Gewinnbezugsrecht stellt ein Mehr gegenüber dem eigentlich gewährten Gesellschaftsanteil dar, da es sich verbraucht und damit eigenständig neben dem gewährten Gesellschaftsanteil zu betrachten wäre. Damit liegt eine zusätzliche Gegenleistung vor. Diese ist für die Buchwertfortführung jedoch nur schädlich, falls der gemeine Wert der Gegenleistung den Buchwert übersteigt. (iii) Es liegt zwar ein i. S. des UmwStG unschädlicher Vorgang zwischen dem Einbringenden und der Gesellschaft vor, jedoch ist ein weiteres Geschäft zwischen den beiden Mitgesellschaftern insoweit beachtlich, als die Einräumung des zeitlich begrenzten Mehrgewinns zugunsten des einen Gesellschafters spiegelbildlich einen entsprechenden Verzicht des anderen Gesellschafters bedeutet. Dieser Verzicht stellt somit eine (Kaufpreis-) Zahlung dar und ist damit grenzwertig wie Fall 3 zu würdigen (Verkauf im Vorhinein – insoweit generell keine Buchwertfortführung möglich). Welche Sichtweise die richtige Lösung darstellt, soll nachfolgend näher diskutiert werden. Einerseits sprechen die Tatsachen, dass nur Gesellschaftsanteile gewährt werden und es an einer festen Gegenleistung mangelt, für eine steuerneutrale Lösung und umfassende Buchwertfortführung. Dagegen spricht andererseits die zeitliche Beschränkung eines Mehrgewinnanteils, der insoweit wiederum als sonstige Leistung verstanden werden könnte – eine sonstige Leistung, die allerdings der Höhe nach unklar und unsicher ist, sodass es insoweit an der Gewährung eines eigenständigen Wirtschaftsguts mangeln dürfte.

211

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Die fehlende Eigenständigkeit eines nur zukünftig entstehenden Gewinnanspruchs bejaht auch der Große Senat.34 In der Grundsatzentscheidung bzgl. der Frage der phasengleichen Vereinnahmung von Gewinnansprüchen aus Tochterkapitalgesellschaften verneinte der BFH mit guten Gründen die Möglichkeit, Gewinne bereits dann zu vereinnahmen, wenn eine Dividende noch gar nicht beschlossen und damit entstanden sei. Die Dividende erstarke zum eigenständigen Wirtschaftsgut erst mit Gewinnverwendungsbeschluss; zuvor sei der Gewinn untrennbarer Teil des Gesellschaftsanteils. Auch ist die Höhe des Gewinns wie auch die Höhe der Gewinnverwendung bis zu dessen endgültiger Feststellung ungewiss (Geschäftsentwicklung, Ausübung von Bewertungswahlrechten etc.). Vor diesem Hintergrund formuliert der BFH im Rahmen der Entscheidung: „Es ist aus tatsächlichen Gründen schwer vorstellbar, dass ein fremder Kaufmann sich vor einem Bilanzstichtag den Erwerb der zivilrechtlich noch nicht entstandenen Forderung etwas kosten lassen würde.“35 Damit erteilt der BFH der These klar eine Absage, dass ein zukünftig erst entstehender Gewinnanspruch bereits ein Wirtschaftsgut darstelle. Folgt man diesen Erwägungen und der darunter liegenden Rechtsprechung auch im Hinblick auf die vorliegende Fallkonstellation, so fehlt es an der Gewährung eines eigenständigen Wirtschaftsgutes neben dem Gesellschaftsanteil und entsprechend kann es auch zu keiner Gewinnrealisierung aus der Buchwerteinbringung kommen. Beachtlich bleibt in diesem Zusammenhang allerdings die Tatsache, dass aufgrund des erhöhten Gewinnanteils des B ein erhöhtes Risiko besteht, dass es zu einer (anteiligen) Rückgewähr der getätigten Einlage kommt. Gem. § 22 Abs. 1 Nr. 3 UmwStG wird ein Einbringungsgewinn I binnen sieben Jahren nach der Einbringung ausgelöst, soweit die Kapitalgesellschaft aus ihrem steuerlichen Einlagekonto gem. § 27 KStG Ausschüttungen leistet. Hierbei sollten zunächst Leistungen in voller Höhe gegen die Anschaffungskosten des betreffenden Gesellschafters verrechnet werden können und nur ein überschießender Betrag dann zu dem Einbringungsgewinn I führen36. Wenn und soweit die Gewinne überwiegend nur an B ausgeschüttet und darüber hinaus die handelsrechtlichen Gewinne z. B. die steuerlichen überschreiten würden, bestünde ein entsprechend erhöhtes Risiko von Auszahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto, die kumuliert zu einem Überschreiten der Anschaffungskosten führen könnten.

34 Vgl. BFH, Urt. v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 633. 35 Vgl. BFH, Urt. v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 636. 36 Vgl. UmwSt-Erlass v. 11.11.2011, Tz. 22.24.

212

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Zu (8): B

A 50 %

50 % 20 Vorzugsgewinn

GmbH

KG

KG

40

60

Dem Mittelständler B wird ein im Vorhinein der Höhe nach fest definierter zusätzlicher absoluter Gewinnanspruch in Höhe des auszugleichenden Unterschiedsbetrags gewährt, der jedoch naturgemäß bzgl. des grundsätzlichen Entstehens und des zeitlichen Anfalls wiederum von der zukünftigen Gewinnentwicklung abhängt. Der Anspruch besteht auch weiterhin nur gegenüber der Gesellschaft, nicht jedoch gegenüber den Mitgesellschaftern. Gleichwohl bedeutet der Mehrgewinnanspruch des B zugleich einen Mindergewinnanspruch des A. Soweit der Mehrgewinnanspruch auf gesellschaftsrechtlicher Basis vereinbart wurde, spricht einerseits viel dafür, dass es sich hierbei um eine – jedenfalls nach Ansicht des BFH – zulässige Vereinbarung einer disquotalen Gewinnverteilung handelt, die auch steuerlich nachzuvollziehen ist. Dies insbesondere auch deshalb, weil entsprechende Mehrwerte Gegenstand der Einbringung waren. Andererseits kann kaum verkannt werden, dass in dieser Konstellation der Mittelständler B bereit ist, gegen einen fest definierten Betrag (der allerdings noch unter dem Vorbehalt der zukünftigen Erwirtschaftung steht und insoweit auch wiederum unsicher ist) den von ihm eingebrachten Mehrwert abzugeben. Insoweit besitzt das Übergewinnbezugsrecht auch Elemente von (allerdings unsicheren) Kaufpreisraten. Aus dem Blickwinkel der Finanzverwaltung, die – wie oben dargestellt – in der Regel disquotalen Gewinnverteilungsabreden kritisch gegenüber steht, mag man den Fall daher (womöglich fälschlicherweise) so lösen, dass der Konzern A Gewinnbezugsrechte in Höhe des Wertausgleichs an den Mittelständler B abgetreten hat und der letztere diese lediglich im Sinne einer Forderung einzieht, jedoch insoweit aus dem Dividendenbezug keine Einkünfte erzielt. Die überlassenen Gewinnbezugsrechte 213

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen wären nach dieser Sichtweise u. U. als Ausgleichszahlung des A (Erhöhung seiner Anschaffungskosten an der übernehmenden Gesellschaft) anzusehen und minderten entsprechend die Anschaffungskosten von B an der übernehmenden Gesellschaft. Überstiege zusätzlich der (Bar-)Wert der Dividendenansprüche die übertragenen Buchwerte, käme es zur Gewinnrealisierung.37 Folgt man dagegen der BFH-Rechtsprechung bzgl. der grundsätzlichen steuerlichen Anerkennung der Vereinbarung von inkongruenten Gewinnausschüttungen, so erscheint die zuvor skizzierte Lösung jedenfalls nicht zwingend. Unstreitig erbringen die Gesellschafter Einlagen von unterschiedlichem Wert. Genau deshalb vereinbaren die Gesellschafter eine – zeitweise – abweichende Gewinnverteilung. Da es sich nur um eine Gewinnverteilung handelt (d. h., die Beträge müssen erst erwirtschaftet werden), lässt sich daher auch der Standpunkt einnehmen, dass es an einer vorbestimmten, festen Ausgleichszahlung bzw. Gewährung einer sonstigen Gegenleistung fehlt. Es handelt sich nur um ein Wirtschaftsgut, welches als Gegenleistung eingeräumt wird: die Beteiligung. Wie die Beteiligung im Detail ausgestaltet ist, ist Teil der gesellschaftsrechtlichen Abrede, die auch steuerlich anzuerkennen ist. Gegen die mögliche Sichtweise der Finanzverwaltung sprechen damit im Ergebnis vor allem zwei Aspekte: Der Mehrgewinnanspruch ist ausschließlich aus künftigen Gewinnen zu „bedienen“, sodass z. B. eine Zahlung in Verlustjahren (oder bei fehlender Liquidität) unterbleiben muss. Weiterhin verliert B seinen Anspruch auf Mehrgewinn z. B. im Konkursfall (und zwar im Zweifel vollständig); hätte die Gesellschaft ihm eine Forderung eingeräumt, dann könnte B im Konkursfall dagegen auf Zahlung zumindest eines Teilbetrags hoffen. Darüber hinaus handelt es sich bei diesem Vorzugsgewinnanspruch nicht um einen abgespaltenen und einzeln übertragbaren Anspruch wie z. B. in Fall (5). Als gesellschaftsrechtliche Varianten zu der hier dargestellten Lösung könnte u. U. der Unterschiedsbetrag zwischen den Werten der Einlagen der beiden Gesellschafter auch in der Handelsbilanz aufgedeckt werden und B würden Vorzugsgewinnrechte aus den daraus gebildeten offenen Rücklagen zugewiesen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Gewährung

37 Eine noch schärfere Sicht der Dinge dahingehend, dass es sich um eine Kaufpreiszahlung handelt, die insoweit grundsätzlich stets gewinnrealisierend wirkt, ist abzulehnen, da es an einem getrennten, zusätzlichen Geschäft neben der Einbringung und Gewährung des Vorteils fehlt. Damit kann es sich bei der Einräumung des Gewinnvorzugs nur um eine sonstige Gegenleistung im Rahmen der Umwandlung handeln, nicht um eine isoliert und getrennt davon zu sehende Kaufpreiszahlung.

214

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen eines „Super Share“ an B, der nach dem Wertausgleich durch die Gesellschaft eingezogen wird.38 Zu (9): A

B

50 % Stimmrechte 40 % Kapital

50 % Stimmrechte 60 % Kapital

GmbH

KG

KG

40

60

Die Gewährung eines zeitlich unbegrenzten erhöhten Gewinnanteils zeigt zum Teil gleiche Elemente wie die vorangegangenen Alternativen, unterscheidet sich aber insbesondere dadurch, dass wegen fehlender zeitlicher Begrenzung die Nähe zu einem (der Höhe nach unbestimmten) Kaufpreis fehlt. Tatsächlich sind in diesem Beispiel die Wertverhältnisse zutreffend ermittelt, lediglich die Stimmrechte sind ungleich verteilt. Aus zutreffend ermittelten Wertverhältnissen und dementsprechend ausgegebenen Kapitalanteilen sollten dann auch keine negativen Schlüsse gezogen werden können, wenn die Stimmrechte davon abweichend (und nachteilig) für eine der Parteien vereinbart werden. Wenn und soweit für die abweichende Stimmrechtsverteilung keine gesonderte, anderweitige Vergütung vorgesehen ist, sollten isoliert aus diesem Aspekt keine steuerlichen Folgen zu ziehen sein. 2.2. Kartellrecht Ein lokales Unternehmen will mit einem überregional agierenden Partner kooperieren und bringt in diesem Zusammenhang einen Teilbetrieb in dessen GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein. Nach einer von den beteiligten Unternehmen vorgenommenen Bewertung müssten dem Einbringenden nach der Übertragung 15 % der Anteile an 38 Vgl. Erhart/Riedel, BB 2008/42, 2266 ff. über die steuerrechtliche Vorteilhaftigkeit sowie die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit der Vorzugsanteile und weiterer Möglichkeiten einer disquotalen Ausschüttung.

215

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen der aufnehmenden Gesellschaft zustehen. Das Kartellamt lässt aufgrund besonders strenger Auflagen jedoch nur eine Beteiligung von unter 10 % zu. Es wird daher nur eine nominelle Beteiligung von 9,9 % gewährt, während die Satzung eine disquotale Gewinnausschüttung von 15 % für den Einbringenden vorsieht. – Kartellrecht verbietet Beteiligung ≥ 10 % Einbringender – 15 % Gewinnbezugsrecht – 9,9 % Nominalkapital GmbH

15 % Wert

Dieser Fall weicht insoweit von den vorangegangenen ab, als der gewährte Nominalanteil nicht jedoch das Gewinnbezugsrecht disquotal im Verhältnis zur Einlage steht. Wenngleich (Teile der) Finanzverwaltung dem Vernehmen nach auch in dieser Fallkonstellation einen gewinnrealisierenden Tatbestand aufgrund der Gewährung eines zusätzlichen Vorteils in Form einer disquotalen Gewinnbeteiligung sehen möchte, so muss konstatiert werden, dass mit einer solchen Sichtweise die Umstände „auf den Kopf“ gestellt würden. Nicht die tatsächlich gewährte Gewinnbeteiligungsquote von 15 % ist artifiziell hoch, sondern der nominal gewährte Anteil von 9,9 % zu niedrig. Die zutreffende Lösung des Falles geht daher wohl dahin, dass keine disquotale Gewinnberechtigung vorliegt, sondern lediglich ein zu geringes Nennkapital gewährt wird. Hierin wäre – wenn überhaupt – eine Vorteilsgewährung durch den einbringenden Gesellschafter an die weiteren Gesellschafter zu sehen. Weiterhin wäre dann zu hinterfragen, ob dies schenkungsteuerlich zu werten wäre. Im Ergebnis dürfte es hier generell an jeder Form von gewollter oder tatsächlicher Zuwendung mangeln. Das Kartellrecht erzwingt besondere Beteiligungsverhältnisse, die entsprechend abgebildet werden. Das Gewinnbezugsrecht – und insoweit auch der Wert des Anteils – werden gleichwohl wertproportional zu der Einlage ausgestaltet. Ein Minus 216

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen ergibt sich lediglich in Bezug auf die wertinadäquat ausgestalteten Stimmrechte (9,9 % statt 15 %). Auf diese Stimmrechte verzichtet der einbringende Gesellschafter jedoch nur unter dem Zwang der Kartellauflagen. Er wendet diese damit zwar reflexhaft und mittelbar den Mitgesellschaftern zu, die Zuwendung erfolgt allerdings nicht mit einem Bereicherungswillen gegenüber den Mitgesellschaftern und sollte damit (eigentlich) auch schenkungsteuerlich unbeachtlich sein (wenngleich hier unter neuem Recht u. U. Restzweifel verbleiben könnten). Ertragsteuerlich fehlt gleichfalls der Wille zur Leistung einer Ausgleichszahlung, die darüber hinaus für die übernommenen Stimmrechte (wenn überhaupt) durch die Bestandsgesellschafter und nicht durch den Neugesellschafter zu leisten wäre. Im Ergebnis sollte dieser Fall daher ohne steuerliche Besonderheiten bleiben (uneingeschränkte Buchwertfortführung ohne Annahme von Ausgleichsleistungen oder Schenkungen). 2.3. Sonderbetriebsvermögen bei Formwechsel Gegenstand ist die Einbringung einer Mitunternehmerschaft in eine GmbH mittels formwechselnder Umwandlung. Einer der Gesellschafter verfügt über Sonderbetriebsvermögen in der Form eines an die Gesellschaft vermieteten Grundstücks, welches wegen der zwingenden Voraussetzung der Einbringung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen gleichfalls auf die GmbH zu übertragen ist. Die bisherigen Beteiligungsverhältnisse sollen sich jedoch nicht verändern. A

B 50 %

50 %

Miete KG

Es werden die folgenden Alternativen erwogen: (1) Vereinbarung eines Vorabgewinns für den Einbringenden in Höhe einer fiktiven Miete (ggf. detailliert ausgestaltet auf Basis der Mietzinsentwicklung (Indexierung) und Berücksichtigung von Erhaltungsaufwendungen). 217

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen (2) Der Einbringende erhält zusätzliche Anteile zum Wertausgleich, die aber nicht stimmberechtigt sind. (3) Erst für das Jahr der Veräußerung der Immobilie erhält der Gesellschafter einen zusätzlichen Vorabgewinnanspruch (vor/nach fiktiver Steuerbelastung). (4) Erst für den Fall des Ausscheidens des betreffenden Gesellschafters oder bei Liquidation der Gesellschaft wird ein zusätzlicher Vorabgewinn gewährt. Zu (1): A

B 50 %

50 %

Vorabgewinn Miete

In der Praxis mag diese Fallkonstellation („Miete als Gewinn vorab“) – zumindest dann, wenn man diese betriebswirtschaftlich korrekt abbilden will (Berücksichtigung einer Mietzinsindexierung, Berechnung der Nettomieteinnahme nach Steuern, Kürzung um Erhaltungs-, Renovierungsoder Erweiterungsinvestitionen) – womöglich nur schwer umsetzbar sowie streitbehaftet sein. Für die steuerliche Diskussion erscheint dieser Fall gleichwohl besonders geeignet die Systematik auf den Punkt zu bringen: Kann ein Vorzugsgewinnanteil sonstige Gegenleistung sein, wenn dieser aus dem Vermögen der Gesellschaft gezahlt wird und dieses Vermögen durch einen der Gesellschafter zusätzlich eingebracht wurde? Die Buchwerteinbringung setzt nur die Ausgabe neuer Anteile voraus. Das Umwandlungssteuergesetz spezifiziert jedoch nicht näher, welche exakte Ausgestaltung diesbezüglich vorliegen muss. Mit anderen Worten: Es wird weder Wertproportionalität gefordert noch eine bestimmte Ausgestaltung hinsichtlich Stimmrechte, Teilnahme am Liquidationsgewinn oder Ähnlichem. Dem Wortlaut des Gesetzes wird also mit der Ausgabe neuer Anteile Genüge getan. Eine „Inhaltskontrolle“ über die Angemessenheit der ausgegebenen Anteile fordert das Umwandlungssteuergesetz damit nicht. 218

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Soweit nur Anteile ausgegeben werden (auch wenn diese Sonderrechte beinhalten), sollte folglich keine „sonstige Gegenleistung“ vorliegen, da es an einer sonstigen, also weiteren Gegenleistung neben der Gewährung von Anteilen gerade fehlt. „Sonstige Gegenleistung“ können gerade nur solche anderen Leistungen sein, die nicht in Gesellschaftsanteilen bestehen. Soweit zusätzlich der „wahre Wert“ der Beteiligung (z. B. ein trotz geringerer Nominalbeteiligung erhöhtes Gewinnbezugsrecht aufgrund des zusätzlich übertragenen Grundstücks) dem Wert des zusätzlich übertragenden Grundstücks entspricht, kann auch nicht der Vorwurf bestehen, dass womöglich auf Gesellschafterebene oder in anderer Weise „sonstige Gegenleistungen“ in einem Austauschverhältnis zu einem steuerbaren Vorgang erstarken. Vielmehr erschöpfen sich für Zwecke der Besteuerung die Konsequenzen darin, den zwischen den Parteien gefundenen Interessensausgleich (Kapitalbeteiligung abweichend von der Höhe der Gewinnbeteiligung) dergestalt nachzuvollziehen, dass entsprechend auch spätere Gewinnausschüttungen oder Veräußerungsgewinne etc. auch entsprechend dem Vereinbarten der Besteuerung unterworfen werden. Zu (2): A

B 55 % Nominal

45 % Nominal

Diese Fallkonstellation deckt sich mit dem vorangegangenen Fall der kartellrechtlichen Beschränkung des gewährten Nominalanteils. Die gewährten Anteile sind der Höhe nach zutreffend, lediglich die Stimmrechte sind begrenzt. Ein Anlass für eine steuerliche Gewinnkorrektur ist folglich gleichfalls nicht erkennbar.

219

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Zu (3): A

B 50 %

Vorabgewinn nur bei Veräußerung der Immobilie

Wird erst für das Jahr der Veräußerung ein zusätzlicher Gewinnanspruch vereinbart, stellt sich bereits betriebswirtschaftlich die Frage, welchen Wert dieser besitzt. Liegt der Veräußerungszeitpunkt weit in der Zukunft, ist der Barwert des Anspruchs äußerst gering und damit eine solche Lösung aus Sicht des betreffenden Gesellschafters wenig interessant bzw. werthaltig. Weiterhin könnte auch fraglich sein, ob oder welchen Wert das Wirtschaftsgut im Jahr der Veräußerung noch aufweist. U. U. könnte hier unter neuem Recht eine Schenkung an die Mitgesellschafter angenommen werden.39 In der steuerlichen Analyse bedeutet dieser Fall jedoch nur eine weitere Variation hinsichtlich der Frage, ob eine zusätzliche Gegenleistung gewährt wird oder lediglich auf gesellschaftsrechtlicher Ebene eine besondere Gewinnverteilungsabrede getroffen wird. Insoweit kann grundsätzlich auf die zuvor gemachten Ausführungen verwiesen werden. Graduell ergibt sich womöglich allerdings ein noch stärkerer Bezug zu einer rein gesellschaftsrechtlichen Lösung, als der übertragende Gesellschafter auf eine zeitnahe Gegenleistung vollständig verzichtet und damit in erhöhtem Maße verdeutlicht, dass es lediglich um die Fortsetzung seines unternehmerischen Engagements in einem anderen gesellschaftsrechtlichen Kleid geht. Entsprechend drängt dies den möglichen Vorwurf einer sonstigen Gegenleistung durch Vereinbarung disquotaler Gewinnbezugsrechte noch weiter zurück. Aufgrund des womöglich fern in der Zukunft liegenden Zeitpunkts einer tatsächlichen Vergütung des übertragenen Mehrwertes und der gleich-

39 Vgl. hierzu auch van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 11.

220

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen falls völlig unklaren Höhe des Anspruchs, wäre darüber hinaus auch aus ganz praktischen Erwägungen eine steuerliche Verarbeitung in dem Jahr der Übertragung als relativ schwer handhabbar anzusehen. Zu (4): A

B 50 %

Vorabgewinn nur bei Ausscheiden/ Liquidation

Es kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu Fall (3) verwiesen werden. 2.4. EAV mit Ausgleichszahlung Es wird beispielhaft der folgende Fall betrachtet: M verfügt über eine gewinnstarke Gesellschaft, möchte in den Ruhestand, traut seinen Erben die Nachfolge jedoch nicht zu, möchte aber auch (noch) nicht endgültig verkaufen. Daher bringt er seine gewinnstarke Beteiligung in eine Konzerngesellschaft des Großkonzerns K ein, die in dem betreffenden Geschäftsfeld tätig ist. Der Konzern weist in anderen Inlandssparten häufig Verluste aus. M erhält zwar 60 % des Kapitals (zutreffende Quote), verzichtet aber auf die Stimmrechtsmehrheit und erhält daher nur 49 % der Stimmen. Weiterhin stimmt er dem Abschluss eines EAV zu, sodass der Konzern eine verbesserte Verlustnutzung erreicht (Organschaft), und erhält im Gegenzug eine „besonders auskömmliche“ Ausgleichszahlung unter dem EAV (u. a. aufgrund der Teilung des Steuervorteils, der aus der verbesserten Verlustnutzung resultiert, i. H. v. 75 % des geplanten – d. h. unabhängig vom realisierten tatsächlichen – zukünftigen Gewinns).

221

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen

M

K-AG

EAV

Verlust GmbH

EAV 40 % Kapital 51 % Stimmrechte

60 % Kapital 49 % Stimmrechte 75 % Ausgleichszahlung Plangewinn EAV

JointVenture GmbH M Business 60 % Wert

Mit 60 % ist der gewährte Anteil am Grundkapital wertadäquat. Insoweit bestehen bzgl. der Buchwertfortführung keine Bedenken. Die geringeren gewährten Stimmrechte stellen ein Minus dar und sollten insoweit kaum als zusätzliche Gegenleistung zu verstehen sein. Fraglich mag hier allerdings sein, ob eine zusätzliche Gegenleistung in Verbindung mit der erhöht ausgestalteten Ausgleichszahlung vorliegt. Hinter der erhöhten Ausgleichszahlung könnte man eine spezielle Ausprägung einer inkongruenten Gewinnausschüttung vermuten. In Verbindung mit dem Verzicht auf das Mehrheitsstimmrecht ermöglicht M dem Konzern im Rahmen der Organschaft die Verlustnutzung (nach Versteuerung der Ausgleichszahlung gem. § 16 KStG), sodass insgesamt ein erhöhter Nettogewinn entsteht. Bzgl. M kommt es allerdings auf die tatsächliche Gewinnentwicklung insoweit nicht mehr an. M erhält – solange der EAV besteht – feste Zahlungen auf den von ihm eingebrachten Anteil. Gleichwohl hat er seine unternehmerische Beteiligung nicht (endgültig) in feste Kaufpreisraten umgetauscht und damit veräußert, da das Recht auf „feste Zahlungen“ nur so lange andauert, als der EAV besteht. Endet der EAV, fällt das Gewinnbezugsrecht des M auf dessen Nominalbeteiligung von 60 % zurück (oder steigt auf diesen Betrag an in Abhängigkeit vom zukünftig realisierten Gewinn der Gesellschaft) und wäre ab diesem Zeitpunkt kongruent. Den EAV wird der Konzern aus ökonomischer und steuerlicher Sicht womöglich erst und nur dann versuchen aufzuheben, wenn die Grundlaufzeit von fünf Jahren abgelaufen ist und eine weitere Verlustnutzung wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll wäre, d. h. insbesondere entsprechende Verluste nicht mehr zur Verfügung stünden oder die 222

Köhler, Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen Ausgleichszahlungen an M unvorteilhaft hoch würden. Im Ergebnis besteht damit auch in dieser Fallkonstellation eine gewisse Besorgnis, dass in der Einräumung des „Übergewinnanteils“ im Rahmen der Ausgleichszahlung ein Veräußerungselement gesehen werden könnte. Dagegen spricht allerdings, dass sich die Gesellschafter Steuervorteile aus der Verlustnutzung teilen und es insoweit (womöglich) an einer direkten Gegenleistung zwischen den Gesellschaftern (Konzern K und Mittelständler M) fehlt. Weiterhin wird die Ausgleichszahlung unter dem EAV und nicht aufgrund der Einbringung vereinbart und sollte daher auch hiervon getrennt und eigenständig gewürdigt werden. Auf Basis dieser letzten Überlegung wäre – jedenfalls ohne steuerliche Zusammenschau beider Vorgänge – von keiner Schädlichkeit auszugehen.

IV. Fazit und Ausblick Die vorstehende Analyse zeigt, dass es eine Vielzahl von Fällen gibt, aufgrund derer sich in der Praxis ein erhebliches Bedürfnis für Wertausgleichsregelungen bei Buchwertfortführungen ergibt. Wenn und soweit diese betriebswirtschaftlich und/oder rechtlich begründet sind (seien es zum Beispiel Kartellauflagen, Sonderbetriebsvermögen, genereller Wille zu einem strikten 50:50 Joint Venture etc.), so liegt in den Gesamtumständen regelmäßig ein völlig übliches kaufmännisches Verhalten vor. Entsprechend geht es bei diesen Umwandlungen nur um die Fortsetzung der unternehmerischen Aktivität in anderem Rechtskleid bzw. anderen Beteiligungsverhältnissen, die folglich grundsätzlich für eine uneingeschränkte Buchwertfortführung qualifizieren sollten. Insoweit sollten weder nachteilige ertragsteuerliche noch schenkungsteuerliche Konsequenzen gezogen werden können, da anderenfalls hierdurch in unangemessener Weise betriebswirtschaftlich erwünschte und sinnvolle Umstrukturierungen behindert bzw. unmöglich gemacht würden. Entsprechend sind mögliche Folgerungen, die sich aus der immer noch gegebenen Aufrechterhaltung des BMF-Schreibens vom 7.12.200040 ergeben, strikt abzulehnen. Der vorstehende Beitrag sei damit auch als ein weiteres Argument dafür verstanden, dass die Finanzverwaltung ihre diesbezügliche Rechtsansicht nochmals überprüft und aufgibt.

40 Vgl. BStBl. I 2001, 47.

223

Ausgewählte Fragen hinsichtlich der Veräußerungsund Ersatztatbestände im Sinne des § 22 UmwStG Alexandra Pung Oberfinanzdirektion Koblenz Professor Dr. Andreas Schumacher Steuerberater, Bonn Inhaltsübersicht

I. Grundlagen II. Der Veräußerungsbegriff im Rahmen des § 22 UmwStG 1. Einschränkung des Veräußerungsbegriffs durch die Reichweite der Ersatztatbestände? 2. Nachfolgende Umstruktierungsmaßnahmen als Veräußerung? 3. Veräußerung auf welcher Ebene?

III. Ausschüttung oder Rückzahlung von Beträgen aus dem Einlagekonto 1. Grundlagen 2. Einbringung in bestehende Gesellschaft 3. Erforderlichkeit einer Einlagenrückgewähr auf die erhaltenen Anteile?

I. Grundlagen Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG führt jede „Veräußerung“ der erhaltenen Anteile nach einer Einbringung i. S. des § 20 UmwStG unter dem gemeinen Wert innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt (§ 20 Abs. 6 UmwStG) zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns I beim Einbringenden. Der Einbringungsgewinns I entspricht der Differenz des gemeinen Wertes des eingebrachten Betriebsvermögens nach Abzug der Kosten des Vermögensübergangs und dem angesetzten Buchoder Zwischenwert, vermindert um ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr. Betrifft die Veräußerung nur einen Teil der erhaltenen Anteile, so ist der Einbringungsgewinn auch nur anteilig zu besteuern.1 Nach Verwaltungsauffassung unterliegt der Einbringungsgewinn I dann auch bei natürlichen Personen in jedem Fall der Gewerbesteuer.2

1 Vgl. BMF, Schr. v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314 (nachfolgend: UmwStE 2011), Rn. 22.04. 2 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.07. Dies ist zweifelhaft, weil unabhängig von der Höhe des Einbringungsgewinns I immer ein Gewinn i. S. des § 16 EStG aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils vorliegt.

225

Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG Soweit Anteile an Kapitalgesellschaften mit eingebracht werden, ist § 22 Abs. 1 UmwStG nur anzuwenden, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 22 Abs. 1 Satz 5 UmwStG). Insoweit ist auf den Einbringungsgewinn I dann §§ 8b Abs. 2 KStG, 3 Nr. 40 EStG anzuwenden.3 Soweit ein Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile beim Einbringenden im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre,4 führt eine unmittelbare oder mittelbare Veräußerung der unter dem gemeinen Wert nach § 20 oder § 21 UmwStG eingebrachten Anteile durch die übernehmende Gesellschaft innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt gem. § 22 Abs. 2 UmwStG zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns II beim Einbringenden. Der Einbringungsgewinn II entspricht der Differenz des gemeinen Wertes der eingebrachten Anteile nach Abzug der Kosten des Vermögensübergangs und dem vom Einbringenden für die erhaltenen Anteile angesetzten Buch- oder Zwischenwert, vermindert um ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr. § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG enthält Ersatztatbestände, die auch ohne Veräußerung zur Besteuerung des Einbringungsgewinns I führen. Gleiches gilt gem. § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG für den Einbringungsgewinn II, wenn die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile durch einen Vorgang nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 bis 5 UmwStG weiter überträgt. Nachfolgend werden ausgewählte Fragen im Rahmen der Anwendung des § 22 UmwStG diskutiert. Auf die Nachweispflichten gem. § 22 Abs. 3 UmwStG und die Besonderheiten bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge gem. § 22 Abs. 6 UmwStG wird dabei nicht eingegangen.

II. Der Veräußerungsbegriff im Rahmen des § 22 UmwStG 1. Einschränkung des Veräußerungsbegriffs durch die Reichweite der Ersatztatbestände? Eine Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UmwStG liegt nach Verwaltungsauffassung im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen bei jeder Übertragung (des wirtschaftlichen Eigentums) gegen Entgelt vor.5 Die allgemeinen Grundsätze sind jedoch nicht uneingeschränkt 3 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.11 a.E. 4 Zur Anwendung dieses Kriteriums bei Einbringung durch eine Organgesellschaft vgl. Pung, GmbHR 2012, 158, 159. 5 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.07.

226

Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG übertragbar. So ist insbesondere nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG die Einbringung der erhaltenen Anteile zu Buchwerten unschädlich, obwohl auch die Buchwerteinbringung nach allgemeinen Grundsätzen eine Veräußerung darstellt.6 Fraglich ist, welche Bedeutung den Regelungen des § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG darüber hinaus im Rahmen einer systematischen Auslegung für den Veräußerungsbegriff des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG zukommt. Fall 1: Fiktive Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG Die D SE verlegt ihren Sitz in einen anderen EU-Mitgliedstaat. Sie hat vor der Sitzverlegung ihren Betrieb gem. § 20 UmwStG zu Buchwerten in die D GmbH eingebracht. Die Anteile an dieser sind nach der Sitzverlegung nicht einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen. Gem. § 12 Abs. 1 UmwStG gilt die Beteiligung an der D GmbH als zum gemeinen Wert veräußert. Stellt die fiktive Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG auch eine Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG dar?

Auffassung Schumacher: Aus § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG – Wegfall der Ansässigkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG beim Einbringenden führt zur Besteuerung des Einbringungsgewinns I – wird deutlich, dass eine Sitzverlegung innerhalb von EU/EWR unschädlich ist (weil auch eine Einbringung durch eine EU/EWR-Gesellschaft zu Buchwerten möglich ist). Daher umfasst der Veräußerungsbegriff des § 22 Abs. 1 UmwStG nach systematischer Auslegung jedenfalls nicht diesen Fall der fiktiven Veräußerung gem. § 12 Abs. 1 KStG. Auffassung Pung: Zu § 6 Abs. 5 EStG vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass auch die fiktive Veräußerung i. S. des § 12 KStG eine sperrfristschädliche Veräußerung ist.7 Etwas anderes kann m. E. auch nicht für Zwecke der Einbringungsgewinnbesteuerung gelten.8 Ein anderes Ergebnis rechtfertigt m. E. auch nicht § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG, wonach eine Sitzverlegung innerhalb der EU bzw. des EWR unschädlich ist. 2. Nachfolgende Umstruktierungsmaßnahmen als Veräußerung? Besondere Bedeutung hat die Auslegung des Veräußerungsbegriffs bei nachfolgenden Umstrukturierungsmaßnahmen, die die erhaltenen Anteile betreffen. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG regelt nur die Unschädlichkeit der Einbringung der erhaltenen Anteile gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten gem. §§ 20, 21 UmwStG zu Buchwerten. Eine

6 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.22. 7 Vgl. BMF, Schr. v. 8.12.2011, BStBl. I 2011, 1279, Rn. 23. 8 Vgl. Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 22 UmwStG Rn. 28; a. A. Benecke in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 156.

227

Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG gesetzliche Regelung zu anderen Umwandlungsvorgängen, die die erhaltenen Anteile betreffen, fehlt. Fall 2: Verschmelzung nach Einbringung Die D AG hat einen Teilbetrieb gem. § 20 UmwStG zu Buchwerten in die T GmbH eingebracht. Innerhalb der Siebenjahresfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG wird (i) die T GmbH oder (ii) die D AG auf eine Kapital- oder Personengesellschaft verschmolzen. Führt die Verschmelzung zu einer Veräußerung i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG?

Die Finanzverwaltung stuft jede Umwandlung unabhängig von einer Anteilsgewährung auch für Zwecke des § 22 UmwStG als Veräußerung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene ein.9 Es kann jedoch bei der Umwandlung des Einbringenden10 oder der übernehmenden Gesellschaft11 auf eine andere Kapitalgesellschaft12 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten „im Einzelfall“ auf Antrag aller Personen, bei denen ansonsten infolge der Verschmelzung ein Einbringungsgewinn zu versteuern wäre, „aus Billigkeitsgründen“ von einer Einbringungsgewinnbesteuerung abgesehen werden, wenn „zumindest“ – keine steuerliche Statusverbesserung eintritt (d. h. die Besteuerung eines Einbringungsgewinns nicht verhindert wird), – sich keine stillen Reserven von den sperrfristbehafteten Anteilen auf Anteile eines Dritten verlagern, – deutsche Besteuerungsrechte nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden und – die Antragsteller sich damit einverstanden erklären, dass auf alle unmittelbaren oder mittelbaren Anteile an einer an der Umwandlung beteiligten Gesellschaft § 22 Abs. 1 und 2 UmwStG entsprechend anzuwenden ist, wobei Anteile am Einbringenden regelmäßig nicht einzubeziehen sind. Ausgangspunkt der Billigkeitsregelung ist § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG, wonach die Einbringung der erhaltenen Anteile in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten unschädlich ist. Vor diesem Hintergrund kann die Billigkeitsregelung bei Umwand-

9 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.07 i. V. m. Rn. 00.02 u. 00.03. 10 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.24, Bsp. 1. 11 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.24, Bsp. 2. Dies soll dann nicht gelten, wenn die Umwandlung zu einer Statusverbesserung hinsichtlich der § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG führt, d. h. eine schädliche Einlagenrückgewähr durch unterjährige Verschmelzung der übernehmenden Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft mit nachfolgender Ausschüttung durch diese vermieden wird. 12 Mit der Ausnahme der „Rückumwandlung“ der übernehmenden Gesellschaft auf den Einbringenden; vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.24, Bsp. 3.

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Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG lungen oder Einbringungen auf/in Personengesellschaften nicht in Anspruch genommen werden.13 Auffassung Schumacher: Die Einstufung jeder Umwandlung als Veräußerungsvorgang ist zu undifferenziert (z. B. fehlt es bei einem Verzicht auf die Gewährung von Anteilen an einem Entgelt).14 Darüber hinaus liegt bei einer Verschmelzung oder Spaltung der übernehmenden Gesellschaft keine Veräußerung vor, wenn auf Antrag eine Buchwertfortführung erfolgt und hinsichtlich der Anteile eine steuerliche Rechtsnachfolge gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG vorliegt.15 Auch eine Umwandlung des Einbringenden zu Buchwerten und mit steuerlicher Rechtsnachfolge gem. §§ 12 Abs. 3, 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist in systematischer und teleologischer Auslegung des Veräußerungsbegriffs des § 22 UmwStG als unschädlich anzusehen. Die Verwaltungsauffassung führt zwar in bestimmten Fällen zum gleichen Ergebnis. Die dafür aufgestellten Bedingungen gehen jedoch über das hinaus, was für die erhaltenen Anteile selbst gilt. So ist z. B. ein deutsches Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen innerhalb der EU/ EWR nicht erforderlich und eine Verlagerung stiller Reserven führt nicht zur Besteuerung des Einbringungsgewinns, sondern wird grundsätzlich von § 22 Abs. 7 UmwStG erfasst. Hinzu kommt, dass sich aufgrund der Ausgestaltung als Billigkeitsregelung – d. h. als abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO – die Frage stellt, ob das Finanzamt einen Ermessenspielraum hat oder eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt.16 In jedem Fall ist das Finanzamt gem. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO auch hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags zur Gewährung der Billigkeitsregelung befugt, da im UmwStE 2011 als einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung Richtlinien hierzu aufgestellt worden sind.17 Auffassung Pung: Die Finanzverwaltung geht m. E. zutreffend davon aus, dass Umwandlungsvorgänge, unabhängig davon, ob i. R. der Umwandlung neue Anteile ausgegeben werden, als tauschähnliche Vorgänge und damit grds. als schädliche Veräußerungsvorgänge zu qualifizieren sind. Hierfür spricht zum einen, dass es ohne die spezialgesetzlichen Regelungen des UmwStG nach allgemeinen Grundsätzen zur Aufdeckung der 13 Eine Übertragung der erhaltenen oder eingebrachten Anteile auf eine Personengesellschaft kann danach ohne Besteuerung nach § 22 UmwStG nur unentgeltlich erfolgen (verdeckte Einlage; auch von § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG nicht erfasst). S. auch Pung, GmbHR 2012, 158, 163. 14 Vgl. ausführlich Hageböke, Ubg 2011, 689. 15 Vgl. Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325, 334. 16 So zutreffend Stangl/Kaeser in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 420 ff. 17 Vgl. R 1.5 (1) GewStR; vgl. auch FG Düsseldorf, Urt. v. 16.3.2011 – 7 K 3831/10 AO, EFG 2011, 1685, Rev. I R 24/11.

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Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG stillen Reserven bei dem übertragenden Rechtsträger kommen würde.18 Zum anderen ist m. E. eine Aufspaltung des Umwandlungsvorgangs dergestalt, dass ein Veräußerungsvorgang verneint, ein Anschaffungsvorgang hingegen bejaht wird, nicht möglich.19 Die Aufwärtsverschmelzung stellt m. E. auch aus Sicht des übertragenden Rechtsträgers einen entgeltlichen und keinen unentgeltlichen Vorgang dar.20 Da die Billigkeitsregelung mangels Vergleichbarkeit mit den in § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG genannten Fällen nach Verwaltungsauffassung für Weiterumwandlungen auf Personengesellschaften nicht in Anspruch genommen werden kann, bedeutet dies faktisch eine siebenjährige Umwandlungssperre. Für Weiterumwandlungen auf Kapitalgesellschaften kann unter der Voraussetzung, dass i. R. der Umwandlung neue Anteile ausgegeben und die Buchwerte fortgeführt werden, grds. ein Antrag gestellt werden, wobei Zuzahlungen, die zu einem höheren Ansatz als dem Buchwert führen, die volle Einbringungsgewinnbesteuerung auslösen. Unschädlich sind jedoch Umwandlungsvorgänge, bei denen die sperrfristbehafteten Anteile nicht berührt werden (z. B. Abspaltung, bei der sich die sperrfristbehafteten Anteile in dem zurückbleibenden Teilbetrieb befinden). Handelt es sich um einen Fall, der nach der Rn. 22.23 ausdrücklich als von der Billigkeitsregelung erfasst gilt, ist m. E. der Auffassung zuzustimmen, dass aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung eine Ermessensreduzierung (ggf. auf Null) stattfindet. In den übrigen Fällen hat das örtlich zuständige Finanzamt sein Ermessen anhand der in der Rn. 22.23 dargestellten Kriterien auszuüben. 3. Veräußerung auf welcher Ebene? § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG setzt voraus, dass „der Einbringende“ die erhaltenen Anteile veräußert. Mittelbare Veräußerungen werden nur nach einer Ketteneinbringung durch § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 u. 5 UmwStG erfasst. § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG setzt hingegen voraus, dass die eingebrachten Anteile „durch die übernehmende Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar“ veräußert werden. Während die unmittelbare Veräußerung durch den Einbringenden bzw. durch die übernehmende Gesellschaft somit in jedem Fall eine Veräußerung i. S. des § 22 UmwStG darstellt, ist bei mittelbaren Veräußerungen zu differenzieren.

18 Vgl. BFH, Urt. v. 25.05.1962 – I 155/59 U, BStBl. III 1962, 351. 19 So aber Hageböke, Ubg 2011, 689, 695. 20 So ausdrücklich BFH, Urt. v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, unter D.III.7.

230

Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG Fall 3: Veräußerung nach Einbringung durch eine Mitunternehmerschaft Die KG 2 hat einen Teilbetrieb zu Buchwerten in die T GmbH eingebracht. An der KG 2 ist die KG 1 mit 100 % an Vermögen und Gewinn beteiligt, an der wiederum der A mit 100 % an Vermögen und Gewinn beteiligt ist. Innerhalb von 7 Jahren nach der Einbringung veräußert a) A seinen Mitunternehmeranteil an KG 1 b) KG 1 ihren Mitunternehmeranteil an KG 2 c) KG 2 ihre Anteile an der T GmbH

Auffassung Schumacher: Nach zutreffender Verwaltungsauffassung ist die KG 2 die Einbringende.21 Da § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG voraussetzt, dass „der Einbringende“ die erhaltenen Anteile veräußert, ist nur im letztgenannten Fall ein Einbringungsgewinn I festzusetzen. Auffassung Pung: Nach Verwaltungsauffassung ist wegen des bei Personengesellschaften geltenden Transparenzprinzips auch die Veräußerung durch A oder KG 1 schädlich.22 M. E. ist diese Auffassung zutreffend. Unstreitig unschädlich nach Wortlaut und Sinn und Zweck des § 22 UmwStG ist die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die Einbringende i. S. des § 22 Abs. 1 UmwStG bzw. übernehmende Gesellschaft i. S. des § 22 Abs. 2 UmwStG ist. Nach einer Ketteneinbringung stellt der Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 und 5 UmwStG allerdings nicht darauf ab, wer die dort in Bezug genommene mittelbare Veräußerung vornimmt. Fall 4: Mittelbare Veräußerung nach Ketteneinbringung Die M GmbH hat einen Teilbetrieb in die E GmbH gem. § 20 UmwStG zu Buchwerten eingebracht. Nachfolgend bringt die M GmbH die Anteile an der E GmbH gem. § 21 UmwStG zu Buchwerten in die T GmbH ein (Fall des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG). Gem. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 u. 5 UmwStG wird ein Einbringungsgewinn I hinsichtlich der Teilbetriebseinbringung versteuert, wenn nach der Einbringung der Anteile an der E GmbH diese Anteile oder die hierfür erhaltenen Anteile an der T GmbH „unmittelbar oder mittelbar […] veräußert werden“. Fällt darunter auch eine Veräußerung der Anteile an der M GmbH?

Auffassung Schumacher: Die Veräußerung der Anteile an der M GmbH erfüllt nicht den Tatbestand des § 22 Abs. 1 UmwStG. Nach dem Wortlaut wäre zwar – sinnwidrig – auch die Veräußerung der Anteile an der M GmbH schädlich, weil eine mittelbare Veräußerung der Anteile an der E GmbH vorliegt. Einen vergleichbar überschießenden Wortlaut hatte § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG a. F. Die Finanzverwaltung hatte hier eine 21 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 20.03. 22 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.02.

231

Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG teleologische Reduktion des Wortlauts vorgenommen.23 Auch im Rahmen der Billigkeitsregelung der Rn. 22.23 wird die Veräußerung von Anteilen am Einbringenden von der Schädlichkeit mittelbarer Veräußerungen ausgenommen. Auffassung Pung: M. E. handelt es sich um einen dem in der Rn. 22.23 angesprochenen Fall vergleichbaren Sachverhalt, so dass die Veräußerung der Anteile an der M GmbH eine Einbringungsgewinnbesteuerung nicht auslöst. Fall 5: Mittelbare Veräußerung im Rahmen des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG Die natürliche Person A hat einen Mitunternehmeranteil an der T KG zu Buchwerten gem. § 20 UmwStG in die M GmbH eingebracht. Im Gesamthandsvermögen der T KG befindet sich eine Beteiligung an der E GmbH. Nachfolgend veräußert (i) die M GmbH den Mitunternehmeranteil an der T KG oder (ii) die T KG die Beteiligung an der E GmbH. Erfüllt dies den Tatbestand des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG?

Auffassung Schumacher: Die Einbeziehung der mittelbaren Veräußerung in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG bezieht sich auf Anteile, die von Mitunternehmerschaften gehalten werden (die mittelbare Beteiligung über Kapitalgesellschaften nach Ketteneinbringung wird von § 22 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 u. 5 UmwStG erfasst). Die Veräußerung der Anteile an der T KG ist als schädliche mittelbare Veräußerung der Anteile an der E GmbH anzusehen. Die Veräußerung der Anteile an der E GmbH durch die T KG ist jedoch nach dem Wortlaut unschädlich, weil sie nicht „durch“ die übernehmende Gesellschaft M GmbH erfolgt. Auffassung Pung: M. E. sind sowohl die Veräußerung der Anteile an der T KG als auch die Veräußerung der Anteile an der E GmbH sperrfristschädlich. Im letztgenannten Fall ergibt sich die Einbringungsgewinnbesteuerung m. E. aus dem bei Personengesellschaften geltenden Transparenzprinzip.

III. Ausschüttung oder Rückzahlung von Beträgen aus dem Einlagekonto 1. Grundlagen Gem. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG erfolgt die Besteuerung des Einbringungsgewinns I entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 bis 5 UmwStG auch dann, wenn die Kapitalgesellschaft, an der die Anteile bestehen, aufgelöst und abgewickelt wird oder das Kapital dieser Gesellschaft herabgesetzt und an die Anteilseigner zurückgezahlt wird oder Beträge aus dem steuer23 Vgl. BMF, Schr. v. 16.12.2003, BStBl. I 2003, 786, Rn. 22.

232

Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG lichen Einlagekonto i. S. des § 27 KStG „ausgeschüttet oder zurückgezahlt werden“. Nach h. M. und Verwaltungsauffassung erfolgt nur insoweit eine Einbringungsgewinnbesteuerung aufgrund einer Kapitalherabsetzung oder einer Einlagenrückgewähr, als der Buchwert bzw. die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile überschritten wird.24 Dabei sollen auch organschaftliche Mehrabführungen i. S. des § 14 Abs. 3 u. 4 KStG und korrespondierend auch beim Buchwert aktive und passive Ausgleichsposten i. S. des § 14 Abs. 4 KStG berücksichtigt werden. 2. Einbringung in bestehende Gesellschaft In der Praxis erfolgt eine Einbringung häufig in eine bestehende Gesellschaft, so dass neben den erhaltenen Anteile auch Altanteile mit eigenem Buchwert bzw. Anschaffungskosten bestehen und die Gesellschaft bereits vor der Einbringung ein steuerliches Einlagekonto aufweist. Auch können nach der Einbringung neue Anteile entstehen und Erhöhungen des Einlagekontos erfolgen. Es ist für die praktische Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG von entscheidender Bedeutung, wie dies zu berücksichtigen ist. Fall 6: Einlagenrückgewähr nach Einbringung in bestehende Gesellschaft Die M AG hält 100 % der Anteile an der T GmbH und bringt einen Teilbetrieb zu Buchwerten gem. § 20 UmwStG in diese ein. Relevante Werte vor der Einbringung: – – – –

Buchwert der Anteile an der T GmbH: Nennkapital der T GmbH: Einlagekonto der T GmbH: Gemeiner Wert der Anteile an der T GmbH:

400 40 360 480

Relevante Werte im Rahmen der Einbringung: – Buchwert des Teilbetriebs: – Gemeiner Wert des Teilbetriebs: – Kapitalerhöhung bei der T GmbH: (nach Verkehrswerten; Alternative: 10; d. h. Verlagerung stiller Reserven auf Altanteile)

30 240 20

Einlagenrückgewähr: (nach Ablauf von 2 Zeitjahren)

300

Nach Verwaltungsauffassung sind folgende Grundsätze zu beachten: – Die Einlagenrückgewähr ist auch relevant, soweit das Einlagekonto nicht durch die Einbringung geschaffen wurde. – Die Einlagenrückgewähr ist auf erhaltene Anteile und nicht verstrickte Anteile aufzuteilen. Nur die auf die erhaltenen Anteile entfallende Ein24 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.24.

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Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG lagenrückgewähr ist bei der Anwendung des § 22 UmwStG zu berücksichtigen. – Der Beteiligungsbuchwert ist nur relevant, soweit er auf die erhaltenen Anteile entfällt.25 – Der diesen Beteiligungsbuchwert übersteigende Betrag der Einlagenrückgewähr gilt – unter Anwendung der Siebtelungsregelung – als Einbringungsgewinn, wenn der bei einer Veräußerung höchstens zu versteuernde Einbringungsgewinn nicht überschritten wird. Auffassung Schumacher: Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG ist ein Fremdkörper in der Einbringungsgewinnbesteuerung und sollte de lege ferenda entfallen. Vor diesem Hintergrund muss eine teleologische Auslegung die überschießende Tendenz der Regelung einschränken. Zwar ist die vorrangige Verrechnung mit dem Buchwert inklusive organschaftlicher Ausgleichsposten zu begrüßen, des Weiteren ist die Regelung jedoch auf die Verwendung des Einlagekontos zu beschränken, das durch die Einbringung geschaffen wurde.26 Im Rahmen des § 22 Abs. 2 UmwStG spricht viel für eine Nichtanwendbarkeit der Regelung, da die von § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG vorausgesetzte Weiterübertragung der eingebrachten Anteile allenfalls bei einer Auflösung und Abwicklung, aber nicht bei einer Einlagenrückgewähr angenommen werden kann. Die Anwendung der Verwaltungsauffassung führt im Beispielsfall bei einer Kapitalerhöhung nach Verkehrswerten zu folgendem Ergebnis: – Ein Drittel der Einlagenrückgewähr (100) wird den erhaltenen Anteilen zugeordnet. – Dieser Betrag wird dem Buchwert der erhaltenen Anteile (hier: 30) gegenübergestellt. – Der den Buchwert übersteigende Betrag von 70 entspricht dem Einbringungsgewinn I vor Siebtelung. Nach Siebtelung beträgt der Einbringungsgewinn I somit 50 (5/7 * 70). – Deckelung durch den Einbringungsgewinn I bei Anteilsveräußerung (hier: 210 * 5/7 = 150; ohne Auswirkung, da der Einbringungsgewinn I unter diesem Betrag liegt).

25 Im Fall einer Zurückbehaltung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft, die zum Betriebsvermögen des eingebrachten Betriebs oder Teilbetriebs gehören, ist auch der Buchwert dieser zurückbehaltenen Anteile bei der Anwendung der Rn. 22.24 zu berücksichtigen, da diese gem. Rn. 20.09 des UmwStE 2011 als erhaltene Anteile gelten. 26 Vgl. z. B. Patt in Dötsch/Jost/Pung/Patt, § 22 UmwStG Rn. 48b m. w. N.

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Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG Wenn die Kapitalerhöhung nur 10 beträgt, verlagern sich stille Reserven auf Altanteile und diese gelten gem. § 22 Abs. 7 UmwStG insoweit ebenfalls als erhaltene Anteile. Im Beispielsfall erhöht sich der Wert der Altanteile um 96 von 480 auf 576 (= 40/50 * 720). Sie gelten somit zu 16,67 % (= 96/576) als erhaltene Anteile, d. h. neben den neuen Anteilen aus der Kapitalerhöhung gelten auch Altanteile im Nennwert von 6,67 als erhaltene Anteile und es geht ein Buchwertanteil von 12 (= 30 * 96/240) auf diese Anteile über.27 Der UmwStE 2011 enthält keine Aussage, ob sich dies auf die Berechnung der schädlichen Einlagenrückgewähr auswirkt. Dies ist nicht der Fall, denn die Anwendung des § 22 Abs. 7 UmwStG ändert nichts an dem Buchwert der erhaltenen Anteile, sondern qualifiziert nur die Altanteile auch als erhaltene Anteile. Somit kann die Mitverstrickung von Altanteilen keine Auswirkung auf die Anwendung der Rn. 22.24 des UmwStE 2011 haben. Die Einlagenrückgewähr ist nach den gemeinen Werten im Einbringungszeitpunkt aufzuteilen bzw. beim Abstellen auf die Nennwerte der Anteile sind die mitverstrickten Anteile mit zu berücksichtigen. Im Beispielsfall sind in der Alternative insgesamt Anteile im Nennwert von 16,67, d. h. ein Drittel aller Anteile, verstrickt und dies entspricht der Quote bei angemessener Kapitalerhöhung. Auffassung Pung: Die Verwaltungsauffassung, wonach es unerheblich ist, ob das Einlagekonto i. R. der Umwandlung oder sonstige Einlagen der Anteilseigner entstanden ist, ist m. E. durch den Wortlaut der Norm gedeckt. Im Übrigen könnte die Norm ansonsten in den Fällen des Einbringungsgewinns II nie greifen, da bei der Gesellschaft, deren Anteile eingebracht werden, i. R. der Einbringung ein steuerliches Einlagekonto nicht entsteht. Bei Organgesellschaften ist m. E. ein bestehender aktiver oder passiver Ausgleichsposten auch dann i. R. des Buchwerts zu berücksichtigen, wenn die Einlagenrückgewähr nicht auf organschaftlichen Mehrabführungen beruht. Eine Aufteilung des Rückzahlungsbetrags auf sperrfristbehaftete (einschl. der mitverstrickten Anteile i. S. des § 22 Abs. 7 UmwStG) und nicht sperrfristbehaftete Anteile, hat m. E. nach dem Verhältnis der Nennwerte zu erfolgen. Denn hiernach richtet sich i. d. R. auch das Gewinnbezugsrecht des Anteilseigners. D. h. in der Alternative des Beispielsfalls führt die auf die erhaltenen (einschl. mitverstrickten) Anteile (16,67) entfallende Ausschüttung zu einer Einbringungsgewinnbesteuerung.

27 Vgl. zur Berechnung UmwStE 2011, Rn. 22.43.

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Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG 3. Erforderlichkeit einer Einlagenrückgewähr auf die erhaltenen Anteile? Nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 u. 5 UmwStG führt eine Übertragung der Anteile an der E GmbH und an der T GmbH durch einen Vorgang i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 u. 2 UmwStG zur Besteuerung des Einbringungsgewinns I. Nach Verwaltungsauffassung ist auch die Einlagenrückgewähr nach einer Ketteneinbringung schädlich.28 Fall 7: Einlagenrückgewähr nach Ketteneinbringung Die M AG hat einen Teilbetrieb zu Buchwerten gem. § 20 UmwStG in die E GmbH eingebracht und nachfolgend die Anteile an der E GmbH gem. § 21 UmwStG zu Buchwerten in die T GmbH eingebracht. Innerhalb der Siebenjahresfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG erfolgt (i) eine Einlagenrückgewähr der E GmbH oder (ii) der T GmbH. Könnte dies zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns I führen?

Auffassung Schumacher: Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG ist zwar nicht in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 u. 5 UmwStG in Bezug genommen, auf die Einlagenrückgewähr durch die E GmbH ist sie dennoch nach dem Wortlaut anwendbar, da § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG keine Einlagenrückgewähr an den Einbringenden voraussetzt, sondern nur eine Einlagenrückgewähr, die auf die erhaltenen Anteile entfällt. Eine Einlagenrückgewähr durch die T GmbH entfällt hingegen nicht auf die erhaltenen Anteile aus der Teilbetriebseinbringung in die E GmbH (diese Differenzierung liegt auch § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 5 UmwStG zugrunde). Mangels gesetzlicher Regelung kann sie somit nicht zur Besteuerung eines Einbringungsgewinns führen. Auffassung Pung: M. E. löst die vorliegende Einlagenrückgewähr der E GmbH an die T GmbH die Einbringungsgewinnbesteuerung aus. Dies gilt auch für die Einlagenrückgewähr der T GmbH an die M GmbH, denn die Anteile an der T GmbH sind ebenfalls sperrfristbehaftet i. S. des § 22 Abs. 1 UmwStG. Somit löst auch deren Einlagenrückgewähr nach den o. a. dargestellten Regeln eine Einbringungsgewinnbesteuerung aus, denn es liegt eine Einlagenrückzahlung einer Kapitalgesellschaft vor, an der (sperrfristbehaftete) Anteile bestehen. Mehr setzt der Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 3 UmwStG nicht voraus. Fall 8: Einbringung durch mittelbaren Gesellschafter Die M AG hält 100 % der Anteile an der T GmbH, diese hält 100 % der Anteile an der E GmbH. Zwischen M AG und T GmbH sowie T GmbH und E GmbH besteht jeweils ein Gewinnabführungsvertrag und körperschaftsteuerliche Organschaft. M AG bringt einen Teilbetrieb zu Buchwerten gem. § 20 UmwStG in die E GmbH ein.

28 Vgl. UmwStE 2011, Rn. 22.26.

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Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG

M AG § 14 KStG

T GmbH

Teilbetrieb

§ 14 KStG E GmbH

Auffassung Schumacher: Wenn die finanzielle Eingliederung der E GmbH in die T GmbH nach der Einbringung weiterhin vorliegt, kann die Organschaft zwischen T GmbH und E GmbH fortgesetzt werden. Da die M AG kein außenstehender Gesellschafter ist, ist eine Ausgleichszahlung entsprechend § 304 AktG nicht erforderlich. Eine Einlagenrückgewähr, insbesondere auch aufgrund von Mehrabführungen i. S. des § 14 Abs. 3 u. 4 KStG von der E GmbH kann dann nur die T GmbH erhalten. Es erfolgt somit keine von § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG erfasste Einlagenrückgewähr auf die erhaltenen Anteile. Bei einer nach Verkehrswerten zu geringen Kapitalerhöhung würde sich im Übrigen der Wert der von der T GmbH gehaltenen Anteile an der E GmbH erhöhen und es würde sich die Frage des Verhältnisses des § 22 Abs. 7 UmwStG zur Annahme einer verdeckten Einlage der M AG in die T GmbH stellen.29 Wenn insoweit eine unentgeltliche Übertragung erhaltener Anteile angenommen würde, könnte diese den Tatbestand des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG erfüllen. Auffassung Pung: Die o.a. Frage kann sich nur bei einer Ausgliederung mit verhältniswahrender Kapitalerhöhung stellen. Ansonsten liegt ein Anwendungsfall des § 22 Abs. 7 UmwStG vor, bei der auch die Einlagenrückgewähr an die T GmbH eine Einbringungsgewinnbesteuerung auslösen kann. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG ist m.E. bei einer nicht verhältniswahrenden Kapitalerhöhung nicht einschlägig, da nicht die M AG die sperrfristbehafteten Anteile unentgeltlich auf die T GmbH überträgt, sondern 29 Zu verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen bei Umwandlungen vgl. UmwStE 2011, Rn. 13.03 und Rn. 15.44. Zum Verhältnis zu § 22 Abs. 7 UmwStG enthält der UmwStE 2011 keine Aussage.

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Pung/Schumacher, Veräußerungstatbestände i. S. d. § 22 UmwStG nur die der T GmbH bereits gehörende Beteiligung an der E GmbH nach § 22 Abs. 7 UmwStG anteilig „sperrfristinfiziert“ wird. In dem vorliegenden Fall stellt sich m. E. auch nicht die Frage nach dem Rangverhältnis zwischen § 22 Abs. 7 UmwStG und der verdeckten Einlage. Eine verdeckte Einlage ist nur in den Fällen des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 UmwStG sperrfristschädlich. Da ein solcher Fall aus den vorstehenden Gründen nicht vorliegt, bleibt nur die Anwendung des § 22 Abs. 7 UmwStG.

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Der subjektive Fehlerbegriff Professor Dr. Ulrich Prinz Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Köln Inhaltsübersicht

I. Rechtsgrundlagen: § 4 Abs. 2 EStG mit einem „Dualismus der Bilanzkorrekturen“ 1. Ausgangspunkt für Steuerbilanzkorrekturen 2. Fehlerkorrigierende Bilanzberichtigungen nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG 3. Subsidiäre Bilanzänderungen gem. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG 4. Blick über den Tellerrand II. Kernproblem: Objektiver versus subjektiver Fehlerbegriff 1. Keine Legaldefinition des Fehlerbegriffs 2. Entwicklung der Rechtsprechung hin zum subjektiven Fehlerbegriff 3. Wirkungen des subjektiven Fehlerbegriffs III. Vorlagebeschluss des BFH vom 7.4.2010 zum Großen Senat zur Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs auf die Beurteilung von Rechtsfragen 1. Inhalt des Vorlagebeschlusses 2. Analyse des Vorlagebeschlusses a) Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses b) Begründetheit des Vorlagebeschlusses

IV. Beratungserkenntnisse im Zusammenhang mit steuerlichen Bilanzkorrekturen 1. Steuerbilanzkorrekturen betreffen nur die erste Gewinnermittlungsstufe 2. Dokumentationserfordernis für subjektive Einschätzungen und Bewertungen als notwendiger Bestandteil kaufmännischer Rechnungslegung 3. Umgang der Steuerpflichtigen mit kritischen Verwaltungsanweisungen und ansonsten zweifelhafter Rechtslage 4. Anpassung der Handelsbilanz mit neuem Feststellungserfordernis und ggf. einer Nachtragsprüfung 5. Rückwirkend bessere Erkenntnisse zur objektiven Rechtslage müssen für nachträgliche Berichtigungen zulässig sein 6. Geänderte Wahlrechtsausübung als gestaltendes Bilanzänderungsinstrument V. Zum Schluss: Wünsche an den Großen Senatsbeschluss

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff

I. Rechtsgrundlagen: § 4 Abs. 2 EStG mit einem „Dualismus der Bilanzkorrekturen“ 1. Ausgangspunkt für Steuerbilanzkorrekturen Kaufmännische Rechnungslegung erfordert stets Wertungen, Schätzungen und Prognosen bei der periodengerechten Erfolgsermittlung, die durch den Kaufmann (= Stpfl.) als Bilanzersteller für einen Stichtag vorzunehmen sind (Beurteilungsprimat) und sich auf Sach- und Rechtsfragen erstrecken. Dabei sind Fehleinschätzungen möglich, die Bilanzberichtigungen zur Folge haben können. Betroffen sind Handelsbilanzen, Steuerbilanzen und nach internationalen Regelungen (IAS/IFRS, ggf. auch USGAAP) aufgestellte Rechenwerke. Die jeweiligen Korrekturnormen sind eigenständig. Bilanzsteuerliche, handelsbilanzielle und verfahrensrechtliche Aspekte überlagern sich. Insgesamt handelt es sich um ein komplexes Thema, das in der Literatur gerade in den letzten Jahren umfassend Beachtung gefunden hat.1 In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Gesetzesänderungen zu § 4 Abs. 2 EStG; das einschlägige Rechtsgebiet ist daher in Bewegung. Darüber hinaus besteht eine vielfältige Rechtsprechung. Das Rechtsverständnis zum Fehlerbegriff ist der „Lösungsschlüssel“ für etwaige bilanzielle Korrekturmaßnahmen. Der I. Senat des BFH

1 Vgl. Günkel u. a., Einschränkungen bei der Bilanzberichtigung, JbFStR 2008/2009, 759–768; Happe, Subjektiver Fehlerbegriff auf dem Prüfstand, BBK 16/2011, 770; Herzig/Nitzschke, Bilanzberichtigung in den Fällen erstmaliger höchstrichterlicher Rechtsprechung, DB 2007, 304; Hoffmann, Fehlerhafte Bilanzen, Replik zu Stapperfend, DStR 2011, 88; Knobbe, Der Grundsatz der subjektiven Richtigkeit im Handels- und Steuerbilanzrecht, Berlin 2009; Pohl, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsansicht des Steuerpflichtigen? Zu den Konsequenzen eines „subjektiv richtigen“ Bilanzansatzes, FR 2009, 279; Prinz, Erwägungen und Anregungen zur Auslegung des bilanzkorrigierenden Fehlerbegriffs, DB 2011, 2162; Prinz, Steuerbilanzielle Korrekturnormen im Blickpunkt: zur „fehlerfreien“ Gewinnermittlung, DB 2010, 2634; Prinz, Bilanzkorrekturen (Bilanzberichtigung, Bilanzänderung): Aktuelle Entwicklungen, neue Streitpunkte, StBJb. 2007/2008, 203; M. Prinz, Bilanzkorrekturen nach erstmaliger höchstrichterlicher Rechtsprechung, FR 2009, 377; Rätke, Abschied vom subjektiven Fehlerbegriff bei der Bilanzberichtigung?, StuB 2010, 528; SchulzeOsterloh, Bilanzberichtigung bei Verkennung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, BB 2007, 2335; Stapperfend, Bilanzberichtigung und Bindung der Finanzverwaltung an die eingereichte Bilanz – Subjektiver Fehlerbegriff auf dem Prüfstand, IFSt-Schrift Nummer 464 (Oktober 2010); Stapperfend, Bilanzberichtigung und Bindung der Finanzverwaltung an die vom Steuerpflichtigen eingereichte Bilanz, DStR 2010, 2161; von Beckerath, Die Bindung an die Bilanzansätze, FR 2011, 349; Langer, Keine Zweiklassengesellschaft bei der nachträglichen Bilanzkorrektur, DStR 2008, 2230; Werra/Rieß, Zur Bindungswirkung von Bilanzen, DB 2007, 2507. Wegen Anmerkungen zum Großen Senatsbeschluss siehe M. Prinz, FR 2010, 803; Gosch, BFH/PR 8/2010, 282.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff hat mit Beschluss vom 7.4.20102 eine höchst praxisrelevante Grundsatzanrufung an den Großen Senat „gestartet“, mit der er die Rechtsprechung zum subjektiven Fehlerbegriffsverständnis weiterentwickeln will. Der Beitrag befasst sich mit dem Hintergrund des Vorlagebeschlusses, gibt Anregungen und versucht eine Einschätzung der Rechtslage aus Sicht eines Steuerpraktikers. Dabei besteht folgendes terminologisches Grundverständnis: „Bilanzkorrektur“ ist der Oberbegriff, Bilanzberichtigung bei fehlerhaftem Rechenwerk und nachfolgende Bilanzänderung sind Ausprägungen einer Bilanzkorrektur. 2. Fehlerkorrigierende Bilanzberichtigungen nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG Die Regelung hat folgenden Wortlaut: „Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.“

Die Begriffe „Fehler“ und „Bilanzberichtigung“ werden im Gesetz nicht genannt. Nach einhelliger Meinung sind mit dem Bilanzberichtigungsbegriff durch den Steuerpflichtigen vorgenommene Korrekturen eines fehlerhaften (= GoB-widrigen) Bilanzansatzes (dem Grunde und/oder der Höhe nach) durch einen richtigen Ansatz gemeint. § 4 Abs. 2 EStG gehört – äußerlich betrachtet – zu den bestandsbezogenen Gewinnermittlungsvorschriften. Es ist inhaltlich von der Änderung einer Vermögensübersicht (= Bilanz) „auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt“ die Rede. Gemeint ist die Steuerbilanz oder eine den steuerlichen Regelungen mittels Überleitungsrechnung angepasste Handelsbilanz (§ 60 Abs. 2 EStDV). Nach dem Gesetzeswortlaut „darf“ der Steuerpflichtige – im Rahmen des verfahrensrechtlich Zulässigen3 – die beim Finanzamt eingereichte Steuerbilanz an der Fehlerquelle ändern. Folglich besteht keine Bilanzberichtigungspflicht. Es liegt ein Gestaltungsrecht des Steuerpflichtigen vor, allerdings kann der Steuerpflichtige zu Korrekturmitteilungen gem. § 153 AO verpflichtet sein, ohne dass dies förmlich zu einer Bilanzberichtigungspflicht führt. Die Finanzverwaltung kann nachträgliche Korrekturen bei der Veranlagung auf § 173 AO stützen. Die Durchführung einer Bilanzberichtigung gehört 2 BFH, Beschl. v. 7.4.2010 – I R 77/08, BStBl. II 2010, 739. 3 Die in § 4 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 EStG bestehende Verfahrensgrenze für Bilanzberichtigungen wurde durch das JStG 2007 vom 13.12.2006 mit Wirkung ab dem VZ 2007 eingeführt. Damit wird der formelle Bilanzenzusammenhang gesetzlich festgeschrieben. Zur zeitlichen Anwendung s. BFH, Urt. v. 19.7.2011 – IV R 53/09, BStBl. II 2011, 1017

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff nicht zu den GoB-Pflichten, die stets zu beachten sind; die Bilanzberichtigung bleibt „freiwillig“. Hinweis: Der Vorschlag von Paul Kirchhof zu einem Bundessteuergesetzbuch4 enthält ein Konzept zur Bilanzordnung, die durch eine Bilanzverordnung ergänzt wird. Kirchhof arbeitet zur unternehmerischen Gewinnermittlung mit einem bestandvergleichenden Steuerbilanzkonzept unter Einschluss des formellen Bilanzenzusammenhangs. Soweit erkennbar, sind in der Bilanzordnung Steuerbilanzkorrekturen aufgrund von Bilanzierungsfehlern nicht angesprochen.

3. Subsidiäre Bilanzänderungen gem. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG Die Regelung wurde durch das StBereinG 1999 vom 22.12.1999 mit rückwirkender Geltung (§ 52 Abs. 9 EStG) neugefasst und hat folgenden Wortlaut: „Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.“

Es geht also um die subsidiäre (d. h. nur im Anschluss an eine Bilanzberichtigung stehende) Möglichkeit zum Ersatz eines richtigen Bilanzansatzes durch einen anderen richtigen Bilanzansatz auch nach erstmaliger Einreichung des Rechenwerks bei der Finanzverwaltung, sofern die betroffenen Steuerbescheide nicht bestandskräftig sind. Das Fehlerbegriffsverständnis spielt daher mittelbar auch in Bilanzänderungen hinein. Es handelt sich um ein gesetzliches Gestaltungsrecht des Steuerpflichtigen mit zeitlicher, sachlicher und umfangmäßiger Begrenzung, welches nur in der Folge einer durchgeführten Bilanzberichtigung ausübbar ist.5 Häufiger praktischer Anwendungsfall für Bilanzänderungen besteht im Zusammenhang mit der „Abfederung“ von Mehrergebnissen einer Betriebsprüfung (etwa durch eine § 6b-Rücklage, geänderte Wahlrechtsausübungen usw.). Mitunter sind erstmalige Wahlrechtsausübungen nicht revisibel (z. B. im UmwSt-Recht) und damit steuerbilanziell unabänderlich. Außerbilanzielle Gewinnerhöhungen sind keiner Bilanzänderung

4 Ein Reformentwurf zur Erneuerung des Steuerrechts, C. F. Müller 2011. 5 Zur Sicht der Finanzverwaltung s. BMF v. 13.8.2008, BStBl. I 2008, 845. Ergänzend auch OFD Chemnitz, Vfg. v. 29.12.2011, DB 2012, 376 sowie Landesamt für Steuern und Finanzen des Freistaats Sachsen, Vfg. v. 29.12.2011, StuB 2012, 77. Beide Verfügungen unterscheiden danach, ob Bilanzänderungen Wirtschaftsjahre betreffen, die vor dem 1.1.2009 (Änderung der eingereichten Handelsbilanz erforderlich) oder nach dem 31.12.2008 enden (Aufgabe des Grundsatzes der umgekehrten Maßgeblichkeit durch das BilMoG v. 25.5.2009; keine HB-Änderung erforderlich). Die unterbliebene Offenlegung einer geänderten Handelsbilanz ist für steuerliche Bilanzänderungszwecke ohne Belang; so zutreffend FinMin. Schleswig-Holstein, Kurzinformation v. 30.6.2011, DStR 2011, 2200.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff zugänglich. Bilanzberichtigungsanträge können u. U. im Wege der Auslegung in Bilanzänderungsanträge „umgedeutet“ werden. Tatsächliche Vorgänge (wie Entnahme, Einlage, Veräußerungen) sind einer Bilanzänderung nicht zugänglich. 4. Blick über den Tellerrand Bilanzielle Korrekturmaßnahmen bei fehlerhafter Beurteilung von Sachoder Rechtsfragen sind nicht nur im Steuerbilanzrecht, sondern auch in anderen Rechnungslegungsbereichen zu beobachten. Zu nennen sind: – Handelsbilanzielle Änderung von Jahresabschlüssen nach Maßgabe des IDW Rechnungslegungsstandards HFA 6 (Stand: 12.4.2007). Danach können sich handelsbilanzielle Änderungsmaßnahmen auf fehlerfreie und fehlerhafte Jahresabschlüsse erstrecken, wobei Korrekturen üblicherweise in laufender Rechnung erfolgen. Nur wenn der bereits geprüfte und festgestellte Jahresabschluss vergangener Jahre kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage widerspiegelt, wird man rückwirkende Korrekturen mit der Folge von Nachtragsprüfungen und Neufeststellungen des Jahresabschlusses durch die Gremien ins Auge fassen müssen. Grund für die restriktive Handhabung rückwirkender Änderungen ist: Durchgeführte Gewinnverwendungen (= Ausschüttungen) sind unwiderruflich. Gem. Tz. 14 IDW RS HFA 6 ist ein Jahresabschluss „nur dann fehlerhaft, wenn der Kaufmann den Gesetzesverstoß spätestens zum Zeitpunkt der Feststellung bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung hätte erkennen können; spätere wertaufhellende Erkenntnisse machen den festgestellten Abschluss nicht fehlerhaft“. Ein fehlerhafter Abschluss ist im Übrigen von einem nichtigen Abschluss (insbes. § 256 AktG), der keinerlei Rechtswirkungen entfaltet, zu unterscheiden. – Fehlerbegriff in der internationalen Rechnungslegung. Vor allem IAS 8.41 ff. befasst sich eingehend mit Fehlerkorrekturen in der internationalen Rechnungslegung. Es werden „material errors“ von „immaterial errors“ unterschieden. Im Übrigen sind Fehlerkorrekturen von „changes in accounting estimates“ zu unterscheiden. – Schließlich haben Fehlerfeststellungen im Enforcementverfahren bei kapitalmarktorientierten Unternehmen (DPR, BaFin) Sanktionen zur Folge. Im Grundsatz findet sich in allen diesen Rechtsbereichen ein subjektiver Fehlerbegriff, dessen Verständnis sich allerdings stets auch nach Maßgabe der Teleologie des entsprechenden Rechtsgebiets richten muss. Wesentlichkeitsaspekte, Fragen der kapitalmarktorientierten Rechnungslegungskontrolle und die Irreversibilität von Gewinnverwendungsmaßnah245

Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff men spielen bei der Handhabung derartiger Bilanzierungsfehler eine besondere Rolle.6

II. Kernproblem: Objektiver versus subjektiver Fehlerbegriff 1. Keine Legaldefinition des Fehlerbegriffs Viele der derzeit kontrovers diskutierten Themen zum korrekturberechtigenden Fehlerbegriff finden im Wortlaut des § 4 Abs. 2 EStG selbst keinen konkreten Ausdruck. Der Begriff „Bilanzberichtigung“ wird nicht verwendet. Von einem Fehler als Korrekturanlass – sei es subjektiver, sei es objektiver Art – ist ebenfalls nicht die Rede. Lediglich die GoB-Widrigkeit einer Bilanzierung/Bewertung und ein Verstoß gegen steuergesetzliche Gewinnermittlungsnormen werden angesprochen. Dies ist auffällig. Die streitige Steuerrechtsdiskussion hat also im Wege der Auslegung in das Gesetz „hineingelesene Themen“ zum Gegenstand. Dies scheint eine der Problemursachen für den Disput zu sein. Für die Erstellung einer Steuerbilanz gilt das Stichtagsprinzip. Tatsachenund Rechtsfragen (wegen unbestimmter Rechtsbegriffe, Auslegungszweifeln, Subsumptionsproblemen) sind stichtagsbezogen vom Steuerpflichtigen zu beurteilen. Die Einreichung der Steuerbilanz beim Finanzamt ist der maßgebende Zeitpunkt; zeitlich davor ist die Steuerbilanz jederzeit änderbar. Allerdings verbleibt für die Durchführung der Erstellungsarbeiten ein Zeitrahmen, der zunächst handelsbilanziell definiert ist (§ 243 Abs. 3 HGB, § 42a Abs. 2 GmbHG: 8 Monate/11 Monate bei kleinen Gesellschaften; die Feststellung des Jahresabschlusses ist entscheidend) und für stichtagsbezogene Erkenntnisgewinnung genutzt werden kann. Die maßgeblichkeitsverknüpfte Steuerbilanz baut darauf auf, ist aber bei der Definition des zulässigen Zeitrahmens offener. Wichtig ist: Wertaufhellende Erkenntnisse finden gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB stichtagsbezogen bis zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses in das Rechenwerk Eingang, wobei in zeitlicher Hinsicht eine „ordnungsgemäße Bilanzerstellung“ unterstellt wird.7 Dies gilt auch für die Steuerbilanz. Sie sind von objektiv wertbeeinflussenden Umständen nach dem Bilanzstichtag zu unterscheiden. Bei der stichtagsbezogenen Bilanzierung und Bewertung können bei Zugrundelegung der handelsrechtlichen GoB oder 6 Vgl. zu weiteren Details Hennrichs, DStR 2009, 1446; Küting/Weber/Keßler/ Metz, DB Beilage 7/2007; Berger, BFuP 2009, 599; Chr. Müller, AG 2010, 483; Küting/Kaiser, WPg 2000, 577. 7 Vgl. m. w. N. FG Köln, Urt. v. 17.3.2011, EFG 2011, 1769, rkr. Danach können wertaufhellende Tatsachen nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie erst nach dem Zeitpunkt bekannt werden, an dem der Steuerpflichtige die Bilanz spätestens hätte aufstellen müssen.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff der steuergesetzlichen Spezialregelungen objektiv betrachtet Fehler gemacht werden, sei es dass der Bilanzersteller etwas im Sachverhalt übersehen hat oder falsch einschätzt, sei es dass die Rechtslage nicht zutreffend beurteilt wird. Bei den Rechtsfragen spielen natürlich rechtliche Unschärfen eine Rolle, zumal im Bilanzsteuerrecht eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe verwendet wird.8 Meist sind im Rahmen einer Bandbreitenbetrachtung mehrere Lösungen zulässig. Gleichermaßen objektive wie subjektive Bilanzierungsfehler sind durch den Steuerpflichtigen stets korrigierbar (ggf. sind Wesentlichkeitsüberlegungen zu beachten). Fehlerbeispiele: Nichtausweis einer betrieblichen Verbindlichkeit bei gleichzeitig fehlender Erfassung von Entnahmen. Nichtausweis einer Rückstellung, die später vom BFH anerkannt wird. Gewinnermittlung anlässlich einer Teilbetriebsveräußerung, die sich später wegen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als falsch herausstellt. Schlichte Aufnahmefehler bei der Inventur.

2. Entwicklung der Rechtsprechung hin zum subjektiven Fehlerbegriff In seiner „Altrechtsprechung“ hat der RFH und in der Folge auch der BFH für bilanzkorrigierende Maßnahmen stets auf „objektiv richtige Bilanzansätze“ abgestellt.9 Ein Schwenk hin zu einem subjektiven Fehlerbegriff kann an vier „Meilenstein-Judikaten“ festgemacht werden. – Dies ist zum ersten die BFH-Entscheidung vom 11.10.196010, die den subjektiven Fehlerbegriff erstmals auf Tatsachenfragen anwendet. Konkret ging es um die Einschätzung der Bonität eines Debitorenschuldners zum Bilanzstichtag. Leitsatz 1 des Urteils lautet: „Erhält der Kaufmann erst nach Aufstellung der Bilanz von am Bilanzstichtag gegebenen Tatsachen Kenntnis, die eine Forderung am Bilanzstichtag nicht vollwertig erscheinen lassen, so kommt eine Bilanzberichtigung nicht in Betracht. Der Kaufmann ist im Allgemeinen auch nicht berechtigt, die unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt aufgestellte Bilanz zu ändern.“

Seiner Zwecksetzung nach will der subjektive Fehlerbegriff deshalb den Steuerpflichtigen nur vor nachträglichen belastenden Änderungsmaßnahmen schützen, etwa bei falschen Prognosebeurteilungen. Stets wird allerdings vorausgesetzt, dass der die Bilanz aufstellende Kauf8 Vgl. eingehender Küting, BB 2011, 2091. 9 Enno Becker hat sich mit der Berichtigung und Änderung einer Steuerbilanz bereits in StuW 1929, 29intensiv auseinandergesetzt. Im Ausgangspunkt versteht er die einer Steuererklärung zu Grunde gelegte Steuerbilanz als eine „Willenserklärung“ des Steuerpflichtigen, die u. U. zurückgenommen und neu justiert werden kann (bspw. nach BP-Änderungen). Bereits in dieser Untersuchung unterscheidet er „Berichtigung“ und „Änderung“ von Steuerbilanzen. 10 BFH, Urt. v. 11.10.1960 – I 56/60 U, BStBl. III 1961, 3.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff mann – in der modernen Terminologie könnte man von einem „Preparer“ sprechen – seine bis zur Aufstellung der Bilanz erlangten Kenntnisse von dem stichtagsbezogenen Sachverhalt stets pflichtgemäß und gewissenhaft verwertet. Tut er dies, so ist die Bilanz richtig, auch wenn sich später erweist, dass der Kaufmann über die am Bilanzstichtag objektiv gegebenen tatsächlichen (und auch rechtlichen) Verhältnisse in diesem oder jenem Punkt im Irrtum war. – Die zweite wichtige Meilenstein-Entscheidung des BFH datiert vom 14.8.197511 und erstreckt die Maßgeblichkeit der subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Bilanzierenden bei Aufstellung der Bilanz auch auf Rechtsfragen. Der IV. Senat des BFH betont in dem Judikat zunächst, dass sich die Bilanzierung und Bewertung zwar grundsätzlich nach den am Bilanzstichtag objektiv bestehenden Verhältnissen richten muss. Dies bedeutet dann aber nicht, dass eine Bilanz falsch ist, wenn sich nach ihrer Aufstellung herausstellt, dass bestimmte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse am Bilanzstichtag objektiv anders waren als bei der Aufstellung angenommen wurde. Eine subjektive Richtigkeit nach Maßgabe einer pflichtgemäßen und gewissenhaften Einschätzung ist nach Meinung des BFH nicht korrekturpflichtig. Es spielt somit in dem streitigen Sachverhalt keine Rolle, dass die gezahlten Pachtzinsen objektiv zu niedrig waren und deshalb eine vGA vorlag, da der betroffene Kaufmann dies auch bei einer entsprechenden Sorgfalt nicht hätte erkennen können. Sach- und Rechtsfragen spielen hier zusammen. – Drittens ist das BFH-Urteil vom 12.11.199212 zu nennen. Es wendet den subjektiven Fehlerbegriff auch auf den Fall einer Rechtsprechungsänderung an. Konkret ging es in dem damaligen Verfahren um die irrtümlich erfolgte Aktivierung von Kanalbaubeiträgen als nachträgliche Anschaffungskosten, die durch eine Rechtsprechungsänderung zum sofortigen Betriebsausgaben-Abzug zugelassen wurden. Zunächst betont der IV. Senat in diesem Urteil noch einmal, dass ein Bilanzansatz nicht fehlerhaft ist, wenn er der im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht. Erst bei einer späteren Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird der Bilanzansatz fehlerhaft und zwar in der Bilanz, „in der die Änderung der Rechtsprechung erstmals berücksichtigt werden kann“. Der fehlerhafte Bilanzansatz ist „über die Zeit betrachtet“ erst dann zu korrigieren. Dies ist erfolgswirksam, wenn auch der Bilanzierungsfehler erfolgswirksam war. Das insoweit auch für Rechtsprechungsänderun-

11 BFH, Urt. v. 14.8.1975 – IV R 30/71, BStBl. II 1976, 88. 12 BFH, Urt. v. 12.11.1992 – IV R 59/91, BStBl. II 1993, 392.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff gen geltende subjektive Richtigkeitsgebot wurde in der Folgezeit dann auch durchgängig vom I. Senat des BFH fortgeführt. – Schließlich ist als „vierter Meilenstein“ die BFH-Entscheidung vom 5.6.200713 zu erwähnen, die aus dem subjektiven Fehlerbegriffsverständnis eine Änderungssperre auch für die Finanzverwaltung entwickelt. Denn an subjektiv richtige, den GoB zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung entsprechende Ansätze und Bewertungen ist auch die Finanzverwaltung im Rahmen der Steuerfestsetzung gebunden. Dabei besagt das subjektive Richtigkeitsgebot, dass bei nicht abschließend geklärten Bilanzierungsfragen „jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als in diesem Sinne richtig anzusehen ist“. Die Fehlerbeseitigung kann erst in Folgejahren nach Maßgabe des formellen Bilanzenzusammenhangs erfolgen. Das subjektive Fehlerbegriffsverständnis bindet damit Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung gleichermaßen. 3. Wirkungen des subjektiven Fehlerbegriffs Für eine „fehlerfreie“ GoB-konforme Bilanzierung und Bewertung in der Steuerbilanz wird nach traditioneller Rechtsprechung abgestellt auf die Erkenntnismöglichkeiten eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung. Stets muss sich die Beurteilung auf die am Bilanzstichtag objektiv bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse beziehen. Dabei werden Tatsachen- und Rechtsfragen mit Blick auf Bilanzierungsfehler bislang identisch behandelt. Auch wenn sich bei Anwendung dieses Maßstabs im Nachhinein eine objektive Fehlbeurteilung durch den Steuerpflichtigen herausstellt, ist und bleibt die Steuerbilanz subjektiv richtig. Sie kann als Gegenstand der ersten Gewinnermittlungsstufe trotz verfahrensrechtlicher Änderungsmöglichkeiten nicht mehr im Ursprungsjahr des Fehlers (= Fehlerquelle) korrigiert werden. Eine Fehlerbeseitigung kann vielmehr erst in Folgejahren nach Maßgabe des formellen Bilanzenzusammenhangs erfolgen. Die Wirkungen des subjektiven Fehlerbegriffs sind zweigeteilt: – Zum ersten und in seinem Kern soll der subjektive Fehlerbegriff eine Schutzfunktion für den Kaufmann entfalten, die zunächst einmal auf fehlerhafte Sachverhaltsbeurteilungen abstellt. Sich im Nachhinein als unrichtig herausstellende Bewertungen, Schätzungen und Prognosen müssen im Ursprungsabschluss unbeanstandet bleiben. Über den Bilanzenzusammenhang findet eine „automatische“ Fehlerkorrektur statt, die letztlich zur Ermittlung des richtigen Totalgewinns führt. Es handelt sich dabei stets um einen zwingend normativ-subjektiven 13 BFH, Urt. v. 5.6.2007 – I R 47/06, BStBl. II 2007, 818.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff Mindestmaßstab. Denn Bilanzierung/Bewertung muss stets „aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbar sein“. Die objektiv bestehenden Erkenntnismöglichkeiten des ordentlichen Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung müssen pflichtgemäß und gewissenhaft angewandt werden. Ansätze und Bewertungen, die objektiv außerhalb vertretbarer Bandbreiten liegen oder schlicht falsch sind, haben keinen subjektiven Richtigkeitsschutz. – Zum zweiten macht eine Erstrechtsprechung bei unsicherer Rechtslage oder eine Rechtsprechungsänderung zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen eine Ursprungsbilanz nicht falsch. Das Abstellen auf den subjektiven Fehlerbegriff verhindert deshalb die nachträgliche Berücksichtigung günstiger BFH-Urteile oder Rechtsprechungsänderungen zu Gunsten des Steuerpflichtigen. Der subjektive Fehlerbegriff in seiner Anwendung auf Rechtsfragen entfaltet faktisch eine Schutzfunktion für den Fiskus, der sich insoweit „weigert“ trotz offener Betriebsprüfungen Bilanzkorrekturen zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu akzeptieren (Schutzfunktion für den Fiskus). Die Finanzverwaltung hat in diesem Zusammenhang die „Theorie einer abgestuften zeitlichen Anwendung“ günstiger Rechtsprechung entwickelt und praktiziert.14 Daran wurde in der Literatur erhebliche Kritik geübt, zumal es in den letzten Jahren eine ganze Reihe steuerpflichtigenfreundlicher Judikatur gab, etwa hinsichtlich der Anerkennung von Rückstellungen bei Altersteilzeit, den Aufbewahrungskosten für Geschäftsunterlagen usw. Auf der anderen Seite hat das Fehlerbegriffsverständnis des I. Senats in seiner praktischen Folge einen „proaktiven Bilanzierungstrend“ bei den Steuerpflichtigen befördert. So wurde in sachlich vertretbarem Umfang und stets innerhalb des Legalitätsrahmens eher eine Rückstellung mehr als weniger gebildet („neuerfundene“ Rückstellungstatbestände), eher höher als niedriger bewertet.15 Es wurde eher eine „üppige“ statt einer „bescheidenen“ Teilwertabschreibung vorgenommen. Denn nach Maßgabe des „Rechtssatzes“, das jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als richtig anzusehen sei, darf auch die Finanzverwaltung in den Bandbreiten sachgerechter Beurteilung von einer solchen „richtigen Bilanz“ nicht abweichen. Man wird dies insgesamt sicherlich als einen „unguten Trend“ im Umgang Finanzverwaltung/Steuerpflichtiger empfinden, der keine Befriedung bewirkt. 14 Vgl. Prinz, StBJb 2007/2008, 203, 213. Siehe beispielhaft zu einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Gewährung von Beihilfen, Bayerisches Landesamt für Steuern, Vfg. v. 12.8.2011, BB 2011, 2354. 15 Vgl. etwa zur Zulässigkeit einer Rückstellung für zukünftige BP-Kosten in der Steuerbilanz eines Großbetriebs FG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.10.2010 – 3 K 2555/09, EFG 2011, 339 mit Anm. Hennigfeld; Revision beim BFH wird unter dem Az. I R 99/10 geführt.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff

III. Vorlagebeschluss des BFH vom 7.4.2010 zum Großen Senat zur Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs auf die Beurteilung von Rechtsfragen 1. Inhalt des Vorlagebeschlusses Im Rahmen einer Grundsatzanrufung ohne Divergenz (§ 11 Abs. 4 FGO) wird dem Großen Senat folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: „Ist das FA im Rahmen der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung in Bezug auf zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ungeklärte bilanzrechtliche Rechtsfragen an die Auffassung gebunden, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz zugrunde liegt, wenn diese Rechtsauffassung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbar war?“

In dem Sachverhalt des BFH-Falls geht es um die bilanzsteuerliche Beurteilung von Handy-Subventionen als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG). Die den Rechtsstreit führende GmbH ist davon ausgegangen, dass die durch geldwerte Sachleistungen entstandenen Betriebsvermögensminderungen sofort steuerwirksam werden. Die Finanzverwaltung und ihr folgend der BFH gehen dagegen von einer aktiven Rechnungsabgrenzung aus, die über die zeitraumbezogene Gegenleistung (Laufzeit des Mobilfunkvertrags) aufwandsmäßig zu verteilen ist. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung gab es zu dieser Frage keinerlei Rechtsprechung. Die sofortige Geltendmachung als Betriebsausgabe entspricht daher den Erkenntnismöglichkeiten eines ordentlichen Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung, auch wenn sich dies nachträglich als objektiv unrichtig herausstellt. Es stellt sich nun die Frage, ob bei einem solchen Fall wegen subjektiver Richtigkeit des Bilanzansatzes eine Korrekturmöglichkeit für die Finanzverwaltung besteht. Entscheidend dafür ist das Verständnis des Fehlerbegriffs. Der vorlegende I. Senat selbst spricht sich in dem Beschluss in „geläuterter Sichtweise“ für ein Nebeneinander von subjektivem und objektivem Fehlerbegriff aus. Der subjektive Fehlerbegriff gilt für Tatsachenfragen (Kenntnis des „ehrbaren“ Kaufmanns zum Bilanzstichtag ist ausreichend), der objektive Fehlerbegriff gilt für Rechtsfragen. Der I. Senat will somit keineswegs den subjektiven Fehlerbegriff vollständig aufgeben, sondern nur in seiner Anwendung einschränken. Dabei geht der I. Senat von einer Bindungswirkung des subjektiven Fehlerbegriffs auch für die Finanzverwaltung aus, so dass in Rechtsfragen für den Steuerpflichtigen nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung eine „wahlrechtsähnliche Situation“ entsteht, die unter verfassungsrechtlichen Aspekten und wegen einer „Waffenungleichheit“ zu Lasten der Finanzverwaltung nicht hingenommen werden kann.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff Die Argumente des I. Senats gegen die Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs auf ungeklärte Bilanzrechtsfragen lassen sich wie folgt zusammenfassen: – Das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot erfordert einen objektiven Maßstab, der für Rechtsfragen auf der ersten und zweiten Gewinnermittlungsstufe einheitlich anzuwenden ist. – Die Anerkennung einer subjektiven Einschätzungsprärogative zu Gunsten des Steuerpflichtigen führt zu steigendem Konfliktpotenzial zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung; dies sollte durch die Rechtsprechung nicht gefördert werden. – Eine ausgewogene Rechtsfortbildung im Bilanzsteuerrecht erfordert objektive Maßstäbe. – Die Maßgeblichkeit objektiver Rechtsbeurteilung führt in der Öffentlichkeit zu einer größeren Rechtsprechungsakzeptanz. – Die objektive Rechtslage sollte nicht nur für zum Bilanzaufstellungszeitpunkt ungeklärte Rechtsfragen, sondern auch für Rechtsprechungsänderungen maßgeblich sein, wobei allerdings Vertrauensschutzaspekte zu beachten sind. 2. Analyse des Vorlagebeschlusses a) Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses Bei dem Vorlagebeschluss des BFH vom 7.4.2010 handelt es sich um eine sog. Grundsatzanrufung (§ 11 Abs. 4 FGO), die – auch ohne Divergenz zu anderen Senatsentscheidungen – zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgen kann. Ohne Zweifel wird man dem I. Senat bescheinigen können: Beim bilanzsteuerlichen Fehlerbegriff handelt es sich um eine offene Grundsatzfrage, die als „Alltagsthema der Rechtsanwendung“ geklärt sein sollte. Problematisch ist allerdings: Die momentan etwas verworrene Rechtslage mit der verwaltungsseitigen Anwendungssperre für rückwirkend günstige BFH-Judikatur und den praxisorientiert proaktiven Bilanzierungstrends hat vor allem der I. Senat selbst mit seiner aktuellen Rechtsprechung ausgelöst. Jedenfalls in Teilen könnte der I. Senat selbst ohne in Divergenz zu anderen Senaten zu treten, eine „Neujustierung“ des Fehlerbegriffs vornehmen. Der I. Senat hat sich in seiner eigenen Rechtsprechung „verirrt“. Allerdings wird man Zweifel haben können, ob eine Gesamtrechtsprechungskorrektur so einfach möglich wäre, da durchaus auch andere Senate beim BFH (etwa der IV. Senat) über Bilanzberichtigungsfragen zu entscheiden haben und nicht immer eine einheitliche Beurteilungsleitlinie zu erkennen ist.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff Hinzu kommt: Auch die materielle Rechtsfrage, die sich mit einem aktiven RAP befasst, erscheint alles andere als so klar, wie es der Vorlagebeschluss vermitteln will. Es geht um die bilanzsteuerliche Beurteilung von Handy-Subventionen bei einem Mobilfunkunternehmen. Der I. Senat des BFH hält die aktive Abgrenzung einer geldwerten Sachleistung bezogen auf den Zeitraum des mehrjährigen Mobilfunkdienstleistungsvertrags für zwingend. M. E. bestehen Zweifel. Denn unter den finanzwirtschaftlichen Begriff „Ausgaben vor dem Abschlussstichtag“, der in § 5 Abs. 5 Nr. 1 EStG Tatbestandsvoraussetzung für einen aktiven RAP ist, wird man nur mit einiger Auslegungskunst „sachwerte HandySubventionen“ als zeitlich zu verteilende Betriebsvermögensminderungen einordnen können. Gosch16 räumt in einer Anmerkung ein, dass die Anrufung des Großen Senats zwar nicht notwendig, aber ratsam sei. Er meint: „Es dient aber der „Rechtshygiene“, wenn eine derart grundsätzliche Querschnittsfrage wie diejenige nach Existenz, Beibehaltung und Reichweite des subjektiven Fehlerbegriffs, die alle Ertragsteuersenate des BFH betrifft, auch grundsätzlich geklärt wird.“

Würdigt man die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses insgesamt, so ergibt sich: Die Grundsatzanrufung hat sicherlich einige „Schönheitsfehler“, dennoch ist die Vorlagefrage m. E. im Ergebnis zulässig. Ungeachtet dessen besteht naturgemäß zumindest interimistisch eine Rücknamemöglichkeit für den I. Senat. Gem. § 11 Abs. 7 FGO hat der Große Senat nur über die ihm vorgelegte Rechtsfrage zu entscheiden. Ob er den subjektiven Fehlerbegriff „insgesamt zu Fall“ bringen könnte, ist daher zweifelhaft. Der Große Senat sollte sich mit seinem Beschluss nicht mehr zu lange Zeit lassen. Durch das „Präsidentenvakuum“ (Vorsitzender des Großen Senats, § 11 Abs. 5 FGO) in der Zeit von April bis Oktober 2011 hat sich der Beschluss ohnehin deutlich verzögert. b) Begründetheit des Vorlagebeschlusses Der I. Senat des BFH entwickelt in seinem Vorlagebeschluss einen „dichotomen Fehlerbegriff“. Der subjektive Fehlerbegriff soll nur noch für Tatsachenfragen beibehalten werden, der objektive Fehlerbegriff kommt für Rechtsfragen – und zwar sowohl abstrakter wie auch konkret-anwendungsbezogener Art – zur Anwendung. Dies würde das Ende der verwaltungsseitigen Anwendungssperre für die Rückwirkung günstiger BFH-Judikate bedeuten. M. E. sollte der Große Senat dem Vorlagebeschluss hinsichtlich beider Rechtsaspekte folgen. Im Einzelnen:

16 Vgl. BFH/PR 8/2010, 282.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff Zwingender subjektiver Fehlerbegriff für Tatsachenfragen: Der Kaufmann als „Ersteller“ eines auf periodengerechte Erfolgsermittlung ausgerichteten Rechenwerks wird zukunftsorientierte Bilanzierungs- und Bewertungseinschätzungen naturgemäß stets aus seinem Blickwinkel – also zwingend subjektiv – treffen müssen. Subjektiv geprägte Sachverhaltswertungen, Prognosen und Schätzungen sind Wesensbestandteil kaufmännischer Rechnungslegung (etwa bei der Nutzungsdauerbestimmung, einer Bonitätseinschätzung bei Forderungen oder der Risikoeinschätzung bei Prozessen). Dies alles trägt der Begrenztheit menschlicher Erkenntnisfähigkeit Rechnung17 und erfordert einen subjektiven Fehlerbegriff für Sachverhaltsunschärfen. Zur Erleichterung erlauben die handelsrechtlichen GoB mit Wirkung auch für die Steuerbilanz die bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt gewordenen Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, wertaufhellend mit zu berücksichtigen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). In Wertaufhellungsüberlegungen – abgegrenzt zu nach dem Bilanzstichtag erfolgender Wertbeeinflussung – spielen gleichermaßen subjektive und objektive Wertungsfragen hinein.18 In Zeiten des „Fast Close“ und der Berücksichtigung latenter Steuerpositionen hat sich der Wertaufhellungszeitraum sowohl für Handels- wie auch für Steuerbilanzen praktisch in vielen Fällen deutlich auf wenige Wochen nach dem Abschlussstichtag verkürzt. Die Fehlerwahrscheinlichkeit dürfte dadurch tendenziell steigen. Stichtagsbezogene Wertaufhellung und Fehlerbegriff hängen bilanzrechtssystematisch zusammen. Zu unterscheiden sind derartige sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisende Einschätzungen von schlichten, objektiven Sachverhaltsfehlern, die etwa bei der Bestandsaufnahme im Vorratsvermögen (etwa durch fehlerhafte Zählung) auftreten können. Hier liegt ein objektiver wie subjektiver Fehler bei der Aufnahme eines eindeutigen Sachverhalts vor, der im Rahmen von Wesentlichkeitsüberlegungen zu korrigieren ist. Um den Kaufmann vor ansonsten bestehenden sanktionsbewehrten Korrekturzwängen zu schützen, geht man für Rechnungslegungszwecke durchgängig von einem subjektiven Fehlerbegriffsverständnis aus. Der „Grundsatz der subjektiven Richtigkeit“ entbindet den Kaufmann von Korrekturnotwendigkeiten. Sanktionen wegen subjektiver Fehlbilanzierung entfallen. So bleiben etwa getroffene Gewinnverwendungsbeschlüsse unangetastet. Die sachgerecht ermittelten Sachverhaltsfeststellungen für die Ermittlung des steuerbilanziellen Gewinns dürfen ebenfalls nicht mehr verändert werden. Dies ist wegen der „zweischnei-

17 So zutreffend Schulze-Osterloh, BB 2007, 2335, 2336. 18 Vgl. Hüttemann, Festschrift Priester, 2007, 301–335; Herzig, Festschrift Meilicke, 2010, 179–200.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff digen“ Bilanzwirkungen, die zu automatischen Fehlerkorrekturen in Folgeabschlüssen führen, auch im Vereinfachungsinteresse sinnvoll. Nur was außerhalb pflichtgemäßer und gewissenhafter kaufmännischer Sachverhaltseinschätzung liegt, kann fehlerhaft sein und ist dann notwendigerweise zu korrigieren. Die Schutzfunktion des subjektiven Fehlerbegriffs zu Gunsten des Kaufmanns19 ist auch der Grund für die in § 4 Abs. 2 S. 1 EStG zu findende Bilanzberichtigungsmöglichkeit (der Steuerpflichtige „darf … ändern“). Ein steuerbilanzieller Korrekturzwang für den Steuerpflichtigen besteht wortlautgemäß nicht. Eine eventuelle Berichtigungspflicht für Steuererklärungen gem. § 153 AO im Steuerverkürzungsfall ist davon zu unterscheiden; eine formelle Steuerbilanzkorrektur durch den Steuerpflichtigen ist dafür nicht nötig. Der für sachverhaltsbezogene Fragen bestehende subjektive Sorgfaltsmaßstab gestattet dem Steuerpflichtigen aber sicher keine „willkürliche Handhabung“. Vielmehr muss der Kaufmann stets eine pflichtgemäße und gewissenhafte Prüfung der objektiv bestehenden Erkenntnismöglichkeiten zum Bilanzaufstellungszeitpunkt vornehmen. Diese sachgerecht durchzuführende Bandbreitenbetrachtung sollte er dokumentieren. Um dies alles auszudrücken, erscheint mir die Bezeichnung „normativ-subjektiver Fehlerbegriff“ geeignet20. Ein objektiver Beurteilungsmaßstab ist das aber nicht; subjektive Wertungen bleiben prägend. In Teilen ist es deshalb ein „Streit um Worte“. Im Ergebnis beurteile ich das Festhalten des I. Senats am subjektiven Fehlerbegriff für Sachverhaltsfragen für zutreffend. Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 S. 1 EStG, der den Fehlerbegriff selbst gar nicht verwendet, steht dem nicht entgegen. Der Große Senat sollte dem auch im Interesse zu wahrender Rechtskontinuität folgen. Für Rechtsfragen kann es nur auf die objektive Rechtslage ankommen: Der subjektive Fehlerbegriff hat im Kern den Schutz des Kaufmanns und Steuerpflichtigen vor einer Vielzahl häufig sanktionsbewehrter Korrekturerfordernisse wegen späterer besserer Sachverhaltserkenntnisse im Blick. Dies gilt zwar primär handelsbilanziell, erstreckt sich aber auch auf steuerbilanzielle Zwecke. Für Fehlbeurteilungen einer zum Bilanzaufstellungszeitpunkt noch ungeklärten Rechtsfrage gilt dieser kaufmannsbezogene Schutzzweck nicht. Gleiches gilt für streitige, ggf. vor einer Rechtsprechungsänderung stehende Rechtsfragen, die interimistisch möglicherweise durch die Rechtsprechung falsch beurteilt wurden. Faktisch hat das subjektive Fehlerbegriffsverständnis in der Vergangenheit nicht den Kaufmann, sondern die Finanzverwaltung vor der rückwirkenden Umsetzung „unliebsamer Rechtsprechung“ geschützt. Die Ziel-

19 Vgl. dazu bspw. Schön, Beihefter zu DStR 39/2007, 20, 22 f. 20 Vgl. Crezelius in Kirchhof, EStG 10. Aufl. 2011, § 4 Rn. 116.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff setzung des subjektiven Fehlerbegriffs wurde in ihr Gegenteil verkehrt. Die objektive Rechtslage kann „am Ende“ vom Steuerpflichtigen nur richtig oder falsch beurteilt werden. Im Ergebnis entscheidet der BFH mit rechtserkennender Wirkung über die zutreffende Rechtsbeurteilung. Dies gilt für die vergangene wie die zukünftige Rechtslage, soweit das Verfahrensrecht Änderungen zulässt oder der Gesetzgeber im Rahmen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots tätig wird. Rechtserkenntnisse zu Gunsten des Steuerpflichtigen sind bis zur ersten offenen Veranlagung unabhängig vom subjektiven Fehlerbegriffsverständnis umzusetzen. Bei Rechtserkenntnissen zu Lasten des Steuerpflichtigen ist vor allem die Vertrauensschutzregelung des § 176 AO zu beachten; ggf. können auch die Grundsätze von Treu und Glauben eine Sperrwirkung für rechtsprechungsseitige Verböserungen beinhalten. All dies verlangt auch das Gebot eines fairen Miteinanders von Steuerpflichtigem und Fiskus. Dieser vom I. Senat für die Auslegung des Fehlerbegriffs angestoßene „Rechtsprechungsschwenk“ ist der Kern des Vorlagebeschlusses. Die Erkenntnis zur Maßgeblichkeit des objektiven Fehlerbegriffs für Rechtsfragen kommt zwar aus meiner Sicht etwas spät, ist aber im Ergebnis richtig. Den vom I. Senat zusammengestellten Argumenten für die ausschließliche Entscheidungserheblichkeit der objektiven Rechtslage für Rechtsfragen ist vollumfänglich zuzustimmen. Eine „Waffenungleichheit“ zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen sollte aus rechtsstaatlicher Perspektive für beide „Kontrahenten“ vermieden werden. Die materiell richtige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit muss unabhängig vom Fehlerbegriff Ziel der steuerbilanziellen Gewinnermittlung sein. Dies ist in den Grenzen des Bestandsschutzes umzusetzen. Im Übrigen erlaubt nur ein rechtsfragenbezogener objektiver Fehlerbegriff ein sachgerechtes und friktionsfreies Ineinandergreifen von Bilanzberichtigung und Bilanzänderung. Auch insoweit sollte der Große Senat bei seiner Entscheidung den Überlegungen des I. Senats folgen.

IV. Beratungserkenntnisse im Zusammenhang mit steuerlichen Bilanzkorrekturen Die praktische Durchführung von Bilanzkorrekturen erfordert eine Doppelprüfung: Zum ersten ist zu untersuchen, ob ein GoB-widriger Bilanzierungsfehler vorliegt, der vom Steuerpflichtigen korrigiert werden darf und in der Folge ggf. ergänzende Bilanzänderungsmaßnahmen zulässt. Zum zweiten ist auch unter verfahrensrechtlichen Aspekten die Zulässigkeit einer Bilanzkorrektur zu prüfen. Die „Wirren“ um die richtige Auslegung des Fehlerbegriffs bereiten der Praxis Schwierigkeiten. 256

Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff 1. Steuerbilanzkorrekturen betreffen nur die erste Gewinnermittlungsstufe Die traditionelle bilanzsteuerliche Unterscheidung von Bilanzberichtigung/Bilanzänderung und damit auch der Inhalt des Fehlerbegriffs ist nur für die erste Gewinnermittlungsstufe bedeutsam. Auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe (etwa bei einer vGA oder § 8b KStG-Änderungen) gelten „nur“ die allgemeinen verfahrensrechtlichen Korrekturgrenzen.21 Diese unterschiedliche Behandlung von erster und zweiter Gewinnermittlungsstufe kann zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen wirken. So kann etwa eine ergebniswirksame Fehlerkorrektur durch die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs nur in der ersten offenen Veranlagung im Rahmen der Steuerbilanz nachgeholt werden. Bei außerbilanziellen Gewinnkorrekturen ist dies nicht möglich. Auch kann die berechtigte steuerbilanzielle Teilwertabschreibung einer Forderung wegen voraussichtlich dauernder Wertminderung nicht im Wege einer Bilanzberichtigung rückgängig gemacht werden, weil eine fehlerhafte außerbilanzielle Hinzurechnung vorgenommen wurde.22 Wichtig ist auch: die „Prüferbilanz“ (Mehr-oder Weniger-Rechnung) im Rahmen einer Außenprüfung ist keine fehlerkorrigierende Steuerbilanz gem. § 4 Abs. 2 S. 1 EStG. Bei dem „sich zu eigen machen“ von BP-Feststellungen durch den Steuerpflichtigen sollte daher größtmögliche Sorgfalt beachtet werden. Schließlich ist die Änderung bereits festgestellter, ggf. auch geprüfter Handelsbilanzen aufgrund von BP-Prüferbilanzänderungen normalerweise nicht erforderlich. § 5 Abs. 6 EStG enthält insoweit einen steuerspezifischen Vorbehalt zur Zulässigkeit der Bilanzänderung. Nur im Einzelfall kann – jedenfalls für die Zeit ab 1.1.2009 – der Grundsatz der Maßgeblichkeit eine Paralleländerung der Handelsbilanz erforderlich machen;23 denn die für eine Bilanzänderung nutzbaren steuerlichen Wahlrechte können unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden (Dokumentationserfordernisse beachten; § 5 Abs. 1 S. 2 EStG). Schließlich ist unter steuersystematischen Gesichtspunkten zu beachten: Korrekturmaßnahmen des § 4 Abs. 2 EStG sind ein Spezifikum des Betriebsvermögensvergleichs. Sie gelten nicht für die § 4 Abs. 3 EStGRechnung.

21 Zum systematischen Ausgangspunkt zweistufiger Gewinnermittlung vgl. m. w. N. Prinz, DStJG 34 (2011), 135, 144–146. 22 So zutreffend FG Köln, Urt. v. 15.6.2011, BB 2011, 2608 mit Anm. Kleinmanns: „Keine Zweckentfremdung von Korrekturvorschriften“. 23 Vgl. etwa OFD Chemnitz, Vfg. v. 29.12.2011, DB 2012, 376.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff 2. Dokumentationserfordernis für subjektive Einschätzungen und Bewertungen als notwendiger Bestandteil kaufmännischer Rechnungslegung Sachverhaltsbeurteilungen mit ihren Unschärfen und Ermessensspielräumen erfordern notwendigerweise subjektiv geprägte Bewertungen durch den Kaufmann. Dies muss im Legalitätsrahmen erfolgen und bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung tragfähig sein. Stets kommt es auf den Sachverhalt zum Stichtag an, wobei wertaufhellende Erkenntnisse bis zum Aufstellungs-/Feststellungszeitpunkt mit zu berücksichtigen sind. In diesem Bereich entfaltet der subjektive Fehlerbegriff im Kern seine kaufmännische Schutzfunktion. Praktisch sollten Vorstand und Geschäftsführung die Bilanzierungsentscheidungen sachgerecht dokumentieren. Weiterhin ist zu beachten, dass hinsichtlich der subjektiven Einschätzungen und Bewertungserfordernisse im Sachverhaltsbereich Abstimmungsnotwendigkeiten mit der Handelsbilanz bestehen. Sachverhaltseinschätzungen für IFRS Zwecke dagegen (etwa hinsichtlich der Nutzungsdauer einzelner Assets) sind für die Steuerbilanz im Allgemeinen unerheblich. Die Teleologie von Steuerbilanz einerseits und IFRSRechnungslegung andererseits lässt durchaus unterschiedliche subjektive Einschätzungen zu. Bei der Frage, ob der Steuerpflichtige von seinem Gestaltungsrecht zur Bilanzkorrektur Gebrauch machen sollte, ist schließlich zu berücksichtigen: Der „zweischneidige Bilanzenzusammenhang“ führt zu einer automatischen Korrektur objektiver Fehleinschätzungen in kurzer Zeit. Vor allem bei signifikanten Rechtssprüngen oder völlig unterschiedlichen Erfolgslagen in den einzelnen Besteuerungsabschnitten könnten durch den Steuerpflichtigen durchgeführte Bilanzkorrekturen Sinn machen. 3. Umgang der Steuerpflichtigen mit kritischen Verwaltungsanweisungen und ansonsten zweifelhafter Rechtslage Im Hinblick auf das noch geltende subjektive Fehlerbegriffsverständnis auch für Rechtsfragen bleibt nach wie vor eine „legale Bandbreitennutzung“ bei zweifelhafter Rechtslage aus Sicht der Steuerpflichtigen geboten. Dabei ist allerdings mit äußerster Sorgfalt die Grenze zur Steuerhinterziehung/Steuerordnungswidrigkeit zu beachten. Eine Dokumentation des Steuerpflichtigen für sachgerechte Bilanzierungsentscheidungen zum Aufstellungszeitpunkt ist hilfreich. Ob man im Verhältnis zu einer verwaltungskonformen oder traditionellen Bilanzierung abweichend vertretende Rechtsauffassungen für steuerbilanzielle Zwecke kennzeichnen sollte, wird letztlich von der Risikobereitschaft des Steuerpflichtigen abhängen. Auf jeden Fall müssen Nachzahlungszinsen für den Fall abweichender Rechtsauffassungen der Betriebsprüfung bei proaktiver Bilanzierung in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Aufgrund der 258

Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff gestaltenden Wirkung eines Urteils ist insoweit von der Durchführung einer (begünstigenden) Bilanzkorrektur auszugehen; der Einreichung einer korrigierten Steuerbilanz bedarf es dabei nicht ausdrücklich. 4. Anpassung der Handelsbilanz mit neuem Feststellungserfordernis und ggf. einer Nachtragsprüfung Nur in Ausnahmefällen ist aufgrund von späteren BP-Feststellungen eine rückwirkende Anpassung der Handelsbilanz erforderlich. Betriebsprüfungsbedingte Bilanzkorrekturen werden vielmehr üblicherweise zur Herstellung der Bilanzidentität (= formelle Bilanzkontinuität, § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) entsprechend dem Maßgeblichkeitsgrundsatz in laufender Rechnung nach Abschluss der BP mittels erfolgswirksamer Anpassungen der Handelsbilanz umgesetzt. Befindet man sich allerdings im Anwendungsbereich der konkreten Maßgeblichkeit für Bewertungseinheiten gem. § 5 Abs. 1a S. 2 EStG, so kann eine Änderung der Handelsbilanz ggf. Sinn machen. Denn nur die in der handelsrechtlichen Rechnungslegung aus der Bewertungseinheit erzielten Ergebnisse können für steuerbilanzielle Zwecke berücksichtigt werden. 5. Rückwirkend bessere Erkenntnisse zur objektiven Rechtslage müssen für nachträgliche Berichtigungen zulässig sein Sofern die Finanzverwaltung bspw. im Rahmen laufender Betriebsprüfungen die Anerkennung günstiger rückwirkender BFH-Rechtsprechung versagt, sollte der Steuerpflichtige auf seine Rechtsdurchsetzung achten. Sofern der Große Senat dem objektiven Fehlerbegriff für Rechtsfragen zum Durchbruch verhilft, werden derartige Rechtsprechungsbegünstigungen rückwirkend umsetzbar sein. Eine „zeitnahe Geltendmachung“ günstiger Rechtsprechung – etwa im Rahmen von Betriebsprüfungen – erscheint ratsam. 6. Geänderte Wahlrechtsausübung als gestaltendes Bilanzänderungsinstrument Der Umfang kompensierender Wahlrechtsausübungen hängt letztlich vom Verständnis des § 5 Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz EStG ab. Die Finanzverwaltung geht im BMF-Schreiben vom 12.3.201024 von einem tendenziell breiten Wahlrechtsbegriff aus. Daran sind Dokumentationserfordernisse gekoppelt. Einer Parallelabbildung in der Handelsbilanz bedarf es nicht. Allerdings kann eine steuerbilanzielle Änderungsmaßnahme Einfluss auf latente Steuerpositionen im handelsbilanziellen Abschluss haben. Schließlich könnte die „vorgeschaltete“ Durchführung einer Bilanzbe24 Vgl. BMF v. 12.3.2010, BStBl. I 2010, 244.

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Prinz, Der subjektive Fehlerbegriff richtigung Sinn machen, um daran anknüpfende Bilanzänderungen „nachschieben“ zu können. In einem solchen Fall sollte der Steuerpflichtige von seinem in § 4 Abs. 2 S. 1 EStG aufgeführten Gestaltungsrecht („darf“) Gebrauch machen.

V. Zum Schluss: Wünsche an den Großen Senatsbeschluss Ein schneller und klarer Beschluss des Großen Senats in „nicht zu ferner Zukunft“ ist wünschenswert. Auch wenn die Zulässigkeit der Grundsatzanrufung nach § 11 Abs. 4 FGO nicht ganz zweifelsfrei ist, sollte der Große Senat die vorgelegte Rechtsfrage ohne Überstrapazierung der formellen Vorlageaspekte entscheiden. Es ist ohnehin schon sehr viel Zeit für die Lösung dieser Grundsatzfrage ins Land gegangen; der BFH selbst ist daran „unschuldig“. Dass der I. Senat seinen Vorlagebeschluss „zurücknimmt“ – in der Vergangenheit ist dies ja zuweilen schon einmal vorgekommen – ist wohl trotz geänderter personeller Zusammensetzung seit der Vorlage nicht zu erwarten. Inhaltlich scheint mir ein „dichotomer“ Fehlerbegriff, der nach Sachund Rechtsfragen differenziert, sinnvoll. Das abgegrenzte Nebeneinander subjektiver und objektiver Erwägungen bei der Tatbestandsauslegung zu verschiedenen Regelungen ist durchaus nicht selten. Man denke an Fragen der steuerlichen Liebhaberei, die Veranlassungsprüfung von Aufwendungen und vermögensbezogene Zuordnungsfragen. Ungewöhnlich wäre ein solcher zweigeteilter Fehlerbegriff nicht, auch wenn die Rechtsanwendung dadurch nicht einfacher wird. Darüber hinaus wäre es schön, wenn der Große Senat den Fehlerbegriff anhand praxisnaher Fallumschreibungen konturieren könnte, damit Sachverhalts- und Rechtsfragen klar unterscheidbar sind.25 Fehlerhafte, umstrittene und zu ändernde Rechtspositionen sind zu trennen; für die daran anknüpfenden Vertrauensschutzaspekte ist dies wichtig. Schließlich bleibt einzufordern: Bei Fortführung des Verfahrens beim I. Senat sollte die materielle Rechtsfrage des aktiven RAP – losgelöst vom Vorlagebeschluss selbst – noch einmal eingehend untersucht werden26. Möglicherweise lässt sich der Rechtsstreit dann doch materiell-rechtlich erledigen. Auf jeden Fall sollte im Streitfall – ganz unabhängig von dem zu Grunde gelegten Fehlerbegriffsverständnis – eine umfassende Vertrauensschutzprüfung erfolgen.

25 Vgl. insoweit auch Schulze-Osterloh, BB 2007, 2335, 2336. 26 Vgl. auch Gosch, BFH/PR 8/2010, 283, der darauf hinweist, dass die „materielle“ Antwort im Vorlagebeschluss nicht endgültig ist.

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E-Bilanz Aktueller Handlungsbedarf Professor Dr. Ursula Ley Köln Inhaltsübersicht

1. E-Bilanz – Ziele der Finanzverwaltung 2. Gesetzliche Regelungen der E-Bilanz a) Betroffene: Die bilanzierenden Steuerpflichtigen b) Umfang der Verpflichtung nach § 5b Abs. 1 EStG c) Härtefallregelung gemäß § 5b Abs. 2 EStG d) Zeitliche Anwendung des § 5b EStG 3. Festlegung des Mindestumfangs der Taxonomie durch das Bundesministerium der Finanzen a) Inhalte der Taxonomie

aa) Stammdaten- oder GCDModul bb) GAAP-Modul b) Grundentscheidung: Steuerbilanz oder Überleitungsrechnung c) Anpassung des Kontenrahmens an die Mussfelder der Taxonomie d) Elemente steuerlicher Gewinnermittlung, speziell bei Personengesellschaften 4. E-Bilanz-Assistent der DATEV 5. Transferticket 6. Fazit

1. E-Bilanz – Ziele der Finanzverwaltung In Ergänzung der Verpflichtung zur elektronischen Abgabe von Steuererklärungen sind ab dem 1.1.2011 für die Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2011 beginnen, außerdem die steuerlichen Gewinnermittlungen in elektronischer Form zu übermitteln. Mit der elektronischen Übermittlung der bilanziellen Gewinnermittlung werden mehrere Ziele verfolgt. Sie dient dem Bürokratieabbau nach dem Motto „Elektronik statt Papier“. Gleichzeitig erfolgt eine Verkennzifferung der bilanziellen Gewinnermittlung, um diese in das elektronische Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung zu überführen, welches bislang die bilanziell ermittelten betrieblichen Einkünfte nicht umfasst. Im Rahmen des Risikomanagements sollen EDV-gestützte Validitätsprüfungen, Verprobungen und mehrjährige Betriebsvergleiche erfolgen, die in einer kennziffernbasierten automatischen Auswahl der prüfungsrelevanten Fälle münden sollen. Darüber hinaus soll die E-Bilanz der Verbesserung des Besteuerungsverfahrens dienen und genauere Evaluationen steuerlicher Regelungen zukünftig ermöglichen. 261

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf Der wesentliche Aspekt ist aber die Überführung in das Risikomanagement. Die Steuerpflichtigen werden geratet. Das Steuer-Rating soll Einfluss auf das Ausmaß und den Umfang von Betriebsprüfungen haben.

2. Gesetzliche Regelungen der E-Bilanz Nach § 5b Abs. 1 EStG sind bilanzierende Steuerpflichtige verpflichtet, den Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Entsprechend der bisher nach § 60 Abs. 2 EStDV bestehenden Möglichkeiten kann der Steuerpflichtige zwischen einer elektronischen Übermittlung der Handelsbilanz und einer handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung einer Überleitungsrechnung zum steuerlichen Gewinn einerseits und der Steuerbilanz andererseits wählen. a) Betroffene: Die bilanzierenden Steuerpflichtigen Alle Steuerpflichtigen, die ihren steuerlichen Gewinn bilanziell ermitteln, sind zur Abgabe der E-Bilanz in elektronischer Form verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt größenunabhängig, d. h. auch für Großbetriebe im Sinne der BpO, obgleich diese anschlussgeprüft werden und eine Absetzung dieser Großbetriebe vom Prüfungsplan im Fall eines positiven Steuer-Ratings nicht zu erwarten sein dürfte. Die Notwendigkeit des Einbezugs der Großunternehmen wird unter Hinweis auf Art. 3 GG mit der notwendigen Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen begründet. Dies vermag aber nicht unbedingt zu überzeugen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet nämlich nur, Gleiches auch gleich zu behandeln. Da Großbetriebe im Vergleich zu Mittel-, Klein- und Kleinstbetrieben aber anschlussgeprüft werden, gibt es sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.1 Sie betrifft auch alle Rechtsformen, also alle für steuerliche Zwecke bilanzierenden Einzelpersonen, Personengesellschaften und Körperschaften. Maßgebend ist aber die steuerliche und nicht die handelsrechtliche Bilanzierungspflicht, was für Personengesellschaften und bestimmte Körperschaften von Bedeutung ist. So sind vermögensverwaltende Personengesellschaften nicht zur Abgabe der E-Bilanz verpflichtet, da sie in der Regel nur für handelsrechtliche Zwecke bilanzieren. Ihre Einkünfte ermitteln sie aufgrund ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG durch Gegenüberstellung der Einnahmen und 1 So Jonas, Ubg 2010, 601.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf der Werbungskosten. Dies gilt selbst für den Fall, dass es sich bei diesen Personengesellschaften um sogenannte Zebragesellschaften handelt, an denen ein oder mehrere Gesellschafter beteiligt sind, die ihre Beteiligung in einem Betriebsvermögen halten. Denn auch in dieser Situation erwirtschaftet die vermögensverwaltende Personengesellschaft steuerlich weiterhin Überschusseinkünfte, die nicht bilanziell ermittelt werden. Die Verpflichtung zur Abgabe der E-Bilanz betrifft in diesen Fällen nur die betrieblich beteiligten Gesellschafter, die ihren steuerlichen Gewinn bilanziell ermitteln. Bei den Körperschaften ergeben sich Besonderheiten, soweit es sich um steuerbegünstigte Körperschaften oder juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt. Steuerbegünstigte Körperschaften, die nach handelsrechtlichen Bestimmungen eine Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtend aufzustellen haben oder dies freiwillig tun, müssen nach dem BMF eine E-Bilanz einreichen, wenn sie einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten.2 Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sollen eine E-Bilanz für ihre Betriebe gewerblicher Art nur zu übermitteln haben, wenn sie eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen haben.3 Meines Erachtens bestehen Bedenken gegen diese Sichtweise des BMF. Denn sowohl die gemeinnützigen Körperschaften als auch die Körperschaften des öffentlichen Rechts unterliegen mit Ausnahme der gemeinnützigen GmbH keiner gesetzlichen Pflicht zur Bilanzierung außerhalb der Steuergesetze. Denn für sie ist weder das HGB noch das PublG einschlägig. Soweit die Körperschaft aufgrund einer satzungsmäßigen Bilanzierungspflicht freiwillig für die gesamte Körperschaft bilanziert, begründet dies m. E. keine steuerliche Bilanzierungspflicht des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs oder des Betriebs gewerblicher Art, da nicht für diesen freiwillig bilanziert wird. Sie können nur der größenabhängigen Bilanzierungspflicht nach § 141 AO für steuerliche Zwecke unterliegen, soweit sie gewerbliche oder land- und forstwirtschaftliche Unternehmen unterhalten. Diese größenabhängigen Kriterien gelten dann allerdings nur für die steuerpflichtigen Bereiche, d. h. für die steuerpflichtigen, wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe bzw. für die Betriebe gewerblicher Art. Aus einer Bilanzierung dieser Körperschaften folgt daher nur dann die Verpflichtung zur Einreichung der E-Bilanz, wenn die handelsrechtliche Bilanzierungsverpflichtung sich aus dem Gesetz ergibt oder eine originäre steuerliche Bilanzierungspflicht nach § 141 AO besteht.

2 Siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855, Tz 5. 3 Siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855, Tz 6.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf b) Umfang der Verpflichtung nach § 5b Abs. 1 EStG Nach § 5b Abs. 1 EStG hat der nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG seinen Gewinn ermittelnde Steuerpflichtige seine Handelsbilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung nebst Überleitungsrechnung oder seine Steuerbilanz einzureichen. Darüber hinaus ist auch die Eröffnungsbilanz einzureichen. Bei den genannten Bilanzen handelt es sich um Jahresbilanzen und, soweit die Eröffnungsbilanzen angesprochen ist, um besondere Bilanzen.4 Nach dem BMF sollen als E-Bilanz auch die neben den Jahresbilanzen für besondere Anlässe erstellte Bilanzen einzureichen sein, nämlich die anlässlich einer Betriebsveräußerung, Betriebsaufgabe, Änderung der Gewinnermittlungsart oder in Umwandlungsfällen aufzustellende Bilanz.5 Darüber hinaus sollen auch Zwischenbilanzen, die auf den Zeitpunkt eines Gesellschafterwechsels aufgestellt werden, als Sonderformen einer Schlussbilanz ebenso wie Liquidationsbilanz nach § 11 KStG durch Datenfernübertragung zu übermitteln sein.6 Dies wird in der Literatur zu Recht stark kritisiert.7 Soweit der Einbezug dieser Bilanzen überhaupt begründet wird, erfolgt ein Verweis auf §§ 90 ff. AO.8 Danach ist der Steuerpflichtige zur Mitwirkung bei der Ermittlung des steuerlichen Sachverhaltes verpflichtet. Meines Erachtens lässt sich mit dieser Vorschrift der Einbezug der Bilanzen für besondere Vorgänge in den Kreis der elektronisch zu übermittelnden Bilanzen nicht begründen. Denn § 5b EStG sowie § 60 EStDV regeln, welche Unterlagen der Gewinnermittlung in welcher Form beim Finanzamt einzureichen sind. Sie gehen als spezielle Mitwirkungsvorschriften den allgemeinen Regelungen zur Mitwirkung vor. Aus diesen spezielleren Vorschriften folgt die Verpflichtung für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung, die Jahresbilanzen sowie die Eröffnungsbilanzen beim Finanzamt einzureichen. Das Verlangen der Finanzverwaltung auch diese aperiodischen Bilanzen als E-Bilanz einzureichen, bereitet in der Praxis auch deshalb große Probleme, weil diese Bilanzen regelmäßig nicht aus der Buchhaltung generiert werden können. Sie werden vielmehr anlassbezogen händisch erstellt und den jeweiligen Steuererklärungen beigefügt. Dies hätte nach

4 Zur Abgrenzung siehe Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., 2010, 746. 5 Siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855, Tz 1, sowie UmwStG-Erlass Entwurf v. 9.9.2011, Rn. 1 zu § 3, wonach z. B. die Übertragungsbilanz gemäß § 3 UmwStG nicht identisch mit der Jahresbilanz nach § 4 Abs. 1 EStG ist. 6 Siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855, Tz 1. 7 Siehe z. B. Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, DB 2011, 1651/1656; Richter/ Kruczynski/Kurz, BB 2011, 1963; Heinsen/Adrian, DStR 2011, 1438. A. A. Schumann/Arnold, DStZ 2011, 226 (allerdings ohne Begründung). 8 Z. B. Schumann/Arnold, DStZ 2011, 226 ohne Begründung.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf dem derzeitigen Stand zur Folge, dass auch die E-Bilanz von den Steuerpflichtigen bzw. deren Beratern händisch auszufüllen wäre. c) Härtefallregelung gemäß § 5b Abs. 2 EStG Zur Vermeidung unbilliger Härten (sachlich oder persönlich) kann die Finanzbehörde auf Antrag auf eine elektronische Übermittlung der Bilanzen verzichten. Dieser Antrag ist an keine Form und Frist geknüpft. Dem Antrag ist zu entsprechen, wenn die Einreichung der Bilanz in elektronischer Form wirtschaftlich unzumutbar ist, weil die Schaffung der technischen Übermittlungsmöglichkeiten nur mit einem erheblichen finanziellen Aufwand möglich ist, oder wenn sie persönlich unzumutbar ist, weil der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Abgesehen von der Anfangszeit dürfte die Härtefallregelungen in der Praxis wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen. d) Zeitliche Anwendung des § 5b EStG Zunächst war nach § 52 Abs. 15a EStG vorgesehen, dass § 5b EStG in der Fassung des Steuerbürokratieabbaugesetztes erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2010 beginnen. Mit der Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung ist die Anwendung Ende 2010 um ein Jahr verschoben worden. Danach sind die Bilanzen und die Gewinn- und Verlustrechnung erstmals für die Wirtschaftsjahre elektronisch zu übermitteln, die nach dem 31.12.2011 beginnen. Dies bedeutet, dass in der Buchhaltung bereits ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres 2012 bzw. 2012/13 die Voraussetzungen geschaffen sein müssen, um den Anforderungen der Taxonomie entsprechen zu können. Damit dann für das Wirtschaftsjahr 2012 bzw. für das abweichende Wirtschaftsjahr 2012/2013 die E-Bilanz ab 2013 bzw. nach dem Ende des Wirtschaftsjahres 2012/13 für das abgelaufene Wirtschaftsjahr eingereicht werden kann. Allerdings bringt das neue BMF-Schreiben zur E-Bilanz Erleichterungen. So enthält das Schreiben für alle bilanzierenden Steuerpflichtigen eine Nichtbeanstandungsregelung für 2012. Danach wird es im ersten Jahr von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für dieses Jahr noch nicht gemäß § 5b EStG nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt wird. Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen sind in diesen Fällen entsprechend der bisherigen Gliederung und in Papierform abzugeben.9 9 Siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855, Tz 27.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf Für bestimmte Unternehmen oder Teile eines Unternehmens besteht darüber hinaus eine Übergangsregelung bis 2014. Danach sind ausländische Betriebsstätten inländischer Unternehmen sowie inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen10, steuerbegünstigte Körperschaften mit ihren steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen, verpflichtet, die E-Bilanz unter Berücksichtigung der Strukturvorgaben mittels Datenfernübertragung zu übermitteln. In der Übergangszeit sind die Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen wie bisher gegliedert und in Papierform abzugeben. Bei einem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr wäre erstmals in 2016 für 2015 eine E-Bilanz für die genannten Betriebsstätten, die steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe sowie die Betriebe gewerblicher Art einzureichen.

3. Festlegung des Mindestumfangs der Taxonomie durch das Bundesministerium der Finanzen Nach § 5b EStG hat die elektronische Übermittlung des Inhalts der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz zu erfolgen. § 51 Abs. 4 EStG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder den Mindestumfang der nach § 5b EStG elektronisch zu übermittelnden Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zu bestimmen. Dies ist zunächst mit Entwurf eines BMF-Schreibens vom 31.8.201011 geschehen, der dann nahezu unverändert für Zwecke der Pilotierung galt12. Mittlerweile liegt mit Datum vom 28.9.2011 ein überarbeitetes BMF-Schreiben vor.13 In dieses Schreiben sind die Erkenntnisse der Pilotierungsphase eingeflossen, die auf der Basis des ersten Entwurfs eines BMF-Schreibens vom 31.8.2010 in der Zeit bis zum 30.6.2011 gesammelt wurden14.

10 Zur Reichweite siehe Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, DB 2011, 1651/1652, nicht für die gesamten Unternehmen, sondern nur für deren Betriebsstätten gelten die Erleichterungen. 11 Siehe Entwurf des BMF-Schreibens v. 31.8.2010 – IV C 6 – S 2133 – b/10/10001, DB 0364110. 12 Siehe BMF, Schr. v. 16.12.2010, BStBl I 2010, 1500, zur Bekanntgabe Taxonomie für Zwecke der Pilotierung. 13 Siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855. 14 Näheres zur Pilotierung Hülshoff, StbJb. 2011/2012, S. 283 nachfolgend.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf a) Inhalte der Taxonomie Das BMF-Schreiben zur Taxonomie besteht neben einem Textteil aus visualisierten Darstellungen der Taxonomie, die in verschiedenen Modulen niedergelegt ist15: – Stammdaten-Model (GCD-Modul) – Jahresabschluss-Modul (GAAP-Modul) – Rechtsformspezifische (GAAP-Module) – Branchenspezifische (GAAP-Module) Die für die Praxis besonders relevanten GAAP-Module weisen eine sehr starke Untergliederung der heute auch für steuerliche Zwecke maßgeblichen Bilanzgliederung nach § 266 HGB sowie der GuV-Gliederung nach § 275 HGB aus, was bereits der Seitenumfang dieser Module von 300 Seiten eindrucksvoll belegt. Ganz allgemein lässt bereits der Umfang zahlreiche Verpflichtungen der Steuerpflichtigen erahnen. Allerdings reduziert sich dieser Umfang bereits dann erheblich, wenn sich der Leser auf die sogenannten Mussfelder konzentriert. Das Stammdaten- oder GCD-Modul hat folgende Struktur: – Dokumenteninformationen – Informationen zum Bericht – Informationen zum Unternehmen Das Jahresabschluss- oder GAAP-Modul, welches für Unternehmen aller Rechtsformen und Größenordnungen gilt, hat nachfolgende Struktur, bei der die Muss-Elemente fett und die Wahl-Elemente normal geschrieben sind: – Bilanz (Ausgangsbasis HGB) – Haftungsverhältnisse – Gewinn- und Verlustrechnung (Ausgang HGB); Gesamt- und Umsatzkostenverfahren – Ergebnisverwendungsrechnung – Kapitalkontenentwicklung für Personengesellschaften (ab 2015) – Steuerliche Gewinnermittlung (für EU/PersG) – Eigenkapitalspiegel – Kapitalflussrechnung – Anhang (Anlagespiegel, Textfelder) – Steuerliche Modifikationen (insbes. Umgliederungsrechnung) 15 Siehe hierzu unter www.esteuer.de.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf – Lagebricht – Bericht des Aufsichtsrats, Beschlüsse und dazugehörige Erklärungen Das GAAP-Modul hat den Nachteil, dass es unübersichtlich ist, weil in diesem alle auszufüllenden Felder ungeachtet der Rechtsform enthalten sind. Dies steigert den Umfang erheblich und beeinträchtigt die praktische Handhabung, da die in diesem Modul niedergelegten Mussfelder teilweise nur für Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften gelten. Dies ist auch der Grund weshalb neben dem verbindlichen umfassenden GAAP-Modul noch unverbindliche rechtsformspezifische Module für Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften dem BMF-Schreiben vom 31.8.2010 beigefügt waren, die nur die rechtsformspezifischen Inhalte insbesondere der Bilanzund GuV enthalten. Branchenspezifische GAAP-Module liegen mittlerweile als Spezial- oder Ergänzungstaxonomien vor.16 Sie betreffen folgende Branchen: – Banken und Versicherungen – Wohnungsunternehmen – Verkehrsunternehmen – Land- und Forstwirtschaft – Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen – Kommunale Eigenbetriebe aa) Stammdaten- oder GCD-Modul17 Das Stammdatenmodul dürfte in der praktischen Handhabung mit Ausnahme des Erstjahres nicht besonders aufwändig sein. Auch hier gilt zunächst der allgemeine Hinweis, dass eine Konzentration auf die Mussfelder den Umfang erheblich reduziert. Alsdann sind in diesem Modul zwar noch zahlreiche Daten niederzulegen (Mussfelder zu befüllen), dies ist aber im Wesentlichen ein einmaliger Aufwand des Erstjahres. In den Folgejahren dürfte sich die Erfassung auf die geänderten Daten beschränken. Verständnisprobleme erschweren allerdings den Prozess. bb) GAAP-Modul Wesentlich aufwändiger in der Bearbeitung ist das GAAP-Modul. Beim GAAP-Modul sind meines Erachtens zwei Bereiche zu unterscheiden, die die praktische Arbeit beeinflussen. Der erste Teil des GAAP-Moduls 16 Siehe www.esteuern.de. 17 Siehe Anlage 1.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf betrifft die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Ergebnisverwendungsrechnung. Hierbei handelt es sich klassischerweise um Teile der Buchhaltung. Der zweite Teil umfasst die Kapitalkontenentwicklung für Personengesellschaften, die allerdings erst ab 2015 relevant wird18, sowie diverse Elemente der steuerlichen Gewinnermittlung. Bei diesem Teil der Taxonomie ist zwischen Einzelunternehmen, Personenund Kapitalgesellschaften zu differenzieren, da sich die steuerliche Gewinnermittlung rechtsformabhängig unterscheidet. Während Kapitalgesellschaften keine weiteren Angaben zu machen haben, da sich diese unmittelbar aus dem Körperschaftsteuererklärungsformular ableiten lassen, werden für Einzelunternehmen und Personengesellschaften mehr oder minder umfangreiche zusätzliche Angaben erforderlich. Letztere haben darüber hinaus noch weitere steuerliche Modifikationen vorzunehmen, z. B. in Form einer Brutto- und Nettodarstellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die steuerliche Gewinnermittlung betrifft im Wesentlichen den nach der Bilanzierung ansetzenden außerbilanziellen Teil der Gewinnermittlung und beinhaltet in weiten Teilen Datenmaterial, welches auch für die Steuerdeklaration von Bedeutung ist. Es dürfte sich daher empfehlen, diesen Teil der E-Bilanz und die Deklaration parallel zu bearbeiten, um Unabgestimmtheiten zu vermeiden. Die Kapitalkontenentwicklung bei Personengesellschaften, die hier dem außerbilanziellen Bereich zugeordnet wurde, liegt dabei sicherlich auf der Grenze zwischen der Buchhaltung einerseits und der steuerlichen Gewinnermittlung andererseits, so dass dieses Element der Taxonomie auch der Buchhaltung zuzuordnen ist. Die Grundlagen für beide Teile des GAAP-Moduls, Buchhaltung und steuerliche Gewinnermittlung, sind soweit möglich in der Finanzbuchhaltung zu legen, um die im Vergleich zur Gliederung nach dem HGB sehr stark nach steuerlichen Gesichtspunkten untergliederten Positionen der Bilanz und der GuV überhaupt befüllen zu können.19 In diesem Zusammenhang sind aus praktischer Sicht zwei grundlegende Dinge zu veranlassen: Zum einen muss entschieden werden, ob in der E-Bilanz eine Handelsbilanz und eine handelsrechtliche GuV nebst Überleitungsrechnung zu erfassen ist oder eine Steuerbilanz, die dann nach den Vorstellung des BMF auch eine steuerliche GuV umfasst. Darüber hinaus ist der Kontenplan zu erweitern, um die zur Befüllung der Mussfelder erforderlichen Detailinformationen aus der Buchhaltung generieren zu können. 18 Siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855, Tz 20. 19 Zum Vergleich der Taxonomie mit der Gliederung nach HGB siehe Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, DB 2010, Beilage Nr. 5, 9 f.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf Wie erwähnt, kann der Teil der Bilanz und der GuV des GAAP-Moduls unterschiedlich gestaltet werden. Dieser kann die handels- oder die steuerbilanziellen Zahlen umfassen. Im ersten Fall umfasst dann der zweite Teil des Moduls, nämlich die steuerliche Gewinnermittlung, noch eine Überleitungsrechnung. Alternativ kann dieser Teil aber auch die steuerbilanziellen Daten umfassen. Dann entfällt die Überleitungsrechnung. Das BMF verlangt aber in beiden Fällen eine Gewinn- und Verlustrechnung, nämlich entweder eine handelsrechtliche oder eine steuerrechtliche. Rechtlich und praktisch ist hierzu Folgendes anzumerken: Die Verpflichtung zur Einreichung einer handelsrechtlichen Gewinnund Verlustrechnung ergibt sich bei Einreichung der Gewinnermittlung in Papierform aus § 60 Abs. 1 S. 2 EStDV, wonach in Fällen einer doppelten Buchführung auch die Gewinn- und Verlustrechnung der Steuererklärung beizufügen ist. Bei Einreichung in elektronischer Form ergibt sich die Verpflichtung aus § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG, da diese dort explizit erwähnt ist. Es besteht aber keine Verpflichtung eine steuerliche Gewinn- und Verlustrechnung einzureichen. Zwar eröffnen sowohl § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV als auch § 5b Abs. 1 Satz 3 EStG die Möglichkeit auch eine Steuerbilanz einzureichen, wenn die Handelsbilanz Ansätze oder Beträge enthält, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen. Eine steuerliche Gewinn- und Verlustrechnung ist dort nicht erwähnt. Dies bedeutet, dass zusätzlich zur Handelsbilanz und zur handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung eine Steuerbilanz beigefügt werden kann.20 b) Grundentscheidung: Steuerbilanz oder Überleitungsrechnung Ungeachtet der fehlenden Rechtsgrundlage besteht nach der Taxonomie nur die Wahl, die Werte einer Steuerbilanz und einer steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung (nachfolgend gebuchte Steuerbilanz genannt) oder einer Handelsbilanz einschließlich handelsrechtlicher Gewinn- und Verlustrechnung mit Überleitungsrechnung zu übernehmen. Hierbei handelt es sich aus praktischer Sicht um ein bedeutsames Wahlrecht, welches vom Steuerpflichtigen auszuüben ist. Gebuchte Steuerbilanzen sind in der Praxis bisher unüblich. Entscheidet sich der Steuerpflichtige für eine gebuchte Steuerbilanz, so handelt es sich bei der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung des GAAP-Moduls um eine Steuerbilanz und um eine steuerliche Gewinn- und Verlustrechnung.

20 Ebenso Herzig/Briesemeister/Schäperklaus, DB 2011, 1651/1655; Heinsen/ Adrian, DStR 2011, 1438/1439; Graf Kerssenbrock/Kirch, Stbg 2011, 258/259.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf M. E. ist zu erwarten, dass sich die Praxis, wenn überhaupt, nur in wenigen Fällen für eine gebuchte Steuerbilanz entscheiden wird. Zum einen setzt sie ein Zwei-Kreis-Buchhaltungssystem voraus, das bisher nur von wenigen Software-Anbietern bereitgestellt wird. Gewichtiger sind aber die hohen Anforderungen, die eine gebuchte Steuerbilanz an den Buchhalter stellt. Bei jedem Buchungssatz ist nämlich danach zu differenzieren, ob dieser handelsrechtlich und steuerlich, nur handelsrechtlich oder nur steuerrechtlich vorzunehmen ist. Auch wenn zahlreiche abweichende Buchungen erst im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten erledigt werden können, ist nach meinen Erfahrungen von einer hohen Fehleranfälligkeit einer Zwei-Kreis-Buchhaltung auszugehen. Auch das Anforderungsprofil der Buchhaltungsmitarbeiter wäre ein anderes. Es bedarf in diesen Fällen steuerorientierter Buchhaltungsmitarbeiter. Diese sind in Steuerberatungspraxen vorhanden, im Mittelstand handelt es sich in der Regel um (Handels-)Bilanzbuchhalter und in Großunternehmen sind in der Regel zwei verschiedene Abteilungen mit der jeweiligen Fachkompetenz anzutreffen, nämlich die Rechnungswesen- und die Steuerabteilungen. In der Pilotphase konnte nur die gebuchte Steuerbilanz getestet werden. Als Alternative zur gebuchten Steuerbilanz steht die strukturierte Überleitungsrechnung zur Verfügung. In der Taxonomie ist sie Teil der steuerlichen Gewinnermittlung und steht damit außerhalb der dann im GAAPModul aufzunehmenden Handelsbilanz und handelsrechtlichen Gewinnund Verlustrechnung. Sie unterliegt den strukturellen Vorgaben der Taxonomie. Danach sind pro betroffener Bilanz- und/oder Gewinn- und Verlustposition die Art der Überleitung, nämlich Umgliederung oder Änderung der Wertansätze oder Zusammentreffen beider Fälle, sowie die Werte der überzuleitenden Positionen anzugeben. Bei geänderten Wertansätzen dürfte wohl die sogenannte Deltamethode zur Anwendung kommen. Bezogen auf die einzelnen Bilanzpositionen sind danach die Wertänderungen des aktuellen Wirtschaftsjahres sowie die (kumulierten) Wertänderungen der Vorjahre anzugeben. Bei Wertänderungen von GuVPosition dürften die geänderten Werte des aktuellen Wirtschaftsjahres und des Vorjahres anzugeben sein. Eine steuerliche Abweichung vom handelsrechtlichen Ansatz erfordert danach mehrere Angaben. Nach meiner Einschätzung dürfte in der Praxis in zahlreichen Fällen die Überleitungsrechnung Anwendung finden. Bei Existenz mehrerer Abweichungen dürfte wohl auf die bereits heute in der Praxis übliche Gegenüberstellung von Handels- und Steuerbilanzen zwecks Ermittlung des steuerbilanziellen Gewinns zurückgegriffen werden, um auf deren Grundlage dann die Überleitungsrechnung der Taxonomie zu bestücken.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf c) Anpassung des Kontenrahmens an die Mussfelder der Taxonomie Der bilanzielle Teil des GAAP-Moduls enthält eine weit über das handelsrechtliche Gliederungsschema der §§ 266, 275 HGB hinausgehende Anzahl an Mussfeldern und damit eine stärkere Untergliederung der Bilanz und der GuV, bei der sich das BMF wiederum außerhalb der gesetzlichen Ermächtigung bewegen könnte. Zum einen weicht das BMF hiermit von den handelsrechtlichen Gliederungsschemata ab, die aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz verbindlich sein könnte21. Zum anderen werden verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht22. Beispielhaft soll dies an der Bilanzposition Grundstücke erläutert werden. Im Bilanzgliederungsschema werden Grundstücke ausgewiesen unter Grundstücke, Grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken. Im Rahmen der Taxonomie sind noch folgende Untergliederungen vorgesehen23: – unbebaute Grundstücke – grundstücksgleiche Rechte ohne Bauten – Bauten auf eigenem Grundstück und grundstücksgleichen Rechten – Bauten auf eigenen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten davon Grund und Boden-Anteil – Bauten auf fremden Grundstücken – übrige Grundstücke, nicht zuordenbar Die Bedeutung der Untergliederung ist unterschiedlich. Bei den einzelnen Positionen der Untergliederungen ist zwischen rechnerisch verknüpft, Mussfeld, Mussfeld Kontennachweis erwünscht, Summenmussfeld und rechnerisch notwendig, falls vorhanden, zu unterscheiden.24 Darüber hinaus gibt es sogenannte Auffangpositionen, die beispielsweise durch die Formulierung „nicht zuordenbar“ gekennzeichnet sind, hier übrige Grundstücke, nicht zuordenbar. Für die Praxis entscheidend sind die Mussfelder sowie die Auffangpositionen und ggf. die Oberpositionen (Summenmussfelder). Zwar haben auch die Spalten rechnerisch verknüpft, Mussfeld mit Kontennachweis erwünscht, Summenmussfeld und rechnerisch notwendig, falls vorhanden, Mussfeldcharakter. Aller21 Zu diesem Kritikpunkt siehe Heisen/Adrian, DStR 2011, 1438; Herzig/Briesemeister/Schäperklaus, DB 2010, Beilage Nr. 5, 9 ff.; Fischer/Kalina-Kerschbaum, DStR 2010, 2116. 22 Siehe zu verfassungsrechtlichen Bedenken Goldshteyn/Purer, StBp 2011, 185, die den Mindestumfang für verfassungswidrig halten. 23 Siehe hierzu Anlage 2. 24 Zu den Erläuterungen siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855; sowie nachfolgend Hülshoff, StbJb. 2011/2012, S. 283.

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Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf dings dürfte ihre materielle Bedeutung gering sein, weil sie in aller Regel EDV-technisch eingesteuert werden, sodass sich hieraus kaum praktische Belastungen ergeben. Die Übermittlung sämtlicher Mussfelder an die Finanzverwaltung im Rahmen der E-Bilanz ist zwingend. Es wird elektronisch geprüft, ob formal alle Mussfelder in den übermittelten Datensätzen enthalten sind. Sofern sich ein Mussfeld nicht mit Werten füllen lässt, ist die entsprechende Position leer (technisch: NIL-Wert) zu übermitteln. Ein NIL-Wert ist nicht zulässig, wenn tatsächlich ein Geschäftsvorfall realisiert wurde, der unter eine Taxonomie subsumiert werden müsste, und lediglich die in den Buchungskonten vorhandenen Kontenbezeichnungen von der als Mussfeld bezeichneten Position abweicht. Dies bedeutet bezogen auf die erwähnte Bilanzposition Grundstücke, dass in den Fällen, in denen keine Grundstücke oder nur einzelne Grundstückarten vorhanden sind, die nicht vorhandenen Grundstücksmussfelder mit einem NIL-Wert zu übermitteln sind. Wird das Konto unbebaute Grundstücke in der Buchhaltung allerdings als Grundstücke ohne Bauten bezeichnet, ist dieses unter unbebaute Grundstücke in der Taxonomie auszuweisen und zu übermitteln. Auffangposition sind eingeführt worden, um Eingriffe in das Buchungsverhalten zu vermeiden, aber dennoch einen möglichst hohen Grad an Standardisierung zu erreichen. Ein Steuerpflichtiger, der eine durch Mussfelder vorgegebene Differenzierung nicht aus seiner Buchhaltung ableiten kann, muss seine Buchhaltung nicht an die Taxonomie anpassen. Er kann stattdessen die Auffangpositionen nutzen, soweit diese für den konkreten Sachverhalt vorgesehen sind25. Auch die Übermittlung einer Oberposition könnte in Betracht kommen.26 Das Mussfeld ist in einem solchen Fall mit einem NIL-Wert zu übermitteln. Wenn eine in der Taxonomie vorgegebene Differenzierung als Mussfeld in der Buchhaltung abgebildet wird, besteht kein Wahlrecht zwischen der Nutzung der Auffangposition einerseits und dem Ausweis des Sachverhalts als Mussfeld oder als Mussfeld, Kontennachweis erwünscht, andererseits27. In diesem Fall ist der Ausweis als Mussfeld zwingend. Bebaute Grundstücke könnten danach in der Auffangposition „übrige Grundstücke, nicht zuordenbar“ ausgewiesen werden, wenn eine Tren25 Nach der Pilotierungsphase sind die Auffangpositionen auf Wunsch der Praxis ausgedehnt worden, siehe BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855 und im Vergleich dazu BMF, Schr. v. 16.12.2010, BStBl. I 2010, 1500, zur Bekanntgabe Taxonomie für Zwecke der Pilotierung 26 Siehe www.esteuer.de, Abschnitt 2.1, Weitere Informationen, FAQ, S. 8. 27 Siehe hierzu die Ausführungen im BMF, Schr. v. 28.9.2011, BStBl. I 2011, 855, Tz 16, 19.

273

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf nung zwischen unbebauten Grundstücken und Bauten auf eigenen Grundstück nicht möglich wäre. Eine Aufteilung vorhandener bebauter Grundstücke in Grund und Boden sowie Gebäude, um die entsprechenden Positionen der Taxonomie befüllen zu können, wäre danach nicht erforderlich. Die Anpassung an die Erfordernisse der Taxonomie erfordert daher eine Ausdehnung des Kontenrahmens um die Positionen, die als Mussfelder in der E-Bilanz zu befüllen sind. Die mit einem NIL-Wert zu übertragenden Mussfelder werden in der Regel wohl automatisch in die E-Bilanz eingesteuert. Des Weiteren ist der Kontenrahmen um die erforderlichen Auffangpositionen zu erweitern. Dies setzt eine Kontenmapping voraus, bei dem die vorhandenen Konten der Finanzbuchhaltung mit den nach der Taxonomie erforderlichen Konten verglichen werden und die zu ergänzenden Konten ermittelt werden. Bei Verwendung standardisierter Kontenrahmen werden die zusätzlichen Konten vorgegeben, bei individuellen Kontenrahmen ergeben sich diese aus dem Abgleich der Konten des bisher verwendeten Kontenrahmens mit den Mussfelder gemäß Taxonomie. d) Elemente steuerlicher Gewinnermittlung, speziell bei Personengesellschaften Im Anschluss an die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und ggf. der Ergebnisverwendungsrechnung umfasst die Taxonomie weitere Mussfelder außerhalb der Finanzbuchhaltung, die rechtsformabhängig mehr oder minder zahlreich sind. Besonders umfangreich sind sie bei Personengesellschaften, die in der E-Bilanz noch folgende Elemente abzubilden haben: – Kapitalkontenentwicklung pro Gesellschafter (ab 2015) – Sonder-/Ergänzungsbilanzen – Übergangs-/Übergangsverlust (bei Übergang zur Bilanzierung) – steuerlicher Gewinn/Verlust nach der Nettomethode – Jahresüberschuss – Abrechnungen, insb. steuerfreie Erträge – Hinzurechnungen, insb. nichtabziehbare Aufwendungen – steuerlicher Gewinn/Verlust nach der Bruttomethode – steuerlicher Gewinn/Verlust (Netto; Ergebnis vorangehend) – Korrekturen nach dem Teileinkünfte- und Freistellungsverfahren – Hinzurechnungen bei Personengesellschaften – Abrechnungen bei Personengesellschaften 274

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf Mit Ausnahme gewisser Hinzu- und Abrechnungen bestanden keine Möglichkeiten diese steuerlichen Besonderheiten der E-Bilanz für Personengesellschaften im Rahmen der Pilotphase zu testen, was in Anbetracht der in diesem Zusammenhang zu erwartenden Fragen misslich ist. Bei den hier zur Befüllung anstehenden Mussfeldern handelt es sich um Angaben, die ebenfalls aus der Buchhaltung abzuleiten und bereits heute für die Steuererklärung erforderlich sind. Zukünftig sind diese Angaben nicht nur in den Steuererklärungen zu machen, sondern darüber hinaus auch in der E-Bilanz. Ob und inwieweit die Buchhaltung auch an diese Mussfelder angepasst werden sollte, dürfte bereits in der Vergangenheit Thema gewesen sein und sollte nun anlässlich der E-Bilanz erneut geprüft werden. Dass die Zahlenangaben in der E-Bilanz und in der Steuererklärung deckungsgleich sein müssen, versteht sich von selbst und dürfte in der Praxis dazu führen, dass die E-Bilanz und die Steuererklärungen parallel erstellt werden. Besondere Abstimmungserfordernisse ergeben sich, wenn der Mandant die E-Bilanz und der Berater die Steuererklärungen erstellt.

4. E-Bilanz-Assistent der DATEV In der Pilotphase bot insbesondere die DATEV einen E-Bilanz-Assistenten an, der eine Übermittlung der Daten an die Finanzverwaltung ermöglichte. Dieser E-Bilanz-Assistent war komfortabel. Er wurde bei Verwendung der DATEV-Finanzbuchhaltung automatisch befüllt. Bei Verwendung fremder Finanzbuchhaltungen ist die Befüllung über ein Einlesen der Summen- und Saldenliste in das Kanzleirechungswesen unter DATEV Pro möglich. Bei Übermittlung der Buchhaltungen im XBRL-Format dürften diese unmittelbar eingelesen werden können. In das Zahlenwerk des E-Bilanz-Assistenten konnte jederzeit manuell eingegriffen werden, so dass auch Anpassungen der Zahlen der Finanzbuchhaltung an die Erfordernisse der E-Bilanz jederzeit möglich waren. Allerdings waren bestimmte Oberpositionen gesperrt, die für Zwecke einer erfolgreichen Übermittlung der E-Bilanz aufgelöst werden mussten. Dies könnte allerdings zukünftig entfallen, da auch Oberpositionen übermittelt werden dürfen.28 Die visualisierte Fassung des E-Bilanzassistenten der DATEV hatte beispielsweise im Bereich der Umsatzerlöse in einem Pilotfall folgendes Aussehen:

28 Siehe vorangehend Fn. 26.

275

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf Gewinn- und Verlustrechnung Jahresüberschuss/-fehlbetrag

EURO 01.01.2011–31.12.2011 3.214.236,92

Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit

3.870.536,10

Betriebsergebnis (GKV)

3.425.892,58

Rohergebnis (GKV)

29.202.788,97

Gesamtleistung (GKV)

26.195.531,05

Umsatzerlöse (GKV)

26.195.531,05

in Umsatzerlöse (GKV) enthaltener Bruttowert

26.195.531,05

Erlöse aus Leistungen nach § 13b UStG



Sonstige Umsatzerlöse, nicht steuerbar



steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 1a UStG (Ausfuhr Drittland)



steuerfreie EG-Lieferungen § 4 Nr. 1b UStG (innergemeinschaftliche Lieferungen)



steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 ff UStG



steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 2–7 UStG sonstige umsatzsteuerfreie Umsätze



Umsatzerlöse ermäßigter Steuersatz



Umsatzerlöse Regelsteuersatz



Umsatzerlöse nach § 25 und § 25a UStG



Umsatzerlöse sonstige Umsatzsteuersätze



Umsatzerlöse ohne Zuordnung nach Umsatzsteuertatbeständen

26.195.531,05

4000 Umsatzerlöse

26.195.531,05

Die Untergliederung der Umsatzerlöse entspricht den Vorgaben der Taxonomie. Auch die nicht befüllten Mussfelder werden ausgewiesen. Der Querstrich steht für den NIL-Wert. Gut erkennbar ist in diesem Beispielsfall die Funktion der Auffangposition, die mangels buchhalterischer Untergliederung der Umsatzerlöse (SAP-gestützte Buchhaltung) die gesamten Umsatzerlöse des Steuerpflichtigen umfasst, was nicht zu einer Zurückweisung des Datensatzes durch die Finanzverwaltung geführt hat. Im Rahmen der Prüfung des E-Bilanz-Assistenten der DATEV finden die Plausibilitätsprüfungen statt, die auch von Seiten der Finanzverwaltung vorgenommen werden. Dies bedeutet in der Praxis, dass ein ausgefüllter E-Bilanz-Assistent, der nicht zu einer internen Fehlermeldung führt, wohl bei der Übermittlung an die Finanzverwaltung unbeanstandet

276

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf bleibt, da die dort vorgesehenen Plausibilitätsprüfungen bereits im Zuge der Erstellung des E-Bilanz-Assistenten vorgenommen werden.

5. Transferticket Bei erfolgreicher Übermittlung der E-Bilanz-Daten erhält der Übermittler ein sogenanntes Transferticket. Dies bestätigt, dass die Finanzverwaltung die Daten der E-Bilanz entsprechend den Strukturvorgaben der Taxonomie akzeptiert hat. Eine materielle Prüfung ist damit nicht verbunden.

6. Fazit Die Einführung der E-Bilanz ist mehr als nur Elektronik statt Papier. Denn die E-Bilanz macht zum einen die Anpassung der Finanzbuchhaltung an die Anforderungen der Taxonomie erforderlich, zum anderen werden die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen um die E-Bilanz erweitert. In der Praxis wird es in einem nicht unerheblichen Umfang zu Eingriffen in die Finanzbuchhaltung kommen, da die Kontenpläne der Steuerpflichtigen um die Mussfelder erweitert werden müssen. Darüber hinaus ergeben sich allerdings auch grundlegende Eingriffe in die Tätigkeit des steuerlichen Beraters, da die E-Bilanz neben der reinen Finanzbuchhaltung einen nicht unerheblichen Teil der steuerlichen Gewinnermittlung beinhaltet, der im Rahmen der Steuerdeklaration eine große Bedeutung hat. Die Rechtsgrundlagen der Taxonomie sind in mehreren Punkten zweifelhaft. Das Verlangen auch aperiodische Bilanzen einzureichen widerspricht § 5b Abs. 1 EStG und kann meines Erachtens auch nicht aus den Mitwirkungspflichten der §§ 90 ff. AO abgeleitet werden, da es sich bei § 5b EStG um eine speziellere Vorschrift handelt. Auch das Verlangen einer steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung widerspricht dem Wortlaut des § 5b EStG. Bedenken bestehen darüber hinaus, ob die verlangte tief gegliederte Struktur der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, die von den handelsrechtlichen Vorgaben abweicht, die Aufschlüsselung der Kapitalkonten bei Personengesellschaften sowie die weiteren Informationen zur steuerlichen Gewinnermittlung vom Gesetz gedenkt sind. Gleichwohl wird sich die Praxis auf die Vorgaben der E-Bilanz einstellen. Die Taxonomie erfordert zunächst eine Entscheidung, ob eine gebuchte Steuerbilanz mit steuerlicher GuV oder eine Handelsbilanz mit handelsrechtlicher GuV und einer Überleitungsrechnung eingereicht werden 277

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf soll. Im ersten Fall wäre ein Zwei-Kreis-Buchhaltungssystem zu implementieren. Des Weiteren ist die Buchhaltung an die Erfordernisse der E-Bilanz anzupassen. Dies setzt einen Abgleich der Kontenpläne des Unternehmens mit den nach der Taxonomie erforderlichen und aus des Sicht des Steuerpflichtigen zu befüllenden Mussfeldern im Bereich der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung voraus. Darüber hinaus sind die Bilanzzuordnungstabellen um die Summenmussfelder und rechnerisch notwendigen Positionen zu ergänzen. Auch Ergänzungen von Buchungsanweisungen sowie die Schulung von Mitarbeitern dürften erforderlich werden. Außer der Finanzbuchhaltung ist auch die Steuerdeklaration betroffen. Denn die E-Bilanz enthält über die Bilanz und GuVZahlen hinaus zahlreiche Informationen, die auch in den Steuererklärungen abgefragt werden, sodass eine Abstimmung zwischen E-Bilanz und Steuerdeklaration erforderlich sein wird. Sinnvollerweise wird die E-Bilanz mit der Steuerklärung erstellt. Bei selbst buchenden Mandanten stellt sich die Frage, ob sie die E-Bilanz selbst erstellen oder ob sie dies ihrem Berater überlassen. Ersteres setzt eine entsprechende steuerliche Fachkompetenz auf Seiten des Steuerpflichtigen voraus und erfordert eine entsprechende Abstimmung zwischen den Mandanten und seinem Berater, damit E-Bilanz und Steuererklärungen nicht zu Unabgestimmtheiten führen. Die Anpassungen der Finanzbuchhaltung sind für den Regelfall ab dem Wirtschaftsjahr 2012 bzw. 2012/2013 vorzunehmen, soweit nicht wegen der Nichtbeanstandung erst für das folgende Wirtschaftsjahr eine E-Bilanz eingereicht werden soll. Die Zahlen der Finanzbuchhaltung sowie weitere Ergänzungen, die nicht die Finanzbuchhaltung betreffen, sind im darauffolgenden Jahr in die E-Bilanz aufzunehmen.

278

Bezeichnung

Allgemeine Information

Dokumentinformation

Identifikationsmerkmale des Dokuments

Erstellungsdatum

Anlass zur Erstellung des Dokuments

Inhalt des Dokuments

Ursprungssprache des Dokuments

Dokument veröffentlichungsfähig?

Dokumentersteller

Name, Dokumentersteller

Abteilung, Dokumentersteller

Funktion Dokumentersteller

Kontaktperson des Unternehmens

Steuerberater

Firmenname, Dokumentersteller

Straße, Dokumentersteller

Hausnummer, Dokumentersteller

Postleitzahl, Dokumentersteller

Ort, Dokumentersteller

Land, Dokumentersteller

ISO Code Land, Dokumentersteller

Telefonnummer, Dokumentersteller

Ebene

1

2

3

4

4

4

4

4

3

4

4

4

5

5

4

4

4

4

4

4

5

4

x

Mussfeld

Für Einrechung an Finanzverwaltung unzulässig

allgemeine Stamminformationen

entsprechend ISO 3166

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

Ja/Nein Information

entsprechen ISO 936-1

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

Dokumentation

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf

Anlage 1

279

Bezeichnung

Faxnummer, Dokumentersteller

e-mail Adresse, Dokumentersteller

Hauptansprechpartner, Dokumentersteller

Dokumentrevisionen

Liste Dokumentrevisionen mit Datum

aktuelle Versionsnummer Dokument

Änderungsdatum Dokument

Veranlasser der Änderung im Dokument

nutzerspezifische Dokumentinformation

Informationen zum Bericht

Identifikationsmerkmale des Berichts

Art des Berichts

Geschäftsbericht

Ebene

4

4

4

3

4

4

4

4

3

2

3

4

280

5

x

Mussfeld

Für Einrechung an Finanzverwaltung unzulässig

Konkrete Ausprägung einer Aufzählung

Inhalt aus einer vordefinierten Liste zu übernehmen, bei „Other“ ggf. Folgefeld füllen

Berichtspezifische Informationen

Berichtspezifische Informationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

Wenn mehrere Dokumentersteller aufgeführt sind, sollte nur einer Hauptansprechpartner sein

allgemeine Stamminformationen

allgemeine Stamminformationen

Dokumentation

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf

Ley, E-Bilanz – Aktueller Handlungsbedarf Anlage 2: Grundstücke gemäß GAAP-Modul Ebene Bezeichnung

Rechn. verknüpft

Mussfeld

Kontennachweis erwünscht

Summenmussfeld

1

Bilanz

4

Sachanlagen

+

x

5

Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken

+

x

6

unbebaute Grundstücke

+

x

x

6

grundstücksgleiche Rechte ohne Bauten

+

x

x

6

Bauten auf eigenen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten

+

x

x

7

Bauten auf eigenen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten davon Grund und Boden-Anteil

6

Bauten auf fremden Grundstücken

+

6

Übrige Grundstücke, nicht zuordenbar

+

Rechn. steuerl. rechtlicher unzunotEinzelwendig lässig abfalls schluss vorhanunzuden lässig

x

x

x

x

281

E-Bilanz: Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung Dipl.-Finw. Markus Hülshoff Münster Inhaltsübersicht

A. Ausgangslage I. BMF-Schreiben vom 19.1.2010 II. BMF-Schreiben vom 31.8.2010 (Entwurf) 1. Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung 2. BMF-Schreiben vom 16.12.2010: Pilotierungstaxonomie B. Pilotierung der E-Bilanz I. Planung und Durchführung der Pilotierung 1. Erstellung von Testjahresabschlüssen 2. Rückmeldedokument für Pilotteilnehmer II. Auswertung der Pilotierung 1. Statistische Auswertungen 2. Inhaltliche Ergebnisse a) Ergebnisse aus den Rückmeldedokumenten b) Ergebnisse aus den E-BilanzDatensätzen

III. Konsequenzen aus der Pilotierung 1. Konsequenzen in der Taxonomie 2. Konsequenzen im Anwendungsschreiben a) Umgang mit dem Mindestumfang b) Umgang mit „Auffangpositionen“ c) Übergangsregelungen aa) Nichtbeanstandungsregelung für das Erstjahr bb) Nichtbeanstandungsregelung für bestimmte Fälle C. Ausblick I. Technische Anforderungen bei der Übermittlung 1. Prüfungen bei der Übermittlung 2. Testübermittlungen II. Jährlicher Anpassungsprozess

A. Ausgangslage Mit Verabschiedung des Steuerbürokratieabbaugesetzes wurde mit den §§ 5b, 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG1 die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung des Inhalts der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung sowie einer ggf. notwendigen Überleitungsrechnung vorgesehen. Die in § 5b EStG beschriebenen Daten können unabhängig von der zu über-

1 Eingefügt durch Artikel 1 des Steuerbürokratieabbaugesetzes v. 20.12.2008 (BGBl. I, 2850).

283

Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung mittelnden Steuererklärung2 übertragen werden (z. B. Eröffnungsbilanz, geänderte Bilanz). Die bisher nach § 60 Absatz 1 EStDV vorgeschriebene Übermittlung in Papierform entfällt. Wegen der weiteren Hintergründe wird auf „§ 5b EStG: Elektronische Bilanz – Sachstandsbericht3“ verwiesen.

I. BMF-Schreiben vom 19.1.2010 Neben den o. g. Vorschriften im Einkommensteuergesetz §§ 5b und 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG hat das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder von der in § 51 Abs. 4 Nr. 1b vorgesehen Ermächtigung Gebrauch gemacht, den Mindestumfang für die Übermittlung der E-Bilanz festzulegen. Zunächst wurde in diesem Sinne mit BMF-Schreiben vom 19.1.20104 insbesondere der Übermittlungsstandard für die E-Bilanz, nämlich das XBRL-Format, festgelegt.

II. BMF-Schreiben vom 31.8.2010 (Entwurf) Die eigentliche Veröffentlichung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nach § 5b Abs. 1 S.1 EStG sowie des Mindestumfangs nach § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG erfolgte im Entwurf durch Schreiben vom 30.8.20105 an die üblichen Verbände und Kammern mit der Bitte um Stellungnahme. Dabei bestand der amtlich vorgeschriebene Datensatz aus der Taxonomie vom 31.8.2010. Innerhalb der Taxonomie war der Mindestumfang durch die „Mussfeld-“ bzw. „Mussfeld, Kontennachweis erwünscht-“ Eigenschaften gekennzeichnet6. Außerdem hat das BMF zur Verbandsanhörung am 11.10.2010 eingeladen. Die schriftlich7 und mündlich vorgetragenen Rückmeldungen waren zum Teil sehr kritisch und lassen sich – neben Zweifeln an einer ausrei2 Vgl. § 25 Absatz 4 EStG, § 31 Absatz 1a KStG, § 181 Absatz 2a AO oder § 3 Absatz 2 der Verordnung zu § 180 Absatz 2 AO. 3 Vgl. Hülshoff, „§ 5b EStG: Elektronische Bilanz – Sachstandsbericht“, StbJb. 2010/2011, 245. 4 Az: IV C 6 – S 2133-b/0 – 2009/0865962. 5 Az: IV C 6 – S 2133-b/10/10001 – 2010/0628965. 6 Vgl. Rust/Hülshoff/Kolbe, „E-Bilanz: Anforderungen der Finanzverwaltung an den Datensatz nach § 5b EStG“, BB 12.2011, 749. 7 Die Stellungnahmen sind veröffentlicht unter http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/BMF__Schreiben/Veroffentlichungen__zu__Steuerarten/einkommensteuer/003__15__Stellungnahmen,property=publicationFile.pdf (Stand: 29.11.2011).

284

Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung chenden Rechtsgrundlage für den festgelegten Mindestumfang nach § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG – zu den folgenden zwei wesentlichen Punkten zusammenfassen: – Technische Schwierigkeiten für die Umsetzung des Mindestumfangs, gerade für Unternehmen, die ERP-Systeme nutzen. – Die noch verfügbare Zeit bis zum Beginn der Übermittlungspflicht reiche zur Vorbereitung keinesfalls aus. Die Finanzverwaltung hat aufgrund der vorgebrachten Rückmeldungen beschlossen, mit folgenden Maßnahmen zu reagieren und damit den Einstieg in die Übermittlungspflicht der E-Bilanz zu erleichtern: 1. Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung Aufgrund der Ermächtigung in § 51 Absatz 4 Nummer 1c EStG) beschloss das Bundesfinanzministerium mit Zustimmung des Bundesrates, den Anwendungszeitpunkt der Übermittlungspflicht für die E-Bilanz durch die Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung vom 17.12.20108 um ein Jahr zu verschieben. Folglich beginnt die Übermittlungspflicht nunmehr für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2011 beginnen. 2. BMF-Schreiben vom 16.12.2010: Pilotierungstaxonomie Die geschilderten technischen Schwierigkeiten sollten im Rahmen einer Pilotierung genauer untersucht werden. Zur Durchführung der Pilotierung war es zunächst notwendig, den bis dato nur im Entwurf vorliegenden amtlich vorgeschriebenen Datensatz, nämlich die XBRL-Taxonomie, endgültig zu veröffentlichen. Dies erfolgte nach einem entsprechenden Beschluss der Einkommensteuer-Referatsleiter des Bundes und der Länder durch BMF-Schreiben vom 16.12.20109. Mit dieser Veröffentlichung wurde einerseits die Pilotierung angekündigt und andererseits auch für die Software-Hersteller eine wichtige Sicherheit für geplante Investitionen gewährleistet. Die Taxonomie vom 16.12.2010 entsprach dabei grundsätzlich – abgesehen von Fehlerbereinigungen – der Entwurfstaxonomie vom 31.8.2010. Auch der durch die „Mussfeld-“ bzw. „Mussfeld, Kontennachweis erwünscht-“ Eigenschaften gekennzeichnete Mindestumfang nach § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG entsprach der Entwurfsversion vom 31.8.2010.

8 Anwendungszeitpunktverschiebungsverordnung – AnwZpvV v. 17.12.2010, BGBl. 2010 I, Nr. 66, 2135. 9 Az. IV C 6 – S 2133-b/10/10001 – 2010/1012271.

285

Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung

B. Pilotierung der E-Bilanz I. Planung und Durchführung der Pilotierung Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 20. Dezember 201010 in Abstimmung mit den Projektverantwortlichen gegenüber allen Wirtschaftsverbänden sowie an die im Projekt mitarbeitenden Unternehmen auf die Möglichkeit zur Teilnahme an der Pilotierung hingewiesen. Weitere Informationen über die Planungen der Pilotierung wurden im Rahmen einer Informationsveranstaltung am 18. Januar 2011 im Bundesfinanzministerium erörtert. Außerdem wurden an alle interessierten Teilnehmer Test-Steuernummern vergeben. Diese konnten von den teilnehmenden Unternehmen direkt oder von steuerlichen Beratern für (mehrere) Mandanten bei der Finanzverwaltung angefordert werden. Dabei war anzugeben, für welches Unternehmen/welche Unternehmen die Test-Steuernummer angefordert wurden, damit eine Zuordnung der Steuernummern zu den zu erwartenden Evaluierungsbögen und den Transfer-Ticket-Nummern erfolgen konnte. 1. Erstellung von Testjahresabschlüssen Der Zeitraum für die so genannte Pilotierungsphase wurde im ersten Schritt für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2011 veranschlagt. Pilotierungsdatensätze der Pilotteilnehmer, welche bis zum 30.6.2011 an die Finanzverwaltung gesendet wurden, wurden in die Auswertung einbezogen.11 In diesem Zeitraum stellten die teilnehmenden Unternehmen auf der Basis ihrer Jahresabschlussdaten von 2010 oder für einen abgekürzten Zeitraum einiger Monate des Jahres 2011 Bilanzen einschließlich Gewinnund Verlustrechnungen auf und entwickelten daraus einen XBRL-Datensatz nach der Taxonomie vom 16.12.2010. Schließlich folgte die Übermittlung dieses Datensatzes via ELSTER an die Finanzverwaltung. Die Taxonomien für besondere Branchen (Spezialtaxonomie für Banken und Versicherungen sowie die Ergänzungstaxonomie für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Kommunale Eigenbetriebe, Verkehrsunternehmen, Wohnungsunternehmen, und Land- bzw. Forstwirte) sind nicht pilotiert worden. Daher konnten nur Datensätze von Unternehmen eingereicht werden, die den Regel-Rechnungslegungsvorschriften des HGB unterlagen.

10 Vgl. Az: IV C 6 – S 2133-b/10/10001, „Pilotphase zur E-Bilanz; Bitte um Benennung von freiwilligen Unternehmen“. 11 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass technisch – unabhängig von dieser Pilotphase – auch weiterhin die Möglichkeit besteht Datensätze elektronisch zu Testzwecken zu übermitteln.

286

Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung Neben den eigentlichen Berichtsteilen für Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung, sollten die Pilotierungsteilnehmer möglichst auch Informationen aus der Finanzbuchhaltung mit übermitteln. So kann der so genannte Kontennachweis direkt im E-Bilanz-Datensatz enthalten sein. Möglich war zu Pilotierungszwecken auch, eine Summen- und Saldenliste per Mail zur Auswertung einzureichen. 2. Rückmeldedokument für Pilotteilnehmer Neben dem zu übermittelnden Datensätzen war jeder Pilotierungsteilnehmer eingeladen, seine Erfahrungen und Erkenntnisse zu den einzelnen Prozessschritten an die Finanzverwaltung auf einem so genannten Rückmeldedokument zu kommunizieren. Im Einzelnen wurden Fragen – zur eingesetzten Software, – zur Bilanzierungsart (Handelsbilanz mit Überleitungsrechnung/Steuerbilanz), – zur Beschreibung des Workflows, – zu aufgetretenen technischen Problemen mit einzelnen Taxonomiepositionen, – zum Umgang mit den erforderlichen Plausibilitätsprüfungen aufgeführt. Von dieser Art der Rückmeldung haben die Pilotierungsteilnehmer erfreulich stark Gebrauch gemacht.

II. Auswertung der Pilotierung Für die Zeit nach dem 30.6.2011 schloss sich die Evaluierung der Datensätze und der eingereichten Rückmeldedokumente an. Zu diesem Zweck wurde eine EDV-Anwendung vorbereitet, mit der die E-Bilanz-Datensätze in eine standardisierte Darstellung gebracht werden konnte. So sollte eine vergleichende Analyse in einem manuellen Verfahren ermöglicht werden. Daneben wurden die Aussagen in den Rückmeldedokumenten gesichtet, analysiert und – soweit möglich – gebündelt.

287

Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung 1. Statistische Auswertungen Anzahl der Pilotierungsteilnehmer12 Teilnehmer an der Info-Veranstaltung am 18.1.2011

ca. 110 Personen

Anzahl der vergebenen Test-Steuernummern

406

Anzahl der aktiven Teilnehmer

84

Anzahl übermittelter Datensätze

68

Anzahl übersandter Evaluierungsbögen

54

Nach dieser Übersicht gab es eine außergewöhnlich hohe Zahl vergebener Test-Steuernummern. Dies ist darauf zurückzuführen, dass für ein und dieselbe vorgesehene Übermittlung durch unterschiedlich beteiligte Personen (Softwarehersteller, Steuerberater und ggf. durch das Unternehmen selbst) Steuernummern angefordert wurden. Einige Dienstleister haben auch den Bedarf für diese Teststeuernummern offenbar griffweise geschätzt. Als aktiver Teilnehmer der Pilotierung wurde angesehen, wer entweder einen Datensatz übermittelt und/oder eine Rückmeldedokument an die Finanzverwaltung versandt hat. Die Anzahl der beteiligten Unternehmen kann angesichts dieser Zahlen sicher nicht den Anspruch auf statistische Repräsentanz für sich beanspruchen. Angesichts des breit gestreuten Teilnehmerfeldes (vom freiwillig bilanzierenden Handwerkbetrieb bis zu mehreren DAX-Unternehmen) lassen sich vom Verlauf dieser Pilotierung doch wichtige Ergebnisse ableiten. Anzahl der übermittelten Positionen: a) Bilanz: Gesamtzahl der Positionen: Durchschnittliche Übermittlung:

599 48

b) G+V: Gesamtzahl der Positionen: Durchschnittliche Übermittlung:

534 63

Hier zeigt sich, dass trotz der großen Zahl an potenziellen Bilanz- und G+V-Positionen im einzelnen Fall eine überschaubare Anzahl von Posi12 Entnommen aus dem Pilotierungsbericht der Finanzverwaltung, veröffentlicht unter www.esteuer.de.

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Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung tionen für eine gültige Bilanzübermittlung ausreichen kann. Wenn auch die Einschränkung zu machen ist, dass in einigen Fällen nicht alle fachlich geforderten Positionen des Mindestumfangs nach § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG (Mussfelder) mit den zutreffenden Werten bzw. überhaupt mit Werten übermittelt worden sind. 2. Inhaltliche Ergebnisse a) Ergebnisse aus den Rückmeldedokumenten Die Beschreibungen der einzelnen Prozessschritte zur Erstellung des XBRL-Datensatzes für die E-Bilanz waren grundsätzlich davon gekennzeichnet, dass die technischen Unterstützungen regelmäßig noch nicht optimal eingerichtet waren. Viele Arbeitsschritte, die in einem ausgereiften Verfahren durch Softwareanwendungen gesteuert oder zumindest unterstützt werden dürften, mussten im Laufe der Pilotierungsphase noch manuell gesteuert und umgesetzt werden. Inhaltlich wurden (zusammengefasst) folgende Rückmeldungen durch die Pilotierungsteilnehmer gegeben: Angesichts des Taxonomie-Umfangs wurde zu bedenken gegeben, ob die rechtliche Grundlage (§§ 5b, 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG) die Informationstiefe der Taxonomie stütze. Außerdem wurde von Schwierigkeiten berichtet, die geforderten Mussfelder aus den Daten der Buchführung abzuleiten. Zur Erleichterung in diesem Zusammenhang wurden an mehreren Bereichen von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung so genannte Auffangpositionen gefordert. Interessant war, dass darüber hinaus eine Reihe von bisher nicht in der Taxonomie enthaltenen Position zur Ergänzung der Taxonomie für eine freiwillige Übermittlung vorgeschlagen worden sind. b) Ergebnisse aus den E-Bilanz-Datensätzen Da alle übermittelten Datensätze durch den Elster Rich Client („ERiC“) validiert worden sind, lag in allen Fällen ein grundsätzlich schlüssiger (Teil-)Jahresabschluss vor. Da die Prüfungen vor der Übermittlung lediglich nach formalen Kriterien erfolgt (Summe Aktiva = Summe Passiva), kann eine fachliche Aussage davon noch nicht abgeleitet werden. Die Analyse der übermittelten Datensätze ergab erwartungsgemäß ein nicht einheitliches Bild. Eine Mehrzahl der Pilotierungsteilnehmer hatte von der Übermittlungsmöglichkeit des so genannten Kontennachweises Gebrauch gemacht. Außerdem lagen zur Auswertung auch einige gesondert zugesandte Summen- und Saldenlisten vor. Anhand dieser Unterlagen konnte geprüft werden, ob die jeweils vorliegenden Daten dem Mindestumfang in dem Testdatensatz fachlich zutreffend übermittelt wurden. 289

Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung Insgesamt waren alle E-Bilanz-Datensätze für die Finanzverwaltung verwendbar, sodass ein wesentliches Pilotierungsergebnis festgestellt werden konnte: Die Pilotierung hat gezeigt, dass die E-Bilanz in der geforderten Form und mit dem gewünschten Inhalt möglich ist13! Wegen weiterer Detailfeststellungen wird auf den Pilotierungsbericht der Finanzverwaltung14 verwiesen.

III. Konsequenzen aus der Pilotierung 1. Konsequenzen in der Taxonomie Nachdem feststand, dass grundsätzlich eine E-Bilanz mittels eines XBRLDatensatzes an die Finanzverwaltung übermittelt werden kann, schloss sich ein Beratungsprozess innerhalb der Finanzverwaltung an, wie mit den gleichwohl noch vorliegenden Hindernissen und Herausforderungen umgegangen werden kann. Durch die Pilotierungsteilnehmer selbst war die Schaffung von mehreren Auffangpositionen sowie von weiteren optionalen Positionen zur besseren Abbildbarkeit des jeweiligen Bilanzinhalts gefordert worden. Um auch weitere Probleme bei der Zuordnung der Informationen aus der eigenen Buchhaltung auf die durch Mussfelder gekennzeichneten Taxonomie-Positionen zu vermeiden, wurde aber auch geprüft, in welchen Fällen auf die Mussfeldeigenschaft verzichtet werden kann. Im Einzelnen wurden in einer überarbeiteten Taxonomie die vorstehenden Vorschläge wie folgt umgesetzt: – Streichung von Mussfeldeigenschaften bei 13 Positionen, – Einfügung von 30 Auffangpositionen, – Einfügung von 54 (fakultativen) Positionen. 2. Konsequenzen im Anwendungsschreiben Neben den vorstehenden Änderungen in der Taxonomie war sowohl in den vorliegenden Rückmeldungen der Pilotierungsteilnehmer als auch in den Stellungnahmen der Wirtschaftsvertreter eine Klarstellung zur Qualifizierung des Mindestumfangs nach § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG sowie eine Konkretisierung des entsprechenden Anwendungsschreibens eingefordert worden.

13 Vgl. auch Arnold/Schumann, „§ 5b EStG: Die Pilotierung der E-Bilanz aus Sicht der Finanzverwaltung“, DStZ 2011, 740. 14 A. a. O.

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Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung In der Umsetzung dieser Anforderung wurde außerdem das Ziel verfolgt, für eine Einstiegsphase15 den Unternehmen den Einstieg in die E-Bilanz zu erleichtern. Diese Einstiegsphase ist zunächst mit einem Zeitraum von 5–6 Jahren veranschlagt. Allerdings enthält das Anwendungsschreiben selbst keine Angaben hierzu, wie in der Literatur16 zutreffend festgestellt wird. a) Umgang mit dem Mindestumfang Der Mindestumfang der E-Bilanz ist in der Taxonomie durch so genannte Mussfeldeigenschaften17 bestimmt. Wie auch schon im Entwurf des Anwendungsschreibens vom 31.8.2010 gilt, dass alle als „Mussfeld“ oder als „Mussfeld, Kontennachweis erwünscht“ gekennzeichneten Taxonomiepositionen im E-Bilanzdatensatz übermittelt werden müssen. Soweit ein bestimmter Sachverhalt ausweislich der individuellen Buchführung nicht geführt wird, ist zur erfolgreichen Übermittlung des Datensatzes die entsprechende Position mit einem NIL-Wert zu übermitteln. Beispiel: Ein Unternehmen hat keinen Grundbesitz. Folglich werden die zum Mindestumfang gehörenden Positionen in der Gliederung der Taxonomie unterhalb der Position „Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken“ mit NIL übermittelt werden müssen.

Es stellte sich aber die Frage, wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen der zu einer Taxonomieposition passende Sachverhalt verwirklicht ist, in der individuellen Buchführung dieser Sachverhalt nicht über die Summen- und Saldenliste abzulesen ist. Hier wurde in Rz. 16 des Anwendungsschreibens vom 28.9.201118 klargestellt, dass auch in diesen Fällen eine Übermittlung mit NIL erfolgen kann. Konkretisiert wird diese Regelung im FAQ-Dokument in Rz. 2.f. Auch hier wird Bezug auf die Einstiegsphase19 genommen, und der Umgang mit der Ableitbarkeit aus der individuellen Buchführung beschrieben. Danach gilt, dass im Rahmen dieser Einführungsphase stets auf der Basis der Salden der Summen- und Saldenliste der vorhandenen individuellen Buchführung die Zuordnung auf die Taxonomie-Positionen erfolgen muss. Mussfelder, die aus diesen Salden nicht ableitbar sind, können mit NIL übermittelt werden. 15 Vgl. BMF, Schr. v. 8.8.2011 – IV C 6 – S 2133-b/11/10009. 16 Vgl. Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, „E-Bilanz: Finale Fassung des BMFSchreibens und der Steuertaxonomie 2012, DB 2011, 2512. 17 Der Mindestumfang wird durch die Kennzeichnung „Mussfeld“ und „Mussfeld, Kontennachweis erwünscht“ bestimmt. 18 BMF, Schr. v. 28.9.2011 – IV C 6 – S 2133-b/11/10009), BStBl. I 2011, 855. 19 Vgl. Fn. 15.

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Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung b) Umgang mit „Auffangpositionen“ Auffangpositionen wurden zur Erleichterung im Umgang mit der Taxonomie, insbesondere beim so genannten Mapping, eingefügt. Erkennbar sind sie durch die Formulierung „nicht zuordenbar“ oder „ohne Zuordnung“ im Bezeichner der jeweiligen Position20. Im Einzelnen heißt es im Anwendungsschreiben: […] „Ein Steuerpflichtiger, der eine durch Mussfelder vorgegebene Differenzierung für einen bestimmten Sachverhalt nicht aus der Buchführung ableiten kann, kann zur Sicherstellung der rechnerischen Richtigkeit für die Übermittlung der Daten alternativ die Auffangpositionen nutzen.“ […]

Das Mussfeld ist in einem solchen Fall mit dem NIL-Wert zu übermitteln. Wenn eine in der Taxonomie vorgegebene Differenzierung durch Mussfelder aber in den Buchungskonten abgebildet wird, besteht kein Wahlrecht21 zwischen der Nutzung der Auffangposition und der als „Mussfeld“ gekennzeichneten Position. c) Übergangsregelungen Neben den sachlichen Erleichterungen wurden auf der Basis der Pilotierungserkenntnisse auch Maßnahmen getroffen, die die Einführung der E-Bilanz in zeitlicher Hinsicht vereinfachen sollen. aa) Nichtbeanstandungsregelung für das Erstjahr Die Übermittlungspflicht nach § 5b EStG gilt erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen22. Grundsätzlich sind die Inhalte der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen, durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Für das erste Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2011 beginnt, wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für dieses Jahr noch einmal in Papierform abgegeben werden. Im Anwendungsschreiben ist klarstellend auch beschrieben, dass in diesen Fällen eine Gliederung gemäß der Taxonomie nicht erforderlich ist.23

20 21 22 23

Vgl. Rz. 19 des Anwendungsschreibens v. 28.9.2011, a. a. O. Vgl. FAQ-Dokument, Rz. 2.f. auf www.esteuer.de. Vgl. § 52 Absatz 15a EStG i. V. m. § 1 der AnwZpvV. Vgl. Rz. 27 des Anwendungsschreibens v. 28.9.2011, a. a. O.

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Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung bb) Nichtbeanstandungsregelung für bestimmte Fälle Für bestimmte Fälle wurde über die vorstehende Nichtbeanstandungsregelung hinaus eine zusätzliche Übergangsregelung24 geschaffen. Betroffen von dieser Übergangsregelung sind die folgenden im Einzelnen aufgeführten Fälle: – Unternehmen mit ausländischen Betriebsstätten (für Positionen, die die ausl. Betriebsstätten betreffen), – Ausländische Unternehmen mit inländischen Betriebsstätten, – Steuerbegünstigte Körperschaften, – BGA. Für diese Fälle gilt, dass Übermittlungen nach § 5b EStG erst (insoweit) für Wirtschaftsjahre erfolgen müssen, die nach dem 31.12.2014 beginnen.25

C. Ausblick I. Technische Anforderungen bei der Übermittlung 1. Prüfungen bei der Übermittlung Die Übermittlung der E-Bilanz nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz erfolgt mittels Datenfernübertragung. Dazu ist es erforderlich, dass die vom Übermittler genutzte Software den von ELSTER angebotenen ELSTER-Rich-Client (ERiC) implementiert. Durch ERiC wird der Datensatz validiert, verschlüsselt und über die üblichen Verfahren authentifiziert an die Finanzverwaltung übertragen. Die durchzuführenden technischen Validierungen sind, soweit sie fachlich von Bedeutung sind, im so genannten Technischen Leitfaden, einem gemeinsamen Dokument des XBRL-Deutschland e. V. und der Finanzverwaltung beschrieben. Der Technische Leitfaden ist unter www.esteuer.de veröffentlicht. Auch etwaige Aktualisierungen werden hier abrufbar sein. 2. Testübermittlungen Zur Überprüfung, ob das eigene Unternehmen alle Voraussetzungen geschaffen hat, um Datensätze nach § 5b EStG übermitteln zu können, besteht die Möglichkeit, auch schon vor dem eigentlichen Zeitpunkt der Übermittlungspflicht, den technischen Ablauf zu testen.

24 Vgl. Rz. 2–6 des Anwendungsschreibens v. 28.9.2011, a. a. O. 25 Vgl. Rz. 7 des Anwendungsschreibens v. 28.9.2011, a. a. O.

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Hülshoff, Konsequenzen der Finanzverwaltung nach der Pilotierung Ähnlich wie im Rahmen der Pilotierung können als Testfälle markierte Datensätze an die Finanzverwaltung übermittelt werden. Zunächst ist dies möglich für Datensätze auf der Grundlage der Taxonomie vom 16.12.2010 (Pilotierungstaxonomie). Ab Mai 2011 werden auch die Taxonomien vom 14.9.2011 mit der dann gültigen ERiC-Version übermittelt werden können. Als Testfall gekennzeichnete Datensätze werden validiert, übermittelt, aber nicht an das zuständige Finanzamt weitergeleitet, sondern kurzfristig wieder gelöscht.

II. Jährlicher Anpassungsprozess In den ersten Jahren nach Einführung der E-Bilanz ist zu erwarten, dass regelmäßig Anpassungen aufgrund von Rückmeldungen aus der Wirtschaft oder zur Fehlerbeseitigung erforderlich werden. Aber auch durch Rechtsänderungen oder geänderte Anforderungen seitens der Finanzverwaltung kann es zu einem Änderungsbedarf kommen. Die Finanzverwaltung plant daher ein regelmäßiges Überarbeitungsprozedere. Danach soll – soweit erforderlich – zu Beginn des 2. Quartals eines Jahres eine neue Taxonomie veröffentlicht werden. Diese Taxonomie soll regelmäßig für Wirtschaftsjahre gelten, die nach dem 31.12. des gleichen Jahres beginnen. Damit dürfte – anders als in der Literatur26 teilweise vertreten – ausreichend Raum für erforderliche Vorbereitungen in den Unternehmen bestehen. Denn Übermittlungen müssten in diesem Fall regelmäßig erst im übernächsten Jahr nach Veröffentlichungen mittels dieser aktualisierten Taxonomie erfolgen. Zu Testzwecken kann diese aktualisierte Taxonomie voraussichtlich ab November nach der Veröffentlichung eingesetzt werden.

26 Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, DB 2011, 2516.

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Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Dipl.-Kfm. Manfred Günkel Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf Inhaltsübersicht

I. Wirtschaftliches Eigentum an Forderungen bei Asset Back Security Modellen 1. Sachverhalt 2. Lösungshinweise a) Abgrenzung zwischen Kauf und Darlehen b) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums c) Bilanzielle Behandlung 3. Fazit II. Negativer Kaufpreis beim Unternehmenskauf 1. Sachverhalt 2. Lösungshinweise a) Bilanzierung der Anschaffungsvorgänge bei der B-GmbH b) Auflösung des passiven Korrekturbetrags durch Verrechnung mit den Verlusten 2010 3. Fazit III. Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen eines Unternehmenskaufs 1. Sachverhalt 2. Lösungshinweise a) Rechtsprechung b) Finanzverwaltung c) Stellungnahme 3. Fazit IV. Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung keine Anschaffungskosten 1. Sachverhalt 2. Lösungshinweise

3. V. 1. 2.

3. VI. 1. 2.

3. VII. 1. 2.

3.

a) Finanzverwaltung b) Rechtsprechung der Finanzgerichte c) Rechtsprechung des BFH d) Stellungnahme Fazit Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei börsennotierten Wertpapieren Sachverhalt Lösungshinweise a) Finanzverwaltung b) Rechtsprechung c) Stellungnahme Fazit Passivierung einer Verpflichtung aus Rückkaufverpflichtung Sachverhalt Lösungshinweise a) Ausweis einer Verbindlichkeit aus der Optionseinräumung beim Veräußerer b) Passive Rechnungsabgrenzung c) Drohverlust aus schwebenden Geschäften d) Keine verdeckte Nutzungsüberlassung Fazit Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen Sachverhalt Lösungshinweise a) Rechtsprechung b) Finanzverwaltung c) Stellungnahme Fazit

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht VIII. Abzinsungspflicht für Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen 1. Sachverhalt 2. Lösungshinweise a) Gesetzgebung b) Finanzverwaltung

3. IX. 1. 2. 3.

c) Rechtsprechung des BFH d) Stellungnahme Fazit Rückstellungen für Kosten künftiger Betriebsprüfungen Sachverhalt Lösungshinweise Fazit

I. Wirtschaftliches Eigentum an Forderungen bei Asset Back Security Modellen 1. Sachverhalt Die G-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland und die Z-Company mit Sitz auf den Cayman Islands haben einen Rahmenvertrag über den Ankauf der gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus dem laufenden Geschäftsverkehr der G-GmbH durch die Z-Company bis zu einer Höhe von 40 Mio. Euro abgeschlossen. Der Vertrag hat eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren und verlängert sich im Anschluss um jeweils ein Jahr, sofern keine der Vertragsparteien kündigt (revolvierender Forderungsankauf). Die durchschnittliche Zahlungsfrist der Forderungen aus dem laufenden Geschäftsverkehr beträgt 32 Tage, die maximale Laufzeit der Einzelforderungen höchstens 90 Tage. Die G-GmbH sichert vertraglich zu, dass sich die tatsächliche Forderungsausfallquote in den letzten Jahren auf maximal 0,1 % des Gesamtumsatzes belief. Auf 20 Großkunden (Forderung ≥ 1 Mio. Euro) entfallen ca. 40 % der Gesamtforderungen. In der Vergangenheit ist es bei keinem dieser 20 Großschuldner jemals zu einem Forderungsausfall gekommen. Als Kaufpreis wurde der Nennwert der Forderungen abzüglich eines Risikoabschlages für Forderungsausfälle in Höhe von 4 % vereinbart. Der Kaufpreis ist drei Bankgeschäftstage nach dem monatlich zu erfolgenden Transfer der jeweiligen Forderungen fällig. Die Forderungsabtretung wird den Schuldnern nicht angezeigt. Die G-GmbH soll die Forderungen weiterhin im Außenverhältnis im eigenen Namen einziehen. Die G-GmbH übernimmt im Innenverhältnis die Verwaltung und den Einzug der Forderungen für die Z-Company. Die durch Verwaltung und den Einzug der Forderungen entstehenden Kosten hat die G-GmbH zu tragen. Daneben berechnet Z-Company eine Gebühr, die sich an ihren Refinanzierungskosten ausrichtet. Der Risikoabschlag für Forderungsausfälle in Höhe von 4 % des Nennbetrags der Forderungen ist von der Z-Company nach folgendem Mecha296

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht nismus an die G-GmbH zurückzuzahlen: Soweit ein tatsächlich eingezogener Forderungsbetrag den an die G-GmbH gezahlten Kaufpreis (96 % des Nennwertes) übersteigt, gewährt die Z-Company der G-GmbH eine Gutschrift auf einem internen Forderungsausfallkonto. Mit dem Guthaben der G-GmbH auf diesem Forderungsausfallkonto waren die tatsächlichen Forderungsausfälle aufzurechnen. Ein verbleibendes Guthaben war monatlich an die G-GmbH auszuzahlen. Im Fall von übermäßigen Forderungsausfällen hat die G-GmbH keine weiteren Zahlungen an die Z-Company zu leisten. Die Z-Company kann den Vertrag u. a. fristlos kündigen, sofern (i) die Forderungsausfälle in den letzten 12 Monaten 4 % des Nominalbetrags der Forderungen überstiegen oder (ii) der Bestand des Forderungsausfallkontos auf weniger als 1 % des aktuellen Ankaufsbetrags gesunken ist oder (iii) die Gutschriften auf dem Forderungsausfallkonto in den letzten drei Monaten hinter den tatsächlichen Forderungsausfällen zurückgeblieben sind und es innerhalb von zehn Bankgeschäftstagen nicht zu einer Einigung über eine Anpassung des Risikoabschlags kommt. Für die Forderungen, die nicht gegenüber Großkunden bestanden, hatte die G-GmbH eine Warenkreditversicherung mit einer Entschädigungshöchstgrenze bis zu 3 Mio. Euro zugunsten der Z-Company abzuschließen. Die Kosten für die Warenkreditversicherung hat die G-GmbH zu tragen. Die Z-Company finanziert den Ankauf der Forderungen von der G-GmbH durch die Ausgabe von Wertpapieren (sog. Asset Back Security Modell). Die Z-Company stellt der G-GmbH zusätzlich eine laufende Vergütung für die Verwaltung und Strukturierung sowie für ihre Geschäftsrisiken im Rahmen der ABS-Transaktion in Rechnung. Diese Vergütung hängt im Wesentlichen von den Refinanzierungskosten der Z-Company sowie von bestimmten Marktzinssätzen ab. Die G-GmbH möchte von ihrem Steuerberater wissen, welche steuerbilanziellen Konsequenzen aus der Forderungsabtretung resultieren. 2. Lösungshinweise Der Fall ist dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 26.8.2010 (IR 17/09, BFH/NV 2011, 143) nachgebildet. a) Abgrenzung zwischen Kauf und Darlehen Fraglich ist, ob es sich bei der vertraglichen Vereinbarung um einen Verkauf der Forderung oder um eine darlehensweise Vorfinanzierung der Forderungen (aus LuL) der G-GmbH handelt. Diese Abgrenzung ist anhand einer Gesamtbetrachtung der jeweiligen Vertragsbestimmungen vorzu297

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht nehmen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann im Rahmen der Forfaitierung von Leasing-Forderungen ein Forderungsverkauf nur vorliegen, sofern das Risiko der Verwertbarkeit der Forderung (sog. Bonitätsrisiko) auf den Erwerber der Forderung übergeht, insoweit also keine Möglichkeit des Regresses besteht (non-recourse Verkauf).1 Der Verkäufer haftet grundsätzlich nur für den rechtlichen Bestand bzw. das zukünftige Entstehen der verkauften Forderung. Handelt es sich hingegen um eine sog. unechte Forfaitierung, d. h. das Bonitätsrisiko verbleibt zumindest teilweise beim Verkäufer, so liegt kein Veräußerungsvorgang, sondern ein Darlehensverhältnis vor.2 Diese Maßgaben zur Abgrenzung zwischen Kauf und Darlehen beruhen auf den Grundsätzen zum wirtschaftlichen Eigentum i. S. v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, die nach Auffassung des BFH auch bei ABS-Gestaltungen anzuwenden sind.3 Die Frage, ob ein Forderungsverkauf oder eine Darlehensgewährung vorliegt, entscheidet über die bilanzielle Abbildung des Vertragsverhältnisses und damit insbesondere auch über die Frage, ob die gezahlten Entgelte solche für gewährte Darlehen sind. Diese wären von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 a) GewStG betroffen und würden grundsätzlich auch unter die Zinsschrankenregelung des § 4 h EStG fallen.4 b) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Vertragsverhältnisse kann die Analyse von Nutzen und Lasten der Forderungen ausgeklammert werden, da es sich im Streitfall um unverzinsliche und nicht mit weiteren Lasten verbundene Forderungen aus dem laufenden Geschäftsverkehr handelt.5 Im Hinblick auf die Zuordnung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Forderung ist die formale Rechtsposition (Besitz an der Forderung) der Z-Company mit dem wirtschaftlichen Gewollten und tatsächlich Bewirkten abzuwägen.6 Aufgrund der Kurzfristigkeit der möglichen Verfügungsmacht an den Forderungen durch die Z-Company sowie der fehlenden Aufdeckung der Abtretung nach außen muss konstatiert werden, dass diese nur eine geringe praktische Bedeutung für die Vertragsparteien 1 Vgl. BFH, Urt. v. 8.11.2000 – I R 37/99, BStBl. II 2001, 722 unter Hinweis auf das Urteil des BGH v. 21.6.1994 – XI ZR 183/93, BGHZ 126, 261, 263. 2 Vgl. BFH, Urt. v. 11.12.1986 – IV R 185/83, BStBl. II 1987, 443; BFH, Urt. v. 5.5.1999 – XI R 6/98, BStBl. II 1999, 735; BGH, Urt. v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, BGHZ 82, 50; zustimmend z. B. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 5 Rz. 270 ‚Forfaitierung‘. 3 Vgl. BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143. 4 Vgl. BMF, Schr. v. 4.7.2008, BStBl I, 7, 8 Tz. 32 ff. 5 Vgl. BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143. 6 Vgl. BFH, Urt. v. 15.2.2001, BFH/NV 2001, 1041, BStBl. II 2007, 296.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht haben kann. Nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien ist vielmehr anzunehmen, dass die Z-Company keine Verfügung über die Forderungen haben soll, da die Z-Company keinen Apparat für die Verwaltung der Vielzahl der Einzelforderungen aufbauen muss; diese Aufgabe wird vielmehr der G-GmbH übertragen. Dass die formale Verfügungs- und Vollstreckungsbefugnis für das Rating der Refinanzierung der Z-Company von Bedeutung ist, berührt nicht das Vertragsverhältnis zwischen der G-GmbH und der Z-Company und ist somit unbeachtlich für die Frage der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums. Ausschlaggebendes Kriterium für die Frage der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums muss im vorliegenden Fall die Übertragung des Bonitätsrisikos sein. Nach den vertraglichen Vereinbarungen war der (zunächst vorgenommene) Risikoabschlag an die G-GmbH zurückzuzahlen, soweit der später tatsächlich eingezogene Forderungsvertrag nach Abzug der gesamten tatsächlichen Forderungsausfälle den von der Z-Company gezahlten Kaufpreis der Forderungen übersteigt. Dies hat zur Folge, dass das Bonitätsrisiko der übertragenen Forderungen nicht auf den Erwerber übergeht.7 Die G-GmbH und die Z-Company haben vielmehr zunächst nur einen vorläufigen Kaufpreis vereinbart, der nach Einziehung des Forderungsbestands in Abhängigkeit von der Höhe der tatsächlich eingetretenen Forderungsausfälle anzupassen war. Dies gleicht einen den tatsächlichen Forderungsausfall überschreitenden Kaufpreisabschlag aus.8 Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausfallquote von 0,1 % muss, c. p., davon ausgegangen werden, dass die G-GmbH einem Bonitätsabschlag in Höhe von 4 % ohne Rückvergütung in Abhängigkeit des tatsächlichen Forderungsausfalls nicht zugestimmt hätte. Die spätere Anpassung auf den tatsächlichen Forderungsausfall belässt das Delkredererisiko bei G-GmbH. Das wirtschaftliche Eigentum an den Forderungen verbleibt somit nach Auffassung des BFH bei der G-GmbH.9 Die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an der Forderung ist im Zeitpunkt der Abtretung zu beurteilen. Ein endgültiger Kaufpreisabschlag deckt das künftige Ausfallrisiko ab und birgt für den Veräußerer keine weiteren Risiken. Wird aber, wie im vorliegenden Sachverhalt, lediglich ein vorläufiger Kaufpreisabschlag vereinbart, der das gesamte (bei vorsichtiger und risikoscheuer Einschätzung) zu berücksichtigende Risiko einbezieht und in Abhängigkeit der tatsächlichen Forderungsausfälle rückvergütet wird, verbleiben die Risiken eines Forderungsausfalls und somit auch das wirtschaftliche Eigentum beim Veräußerer.10 7 Vgl. BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143. 8 Vgl. IDW RS HFA 8 – i. d. F. v. 9.12.2003, Wpg 2002, 1151 und 2004, 138 Tz. 16, 23, 28. 9 Vgl. BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143. 10 Vgl. BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht c) Bilanzielle Behandlung Das wirtschaftliche Eigentum an den Forderungen verbleibt bei der G-GmbH. Bilanzsteuerrechtlich handelt es sich um eine Darlehensaufnahme durch die G-GmbH. Die G-GmbH hat die von der Z-Company zugeflossenen liquiden Mittel sowie eine korrespondierende Verbindlichkeit in der (Steuer-)Bilanz auszuweisen. Da die rechtliche Abtretung der Forderung durch die G-GmbH an die Z-Company eine Sicherheitsabtretung zur Besicherung des von der Z-Company erhaltenen Darlehens darstellt, bleibt der Bilanzausweis als Forderung unverändert.11 Der Aufwand aus einem (möglichen) Forderungsausfall ist unter Beachtung der allgemeinen bilanzsteuerlichen Grundsätze bei der G-GmbH zu erfassen. 3. Fazit Sofern ein Steuerpflichtiger nicht zivilrechtlicher Eigentümer ist, wird ihm das wirtschaftliche Eigentum an einem Wirtschaftsgut bei Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse dann zugerechnet, wenn er bei normalem Verlauf der Dinge die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er andere von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.12 Dabei kommt es für die Frage nach der wirtschaftlichen Inhaberschaft einer Forderung insb. darauf an, wer das wirtschaftliche Risiko des Forderungsausfalls trägt.13 Zur Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums bei ABS-Gestaltungen ist nach Ansicht des BFH14 daher entscheidend, ob der Veräußerer der Forderungen das Bonitätsrisiko auf den Erwerber übertragen hat. Mit seinem Urteil v. 26.8.2010 schloss sich der BFH der Auffassung des IDW15 sowie der überwiegenden Literaturmeinung16 an.

11 Vgl. IDW RS HFA 8 – i. d. F. v. 9.12.2003, Wpg 2002, 1151 und 2004, 138 Tz. 41. 12 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 18.9.2003 – X R 21/01, BFH/NV 2004, 306; BFH, Urt. v. 11.6.2006 – VIII R 32/04, BStBl. II 2007, 296; s. a. Buciek in Blümich, EStG/ KStG/GewStG, § 5 EStG Rz. 513a, m. w. N. 13 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 20.1.1999 – I R 69/97, BStBl. II 1999, 514; BFH, Urt. v. 2.3.2010 – I R 44/09, BFH/NV 2010, 1622. 14 Vgl. BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143. 15 Vgl. Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer zu Zweifelsfragen der Bilanzierung von asset-backed-securities-Gestaltungen und ähnlichen Transaktionen – IDW RS HFA 8 – i. d. F. v. 9.12.2003, Wpg 2002, 1151 und 2004, 138 Tz. 7 ff. 16 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 246 HGB Rz. 326; Buciek in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 5 EStG Rz. 740 ‚Asset-Backed Securities (ABS)‘; Geurts, DB 1999, 451; Hinz, DStR 1994, 1749; Ellrott/Roscher in Beck’scher Bilanzkommentar, 7. Aufl., § 247 HGB Rz. 112 f.; a. A. Häuselmann, DStR 1998, 826; Schmid, DStR 2010, 145.

300

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Merke: Factoring oder Forfaitierung mit Übergang des (wirtschaftlichen) Eigentums an der Forderung ist nur dann möglich, wenn das Bonitätsrisiko tatsächlich übergeht und nicht nur ein vorläufiger Kaufpreis vereinbart wird, der die Rückvergütung des Risikoabschlages den Verkäufer der Forderung vorsieht. Die Beurteilung ist anhand des normalen, typischen Geschehensablaufes vorzunehmen.

II. Negativer Kaufpreis beim Unternehmenskauf Der Fall ist dem Sachverhalt des Urteils des FG Düsseldorf vom 15.12.2010 (DStR 2011, 112) nachgebildet. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. 1. Sachverhalt Am Vermögen der A-KG ist ausschließlich der im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Kommanditist A beteiligt. Die C-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland ist die alleinige nicht am Vermögen der A-KG beteiligte Komplementärin. Sämtliche Anteile an der C-GmbH werden vom Kommanditisten A gehalten. Das Geschäftsjahr der A-KG entspricht dem Kalenderjahr. Aufgrund neuer rechtlicher Rahmenbedingungen geht der Kommanditist A von einem erheblichen Restrukturierungsaufwand aus, damit die A-KG ihren Geschäftsbetrieb fortsetzen kann. Nach langen Vertragsverhandlungen ist der Kommanditist A bereit die Hälfte seines Kommanditanteils an der A-KG an die B-GmbH, deren Sitz und Geschäftsleitung im Inland ist, für 1 Euro mit Wirkung zum 1. Januar 2008 zu veräußern. Das hälftige steuerliche Kapitalkonto des Kommanditisten A bei der A-KG beträgt zum 31.12.2007 500.000 Euro. Die Summe der anteiligen aktiven Wirtschaftsgüter in der Gesamthandsbilanz der A-KG beläuft sich auf 300.000 Euro. Die passiven Wirtschaftsgüter in der Gesamthandsbilanz enthalten keine stillen Reserven. Die aktiven Wirtschaftsgüter haben eine Restnutzungsdauer von 6 Jahren. In den Geschäftsjahren 2008 und 2009 erzielt die A-KG wider Erwarten jeweils einen handelsrechtlichen Jahresüberschuss in Höhe von 150.000 Euro. Dem steuerlichen Kapitalkonto der B-GmbH und des Kommanditisten A werden auf Ebene der Gesamthandsbilanz der A-KG jeweils 75.000 Euro pro Kalenderjahr gutgeschrieben. Die B-GmbH und der Kommanditist A haben die Gewinne der Jahre 2008 oder 2009 nicht entnommen. Mit Wirkung zum 1.1.2010 erwirbt die B-GmbH den restlichen Kommanditanteil an der A-GmbH zu einem Kaufpreis von 650.000 Euro (= 500 T Euro Buchwert + 150 T Euro stehen gelassener Gewinn). Die Summe 301

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht der anteiligen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter in der Gesamthandsbilanz der A-KG beläuft sich auf 650.000 Euro. Im Kalenderjahr 2010 tritt der erwartete Restrukturierungsaufwand ein. Der Jahresfehlbetrag in der steuerlichen Gesamthandsbilanz beläuft sich auf 375.000 Euro, den die B-GmbH in voller Höhe zu tragen hat. Die Geschäftsführung der B-GmbH bittet ihren Steuerberater, ihr die steuerbilanzielle Behandlung des gesamten Sachverhalts auf Ebene der A-KG zu erläutern. 2. Lösungshinweise Der Fall ist dem Sachverhalt des Urteils des FG Düsseldorf vom 15.12.2010 (DStR 2011, 112) nachgebildet. a) Bilanzierung der Anschaffungsvorgänge bei der B-GmbH Der Kaufpreis für den anteiligen Kommanditanteil liegt unter dem Betrag des zugehörigen positiven anteiligen Kapitalkontos laut steuerlicher Gesamthandsbilanz. Neben der wesentlichen Feststellung, dass die Veräußerung eines Kommanditanteils im vorliegenden Fall nicht zwingend als Schenkung zu qualifizieren ist, bekräftigte der BFH, dass nach dem allgemeinen Anschaffungskostenprinzip auch ein Erwerb unter Wert des anteiligen Eigenkapitals nicht zu einem Erwerbsgewinn führen darf.17 Der Minderbetrag muss in der Ergänzungsbilanz passiviert werden, damit das Anschaffungskostenprinzip umgesetzt bzw. der tatsächliche Kaufpreis ausgewiesen wird. Zu diesem Zweck müssen die auf die B-GmbH entfallenden Buchwerte der in der steuerlichen Gesamthandsbilanz ausgewiesenen Wirtschaftsgüter durch einen negativen Korrekturbetrag in der Ergänzungsbilanz der B-GmbH herabgesetzt werden. Der negative Korrekturbetrag ist in der Folge entsprechend des Verbrauchs der Wirtschaftsgüter gewinnerhöhend in der Ergänzungsbilanz aufzulösen.18 Entsprechend ist in der Ergänzungsbilanz der B-GmbH zum 1. Januar 2008 ein negativer Korrekturbetrag in Höhe von 300.000 Euro anzusetzen, der jährlich gewinnerhöhend in Höhe von 50.000 Euro (1/6 von 300.000 Euro) aufzulösen ist. Durch die Herabsetzung der aktiven Wirtschaftsgüter in der Ergänzungsbilanz der B-GmbH konnte nicht vollumfänglich der Differenzbetrag zwi-

17 Vgl. BFH, Urt. v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745. Zur Neutralität des Anschaffungsvorgangs beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei vergleichbarer Konstellation siehe BFH, Urt. v. 26.4.2006 – I R 49, 50/04, BStBl. II 2006, 656; hierzu Günkel, StbJb 2007/2008, S. 240 ff. 18 Vgl. BFH, Urt. v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht schen dem anteiligen steuerlichen Kapitalkonto laut Gesamthandsbilanz (bzw. übernommenes Vermögen) und anteiligen Kaufpreis korrigiert werden. Aus der Übernahme dieser Vermögensposition darf die B-GmbH jedoch keinen „Erwerbsgewinn“ erzielen, um die Neutralität des Anschaffungsvorgangs zu gewährleisten. Die B-GmbH hat für die genannte Vermögensposition nichts gezahlt. Es muss jedoch gewährleistet werden, dass sich insb. (i) im Falle des Ausscheidens der B-GmbH, (ii) der Liquidation der A-KG sowie (iii) im Fall von Jahresfehlbeträgen der A-KG auf Ebene der steuerlichen Gesamthandsbilanz für die B-GmbH keine Gewinnminderung ergibt. Dies wird erreicht, indem in der Ergänzungsbilanz der B-GmbH für den nicht durch die Herabsetzung zu verteilenden Minderbetrag ein passiver Ausgleichsposten gebildet wird, der gegen spätere Verlustanteile sowie bei gänzlicher oder teilweiser Beendigung der Beteiligung gewinnerhöhend aufgelöst wird.19 Der BFH-Rechtsprechung ist nicht zu entnehmen, ob der passive Ausgleichsposten auch ohne eine entsprechende Vermögensdisposition über den Kommanditanteil gewinnerhöhend aufzulösen ist. Auch im Rahmen seiner Entscheidung zur Übertragung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung mit Zuzahlung durch den Veräußerer lässt der BFH die Frage der Fortführung des passiven Ausgleichspostens offen.20 Die B-GmbH hat zum 1. Januar 2008 einen passiven Korrekturbetrag in ihrer Ergänzungsbilanz in Höhe von – 200.000 Euro auszuweisen.21 Zum 1. Januar 2010 entspricht der Kaufpreis dem anteiligen Kapitalkonto in der steuerlichen Gesamthandsbilanz. Die entsprechenden Kapitalkonten des Kommanditisten A sind auf die B-GmbH zu übertragen. Zum 1. Januar 2010 wird in der steuerlichen Gesamthandsbilanz ein Festkapitalkonto von 1.150.000 Euro (davon 500.000 Euro für die ersten 50 % und 500.000 Euro für die zweiten 50 % am Kommanditanteil) sowie ein variables Kapitalkonto von 300.000 Euro für die B-GmbH ausgewiesen. Das Ergänzungskapital der B-GmbH zum 1. Januar 2010 beläuft sich auf – 400.000 Euro, davon entfallen – 200.000 Euro als Korrekturbetrag zu den aktiven Wirtschaftsgütern (4/6 von 300.000 Euro) und – 200.000 Euro auf den passiven Ausgleichsposten.

19 Vgl. BFH, Urt. v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745; BFH, Urt. v. 12.12.1996 – IV R 77/93, BStBl. 1998, 180. Der noch vom Schleswig-Holsteinisches FG vom 5.12.2003 – 1 K 973/97 und 1 K 974/97, EFG 2004, 1324 favorisierte Ausweis eines negativen Geschäftswerts wurde verworfen. 20 Vgl. BFH, Urt. v. 26.4.2006 – I R 49, 50/04, BStBl. II 2006, 656. 21 Preißer und Preißer bezeichnen dieses Vorgehen des BFH als Kombinationstheorie, DStR 2011, 133.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht b) Auflösung des passiven Korrekturbetrags durch Verrechnung mit den Verlusten 2010 Mangels Rechtsprechung wurden im Schrifttum verschiedene Thesen zu der Frage vertreten, wie ein passiver Korrekturbetrag, der in der Ergänzungsbilanz für den nicht durch die Herabsetzung der Wirtschaftsgüter der Gesamthandsbilanz zu verteilenden Minderbetrag gebildet wurde, aufzulösen ist (sofortige Auflösung, lineare Auflösung oder bis hin zu Beibehaltung).22 Das FG Düsseldorf setzt sich nun erstmalig zutreffend mit Detailfragen der Fortschreibung des Ausgleichspostens auseinander.23 Grundlage für das Urteil des FG Düsseldorf bildet die Rechtsprechung des BFH, nach der für einen Erwerber mehrerer Geschäftsanteile nur eine Ergänzungsbilanz zu führen ist.24 Sollte es nach der Bildung des passiven Ausgleichspostens zu einem Erwerb weiterer Geschäftsanteile kommen, in dessen Folge es zu einer (weiteren) Auf- oder Abstockung der Anschaffungskosten an den anteiligen Wirtschaftsgütern des Erwerbers in der Ergänzungsbilanz kommt, kann dies keinen Einfluss auf die Höhe des ursprünglich gebildeten passiven Ausgleichspostens haben. Sofern der Erwerber seinen Anteil an der Kommanditgesellschaft nicht veräußert bzw. die Kommanditgesellschaft nicht liquidiert wird, soll der passive Ausgleichsposten bis zu seiner Aufzehrung ausschließlich in Höhe der laufenden Verluste, die auf den Erwerber entfallen, aufgelöst werden. Hierdurch wird gewährleistet, dass laufende Verluste durch den Erwerber bis zur vollständigen Aufzehrung des passiven Ausgleichspostens nicht genutzt werden können. Sofern die Kommanditgesellschaft in den Zeiträumen nach der Bildung des passiven Ausgleichspostens aber zunächst laufende Gewinne erwirtschaftet, soll eine Verlustverrechnung in Höhe der Summe der durch den Erwerber erwirtschafteten laufenden Gewinne möglich sein. Hierdurch wird nach Auffassung des FG Düsseldorf gleichzeitig gewährleistet, dass Einklang mit den Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH hergestellt wird, nach denen Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, zum Ansatz eines Korrekturpostens führen, der dann (insoweit) zum Ausgleich i. S. v. § 15a EStG von späteren Wirtschaftsjahren zur Verfügung steht.25 Indem das FG Düsseldorf von Verlusten spricht, die auf den alten bzw. neuen Anteil entfallen, geht das FG Düsseldorf nicht konkludent davon aus, dass ausschließlich für die Frage der Bestimmung des gewinnerhöhenden Verzehrs des passiven Ausgleichsposten eine Aufteilung des laufenden Verlustes auf 22 Vgl. Meier/Gebert, DStR 2011, 733 m. w. N. 23 Vgl. FG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2010 – 15 K 2784/09 F (vorl. n. rkr.), DStR 2011, 112. 24 Vgl. BFH, Urt. v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745. 25 Vgl. BFH, Urteil v. 14.10.2003 – VIII R 32/01, BStBl. II 2004, 359.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht den alten und neuen Kommanditanteil vorgenommen werden muss. Es soll lediglich gewährleistet werden, dass nur der Gewinn zur Verrechnung mit Verlusten zur Verfügung steht, der vom Erwerber im Zeitraum nach der Bildung des passiven Ausgleichspostens auch tatsächlich versteuert wurde. Von der B-GmbH wurden im vorliegenden Fall lediglich 150.000 Euro (je 75.000 Euro pro Kalenderjahr) versteuert. Der Jahresfehlbetrag 2010 laut steuerlicher Gesamthandsbilanz in Höhe von 375.000 Euro vermindert sich um die gewinnerhöhende Auflösung aus der Abstockung der aktiven Wirtschaftsgüter in Höhe von 50.000Euro (1/6 von 300.000 Euro). Es ergibt sich somit ein Verlust in Höhe von 325.000 Euro vor einer möglichen Auflösung des passiven Ausgleichspostens. Der Auflösungsbetrag des passiven Ausgleichspostens beläuft sich auf 175.000 Euro (Verlust in Höhe von 325.000 Euro vermindert um die von der B-GmbH versteuerten Gewinne in Höhe von 150.000 Euro). Das Ergänzungskapital der B-GmbH zum 31. Dezember 2010 beläuft sich auf – 175.000 Euro, davon entfallen – 150.000 Euro als Korrekturbetrag zu den aktiven Wirtschaftsgütern und – 25.000 Euro auf den passiven Ausgleichsposten. 3. Fazit Das Urteil des FG Düsseldorf stellt dogmatisch zutreffend dar, dass ein passiver Ausgleichsposten (sog. Badwill) nicht im Gewinnfall, sondern nur im Verlustfall aufzulösen ist. Eine Auflösung des passiven Ausgleichspostens hat nicht in Höhe der vom Erwerber zunächst versteuerten Gewinne zu erfolgen. Die vorstehenden Grundsätze lassen sich uneingeschränkt auf vergleichbare Asset-Deal-Transaktionen übertragen.26

III. Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen eines Unternehmenskaufs 1. Sachverhalt Die X-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland hat durch Kaufund Übertragungsvertrag sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden der Y-GmbH im Wege eines Asset Deals übernommen. Die Y-GmbH weist steuerlich im Zeitpunkt der Veräußerung ein Grundstück mit einem Buchwert von 200.000 Euro und eine abgezinste Darlehensverbindlichkeit (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) von 40.000 Euro aus. Die stillen Reserven des Grundstücks betragen 100.000 Euro, der Nennwert des un26 Vgl. Meier, DStR 2011, 115.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht verzinslichen Darlehens 50.000 Euro. Gegenstand des Asset Deals war auch ein Mietvertrag, der für die Y-GmbH keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr versprach. Die Y-GmbH hatte handelsrechtlich eine entsprechende Rückstellung für drohende Verluste i. S. v. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i. H. v. 100.000 Euro für noch zu zahlende Mieten gebildet (abgezinster Wert), die aufgrund des Passivierungsverbots gemäß § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG in der Steuerbilanz nicht angesetzt wurde. Variante (a): Die X-GmbH hat den Mietvertrag mit Zustimmung des Vermieters übernommen und die Mietzahlungsverpflichtung sowie das Darlehen kaufpreismindernd berücksichtigt. Variante (b): Die Y-GmbH ist weiterhin die vertraglich Verpflichtete aus dem Mietvertrag. Die X-GmbH hat sich im Kauf- und Übertragungsvertrag verpflichtet, die Y-GmbH im Innenverhältnis von den künftigen Zahlungspflichten freizustellen. Den zu zahlenden Kaufpreis berechnen die Vertragsparteien wie folgt: Grundstück

300.000 Euro

Übernommene Darlehensverbindlichkeit

./. 50.000 Euro

Mietzahlungs- bzw. Freistellungsverpflichtung

./.100.000 Euro

zu zahlender Kaufpreis

150.000 Euro

Fraglich ist, welche Auswirkungen sich im Hinblick auf die Drohverlustrückstellung und die unverzinsliche Darlehensverbindlichkeit in der Steuerbilanz der erwerbenden X-GmbH und bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Y-GmbH ergeben. 2. Lösungshinweise Die Bilanzierung der Übernahme steuerlich nicht passivierungsfähiger Rückstellungen war bereits mehrfach Gegenstand der Erörterung auf dem Fachkongress.27 Es geht um die Problematik, wie beim Erwerb von Vermögensgegenständen unter gleichzeitiger Übernahme von Schulden im Wege eines sog. Asset Deal die in der Steuerbilanz des Verkäufers aufgrund des Passivierungsverbots gemäß § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG nicht passivierten Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften beim Erwerber steuerbilanziell zu behandeln sind und welche Bedeutung das Passivierungsverbot für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns des Veräußerers hat. Hierzu hatte der BFH in den letzten Jahren zwei für die Steuerpflichtigen erfreuliche Entscheidungen verkündet.28 27 Vgl. Günkel, StbJb 2002/2003, S. 291 ff.; ders. in StbJb 2005/2006, S. 262 ff.; ders. in StbJb 2008/2009, S. 299 ff.; ders. in StbJb 2009/2010, S. 350 ff.; ders. in StbJb 2010/2011, S. 270 ff.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Wegen der Begrenzung auf das Klagebegehren und den jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt decken die Entscheidungen jedoch nicht alle Fälle der Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen eines Unternehmenskaufs ab. Im Zusammenhang mit den BFH-Entscheidungen hat die Finanzverwaltung am 24.6.2011 ein BMF-Schreiben29 zu den bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalten bei Übernahme von schuldrechtlichen Verpflichtungen herausgegeben. Darin werden unter anderem auch bisher vom BFH nicht entschiedene Fallgestaltungen angesprochen. a) Rechtsprechung Der BFH hatte sich in zwei Urteilen mit Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften bei Betriebsveräußerungen zu befassen. In beiden Urteilen waren Verlustursache jeweils wirtschaftlich nutzlose Mietverträge, die sich kaufpreismindernd auswirkten. Das Urteil des BFH vom 17.10.200730 befasst sich mit der Frage, wie der Veräußerungsgewinn für den Veräußerer im Falle der Schuldübernahme durch den Erwerber zu ermitteln ist. Der BFH entschied, dass bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns die vom Erwerber übernommenen betrieblichen Schulden, die aufgrund eines Rückstellungsverbots (drohender Verlust aus einem Mietvertrag) in der Steuerbilanz des Veräußerers nicht passiviert worden sind, nicht gewinnerhöhend zum Veräußerungspreis hinzuzurechnen sind. Das Rückstellungsverbot dürfe nicht dazu führen, dass sich steuerlich bisher nicht berücksichtigte Verluste auch bei Realisierung, hier durch Übernahme der Verbindlichkeit gegen Kaufpreisreduzierung, nicht auswirkten.31 Mit Urteil vom 16.12.200932 hatte der BFH über die Auswirkungen der Übernahme von drohenden Verlusten aus einem schwebenden Geschäft auf der Erwerberseite zu entscheiden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Erwerber die Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nicht übernommen, sondern sich verpflichtet, den Veräußerer von den Mietzahlungen freizustellen. Der BFH entschied, dass die Übernahme der Mietzahlungsverpflichtung im Wege der Freistellung zwar Teil des Entgelts und damit der Anschaffungskosten des Erwerbers sei, dass aber ein Anschaffungsgewinn bei diesem nicht entstehe, weil die Freistellungsverpflich28 Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2007 – I R 61/06, BStBl. II 2008, 555; BFH, Urt. v. 16.12.2009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566. 29 Vgl. BMF, Schr. v. 24.6.2011 – IV C 6 – S 2137/0 – 03, DStR 2011, 1226. 30 Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2007 – I R 61/06, BStBl. II 2008, 555. 31 Vgl. hierzu im Einzelnen Günkel, StbJb 2009/2010, S. 350 ff.; Ley, DStR 2007, 589. 32 Vgl. BFH, Urt. v. 16.12.2009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht tung von ihm in Handels- und Steuerbilanz nach den für ungewisse Verbindlichkeiten geltenden Grundsätzen zu passivieren sei.33 Im Urteil vom 16.12.2009 ließ der BFH jedoch offen, ob dies auch dann gilt, wenn der Erwerber im Wege der Vertragsübernahme in den Mietvertrag eintritt. Ein solcher Fall ist unter dem Aktenzeichen I R 72/10 beim BFH anhängig. In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine GmbH den Betrieb einer anderen GmbH im Wege des Asset Deals erworben und hierbei Jubiläumsrückstellungen und Rückstellungen für Verpflichtungen gegenüber dem Pensionssicherungsverein nach § 613a BGB übernommen, die bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt wurden. Die Vorinstanz, das FG Düsseldorf, entschied in seinem Urteil vom 29.6.2010, dass die vom BFH im Urteil vom 16.12.2009 aufgeführten Grundsätze auch für den Fall der Vertragsübernahme anzuwenden seien.34 Das Prinzip der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen müsse bei allen Anschaffungsvorgängen, in denen die Rückstellungsbeträge die Anschaffungskosten beeinflusst haben, unabhängig von ihrer rechtlichen Ausgestaltung gelten. b) Finanzverwaltung Das BMF unterscheidet in seinem Schreiben vom 24.6.2011 zwischen der echten Schuldübernahme und der bloßen Schuldfreistellung. Bei der Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) übernimmt ein Dritter durch Vertrag unter Mitwirkung des Gläubigers eine Schuld in der Weise, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt (Schuldnerwechsel). Bei der Schuldfreistellung (Erfüllungsübernahme) wird die Schuld demgegenüber nicht übernommen, sondern sie besteht unverändert fort und der Dritte verpflichtet sich dem Schuldner gegenüber, ihn von den künftigen Leistungspflichten aus der Schuld freizustellen, etwa die von dem Schuldner zu zahlende Miete an den Vermieter zu entrichten. Von der Schuldübernahme, die die Übertragung einer einzelnen Verpflichtung betrifft, ist die Vertragsübernahme zu unterscheiden, bei der das Vertragsverhältnis in seiner Gesamtheit mit allen Rechten und Pflichten auf den Dritten übergeht. Der Übernehmer erwirbt bei ihr auch etwaige Ansprüche auf die Gegenleistung, z. B. bei einem Mietvertrag den Anspruch auf Nutzungsüberlassung. Das BMF-Schreiben behandelt Schuldübernahme und Vertragsübernahme gleich, die Schuldfreistellung jedoch abweichend. Das BMF kommt daher für den vorliegenden Sachverhalt zu folgendem Ergebnis:

33 Vgl. hierzu im Einzelnen Günkel in StbJb 2010/2011, S. 270 ff. 34 Vgl. FG Düsseldorf, Urt. v. 29.6.2010 – 6 K 7287/00 K, EFG 2011, 34.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Variante (a): Die Verkäuferin Y-GmbH erleidet einen Veräußerungsverlust i. H. v. 10.000 Euro: Kaufpreis

150.000 Euro

Buchwert des veräußerten Vermögens Grundstück

200.000 Euro

Darlehensverbindlichkeit

–40.000 Euro

Veräußerungsverlust

–160.000 Euro – 10.000 Euro

Das BMF folgt damit bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns dem Urteil des BFH vom 17.10.2007. Der drohende Verlust aus dem Mietvertrag wird durch die Kaufpreisminderung realisiert. Das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG, welches nur die vorgezogene Erfassung von drohenden Verlusten vermeiden will, steht der Berücksichtigung nicht entgegen. Die Käuferin X-GmbH muss nach Auffassung des BMF im Zeitpunkt des Erwerbs den drohenden Verlust aus dem Mietvertrag (100.000 Euro) und den Nennbetrag des Darlehens (50.000 Euro) in ihrer Steuerbilanz passivieren. Der BMF folgert dies aus dem Grundsatz der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs, den der BFH in seiner Rechtsprechung mehrfach hervorgehoben hat. Zum folgenden Bilanzstichtag soll die X-GmbH die Drohverlustrückstellung in der Steuerbilanz aber entsprechend § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG aufzulösen und das Darlehen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen haben. Das Gebot der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs gelte in der Folgebilanz nur insoweit, als keine steuerlichen Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte bestünden. Es ergebe sich danach zum Ende des Wirtschaftsjahres eine Gewinnerhöhung von 110.000 Euro. Die übernommene Mietzahlungsverpflichtung sei keine (gewisse) Verbindlichkeit, da die zukünftigen Mieten noch nicht entstanden seien und ein schwebendes Geschäft vorliege, für das mangels Erfüllungsrückstands steuerlich keine Rückstellung passiviert werden könne (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG). Variante (b): Im Falle der Freistellung führt der drohende Verlust aus dem Mietvertrag nach Ansicht des BMF zur Bilanzierung von Ansprüchen und Verbindlichkeiten bei den Vertragsparteien. Die Y-GmbH habe den Freistellungsanspruch von 100.000 Euro gegen die X-GmbH gewinnerhöhend zu aktivieren. In den Folgejahren werde der Anspruch durch die Erstattungen der X-GmbH erfüllt. Die Erstattungen werden deshalb erfolgsneutral mit dem aktivierten verrechnet. Andererseits führen die von der Y-GmbH als Mieterin gezahlten Mieten im Zeit309

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht punkt des Abflusses bei ihr zu Betriebsausgaben. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass bei der Y-GmbH unabhängig vom Verkauf des Unternehmens eine Drohverlustrückstellung zurückbleibt. Die X-GmbH habe eine Freistellungsverpflichtung auszuweisen, die sich mit den Zahlungen an die Y-GmbH erfolgsneutral verringere. Nach Tz. 9 des BMF-Schreibens sollen die dargestellten Ergebnisse unabhängig davon gelten, in welchem Zusammenhang eine Übertragung erfolgt. Es sei bilanzsteuerrechtlich unerheblich, ob eine Verpflichtung einzeln, im Rahmen eines entgeltlichen Betriebsübergangs nach § 613a BGB, bei einem sog. Asset Deal oder bei einer Übertragung nach § 123 UmwG erfolge. Die bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte blieben in allen Fällen weiter maßgebend. c) Stellungnahme Die BFH-Urteile vom 17.10.2007 und vom 16.12.2009 waren und sind Gegenstand intensiver Diskussion in der Literatur.35 Allgemein wurde angesichts der zunächst nicht erfolgten Veröffentlichung des Urteils aus dem Jahr 2009 im Bundessteuerblatt mit einer Reaktion der Finanzverwaltung gerechnet, die in Gestalt des BMF-Schreibens vom 24.6.2011 nunmehr vorliegt. In den Fällen der Schuldübernahme und der Vertragsübernahme folgt das BMF für den Veräußerer der Rechtsprechung des BFH. Dies ist zu begrüßen. Abzulehnen ist hingegen die Auffassung des BMF im Hinblick auf die Behandlung beim Erwerber. – Hinsichtlich der Übernahme der Darlehensverpflichtung geht das BMF in Abkehr zu der allgemeinen Bestimmung der Anschaffungskosten bei Erwerb eines Wirtschaftsguts unter Eingehung oder Übernahme einer unverzinslichen Verbindlichkeit mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten36 davon aus, dass diese mit dem Nominalwert der Verbindlichkeit anzusetzen seien. Richtigerweise ist hier jedoch der abgezinste Betrag anzusetzen, so dass sich die Frage der Anwendung einer abweichenden Bewertungsvorschrift zum folgenden Bilanzstichtag nicht stellt. Die X-GmbH hat daher die Darlehensverbindlichkeit im Zeit35 Vgl. Ley, DStR 2007, 591; Bogenschütz, Ubg 2008, 138; Koch, BB 2008, 2736; Hoffmann, GmbH-StB 2009, 145; Buciek, FR 2009, 425; Wendt, FR 2009, 427; Schultz, DB 2010, 364, Hahne, BB 2010, 496; Emig/Walter, NWB 2010, 2127. 36 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 6 Rz. 83; Ehmke in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 6 EStG, Rz. 194, 278; Entgelt ist auch die Übernahme der Verbindlichkeiten, vgl. Kulosa in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 6 Rz. 576; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 6 EStG, Rz. 287 Stichwort „Schuldübernahme“; BFH, Urt. v. 31.5.1972 – I R 49/96, BStBl. II 1972, 696.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht punkt des Erwerbs mit 40.000 Euro in ihrer Steuerbilanz anzusetzen, das Grundstück dementsprechend mit 290.000 Euro. Die abweichende Ermittlung des Barpreises durch die Vertragsparteien ist irrelevant.37 – Für die Bilanzierung des drohenden Verlusts aus dem Mietvertrag ist die – zutreffende – Prämisse des BFH entscheidend, dass auch steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierte Verbindlichkeiten Entgelt und damit Teil der Anschaffungskosten sind. Wenn dem so ist und der Grundsatz der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs die gesetzliche Regelung des § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG verdrängt, wovon auch das BMF ausgeht, so hat dies nicht nur für den Erwerbszeitpunkt, wie das BMF meint, sondern auch für die Folgeperioden zu gelten. Andernfalls würde „phasenverschoben“ gerade der „Erwerbsgewinn“ ausgewiesen, der dem Anschaffungskostenbegriff und –verständnis fremd ist.38 Dieser Ansicht scheint auch der BFH zu sein, wenn er in seinem Urteil vom 16.12.2009 ausführt, es gehe fehl, „den eigentlichen Anschaffungsvorgang von der (nachfolgenden) Bilanzierung auf den Bilanzstichtag und auf diese Weise den erfolgsneutralen Anschaffungsvorgang und den rückstellungsgesperrten Bilanzansatz voneinander zu trennen.“39 Die Finanzverwaltung will nach dem Entwurf des Umwandlungssteuererlasses dagegen auch im Falle der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder eines entsprechenden Formwechsels Verbindlichkeiten, die in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers zulässigerweise ohne Berücksichtigung rein steuerlicher Passivierungsverbote angesetzt worden sind, in die Übernahmebilanz des übernehmenden Rechtsträgers übernehmen, diese in der Folgebilanz jedoch gewinnwirksam auflösen.40 Das wird im Schrifttum und vom IDW zu Recht kritisiert.41 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die vom BMF befürwortete Anwendung des § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG in Folgeperioden bei einer Schuldübernahme – im Gegensatz zur hier vorliegenden Vertragsübernahme – von vornherein ausscheidet.42 Denn auf Seiten des Erwerbers liegt bei dieser Gestaltung kein Verlust aus einem schwebenden Geschäft 37 Vgl. auch Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O.: Wird eine Verbindlichkeit mit einem höheren als dem gemeinen Wert auf den Kaufpreis angerechnet, so bedeutet das, dass der Anschaffungspreis des Gegenstandes in Wirklichkeit niedriger ist, als die Beteiligten ihn angeben. 38 Ebenso Schlotter/Pinkernell, FR 2011, 689, 695 f.; Höhn/Geberth, DB 2011, 1775, 1776 f.; U. Prinz/Adrian, BB 2011, 1646, 1647. 39 BFH, Urt. v. 16.12.2009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566, unter II. 4. a (Rz. 13). 40 Vgl. Entwurf UmwSt-Erlass (Stand 15.6.2011), Tz. 04.16. 41 Vgl. Bogenschütz, Ubg 2011, 393; Stellungnahme des IDW zum Umwandlungssteuererlass-Entwurf v. 22.6.2011, 3; in diesem Sinne auch Schlotter/Pinkernell, FR 2011, 689, m. w. N. 42 Ebenso Roser, EStB 2011, 302, 304.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht vor. Die übernommene Verbindlichkeit ist vielmehr nach den gleichen Grundsätzen zu behandeln wie die vorstehend dargestellte Übernahme der Darlehensverpflichtung.43 Zuzustimmen ist der Auffassung des BMF im Freistellungsfall für die steuerliche Behandlung auf Seiten des Erwerbers. Zu ergänzen ist insoweit lediglich, dass die Abzinsung der Freistellungsverpflichtung bei einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a Buchst. e EStG) nicht erst zum Ende des Wirtschaftsjahrs vorzunehmen ist, in dem der Erwerb stattgefunden hat, sondern bereits im Zugangszeitpunkt. Sie wirkt sich dementsprechend auf die Höhe der Anschaffungskosten der erworbenen Wirtschaftsgüter aus und ist im Erwerbszeitpunkt erfolgsneutral.44 Der vom BMF befürwortete Ansatz eines Freistellungsanspruchs auf Veräußererseite lässt sich mit bilanziellen Grundsätzen begründen, sofern der Erwerber nicht zusätzlich einen Schuldbeitritt erklärt.45 Eine Verrechnung mit der steuerlich nicht ansatzfähigen Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist bilanziell grundsätzlich nicht möglich.46 Das Ergebnis erscheint unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips aber problematisch. Denn die bloße Freistellung von einer Schuld würde damit zunächst zu einem höheren steuerlichen Betriebsvermögen des Veräußerers führen als die viel weitgehendere Schuldbefreiung durch Schuldübernahme oder Freistellung mit Schuldbeitritt. Letztere bewirkt nämlich, dass die steuerlich nicht bilanzierte Drohverlustrückstellung wegfällt; eine Erhöhung des steuerlichen Betriebsvermögens ist damit – anders als bei der Aktivierung eines Freistellungsanspruchs – nicht verbunden. Zur Vermeidung dieses Wertungswiderspruchs erscheint es sachgerecht, in Fällen der Freistellung von einem Passivum, das einem Ansatzverbot unterliegt, nach Sinn und Zweck des Gesetzes auch den korrespondierenden Freistellungsanspruch 43 Vgl. dort auch zur Abzinsung. 44 Unklar für den Zugangszeitpunkt BMF-Schreiben v. 24.6.2011, Tz. 8; a. A. Schlotter/Pinkernell, FR 2011, 689, 696; Höhn/Geberth, DB 2011, 1775, 1778: keine Abzinsung, auch nicht in Folgeperioden. 45 Vgl. zur handelsbilanziellen Behandlung der Erfüllungsübernahme mit und ohne Schuldbeitritt IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsrechtliche Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen (IDW RS HFA 30), WPg Supplement 4/2010, 54 ff., Tz. 101 f.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997 ff., § 246 HGB, Tz. 418, 422, § 249 HGB, Tz. 92; für die Steuerbilanz M. Prinz, FR 2011, 551, ff. 555 ff.; zu Schuldbeitritt FG Münster, Urt. v. 19.8.2009 – 11 K 2899/06 F, EFG 2009, 1922 (Rev. eingelegt, Az: BFH IV R 43/09); a. A. für Schuldbeitritt BMF, Schr. v. 16.12.2005 – IV B 2 – S 2176 – 103/05, BStBl. I 2005, 1052. 46 Vgl. auch M. Prinz, FR 2011, 551, 554 f.; Schlotter/Pinkernell, FR 2011, 689, 697.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht dem Verbot zu unterwerfen.47 Zu dem gleichen Ergebnis führt auch eine andere Überlegung: Durch den Verkauf des Unternehmens und die erfolgte Anrechnung des drohenden Verlustes auf den (Bar-) Kaufpreis ist der Verlust realisiert und nicht mehr drohend. Er wird auch tatsächlich nicht mehr beim Verkäufer eintreten, weil er vom Erwerber vom Verlust freigestellt wird. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, analog zu § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c) EStG die bestehende Verpflichtung zur Mietzahlung und den Anspruch aus der Freistellung zu saldieren. Das schwebende Geschäft „Mietvertrag“ führt nicht zu einem Verlust wegen der Ausgleichsverpflichtung und muss deshalb nicht (mehr) bilanziert werden. 3. Fazit Das BMF-Schreiben vom 24.6.2011 ist grundsätzlich zu begrüßen, entspricht aber nicht vollumfänglich der Rechtsprechung und den Ausführungen des BFH im Urteil vom 16.12.2009. Die Differenzierung des BMF zwischen Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB (einschließlich Vertragsübernahme) einerseits und Schuldfreistellung (Erfüllungsübernahme) andererseits führt trotz wirtschaftlicher Vergleichbarkeit beider Fälle zu einer unterschiedlichen Besteuerung von Veräußerer und Erwerber. Während die Vertragsübernahme für den Erwerber steuerlich ungünstiger ist, ergeben sich bei der Schuldfreistellung für den Veräußerer nachteilige steuerliche Folgen. Abzulehnen ist die vom BMF angenommene „phasenverschobene“ Entstehung eines „Anschaffungsgewinns“. Sie steht mit dem von der Rechtsprechung herausgestellten Grundsatz der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs nicht in Einklang.

IV. Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung keine Anschaffungskosten 1. Sachverhalt M GmbH ist zu 100 % an der T GmbH und zu jeweils 6 % an E 1 GmbH und E 2 GmbH beteiligt. Die restlichen Anteile von jeweils 94 % an E 1 GmbH und E 2 GmbH werden von T GmbH gehalten. Zum Betriebsvermögen der E 1 GmbH und der E 2 GmbH gehören inländische Grundstücke. Sämtliche Gesellschaften haben Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland. Die M GmbH bringt ihre Anteile an E 1 GmbH und E 2 GmbH im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung in die T GmbH ein. Die T GmbH 47 Gegen die Erhöhung des Betriebsvermögens durch Ansatz des Freistellungsanspruchs im Ergebnis auch Schlotter/Pinkernell, FR 2011, 689, 697; Roser, EStB 2011, 302, 305; a. A. Höhn/Geberth, DB 2011, 1775, 1777.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht ist nach der Einbringung zu 100 % an E1 GmbH und E 2 GmbH beteiligt. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Nr. 2 b) GrEStG sind nicht erfüllt. Die Einlage der Anteile führt zu einer Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG und zur Festsetzung von GrESt gegenüber T GmbH als Steuerschuldner nach § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG (Erwerber als Steuerschuldner).48 Die Zahlungen für die GrESt behandelt die T GmbH als laufende Betriebsausgabe. Das Finanzamt vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Aufwendungen für die GrESt um aktivierungspflichtige Anschaffungsnebenkosten für die eingebrachten Beteiligungen an E1 GmbH und E2 GmbH handelt. Der Leiter Rechnungswesen der Unternehmensgruppe bittet seinen Steuerberater um Einschätzung der Erfolgsaussichten eines außergerichtlichen und ggf. auch gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens gegen die vorliegenden Ertragsteuerfestsetzungen. 2. Lösungshinweise Es war umstritten, ob es sich bei der infolge einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG entstehenden Grunderwerbsteuer um Anschaffungsnebenkosten der erworbenen Anteile oder um sofort abzugsfähige Betriebsausgaben handelt. a) Finanzverwaltung Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt die bei einem Wechsel im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG oder bei einer Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG entstehende Grunderwerbsteuer Anschaffungsnebenkosten i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB dar.49 Sie gehört demnach nicht zu den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Die Verfügungen enthalten keine Begründung für diese Auffassung und verweisen lediglich auf ein Urteil des Finanzgerichts München50, das die Grunderwerbsteuer bei einer Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG ebenfalls den Anschaffungsnebenkosten i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB zugeordnet hatte. Bei der (nicht veröffentlichten) abweichenden Verfügung der OFD Hamburg vom 7. April 1998 handele es sich um eine Einzelfallentscheidung, an welcher die Finanzbehörden nicht mehr festhalten. 48 Die Konzernklausel des § 6a GrEStG kommt nicht zur Anwendung, da § 6a GrEStG nur Umwandlungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG erfasst. 49 Bayerisches Landesamt für Steuern, Verf. v. 20.8.2007 – S-2171 – 4 St 3203, DStR 2007, 1679, FinMin Schleswig-Holstein v. 27.3.2008 – VI 30 – S-2171 – 063. 50 FG München, Urt. v. 21.6.2005 – 2 K 3182/02, EFG 2007, 252.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht b) Rechtsprechung der Finanzgerichte Auch nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte gehört die durch Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG entstehende Grunderwerbsteuer zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungsnebenkosten i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB für die erworbenen Anteile.51 Das FG München führt aus, dass die Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft und nicht die Übertragung der Grundstücke den Anknüpfungspunkt für die Besteuerung bildet. Es handele sich daher um unmittelbare Folgekosten der Anteilsübertragung, die diesem Anschaffungsvorgang auch wirtschaftlich zuzuordnen sind. Das FG Düsseldorf räumt zwar ein, dass die Grunderwerbsteuer nicht „für“ den Anteilserwerb zu entrichten, da die Vereinigung der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft und nicht der Anteilserwerb als solcher der Grunderwerbsteuer unterliegt. Allerdings sei entscheidend, dass die Grunderwerbsteuer durch Übertragung der Anteile an der (grundstücksbesitzenden) Gesellschaft ausgelöst werde und daher in einem (unmittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Anteilserwerb stehe. Es komme auch nicht auf einen finalen Zusammenhang mit der Anschaffung an, wenn die Aufwendungen – wie im vorliegenden Fall – auf einer steuerlichen Belastung beruhen. Die Revisionen gegen die Urteile des FG Düsseldorf und des FG BadenWürttemberg hatten – wie nachfolgend dargestellt wird – Erfolg. Im Fall des FG München war die Revision wegen Fristversäumung unzulässig. c) Rechtsprechung des BFH Das Urteil des FG Düsseldorf vom 8.12.2009 wurde vom BFH mit Urteil vom 20.4.2011 aufgehoben.52 Der Urteilsfall war mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs sind die infolge einer Anteilsvereinigung festgesetzten Grunderwerbsteuern nicht als Anschaffungsnebenkosten i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB der durch Sacheinlage erworbenen Anteile zu aktivieren. Die Grunderwerbsteuer gehört somit zu den abziehbaren Betriebsausgaben der erwerbenden Gesellschaft. Der Bundesfinanzhof geht ausführlich auf den Begriff der Anschaffungskosten i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB ein und führt aus, dass Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts nur solche Kosten sein können, die der 51 FG München, Urt. v. 21.6.2005 – 2 K 3182/02, EFG 2007, 252; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.7.2009 – 6 K 2349/08; FG Düsseldorf, Urt. v. 8.12.2009 – 6 K 4720/07 K,F, EFG 2010, 666. 52 Vgl. BFH, Urt. v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Anschaffung dieses Wirtschaftsguts nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch tatsächlich zuzuordnen sind. Es komme dabei auf die Zweckbestimmungen der Aufwendungen (finaler Anschaffungskostenbegriff) und nicht auf einen bloßen kausalen oder zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung an. Der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB ist auch für steuerbilanzielle Zwecke zugrunde zu legen, da das Einkommensteuergesetz keine eigenständige Definition enthält. Gegenstand der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG sei nicht Anteilserwerb als solcher, sondern der fiktive Erwerb der zum Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke. Dieser fiktive Erwerb findet im Ertragsteuerrecht keine Entsprechung, da sich die Grundstücke nach dem Anteils(zu)erwerb unverändert im zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum der Tochtergesellschaften befinden. Die Grunderwerbsteuer könne jedoch nicht deshalb dem Anteilserwerb als Anschaffungskosten zugeordnet werden, weil es für ertragsteuerliche Zwecke an einem entsprechenden Erwerbsvorgang fehle. Es bestehe kein finaler Zusammenhang zwischen dem Aufwand aus der Grunderwerbsteuer und den erworbenen Anteilen. Ein solcher finaler Zusammenhang mit der Anschaffung eines Wirtschaftsguts muss nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch bei gesetzlich festgelegten Aufwendungen bestehen. Die Richtigkeit dieses Lösungsansatzes zeigt sich nach Ansicht des BFH auch daran, dass eine Aktivierung der GrESt insbesondere beim Erwerb von sog. „Zwergenanteilen“ zu überhöhten und deshalb wenig sachgerechten Bilanzierungsansätzen führen könnte. Das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 7.7.2009 wurde vom BFH mit Urteil vom 14.3.2011 aufgehoben.53 Die Frage, ob die infolge der Anteilsvereinigung anfallende Grunderwerbsteuer als Anschaffungskosten der übertragenen Anteile aktiviert werden muss, stellte sich im Urteilsfall jedoch nicht. Die im Wege der verdeckten Einlage aus dem nicht steuerverstrickten Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übertragenen Anteile waren vielmehr nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 HS 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen. In seinem Urteil vom 14.3.2011 hat der BFH daher lediglich entschieden, dass die Grunderwerbsteuer bei der Bemessung des Teilwerts der eingelegten Anteile nicht zu berücksichtigen ist. Abschließend weist der BFH noch darauf hin, dass die Grunderwerbsteuer auch nicht den Anschaffungskosten der vor der Anteilsvereinigung bereits gehaltenen Anteile zugeordnet werden kann, da sie nicht durch den Erwerb dieser Anteile verursacht worden sei.

53 Vgl. BFH, Urt. v. 14.3.2011 – I R 40/10, BFH/NV 2011, 1556.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht d) Stellungnahme Mit der Entscheidung des BFH vom 20.4.2011 werden die Unsicherheiten beseitigt, welche – vor dem Hintergrund der Verwaltungsauffassung und der Rechtsprechung der Finanzgerichte – im Hinblick auf die bilanzielle Behandlung der infolge von Anteilsvereinigungen i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG anfallenden Grunderwerbsteuern bestanden. Der BFH hat eine Aktivierung der anfallenden Grunderwerbsteuer als Anschaffungskosten der übertragenen Anteile zutreffend abgelehnt und dies vor dem Hintergrund des handelsrechtlichen und damit auch des steuerbilanziellen Anschaffungskostenbegriffs systematisch überzeugend begründet. Die infolge des Erwerbs eines Grundstücks nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anfallende Grunderwerbsteuer stellt – zutreffend – Anschaffungsnebenkosten i. S. d. § 255 Abs. 1 S. 2 HGB für den Erwerb des Grundstücks dar, da sie in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung des Grundstücks steht. Die Aktivierung der Grunderwerbsteuer als Teil der Anschaffungskosten ergibt sich in diesem Fall aus dem handelsrechtlichen Anschaffungskostenbegriff. Bei einer Anteilsvereinigung liegt aus ertragsteuerlicher Sicht jedoch kein Grundstückserwerb vor. Aus ertragsteuerlicher Sicht fehlt es daher an dem für eine Aktivierung als Anschaffungskosten notwendigen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Aufwand aus der Grunderwerbsteuer und der Anschaffung der Anteile. Die infolge der Anteilsvereinigung anfallende Grunderwerbsteuer gehört daher zu den abzugsfähigen Betriebsausgaben. Dies muss – entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung – auch im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG gelten. 3. Fazit Nach der Rechtsprechung des BFH vom 20.4.201154 ist die infolge einer Anteilsvereinigung iSd § 1 Abs. 3 GrEStG anfallende Grunderwerbsteuer nicht als Anschaffungsnebenkosten der erworbenen Gesellschaftsanteile i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB, sondern als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe zu behandeln. Dieser Rechtsprechung ist mit der herrschenden Literaturauffassung zuzustimmen. Der Leiter Rechnungswesen sollte gegen die hiervon abweichende Ertragsteuerfestsetzungen der T GmbH fristgerecht Einspruch einlegen. Sofern die Finanzverwaltung die Urteile wider Erwarten nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden sollte, hätte eine Klage gegen eine ablehnende Einspruchsentscheidung gute Aussichten auf Erfolg.

54 Vgl. BFH, Urt. v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht

V. Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei börsennotierten Wertpapieren 1. Sachverhalt Die X-AG mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland hat am 1.06.2010 Aktien zum Anschaffungspreis von 1.000 Euro erworben und diese ihrem Anlagevermögen zugeordnet. Zum Bilanzstichtag 31.12.2010 lag der Kurswert der Aktien bei 750 Euro. Am Tag der Bilanzaufstellung (31.3.2011) erholte sich der Kurswert auf 900 Euro. In der Handelsbilanz hat die Gesellschaft die Aktien auf den niedrigeren beizulegenden Wert in Höhe von 750 Euro abgeschrieben. Weiterhin hielt die X-AG festverzinsliche Wertpapiere (Nennwert 450 Euro) im Umlaufvermögen zum Buchwert von 500 Euro. Zum Zeitpunkt des Bilanzstichtages 31.12.2010 war der Kurswert der Wertpapiere auf 400 Euro gesunken. Zwischenzeitlich erholte sich der Kurswert auf 425 Euro, ehe er zum Tag der Bilanzaufstellung 410 Euro betrug. In der Handelsbilanz hat die Gesellschaft die Wertpapiere auf den niedrigeren beizulegenden Wert in Höhe von 400 Euro abgeschrieben. Die X-AG wendet sich an ihren steuerlichen Berater mit der Frage, ob und in welchem Umfang die handelsrechtlichen Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert auch in der Steuerbilanz vorgenommen werden können. 2. Lösungshinweise Nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Jedoch kann für solche Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist. Der Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut bei angenommener Betriebsfortführung ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Während § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ein steuerliches Wahlrecht für die Vornahme einer Teilwertabschreibung vorsieht, hat diese bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung handelsrechtlich zwingend zu erfolgen (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB a. F., § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB i. d. F. des BilMoG). Durch den Wegfall des Grundsatzes der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG a. F.) mit Wirkung ab 2009 wird das steuerliche Wahlrecht nicht mehr durch die Handelsbilanz überlagert. Der Begriff der voraussichtlich dauernden Wertminderung ist weder im HGB noch im Steuerrecht definiert. Im Grundsatz bezeichnet er eine 318

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Minderung des Teilwerts (handelsrechtlich: des beizulegenden Werts), die einerseits nicht endgültig zu sein braucht, andererseits aber auch nicht nur vorübergehend sein darf. Eine Wertminderung ist danach in Abgrenzung zur bloßen Wertschwankung voraussichtlich dauernd, wenn der Teilwert nachhaltig unter den maßgeblichen Buchwert gesunken ist. Aus Sicht des Bilanzstichtags muss aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Wertminderung gerechnet werden.55 Ob eine Wertminderung „voraussichtlich dauernd“ ist, wird in der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweils in Rede stehenden Wirtschaftsguts beurteilt.56 a) Finanzverwaltung Das BMF hatte mit Schreiben vom 25.2.200057 zu den Anforderungen für das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung i. Satz des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG Stellung genommen. Bei börsennotierten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens konnte danach von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ausgegangen werden, wenn der Kursverlust bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung anhält. Erkenntnisse des Kursverlaufs zwischen Bilanzstichtag und dem Zeitpunkt der Bilanzaufstellung waren dabei zu berücksichtigen. Kursschwankungen börsennotierter Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens stellten hingegen nur vorübergehende Wertminderungen dar. Nachdem der BFH mit Urteil vom 26.9.200758 entschieden hat, dass bei im Anlagevermögen gehaltenen börsennotierten Aktien eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung anzunehmen ist, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist und zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung keine konkreten Anhaltspunkte für eine alsbaldige Wertaufholung vorliegen, hat das BMF mit Schreiben vom 26.3.200959 die Grundsätze dieses Urteils für über den entschiedenen Einzelfall hinaus prinzipiell anwendbar erklärt. Die in dem Urteil offengelassene Frage der Behandlung von (geringfügigen) Wertänderungen innerhalb einer Bandbreite hat es dahingehend beantwortet, dass für das Vorliegen 55 Vgl. BFH, Urt. v. 14.3.2006 – I R 22/05, BStBl. II 2006, 680; BFH, Urt. v. 23.4.2009 – IV R 62/06, BStBl. II 2009, 778, vgl. hierzu auch Günkel in StbJb 2010/2011, S. 264 ff. 56 Vgl. BFH, Urt. v. 27.11.1974 – I R 123/73, BStBl. II 1975, 294. 57 Vgl. BMF, Schr. v. 25.2.2000 – IV C 2 – 2171b – 14/00, BStBl. I 2000, 372. 58 Vgl. BFH, Urt. v. 26.9.2007 – I R 58/06, BStBl. II 2009, 294, hierzu auch Günkel in StbJb 2008/2009, S. 296 ff.; vgl. zur dauerhaften Wertminderung bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern BFH, Urt. v. 14.3.2006 – I R 22/05, DStR 2006, 1311 sowie hierzu Günkel in StbJb 2007/2008, S. 238 ff. 59 Vgl. BMF, Schr. v. 26.3.2009 – IV C 6 – S2171 – b/0, BStBl. I 2009, 514; BMF, Schr. v. 25.2.2000 – IV C 2 – 2171b – 14/00, BStBl. I 2000, 372, Tz. 4.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der Börsenkurs zu dem jeweils aktuellen Bilanzstichtag um mehr als 40 % oder zu dem jeweils aktuellen Bilanzstichtag und dem vorangegangen Bilanzstichtag um mehr als 25 % unter die Anschaffungskosten gesunken sein muss. Zudem seien Erkenntnisse zwischen dem Bilanzstichtag und der Aufstellung der Handels- bzw. Steuerbilanz zu berücksichtigen. Dabei ist offenbar auf den höchsten Kurs während des Betrachtungszeitraums abzustellen.60 Diese Grundsätze sind nach dem BMF-Schreiben vom 5.7.2011 auch auf die Wertminderung eines Anteils an einem Investmentfonds anzuwenden, wenn das Vermögen des Fonds am Bilanzstichtag zu mindestens 51 % aus börsennotierten Aktien besteht.61 Auf der Grundlage dieser Auffassung wäre danach im vorliegenden Fall für die Aktien im Anlagevermögen keine steuerliche Teilwertabschreibung auf den Börsenkurs zum Bilanzstichtag 31.12.2010 möglich, weil dieser nicht um mehr als 40 v. H., sondern lediglich 25 v. H. unter den Anschaffungskosten liegt. Für die festverzinslichen Wertpapiere im Umlaufvermögen könnte dagegen eine steuerliche Teilwertabschreibung auf den höchsten Kurs zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung von 425 Euro vorgenommen werden. b) Rechtsprechung Mit dem Thema der voraussichtlich dauernden Wertminderung bei börsennotierten Aktien des Anlagevermögens und festverzinslichen Wertpapieren des Umlaufvermögens hat sich das FG Münster in zwei Entscheidungen auseinandergesetzt. Das Urteil vom 31.8.201062 betrifft im Wesentlichen die vom BFH in der Entscheidung vom 26.9.2007 offengelassene Frage, ob und in welchem Umfang Wertänderungen börsennotierter Aktien des Anlagevermögens innerhalb einer gewissen Bandbreite aus Gründen der Verwaltungsökonomie als nur vorübergehende Wertschwankungen zu beurteilen sind. Das FG kommt zu dem Ergebnis, dass von einer allein auf die Entwicklung des Börsenkurses gestützten dauernden Wertminderung typisierend nur ausgegangen werden könne, wenn der Kurs am Bilanzstichtag um mehr als 20 % oder an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen um mehr als 10 % unter dem Kurs bei Erwerb liege. Geringfügige Kursverluste seien regelmäßig als Ausdruck einer vorübergehenden Wertschwankung zu betrachten. Ihr Ausschluss von der Teilwertabschreibung rechtfertige sich auch aus einer Abwägung zwischen der – relativen – 60 Vgl. BMF, Schr. v. 25.2.2000 – IV C 2 – 2171b – 14/00, BStBl. I 2000, 372, Tz. 23 ff.; Schlotter, BB 2011, 171. 61 Vgl. BMF, Schr. v. 5.7.2011 – IV C 1 – S 1980 – 1/10/10011, DStR 2011, 1321. 62 Vgl. FG Münster, Urt. v. 31.8.2010 – 9 K 3466/09, EFG 2011, Satz 124, Tz. 4.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Bedeutungslosigkeit der steuerlichen Auswirkungen einerseits und dem Umfang des für die Beteiligten des Besteuerungsverfahrens entstehenden Verwaltungsaufwands andererseits. Dass nicht jede Minderung des Börsenkurses zum Bilanzstichtag voraussichtlich dauerhaft sein könne, folge im Übrigen schon daraus, dass andernfalls das Tatbestandsmerkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung leerliefe. Nach dem Urteil vom 9.7.201063 sind die Erwägungen des BFH zur voraussichtlich dauernden Wertminderung börsennotierter Aktien des Finanzanlagevermögens64 auf die Bewertung festverzinslicher Wertpapiere des Umlaufvermögens zu übertragen. Maßgebend sei daher auch hier der aktuelle Stichtags-Börsenwert. Im Hinblick auf den Hinweis des BFH im Urteil vom 26.9.2007, dass Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Ansteigen des Kurses im Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz fehlen müssten, sei für die Feststellung der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit einer Wertminderung zudem eine Nachbetrachtung anzustellen. Anders als nach dem BMF-Schreiben vom 25.2.2000 komme es jedoch nicht auf die Kursentwicklung während des gesamten Zeitraums zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung an, sondern – aus Praktikabilitätsgründen, aber auch, weil die von der Finanzverwaltung vertretene Meinung nicht sachgerecht wäre – allein auf den Stichtagskurs zum Tag der Bilanzaufstellung. Auf die Nachbetrachtung nimmt auch das Urteil des FG Münster vom 31.8.201065 Bezug. Die Entscheidung lässt dabei offen, ob bei Erstellung einer gesonderten Steuerbilanz oder einer steuerlichen Überleitungsrechnung nicht auf den Tag der Aufstellung der Handelsbilanz, sondern auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen sei. Gegen die Entscheidungen des FG Münster ist Revision eingelegt worden (Az. BFH I R 89/10 bzw. I R 98/10). Über die Revision gegen das Urteil vom 9.7.2010 betreffend festverzinsliche Wertpapiere des Umlaufvermögens hat der BFH mittlerweile entschieden und die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt abgewiesen (Urteil vom 8.6.201166). 63 Vgl. FG Münster, Urt. v. 9.7.2010 – 9 K 75/09 K, EFG 2010, 221. Das FG Münster lehnt die IDW-Kriterien (RS VFA 2) ab, da sie wegen ihrer Kompliziertheit für das Besteuerungsverfahren ungeeignet sind. Das FG Münster weist in der Urteilsbegründung darauf hin, dass die gleiche Auffassung wohl vom BFH in seinem Urt. v. 26.9.2007 – I R 58/06, BStBl. II 2009, 294 vertreten wurde, da die vom IDW vorgeschlagenen Kriterien Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, diese Kriterien vom BFH jedoch nicht weiter beachtet wurden. 64 Vgl. BFH, Urt. v. 26.9.2007 – I R 58/06, BStBl. II 2009, 294, hierzu auch Günkel in StbJb 2008/2009, S. 296 ff. 65 Vgl. FG Münster, Urt. v. 31.8.2010 – 9 K 3466/09, EFG 2011, 124, Tz. 4. 66 Vgl. BFH, Urt. v. 8.6.2011 – I R 98/10, DStR 2011, 1556.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Nach Ansicht des BFH fehlt es bei festverzinslichen Wertpapieren an einer voraussichtlich dauernden Wertminderung, soweit die Kurswerte der Papiere unter deren Nominalwert gesunken sind oder schon vor ihrem (weiteren) Absinken unter jenem Wert lagen. Da festverzinsliche Wertpapiere regelmäßig eine Forderung in Höhe des Nominalwerts des Papiers verbrieften, habe der Inhaber eines solchen Papiers das gesicherte Recht, am Ende der Laufzeit diesen Nominalwert zu erhalten. Diese Sicherheit habe er unabhängig von Kursschwankungen an jedem Bilanzstichtag. Unter diesem Blickwinkel erweise sich ein Absinken des Kurswerts unter den Nominalwert jedenfalls dann, wenn sich darin nicht ein Risiko hinsichtlich der Rückzahlung widerspiegele, als nur vorübergehend und folglich als nicht dauerhaft. Das gelte auch dann, wenn die Wertpapiere zum Umlaufvermögen des Betriebs gehörten. Zwar seien die Papiere in einem solchen Falle nicht dazu bestimmt, dem Betrieb auf Dauer zu dienen; vielmehr sollten sie nach dem Willen des Unternehmers ggf. vor dem Ende der Laufzeit veräußert werden. Es könne demgemäß aus Sicht eines jeden Bilanzstichtags nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer (vorzeitigen) späteren Veräußerung nur ein unterhalb des Nominalwerts liegender Wert erlöst werde. Eine solche vorzeitige Veräußerung sei aber, ebenso wie ein Zuwarten des Gläubigers bis zur Endfälligkeit, nicht vorauszusehen. Unter diesen Umständen liege die vom Gesetz geforderte voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Wertminderung nicht vor. Diese Beurteilung werde durch die handelsrechtlichen Regelungen gestützt, die eine außerplanmäßige Abschreibung bei im Anlagevermögen gehaltenen Finanzanlagen – abweichend von den übrigen Gegenständen des Anlagevermögens – unabhängig von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zuließen.67 Die Erleichterung diene erkennbar dem Ziel, in diesem Bereich u. a. Zinsschwankungen auf die Bewertung durchschlagen zu lassen. Im Ergebnis könne ein Absinken des Teilwerts demgemäß nur insoweit gewinnmindernd berücksichtigt werden, als der Teilwert den Nennwert nicht unterschreitet. Im vorliegenden Sachverhalt bedeutet der derzeitige Stand der Rechtsprechung: Nach der Entscheidung des FG Münster vom 31.8.2010 wäre eine Teilwertabschreibung der Aktien des Anlagevermögens auf 900 Euro steuerlich zulässig. Denn der Börsenkurs lag am Bilanzstichtag um mehr als 20 v. H. unter dem Anschaffungspreis und hat sich bis zur Aufstellung der Handelsbilanz auf 900 Euro erholt. In Bezug auf die festverzinslichen Wertpapiere des Umlaufvermögens könnte nach dem Urteil des BFH vom 8.6.2011 nur eine Teilwertabschreibung von 50 Euro auf den Nennwert

67 Vgl. § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB a. F. (vor BilMoG) für Kapitalgesellschaften, § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB n. F. für alle Kaufleute.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht von 450 Euro vorgenommen werden. Die Frage der Nachbetrachtung stellt sich nicht. c) Stellungnahme Die Auslegung und Anwendung des Merkmals der voraussichtlich dauernden Wertminderung sind seit seiner Einführung im Jahr 1999 hoch umstritten. Bis heute ist es Finanzverwaltung und Rechtsprechung nicht gelungen, eine dogmatisch überzeugende Lösung zu entwickeln. Auch die Typisierungsversuche des FG Münster für die Fallgruppe der börsennotierten Wertpapiere bzw. – restriktiver – des BMF für den Bereich der börsennotierten Aktien und Fondsanteile vermögen daran nichts zu ändern. Sie erscheinen im Hinblick auf die dogmatischen Vorgaben des BFH in seinem Urteil vom 26.9.2007 wie auch aus rechtssystematischen Gründen als nicht haltbar. Wenn, wie der BFH betont, der Börsenwert zu einem gegebenen Stichtag die Erwartungen einer großen Zahl von Marktteilnehmern über die zukünftige Entwicklung des Kurses und damit auch die Einschätzung widerspiegelt, dass der gefundene Kurs voraussichtlich dauerhaften Charakter hat, erfüllt der niedrigere Börsenkurs am Bilanzstichtag bereits per se die Voraussetzungen einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung. Davon geht auch der BFH im Grundsatz aus. Ist dies aber der Fall, dann erscheint es nicht zulässig, durch Aufstellen zusätzlicher Schwellenwerte weitere Anforderungen an das Geltendmachen der Teilwertabschreibung zu knüpfen. Verwaltungsvereinfachungsgründe sind keine Rechtfertigung dafür, nach dem Gesetz eingetretene Steuerminderungen zu Lasten des Steuerpflichtigen nicht zu berücksichtigen. Andernfalls wären im Bereich des Einkommensteuerrechts geringfügige Werbungskosten steuerlich nicht mehr absetzbar. Gesetzlich nicht vorgegebene Schwellenwerte können daher allenfalls im Sinne einer Nichtaufgriffsgrenze von der Finanzverwaltung festgesetzt werden. Das generelle Erfordernis einer Nachbetrachtung bis zur Bilanzaufstellung oder am Tag der Bilanzaufstellung ist mit Blick auf das Stichtagsprinzip (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. mit § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) und die Grundsätze der Wertaufhellung und Wertbegründung schwerlich zu begründen. Das prognostische Element innerhalb der Bewertung eines Wirtschaftsguts („voraussichtlich“) entbindet nicht von der Beurteilung in jedem Einzelfall, ob eine nach dem Bilanzstichtag eingetretene Änderung der Erwartungen auf der Grundlage der am Bilanzstichtag objektiv vorliegenden Verhältnisse konkret voraussehbar war. Dabei genügt nicht die allgemeine Erfahrung, dass börsennotierte Wertpapiere immer Wertschwankungen unterliegen. Nur in diesem Rahmen können, wenn überhaupt, „Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Ansteigen des Kurses“ zum 323

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz68 Berücksichtigung finden. Die Vielzahl der auf die Kursbildung einwirkenden Informationen und Ereignisse wird eine Abgrenzung der wertaufhellenden von den wertbegründenden Einflussfaktoren im Regelfall kaum erlauben. Die mit dem Abstellen auf den Börsenkurs am Bilanzstichtag bezweckte Beurteilung der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit der Wertminderung anhand einfacher und leicht nachprüfbarer Kriterien69 würde damit wieder in Frage gestellt, ganz abgesehen davon, dass auch ungeklärt bliebe, auf welchen Zeitpunkt es bei Aufstellung einer Steuerbilanz oder einer steuerlichen Überleitungsrechnung ankäme. In seiner Entscheidung vom 8.6.2011 konnte der BFH die Frage der Bedeutung des Tages der Bilanzaufstellung dahingestellt sein lassen, weil die im angefochtenen Bescheid berücksichtigten Gewinnminderungen bereits den Betrag überstiegen, der nach Auffassung des Gerichts ansatzfähig war. Insoweit bleibt die Entscheidung des BFH über die Revision gegen das Urteil des FG Münster vom 13.8.2010 mit Spannung abzuwarten. Für den Bereich der festverzinslichen Wertpapieren dürfte das Urteil des BFH vom 8.6.2011 geklärt haben, dass keine Teilwertabschreibung auf einen Wert unter den Nominalwert vorgenommen werden darf. Dies gilt nach der Entscheidung unabhängig davon, ob diese im Anlage- oder Umlaufvermögen gehalten werden. Für festverzinsliche Wertpapiere des Anlagevermögens ist dem ohne Einschränkung zuzustimmen. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation dagegen für Wertpapiere, die im Umlaufvermögen gehalten werden. Die Zuordnung zum Umlaufvermögen macht, wie auch der BFH einräumt, deutlich, dass das Unternehmen die Wertpapiere nicht langfristig in seinem Bestand halten will. Bei entsprechend langer Laufzeit der Papiere sprechen deshalb regelmäßig gerade mehr Gründe für als gegen eine vorzeitige Veräußerung. Diese Vermutung kann sich durch Planungen des Unternehmens oder absehbare Veräußerungsnotwendigkeiten noch erhärten. Die Auffassung des BFH, dennoch sei generell davon auszugehen, dass weder eine vorzeitige Veräußerung noch ein Zuwarten des Gläubigers bis zur Endfälligkeit vorausgesehen werden könne, erscheint angesichts dessen wenig nachvollziehbar. Nicht erörtert wird zudem die Frage, ob nicht das auch im Steuerbilanzrecht geltende Vorsichtsprinzip (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. mit § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) bei Unsicherheit darüber, ob eine Wertminderung voraussichtlich dauerhaft oder nur vorübergehend ist, den Ansatz des niedrigeren Werts erfordert.70 Insgesamt führt das Urteil zu einer wei-

68 BFH, Urt. v. 26.9.2007, unter II. 1. g). 69 BFH, Urt. v. 26.9.2007, unter II. 1. e). 70 Vgl. auch Kozikowski/Roscher/Schramm in Beck’scher Bilanzkommentar, 7. Aufl. 2010, § 253, Rz. 316.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht teren Vermehrung der unterschiedlich zu behandelnden Fallgruppen und damit zu einer für die Praxis immer schwerer zu handhabenden Kasuistik. 3. Fazit Die Urteile des FG Münster vom 9.7.2010 und 31.8.2010 stellen einen an sich begrüßenswerten Versuch einer praxisorientierten Bestimmung des Begriffs der voraussichtlich dauernden Wertminderung dar. Sie vermögen jedoch dogmatisch und rechtssystematisch nicht zu überzeugen. Die Festlegung von – letztlich willkürlichen – und relativ hohen Schwellenwerten ist ebenso abzulehnen wie eine generelle Nachbetrachtung zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung. Das Urteil des BFH vom 8.6.2011 bringt zwar für festverzinsliche Wertpapiere des Anlage- und Umlaufvermögens eine einheitliche Lösung, diese erscheint für den Bereich des Umlaufvermögens aber nicht wirklich überzeugend. Mit Spannung abzuwarten bleibt, wie der BFH im Rahmen des Revisionsverfahrens I R 89/10 zu der Frage der Nachbetrachtung entscheiden wird.

VI. Passivierung einer Verpflichtung aus Rückkaufverpflichtung 1. Sachverhalt Die A-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland betreibt einen Kraftfahrzeughandel und verkauft aufgrund von Rahmenverträgen Fahrzeuge an die Autovermietung V. Nach diesen Verträgen ist die A-GmbH zu einem späteren Rückankauf der verkauften Fahrzeuge verpflichtet, wenn die Autovermietung V von ihrem Recht auf Rückgabe der Fahrzeuge Gebrauch macht. Der Rückkaufpreis wird in den Verträgen verbindlich festgelegt und beträgt 70 % des Listenpreises der Fahrzeuge in Höhe von 10.000 Euro. Die Rückkaufverpflichtung der A-GmbH erlischt nach einer Laufzeit von sechs Monaten. Die A-GmbH gewährt Rabatte bei Erwerb von Fahrzeugen durch die Autovermietung V. Bei Fahrzeugen mit Rückkaufverpflichtung ist der Rabatt allerdings geringer als bei Fahrzeugen ohne eine solche Rückkaufverpflichtung. Die A-GmbH fragt ihren Steuerberater, wie die Verpflichtung aus der Rückverkaufsoption steuerbilanziell zum 31.12.01 abzubilden ist. 2. Lösungshinweise Die steuerbilanzielle Behandlung von Rückverkaufsoptionen im KfzHandel war bereits Gegenstand der Erörterung auf dem Fachkongress.71 Das klarstellende Urteil des BFH vom 11.10.2007 war von der Finanzver325

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht waltung mit einem Nichtanwendungserlass belegt worden.72 In einem weiteren Verfahren hatte der BFH nunmehr Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu bestätigen. a) Ausweis einer Verbindlichkeit aus der Optionseinräumung beim Veräußerer Die A-GmbH muss nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. mit § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Verbindlichkeiten müssen demnach in der Bilanz für den Schluss eines Geschäftsjahres vollständig ausgewiesen werden (§ 240 Abs. 2 i. V. mit Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 S. 1 HGB). Sie stellen eine dem Inhalt und der Höhe nach bestimmte Leistungspflicht dar, die vom Gläubiger erzwingbar ist und eine wirtschaftliche Belastung des Schuldners bedeutet.73 Nach der Entscheidung des BFH vom 17.11.201074 muss die A-GmbH für die Verpflichtung aus der Option, die verkauften Fahrzeuge zu einem verbindlich festgelegten Preis zurückzukaufen, eine Verbindlichkeit in Höhe des dafür vereinnahmten Entgelts ausweisen und darf diese erst bei Ausübung oder Verfall der Option ausbuchen. Der BFH verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf seine Urteile vom 11.10.2007 zur Einräumung von Rückverkaufsoptionen im Kfz-Handel und vom 18.12.200275 zur bilanziellen Behandlung von vereinnahmten Optionsprämien im Wertpapierhandel. Diese Behandlung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur.76 Nach Auffassung des BFH stellt die Einräumung der Rückverkaufsoption eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung dar, die unabhängig von der nachfolgenden (Rück-) Übertragung des Wirtschaftsgutes bei Ausübung der Option zu beurteilen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Einräumung einer Rückverkaufsoption nicht zwangsläufig mit dem Verkauf eines Fahrzeugs verbunden war. Die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rückverkaufsoption ist erzwingbar und das Entgelt für die Option wird für diese erzwingbare Erfül71 Vgl. Günkel, StbJb 2008/2009, S. 273; ders., StbJb 2009/2010, S. 353. 72 Vgl. BFH, Urt. v. 11.10.2007 – IV R 52/04, BStBl. II 2009, 705; BMF, Schr. v. 12.8.2009, BStBl. I 2009, 890. 73 Vgl. BFH, Urt. v. 17.11.2010 – I R 83/09, BFH/NV 2011, 678, Tz. 14 sowie BFH, Urt. v. 18.12.2002 – I R 17/02, BStBl. II 2004, 126, jeweils m. w. N. 74 Vgl. BFH, Urt. v. 17.11.2010 – I R 83/09, BFH/NV 2011, 678. 75 Vgl. BFH, Urt. v. 18.12.2002 – I R 17/02, BStBl. II 2004, 126. 76 Vgl. Blümich/Buciek, § 5 EStG, Rn. 1057; Kolbe, BBK 2010, 163; Prinz, StuB 2011, 262; Kossow, StuB 2011, 177.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht lung der Verpflichtungen des Optionsverkäufers gezahlt. Die Einräumung der Rückverkaufsoption beinhaltet außerdem das Risiko nicht vorhersehbarer Wertminderungen und stellt – wie der BFH in seinem Urteil vom 11.10.2007 ausgeführt hat – eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastung dar. Entgegen der im Nichtanwendungserlass vom 12.8.2009 zum Ausdruck kommenden Auffassung der Finanzverwaltung kann der Anspruch auf Übertragung des Wirtschaftsgutes nicht mit der wirtschaftlichen Belastung aus der Rückverkaufsoption verrechnet werden. Das erhaltene Entgelt diene vielmehr als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, welche der Optionsverkäufer durch die Begebung des Optionsrechts eingegangen ist. Die Verpflichtungen aus der Option sind bis zur Ausübung oder bis zum Verfall der Option nicht erfüllt, da der Optionsverkäufer bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtet ist, die Ausübung der Option zu dulden und sich zur Erfüllung seiner Abnahmepflicht bereitzuhalten. Die Verbindlichkeit ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Nr. 2 EStG mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Die Anschaffungskosten der Verbindlichkeit werden durch den Anschaffungsertrag“ und damit durch das Entgelt für die Option bestimmt, da die Entstehung der Verbindlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit dem Zufluss eines Ertrags steht.77 Im Urteilsfall konnten die Anschaffungskosten der Verbindlichkeit nach der – revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden – Schätzung des FG aus den für Verkäufe mit und ohne Rückverkaufsoption eingeräumten Rabatten abgeleitet werden. Sofern die Rahmenverträge keine ausdrücklichen Angaben über die Bewertung der Rückverkaufsoptionen enthalten, ist die Kaufpreiszahlung – nach Ansicht des BFH – bei wirtschaftlicher Betrachtung stets auch Entgelt für die Übernahme der Rückkaufverpflichtung. Werden mehrere Wirtschaftsgüter in einem einheitlichen Vertrag erworben und erfolgt keine ausdrückliche Aufteilung des Kaufpreises, ist der Kaufpreis im Verhältnis der Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Dies hatte der BFH bereits in seinem Urteil vom 11.10.2007 hervorgehoben. b) Passive Rechnungsabgrenzung Eine passive Rechnungsabgrenzung gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 EStG kommt im Zusammenhang mit der übernommenen Rückkaufverpflichtung nach Ansicht des BFH nicht in Frage.78 Der Umfang der Leistungsver77 Vgl. BFH, Urt. v. 18.12.2002 – I R 17/02, BStBl. II 2004, 126; BFH, Urt. v. 17.11.2010 – I R 83/09, BFH/NV 2011, 678, Tz. 22; BFH, Urt. v. 11.10.2007 – IV R 52/04, BStBl. II 2009, 705. 78 Vgl. BFH, Urt. v. 17.11.2010 – I R 83/09, BFH/NV 2011, 678, Tz. 16; BFH, Urt. v. 11.10.2007 – IV R 52/04, BStBl. II 2009, 705.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht pflichtung bleibt während der gesamten Laufzeit unverändert auf den Rückkauf der Fahrzeuge gerichtet. Es wird – mit dem Rückkauf der Fahrzeuge – ein bestimmter einmaliger Erfolg geschuldet. Es kann daher keine zeitliche oder periodische Aufteilung der bestehenden Verpflichtung erfolgen.79 c) Drohverlust aus schwebenden Geschäften Das BMF hatte im Nichtanwendungserlass vom 12.8.2009 argumentiert, dass sich der BFH in seiner Urteilsbegründung nicht mit den Entscheidungen vom 15.10.1997 und 25.7.2000 auseinandersetzt, nach welchen bei gleichem Sachverhalt eine Drohverlustrückstellung auszuweisen gewesen sei. In seinem Urteil vom 17.11.2010 wendet sich der BFH nunmehr ausdrücklich gegen diesen Einwand und führt aus, dass sich beide Entscheidungen auf schwebende Rückkaufverpflichtungen beziehen und daher von der Einräumung einer Rückverkaufsoption zu unterscheiden seien. Die Verbindlichkeit aus der Rückverkaufsoption ist unabhängig davon zu passivieren, ob aus dem späteren Rückerwerb der Fahrzeuge ein Verlust droht und insoweit eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften i. S. d. § 249 Abs. 1 HGB zu bilden ist. Letztere Frage bedurfte im Urteilsfall keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die Rückverkaufsoption hatte der BFH bereits in seinem Urteil vom 11.10.2007 entschieden, dass der Schwebezustand der zwischen dem Fahrzeughändler und der Autovermietung begründeten Schuldverhältnisse mit der Erbringung der Gegenleistung für die Einräumung der Rückverkaufsoption beendet ist.80 Die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste kommt daher nicht in Betracht. Für handelsrechtliche Zwecke wäre nach § 249 Abs. 1 HGB somit eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nur zu bilden, wenn der Marktpreis der Wirtschaftsgüter unter den vereinbarten Rückkaufpreises (im vorliegenden Fall: 7.000 Euro) gesunken wäre. Eine solche Rückstellung wäre für steuerliche Zwecke nach § 5 Abs. 4a EStG nicht anzuerkennen.

79 Vgl. BFH, Urt. v. 11.10.2007 – IV R 52/04, BStBl. II 2009, 705. 80 In seinem Urteil v. 18.12.2002 (a. a. O.) weist der BFH in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Entgelt für die Option keine Anzahlung auf ein künftig zu erbringendes Entgelt darstellt, welche bei Nichterfüllung der Leistungsverpflichtung zurückzuzahlen wäre. Das Entgelt führt vielmehr zur endgültigen Erfüllung der Verpflichtungen des Optionsberechtigten.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht d) Keine verdeckte Nutzungsüberlassung Nach Auffassung des BFH geht mit dem Verkauf der Fahrzeuge sowohl das rechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum an den Fahrzeugen auf den Erwerber über, da die Ausübung des Optionsrechts bei Vertragsabschluss ungewiss war.81 Es könne sich daher – entgegen abweichender Literaturauffassungen82 – auch nicht um eine (verdeckte) Nutzungsüberlassung handeln. 3. Fazit Durch das Urteil des BFH vom 17.11.2010 wurde die steuerbilanzielle Behandlung von im Zusammenhang mit Fahrzeugverkäufen gewährten Rückverkaufsoptionen wohl abschließend geklärt. Der BFH hat seine frühere Rechtsprechung in diesem Zusammenhang ausdrücklich bestätigt und eine eindeutige Abgrenzung zu der von der Finanzverwaltung in ihrem Nichtanwendungserlass zum Urteil vom 11.10.2007 vorgebrachten Kritik vorgenommen. Durch die Einordnung der Rückverkaufsoption als wirtschaftlich und rechtlich eigenständige Leistung und die daraus folgende gesonderte Passivierung der auf der Option beruhenden Verbindlichkeit wird sichergestellt, dass die entgeltliche Einräumung der Option zunächst erfolgsneutral ist. Gewinnauswirkungen ergeben sich erst, wenn die Verpflichtungen aus der Option – mit ihrer Ausübung oder ihrem Verfall – erfüllt sind. Die Anwendung von § 5 Abs. 4a EStG scheidet – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – schon deshalb aus, weil der Schwebezustand des zwischen dem Fahrzeughändler und der Autovermietung begründeten Schuldverhältnisses hinsichtlich der Einräumung der Rückverkaufsoption mit der Erbringung der Gegenleistung für die Rückverkaufsoption beendet war. Bisher83 wurde das Urteil des BFH v. 17.11.2010 nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht und damit seine Anwendbarkeit durch die Finanzverwaltung noch nicht bestätigt.

81 Vgl. BFH, Urt. v. 17.11.2010 – I R 83/09, BFH/NV 2011, 678. Zustimmend: Prinz, StuB 2011, 262. Ebenso schon: Günkel, StbJb 2009/2010, 353. 82 Vgl. Hoffmann, DStR 2008, 240; Hoffmann, StuB 2011, 161; Hoffmann, DStR 2011, 355. 83 Stand: 15.9.2011.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht

VII. Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen 1. Sachverhalt Augenoptiker F erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG aus seinem Fachgeschäft, welches er seit mehr als 10 Jahren in angemieteten Räumen betreibt. Er unterliegt der Buchführungsund Abschlusspflicht nach §§ 238 und 242 HGB. F ermittelt seinen Gewinn nach § 5 Abs. 1 EStG. Zur Aufbewahrung der umfangreichen Geschäftsunterlagen hat er einen gesonderten Raum angemietet und als Archiv eingerichtet. Die anteilige Miete für das Archiv beträgt jährlich 2.400 Euro. Es fallen jährliche Betriebskosten (u. a. Strom, Heizung) von 300 Euro an. Die AfA für die Einrichtungsgegenstände des Archivs beträgt 200 Euro. Kosten für Datensicherung sind bisher einmalig in Höhe von 500 Euro entstanden. Sämtliche Geschäftsunterlagen werden über einen Zeitraum von 10 Jahren aufbewahrt. F möchte von seinem Steuerberater wissen, ob und in welcher Höhe eine Rückstellung für die Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen gebildet werden kann. Nach seiner Ansicht wäre es naheliegend, einen Betrag in Höhe des Zehnfachen der jährlichen Kosten zu berücksichtigen, da die Unterlagen über 10 Jahre aufbewahrt werden. 2. Lösungshinweise Für Gewerbetreibende ergibt sich die Verpflichtung zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen aus § 147 AO und § 257 HGB. Nach diesen Vorschriften sind Geschäftsunterlagen entweder 10 Jahre (insbesondere Jahresabschlüsse, Bücher und Inventare sowie Buchungsbelege) oder 6 Jahre (insbesondere Handels- und Geschäftsbriefe) aufzubewahren. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO regelt eine eigenständige steuerliche Aufbewahrungspflicht für Unterlagen, die Auskünfte über steuerlich erhebliche Vorgänge enthalten. a) Rechtsprechung Der BFH hat bereits mit Urteil vom 9.8.2002 entschieden, dass für die Verpflichtung zur Aufbewahrung der in § 147 AO und § 257 HGB genannten Geschäftsunterlagen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i. S. d. § 249 Abs. 1 HGB in Höhe der für die Erfüllung der Aufbewahrungspflicht erforderlichen Kosten zu bilden ist.84 84 Vgl. BFH, Urt. v. 19.8.2002 – VIII R 30/01, BStBl. II 2003, 131.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Bei den Aufbewahrungspflichten der § 147 AO und § 257 HGB handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Diese Verpflichtung ist hinreichend konkretisiert, da sich (i) die Aufbewahrungspflichten eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut ergeben, (ii) die Verpflichtung sich auf einen bestimmten Zeitraum in der Nähe des laufenden Geschäftsjahres bezieht und (iii) Verletzungen der Aufbewahrungspflichten sanktioniert werden. Eine zeitliche Nähe zum laufenden Geschäftsjahr wurde – trotz der langen Fristen – vor dem Hintergrund des in § 147 Abs. 4 AO bzw. § 257 Abs. 5 HGB geregelten Beginns der Aufbewahrungsfrist bejaht. Nach Auffassung des BFH sind die Aufbewahrungspflichten hinreichend sanktionsbewehrt, da sich der Steuerpflichtiger ihrer Erfüllung ebenso wenig wie den übrigen Buchführungspflichten entziehen kann und eine Verletzung nach §§ 282, 283 StGB bestraft werden kann. Zur Höhe des Rückstellungsbetrags konnte sich der BFH in seinem Urteil vom 19.8.2002 wegen offenen Tatsachenfragestellungen nicht abschließend äußern. Die Urteilsbegründung enthält daher nur den allgemeinen Hinweis, dass die Rückstellung in Höhe des voraussichtlichen Erfüllungsbetrages zu bilden sei. Der BFH weist allerdings darauf hin, dass eine Rückstellung nur für noch bestehende Aufbewahrungspflichten gebildet werden kann und daher auch die für die einzelnen Unterlagen noch verbleibende Dauer der Aufbewahrungspflicht berücksichtigt werden muss. Die zutreffende Bewertung von Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen war Gegenstand einer Entscheidung des BFH vom 18.1.201185. Im Urteilsfall hatte der Kläger eine Rückstellung in Höhe des zehnfachen jährlichen Aufwands für die Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen gebildet. Der BFH lehnte eine solche Bewertung allerdings ab. In seiner Urteilsbegründung führt der BFH aus, dass Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen als Sachleistungsverpflichtungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten anzusetzen sind. Bei der Bewertung der Rückstellung ist nach Ansicht des BFH die verbleibende Dauer der Aufbewahrungspflicht zu berücksichtigen, welche sowohl vom Entstehungszeitpunkt der einzelnen Unterlagen als auch von der gesetzlich angeordneten Dauer der Aufbewahrungspflichten abhängt. Im Urteilsfall handelte es sich ausschließlich um Unterlagen mit einer Aufbewahrungsdauer von 10 Jahren, für welche die Aufbewahrungsfrist nach § 147 Abs. 4 AO – zum umfassendsten Teil – mit dem Bilanzstichtag des jeweiligen Kalenderjahres begonnen habe und welche daher bei Berechnung der Rückstellung zu berücksichtigen waren. Eine abstrakte Möglichkeit der Verlängerung der Aufbewahrungsfristen nach § 147 Abs. 3 S. 3 AO 85 Vgl. BFH, Urt. v. 18.1.2011 – X R 14/09, BStBl. II 2011, 496.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht kann nach Ansicht des BFH bei der Berechnung der Rückstellung nicht berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund kann der Ansatz einer durchschnittlichen Restaufbewahrungsdauer von 5,5 Jahren nach Ansicht des BFH nicht beanstandet werden, da Unterlagen zum jeweiligen Bilanzstichtag zwischen ein und zehn Jahren aufzubewahren sind.86 Nach Auffassung des BFH können außerdem nur solche Aufwendungen bei der Bewertung der Rückstellung berücksichtigt werden, deren Existenz bis zum jeweiligen Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist. Bei der Bewertung der Rückstellung kann daher nicht berücksichtigt werden, dass auszusondernde Unterlagen voraussichtlich durch neue Unterlagen ersetzt werden. b) Finanzverwaltung Die Finanzverwaltung hat sich dem Urteil des BFH vom 19.8.2002 grundsätzlich angeschlossen und die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Aufwendungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen bejaht.87 Die zuständigen Oberfinanzdirektionen haben sich in ihren Verfügungen auch zur Bewertung der Rückstellungen geäußert. Die Verfügungen benennen bei der Bewertung der Rückstellungen einzubeziehende Kosten und enthalten Ausführungen zur Berechnung. Nach Verwaltungsauffassung können jährlich anfallende rückstellungsfähige Kosten für einen Archivraum – vereinfachend – mit dem 5,5-fachen berücksichtigt werden. Die Verwaltungsauffassung steht insoweit in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Nach Verwaltungsauffassung sind die Rückstellungen nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 2 EStG abzuzinsen, da die Aufbewahrungspflicht nach § 257 Abs. 5 HGB bzw. § 147 Abs. 4 AO bereits mit dem Entstehen der Unterlagen beginnt und sich somit kein Abzinsungszeitraum ergibt. c) Stellungnahme Der BFH hat mit seinem Urteil vom 18.1.2011 seine bisherige Rechtsprechung zur Bildung von Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen bestätigt und sich nunmehr auch zur Bewertung dieser Rückstellungen äußern können.

86 Vgl. hierzu auch die Ausführungen des FG Niedersachsen, Urt. v. 21.9.2009, DStRE 2009, 897. Der Faktor ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel der Aufbewahrungszeiten [(10+1)/2 bzw. (1+2+3+4+5+6+7+8+9+10)/10 = 5,5] 87 Vgl. OFD Hannover, Verf. v. 27.6.2007 – S-2137 – 106 – StO 222/221; Senatsverwaltung für Finanzen Berlin, Erl. v. 13.9.2006 – III A – S-2175 – 1/06; OFD Magdeburg, Verf. v. 21.9.2006 – S-2137 – 41 – St 211.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Die Ausführungen zur Bewertung der Rückstellungen sind – hinsichtlich Entstehungszeitpunkt und verbleibender Aufbewahrungsdauer – systematisch zutreffend. Ebenso zutreffend ist, dass nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen sind, deren Existenz bis zum jeweiligen Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist. Die Bestätigung der von der Finanzverwaltung angewandten Vereinfachungsregeln ist zu begrüßen. Es ist darauf hinzuweisen, dass es bei Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen zum Ausweis latenter Steuern i. S. d. § 274 HGB kommen kann. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz können sich ergeben, weil die Rückstellungen als Sachleistungsverpflichtungen in der Handelsbilanz mit den Einzelkosten und den notwendigen Gemeinkosten (Vollkosten) und in der Steuerbilanz mit den Einzelkosten und angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b) EStG) zu bewerten sind.88 Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz können sich auch infolge von Änderungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) ergeben.89 Für handelsbilanzielle Zwecke sind – aufgrund des Verweises auf den Erfüllungsbetrag – nunmehr zukünftige Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen, während diese in der Steuerbilanz weiterhin nicht zu berücksichtigen sind.90 Außerdem ist die Rückstellung in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 2 HGB abzuzinsen. Für steuerliche Zwecke ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 2 EStG allerdings auf den Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem Beginn der Erfüllung abzustellen, so dass – aufgrund des Zusammenfalls beider Zeitpunkte – Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen steuerlich nicht abzuzinsen sind.91 Die bisherigen Urteile und Stellungnahmen der Finanzverwaltung beziehen sich ausschließlich auf die Aufbewahrungspflichten i. S. d. § 147 AO und § 257 HGB. Die Frage einer Rückstellungsbildung könnte sich allerdings auch im Zusammenhang mit anderen Aufbewahrungspflichten stellen.92 In diesem Zusammenhang wird auf die Erhebungs-, Dokumentations- und Aufbewahrungsverpflichtung für Rechtsanwälte, Steuerbe-

88 Vgl. Kozikowski/Schubert in Beck‘scher Bilanzkommentar, 7. Aufl. 2010, § 253 HGB, Anm. 159. 89 Vgl. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz v. 25.5.2009, BGBl. 2009 I, 1102. 90 Vgl. Kozikowski/Schubert in Beck‘scher Bilanzkommentar, 7. Aufl. 2010, § 253 HGB, Anm. 158 und § 249 HGB Anm. 100 „Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen“. 91 Vgl. Kozikowski/Schubert in Beck‘scher Bilanzkommentar, 7. Aufl. 2010, § 249 HGB, Anm. 100 „Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen“, Schmidt/ Kulosa, § 6 EStG Rz. 481. 92 Thurow, BC 2011, 192.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht rater und Wirtschaftsprüfer nach dem Geldwäschegesetz93 (GwG) sowie auf Aufbewahrungspflichten im Gesundheitswesen verwiesen. 3. Fazit Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH und der Verwaltungsauffassung kann Herr F in der Steuerbilanz eine Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen in folgender Höhe bilden:94 Jährliche anteilige Archivmiete

2.400 Euro

Jährliche anteilige Betriebskosten

300 Euro

Jährliche AfA Einrichtungsgegenstände

200 Euro

Jährlich anfallende rückstellungsfähige Kosten Multipliziert mit 5,5 Einmalige Kosten der Datensicherung Rückstellungsbetrag

2.900 Euro 15.950 Euro 500 Euro 16.450 Euro

VIII. Abzinsungspflicht für Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen 1. Sachverhalt Die D-GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland betreibt seit 2010 eine Abfalldeponie auf einem vom der Gemeinde G gepachteten Grundstück. Neben der Deponie hat die D-GmbH auf dem Pachtgelände ein betrieblich genutztes Lager- und Verwaltungsgebäude errichtet. Die vertraglichen Vereinbarungen mit der Gemeinde G sehen vor, dass nach Ende der 20-jährigen Bewirtschaftung im Jahre 2030 einerseits die Deponie zu rekultivieren und das errichtete Gebäude abzureißen und rückstandslos zu entfernen ist. Das Geschäftsjahr der D-GmbH entspricht dem Kalenderjahr. In der Steuerbilanz 2010 der D-GmbH wurden Rückstellungen für die Rekultivierung der Deponie sowie für die Rückbauverpflichtung des Gebäudes gebildet. Die Rückstellungen wurden auf der Grundlage der Preisverhältnisse des jeweiligen Bilanzstichtags gebildet. Die Rückstellungen wurden nicht abgezinst.

93 Vgl. Geldwäschegesetz v. 13.8.2008, BGBl. 2008 I, 1690. 94 Etwaige Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz sind zu berücksichtigen (ggf. auch hinsichtlich des Ausweises latenter Steuern).

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Die D-GmbH möchte von ihrem Steuerberater nun wissen, ob die unterlassene Abzinsung der Rückstellungen erfolgreich im Rahmen entsprechender Rechtsstreitigkeiten mit dem zuständigen Finanzamt durchgesetzt werden kann. 2. Lösungshinweise a) Gesetzgebung Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG sind Rückstellungen für unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten mit einem Zinssatz in Höhe von 5,5 % abzuzinsen, sofern sie nicht auf An- oder Vorauszahlungen beruhen. Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/200295 eingeführt. Nach der Gesetzesbegründung gilt § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG auch für Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen und zwar unabhängig davon, ob sie zusätzlich im Rahmen der Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d) EStG anzusammeln sind.96 Nach den Änderungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) sind Rückstellungen nunmehr auch für handelsrechtliche Zwecke abzuzinsen.97 Nach § 253 Abs. 2 HGB werden Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr mit dem ihrer Laufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzins der vergangenen sieben Geschäftsjahre abgezinst. Der anzuwendende Diskontierungssatz ist von der Deutschen Bundesbank zu ermitteln und monatlich bekanntzugeben. Nach § 253 Abs. 1 S. 2 HGB sind Rückstellungen für handelsbilanzielle Zwecke stets mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen, so dass bei der Bewertung der Rückstellungen auch zukünftige Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen sind. Infolge der (zeitgleichen) Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f) EStG i.R.d. BilMoG ergeben sich allerdings keine Auswirkungen auf die steuerbilanzielle Bewertung der Rückstellungen, da nach dieser Regelung unverändert die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend sind und zukünftige Preis- und Kostensteigerungen somit nicht zu berücksichtigen sind.

95 Vgl. BGBl. I 1999, 402. 96 Vgl. Dritter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BT-Drs. 14/443, 24). 97 Vgl. BilMoG v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht b) Finanzverwaltung Bei Rückstellungen für Verpflichtungen zur Rekultivierung von Deponien und zum Rückbau von Gebäuden handelt es sich um Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b) EStG. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kommen die Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG auch bei Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen zur Anwendung, so dass diese mit dem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen sind. Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung im Rahmen des (allgemeinen) BMF-Schreibens zur Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG vom 26.5.200598 sowie im BMF-Schreibens zur steuerbilanziellen Behandlung von Aufwendungen zur Stilllegung, Rekultivierung und Nachsorge von Deponien vom 25.7.200599 dargelegt. Für Rückstellungen für „bergrechtliche“ Verpflichtungen kann nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Abzinsung – teilweise – unterbleiben. Dies ergibt sich aus der Besonderheit, dass der Beginn der Arbeiten und der Zeitpunkt des Beginns der Erfüllung der Verpflichtungen zur Widernutzbarmachung zusammenfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) S. 2 EStG).100 Diese Überlegungen können jedoch nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht auf die Verpflichtung zur Rekultivierung einer Deponie übertragen werden, da nicht von einem zeitlichen Zusammenfallen des Beginns der Arbeiten mit dem unmittelbaren Beginn der Erfüllung der Verpflichtung zur Rekultivierung ausgegangen werden kann. c) Rechtsprechung des BFH Der BFH hat in seinem Urteil vom 5.5.2011 zur Abzinsung bei Rückstellungen für die Rekultivierung einer Deponie und für Rückbauverpflichtungen Stellung genommen.101 Nach Auffassung des BFH ist zwischen „echten“ und „unechten“ Ansammlungsrückstellungen zu unterscheiden. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d) EStG sind Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d) EStG kann sich nur auf echte Ansammlungsrückstellungen beziehen. Solche Rückstellungen sind für Verpflichtungen zu bilden, die am Bilanzstichtag bereits feststehen, aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die für Entstehen ursächlichen Geschäftsjahre 98 Vgl. BMF, Schr. v. 26.5.2005 – IV B 2-S 2175 – 7/05, BStBl. I 2005, 699, Tz. 29; vgl. hierzu Günkel in StbJb 2005/2006, S. 250 ff. 99 Vgl. BMF, Schr. v. 25.7.2005 – IV B 2-S 2137 – 35/05, BStBl. I 2005, 826, Tz. 22. 100 Vgl. BMF, Schr. v. 9.12.1999 – IV C 2-S 2175 – 10/09, BStBl. I 1999, 1127. 101 BFH, Urt. v. 5.5.2011 – IV R 32/07, BFH/NV 2011, 1585.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht verteilt werden müssen (sog. echte Ansammlungsrückstellung – hier: Rückbauverpflichtung). Davon zu unterscheiden sind Rückstellungen für Verpflichtungen, die am Bilanzstichtag noch nicht feststehen, weil sich der Rückstellungsbetrag nicht nur im wirtschaftlichen Sinn, sondern tatsächlich in jedem Wirtschaftsjahr ändern kann (sog. unechte Ansammlungsrückstellungen – hier: Rekultivierung). Diese unechten Ansammlungsrückstellungen werden nach Schlüsselgrößen entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme angesammelt. Nach Auffassung des BFH gilt die Verpflichtung zur Abzinsung für Sachleistungs- und Geldleistungsverpflichtungen gleichermaßen, da die Regelung des Abzinsungszeitraums bei Sachleistungsrückstellungen in § 6a Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) S. 2 EStG zwingend voraussetze, dass (auch) Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen abzuzinsen sind. Der Abzinsung der Rückstellungen steht auch § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG nicht entgegen, da von einer verzinslichen Verbindlichkeit nicht ausgegangen werden kann, weil der Betreiber der Deponie bei den vorliegenden Rückstellungen das Inflationsrisiko trägt. Die Übernahme dieses Risikos stellt weder rechtlich noch wirtschaftlich eine Verzinsung dar, sondern ergibt sich aus der übernommenen Sachleistungsverpflichtung. Eine andere Auslegung kann sich auch nicht daraus ergeben, dass es bei Sachleistungsverpflichtungen regelmäßig an einer Verzinslichkeit fehlt. Die Bewertung erfolgt nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f) EStG anhand der Wertverhältnisse am Bilanzstichtag und damit ohne Berücksichtigung von künftigen Preis- und Kostensteigerungen. Die Ursache von Preisund Kostensteigerungen, die erst nach dem Bilanzstichtag zu erwarten sind, liegt in der Zukunft – die Preis- und Kostensteigerungen sind daher am Bilanzstichtag noch nicht wirtschaftlich verursacht. Das Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG ändert daran – nach Auffassung des BFH – nichts. Auf die ältere Rechtsprechung102 des BFH, nach welcher Sachleistungsrückstellungen – auch wegen der Nichtberücksichtigung von künftigen Preis- und Kostensteigerungen – nicht abzuzinsen sind, habe der Gesetzgeber bei Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG nicht abgestellt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BMFSchreiben zu „bergrechtlichen“ Verpflichtungen vom 9.12.1999, da die Rekultivierung bei Deponien erst nach deren Stilllegung erfolgt und – anders als bei der Rekultivierung eines Tagebaus – nicht von einer laufenden Rekultivierung ausgegangen werden kann. Der BFH führt weiterhin aus, dass die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine steuerbilanzielle Abweichung vom handelsrechtlichen Vorsichtprinzip für die Bildung von

102 BFH, Urt. v. 19.2.1975 – I R 28/73, BStBl. II 1975, 480.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Rückstellungen sei – nach der Rechtsprechung des BVerfG zur Jubiläumsrückstellung – nur dann nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, wenn sie willkürlich sei. Die Verpflichtung zur Abzinsung von Rückstellungen ist nicht willkürlich, da die Bildung von stillen Reserven durch bilanzierende Unternehmer eingeschränkt werden sollte und daher ein sachlicher Grund für die Abzinsung besteht. Ferner ergibt sich aus dem Zusammentreffen von Ansammlung und Abzinsung keine willkürliche Benachteiligung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen. Die Ansammlung diene dazu, die am Bilanzstichtag feststehende Verpflichtung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die Wirtschaftsjahre zu verteilen, die für das Entstehen der Verpflichtung ursächlich sind. Eine Abzinsung der Rückstellungen sei deshalb gerechtfertigt, weil eine in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belaste. Künftige Preis- und Kostensteigerungen können bei der Bewertung der Sachleistungsverpflichtung nicht berücksichtigt werden, da sie am Bilanzstichtag noch nicht wirtschaftlich verursacht sind. Bei Geldleistungsverpflichtungen besteht keine solche Abhängigkeit von solchen zukünftigen Entwicklungen. Laut BFH besteht auch insoweit keine willkürliche Benachteiligung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen. d) Stellungnahme Die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung steht in Einklang mit dem Gesetzeswortlaut, den Vorgaben der Gesetzesbegründung zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002103 sowie der aktuellen BFHRechtsprechung. Die herrschende Meinung im Schrifttum geht – mit Verweis auf die Auffassung der Finanzverwaltung – ebenfalls davon aus, dass Sachleistungsrückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG abzuzinsen sind.104 Maßgebend sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG auch bei Sachleistungsverpflichtungen die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag, so dass Preis- und Kostensteigerungen nicht berücksichtigt werden können.105 Die Bewertung anhand der Wertverhältnisse am Bilanzstichtag entspricht

103 Vgl. Dritter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BT-Drs. 14/443, 24). 104 Vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 979, Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 481. 105 Vgl. Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 481 und 484 (mit Verweis auf das vorinstanzliche Urteil des FG Niedersachsen, Urt. v. 18.4.2007 – 3 K 11463/05, DStRE 2008, 1).

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht der bisherigen Rechtsprechung und wurde durch die Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f) EStG lediglich gesetzlich geregelt.106 Vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage und der (übereinstimmenden) Auslegung durch Rechtsprechung und Finanzverwaltung kann die steuerbilanzielle Bewertung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen grundsätzlich als geklärt angesehen werden. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich der BFH in näherer Zukunft erneut mit der Vereinbarkeit der Bewertung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen mit verfassungsrechtlichen Vorgaben auseinandersetzen wird. Fraglich erscheint allerdings die starke Bezugnahme des BFH auf das vom BVerfG verwendete Argument der Wahrung der Willkürgrenze und die damit ggf. verbundene Außerachtlassung von allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen.107 3. Fazit Unter Bezugnahme auf die vorliegenden gesetzlichen Regelungen zur Bewertung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen und die zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des BFH bestätigte Gesetzesauslegung der Finanzverwaltung sind materiell rechtliche Einwendungen gegen das Bestehen einer Abzinsungsverpflichtung nicht als erfolgversprechend zu beurteilen. Da zumindest der IV. Senat des BFH von einer Verfassungskonformität der Regelungen zur Rückstellungsbewertung ausgeht, bestehen auch bei einer verfassungsrechtlich basierten Argumentation lediglich geringe Chancen eines Obsiegens im Rahmen von Rechtsbehelfsmaßnahmen. Die D-GmbH hat die Rückstellung für Verpflichtungen zur Rekultivierung nach dem tatsächlich entstandenen Verpflichtungsumfang bzw. dem Grad der Inanspruchnahme anzusammeln. Die Rekultivierungsrückstellung wird nach Schlüsselgrößen entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme angesammelt. Die Rückstellung für die Verpflichtung zum Rückbau bzw. zum Abriss des Verwaltungs- und Lagergebäudes ist zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. Beide Rückstellungen sind mit einem Zinssatz von 5,5 % entsprechend ihrer Laufzeit abzuzinsen. Für die steuerbilanzielle Bewertung an den folgenden Bilanzstichtagen sind weiterhin die Werteverhältnisse am Bilanzstichtag ohne Berücksichtigung künftiger Kostensteigerungen maßgeblich.

106 Vgl. Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz. 484, Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 979a. 107 Vgl. Schulze-Osterloh, BB 2011, 1969.

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht

IX. Rückstellungen für Kosten künftiger Betriebsprüfungen 1. Sachverhalt Die A-GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland wird vom zuständigen Finanzamt als Großbetrieb i. S. d. § 3 Satz 1 BpO eingestuft. Das Geschäftsjahr entspricht dem Kalenderjahr In der Handels- und Steuerbilanz für das Geschäftsjahr 2006 bildet die Gesellschaft eine Rückstellung für die Kosten einer in 2008 zu erwartenden Betriebsprüfung. Eine Prüfungsanordnung i. S. d. § 196 AO wurde durch das zuständige Finanzamt bis zum Ende des Geschäftsjahr 2006 noch nicht erlassen. Die Bescheid für 2006 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag sowie der Bescheid für 2006 über den Gewerbesteuermessbetrag stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO. Tatsächlich findet in 2008 die erwartete Betriebsprüfung statt. Der Betriebsprüfer erkennt die Rückstellung nicht an, da im Zeitpunkt der Rückstellungsbildung noch keine Prüfungsanordnung vorgelegen habe und die Einstufung der A-GmbH als Großbetrieb nicht ausreiche. Das Finanzamt erlässt die entsprechenden Änderungsbescheide. Der Leiter des Rechnungswesens der A-GmbH möchte vom seinem steuerlichen Berater wissen, ob diese Auffassung rechtmäßig sei. 2. Lösungshinweise Die A-GmbH muss nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. mit § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Nach der Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 14.10.2010 muss die A-GmbH daher auch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i. S. d. § 249 Abs. 1 HGB in Höhe der Kosten der zukünftigen Betriebsprüfung bilden. Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt voraus, dass das Entstehen der Verbindlichkeit hinreichend wahrscheinlich und die Verbindlichkeit wirtschaftlich bereits verursacht ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, so dass die Verpflichtung auch hinreichend konkretisiert sein muss. Das FG Baden-Württemberg führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass die Verpflichtung aufgrund der fehlenden Prüfungsanordnung noch nicht entstanden ist. Das zukünftige Entstehen einer Verbindlichkeit ist allerdings am Bilanzstichtag hinreichend wahrscheinlich, da mehr Gründe für als gegen das Entstehen einer Verbindlichkeit und eine künftige Inanspruchnahme sprechen. Dies ergibt sich nicht aus der Aufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung in die Steuerbescheide, sondern aus der Einstufung der A-GmbH als Großbetrieb. Die Anschlussprüfung sei der 340

Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Regelfall, da die Wahrscheinlichkeit der Prüfung bei einem Großbetrieb bei ca. 80 % liege. Das zuständige Finanzamt hatte außerdem Kenntnis von der Einstufung der A-GmbH als Großbetrieb und damit von den anspruchsbegründenden Umständen. Die Verbindlichkeit ist außerdem wirtschaftlich verursacht, da die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Der wesentliche wirtschaftliche Bezugspunkt liegt demnach in der gewerblichen Tätigkeit der A-GmbH bis zum Bilanzstichtag. Die Prüfungsanordnung führe lediglich dazu, dass die ungewisse Verbindlichkeit gewiss werde. Die Verpflichtung ist hinreichend konkretisiert, da sich der Umfang der Mitwirkungspflichten aus den Regelungen der § 200 AO und § 8 BpO ergibt, die Verpflichtung innerhalb eines bestimmten Zeitraums – nämlich der Festsetzungsfrist – erfüllt werden muss und die Mitwirkungspflichten durch Erlass von Verwaltungsakten durchgesetzt und (zuletzt) durch Zwangsgeld vollstreckt werden können. Das FG Baden-Württemberg hat wegen grundsätzlicher Bedeutung i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zugelassen. Das Verfahren ist unter AZ I R 99/10 beim BFH anhängig. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (H 5.7 (4) EStH 2010) sind Rückstellung für künftige Betriebsprüfungskosten nicht zulässig, solange es an einer Prüfungsanordnung fehlt.108 Das Urteil des FG Baden-Württemberg steht daher in Widerspruch zur Auffassung der Finanzverwaltung. In seiner Urteilsbegründung geht das FG Baden-Württemberg nicht ausdrücklich auf die abweichende Auffassung der Finanzverwaltung ein. Es stellt allerdings klar, dass sich aus den Urteilen des BFH vom 24.8.1972 – auf welches H 5.7 (4) EStH 2010 verweist – und vom 13.1.1966 keine andere Beurteilung ergebe, da sie sich auf andere Sachverhalte beziehen (Kosten für zusätzliche Buchführungsarbeiten im Rahmen der Betriebsprüfung, Steuernachforderungen).109 In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Bildung einer Rückstellung für künftige Betriebsprüfungskosten vertreten.110 108 Ebenso bereits: OFD Münster, Verf. v. 18.4.1986 – S 2137 – 55-St 11–31. 109 Hierzu vgl. auch Langer, FR 2008, 1008 (m. w. N.). 110 Für Rückstellungen vor Erlass der Prüfungsanordnung (bei Großbetrieben): Buciek in Blümich, EStG, Stand: April 2011, § 5 Rz. 920 „Außenprüfung“; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 30. Auflage, § 5 Rz. 550 „Betriebsprüfung“; Langer, FR 2008, 1010; Happe, BBK 2011, 487; für Rückstellungen bereits bei Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO): Kleine/Werner, DStR 2006,

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Günkel, Aktuelle Probleme aus dem Bilanzsteuerrecht Als Konsequenz aus dem Urteil des FG Baden-Württemberg sind in aufzustellenden Bilanzen Rückstellungen für künftige Betriebsprüfungskosten zu bilden.111 Es handelt sich dabei um die für den Prüfer anfallenden Sachkosten (Zurverfügungstellen eines Betriebsprüferzimmers) sowie Personal- und Sachkosten für die Ansprechpartner des Prüfers während der Prüfung, ggf. auch die Kosten des mit der Betreuung der Betriebsprüfung beauftragten steuerlichen Beraters. Werden die Rückstellungen – wie im Fall der A-GmbH – durch das zuständige Finanzamt/Betriebsprüfung nicht anerkannt, sollte gegen die entsprechenden Bescheide Einspruch eingelegt werden. In Anbetracht der finanzgerichtlichen Entscheidung sollte eine gebildete Rückstellung auch eine subjektive richtige Bilanzierung darstellen, die sich nach derzeitiger Rechtsprechung einer Korrektur durch die Finanzverwaltung entzieht. Abzuwarten bleibt, wie diese Fragestellung durch den Großen Senat des BFH entschieden wird; insoweit kann auf den Beitrag von Herrn Prof. Prinz in diesem Jahrbuch verwiesen werden. 3. Fazit Der Entscheidung des FG Baden-Württemberg ist grundsätzlich zuzustimmen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie der BFH im anhängigen Revisionsverfahren entscheiden wird. Die Bildung einer Rückstellung für künftige Betriebsprüfungskosten hängt entscheidend davon ab, unter welchen Voraussetzungen ein Entstehen der Verpflichtung hinreichend wahrscheinlich ist. Es ist daher zu erwarten, dass sich der BFH im anhängigen Revisionsverfahren ausführlicher mit dieser Frage auseinandersetzen wird. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob auf die Einordnung als Großbetrieb abgestellt werden kann oder ob nicht eine weitere Unterscheidung entsprechend der verwaltungsinternen Einordnung in G1- bis G3-Fälle erfolgen muss.112 Bei „kleineren“ G3-Betrieben können sich auch prüfungsfreie Intervalle ergeben. Im Fall von Mittel-, Klein- und Kleinstbetrieben ist derzeit offen, ob eine Rückstellung bereits vor Erlass der Prüfungsanordnung gebildet werden kann. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des FG Baden-Württemberg erscheint allerdings zweifelhaft, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bereits bei Aufnahme eines Vorbehalts der Nachprüfung i. S. d. § 164 Abs. 1 AO anzunehmen wäre. 1957; Werner, BC 2008, 228; bei Erlass der Prüfungsanordnung: Horlemann, BB 1984, 2164; Starke/Spies, GmbHR 2005, 1044. 111 Vgl. Hennigfeld, EFG 2011, 343. 112 Vgl. Hennigfeld, EFG 2011, 343; Happe, BBK 2011, 481.

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Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten und -tochtergesellschaften Dr. Michael Schwenke Richter am BFH, München Inhaltsübersicht

1. Definition finaler Verluste durch den EuGH a) Die Entscheidung „Marks & Spencer“ zu ausländischen Tochtergesellschaften b) Die Entscheidung „Lidl Belgium“ zu ausländischen Betriebsstätten c) Fortentwicklung durch die Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee“ 2. Definition finaler Verluste durch den BFH a) Die Entscheidung I R 100/09 b) Die Entscheidung I R 107/09

3. Fälle einer „Finalität“ aus tatsächlichen Gegebenheiten a) Aufgabe einer ausländischen Betriebsstätte b) Umwandlung einer ausländischen Betriebsstätte c) Verkauf oder Übertragung der Betriebsstätte 4. Neuausrichtung der „Finalität“ durch „Beliebigkeitsrechtsprechung“ des EuGH? a) Die Entscheidung „X-Holding“ b) Die Entscheidung „Oy AA“ c) Keine Neuausrichtung der „Finalität“

Mit der grenzüberschreitenden Berücksichtigung „finaler“ Verluste beschäftigen sich Rechtsprechung, Wissenschaft und Finanzverwaltung seit mehreren Jahren, allerdings ohne eine für alle Beteiligten gleichermaßen überzeugende Lösung der Problematik in Aussicht stellen zu können. Im Gegenteil: Der BFH hat zwar wichtige Fragestellungen zur „Finalität“ von Verlusten geklärt. Die Finanzverwaltung hat aber offensichtlich Schwierigkeiten dieser Rechtsprechung zu folgen und sieht sich wohl durch die sog. „Beliebigkeitsrechtsprechung“ des EuGH in ihrer ablehnenden Haltung bestätigt.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten

1. Definition finaler Verluste durch den EuGH a) Die Entscheidung „Marks & Spencer“1 zu ausländischen Tochtergesellschaften Die Leitentscheidung des EuGH zum Themenkomplex Verlusttransfer von der ausländischen Tochtergesellschaft zur inländischen Muttergesellschaft erging zu den britischen Regelungen der konzerninternen Verlustübertragung, dem sog. „group relief“. Die Konzerntöchter in Belgien, Deutschland und Frankreich hatten über Jahre hinweg Verluste erwirtschaftet. Die in England ansässige Konzernmutter begehrte daraufhin die Berücksichtigung der Verluste in England. Nach dem englischen Recht war dies nur für englische Konzerntöchter möglich. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Marks & Spencer“ ist insofern von grundlegender Bedeutung, als der EuGH zwar auf der Tatbestandsebene eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit angenommen hat, diese aber prinzipiell für gerechtfertigt gehalten hat. In Randnummer 45 seiner Entscheidungsgründe führt das Gericht aus, dass es zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sein kann, die wirtschaftliche Tätigkeit sowohl in Bezug auf Gewinne als auch Verluste im Sitzstaat der Gesellschaft zu besteuern. Die Mitgliedstaaten müssten zudem eine doppelte Verlustberücksichtigung verhindern und der Gefahr von gezielten Verlustallokationen begegnen können. Damit ist klar, dass eine Verlustverrechnungsbeschränkung grundsätzlich möglich ist, allerdings nicht für sämtliche Verluste ausländischer Konzerntöchter. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der Rechtfertigungsebene hält der EuGH eine Abzugsbeschränkung dann für nicht erforderlich, wenn die gebietsfremde Tochtergesellschaft in ihrem Sitzstaat alle vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten – im aktuellen und in früheren Steuerzeiträumen – ausgeschöpft hat, ggf. auch durch Übertragung der Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Tochtergesellschaft in früheren Zeiträumen erwirtschaftet hat, und keine Möglichkeit besteht, dass die Verluste für künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten, insbesondere im Fall der Übertragung der Tochtergesellschaft auf ihn, berücksichtigt werden2. In der Literatur wird von endgültigen, definitiven oder finalen Verlusten gesprochen.

1 EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, S. I-10837. 2 EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, S. I-10837, Rn. 55 f.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten b) Die Entscheidung „Lidl Belgium“3 zu ausländischen Betriebsstätten In der Rechtssache „Lidl Belgium“ ging es um die Verluste einer deutschen GmbH&Co. KG aus einer in Luxemburg unterhaltenen Betriebsstätte. Im Ergebnis musste der EuGH zwar auf wichtige Gesichtspunkte des grenzüberschreitenden Verlusttransfers nicht eingehen, da Luxemburg als Quellenstaat eine Verlustvortragsmöglichkeit vorsah und die Klägerin davon auch tatsächlich Gebrauch gemacht hatte. Die Entscheidung stellt aber dennoch eine wichtige Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH dar, denn der EuGH hat seine Rechtsprechung zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung im Konzern aus dem Verfahren „Marks & Spencer“ auf den Fall einer ausländischen Betriebsstätte übertragen. Er ist damit inzident davon ausgegangen, dass ausländische Tochtergesellschaften sich in einer vergleichbaren Situation wie ausländische Betriebsstätten befinden. Eine die Verlustverrechnung beschränkende Maßnahme kann daher gerechtfertigt sein, weil die Staaten frei darin sind, ihre Besteuerungshoheiten aufzuteilen sowie eine doppelte Verlustberücksichtigung zu vermeiden. Allerdings stehen beide Rechtfertigungsgründe unter dem Vorbehalt der „Verhältnismäßigkeit“. Es gilt daher auch bei Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten, dass die Verluste im Sitzstaat des Stammhauses zu berücksichtigen sind, wenn im Betriebsstättenstaat keine Möglichkeit besteht, diese Verluste steuerlich zu verwerten. c) Fortentwicklung durch die Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee“4 In der Sache ging es um die Nachversteuerung von positiven Einkünften aus einer in Österreich belegenen Betriebsstätte nachdem zuvor nach der früheren Regelung des § 2a Abs. 3 EStG Verluste der Betriebsstätte in Deutschland zum Abzug zugelassen worden waren. Der EuGH hat die deutsche Regelung im Ergebnis als kohärent anerkannt. Interessant ist aber eine „Randnotiz“ der Entscheidung des EuGH. So betont das Gericht in Randnummer 50, dass die Niederlassungsfreiheit nicht dahingehend verstanden werden kann, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, seine Steuervorschriften auf diejenigen eines anderen Staates abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuervorschriften ergibt, beseitigt. Übertragen auf die Fälle von Verlusten in ausländischen Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften bedeutet dies, dass Rechtsnachteile, die ent3 EuGH, Urt. v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06, Lidl Belgium, IStR 2008, S. 400. 4 EuGH, Urt. v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee, IStR 2008, 773.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten stehen, weil sich ein Steuerpflichtiger in ein anderes Steuersystem begibt, nicht ausgeglichen werden müssen, wenn ein DBA dies nicht vorsieht. Auch wenn nicht verkannt werden darf, dass es sich um einen Anrechnungsfall handelt, den der EuGH zu entscheiden hatte und es sich im Bereich der Betriebsstättenverluste um Freistellungsfälle handelt, kann daraus dennoch der Schluss gezogen werden, dass die Mitgliedstaaten nicht nur nicht verpflichtet sind, die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer anderen Steuerrechtsordnung auszugleichen, sondern auch „andere Unzulänglichkeiten“ nicht ausgeglichen werden müssen.

2. Definition finaler Verluste durch den BFH In den Rechtssachen I R 100/095 und I R 107/096 hatte der BFH Gelegenheit, sich näher mit der Frage auseinander zu setzen, wann ausländische Verluste final sind. Es ging in beiden Fällen um inländische Kapitalgesellschaften, die mit ihren in Frankreich belegenen Betriebsstätten Verluste erwirtschafteten. In beiden Fällen wurde die Betriebsstätte letztlich eingestellt. Der Unterschied in den Fällen bestand darin, dass im Fall I R 100/09 die Verluste 1999 erwirtschaftet worden waren, die Betriebsstätte aber (erst) 2005 eingestellt wurde. Im Fall I R 107/09 wurde die Verluste von 1998 bis 2001 erwirtschaftet, die Betriebsstätte aber bereits 2001 eingestellt. Zur Lösung der Fälle war wichtig, dass das französische Recht zum damaligen Zeitpunkt einen Verlustrücktrag begrenzt auf drei Jahre sowie einen Verlustvortrag begrenzt auf fünf Jahre vorsah. a) Die Entscheidung I R 100/09 In Anlehnung an die EuGH-Entscheidung „Lidl Belgium“7 kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass ein Abzug der französischen Betriebsstättenverluste nur in Betracht kommt, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind. Ein Abzug der französischen Betriebsstättenverluste kommt daher nur dann in Betracht, wenn die in Frankreich für den betreffenden Besteuerungszeitraum sowie für frühere Besteuerungszeiträume vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten – ggf. durch Übertragung dieser Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Betriebsstätte in früheren Zeiträumen erwirtschaftet hat – tatsächlich ausgeschöpft wurden und wenn keine Möglichkeit besteht, dass die Verluste der Betriebs5 BFH, Urt. v. 9.6.2010 – I R 100/09, BFHE 230, 30. 6 BFH, Urt. v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35. 7 EuGH, Urt. v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06, Lidl Belgium, IStR 2008, 400.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten stätte in Frankreich für künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten berücksichtigt werden. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee“8 kommt der BFH jedoch dann zum Schluss, dass es an einer derartigen Finalität fehlt, wenn der Betriebsstättenstaat nur einen zeitlich begrenzten Vortrag von Verlusten zulässt. (Rechtliche) Beschränkungen des Quellenstaats beim Verlustabzug verbleiben in dessen Sphäre; ein Verlustexport in den Stammhausstaat erfolgt dann nicht. Im entschiedenen Fall war dies so. Denn die Betriebsstätte wurde erst aufgegeben, als der Verlustvortragszeitraum von fünf Jahren bereits abgelaufen war. Damit war die rechtliche Beschränkung des Verlustabzugs durch den Betriebsstättenstaat kausal geworden für die „Finalität“ bzw. Nichtberücksichtigung der Verluste und nicht die (tatsächliche) Aufgabe der Betriebsstätte. b) Die Entscheidung I R 107/09 Anders im Fall I R 107/09. Dort war die Einstellung der Betriebsstätte „rechtzeitig“ erfolgt, also bevor der Verlustvortragszeitraum abgelaufen war. Damit waren nicht die Verlustabzugsbeschränkungen und -verbote nach französischem Recht für die „Finalität“ der fraglichen Verluste ausschlaggebend, sondern die tatsächlichen Gegebenheiten der Aufgabe der Betriebsstätte. Die (rechtliche) Beschränkung des Verlustvortrags durch den Quellenstaat wird dadurch unbeachtlich und tritt zurück. Der BFH betont weiter, dass tatsächliche Gegebenheiten, die zur Finalität von Verlusten führen, aber nicht bereits dann vorliegen, „wenn der Steuerpflichtige eine ihm rechtlich mögliche Verlustverwertung, beispielsweise mittels Rücktrags oder Vortrags, oder ihm anderweitig leichthin mögliche wirtschaftlich vernünftige Verwertungshandlungen, unterlässt“. Gerade zu letztem Gesichtspunkt verweist der BFH auf Tz. 55 der EuGH-Entscheidung ‚Marks & Spencer‘9, worin der EuGH ausdrücklich die Möglichkeit der Übertragung der Verluste auf einen Dritten erwähnt. Damit wird deutlich, dass die Verlustverrechnung im Ansässigkeitsstaat als „ultima ratio“ anzusehen ist. Nach Auffassung des BFH ist dies immer dann der Fall, wenn die Verluste im Ausland unbeschadet der dort herrschenden rechtlichen Rahmenbedingungen definitiv keiner anderweitigen Berücksichtigung mehr zugänglich sind.

8 EuGH, Urt. v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee, IStR 2008, 773. 9 EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, S. I-10837.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten

3. Fälle einer „Finalität“ aus tatsächlichen Gegebenheiten Den Urteilsfall der Aufgabe der Betriebsstätte hat der BFH ausdrücklich als Fall eines finalen Verlustes angesehen. In einem obiter dictum nennt der BFH jedoch weitere Fälle, bei denen sich aus tatsächlichen Umständen eine „Finalität“ der Verluste ergeben kann. Der BFH führt aus: „So kann es sich bei einer Betriebsstätte etwa unter jenen tatsächlichen Umständen verhalten, welche in § 2a Abs. 4 Satz 1 … EStG … tatbestandlich aufgeführt sind, also bei Umwandlung der Auslandsbetriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, ihrer entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung oder ihrer endgültigen Aufgabe“. Der BFH sieht also in Fällen der Umwandlung, des Verkaufs oder der Übertragung weitere Sachverhalte – neben der „endgültigen“ Aufgabe der Betriebsstätte – in denen eine zukünftige Verlustnutzung in Einklang mit dem ausländischen Steuerrecht definitiv ausgeschlossen sein kann. Nachfolgend soll anhand verschiedener Fallkonstellationen untersucht werden, ob und in welcher Höhe tatsächlich in jedem Einzelfall eine gemeinschaftsrechtliche Notwendigkeit einer Verlustberücksichtigung durch den Ansässigkeitsstaat besteht. a) Aufgabe einer ausländischen Betriebsstätte Sachverhalt 1: Die inländische A-GmbH produziert in ihrer Betriebsstätte in Frankreich seit 01 Arzneimittel. Die Verluste in den Jahren 01 bis 04 belaufen sich auf insgesamt 50.000 Euro. Die Tätigkeit wird daher 05 eingestellt. Das französische Recht sieht einen unbegrenzten Verlustvortrag vor. Nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften beträgt der Verlust lediglich 40.000 Euro.

Die angefallenen Verluste können im Ausland tatsächlich nicht mehr genutzt werden. Für die Vergangenheit nicht aufgrund der Ertragssituation der Betriebsstätte und für die Zukunft nicht, weil die Betriebsstätte aufgegeben worden ist. Damit haben nach der Rechtsprechung des BFH nicht die Verlustabzugsregelungen des ausländischen Steuerrechts die „Finalität“ herbeigeführt, sondern die tatsächliche Gegebenheit der Aufgabe der Betriebsstätte. Allerdings können die Verluste nur in Höhe von 40.000 Euro in Deutschland zum Abzug zugelassen werden. Letztlich ergibt sich dies aus der Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee.“10 Der EuGH hat in Randnummer 50 dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit nicht dahingehend verstanden werden kann, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, seine Steuervorschriften auf diejenigen eines anderen Staates abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, 10 EuGH, Urt. v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee, IStR 2008, 773.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten die sich aus den nationalen Steuervorschriften ergibt, beseitigt. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Höhe der abzugsfähigen Verluste nach den Bestimmungen des Ansässigkeitsstaates zu bestimmen ist, da die rechtlichen Bestimmungen des Quellenstaates (beispielsweise großzügige Abschreibungsregelungen) nicht vom Ansässigkeitsstaat ausgeglichen werden müssen. Damit liegen in Höhe von 10.000 Euro zwar „finale“ Verluste vor, diese können jedoch insoweit nicht in Deutschland steuerlich berücksichtigt werden. Weiter dürfte für die Lösung des Falles von Bedeutung sein, was mit den Wirtschaftsgütern und damit mit den diesen Wirtschaftsgütern innewohnenden stillen Reserven geschieht. Den Grundsätzen der Entscheidung „Marks & Spencer“ ist jedenfalls zu entnehmen,11 dass alle Möglichkeiten der Übertragung von Verlusten genutzt werden müssen. Dies lässt m. E. auch die Schlussfolgerung zu, dass stille Reserven im Wege einer Betriebsaufgabebesteuerung gehoben werden müssen. Erst wenn dies geschehen ist und Verluste noch „übrig“ sind, hat als „ultima ratio“ ein Verlusttransfer in den Ansässigkeitsstaat zu erfolgen. Die Finanzverwaltung dürfte in dieser Fallkonstellation dagegen zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich nicht um finale Verluste handelt. Da eine spätere Verlustnutzung nicht auszuschließen ist – immerhin könnte die Tätigkeit in Frankreich im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht jederzeit wieder aufgenommen werden – würde ein vom BFH angenommenes weites Verständnis der Finalität dazu führen, dass der Steuerpflichtige darüber bestimmen könnte, wann und wo er Verluste „final“ werden lässt. Die Konsequenz dieser Auffassung liegt auf der Hand: Lediglich im Fall der Liquidation des Stammhauses würde die Finanzverwaltung letztlich von einer Finalität der Verluste ausgehen.12 Sachverhalt 2: Wie Sachverhalt 1. Im Jahr 10 wird die Tätigkeit in Frankreich wieder aufgenommen.

Der BFH betont in seiner Entscheidung I R 107/09, dass die Aufgabe der Betriebsstätte „endgültig“ sein muss, um zur Finalität zu führen. Damit werden Befürchtungen der Finanzverwaltung aufgegriffen,13 dass der Steuerpflichtige seine Auslandsbetriebsstätte quasi über den Jahreswechsel schließt, um sie dann – nach gelungenem Verlusttransfer – im neuen Jahr sofort wieder zu eröffnen. Der BFH begegnet diesen Ängsten mit der Möglichkeit einer Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

11 EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, S. I-10837, Rn. 55 f. 12 Vgl. hierzu Benecke/Staats, IStR 2010, 668. 13 BayLfSt, Verf. v. 19.2.2010, Der Betrieb 2010, 476.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten wegen rückwirkenden Ereignisses. Damit entfällt im Sachverhalt 2 die „Finalität“ der Verluste rückwirkend. Die Finanzverwaltung würde dagegen von Anfang an das Vorliegen finaler Verluste verneinen. Einer verfahrensrechtlichen Korrektur, wie sie vom BFH dargelegt wurde, bedarf es daher nach dieser Auffassung nicht. Sachverhalt 3: Wie Sachverhalt 1. Der Verlustvortrag soll in Frankreich aber auf 10 Jahre begrenzt sein.

Die Frage, die sich in dieser Fallkonstellation stellt, ist, ob die Finanzverwaltung nach Ablauf des Verlustvortragszeitraums von 10 Jahren zu einer „Finalität“ der Verluste gelangen würde. Im Zeitpunkt der Aufgabe der Betriebsstätte würde die Finanzverwaltung mit der oben wiedergegebenen Argumentation davon ausgehen, dass es sich nicht um finale Verluste handelt. Da aber eine spätere Verlustnutzung auszuschließen ist, wenn der Verlustvortragszeitraum von 10 Jahren verstrichen ist, wäre ab diesem Zeitpunkt von einer Finalität der Verluste auszugehen. Dem könnte dann aber wiederum entgegengehalten werden, dass diese „Finalität“ auf der rechtlichen Beschränkung des Verlustvortrags beruht. Mithin käme man dann wiederum zu keiner Verlustberücksichtigung. Dieser Fall zeigt m. E. die Unzulänglichkeit in der Argumentation der Finanzverwaltung in voller Schärfe auf. Sachverhalt 4: Wie Sachverhalt 1. Die A-GmbH unterhält in Frankreich jedoch drei weitere Betriebsstätten.

Fraglich ist in dieser Sachverhaltskonstellation, ob durch die Aufgabe der Betriebsstätte noch „finale“ Verluste entstehen können. Dies wird teilweise bejaht, wenn das ausländische Recht einen Verlustübertrag auf die weiterhin bestehenden Betriebsstätten nicht zulässt.14 M. E. liegen jedoch selbst in diesem Fall keine „finalen“ Verluste vor. Ausgangspunkt sind wieder die Überlegungen des EuGH in der Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee“. Die rechtlichen Bestimmungen des Quellenstaates müssen nicht vom Ansässigkeitsstaat ausgeglichen werden. Lässt der Quellenstaat eine Übertragung von Verlusten zwischen verschiedenen Betriebsstätten eines Steuerpflichtigen im Rahmen der dortigen beschränkten Steuerpflicht nicht zu, muss dies vom Ansässigkeitsstaat nicht ausgeglichen werden. Voraussetzung wäre allerdings, dass der Ansässigkeitsstaat selbst im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht eine entsprechende Verrechnung zwischen verschiedenen Betriebsstätten zulässt. Davon ist für Deutschland auszugehen. Damit sind die Verluste bereits nicht „final“ geworden. 14 Wangler/Gühne, FR 2010, 1113 m. w. N.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten Die Grundsätze der Entscheidung „Marks & Spencer“ bestätigen dieses Ergebnis. Dort wird ausdrücklich die Möglichkeit der Übertragung der Verluste auf einen Dritten erwähnt. Daraus kann man ableiten, dass bei Aufgabe von einer von mehreren Betriebsstätten immer eine Übertragung der Verluste stattzufinden hat, bevor als „ultima ratio“ ein Verlusttransfer in den Ansässigkeitsstaat zu erfolgen hat. Sachverhalt 5: Wie Sachverhalt 1. Zeitgleich mit der Einstellung der Betriebsstätte wird die Produktion der Arzneimittel von einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der A-GmbH in Frankreich übernommen.

Nach der Rechtsprechung des BFH liegt wohl ein Fall der endgültigen Aufgabe der Betriebsstätte vor und damit finale Verluste. Dass die Tätigkeit der Betriebsstätte wirtschaftlich von der Tochtergesellschaft der A-GmbH übernommen worden ist, dürfte an diesem Ergebnis zunächst nichts ändern. Es ist jedoch zu beachten, dass die Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte und damit die in diesen Wirtschaftsgütern innewohnenden stillen Reserven auf die Tochtergesellschaft übertragen worden sind. Damit dürften sich die entstandenen finalen Verluste entsprechend verringern. Eine ganz ähnliche Überlegung ergäbe sich, wenn die Tätigkeit der Betriebsstätte in Frankreich eingestellt worden wäre, eine Fortsetzung der Produktion durch die Tochtergesellschaft aber nicht erfolgt. In diesem Fall müsste man wohl davon ausgehen, dass bestimmte Wirtschaftsgüter, insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter, ab diesem Zeitpunkt dem deutschen Stammhaus, der A-GmbH, zuzurechnen wären. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob damit ebenfalls eine Verringerung der finalen Verluste einhergeht. Dies könnte man im Hinblick auf die Aufgabe der finalen Entnahme- und Betriebsaufgabentheorie15 durch die Rechtsprechung des BFH anders sehen. Zumindest im Zeitpunkt der Aufgabe der Betriebsstätte im Ausland wäre danach noch keine Gegenrechnung möglich. Die Finanzverwaltung würde wiederum ohne die geschilderten Überlegungen anstellen zu müssen von Anfang an das Vorliegen finaler Verluste verneinen. Sachverhalt 6: Wie Sachverhalt 1. Die A-GmbH ist aber über eine Organschaft mit der inländischen B-KG verbunden. Die A-GmbH wird im Jahr 06 liquidiert.

Nach der Rechtsprechung des BFH liegen bereits im Jahr 05 finale Verluste aufgrund der Aufgabe der Betriebsstätte vor. Es kommt daher gar 15 BFH, Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFHE 222, 402 sowie v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFHE 227, 83.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten nicht darauf an, ob eine Organschaft mit der B-KG besteht und ob die A-GmbH in 06 liquidiert wird. Die Finanzverwaltung dürfte auch diesen Fall wieder ganz anders sehen. Zunächst ist wiederum davon auszugehen, dass im Jahr 05 keine finalen Verluste vorliegen, da eine spätere Verlustnutzung nicht auszuschließen ist. Aber auch für das Jahr 06, in dem die A-GmbH liquidiert wird, kann man Zweifel haben, ob die Finanzverwaltung von finalen Verlusten ausgehen wird. Denn immerhin könnte argumentiert werden, dass über die Organschaft zur B-KG die Verluste der ausländischen Betriebsstätte genutzt werden könnten, wenn die B-KG eine Betriebsstätte in Frankreich unterhält. Diese Argumentation lässt jedoch unberücksichtigt, dass über eine Organschaft Einkünfte dem Organträger zugerechnet werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Verrechnung nur auf der Ebene des Organträgers stattfindet, nicht aber auf der Ebene der Organgesellschaft und damit auch nicht im Ausland. Die Zurechnung im Wege einer Organschaft setzt also bereits voraus, dass finale Verluste vorliegen. Spätestens im Jahr 06 müsste daher auch die Finanzverwaltung von finalen Verlusten ausgehen. b) Umwandlung einer ausländischen Betriebsstätte Begrifflich handelt es sich bei Umwandlungen i. S. der vom BFH angeführten Vorschrift des § 2a Abs. 4 EStG i. V. m. § 52 Abs. 3 S. 2 EStG um alle Sachverhalte, in denen die bisherige Betriebsstätte ihre Zuordnung zum Inlandsbetrieb verliert und in eine (ausländische) Kapitalgesellschaft aufgeht. Daher sind vielfältige Sachverhaltskonstellationen denkbar. Es kann sich um reine Inlandsumwandlungen mit Auslandsbezug handeln ebenso wie um grenzüberschreitende Hinausumwandlungen. Sachverhalt 7: Wie Sachverhalt 1. Die A-GmbH gibt ihre Betriebsstätte jedoch 05 nicht auf, sondern bringt diese zu Buchwerten in eine im Inland ansässige Tochterkapitalgesellschaft (B-GmbH) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein.

Soweit die Betriebsstätte im EU/EWR-Ausland als Teilbetrieb anzusehen ist, liegt eine Übertragung eines Teilbetriebs gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an den übertragenden Rechtsträger und damit eine Einbringung i. S. v. § 20 Abs. 1 UmwStG vor. Für die Übertragung von Verlustvorträgen i. S. v. § 10d EStG vom Einbringenden auf die übernehmende Kapitalgesellschaft ist in den §§ 20–23 UmwStG keine Regelung getroffen worden. Das UmwStG schreibt weder vor, dass der Verlustvortrag untergeht, noch, dass er nicht untergeht. Eine direkte oder indirekte Verweisung auf § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG ist nicht gegeben, da § 23 Abs. 1 und 2 UmwStG nur auf § 12 Abs. 3 1. HS UmwStG verweisen. Dennoch geht der Verlustvortrag des Einbringenden nicht auf die übernehmende Kapitalgesellschaft über, da der Verlustvortrag weiterhin dem Einbringen354

Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten den zusteht.16 Damit sind die Verluste der ausländischen Betriebsstätte „final“ geworden. Denn sie stehen dem übertragenden Rechtsträger zwar weiterhin zu, die A-GmbH kann diese Verluste aber im Ausland nicht nutzen, da die Betriebsstätte auf die B-GmbH übertragen worden ist. Eine künftige Verlustnutzung ist daher nach zutreffender Auffassung wie bei der Aufgabe der Betriebsstätte definitiv ausgeschlossen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, ob der Steuerpflichtige, der europarechtlich gezwungen ist, alle Verlustnutzungsmöglichkeiten auszuschöpfen, die vorhandenen Verluste durch einen möglichst hohen Einbringungsgewinn beim Einbringenden (im Fall der A-GmbH) ausgleichen müsste.17 Dieser Auffassung ist zuzugeben, dass der EuGH bereits in der grundlegenden Entscheidung „Marks & Spencer“ entschieden hat, dass eine „Finalität“ nur dann vorliegt, wenn „alle vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten“ (frühere Steuerzeiträume) ausgeschöpft wurden.18 Es ist jedoch m. E. sehr fraglich, ob das Ansatzwahlrecht nach § 20 Abs. 2 UmwStG, wonach das eingebrachte Betriebsvermögen abweichend vom Buchwert zum gemeinen Wert oder zu einem Zwischenwert bewertet werden kann die Höhe des Einbringungsgewinns auf die der Einbringende selbst keinen Einfluss nehmen kann, als entsprechende Möglichkeit i. S. der EuGH-Rechtsprechung anzusehen ist. Denn es muss dabei beachtet werden, dass dieses Ansatzwahlrecht nur der übernehmenden Kapitalgesellschaft zusteht. Nur sie bestimmt durch den von ihr vorgenommenen tatsächlichen bilanziellen Ansatz den für den Einbringenden anzusetzenden Einbringungsgewinn.19 Anzumerken bleibt noch, dass sich die geschilderten Rechtsfolgen auch bei einer Hinausumwandlung durch Einbringung des Teilbetriebs in eine im EU/EWR-Ausland ansässige Kapitalgesellschaft ergeben können. Sachverhalt 8: Wie Sachverhalt 7. Das französische Recht sieht aber einen Übergang der Verlustvorträge auf die B-GmbH vor.

Es ist fraglich, ob in dieser Sachverhaltskonstellation noch von einem „finalen“ Verlust ausgegangen werden kann. Zwar kann der übertragende Rechtsträger, die A-GmbH die Verluste ihrer französischen Betriebsstätte nicht mehr nutzen, aber die B-GmbH kann es jetzt. Würde man einen Verlustabzug in Deutschland ermöglichen, käme es wirtschaftlich betrachtet dann tatsächlich zu einer doppelten Verlustberücksichtigung

16 Vgl. hierzu Hackemack, Der Verlustabzug im Umwandlungssteuerrecht, 79. 17 Benecke/Staats, IStR 2010, 668. 18 EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, Marks & Spencer, Slg. 2005, S. I-10837, Rn. 55 f. 19 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 20 Rz. 149.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten sowohl in Deutschland wie in Frankreich. Insofern wäre auch zu beachten, dass der EuGH wohl selbst in Randnummer 55 der Entscheidung „Marks & Spencer“ von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgeht, wenn er davon spricht, dass für die Vergangenheit und für die Zukunft alle vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft sein müssen, gegebenenfalls auch durch Übertragung der Verluste auf einen Dritten. Dem hat sich der BFH in seiner Entscheidung I R 107/09 angeschlossen. Vorliegend sind die Verluste tatsächlich auf einen Dritten übertragen worden. M. E. liegen dann keine „finalen“ Verluste vor; eine Berücksichtigung der Verluste im Inland als „ultima ratio“ ist gemeinschaftsrechtlich nicht gefordert. Sachverhalt 9: Wie Sachverhalt 1. Die A-GmbH gibt ihre Betriebsstätte jedoch 05 nicht auf, sondern wird auf die im Inland ansässige B-GmbH verschmolzen.

Die Umwandlung der A-GmbH nach § 11 UmwStG führt dazu, dass der übernehmende Rechtsträger (B-GmbH) auch die ausländische Betriebsstätte übernimmt. Da die A-GmbH zum steuerlichen Übertragungsstichtag (§ 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG) ohne Abwicklung aufgelöst wird, ist eine Verlustnutzung durch die A-GmbH nicht mehr möglich, auch wenn die Verluste aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten „final“ sind und definitiv nicht mehr genutzt werden können. Dies lässt durchaus die Schlussfolgerung zu, dass die ausländischen Betriebsstättenverluste nicht mehr im Inland ankommen, da der Zeitpunkt der Finalität mit dem Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungszeitpunktes und damit dem Verlustuntergang zusammenfällt.20 Anders wäre dies nur, wenn die „finalen“ Verluste beim übernehmenden Rechtsträger als Gesamtrechtsnachfolger zum Abzug zuzulassen wären.21 Immer dann, wenn ein nach Maßgabe des ausländischen Rechts bestimmter Finalitätszeitpunkt dem steuerlichen Übertragungszeitpunkt nachfolgt – so diese Argumentation – sei eine Berücksichtigung der „finalen“ Verluste dann beim übernehmenden Rechtsträger möglich und ein Untergang der Verluste vermieden. Der Grundgedanke ist dabei zutreffend. Es handelt sich um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, d. h. im Unterschied zu den vorhergehenden Fällen existiert der übertragende Rechtsträger nicht mehr. Daher ist gemeinschaftsrechtlich zu prüfen, ob die „finalen“ Verluste nicht beim übernehmenden Rechtsträger als Gesamtrechtsnachfolger zum Abzug gebracht werden müssen. Nach der EuGH-Rechtsprechung kann jedoch nicht „beliebig“ zwischen den jeweiligen Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten gewechselt werden. Aus den Grundsätzen der Entscheidung des EuGH in

20 Benecke/Staats, IStR 2010, 668. 21 Kessler/Philipp, IStR 2010, 865.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten der Rechtssache „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee“ folgt, dass der Vermögensübergang im Wege einer Umwandlung allein nach deutschen Bestimmungen zu erfolgen hat. D. h. der steuerliche Übertragungsstichtag sowie der Finalitätszeitpunkt bestimmen sich allein nach deutschem Recht. Ein teilweises Abstellen auf das Recht des Betriebsstättenstaates würde dazu führen, dass die gleichheitsrechtliche Prüfung nicht sauber durchgeführt werden kann, denn zum Vergleich ist ein rein inländische Sachverhalt – Verschmelzung inländischer Rechtsträger mit Inlandsvermögen – heranzuziehen. An diesem Rechtsrahmen angelehnt ist in einer Outbound-Fallgestaltung der zu vergleichende Sachverhalt (im Fall: inländischer Rechtsträger mit Auslandsvermögen verschmilzt mit inländischem Rechtsträger) zu prüfen. Damit ist aber m. E. der Fall gelöst. Denn beim reinen Inlandsfall sieht das UmwStG eine Übertragung steuerlicher Verlustvorträge nicht vor. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG und § 12 Abs. 3 UmwStG gehen nicht ausgeglichene negative Einkünfte der verschmolzenen Gesellschaft, die vor dem Übertragungsstichtag entstehen, unter. Der Fall einer Verschmelzung inländischer Rechtsträger mit Auslandsvermögen ist nicht anders zu beurteilen. Damit liegen zunächst zwar „finale“ Verluste vor, denn eine künftige Verlustnutzung durch die A-GmbH ist nicht möglich, da die X-GmbH rechtlich nicht mehr existent ist. Da die Verluste auch nicht auf die B-GmbH übergehen, ist nach zutreffender Auffassung wie bei der Aufgabe der Betriebsstätte eine Verlustnutzung definitiv ausgeschlossen. Es besteht auch keine gemeinschaftsrechtliche Notwendigkeit einer Berücksichtigung dieser „finalen“ Verluste durch den Ansässigkeitsstaat. Denn in beiden Fallkonstellationen kommt es zu einem Untergang der Verluste. Es ist damit schon keine Ungleichbehandlung und keine Beschränkung der Grundfreiheiten erkennbar. Derartige „finale“ Verluste können daher nicht im Inland berücksichtigt werden. Anzumerken bleibt noch, dass sich die geschilderten Rechtsfolgen auch bei einer Hinausverschmelzung auf eine im EU/EWR-Ausland ansässige Kapitalgesellschaft ergeben können. Voraussetzung dafür, dass in derartigen Fallkonstellationen überhaupt von einem Verlustübergang gesprochen werden kann, wäre jedoch, dass eine beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland verbleibt. Ganz ähnlich wie im Fall der Verschmelzung verhält es sich im Fall einer Spaltung auf eine Kapitalgesellschaft nach §§ 15 ff. UmwStG. Im Fall einer Abspaltung nach § 15 Abs. 3 UmwStG kommt es jedoch nur zu einem partiellen Untergang von Verlusten.22

22 Benecke/Staats, IStR 2010, 668.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten c) Verkauf oder Übertragung der Betriebsstätte Sachverhalt 10: Wie Sachverhalt 1. Die A-GmbH gibt ihre Betriebsstätte jedoch 05 nicht auf, sondern überträgt diese unentgeltlich auf die im Inland ansässige B-GmbH.

Die angefallenen Verluste können von der A-GmbH tatsächlich nicht mehr genutzt werden. Für die Vergangenheit nicht aufgrund der Ertragssituation der Betriebsstätte und für die Zukunft nicht, weil die Betriebsstätte auf die B-GmbH übertragen worden ist. Damit hat die tatsächliche Gegebenheit der Übertragung der Betriebsstätte die „Finalität“ herbeigeführt. Da § 6 Abs. 3 EStG auch keine Übertragung der Verluste vorsieht, diese also auch durch die B-GmbH nicht genutzt werden können, liegen „finale“ Verluste vor, die gemeinschaftsrechtlich zwingend in Deutschland steuerlich berücksichtigt werden müssen.

4. Neuausrichtung der „Finalität“ durch „Beliebigkeitsrechtsprechung“ des EuGH? a) Die Entscheidung „X-Holding“ Der EuGH hatte sich in der Rechtssache „X-Holding“23 mit einer Verlustverrechnung zwischen einer Muttergesellschaft in Holland und deren Tochter in Belgien zu beschäftigen. Es ging um die niederländische Regelung zur „fiscale eenheid“24, nach der die Bildung einer steuerlichen Einheit nur zwischen in den Niederlanden ansässigen Steuerpflichtigen möglich war. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelung zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, aber diese Beschränkung gerechtfertigt ist, um die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren. In Randnummer 31 seiner Entscheidung betont das Gericht, dass die Möglichkeit der Muttergesellschaft, die gebietsfremde Tochtergesellschaft in die steuerliche Einheit einzubeziehen, auf eine freie Wahl der Muttergesellschaft hinausliefe, in welchem Mitgliedstaat sie die Verluste der Tochtergesellschaft geltend macht. Eine Beschränkung der Verlustverrechnung für gebietsfremde Tochtergesellschaften wahrt daher die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten.

23 EuGH, Urt. v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08, X-Holding BV, IStR 2010, 213. 24 Ab einer Beteiligungshöhe von 95 % sah Art. 15 des niederländischen KStG vor, dass eine steuerliche Einheit gebildet werden konnte, allerdings nur wenn beide Steuerpflichtige in den Niederlanden ansässig waren.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten b) Die Entscheidung „Oy AA“ Ähnlich urteilte der EuGH bereits in einer früheren Entscheidung. In der Rechtssache „Oy AA“25 hatte der EuGH sich mit den finnischen Regelungen zum Konzernbeitrag zu beschäftigen. Der Abzug des Konzernbeitrags bei der finnischen Tochtergesellschaft war letztlich davon abhängig, dass eine Besteuerung des Konzernbeitrags als Einnahme bei der empfangenden Muttergesellschaft erfolgt. Da diese in Großbritannien ansässig war, wurde der Tochtergesellschaft in Finnland der steuerliche Abzug verweigert. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, da die steuerliche Behandlung von Tochtergesellschaften ausländischer Muttergesellschaften weniger vorteilhaft ist, als die der Tochtergesellschaften finnischer Muttergesellschaften, war wiederum gerechtfertigt, um die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren. In Randnummer 65 seiner Entscheidung betont das Gericht, dass es nicht in das Belieben der Steuerpflichtigen gestellt sein darf, in welchem Mitgliedstaat sie ihre Gewinne besteuern. c) Keine Neuausrichtung der „Finalität“ In der Literatur wird aus den Entscheidungen in den Rechtssachen „X-Holding“ und „Oy AA“ eine neue Ausrichtung der Rechtfertigungsund Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH abgeleitet, die als sog. „Beliebigkeitsgrenze“ bezeichnet wird.26 Teilweise werden jedoch auch Schlussfolgerungen in Bezug auf die „Finalität“ ausländischer Betriebsstättenverluste gezogen.27 Im Ergebnis werden zwei Möglichkeiten gesehen, wie sich die „Beliebigkeitsgrenze“ auf die „Finalität“ von Verlusten auswirken könnte. Zum Einen könnte die Prüfung der „Finalität“ vollständig suspendiert sein. Zum Anderen könnten die Anforderungen an die „Finalität“ von Verlusten dahingehend gesteigert worden sein, dass diese nur noch „final“ sein können, wenn eine Verlustberücksichtigung nicht ins Belieben gestellt ist, beispielsweise bei Liquidation des inländischen Stammhauses. Im Ergebnis würden die Anforderungen an die „Finalität“ von Verlusten erheblich gesteigert. In allen vorgenannten Fallgestaltungen wäre eine „Finalität“ zu verneinen. Dabei wird jedoch unberücksichtigt gelassen, dass die Entscheidungen „X-Holding“ und „Oy AA“ zur Berücksichtigung von laufenden Verlusten bzw. laufendem Aufwand ergangen sind. Es standen keine „finalen“ Verluste zur Entscheidung. Es ist daher mehr als zweifelhaft, ob die 25 EuGH, Urt. v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05, Oy AA, Slg. 2007, S. I-6373. 26 Vgl. hierzu Roser, Ubg 2010, 30. 27 Benecke/Staats, IStR 2010, 668.

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Schwenke, Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten Grundsätze der genannten Entscheidungen unmittelbar auf Fälle „finaler“ Verluste übertragen werden können. Die Aussagen des Gerichts können m. E. nicht als Abkehr von den Grundsätzen der Entscheidung in der Rechtssache „Marks & Spencer“ und „Lidl Belgium“ interpretiert werden. Denn es darf nicht übersehen werden, dass in den vom EuGH entschiedenen Fällen eine Verlustberücksichtigung bzw. Aufwandszuordnung – überspitzt formuliert – lediglich von einer Willensentscheidung des Steuerpflichtigen abhängig war, in den vom BFH aufgezeigten Fallgestaltungen dagegen eine tatsächliche Handlung des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Und auch dies darf nicht übersehen werden, der BFH hat in seiner Entscheidung I R 107/09 bereits einen Weg gewiesen, wie mit derartigen Fallgestaltungen umgegangen werden könnte. Im Fall einer (missbräuchlichen) Wiedereröffnung der Betriebsstätte, soll eine doppelte Verlustnutzung durch eine Bescheidänderung nach § 175 AO verhindert werden. Die Praxis wird zeigen, ob das nationale Verfahrensrecht genügt, um mit den Fallgestaltungen in der Praxis umgehen zu können. Ist dies nicht möglich, dürfte der Gesetzgeber gefordert sein.

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Steuerliche Ergebniszurechnung zu einem in Deutschland nicht steuerpflichtigen Organträger? Dr. Thomas Eisgruber Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, München Inhaltsübersicht

1. Einleitung 2. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. Februar 2011 2.1 Der Sachverhalt 2.2 Die Entscheidung 2.3 Kurzer Einschub: Zwei Anmerkungen 3. Die Argumentationskette des BFH 3.1 Nach § 14 KStG nur inländische Organträger 3.2 Offen, ob darin Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt 3.3 Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot 4. Grundsätzliches zum Diskriminierungsverbot 4.1 Wer wird hier diskriminiert? 4.2 Was will ein Doppelbesteuerungsabkommen?

5. Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots 5.1 Die alte Rechtsprechung 5.2 Die erste Abkehr und die Reaktion der Finanzverwaltung 6. Die Auslegung des Diskriminierungsverbots durch das Gericht 6.1 Der Wortlaut des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA 6.2 Struktur des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA 7. Abgleich der Argumente 7.1 Der Ansatz der Verwaltung 7.2 Das Wortlautargument des BFH 7.3 Das Judiz in der Eingriffsverwaltung 8. Die Folgen des Urteils 8.1 Droht ein fiskalischer Super-GAU? 8.2 Alles nur ein Gespenst? 9. Auswege aus der bestehenden Situation

1. Einleitung Die Diskussion um eine grenzüberschreitende Organschaft wurde bisher nur „einseitig“ über die Frage geführt, ob Verluste einer im Ausland ansässigen Tochtergesellschaft mit dem Ergebnis der inländischen Mutter verrechnet werden können. Hierbei wurden regelmäßige Verletzungen der Niederlassungsfreiheit gerügt und die Möglichkeiten einer faktischen Organschaft besprochen. Durch das überraschende Urteil des I. Senats vom 9. Februar 20111 rückt 1 I R 54, 55/10, DStR 2011, 762.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung nun plötzlich die Frage in den Mittelpunkt, ob es auch eine Organschaft „hinaus“ geben kann, also die Zurechnung inländischer Ergebnisse zu einem ausländischen Rechtsträger, der im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung noch eine Betriebsstätte hat. Wozu diese neue Rechtsfigur führen soll, ist auf den ersten Blick unklar, da die Ergebnisse zunächst in einem „zwischenstaatlichen Nirwana“ landen, die jeweils anderen Vertragsstaaten „von ihrem Glück nichts wüssten“ und die zunächst staatenfrei gewordenen Gewinne nur durch weitere Überlegungen möglicherweise doch wieder repatriiert werden könnten. All das gibt Anlass zunächst den entschiedenen Fall zu untersuchen.2

2. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. Februar 2011 2.1 Der Sachverhalt Betroffen war ein zweistufiger Kapitalgesellschaftskonzern, mit einer in Großbritannien ansässigen Muttergesellschaft in Form einer public limited company, einer Kapitalgesellschaft englischen Rechts (plc), der klagenden Zwischenholding-GmbH und der C-GmbH, an der die Klägerin zu 96,5 % beteiligt war und als deren Rechtsnachfolgerin sie Klage erhoben hatte. „Geschäftsführer der Klägerin wie der C-GmbH war X. X war zudem Mitglied des Senior Management Board der C-plc, dessen Aufgabe die strategische Führung der gesamten Gruppe war. Es umfasste im Streitjahr sieben Personen, die sich neben dem Chief Executive Officer (CEO) sowie Chief Financial Officer (CFO) auch aus den für die Leitung der anderen Tochtergesellschaften Verantwortlichen zusammensetzten.“3 Streitig war die Gewerbesteuer des Veranlagungszeitraums 1999 und dort die Hinzurechnung von Darlehenszinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG in Höhe von 40,8 Mio. DM, die die C-GmbH im Streitjahr an ihre Mehrgesellschafterin gezahlt hatte.

2 Die Entscheidung hat inzwischen breiten Raum in der steuerrechtlichen Literatur eingenommen, z. B. Lüdicke, IStR 2011, 740; Gosch, BFH/PR 2011, 266; Buciek, FR 2011, 588; Hahn, jurisPR-SteuerR 24/2011 Anm. 5; Rödder/Schönfeld, DStR 2011, 267; Dötsch, Der Konzern 2011, 267; Frotscher, IStR 2011, 697; Ehlermann//Petersen, IStR 2011, 747; Kotyrba, BB 2011, 1382; Lendwig, NWB 2011, 2539; Mitschke, IStR 2011, 537; Schnitger/Berliner, IStR 2011, 747; Stöber, BB 2011, 1943; Tetzlaff/Pockelwald, StuB 2011, 414. 3 I R 54, 55/10, DStR 2011, 762, Rn. 3.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung Zwar belief sich auch nach Hinzurechnung der Gewerbesteuermessbetrag auf Null, aber der vortragsfähige Gewerbeverlust wurde auf „nur“ fast 71,7 Mio. DM festgestellt. Die Klage begehrte, die C-GmbH als Organgesellschaft der Zwischenholding festzustellen, was Finanzamt und Finanzgericht wegen fehlender wirtschaftlicher Eingliederung der C-GmbH in die Zwischenholding ablehnten. 2.2 Die Entscheidung Das Revisionsurteil gab allen Recht. Zum einen verneinte auch der BFH eine wirtschaftliche Eingliederung der C-GmbH in die Zwischenholding. Die Enkelgesellschaft wurde aber trotzdem als Organgesellschaft anerkannt, weil sie finanziell, organisatorisch und eben auch wirtschaftlich in die in Großbritannien ansässige Muttergesellschaft eingegliedert sei. Zwar habe die Organgesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland, aber nach dem im Streitjahr geltenden Art. XX Abs. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Großbritannien gelte ein Diskriminierungsverbot, weshalb die Zurechnung des Einkommens der C-GmbH zur C-plc nicht an dem fehlenden Inlandsbezug scheitern darf. Der Senat hat in seiner Entscheidung nicht übersehen, dass damit der inländische Gewinn aus Gewerbebetrieb der Besteuerung mit Gewerbesteuer endgültig entzogen wird. Er ist aber der Auffassung, dass eine solche „Keinmalbesteuerung“ nicht „so schlimm sei“, wie ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. „Auch wenn es dadurch im Ergebnis für die betreffenden Einkünfte zu einer ‚Keinmalbesteuerung‘ in beiden Vertragsstaaten kommen kann, rechtfertigt das vor dem Hintergrund des absolut wirkenden abkommensrechtlichen Verbots von Diskriminierungen in Art. 24 Abs. 5 OECDMustAbk … hiernach nicht die steuerliche Andersbehandlung des ausländerbeherrschten gegenüber dem inländerbeherrschten Inlandsunternehmen.“ 2.3 Kurzer Einschub: Zwei Anmerkungen Die Lektüre und das Ergebnis der Entscheidung lässt ein wenig Ratlosigkeit entstehen, was hier eigentlich begehrt wurde, da letztlich ein Gewerbesteuermessbetrag von Null DM festgesetzt war und trotz der nicht gewünschten Hinzurechnung immer noch ein stattlicher Gewerbeverlust festgestellt war. Bei der Anerkennung der Organschaft verlor die Klägerin diesen Gewerbeverlust und die Aufhebung des Gewerbesteuermessbetragbescheids führt zu keiner steuerlichen Entlastung.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung Für die Frage der Zulässigkeit der Klage bringt auch der Blick in die vor-instanzliche Entscheidungen des Hessischen FG4 nur wenig Erhellendes. Zwar führt das Gericht hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags noch aus, dass „ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin [bestehe], da bei Vorliegen einer Organschaft kein Gewerbesteuermessbescheid gegen die GmbH hätte ergehen dürfen.“5 Für die Klage gegen die Feststellung des Gewerbeverlusts als solchen werden auch dort keine Ausführungen zur Zulässigkeit für nötig erachtet. Die höchstrichterlichen Entscheidungsgründe bleiben zu der Frage stumm. Diese verfahrensrechtliche Problematik soll indes hier auch nicht weiter geklärt werden. Anzumerken ist aber gleichwohl, dass es sich hier zwar um „altes“ Gewerbesteuerrecht handelt. Denn nun bedarf auch die gewerbesteuerliche Organschaft eines Gewinnabführungsvertrags. Der entscheidende Senat ging offensichtlich davon aus, dass sich die Wirkung zunächst ausdrücklich auf das alte Recht beschränkt.6 Es scheint aber nicht so zu sein, dass Ergebnisabführungsverträge nicht über die Grenze hinweg geschlossen werden könnten.7 Dann steht aber dem Grunde nach8 das gesamte Aufkommen der Gewerbe- und Körperschaftsteuer in Frage.

3. Die Argumentationskette des BFH 3.1 Nach § 14 KStG nur inländische Organträger Zunächst stellt das Gericht fest, dass eine Organschaft nur im Inland möglich sei. Organträger kann gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG nur eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder eine nicht 4 EFG 2010, 2024 und 2026. 5 EFG 2010, 2024. 6 Das zeigt zum einen die Anmerkung von Buciek (FR 2011, 588), der darauf verweist, dass der BFH bisher Wert darauf gelegt habe, dass die Geschäftsleitung der Gesellschafterin im Inland lag. Eine Abkehr von diesem Grundsatz sieht er im Besprechungsfall nicht, zumindest sei der Punkt offen. Zum anderen sieht Gosch (BFH/PR 2011, 266) die Beibehaltung des Ergebnisabführungsvertrags als „letzte Barriere“, auf die zu verzichten fahrlässig wäre. 7 Dies ist eine Frage des internationalen Privatrechts, für das hier keinerlei spezifisches Fachwissen behauptet werden soll. In der steuerrechtlichen Fachliteratur gehen aber alle Autoren einhellig davon aus, dass dies möglich ist; siehe etwa Lüdicke, IStR, 2011, 740, dort Fn. 6 m. w. N. 8 Ehlermann//Petersen (IStR 2011, 747) zeigen auf, dass ein Neuabschluss eines solchen EAV durchaus auch eminente steuerliche Risiken bergen kann, insbesondere dahingehend, dass wegen Entstrickung eine Besteuerung der stillen Reserven drohen könnte.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 mit Geschäftsleitung im Inland sein. Dass die C-plc mit Sitz und Geschäftsleitung in Großbritannien nach dem GewStG nicht als Organträger anerkannt wird, könnte sowohl einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit9 darstellen, als auch mit dem im Doppelbesteuerungsabkommen vereinbarten Diskriminierungsverbot10 unvereinbar sein. 3.2 Offen, ob darin Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit durch die Beschränkung einer konzerninternen Verlustverrechnung auf das Inland schien seit den Entscheidungen des EuGH „OyAA“11 und „X-Holding“12 eigentlich vom Tisch zu sein. Die Entscheidung lässt die Frage außen vor, weil ja bereits ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot angenommen wird. Geklärt ist aber auch dies nach Ansicht des Gerichts offenbar nicht: „In Anbetracht dessen bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die beschriebene steuerliche Behandlung auch deswegen unanwendbar bleiben müsste, weil sie gegen Unionsrecht und namentlich gegen die Niederlassungsfreiheit verstieße; es erübrigt sich daher, zunächst eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.“ 3.3 Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot Das Gericht nimmt aber an, dass die „angeordnete Verengung der sog. gewerbesteuerlichen Organschaft auf ein anderes ‚inländisches‘ gewerbliches Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland gegen das Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 des DBA Großbritannien verstößt.

9 Art. 43 i. V. m. Art. 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i. d. F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 325, 1, jetzt Art. 49 i. V. m. Art. 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union i. d. F. des Vertrages von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (AEUV), Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01. 10 Im Streitfall ging es um Art. XX Abs. 4 des DBA Großbritannien, der aber Art. 24 Abs. 5 OECD-MA entspricht. 11 EuGH, Urt. v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 „OyAA“, IStR 2007, 631. 12 EuGH, Urt. v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 „X-Holding“, DStR 20010, 427.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung

4. Grundsätzliches zum Diskriminierungsverbot Bevor ich auf die wortlautbezogene Argumentation weiter eingehe, zwei kurze Eingangsgedanken: 4.1 Wer wird hier diskriminiert? Ein wenig überraschend ist hier, dass überhaupt eine Diskriminierung koinzidiert wird. Die britische plc zahlte schon bisher keine Gewerbesteuer. Wodurch sollte bei ihr eine Diskriminierung entstehen, wenn sie als nicht steuerpflichtig auch nicht Organträger sein kann. Soweit dadurch eine Steuer begründet werden könnte, wäre sie nicht belastet, soweit ihr kein Verlust zugerechnet wird, entsteht ihr kein Schaden, wenn sie gar nicht steuerpflichtig ist. Wer (überhaupt) keine Steuer zahlt, kann dem Grunde nach nicht hinsichtlich der Bemessungsgrundlage diskriminiert werden. Diskriminiert kann hier daher allenfalls die deutsche Kapitalgesellschaft sein, weil sie allein deshalb Subjekt der Gewerbesteuer ist, da ihre Großmuttergesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat. Die Beseitigung dieser Diskriminierung führt im Streitfall dazu, dass sie ihren Gewerbeverlust verliert. An dieser Stelle sei deshalb auf eine nachfolgende Rechtsprechung13 verwiesen, in der das Argument vorgetragen wurde, dass bei zwei denkbaren gleichwertigen Auslegungsmethoden bei einer Eingriffsverwaltung immer diejenige zu wählen sei, die die geringste Belastung für den Steuerpflichtigen bedeutet. Zwar wies der Senat zunächst daraufhin, dass im konkreten Fall gar keine Mehrdeutigkeit vorläge, führt aber dann aus: „Im Übrigen sind die steuerlichen Auswirkungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft bei Organgesellschaft und Organträger meist gegenläufig hier positiv und dort negativ, so dass regelmäßig ein ‚den‘ Steuerpflichtigen am wenigsten belastendes Auslegungsergebnis nicht zu ermitteln sein dürfte.“ Das klingt fast so, als wäre eine abstrakt generelle Diskriminierung bei Organschaften gar nicht möglich. 4.2 Was will ein Doppelbesteuerungsabkommen? Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wollen verhindern, dass derselbe Gewinn von verschiedenen Staaten mehrmals besteuert wird. Ausgangslage ist also, dass ein Gewinn entsteht und mehrere Staaten nach ihrem Binnenrecht diesen Gewinn besteuern wollen. 13 BFH, Urt. v. 12.1.2011 – I R 3/10, BStBl. II 2011, 727.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung Geregelt wird, welcher Staat auf das Substrat zugreifen darf. Das Besteuerungsrecht wird zwischen den Staaten aufgeteilt und so ein doppelter Zugriff verhindert. Es wird also zugunsten des anderen Staates von einem Staat auf eine Besteuerung verzichtet.14 Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erreicht zwar auch eine Keinmalbesteuerung, aber die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zielt nicht darauf ab, dass beide Staaten das Besteuerungsrecht verlieren.15 Im konkreten Fall ging es um den Gewinn einer deutschen Kapitalgesellschaft, die nur in Deutschland über eine Betriebsstätte verfügte. Der einzige Bezug zu Großbritannien lag darin, dass die plc mittelbar an dieser Gesellschaft beteiligt war. Es war hier unstreitig, dass für die Besteuerung des in der deutschen Betriebsstätte erzielten Gewinns ausschließlich Deutschland das Besteuerungsrecht hat. Mit dieser eindeutigen Zuordnung hat das DBA seinen Zweck vollumfänglich und erfolgreich erfüllt.

5. Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots 5.1 Die alte Rechtsprechung Nach der „alten“ Rechtsprechung16 ging es beim Diskriminierungsverbot nur ganz eingeschränkt darum, die ausländische Gesellschaft als Rechtsgebilde im Inland anzuerkennen. Es ging nicht darum, den Sitz oder die Geschäftsleitung im Ausland einem Sitz oder einer Geschäftsleitung im Inland gleichzustellen. Es kam darauf an, ob die ausländische Gesellschaft unter gleichartigen Voraussetzungen einer stärkeren Belastung als eine deutsche Gesellschaft unterliegt. Da aber eine deutsche Gesellschaft ebenfalls aus dem Kreis der gesetzlich zugelassenen Organträger ausscheide, wenn sie nur ihren Sitz oder nur ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlege, fehle es an einer schädlichen Diskriminierung. 5.2 Die erste Abkehr und die Reaktion der Finanzverwaltung Mit seinem Urteil vom 29.1.200317 hielt die Rechtsprechung an dieser engen Auslegung des Diskriminierungsverbots nicht mehr fest. Es nahm vielmehr einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot an, wenn eine

14 Vogel in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 5. Aufl., 2008, Einleitung des OECD-MA Tz. 43 15 OECD-MK 2008 zu Art. 23A Tz. 35 16 Z. B. BFH, Beschl. v. 13.11.1991 – I B 72/91, BStBl. II 1992, 263. 17 I R 6/99, BStBl. II 2004, 1042.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung US-Kapitalgesellschaft mit Sitz in USA aber Geschäftsleitung im Inland nicht Organträger sein kann. Die Verwaltung begründete ihren Nichtanwendungserlass18 mit drei Argumenten: – Die ausländische Gesellschaft könnte sich nur auf das Diskriminierungsverbote entsprechend Artikel 24 Abs. 1 OECD-Musterabkommen berufen, wenn sie selbst einer unterschiedlichen Besteuerung unterworfen wird und diese im ausländischen Gründungssitz ihre Ursache hat. – Für die Organschaft ist die Lage einer inländischen Gesellschaft mit einer ausländischen Beherrschung gar nicht vergleichbar mit einer anderen inländischen Gesellschaft, deren Kapital einer inländischen Gesellschaft gehört. – Eine Nichtbesteuerung ist … nicht Zweck des Diskriminierungsverbots. Eine inländische Gesellschaft kann sich nicht auf das Gleichbehandlungsgebot berufen, wenn dann im Ergebnis der Gewinn der Organgesellschaft nicht besteuert werden würde.

6. Die Auslegung des Diskriminierungsverbots durch das Gericht 6.1 Der Wortlaut des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA Das Urteil begründet das Ergebnis aus dem Wortlaut. Die aktuelle Fassung des hier einschlägigen Artikels des Musterabkommens, Art. 24 Abs. 5 OECD-MA liest sich wie folgt: „Unternehmen eines Vertragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, dürfen im erstgenannten Staat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staates unterworfen sind oder unterworfen werden können.“

6.2 Struktur des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA Daraus ergibt sich folgende Struktur: Eine Diskriminierung ist dann verwirklicht, wenn sich – eine belastendere Besteuerung ergibt, – bei einem Unternehmen eines Vertragsstaats (hier: „Deutschland“), 18 BMF, Schr. v. 8.12.2004, BStBl. I, 1181.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung – deren Kapital einer Person im anderen Vertragsstaats (hier „Großbritannien“) gehört. Aufgrund dieser Struktur nimmt das Gericht hier eine Diskriminierung an, weil bei einer inländischen Beherrschung das beherrschte Unternehmen keiner Gewerbebesteuerung unterläge, da ihr Einkommen der Muttergesellschaft zugerechnet werden würde. Die Rechtsfolge bei Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot sei, dass dann entgegen dem Wortlaut des Gesetzes dasselbe Ergebnis eintritt, wie es für ein inländisches Unternehmen unter sonst gleichen Umständen eintreten würde.

7. Abgleich der Argumente 7.1 Der Ansatz der Verwaltung Die Verwaltung argumentiert auf zwei Ebenen. Zum einen fehle es an einer Vergleichbarkeit der Betroffenen, der Anwendungsbereich des Verbots ist danach gar nicht eröffnet. Zum anderen wird der Telos des Verbots angesprochen. Das unterstellt dem Grunde nach eine Anwendbarkeit der Vorschrift, die aber aus dem Zweck der Vorschrift nicht greifen dürfe. Im Ergebnis unterstützt wird diese Auffassung durch die Nr. 77 OECD-MK zu Art. 24 OECD-MA. Danach sind Vorschriften einer Gruppenbesteuerung oder Konzernsolidierung dem Schutzbereich des Diskriminierungsverbots entzogen. Hinsichtlich der Berufung auf den Telos des Diskriminierungsverbots wird die Verwaltung von Hahn19 unterstützt. „Diskriminierungsverbote sollen eine Schlechterstellung im Vergleich zu Inländern verhindern. Sie können deshalb, richtig angewandt, niemals dazu führen, dass diese besser als Inländer gestellt werden.“20 7.2 Das Wortlautargument des BFH Das Urteil instrumentalisiert die Struktur des Wortlauts und sieht das Ergebnis dadurch vorgeprägt. Gosch21 bekräftigt dies in einer Anmerkung, nach der der Text des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA „sonnenklar“ sei. Es komme eben nur auf die beherrschte inländische Gesellschaft an. Dass der Musterkommentar trotz des klaren Wortlauts zu einem anderen 19 jurisPR-SteuerR 24/2011. 20 Hahn, jurisPR-SteuerR 24/2011, Anm. 5. 21 BFH/PR 2011, 266.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung Ergebnis kommt, wird nicht weiter beachtet, weil eine Änderung des Musterkommentars im Jahre 2008 für die Auslegung des DBA Großbritannien, das aus 1964 bzw. 1970 stammt, egal sei. Diese Eindeutigkeit des Wortlauts resultiert letztlich aber aus einer Gleichsetzung, die sich nicht aus dem Wortlaut ergibt. Denn der Wortlaut spricht nur davon, welche Person das Kapital hält. Das Gesetz stellt aber nicht auf die Ansässigkeit der Person ab, sondern nur darauf, ob sich die Geschäftsleitung im Inland befindet und ein gewerbliches Unternehmen im Inland unterhalten wird.22 Das muss nicht identisch sein. 7.3 Das Judiz in der Eingriffsverwaltung Aber auch ohne sich weitergehend mit dieser Wortlaut orientierten Auslegung auseinanderzusetzen, bleibt zu konstatieren, dass das Ergebnis dieser Auslegung nicht zu überzeugen vermag. Auch eine autonome Auslegung des DBA kann nicht dazu führen, dass die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch eine Keinmalbesteuerung realisiert werden soll. Die nach dem Wortlaut des Abkommens eindeutige Zuordnung des Besteuerungsrechts für Betriebsstätteneinkünfte kann nicht durch das Diskriminierungsverbot nachträglich konterkariert werden. Da ist eine Berufung auf den Telos des DBA fast übertrieben, denn das wollte so niemand formulieren. Das Ergebnis ergibt nicht aus einer wortlautgetreuen Auslegung, sondern es ist die Folge eines offensichtlichen Missverständnisses. Es kann keinen Bestand haben.

8. Die Folgen des Urteils Die einsetzende Diskussion ist vor allem dadurch geprägt, wie weitreichend die Folgen aus dem Urteil überhaupt sind und wie sie in den Griff bekommen werden können. 8.1 Droht ein fiskalischer Super-GAU? Der Vorschlag von Gosch23 lässt sich mit dem Motto „Ihr könnt was tun“ (adressiert an den Gesetzgeber) charakterisieren. So schlägt er vor, die Doppelbesteuerungsabkommen nachzuverhandeln oder gesetzlich einen treaty override zu verankern. Die Beibehaltung des Ergebnisabführungsvertrages sei eine „letzte“ Barriere. Die Abschaffung würde zu einem fiskalischen Super-GAU führen.

22 Danelsing in Blümich, § 14 KStG Rn. 36. 23 A. a. O.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung Dass aber die Rechtsprechung des obersten Bundesgerichts durch die Neuinterpretation einer fast fünfzig Jahre alten Regel einen fiskalischen Super-GAU auslösen kann, sollte eigentlich nachdenklich machen. 8.2 Alles nur ein Gespenst? Lüdicke24 glaubt, dass die Befürchtungen ob des Urteils unbegründet sind. Sein Motto ist eher: „ist nicht so schlimm“. Dabei weist er schlüssig nach,25 dass durch eine Organschaft sich die Besteuerungsrechte nicht verändern können. Unabhängig von dem Bestehen einer Organschaft erzielt die Organgesellschaft selbst die Einkünfte. Diese werden zwar dem Einkommen des Organträgers hinzugerechnet, das Besteuerungsrecht ändert sich dadurch aber nicht. Insbesondere handle es sich dabei um keine Frage des Art. 7 OECD-MA.26 Deutschland gehe also auch nach Auslegung des Urteils das Besteuerungsrecht nicht verloren. Der Haken an der Sache ist aber, dass man gesetzlich klarstellen müsste, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen nicht einer Besteuerung der Einkünfte der Organgesellschaft beim Organträger entgegensteht. Letztlich ist das aber eine grundsätzliche systematische Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht. Denn einem Organträger, der im Inland weder Sitz, noch Geschäftsleitung, noch Betriebsstätte hat, fehlt die beschränkte Steuerpflicht. Sie müsste erst geschaffen werden. Solche systematisch weitreichenden Gesetzesänderungen führen meist zu schwer überschaubaren Folgen mit regelmäßig ungewollten Kollateralschäden.

9. Auswege aus der bestehenden Situation Durch das Urteil ist nun Unsicherheit entstanden. Zunächst besteht zumindest die Gefahr einer haushaltsrelevanten Besteuerungslücke, die baldmöglichst zu schließen wäre. Am einfachsten wäre es, wenn die Rechtsprechung sich korrigieren würde. Mit der aus dem (schon seit langem bestehenden) Wortlaut begründeten neuen Ansicht isoliert sich Deutschland ohne Not weltweit, mit einem Ergebnis das auch nach Ansicht der entscheidenden Richter nicht überzeugend ist.

24 IStR 2011, 740. 25 Im gleichen Heft kommen Schnitger und Berliner (IStR 2011,753) zu einem nahezu identischen Ergebnis. 26 A. A. Buciek, FR 2011, 588, der ausdrücklich auf die Frage eingeht, dass die britische plc alleine durch die Beteiligung an der deutschen GmbH keine Betriebsstätte begründe.

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Eisgruber, Steuerliche Ergebniszurechnung In Anbetracht der großen Verunsicherung ist aber auch die Verwaltung gefordert, baldmöglichst ein Signal zu setzen.27 Zudem wäre dies aber auch ein Zeitpunkt, bei dem der Gesetzgeber berufen wäre, das Außensteuerrecht grundlegend neu zu regeln. Regelungen mit Auslandsbezug sind weit verteilt im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, das Außensteuergesetz ergänzt es mit nicht immer harmonisch abgestimmten Regelungen, deren Anwendungsvorrang nicht immer eindeutig erkennbar ist. Die Doppelbesteuerungsabkommen folgen dem Katalog des OECD-MA, das seinerseits nicht mit dem Katalog der beschränkten Steuerpflicht in § 49 EStG abgestimmt ist. Auch der stete Streit über die Grundprinzipien der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen spricht dafür, die gesamte Problematik mit einer „großen“ Lösung anzugehen, anstatt § 50d EStG mit immer neuen Absätzen zu erweitern oder die bestehenden Absätze nachzubessern. Ob und wann dieser Weg eingeschlagen wird, ist offen. Bis dahin werden wohl nur fehlenden Gewinnabführungsverträge dafür sorgen, dass sich die aufgezeigte Gefahr für das deutsche Steuersubstrat nicht verwirklicht.

27 Die Verwaltung hat mit dem BMF-Schreiben v. 27.12.2011 (Az. IV C 2-S 2770/11/10002) reagiert und wird die Grundsätze des Urteils nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden.

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Rechtsprechung und Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 und 10 EStG Dr. Asmus Mihm Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Frankfurt a.M. Inhaltsübersicht

I. Einleitung II. Anrechnungsmethode statt Freistellungsmethode (§ 50d Abs. 9 EStG) 1. Entstehung und Hintergrund 2. Anwendungsbereich 3. Keine Freistellung bei bestimmten Qualifikationskonflikten (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) 3.1 Verhältnis zu Subjectto-Tax- und Switch-overKlauseln in DBA 3.2 Qualifikationskonflikt als Tatbestandsvoraussetzung 3.3 Ermittlung der betroffenen Einkünfte 3.4 Rechtsfolge: Steueranrechnung statt Steuerfreistellung

4. Keine Freistellung bei Nichtbesteuerung wegen Nichtansässigkeit (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG) 4.1 Anwendungsbereich 4.2 Anwendungen in den Pilotenfällen 4.3 Kritik III. Deutsche Besteuerung von Sondervergütungen ausländischer Gesellschafter (§ 50d Abs. 10 EStG) 1. Entstehung und Hintergrund 2. Regelungsinhalt 3. Anwendung durch die Rechtsprechung IV. Treaty Override V. Rückwirkungsfragen 1. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2. § 50d Abs. 10 EStG VI. Zusammenfassung

I. Einleitung Im Laufe der letzten Jahre hat der Gesetzgeber mit § 50d Abs. 9 und Abs. 10 EStG dem deutschen Steuerrecht zwei weitere Vorschriften hinzugefügt, die abweichend von bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine für den Fiskus günstigere Besteuerung erreichen sollen. Da die Vorschriften die DBA durchbrechen oder überschreiben sollen, spricht man hier von einem Treaty Override. Beide Vorschriften sollen zumindest teilweise rückwirkend, also auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten anzuwenden sein. Daher liegen schon recht kurze Zeit nach dem Inkrafttreten nicht nur eine Vielzahl von Stellungnahmen im Schrifttum, sondern auch eine Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen vor. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit der Gesetzgeber seine Ziele 373

Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG mit den beiden Vorschriften erreichen konnte und welche Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben, um Steuernachteile zu vermeiden.

II. Anrechnungsmethode statt Freistellungsmethode (§ 50d Abs. 9 EStG) 1. Entstehung und Hintergrund § 50d Abs. 9 EStG wurde durch das JStG 20071 eingeführt. Die Vorschrift begrenzt für unbeschränkt Steuerpflichtige die Anwendung der in einem DBA vorgesehenen Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung ausländischer Einkünfte. Ziel ist es zu verhindern, dass aufgrund bestimmter Qualifikationskonflikte oder wegen eines fehlenden ausländischen Besteuerungstatbestands Einkünfte weder im Quellenstaat noch im Ansässigkeitsstaat besteuert werden (sog. weiße Einkünfte) oder nur eine aus Sicht des deutschen Gesetzgebers unzureichende Besteuerung im Ausland erfolgt (sog. graue Einkünfte). Nach der Gesetzesbegründung ist die Vorschrift erforderlich, um Steuerausfälle zu verhindern.2 Das überzeugt im Ergebnis nicht. Aus deutscher Sicht besteht kein Besteuerungsrecht an diesen Einkünften. Vielmehr müssten sie bei aus deutscher Sicht richtiger Anwendung des Abkommens im anderen Staat besteuert werden. Weder in Deutschland, das im DBA auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat, noch im anderen Abkommensstaat, der nach seiner Auslegung des DBA oder nach seinem nationalen Recht kein Besteuerungsrecht hat, kommt es zu Steuerausfällen. Richtiger erscheint es zur Begründung der Vorschrift darauf abzustellen, dass Deutschland die Freistellung für bestimmte ausländische Einkünfte regelmäßig in der Annahme gewährt, dass sie im Ausland besteuert werden. Wenn der Quellenstaat nicht besteuert, wird gleichsam der Zweck der Freistellung verfehlt.3 Auch allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen dahin, dass alle Einkünfte einmal besteuert werden sollten, mögen für die Regelung angeführt werden. 2. Anwendungsbereich Voraussetzung für die Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG ist zunächst, dass Deutschland die Einkünfte nach dem DBA freizustellen hat. Von der Regelung können daher nur bestimmte Einkunftsarten i. S. d. DBA betroffen sein, für die Deutschland als Ansässigkeitsstaat die Freistellungs1 Jahressteuergesetz 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 2 BT-Drucks. 16/2712, 61. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/2712, 61; kritisch Gosch, IStR 2008, 413, 415.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG methode gewährt. Für viele andere Einkunftsarten ist § 50d Abs. 9 EStG hingegen ohne Bedeutung, weil Deutschland für diese nach den DBA regelmäßig keine Freistellung gewährt, sondern lediglich die ausländischen Steuern anrechnet. Typischerweise werden nach vielen deutschen DBA freigestellt:4 – Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, – Gewerbliche und freiberufliche Betriebsstätteneinkünfte, – Schachteldividenden, – Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, – Zahlungen durch den ausländischen Staat als Kassenstaat. 3. Keine Freistellung bei bestimmten Qualifikationskonflikten (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG vermeidet Deutschland als Ansässigkeitsstaat bei unbeschränkt Steuerpflichtigen die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung statt durch Steuerfreistellung, wenn der Quellenstaat sich aufgrund seiner Anwendung des DBA an einer uneingeschränkten Besteuerung gehindert sieht. Voraussetzung ist also, dass der Quellenstaat das Abkommen anders anwendet als Deutschland, also ein sogenannter Qualifikationskonflikt vorliegt. 3.1 Verhältnis zu Subject-to-Tax- und Switch-over-Klauseln in DBA Vor allem in vielen älteren DBA ist vorgesehen, dass Deutschland die ausländischen Einkünfte freistellt, wenn sie im anderen Staat nach dem Abkommen besteuert werden können (vgl. z. B. Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA Frankreich) oder der andere Staat das Besteuerungsrecht hat (vgl. z. B. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA Niederlande). Dann muss Deutschland nach dem Abkommen auch freistellen, wenn der andere Staat zwar besteuern darf, aber tatsächlich nicht besteuert. Der BFH spricht insoweit von der Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung.5 In neueren Abkommen hat Deutschland hingegen vereinbart, dass es die ausländischen Einkünfte nur dann freistellt, wenn sie im anderen Staat in Übereinstimmung mit dem Abkommen tatsächlich besteuert werden (sog. Subject-to-Tax-Klausel) (vgl. z. B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Groß4 Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50d Abs. 9 EStG, Anm. 55; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50d Rz. K8. 5 BFH, Urt. v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; Urt. v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602, Tz. 18; Urt. v. 24.8.2011 – I R 46/10, BB 2011, 2977, mit Anmerkung Mihm, Tz. 28.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG britannien). Andere DBA sehen den Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vor, wenn der Quellenstaat nicht oder nicht „ausreichend“ besteuert (sog. Switch-over-Klausel (vgl. Art. 23 Abs. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA Algerien, Nr. 7 Buchst. b, Doppelbuchst. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA USA). In diesen Fällen ist eine Freistellung schon nach dem Abkommen ausgeschlossen, wenn der andere Staat tatsächlich nicht oder nur beschränkt besteuert. Nach § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG bleiben weitergehende Einschränkungen nach dem jeweiligen DBA unberührt, so dass § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG hier subsidiär ist.6 Der Übergang von der Steuerfreistellung zur Steueranrechnung setzt hier aber anders als § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG regelmäßig die Durchführung eines Verständigungsverfahrens voraus. Hier stellt sich die Frage, ob wegen § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG („ungeachtet des Abkommens“) das Verständigungsverfahren aus deutscher Sicht nicht mehr durchgeführt zu werden braucht. Das ist zu verneinen, weil die jeweilige Abkommensvorschrift innerhalb ihres Anwendungsbereichs als spezielleres Gesetz dem § 50d Abs. 9 EStG vorgehen dürfte.7 3.2 Qualifikationskonflikt als Tatbestandsvoraussetzung § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass sich die „unzureichende“ Besteuerung aufgrund eines Qualifikationskonflikts ergibt. Qualifikations- oder Zuordnungskonflikte ergeben sich, wenn der Ansässigkeitsstaat und der Quellenstaat für die Besteuerung von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen, das Abkommen unterschiedlich auslegen oder Abkommensbegriffe nach ihrem nationalen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) unterschiedlich auslegen, oder die Einkünfte unterschiedlichen Personen zuordnen.8 Aufgrund eines solchen Qualifikationskonflikts kann es dazu kommen, dass beide Staaten von einem Besteuerungsrecht ausgehen (Doppelbesteuerung trotz DBA) oder ein solches als nicht gegeben ansehen (doppelte Nichtbesteuerung). Zu denken ist etwa an folgende Beispiele: – Sondervergütungen bei Personengesellschaften sind nach deutschem Verständnis Teil des Gewinnanteils des Mitunternehmers und daher den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) zuzuordnen; nach ausländischem Verständnis handelt es sich für Abkommenszwecke vielfach um Zinsen, Lizenzen usw.

6 Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d Rz. 189. 7 Kritisch zur Suspendierung von Verständigungsverfahren, Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50d EStG Rz. K17; Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50d EStG Rz. 141. 8 Vgl. BT-Drucks. 16/2712, S. 61.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG – Zahlungen auf ein hybrides Finanzinstrument werden in einem Staat als Zinsen, im anderen Staat als Dividenden angesehen. – Nach deutschem Verständnis werden Kapitaleinkünfte regelmäßig vom wirtschaftlichen Eigentümer eines Finanzinstruments bezogen. Nach verschiedenen anderen Rechtsordnungen kommt es auf das rechtliche Eigentum an. – Beim grenzüberschreitenden Leasing kann es zu einer mehrfachen Zuordnung von Wirtschaftsgütern kommen, mit der Folge, dass diese in mehreren Ländern abgeschrieben werden können. Aufgrund von Qualifikationskonflikten kann es zur Doppelbesteuerung, zur doppelten Nichtbesteuerung oder auch zur doppelten Anrechnung von Quellensteuern kommen. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG soll die doppelte Nichtbesteuerung bei bestimmten Qualifikationskonflikten verhindern. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Quellenstaat sich aufgrund seiner Anwendung des Abkommens an einer Besteuerung der Einkünfte gehindert sieht oder diese nur zu einem durch das Abkommen begrenzten (Quellen-)Steuersatz besteuert. Beispiele lassen sich hierfür insbesondere bei der Besteuerung von ausländischen Personengesellschaften finden. Hier liegen aus deutscher Sicht häufig Betriebsstätteneinkünfte vor, während der andere Staat die Einkünfte anderen abkommensrechtlichen Einkunftsarten zuordnet, für die Deutschland das Besteuerungsrecht hat. Zum einen stellt sich die Frage, ob Sondervergütungen, die ein Steuerinländer von einer ausländischen Personengesellschaft erhält, in Deutschland als ausländische Betriebsstätteneinkünfte freizustellen sind. Die Rechtsprechung9 hatte dies abgelehnt, weil es sich abkommensrechtlich nicht um Unternehmungsgewinne, sondern um Zinsen, Lizenzen usw. handele. Für diese sehen die von Deutschland abgeschlossenen DBA regelmäßig die Anrechnung der ausländischen Steuer vor. Nach § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG gelten diese Sondervergütungen für Abkommenszwecke zwar als Unternehmensgewinne.10 Damit der deutsche Besteuerungszugriff weiter gewahrt wird, sieht § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG jedoch vor, dass hier § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG anzuwenden ist. Eine Steuerfreistellung ist danach also weiterhin nicht möglich, wenn der Quellenstaat diese Einkünfte nicht im vollen Umfang besteuert, weil er sie als Zinsen oder Lizenzen qualifiziert, für die das maßgebliche DBA sein Besteuerungsrecht ausschließt oder beschränkt.

9 Ständige Rechtsprechung seit BFH, Urt. v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 10 Siehe dazu unten III.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG Weiter ist hier auch an die unterschiedliche Einordnung von Personengesellschaften als steuerlich transparent (Gesellschafter als Steuersubjekt) oder intransparent (Personengesellschaft als Steuersubjekt) zu denken. Sind Steuerinländer an einer Gesellschaft im anderen Abkommensstaat beteiligt und behandelt der andere Abkommensstaat die Gesellschaft als Kapitalgesellschaft, während es sich aus deutscher Sicht um eine Personengesellschaft handelt, so kann es bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen. Bei Anwendung des DBA muss Deutschland den Gewinn als ausländischen Betriebsstättengewinn regelmäßig freistellen. Der andere Staat geht bei Anwendung des Abkommens von einem nur in Deutschland als Ansässigkeitsstaat zu besteuernden Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft aus. Hier soll § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG eine doppelte Nichtbesteuerung verhindern.11 Entscheidend ist aber, dass die ohne § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG bestehende Nichtbesteuerung auf die Abkommensanwendung durch den Quellenstaat zurückzuführen ist. Daher ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG in den folgenden Fällen unanwendbar: – Verzicht des anderen Staats auf Besteuerung in einem DBA mit einem Drittstaat,12 – Nichterklärung der Einkünfte im anderen Staat,13 – Vollzugsdefizit im anderen Staat,14 – Nichtbesteuerung in Deutschland aus Vertrauensschutzgründen,15 – Beschränkung der ausländischen Besteuerung, die nicht auf einer abweichenden Auslegung des DBA beruht.16 Zu dieser letzten Fallgruppe kann auch die jüngste Entscheidung des BFH zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG17 gerechnet werden. Im dort zu entscheidenden Fall hatten deutsche institutionelle Investoren in einen Private Equity Fonds investiert. Dieser war als Limited Partnership englischen Rechts (entspricht Kommanditgesellschaft) organisiert. Die Anlageentscheidungen wurden vom General Partner (entspricht Komplementär) getroffen. Dieser hatte die Fondsverwaltung an eine Gesellschaft der Initiatoren delegiert. Da der Fonds in England nicht als „trading“ 11 12 13 14 15 16

BT-Drucks. 16/2712, 61. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.1.2011 – 3 K 2312/08, BeckRS 2011, 95427. BFH, Beschl. v. 16.8.2010 – I B 119/09, BFH/NV, 2010, 2055. FG Münster, Urt. v. 16.2.2009 – 9 K 463/04 K, F, EFG 2009, 1222, rkr. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482. FG Nürnberg, Urt. v. 14.12.2010 – 1 K 1955/2008, EFG 2011, 981 (nrkr.; Az. des BFH: I R 6/11). 17 BFH, Urt. v. 24.8.2011 – I R 46/10, BB 2011, 2977 mit Anmerkung Mihm.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG angesehen wurde, unterlagen weder der Fonds, noch die deutschen Investoren der englischen Besteuerung. Der BFH bejahte zunächst die Gewerblichkeit des Fonds im Sinne des deutschen Steuerrechts und auch die Existenz einer diesem zuzurechnenden englischen Betriebsstätte. Folglich waren die Fondserträge nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a DBA Großbritannien 1964 in Deutschland freizustellen. Der BFH prüfte weiter, ob nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG zur Steueranrechnung überzugehen sei, und verneinte dies. Die Nichtbesteuerung in Großbritannien beruhte auf dem nationalen Recht, nicht aber auf einem Qualifikationskonflikt bei der Anwendung des Abkommens. Darüber hinaus lehnte der BFH die weitere Argumentation des FG Baden-Württemberg18 ab, das als Vorinstanz die Klage abgewiesen hatte. Das FG Baden-Württemberg hatte angenommen die Anwendung der Freistellungsmethode setze als eine Art ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Quellenstaat die Einkünfte besteuere. Da dies hier nicht geschehen sei, komme eine Freistellung in Deutschland nicht in Betracht, da es sonst zu einer doppelten Nichtbesteuerung komme. Der BFH hat dies zurückgewiesen, da die DBA in Ermangelung einer anderweitigen Regelung19 die virtuelle Doppelbesteuerung vermeiden wollten. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Für die vom FG Baden-Württemberg gefundene Lösung ist eine gesetzliche Grundlage nicht erkennbar. Hinzuweisen ist aber darauf, dass heute eine deutsche Steuerfreistellung nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG, der im Streitjahr noch nicht anwendbar war, ausgeschlossen wäre, wenn die britische Steuerbefreiung nur dort nicht ansässigen Personen zugute kommt. 3.3 Ermittlung der betroffenen Einkünfte § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG betrifft aufgrund eines Qualifikationskonflikts ansonsten steuerfreie Einkünfte. Entscheidend ist also, wie zu ermitteln ist, ob und wie die Einkünfte im Ausland besteuert werden. Hierzu wird vertreten, dass es auf die Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart ankomme, es also ausreiche, dass die Einkünfte teilweise besteuert würden.20 Beispiel: Ein Steuerinländer hat im Quellenstaat eine Betriebsstätte. Diese produziert und vertreibt Waren. Zur Absatzförderung vergibt sie weiter verzinsliche Darlehen an ihre Kunden. Aus deutscher Sicht werden die Zinseinnahmen der Betriebsstätte zugeordnet. Der Quellenstaat versteht das Abkommen anders und nimmt an, es handele sich um Zinsen im Abkommenssinn, die er nicht besteuern könne.21 18 Gerichtsbescheid v. 11.5.2010 – 6 K 285/06, juris. 19 Vgl. etwa heute Art. 23 DBA Großbritannien 2010. 20 Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Auflage 2011, § 50d Rz. 41a; M. Klein/Hagena in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50d EStG Anm. 122. 21 Beispiel nach BMF, Schr. v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.3.3.2.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG Stellt man hier auf die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte insgesamt ab, so erfolgt im Ausland eine Besteuerung, so dass Deutschland trotz § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG freizustellen hat. Wenn man die Betriebsstätteneinkünfte hingegen weiter unterteilt, kann man zu dem Ergebnis kommen, es lägen für Zwecke des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgrund eines Qualifikationskonflikts steuerfreie Zinseinkünfte vor, so dass Deutschland diese nicht freizustellen brauche.22 Die letztgenannte Auffassung mag für sich anführen, dass sie steuerfreie Einnahmen weitestgehend vermeidet. Sie ist aber mit dem Gesetzeswortlaut, der ausdrücklich auf den Begriff der „Einkünfte“ abstellt, nur schwer zu vereinbaren. Mit den Einkünften können richtigerweise nur Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 und 2 EStG gemeint sein, nicht aber solche i. S. d. abkommensrechtlichen Zuordnungsnormen.23 Zudem führt die Verwaltungsauffassung im Ergebnis zu einer schwer verständlichen Atomisierung der Betriebsstätteneinkünfte. Als Folge droht ein erheblicher Verwaltungsaufwand für den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung. Eigens für Zwecke des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG müsste die einheitliche Gewinnermittlung für die ausländische Betriebsstätte in die ihr zugrunde liegenden Einnahmen und Ausgaben zerlegt werden. Nur so könnte festgestellt werden, ob die jeweiligen Einnahmen nach Abzug der ihnen zuzuordnenden Ausgaben im Ausland besteuert wurden. Daher ist eine Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG abzulehnen, wenn die Einkünfte der jeweiligen Einkunftsart im Ausland einer Besteuerung unterlegen haben. 3.4 Rechtsfolge: Steueranrechnung statt Steuerfreistellung In den vorgenannten Fällen eines Qualifikationskonflikts will Deutschland ungeachtet der im Abkommen vereinbarten Steuerfreistellung für die ausländischen Einkünfte die Doppelbesteuerung (nur) durch Steueranrechnung vermeiden. Wenn der ausländische Quellenstaat also nach seinem Verständnis des DBA kein uneingeschränktes Besteuerungsrecht hat, wird die Besteuerung in Deutschland als Ansässigkeitsstaat „nachgeholt“, auch wenn aus deutscher Sicht eigentlich nach dem DBA eine Steuerfreistellung erfolgen müsste. Ist etwa ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an einer spanischen Personengesellschaft beteiligt, so kommt es zu einer divergierenden steuerlichen Behandlung in beiden Ländern. In Spanien als Quellenstaat wird die Personengesellschaft steuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. Bei der Veräußerung einer Beteiligung an einer in Spanien gewerblich täti22 So offenbar die FinVerw, vgl. BMF, Schr. v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Beispiel in Tz. 4.1.3.3.2. 23 Gosch in Kirchhof, 10. Auflage 2011, EStG, § 50d Rz. 41a.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG gen spanischen Personengesellschaft durch einen Steuerinländer würde es zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen. Aus spanischer Sicht liegt eine Anteilsveräußerung vor, die nach Art. 13 Abs. 3 DBA Spanien nur in Deutschland besteuert werden kann. Hingegen liegen aus deutscher Sicht Gewinne aus der Veräußerung einer spanischen Betriebsstätte vor, für die nach Art. 13 Abs. 2 DBA Spanien das Besteuerungsrecht hat und die in Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA Spanien freigestellt sind. Im Ergebnis würde der Veräußerungsgewinn wegen der unterschiedlichen Abkommensanwendung dann gar nicht besteuert.24 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG bestimmt in diesem Fall, dass Deutschland die Freistellung versagt und stattdessen die spanische Steuer anrechnet. Da Spanien nicht besteuert, wird der Veräußerungsgewinn in Deutschland in voller Höhe besteuert. Dieses Ergebnis kann sich auch auf Nr. 3 Satz 2 des OECD-Kommentars zu Art. 3 OECD-Musterabkommen stützen. Danach sollen alle Rechtsträger, die nach den Steuergesetzen des Staats, in dem sie errichtet wurden, als juristische Person behandelt werden, als „Gesellschaft“ i. S. d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-Musterabkommen anzusehen sein. Vorliegend wäre also der spanischen Behandlung als Kapitalgesellschaft zu folgen. Dann läge auch aus deutscher Sicht ein in Deutschland steuerpflichtiger Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen vor. Diese Auffassung vertritt auch die deutsche Finanzverwaltung.25 Der BFH sieht dies anders und legt bei der Auslegung der DBA nach Art. 3 Abs. 2 OECD-MA das deutsche Rechtsverständnis zugrunde.26 Nach der Rechtsprechung handelt es sich um einen in Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA Spanien freizustellenden Betriebsstättengewinn.27 Erst durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG und den Übergang zur Anrechnungsmethode kann Deutschland besteuern. Der BFH28 hat in einem das Jahr 2003 betreffenden Fall gleichwohl Aussetzung der Vollziehung gewährt, weil er erhebliche Zweifel an der rückwirkenden Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG hatte.29

24 Beispiel nach BT-Drucks. 16/2712, 61, siehe dazu aber BFH, Beschl. v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156, der für einen Fall aus dem Jahr 2003 Aussetzung der Vollziehung gewährt hat (vgl. unten V.1). 25 BMF, Schr. v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Anlage „Spanien“. 26 BFH, Urt. v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521, Urt. v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 27 BFH, Beschl. v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 28 BFH, Beschl. v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 29 Vgl. dazu unten V.1.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG gilt auch bei im Ausland entstandenen Verlusten, die im Ausland aufgrund eines Qualifikationskonflikts nicht abziehbar sind. Diese sind dann in Deutschland grundsätzlich abziehbar.30 So ist etwa ein Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer spanischen Personengesellschaft in Deutschland abziehbar, wenn er in Spanien nicht geltend gemacht werden kann, weil die Einkünfte dort nach Art. 13 Abs. 3 DBA Spanien nicht besteuert werden können. Bei Verlusten aus Nicht-EU-Staaten ist ein effektiver Verlustabzug allerdings häufig wegen § 2a EStG ausgeschlossen.31 4. Keine Freistellung bei Nichtbesteuerung wegen Nichtansässigkeit (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG) 4.1 Anwendungsbereich § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sieht den Übergang von der Freistellungszur Anrechnungsmethode vor, wenn der Quellenstaat die Einkünfte aufgrund der dortigen Nichtansässigkeit des Steuerinländers nicht besteuert. Es handelt sich um Fälle, in denen der Quellenstaat die Einkünfte zwar im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht, nicht aber im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfasst.32 Auch hier soll durch den Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode eine deutsche „Nachversteuerung“ der nach dem Abkommen in Deutschland als Ansässigkeitsstaat freizustellenden Einkünfte erfolgen. Allerdings gilt die Vorschrift nicht für nach dem Abkommen freizustellende Dividenden, soweit diese im Ausland nicht steuerlich abziehbar sind (§ 50d Abs. 9 Satz 2 EStG). Hintergrund für diese Rückausnahme ist die Annahme einer ausreichenden Besteuerung der den Dividenden zugrunde liegenden Gewinne im Ausland (unmittelbar oder mittelbar im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nach AStG).33 Die Rück-Rückausnahme für im Ausland abziehbare Dividenden geht auf Bedenken des Bundesrats zurück.34 Partiarische Zinsen und die Gewinnanteile typisch stiller Gesellschafter werden in vielen deutschen DBA bei der Einkünftezuordnung als Dividenden qualifiziert. Insoweit fürchtete man, dass dies auch auf den Methodenartikel durchschlagen könne, so dass diese Ein30 Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d Rz. 197 m. w. N. 31 Heinicke in Schmidt, 30. Auflage 2011, EStG, § 50d Rz. 56. 32 M. Klein/Hagena in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50d EStG Anm. 122; Wagner in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50d EStG Rz. 107; Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50d EStG Anm. 103. 33 Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50d EStG Anm. 121. 34 BR-Drucks. 622/06, 24, BT-Drucks. 16/3368, 19.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG künfte bei Vorliegen einer Schachtelbeteiligung in Deutschland freizustellen seien. Die nachfolgende Rechtsprechung lässt diese Sorge allerdings als unbegründet erscheinen. Der BFH35 ist der Ansicht, dass der weite Dividendenbegriff in der Zuordnungsvorschrift vieler deutscher DBA nicht auf den Methodenartikel durchschlägt. Vielmehr ist für Zwecke des Methodenartikels nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen, ob eine Dividende vorliegt. Die aus Sicht des deutschen Fiskus unzureichende Besteuerung muss auf einer fehlenden ausländischen beschränkten Steuerpflicht bzw. der Abziehbarkeit der Dividende im Ausland beruhen. Eine Steuerfreistellung nach deutschem Steuerrecht wird durch § 50d Abs. 9 EStG nicht ausgeschlossen. So bleibt es etwa dabei, dass Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Deutschland von den Vergünstigungen des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG, § 8b Abs. 1 KStG profitieren, auch wenn sie im Ausland steuerlich abziehbar sind.36 4.2 Anwendungen in den Pilotenfällen In jüngerer Zeit haben in Deutschland ansässige Piloten und anderes fliegendes Personal von ausländischen Fluggesellschaften aus Sicht der Finanzverwaltung unerwünschte Steuervorteile erzielt. Sind in Deutschland ansässige Piloten bei einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland beschäftigt, so steht Irland als Sitzstaat der Fluggesellschaft das Besteuerungsrecht an den Arbeitslöhnen zu (Art. XII Abs. 3 DBA Irland).37 Deutschland stellt die Einkünfte frei (Art. XXII Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA Irland). Nach dem nationalen irischen Steuerrecht sind die Arbeitslöhne dort nichtansässiger Piloten aber nur steuerpflichtig, soweit sie auf von irischen Flughäfen durchgeführte Flüge entfällt. Die Finanzverwaltung will hier § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG anwenden.38 Das FG Bremen39 hat sich über die gegen diesen Treaty Override vorgebrachten Bedenken40 hinweggesetzt und ist dieser Auffassung gefolgt. Das Ergebnis ist zumindest dann fragwürdig, wenn der Pilot einen Teil der Flüge von Irland aus 35 BFH, Urt. v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793, entgegen der Vorinstanz FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.7.2006 – 6 K 164/04, EFG 2007, 167. 36 Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, AStG, § 50d Abs. 9 EStG, Anm. 11. 37 Eine entsprechende Regelung fand sich im Art. XI Abs. 5 DBA Großbritannien 1964. 38 BMF, Schr. v. 12.11.2008, BStBl. I 2008, 988; BayLfSt, Vfg. v. 8.6.2011, IStR 2011, 519. 39 Urt. v. 10.2.2011 – 1 K 20/10(3), EFG 2011, 988 (nrkr., Az. des BFH: I R 27/11); ebenso FG München, Beschl. v. 19.7.2011 – 8 V 3774/10, juris. 40 Vgl. dazu unten IV.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG durchgeführt hat und der hierauf entfallende Arbeitslohn in Irland besteuert wurde. Auch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG spricht von Einkünften, nicht von einzelnen Einkunftsteilen, die im Auslands steuerpflichtig sein müssen.41 4.3 Kritik § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG ist vor allem deshalb zu kritisieren, weil er ausländische Maßnahmen zur Investitionsförderung, etwa in Entwicklungs- und Schwellenländern, konterkariert. Die Freistellungsmethode stellt hier sicher, dass steuerliche Anreize für deutsche Direktinvestitionen in diesen Ländern den deutschen Investoren erhalten bleiben und nicht durch eine deutsche Besteuerung der im Quellenstaat erzielten Einkünfte neutralisiert werden. Dieses vielen deutschen Abkommen zugrunde liegende Prinzip der Kapitalimportneutralität wird durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG aufgehoben. Ob dies gerechtfertigt ist, erscheint zweifelhaft. Wird die Tätigkeit im anderen DBA-Staat für dort beschränkt steuerpflichtige Investoren von der dortigen Steuer befreit, so muss in Deutschland „nachversteuert“ werden. Wird der gleiche Vorteil aber als direkte Subvention gewährt, die Auslandsaktivität aber besteuert, so bleibt der Investitionsanreiz erhalten. Insoweit führt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG zu einer Ungleichbehandlung je nachdem, ob der Investitionsanreiz in einer Steuerbefreiung oder einer nichtsteuerlichen Vergünstigung besteht.

III. Deutsche Besteuerung von Sondervergütungen ausländischer Gesellschafter (§ 50d Abs. 10 EStG) 1. Entstehung und Hintergrund § 50d Abs. 10 EStG wurde durch das JStG 200942 eingeführt und soll die deutsche Besteuerung von Sondervergütungen sicherstellen, die ein ausländischer Personengesellschafter von einer inländischen Personengesellschaft bezieht. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung die BFH-Rechtsprechung43 außer Kraft setzen, die eine Besteuerung dieser Sondervergütungen in Abkommensfällen abgelehnt hatte. Begründet hatte der BFH seine Rechtsprechung damit, dass es sich bei Sondervergütungen für die Überlassung von Darlehen oder Immaterialgüterrechten im abkommensrechtlichen Sinn um Zinsen oder Lizenzen han41 Vgl. zur entsprechenden Diskussion § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG oben II.3.3. 42 Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 43 BFH, Urt. v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG dele. Für diese habe nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA regelmäßig der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht. Ziel der BFH-Rechtsprechung ist eine Gleichbehandlung ausländischer Gesellschafter mit inländischen Sondervergütungen mit inländischen Gesellschaftern, die von einer ausländischen Personengesellschaft Sondervergütungen beziehen. Im letztgenannten Fall hatte der BFH44 eine Freistellung der Sondervergütungen in Deutschland abgelehnt. Es handele sich nicht um ausländische Betriebsstätteneinkünfte, sondern um Zinsen bzw. Lizenzen, die abkommensrechtlich nicht der ausländischen Betriebsstätte zugerechnet werden könnten. 2. Regelungsinhalt Diese Gleichbehandlung von Inbound- und Outbound-Fällen wollte der Gesetzgeber ausschließen. § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG fingiert, dass die Sondervergütungen für Abkommenszwecke ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten. Beim Steuerausländer, der an einer inländischen Personengesellschaft beteiligt ist, sollen die Sondervergütungen als Betriebsstätteneinkünfte erfasst werden. Für den Steuerinländer verbleibt es hingegen dabei, dass er mit Sondervergütungen, die er von einer ausländischen Personengesellschaft erhält, in Deutschland nicht freigestellt wird. Es kommt zu einer deutschen Besteuerung, obwohl die Sondervergütungen für Abkommenszwecke in Unternehmensgewinne umqualifiziert werden (§ 50 d Abs. 10 Satz 1 EStG). § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG bestimmt, dass bei Steuerinländern § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG anzuwenden ist. Bei im Ausland nach DBA nicht oder nur eingeschränkt besteuerten Sondervergütungen versagt Deutschland also die Freistellung und geht zur Anrechnungsmethode über. 3. Anwendung durch die Rechtsprechung Der BFH45 hat trotz § 50d Abs. 10 EStG die deutsche Besteuerung der von Steuerausländern erzielten Sondervergütungen abgelehnt. Sondervergütungen könnten regelmäßig nicht der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zugeordnet werden. Die den Sondervergütungen zugrunde liegenden Darlehensforderungen oder Immaterialgüterrechte würden nämlich regelmäßig vom Gesellschafter im Ausland gehalten. Für nachträgliche Sondervergütungen (z. B. Pensionszahlungen an ehe-

44 Ständige Rechtsprechung seit BFH, Urt. v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; BFH, Beschl. v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766 m. w. N. 45 BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG malige Gesellschafter von Personengesellschaften) hat der BFH46 eine inländische Steuerpflicht nach § 50d Abs. 10 EStG abgelehnt, da § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG den maßgeblichen § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht in Bezug nimmt. Dem Urteil ist zuzustimmen. Einerseits stellt das Konzept der Sondervergütungen im internationalen Vergleich einen Sonderweg dar, der im Ausland nur schwer zu vermitteln ist. Der deutsche Sonderweg im nationalen Recht würde auf der Abkommensebene zu Qualifikationskonflikten führen, die regelmäßig eine Doppelbesteuerung zur Folge hätten. Neben Deutschland als Quellenstaat besteuert regelmäßig auch der ausländische Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, der die Sondervergütungen als Zinsen oder Lizenzen ansieht. Dabei stößt die Anrechnung der deutschen Steuer auf die ausländische Steuer dann auf Grenzen, wenn die Anrechnung nach dem Abkommen voraussetzt, dass die deutschen Einkünfte nach dem Abkommen in Deutschland besteuert werden (können). Aus Sicht des ausländischen Staates dürfte jedenfalls dann keine Besteuerung „nach dem Abkommen“ vorliegen, wenn das Abkommen eine deutsche Besteuerung von Zinsen und Lizenzen ausschließt. Schließlich kommt es nach § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG zu einer nur schwer verständlichen Ungleichbehandlung der ausländischen Gesellschafter von Kapitalgesellschaften einerseits (Besteuerung der Zinsen und Lizenzen nur im Ansässigkeitsstaat) und von Personengesellschaften andererseits (Besteuerung in Deutschland und regelmäßig auch im Ansässigkeitsstaat, also Doppelbesteuerung). Durch die BFH-Entscheidungen vom 8.9.201047 und vom 8.11.201048 verbleibt § 50d Abs. 10 EStG kein wirklicher Anwendungsbereich. Der deutsche Gesetzgeber dürfte nun vor der Frage stehen, ob er die geltende Fassung des § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG weiter verschärfen soll, um die Besteuerung der Sondervergütungen abkommensberechtigter Steuerausländer sicherzustellen,49 oder ob er die Vorschrift nicht besser aufheben sollte.50 Richtig erscheint hier die Aufhebung. Eine Verschärfung dergestalt, dass etwa zusätzlich fingiert wird, dass die Sondervergütungen der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind, würde zu weiteren Verwerfungen führen. So stellt sich u. a. die Frage, ob dann nicht auch das den

46 BFH, Beschl. v. 8.11.2010 – I R 106/09, BFHE 231, 206, Rz. 13; a. A. FG Düsseldorf, Urt. v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878, Rz. 26 ff. (nrkr., Az. des BFH: I R 5/11). 47 I R 74/09, BFHE 231, 84. 48 I R 106/09, BFHE 231, 206. 49 Vgl. dazu Mitschke, FR 2011, 179, 182 ff. mit Vorschlag für eine Verschärfung der Vorschrift. 50 Krämer, EStB 2011, 10, 11.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG Sondervergütungen zugrunde liegende im Ausland belegenen Sonderbetriebsvermögen der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Dann könnte Deutschland auch die Gewinne aus der Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens besteuern. Umgekehrt müssten dann aber Abschreibungen und Wertminderungen (auch) in Deutschland berücksichtigt werden.51 Unklar ist dann weiter, wie zu verfahren ist, wenn Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens vom Stammhaus und der deutschen Betriebsstätte oder von mehreren Betriebsstätten in verschiedenen Ländern genutzt werden.52 Eine anteilige Zuordnung dürfte hier auch nach dem (bisherigen) Verständnis der Finanzverwaltung ausscheiden.53 Für eine Abschaffung der Vorschrift spricht schließlich, dass Deutschland bei der Betriebsstätten-Besteuerung den sog. „Authorised OECD Approach“54 umsetzen will. Danach sollen Betriebsstätten künftig wie eigenständige Steuerrechtssubjekte behandelt werden, so dass die Verrechnung von Leistungsentgelten (an Stelle der bloßen Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte möglich wird. Warum man dann für die zivilrechtlich mögliche Verrechnung von Leistungsentgelten zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern anders verfahren will, ist nicht erklärlich.55 Es stellt sich schließlich die Frage, ob die in der Gesetzesbegründung angesprochenen Steuerausfälle, die § 50d Abs. 10 EStG verhindern soll,56 wirklich so gravierend sind. Zum einen begrenzt das deutsche Steuerrecht den Abzug der bislang als Unternehmensgewinn fingierten Zinsund Lizenzzahlungen ohnehin, etwa in §§ 4h EStG, 8a KStG und § 8 Nr. 1 GewStG. Zum anderen ist § 50d Abs. 10 EStG insoweit „gestaltungsanfällig“, als dass keine Sondervergütungen vorliegen können, wenn der Darlehens- oder Lizenzgeber nicht selbst Gesellschafter ist, sondern ein mit dem Gesellschafter verbundenes Unternehmen. Durch eine Trennung von Gesellschafterstellung einerseits und der Gewährung des Darlehens oder der Lizenz andererseits innerhalb eines Konzerns lässt sich die von § 50d Abs. 10 EStG angestrebte Doppelbesteuerung also vermeiden.

51 52 53 54 55 56

Schmidt, DStR 2010, 2436, 2440. Für eine anteilige Berechnung offenbar Franz/Voulon, BB 2011, 1111, 1117. BMF, Schr. v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 (Betriebsstättenerlass) Tz. 2.4. OECD Report v. 22.7.2010, Part I B-1. No. 8. Schmidt, DStR 2010, 2634, 2441; Franz/Voulon, BB 2011, 1111, 1117. BT-Drucks. 16/11108, 23.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG

IV. Treaty Override § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG bestimmt, dass der Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode „ungeachtet des Abkommens“ zu erfolgen hat. Es handelt sich bei der Vorschrift um einen Treaty Override, also eine Vorschrift, die die von Deutschland abgeschlossenen DBA durchbricht oder überschreibt. In ähnlicher Weise stellt auch § 50d Abs. 10 EStG einen Treaty Override dar.57 Abweichend von internationaler Konvention und der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung58 werden Zinsen und Lizenzen in Unternehmensgewinne umqualifiziert. Die Rechtsprechung hat einen Treaty Override bislang als zulässig angesehen, weil das DBA als völkerrechtlicher Vertrag nur durch das deutsche Zustimmungsgesetz in nationales Recht transformiert werde.59 Es habe innerstaatlich nur den Rang eines einfachen Gesetzes und könne daher durch spätere einfachgesetzliche Normen geändert werden.60 Dass Deutschland mit einem Treaty Override u. U. gegen das jeweilige DBA verstößt, soll für die innerstaatliche Rechtsanwendung, also das Verhältnis zwischen Steuerpflichtigem und Steuergläubiger, unbeachtlich sein.61 Diese Auffassung ist im Schrifttum vielfach kritisiert worden. Insbesondere wird aus der Görgülü-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts62 abgeleitet, dass es eine allgemeine Rechtspflicht des Staates gebe, die von ihm abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge zu beachten und umzusetzen.63 Dem ist aber entgegenzuhalten, dass sich aus dieser Entscheidung gerade nicht ergibt, dass völkerrechtliche Verträge unmittelbar im innerstaatlichen Bereich angewendet werden können.64 Vielmehr soll das Völkerrecht nur als Auslegungshilfe bei der Anwendung innerstaatlichen Rechts, im Görgülü-Fall bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 3 GG (Recht auf Familie), herangezogen werden.65 Dabei kann eine besondere Würdi-

57 Siehe dazu ausführlich Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d Rz. 239 m. w. N. auch zur Gegenauffassung; Gosch in Kirchhof, 10. Auflage 2011, EStG, § 50d Rz. 44. 58 BFH, Urt. v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 59 BFH, Urt. v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 126; Beschl. v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781. 60 BFH, Urt. v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; kritisch jetzt BFH, Beschl. v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156, Rz. 37. 61 BFH, Urt. v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995. 62 BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307. 63 Vgl. Gosch, IStR 2008, 413, 419. 64 Frotscher, Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Schaumburg (2009), 687 ff, 703, 711. 65 BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG gung des Völkerrechts insbesondere im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit angezeigt sein.66 Überträgt man diesen Ansatz auf den Treaty Override so wird man zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit zunächst einen Grundrechtseingriff feststellen müssen. Dieser kann sich dann als nicht gerechtfertigt erweisen, etwa weil er unverhältnismäßig ist. Diskutiert werden im Zusammenhang mit Treaty Overrides Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 14 GG (Eigentum), Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) und Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz).67 Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines Treaty Override werden verschiedene Fallgruppen unterschieden. So unterscheidet Gosch68 Fälle des Treaty Overrides zur Missbrauchsbekämpfung (z. B. § 50d Abs. 3 EStG, § 20 AStG), zur Verhinderung der doppelten Nichtbesteuerung (z. B. §§ 50d Abs. 8 und 9 EStG) und zur Sicherstellung von Besteuerungssubstrat (z. B. §§ 15 Abs. 1a, 17 Abs. 5 EStG oder §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UmwStG). Auch § 50d Abs. 10 EStG wird zur letzten Fallgruppe gezählt.69 Bei der Prüfung dieser Fallgruppen im Lichte der vorgenannten Grundrechte ist vieles umstritten. So wird ein Eingriff in Art. 14 GG teilweise abgelehnt, weil die aus den DBA ableitbaren Rechtspositionen kein nach Art. 14 GG geschütztes vermögenswertes Recht darstellten.70 Andere sehen den Schutzbereich tangiert, wenn der Treaty Override (wie etwa § 50d Abs. 10 EStG) zu einer Doppelbesteuerung führt. Die DBA hätten den Zweck, Investitionen des Steuerpflichtigen vor einer Doppelbesteuerung zu schützen.71 Bei der Prüfung von Treaty Overrides im Lichte des Art. 2 Abs. 1 GG ist zwischen den einzelnen Fallgruppen zu unterscheiden. So kann etwa ein Treaty Override zur Missbrauchsbekämpfung im Rahmen der weit gefassten Schranken des Grundrechts zulässig sein.72 Hingegen kann er sich als unverhältnismäßig darstellen, wenn er zur Sicherstellung von Besteuerungssubstrat erlassen wurde und regelmäßig zu einer Doppelbesteuerung führt.73 66 Frotscher, Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Schaumburg (2009), 687 ff., 705, 710/711; Gosch, IStR 2008, 413, 419; Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 599. 67 Frotscher, Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Schaumburg (2009), 687 ff., 705, 710/711; Gosch, IStR 2008, 413, 419; Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 599. 68 IStR 2008, 413, 414 ff. 69 Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 598. 70 Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 600. 71 Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d Rz. 249. 72 Gosch, IStR 2008, 413, 421; Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 601 ff. 73 Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 603 f.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG Auch bei der Prüfung des Treaty Override im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG gehen die Meinungen auseinander. Zum Teil wird ein Eingriff in den Schutzbereich und für den Fall einer Doppelbesteuerung die Verletzung des Grundrechts bejaht.74 Es gibt aber auch Gegenstimmen.75 Die Frage, ob ein Treaty Override zu einer verfassungswidrigen Besteuerung führt, entzieht sich also einer generalisierenden Betrachtung. Jede einzelne abkommensdurchbrechende Vorschrift muss hier für sich und mit Blick auf ihre Rechtsfolgen betrachtet werden. Mit Blick auf die Görgülü-Entscheidung76 und der aus ihr zu ziehenden Schlussfolgerungen ist aber Folgendes zu beachten: Dort hatte der Vater eines nichtehelichen Kindes geklagt, der sein Umgangsrecht mit dem Kind geltend machte und vor den deutschen Instanzgerichten unterlegen war. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte fest, dass der Vater in seinen Rechten aus der Europäischen Menschenrechtskonventionen (EMRK) verletzt worden sei und sprach ihm eine Entschädigung zu. Gleichwohl lehnten die deutschen Familiengerichte sein Begehren nach Umgang mit seinem Kind weiter und im Wesentlichen mit formalen Argumenten ab. Das BVerfG mahnte insoweit eine stärkere Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 3 GG an. Bei dessen Auslegung könne auf die Entscheidung des EGMR zurückgegriffen werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich daraus etwa ergibt, dass auch auf die nach einem DBA mögliche doppelte Nichtbesteuerung ein verfassungsrechtlich gewährleistetes subjektives Recht besteht. Am aussichtsreichsten dürften bei der verfassungsrechtlichen Prüfung Fälle sein, bei denen es durch den Treaty Override zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung kommt, wie etwa bei § 50d Abs. 10 EStG. Es dürfte aber unwahrscheinlich sein, dass § 50d Abs. 10 EStG bald vom BVerfG überprüft wird. So wie der BFH77 die Vorschrift ausgelegt hat, verbleibt ihr kaum ein praktischer Anwendungsbereich.

V. Rückwirkungsfragen § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 10 EStG sind in allen bei ihrem Inkrafttreten noch offenen Fällen anzuwenden (§ 52 Abs. 59a Satz 6 bzw. Satz 8 EStG). Die Vorschriften sollen also auch in Veranlagungszeiträu-

74 75 76 77

Frotscher in Frotscher, EStG, § 50d Rz. 250 ff. Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596, 604 f. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307. BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84; Beschl. v. 8.11.2010 – I R 106/09, BFHE 231, 206.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG men vor 2006 bzw. 2008 angewendet werden, wenn die Steuerbescheide insoweit noch nicht bestandskräftig sind. Es stellt sich die Frage, ob und unter welchen Umständen eine rückwirkende Anwendung der Vorschriften verfassungsrechtlich zulässig ist. Das BVerfG unterscheidet bekanntlich zwischen echter Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen einerseits und unechter Rückwirkung bzw. tatbestandlicher Rückanknüpfung andererseits. Während eine echte Rückwirkung sehr kritisch gesehen wird, ist die Rechtsprechung bei der unechten Rückwirkung eher großzügig. Bei der in § 52 Abs. 59a Satz 6 bzw. Satz 8 EStG angeordneten Rückwirkung handelt es sich um eine echte Rückwirkung, da die Vorschriften auch in den Veranlagungszeiträumen vor ihrem Erlass angewendet werden sollen. Eine echte Rückwirkung ist im Grundsatz unzulässig und kann nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein.78 Die erste Fallgruppe einer zulässigen unechten Rückwirkung bilden Fälle, in denen der Steuerpflichtige kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Rechtslage haben durfte. Ein schutzwürdiges Vertrauen entfällt jedenfalls ab Ankündigung der Rechtsänderung (z. B. Gesetzesbeschluss oder auch Kabinettsbeschluss). Das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der Rechtslage ist auch dann nicht schutzwürdig, wenn die Rechtslage unklar oder verworren ist oder verfassungswidrige Gesetze korrigiert werden müssen. Entsprechendes gilt, wenn Steuervergünstigungen als unerlaubte Beihilfe gegen EU-Recht verstoßen. Schließlich sollen Gesetze, durch die die bisherige Rechtslage entgegen neuer Erkenntnisse der Rechtsprechung wieder hergestellt werden soll (sog. Nichtanwendungsgesetze), jedenfalls bei sofortiger Ankündigung, zulässig sein. In einer zweiten Fallgruppe für eine zulässige echte Rückwirkung werden Konstellationen erfasst, in denen die rückwirkende Änderung aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls erforderlich ist. Zu nennen sind hier die Vermeidung volkswirtschaftlich schädlicher Ankündigungseffekte und u. U. auch der Ausgleich unerwarteter Steuermindereinnahmen. 1. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG Die rückwirkende Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG wurde vom Gesetzgeber mit der Begründung angeordnet, dass die Vorschrift nur den Sinn und Zweck der Freistellungsmethode der DBA in Fällen von Qualifikationskonflikten verdeutliche. Sie habe also lediglich klarstel-

78 Vgl. zum Folgenden Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentar, Einführung zum EStG, Rz. 525 m. w. N.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG lende Funktion.79 Dieser Begründung kann nur schwer gefolgt werden, zumal Rechtsprechung80 und Literatur81 jedenfalls vor der Gesetzesänderung im Grundsatz von einem Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung ausgingen. Danach ist die Steuerfreistellung in Deutschland von einer Besteuerung im Quellenstaat unabhängig, soweit der Wortlaut des im Einzelfall anzuwendenden DBA nicht etwas anderes vorsieht. Das war die bestehende Rechtslage vor Inkrafttreten des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dass die Finanzverwaltung insoweit von einem „ungeschriebenen Treaty Override“ ausging,82 ändert daran nichts. Die abschließende Auslegung der Steuergesetze obliegt den Gerichten und nicht der Finanzverwaltung. Eine von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Verwaltungsauffassung ist nicht geeignet, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die bestehende Rechtslage zu erschüttern.83 Das gilt insbesondere dann, wenn die abweichende Verwaltungsauffassung anschließend durch rückwirkende Gesetzesänderung durchgesetzt werden soll. Demnach liegen keine Gründe vor, die nach der Rechtsprechung des BVerfG eine echte Rückwirkung bei der Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG rechtfertigen könnten. Das Vertrauen der Steuerpflichtigen in die zuvor bestehende Rechtslage, wie sie sich aus der BFH-Rechtsprechung ergab, ist schutzwürdig. Auch zwingende Gründe des Gemeinwohls, die eine rückwirkende Anwendung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Auch wenn die deutsche DBA-Politik die Freistellung wegen der (unterstellten) Besteuerung im Quellenstaat gewähren will, ist dies vor Inkrafttreten des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nur ein Motiv, aber keine aus dem jeweiligen DBA ableitbare rechtliche Voraussetzung. Das gilt jedenfalls, soweit das DBA keine im Einzelfall anwendbare Subject-to-Tax- oder Switchover-Klausel enthält. Entsprechend hat der BFH in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes84 erhebliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der für § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG angeordneten echten Rückwirkung geäußert. Die Vorschrift entspreche zwar dem Verständnis der Finanzverwaltung, die sich auf Nr. 32 ff. des OECD-Musterkommentars 2000 zu Art. 23 OECD-Musterabkommen stützen könne. Jedoch sei diese Inter-

79 BT/Drucks. 16/2712, S. 65. 80 BFH, Urt. v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; Urt. v. 17.12.2003 – I R 14/02, BStBl. II 2004, 260. 81 Gosch, IStR 2008, 413, 415; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Auflage 2011, Rz. 14.23. 82 BMF, Schr. v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076 (Betriebsstättenerlass) Tz. 1.2.3. 83 BFH, Beschl. v. 7.12.2010 – IX R 70/07, BStBl. II 2011, 346, Tz. 44 ff. 84 BFH, Beschl. v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG pretation zum einen nicht unumstritten.85 Zum anderen sei der OECDMusterkommentar 2000 für vor 2000 abgeschlossene DBA als Auslegungshilfe nicht maßgeblich.86 Den erheblichen Zweifeln des BFH ist beizupflichten. Die in § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG angeordnete Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG in allen noch offenen Fällen erweist sich als verfassungswidrig. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine Durchbrechung des Vertrauensschutzes sind nicht erfüllt. Auch sind keine Gründe ersichtlich, aus denen die rückwirkende Änderung aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls geboten wäre. 2. § 50d Abs. 10 EStG Auch § 50d Abs. 10 EStG soll rückwirkend für alle bei Inkrafttreten noch offenen Fälle gelten (§ 52 Abs. 59a Satz 8 EStG). Wie erwähnt hält der BFH87 die Vorschrift für im Wesentlichen unanwendbar. Die von der Vorschrift in Unternehmensgewinne umqualifizierten Sondervergütungen können mangels Rechtsgrundlage keiner inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden. Sie unterliegen mithin nicht der deutschen Besteuerung. Auf die Frage, ob die Vorschrift in Veranlagungszeiträumen vor 2008 angewendet werden kann, kommt es nach der Rechtsprechung dann nicht mehr an. Hingegen hatten sich vor Erlass dieses BFH-Urteils einige Finanzgerichte mit der rückwirkenden Anwendung der Vorschrift auseinandergesetzt. Die rückwirkende Anwendung der Vorschrift auch auf zum Teil Jahrzehnte alte Sachverhalte wurde von den FG überwiegend bejaht. So hatte das FG München88 die Zulässigkeit einer rückwirkenden Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG für die Jahre 2001 bis 2003 damit begründet, dass in diesen Jahren keine höchstrichterliche Rechtsprechung bestanden habe, wonach die Sondervergütungen in Deutschland nicht steuerpflichtig gewesen seien. Das insoweit maßgebliche Urteil89 sei erst 2007 ergangen. Auch die eventuell auf vergleichbaren Rechtsgedanken beruhende Rechtsprechung90 zu den Fällen inländischer Personengesellschafter, die Sondervergütungen von einer ausländischen Personengesellschaft bezie85 Siehe auch Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Auflage 2011, § 50d Rz. 41a m. w. N. 86 BFH, Urt. v. 9.2.2011 – I R 54,55/10, BFHE 232, 476; Urt. v. 25.5.2011 – I 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 87 BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84. (siehe dazu oben III.3). 88 FG München, Urt. v. 30.7.2009 – 1 K 1816/09, EFG 2009, 1954, Rz. 18, aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFHE 231, 84. 89 BFH, Urt. v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 90 Ständige Rechtsprechung seit BFH, Urt. v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444.

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG hen, sei nicht unumstritten gewesen. Entscheidend sei, dass die Finanzverwaltung die an Steuerausländer gezahlten Sondervergütungen seit jeher als in Deutschland steuerpflichtige Betriebsstätteneinkünfte angesehen habe. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen, dass die Sondervergütungen abkommensteuerrechtlich Zinsen oder Lizenzen seien, habe daher nicht bestanden. Ähnlich argumentiert auch das FG Düsseldorf.91 Bei einer 1981 gegebenen Pensionszusage, auf die 1999 Pensionszahlungen erbracht wurden, weist es daraufhin, dass die Rechtsprechung bei Vereinbarung der Pensionszusage Sondervergütungen noch den Unternehmensgewinnen zugeordnet habe und der Kläger schon von daher kein schutzwürdiges Vertrauen haben könne. Diese Auffassung begegnet Bedenken. Zum einen geht sie davon aus, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung nur eine von verschiedenen Meinungen sei und mit Verwaltungserlassen und Beiträgen im Fachschrifttum auf gleicher Stufe stehe. Das dürfte nicht der richtige Ausgangspunkt sein. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen ist auf die bei ihrer Disposition bestehende Rechtslage gerichtet. Diese ergibt sich aber nicht als Querschnitt aus den Fachbeiträgen im Allgemeinen, sondern in erster Linie aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung.92 Auch Verwaltungsanweisungen können einen Vertrauenstatbestand schaffen. Sie sind aber im Grundsatz nicht geeignet, ein Vertrauen in den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beseitigen.93 Denn die Finanzgerichte sind an Verwaltungserlasse nicht gebunden. Wenn von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen werden soll, kann dies nur der Gesetzgeber durch eine Gesetzesänderung erreichen. Diese muss bei einer rückwirkenden Anwendung dem Vertrauen des Bürgers in die bei seiner Disposition vorgefundene Rechtslage angemessen Rechnung tragen. Auch die Argumentation des FG Düsseldorf94, dass die für den Steuerpflichtigen positive Rechtslage bei seiner Disposition noch nicht bestanden habe, vermag nicht in vollem Umfang zu überzeugen. Zumindest für die Zeit nach Entstehen der dem Steuerpflichtigen positiven Rechtslage muss davon ausgegangen werden, dass er mit Blick auf die ihm positive Rechtsprechungsänderung an seiner ursprünglichen Disposition festgehalten hat, anstatt diese mit Blick auf die zuvor bestehenden steuerlichen Nachteile zu ändern. Für den vom FG Düsseldorf entschiedenen

91 FG Düsseldorf, Urt. v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878, Rz. 25 (nrkr.; Az. des BFH: I R 5/11). 92 Vgl. V.1 und die dortigen Nachweise. 93 BFH, Beschl. v. 7.12.2010 – IX R 70/07, BStBl. II 2011, 346, Tz. 44 ff. 94 FG Düsseldorf, Urt. v. 7.12.2010, 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878, Rz. 25 (nrkr.; Az. des BFH: I R 5/11).

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Mihm, Rechtsprechung u. Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 u. 10 EStG Fall bedeutet dies, dass zumindest für die ab 199195 erdienten Pensionsansprüche eine steuerliche Erfassung als Unternehmensgewinn ausgeschlossen ist.

VI. Zusammenfassung Mit § 50d Abs. 9 und 10 EStG hat der Gesetzgeber zwei abkommensdurchbrechende Vorschriften geschaffen, deren Verbindlichkeit und Anwendbarkeit nicht zweifelsfrei ist. Das gilt einmal, soweit die Vorschriften rückwirkend für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten anzuwenden sind. Obwohl vom Gesetzgeber als nur klarstellende Vorschriften bezeichnet, handelt es sich hier um materielle Rechtsänderungen, deren rückwirkende Änderung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sein dürfte. Beide Vorschriften stellen sich weiter als Treaty Override dar. Auch insoweit dürfte ihre Verfassungsmäßigkeit kritisch zu hinterfragen sein. Ein Treaty Override ist insbesondere dann kritisch zu sehen, wenn er im Ergebnis zu einer Doppelbesteuerung führt, wie dies bei § 50d Abs. 10 EStG zu erwarten ist. Hier bleibt die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. Die Anwendbarkeit des § 50d Abs. 10 EStG wird weiter durch die BFHRechtsprechung in Frage gestellt. Danach verbleibt der Vorschrift kaum ein Anwendungsbereich, da die in Unternehmensgewinne umqualifizierten Sondervergütungen regelmäßig keiner inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Soweit § 50d Abs. 9 EStG nach Maßgabe des Verfassungsrechts anwendbar ist, sind die Rechtsfolgen zumindest teilweise bedenklich. Die Vorschrift führt bei einer als unzureichend empfunden Besteuerung im Ausland zu einer „Nachversteuerung“ in Deutschland. Das ist insbesondere dort zu kritisieren, wo der andere DBA-Staat die Besteuerung planvoll, z. B. als Investitionsanreiz, vermeidet.

95 Vgl. BFH, Urt. v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444, mit dem der BFH die Einordnung von Sondervergütungen als Unternehmensgewinne für DBA-Zwecke erstmals ablehnte.

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Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Umsatzsteuer Ministerialdirigent Werner Widmann Mainz Inhaltsübersicht

1. Vorbemerkung 2. Keine Geschäftsveräußerung bei Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks auf den Organträger – BFH vom 6.5.2010 3. Finanzielle Eingliederung als Tatbestandselement der Organschaft – BFH vom 22.4.2010 und vom 1.12.2010 4. Steuerbarkeit der Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand – BFH vom 15.4.2010 5. BFH vom 3.3.2011 – Vorsteuerabzug für die Sanierung des Bodenbelags eines Marktplatzes 6. Organschaft bei der öffentlichen Hand – BFH vom 20.8.2009 7. Kein Missbrauch bei doppelter Nichtbesteuerung wegen unterschiedlicher Qualifizierung des Umsatzes in zwei EU-Mitgliedstaaten – EuGH vom 22.12.2010 8. Exkurs: Anwendungsvorrang des EU-Richtlinienrechts – BFH zu unionsrechtlichen Defiziten der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 18 UStG

9. Keine Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei Mitwirkung des Lieferers an der Hinterziehung der Erwerbssteuer im Bestimmungsland – EuGH vom 7.12.2010 10. Keine Steuerbefreiung für psychologische Gutachten, kein Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtslage – BFH vom 30.3.2011 11. Trennung von Vermietungsleistungen und Pflegeleistungen bei Umsätzen von Seniorenwohnheimen – BFH vom 4.5.2011 12. Grundsatzurteile zum Vorsteuerabzug – BFH vom 9.12.2010, 13.1. und 27.1.2011 13. Abgrenzung der Restaurantdienstleistungen von den Speisenlieferungen – BFH vom 8.6. und 30.6.2011 14. Steuerschuld gem. § 14c UStG setzt keine Rechnung i. S. v. § 14 UStG voraus – BFH vom 17.2.2011 15. (Rück-)Wirkung der Rechnungsberichtigung – EuGH vom 15.10.2010

1. Vorbemerkung Höchstrichterlich Recht zu sprechen zur Umsatzsteuer ist in Deutschland Privileg des BFH und nach dessen derzeitiger Geschäftsverteilung Aufgabe dessen V. und XI. Senats.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer Über höchstrichterliche Rechtsprechung zu sprechen, darf sich hingegen jedermann erlauben – auch ein Angehöriger der Steuerverwaltung, die ja immer beim BFH als Partei dabei ist. Und so möchte ich versuchen, die mir am wichtigsten erscheinenden Urteile des BFH aus jüngerer Zeit vorzustellen. Angesichts der großen Zahl von BFH-Urteilen muss die Auswahl zwar sicher mehr als nur zufällig sein, sie bleibt aber notwendig subjektiv. Dabei wird sich zeigen, dass wir mit dem EuGH ein weiteres – supranationales – Gericht haben, das mit seinen Urteilen die Rechtsprechung des BFH sehr wesentlich beeinflusst, erst recht dann, wenn er vom BFH um Vorabentscheidung unionsrechtlicher Zweifelsfragen ersucht wird. Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass es bei der Umsatzsteuer nicht reicht, den deutschen Gesetzestext zu interpretieren. Vielmehr muss die erste Frage immer die sein, ob der deutsche Gesetzgeber sich im Rahmen der unionsrechtlichen Vorgaben gehalten hat und ob die Zweifel an Tatbeständen oder Begriffen bereits in diesen Vorgaben angelegt sind. Dann ist der EuGH zur Klärung berufen.

2. Keine Geschäftsveräußerung bei Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks auf den Organträger – BFH vom 6.5.20101 In diesem Urteil ging es darum, wie die Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks durch den Vermieter auf den Organträger zu behandeln ist, wenn der Organträger seinem Organ die weitere Nutzungsmöglichkeit an dem Grundstück für dessen unternehmerische Betätigung gestattet. Der BFH verneint hier eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG2. Er sagt zu Recht, dass es daran fehlt, dass der Erwerber – hier der Organträger – die vom Veräußerer ausgeübte unternehmerische (Vermietungs-)Tätigkeit fortsetzt3. Das ist ein unverzichtbares Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1a UStG. Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL verlangt dies hingegen nicht, sondern lässt es für die Nichtsteuerbarkeit genügen, dass ein Gesamt- oder Teilvermögen übertragen wird. Allerdings eröffnet Art. 19 Abs. 2 MwStSystRL den EU-Mitgliedstaaten bei der optionalen Übernahme dieser Nichtsteuerbarkeitsanord-

1 V R 26/09, BStBl. II 2010, 1114. 2 Siehe dazu in diesem Band Eggers, S. 423. 3 So bereits BFH, Urt. v. 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer nung einen weiten Spielraum zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen und Steuerhinterziehungen oder -umgehungen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem seit dem 1.1.1994 geltenden § 1 Abs. 1a UStG im Rahmen dieser Vorgaben gehalten.4 Der Veräußerer hatte das Grundstück an die Organgesellschaft vermietet. Der Organträger kann das Grundstück an sein Organ aber umsatzsteuerlich nicht vermieten, denn wegen der Organschaft gem. § 2 Abs. 2 UStG ist die Überlassung – womöglich sogar zur bisherigen Miete – als Innenumsatz ohne umsatzsteuerliche Relevanz. Allerdings wäre die offene Inrechnungstellung von Umsatzsteuer für die Nutzungsüberlassung durch den Organträger ohne Auswirkung; es läge kein Fall des § 14c UStG vor, denn die Organschaft führt auch dazu, dass Rechnungen innerhalb des Organkreises als bloße Verrechnungsdokumente keine Außenwirkung erlangen. Das hat der BFH so im Urteil vom 28.10.20105 entschieden für den Fall der Rechnungserteilung von einem Organ an den Organträger. Das gleiche muss aber auch für die Rechnungserteilung durch den Organträger an eines seiner Organe gelten. Noch einmal: Obgleich das Grundstück nach der Übertragung von der Organgesellschaft in völlig unveränderter Weise unternehmerisch genutzt wird, liegt keine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung vor. So wäre übrigens auch zu entscheiden gewesen, wenn die Organgesellschaft selbst das Grundstück gekauft hätte. Auch dann hätte sie die Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht fortgesetzt, wenn sie das Grundstück wie bisher weiterhin nutzt. Also war der Grundstücksumsatz des Veräußerers steuerfrei gem. § 4 Nr. 9 UStG; der Veräußerer konnte auf diese Steuerbefreiung gem. § 9 UStG verzichten. Die Bindung an die Vorsteuerberichtigungszeiträume, die bei einer Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG nach § 15a Abs. 10 UStG eintritt, greift nicht. Für die Rechnungserteilung gelten die allgemeinen Vorschriften. Bemerkenswert an dem Urteil ist, dass der BFH der Organschaft hier insofern eine Außenwirkung verleiht,6 als der Käufer des Grundstücks der Organträger war, während die Organgesellschaft das Grundstück zuvor selbst gemietet hatte. Die Organschaft lässt Geschäfte des Organträgers im Organkreis gegenüber allen Organen wirken. Das ergibt sich daraus, dass der Organkreis nur ein Unternehmen darstellt, das der Organträger 4 Siehe dazu Widmann in Plückebaum/Widmann, UStG, Rz. 1.ff. zu § 1 Abs. 1a (Dezember 2008). 5 V R 7/10, DStR 2010, 308. 6 Siehe dazu Meyer-Burow/Connemann, Geschäftsveräußerung an mehrere Abnehmer derselben Organschaft, UR 2011, 612.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer steuerlich – nicht hingegen im Zivilrechtsverkehr – allein repräsentiert. Der Veräußerer hat möglicherweise erst bei der Veräußerung von der organschaftlichen Verbindung seines bisherigen Mieters zu dem Organträger erfahren. Die Wirkung der durch die Organschaft hergestellten Unternehmenseinheit führt auch dazu, dass innerhalb des Organkreises ausgestellte Rechnungen mit offenem Steuerausweis nicht zur Steuerschuld gem. § 14c UStG führen können. So der BFH zutreffend im Urteil vom 28.10.2010.7 Er konnte dazu sogar offenlassen, ob im konkreten Fall überhaupt eine Organschaft bestand: Lag eine vor, scheidet § 14c UStG von vorneherein wegen der Unternehmenseinheit aus; lag keine vor, war die Rechnungserteilung aus der Sicht des § 14c UStG erlaubt.

3. Finanzielle Eingliederung als Tatbestandselement der Organschaft – BFH vom 22.4.20108 und vom 1.12.20109 Die beiden BFH-Umsatzsteuer-Senate haben in den Urteilen vom 22.4.2010 und vom 1.12.201010 entschieden, dass die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in das Organträgerunternehmer voraussetzt, dass eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung des Organträgerunternehmers vorliegt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Organträger eine Kapital- oder eine Personengesellschaft ist. Es reicht für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft daher nicht aus, dass diese Personengesellschaft nicht selbst, sondern (nur) ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist. Das kann auch nicht dadurch überspielt werden, dass ein Beherrschungsvertrag oder ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen wird. Der BFH begründet dies mit der fehlenden Über- und Unterordnungssituation, die bei einer derartigen nur indirekten Beteiligung nicht rechtssicher bestimmbar mache, wer in der Personengesellschaft wie abstimmt. Der an der GmbH beteiligte Gesellschafter ist nämlich nicht verpflichtet oder gehalten, in den Gesellschaften stets so abzustimmen, dass die Überordnung der Personengesellschaft über die GmbH gewährleistet ist.

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V R 7/10, DStR 2011, 308. V R 9/09, BStBl. II 2011, 597. XI R 43/08, BStBl. II 2011, 600. S. dazu Gotthardt/Boor, Umsatzsteuerliche Organschaft – Keine finanzielle Eingliederung durch Anteilszurechnung oder Beherrschungsvertrag, DStR 2011, 1118.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer Deshalb reicht es für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft auch nicht aus, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an der GmbH und der Personengesellschaft verfügen. Der BFH hatte dies bisher anders gesehen; in den Leitsätzen der Urteile weist er ausdrücklich auf die Änderung der Rechtsprechung hin. Die Verwaltung war dem BFH in Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE gefolgt und will ihm auch nun wieder folgen. Deshalb wurde durch das BMF-Schreiben vom 5.7.201111 angeordnet, dass die Verwaltung die neuen Grundsätze in allen offenen Fällen anwenden soll. Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE wird entsprechend geändert. Es wird aber nicht beanstandet, wenn für vor dem 1.1.2012 ausgeführte Umsätze die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis übereinstimmend noch von der finanziellen Eingliederung ausgehen. Das bedeutet, dass alle bisher am Organkreis beteiligten Unternehmen sich noch bis Ende 2011 nach der bisherigen Handhabung richten müssen; wenn auch nur ein Unternehmen sich auf die neue Sicht beruft, ist die bisherige Organschaft gesprengt. Dann müssen die noch als Innenumsätze behandelten Umsätze versteuert werden, die Rechnungen müssen die Voraussetzungen des § 14 UStG erfüllen, um den Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG zu ermöglichen bei den Leistungsempfängern, die bisher im Organkreis die Leistungen nicht steuerbar erhalten haben.

4. Steuerbarkeit der Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand – BFH vom 15.4.201012 Der Ausgangsfall des BFH-Urteils vom 15.4.2010 war in dem hier interessierenden Teil ganz einfach: Eine staatliche Universität, mithin eine juristische Person des öffentlichen Rechts, gestattete gegen Entgelt einem Unternehmer die Aufstellung von Automaten. Und die tradierte umsatzsteuerliche Behandlung dieses Sachverhalts war auch sehr schlicht: Da diese Gestattungsleistung keinen Betrieb gewerblicher Art gem. § 2 Abs. 3 UStG mit seiner Verweisung auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 Abs. 5 KStG darstellt, sondern nur als sog. Vermögensverwaltung anzusehen war, war die Universität nicht unternehmerisch tätig. Sie durfte also keine Rechnungen mit offenem Steuerausweis aus-

11 IV D 2 – S 7105/10/10001, BStBl. I 2011, 703. 12 V R 10/09, UR 2010, 646; s. dazu Bollweg, UR 2010, 652; Küffner, UR 2010, 654; Widmann, BB 2010, 2088.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer geben; sie hatte kein Recht zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Stellflächen für die Automaten. Es mag zwar sein, dass diese Distanz zum Umsatzsteuerrecht vielen Hochschulverwaltungen recht gelegen kam, aber schon längst zeichnete sich in der Rechtsprechung von EuGH und BFH ab, dass die Anknüpfung des § 2 Abs. 3 UStG an den körperschaftsteuerlich definierten Betrieb gewerblicher Art bei der Regelung der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand nicht dauerhaft haltbar war. Eine gewisse Pause bei dieser Entwicklung hatte zwar noch das EuGHUrteil vom 6.2.1997 in der Rechtssache Marktgemeinde Welden13 gebracht, weil der EuGH die steuerfreie Vermietung einer nicht eingerichteten Gaststätte durch eine Gemeinde als dem hoheitlichen Bereich zuordenbar ansah entsprechend dem damals geltenden Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-USt-Richtlinie. Diese Möglichkeit haben die EU-Mitgliedstaaten zwar auch jetzt noch nach dem inzwischen geltenden Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL. Aber in dem Urteil vom 20.12.200714 ist der EuGH nach einem Vorabentscheidungsersuchen des BFH15 von diesem Weg zu Recht abgewichen und hat entschieden, dass ohne eine ausdrückliche Entscheidung des nationalen Gesetzgebers die Hoheitsfiktion es Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL nicht greift. Im Übrigen muss aus Wettbewerbsgründen der öffentlichen Hand die Unternehmereigenschaft zugesprochen werden, wenn sie mit ihrem Angebot in Konkurrenz zu privaten Anbietern tritt. Dazu muss die öffentliche Hand über die Unternehmereigenschaft Zugang zum Vorsteuerabzug erlangen, denn den haben die privaten Konkurrenten. Der BFH hat in seiner – bemerkenswert rasch ergangenen – Nachfolgeentscheidung vom 20.8.200916 zu diesem EuGH-Urteil entschieden, dass die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch juristische Personen des öffentlichen Rechts steuerbar ist, denn Deutschland hat (bisher) keine gesetzliche Regelung auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-USt-RL, jetzt Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL getroffen.

13 Rs. C – 247/95, BStBl. II 1999, 426. 14 Rs. C – 102/08, SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft mbH Co. Objekt Offenbach, UR 2009, 484; s. dazu Küffner, UR 2009, 491; Widmann, UR 2009, 493. 15 V. 20.12.2007 – V R 70/05, UR 2008, 301 mit Anm. Filtzinger. 16 V R 70/05, UR 2009, 884; s. jetzt auch BFH, Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, DB 2012, 324 zum Betrieb eines Parkhauses durch eine Gemeinde als unternehmerisch – gleich ob die Benutzung auf öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Grundlage geregelt wird.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer Das BFH-Urteil vom 15.4.2010 konnte also nicht mehr überraschen. Es bedeutet den endgültigen Abschied des Betriebs gewerblicher Art aus dem Umsatzsteuerrecht.

5. BFH vom 3.3.2011 – Vorsteuerabzug für die Sanierung des Bodenbelags eines Marktplatzes So sehr man die Einbeziehung der Vermögensverwaltung in die unternehmerische Sphäre der juristischen Personen des öffentlichen Rechts begrüßen muss – mit dem Urteil vom 3.3.201117 ist der BFH nun aber entschieden zu weit gegangen. Er hat einer Gemeinde für die Sanierung des Belages eines Marktplatzes, auf dem die Gemeinde regelmäßig Standplätze an Marktbeschicker steuerpflichtig vermietete, den Vorsteuerabzug aus den Sanierungskosten zugesprochen. Das begründet er damit, dass der Platz der steuerpflichtigen Vermietung diene, so dass auch die damit unmittelbar zusammenhängenden Vorsteuern abzugfähig sein müssten. Aber schon bei der Bestimmung des Umfangs dieser Vorsteuern gerät er ins Schwimmen, denn er merkt, dass ja nicht jeden Tag ein Markt abgehalten wird, vielmehr an den marktfreien Tagen der Platz ausschließlich dem öffentlichen Verkehr dient. Stimmt, möchte man sagen. Nur: Dem öffentlichen Verkehr dient der Marktplatz primär auch an den Markttagen, denn die Passanten können und dürfen über den Marktplatz auch an Markttagen gehen, ohne einzukaufen. Daher halte ich es für unzutreffend, den ursprünglich allein aus der Straßenbaulast und der Verkehrssicherungspflicht herrührenden und veranlassten Aufwand überhaupt dem Vermietungsunternehmen der Gemeinde zuzuordnen. Vielmehr muss man annehmen, dass die Gemeinde aus ihrem hoheitlichen Bereich ihrem Vermietungsbetrieb die Vermarktung der Standflächen gestattet. Es findet also nur eine Nutzungseinlage statt und damit sind nur die direkt den Vermietungsumsätzen zuzuordnenden Vorsteuern abzugsfähig, also z. B. die Aufwendungen für Stromanschlüsse und Wasserleitungen, die zu den Standflächen gehören. Die Lösung des BFH führt zu schwer lösbaren Schwierigkeiten, wenn sich die Zahl der Markttage verändert oder wenn sich eine andere Belegung der Marktplatzfläche ergibt. Mit § 15a UStG war da vor dem 1.1.2011 nicht zu helfen, denn derartige Veränderungen beziehen sich 17 V R 23/10, BB 2011, 2019 mit Kommentar Widmann; UR 2011, 617 mit Anm. Küffner; s. dazu jetzt BMF, Schr. v. 2.1.2012 – IV D 2 – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, 60.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer nicht auf die Verhältnisse des Vorsteuerabzuges i. S. von § 15 UStG, sondern sie betreffen den Umfang des Unternehmens. Da wären wohl dann die Vorschriften zur Gegenstandsentnahme gem. § 3 Abs. 1b UStG oder zur Dienstleistungsentnahme gem. § 3 Abs. 9a UStG anzuwenden gewesen. Bei einer Vergrößerung des Umfangs der unternehmerischen Nutzung gibt es aber keine Einlagenentsteuerung. Das hat der EuGH schon zweimal entschieden.18Allerdings könnte der seit dem 1.1.2011 geltende § 15 Abs. 1b UStG i. V. m. dem neuen § 15a Abs. 6a UStG19 zur Begrenzung des Vorsteuerabzuges auf den unternehmerisch genutzten Teil eines Grundstücks hier möglicherweise eine gewisse Abhilfe schaffen. Nach diesen Vorschriften ist der Vorsteuerabzug bei Grundstücken (zunächst) auf den unternehmerisch genutzten Teil beschränkt und spätere Änderungen beim Umfang der unternehmerischen Nutzung werden über § 15a UStG geregelt. Aber noch einmal: Zu diesen Fragen kommt man nur mit dem verfehlten Ansatz des BFH, der die Zuordnung des Sanierungsaufwandes für den Marktplatzbelag zum Unternehmen der Gemeinde erlaubt.

6. Organschaft bei der öffentlichen Hand – BFH vom 20.8.200920 Der BFH hatte schon in dem Urteil vom 20.8.2009 für die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nur noch darauf abgestellt, ob sie „Leistungen gegen Entgelt auf privatrechtlicher Grundlage unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer erbringt.“ Das war eine der schon erwähnten Entscheidungen des BFH, mit denen er den Betrieb gewerblicher Art aus der Umsatzsteuer vertrieben hat. Ist also ein unternehmerischer Bereich zu konstatieren, dann kann dieser auch Organträger i. S. v. § 2 Abs. 2 UStG sein. Die organisatorische Eingliederung des Organs in den Organträger kann sich dann z. B. daraus ergeben, dass die Geschäftsführer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organträgers sind. Das ist gerade bei Betrieben der öffentlichen Hand sehr oft der Fall.21

18 V. 2.6.2005 – Rs. C – 378/02, Waterschap Zeeuws Vlanderen, DStRE 2005, 902; v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04, Uudenkaupungin kaupunki, UR 2006, 530. 19 S. dazu BMF, Schr. v. 22.6.2011 – IV D 2 – S 7303-b/10/10001, BStBl. I 2011, 597; Widmann in Plückebaum/Widmann, UStG, § 15 Rz. 298a ff. (April 2011). 20 V R 30/06, BStBl. II 2010, 863. 21 So auch im Fall des BFH-Urteils v. 28.10.2010 – V R 7/10, DStR 2011, 308.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer Dieses Urteil des BFH ist auch von Bedeutung wegen seiner Aussagen zur wirtschaftlichen Eingliederung des Organs in das Unternehmen des Organträgers.22 Der BFH verlangt dazu eine Verflechtung der beiden Unternehmen. Die bloße Materialbeistellung durch den Organträger an das Organ zur Erbringung einer Leistung an den Organträger reicht für die wirtschaftliche Verflechtung nicht aus, denn auch bei einander nicht verbundenen Unternehmen kommt es zu Materialbeistellungen. Muss aber eine Verflechtung bejaht werden nach dem maßgeblichen Gesamtbild aller Umstände – das ist der Schlüsselbegriff bei der Anwendung des § 2 Abs. 2 UStG und macht diese Vorschrift so unberechenbar, denn sie gibt ja kein Wahlrecht zur Organschaft23 –, dann spielt es keine Rolle, dass der Organträger die von seinem Organ als Innenleistung nicht steuerbar bezogene Leistung für nichtunternehmerische Zwecke verwendet. Diese Situation ist bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts naturgemäß sehr häufig anzutreffen.

7. Kein Missbrauch bei doppelter Nichtbesteuerung wegen unterschiedlicher Qualifizierung des Umsatzes in zwei EU-Mitgliedstaaten – EuGH vom 22.12.201024 Der EuGH hatte darüber zu entscheiden, ob die gezielte Ausnutzung von Qualifikationskonflikten bei der Beurteilung von Umsätzen – es ging um Leasing von Gegenständen – einen Missbrauch darstellt. Eine Bank mit Sitz in Großbritannien wusste, dass in Deutschland das Verleasen von Gegenständen als Lieferung gilt, wenn mit dem Leasingunternehmen eine Rückkaufsoption vereinbart wird. Die Bank wusste offensichtlich aber auch, dass in Großbritannien das Leasing ausnahmslos als Dienstleistung angesehen wird und dann liegt der Ort bei einem von einem in England ansässigen Unternehmer angebotenen Leasingvertrag, wenn der Leasingnehmer in Deutschland ansässig ist, in Deutschland. Also veranlasste die Bank eine ihrer in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften, die Leasinggegenstände in Großbritannien zu kau22 S. dazu Wäger, Brennpunkte der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung, in Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongressbericht 2010, 189; Buttgereit/Schulte, Umsatzsteuerrechtliche Organschaft und wirtschaftliche Eingliederung – „Nichts genaues weiß man nicht“ – eine Rechtsprechungsanalyse, UR 2011, 605. 23 So zutreffend BFH, Urt. v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373. A. A. Stadie, UStG, § 2 Rz. 194 ff. 24 Rs. C- 277/09, RBS Deutschland Holding GmbH, DStR 2011, 66; UR 2011, 222 mit Anm. Öertel; S. dazu Wäger, Rechtsmissbrauch und Qualifikationskonflikt im Umsatzsteuerrecht.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer fen aus der Hand eines weiteren Tochterunternehmens in Großbritannien und an ein anderes ihrer Tochterunternehmen in Deutschland zu verleasen. Die deutsche Tochtergesellschaft wollte aus dem Erwerb der Fahrzeuge den Vorsteuerabzug in Großbritannien geltend machen. Der Ort des Leasinggeschäfts lag aus britischer Sicht, wie schon erwähnt, in Deutschland. Dort wurde dieser Umsatz aber als territorial nicht steuerbar angesehen, weil man von einer in Großbritannien erfolgten Lieferung ausging. Das Ergebnis ist verblüffend einfach: Es kommt so zu keiner Belastung des Umsatzes, was bei einem nicht vorsteuerabzugberechtigten Unternehmen das mehrwertsteuerliche Paradies bedeutet. Für die beteiligten Fisci ist dies in einem Binnenmarkt hingegen unerträglich. Was also liegt näher als der Versuch, diese gezielte Ausnutzung eines Harmonisierungsdefizits als missbräuchliche Praxis zu betrachten, die nicht anzuerkennen sei. Dann wäre der Vorsteuerabzug in Großbritannien nicht zulässig. So kam es zu dem Verfahren vor dem EuGH, denn die britische Steuerverwaltung versagte der deutschen Tochtergesellschaft den Vorsteuerabzug. Die Antwort des EuGH auf die ihm gestellten Fragen ist eindeutig und klar: Derartige Lücken in der Harmonisierung sind zwar nicht wünschenswert, aber mitunter nicht zu vermeiden. Das rechtfertigt nicht den Vorwurf der missbräuchlichen Praxis, die der EuGH sonst durchaus beim Namen nennt.25 Es bleibt beim Vorsteuerabzug für die Anschaffung der Leasinggegenstände in Großbritannien. An dem Urteil des EuGH irritiert, dass er nicht den naheliegenden Ansatz gesucht hat, die ihm nach den Richtlinienvorgaben zutreffende Qualifikation des Umsatzes als Lieferung oder sonstige Leistung vorzunehmen, die den Qualifikationskonflikt zwischen Deutschland und Großbritannien verbindlich aus der Welt geräumt hätte. Dann hätte er die Fragen des Missbrauchs überhaupt nicht aufgreifen müssen, die ihm in dem Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt wurden. Auch sonst sortiert der EuGH die Fragen doch so, dass er oft nicht alle entscheiden muss. Auch nach der Novellierung der Vorschriften zum Ort der sonstigen Leistung ab dem 1.1.2010 auf der Grundlage der EU-Richtlinie vom 12.2.200826 kann sich ein Gestaltungserfolg wie im Ausgangsfall des EuGH-Urteils vom 22.12.2010 weiterhin ereignen: Auch wenn nun der B2B-Grundsatz einheitlich innerhalb der EU gilt, d. h. der Dienstleistungsort bei zwischenunternehmerischen Dienstleistungen immer beim Leistungsempfänger liegt, ist es nicht ausgeschlossen, dass Umsätze hin-

25 S. z. B. EuGH, Urt. v. 21.1.2006 – Rs. C- 223/03, University of Huddersfield Higher Education Corporation, UR 2006, 217. 26 ABl. EU Nr. L 44, 11 v. 20.2.2008.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer sichtlich der Differenzierung zwischen Lieferungen und Dienstleistungen in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt werden. Zur Vermeidung derartiger Qualifikationskonflikte soll übrigens auch die ab dem 1.7.2011 geltende Durchführungsverordnung zur MwStSystRL vom 23.3.201127 beitragen. Wie ihre Vorgänger-Verordnung zur 6. EGUSt-Richtlinie gilt diese Verordnung in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar und direkt. Anders als bei Richtlinien haben die nationalen Parlamente in keiner Weise an dem Geltungsanspruch mitgewirkt. Das ist insofern bemerkenswert, als hier mit einer unmittelbar geltenden Verordnung Begriffsbestimmungen zu Normen vorgenommen werden, die als Richtlinienbestimmungen nicht unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten gelten. Sie sind nur hinsichtlich ihrer Ziele verbindlich und lassen oftmals nach Art. 288 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union den nationalen Gesetzgebern einen gewissen Spielraum. Wir kennen aber die vom BVerfG28 sanktionierte Rechtsprechung des EuGH, dass bei klaren und keinen Spielraum belassenden Richtlinienvorgaben den Steuerpflichtigen ein Berufungsrecht auf die ihnen gegenüber dem nationalen Recht günstigeren Richtliniennormen zusteht. Der EuGH hat damit letztlich eine Art unmittelbare Wirkung von Richtlinien ermöglicht, die der BFH immer wieder reklamiert, wenn er Umsetzungsdefizite im deutschen Recht gegenüber den Richtlinienvorgaben feststellt.29

8. Exkurs: Anwendungsvorrang des EU-Richtlinienrechts – BFH zu unionsrechtlichen Defiziten der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 18 UStG Beispielhaft aus jüngster Zeit ist hier auf das Urteil des XI. Senats vom 1.12.201030 hinzuweisen, wonach ein Rettungsdienst, der nicht zu einem anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege gehört, gleichwohl sich für seine Umsätze mit einem Haus-Notruf-Dienst auf die gegenüber § 4 Nr. 18 UStG günstigere Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie (jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) berufen kann. 27 ABl. EU Nr. L 77, 1 v. 23.3.2011. 28 S. BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, UR 1987, 355. 29 Im Urteil v. 4.5.2011 – XI R 44/08, ZSteu – R 2011, 636 hat der BFH allerdings einem selbständigen Opernregisseur die Befreiung gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG versagt, weil Deutschland EU-rechtlich erlaubt nur bestimmte Umsätze aus künstlerischer Tätigkeit befreit, zu denen Regieleistungen eben nicht gehören. Der deutsche Gesetzgeber könnte dies aber ändern im Rahmen der Bandbreite, die ihm Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL gibt. 30 XI R 46/08, DStR 2011, 362.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer Schon in den Urteilen vom 17.2.200931 und vom 11.3.200932 hatte der BFH bei § 4 Nr. 18 UStG unionsrechtliche Defizite gesehen insofern, als in dessen Buchst. c ein sog. Abstandgebot bei den Preisen der gemeinnützigen Körperschaften gegenüber nichtgemeinnützigen Anbietern verlangt wird, um die Steuerfreiheit zu erlangen. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL kennt ein derartiges Abstandgebot aber nicht.33 Daher sprach der BFH einem gemeinnützigen Verein, der Betreuungsleistungen an junge Menschen erbringt, die sich in „geistiger, sittlicher oder wirtschaftlicher Not“ befinden, für seine Betreuungsumsätze die Berufungsmöglichkeit auf die gegenüber § 4 Nr. 18 UStG weiterreichene Steuerbefreiung gem. Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL zu. Und mit dem Urteil vom 8.6.201134 hat der BFH erneut eine von § 4 Nr. 18 UStG nicht eindeutig gegebene Steuerfreiheit postuliert für die Leistungen eines gemeinnützigen Vereins im Rahmen der Altenhilfe durch das sog. betreute Wohnen nach § 75 BSHG. Auch diese Befreiung gewährt der BFH unmittelbar nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL; er lässt sogar offen, ob sie vielleicht doch direkt aus § 4 Nr. 18 UStG herausgelesen werden könnte. Mit dieser Rechtsprechung verdrängt der BFH den Wortlaut des deutschen UStG und überlagert ihn mit dem Inhalt von EU-Richtlinienrecht. Dazu befragt er weder den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens gem. Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, noch legt er die Sache dem BVerfG vor, das ja das Kassationsmonopol für deutsche Gesetze hat.35 Wenn wir gerade von Umsetzungsdefiziten und Auslegungszweifeln bei Steuerbefreiungen sprechen: Zu der Frage, ob die Regelung in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG, wonach die Steuerbefreiung der ambulanten Pflege davon abhängt, dass im Vorjahr in mindestens zwei Drittel der Fälle die Kosten der Pflege von den Sozialversicherungsträgern getragen wurde,

31 XI R 67/06, UR 2009, 352. 32 XI R 68/06, BFH/NV 2009, 1484. 33 Siehe dazu bereits Hüttemann, Anwendung des Abstandgebots nach § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG bei staatlich regulierten Entgelten, UR 2006, 441; Dickopp/von der Boeken, Umsatzsteuerbefreiung von Betreuungsleistungen durch einen Betreuungsverein; Anm. zum Urteil des BFH v. 17.2.2009 und Grundsätzliches zur Gemeinschaftrechtstauglichkeit von § 4 Nr. 18 UStG, UR 2009, 335; Widmann, Umsatzsteuerprivilegien und Europarecht (§ 4 Nr. 18 Buchst. c UStG – Vereinbarkeit der nationalen Regelungen mit der Richtlinie), npor 2010, 106. 34 XI R 22/09. 35 Kritisch dazu Stadie, Befreiungen und Ermäßigungen – Chaos, System oder Konglomerat, in Seer (Hrsg.) Umsatzsteuer im Europäischen Kontext, DStjG, Bd. 32, 143.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer hat der BFH am 2.3.201136 den EuGH angerufen, um die unionsrechtlichen Grundlagen zu klären.

9. Keine Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei Mitwirkung des Lieferers an der Hinterziehung der Erwerbssteuer im Bestimmungsland – EuGH vom 7.12.201037 Der BGH hat in einem Strafverfahren dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Lieferung in Deutschland steuerfrei sein kann, auch wenn der in Deutschland ansässige Lieferer erwiesenermaßen an einer Hinterziehung der von dieser Lieferung ausgehenden Erwerbssteuer in Portugal mitgewirkt hat.38 Der BGH wollte dies entsprechend seiner bisherigen Auffassung verneinen, sah aber die Unsicherheiten, die von den Urteilen ausgeht, wonach es für die Steuerfreiheit entscheidend ist, ob der gelieferte Gegenstand tatsächlich und nachweislich ins Ausland gelangt ist.39 Für viele Fachleute überraschend kam der EuGH zum Ergebnis, dass in derartigen Fällen der dolosen Beteiligung an einer Erwerbsteuerhinterziehung im Bestimmungsland das Ursprungsland die Steuerbefreiung versagen darf. Dieses Ergebnis sei geboten auch aus generalpräventiven Erwägungen zum Schutz des Mehrwertsteueraufkommens, d. h. im Interesse der Betrugsverhinderung. Der materielle Vorrang des Bestimmungslandprinzips tritt insofern für den EuGH zurück; er gilt nur bei undolosem Verhalten der Beteiligten. Für Herrn R., den Angeklagten im Fall des BGH, bedeutet dies, dass er die Steuer für die Lieferung in Deutschland hinterzogen hat, denn diese Lieferung war eben nicht steuerfrei. Da die Beteiligung an der Erwerbsteuerhinterziehung in Portugal vor dem 1.1.2011, seit dem § 370 AO durch einen neuen Abs. 6 entsprechend geändert wurde, nicht betraft werden 36 XI R 47/07. 37 Rs. C- 285/09 – R, UR 2011, 15; s. dazu Anm. Küffner/von Streit, DStR 2010, 2575; Bülte, USt-Hinterziehung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, DB 2011, 442; Bürger/Paul, Steine statt Brot: Die Entscheidung des EuGH v. 7.12.2010 zur Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen, BB 2011, 540; Hölzle, „Collee rückwärts“ – Umsatzsteuerliche Beurteilung innergemeinschaftlicher Lieferungen in der Rs. „R“, DStR 2011, 602; Wulf/Alvermann, USt für innergemeinschaftliche Lieferungen als Sanktion für missbräuchliches Verhalten?, DB 2011, 731; Widmann, Mehrwertsteuer-Umgehungsbetrug, DB – Standpunkte 2011, 15. 38 BGH, Urt. v. 7.7.2009 – 1 StR 41/09, DStR 2009, 1689. 39 S. z. B. EuGH, Urt. v. 27.9.2007 – Rs. C – 409/04, Teleos plc. U.a., BStBl. II 2009, 70 ; s. dazu Küffner/Zugmaier, DStR 2007, 1807.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer konnte, ist nur die Nichtbesteuerung der Lieferung strafbar. Das Problem der doppelten Hinterziehung – in Deutschland hinsichtlich der Lieferung, in Portugal bezüglich der Erwerbsteuer – stellte sich im Fall R. noch nicht. Ob hier angesichts der so eher nicht zu erwartenden EuGH-Entscheidung ein subjektives Strafhemmnis bei Herrn R. vorliegt, muss der BGH sicher auch bedenken, wenn er das Verfahren im Lichte der EuGHEntscheidung zu Ende bringt. Immerhin hat das BVerfG in einem ähnlichen Fall die Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe ausgesetzt, da die Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG – nullum crimen, nulla poena sine lege – durch den BGH angesichts der Zweifel zur unionsrechtlich richtigen Auslegung des § 6a UStG nicht von vornherein ausgeschlossen schien.40 Im Urteil vom 17.2.201141 hat der BFH sich die Auffassung des EuGH zu eigen gemacht und entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen „entgegen § 6a UStG“ umsatzsteuerpflichtig sind, wenn der Unternehmer die Identität seines Abnehmers verschleiert, um diesem die Hinterziehung der geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen. Allerdings hatte dazu das Saarländische Finanzgereicht als Vorinstanz42 noch nicht ausreichende Sachverhaltsfeststellungen getroffen; seine Auffassung, die Beteiligung an einem Umsatzsteuer-Karussell genüge bereits für die Versagung der Steuerbefreiung gem. § 6a UStG, weist der BFH von sich. Im Urteil vom 11.8.201143 hat der BFH erneut unter Berufung auf das R-Urteil des EuGH einem Unternehmer, der sich vorsätzlich durch Täuschung über die Identität des Abnehmers an einer Umsatzsteuerhinterziehung im Bestimmungsland beteiligte, die Steuerfreiheit für seine innergemeinschaftliche Lieferung versagt. Das BMF-Schreiben vom 26.9.201144 bringt nun die Aussagen von EuGH und BFH als Ergänzung in den Abschn. 6a Abs. 2 Abs. 3 UStAE mit der Anweisung, diese Grundsätze in allen offenen Fällen anzuwenden. In diesem Zusammenhang bietet sich noch ein auf Blick auf das BFH-Urteil vom 12.5.201145 an zu den formalen Rechnungsanforderungen bei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen. Der BFH verlangt, dass die Rechnungen den in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG verlangten Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung tatsächlich enthalten. Fehlt dieser Hinweis, sieht er den Belegnachweis gem. § 17a UStDV als nicht 40 BVerfG, Urt. v. 23.7.2009 – 2 BvR 542/09, UR 2009, 898. 41 V R 30/10, DStR 2011, 1310 mit Anm. Alvermann/Beckschäfer, DStR 2011, 1313. 42 Urt. v. 30.6.2010 – 1 K 1319/07, EFG 2010, 1740. 43 V R 50/09, DStR 2011, 1901. 44 IV D 3 – S 7141/08/1000, BStBl. I 2011, â â â. 45 V R 46/10, DB 2011, 2016.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer erbracht an und der Umsatz ist steuerpflichtig. Die Anforderungen des BFH werden übrigens auch für elektronische Rechnungen gelten, die nach der durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 angeordneten Neufassung des § 14 UStG ab dem 1.7.2011 deutlich einfacher als bisher zulässig sind.46

10. Keine Steuerbefreiung für psychologische Gutachten, kein Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtslage – BFH vom 30.3.2011 Das Urteil des BFH vom 30.3.201147 verneint unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH48 die Steuerfreiheit gem. § 4 Nr. 14 UStG für die Gutachtertätigkeit einer Diplompsychologin, denn die heilberufliche Tätigkeit verlangt eine Heilbehandlung am Menschen. Gutachten dienen aber nicht der Heilung. Bekanntlich hatte die deutsche Verwaltung vor dem EuGH-Urteil vom 14.9.2000 auch für Gutachten die Befreiung gem. § 4 Nr. 14 UStG gewährt. Der BFH verneint in seinem Urteil – anders als das FG RheinlandPfalz49 in der ersten Instanz das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz, weil es das Finanzamt unterlassen hatte, die Klägerin auf die Änderung der Rechtslage hinzuweisen, zu der es früher zur alten Rechtslage eine unverbindliche Auskunft gegeben hatte. Hier stellt der BFH auch das Abschnittsprinzip in den Vordergrund seiner Argumentation.

11. Trennung von Vermietungsleistungen und Pflegeleistungen bei Umsätzen von Seniorenwohnheimen – BFH vom 4.5.2011 Das Urteil des BFH vom 4.5.201150 betrifft zwar noch die alte Rechtslage gem. § 4 Nr. 16 UStG zur Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen eines Pflegeheims. Es ist aber weiterhin bedeutsam mit seinen Ausführungen zur Selbständigkeit von Umsätzen innerhalb eines Leistungs46 S. dazu Brandt, Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung – geplante Änderung des § 14 UStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011, UVR 2011, 109. 47 XI R 30/09, UR 2011, 665. 48 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.9.2000 – Rs. C- 348/98, D., BFH/NV Beilage 2001, 31. 49 V. 29.1.2009 – 6 K 2756, EFG 2009, 630. 50 XI R 35/10, UR 2011, 659.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer bündels. Konkret war hier zu entscheiden, ob die Vermietungsleistung und die Pflegeleistung, die von einem Heimbetreiber erbracht wird, zwei selbständige Leistungen sind. Das hat der BFH zu Recht bejaht, zumal sogar zwei getrennte Verträge geschlossen worden waren. Man kann das Urteil aber auch so verstehen, dass es darauf nicht entscheidend ankommt. Inzwischen ordnet Abschn. 4.16.4. Abs. 5 UStAE zu dem seit dem 1.1.2010 geltenden § 4 Nr. 16 UStG die Trennung der Umsätze so an, wie es der BFH sieht. Damit ist die Vermietung – Stichwort: „Trocken und warm“ immer gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei, während es bei der Pflegeleistung – Stichwort: „Sauber und satt“ darauf ankommt, ob der Unternehmer die Bedingungen des § 4 Nr. 16 UStG erfüllt.

12. Grundsatzurteile zum Vorsteuerabzug – BFH vom 9.12.2010, 13.1. und 27.1.201151 Am 9.3.2011 hat der BFH in drei Pressemitteilungen auf die gleichzeitig veröffentlichten Urteile vom 9.12.201052, 13.1.201153 und 27.1.201154 aufmerksam gemacht55 und sie als Grundsatzurteile bezeichnet. Das erste Urteil vom 9.12.2010 hatte sich mit dem Vorsteuerabzug zu befassen, den ein Unternehmer im Zusammenhang mit einem Betriebsausflug geltend gemacht hatte. Dabei überstieg der lohnsteuerliche Vorteil für die Arbeitnehmer jeweils die Freigrenze von 110 Euro. Das indiziert nach Meinung des BFH eine so erhebliche private Mitveranlassung seitens der Arbeitnehmer, dass er den Bezug der Aufwendungen für das Unternehmen des Arbeitgebers verneint. Ist die Zuordnung der Vorleistung zum Unternehmen nicht zulässig, geht die Besteuerung der Zuwendung des Betriebsaufluges als unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a UStG ins Leere, denn es kommt bei den Arbeitnehmern nichts aus dem Unternehmen an. Die Besteuerung als Sachzuwendung war die bisherige Lösung derartiger Fälle nach vorherigem Vorsteuerabzug. Der BFH spart sich nun diese zweiaktige Besteuerung und kommt über die Versagung der Vorsteuerabzugsmöglichkeit zur gleichen Belastung wie bisher. Insofern mag man das Urteil als im Ergebnis akzeptabel halten. Aber die dogmatische Aus51 52 53 54 55

Siehe dazu auch Reiß, in diesem Band, S. 449. V R 17/10, UR 2011, 313. V R 12/08, UR 2011, 295 mit Anm. Filtzinger. V R 12/08, UR 2011, 307. S. dazu Wäger, Umfang und Grenzen des Vorsteuerabzugs, DStR 2011, 434; Heinrichshofen, UStB 2011, 101.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer blendung der Aufwendungen für einen Betriebsausflug aus dem Unternehmen des Arbeitgebers ist nicht überzeugend. Es erscheint nicht sehr realitätsnah, die Förderung des Betriebsklimas, die doch ein wesentlicher Grund für die Organisation und Bezahlung von Personalausflügen sind, als maßgeblich von Freizeitgestaltungsinteressen der Arbeitnehmer ausgehend anzusehen. Immerhin hatte im Ausgangsfall der Arbeitgeber schon so gehandelt, wie es der BFH nun für richtig ansieht: Er hatte keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht und nichts versteuert. Erst als das Finanzamt die Sachzuwendung versteuern wollte, kämpfte er um den Vorsteuerabzug. Der jetzt pointierte Ansatz des V. Senates des BFH, den Vorsteuerabzug über eine Verfeinerung der Zuordnungslehre restriktiver als bisher zu versagen, ist so neu nicht. Schon im Urteil vom 23.9.200956 hatte der XI. Senat einem Unternehmer den Vorsteuerabzug für einen Anbau an den Unternehmensteil eines Gebäudes versagt, weil dieser Anbau ausschließlich für private Zwecke des Unternehmers genutzt wurde. Aber gerade das lässt sich bei Betriebsausflügen von Unternehmen nicht überzeugend begründen. Das zweite Urteil – vom 13.1.2011 – nahm seinen Ausgang beim Bau von Erschließungsanlagen durch einen Unternehmer. Dabei stand von Anfang an fest, dass diese Anlagen der Gemeinde später unentgeltlich zu liefern waren. Wie im Urteil vom 9.12.2010 kommt der BFH auch hier nicht zu einer Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe – in Betracht kommt hier § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG. So hatte es der XI. Senat im Urteil vom 14.5.200857 gemacht bei einem Kreisverkehr, den ein AutobahnRaststättenbetreiber gebaut hatte und an die Bundesstraßenverwaltung unentgeltlich übertragen musste. Nun dekretiert der V. Senat Folgendes: Wenn von vorneherein feststeht, dass ein Gegenstand nur dafür angeschafft wird, um später unentgeltlich ein Unternehmen gem. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG, also aus unternehmerischen Gründen, wieder zu verlassen, dann gibt es den Vorsteuerabzug erst gar nicht. Das scheint mir ein Zirkelschluss zu sein – die Formulierung „argumentativer Kreisverkehr“ liegt freilich näher: § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG macht die Steuerbarkeit der unentgeltlichen Wertabgabe davon abhängig, dass der Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde. Der BFH sagt nun, wenn beim Bezug der Vorleistung schon feststeht, dass es zu § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG kommt, dann darf der Vorsteuerabzug nicht in Anspruch genommen werden. Das Kreisverkehr-Urteil hätte der V. Senat heute 56 XI R 18/08, BStBl. II 2010, 313. 57 XI R 60/07, BStBl. II 2008, 721.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer wohl so nicht gefällt wie der XI. Senat im Jahr 2008. Er lässt das aber offen, weil er einen Unterschied im Sachverhalt darin zu erkennen glaubt, dass der Kreisverkehr für wirtschaftliche und für Entnahmezwecke beschafft worden sei. Das kann nicht recht überzeugen. Es sollte damit wohl eher eine Abweichungsanfrage an den XI. Senat vermieden werden, bei deren Ablehnung durch den XI. Senat der Große Senat des BFH anzurufen gewesen wäre. Das dritte Urteil vom 27.1.201158 betrifft den Vorsteuerabzug aus eingekauften Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Beteiligung. Nach Auffassung des BFH war dieser im Streitfall gem. § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen, weil dieser Verkauf gem. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerfrei war. Da möchte man fragen: Was ist daran denn grundsätzlich, das steht doch so in den erwähnten Vorschriften? Die Antwort dazu ist in der Auffassung des FG Düsseldorf zu finden, das als Vorinstanz wie folgt geurteilt hatte59: Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG gelte nur für Beteiligungsverkäufe im Rahmen eines gewerblichen Beteiligungshandels. Daran fehlte es aber im Ausgangsfall. Also sei dieser Verkauf nicht steuerfrei gewesen, so dass es sich um einen Geschäftsvorgang allgemeiner Art im Rahmen der unternehmerischen Betätigung der Verkäuferin gehandelt habe, für die der Vorsteuerausschluss gem. § 15 Abs. 2 UStG nicht gelte. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Es lag zwar keine gem. § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor, als die Beteiligung verkauft wurde. Bei dieser Gelegenheit richtet sich der Vorsteuerabzug des Veräußerers nach seinen bisherigen Umsatzverhältnissen und dann hätte es den Vorsteuerabzug wohl geben müssen. Nun fehlte bei den eingekauften Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf aber eine unmittelbare Verbindung zu den übrigen steuerpflichtigen Umsätzen des verkaufenden Unternehmens. Auch wenn diese durch die Erlöse aus dem Verkauf sicher gefördert würden, stehe doch der direkte Zusammenhang mit der steuerfreien Beteiligungsveräußerung bei den Beratungsleistungen im Vordergrund. Damit ist der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. Die drei Urteile des BFH versuchen mit den Abgrenzungen zwischen der nicht unternehmerischen und der unternehmerischen Sphäre sowie der wirtschaftlichen Betätigung, die nicht immer zu Umsätzen führt, die Ableitungen nachzuvollziehen und praktikabel zu machen, die der EuGH

58 S. dazu Marchal, Vorsteuerabzug bei Anteilsveräußerungen – Zum Urteil des BFH v. 27.1.2011, BB 2011, 1815. 59 Urteil v. 10.5.2009 – 5 K 150/06, EFG 2009, 2070.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer insbesondere in seinem Urteil vom 12.2.200960 vorgenommen hat. Es gibt eben neben dem originär wirtschaftlichen Bereich, der den Vorsteuerabzug vermittelt, dort auch gleichsam Nischen, bei denen der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, wenn Bezüge stattfinden. Was der BFH nun als neue Grundsätze präsentiert hat, ist sicher in vielen Facetten der alltäglichen Sachverhalte noch nicht vollständig zu Ende gedacht, aber ein „schwarzer Tag für den Vorsteuerabzug“61 war es bestimmt nicht.

13. Abgrenzung der Restaurantdienstleistungen von den Speisenlieferungen – BFH vom 8.6. und 30.6.2011 Mit zwei Urteilen vom 30.6.201162 hat der V. Senat des BFH die Folgeurteile gefällt, die nach der Antwort des EuGH vom 10.3.201163 auf seine Vorabentscheidungsersuchen vom 27.10.200964 ausstanden. Der XI. Senat hat schon am 8.6.201165 seine ersten „Hausaufgaben“ gemacht, die aus seinen Vorlagebeschlüssen an den EuGH vom 15.10.2009 herrührten66 – freilich mit der eher lakonischen Begründung, der EuGH habe nun so entschieden. Weitere eigene Ausführungen sparte sich der XI Senat. Es ging um das offenbar unendliche Thema Abgrenzung der Speisenlieferung zum ermäßigten Umsatzsteuersatz gegen die Erbringung von Dienstleistungen zum Verzehr an Ort und Stelle zum vollen Steuersatz. Der EuGH hat entschieden hat, dass die Abgabe von standardisiert zubereiteten Speisen – der BFH erwähnt nun dazu ausdrücklich als Beispiel Pommes frites und Bratwürste, man könnte aber sicher auch noch hin60 Rs. C – 515/07, Verenigung Noordelijke Land- en Tuinbow Organisatie, IStR 2009, 207; s. dazu Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten – Zuordnung von Vorleistungen, in Englisch/Nieskens (Hrsg.), Umsatzsteuer-Kongressbericht 2010, 25. 61 So Heinrichshofen, UStB 2011, 101. Die Verwaltung hat mit dem in Fn. 17 erwähnten BMF-Schreiben v. 2.1.2012 umfänglich reagiert. 62 V R 18/10, DB 2011, 1901; V R 35/08, DB 2011, 1904; BB 2011, 2531 mit Kommentar von Gierlich; s. auch noch das am 19.10.2011 veröffentlichte Urteil V R 3/07 v. 30.6.2011, vgl. BFH-Pressemitteilung Nr. 84/11. 63 Rs. C – 497/09, Rs. C- 497/09; Rs. C – 501/09 und Rs. C – 502/09 – Manfred Bog, CinnemaxX Entertainment GmbH & Co KG, Lothar Lohmeyer und Fleischerei Nier GmbH & Co KG, UR 2011, 272 mit Anm. Nieskens. 64 V R 3/07 und V R 35/08, BStBl. II 2010, 372 ff. 65 XI R 37/08, DB 2011, 2129; s. auch das Urteil v. 23.11.2011 – XI R 6/08, DStR 2012, 183. 66 XI R 37/08 und XI R 6/08 v. 15.10.2009, BStBl. II 2010, 364 ff.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer zufügen Pizza und allerhand Speisen mit dem Präfix „Mac“ oder dem Nachwort „Burger“ – mangels eines prägenden Dienstleistungselements zunächst als Lieferung anzusehen ist. Der Dienstleistungscharakter wird erst erreicht, wenn der Verzehr an einem vom Unternehmer gestellten Tisch mit Sitzgelegenheit stattfindet. Deshalb hat der BFH nun den Fall V R 18/10 an das Finanzgericht zurückverwiesen, damit dort festgestellt wird, wie sich die Umsätze auf die Mitnahmefälle und den Verzehr an Tischen im Sitzen verteilen. Die gängige Frage in den Restaurants „zum Hieressen?“ oder „zum Mitnehmen?“, die bekanntlich nicht preisbestimmend ist, wird also weiterhin zu hören sein. Der EuGH hat auch entschieden, dass allein die Zubereitung wie z. B. Backen, Kochen, Braten aus der Lieferung von Speisen keine Dienstleistung macht. Das leuchtet ein: Wenn ich Eis kaufe, darf ich erwarten, dass dieses gekühlt ist. Ich fühle mich dann nicht in dem Sinne bedient, dass ich kaltes Eis bekomme, denn das ist eben der marktübliche Zustand von Eis. Auch eine Bratwurst muss gebraten sein, sonst bestelle ich nur eine Wurst. Die Gelegenheit zum Sitzen an Tischen und zum Abstellen der Speisen muss über behelfsmäßige Vorrichtungen wie z. B. Ablagebretter hinausgehen, um das Dienstleistungsniveau eines Restaurants zu erreichen. Daher hat der BFH im Fall V 35/08 den ermäßigten Steuersatz für einschlägig gehalten. Auch der XI. Senat hat in seinem Fall67 nur die Abgabe von Nahrungsmitteln angenommen bei der Abgabe von Würsten, Pommes frites und ähnlich standardisiert zubereiteten Speisen an einem mit nur behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissstand. Dem EuGH folgend erblickt er darin eine einheitliche Leistung, die als Lieferung zu behandeln ist. Man wird schon jetzt sagen können, dass die Imbissstände durch das EuGH-Urteil gegenüber der bisherigen Praxis in Deutschland vermehrt den ermäßigten Steuersatz anwenden können. Die Catering- und Partyservice-Umsätze werden aber häufiger als bisher als Dienstleistung dem Regelsteuersatz unterliegen.68 Insofern wird es wohl einige Änderungen an dem BMF-Schreiben vom 16.10.200869 geben müssen. Die Diskussion über diese Steuersatzfragen geht auch in die aktuelle Debatte über die Revision des Anwendungsbereichs des ermäßigten Steuersatzes ein, die nach dem Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundes67 XI R 37/08, DB 2011, 2129. 68 So auch Wüst, Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe verzehrfertiger Speisen – Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil v. 10. März 2011, UR 2011, 445; s. BFH, Urt. v. 23.11.2011 – XI R 6/08, DStR 2012, 183. 69 IV B 8 – S 7100/07/10050, BStBl. I 2008, 949.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer regierung beabsichtigt ist. Bisher gibt es zwar mehrere Anläufe zur Tagung der dazu von der Bundesregierung eingesetzten Kommission. Das Thema scheint aber in Berlin nicht mehr als politisch vordringlich angesehen zu werden.70

14. Steuerschuld gem. § 14c UStG setzt keine Rechnung i. S. v. § 14 UStG voraus – BFH vom 17.2.2011 Das Urteil des BFH vom 17.2.201171 stellt klar, dass die Steuerschuld gem. § 14c Abs. 2 UStG – unerlaubter Ausweis von Umsatzsteuer in einer Rechnung – nicht die Erteilung einer Rechnung voraussetzt, die alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgeführten Merkmale enthält. Damit bestätigt der BFH die Auffassung der Verwaltung in Abschn. 14c.2 UStAE. Zu Recht sagt der BFH, dass § 14 Abs. 4 UStG den Nachweis des Vorsteuerabzuges durch ordnungsgemäße Rechnungen gewährleisten soll. § 14c Abs. 2 UStG dient hingegen der fiskalischen Ausfallprophylaxe. Die Steuerausfälle können sich z. B. aus der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges aus Scheinrechnungen ergeben. Dazu ist es erforderlich, eine Sanktion gegen Aussteller von Scheinrechnungen zu haben.72

15. (Rück-)Wirkung der Rechnungsberichtigung – EuGH vom 15.10.201073 Das Urteil des EuGH vom 15.10.2010 konnte man durchaus so verstehen, dass der EuGH es für zulässig hält, im Falle der Berichtigung einer Rechnung den Vorsteuerabzug zeitlich für den Zeitraum zu gewähren, in dem 70 S. zur Diskussion: Ismer/Kaul/Reiß, Analyse und Bewertung der Strukturen von Regel- und ermäßigten Sätzen bei der Umsatzsteuer unter sozial-, wirtschafts-, steuer- und haushaltspolitischen Gesichtspunkten (Forschungsgutachten im Auftrag des BMF), Saarbrücken 2010; Ismer/Kaul/Reiß, Ermäßigter Umsatzsteuersatz als rechtspolitische Gestaltungsaufgabe – Entwicklung und Anwendung eines interdisziplinären Gestaltungsschemas, UR 2010, 837; Englisch, Ausnahmen und Ermäßigungen bei der Umsatzsteuer – Reformbedarf und Reformvorschläge, UR 2011, 401; Kaul, Neukonzeption des Anwendungsbereichs des ermäßigten Steuersatzes zwischen Steuerlehre und Steuerrecht, UR 2011, 410; Ehrke-Rabel, Ausnahmen und Ermäßigungen bei der Umsatzsteuer – Reformbedarf und Reformvorschläge, UR 2011, 415; Widmann, Ausnahmen und Ermäßigungen bei der Umsatzsteuer – Reformbedarf und Reformvorschläge, UR 2011, 421. 71 V R 39/09, UR 2011, 630 mit Anm. Frye. 72 So auch Widmann in Plückebaum/Widmann, UStG, Rz. 23 zu § 14c UStG. 73 Rs. C- 368/09, Panon Gep Centrum kft., DStR 2010, 1475 mit Anm. Wäger; UR 2010, 700 mit Anm. Sterzinger; s. auch Wagner, EuGH erkennt Rückwirkung

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer die berichtigte Rechnung erteilt wurde. Damit wäre die bisherige Praxis, den Vorsteuerabzug erst in dem Zeitraum zuzulassen, in dem die berichtigte Rechnung in den Besitz des Leistungsempfängers gelangt, nicht beizubehalten. Das würde die leidigen Vollverzinsungsfragen obsolet machen.74 Man kann zwar sagen, der EuGH habe in seinem Urteil vom 15.10.2010 sich nicht mit seinem Urteil vom 29.4.200475 auseinandergesetzt, wonach der Vorsteuerabzug erst in dem Zeitraum zulässig ist, in dem der Leistungsempfänger eine Rechnung vorweisen kann. Im Fall vom 29.4.2004 hatte der Unternehmer aber zunächst überhaupt keine Rechnung. Daher hatte er kein Recht zum Vorsteuerabzug. Wer aber eine Rechnung hat, die nur geringfügig unrichtig oder unvollständig ist, der sollte die Berichtigung oder Vervollständigung durch den Rechnungsaussteller mit Rückwirkung erlaubt bekommen. Nur so hat übrigens § 31 Abs. 5 UStDV einen eigenen Sinn, der die Berichtigung von Rechnungen zulässt. Eine Rechtsordnung muss die Berichtigung falscher Dokumente selbstverständlich möglich sein lassen und nicht erst ausdrücklich erlauben. So verstanden erlaubt § 31 Abs. 5 UStDV schon jetzt die Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung für den Vorsteuerabzug.76 Die Verwaltung sieht dies allerdings noch immer anders und entnimmt dem EuGH-Urteil keinen Zwang zur Änderung ihrer bisherigen Praxis. Im Urteil vom 2.9.201077 hat der BFH die Rückwirkungsfrage ausdrücklich offengelassen. Das FG Rheinland-Pfalz hat sie hingegen im Urteil vom 23.9.201078 verneint – in einem Fall, in dem der richtige Leistungsempfänger noch gar keine Rechnung hatte. Das ist gewiss richtig, trägt aber zur Lösung der vom EuGH angestoßenen Frage nichts bei. Die Rückwirkungsfrage stellt sich übrigens auch im Zusammenhang mit dem schon erwähnten Urteil des BFH vom 12.5.2011,79 bei dem der fehlende Hinweis auf die Steuerfreiheit des Umsatzes den Belegnachweis i. S. v. § 17a UStDV für die innergemeinschaftliche Lieferung verhinderte. Da die Rechnung berichtigungsfähig ist, könnte die Steuerbefreiung noch

74 75 76 77 78 79

unvollständiger oder unrichtiger Rechnungen für den Vorsteuerabzug an, UVR 2010, 311; Huschens, Das Urteil EuGH-Panon Gep und die zeitlichen Wirkungen einer Rechnungsberichtigung – zugleich Replik auf Wäger und Wagner, UVR 2010, 333. So auch Englisch, Rückwirkende Korrektur fehlerhafter Rechnungsangaben, UR 2011, 488. Rs. C- 152/02, Terra Baubedarfs-Handel, BB 2004, 1662 mit Kommentar Lohse. So Widmann, UR 2009, 247 in Anm. zu BFH XI R 62/07. V R 55/09, DB 2010, 2652. 6 K 2089/10, DStR 2010, 2131. V R 46/10, DB 2011, 2016.

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Widmann, Aktuelle Rechtsprechung zur Umsatzsteuer erreicht werden; eine Rückwirkung würde auch hier den ursprünglichen Fehler heilen und die Verzinsungsproblematik, derentwegen viele Prozesse zu diesen materiellen Fragen überhaupt nur geführt werden entfallen lassen.80

80 S. dazu Widmann, UR 2009, 247; Englisch, Rückwirkende Korrektur fehlerhafter Rechnungsangaben, UR 2001, 488.

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Die Geschäftsveräußerung im Ganzen Aktuelle Brennpunkte und Beratungsansätze Professor Dr. Joachim Eggers, Steuerberater, Dortmund1 Inhaltsübersicht

I. 1. 2. 3. II. 1. 2.

3.

III. 1.

Einführung Grundlagen Tatbestandsvoraussetzungen Rechtsfolgen BFH zur Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Beteiligungsveräußerungen Sachverhalt Entscheidung a) Steuerbare und steuerfreie Wertpapiertransaktion b) Anforderungen an einen Share Deal als Geschäftsveräußerung im Ganzen c) Folgen für den Vorsteuerabzug Folgen für die Beratungspraxis a) Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei der Veräußerung von Beteiligungen b) Vorsteuerabzug des Veräußerers BFH zur Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungen Geschäftsveräußerung trotz Vermietung?

2.

3.

IV. 1. 2. 3. 4. V. 1. 2. 3. VI.

a) Sachverhalt b) Vorlagefragen c) Entscheidung des EuGH und die Praxisfolgen Innerorganschaftliche Geschäftsveräußerung im Ganzen a) Sachverhalt b) Entscheidung/Würdigung Geschäftsveräußerung im Ganzen zwischen Eheleuten (Gesamtplan) a) Sachverhalt b) Entscheidung/Würdigung Interessante FG-Entscheidungen Konkurrenzverbot Kundenliste Nachweispflichten Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage Aktuelles zu § 9 UStG vs. Geschäftsveräußerung im Ganzen Ausgangslage Neuregelung Gestaltungsmöglichkeit Fazit/Ausblick

1 Der Verfasser ist Professor für BWL, insb. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Fachhochschule Dortmund. Der Beitrag ist die vollständige, um Nachweise ergänzte Fassung seines Vortrags auf dem Fachkongress am 12.10.2011.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen

I. Einführung 1. Grundlagen Die Geschäftsveräußerung im Ganzen, die teilweise auch einfach als GiG bezeichnet wird, ist eine der wohl bedeutsamsten Rechtsfiguren des Umsatzsteuerrechts. Deshalb wundert es nicht, dass es in diesem Bereich zu einer Vielzahl von BFH- und FG-Entscheidungen kommt. Neuerungen ergeben sich aber nicht nur durch die Rechtsprechung, sondern auch durch BMF-Schreiben, die eine geänderte Verwaltungsauffassung zum Ausdruck bringen. Gegenstand dieses Beitrages ist die Darstellung der aktuellen Entwicklungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der Geschäftsveräußerung im Ganzen und deren Auswirkung auf die Beratungspraxis. Unter bestimmten Voraussetzungen wird die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen aus dem Anwendungsbereich der Umsatzbesteuerung ausgenommen. Grundlage hierfür ist die Regelung des Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL2: „Die Mitgliedstaaten können die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.“

Im nationalen Rahmen wurde diese fakultative Vorschrift. bzw. deren Vorgängerregelung umgesetzt und findet sich in § 1 Abs. 1a UStG: „Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.“

Wesentlicher Zweck der Regelung ist es, die Übertragung von Unternehmen bzw. Teilen davon in der unternehmerischen Praxis zu vereinfachen und zu erleichtern.3 Die Regelung ist dabei an mehrere Voraussetzungen gebunden, welche im Folgenden überblicksartig dargestellt werden sollen. Anschließend sollen die Rechtsfolgen der Regelung aufgezeigt und schließlich eine Auswahl der aus Sicht des Verfassers interessantesten aktuellen Problemfelder in diesem Bereich erläutert werden.

2 Dies gilt nach Art. 29 der MwStSystRL entsprechend für Dienstleistungen. 3 Grundlegend: EuGH, Urt. v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01, Zita Modes, EuGHE 2003 I, 14393 = DStR 2003, 2220.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen 2. Tatbestandsvoraussetzungen Die Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung im Ganzen zur Übertragung von Unternehmen4 ergeben sich nur teilweise unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Im Laufe der Zeit haben sich ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgende Tatbestandsmerkmale der Regelung manifestiert: – Unternehmerstellung des Veräußerers; – Übertragung eines selbständigen Unternehmensteils; – Kein Zurückbehalten wesentlicher Betriebsgrundlagen; – Übertragung kann in mehreren zeitlich zusammenhängenden Akten erfolgen; – Unternehmerstellung des Erwerbers; – Fortführungsabsicht des Erwerbers. Erforderlich ist danach zunächst die Unternehmerstellung des Veräußerers. Diese muss im Zeitpunkt der Veräußerung vorliegen und kann sich nicht aus dem Veräußerungsakt selbst ergeben.5 Des Weiteren kann nur die Übertragung eines ganzen Unternehmens oder eines Unternehmensteils der Regelung über die Geschäftsveräußerung im Ganzen unterfallen. Der Unternehmensbegriff in § 1 Abs. 1a UStG ist dabei objektbezogen zu verstehen und meint, dass alle wesentlichen Vermögensgegenstände eines Unternehmens übergehen müssen. Ebenso kann auch lediglich die Veräußerung eines Unternehmensteils erfolgen. Hierbei muss es sich um einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb handeln. Darunter ist ein selbständiger Unternehmensteil zu verstehen, der dem Erwerber die Fortführung der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht.6 Als Beispiel kann hierfür die Veräußerung einer vermieteten Immobilie herangezogen werden. Vermietet der Veräußerer mehrere Immobilien, so ist in der Veräußerung eines Objekts regelmäßig eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu sehen. Nach Verwaltungsauffassung kann zudem auf die ertragsteuerlichen Verhältnisse zum Teilbetrieb i. S. d. § 16 EStG abgestellt werden.7

4 Aus Gründen der Lesbarkeit soll im Folgenden – soweit nicht anders erforderlich – nur vom Übergang ganzer Unternehmen gesprochen werden. Die Ausführungen gelten dann in gleichem Maße auch für den Übergang von Unternehmensteilen in Form von gesondert geführten Betrieben. 5 So bereits BFH, Urt. v. 15.1.1987 – V R 3/77, BStBl. II 1987, 512. 6 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01, Zita Modes, EuGHE 2003 I, 14393 = DStR 2003, 2220. 7 Vgl. Abschn. 1.5. Abs. 6 Satz 4 UStAE.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen Voraussetzung beim Übergang des Unternehmens ist, dass keine wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten werden und dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens ohne großen finanziellen Aufwand möglich ist. Was zu den wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens gehört, hängt von der Art des Unternehmens ab und ist jeweils nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu bestimmen. Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zählen beispielsweise regelmäßig Produktfertigungsanlagen und das Betriebsgrundstück.8 Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der BFH die Wesentlichkeit der Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand in seiner neueren Rechtsprechung nicht mehr als eigenständige Voraussetzungen für die Nichtsteuerbarkeit ansieht. Vielmehr werden diese Umstände bei der Gesamtwürdigung berücksichtigt, aus der sich ergibt, ob das übertragende Unternehmervermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht.9 Daneben ist hinsichtlich des Unternehmens auch ein Übertragungsakt erforderlich. Hierfür kommt zunächst eine Übereignung in Betracht. Dabei ist nicht auf die zivilrechtliche Übereignung abzustellen, sondern auf einen insoweit unabhängigen umsatzsteuerlichen Übereignungsbegriff. Soweit sich die Übertragung auf materielle Vermögensgegenstände bezieht, hat eine Verschaffung der Verfügungsmacht zu erfolgen. Soweit sich die Übertragung auf immaterielle Vermögensgegenstände bezieht, so ist die Rechtsstellung des Veräußerers, beispielsweise also die Inhaberschaft eines Rechts, zu übertragen. Die Übertragung kann auch in mehreren Akten erfolgen, soweit die einzelnen Übertragungsakte in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.10 Eine besondere Form der Übertragung stellt die Einbringung dar, die ebenfalls dem § 1 Abs. 1a UStG unterfällt. Dies gilt regelmäßig auch für andere Vermögensübertragungen im Sinne des Umwandlungsgesetzes.11 Im Wege ständiger Rechtsprechung schien zudem klargestellt, dass auch eine langfristige Nutzungsüberlassung einzelner Betriebsgrundlagen im Wege einer Vermietung oder Verpachtung für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen unschädlich sein kann. Die Frage, inwieweit hieran unter unionsrechtlichen Aspekten festgehalten werden kann, formulierte jüngst der BFH in einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Hierzu, ebenso wie zu dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Sache, nimmt der Verfasser in Abschnitt III.1. Stellung. 8 9 10 11

Vgl. Abschn. 1.5. Abs. 4 UStAE. Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 23.8.2007 – V R 14/05, BStBl. II 2008, 165. Vgl. Abschn. 1.5. Abs. 5 UStAE. Vertiefend Pyszka, DStR 2011, 545.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen Die Anwendbarkeit der Rechtsfigur der Geschäftsveräußerung im Ganzen beschränkt sich zudem auf die Fälle, in denen der Erwerber Unternehmer ist und die übertragenen Werte für sein Unternehmen erwirbt. Dabei ist es ausreichend, wenn die Unternehmereigenschaft des Erwerbers erst mit dem Erwerb des Unternehmens und der damit aufgenommenen unternehmerischen Betätigung begründet wird.12 Ein letztes, gleichwohl zentrales Kriterium für die Annahme eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist die Fortführungsabsicht des Erwerbers hinsichtlich des übertragenen Unternehmens. Zulässig sind lediglich geringfügige Anpassungen im Zuschnitt des Unternehmens bzw. Modernisierungen. Dementsprechend ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen beispielsweise schädlich, wenn der Erwerber beabsichtigt, das erworbene Unternehmen umgehend zu liquidieren und so einen Mitwettbewerber vom Markt zu nehmen.13 3. Rechtsfolgen Liegen alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG vor, so ist die betreffende Unternehmensübertragung zwingend vom Anwendungsbereich der Umsatzsteuer ausgenommen. Ein Wahlrecht für den Eintritt der Rechtsfolgen besteht nicht. Wesentliches Merkmal einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ist, dass alle in diesem Zusammenhang bewirkten Umsätze als nicht steuerbar zu behandeln sind. Dies gilt unabhängig davon, ob betroffene Umsätze ohne Anwendung von § 1 Abs. 1a UStG als steuerfrei oder als steuerpflichtig zu qualifizieren wären. Außerdem ergibt sich aus § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG, dass der Erwerber an die Stelle des Veräußerers tritt. Dabei handelt es sich nach herrschender Meinung gleichwohl nicht um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, sondern vielmehr um eine objektbezogene oder auch wirtschaftsgutsbezogene Einzelrechtsnachfolge. Deren Wirkung besteht im Wesentlichen darin, dass der Erwerber hinsichtlich der Voraussetzungen für Vorsteuerkorrektur nach § 15 a UStG in die Rechtsposition des Veräußerers eintritt.14 Somit gehen Umsatzsteuerschulden des Veräußerers regelmäßig nicht auf den Erwerber über. Dem Interesse des Fiskus an einem Zugriff auf die Haftungsmasse des übertragenen Unternehmens wird bereits durch die Regelung des § 75 AO Rechnung getragen. Eine andere Auslegung würde dazu führen dass die durch § 75 AO angeordnete zeit12 Vgl. Abschn. 1.5. Abs. 1 UStAE. 13 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01, Zita Modes, EuGHE 2003 I, 14393 = DStR 2003, 2220. 14 Vgl. Widmann, UR 1995, 325 sowie Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1 Rn. 533 f. m. w. N.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen liche und betragsmäßige Begrenzung der Haftung unterlaufen würde und der Unternehmenserwerb kaum kalkulierbaren Risiken ausgesetzt wäre.15 Von Bedeutung ist ferner regelmäßig die Frage nach dem Vorsteuerabzugsrecht aus Eingangsleistungen, die im Zusammenhang mit der Geschäftsveräußerung angefallen sind. Hierzu können z. B. steuerliche oder rechtliche Beratungsleistungen zählen. Dabei ist zwischen der Person des Veräußerers und der des Erbwerbers zu unterscheiden. Für den Veräußerer ist auf seine bisherige gesamtwirtschaftliche Tätigkeit abzustellen. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH.16 Führte der Veräußerer bislang lediglich vorsteuerschädliche steuerfreie Umsätze aus, so scheidet ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Geschäftsveräußerung folglich aus. Umgekehrt besteht ein vollumfängliches Abzugsrecht, sofern lediglich vorsteuerunschädliche Umsätze ausgeführt wurden. Bei gemischten Umsätzen ist nach deren Maßgabe ein Vorsteuerschlüssel zu bestimmen. Wurde lediglich ein Unternehmensteil übertragen, so ist ausschließlich auf die Umsätze abzustellen, die durch diesen Unternehmensteil erbracht wurden. Auf Seiten des Erwerbers ist für die Frage des Vorsteuerabzugs auf die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezuges abzustellen. Daher kommt ein Vorsteuerabzug auch in den Fällen in Betracht, in denen der Erwerber zunächst eine vorsteuerunschädliche Verwendung beabsichtigt, später jedoch nicht tatsächlich bewirkt. Die ursprüngliche Verwendungsabsicht muss jedoch glaubhaft gemacht werden, beispielsweise durch Vertriebskonzepte oder Kalkulationsunterlagen.17 Schließlich gilt im Zusammenhang mit der Geschäftsveräußerung im Ganzen auch eine Besonderheit im Hinblick auf die Vorsteuerberichtigung. Da der Erwerber nach der gesetzlichen Fiktion hinsichtlich des übernommenen Unternehmens in die Rechtsstellung des Veräußerers tritt, wirkt sich dies auch auf die Korrekturzeiträume nach § 15a UStG aus. Absatz 10 der Vorschrift ordnet an, dass diese Zeiträume für die im Rahmen der Geschäftsveräußerung übergegangenen Vermögensgegenstände nicht unterbrochen werden. Um dem Erwerber spätere Änderungen in den Verwendungsverhältnissen zu ermöglichen, hat der Veräußerer im Zusammenhang mit der Geschäftsveräußerung die entsprechenden Angaben über die Korrekturzeiträume zu übermitteln.

15 Vgl. Wagner/Gallert, DStR 2010, 2017 (2020). 16 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98, Abbey National, EuGHE 2001 I, 1361 = IStR 2001, 180. 17 Vgl. Abschn. 15.12. Abs. 1, 2, 5 UStAE.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen

II. BFH zur Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Beteiligungsveräußerungen Die eingangs erläuterten Rechtsfolgen hinsichtlich des Vorsteuerabzuges treten unabhängig davon ein, ob der Sachverhalt ohne Berücksichtigung der Geschäftsveräußerung in Ganzen steuerpflichtig oder steuerfrei wäre. Deshalb kann die Einordung einer Unternehmensübertragung als Geschäftsveräußerung im Ganzen beim übertragenden Unternehmer nicht nur Einfluss auf dessen Ausgangsumsatzsteuer, sondern auch auf die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuer haben. Wenn der Vorgang ohne Anwendung von § 1 Abs. 1a UStG vorsteuerschädlich steuerfrei wäre, kann durch eine Qualifizierung als Geschäftsveräußerung im Ganzen in bestimmten Konstellationen der Vorsteuerabzug ermöglicht werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die nachfolgend dargestellte BFH-Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Beteiligungsveräußerungen.18 1. Sachverhalt Die Klägerin ist die Muttergesellschaft eines in mehreren Ländern tätigen Industriekonzerns. In Deutschland ist der Konzern als umsatzsteuerliche Organschaft ausgestaltet, wobei die Klägerin als Organträger fungiert. Nach ihrer wirtschaftlichen Gesamttätigkeit ist die Klägerin überwiegend zum Vorsteuerabzug berechtigt. Daneben greift sie aktiv in die Verwaltung der Untergesellschaften ein. In der Folgezeit beabsichtigte die Klägerin den Konzern umzustrukturieren. Ziel der Maßnahme war eine Kapitalsammlung zur Finanzierung der operativen Tätigkeit der Klägerin. Die Umstrukturierung umfasste zwei Komponenten. Zunächst sollte die über eine Tochter-Organgesellschaft mittelbar gehaltene 99 %-ige Beteiligung an einer Enkel-Organgesellschaft veräußert werden. Die verbleibende Beteiligung in Höhe von 1 % wurde von einer konzernfremden Gesellschaft gehalten. Sodann schloss die Klägerin mit einer amerikanischen Gesellschaft einen Anteilskaufvertrag über die zu veräußernde Beteiligung. Die Kaufberechtigung wurde letztlich auf eine deutsche GmbH übertragen, an welche die 99 %-ige Beteiligung auch veräußert wurde. Über die Fortführung des Organschaftsverhältnisses seitens des Beteiligungskäufers wurde kein Nachweis erbracht. In einem zweiten Schritt veräußerte eine US-amerikanische Urenkel-Gesellschaft der Klägerin auf deren Geheiß einen ihrer Geschäftsbereiche an eine andere, konzernfremde US-Gesellschaft. Zum veräußerten Geschäftsbereich gehörten unter anderem die jeweils 100 %-igen Beteiligun18 BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, DStR 2011, 454.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen gen an einer kanadischen und einer mexikanischen Gesellschaft. Dieser zweite Schritt der Umstrukturierung soll mangels unmittelbaren Bezugs zur Geschäftsveräußerung im Ganzen im Folgenden nicht weiter thematisiert werden.19 Die Beteiligungsveräußerungen wurden durch die Klägerin als nicht steuerbar behandelt. Eine Option zur Umsatzsteuer hinsichtlich der Veräußerung nach § 9 UStG wurde daher nicht ausgeübt. Für die Durchführung der Umstrukturierung zog die Tochter-Organgesellschaft umsatzsteuerpflichtige Dienstleistungen Dritter (Investmentbank, Anwaltskanzlei) hinzu. Die auf den entsprechenden Eingangsleistungen lastende Vorsteuer brachte die Klägerin als Organträgerin in ihrer Umsatzsteuererklärung nach Maßgabe ihrer allgemeinen wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zum Abzug. Nach einer Außenprüfung versagte das zuständige Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den bezogenen Beratungsleistungen. Bezugnehmend auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG wurde zur Begründung angeführt, dass die Leistungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit einer steuerfreien Wertpapiertransaktion stünden. Diese Auffassung entspricht der derzeit geltenden Verwaltungsmeinung.20 Nach erfolglosem Einspruch bestritt die Klägerin zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs den Klageweg. Mit Urteil vom 10.6.2009 gab das FG Düsseldorf dem klägerischen Begehren im Ergebnis statt.21 2. Entscheidung Im Anschluss an die Eingabe der Revision durch das beklagte Finanzamt hob der BFH in seiner Entscheidung vom 27. Januar 201122 das Urteil des FG auf und wies die ursprüngliche Klage der Steuerpflichtigen ab.23 Unter Einbeziehung des EuGH-Urteils in der Rs. AB SKF24 entschied der BFH, dass die Veräußerung einer Eingriffsbeteiligung, sofern keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG vorliege, grundsätzlich steuerbar und steuerfrei sei. Werden in diesem Zusammenhang Beratungsleistungen bezogen, so stünden diese stets in direktem 19 Ausführlich Behrens, NWB 2011, 1446. 20 Vgl. BMF, Schr. v. 26.1.2007, BStBl. I 2007, 211 = DB 2007, 315, Rdn. 13. Hierzu Eggers/Korf, DB 2007, 361. 21 FG Düsseldorf, Urt. v. 10.6.2009 – 5 K 150/06 U, EFG 2009, 2070. 22 BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, DStR 2011, 454. 23 Zeitgleich veröffentlichte der BFH zwei weitere Grundsatzurteile, welche die Frage nach der Bedeutung mittelbarer Zwecke des Bezugs von Eingangsleistungen hinsichtlich der Geltendmachung von Vorsteuerabzügen verbindet. Hierzu Wäger, DStR 2011, 433. 24 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08, AB SKF, EuGHE 2009 I, 10413 = DB 2009, 2695. Hierzu Eggers/Korf, DB 2009, 2685.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen und unmittelbarem Zusammenhang mit der steuerfreien Anteilsveräußerung. Auf eine eventuelle mittelbare Zweckrichtung des Leistungsbezugs komme es nicht an. Ein Vorsteuerabzug aus diesen Beratungsleistungen scheide daher aus. a) Steuerbare und steuerfreie Wertpapiertransaktion Im Einklang mit dem EuGH-Urteil in der Rs. AB SKF stellt der BFH in seiner Entscheidung klar, dass die Veräußerung einer Beteiligung, welche mit Eingriffen in die Verwaltung der Untergesellschaft verbunden ist (Eingriffsbeteiligung), in den Anwendungsbereich der MwStSystRL falle. Nach deutscher Diktion ist die Veräußerung damit grundsätzlich steuerbar. Gleichzeitig komme für die Umsätze jedoch die Steuerbefreiung nach Art. 35 Abs. 1 Buchst. f) MwStSystRL, in Deutschland umgesetzt durch § 4 Nr. 8 Buchst. f) UStG, zum Tragen. b) Anforderungen an einen Share Deal als Geschäftsveräußerung im Ganzen Die Veräußerung einer Eingriffsbeteiligung ist nach Auffassung des BFH ausnahmsweise nicht steuerbar, wenn die Veräußerung die Anforderungen an eine Geschäftsveräußerung im Ganzen erfüllt. Eine solche läge vor, wenn ein Unternehmen im Ganzen oder ein gesondert geführter Unternehmensteil übertragen wird. Für eine solche Annahme bliebe vorliegend jedoch kein Raum. Im Rahmen eines Share Deals könne eine Geschäftsveräußerung im Ganzen grundsätzlich überhaupt nur dann angenommen werden, wenn eine 100 %-ige Beteiligung veräußert wird. Die Übertragung einer geringen Beteiligung sei regelmäßig nicht als Geschäftsveräußerung im Ganzen zu werten, auch wenn die gehaltene Beteiligung vollständig übertragen wird. Die Veräußerung der 99 %-Beteiligung im Ausgangsfall sei folglich nicht als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen anzusehen. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass vorliegend eine Organbeteiligung veräußert wurde. Zwar können in diesen Fällen auch bei der vollständigen Veräußerung einer bereits mehr als 50 %-igen Beteiligung eine Geschäftsveräußerung im Ganzen angenommen werden. Dies setze jedoch die Fortführung des Organschaftsverhältnisses durch den Beteiligungserwerber voraus. Eine solche Fortführungsabsicht war im Streitfall nach Auffassung des BFH objektiv nicht erkennbar. Gleichzeitig wurde hierüber auch kein Nachweis geführt. c) Folgen für den Vorsteuerabzug Ein Vorsteuerabzug aus den bezogenen Beratungsleistungen komme nur dann in Betracht, wenn die Leistungen bei der Klägerin Ausgangsumsätzen zugeordnet werden können, welche zum Vorsteuerabzug berechtigen. 431

Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen Können die Eingangsleistungen einzelnen Ausgangsumsätzen zugeordnet werden, so kommt dieser Zuordnung Vorrang vor der Zuordnung zur allgemeinen wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zu. Bei der Frage nach der Zuordnung sei auf die unmittelbare objektive Verwendungsabsicht abzustellen. Nach Auffassung des BFH besteht bei dem Bezug von Beratungsleistungen im Rahmen einer steuerfreien Beteiligungsveräußerung stets ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu den steuerfreien Veräußerungsumsätzen. Auf eine Weiterbelastung der Beratungskosten an den Beteiligungskäufer komme es nicht an. Folglich scheide ein Vorsteuerabzug im Ausgangsfall aus.25 3. Folgen für die Beratungspraxis a) Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei der Veräußerung von Beteiligungen Neben den vielfach beachteten Folgen für das Vorsteuerabzugsrecht26 bringt die Entscheidung auch Neuerungen im Zusammenhang mit der Geschäftsveräußerung im Ganzen. Die Veräußerung einer Beteiligung wurde bisher in Deutschland ganz überwiegend nicht als Geschäftsveräußerung angesehen.27 Nachdem der EuGH in seiner SKF-Entscheidung klargestellt hatte, dass auch Beteiligungsveräußerungen als Geschäftsveräußerung im Ganzen angesehen werden können, hat sich dies geändert. Da der EuGH offengelassen hatte, unter welchen Voraussetzungen die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen in derartigen Fällen möglich sei, hat das EuGH-Urteil in diesem Punkt sowohl in der Praxis als auch im Schrifttum einen erheblichen Klärungsbedarf hervorgerufen.28 Das Urteil des BFH vom 27. Januar 2011 hat hier nun für Klarheit gesorgt. Danach kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen grundsätzlich nur in folgenden zwei Konstellationen vorliegen: – Veräußerung einer 100 %-Beteiligung, – Veräußerung einer Beteiligung von über 50 % und unter 100 % im Organschaftsfall. Bei der Veräußerung einer 100 %-Beteiligung geht der BFH unter Berufung auf die SKF-Entscheidung des EuGH unabhängig vom Vorliegen einer 25 Die Auffassung des BFH in diesem Punkt erscheint zumindest fraglich. Insbesondere wäre aufgrund der uneinheitlichen Rechtspraxis innerhalb der EU eine Vorlage an den EuGH angezeigt gewesen, vgl. Korf, UVR 2010, 74 (81). In diesem Sinne wohl jüngst auch Klenk, IStR 2011, 886. 26 Vgl. Braun/Matheis, UVR 2011, 246. 27 Vgl. Wäger, DStR 2011, 433 (435). 28 Vgl. Eggers/Korf, DB 2009, 2685 (2687 f.) sowie Wäger, DStR 2009, 2292 (2293).

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen umsatzsteuerlichen Organschaft davon aus, dass diese als Veräußerung eines selbständigen Teilvermögens anzusehen ist. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen setzt aber auch in diesen Fällen voraus, dass der Verkäufer die Beteiligung aus seinem Unternehmen veräußert und der Erwerber die Beteiligung für sein Unternehmen erwirbt, dass heißt entweder als sogenannte strategische Beteiligung oder als Eingriffsbeteiligung, an die er entgeltliche Dienstleistungen ausführt.29 Da der BFH in diesem Fall keine weiteren Voraussetzungen aufgestellt hat, dürfte es für die Fortführungsabsicht des Erwerbers ausreichen, wenn er die Beteiligung generell für sein Unternehmen erwirbt. Dies bedeutet, dass Erwerber etwaige Dienstleistungsverträge des Veräußerers mit der entsprechenden Gesellschaft nicht übernehmen muss, wenn er die Gesellschaft als strategische Beteiligung für sein Unternehmen erwirbt.30 Bei der Veräußerung einer Beteiligung von weniger als 100 %, kann nach Auffassung des BFH eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nur vorliegen, wenn zwischen dem Veräußerer und der Gesellschaft, an der die veräußerte Beteiligung bestand, eine umsatzsteuerliche Organschaft vorlag und der verkaufte Gesellschaftsanteil eine finanzielle Eingliederung vermittelt. Für die Fortführungsabsicht des Erwerbers verlangt der BFH ausdrücklich, dass der Erwerber die Organschaft fortsetzen will und dies für den Verkäufer objektiv erkennbar sein muss. Die Frage, ob zwischen dem Erwerber und der Zielgesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft möglich ist, dass heißt ob die Eingliederungsvoraussetzungen erfüllt sind, hängt von den tatsächlichen Umständen im Unternehmen des Erwerbers ab. Diese werden dem Verkäufer in der Regel nicht bekannt sein, so dass sich der entsprechende Nachweis in der Praxis als schwierig erweisen dürfte. Um diesbezügliche Probleme zu vermeiden, sollte der Erwerber im Kaufvertrag erklären, dass er die umsatzsteuerliche Organschaft zur Zielgesellschaft fortführen will. Es ist fraglich, ob die vom BFH verlangte Fortführung der Organschaft auch für ausländische Erwerber gelten kann. Da die Rechtsfolgen der umsatzsteuerlichen Organschaft auf das Inland beschränkt sind, wäre eine Geschäftsveräußerung bei der Veräußerung der Beteiligung an einer Organgesellschaft von unter 100 % an einen ausländischen Erwerber grundsätzlich nicht möglich. Die sich hieraus potentiell ergebende Benachteiligung grenzüberschreitender Beteiligungsveräußerungen – insbesondere an Erwerber aus der übrigen EU – wäre höchst problematisch.31 Ein möglicher Ausweg könnte darin bestehen, bei ausländischen Erwer29 Eine dritte Möglichkeit für die Zuordnung von Beteiligungen zum Unternehmen besteht beim gewerblichen Wertpapierhandel. 30 Vgl. Behrens, NWB 2011, 1446. 31 Vgl. Hahne, BB 2011, 999.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen bern lediglich auf die Erfüllung der Eingliederungsvoraussetzungen abzustellen.32 b) Vorsteuerabzug des Veräußerers Für eine steuerbare und steuerfreie Anteilsveräußerung lehnt der BFH im Einklang mit der Verwaltungsauffassung den Vorsteuerabzug des Veräußerers für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Veräußerung regelmäßig ab. Sofern jedoch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, steht dem Veräußerer nach der Abbey National-Entscheidung des EuGH der Vorsteuerabzug nach Maßgabe der Allgemeinkosten zu. Maßgeblich für den Vorsteuerabzug wäre insoweit grundsätzlich die wirtschaftliche Gesamttätigkeit des Veräußerers. Dabei sollte jedoch auf den Bereich der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit abgestellt werden, den die Gesellschaft ausgeübt hat, an der die veräußerte Beteiligung besteht.33 Sofern zur veräußerten Gesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand ist dies unmittelbar einleuchtend, da die Organgesellschaft einen abgrenzbaren Teil des Unternehmens des Organträgers bildet. Wäger vertritt in seiner Besprechung des BFH-Urteils vom 27. Januar 2011 die Auffassung, dass dies auch bei Veräußerung einer 100 %-Beteiligung außerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft gelte und begründet dies damit, dass der EuGH in seiner SKF-Entscheidung die Übertragung einer derartigen Beteiligung der Übertragung des Vermögens der Gesellschaft gleichgestellt habe.34 Da der erwerbende Unternehmer nach § 1 Abs. 1a UStG an die Stelle des Veräußerers tritt und der maßgebliche Korrekturzeitraum nach § 15a Abs. 10 UStG durch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht unterbrochen wird, besteht für den Erwerber die Gefahr, dass ein vom Veräußerer vorgenommener Vorsteuerabzug über § 15a UStG korrigiert werden muss, wenn er die Beteiligung vor Ablauf des Berichtigungszeitraumes steuerfrei veräußert. Die mögliche Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG ist ein Risiko, auf das die Berater ihre Mandantschaft auf jeden Fall hinweisen sollten.35 Für den Vorsteuerabzug des Erwerbers bringt die vorliegende BFH-Entscheidung nichts Neues. Dieser hängt wie bisher davon ab, ob der Erwerber die Beteiligung als strategische Beteiligung oder als sog. Eingriffsbeteiligung erwirbt.36 32 Vgl. Braun/Matheis, in UVR 2011, 246 (250). 33 Vgl. Wäger, DStR 2011, 433 (435). 34 Vgl. hierzu auch Behrens, NWB 2011, 1446 (1455), der an dieser Stelle eine weitere Differenzierung vornimmt. 35 Vgl. Behrens, NWB 2011, 1446 (1456). 36 Vgl. hierzu bereits grundlegend Eggers/Korf, DB 2002, 1238.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen

III. BFH zur Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungen Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1a UStG setzt die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen voraus, dass das veräußerte Unternehmen im Wege der Übereignung oder Einbringung übergeht. In ständiger Rechtsprechung justizierte der BFH bislang gleichwohl,37 dass auch die langfristige Nutzungsüberlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen unschädlich sei. Insbesondere im Zusammenhang mit der Übereignung von Betrieben bei Vermietung des entsprechenden Betriebsgrundstücks erlangte die Rechtsprechung eine gewisse Bedeutung. Der BFH hat klargestellt, dass auch die langfristige Nutzungsüberlassung des Betriebsgrundstücks regelmäßig einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht entgegensteht. Voraussetzung ist eine unkündbare Nutzungsdauer, welche die Rechtsprechung zuletzt auf zumindest acht Jahre quantifizierte.38 Diese Grundsätze hat die Finanzverwaltung in Abschn. 1.5. Abs. 3 Sätze 2, 3 UStAE übernommen. Eine Nutzungsüberlassung für einen Zeitraum von lediglich fünf Jahren wurde hingegen nicht als hinreichend angesehen.39 Für die etwas andere Konstellation, in der der Veräußerer sein Unternehmen in gemieteten Räumlichkeiten betreibt, ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ausreichend, wenn der Erwerber das Mietverhältnis langfristig fortsetzen kann. Hieran hat der EuGH in seiner Faxworld-Entscheidung keine Zweifel gelassen.40 Wenn man von Nutzungsüberlassungen mit einer Dauer zwischen fünf und acht Jahren absieht, ergab sich daraus für die Steuerpflichtigen bislang eine weitgehend rechtsklare, wenn auch nicht befriedigende Situation. 1. Geschäftsveräußerung trotz Vermietung? Ein aktueller Vorlagebeschluss des BFH vom 14. Juli 2010 und die mittlerweile hierzu ergangene Entscheidung des EuGH dürfte diesbezüglich die Rechtslage nun jedoch in beträchtlichem Umfang ändern. Der XI. Senat des BFH meldete zunächst Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung des

37 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 28.11.2002 – V R 3/01, BStBl. II 2004, 665 sowie BFH, Urt. v. 22.11.2007 – V R 5/06, BStBl. II 2008, 448. 38 BFH, Urt. v. 22.11.2007 – V R 5/06, BStBl. II 2008, 448. 39 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.9.2004 – 10 K 59/02, EFG 2004, 1833. 40 EuGH, Urt. v. 29.4.2004 – Rs. C-137/02, Faxworld, EuGHE 2004 I, 5547 = DStRE 2004, 1383.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen V. Senats an und ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV.41 a) Sachverhalt Die Klägerin betrieb in einem in ihrem Eigentum stehenden Ladenlokal ein Sportgeschäft. Zunächst veräußerte sie die Waren und die Ladeneinrichtung mit Wirkung zum 30. Juni 1996 an eine Erwerberin. Im Anschluss vermietete die Klägerin das Ladenlokal auf unbestimmte Zeit an die Erwerberin. Der Mietvertrag enthielt die gesetzlichen Kündigungsfristen. Die Erwerberin gab das Geschäft zwei Jahre später auf. Die Klägerin ging hinsichtlich des Vorgangs von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus. Das zuständige Finanzamt verneinte die Anwendung der Rechtsfigur der Geschäftsveräußerung im Ganzen und ging von einem steuerpflichtigen Umsatz aus. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.42 Nach Auffassung des Finanzgerichts habe die Vermietung des Ladenlokals eine dauerhaft Unternehmensfortführung ermöglicht, welche die Erwerberin tatsächlich auch durchgeführt habe. Auf die Revision des Finanzamts hin wurde der BFH mit der Problematik befasst. b) Vorlagefragen Der vorlegende Senat des BFH zweifelte daran, ob bei einem unbefristet geschlossenen Mietvertrag, der den gesetzlichen Kündigungsfristen unterliegt, eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens angenommen werden kann. Orientiert man sich bei der Auslegung des Begriffs der „Übertragung“ an dem Begriff der Lieferung, also der Möglichkeit, wie ein Eigentümer über eine Sache zu verfügen, wäre die Vermietung einer wesentlichen Betriebsgrundlage – hier das Ladenlokal – nicht zu berücksichtigen und die Grundsätze der Geschäftsveräußerung im Ganzen daher nicht anwendbar. Da der EuGH im Rahmen der Faxworld-Entscheidung jedoch klarstellte, dass auch der Übergang eines lediglich angemieteten Betriebsgrundstück der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht entgegensteht, erscheint die Rechtslage insoweit nicht abschließend klar. Denn im Unterschied zur Faxworld-Entscheidung war im zu beurteilenden Fall der Veräußerer Eigentümer des Grundstücks und begründete nach der Geschäftsveräußerung unter eigentumsrechtlicher Zurückbehaltung des Grundstücks nun ein neues (Vermietungs-)Unternehmen. Im Rahmen des Vorlagebeschlusses formulierte der BFH daher zunächst:

41 BFH, Beschl. v. 14.7.2010 – XI R 27/08, DStR 2010, 1937. Az. des EuGH: Rs. C-444/10. 42 FG Münster, Urt. v. 30.4.2008 – 5 K 3601/04 U, EFG 2008, 1413.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen „1. Liegt eine „Übertragung“ eines Gesamtvermögens vor, wenn ein Unternehmer Warenbestand und Geschäftsausstattung seines Einzelhandelsgeschäfts an einen Erwerber übereignet und ihm das in seinem Eigentum stehende Ladenlokal lediglich vermietet?“

Sollte diese Frage durch den Gerichtshof bejaht werden, galt es noch zu klären (inwieweit dem Umstand einer fehlenden Mindestüberlassungsdauer eine Bedeutung zukommt. Die Erwerberin konnte den Mietvertrag jederzeit unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen beenden, was sie nach Ablauf von zwei Jahren, und damit deutlich vor der derzeit durch die Rechtsprechung für erforderlich erachteten Mindestnutzungsdauer, auch tat. Sofern die Vermietung des Ladenlokals für Fragen der Geschäftsveräußerung im Ganzen anzuerkennen wäre, zweifelt der BFH an der Rechtmäßigkeit zeitlicher Erfordernisse im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung. Die zweite Vorlagefrage stellt der BFH daher wie folgt: „2. Kommt es dabei darauf an, ob das Ladenlokal durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist?“

c) Entscheidung des EuGH und die Praxisfolgen Wenn man sich vor Augen führt, dass Sinn und Zweck die Vereinfachung der umsatzsteuerlichen Behandlung von (Teil-)Unternehmensveräußerungen und Übertragungen ist, war zu hoffen, dass der EuGH die Vermietung von wesentlichen Betriebsgrundlagen akzeptiert und dabei keine Unterscheidung zwischen unbefristeten und auf lange Dauer geschlossenen Mietverträgen macht. In diesem Sinne entschied schließlich auch der EuGH mit Urteil vom 10. November 2011.43 Darin bestätigte er im Ansatz die bisherige deutsche Rechtspraxis, wonach im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen eine Übereignung des Betriebsgrundstücks nicht zwingend erforderlich ist. Eine Vermietung reiche insoweit zur Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des übertragenen Betriebs aus. Sofern das Grundstück im Einzelfall keine notwendige Betriebsgrundlage darstelle bzw. für die Fortführung des Unternehmens nicht erforderlich ist, z. B. weil der Erwerber selbst bereits über ein geeignetes Grundstück verfügt, ist auch die Übertragung im Wege einer Vermietung entbehrlich.44 In Bezug auf die Dauer der Vermietung bestätigte der EuGH im Grundsatz die Gedanken des BFH im Rahmen der Vorlageformulierung. So sei die Dauer des Mietverhältnisses zunächst grundsätzlich zu berücksichtigen, da bei einer zu kurzen Fassung die Fortführungsabsicht bzw. -möglichkeit 43 EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-444/10, Schriever, DStR 2011, 2196. 44 Vgl. Zugmaier/Salder, DStR 2011, 2199.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen des Erwerbers infrage stehen kann. Allein der Umstand eines jederzeitigen Kündigungsrechts steht der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen allerdings nach der Auffassung des EuGH nicht entgegen. Zusammenfassend bleibt damit zusagen, dass die mit der Vorlage des BFH infrage gestellte Rechtspraxis nach der Entscheidung des EuGH prinzipiell fortgeführt werden kann. Hinzu tritt für die Steuerpflichtigen nun jedoch die Möglichkeit, wesentliche Betriebsgrundlagen im Wege einer zeitlich unbefristeten, jederzeit kündbaren Vermietung zu übertragen. Die bisher vom V. Senat des BFH verlangte Frist von acht Jahren dürfte damit überholt sein. Aus Beratersicht sollte präventiv darauf hingewirkt werden seitens des Erwerbers die Fortführungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs hinreichend zu dokumentieren, um der Finanzverwaltung im Falle einer frühzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses keine Angriffsfläche zu bieten. 2. Innerorganschaftliche Geschäftsveräußerung im Ganzen a) Sachverhalt Die Klägerin war Eigentümerin eines bebauten Grundstücks. Sie beabsichtigte das Grundstück an eine GmbH zu vermieten, deren Alleingesellschafter ihr Ehemann war. Die GmbH wurde übereinstimmend als Organgesellschaft des Ehemanns qualifiziert. Zur beabsichtigten Vermietung durch die Klägerin kam es jedoch nicht mehr. Zuvor hatte sie das Grundstück bereits auf ihren Ehemann übertragen. Dieser verpachtete im Anschluss das Grundstück an seine Organgesellschaft. Im Zusammenhang mit der Übertragung des Grundstücks gingen die Vertragsparteien von einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen aus. Das zuständige Finanzamt qualifizierte die Übertragung hingegen als steuerfreie Veräußerung, was im Ausgangsfall insbesondere zu einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG geführt hätte. Einspruch und Klage vor dem FG hatten keinen Erfolg.45 b) Entscheidung/Würdigung Mit seiner Entscheidung vom 6. Mai 2010 wies der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.46 Ohne auf den Umstand einzugehen, dass das Grundstück im Zeitpunkt der Veräußerung nicht vermietet war, und damit grundsätzlich nicht hinreichend für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ist, verneinte der BFH die Qualifizierung als Geschäftsveräußerung auf Grund der zwischen Erwerber und 45 FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 29.5.2008 – 2 K 300/05, BeckRS 2008, 26028228 (beck-online). 46 BFH, Urt. v. 6.5.2010 – V R 26/09, BStBl. II 2010, 1114.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen künftigem Mieter bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft. Folge der Fiktion des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sei es, dass umsatzsteuerrechtlich die Tätigkeit der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet werde. Bei einer Vermietung an seine Organgesellschaft werde dem Organträger die Nutzung des Grundstücks umsatzsteuerrechtlich unmittelbar zugerechnet. Eine Fortsetzung der beabsichtigten Vermietungstätigkeit wäre für den Organträger daher nicht möglich. Vielmehr nutze der Organträger das Grundstück für eigenunternehmerische Zwecke und nicht zur Vermietung. Mithin fehle es an der wesentlichen Voraussetzung zur Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen. Die Entscheidung ist konsequent und liegt auf einer Linie mit dem BFHUrteil vom 4. September 2009. Dort hatte der BFH eine Geschäftsveräußerung für den Fall abgelehnt, dass eine vermietete Immobilie an die bisherige Mieterin veräußert und von dieser für eigenbetriebliche Zwecke genutzt wird.47 Unter Gestaltungsaspekten lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass der Erwerb eines Unternehmens auch dann als Geschäftsveräußerung im Ganzen zu qualifizieren sein kann, wenn Grundstück und Produktionsbetrieb an verschiedene Personen innerhalb eines Organkreises veräußert werden, sofern das Grundstück langfristig an den Betrieb vermietet bleibt. Sind beide Erwerber organschaftlich verbunden, werden diese umsatzsteuerlich als ein Unternehmer behandelt.48 Vermietet der Organträger im Anschluss das erworbene Grundstück an seine Organgesellschaft, scheidet dies weitgehend aus der Haftungsmasse für den Betrieb der Organgesellschaft aus.49 3. Geschäftsveräußerung im Ganzen zwischen Eheleuten (Gesamtplan) a) Sachverhalt Der Ehemann der Klägerin war Eigentümer eines vermieteten Grundstücks. Das Grundstück vermietete er an die A-GmbH. Einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der A-GmbH war die Klägerin. Augenscheinlich handelte es sich damit zunächst um einen Fall des durch den BFH bestätigten „Wiesbadener Modells“ zur Vermeidung eine Betriebsaufspaltung und den entsprechenden, in der Regel steuerlich nachteiligen Folgen.50 Im Zuge einer Umstrukturierung kündigte der Ehemann der Klägerin den Mietvertrag der A-GmbH und übertrug das Grundstück frei von Miet- und Pachtverhältnissen der Klägerin. Zeitgleich wurde die 47 Vgl. BFH, Urt. v. 4.9.2009 – V R 23/06, BFH/NV 2009, 426 = UR 2009, 528. 48 Siehe hierzu auch Korn, SteuK 2011, 1. 49 Zu beachten wäre lediglich die Haftung des Organträgers nach § 73 AO. Zum Streit über den Umfang siehe Schwarz in Vogel/Schwarz, AO, § 73 Rn. 9. 50 Vgl. Kessler/Teufel, BB 2001, 17.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen A-GmbH liquidiert, wobei der Ehemann den gesamten Geschäftsbetrieb erwarb. Beabsichtigt war, dass der Ehemann das Geschäft der A-GmbH fortsetzt. Im Wege der Grundstücksübereignung wurde daher bereits vereinbart, dass der Ehemann der Klägerin künftig Mieter des Grundstücks wird. Der Mietvertrag wurde in der Folge tatsächlich abgeschlossen, wobei die Vermietung steuerfrei erfolgte. Im Zusammenhang mit der Übertragung des Grundstücks gingen die Vertragsparteien von einem steuerbaren, aber steuerfreien Veräußerungsgeschäft aus. Das zuständige Finanzamt qualifizierte die Übertragung hingegen als Geschäftsveräußerung im Ganzen und berichtigte zu Lasten der Ehefrau einen noch vom Ehemann vorgenommenen Vorsteuerabzug. Einspruch und Klage vor dem FG hatten keinen Erfolg.51 b) Entscheidung/Würdigung Mit seiner Entscheidung vom 6. Mai 2010 wies der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.52Der BFH stellte klar, dass eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen ausnahmsweise auch dann vorliegen kann, wenn ein Grundstück ohne bestehenden Mietvertrag veräußert werde. Dies sei dann der Fall, wenn nach einem Gesamtplan zwischen Vermieter und Verkäufer von vornherein feststehe, dass es zu einer nahtlosen Neuvermietung komme. Das Urteil ist sicher als eine durch die besonderen Umstände des Streifalls hervorgerufene Einzelfallentscheidung zu sehen. Andererseits hat der BFH hier aber seine bisher klar formulierte Linie („keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung eines unvermieteten Grundstücks“) verlassen, so dass hier künftig auch in anderen Fällen eine genauere Einzelfallprüfung vorzunehmen sein wird.53 Ob der BFH seine Beurteilung aus dem „Diskothekenurteil“54 aus dem Jahre 2007 heute noch aufrechterhalten würde, kann aufgrund des vorliegenden Urteils bezweifelt werden. Dort wurde eine Geschäftsveräußerung im Ganzen noch verneint, da zum Übertragungsstichtag der Pachtvertrag mit dem bisherigen Pächter gekündigt war, obwohl der Vertrag mit dem neuen Pächter bereits ab dem Übertragungsstichtag in Kraft trat.

51 52 53 54

FG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.12.2008 – 9 K 412/05, EFG 2009, 1978. BFH, Urt. v. 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873. Vgl. Slotty-Harms/Jansen, UVR 2011, 76 (79). BFH, Urt. v. 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447. Hierzu auch SlottyHarms/Jansen, UVR 2011, 76 (79 ff.).

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen

IV. Interessante FG-Entscheidungen Auch abseits der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Geschäftsveräußerung im Ganzen regelmäßig Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung. Im Folgenden sollen daher einige interessante erstinstanzliche Entscheidungen aus der jüngeren Vergangenheit vorgestellt werden. 1. Konkurrenzverbot Einen solchen Fall hatte kürzlich das FG Münster zu beurteilen.55 Zu klären war, wie ein Konkurrenzverbot im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen zu behandeln ist. Grundsätzlich stellt zwar auch das Unterlassen von Wettbewerb eine Leistung dar,56 jedoch ist bislang durch die Rechtsprechung nicht geklärt, wie ein Konkurrenzverbot im Zusammenhang mit einer Geschäftsveräußerung zu behandeln ist. Gegenüber dem Erwerber verpflichtete sich der Verkäufer eines Pflegedienstes im Ausgangsfall für die Dauer von zwei Jahren nicht in Konkurrenz mit dem Erwerber zu treten. Im Unternehmenskaufvertrag wurde für das Wettbewerbsverbot knapp 40 % des Gesamtkaufpreises veranschlagt. Während die Vertragsparteien das Konkurrenzverbot als Teil der Geschäftsveräußerung im Ganzen und damit nicht steuerbar qualifizierten, ging das beklagte Finanzamt von einer neben der Geschäftsveräußerung stehenden, eigenständigen und daher steuerbaren Leistung aus. Das FG Münster folgte der Verwaltungsauffassung indes nicht. Ein Konkurrenzverbot im Rahmen einer Geschäftsveräußerung sei grundsätzlich als nicht steuerbar zu behandeln. In Übernahme der ertragsteuerlichen Abgrenzungskriterien im Zusammenhang mit § 16 EStG könne etwas anderes nur gelten, wenn das Konkurrenzverbot zeitlich befristet sei, ihm eine herausgehobene wirtschaftliche Stellung zukomme und hierfür ein gesondertes Entgelt vereinbart werde. Im Ausgangsfall sei dies zu verneinen. Der übergegangene Pflegedienst beruhe im Wesentlichen auf immateriellen Wirtschaftsgütern, insbesondere dem Kundenstamm. Das Konkurrenzverbot war insoweit erforderlich, dem Veräußerer die Fortführung des Unternehmens überhaupt zu ermöglichen. Eine besondere Bedeutung komme der Klausel nicht zu. Auf die Revision des Finanzamts hin ist das Verfahren mittlerweile beim BFH anhängig.57 Die Entscheidung verdient im Ergebnis Zustimmung. Das FG hat hier zutreffend auf die Art des veräußerten Unternehmens abgestellt. Wenn dieses im Wesentlichen auf immateriellen Wirtschaftsgütern, insbeson55 FG Münster, Urt. v. 7.12.2010 – 15 K 2529/07 U (rkr.), EFG 2011, 677. 56 Vgl. BFH, Urt. v. 13.11.2003 – V R 59/02, BStBl. II 2004, 472. 57 Az. des BFH: XI R 1/11.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen dere einem Kundenstamm beruht, wäre die Behandlung des Konkurrenzverbotes als eigenständige Leistung neben der Unternehmensveräußerung künstlich und unangemessen. Man darf auf die Entscheidung des BFH gespannt sein. Dieser dürfte dann gerade auch für die Übertragung von Steuerberatungspraxen eine gewisse Relevanz zukommen. Weiter offen bleibt die Frage, ob ein als steuerbar zu beurteilendes Konkurrenzverbot sich an der Steuerfreiheit der ursprünglichen Tätigkeit des Veräußerers, hier dem Betrieb eines Pflegedienstes nach § 4 Nr. 16 UStG, orientieren und dann ebenfalls steuerfrei sein kann.58 2. Kundenliste Das FG Rheinland-Pfalz beschäftigte unlängst die Frage, ob die Veräußerung einer Verlagskundenliste als Geschäftsveräußerung im Ganzen zu werten sein könne.59 Im Ausgangsfall betrieb die Klägerin ein Medienunternehmen und erwarb von einem Verleger dessen Kundenliste für ein Anzeigenblatt. Der Veräußerer stellte seinen Geschäftsbetrieb im Anschluss ein. Die Vertragsparteien kamen zunächst überein, dass die Veräußerung der Kundenliste keine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstelle und behandelten den Vorgang als steuerbar und steuerpflichtig. Später änderte der Veräußerer jedoch seine Auffassung und „berichtigte“ die Rechnung dahingehend, unter Verweis auf das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen keine Umsatzsteuer auszuweisen. Das für die Klägerin zuständige Finanzamt versagte daraufhin den Vorsteuerabzug. Diese Auffassung teilte das FG Rheinland-Pfalz nicht. Unter Verweis auf die einschlägige BFH-Rechtsprechung sei in der bloßen Veräußerung eines Kundenstamms keine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu sehen.60 Der Erwerber setze in diesem Fall nicht – auch nicht in modifizierter Form – die Tätigkeit des Veräußerers fort. Neben der vom FG meines Erachtens hier sachgerecht entschiedenen Problematik der Geschäftsveräußerung im Ganzen ist interessant, dass das FG der Klägerin auch den Vorsteuerabzug gewährte, obwohl die „berichtigte“ Rechnung dies formal nicht zuließ. Unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung in der Rs. Reemtsma61 urteilte das FG, dass die Klägerin zur Durchsetzung ihres Vorsteuerabzugsrechts nicht auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden könne. Ausschlaggebend seien diesbezüglich Erwägungen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, da die Klägerin im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rechnung den Brut58 59 60 61

Vgl. Meyer, EFG 2011, 677 (680) m. w. N. FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.11.2010 – 6 K 2114/08 (rkr.), DStRE 2011, 950. Vgl. BFH, Beschl. v. 11.11.2009 – V B 46/09, BFH/NV 2010, 479. EuGH, Urt. v. 15.3.2007 – C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH, EuGHE 2007 I, 2452 = DStRE 2007, 570.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen tobetrag einschließlich Umsatzsteuer entrichtet habe. Dieses Ergebnis erscheint im Grundsatz auch sachgerecht, obgleich hieraus wohl nicht zwingend eine allgemein gültige Aussage ableitbar ist.62 3. Nachweispflichten Mit der Thematik der Geschäftsveräußerung im Ganzen hatte sich in letzter Zeit auch das FG München auseinanderzusetzen.63 Im zu beurteilenden Fall betrieb der Kläger zunächst verschiedene Geschäfte, darunter einen reisenden Weißbiergarten. Gemeinsam mit einem Partner gründete er in der Folge eine „Biergarten-GbR“. Nach eigenem Vortrag brachte der Kläger hierzu die Vermögensgegenstände seines Reisebiergartens in die GbR ein, wofür er von seinem neuen Mitgesellschafter bezahlt wurde. Der Kläger erklärte den Vorgang als Geschäftsveräußerung im Ganzen, da es sich insoweit um die Einbringung eines Teilbetriebs handele. In die Bilanz der GbR wurden jedoch keine Wirtschaftsgüter übernommen. Auch aus dem Kaufvertrag ergab sich nicht, welche Gegenstände in die GbR eingebracht wurden. Zudem führte der Kläger keine Inventarliste. Ebenso wenig konnte er die Wirtschaftsgüter über einen Anlagenspiegel nachweisen, was der Kläger mit vollständigen Abschreibungen und Aktivierungsverboten auf Grund erheblicher Eigenleistungen begründete. Mangels eines Nachweises über das eingebrachte Sachvermögen verneinte das zuständige Finanzamt das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen. Stattdessen nahm es lediglich die Einbringung des Firmenwertes des reisenden Biergartens in die GbR an, wofür der Kläger Gesellschaftsrechte erhielt. Dies sei als steuerbarer und steuerpflichtiger tauschähnlicher Umsatz zu werten.64 Die dagegen gerichtete Klage wies das FG München als unbegründet zurück. Die Entscheidung macht deutlich, dass eine angemessene Dokumentation der Geschäftsvorfälle auch bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen eine äußerst wichtige Rolle spielen kann. 4. Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage Ein ebenfalls interessanter Fall lag schließlich dem FG Nürnberg vor Kurzem zur Entscheidung vor.65 Hier hatte der Kläger einen Teilbetrieb erworben. Der Veräußerer betrieb einen Handel mit flüssigen (Heizöl, Diesel) und festen (Kohle) Brennstoffen. Den Handel mit den flüssigen Brennstoffen veräußerte er an den Kläger und führte selbst den Handel 62 Vgl. Salder, SteuK 2011, 266. 63 FG München, Urt. v. 11.3.2010 – 14 K 3275/08 (rkr.), BeckRS 2010, 26029215 (beck-online). 64 Zuletzt sehr kritisch zur Thematik Stadie, UR 2009, 745. 65 FG Nürnberg, Urt. v. 1.3.2010 – 2 K 1592/2009 (rkr.), DStRE 2011, 496.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen mit festen Brennstoffen fort. Im Zuge der Veräußerung gingen der Kundenstamm, ein LKW, der einzige Tankanhänger des Klägers sowie der (offenbar geringfügige) Lagerbestand an flüssigen Brennstoffen auf den Kläger über. Die Lagermöglichkeiten konnte der Kläger noch für kurze Zeit nutzen. Zudem verpflichtete sich der Verkäufer zu einem Wettbewerbsverbot. Die Parteien behandelten den Vorgang als Geschäftsveräußerung im Ganzen. Dem folgte das zuständige Finanzamt des Klägers nicht. Da insbesondere weder das Lagergrundstück, noch die Büroräumlichkeiten – auch nicht im Wege einer langfristigen Vermietung – Teil der Veräußerung waren, seien nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Kläger übergegangen. Dies wäre aber Voraussetzung für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen. Insoweit war der Vorgang als steuerbar und steuerpflichtig zu behandeln. Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG Nürnberg indes statt. Mit den vom Kläger erworbenen Wirtschaftsgütern wurde ihm die Fortführung des Betriebs ohne großen finanziellen Aufwand möglich. Das FG kam im Wege einer Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis, dass das übertragene Vermögen dem Erwerber als hinreichendes Ganzes auch ohne das Lagergrundstück und die Büroräumlichkeiten die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht. Interessanterweise hat das FG nicht darauf abgestellt, ob der Handel mit flüssigen Brennstoffen bereits vor der Veräußerung organisatorisch vom zurückbehaltenen Handel mit festen Brennstoffen getrennt war, bzw. einen selbständigen Teilbetrieb darstellte.

V. Aktuelles zu § 9 UStG vs. Geschäftsveräußerung im Ganzen Den letzten Abschnitt der Ausführungen soll ein aktuelles Problem im Zusammenhang mit der Option zur Umsatzbesteuerung nach § 9 UStG im Spannungsverhältnis zur Geschäftsveräußerung im Ganzen bilden. Eine Änderung in der Rechtsauffassung innerhalb der Finanzverwaltung als (vermeintliche) Umsetzung der aktuellen Rechtsprechung des BFH hat, insbesondere im Rahmen von Immobilientransaktionen, einen neuen Beratungsansatz erforderlich werden lassen. 1. Ausgangslage Bei der Veräußerung von Immobilien wird von den Vertragsparteien in der Regel berechtigterweise davon ausgegangen, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, da die Übertragung eines vermieteten Grundstücks regelmäßig als Übertragung eines Unternehmensteils anzu444

Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen sehen ist. In der Folge wird die Veräußerung als nicht steuerbar behandelt. Der Abzug von Vorsteuer aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung erfolgt nach Maßgabe der bisherigen bzw. künftigen wirtschaftlichen Tätigkeit. Ebenso werden die Korrekturzeiträume nach § 15a UStG nicht unterbrochen. Soweit die Finanzverwaltung im konkreten Fall eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht anerkannte, war die entsprechende Veräußerung als steuerbar zu behandeln und unterfiel zudem regelmäßig der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a) UStG, da der Umsatz grunderwerbsteuerbar ist. Dies hätte zur Folge, dass per se ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung nicht in Betracht käme. Zudem müsste der Erwerber ggf. Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG vornehmen. Um diesem Szenario zu entgehen, wurden in Grundstückskaufverträgen häufig umsatzsteuerliche Rückfallklauseln vereinbart. Darin wurde festgehalten, dass von der regelmäßig möglichen Option zur Umsatzbesteuerung nach § 9 UStG Gebrauch gemacht wird, sofern die Finanzverwaltung das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen verneint. Dies war auch zulässig, da die Option nach § 9 UStG bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung der betroffenen Umsatzsteueranmeldung nach § 167 AO möglich war.66 Dieser Zeitraum beträgt nach § 169 AO grundsätzlich zumindest vier Jahre. 2. Neuregelung Mit Schreiben vom 1. Oktober 201067 stellte das BMF überraschend „klar“, dass die Erklärung (ebenso wie der Widerruf) einer Option nach § 9 UStG nur noch bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der betreffenden Umsatzsteueranmeldung möglich sei. Diesbezüglich wurde auf eine Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2008 verwiesen.68 Der Wortlaut des Schreibens ist mittlerweile auch in Abschn. 9.1. Abs. 3 UStAE eingegangen. Damit ist die Erklärung der Option nach § 9 UStG regelmäßig nur noch bis zum Ende der Einspruchsfrist nach § 355 Abs. 1 AO möglich. Diese beträgt einen Monat.69 Dadurch wird die Frist zur Erklärung der Option deutlich verkürzt. Für Sachverhalte vor dem 1. November 2011 hat das BMF eine Übergangsregelung eingeräumt, wobei dem Vernehmen nach jedoch nicht auf das Datum der Geschäftsveräußerung, sondern auf die Erklärung der Option abzustellen ist.70 Da nach der bisherigen Praxis der 66 67 68 69 70

Vgl. Abschn. 148 Abs. 3, 4 UStR 2008. BMF, Schr. v. 1.10.2010, BStBl. I 2010, 768 = DStR 2010, 2084. BFH, Urt. v. 10.12.2008 – XI R 1/08, BStBl. II 2009, 1026 = DStR 2009, 366. Zu den weiteren Fällen siehe Prätzler, DStR 2011, 507. Vgl. Prätzler, DStR 2011, 507.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen Rückfallklauseln die Erklärung der Option aufschiebend bedingt ist, erfolgt auch umsatzsteuerlich die Erklärung erst nach Eintritt der Bedingung, dass die Finanzverwaltung die Annahme der Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht teilt. Hierzu wird es häufig erst im Rahmen von Außenprüfung kommen, wobei hinsichtlich der Umsatzsteueranmeldung ganz überwiegend bereits die formelle Bestandskraft eingetreten sein dürfte. Daher ist de lege lata davon auszugehen, dass nach dem bisherigen Muster formulierte Rückfallklauseln unwirksam sind.71 Ob die geänderte Verwaltungsmeinung tatsächlich die bisherige Rechtsprechung des BFH zutreffend abbildet erscheint jedoch nicht ohne Zweifel, auch weil das von der Verwaltung im BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2010 herangezogene Urteil die Istbesteuerung nach § 20 UStG und nicht etwa § 9 UStG betrifft.72 3. Gestaltungsmöglichkeit Im Fachschrifttum und der Beratungspraxis wurden in der Folge verschiedene Modelle konzipiert, um den durch die Neuregelung geschaffenen Problemen entgegenzutreten.73 Als gangbarster Weg erscheint dabei die Erklärung einer unbedingten anstatt einer aufschiebend bedingten Option im Rahmen der entsprechenden Rückfallklauseln. Hierfür signalisierte die Finanzverwaltung dem Vernehmen nach auch bereits ihre Zustimmung. Im Rahmen einer solchen unbedingten Option unterscheidet sich scheinbar die tatsächliche Behandlung des Vorfalls von der vertraglichen Vereinbarung. Während der Verkäufer die Option zur Umsatzsteuer nach § 9 UStG erklärt und damit augenscheinlich von einem steuerbaren Vorgang ausgeht, wird die Veräußerung durch die Parteien tatsächlich als nicht steuerbar behandelt. In der Folge ergeben sich nun zwei möglich Szenarien. Sollte die Finanzverwaltung die Geschäftsveräußerung im Ganzen, wie sie von den Parteien, insbesondere dem Veräußerer, gegenüber der Finanzverwaltung erklärt wurde, akzeptieren, so läuft die erklärte Option nach § 9 UStG ins Leere. Dies folgt schlicht daraus, dass ein nicht steuerbarer Umsatz der Vorschrift des § 9 UStG nicht unterfällt. Sollte die Finanzverwaltung die Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht anerkennen, so wurde die Option zur Umsatzsteuer fristgemäß ausgeübt, da ihre (unbedingte) Erklärung bereits im Veräußerungszeitpunkt erfolgte. Unter diesem Blickwinkel gilt es als steuerlicher Berater eventuell betroffene Mandanten auf diese Rechtsentwicklung hinzuweisen, da mögli71 Anderer Ansicht offenbar Höink, UR 2011, 851 (853). 72 So auch Trinks, StB 2011, 30 (35); vertiefend Prätzler, DStR 2011, 507 (508 f.). 73 Vgl. Prätzler, DStR 2011, 507, Hättich/Benz, NWB 2011, 68, Nieskoven, GStB 2011, 8.

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Eggers, Die Geschäftsveräußerung im Ganzen cherweise auch bereits abgeschlossene Grundstückskaufverträge hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Rückfallklausel keinen Bestandsschutz genießen. Da dieser Umstand dem Fachschrifttum allgemein zu entnehmen ist, stellt ein unterlassener Hinweis für den Berater zumindest potentiell einen Haftungstatbestand dar.74

VI. Fazit/Ausblick Die Prognose, dass das Thema Geschäftsveräußerung im Ganzen die Beratungspraxis und die Rechtsprechung auch künftig beschäftigen und ein Brennpunkt der Umsatzsteuer bleiben wird, ist sicherlich nicht zu kühn. Die Veräußerung von Beteiligungen ist erst durch das BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 in den Bereich der Geschäftsveräußerung im Ganzen gerückt. Hier sind noch einige Detailfragen offen. Es bleibt abzuwarten, wie das EuGH-Urteil vom 10. November 2011 zur Vermietung wesentlicher Betriebsgrundlagen durch den BFH und die Finanzverwaltung umgesetzt wird. Schließlich darf man gespannt sein, ob der BFH und die Finanzgerichte über das BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 hinaus in weiteren Einzelfallentscheidungen von dem Grundsatz „keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung eines unvermieteten Grundstücks“ abweichen.

74 Vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 26/09, DStR 2010, 2374 m. Anm. Waclawik.

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Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Professor Dr. iur. Wolfram Reiß Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg Inhaltsübersicht

I. Einleitung 1. Funktion des Vorsteuerabzugs 2. Jüngere Weiterentwicklungen – Übersicht a) Teilunternehmerische Nutzung von Grundstücken b) Wertabgabe für unternehmensfremde Zwecke und Verwendung außerhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit c) Vorsteuerabzug bei steuerbefreiter Beteiligungsveräußerung d) Einschränkungen des Vorsteuerabzugsrechtes im innergemeinschaftlichen Warenverkehr bei Einbindung in Hinterziehungskonstruktionen II. Richtlinienkonforme Umsetzung des Vorsteuerabzugs im UStG 1. Steuerpflichtiger und Unternehmer 2. Verwendung für das Unternehmen/für Zwecke der (besteuerten) Umsätze 3. Verwendungszusammenhang III. Vorsteuerabzug bei ausschließlich zu unentgeltliche Wertabgaben aus dem Unternehmen bestimmten Leistungsbezügen 1. Leistungsbezug ausschließlich für Zwecke außerhalb des Unternehmens 2. Leistungsbezug ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals

3. Leistungsbezug für unentgeltliche Zuwendungen für Zwecke des Unternehmens IV. Vorsteuerabzug bei teilunternehmerischer Verwendung von Gegenständen und Neuregelung der teilunternehmerischen Nutzung von Grundstücken 1. Zuordnungswahlrecht bei gemischter Verwendung 2. Grundstücksnutzung für unternehmensfremde private (Wohn)Zwecke bis zur Neuregelung 3. Neuregelung ab 1.1.2011 a) Neuregelung in Art. 168a MwStSystRL b) Umsetzung im UStG V. Vorsteuerabzug und Vorsteuerkorrektur bei gemischter Verwendung zu unternehmerischen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten 1. Nur anteiliger Vorsteuerabzug 2. Nichtwirtschaftliche Tätigkeit und unternehmensfremde außerunternehmerische Zwecke 3. Überholte Beurteilung in den UStAE (bis 2012) 4. Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG VI. Vorsteuerabzug bei Veräußerung einer Beteiligung 1. Steuerbefreite Veräußerung 2. Gleichbehandlung mit nichtsteuerbaren Vorgängen 3. Veräußerung einer 100 %-Beteiligung als Geschäftsveräußerung

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs 4. Veräußerung einer Organschaftsbeteiligung VII. Einschränkungen des Vorsteuerabzugs im innergemeinschaftlichen Warenverkehr

1. Kein Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichem Erwerb im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. 2. Versagung des Vorsteuerabzugs bei Einbeziehung in Hinterziehungskonstruktionen VIII. Fazit

I. Einleitung 1. Funktion des Vorsteuerabzugs Der Vorsteuerabzug ist das charakteristische Merkmal für die Umsatzsteuer in ihrer Ausprägung als Mehrwertsteuer seit ihrer Einführung in Deutschland 1968 und in den übrigen Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aufgrund der 1. und 2. USt-Richtlinie.1 Die inzwischen durch die MwStSystRL2 ersetzte 6. USt-Richtlinie3 brachte bereits detaillierte Regelungen zu Einzelheiten des Vorsteuerabzugs. Diese sind im Kern seither unverändert geblieben. Das kann im Grundsatz auch nicht überraschen, da dem Vorsteuerabzug im System der Umsatzbesteuerung seither die Aufgabe zukommt, den abzugsberechtigten Steuerpflichtigen von einer Umsatzsteuerbelastung zu entlasten. Dem Vorsteuerabzug kommt unverändert die wichtige Funktion zu, dafür zu sorgen, dass im Ergebnis eine definitive Steuerbelastung lediglich für solche Umsätze eintritt, die an „Endverbraucher“ erfolgen. Die naheliegende Alternative, dann von vornherein schon technisch nur die Umsätze an Endverbraucher auf der letzten Stufe zu besteuern, verbietet sich bisher. Denn eine effektive Überprüfung und Kontrolle, ob zu besteuernde Umsätze an Endverbraucher oder nicht zu besteuernde Umsätze auf vorgelagerten Stufen stattfinden, erscheint (noch) nicht in ausreichendem Maße möglich zu sein. Deshalb wird zunächst eine Besteuerung auch der Umsätze zwischen Unternehmern auf vorgelagerten Stufen vorgenommen. Die dadurch notwendig werdende korrespondierende Entlastung von dieser Besteuerung der vorgelagerten Umsätze erfolgt dann erst durch die Gewährung des Vorsteuerabzugs an den nicht als Endverbraucher handelnden Steuerpflichtigen. 1 V. 11.4.1967, ABl. EG 1967 Nr. L 71, 1301 und 1303. 2 Richtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006, ABl. EU Nr. L 347, 1 mit nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen, u. a. durch die RL 2008/8/EG v.12.2.2008, ABl. EU 2008 Nr. L 44, 11 [zum Ort], die RL 2009/162 EU v. 22.12.2009, ABl.EU 2010, Nr. L 10, 14 [u. a. Einfügung Art. 168a MwStSystRL zu Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Grundstücken]. 3 Richtlinie 77/388/EWG v. 17.5.1977, ABl EG 1977 Nr. L 145, 1.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Diese Grundkonzeption der Funktion des Vorsteuerabzugs verlangt eine Ausgestaltung, die einerseits sichert, dass jedenfalls für den Regelfall die Entlastung durch den Vorsteuerabzug vollständig gelingt, wenn es sich nicht um einen Umsatz handelt, der an ein als Endverbraucher handelndes Subjekt für den Endverbrauch erbracht wird. Das Vorsteuerabzugsrecht muss aber andererseits auch so ausgestaltet und begrenzt sein, dass keine definitive Entlastung stattfindet, wenn Umsätze auf der letzten Stufe an als Endverbraucher handelnde Subjekte erbracht werden. 2. Jüngere Weiterentwicklungen – Übersicht Vor diesem Hintergrund wird zunächst der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen sich für den Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger ergeben, wenn Eingangsleistungen schon beim Bezug dazu bestimmt sind, eigenen unternehmensfremden Zwecken zu dienen oder unentgeltlich an das Personal oder andere Dritte für Zwecke des Unternehmens weitergegeben zu werden. Daran schließt sich die Untersuchung an, welche Auswirkungen sich ergeben, wenn Leistungsbezüge, namentlich Liefergegenstände, vom Leistungsempfänger teils für seine wirtschaftliche Tätigkeit als Unternehmer und teils für außerhalb des Unternehmens liegende unternehmensfremde (private) Zwecke und/oder eine nichtwirtschaftliche Betätigung verwendet werden. Man sollte annehmen, dass sich hier mehr als 40 Jahre nach Einführung der Mehrwertsteuer keine nennenswerten neueren Entwicklungen für das Recht des Vorsteuerabzugs mehr ergeben können. Tatsächlich verhält es sich aber nicht so. a) Teilunternehmerische Nutzung von Grundstücken Insoweit ist namentlich die ab 2011 geltende gesetzliche Neuregelung in § 15 Abs. 1b UStG für den Vorsteuerabzug bei teilunternehmerischer Nutzung von Grundstücken zu beleuchten.4 Durch die Neuregelung wird der Ende 20095in die MwStSystRL aufgenommene Art. 168a MwStSystRL umgesetzt. Die gesetzliche Neuregelung betrifft ausdrücklich nur die teilunternehmerische Nutzung von Grundstücken. Von der Ermächtigung des Art. 168a MwStSystRL, die Neuregelung auch auf weitere Gegenstände anzuwenden, hat der deutsche Gesetzgeber nicht Gebrauch gemacht.

4 Die Neuregelung erfolgte durch Art. 4 des JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 (BStBl. I 2010, 1394). 5 RL 2009/162/EU v. 22.1.2009, ABl.EU 2010, Nr. L 10/14.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs b) Wertabgabe für unternehmensfremde Zwecke und Verwendung außerhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit Für die teilunternehmerische Nutzung anderer Gegenstände hat sich zwar die Gesetzeslage nicht geändert. Allerdings hat der EuGH seine Rechtsprechung zur Verwendung von dem Unternehmen zugeordneten Gegenständen außerhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmer weiterentwickelt.6 Er differenziert nunmehr zwischen einer Verwendung für private und vergleichbare unternehmensfremde Zwecke und einer Verwendung für andere Zwecke außerhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmer. Bei einer Verwendung des Gegenstandes für private und vergleichbare unternehmensfremde Zwecke bleibt es bei einer Besteuerung dieser Wertabgabe aus dem Unternehmen. Sie wird als gegen Entgelt erfolgte Leistung und damit als ein zu besteuernder Umsatz behandelt. Im Gegenzug bleibt insoweit auch der Vorsteuerabzug erhalten.7 Hingegen führt eine Verwendung für andere Zwecke außerhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht zu einem als Wertabgabe aus dem Unternehmen zu besteuernden Umsatz. Korrespondierend dazu ist der Vorsteuerabzug insoweit nicht zu gewähren. Der V. wie auch der XI. Senat folgen dieser Differenzierung inzwischen ausdrücklich auch für das deutsche Recht.8 Dieser Differenzierung folgt inzwischen im Anschluss an die o.a. BFH-Rechtsprechung auch das BMF.9 Es wird zu hinterfragen sein, welche Konsequenzen sich daraus für die gemischte Verwendung von Gegenständen allgemein und nicht nur für Grundstücke ergeben. Es ergeben sich daraus aber auch Fragen hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereiches der Neuregelung für Grund6 EuGH, Urt. v. 12.2.1009 – Rs. C – 515/07, VNLTO, EuGHE 2009, I – 839 = UR 2009, 199; EuGH, Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C– 437/06, Securenta, EuGHE 2008, I – 597. 7 So zuletzt EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C – 460/07, Puffer, UR 2009, 410 mit Anm. Widmann unter Bestätigung von EuGH, Urt. v. 8.5.2003 – Rs.C 269/00, Seeling, EuGHE 2003, I – 4101 = BStBl. II 2004, 378, EuGH, Urt. v. 14.7.2005 – Rs.C – 434/03, Charles und Charles Tijmens, EuGHE 2005, I – 7037 = UR 2005, 563, EuGH, Urt. v. 14.9.2006 – Rs.C 72/05, Wollny, EuGHE 2006, I – 8297 = UR 2006, 638 für Grundstücke sowie EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C – 97/90, Lennartz, EuGHE 1991, I – 3795 (Pkw) und v. 8.3.2001 – Rs. C – 415/98, Bakcsi, EuGHE 2001, I – 831 = UR 2001,149 (Kfz). 8 BFH, Urt. v. 13.1.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012, 61 = UR 2011, 295 (Erschließungsanlagen) mit Anm. Filtzinger; BFH. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 = UR 2011, 313 (Betriebsausflug); BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58 = UR 2011, 357 (Wohngrundstücksüberlassung an GmbH Gesellschaftergeschäftsführer); BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617 mit Anm. Küffner (Marktplatzsanierung, anders noch BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, UR 2010, 368); dazu bereits Ismer/Keyser, UR 2011, 81 (90). 9 BMF, Schr. v. 2.1.2012 – IV D 2 – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, 60.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs stücke. Hier kann zweifelhaft sein, ob die Neuregelung überhaupt anwendbar ist, soweit es nicht um die Verwendung des Grundstückes teils für Zwecke des Unternehmens und teils für private und diesen gleichgestellte unternehmensfremde Zwecke des Unternehmers geht, sondern um eine teilweise Verwendung für andere nichtwirtschaftliche Aktivitäten außerhalb der Tätigkeit als Unternehmer neben der Verwendung für die wirtschaftliche unternehmerische Tätigkeit. Das spielt namentlich für auch als Unternehmer tätige Vereinen und juristischen Personen des öffentlichen Rechtes eine Rolle, kommt aber darüberhinausgehend auch ganz allgemein bei allen Gesellschaften in Betracht. c) Vorsteuerabzug bei steuerbefreiter Beteiligungsveräußerung Neben der von der Belastungskonzeption her zwingenden Nichtgewährung des Vorsteuerabzugs an bei einem Bezug von Leistungen als Endverbraucher handelnde Subjekte, schließt das geltende Umsatzsteuerrecht den Vorsteuerabzug grundsätzlich auch aus, wenn die Eingangsleistungen vom Steuerpflichtigen zur Ausführung von befreiten Umsätzen verwendet werden. Durch die Versagung des Vorsteuerabzugs wird der als Unternehmer handelnde Steuerpflichtige insoweit wie ein Endverbraucher behandelt. Ob überhaupt und in welchem Umfange der Vorsteuerausschluss bei Verwendung für befreite Umsätze mit der Belastungskonzeption der Mehrwertsteuer – etwa unter dem Aspekt der Vereinfachung der Steuererhebung – vereinbar ist, ist hier nicht weiter zu problematisieren. Das ist jedenfalls de lege lata hinzunehmen. Soweit ein Unternehmer als Steuerpflichtiger sowohl steuerpflichtige als auch den Vorsteuerabzug ausschießende steuerfreie Umsätze tätigt, besteht die Problematik der vollständigen oder auch teilweisen Zurechnung des jeweiligen Leistungsbezuges entweder zu den zu besteuernden steuerpflichtigen Umsätzen oder zu den steuerfreien Umsätzen. Da hinsichtlich der Versagung des Vorsteuerabzugs kein Unterschied besteht zwischen der vollständigen oder teilweisen Zurechnung eines Leistungsbezuges zu nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten eines auch als Unternehmer handelnden Steuerpflichtigen und der Zurechnung zu einer wirtschaftlichen, aber befreiten Tätigkeit des als Unternehmer handelnden Steuerpflichtigen, stellt sich die Frage, ob für die Zurechnung des Leistungsbezuges für beide Konstellationen nicht dieselben Kriterien gelten müssen. Dem ist nachzugehen anhand einer Entscheidung des V. Senates vom Beginn dieses Jahres zur Behandlung des Vorsteuerabzuges im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Beteiligung durch eine als Unternehmer handelnde Muttergesellschaft. Der V. Senat hat hier den Vorsteuerabzug aus Beratungsleistungen wegen eines angenommenen direkten 453

Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs und unmittelbaren Zusammenhanges mit der nach § 4 Nr. 8 e und f UStG befreiten Übertragung der Beteiligung an einer AG nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG verneint.10 Diese Entscheidung scheint in einem gewissen Spannungsfeld zur Rechtsprechung des EuGH zu stehen. Dieser hat den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die im Zusammenhang mit der Erstausgabe von durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien erbracht wurden, für zulässig erklärt.11 In der später ergangenen Entscheidung SKF erklärt der EuGH ausdrücklich, dass eine unterschiedliche Behandlung des Vorsteuerabzugs aus Leistungen, die anlässlich der Veräußerung von Aktien erbracht werden, nicht danach erfolgen darf, ob die Veräußerung der Aktien schon einen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden nicht steuerbaren oder erst einen nach der MwStSystRL zu befreienden Umsatz darstellt.12 d) Einschränkungen des Vorsteuerabzugsrechtes im innergemeinschaftlichen Warenverkehr bei Einbindung in Hinterziehungskonstruktionen Abschließend ist noch ein Blick auf die Entwicklung des Vorsteuerabzugsrechts im Kontext des innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehrs zu werfen. Hier geht es um die Versagung des Vorsteuerabzugs aus Leistungen und aus einem innergemeinschaftlichen Erwerb bei Einbindung in auf Umsatzsteuerhinterziehung gerichtete Geschäfte. Die Rechtsprechung hat hier die Anforderungen an den Vorsteuerabzug in Parallele zur Befreiung erkennbar erheblich verschärft.

II. Richtlinienkonforme Umsetzung des Vorsteuerabzugs im UStG Die Regelungen des deutschen UStG zum Vorsteuerabzug in §§ 15,15a UStG stimmen weder terminologisch noch vom systematischen Aufbau her mit den Regelungen zum Vorsteuerabzug in der MwStSystRL überein. Das ist jüngst noch von Wäger als sinnlose Verkomplizierung der Rechtslage kritisiert worden.13 Da ohnehin die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung der Richtlinie bestehe, werde der Rechtsanwender überflüssigerweise zu einem permanenten Rechtsvergleich

10 BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 = DStR 2011,454 mit Anm. Wäger, DStR 2011,433. 11 EuGH, Urt. v. 26.5.2005 – Rs.C – 465/03, Kretztechnik, EuGHE. 2005, I-4357. 12 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs.C – 29/08, AB SKF, UR 2010,107. 13 DStR 2011, 433.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs gezwungen. Diese Kritik ist – jedenfalls im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen im UStG zum Vorsteuerabzug – überzogen. Die Regelungen des UStG zum Vorsteuerabzug lassen sich sowohl terminologisch als auch von der Systematik her ohne größere Schwierigkeiten in Übereinstimmung mit den Richtlinienregelungen auslegen. Sie werden auch so verstanden. Soweit es um Detailfragen der Auslegung der Richtlinie und insoweit um die Beachtung der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH geht, bliebe dem Rechtsanwender, namentlich auch dem Richter, der permanente Rechtsvergleich auch bei Übernahme der Terminologie und Systematik der Richtlinie nicht erspart. 1. Steuerpflichtiger und Unternehmer Zentrale Bedeutung für den Vorsteuerabzug kommt in der Terminologie des UStG den Begriffen des Unternehmers und des Unternehmens zu. Der Vorsteuerabzug steht nach § 15 Abs. 1 UStG nur einem Unternehmer zu. Außerdem muss der Leistungsbezug, die Einfuhr oder der innergemeinschaftlichem Erwerb „für sein Unternehmen“ erfolgen. In der farblosen Terminologie der Richtlinie wird anstelle des Unternehmerbegriffes vom Steuerpflichtigen geredet. Nur diesem steht nach Art. 167 f. MwStSystRL der Vorsteuerabzug zu. Für die Rechtsanwendung dürfte diese rein terminologische Abweichung problemlos sein. Soweit sich im Einzelfall Abgrenzungsprobleme ergeben, ob die Unternehmereigenschaft, respektive die Eigenschaft als Steuerpflichtiger zu bejahen ist, ist dies nicht der unterschiedlichen Terminologie geschuldet. Das betrifft auch die leicht unterschiedliche Definition in § 2 Abs. 1 und 2 UStG und in Art. 9 und 10 MwStSystRL. Dass die Richtlinienregelung des Art. 13 MwStSystRL zur Behandlung juristischer Personen des öffentlichen Rechtes als Steuerpflichtige mit der Verweisung in § 2 Abs. 3 UStG auf den Betrieb gewerblicher Art im Sinne des KStG nicht zutreffend umgesetzt wurde, steht auf einem anderen Blatt. Die Rechtsprechung nimmt hier – recht großzügig – an, dass sie befugt sei, den Gesetzgeber im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auch zu Lasten der jur. Person zu korrigieren.14 14 Vgl. BFH, Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFH/NV 2012, 534; BFH, Urt. v. 2.3.2011 – XI R 65/07, UR 2011, 657; BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617 mit Anm. Küffner; BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, UR 2010, 646; v. 20.8.2009 – V R 70/05, BFHE 226, 458, BFH/NV 2009, 2077(Nachfolgeentscheidung zu EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08, Salix, UR 2009,484); v. 17.3.2010 – XI R 17/08, UR 2010, 943; ablehnend Reiß in Reiß/Kräusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 189; dagegen aber nunmehr BFH v. 10.11.2011 – V R 41/10, zit. nach lexinform Nr. 0928121 (Gemeinde in richtlinienkonformer Auslegung als Unternehmer bei Überlassung einer Sporthal-

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs 2. Verwendung für das Unternehmen/für Zwecke der (besteuerten) Umsätze Auch im systematischen Aufbau unterscheidet sich die Regelung zum Vorsteuerabzug im UStG von der Richtlinienregelung. § 15 UStG sieht eine dreistufige Prüfungsreihenfolge vor. Auf der ersten Stufe wird für den Vorsteuerabzug positiv ein Eingangsbezug für das Unternehmen verlangt, § 15 Abs. 1 UStG. Auf der zweiten Stufe erfolgt negativ ein Ausschluss des Vorsteuerabzugs, soweit die Eingangsbezüge für steuerbefreite Umsätze verwendet werden. Ebenfalls wird der Vorsteuerabzug für nicht steuerbare Auslandsumsätze ausgeschlossen, die bei Ausführung im Inland befreit wären, § 15 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG. Auf der dritten Stufe wird dann der Vorsteuerabzug für bestimmte befreite Umsätze doch wieder zugelassen. Dabei handelt es sich im weitesten Sinne um „Exportleistungen“, namentlich die befreite Ausfuhr und innergemeinschaftliche Lieferungen und damit zusammenhängende Finanzdienstleistungen, vgl. § 15 Abs. 3 UStG. Der Richtlinie liegt demgegenüber lediglich ein zweistufiger positiver Aufbau zugrunde. Auf der ersten Stufe besteht eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nur, soweit die bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet werden, Art. 168 MwStSystRL. Besteuerte Umsätze sind dabei in der deutschen Terminologie nur die im Inland steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze. Danach bestünde kein Vorsteuerabzugsrecht für im Inland nicht steuerbare Auslandsumsätze und für als „Exportleistungen“ befreite Umsätze. Exakt für diese nicht zu besteuernden Umsätze wird dann aber auf der zweiten Stufe durch die Erweiterung in Art. 169 MwStSystRL ebenfalls das Recht zum Vorsteuerabzug eingeräumt. In der Sache wird das Vorsteuerabzugsrecht inhaltlich vollständig übereinstimmend geregelt. In der Richtlinienregelung erfolgt dies dadurch, dass positiv nur diejenigen Ausgangsumsätze des Steuerpflichtigen benannt werden, die den Vorsteuerabzug zulassen, sofern die Eingangsleistungen für deren Erbringung verwendet werden. Nach der deutschen Regelung wird das identische Ergebnis dadurch hergestellt, dass der Vorsteuerabzug bei Verwendung für Ausgangsumsätze, die keinen Vorsteuerabzug zulassen, ausgeschlossen wird. Die den Vorsteuerabzug zulassenden positiven Ausgangsumsätze ergeben sich aus der Subtraktion der den Vorsteuerabzug ausschließenden Ausgangsumsätze von allen Ausgangsumsätzen. Angesichts dieses Regelungszusammenhanges kann an der Richtlinienkonformität der Regelung des UStG zum Vorsteuerabzug kein Zweifel le); vgl.auch Ismer/Keyser, UR 2011, 81 (Zulässigkeit richtlinienkonformer Auslegung bejahend) und Kraeusel, UR 2010, 480 (zweifelnd).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs bestehen. Auch wird die Rechtsanwendung nicht ernsthaft erschwert. Es versteht sich, dass das Merkmal des Bezuges für das Unternehmen dahingehend auszulegen ist, dass die bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der gegen Entgelt erfolgenden Ausgangsumsätze des Unternehmers zu verwenden sind.15 Übereinstimmend mit der Richtlinienregelung wird damit bereits ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit keine Verwendung für Ausgangsumsätze des Steuerpflichtigen erfolgen soll. Soweit es sich dabei um nicht zu besteuernde Ausgangsumsätze handelt, namentlich vor allem steuerbefreite, die kein Vorsteuerabzugsrecht gewähren, wird die Übereinstimmung mit der Richtlinienregelung durch den in § 15 Abs. 2 und 3 UStG geregelten Vorsteuerausschluss hergestellt. Dieser führt bei Verwendung für die dort erfassten steuerbefreiten und nicht steuerbaren Auslandsumsätze exakt dazu, dass sich derselbe Umfang des Rechtes auf Vorsteuerabzug wie nach der Richtlinienregelung einstellt. Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht nur bei Verwendung für zu besteuernde steuerpflichtige Umsätze entsprechend Art. 168 MwStSystRL und darüberhinausgehend entsprechend Art. 169 MwStSystRL für die dort genannten nicht steuerbaren Auslandsumsätze und befreiten „Exportumsätze“. 3. Verwendungszusammenhang Ein Vorsteuerabzugsrecht besteht nur, soweit der Unternehmer die Eingangsleistung für seine den Vorsteuerabzug zulassen Ausgangsumsätze zu verwenden beabsichtigt. Das Bestehen des Rechts auf Vorsteuerabzug ist anhand der Ausgangsumsätze zu bestimmen, auf die sich die Eingangsumsätze beziehen.16 Nach der vom EuGH übernommenen Terminologie der Rechtsprechung des BFH muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu den Ausgangsumsätzen der wirtschaftlichen Tätigkeit bestehen17. Die wirtschaftliche Tätigkeit wird durch die den Vorsteuerabzug zulassenden steuerpflichtigen, steuerfreien und nicht steuerbaren Auslandsumsätze gebildet. Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang kann einerseits zu einem oder mehreren Ausgangsumsätzen bestehen. Er ist aber auch dann zu bejahen, wenn die Eingangs15 So auch jetzt auch Wäger, UR 2012, 125 (138). 16 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs.C 29/08, SKF; EuGHE 2009, I – 10413 (Rn. 60). 17 Vgl. BFH, Urt. v. 13.1.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012,61 = UR 2011, 295; v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012,68 = UR 2011, 307; v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012,53 = UR 2011, 313 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C 29/08, SKF; EuGHE 2009, I – 10413; v. 8.6.2000 – Rs. C 98/98, Midland Bank, EuGHE 2000, I -4177; EuGH, Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C 408/98, Abbey National, EuGHE 2001, 1361; vgl. auch EuGH, Urt. v. 8.2.2007 – Rs. C-435/05, Investrand, EuGHE 2007, I-1315.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs leistung lediglich zu allgemeinen Aufwendungen für die wirtschaftliche Gesamttätigkeit aller den Vorsteuerabzug zulassenden Umsätze führt. Besteht umgekehrt der unmittelbare und direkte Zusammenhang nur zu nicht den Vorsteuerabzug zulassenden befreiten oder nicht steuerbaren einzelnen Ausgangsumsätzen oder zu den allgemeinen Aufwendungen für solche Umsätze, besteht kein Recht zum Vorsteuerabzug.18 Dasselbe gilt, wenn die Eingangsleistungen im Zusammenhang mit einer nicht die Unternehmereigenschaft begründenden Tätigkeit nichtwirtschaftlichen Charakters stehen. Besteht für Eingangsleistungen sowohl ein Zusammenhang zu den Vorsteuerabzug zulassenden Umsätzen als auch zu anderen Umsätzen oder Aktivitäten, besteht das Vorsteuerabzugsrecht nur insoweit als die Aufwendungen den Ausgangsumsätzen zuzurechnen sind, die den Vorsteuerabzug zulassen.19 Nichts anderes ergibt sich auch aus § 15 Abs. 4 und § 15 Abs. 1 UStG.20

III. Vorsteuerabzug bei ausschließlich zu unentgeltliche Wertabgaben aus dem Unternehmen bestimmten Leistungsbezügen 1. Leistungsbezug ausschließlich für Zwecke außerhalb des Unternehmens Zu den zu besteuernden Ausgangsumsätzen gehören auch unentgeltliche Wertabgaben durch Entnahme oder Verwendung von Gegenständen aus dem Unternehmen für Zwecke außerhalb des Unternehmens. Sie werden den Lieferungen und Leistungen gegen Entgelt gleichgestellt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Gegenstand ganz oder teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigte, § 3 Abs. 1 Nr. 1b und Abs. 9a Nr. 1 UStG. Die Rechtsprechung versteht diese Regelung zutreffend dahin, dass ein Vorsteuerabzugsrecht für diesen Gegenstand bereits vor und unabhängig von der Entnahme oder Verwendung für die außerunternehmerischen Zwecke bestanden haben muss. Sie verneint daher zu Recht ein Vorsteuerabzugsrecht, wenn bereits bei Leistungsbezug des Gegenstandes eine ausschließliche Verwendung nur für außerunternehmerische Zwecke – 18 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C 29/08, SKF; EuGHE 2009, I – 10413 m. w. N.; EuGH, Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06, Securenta, EuGHE. 2008, I-1597. 19 EuGH, Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06, Securenta, EuGHE. 2008, I-1597; v. 12.2.2009 – Rs. C 515/07, VNLTO, EuGHE 2009, I – 839. 20 Nicht anders als in der Richtlinie fehlt es auch in § 15 UStG an einem ausdrücklichen bestimmten Aufteilungsschlüssel, soweit Eingangsleistungen nur teilweise für Umsätze im Rahmen des Unternehmens, respektive innerhalb der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 90 MwStSystRLVerwendung finden.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs und auch nicht teilweise für einen entgeltlichen Umsatz – vorgesehen ist. Es fehlt dann bereits an einem Leistungsbezug für das Unternehmen, bzw. einem Handeln als Steuerpflichtiger.21 Korrespondierend dazu liegt dann auch keine nach § 3 Abs. 1b Nr. 1, Abs. 9a Nr. 1 UStG zu besteuernde Wertabgabe aus dem Unternehmen vor, so dass es insgesamt an einem Ausgangsumsatz fehlt. 2. Leistungsbezug ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals Der V. Senat verneint neuerdings auch bereits ein Vorsteuerabzugsrecht, soweit schon bei Leistungsbezug durch den Unternehmer eine Verwendung der bezogenen Leistung ausschließlich für den privaten Bedarf des Personals vorgesehen ist.22 Hinsichtlich der unentgeltlichen Weitergabe dieser Leistungen kommt eine Besteuerung als unentgeltlichen Zuwendung des Gegenstandes oder seiner Verwendung nach § 3 Abs. 1b Nr. 2 oder § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG dann nicht mehr in Betracht. Der Senat stützt dieses Ergebnis auf eine richtlinienkonforme Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Es fehle an einem Leistungsbezug „für das Unternehmen“. Dem liegt als Ausgangspunkt zutreffend zugrunde, dass ein Leistungsbezug nur dann für das Unternehmen erfolgt, wenn er in unmittelbarem Zusammenhang mit entgeltlichen Ausgangsumsätzen steht, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Daran fehlt es nach nunmehriger Auffassung des BFH. Daran ist zutreffend, dass dem Arbeitnehmer unentgeltlich zugewendete Leistungsbezüge nicht direkt in einzelne entgeltliche Ausgangsumsätze eingehen. Das würde freilich nicht ausschließen, dennoch einen Bezug für das Unternehmen unter dem Aspekt allgemeiner Aufwendungen für die wirtschaftliche Gesamttätigkeit aller zu besteuernden Ausgangsumsätze anzunehmen. Das verneint der BFH aber ausdrücklich. Der Zusammenhang liege lediglich zur nicht zu besteuernden Leistungsabgabe für den privaten Bedarf der Arbeitnehmer vor. Die bisherige andere Sicht der Dinge23 ist nunmehr vom V. Senat ausdrücklich aufgegeben worden. Stellt sich die Zuwendung an die Arbeitnehmer als nach § 3 Abs. 1b Nr. 2 oder Abs. 9a Nr. 1 und Nr. 2 UStG nicht zu besteuernde Aufmerksamkeit dar, bleibt das Vorsteuerabzugsrecht 21 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.5.1992 – Rs. C -20/99, de Jong, EuGHE 1992, I – 2847; vgl. auch EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C 460/07, Puffer, UR 2009,410; BFH, Urt. v. 13.1.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012, 61 = DStR 2011, 465; BFH, Urt. v. 23.9.2009 – XI R 18/08, BStBl. II 2010, 313; so nunmehr auch Abschnitt 15.2. Abs. 21 Satz 2 i. V. mit Abs. 15.15 UStAE in der Fassung BMF, Schr. v. 2.1.2012 – IV D – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, 60 (unter V. S. 65 f.). 22 BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 = UR 2011, 313; siehe auch Wäger, UR 2012, 125 (138). 23 Vgl. BFH, Urt. v. 4.7.1985 – V R 82/77, BStBl. II 1985, 538 (Angelteich für Personal); BFH, Urt. v. 18.12.1986 – V R 176/75, BStBl. II 1987, 350).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs grundsätzlich erhalten. Insoweit geht der V. Senat davon aus, dass der Leistungsbezug zu allgemeinen Aufwendungen führt, die mit der Gesamttätigkeit aller Ausgangsumsätze im Zusammenhang stehen. Soweit die Ausgangsumsätze den Vorsteuerabzug zulassen, gilt dies dann auch für die zu Aufmerksamkeiten führenden Leistungsbezüge. Der doch überraschende Rechtsprechungswandel dürfte weitgehend ohne größere Auswirkungen bleiben. Der Vorsteuerabzug für Aufmerksamkeiten bleibt weiterhin erhalten. Soweit keine Aufmerksamkeiten mehr vorliegen, wird der wegfallende Vorsteuerabzug dadurch kompensiert, dass keine Besteuerung der Zuwendungen an die Arbeitnehmer stattfindet. Die Nichtbesteuerung der Zuwendung kann im Einzelfall sogar günstiger sein. Das trifft insbesondere dann zu, wenn aus dem Leistungsbezug ohnehin kein Vorsteuerabzug möglich war, etwa bei Bezug steuerfreier Leistungen oder von Leistungen durch Kleinunternehmer oder Nichtunternehmer. Die Weitergabe solcher Leistungen an Arbeitnehmer unterliegt nach der nunmehrigen Rechtsprechung des V. Senates nicht der Besteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG. 3. Leistungsbezug für unentgeltliche Zuwendungen für Zwecke des Unternehmens Ein Vorsteuerabzugsrecht wird vom V. Senat auch für einen Leistungsbezug verneint, der seinerseits für eine unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes für Zwecke des Unternehmens im Sinne des § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG verwendet werden soll.24 Da insoweit kein Vorsteuerabzugsrecht besteht, liegt dann allerdings gerade auch keine zu besteuernde Zuwendung mehr vor. Der wegen des vorrangig zu beachtenden Vorsteuerausschlusses nach § 15 Abs. 1a UStG i. V. mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG25 ohnehin schmale Anwendungsbereich für eine Besteuerung von unentgeltlichen Zuwendungen für Zwecke des Unternehmens wird dadurch noch geringer. In concreto ging es um die unentgeltliche Zuwendung von Erschließungsanlagen durch eine GmbH an eine Gemeinde. Die Gemeinde war Alleingesellschafterin der GmbH. Geschäftsgegenstand der GmbH war die Erschließung von Gewerbegrundstücken im Gemeindegebiet. Auch hier verneint der V. Senat, anders als noch der XI. Senat für eine vergleichbaren Konstellation,26 dass die Eingangsleistung i. S. des § 15 Abs. 1 UStG „für das Unternehmen“ bezogen wird. Das 24 BFH, Urt. v. 13.1.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012, 61 = UR 2011, 295 mit Anm. Filtzinger. Dem folgt nunmehr auch die Verwaltung, vgl. BMF, Schr. v. 2.1.2012, – IV D 2 – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, 60 f (unter II.1 und V.8.). 25 Siehe dazu Abschn. 3.3. Abs. 12 und Abschn. 15.6.Abs. 4 UStAE. 26 BFH, Urt. v. 14.5.2008 – XI R 60/07, BStBl. II 2008, 721 (unentgeltliche Übertragung einer Kreisverkehrsanlage auf die Bundesrepublik).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs erscheint auf den ersten Blick nicht überzeugend zu sein27, wenn doch die unentgeltliche Zuwendung gerade „für Zwecke des Unternehmens“ erfolgen soll.28 Die neue Auslegung durch den V. Senat ist aber durchaus konsequent und auch gut vertretbar. Denn die Regelung des § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG geht übereinstimmend mit § 3 Abs. 1 b Nr. 1 und 2 UStG davon aus, dass Entnahmen und unentgeltliche Zuwendungen aus dem Unternehmen nur deshalb besteuert werden müssen, weil eine Entlastung durch einen Vorsteuerabzug stattgefunden hat.29 Es macht daher durchaus Sinn, von vornherein den Vorsteuerabzug zu versagen, wenn schon bei Leistungsbezug feststeht, dass dieser nur für eine unentgeltliche Zuwendung verwendet werden soll, gleichgültig ob für Zwecke innerhalb oder außerhalb des Unternehmens. Für größere unentgeltliche Zuwendungen fehlt es wegen des vorrangigen unmittelbaren und direkten Zusammenhanges mit der unentgeltlichen Übertragung an einer der Zuwendung vorhergehenden Zuordnung des bezogenen Gegenstandes zum Unternehmen. Denn das Unternehmen wird durch die Erbringung entgeltlicher Ausgangsleistungen gebildet. Die Gleichstellung unentgeltlicher Zuwendungen mit Ausgangsleistungen gegen Entgelt setzt voraus, dass der Gegenstand bereits zum Unternehmen gehört, weil er im Zusammenhang mit beabsichtigten Ausgangsleistungen gegen Entgelt erworben wurde. Ausgenommen davon sind Zuwendungen von Geschenken von geringem Wert und von Warenmustern für Zwecke des Unternehmens.30 Hier bleibt der Vorsteuerabzug erhalten. Insoweit ist – vergleichbar wie bei den Aufmerksamkeiten – davon auszugehen, dass der Leistungsbezug zu allgemeinen Aufwendungen führt, die der Gesamttätigkeit durch die entgeltlichen Ausgangsumsätze zuzuordnen sind.31 Die aufgrund der geänderten Beurteilung veränderte Behandlung des Leistungsbezuges für eine beabsichtigte unentgeltliche Zuwendung für Zwecke des Unternehmens dürfte kaum zu erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen führen. Denn korrespondierend zur Versagung des Vorsteuerabzugs entfällt die Besteuerung der Zuwendung nach § 3 Abs. 1b 27 Kritisch daher Filtzinger, UR 2011, 303. 28 So ausdrücklich auch im Wortlaut übereinstimmend § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG und Art. 16 Abs. 2 MwStSystRL. 29 Zur an sich problematischen Gleichbehandlung der Entnahmen für unternehmensfremde Zwecke und der Zuwendungen für Zwecke des Unternehmens vgl. EuGH, Urt. v. 27.4.1999 – Rs. C- 48/97, Kuwait, EuGHE 1999, I – 2323. 30 Vgl. dazu Abschn. 3.3 Abs. 10 f. UStAE und BMF, Schr. v. 31.8.2011, BStBl I 2011, 825 (zu Warenmustern im Hinblick auf die Entscheidung EuGH, Urt. v. 30.9.2010 – Rs. C 581/08, EMI Group, UR 2010, 816). 31 Vgl. insoweit EuGH, Urt. v. 27.4.1999 – Rs. C- 48/97, Kuwait, EuGHE 1999, I – 2323 (Rz. 23 „Gemeinkosten“).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Nr. 3 UStG. Aus der Versagung des Vorsteuerabzugs können aber eventuell Zinsnachteile resultieren. Allerdings muss bei dieser geänderten Beurteilung konsequenterweise der Vorsteuerabzug auch schon für den Bezug sonstiger Leistungen versagt werden, soweit schon bei Bezug vorgesehen ist, die sonstigen Leistung nur für eine unentgeltliche Zuwendung für Zwecke des Unternehmens zu verwenden. Darauf, dass insoweit keine Besteuerung von „aus dem Unternehmen entnommenen“ unentgeltlichen Zuwendungen sonstiger Leistungen für Zwecke des Unternehmens in § 3 Abs. 9a UStG vorgesehen ist,32 kann es – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung33 – nicht ankommen. Wegen des ohnehin nach § 15 Abs. 1a UStG i. V. mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG schon bestehenden Vorsteuerabzugsverbotes für „geschenkte“ sonstige Leistungen34 dürfte dem allerdings ebenfalls keine erhebliche Bedeutung zukommen.

IV. Vorsteuerabzug bei teilunternehmerischer Verwendung von Gegenständen und Neuregelung der teilunternehmerischen Nutzung von Grundstücken 1. Zuordnungswahlrecht bei gemischter Verwendung Erfolgt der Erwerb eines einheitlichen Gegenstandes zugleich für das Unternehmen, d. h. für die entgeltlichen Ausgangsumsätze, als auch für außerunternehmerische (private) Zwecke, wird dem Unternehmer im Anschluss an die – verfehlte – Rechtsprechung des EuGH35 ein Zuordnungswahlrecht gewährt.36 Das Wahlrecht gilt gleichermaßen für Grundstücke und Gebäude wie auch für andere Gegenstände, etwa Kraftfahrzeuge oder andere bewegliche Gegenstände. Dem Unternehmer stehen 32 Vgl. dazu Abschn. 3.3 Abs. 10 Satz 10 und 3.4 Abs. 1 UStAE. 33 Vgl. BMF, Schr. v. 2.1.2012 – IV D – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, 60 (unter II.1 c) und V.11 = Abschnitt 15.12. Abs. 1 UStAE i. d. F. BMF v.2.1.2012). Danach soll kein Vorsteuerabzugsverbot eintreten bei Bezug von sonstigen Leistungen, die von vornherein ausschließlich zur unentgeltlichen Weitergabe bestimmt sind, weil insoweit keine Wertabgabenbesteuerung in der MwStSystRL und in § 3 Abs. 9a Nr. 1 und 2 UStG vorgesehen ist. 34 Abschn. 15.6 Abs. 4 UStAE; vgl. auch BFH, Urt. v. 23.6.1993 – I R 14/93, BStBl. I 1993, 806 (Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG für Schenkung einer Reise an Geschäftsfreunde). 35 Grundlegend EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C – 97/90, Lennartz, EuGHE 1991, I – 3795 (Pkw); v. 4.10.1995 – Rs. C 291/92, Armbrecht, EuGHE 1995, I – 2775 = BStBl. II 1996, 392; v. 8.3.2001 – Rs. C 415/98, Bakcsi, EuGHE 2001, I – 1831 (Kfz). 36 Vgl. Abschn. 15.2 Abs. 21 UStAE.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs dabei folgende drei Zuordnungsmöglichkeiten zur Verfügung: Er kann erstens den Gegenstand seinem Unternehmen vollständig oder zweitens nur teilweise zuordnen. Er kann ihn drittens aber auch vollständig nicht seinem Unternehmen zuordnen.37 Eine Zuordnung zum Unternehmen ist nur dann nicht möglich, wenn der Gegenstand ausschließlich für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird.38 Die Zuordnungswahl wirkt sich für den Umfang des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG, für die Möglichkeit etwaiger späterer Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG und für den Umfang der zu besteuernden Umsätze aus. Wird der Gegenstand vollständig dem Unternehmen zugeordnet, besteht das Vorsteuerabzugsrecht auch für den für private unternehmensfremde Zwecke außerhalb des Unternehmens genutzten Teil. Im Gegenzug unterliegt die Verwendung für diese Zwecke nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG, Art. 26 MwStSystRL der Besteuerung. Wird der Gegenstand veräußert, liegt hinsichtlich des gesamten Gegenstandes eine in den Rahmen des Unternehmens fallende Lieferung vor. Für Deutschland ist allerdings zu beachten, dass nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG Lieferung/Erwerb und Einfuhr eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für das Unternehmen nutzt, nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt. Insoweit kommen mithin kein Vorsteuerabzug und keine Besteuerung der privaten Verwendung in Betracht.39 Zu dieser Abweichung von der Richtlinienregelung ist Deutschland durch den Rat die erforderliche Ermächtigung erteilt worden.40 Wird der Gegenstand dem Unternehmen nur zum Teil zugeordnet, besteht auch nur ein anteiliges Vorsteuerabzugsrecht entsprechend dieser Teilzuordnung zum Unternehmen. Im Gegenzug stellt sich die private Verwendung des nicht zugeordneten Teiles nicht als eine nach § 3 Abs. 9a UStG, Art. 26 MwStSystRL zu besteuernde Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes dar. Eine Veräußerung des gesamten Gegenstandes führt nur im Umfange des zugeordneten Teiles zu einer zu besteuernden Lieferung. Ein gravierender Nachteil ergibt sich, wenn sich nachträglich der Umfang der Verwendung für unternehmerische Zwecke erhöht. Eine Vorsteuerberichtigung zugunsten des Unternehmers nach § 15a UStG kommt dann nicht 37 BFH, Urt. v. 11.4.2008 – V R 10/07, BStBl. II 2009, 741; v. 31.1.2002 – V R 61/96, BStBl. II 2003, 813; v.28.2.2002 – V R 25/96, BStBl. II 2003, 815; EuGH, Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C 415/98, Bakcsi, EuGHE 2001, I – 1831. 38 BFH, Urt. v. 23.9.2009 – XI R 18/08, BStBl. II 2010, 313; EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C 460/07, Puffer, UR 2009, 410. 39 Vgl. zur Errechnung nach Nutzflächenanteilen bei Gebäuden FG München, Urt. v. 2.3.2011 – 3 K 2880/08 (rk.), EFG 2011, 1665. 40 Die bis 31.12.2002 befristete Ermächtigung v. 28.2.2000 – Council Decision 2000/186/EC wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis 31.12.2012 durch die Ermächtigung v. 20.10.2009 – Council Decision 2009/791/EC, OJ L 283, 30.10.2009, p. 55.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs in Betracht.41 Bei vollständiger Nichtzuordnung des Gegenstandes kommt weder ein Vorsteuerabzug, noch eine spätere Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Betracht. Wegen der gravierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen ist die Zuordnungsentscheidung bereits bei Erwerb zu treffen. Eine positive Zuordnungsentscheidung bei Erwerb muss sich durch Beweisanzeichen belegen lassen.42 Die zeitnahe Geltendmachung – spätestens bis zur gesetzlichen Abgabefrist für die Jahreserklärung bis zum 31.5. des Folgejahres43 – oder Unterlassung des vollen Vorsteuerabzugs ist ein gewichtiges Indiz für oder gegen eine positive Zuordnungsentscheidung.44 2. Grundstücksnutzung für unternehmensfremde private (Wohn)Zwecke bis zur Neuregelung Mit Wirkung ab dem 1.1.2011 erfolgte allerdings eine Neuregelung der Rechtsfolgen bei gemischter Verwendung eines Grundstückes sowohl für die unternehmerischen Zwecke der entgeltlichen Umsätze als auch für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke.45 Die Neuregelung ist aufgrund der Übergangsregelung nicht auf Grundstücke und Gebäude anzuwenden, die aufgrund eines vor dem 1.1.2011 abgeschlossenen Vertrages angeschafft wurden oder mit deren Herstellung vor dem 1.1.2011 begonnen worden ist. Zum besseren Verständnis der Neuregelung wird zunächst kurz die bisherige Rechtslage dargestellt. Diese behält auch noch längere Zeit ihre Bedeutung für Grundstücke, die nicht unter die Neuregelung fallen. Als regelmäßig vorteilhaft erwies sich bis zur Neuregelung die Zuordnung von privat zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstückteilen zum Unternehmen. Sie ermöglicht den sofortigen Vorsteuerabzug auch für den privaten Wohnzwecken dienenden Grundstücksteil. Ein Vorsteuerausschluss tritt nicht ein, weil die nach § 3 Abs. 9a UStG zu besteuernde Verwendung für eigene Wohnzwecke keine befreite Vermietung darstellt, 41 EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C 460/07, Puffer, UR 2009, 410 m. w. N. 42 BFH, Urt. v. 11.4.2008 – V R 10/07, BStBl. II 2009, 741 m. w. N.; BFH, Urt. v. 17.12.2008 – XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798; vgl. auch BFH, Urt. v. 7.7.2011 – V R 21/10, BFH/NV 2012,143 und Vorinstanz Nds. FG, Urt. v. 7.5.2010 – 16 K 189/09 m. w. N., EFG 2011, 87. 43 Siehe dazu BFH, Urt. v. 11.11.2011 – V B 19/10, BFH/NV 2012, 459; BFH, Urt. v. 7.7.2011 – V R 21/10, BFH/NV 2012,143; BFH, Urt. v. 7.7.2011 – VR 41/09 und V R 42/09, UR 2011, 867 und 870. 44 Abschn. 15.2. Abs. 21 USAE; Nds. FG, Urt. v. 7.5.2010 – 16 K 189/09 (Rev. AZ V R 21/10) m. w. N.; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.2.2011 – 6 K 1004/09, EFG 2011, 1029 (rk). 45 Änderungen der §§ 3 Abs. 9a, 15 und 15a UStG durch Art. 4 des JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I, 1768, BStBl. I, 1394.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs wie der EuGH verfehlterweise ausdrücklich gegenüber dem abweichenden zutreffenden früheren Verständnis in Deutschland in der Sache Seeling46 entschieden hat. Der Liquiditätsvorteil aus dem sofortigen Vorsteuerabzugsrecht überwiegt regelmäßig den Nachteil der sukzessiv nachfolgenden Besteuerung der privaten Nutzung. Eine Nichtzuordnung zum Unternehmen ist vor allem auch deshalb nachteilig, weil sie zum endgültigen Verlust des Vorsteuerabzugsrechtes führt. Denn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG und der entsprechenden Regelung in Art. 184 f. MwStSystRL kommt nicht in Betracht für Gegenstände oder Teile von Gegenständen, die nicht schon bei Erwerb dem Unternehmen zugeordnet werden.47 Der EuGH hat sich insbesondere auf diese fehlende Möglichkeit einer späteren Vorsteuerberichtigung zugunsten des Unternehmers berufen, um zu rechtfertigen, dass zu außerunternehmerisch privaten Wohnzwecken verwendete Grundstückteile gleichwohl dem Unternehmen zugeordnet werden können und dadurch ein Vorsteuerabzug auch dafür eröffnet wird. Dass Nichtunternehmer und Unternehmer mit ausschließlich steuerbefreiten Umsätzen diese Möglichkeit nicht haben, verstoße daher nicht gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung.48 3. Neuregelung ab 1.1.2011 a) Neuregelung in Art. 168a MwStSystRL Die vom EuGH nicht als Verstoß gegen den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz angesehene unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung der Nutzung eines eigenen Grundstückes für außerunternehmerische, namentlich private Wohnzwecke, durch einen Unternehmer einerseits und einen Nichtunternehmer oder einen Unternehmer mit nur steuerfreien Umsätzen andererseits, wurde jedenfalls vom Richtliniengeber als unbefriedigend angesehen. Zur Änderung des als unbefriedigend angesehenen Rechtszustandes wurde Ende 2009 in die MwStSystRL Art. 168a neu eingefügt.49 Art. 168a MwStSystRL regelt für ein dem 46 EuGH, Urt. v. 8.5.2003 – Rs. C 269/00, Seeling, EuGHE 2003, I – 4101 = BStBl. II 2004, 378; seither ständige Rechtsprechung vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 14.7.2005 – Rs. C 434/03, Charles und Charles Tijmens, EuGHE 2005, I – 7037; v. 14.9.2006 – Rs. C 72/05, Wollny, EuGHE 2006, I – 8297. 47 EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C 460/07, Puffer, UR 2009, 410; v. 11.6.1991, Lennartz, Rs. C-97/90, EuGHE 1991, I-3795; v. 21.4.2005, HE, Rs. C-25/03, EuGHE. 2005, I-3123. 48 EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C 460/07, Puffer, UR 2009, 410 m. w. N. 49 Richtlinie 2009/162/EU des Rates v. 22.12.2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG, ABl EU 2010, Nr. L 10, 14. Nach der Präambel dient die Aufnahme des Art. 168a der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen und soll ein gerechtes Vorsteuerabzugssystem garantieren.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Unternehmen zugeordnetes Grundstück, das sowohl für unternehmerische Zwecke wie auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, das Vorsteuerabzugsrecht und die Behandlung bei Änderung des Verwendungsanteils für die unternehmerischen Zwecke einerseits und die unternehmensfremden Zwecke andererseits. Hinsichtlich des Vorsteuerabzugsrechtes wird bestimmt, dass dieses nur für den Teil besteht, der auf die Verwendung des Grundstückes für unternehmerische Zwecke zur Ausführung von zu besteuernden und diesen für den Vorsteuerabzug gleichgestellten befreiten und nicht steuerbaren Auslandsumsätzen entfällt. Damit wird entgegen der bisherigen Regelung gerade ausgeschlossen, durch Zuordnung des zu privaten unternehmensfremden Zwecken verwendeten Grundstücksteiles zum Unternehmen den vollen Vorsteuerabzug zu erhalten. Für die nachträgliche Änderung des Verwendungsanteils wird auf die Regelungen der MwStSystRL in Art. 184 f zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei einer Änderung der Verhältnisse verwiesen. Das gilt sowohl bei einer Erhöhung wie auch einer Verminderung der unternehmerischen Nutzung. Eine Besteuerung der Verwendung des Grundstückes für private unternehmensfremde Zwecke findet nicht statt. Sie wird ersetzt durch den lediglich anteiligen Vorsteuerabzug und die Vorsteuerberichtigung bei Änderung der Verwendungsverhältnisse auch zugunsten des Unternehmers bei einer Erhöhung der unternehmerischen Verwendung. b) Umsetzung im UStG Die Umsetzung des Art. 168a MwStSystRL erfolgte durch das JStG 2010 im UStG wie folgt:50 1. Durch § 15 Abs. 1b UStG wird bei einem teilunternehmerisch auch für außerunternehmerische Zwecke verwendeten Grundstück der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit die Vorsteuer nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Die erforderliche Aufteilung hat nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG zu erfolgen. 2. In § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG wird die Verwendung des teilunternehmerisch genutzten Grundstückes für außerhalb des Unternehmens liegende (private) Zwecke und den Bedarf des Personals von der Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe ausgenommen. 3. § 15a Abs. 6a UStG bestimmt, dass eine die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG auslösende Änderung der Verhältnisse auch vorliegt, 50 Vgl. zu den dadurch veranlassten Ergänzungen/Änderungen der UStAE BMF, Schr. v. 22.6.2011, BStBl. I 2011, 597.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs wenn sich bei einem teilunternehmerisch im Sinne des § 15 Abs. 1b UStG genutzten Grundstück das Verhältnis der unternehmerischen Verwendung zur außerunternehmerischen Verwendung ändert. § 15a Abs. 8 Satz 2 UStG regelt, dass die Veräußerung und die Entnahme nach § 3 Abs. 1b eines teilunternehmerisch verwendeten Grundstückes eine Änderung der Verhältnisse darstellt, wenn sie anders zu beurteilen ist als der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG. Zu beachten ist, dass nach Auffassung der Verwaltung die Anwendung der neuen Vorschriften voraussetzt, dass das Grundstück insgesamt auch mit dem nicht zu Zwecken des Unternehmens genutzten Teil dem Unternehmen zugeordnet wird.51 Erfolgt keine Zuordnung, ist der Vorsteuerabzug bereits nach § 15 Abs. 1 ausgeschlossen, da kein Bezug für das Unternehmen vorliegt. Vor diesem Hintergrund erscheint das Verlangen nach einer Zuordnung zunächst sinnlos, da auch bei Zuordnung der Vorsteuerabzug für den nicht zu unternehmerischen Zwecken verwendeten Grundstücksteil ohnehin nach § 15 Abs. 1b UStG ausgeschlossen wird. Die Verwaltung vertritt aber die Auffassung, dass für einen nicht zugeordneten Grundstücksteil eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG nach wie vor nicht in Betracht kommt, wenn dieser später dann doch für Zwecke des Unternehmens verwendet wird. Außerdem unterliegt die Veräußerung eines nicht dem Unternehmen zugeordneten Grundstücksteiles nicht der Besteuerung. Umgekehrt kann für die Veräußerung eines Grundstückes zur Steuerpflicht auch nur optiert werden, wenn der Erwerber dieses seinem Unternehmen zuordnet. Für die Auffassung der Verwaltung sprechen die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut des Art. 168a MwStSystRL. Dort ist ausdrücklich von einem „dem Unternehmen zugeordneten Grundstück“ die Rede. Da für den unternehmensfremd genutzten Teil der Vorsteuerabzug ohnehin ausgeschlossen wird, stellt die Nichtgeltendmachung des Vorsteuerabzugs keinerlei Beweisanzeichen gegen oder für eine Zuordnung dar. Die Finanzverwaltung verlangt daher eine ausdrückliche positive Erklärung für eine Zuordnung. Beispiel: U lässt in 01 ein Gebäude errichten, dass zu 50 % für eigene Wohnzwecke und zu 50 % für unternehmerische Zwecke genutzt wird. Ab 02 wird es nur noch für 51 BMF, Schr. v. 22.6.2011, BStBl. I 2011, 597; Abschnitt 15.2. Abs. 21 und 15.6a Abs. 7 UStAE; a. A. Wäger, UR 2012, 25 (28). Hinsichtlich der Nichtanwendung des § 15 Abs. 1b und 15a Abs. 6a UStG bei fehlender Zuordnung ist der Verwaltung zu folgen. In der Sache ist allerdings fraglich, ob nicht schon unmittelbar § 15a Abs. 1 UStG bei einer zugunsten der unternehmerischen Nutzung erfolgenden Veränderung der Verwendungsverhältnisse eines teilunternehmerisch genutzten Grundstückes auch bei fehlender Zuordnung anzuwenden ist (siehe dazu unten unter V.4.).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs unternehmerische Zwecke genutzt. In 03 wird das Grundstück an einen Unternehmer für dessen Unternehmen veräußert. U optiert für diese Veräußerung nach § 9 UStG Dem U steht in 01 lediglich ein Vorsteuerabzug in Höhe von 50 % zu. Ohne Zuordnung ergibt sich für 02 keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 und für 03 keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 8. Mit Zuordnung ergibt sich für 02 eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a Abs. 1 zu 50 % wegen der nunmehrigen 100 %igen unternehmerischen Nutzung und für 03 eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a Abs. 8 um 50 % wegen der zu 100 % steuerpflichtigen Veräußerung des Grundstückes.

V. Vorsteuerabzug und Vorsteuerkorrektur bei gemischter Verwendung zu unternehmerischen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten 1. Nur anteiliger Vorsteuerabzug Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist zu unterscheiden zwischen der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf und diesem vergleichbare unternehmensfremde Zwecke einerseits und der Verwendung des Gegenstandes für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen.52 Die Unterscheidung wirkt sich für den Umfang des Vorsteuerabzugsrechtes bei Erwerb des Gegenstandes gemäß Art. 167 f. MwStSystRL aus und für die Beurteilung, ob eine nach Art. 26 MwStSystRL zu besteuernde Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Unternehmers, seines Personals oder allgemein zu unternehmensfremden Zwecken vorliegt. Bei einer gemischten Verwendung für unternehmerische (wirtschaftliche) Zwecke einerseits und für private und vergleichbar unternehmensfremde Zwecke andererseits besteht, wie oben ausgeführt, ein Zuordnungswahlrecht mit der Folge eines vollen Vorsteuerabzugsrechtes, falls eine Zuordnung erfolgte. Die Verwendung für die privaten und unternehmensfremden Zwecke ist dann zu besteuern. Bei der gemischten Verwendung eines Gegenstandes für eine unternehmerische wirtschaftliche Tätigkeit und eine nichtwirtschaftliche (nichtunternehmerische) Tätigkeit ist hingegen der Vorsteuerabzug nur anteilig in dem Umfange zu gewähren, zu dem der Gegenstand für die wirtschaftliche Tätigkeit verwendet wird. Die Verwendung des Gegenstandes für die nichtwirtschaftliche Tätigkeit ist nicht als Verwendung für unternehmensfremde (private) Zwecke nach Art. 26 MwStSystRL zu besteuern. Sie stellt keinen Umsatz im Sinne des Art. 2 MwStSystRL dar. 52 EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C 515/07, VNLTO, EuGHE 2009, I -839.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Der BFH folgt dieser Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinienregelung nunmehr ausdrücklich auch für die richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechtes.53 Demzufolge liegt im Sinne des § 15 Abs. 1 UStG kein Bezug für das Unternehmen vor, soweit der Gegenstand für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit verwendet wird. Ein Vorsteuerabzug ist daher nur anteilig zulässig, soweit die Eingangsleistung für die wirtschaftliche (=unternehmerische) Tätigkeit erfolgt. Die nichtwirtschaftliche Tätigkeit wird gerade nicht als Unternehmer im Rahmen des Unternehmens ausgeübt. Die Verwendung des Gegenstandes für die nichtwirtschaftliche Tätigkeit stellt keine Verwendung des Gegenstandes für Zwecke außerhalb des Unternehmens oder für den privaten Bedarf im Sinne des § 3 Abs. 9a UStG dar.54 2. Nichtwirtschaftliche Tätigkeit und unternehmensfremde außerunternehmerische Zwecke Sowohl eine Verwendung zu unternehmensfremden Zwecken im Sinne des Art. 26 MwStSystRL als auch eine nichtwirtschaftliche (nichtunternehmerische) Tätigkeit sind bei allen als Unternehmer handelnden Rechtsträgern möglich.55 Eine unternehmensfremde Verwendung, respektive eine Verwendung für Zwecke außerhalb des Unternehmens im Sinne des § 3 Abs. 9a UStG ist immer anzunehmen, wenn sie der Befriedigung eines privaten Bedarfs dient. Ist der Unternehmer eine natürliche Person, geht es um dessen privaten Bedarf. Bei Gesellschaften und Vereinen als Unternehmern geht es um die Befriedigung eines privaten oder sonstigen außerhalb des Satzungszweckes liegenden Bedarfs der Gesellschafter oder Mitglieder. Bei allen Rechtsträgern einschließlich der juristischen Personen des öffentlichen Rechtes kommt jedenfalls eine Ver53 BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58 = UR 2011, 357 (Wohnraumüberlassung durch GmbH an Gesellschafter–Geschäftführer); BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 616 (Marktplatzsanierung). Dieser Rechtsprechung des BFH folgt nunmehr ausdrücklich auch die Verwaltung, vgl. BMF, Schr. v. 2.1.2012 – IV D 2 – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, 60 und nunmehr Abschnitt 15.2 Abs. 15a Sätze 6 und 7 (neu) UStAE. 54 Eine entsprechende richtliniekonforme Auslegung hält Englisch für unzulässig, Englisch in Englisch/Nieskens, Vorsteuerabzug und nichtsteuerbare Aktivitäten, USt-Kongreß-Bericht, 2010, 25 (39, 75 f.). Zu beachten wäre dann aber jedenfalls der Anwendungsvorrang der Richtlinie, so dass eine Besteuerung der Verwendung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG unzulässig wäre. Ob gleichwohl, weil vorteilhaft, auf entsprechendes Verlangen, der volle Vorsteuerabzug zu gewähren wäre und ob dann bejahendenfalls eine richtlinienwidrige Besteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG als kompensatorische Maßnahme gegen den Willen des Steuerpflichtigen zulässig wäre, muss hier offen bleiben. 55 BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58 = UR 2011, 367; EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C 515/07, VNLTO, EuGHE 2009, I – 839.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs wendung für den privaten Bedarf des Personals in Betracht. Umgekehrt ist auch eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit bei allen Rechtsträgern möglich. Bei Vereinen ist es deren satzungsgemäße Tätigkeit, soweit diese nicht gerade in einer auf die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt gerichteten wirtschaftlichen Unternehmertätigkeit besteht. Die nichtwirtschaftliche Tätigkeit kann, aber muss nicht den ideellen Bereich betreffen.56 Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist es jede Tätigkeit im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises, namentlich im hoheitlichen Aufgabenbereich,57 ausgenommen die auf Leistungserbringung gegen Entgelt gerichtete unternehmerische Tätigkeit, sofern die Nichtbesteuerung zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte58. Bei privaten Rechtsträgern gehören dazu satzungsgemäße Tätigkeiten, die nicht der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dienen, soweit sie nicht eine unternehmerische Tätigkeit begründen, etwa das bloße Halten von Beteiligungen zwecks Erlangung von Gewinnausschüttungen. 3. Überholte Beurteilung in den UStAE (bis 2012) Soweit die Verwaltung für Vereine59 und für Juristische Personen60 des öffentlichen Rechts – in den UStAE vor 2012 – noch davon ausging, dass bei gemischter teilunternehmerischer Verwendung auch für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit durch Zuordnung ein voller Vorsteuerabzug möglich ist und die Verwendung für die nicht wirtschaftliche Tätigkeit zum Ausgleich dafür nach § 3 Abs. 9a UStG zu besteuern ist, ist dies auch für das deutsche Recht nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BFH überholt. Der V. Senat hat ausdrücklich bei Verwendung eines Gegenstandes (Marktplatz) zu unternehmerischen Zwecken und zu hoheitlichen Zwecken (Straßenbaulastträger) die Möglichkeit der Erlangung des vollen Vorsteuerabzugs verneint.61 Stattdessen kommt nur eine anteiliger Vorsteuerabzug in Betracht. Dem folgt inzwischen auch die 56 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C 515/07, VNLTO, EuGHE 2009, I – 839; Abschn. 1. 4 und 2.10 UStAE m. w. N. 57 Vgl. statt vieler BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617 (Marktplatzsanierung als hoheitliche Tätigkeit). 58 Vgl. dazu nunmehr BFH, Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFH/NV 2012, 534 (Überlassung von Tiefgaragenplätzen durch „hoheitlich“ handelnde Gemeinde!) unter Berufung auf EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs.C 288/07, Isle of Wight, EuGHE 2008, I – 7203. 59 Abschn. 2.10 Abs. 5 und Abs. 9 Beispiel 6 UStAE alter Fassung (geändert durch BMF, Schr. v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 60 (unter V.3.). 60 Abschn. 2.11 Abs. 11 und Abs 18., Abschn.15 Abs. 19 Abs. 3 Nr. 2 i. d. F. BMF Schr. v. 22.6.2011, BStBl. I 2011, 597 – inzwischen insoweit alle geändert durch BMF, Schr. v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 60. 61 BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617; anders noch BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, UR 2010, 368.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Verwaltung und hat die UStAE entsprechend geändert62. Dabei kann im Einzelfall problematisch sein, nach welchen Kriterien sich der Aufteilungsmaßstab bestimmt. Im Ergebnis muss eine „wirtschaftliche Zurechnung“ je nach der Art des verwendeten Gegenstandes nach denselben Aufteilungsmaßstäben erfolgen, wie sie bei § 15 Abs. 4 UStG angewendet werden, etwa Nutzungszeiten, km Leistung, Betriebsstunden.63 Beispiel: Eine Gemeinde (Verein) schafft einen Pkw an, der (bei Aufteilungsmaßstab km Leistung) zu 70 % für hoheitliche (Vereinszwecke) und zu 30 % für unternehmerische Zwecke verwendet wird. Richtigerweise besteht nur für 30 % ein Vorsteuerabzugsrecht.

Bei Grundstücken, die zeitlich unter die Neuregelung fallen, ging die Verwaltung bisher davon aus, dass § 15 Abs. 1b UStG anwendbar sei.64 Das dürfte unzutreffend gewesen sein. Denn auch § 15 Abs. 1b UStG betrifft nur die gemischte Verwendung zu „unternehmensfremden“ außerhalb des Unternehmens liegenden privaten Zwecken und nicht die Verwendung für bloße nicht im Rahmen des Unternehmens erfolgende nichtwirtschaftliche Tätigkeiten. Für den Vorsteuerabzug kann dies allerdings dahinstehen. Denn auch ohne Anwendung des § 15 Abs. 1b UStG lässt insoweit schon § 15 Abs. 1 UStG den Vorsteuerabzug nur für die unternehmerische Verwendung und eröffnet ihn nicht für die Verwendung zu nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten. 4. Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG Problematisch erscheint, inwieweit eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG, Art. 184 f. MwStSystRL bei einer Änderung des Verhältnisses der Verwendung zwischen unternehmerischer und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit vorzunehmen ist. Das ist unproblematisch zu bejahen, soweit eine Vorsteuerkorrektur zu Lasten des Unternehmers vorzunehmen ist, weil sich die unternehmerische Verwendung verminderte. Denn soweit ein Vorsteuerabzug bei Erwerb vorgenommen werden konnte, ist der Gegenstand auch für das Unternehmen erworben worden, respektive hat der Steuerpflichtige bei Erwerb als Unternehmer gehandelt. Vermindert sich die unternehmerische Verwendung und erhöht sich die Verwendung für die nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist daher der „ursprüngliche Vorsteuerabzug“ bei Erwerb nach § 15a UStG, Art. 184 f. MwStSystRL zu 62 BMF, Schr. v. 2.1.2012 – IV D 2 – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, 60 (unter V. 8.b) und c) zu Abschnitt 15.2. Abs. 15 a und Abs. 21 UStAE). 63 So zutreffend Keyser, UVR 2011, 269. 64 Vgl. BMF, Schr. v. 22.6.2011, BStBl. I, 597 Änderungen zu Abschn. 2.11 Abs. 18 und zu Abschn. 15 Abs. 19 Abs. 3 Nr. 2 UStAE alter Fassung; anders nunmehr Abschnitt 15. 6a Abs. 1 und Abschnitt 3.4. Absatz 5a UStAE in der Fassung BMF, Schr. v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 60 (unter V.6. d) und V.10).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs berichtigen65. Auch bei vollständiger und endgültiger Überführung in den Bereich der nichtwirtschaftlichen (hoheitlichen oder Vereins-)Tätigkeit liegt allerdings, entgegen der bisherigen Auffassung der Verwaltung, keine Entnahme nach § 3 Abs. 1b UStG vor. Eine Vorsteuerkorrektur ist daher nach § 15a Abs. 1 UStG nur pro rata temporis für jedes Jahr bis zum Ende des Berichtigungszeitraumes und nicht sofort in vollem Umfange nach § 15a Abs. 8 und 9 UStG durchzuführen.66 Bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH erscheint aber fraglich, ob eine Vorsteuerkorrektur auch zugunsten des Unternehmers zulässig ist, wenn sich die unternehmerische Verwendung erhöht. Bei einer „Einlage“ aus dem nichtunternehmerischen Bereich ist von EuGH und BFH die Berechtigung zu einer Vorsteuerkorrektur bisher gerade verneint worden. Eine Vorsteuerberichtigung setzt danach voraus, dass der Gegenstand bereits bei Erwerb für das Unternehmen erworben wurde, respektive, dass der Unternehmer als solcher handelte. Daher kommt eine Vorsteuerberichtigung jedenfalls dann nicht in Frage, wenn der Erwerb ausschließlich zur Verwendung für die nichtunternehmerische nichtwirtschaftliche Tätigkeit erfolgte. So haben denn auch sowohl der EuGH als auch der BFH bei einem Erwerb ausschließlich für den Hoheitsbereich einer juristischen Person die Zulässigkeit einer Vorsteuerkorrektur bei nachfolgender unternehmerischer Verwendung verneint.67 Anders als für die gemischte Verwendung zu unternehmensfremden privaten Zwecken68 liegt aber bisher keine Entscheidung vor, die eine Vorsteuerkorrektur zugunsten des Unternehmers für unzulässig hält, wenn sich lediglich der Anteil der unternehmerischen Verwendung erhöht und der Anteil der Verwendung für eine nichtunternehmerische Tätigkeit sich vermindert. Es liegt aber in der Konsequenz der nunmehr 65 Anders aber die Verwaltung. Danach soll im Umfange der Verminderung der unternehmerischen Verwendung eine nach § Abs. 9a Nr. 1 UStG zu besteuernde Wertabgabe vorliegen. Vgl. Abschnitt 2.11. Abs. 18 Satz 5, Abschnitt 3.4. Abs. 2 Satz 4 und Abs. 5a Sätze 3 und 4 UStAE i. d. F. BMF, Schr. v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 60. Dem ist nicht zu folgen. Veränderungen des Umfanges der Verwendung für die unternehmerische wirtschaftliche Tätigkeit und eine nichtwirtschaftliche (aber nicht private, unternehmensfremde) Tätigkeit ist ausschließlich durch eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG Rechnung zu tragen. 66 Reiß, UR 2010, 797 (808). 67 EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C 378/02, Waterschap Zeeuws Vlaanderen, EuGHE 2005, I – 4685; BFH, Urt. v. 1.12.2010 – XI R 28/08, UR 2011, 678. 68 Dazu BFH, Urt. v. 11.4.2008 – V R 10/07, BStBl. II 2009, 741; EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90; Lennartz, Slg. 1991, I-3795; EuGH, Urt. v. 21.4.2005 – Rs. C-25/03, HE, EuGHE 2005, I-3123; EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C 460/07, Puffer, UR 2009, 410 m. w. N.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs vom EuGH vorgenommenen Differenzierung zwischen einer unternehmensfremden Verwendung und der Verwendung zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit eines dem Unternehmen jedenfalls partiell zugehörigen Gegenstandes, anzunehmen, dass eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des Art. 184 MwStSystRL auch vorliegt, wenn sich die Verwendung des Gegenstandes für unternehmerische wirtschaftliche Zwecke lediglich erhöht.69 Soweit es sich um Grundstücke handelt, die auch für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit verwendet werden, kam die Finanzverwaltung deshalb zum selben Ergebnis, weil sie § 15 Abs. 1b UStG und damit auch § 15a Abs. 6a UStG für anwendbar hielt70. Nunmehr verneint sie zwar zutreffend die Anwendbarkeit von § 15 Abs. 1b und § 15 Abs. 6a UStG, will aber § 15a Abs. 1 UStG „aus Billigkeitsgründen“ entsprechend anwenden71. Das ist zwar zweifelhaft, beschwert aber das Unternehmen nicht.

VI. Vorsteuerabzug bei Veräußerung einer Beteiligung 1. Steuerbefreite Veräußerung Nach der Rechtsprechung des V. Senates schließt § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug aus Beratungsleistungen aus, die ein Unternehmer im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Beteiligung an einer Aktiengesellschaft in Anspruch nimmt.72 Voraussetzung für den Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist freilich, dass sich die Veräußerung der Beteiligung als ein in den Rahmen des Unternehmens fallender steuerbarer, allerdings befreiter Umsatz darstellt. Davon geht der V. Senat in Übereinstimmung mit dem EuGH73 aus, wenn die Beteiligung mit Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die 69 So auch Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15a Rn. 277–280; vgl. auch Reiß, UR 2010, 797 (806); im Ergebnis ebenso Englisch, USt-Kongreß-Bericht 2010, 25 (75 f.) jedenfalls für das deutsche Recht auf der Basis der Annahme, dass ungeachtet der VNLTO Rechtsprechung für das deutsche Recht weiterhin das volle Zuordnungswahlrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 9a UStG auch bei teilweiser Verwendung für nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten bestehe. 70 BMF, Schr. v. 22.6.2011, BStBl. I 2011, 597 Änderungen zu Abschn. 2.11 Abs. 18 und zu Abschn. 15.19 Abs. 3 Nr. 2 UStAE. 71 Vgl. Abschnitt 3.4. Abs. 2 Satz 5 und Abs. 5a Satz 5, Abschnitt 15a.1 Abs. 7 UStAE i. d. F. BMF, Schr. v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 60. 72 BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 = DStR 2011,454 mit Anm. Wäger, DStR 2011, 433. Dem folgt nunmehr vollumfänglich Abschnitt 15.21 und 15.22. UStAE i. d. F. BMF, Schr. v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 60 (unter V.14.). 73 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C – 29/08, SKF, EuGHE 2009, I – 10413 = UR 2010,107 m. w. N., u. a. v. 20.6.1991 – Rs. C-60/90, Polysar, EuGHE 1991,

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Beteiligung begründet wurde; dies allerdings nur, soweit der Eingriff der Umsatzsteuer unterliegende Dienstleistungen an die Tochtergesellschaft gegen Entgelt umfasst. Die Rechtsprechung stellt damit zutreffend einen Gleichklang her zwischen dem Erwerb einer Beteiligung „für das Unternehmen“ im Sinne des § 15 Abs. 1 UStG und einer Veräußerung der Beteiligung „im Rahmen des Unternehmens“ im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG, respektive zwischen dem Erwerb einer Beteiligung als Steuerpflichtiger im Sinne der Art. 167 f. MwStSystRL und einer in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Veräußerung der Beteiligung gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL durch den als solchen handelnden Steuerpflichtigen.74 Nur wenn bereits der Erwerb der Beteiligung zur Ausführung nachhaltiger, gegen Entgelt erfolgender Umsätze erfolgte, sei es zwecks eines nachhaltigen Wertpapierhandels, sei es zur Ausführung von entgeltlichen Dienstleistungen an die Gesellschaft, an der die Beteiligung zwecks Eingriffen in deren Verwaltung erworben wird, führt die spätere Veräußerung der Beteiligung zu einer in den Rahmen des Unternehmens fallenden Leistung.75 Diese ist dann allerdings nach § 4 Nr. 8e und f UStG, Art. 135 Abs. 1 Buchstabe f der MwStSystRL befreit. Auch bei einer steuerbefreiten Ausgangsleistung tritt ein Vorsteuerausschluss allerdings nicht für solche Eingangsleistungen ein, die zu den allgemeinen Aufwendungen gehören, die mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der steuerpflichtigen Umsätze und diesen – für die Vorsteuerabzugsberechtigung – gleichgestellten steuerfreien und nicht steuerbaren Umsätze zusammenhängen. Insoweit geht der V. Senat davon aus, dass bei Bestehen eines unmittelbaren und direkten Zusammenhanges zwischen einer Eingangsleistung und steuerbefreiten Ausgangsleistungen nicht in Betracht kommen kann, zugleich von einem unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit der den Vorsteuerabzug zulassenden wirtschaftlichen Gesamttätigkeit auszugehen. Das gilt auch, wenn eine Eingangsleistung unmittelbar für einen steuerfreien Ausgangsumsatzes bezogen wird, dessen Ausführung seinerseits zur Stärkung der zum Vorsteuerabzug berechtigenden wirtschaftlichen Gesamttätigkeit erfolgt. Unter zutreffender Berufung auf die frühere Rechtsprechung des EuGH76 wird insoweit kein unmittelbarer und direkter I-3111; v. 14.11.2000 – Rs. C-142/99, Floridienne und Berginvest, EUGHE 2000, I-9567; v. 27.9.2001 – Rs. C-16/00, Cibo Participations, EuGHE 2001, I-6663. 74 So ausdrücklich EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C – 29/08, SKF, EuGHE 2009, I – 10413 = UR 2010,107 Rn. 34; v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03,Kretztechnik, EuGHE 2005, I-4357, Rn. 19. 75 Siehe auch Wäger, Tätigkeitssphären und Vorsteuerabzug bei der Holding, in FS Reiß, 2008, 229 f. (242). 76 EuGH, Urt. v. 6.4.1995 – Rs. C-4/94, BLP, EuGHE 1995, I-983; v. 8.6.2000 – Rs. C-98/98, Midland Bank, EuGHE. 2000, I-4177; v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98, Abbey National, EuGHE 2001, I-1361, 25).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Zusammenhang durch allgemeine Aufwendungen mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit angenommen. Denn es liege dann lediglich eine nicht ausreichende mittelbare Stärkung der zum Vorsteuerabzug berechtigenden wirtschaftlichen Gesamttätigkeit vor. Das hatte der EuGH gerade auch für Vorsteuern aus Dienstleistungen ausgesprochen, die von Rechtsanwälten und Steuerberatern an den Unternehmer im Zusammenhang mit der steuerfreien Veräußerung einer GmbH – Beteiligung erbracht worden waren. Die steuerfreie Veräußerung erfolgte, um finanzielle Mittel für die besteuerten Umsätze zu gewinnen. Der EuGH erklärte insoweit ausdrücklich, dass kein Vorsteuerabzugsrecht bei Verwendung einer Eingangsleistung für steuerfreie Umsätze besteht, auch wenn der endgültige Zweck des steuerfreien Umsatzes die Bewirkung von besteuerten Umsätzen ist.77 Die nunmehrigen sibyllinischen Ausführungen des EuGH in Sachen SKF zur Vorlagefrage, ob eine Vorsteuerabzugsberechtigung für Leistungen besteht, die für Zwecke einer befreiten Aktienveräußerung erbracht wurden, weil die Kosten dieser Leistungen zu den allgemeinen Aufwendungen gehören, lassen allerdings Zweifel, ob diese klare Linie vom EuGH noch beibehalten worden ist. Zwar geht der EuGH weiter davon aus, dass die Ausgaben für die empfangenen Dienstleistungen nur entweder mit den befreiten Aktienveräußerungen oder mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen können. Außerdem wird betont, dass kein Vorsteuerabzugsrecht besteht, wenn die bezogenen Leistungen mit steuerbefreiten Umsätzen zusammenhängen. Auf der anderen Seite soll allerdings ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit bestehen können, weil das Ziel der steuerbefreiten Veräußerung die Sammlung von Kapital zur Finanzierung der nicht steuerbefreiten wirtschaftlichen Tätigkeiten des „Konzerns“ war. Insoweit nimmt der EuGH dann auch noch ausdrücklich Bezug auf die Bejahung eines Vorsteuerabzugsrechtes für der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zurechenbare Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit außerhalb des Anwendungsbereiches der Mehrwertsteuer liegenden Vorgängen. Festgestellt werden müsse daher, ob die getätigten Ausgaben für die bezogenen Dienstleistungen in den Preis der veräußerten Aktien Eingang finden oder zu den Kostenelementen der Produktpreise für die zu besteuernden Lieferungen gehören. Der V. Senat hat in wohlwollender Interpretation des SKF-Urteils angenommen, dass der EuGH damit die klaren Grundsätze aus dem BLPUrteil weder aufgegeben noch eingeschränkt hat.78 Danach ist ein Vorsteuerabzugsrecht für Eingangsleistungen, welche der Ausführung 77 EuGH, Urt. v. 6.4.1995 – Rs. C-4/94, BLP, EuGHE 1995, I-983, Rn. 28. 78 Insoweit zweifelnd Braun/Matheis, UVR 2011, 246 (248, 249).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs steuerfreier Leistungen dienen, mangels unmittelbarem und direktem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit auch dann nicht gegeben, wenn durch das Entgelt für die steuerfreie Leistung das Kapital zur Finanzierung der zu besteuernden Umsätze aufgebracht wird. Richtigerweise geht der V. Senat auch davon aus, dass der Vorsteuerausschluss auch nicht davon abhängen kann, ob die Kosten der Eingangsleistung dem Erwerber der Anteile im Einzelfalle weiterbelastet werden können oder gar, ob sie konkret gesondert berechnet und ausgewiesen werden.79 Maßgebend für die „Kostenzurechnung“ kann vielmehr nur der objektive Verwendungszusammenhang der Eingangsleistung mit der steuerfreien Ausgangsleistung oder der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit sein. 2. Gleichbehandlung mit nichtsteuerbaren Vorgängen Nach der Entscheidung SKF darf das Vorsteuerabzugsrecht für Kosten, die sich auf eine steuerfreie Veräußerung einer Beteiligung beziehen, nicht versagt werden, wenn es für solche Kosten, die sich auf eine außerhalb des Anwendungsbereiches der Mehrwertsteuer liegende Veräußerung beziehen, anerkannt wird, dass es sich um allgemeine Aufwendungen handelt. Das Gericht80 verweist insoweit auf seine Entscheidungen zum Vorsteuerabzugsrecht aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der erstmaligen Ausgabe von Gesellschaftsrechten zur Erlangung von Eigenkapital81 und aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften, in deren Verwaltung durch entgeltliche Dienstleistungen eingegriffen wird.82 In beiden Konstellationen fehlt es freilich gerade an einer gegen Entgelt erfolgenden Veräußerung. Für die Erstausgabe von Gesellschaftsrechten geht der EuGH zutreffend davon aus, dass von der ausgebenden Gesellschaft schon keine Leistung gegen Entgelt erbracht wird. Die Transaktion erfolgt lediglich zur Stärkung ihres Eigenkapitals, das zugunsten ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt wird. Die Erstausgabe von Gesellschaftsrechten zur Stärkung des Eigenkapitals unterscheidet sich von der Veräußerung einer Beteiligung gerade dadurch, dass durch sie unmittelbar weiteres Kapital für die unternehmerische, nicht befreite wirtschaftliche Tätigkeit der

79 A. A. Eggers/Korf, DB 2009, 2685 (zum Verständnis des SKF-Urteils des EuGH!). 80 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C – 29/08, SKF, EuGHE 2009, I – 10413 = UR 2010,107 Rn. 64 f. 81 EuGH, Urt. v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03, Kretztechnik, EuGHE 2005, I-4357; EuGH, Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06, Securenta, EuGHE. 2008, I-1597. 82 EuGH, Urt. v. 27.9.2001 – Rs. C-16/00, Cibo Participations, EuGHE. 2001, I-6663.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Gesellschaft aufgebracht wird.83 Demgegenüber bewirkt die steuerfreie oder nicht steuerbare Veräußerung einer Beteiligung allenfalls, dass bisher im Halten der Beteiligung gebundene Mittel nunmehr für die zu besteuernde wirtschaftliche Tätigkeit eingesetzt werden können. Die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Veräußerung stehenden Eingangsleistungen kommen dann der wirtschaftlichen Tätigkeit gerade nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über die Verwendung des aus der steuerfreien Veräußerung erlangten Entgeltes zugute. Beim bloßen Erwerb einer Beteiligung fehlt es ohnehin schon an einer als Ausgangsleistung in Betracht kommenden Transaktion. Aus der Anerkennung des Vorsteuerabzugsrechtes aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften, in deren Verwaltung durch entgeltliche Dienstleistungen eingegriffen wird, lässt sich mangels Vergleichbarkeit auch nicht herleiten, dass ein Vorsteuerabzugsrecht dann auch für Eingangsleistungen gewährt werden müsse, die für eine nicht zu besteuernde Veräußerung in Anspruch genommen werden. Im Ergebnis zutreffend geht der BFH daher davon aus, dass die Versagung des Vorsteuerabzugs aus Eingangsleistungen, die unmittelbar für eine steuerfreie Beteiligungsveräußerung verwendet werden, nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstößt. Denn die Erstausgabe von Gesellschaftsrechten und der Erwerb einer Beteiligung sind keine der steuerfreien Veräußerung einer Beteiligung objektiv ähnliche Umsätze. Für den objektiv allein ähnlichen Umsatz der schon nicht steuerbaren Veräußerung einer Beteiligung außerhalb des Rahmens des Unternehmens besteht das Vorsteuerabzugsrecht ebenfalls nicht84. 3. Veräußerung einer 100 %-Beteiligung als Geschäftsveräußerung Ohne Not hat der V. Senat85 entschieden, dass die Veräußerung einer 100 %-igen Beteiligung in richtlinienkonformer Auslegung als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG zu behandeln sei. Die zutreffende entgegengesetzte Auffassung des X. Senates86 zum früheren Recht wurde aufgegeben. Dazu bot weder der zu entscheidende Sachverhalt Anlass, noch die Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzugsrecht bei Veräußerung von Beteiligungen87. 83 Vgl. zu dieser Unterscheidung auch BFH, Urt. v. 6.5.2010 – V R 29/09 (Ausgabe einer Schuldverschreibung), BStBl. II 2010, 885. 84 So zutreffend nunmehr auch Abschnitt 15.22 Abs. 2 UStAE i. d. F. BMF, Schr. v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 60 (unter V.14.). 85 BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 = DStR 2011,454 Rn. 18 f. mit Anm. Wäger, DStR 2011,433. 86 BFH, Urt. v. 29.10.1987 – X R 33 – 34/81, BStBl. II 1988, 92. 87 Nach dem Sachverhalt erfolgte keine Übertragung der Anteile zu 100 %. Der EuGH hat gerade offen gelassen, ob er, wie die Kommission, in einer Anteils-

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Folgt man dem V. Senat allerdings verfehlterweise darin, dass die Veräußerung einer 100 %-igen Beteiligung zu einer nicht der Umsatzsteuer unterliegenden Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG führt, wird der Vorsteuerabzug aus für die Veräußerung der Beteiligung erbrachten Eingangsleistungen nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, weil keine steuerfreie Beteiligungsveräußerung vorliegt. Es muss dann auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit abgestellt werden, die bis zur Veräußerung aufgrund der Beteiligung ausgeübt wurde.88 Dabei kann – entgegen Wäger89 – richtigerweise nicht auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft abgestellt werden, an der die Beteiligung besteht. Denn die Umsätze dieser Gesellschaft wurden schon während des Haltens der 100 %-igen Beteiligung nicht dem veräußernden Mutterunternehmen zugerechnet, sondern der Tochtergesellschaft selbst. Daran ändert sich auch durch die Veräußerung nichts. Behandelt man die Veräußerung einer 100 %-igen Beteiligung als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung, müssen für die Veräußerung erbrachte Eingangsleistungen daher der wirtschaftlichen Tätigkeit zugerechnet werden, die gerade begründeten, dass die Beteiligung als ein zum Unternehmen gehörendes Teilvermögen, respektive ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln ist.90 Das sind dann die gegen Entgelt ausgeführten Dienstleistungen, vermittels derer der Eingriff in die Verwaltung des Tochterunternehmens bis zur Veräußerung erfolgte. Von einer Geschäftsveräußerung kann dann auch nur ausgegangen werden, wenn der Erwerber anstelle des Veräußerers seinerseits solche Dienstleistungen weiterhin an die Tochtergesellschaft erbringt. 4. Veräußerung einer Organschaftsbeteiligung Zutreffend geht der V. Senat91 hingegen davon aus, dass die Übertragung einer die Organschaft vermittelnden Beteiligung dann eine unter § 1 Abs. 1a UStG fallende nicht der Umsatzbesteuerung unterliegende

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übertragung eine unter Art. 19 und 29 MwStSystRL (damals Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG) fallende Übertragung eines Teilvermögens sehen würde, EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C – 29/08, SKF, EuGHE 2009, I – 10413 Rn 35 f (40,41). Das vorlegende Gericht hatte dazu keinerlei Ausführungen gemacht. EuGH, Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98, Abbey National, EuGHE 2001, I-1361. Wäger, DStR 2011,433; vgl. aber auch Wäger, DStR 2009, 2292 (maßgebend sei, wofür das „erlangte Kapital“ verwendet werde). Vgl. zutreffend BMF, Schr. v. 3.1.2012 – IV D 2 – S 7100 –b/11/1001, BStBl. I 2012, 76 und Abschnitt 1.5. Abs. 9 UStAE i. d. F. dieses BMF Schreibens (Erwerber muss in das Rechtsverhältnis eintreten, durch das Halten eine unternehmerische Tätigkeit darstellt.). Siehe dazu (zweifelnd) auch Wäger, UR 2012, 125 (126). BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 = DStR 2011, 454 Rn. 18 f. mit Anm. Wäger, DStR 2011,433.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Geschäftsveräußerung eines gesondert geführten Betriebes darstellt, wenn der Erwerber die Organschaft aufgrund der erworbenen Beteiligung fortsetzt.92 Hier ist für den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen für die Veräußerung der Organschaftsbeteiligung auf den Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit abzustellen, die die beherrschte Organgesellschaft ausübt. Denn die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft wird dem Organträger zugerechnet. Die Organgesellschaft stellt sich mithin im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG während des Bestehens der Organschaft als im Unternehmen gesondert geführter Betrieb dar. Dieser Betrieb wird an den Erwerber der Organschaftsbeteiligung veräußert, wenn dieser seinerseits die Organschaft fortsetzt.93

VII. Einschränkungen des Vorsteuerabzugs im innergemeinschaftlichen Warenverkehr 1. Kein Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichem Erwerb im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG kann der Unternehmer die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb für sein Unternehmen als Vorsteuer abziehen. Der BFH94 legt im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH95 § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG richtlinienkonform teleologisch einschränkend aus. Ein Vorsteuerabzugsrecht besteht danach nicht, wenn die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb nur deshalb im Inland geschuldet wird, weil vom Erwerber eine USt-IdNr. der Bundesrepublik verwendet wurde, obwohl der Erwerb tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat stattfand. Der Vorsteuerabzug aus einem innergemeinschaftlichen Erwerb wird also nur für einen solchen Erwerb zugelassen, der tatsächlich aufgrund der Ortsregelung nach § 3d Satz 1 UStG im Inland 92 Kritisch zum Ausschluss eines im Ausland ansässigen Erwerbers durch den BFH Hahne, BB 2011, 999. 93 Zu Unrecht wollen Braun/Matheis, UVR 2011, 246 (250) der EuGH – Entscheidung SKF entnehmen, dass es nicht auf die Fortsetzung der Organschaft ankommen dürfe. So wohl auch Abschnitt 1.5. Abs. 8 Satz 5 UStAE i. d. F. BMF, Schr. v. 3.1.2012, BStBl. I 2012, 76. Die Problematik der Überprüfbarkeit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit durch den Erwerber besteht generell bei der Anwendung des § 1 Abs. 1a UStG, respektive der Art. 19, 29 MwStSystRL und nicht nur bei Erwerb einer die Organschaft vermittelnden Beteiligung. 94 BFH, Urt. v. 1.9.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658; BFH, Urt. v. 8.9.2010 – XI R 40/08, BStBl. II 2011, 661; dem folgend die Verwaltung BMF, Schr. v. 7.6.2011, BStBl. I 2011, 739. 95 EuGH, Urt. v. 22.4.2010 – Rs. C 536/08 und 539/08, X und Facet Trading BV, UR 2010, 418 mit Anmerkung Korf, IStR 2010, 367.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs bewirkt wird. Der Sinn der Regelung liegt darin, dass die definitive Umsatzbesteuerung letztlich nur in dem Mitgliedstaat stattfinden soll, in den der Liefergegenstand tatsächlich gelangt. Zur Sicherung der Erwerbsbesteuerung in diesem Staat wird zunächst bestimmt, dass bis zu einem Nachweis der Erwerbsbesteuerung in diesem Staat der Erwerber auch in einem anderen Mitgliedstaat, dessen USt-IdNr. er verwendet, die Steuer auf den Erwerb schuldet. Die Schuld entfällt nur und erst, wenn er nachweist, dass sein Erwerb im richtigen Mitgliedstaat besteuert worden ist. Der Anreiz, den Erwerb im Mitgliedstaat des tatsächlichen Erwerbs zu deklarieren und zu versteuern, entfällt jedoch, wenn die Besteuerung im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. durch die Gewährung des Vorsteuerabzugs schon quasi rückgängig gemacht wird. Die Versagung des Vorsteuerabzugs im Mitgliedstaat der bloßen Identifizierung anhand der verwendeten USt-IdNr dient mithin als Druckmittel, den Erwerb zutreffend im Mitgliedstaat des tatsächlichen Erwerbs zu deklarieren und zu versteuern. Die richtlinienkonforme teleologische Einschränkung lässt sich zutreffend damit begründen, dass der Berichtigungsmechanismus des § 3d Satz 2 UStG durch den Nachweis der Besteuerung des Erwerbs im Mitgliedstaat des tatsächlichen Erwerbs ein Vorsteuerabzugsrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG ausschließt. Die Urteile sind zu Sachverhalten ergangen, bei denen der erhebliche Verdacht bestand, dass der Erwerber in ein betrügerisches Umsatzsteuerkarussell eingebunden war. Es besteht aber kein Zweifel, dass die Versagung des Vorsteuerabzuges aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Mitgliedstaat der bloßen Identifizierung auch dann eingreift, wenn der Erwerber selbst gutgläubig ist. Zu beachten ist, dass die Erwerbsbesteuerung und die Versagung des Vorsteuerabzugs auch in den Konstellationen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes nach § 25 b UStG eingreift, sofern der Erwerber nicht seiner Erklärungspflicht in der zusammenfassenden Meldung nach § 18a Abs. 7 UStG nachgekommen ist. 2. Versagung des Vorsteuerabzugs bei Einbeziehung in Hinterziehungskonstruktionen Auch wenn alle Voraussetzungen des § 15 UStG dem reinen Wortlaut nach erfüllt sind, ist nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BFH96 dem Unternehmer der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an 96 BFH v. 17.2.2011 – V R 30/10, BStBl. II 2011, 769; BFH v. 19.4.2007 – V R 48/04, BStBl II. 2009, 315; BFH v. 5.8.2010 – V R 13/09, BFH/NV 2011, 81 (selbständiger Vorsteuerversagungsgrund).

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Der BFH übernimmt insoweit voll die entsprechenden Ausführungen des EuGH, der seinerseits davon ausgeht, dass sich schon aus der Richtlinie ergäbe, dass das nationale Umsatzsteuerrecht ein Vorsteuerabzugsrecht nicht einräumen dürfe, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist. Das gelte auch dann, wenn der fragliche Umsatz den objektiven Kriterien genügt, auf denen der Begriff der Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen.97 Nach der Rechtsprechung des BFH soll dabei die Feststellungslast für das Nichtvorliegen einer Kenntnis oder des Kennenmüssens der Einbeziehung in den Tatplan einer Umsatzsteuerhinterziehung beim Steuerpflichtigen liegen. Diese Rechtsprechung des BFH und des EuGH ist inzwischen auch voll bei den Strafgerichten angekommen.98 Auch diese gehen davon aus, dass bei bewusster Beteiligung an einem auf Umsatzsteuerhinterziehung gerichteten System auf vorgelagerten Stufen auch kein Vorsteuerabzugsrecht auf nachgelagerten Stufen wegen Missbrauchs besteht. Die erfolgreiche Geltendmachung eines danach nicht berechtigten Vorsteuerabzugs führt daher zu einer vollendeten Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Bedenken, dass eine mit dem Wortlaut des § 15 UStG nur mühsam zu vereinbarende „richtlinienkonforme Auslegung“ anhand der Rechtsprechung des EuGH, wonach das Vorsteuerabzugsrecht bei Missbrauch zu versagen ist, für strafrechtliche Zwecke gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen könnte, werden vom BGH nicht geteilt.99 Das Bundesverfassungsgericht hat dieses eher großzügige Verständnis der gesetzlichen Bestimmtheit für die Ausfüllung der Blankettstrafnorm des § 370 AO durch ein richtlinienkonform ausgelegtes UStG in anderem Zusammenhang erst kürzlich bestätigt.100 Danach verstößt es nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, § 6a UStG so auszulegen, dass eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung zu verneinen ist, wenn bewusst über die Identität des tatsächlichen Abnehmers im anderen Mitgliedstaat getäuscht wird, um dem wahren Abnehmer dort eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen.101 Allerdings verlangt das 97 EuGH, Urt. v. 6.7.2006 – Rs. C-439/04 und 440/04, Axel Kittel, EuGHE 2006, I – 6177. 98 Vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – 1 StR 491/09, HFR 2010, 866. 99 Vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2011 – 1 StR 24/10, HFR 2011, 818. 100 BVerfG, Urt. v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09, UR 2011, 775 = wistra 2011, 458. 101 Vgl. dazu auch EuGH, Urt. v. 7.12.2010 – Rs. C 285/09, Strafverfahren R [Vorlage durch BGHSt], UR 2011, 15 mit Anm. Korf, IStR 2011, 26; BFH, Urt.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Bundesverfassungsgericht, dass der Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen sei. Der Wortlaut stelle auch für die Auslegung der die Blankettstrafnorm ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften die äußerste Grenze der Auslegung dar. Zur Bestimmung des Wortsinns sind aber auch gesetzsystematische und teleologische Erwägungen heranzuziehen. Unter diesem Aspekt verneint der BGH ein Vorsteuerabzugsrecht, indem davon ausgeht, dass bei „bewusster Beteiligung an und Ausnutzung von anderweitigen Steuerstraftaten“ kein Handeln als Unternehmer vorliege. Alternativ liege auch keine Leistung eines anderen Unternehmers jedenfalls im Sinne des § 15 UStG vor.102 Über die Tauglichkeit dieser Auslegungsversuche lässt sich streiten. Immerhin zwingt das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot jedenfalls die Strafgerichte noch dazu, eine Subsumtion unter die ausfüllenden steuerrechtlichen Normen des deutschen Gesetzes wenigstens zu versuchen und es nicht bei einer bloßen Zitierung der Rechtsprechung des EuGH zu den Bestimmungen der MwStSystRL zu belassen. Manchmal wünschte man sich, dass auch die Steuergerichtsbarkeit zumindest den Versuch einer Subsumtion unter die Regelungen im deutschen UStG häufiger unternähme anstatt sich nur schlicht auf die MwStSystRL zu berufen, die bekanntlich kein den Bürger verpflichtendes Gesetz ist.

v. 11.8.2011 – V R 50/09, UR 2011, 916; BFH, Urt. v. 11.8.2011 – V R 19/10, UR 2012, 56; BFH, Urt. v. 17.2.2011 – V R 30/10, BStBl. II 2011, 769. Es ist allerdings alles andere als überzeugend, dass die Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung im Bestimmungsmitgliedstaat damit „sanktioniert“ wird, dass nunmehr durch Versagung der Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung dem Ursprungsland (ebenfalls) ein Steueraufkommen (neben dem Bestimmungsland) zugewiesen wird. Für denselben Vorgang kommt es mithin zu einer umsatzsteuerlichen Doppelbelastung im Herkunfts- und Bestimmungsland. Steuerstrafrechtlich führt dies dazu, dass bezüglich desselben Umsatzvorganges [Lieferung und korrespondierender Erwerb] sowohl eine Hinterziehung der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes als auch des Herkunftslandes vorliegt. Nach der an sich zutreffenden Änderung des § 370 Abs. 6 AO sind nunmehr sowohl die Hinterziehung der Umsatzsteuer des anderen Mitgliedstaates wie auch der wegen Versagung der Befreiung anfallenden deutschen USt in Deutschland strafbar. Selbstredend bestehen auch im jeweiligen anderen Mitgliedstaat entsprechende Strafnormen. Das führt wahrlich zu einem Übermaß an steuerlicher und steuerstrafrechtlicher Sanktion. 102 BGH, Urt. v. 8.2.2011 – 1 StR 24/10, HFR 2011, 818.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs

VIII. Fazit Die neuere Rechtsprechung führt zu einer strengeren Begrenzung schon des Vorsteuerabzugsrechtes auf solche Eingangsleistungen, die der Ausführung von zu besteuernden Ausgangsleistungen gegen Entgelt dienen. Sie schließt daher konsequenterweise von vornherein schon Eingangsleistungen vom Vorsteuerabzug aus, wenn diese ausschließlich nur zur unentgeltlichen Weitergabe in den privaten Bereich des Unternehmers, an das Personal oder an Dritte bestimmt sind. Übereinstimmend damit wird auch bereits der Vorsteuerabzug bei einer gemischten (teilunternehmerischen) Verwendung für eine unternehmerische wirtschaftliche Tätigkeit und eine nichtunternehmerische nichtwirtschaftliche Tätigkeit nur im Umfang der unternehmerischen Verwendung zugelassen. Im Unterschied dazu wird bei einer gemischten (teilunternehmerischen) Verwendung sowohl für unternehmerische als auch für private (unternehmensfremde) Zwecke ein Wahlrecht gewährt, den vollen Vorsteuerabzug zu erlangen und die private Verwendung zu versteuern. Dieses Wahlrecht wird für die private Grundstücksnutzung ab 2011 nicht mehr gewährt. Diese auf der Rechtsprechung des EuGH beruhenden Differenzierungen sind nicht überzeugend. Sie sollten, da der EuGH sich als unfähig erwiesen hat, seine unzutreffende Rechtsprechung zu korrigieren, insgesamt durch den Richtliniengeber abgeschafft werden. Der Vorsteuerabzug sollte immer nur im Umfange der tatsächlichen Verwendung für die entgeltlichen Umsätze des Unternehmens gewährt werden. Nachträglichen Erhöhungen des Verwendungsumfanges zugunsten des Unternehmens sollte durch eine Vorsteuerkorrektur nach Art. 184 f MwStSystRL, § 15a UStG Rechnung getragen werden103. Einer nachträglichen Erhöhung der Verwendung oder einer vollständigen Entnahme für unternehmensfremde private und nichtwirtschaftliche Zwecke sollte, wie bisher, durch eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgaben Rechnung getragen werden. Denn erst mit der nachträglichen Erhöhung des Verwendungsanteils, respektive der vollständigen Entnahme kommt es zum besteuerungswürdigen, nichtunternehmerischen Verbrauch/Konsum. Dieser ist daher dann auch zeitnah entsprechend den dann geltenden Wertverhältnissen und zum dann geltenden Steuersatz zu belasten. Zutreffend verneint der BFH in Präzisierung der unklaren Rechtsprechung des EuGH das Vorsteuerabzugsrecht für Eingangsleistungen, die unmittelbar der Ausführung einer steuerbefreiten Beteiligungsveräußerung dienen. Entgegen den sibyllinischen Ausführungen des EuGH zu einem möglichen Neutralitätsverstoß liegt ein solcher nicht vor, obwohl die Kapitalbeschaffung durch nicht steuerbare Erstausgabe von Gesellschaftsrechten 103 Siehe auch Wäger, UR 2012, 25.

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Reiß, Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs den Vorsteuerabzug gerade zulässt. Einer missbräuchlichen Beteiligung an Umsatzsteuerverkürzungen im innergemeinschaftlichen Warenverkehr treten die Rechtsprechung des EuGH und BFH zunehmend auch durch Versagung des Vorsteuerabzugs entgegen. Dies wirkt sich insbesondere auch auf die Rechtsprechung der Strafgerichte im Bereich der Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO aus.

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Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern Dr. Norbert Schneider1 Rechtsanwalt, Steuerberater, Köln Inhaltsübersicht

I. Einleitung II. Koordinierter Ländererlass vom 20.10.2010 1. Reaktion auf BFH-Rechtsprechung 2. Disquotale Einlagen 2.1 Grundfall 2.2 Weitere, vergleichbare Konstellationen 2.3 Einlagen nahestehender Personen 3. Verdeckte Gewinnausschüttungen 3.1 Verdeckte Gewinnausschüttungen an Gesellschafter 3.2 Verdeckte Gewinnausschüttungen an nahestehende Personen 3.3 Wesentliche Kritikpunkte gegen die Verwaltungsauffassung 4. Anwendung auch im Konzern?

III. Gesetzliche Regelung durch BeitrRLUmsG 1. Überblick 2. Grundregel § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG 2.1 Inhalt und Voraussetzungen 2.2 (Kein) Subjektiver Tatbestand? 3. Konzernregelung § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG 3.1 Entwicklung der Regelung im Gesetzgebungsverfahren 3.2 Zielsetzung und Grundstruktur des S. 2 3.3 Weitere Beispielsfälle zur Erläuterung der Norm 3.4 Fazit 4. Verdeckte Gewinnausschüttungen 5. Härtefallregelung § 15 Abs. 4 ErbStG IV. Zusammenfassung

I. Einleitung Zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern kommt es in der Praxis häufig zu Vermögensbewegungen, die nicht auf normalen schuldrechtlichen Austauschbeziehungen beruhen, sondern auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage: Fließen Mittel von den Gesellschaftern an 1 RA/StB/Dipl.-Finw. (FH) Dr. Norbert Schneider ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP und Lehrbeauftragter für Steuerrecht an den Universitäten Düsseldorf und Köln. Wertvolle Mitarbeit bei der Vorbereitung des Beitrags hat Frau Dipl.-Finw. (FH) Heike Bäumer (z. Zt. Rechtsreferendarin bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP) geleistet.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges die Kapitalgesellschaft, spricht man von (offenen oder verdeckten) Einlagen, fließen die Mittel in umgekehrter Richtung, wird es sich i. d. R. um (offene oder verdeckte) Ausschüttungen handeln. Ertragsteuerlich ist deren Behandlung im Grundsatz nicht umstritten; das gilt auch dann, wenn die unmittelbare Leistung an die Gesellschaft nicht durch den Gesellschafter selbst erfolgt, sondern durch einen nahestehenden Dritten (z. B. einen Angehörigen oder eine Schwestergesellschaft2). Schenkungsteuerlich ist dies anders. Hier ist die Behandlung nicht nur in Details offen, sondern auch wesentliche Grundfragen sind umstritten. Hier geht es u. a. darum, ob überhaupt und – wenn ja – an wen bzw. durch wen eine schenkungsteuerrelevante Zuwendung erfolgt (Gesellschaft oder Gesellschafter?3) und worin der Gegenstand der Zuwendung liegt (z. B. Gesellschaftsanteil oder bloße Werterhöhung?). Diese Streitigkeiten sind wesentlich dadurch verursacht, dass das Schenkungsteuerrecht viel stärker zivilrechtlich geprägt ist als die Ertragsteuern. Deshalb soll die ertragsteuerliche wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht oder jedenfalls nicht im gleichen Maße relevant sein und wird gleichsam von einer zivilrechtlich orientierten, eher formalistischen Betrachtung verdrängt. Bevor die Einzelfragen behandelt werden, ist noch einmal an die Grundlagen des Schenkungsteuerrechts zu erinnern: Das ErbStG erfasst nicht nur Erwerbe von Todes wegen, sondern nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch Schenkungen unter Lebenden. Dazu gehören insbesondere freigebige Zuwendungen, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird4. Neben der objektiven Bereicherung des Empfängers auf Kosten des Zuwendenden ist auch eine subjektive Komponente erforderlich: der Zuwendende braucht zwar grundsätzlich keine echte Bereicherungsabsicht zu haben, muss aber jedenfalls die Unentgeltlichkeit der Zuwendung gewollt haben, also alle zur Unentgeltlichkeit führenden Umstände kennen. Erfasst sind davon insbesondere Schenkungen, und zwar nicht nur „reine“ Schenkungen ohne Gegenleistung, sondern auch gemischte Schenkungen, bei denen – vereinfacht – der Zuwendende eine Gegenleistung erhält, deren Wert jedoch geringer ist als der Wert seiner Zuwendung. Bei Leistungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern ist, wie bereits gesagt, vieles umstritten. Ein wesentlicher Streitpunkt war seit langem die Behandlung von disquotalen Einlagen, also solchen Einlagen, die abweichend von der Beteiligungsquote erfolgen. Nach 2 Grundlegend BFH, GrS v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1997, 307, Leitsatz 3. 3 Dieses Verhältnis ist z. B. relevant für die Einordnung der Beteiligten in eine Steuerklasse und die Ermittlung der persönlichen Freibeträge und hat daher wesentliche Auswirkung auf die Höhe der anfallenden Steuer. 4 § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges der früheren Verwaltungsauffassung5 stellten Leistungen eines Gesellschafters an „seine“ Kapitalgesellschaft zwar keine freigebigen Zuwendungen an die Gesellschaft dar; sie konnten jedoch unter Umständen als freigebige Zuwendung an einen oder mehrere Mitgesellschafter einzuordnen sein, wenn die Leistung darauf abzielte, die Mitgesellschafter durch eine Werterhöhung der Gesellschaftsrechte unentgeltlich zu bereichern. Indizien dafür sollten ein Angehörigenverhältnis zwischen den Gesellschaftern sein oder – sofern ein solches nicht vorlag – eine auffallend hohe Wertsteigerung bei den anderen, objektiv bereicherten Gesellschaftern. Der BFH hat dem entgegen wiederholt entschieden6, dass disquotale Einlagen von Gesellschaftern in eine Kapitalgesellschaft und die dadurch eintretende Werterhöhung der Anteile der anderen Gesellschafter nicht zu einer freigebigen Zuwendung an diese führen. Es komme ausschließlich auf eine Vermögensverschiebung aus zivilrechtlicher Sicht an und nicht etwa auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, so dass es wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der Kapitalgesellschaft an einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern fehle. Dies gelte z. B. auch im Falle von Kapitalerhöhungen, wenn der „Bereicherte“ nicht auch neue Anteile erwirbt. Auch in einer anderen Konstellation hat der BFH7 aus ähnlichen Erwägungen eine Schenkungsteuerpflicht gegen die Finanzverwaltung abgelehnt. Dabei ging es in einem vGA-Dreiecks-Fall um die Zahlung einer überhöhten Vergütung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, die ertragsteuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter zu beurteilen ist. Der BFH lehnte eine schenkungsteuerliche Zuwendung des Gesellschafters an die nahestehende Person ab mangels unmittelbarer Vermögensverschiebung in diesem Verhältnis. Allerdings hat der BFH, obwohl es in dem Streitfall nicht darauf ankam, als bloßes obiter dictum angedeutet, dass die Zahlung u. U. eine freigebige Zuwendung der Kapitalgesellschaft (!) unmittelbar an die nahestehende Personen sein könne. Diese Rechtsprechung des BFH führte zunächst dazu, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung überdacht und mit gleichlautendem Ländererlass vom 20.10.20108 zunächst angepasst hat (dazu ausführlicher unter

5 R 18 ErbStR und H 18 ErbStH i. d. F. v. 17.3.2003, im Folgenden: a. F. 6 Urteile z. B. v. 9.12.2009 – II R 28/08, BStBl. II 2010, 566; v. 19.6.1996 – II R 83/92, BStBl. II 1996, 616; v. 25.10.1995 – II R 67/93, BStBl. II 1996, 160. 7 BFH, Urt. v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258. 8 BStBl. I 2010, 1207; aufgenommen in H 13 ErbStH „Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften/Genossenschaften – Einzelfälle“.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges II.). Die (Steuerpflichtigen freundliche) Rechtsprechung des BFH zu disquotalen Einlagen wurde dabei – jedenfalls – grundsätzlich akzeptiert. Dabei ist es aber nicht geblieben. Im Juni 2011 wurde eine Ergänzung des ErbStG um einen § 7 Abs. 8 vorgeschlagen, der in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum BeitrRLUmsG9 integriert wurde. Damit sollen die schenkungsteuerlichen Konsequenzen von Vermögensverschiebungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften gesetzlich geregelt werden; insbesondere soll die grundsätzliche Schenkungsteuerpflicht disquotaler Einlagen im ErbStG festgeschrieben werden. An diesem Vorschlag hatte es erhebliche Kritik gegeben, so dass die Umsetzung zeitweise zweifelhaft schien. Letztlich wurde jedoch lediglich eine Teilregelung angepasst, die Gesetzesänderung aber doch umgesetzt (dazu ausführlicher unter III.). Obwohl durch diese Neuregelung einige wesentliche Teile des Ländererlasses (insbesondere bezüglich der disquotalen Einlagen) überholt werden, wird der Inhalt des Erlasses auch insofern dargestellt, weil dieser und die darin z. T. zum Ausdruck kommende Rechtsprechung für das Gesamtverständnis von erheblicher Bedeutung sind.

II. Koordinierter Ländererlass vom 20.10.2010 1. Reaktion auf BFH-Rechtsprechung Der Erlass nimmt die eingangs genannte BFH-Rechtsprechung zum Anlass, um zur Schenkungsteuerpflicht folgender Vorgänge Stellung zu beziehen: – Offene und verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften – Verschmelzung von Kapitalgesellschaften – Verzicht auf ein Bezugsrecht durch einen Gesellschafter – Übergang des Anteils eines Gesellschafters auf die Gesellschaft (Erwerb eigener Anteile) – Einziehung eines Anteils – Zuwendungen der Gesellschaft an Gesellschafter oder nahestehende Personen (insbesondere vGA).

9 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates v. 17.6.2011 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) der Bundesregierung, BR-Drs. 253/11, 33–36, sowie Gegenäußerung der Bundesregierung hierzu v. 22.6.2011, in der die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrates zustimmt, BT-Drs. 17/6263, 86.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Aussagen finden sich nur zu Vorgängen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften. Zu Personengesellschaften nimmt die Finanzverwaltung nicht Stellung, weil bei diesen die oben beschriebene Problematik nicht besteht – da sie für Schenkungsteuerzwecke als transparent angesehen werden, wird für die Beurteilung schenkungsteuerbarer Vorgänge ohnehin auf die hinter der Personengesellschaft stehenden Personen durchgegriffen.10 Im Folgenden werden exemplarisch die praktisch besonders wesentlichen Fälle der Einlage und der (verdeckten) Gewinnausschüttung herausgegriffen.

2. Disquotale Einlagen 2.1 Grundfall Disquotale Einlagen von Kapitalgesellschaftern sollen nach Tz. 1.1 des Erlasses entgegen der früheren Verwaltungsauffassung grundsätzlich keine freigebige Zuwendung an die bereicherten Mitgesellschafter mehr darstellen, weil es an einem konkreten Erwerbsgegenstand bei diesen und damit an einer substanziellen Vermögensverschiebung fehlt. Die Finanzverwaltung hat sich insoweit der Rechtsprechung des BFH11 angeschlossen, nach der die bloße Werterhöhung der Anteile als mittelbarer Reflex der über die Beteiligungsquote hinausgehenden Einlage für die Annahme einer freigebigen Zuwendung nicht ausreicht. Das Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft ist – anders als bei einer Personengesellschaft – verselbständigt, so dass die Zuwendung durch den einlegenden Gesellschafter nicht an die Mitgesellschafter, sondern an die Kapitalgesellschaft selbst erfolgt12; gegenüber der Gesellschaft ist die Zuwendung jedoch grundsätzlich nicht freigebig i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sondern veranlasst durch das Gesellschaftsverhältnis (causa societatis); eine Unentgeltlichkeit des Vorgangs liegt daher nicht vor13.

10 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20 Aufl., § 13 Rz. 135 m. w. N. 11 Vgl. zuletzt Urteil v. 9.12.2009 – II R 28/08, BStBl. II 2010, 566. 12 Ausnahmsweise kann eine Zuwendung an Mitgesellschafter angenommen werden, wenn vereinbarungsgemäß eine bloße Abkürzung des eigentlichen Leistungsweges vorliegt. 13 Vgl. BFH, Urt. v. 17.10.2007 – II R 63/05, BStBl. II 2008, 381; Birnbaum, ZEV 2009, 125, 126; Christ, ZEV 2011, 10, 11 m. w. N.; kritisch Hartmann, GmbHStB 2008, 203.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Beispiel 1:

V

Einlage 500 T€

S

50 %

50 % T-GmbH

Vater V und Sohn S sind zu je 50 % an der T-GmbH beteiligt. V legt 500 TEuro in die Kapitalrücklage der GmbH ein, ohne neue Anteile zu erhalten (ertragsteuerlich verdeckte Einlage). Hierdurch steigt der Wert der GmbH-Anteile des V, aber auch der von S, und zwar jeweils um 250 TEuro.

Aufgrund der Werterhöhung des Anteils des S gelangte die Finanzverwaltung früher14 nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu einer Zuwendung des V an S i. H. v. 250 TEuro; eine Zuwendungsabsicht nahm sie aufgrund des Angehörigenverhältnisses i. S. v. § 15 AO an. Nunmehr ist nach BFH und – auf Basis des Erlasses und vor Inkrafttreten des neuen § 7 Abs. 8 ErbStG – der Finanzverwaltung eine steuerbare Zuwendung an S mangels zivilrechtlicher, substanzieller Vermögensübertragung nicht gegeben. Damit hat eine derartige Vermögensübertragung auf eine Kapitalgesellschaft, die wirtschaftlich zumindest teilweise zugunsten der anderen Gesellschafter erfolgt, grundsätzlich keinerlei schenkungsteuerliche Konsequenzen. Die in diesem Bereich damit vorhandene Besteuerungslücke eröffnet(e)15 ein erhebliches Gestaltungspotential für schenkungsteuerfreie Vermögensübertragungen durch Beteiligung einer Kapitalgesellschaft, das lediglich in § 42 AO seine Grenzen findet.16 Allerdings

14 R 18 Abs. 3 ErbStR a. F. 15 Die Besteuerungslücke ist allerdings mittlerweile grundsätzlich durch die Einfügung des § 7 Abs. 8 ErbStG durch das BeitrRLUmsG geschlossen worden, vgl. unten III. 16 Vgl. dazu allerdings Binnewies, GmbHR 2011, 1022, 1024, 1026, der davon ausgeht, dass Einlagen vor dem Hintergrund eines Gesamtplanes bei Vorliegen eines subjektiven Willens zur Bereicherung von Mitgesellschaftern sehr wohl zu Zuwendungen von Gesellschafter an Gesellschafter führen müssen und die Gesellschaft nur als „Zuwendungsvehikel“ genutzt wird. Wenn sich diese Auffassung durchgesetzt hätte, wäre die später erfolgte Gesetzesänderung (Einfügung des § 7 Abs. 8 ErbStG) wohl obsolet gewesen.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges wird auch in diesem Fall im Erlass eine Zuwendung angenommen, falls in zeitlichem Zusammenhang mit einer Einlage eine Gewinnausschüttung erfolgt17: Abwandlung des obigen Beispiels 1: Zwei Wochen nach der Einlage des V erfolgt eine Ausschüttung (offen oder verdeckt) an V und S i. H. v. insgesamt 400 TEuro (= 200 TEuro je Gesellschafter).

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein einheitlicher Vorgang anzunehmen, wenn eine offene oder verdeckte Gewinnausschüttung in zeitlichem Zusammenhang mit einer disquotalen Einlage erfolgt. Es soll sich dann um eine Zuwendung des Einlegenden an die Ausschüttungsbegünstigten handeln i. S. e. bloßen (ggfls. partiellen) Weiterleitung des eingelegten Vermögens durch die Kapitalgesellschaft an den/die jeweiligen Mitgesellschafter. In der o. g. Abwandlung würde daher eine Schenkung des V an S i. H. v. 200 TEuro angenommen. Es werden allerdings an dieser Stelle nicht alle Fragen durch den Erlass beantwortet. Offen bleibt z. B., bei welchem Zeitraum noch von einem solchen „zeitlichen Zusammenhang“ ausgegangen werden soll, der zu der ausnahmsweisen Annahme einer freigebigen Zuwendung zwischen den Gesellschaftern führt, ob diese Ausnahme auch bei Ausschüttungen gilt, die vor der Leistung der disquotalen Einlage erfolgen, und – wenn ja – ob dann der zeitliche Zusammenhang ein anderer ist als im umgekehrten Fall.18 2.2 Weitere, vergleichbare Konstellationen Ergänzend ist auf ähnliche Konstellationen hinzuweisen, zu denen der Erlass Stellung nimmt: Zum einen gibt es Fallgestaltungen, die der gleichen Logik folgen wie die unter 2.1 dargestellten disquotalen Einlagen, d. h. es kommt zwar zu einer Werterhöhung von Anteilen von Teilen der Gesellschafter, jedoch wiederum ohne eine substanzielle Vermögensverschiebung an diese. Auch in diesen Fällen sind daher keine schenkungsteuerlichen Konsequenzen zu ziehen: – Kapitalerhöhung gegen überhöhte Einlage (Tz. 1.3 des Ländererlasses): erwirbt jemand im Rahmen einer Kapitalerhöhung neue Anteile gegen überhöhte Einlagen („zu teuer“), liegt keine Zuwendung an die übrigen

17 Gleichlautender Ländererlass v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207, Tz. 1.1. 18 Vgl. dazu Korezkij, DStR 2011, 1454, 1457 ff. Er bemängelt zu Recht die fehlende Identität zwischen Einlagegegenstand und Ausschüttung, wenn einer Sacheinlage eine Barausschüttung folgt. U. E. kann in diesem Fall ein einheitlicher Vorgang nicht mehr angenommen werden.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Gesellschafter vor, wenn diese selbst nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen und daher keine neuen Anteile erwerben. – Verschmelzung, sofern die Gesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft relativ betrachtet zu wenig Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft erhalten (Tz. 2.2 des Ländererlasses). Umgekehrt ist in folgenden Situationen, die vom wirtschaftlichen Ergebnis her vergleichbar sind, von einer freigebigen Zuwendung auszugehen, weil der wirtschaftlich Bereicherte hier auch zivilrechtlich etwas erwirbt und damit eine substanzielle Vermögensverschiebung durch den verbilligten Erwerb neuer Anteile mithin (anders als bei den vorstehenden Fällen) vorliegt: – Kapitalerhöhung gegen zu geringe Einlagen (Tz. 1.4): Erwerb der neuen Anteile durch einen Gesellschafter erfolgt gegen zu geringe Einlagen („zu billig“; ggf. in Kombination mit einem Verzicht auf Bezugsrechte durch Mitgesellschafter, Tz. 3). Hier liegt eine Schenkung der Altgesellschafter an den Neugesellschafter (Erwerber) vor, der auf Kosten der Altgesellschafter bereichert ist und sich dies auch im Erwerb eines substanziellen Vermögensgegenstands (neue Anteile) manifestiert. – Verschmelzung, sofern die Gesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft relativ betrachtet zu viele Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft erhalten (Tz. 2.1 des Ländererlasses). – Gründung einer Kapitalgesellschaft oder Kapitalerhöhung gegen zu geringe Einlagen durch einzelne Gesellschafter (Tz. 1.2): Die zu wenig aufwendenden Gesellschafter sind auf Kosten der anderen Gesellschafter bereichert und haben zudem auch einen substanziellen Vermögensgegenstand erworben. Gerade der Fall der Verschmelzung zeigt, wie zufällig die Ergebnisse bei Zugrundelegung der entsprechenden Grundsätze sind. Ob es nämlich zu einem steuerbaren Vorgang kommt, hängt danach schlicht von der Verschmelzungsrichtung ab. In den Fällen der zweiten Kategorie stellt sich bei Annahme einer schenkungsteuerbaren freigebigen Zuwendung die weitere Frage, was Gegenstand der Zuwendung ist. Hier kommt sowohl der Gegenstand der Einlage (Geld oder Sachwerte) in Betracht als auch ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft, da letztendlich hieran auch die zivilrechtliche Vermögensverschiebung anknüpft. Von der Entscheidung über den Zuwendungsgegenstand hängt die weitere Entscheidung über sachliche Steuerbefreiungen, beispielsweise nach § 13a, § 13b, § 19a ErbStG ab. U. E. liegt eine Zuwendung eines Anteils an der Kapitalgesellschaft vor.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges 2.3 Einlagen nahestehender Personen Während die Behandlung disquotaler Einlagen durch die Gesellschafter selbst durchweg zu positiven Ergebnissen aus Sicht der Steuerpflichtigen führen kann, liegt der Fall i. d. R. gänzlich anders, wenn die Einlage nicht durch den oder die Gesellschafter erfolgt, sondern durch eine nahestehende Person. Beispiel 2:

Ehemann

100 %

Ehefrau

Forderungsverzicht

T-GmbH

Der Ehemann ist Alleingesellschafter der T-GmbH. Seine Ehefrau hat eine werthaltige Forderung gegen die T-GmbH. Die Ehefrau verzichtet auf die Forderung, ohne dass weitere Abreden vorliegen.

Ertragsteuerlich liegt ein zweistufiger Vorgang vor, nämlich eine verdeckte Einlage des Ehemannes in die T-GmbH sowie eine der Einlage vorangegangene (hier i. d. R. private) Zuwendung der Ehefrau an den Ehemann. Die frühere Auffassung der Finanzverwaltung folgte dem auch für schenkungsteuerliche Zwecke und nahm hier regelmäßig eine private Zuwendung der Ehefrau an den Ehemann an19. Nunmehr zieht die Finanzverwaltung in diesem Fall den vom BFH hervorgehobenen Grundsatz, dass die Schenkungsteuer an die zivilrechtliche Leistungsbeziehung anknüpft20, heran, um eine steuerbare Zuwendung der nahestehenden Person (Ehefrau) an die Kapitalgesellschaft (T-GmbH) (anstatt an den Gesellschafter) in Höhe der vollen Einlage anzunehmen21. Dies führt zur 19 R 18 Abs. 4 ErbStR a. F. 20 BFH, Urt. v. 9.12.2009 – II R 28/08, BStBl. II 2010, 566. 21 Gleichlautender Ländererlass v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207, Tz. 1.6. Dieser Rechtsfolge lässt sich entgegenhalten, dass abstrakt zwar eine Orientierung der Schenkungsbesteuerung an den zivilrechtlichen Beziehungen stattfindet, jedoch die Frage ist, ob nicht konkret hier auch zivilrechtlich ein zweiaktiger Vorgang mit einer Zuwendung zuerst der Ehefrau an den Ehemann und sodann weiter an die GmbH vorliegt. Denn die Ehefrau will i. d. R. nicht der GmbH, sondern letztlich dem Ehemann etwas zuwenden.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Anwendung der Steuerklasse III und somit dazu, dass derartige Vorgänge stets bei einem Freibetrag von nur 20 TEuro mit einer Erbschaftsteuer zwischen 30 und 50 % zu belegen sind (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 15 Abs. 1, § 19 Abs. 1 ErbStG).22 Dies gilt nicht nur für einen Forderungsverzicht oder unmittelbare Geldeinlagen, sondern gleichermaßen auch bei Austauschverträgen zwischen nahestehender Person und Kapitalgesellschaft, wenn die darin vereinbarte Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig sind und die Gesellschaft dadurch einen Vorteil erlangt, beispielsweise für den Fall eines verbilligten Grundstücksverkaufs an die Gesellschaft.23 3. Verdeckte Gewinnausschüttungen Auch bei disquotalen verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA)24 sieht die Finanzverwaltung Raum für freigebige Zuwendungen. Nach früherer Auffassung hatte sie Zuwendungen zwischen den bereicherten Gesellschaftern einerseits und den entreicherten Gesellschaftern andererseits angenommen.25 Im Erlass wird nunmehr – entsprechend der unmittelbaren Leistungsbeziehung – u. U. die Kapitalgesellschaft selbst als Zuwendende angesehen26. Dafür bezieht sich die Verwaltung auf ein (bereits erwähntes) obiter dictum des BFH in der Entscheidung vom 7.11.2007,27 in der dieser für den Fall einer überhöhten Vergütung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person andeutete, dass eine (gemischt) freigebige Zuwendung im Verhältnis der Gesellschaft zu der nahestehenden Person vorliegen „kann“. Für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes der Freigebigkeit soll dabei auf das Bewusstsein der für die Kapitalgesellschaft handelnden Organe über den Mehrwert der von der Gesellschaft erbrachten Leistung abzustellen sein. Es komme weder auf die Kenntnis vom genauen Ausmaß des Wertunterschiedes an noch auf etwaige Ersatzansprüche der Gesellschaft ihren Organen gegenüber. Auch der Umstand, dass eine

22 Auch insofern kommt es durch die Gesetzesänderung durch das BeitrRLUmsG zu einer anderen Beurteilung, s. u. III.5. 23 Weiterführend Korezkij, DStR 2011, 1454, 1458, z. B. zur Frage, ob dies auch gilt, wenn lediglich Nutzungsvorteile eingelegt oder Aufwendungen erspart werden (ertragsteuerlich keine verdeckten Einlagen, vgl. H 40 KStH „Nutzungsvorteile“). 24 Offene Gewinnausschüttungen, weder kongruente noch inkongruente, werden in dem Erlass nicht angesprochen. 25 H 18 „Inkongruente Gewinnausschüttung“ ErbStH a. F. 26 Gleichlautender Ländererlass v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207, Tz. 6. 27 BFH, Urt. v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Wertminderung der Gesellschaftsanteile bei den Mitgesellschaftern eintritt, ist für die Verwaltung irrelevant und führt nach „neuer Systematik“ nicht – mehr – zu einer Schenkung zwischen den Gesellschaftern. 3.1 Verdeckte Gewinnausschüttungen an Gesellschafter Im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter spielen nach dem Erlass nur disquotale verdeckte Gewinnausschüttungen eine schenkungsteuerliche Rolle, da hierdurch der begünstigte Gesellschafter in dem Umfang des über seine gesellschaftsrechtliche Beteiligungsquote hinaus Verteilten auf Kosten der Gesellschaft bereichert wird. Kongruente Ausschüttungen an die Gesellschafter sind dagegen keine freigebigen Zuwendungen. Bei einem Alleingesellschafter kann es folglich nie zu einer Schenkung der Kapitalgesellschaft kommen. Beispiel 328:

V

S

50 %

50 % T-GmbH

Vater V und Sohn S sind zu je 50 % an der T-GmbH beteiligt. Alt. 1: V kauft ein Auto von der T-GmbH; Kaufpreis 100 TEuro unter Marktwert. Alt. 2: Wie Alt. 1, jedoch erhält auch S zeitgleich ein Grundstück verbilligt, Kaufpreis 60 TEuro unter Marktwert.

Nach der im Ländererlass vertretenen Auffassung der Finanzverwaltung soll gelten: – Alt. 1: In Höhe der disquotalen Ausschüttung von 50 TEuro (100 TEuro × 50 %) liegt eine Schenkung der T-GmbH an V vor. – Alt. 2: Hier soll eine freigebige Zuwendung der T-GmbH nur noch hinsichtlich des Teils der verdeckten Ausschüttungen vorliegen, der – bei einer Gesamtbetrachtung – den V über seine Beteiligungsquote hinaus gegenüber S begünstigt, nämlich in Höhe von 40 TEuro [100 TEuro – 60 TEuro] × 50 % = 20 TEuro. In welchem zeitlichen und sachlichen

28 Gleichlautender Ländererlass v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207, Tz. 6.2.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Umfang eine derartige Saldierung von vGAs an die Gesellschafter gemacht werden kann, wird im Erlass nicht dargelegt. Da die Zuwendung in diesem Fall von der Gesellschaft kommen soll, ist nach Verwaltungsauffassung die ungünstige Steuerklasse 3 anzuwenden. 3.2 Verdeckte Gewinnausschüttungen an nahestehende Personen Erfolgt die vGA an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, ist wiederum keine Schenkung des jeweiligen Gesellschafters an diese Person anzunehmen, sondern eine Zuwendung der Gesellschaft. Zudem umfasst die Zuwendung die vGA in voller Höhe und nicht nur in Höhe des über die Beteiligungsquote des nahestehenden Gesellschafters hinausgehenden Teils (da die nahestehende Person nicht an der Gesellschaft beteiligt ist). Beispiel 429:

B 100 %

S Gehalt 6 T€

B-GmbH

B ist Alleingesellschafter der B-GmbH. Seine Schwester S ist angestellt bei der B-GmbH; ihr Gehalt von monatlich 6 TEuro ist zu hoch; angemessen wären 4 TEuro.

Ertragsteuerlich liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung der B-GmbH an B, nicht an S vor30. Anders soll dies laut Erlass bei der Schenkungsteuer sein. Hier wird eine freigebige Zuwendung der B-GmbH an die S angenommen, die ertragsteuerliche Zurechnung der vGA ist unbeachtlich. Infolge dessen findet (vor Änderungen durch das BeitrRLUmsG) Steuerklasse III Anwendung.

29 Gleichlautender Ländererlass v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207, Tz. 6.1. 30 Eine vGA kann immer nur an einen Gesellschafter erfolgen, der sie in einem zweiten Schritt an die ihm nahestehende dritte Person weiterreicht; Abkürzung des Zahlungswegs, vgl. H 36 KStH „Nahestehende Person – Zurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung“.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges 3.3 Wesentliche Kritikpunkte gegen die Verwaltungsauffassung Die neuere Verwaltungsauffassung zur schenkungsteuerlichen Würdigung von vGAs führt zu erheblichen neuen schenkungsteuerlichen Risiken insbesondere aus Sicht der Gesellschaft selbst. Sie ist nach Ergehen des Erlasses zu Recht deutlich kritisiert worden; die wesentlichen Kritikpunkte sind dabei wie folgt31: Jede freigebige Zuwendung setzt einen subjektiven Willen zur (Teil-)Unentgeltlichkeit der Leistung voraus32. Eine Kapitalgesellschaft, die ertragsteuerlich anerkanntermaßen keine private, außerbetriebliche Sphäre hat, kann einen solchen Willen nicht alleine bilden, sondern i. d. R. immer nur unter Mitwirkung ihres Gesellschafters, der die Zuwendung bei der vGA aus nicht betrieblichen Gründen veranlasst. Die Kapitalgesellschaft erbringt deshalb eine Leistung, der keine adäquate Gegenleistung gegenübersteht, i. d. R. nur – quasi als Zahlstelle des Gesellschafters – wegen eines entsprechenden Beschlusses oder auf Anweisung ihrer Gesellschafter. Deshalb wird die Annahme einer eigenen freigebigen Zuwendung bei einer vGA dem wirtschaftlichen Hintergrund nicht gerecht; zudem dürfte auch bei zivilrechtlicher Betrachtung in der Regel von einem zweistufigen Vorgang (d. h. Leistung der Gesellschaft zunächst an einen Gesellschafter, der diese sodann an die ihm nahestehende Person weitergibt) auszugehen sein. Das gilt sowohl bei einer vGA an den Gesellschafter als auch – erst recht – bei einer solchen an eine nahestehende Person eines Gesellschafters. Zudem ignoriert die Finanzverwaltung, dass bei einer vGA keine Freigebigkeit im schenkungsteuerlichen Sinne vorliegen kann, weil eine solche von der gesellschaftlichen Veranlassung bei einer vGA verdrängt bzw. überlagert wird. Die Finanzverwaltung scheint anzunehmen, dass eine vGA „nicht in Erfüllung eines Gesellschaftszwecks“ erfolge. Qua definitionem33 ist aber jede (verdeckte) Gewinnausschüttung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Ihr Zweck besteht in einer (verdeckten) Teilhabe des Gesellschafters an dem Erfolg seiner „Gesellschaft“. Diese Teilhabe – ob offen oder verdeckt – wird zudem bereits im Rahmen der Einkommensbesteuerung des Gesellschafters als steuerbares Einkommen zugrunde gelegt. Nach der Verwaltungsauffassung kommt es folglich zu einer unsystematischen doppelten Besteuerung ein und desselben Vorganges, zunächst als unentgeltliche Zuwendung i. R.d. Schenkungsteuer und dann ein weiteres Mal als entgeltlich erwirtschaftetes Erwerbseinkommen bei der Einkommensteuer. 31 Vgl. Benz/Böing, DStR 2011, 1157 ff.; Birnbaum, DStR 2011, 252 ff.; Christ, ZEV 2011, 10 ff.; Crezelius, ZEV 2011, 393 ff. 32 Vgl. R 14 Abs. 3 ErbStR. 33 R 36 I S. 1 KStR.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges 4. Anwendung auch im Konzern? Der Erlass enthält nur Beispiele mit natürlichen Personen als Gesellschafter. Er lässt offen, ob und inwieweit sich aus dem Erlass auch Rechtsfolgen für Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften in Unternehmensgruppen ergeben können. Begrifflich können Kapitalgesellschaften ohne weiteres nahestehende Personen ihres Gesellschafters oder z. B. von Schwestergesellschaften sein, so dass eine Anwendung des Erlasses denkbar erscheint.34 Praktisch war auch durchaus ein verstärktes Aufgreifen derartiger Fälle durch Betriebsprüfungen zu beobachten. Beispiel 5:

M-GmbH 100 %

T1-GmbH

100 % Darlehensförderung

T2-GmbH

Die M-GmbH hat zwei Tochter-GmbHs T1 und T2. T2 verzichtet auf eine werthaltige Forderung gegenüber T1. Ein ertragsteuerlicher Organkreis soll nicht vorliegen.

Ertragsteuerlich liegt unstreitig eine vGA der T2-GmbH an ihre Gesellschafterin M-GmbH vor, gefolgt von einer verdeckten Einlage der M-GmbH in die T1-GmbH. In schenkungsteuerlicher Hinsicht ließe sich der Fall rein begrifflich unter die Tz. 1.6 des Ländererlasses fassen.35 Ergebnis wäre, dass eine in voller Höhe steuerbare Zuwendung der nahestehenden Person T2-GmbH an die T1-GmbH vorläge, obwohl wirtschaftlich betrachtet das gesamte Vermögen und der Wert der Anteile der beiden T-GmbHs in der Hand der M-GmbH verbleiben. Noch unverständlicher wäre dieses Ergebnisses u. E. in Konzernen mit bestehenden Gewinnabführungs- oder Beherrschungsverträgen, da hier die „Zuwendende“ T2-GmbH einen entsprechenden Ausgleich (geringere Gewinnabführung oder höheren Verlustausgleich) aufgrund der entsprechenden Pflichten der Muttergesellschaft

34 H 36 „Nahestehende Person“ KStH; vgl. auch Tolksdorf, DStR 2010, 423, 426; Binnewies, GmbHR 2011, 1022, 1028 f. 35 Verzicht auf eine Forderung durch eine nahestehende Person, vgl. oben II.2.3 (S. 495).

500

Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges aus dem Unternehmensvertrag hätte. Eine Annahme von Schenkungsteuerpflichten im Konzern wäre wirtschaftlich unsinnig und würde Konzerne vor massive Risiken stellen – durch die schenkungsteuerliche Hintertür würde faktisch eine Pflicht eingeführt, jedwede Beziehung im Konzern, auch soweit sie nur inländische Gesellschaften betrifft, nach fremdüblichen Gesichtspunkten abzuwickeln. Beispiel 6:

M-GmbH 100 % Forderungsverzicht

T-GmbH 100 % E-GmbH

Die M-GmbH hält 100 % an der T-GmbH, die wiederum 100 % an der E-GmbH hält. M verzichtet gegenüber der E auf eine voll werthaltige Forderung. Das Verzichtsschreiben enthält keine Aussagen zu dem Hintergrund des Verzichts oder zu der bilanziellen Behandlung

Ertragsteuerlich tätigt die M-GmbH eine verdeckte Einlage in die T-GmbH und die T-GmbH eine weitere verdeckte Einlage in die E-GmbH. Schenkungsteuerlich liegt bei einer Leistung durch den unmittelbaren Gesellschafter eindeutig keine freigebige Zuwendung vor.36 Ob dies im Falle einer Leistung durch den nur mittelbar beteiligten Gesellschafter auch gilt, ist bisher nicht eindeutig durch die Rechtsprechung bestätigt. Würde man den Erlass der Finanzverwaltung formalistisch interpretieren, dann bestünde hier ein Risiko, denn die leistende M-GmbH ist begrifflich eine nahestehende Person der Gesellschafterin T-GmbH. Wirtschaftlich betrachtet wäre ein derartiges Ergebnis in einer solchen Konstellation völlig unverständlich – das schenkungsteuerliche Ergebnis hinge davon ab, ob der Wille zur gestuften Einlage (von M an T und von dort in E) nachvollziehbar dokumentiert wird oder nicht.

36 Ganz h. M. und Rechtsprechung; es handelt sich um eine Leistung an die Kapitalgesellschaft causa societatis. Auch eine Zuwendung an Mitgesellschafter, sofern solche vorhanden sind, aufgrund der eintretenden Anteilswertsteigerung liegt mangels substanzieller Vermögensverschiebung auf Basis des Erlasses nicht vor, s. o. II.2.1. und Nachweise in Fn. 13.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges

III. Gesetzliche Regelung durch BeitrRLUmsG 1. Überblick Die Lage nach Ergehen des Erlasses war für die Finanzverwaltung nicht befriedigend wegen der befürchteten großen Besteuerungslücke bei den disquotalen Einlagen. Andererseits führten die Unklarheiten über die generelle Anwendung des Erlasses im Konzern als auch die verschärfte Behandlung der vGA zu deutlicher Kritik in den Unternehmen und entsprechenden Verbänden.37 Es war deshalb absehbar, dass der Erlass in wesentlichen Teilen lediglich eine Zwischenlösung sein würde. Eine gesetzliche Lösung wurde im Juni 2011 vorgeschlagen, und zwar vom Finanzausschuss des Bundesrats in Form einer Einfügung insbesondere eines neuen § 7 Abs. 8 ErbStG im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG).38 Die Bundesregierung stimmte dem Vorschlag umgehend zu.39 Dieser Entwurf wurde bereits im laufenden Gesetzgebungsverfahren heftig und in vielfacher Hinsicht kritisiert.40 Zeitweise erschien es deshalb so, dass der Gesetzentwurf insgesamt zurückgezogen und überarbeitet würde. Letztlich wurde dann aber doch nur, scheinbar um der Kritik Genüge zu tun, eine Neuformulierung der „Konzernregelung“ des Satzes 2 vorgenommen (dazu ausführlich unten S. 510 ff.). Der Vorschlag des Bundesrats sah folgende Regelungen vor: § 7 Abs. 8 ErbStG i. d. F. des Entwurfs vom 17.6.2011: Satz 1: Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Satz 2: Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften führen zu freigebigen Zuwendungen, soweit sie nicht betrieblich veranlasst sind und soweit an den 37 Vgl. „8er-Stellungnahme“ der 8 großen Unternehmensverbände v. 19.5.2011, abzurufen z. B. unter http://www.bdi.eu/download_content/SteuernUndFinanzpolitik/8er-Eingabe_ErbSt-vGA.pdf. 38 Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG; BR-Drs. 253/11. 39 Zustimmung der Bundesregierung v. 22.6.2011, BT-Drs. 17/6263. Die darin enthaltenen Aussagen zu Stiftungen und Genossenschaften sollen hier nicht weiter thematisiert werden. Zu Spezialfragen von Genossenschaften vgl. aber die „8er-Stellungnahme“ der 8 großen Unternehmensverbände v. 28.11.2011, S. 8 ff. (abzurufen unter http://www.ihk-koeln.de/upload/EingabeSchenkungsteuer11_11_28_17514.pdf). 40 Einzelheiten im Folgenden bei Darstellung der jeweiligen Vorschriften.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind.

§ 15 Abs. 4 ErbStG: Bei einer Schenkung durch eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ist der Besteuerung das persönliche Verhältnis des Erwerbers zu derjenigen unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Person oder Stiftung zugrunde zu legen, durch die sie veranlasst ist. In diesem Fall gilt die Schenkung bei der Zusammenrechnung früherer Erwerbe (§ 14) als Vermögensvorteil, der dem Bedachten von dieser Person anfällt.

Satz 2 des § 7 Abs. 8 wurde später noch einmal im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verändert und letztlich wie folgt formuliert:41 Freigebig sind auch Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften, soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind.

Die gesetzliche Regelung wurde im November beschlossen und trat am 7.12.2011 in Kraft42. Die neuen Vorschriften sind nach § 37 Abs. 7 ErbStG grundsätzlich ab dem Tag nach Verkündung des Gesetzes anwendbar; auf Antrag gilt Satz 2 des § 7 Abs. 8 ErbStG jedoch bereits für Erwerbe bis zur Verkündung, wenn insoweit noch keine bestandskräftigen Steuerbescheide existieren. 2. Grundregel § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG 2.1 Inhalt und Voraussetzungen Die Vorschrift soll Besteuerungslücken im Falle verdeckter Einlagen schließen43 und die sich dadurch ergebenden Vermögensverschiebungen auf andere Gesellschafter grundsätzlich der Schenkungsteuer unterwerfen. Die Werterhöhung von Anteilen an Kapitalgesellschaften „gilt“ danach als Schenkung; der Vorgang wird im Ergebnis einer Direktzuwendung des Leistenden an den Bedachten gleichgestellt. Aus der Gesetzesformulierung „gilt“ ergibt sich zugleich, dass die betroffenen Fälle keine originären freigebigen Zuwendungen i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind und dementsprechend auch nicht deren Voraussetzungen erfüllen müssen, sondern es sich um eine Fiktion – vergleichbar dem § 7 Abs. 7 ErbStG – handelt.44 41 § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG i. d. F. v. 26.10.2011. 42 Vgl. ErbStG i. d. F. durch das BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I, 2592. 43 Vgl. oben II.2.1, Beispiel 1; Gesetzesbegründung in BR-Drs. 253/11, 34; siehe zum Zweck der Regelung auch van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 3. 44 Vgl. auch Binnewies, GmbHR 2011, 1022, 1027; Crezelius, ZEV 2011, 393, 394; Viskorf, http://blog.handelsblatt.com/steuerboard/2011/07/06/erneute-anderung-des-erbschaftsteuergesetzes.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Tatbestandsmerkmale der Norm sind: – Es erfolgt eine Leistung einer Person an eine Kapitalgesellschaft, und – dadurch kommt es zu einer Werterhöhung des Anteils einer (unmittelbar oder mittelbar an der Kapitalgesellschaft beteiligten) natürlichen Person oder Stiftung. Im Rahmen der derart fingierten Schenkung sind Zuwendender die „andere Person“, die an die Kapitalgesellschaft leistet, und Bedachter die (ggfls. mittelbar) beteiligte natürliche Person, deren Anteil eine Werterhöhung erfährt (nicht die Kapitalgesellschaft selbst, an die geleistet wird). Unbeachtlich sind laut Gesetzeswortlaut z. B.: – Die Stellung des Zuwendenden im Verhältnis zur Kapitalgesellschaft: nicht nur Leistungen von Gesellschaftern werden erfasst, sondern auch Leistungen fremder Dritter (Nichtgesellschafter); die Regelung ist insofern also nicht auf echte Einlagen beschränkt (vgl. dazu unten insbesondere das Beispiel zu einem Sanierungsfall). – Die Rechtsform des Zuwendenden: unklar ist, ob Leistende i. S. d. S. 1 jedwede Person ist oder ob nur natürliche Personen in Betracht kommen, nicht dagegen Kapitalgesellschaften. Die Frage drängt sich deshalb auf, weil im S. 2 eine Sonderregelung getroffen wird bzw. werden sollte, die Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften („im Konzern“) unter bestimmten Voraussetzungen von der Schenkungsteuer ausnimmt. Eindeutig ist der Wortlaut des S. 1 allerdings nur hinsichtlich der Rechtsform der Empfängerin der unmittelbaren Leistung (= Kapitalgesellschaft) und des letztlich begünstigten Anteilseigners (= natürliche Person oder Stiftung). Für den Zuwendenden ließe sich vertreten, dass dieser nur natürliche Personen meinen kann, weil ansonsten keine eindeutige und überschneidungsfreie Abgrenzung zum S. 2 möglich ist, der S. 1 also durch S. 2 für Leistungen von Kapitalgesellschaft verdrängt wird45. Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich diese Restriktion allerdings nicht wirklich ableiten; und auch die Gesetzesbegründung geht offenbar von einem anderen Verständnis aus, dass S. 1 auch bei Zuwendungen durch Kapitalgesellschaften anwendbar sein kann und nicht durch S. 2 verdrängt wird46. – Das Verhältnis zwischen Zuwendendem und Bedachtem: Die gesetzliche Fiktion soll offenbar nicht nur bei einem Näheverhältnis zwischen

45 So „8er-Stellungnahme“ der 8 großen Unternehmensverbände v. 28.11.2011, a. a. O. (Fn. 39), S. 3 f. 46 BR-Drs. 253/11, 35, Beispiel 2.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges leistender Person und bedachtem Gesellschafter gelten, sondern auch ohne ein solches;47 – Die (mittelbare) Beteiligungsquote des Bedachten und erst recht nicht des Zuwendenden (denn letzterer muss – siehe oben – überhaupt nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt sein). Nicht ganz eindeutig ist zudem, was Zuwendungsgegenstand ist. Theoretisch kommt das an die Kapitalgesellschaft Geleistete (bzw. ein Bruchteil davon), ein Anteil an der empfangenden Kapitalgesellschaft oder die eintretende Anteilswerterhöhung in Betracht. Aus dem Wortlaut des S. 1 („als Schenkung gilt die Werterhöhung“) und der Gesetzesbegründung ist u. E. aber hinreichend klar, dass Zuwendungsgegenstand die eingetretene Werterhöhung des Anteils der (mittelbar) beteiligten natürlichen Person ist. Daraus folgt konsequenterweise eine Nichtanwendbarkeit der Verschonungsvorschriften §§ 13a, 13b, 19a ErbStG,48 da sie die Zuwendung eines Anteils voraussetzen. Andererseits zeigt allein schon die Frage, dass die Abgrenzung des erbschaftsteuerlich begünstigten Vermögens willkürlich ist – wo liegt eine Rechtfertigung dafür, dass die Anteilswerterhöhung nicht begünstigt ist, wohl dagegen z. B. ein mehrstufiger Vorgang mit gleichem wirtschaftlichen Ergebnis (z. B. – basierend auf dem Sachverhalt des Bsp. 1 – eine wertangemessene Barkapitalerhöhung durch den Vater mit anschließender Übertragung des hälftigen neuen Anteils an den Sohn). Wenn es auf die Werterhöhung ankommt, dann stellt sich die Frage, wie diese zu berechnen ist. Da es letztlich um einen Anteilswert geht und dessen (potentielle) Erhöhung, muss grundsätzlich über § 12 Abs. 1 ErbStG auf die Regelungen des § 11 BewG zurückgegriffen werden.49 Dabei können sich grundsätzlich Werterhöhungen ergeben, die nicht deckungsgleich sind mit dem an die Kapitalgesellschaft Geleisteten, d. h. das derart Geleistete über- oder untersteigen. Ein Übersteigen ist z. B. denkbar in Sanierungsfällen, wenn die Gesellschaft ohne eine Zuwendung in Insolvenz hätte gehen müssen und nur die Zuwendung das Überleben sichert. Hier ist u. E. geboten, die Werterhöhung der Gesellschaft (als Basis für die Berechnung der Werterhöhung des begünstigten Gesellschafters) maximal in der Höhe des Geleisteten anzusetzen. Denn wenn die Norm nach ihrer Intention disquotale Einlagen mit Bereicherungsabsicht erfassen will, dann kann die Zuwendung nicht höher sein als bei 47 Einschränkend die „8er-Stellungnahme“ v. 28.11.2011, a. a. O. (Fn. 39), S. 3. 48 Vgl. auch Viskorf, http://blog.handelsblatt.com/steuerboard/2011/07/06/erneute-anderung-des-erbschaftsteuergesetzes; Riedel, NZI 2011, 577, 579. 49 Vgl. auch Riedel, NZI 2011, 577, 579; s. a. van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 4, 8, nach denen aber als „Anhaltspunkt“ bzw. „aus Vereinfachungsgründen“ auf den gemeinen Wert der Leistung abgestellt werden kann.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges einem zweistufigen Vorgang aus einer Direktzuwendung an den begünstigten Gesellschafter und anschließender gemeinsamer kongruenter Einlage. Zudem ergäben sich ansonsten praktisch erhebliche Bewertungsunsicherheiten, die die Anwendung der Norm und ihre Berechenbarkeit erschwerten; das wäre bei einem Steuertatbestand, der als Fiktion angelegt ist und daher nur durch die Erfüllung des objektiven Tatbestands (bei dem die Werterhöhung das zentrale Merkmal ist) ausgelöst wird, nicht zu rechtfertigen. Praktisch erfolgen bei formal disquotalen Leistungen an eine Kapitalgesellschaft häufiger Zusatzabreden, die eine vollständige oder teilweise Kompensation für den disquotal Einlegenden bewirken oder darauf abzielen. Dies können z. B. die Einräumung von Gewinn- oder Liquidationsvorabs zugunsten des Einlegenden oder – z. B. in Sanierungsfällen – Besserungsscheine bei Forderungsverzicht sein. Häufig werden die Parteien mit derartigen Abreden die Vorstellung haben, dass die disquotale Leistung in vollem Umfang ausgeglichen ist, wirtschaftlich also gar keine Begünstigung eines nicht oder nur unterquotal einlegenden Gesellschafters vorliegt. Auch die Gesetzesbegründung selbst geht z. B. im Sanierungsfall ausdrücklich von diesem Verständnis aus.50 Wenn es allerdings aufgrund des Fiktionscharakters kein subjektives Tatbestandsmerkmal im S. 1 geben sollte, bei dem die entsprechend fehlende Absicht einer unentgeltlichen Zuwendung tatbestandsausschließend berücksichtigt werden kann, dann muss eine Berücksichtigung im objektiven Tatbestand über die Art und Weise der Ermittlung erfolgen, ob bzw. inwieweit eine Werterhöhung von Anteilen vorliegt51; letztlich ist daher zu hoffen, dass die Finanzverwaltung an dieser Stelle eine wirtschaftlich vernünftige Gesamtbetrachtung anlegen wird, die nicht über scheingenaue Anteilsbewertungsregeln zu potentiell unausgeglichenen Leistungen und damit zu einer Schenkungsteuerpflicht kommt. Das würde der Intention des Gesetzgebers nach unserem Dafürhalten zuwiderlaufen. Es wurde sogar die Frage aufgeworfen, ob die Norm nicht sogar sämtliche Einlagen in eine Kapitalgesellschaft zu schenkungsteuerbaren Zuwendungen machen könnte, da der der Wortlaut des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG nicht zwischen disquotalen und quotalen Einlagen differenziere:52

50 BR-Drs. 253/11, 35. 51 Für eine Berücksichtigung subjektiver Wertvorstellungen bei der Bewertung der Bereicherung auch van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 5. 52 Vgl. „8er-Stellungnahme“ der 8 großen Unternehmensverbände v. 14.9.2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, 28 f. (abzurufen unter http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/06-Spitzenverb__d__dt__Wirtschaft.pdf

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Beispiel 7:

A

B

C

D

X-GmbH

A, B, C und D sind zu je 25 % an der X-GmbH beteiligt. Alle vier legen in kurzer Zeit je 100 TEuro ein

Isoliert betrachtet führt jede einzelne Einlage auch zu einer Werterhöhung der Anteile der jeweils anderen drei Gesellschafter von 25 TEuro. Bei einer Gesamtbetrachtung dieser Vorgänge ergibt sich jedoch eine Wertsteigerung aller vier Anteile um je 100 TEuro, die wirtschaftlich ausschließlich auf der eigenen Einlage des jeweiligen Gesellschafters beruht. Eine künstliche „Atomisierung“ eines solchen gesamtheitlichen Vorgangs in vier Einzelzuwendungen an die Kapitalgesellschaft ist abzulehnen53; sie entspricht weder der Intention des Gesetzgebers noch würde sie allgemein schenkungsteuerlichen Grundsätzen gerecht. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung nur disquotale Einlagen erfassen, aber keinesfalls quotale. Die Gesetzesbegründung zu S. 1 geht an einer Reihe von Stellen wie selbstverständlich nur von „überproportionalen“ bzw. „disquotalen“ Einlagen aus.54 Zudem fehlt es bei der gebotenen Gesamtbetrachtung bereits an einer Vermögensverschiebung auf andere Gesellschafter und einer fremdverursachten Werterhöhung „durch die Leistung einer anderen Person“; im Ergebnis beruht die bei jedem Gesellschafter eintretende Anteilswertsteigerung auf der jeweils eigenen Einlage.55 Irrelevant ist in diesem Zusammenhang u. E., ob eine ausdrückliche Einlageverpflichtung aller Gesellschafter besteht, solange die letztlich quotalen Zuführungen an die Kapitalgesellschaft in einem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang erfolgen.

53 Gl.A. van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 4, die insoweit auf den Gesamtplan der beteiligten Personen abstellen. 54 BR-Drs. 253/11, 34 f. 55 Vgl. gleichlautender Ländererlass v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207, Tz. 6.2, Beispiel 2 zu dem Fall einer verdeckten Gewinnausschüttung.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges 2.2 (Kein) Subjektiver Tatbestand? Angesichts der gesetzlichen Formulierung stellt sich die Frage, ob es auf einen Willen des Zuwendenden ankommt oder dieser stets irrelevant ist. Der Grundtatbestand der Schenkungsteuer – die freigebige Zuwendung i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – setzt ein subjektives Tatbestandsmerkmal voraus: zwar muss keine Bereicherungsabsicht vorliegen, aber der Zuwendende muss zumindest im Bewusstsein der Unentgeltlichkeit seiner Leistung handeln. Der Wille zur Unentgeltlichkeit ist nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen festzustellen.56 Der Wortlaut des neuen § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG enthält (anders als der S. 2, wo mittlerweile eine Bereicherungsabsicht notwendig ist) kein subjektives Tatbestandsmerkmal. Zudem ist die Regelung als bloße Fiktion formuliert („Als Schenkung gilt…“) – einer Fiktion hätte es nicht bedurft, wenn die beschriebenen Vorgänge bereits die Voraussetzungen einer Zuwendung i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mitsamt des subjektiven Tatbestandes erfüllen würden. Die Neuregelung schließt des Weiteren von ihrer Stellung im Gesetz an § 7 Abs. 7 ErbStG an, der ebenfalls mit einer Fiktion arbeitet und kein subjektives Tatbestandsmerkmal (z. B. Bewusstsein von der Unentgeltlichkeit des Vorganges oder gar eine Bereicherungsabsicht) voraussetzt.57 Wenn aber kein derartiges subjektives Merkmal notwendig ist, dann kann das zu Schenkungsteuerfolgen führen, wo sie nach dem wirtschaftlichen Sachverhalt nicht gerechtfertigt erscheinen. Probleme könnten z. B. in Sanierungsfällen entstehen: Beispiel 8:

A

Bank

Forderungsverzichte je 1 Mio. €

B 85 % 15 % X-GmbH

Als die X-GmbH sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, verzichten der Mehrheitsgesellschafter A sowie die Bank der X-GmbH auf (nicht mehr voll werthaltige) Forderungen im Wert von jeweils 1 Mio. Euro.

56 Vgl. Definition in R 14 Abs. 3 ErbStR. 57 Meincke, ErbStG, § 7 Rz. 151.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Ertragsteuerlich sind die Verzichte grundsätzlich ertragswirksam, soweit nicht ausnahmsweise der Sanierungserlass58 Anwendung findet. Schenkungsteuerlich fragt sich, ob eine partielle Schenkung an den Minderheitsgesellschafter B vorliegt. I. d. R. dürfte hier objektiv beim Gesellschafter B durch die Forderungsverzichte eine Anteilswerterhöhung eintreten, sofern nicht bereits eine Kompensation für die Verzichtenden vereinbart ist, z. B. durch Vereinbarung eines Besserungsscheins für die Bank und Mehrheitsgesellschafter A oder durch Anteilsgewährung an A bzw. die Bank – beides wird in der Praxis aber häufig entweder nicht gewünscht oder in der Sanierungssituation nicht durchsetzbar sein59. Gleichwohl können die Verzichtsmaßnahmen aus Sicht der Verzichtenden auch ohne Kompensation ausschließlich betrieblich veranlasst und ohne jegliche Zuwendungsabsicht gegenüber den nicht verzichtenden Gesellschaftern getroffen worden sein; das gilt insbesondere für die finanzierende Bank als fremde Dritte, bei der das wirtschaftliche Eigeninteresse an der Sanierung der X-GmbH der einzige Grund für den Forderungsverzicht sein dürfte. Nach dem reinen Wortlaut des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG liegen trotz dieser betrieblichen Veranlassung und des regelmäßig fehlenden Bereicherungswillen die Voraussetzungen der Norm vor. Eine schenkungsteuerbare Zuwendung ließe sich im Hinblick auf die nicht von dem Gesetzeszweck gedeckte, eher „zufällig“ – als Reflex der betrieblich veranlassten Sanierungsmaßnahme – eingetretene Anteilswerterhöhung bei B nur verneinen, wenn die Neuregelung einschränkend auszulegen und ein subjektives Merkmal „hineinzulesen“ wäre. Auch wenn der Wortlaut der Regelung diese einschränkende Auslegung nicht stützt, erweckt jedoch die Gesetzesbegründung an vielen Stellen den Eindruck, dass subjektive Elemente sehr wohl in dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG relevant sein sollen: – Die Regelung soll nur die Besteuerungslücke bei verdeckten Einlagen schließen, die sich daraus ergibt, dass eine Werterhöhung nach der Rechtsprechung des BFH kein geeigneter Zuwendungsgegenstand bei einer freigebigen Zuwendung ist.60 Das erfordert aber nicht die Aufgabe des Willens zur Unentgeltlichkeit – die Annahme von steuerbaren Zuwendungen ohne einen solchen Willen des Zuwendenden greift zu weit und ist überschießend. – Es wird eine Gleichstellung mit einer Direktzuwendung61 an den begünstigten Gesellschafter bezweckt. Bei einer Direktzuwendung als

58 59 60 61

BMF, Schr. v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240. A. A. offenbar van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 5. BR-Drs. 253/11, 34 unten. BR-Drs. 253/11, 36 Mitte.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges freigebige Zuwendung wäre wiederum der Wille zur Unentgeltlichkeit notwendig. – Der neue Satz soll Fälle erfassen, in denen die Zuwendung „auf eine mittelbare Bereicherung der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft abzielt.“62 Das deutet darauf hin, dass sogar ein Bereicherungswille für notwendig erachtet wurde und damit bloße nicht beabsichtige Werterhöhungsreflexe ausscheiden müssten. – Zudem wird in der Gesetzesbegründung allgemein ausgesprochen – ohne ausschließlichen Bezug auf den S. 2 – dass „betrieblich veranlasste Leistungen grundsätzlich nicht steuerbar seien.“63 Die Zielvorstellungen des Gesetzgebers und der überschießende Wortlaut sind an dieser Stelle u. E. nicht deckungsgleich. Der Gesetzgeber wollte entsprechende Sanierungsfälle nicht treffen; ohne eine allgemeine Anerkennung eines korrigierenden subjektiven Tatbestandsmerkmals im S. 1 ist die Umsetzung dieses Ziels aber fraglich. Für die Praxis wäre zu hoffen, dass die Finanzverwaltung rasch entsprechende Klarstellungen im Erlasswege trifft, dass derartige Sanierungsfälle nicht erfasst sind. Deutlich klarer und den eigentlichen Zielen der Gesetzesänderung besser gerecht werdend wäre es, wenn eine gesetzliche Klarstellung des u. E. unvollkommenen gesetzlichen Wortlauts erfolgen würde.64 3. Konzernregelung § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG 3.1 Entwicklung der Regelung im Gesetzgebungsverfahren Neben der Schließung der befürchteten Besteuerungslücke bei disquotalen Einlagen sollte durch die Gesetzesänderung zugleich klargestellt werden, dass innerhalb eines Konzerns Schenkungsteuerfolgen i. d. R. nicht eintreten. Dies soll durch einen eigenen S. 2 im § 7 Abs. 8 bewirkt werden. Der erste Vorschlag des Bundesrats vom 17.6.2011 für diese Regelung lautete zunächst wie folgt: Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften führen zu freigebigen Zuwendungen, soweit sie nicht betrieblich veranlasst sind und soweit an den Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind.

Die Kritik an der geplanten Neuregelung bemängelte am S. 2 u. a., dass das Merkmal der „betrieblichen Veranlassung“ unklar sei. Ertragsteuer62 BR-Drs. 253/11, 35 oben. 63 BR-Drs. 253/11, 35 unten. 64 Vgl. auch Crezelius, ZEV 2011, 393, 395; „8er-Stellungnahme“ der 8 großen Unternehmensverbände v. 14.9.2011 zum Entwurf des BeitrRLUmsG, a. a. O. (Fn. 52), S. 27; Viskorf, http://blog.handelsblatt.com/steuerboard/2011/07/06/ erneute-anderung-des-erbschaftsteuergesetzes.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges lich ist heute anerkannt, dass Kapitalgesellschaften gar keine außerbetriebliche Sphäre haben. Systemwidrig erschien es deshalb, für Zwecke der Schenkungsteuer plötzlich – neben einer betrieblichen auch – eine außerbetriebliche Veranlassung von Vorgängen im Konzernkreis für möglich zu halten.65 Zudem schien den Entwurfsverfassern eine enge Auslegung der betrieblichen Veranlassung vorzuschweben – es sollte nämlich regelmäßig von einer „privaten freigebigen Veranlassung“ auszugehen sein, wenn leistender und begünstigter Gesellschafter nahe Angehörige i. S. v. § 15 AO sind.66 Die deutlich weitreichendere Kritik am vorgeschlagenen § 7 Abs. 8 wurde vom Gesetzgeber letztlich nur insoweit aufgenommen, als der S. 2 angepasst und wie folgt formuliert wurde:67 Freigebig sind auch Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften, soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind.

Die Änderung wird damit begründet68, dass die gesetzliche Neuregelung lediglich echte Missbrauchsfälle erfassen dürfe. Beobachtet werden müsse die Gefahr der Erfassung echter Sanierungsfälle. Wird einer Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen, beispielsweise zur Abwendung einer Schieflage, von einem Gesellschafter eine Leistung gewährt, gelte dies nicht als Bereicherung eines Mitgesellschafters. Der Finanzausschuss will mit der Neufassung „das Element der Freigebigkeit stärker in den Mittelpunkt“ rücken, weist jedoch im gleichen Zusammenhang darauf hin, dass materiell beide Formulierungen (fehlende betriebliche Veranlassung im Vergleich zur Bereicherungsabsicht) gleichbedeutend seien; denn üblicherweise seien „solche Gestaltungen innerhalb des gleichen Verbundes betrieblich veranlasst“. Nur in Ausnahmefällen könne es sich bei Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften um eine Bereicherung der Gesellschafter handeln. Inwiefern durch diese Neuformulierung wirklich eine relevante Änderung bewirkt wurde, erscheint durchaus fraglich – die Auslegung wird jedenfalls nicht durch die Gesetzesbegründung zum neuen S. 2 erleichtert, denn die Gesetzesbegründung wurde (sogar zu dem überarbeiteten § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG) 65 Stellungnahme der 8 großen Industrieverbände (DIHK, BDI, ZDH, BDA, BdB, GDV, HDE, BGA) v. 14.9.2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, 29. 66 BR-Drs. 253/11, 35. 67 Vgl. zur Entwicklung den Bericht des Finanzausschusses sowie die Beschlussempfehlung, BT-Drs. 17/7524, 7, 8, 25–27, sowie BT-Drs. 17/7469, 2, 3, 7, 80. 68 So der Finanzausschuss des Bundestages in seinem Bericht über die Beratung des Gesetzesentwurfes, der sodann zu einer entsprechenden Beschlussempfehlung an den Bundestag geführt hat, BT-Drs. 17/7524, 8.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges unverändert wörtlich übernommen und selbst der nicht mehr relevante Begriff der „betrieblichen Veranlassung“ weiter beibehalten.69 3.2 Zielsetzung und Grundstruktur des S. 2 Mit der Sonderregelung im S. 2 soll demnach sichergestellt werden, dass Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften im Konzern nur in Ausnahmefällen schenkungsteuerbare Vorgänge darstellen, nämlich – soweit sie mit der Absicht der Bereicherung von Gesellschaftern erfolgen, und (kumulativ) – soweit an der zuwendenden und an der bedachten Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar keine Beteiligungsidentität besteht. Hintergrund der Regelung ist, dass im Ergebnis nur Vermögensverschiebungen besteuert werden sollen, die eigentlich zwischen zwei Gesellschaftern aus privaten Gründen nur über den Umweg einer Kapitalgesellschaft erfolgen. Jedenfalls Fälle innerhalb einer Unternehmensgruppe mit 100 %-Beteiligungen werden durch die Neuregelung gegenüber dem Ländererlass entschärft, wie das nachfolgende Grundbeispiel verdeutlicht: Beispiel 9 (wie Beispiel 5):

M-GmbH 100 %

T1-GmbH

100 % Darlehensförderung

T2-GmbH

Die M-GmbH veranlasst ihre 100 %-Tochter T2-GmbH, auf eine werthaltige Forderung gegenüber ihrer anderen 100 %-Tochter T1-GmbH zu verzichten.70

Auf Basis der Tz. 1.6 des Ländererlasses, die nicht zwischen natürlichen und juristischen nahestehenden Personen unterscheidet, bestand für diesen Vorgang ein Risiko der Schenkungsteuerbarkeit. Die Neuregelung in § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG bestimmt nunmehr, dass eine freigebige Zuwendung im Ergebnis nicht vorliegt, da alle Anteile an T1 und T2 unmittelbar dem gleichen Gesellschafter (hier: der M-GmbH) 69 BT-Drs. 17/7524, 25–27. 70 Ähnlich: das Beispiel aus der Gesetzesbegründung des Bundesrates, BR-Drs. 253/11, 35.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges gehören. Auf die Motivation für die Vermögensverschiebung und/oder eine betriebliche Veranlassung für diese kommt es in dieser Konstellation gar nicht mehr an. Irrelevant ist z. B. auch, wer in welchem Umfang an der M-GmbH beteiligt ist; da alle Anteile an zuwendender und begünstigter Kapitalgesellschaft zu 100 % vom gleichen Gesellschafter (M-GmbH) gehalten werden, kann sich keine Wertverschiebung zwischen Gesellschaftern ergeben. Damit stellt sich in einem solchen 100 %-Fall auch gar nicht die Frage, wie der S. 2 zur Regelung des S. 1 steht (dazu unten 3.3). Das Ergebnis (keine freigebige Zuwendung) wäre im Übrigen das Gleiche, falls die Anteile an den Tochtergesellschaften T1-GmbH und T2-GmbH ein und derselben natürlichen Person gehören. Bei Leistungen mittelbarer Gesellschafter im Konzernverbund ergibt sich nach der Vorschrift ebenfalls keine schenkungsteuerbare freigebige Zuwendung: Beispiel 10 (vgl. bereits Beispiel 6):

M-GmbH 100 % Forderungsverzicht

T-GmbH 100 % E-GmbH

Die M-GmbH hält 100 % an der T-GmbH, die wiederum 100 % an der E-GmbH hält. M verzichtet gegenüber der E auf eine voll werthaltige Forderung. Das Verzichtsschreiben enthält keine Aussagen zu dem Hintergrund des Verzichts oder zu der bilanziellen Behandlung.

Auch hier liegt keine freigebige Zuwendung der M-GmbH an ihre Enkelgesellschaft, die E-GmbH, vor, weil aufgrund der 100 %-Beteiligungskette an der M-GmbH dieselben Personen unmittelbar beteiligt sind, die auch mittelbar (über M- und T-GmbH) an der E-GmbH beteiligt sind. Die mittelbare Beteiligungsidentität reicht aus für den Ausschluss einer Schenkung gemäß § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG. Die Frage nach dem Verhältnis zu S. 1 stellt sich hier wiederum nicht. 3.3 Weitere Beispielsfälle zur Erläuterung der Norm Auch wenn S. 2 in den beschriebenen 100 %-Konstellationen eindeutig anwendbar ist und eine Schenkungsteuerbarkeit insgesamt ausschließt, stellen sich eine Reihe von Fragen zum eigentlichen Rechtscharakter der 513

Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Norm und ihrem Verhältnis zu S. 1, wenn auch dessen Anwendungsbereich eröffnet erscheint. Das verdeutlichen bereits einige Beispielsfälle: Beispiel 11: Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften mit unterschiedlichen Gesellschaftern:71

Vater (V)

Sohn (S) 40 %

100 % T1-GmbH

60 %

Grundstücksverkauf

T2-GmbH

V veranlasst T1, der T2 ein Grundstück verbilligt (um 100 TEuro unter Wert) zu verkaufen.

Ertragsteuerlich liegen jeweils in Höhe von 100 TEuro eine vGA der T1-GmbH an V vor sowie eine verdeckte Einlage des V in die T2-GmbH. Es ergibt sich wirtschaftlich eine Werterhöhung von 60 TEuro (60 % von 100 TEuro) bei S. Diese gilt gem. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG als Schenkung durch den Leistenden an S. Leistender soll nach der Gesetzesbegründung nicht der veranlassende V sein, sondern T1-GmbH72. Danach liegt also grundsätzlich ein schenkungsteuerbarer Vorgang im Verhältnis T1-GmbH zu S vor. Obwohl zwischen den beiden kein verwandtschaftliches Verhältnis besteht, wird nach dem ebenfalls neu eingefügten § 15 Abs. 4 ErbStG (dazu unten 5.) der Besteuerung letztlich die Steuerklasse I zugrunde gelegt. Prüft man daneben den S. 2, so ergibt sich, dass dieser i. H. d. nicht vorhandenen Beteiligungsidentität (= 60 %) einschlägig sein kann, sofern die Leistung der T1-GmbH mit Bereicherungsabsicht erfolgte. Hier fragt sich, auf wessen Bereicherungsabsicht es ankommen soll. Die T1-GmbH hat u. E. selbst keinen eigenständigen Bereicherungswillen bzgl. der T2-GmbH, sondern dieser wird auf der Ebene des veranlassenden Gesellschafters V gebildet. Für die Prüfung der Norm wird man wohl davon ausgehen müssen, dass dieser Wille des V entweder der T1-GmbH – die dann den Willen ausführt – zugerechnet wird – oder das Vorliegen des Willens auf der Ebene des Gesellschafters selbst ausreicht. Anderenfalls liefe die Norm leer. Somit liegt auch i. H. v. 60 % ein Fall des S. 2 vor. Folge ist nach dem Wortlaut der Regelung, dass die Zuwendung zwischen den 71 Beispiel aus Gesetzesbegründung, BR-Drs. 253/11, 35. 72 Der Vorgang wird allerdings in seinen Rechtsfolgen gem. § 15 Abs. 4 ErbStG einer Zuwendung des V an S gleichgestellt, vgl. unten III.5.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Kapitalgesellschaften T1 und T2 „auch freigebig“ ist. Was bedeutet das jetzt? Wird damit ein eigenständiger Steuertatbestand kreiert? U. E. ist das nicht der Fall73, dazu ist die Regelung des S. 2 selbst zu unvollständig. Ein unmittelbarer sprachlicher Zusammenhang zur Regelung des S. 1 (Fiktion einer Schenkung bei Werterhöhung eines Anteils) besteht auch nicht, denn wenn S. 1 einen eigenständigen Steuertatbestand mit Hilfe einer Fiktion begründet, dann kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung auch nicht mehr an – die Anordnung des S. 2 („freigebig ist auch eine Zuwendung“) ist dann überflüssig. Liest man die Regelung im Gesamtkontext des § 7, spricht einiges dafür, dass der S. 2 des Abs. 8 eine ergänzende Regelung zur freigebigen Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) als Haupttatbestand einer steuerbaren Schenkung darstellt74, der diese einschränkt; soweit die Voraussetzungen des Abs. 8 S. 2 (Bereicherungsabsicht; keine Beteiligungsidentität) nicht kumulativ vorliegen, ist zwischen den betreffenden Kapitalgesellschaften eine freigebige Zuwendung gesetzlich ausgeschlossen. Im Umkehrschluss könnte dies dann inzident bedeuten, dass die Zuwendung anteilig in Höhe des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen eine freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bestätigt oder selbständig anordnet. Diese würde dann anzunehmen sein zwischen T1-GmbH und T2-GmbH. Bei dieser Auslegung lägen im Ergebnis zwei Steuertatbestände bezüglich desselben wirtschaftlichen Vorgangs vor, die auch noch teilweise zwischen den gleichen Beteiligten bestünde, nämlich – eine fiktive Schenkung in Form einer Anteilswerterhöhung i. S. d. § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG zwischen T1-GmbH und S, und – eine freigebige Zuwendung der T1-GmbH an T2-GmbH i. H. v. 60 % der Zuwendung (= verminderter Kaufpreis oder u. U. sogar das Grundstück) nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 8 S. 2 ErbStG. Eine doppelte Schenkungsteuer für denselben Vorgang, bei dem auch noch einer der Steuerpflichtigen doppelt erfasst würde, kann gesetzlich nicht gewollt sein; ein Vorgang muss den anderen verdrängen. Die Gesetzesbegründung geht bei einem derartigen Fall davon aus, dass nur ein Fall des Abs. 8 S. 1 vorliegt; folglich muss dem die Annahme zugrunde liegen, dass der selbständige fiktive Tatbestand nach Abs. 8 S. 1 eine daneben u. U. vorliegende freigebige Zuwendung i. S. d. Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 8 S. 2 verdrängt. Das Verhältnis ließe sich allerdings auch genau umgekehrt verstehen. D. h. denkbar ist auch, dass bei Zuwendungen durch eine Kapitalgesell73 So auch van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 7. 74 Vgl. auch van Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1, 7.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges schaft an eine Kapitalgesellschaft die Anwendung des S. 1 vom (insofern spezielleren) S. 2 verdrängt wird. Herleiten ließe sich dieses Ergebnis auch dadurch, wenn man im S. 1 verlangt, dass nicht nur der Bedachte, sondern auch der Zuwendende immer eine natürliche Person oder Stiftung sein müsste – dann würde der S. 1 in diesen Fällen bereits tatbestandlich ausscheiden und nicht erst auf der Konkurrenzebene.75 Das Gesetz selbst regelt diese Grundfragen nicht. Hier wird man daher mit Spannung erwarten dürfen, wie die Finanzverwaltung die Regelungen auslegen wird. Welche Reglung welche verdrängt, ist nicht nur eine theoretische Frage. Sie hat auch nicht nur Bedeutung dafür, ob der Bedachte der begünstigte Gesellschafter ist (so in Abs. 8 S. 1) oder die Kapitalgesellschaft, an die die Zuwendung geleistet wurde (so in Abs. 8 S. 2). Sie entscheidet auch u. U. darüber, ob ein Besteuerungstatbestand überhaupt vorliegt. Das Problem stellt sich dann, wenn – wie typischerweise in den Sanierungsfällen – es an der subjektiven Komponente Bereicherungsabsicht fehlt: Beispiel 12: Sperrwirkung des § 7 Abs. 8 S. 2 hinsichtlich S. 1 bei betrieblicher Veranlassung?

Ehemann

Ehefrau

100 % EM-GmbH

Verzicht 1 Mio. €

20 %

80 % E-GmbH

Die EM-GmbH verzichtet auf eine Forderung gegenüber der E-GmbH i. H. v. 1 Mio. Euro zwecks Sanierung, weil anderenfalls der Insolvenzfall bei der E-GmbH eintreten würde und der Anteil der EM-GmbH als auch ihre Darlehensforderung voraussichtlich wertlos wären. Dadurch kommt es zu einer Werterhöhung der Anteile der Ehefrau an der E-GmbH um 200 TEuro (20 % v. 1 Mio. Euro).

Hier führt die Leistung der EM-GmbH reflexartig zu einer Werterhöhung des Anteils der Ehefrau um 200 TEuro; formal erfüllt das die Voraussetzungen des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG. Die Veranlassung der Leistung – die hier allein in eigenbetrieblichen Gründen der EM-GmbH liegt – ist nach dem Gesetzeswortlaut irrelevant; sie führt nach dem Willen des Gesetz75 In diesem Sinne „8er-Stellungnahme“ der großen Unternehmensverbände v. 28.11.2011, a. a. O. (Fn. 39), S. 2/3.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges gebers zu einer Schenkung der einlegenden EM-GmbH (und nicht des Ehemannes) an die Ehefrau. Zugleich liegt eine Vermögensverschiebung zwischen zwei Kapitalgesellschaften, der EM-GmbH und der E-GmbH, i. S. v. § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG vor. Da zu 80 % Beteiligungsidentität zwischen der E-GmbH (Ehemann zu 80 % mittelbar beteiligt) und der EM-GmbH (Ehemann zu 100 % unmittelbar beteiligt) besteht, ist hinsichtlich der übrigen, in der Hand der Ehefrau gehaltenen 20 % Anteile der Ehefrau eine Bereicherungsabsicht zu prüfen. Diese sollte hier trotz des Angehörigenverhältnisses zwischen den Gesellschaftern – entgegen der Vermutung des Bundesrates76 – nicht vorliegen, weil der Forderungsverzicht zur Abwendung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der E-GmbH erfolgte. Der Tatbestand des S. 2 liegt damit im konkreten Fall nicht vor. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis zu S. 2 Auswirkungen auf das Ergebnis zu S. 1 hat. Wäre das nicht so, dann ergäbe sich ein gesetzlicher Wertungswiderspruch. Der Fall macht plastisch, dass der S. 1 ohne ein subjektives Tatbestandsmerkmal überschießende Wirkung hätte. Richtigerweise sollte deswegen von einem Ausschluss der Rechtsfolgen nach S. 1 auszugehen sein. Dieses Ergebnis ergibt sich dann, wenn S. 2 als lex specialis für die Fälle der Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften den S. 1 verdrängt. 3.4 Fazit Der Inhalt der Neuregelungen wirft, wie gezeigt, eine ganze Reihe von Fragen auf, die nicht nur Details, sondern auch sehr grundlegende Fragen betreffen. Wesentlich ist, welche Rechtsqualität und -folgen der S. 2 hat und in welchem Verhältnis er zum S. 1 steht. Angesichts des Fiktionscharakters des S. 1 kann dies in Fällen fehlender Bereicherungsabsicht über die Steuerbarkeit des Vorgangs entscheiden. Gesetzestext und Gesetzesbegründung tragen zur Lösung dieser Frage wenig bei. Konsequent wäre es zur Erreichung einer überschneidungsfreien Anwendung und auch zur Erzielung sachgerechter Ergebnisse, wenn S. 1 bei Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften per se nicht anwendbar ist bzw. von S. 2 verdrängt wird.

76 BR-Drs. 253/11, 35, wonach bei disquotalen Leistungen regelmäßig von einer privaten freigebigen Veranlassung auszugehen ist, wenn der leistende und der begünstigte Gesellschafter nahe Angehörige i. S. v. § 15 AO sind.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges 4. Verdeckte Gewinnausschüttungen Es muss nach wie vor – mangels gesetzlicher Regelung – als streitig angesehen werden, ob und wann verdeckte Gewinnausschüttungen zu freigebigen Zuwendungen führen. Beispiel 14:

V

S

50 %

50 % T-GmbH

Gehalt überhöht

M

Alt. 1: Die GmbH verkauft einen Pkw für 100 TEuro unter Wert an V. Alt. 2: Das monatliche Gehalt an M (Ehefrau von V, Mutter von S) ist um 5 TEuro überhöht.

Lösung: Laut Ländererlass77 – Alt. 1: Freigebige Zuwendung i. H. v. 50 TEuro (50 % von 100 TEuro) an V. – Alt. 2: Freigebige Zuwendung i. H. v. 5 TEuro pro Monat an M. Schenker soll jeweils die T-GmbH sein. Die Neuregelung in § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG trifft keine explizite Aussage zu verdeckten Gewinnausschüttungen; sie kann lediglich Fälle im 3-Personenverhältnis auch vGA betreffen, wenn eine Leistung in eine Kapitalgesellschaft zugleich „übers Eck“ zu einer vGA führt.78 § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG findet dagegen – angesichts des weiten Anknüpfungspunktes „Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften“ – auch bei vGA Anwendung, solange sie zwischen Kapitalgesellschaft stattfinden. VGA an natürliche Personen als Gesellschafter werden dagegen nicht explizit von § 7 Abs. 8 ErbStG von einer – jedenfalls nach Ansicht der Finanzverwaltung denkbaren – Schenkungsteuer verschont werden. Daher bleibt die Problematik aus dem Ländererlass erhalten, ob und inwieweit vGA von der Schenkungsteuer erfasst werden können.79 77 Gleichlautender Ländererlass v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207, Tz. 6.2, Beispiel 1. 78 Vgl. z. B. oben Beispiel 9. 79 S.o. II.3.3.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges 5. Härtefallregelung § 15 Abs. 4 ErbStG Ziel des § 15 Abs. 4 ErbStG ist es, Härten zu vermeiden, die sich aus der vom BFH geforderten zivilrechtlichen Betrachtung einer Zuwendung ergeben, sofern Zuwendender eine Kapitalgesellschaft ist; problematisch ist dann insbesondere die Anwendung der hohen Steuersätze nach Steuerklasse III. § 15 Abs. 4 ErbStG verlangt, dass die Schenkung materiell durch eine Kapitalgesellschaft (Zuwendender) erfolgt. Die Norm begründet nicht die Eigenschaft der Kapitalgesellschaft als Zuwendende, sondern setzt diese Zuwendereigenschaft als Folge der jeweils anwendbaren Steuertatbestände voraus. Rechtsfolge ist, dass der entsprechenden Schenkung durch die Kapitalgesellschaft das persönliche Verhältnis des Erwerbers zu derjenigen unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Person oder Stiftung zugrunde zu legen ist, die die Schenkung durch die Kapitalgesellschaft veranlasst hat. Die Regelung stellt an den Erwerber keine expliziten Anforderungen; allerdings ergibt sich ein mäßigender Effekt durch die Regelung nur dann, wenn der Erwerber eine natürliche Person ist, weil es ansonsten kein näheres persönliches Verhältnis gibt – ist Erwerber also eine Kapitalgesellschaft liefe der Effekt der Regelung in jedem Fall leer, unabhängig davon, wer der Schenker ist. Das führt zu Problemen in Fällen des § 7 Abs. 8 S. 2 ErbStG, wenn dort – trotz der Veranlassung durch natürliche Personen – als Schenker und auch Beschenkte stets die involvierten Kapitalgesellschaften angesehen würde, und nicht die letztlich veranlassenden bzw. begünstigten unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschafter/natürliche Personen. Hier erscheinen die Regelungen nicht unbedingt zu Ende gedacht. Wenn die Norm anwendbar ist, wird dies wie eine Direktzuwendung durch eine natürliche Person (den veranlassenden Gesellschafter) an den Erwerber behandelt, so dass sich – Steuerklasse, § 15 ErbStG, – persönliche Freibeträge, § 16 ErbStG, – Steuersätze, § 19 ErbStG, und – Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe, § 14 ErbStG, nach dem Verhältnis zwischen Bedachtem und der die Schenkung veranlassenden natürlichen Person richten.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges Vgl. Beispiel 11:80

Vater (V)

Sohn (S) 40 %

100 % T1-GmbH

60 %

Grundstücksverkauf

T2-GmbH

V veranlasst die T1-GmbH, der T2-GmbH ein Grundstück verbilligt um 100 TEuro unter Wert zu verkaufen.

Jedenfalls nach der Gesetzesbegründung liegt eine schenkungsteuerbare Zuwendung nach § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG im Verhältnis T1-GmbH an S vor. Danach soll die Steuer so berechnet werden, wie sie sich bei einer Direktzuwendung des V an S ergibt (insbesondere also Anwendung der Steuerklasse I, nicht Steuerklasse III). Schenker soll jedoch nach der Gesetzesbegründung die T1-GmbH bleiben. Auch wenn es erfreulich ist, dass auf diesem Wege die überzogene Rechtsfolgen wieder abgemildert werden, stellt sich die Grundfrage, warum man nicht direkt davon ausgeht, dass Zuwendender der Vater V ist, der die Zuwendung veranlasst, statt die unmittelbar leistende Kapitalgesellschaft in eine Art „Haftung“ zu nehmen, in dem man sie als Zuwendenden annimmt. Die Vorschrift findet im Übrigen nicht nur Anwendung auf (Einlage-)Fälle des § 7 Abs. 8 ErbStG, sondern auch auf alle anderen Zuwendungen, die materiell durch die Kapitalgesellschaft erfolgen, beispielsweise – sofern hier tatsächlich eine Schenkungsteuerpflicht vorliegen würde – bei vGA an dem Gesellschafter nahestehende Personen, die nach Tz. 6 des Ländererlasses zu freigebigen Zuwendungen der Kapitalgesellschaft führen sollen.

IV. Zusammenfassung Die Neuregelungen im § 7 Abs. 8 ErbStG schaffen partiell neue Regeln für Zuwendungen an bzw. zwischen Kapitalgesellschaften. Diese sind nicht allerdings nicht klar und widerspruchsfrei. Die Problemfelder lassen sich wie folgt umschreiben:

80 Vgl. unter III.3.3.

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Schneider, Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zw. KG und Ges – § 7 Abs. 8 S. 1 erfasst als eigenständiger neuer Steuertatbestand Werterhöhungen von Anteilen bei (ggfls. mittelbar) beteiligten natürlichen Personen. Allerdings ist die Norm als Fiktion ausgestaltet, d. h. es fehlt ihr jedes subjektive Tatbestandmerkmal. Daraus ergibt sich ein überschießender Anwendungsbereich der Vorschrift jenseits des Gesetzeszwecks, der nur missbräuchliche Gestaltungen im Blick hat. – § 7 Abs. 8 S. 2: die Regelung ist gedacht, um Vermögensverschiebungen „im Konzern“ unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder zumindest teilweise von einer Schenkungsteuerpflicht auszunehmen. Jedoch ist der Rechtscharakter der Norm und insbesondere das Verhältnis der Vorschrift zu S. 1 unklar, z. B. wenn eine Bereicherungsabsicht fehlt, aber die (rein objektiven) Voraussetzungen des S. 1 vorliegen. – Die unklare Rechtslage hinsichtlich der Annahme von Schenkungen im Falle bestimmter verdeckter Gewinnausschüttungen bleibt erhalten. Hier ergibt sich eine widersprüchliche Doppelbesteuerung desselben Vorganges sowohl mit Schenkungsteuer (als unentgeltlicher Vorgang) als auch mit Ertragsteuern (als entgeltlicher Vorgang).

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Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Frankfurt a. Main Inhaltsübersicht

1. Grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei Grundstückskaufverträgen 1.1 Gegenleistung weit unter dem Verkehrswert 1.2 Bestimmung der Gegenleistung nach den Grundsätzen zum sog. einheitlichen Vertragswerk (einheitlicher Leistungsgegenstand „bebautes Grundstück“) 2. Zweifelsfragen bei § 1 Abs. 2 a GrEStG 2.1 Auf Grundstückspersonengesellschaften bezogene Treuhandverhältnisse (a) Regelungen im Erlass vom 25.2.2010 (b) Anlass der Änderung: BFHBeschluss II B 157/05 vom 17.3.2006 (c) Ablehnung der Verwaltungsansicht (d) Keine Verkürzung der Beteiligungskette beim Anteilsübergang auf den Treugeber? (e) Veräußerung von Kommanditbeteiligungen unter der aufschiebenden Bedingung der HR-Eintragung des Käufers 2.2 Können die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften keine Altgesellschafter sein? 2.3 § 1 Abs. 2a GrEStG und Verkürzung der Beteiligungskette

2.4

2.5

3. 3.1 3.2 4. 5.

(a) Verkürzung oberhalb einer an der Grundstücks-KG beteiligten Kapitalgesellschaft (b) Verkürzung durch Anteilsübertragung der unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft (c) Erforderlichkeit mindestens 95 %iger Beteiligungen? § 1 Abs. 2a GrEStG und Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer KG (a) Übergang unmittelbar der Beteiligung an der grundbesitzenden KG auf eine Z-KG (b) Übergang eines Anteils an einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft auf eine Z-KG § 1 Abs. 2a GrEStG und Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft Gestaltungsrisiken bei § 1 Abs. 3 GrEStG Keine ordnungsgemäße Anzeige nach Abschluss des Anteilskaufvertrags 94,9/5,1-Modelle und Risiko des Gestaltungsmissbrauchs Offene Fragen zu § 6a GrEStG Zusammenfassung

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer In der Praxis bestehen im Rahmen der Grunderwerbsteuer Gestaltungsrisiken insbesondere – in Bezug auf die im Regelfall die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bildende Gegenleistung1, – in Bezug auf Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Gesellschaften2 und – bei der Anwendung der seit dem 1.1.2010 geltenden sog. kleinen Konzernklausel in § 6a GrEStG.3 Einige dieser Risiken werden in diesem Beitrag dargestellt.

1. Grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei Grundstückskaufverträgen Zu Verunsicherungen führt in der Praxis häufig die Rechtsprechung des BFH, wonach sich die Grunderwerbsteuer bei Grundstücks-Kaufverträgen auch dann nach dem Kaufpreis bemisst, wenn ein weit unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegender Betrag als Kaufpreis für das gesamte Grundstück vereinbart wird. Eine Grenze ist nach der Formulierung des BFH erst dann erreicht, wenn „in Wirklichkeit gar kein Kaufpreis mehr vorliegt, weil sich der Betrag der Gegenleistung in keine Relation zum Wert des Grundstücks bringen“ lasse. Wann ein Kaufpreis in keine Relation zum Wert des Grundstücks gebracht werden kann, ist offen und scheint einer rechtlichen Beurteilung entzogen. M. E. bleibt nur die Möglichkeit, sich bei der Gestaltung im Rahmen dessen zu bewegen, was der BFH in veröffentlichten Urteilen ausdrücklich gebilligt hat (vgl. sogleich in Ziffer 1.1). Beim Kauf noch nicht bebauter Grundstücke besteht die Problematik, dass ggf. nicht nur der Kaufpreis für das unbebaute Grundstück, sondern auch Bauunternehmern geschuldete Werklöhne mit zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung gehören (vgl. unten in Ziffer 1.2). 1.1 Gegenleistung weit unter dem Verkehrswert Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gilt gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei einem Kauf der Kaufpreis (einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehalte1 Vgl. unten in Ziffer 1. 2 Vgl. unten in Ziffern 2 und 3. 3 Vgl. unten in Ziffer 4.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer nen Nutzungen). Soweit eine Gegenleistung nicht gänzlich fehlt oder zu ermitteln ist, ist nach der Rechtsprechung des BFH auch bei Grundstücksübergängen zwischen Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, der Wert der Gegenleistung die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage. Dies gilt auch dann, wenn die vereinbarte Gegenleistung weit unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegt.4 Für die Praxis problematisch ist die Aussage, dass eine andere Betrachtungsweise geboten sein soll, wenn „in Wirklichkeit gar kein Kaufpreis mehr vorliegt“, weil „sich der Betrag der Gegenleistung in keine Relation zum Wert des Grundstücks bringen“ lasse.5 Dies sei anzunehmen, wenn ein Kaufpreis lediglich in symbolischer Höhe – z. B. von EUR 1 – vereinbart werde.6 Andererseits könne auch ein Kaufpreis von EUR 1 ernst gemeint und deshalb als grunderwerbsteuerliche Gegenleistung anzuerkennen sein.7 Es bedürfe für diese Annahme jedoch besonderer Umstände, aus denen sich die Ernsthaftigkeit der Kaufpreisvereinbarung ergibt.8 Gemäß § 3 Nr. 1 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen „der Erwerb eines Grundstücks, wenn der für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert (§ 8) EUR 2.500 nicht übersteigt.“ Sofern ein Kaufpreis von EUR 2.500 ernsthaft vereinbart wird, stellt die Zahlung in dieser Höhe m. E. die Gegenleistung i. S. v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG dar. Eine Aufteilung des Verkaufs in einen entgeltlichen in einen unentgeltlichen Teil ist unzulässig. Bei Konzernsachverhalten liegt bei entsprechenden 4 Vgl. BFH, Beschl. v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483, dritter Leitsatz unter Hinweis auf BFH, Urt. v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186. Vgl. auch Viskorf in Boruttau, § 8 GrEStG, Rz. 74; vgl. Loose in Boruttau, § 9 GrEStG, Rz. 208. 5 Wenn der Kaufpreis (weil angeblich nur „symbolisch“) nicht anerkannt wird, d. h. wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist, bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 GrEStG nach den sog. Grundbesitzwerten i. S. v. §§ 138 ff. BewG. Diese Grundbesitzwerte bilden auch bei Umwandlungen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes, bei Einbringungen sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Bemessungsgrundlage. Der BFH hat die Frage nach der Vereinbarkeit von §§ 8 Abs. 2, 11 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG mit Art. 3 GG dem BVerfG nach Art. 100 GG zur Prüfung vorgelegt. Vgl. BFH, Urt. v. 2.3.2011 – II R 23/10 und II R 64/08 v. 2.3.2011. Az. beim BVerfG: 1 BvL 14/11. Der BFH ist der Ansicht, dass die einheitliche Steuersatzregelung in § 11 GrEStG eine ausreichend folgerichtig und belastungsgleich ausgestaltete Bemessungsgrundlage verlange. 6 Vgl. z. B. FG Brandenburg, Urt. 3 K 1500/02, EFG 2005, 1957. Die Gegenleistung bestand in der Übernahme von Verpflichtungen des Verkäufers durch den Käufer, deren Wert nur 2 % des Buchwerts des übertragenen Grundstücks ausmachten. 7 Vgl. Viskorf in Boruttau, § 8 GrEStG, Rz. 42, 17. Auflage 2011, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 8 Vgl. BFH, Urt. v. 12.7.2006 – II R 65/04, BFH/NV 2006, 2128.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Gestaltung kein Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage i. S. v. § 8 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 GrEStG vor, weil die Gesellschafterstellung der beteiligten Konzerngesellschaften in rechtlicher Hinsicht nicht verändert wird.9 Zu einer Festsetzung von Grunderwerbsteuer dürfte es daher nicht kommen. In der Praxis ist allerdings Vorsicht geboten. Kommt es insbesondere bei konzerninternen Grundstücksübertragungen in Betracht, einen unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegenden Kaufpreis für das gesamte Grundstück zu vereinbaren,10 stellt sich die Frage, wie gering der Kaufpreis vereinbart werden kann. Auf einen absoluten Mindest-Betrag abzustellen erscheint absurd, weil der absolute Betrag im Verhältnis zum Verkehrswert des betroffenen Grundstücks je nach Fall äußerst gering oder relativ hoch sein kann. Zu vermeiden ist in jedem Falle die ausdrückliche Bezeichnung des Kaufpreises im Kaufvertrag oder in sonstigen Dokumenten als „symbolisch“. Ansonsten bleibt m. E. im konkreten Fall nur die Möglichkeit sich an den Urteilen zu orientieren, die der BFH zu dieser Frage veröffentlicht hat. Im Folgenden werden daher einige BFH-Urteile dargestellt. Hierbei handelt es sich um keine vollständige Darstellung: – Im dem BFH-Urteil II R 9/92 vom 17.12.1994 zugrunde liegenden Sachverhalt waren die Betriebsgrundstücke und das übrige wesentliche Anlagevermögen sowie das Vorratsvermögen eines Betriebs gegen einen – nach Ansicht des BFH: symbolischen – Kaufpreis von DM 1 auf den Erwerber übertragen worden. Der BFH lehnte es in diesem Fall ab, den Kaufpreis von DM 1 als grunderwerbsteuerlich maßgebliche Gegenleistung für die Übertragung des einen nicht unbeträchtlichen Wert verkörpernden gesamten beweglichen und unbeweglichen Betriebsvermögens anzusehen. Der BFH begründete dies wie folgt: „Im vorliegenden Fall steht indessen die vermeintliche Gegenleistung von jeweils DM 1 zu dem Wert des zu übertragenden Betriebsvermögens, bei dem allein die Bilanzansätze – d. h. die nicht einmal die stillen Reserven ausweisenden Buchwerte – mehrere Millionen DM betragen haben, nicht lediglich in

9 Nach der Rechtsprechung des BFH liegt ein Einbringungsvorgang i. S. v. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GrEStG vor, wenn ein Gesellschafter ein Grundstück zur Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung im Rahmen der Übernahme von Aktien oder Stammeinlagen oder zur Erfüllung von Beitragspflichten auf eine (Kapital- oder Personen-)Gesellschaft überträgt. 10 Dass in Höhe der Differenz zwischen gemeinem Wert und Kaufpreis ggf. eine vGA vorliegt, führt nicht dazu, dass in Höhe der Differenz etwa ein Forderungsverzicht vorläge (was tatsächlich nicht der Fall ist) oder mit Einverständnis des Gesellschafters der Jahresgewinn der Gesellschaft rechnerisch entsprechend beeinflusst würde. Denn das Einverständnis mit dieser Folge stellt keine Leistung des Gesellschafters an die Gesellschaft dar. Vgl. Loose in Boruttau, § 9 GrEStG, Rz. 211.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer einem krassen Missverhältnis. Vielmehr lassen sich die Beträge von DM 1 mangels deren ernsthaften Gegenleistungscharakters nicht in eine Relation bringen. So haben denn auch die Vertragsparteien selbst in der privatschriftlichen Vereinbarung vom … ausdrücklich von einem lediglich ‚symbolischen Kaufpreis‘ von DM 1 gesprochen. Kein anderer Sinngehalt kann – wie schon das FG zutreffend erkannt hat – der Vereinbarung eines ‚Kaufpreises‘ von ebenfalls DM 1 in dem notariell Übertragungsvertrag vom 12.06.1985 beigemessen werden, wenngleich hier auch nicht ausdrücklich von einem symbolischen Kaufpreis die Rede ist“.

– Mit Urteil II R 115/69 vom 26.10.197711 entschied der BFH, dass, wenn eine Kapitalgesellschaft ein Grundstück an ihre Gesellschafter zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden Preis verkauft, in Höhe der körperschaftsteuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung behandelten Differenz zwischen Kaufpreis und gemeinem Wert12 keine Gegenleistung des kaufenden Gesellschafters an die Gesellschaft vorliege, um die die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (der Kaufpreis) zu erhöhen wäre.13 Nur eine Leistung, die der Gesellschafter an die Gesellschaft oder Dritte erbringe, oder eine Leistung, die die Gesellschaft erhalte, könne als Gegenleistung i. S. v. § 11 GrEStG a. F. gelten. – Im dem BFH-Urteil II R 95/86 vom 6.12.198914 zugrunde liegenden Sachverhalt erwarb ein zu 82 % an der KG beteiligter Kommanditist von der KG ein Grundstück zum Buchwert von DM 116.332. Das Finanzamt schätzte den Verkehrswert des Grundstücks auf ca. DM 1,9 Mio. Der BFH entschied, dass Grunderwerbsteuer nur von dem Kaufpreis von DM 116.332 erhoben werden könne. Dass der innere Wert der Gesellschaftsanteile in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Verkehrswert und Kaufpreis gemindert worden sei, stelle keine Leistung des Kommanditisten oder eines Dritten an die KG dar.

11 BStBl. II 1978, 201. 12 Dass für die Bewertung einer vGA der gemeine Wert relevant ist, hat der BFH im Urteil I R 47/10 v. 22.12.2010 (vGA infolge unentgeltlicher privater Nutzung eines betrieblichen Flugzeugs) bestätigt, vgl. dort Rz. 8: „Wird ein betriebliches Wirtschaftsgut durch einen Gesellschafter ohne angemessene Gegenleistung (privat) genutzt, ist die vGA in Höhe der objektiv angemessenen Gegenleistung zu bewerten. Das führt in der Regel zum Ansatz des gemeinen Werts der Nutzung und, sollte dieser nicht zu ermitteln sein, zu einer Wertbestimmung nach den (Voll-)Kosten der Kapitalgesellschaft zzgl. eines angemessenen Gewinnaufschlags ….“ 13 Vgl. auch BFH, Beschl. v. 26.10.1978, BStBl. II 1988, 348. Vgl. Loose in Boruttau, § 9 GrEStG, Rz. 20: „Im Ergebnis ist es für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung regelmäßig ohne Belang, ob und in welchem Ausmaß bei einem Grundstückserwerb eine freigebige Zuwendung vorliegt“. 14 BStBl. II 1990, 186.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer – Im dem BFH-Beschluss II B 54/02 vom 26.2.200315 zugrunde liegenden Sachverhalt übertrug eine Stadt ein Grundstück auf eine in ihrem alleinigen Anteilbesitz stehende GmbH. In dem notariell beurkundeten Vertrag war der Verkehrswert der Grundstücke mit DM 28,91 Mio. angegeben worden. Von diesem Wert sollten 30 % (DM 8,673 Mio.) der Kapitalrücklage der GmbH zugeführt werden, während die Stadt der GmbH in Höhe des Restbetrags von 70 % (DM 20,237 Mio.) ein Darlehen gewährte. Dabei sah der von der Stadt und der GmbH abgeschlossene Vertrag ausdrücklich vor, dass 30 % des Wertes der Grundstücke der GmbH als Kapitalrücklage zuzuführen sei. Zwar nahm das FG Düsseldorf im erstinstanzlichen Beschluss 7 K 5618/99 vom 28.1.200216 gerade diese Vertragsklausel zum Anlass, eine außerhalb des Gesellschaftsvertrags erbrachte freiwillige Sacheinlage der Stadt in die GmbH und deshalb einen Fall von § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG anzunehmen. Der BFH lehnte die Bemessung der Grunderwerbsteuer nach dem Bedarfswert gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG trotz dieser Vertragsklausel ab, weil ein „Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage“ nur vorliege, wenn durch den Grundstücksübergang die Gesellschafterstellung des beteiligten Gesellschafters in rechtlicher Hinsicht berührt oder verändert“ werde, „z. B. wenn dem Gesellschafter für die Übertragung des Grundstücks auf die Gesellschaft eine höhere Beteiligung eingeräumt wird oder wenn sich wegen der Übertragung des Grundstücks durch die Gesellschaft auf den Gesellschafter dessen Beteiligung an der Gesellschaft vermindert“. Auch eine Einbringung liege nicht vor, weil die Stadt das Grundstück nicht zur Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung im Rahmen der Übernahme einer Stammeinlage oder zur Erfüllung von Beitragspflichten auf die GmbH übertragen habe. 1.2 Bestimmung der Gegenleistung nach den Grundsätzen zum sog. einheitlichen Vertragswerk (einheitlicher Leistungsgegenstand „bebautes Grundstück“) Nach der BFH-Rechtsprechung gehören zur Gegenleistung i. S. v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG alle Leistungen des Käufers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarung gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Dabei ist es für den Umfang der Bemessungsgrundlage entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegen-

15 BStBl. II 2003, 483; vgl. Viskorf in Boruttau, § 8 GrEStG, 17. Auflage 2011, Rz. 82: Bei Grundstücksübertragung gegen Forderungsgutschrift und Zuweisung an die Rücklagen liegt in Höhe der Gutschrift eine Gegenleistung vor, die nach § 8 Abs. 1 GrEStG maßgebliche Bemessungsgrundlage ist. 16 EFG 2002, 782.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer stand des Erwerbsvorgangs ist.17 Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst (vom Veräußerer) zu versetzen ist.18 Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung eines erst noch zu bebauenden Grundstücks aus dem Grundstückskaufvertrag selbst, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs für grunderwerbsteuerliche Zwecke das bebaute Grundstück. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung eines Gebäudes darauf aus zwei oder mehreren an sich selbständigen Verträgen, ist (zusammenfassend dargestellt) grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand, wenn – diese Verträge entweder aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs als einheitlicher Vertrag anzusehen sind19 oder – zwischen mehreren Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält. Eine zivilrechtliche Verbindung der Verträge liegt vor, – wenn die Verträge in ihrer Gültigkeit ausdrücklich von einander abhängig gemacht werden oder – wenn sie nach dem Willen der Parteien derart von einander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen sollen“. Dabei kann ein einheitliches Vertragswerk auch dann vorliegen, wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt.20 Der objektive und enge sachliche Zusammenhang zwischen einem Grundstückskaufvertrag und den zur Errichtung eines Gebäudes darauf abgeschlossenen Verträgen wird nach der BFH-Rechtsprechung bejaht, wenn dem Erwerber aufgrund einer in bautechnischer (und ggf. finanzieller) Hinsicht ganz konkreten und bis „annähernd“ zur Baureife gegebenen Vorplanung ein bestimmtes Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitli-

17 Vgl. BFH, Urt. v. 11.3.1981 – II R 77/78, BStBl. II 1981, 537 und v. 24.1.1990 – II R 94/87, BStBl. II 1990, 590. 18 Vgl. BFH, Urt. v. 5.2.1992 – II R 110/88, BStBl. II 1992, 357. 19 Vgl. BFH, Urt. v. 4.3.1983 – II R 6/82, BStBl. II 1983, 609 und v. 24.1.1990 – II R 94/87, BStBl. II 1990, 590. 20 Vgl. BFH, Urt. v. 21.12.1981 – II R 124/79, BStBl. II 1982, 930 und v. 23.6.1982 – II R 155/80, BStBl. II 1982, 741.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer ches annimmt oder nur annehmen kann.21 Dies soll nach BFH regelmäßig der Fall sein, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ einer Bebauung aufgrund vorhergehender Absprachen oder aus faktischen Zwängen heraus nicht mehr frei ist.22 Entscheidend ist, dass der Erwerber entsprechend dem von ihm hingenommen (einheitlichen) Angebot die zu dessen Umsetzung erforderlichen Verträge abschließt. Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem übrigen Verträgen vor, wenn der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen.23 Diese erfordert regelmäßig – dass der Käufer eines Grundstücks im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der Bebauung bereits gebunden ist und – dass die auf der Veräußererseite auftretenden Personen entweder (z. B. gesellschaftsrechtlich) untereinander verbunden sind oder objektiv erkennbar zusammenwirken (was sich auch aus anderen Baumaßnahmen ergeben kann) oder sich erkennbar abgestimmt verhalten. Dies kann sich aus den gesamten Umständen ergeben.24 Dass bei Leasing-Konzeptionen über Großprojekte lediglich der Kaufpreis für das unbebaute Grundstück mit Grunderwerbsteuer belastet wird, setzt m. E. voraus, dass sich der Grundstückskäufer um die Errichtung des Gebäudes kümmert und dies ausschließlich in seinem Verantwortungsbereich liegt. 21 Vgl. BFH, Urt. v. 10.8.1994 – II R 33/91, BFH/NV 1995, 337. 22 Vgl. BFH, Urt. v. 18.10.1989 – II R 85/77, BStBl. II 1990, 181, II R 143/87, BStBl. II 1990, 183; v. 20.12.1990 – II R 8/87, BStBl. II 1990, 443; v. 28.7.1973 – II R 66/90, BFH/NV 1994, 339; v. 6.3.1991 – II R 133/87, BStBl. II 1991, 532. 23 Diejenigen Personen, mit denen ein Grundstückskäufer nur einen Bauerrichtungsvertrag oder sonstige der Bebauung des Grundstücks dienende Verträge abschließt, sind nicht an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligte Personen i. S. v. § 13 Nr. 1 GrEStG. Der Grundstücksverkäufer und der Grundstückskäufer sind jedoch hinsichtlich des Gesamtaufwandes Steuerschuldner, d. h. auch insoweit, als sich die Grunderwerbsteuer nach den an die Bauunternehmer zu zahlenden Werklöhne richtet; vgl. Viskorf in Boruttau, § 13 GrEStG, Rz. 13, 17. Auflage 2011. Denn der Grundstücksverkäufer und der Grundstückskäufer sind an dem Erwerbsvorgang beteiligt, der sich auf ein bebautes Grundstück bezieht; vgl. BFH, Urt. v. 29.6.1988 – II R 258/85, BStBl. II 1988, 898. 24 Vgl. Loose in Viskorf, § 9 GrEStG, Rz. 171, 17. Auflage 2011; vgl. auch Weilbach, § 9 GrEStG, Rz. 46, Lfg. 30, März 2011.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Dass es in der Praxis zum Streit über das Vorliegen eines sog. einheitlichen Vertragswerks kommen kann,25 soll anhand des folgenden vom FG Münster mit Urteil vom 27.1.1999 entschiedenen Falls veranschaulicht werden; Eine Leasinggesellschaft („LG“) erwarb durch notariellen Grundstückskaufvertrag vom 2.3.1995 von der Gemeinde W ein Grundstück mit Bauverpflichtung zur Vermietung an die N-GmbH. Die LG hatte bereits im Jahr zuvor mit der N-GmbH Gespräche über eine Leasingkonzeption und mit der Gemeinde W über den Grundstückserwerb geführt. Noch in 1994 hatte die N-GmbH einen Bauantrag bei der Gemeinde gestellt. Ende 1994/Anfang 1995 wurde der Leasingvertrag zwischen der LG und der N-GmbH geschlossen, nachdem die N-GmbH kurz zuvor eine Teilbaugenehmigung erhalten hatte. In dem am 2.3.1995 beurkundeten Grundstückskaufvertrag war geregelt, dass das Grundstück innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsschluss mit gewerblichen Zwecken dienenden Anlagen zu bebauen sei. Die LG verpflichtete sich gegenüber der Gemeinde W dazu, das zu erwerbende Grundstück nach Fertigstellung des Bauvorhabens „in erster Linie an die N-GmbH zum Zwecke der Firmenniederlassung in der Gemeinde W zu vermieten.“26 Nach Erteilung der Baugenehmigung im Mai 1995 schlossen die LG und die N-GmbH einen Generalübernehmervertrag über die Errichtung des Gebäudes durch die N-GmbH für die LG. Für alle Leistungen aus dem Vertrag sollte der Generalunternehmer eine Vergütung bis zu einem Höchstbetrag von DM 5,3 Mio. zzgl. Umsatzsteuer erhalten. Gemeide W Grundstückskaufvertrag mit Bauverpflichtung zur Vermietung an N-GmbH 2.3.95 LG-GmbH (Kläger)

Leasingvertrag 29.12.94/26.01.95 GÜ-Vertrag 12.4./11.5.95

N-GmbH (LN, Generalübernehmer) Bauantrag 13.10.94 Teilbaugenehmigung 22.12.94 Baugenehmigung 17.5.95

25 Wenn ein einheitliches Vertragswerk vorliegt, kann strittig sein, welche Kosten im Einzelnen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind; vgl. dazu z. B. Weilbach, § 9 GrEStG, Rz. 47 ff., Lfg. 30, März 2011. 26 Vgl. FG Münster, Urt. v. 27.1.1999 – 8 K 4865/96 GrE, DStRE 1999, 805, rk. Vgl. dazu auch Bengsch, DStR 1999, 1555.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Nachdem das Finanzamt von dem Abschluss des Generalübernehmervertrags Kenntnis genommen hatte, setzte es Grunderwerbsteuer unter Einbeziehung der Herstellungskosten für das Gebäude in Höhe von DM 5,3 Mio. fest. Im gegen die Einbeziehung der Baukosten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage geführten Rechtsbehelfsverfahren trug die LG vor, dass darin, dass sich die LG im Grundstückskaufvertrag verpflichtet habe, dass unbebaute Grundstück zu bebauen, und dass sie sich ihres zukünftigen Mieters bedient habe, um diese Bauverpflichtung zu erfüllen, kein für den Erwerber objektiv erkennbares abgestimmtes Verhalten auf der Veräußererseite zu sehen sei. Der zukünftige Mieter, der es im Auftrag der LG zusätzlich übernommen habe, das Grundstück zu bebauen, habe auf der Erwerberseite gehandelt, worin kein abgestimmtes Verhalten der Gemeinde W und der N-GmbH gegenüber der LG gesehen werden könne. Demgegenüber argumentierte das Finanzamt, dass es sich bei den abgeschlossenen Verträgen um ein einheitliches Vertragswerk handele, das darauf gerichtet gewesen sei, der LG das bebaute Grundstück zu verschaffen. Die Gemeinde W habe das Grundstück nur in Absprache mit der N-GmbH an die LG veräußert. Bereits in dem Ende 1994/Anfang 1995 abgeschlossenen Immobilien-Leasingvertrag, der der N-GmbH die Nutzung des Grundstücks sicherte, seien die Gesamtinvestitionskosten konkret beziffert gewesen. Die LG sei bei Erwerb des Grundstücks hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ der Bebauung nicht mehr frei gewesen. Unter Hinweis auf das BFH-Urteil II R 24/95 vom 17.9.199727 entschied das FG Münster, dass die Bindung an eine bestimmte Bebauung als solche in den Fällen nicht ausreiche, um ein einheitliches Vertragswerk anzunehmen, in denen auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten. Hier liege ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nur vor, „wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen aufgrund einer vertraglichen Abrede bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss aller Verträge hinwirken ….“

Vorliegend hätten nicht die Gemeinde W und die N-GmbH zur Bebauung des Grundstücks zusammengewirkt, sondern die LG und ihre spätere Mieterin. Die Gemeinde W habe an dem „Ob“ und „Wie“ der Bebauung kein eigenes Interesse gehabt; ihr Interesse habe lediglich darin gelegen, dass auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück der Betrieb der N-GmbH errichtet würde. An der Konzeption und Durchführung der Bebauung sei sie demgegenüber nicht interessiert gewesen.

27 BStBl. II 1997, 776.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Die LG habe aus eigenem wirtschaftlichen Interesse ein Gebäude auf dem von der Gemeinde W erworbenen Grundstück errichtet. Bei der Durchführung ihrer eigenen wirtschaftlichen Pläne habe sich die LG jedes Geschäftspartners bedienen können, auch ihrer späteren Mieterin. Lediglich ein Zusammenwirken zwischen der Gemeinde W und der N-GmbH zur Errichtung des Gebäudes hätte die Annahme eines einheitlichen Vertragswerkes in dem Sinne, dass der LG ein unbebautes Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude verschafft werden sollte, rechtfertigen können. Dass sich die LG bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrages Gewissheit über ihren zukünftigen Mieter und dessen Bedürfnisse verschafft habe, könne ein Zusammenwirken zwischen der Grundstücksverkäuferin und der zukünftigen Mieterin nicht begründen. Entscheidend ist danach mithin, wer für das „Wie“ der Bebauung die Initiative ergreift und die Verantwortung trägt. M. E. ist nicht entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Grundstückskäufer den Bauerrichtungsvertrag mit dem Generalunternehmer etc. abschließt. Dass der Grundstückskäufer das Grundstück nicht ohne die (rechtliche oder faktische) Bauverpflichtung hätte erwerben können, ist unerheblich.

2. Zweifelsfragen bei § 1 Abs. 2 a GrEStG Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies gemäß § 1 Abs. 2a GrESt als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Der Übergang von mindestens 95 % der Anteile in einem einzigen Rechtsakt oder als sukzessive Anteilsübertragungen innerhalb von fünf Jahre führt zur Fiktion des Erwerbs des Grundstücks durch eine fingierte neue Personengesellschaft mit dem nach Erreichen der 95 %-Grenze bestehenden Gesellschafterbestand von der (zivilrechtlich tatsächlich weiterhin grundbesitzenden „alten“) Personengesellschaft mit dem ursprünglichen Gesellschafterbestand. Grunderwerbsteuer fällt grundsätzlich auf die Grundstücke an, die während des Zeitraums, in dem mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen oder von neuen Gesellschaftern übernommen werden, „durchgängig zum Vermögen der Personengesellschaft gehören.“28 28 Vgl. Tz. 1.2 der gleichlautenden Länder-Erlasse v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 245; StEK § 1 GrEStG Nr. 192.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Bemessungsgrundlage sind gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG die Grundstückswerte i. S. v. § 138 Abs. 2 oder 3 BewG. Beruht die Änderung des Gesellschafterbestandes i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks, ordnet § 8 Abs. 2 S. 2 GrEStG eine Durchbrechung des Stichtags-Prinzips an: Abweichend von § 138 Abs. 1 S. 1 BewG, wonach die tatsächlichen Verhältnisse und die Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt ausschlaggebend sind, ist der Wert des Grundstücks nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend.29 Schuldnerin der nach § 1 Abs. 2a GrEStG anfallenden Grunderwerbsteuer ist gemäß § 13 Nr. 6 GrEStG die Personengesellschaft selbst. 2.1 Auf Grundstückspersonengesellschaften bezogene Treuhandverhältnisse (a) Regelungen im Erlass vom 25.2.2010 Nach Tz. 2.2 der gleichlautenden Länder-Erlasse vom 25.2.201030 sind Neugesellschafter auch – derjenige, der aufgrund Vereinbarungstreuhand mit einem Gesellschafter der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft nach deren Gründung bzw. nach einem Grundstückserwerb durch diese oder nach Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 2a GrEStG dessen Treugeber wird, – der neue Treugeber eines Gesellschafters nach Treugeberwechsel, – der Treugeber, auf den die treuhänderisch gehaltenen Anteile vom Treuhänder zurückübertragen werden (die Finanzverwaltung verweist zur anteiligen Steuerbefreiung in Höhe der rückübertragenen Anteile auf den Treugeber auf § 3 Nr. 8 GrEStG analog), und – der neue Treuhänder beim Wechsel des Treuhänder-Gesellschafters.

29 Im Urteil II R 64/09 v. 23.11.2011, BFH/NV 2012, 292 wandte der BFH § 8 Abs. 2 S. 2 GrEStG nicht an; vgl. dazu Dräger, LEXinform-aktuell 2012 1 3: „Die Übertragung beruhte nach den Sachverhalt-Feststellungen auf einem entsprechenden Plan. Es ist nicht ersichtlich, dass die Feststellung des Grundstückswertes durch das Belegenheitsfinanzamt auch diesen grunderwerbsteuerlichen Ausnahmefall mit erfasst.“ 30 BStBl. I 2010, 245, Tz. 2.2, vierter bis siebter Spiegelstrich.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Dies bedeutet, dass in Übereinstimmung mit Tz. 4.1 b des Erlasses vom 26.2.2003 die unmittelbare Personengesellschaftsbeteiligung zwar dem Treuhänder als dem dinglichen Rechtsinhaber der Beteiligung zugerechnet wird, der Treugeber jedoch als über den Treuhänder mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gilt. Der Treuhänderwechsel begründet auf dieser Grundlage einen unmittelbaren Anteilsübergang i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG, der Treugeberwechsel einen mittelbaren Anteilsübergang.31 Geändert hat die Finanzverwaltung ihre Ansicht insoweit, als der Rückerwerb der Beteiligung durch den Treugeber vom Treuhänder bisher nicht als Anteilsübergang i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG angesehen wurde, nach neuer Verwaltungsansicht aber der Rückerwerb einen Anteilsübergang darstellt, der lediglich nach § 3 Nr. 8 GrEStG – ggf. nur anteilig32 – von der nach § 1 Abs. 2a GrEStG angefallenen Grunderwerbsteuer befreit sein könnte. Voraussetzung für die ggf. anteilige Befreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG ist, dass der Treuhänder die Rechtsinhaberschaft an der Beteiligung durch Übertragung vom Treugeber erworben hatte und die Grunderwerbsteuer für den Rechtsvorgang, durch den der Treuhänder die Beteiligung erlangt hatte, entrichtet worden ist. (b) Anlass der Änderung: BFH-Beschluss II B 157/05 vom 17.3.2006 Anlass für diese Änderung der Verwaltungsansicht dürfte der BFH-Beschluss II B 157/05 vom 17.3.200633 gewesen sein. Diesem Beschluss lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

31 So wohl auch Heine, UVR 2007, 341, 344. Unklar bleibt, ob die Gesellschafter des Treuhänders ebenfalls als mittelbare Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft anzusehen sind. In diesem Fall käme es zu einer Verdoppelung der mittelbaren Gesellschafterstellung, was m. E. nicht richtig sein kann. 32 Der fingierte Grundstücksübergang auf die fingiert neue Personengesellschaft ist in den Fällen nur anteilig nach § 3 Nr. 8 GrEStG befreit, wenn nur einer von mehreren insgesamt den 95 %igen Gesellschafterwechsel bewirkenden Anteilsübergängen eine Anteilsrückübertragung auf den Treugeber darstellt. ME ist die Anwendung von § 3 Nr. 8 GrEStG nicht auf die Anteilsrückübertragung auf den Treugeber beschränkt, die den letzten, zur Erreichung der 95 %-Grenze führenden Anteilsübergang bildet. 33 Vgl. BFH, Beschl. v. 17.3.2006 – II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer

55 % Kompl.GmbH

KG1

0%

Aufhebungsverträge vom 23.10.2003 Rückgängigmachung des Übergangs des Neugesell45 %-Anteils schafter Neugesellschafter KG1 (Treuhänder) (Treuhänder)

Kaufverträge vom 23.6.2003

AG

45 %

100 %

KG KG AG KG1 verkaufen ihre Kommanditbeteiligungen an den Neugesellschafter: Übergang der Anteile mit Eintragung im HR am 28.8.2003. Notarielle Beglaubigung der HR-Anmeldung am 4.7.2003, Übersendung dieser Urkunde

Rückgängigmachung des Übergangs des 55 %Anteils

AG

Weitere GrESt-Festsetzung am 1.11.2004 BFH: Antrag nach §16 Abs. 2 Nr. 1 GrESt ist erfolglos, weil der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war.

GrESt-Festsetzung durch das FA am 1.11.2004

Der BFH entschied, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG auch dann erfüllt sei, wenn mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen von den bisherigen Gesellschaftern auf eine andere Person übertragen werden, die die Anteile treuhänderisch für die früheren Gesellschafter hält. Der Rückerwerb der Anteile durch die früheren Gesellschafter falle erneut unter § 1 Abs. 2a GrEStG. Für diesen Vorgang komme die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 8 GrEStG oder eine Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in Betracht. Weil im konkreten Fall die Grunderwerbsteuer auf den Erwerb durch den Treuhänder nicht entrichtet worden war und weil wegen Nicht-Wahrung der Anzeigefrist34 eine Rückgängigmachung mit den Rechtsfolgen von § 16

34 Vgl. § 16 Abs. 5 GrEStG. Erst im Einspruchsverfahren gegen die Grunderwerbsteuer-Festsetzungen v. 1.11.2004 legte die KG dem Finanzamt die die Anteilsübertragungen regelnden privatschriftlichen Verträge vor. Vorgelegt wurde

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ausschied, beurteilte der BFH die Festsetzung von Grunderwerbsteuer sowohl auf den Erwerb durch den Treuhänder als auch auf den Rückerwerb vom Treuhänder als rechtmäßig. (c) Ablehnung der Verwaltungsansicht Die Ansicht der Finanzverwaltung, dass die Begründung auf Beteiligungen an grundbesitzenden Personengesellschaften bezogener Treuhandverhältnissen und der Treugeberwechsel zu Anteilsübergängen i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG führen soll, ist abzulehnen. Auf Anteile am Vermögen grundbesitzender Personengesellschaften bezogene Treuhandverhältnisse sind für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG irrelevant.35 Unmittelbarer Gesellschafter ist der Treuhänder, mittelbarer Gesellschafter sind die Gesellschafter des Treuhänders, wenn es sich beim Treuhänder um eine Gesellschaft handelt. Nur die dingliche Übertragung der Gesellschafterstellung (d. h. der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung an der grundbesitzenden Personengesellschaft) ist im Rahmen von § 1 Abs. 2a GrEStG tatbestandsmäßig, nicht aber die Übertragung der Rechte des Treugebers. Weder die Begründung eines Treuhandverhältnisses (wenn sie ohne dingliche Übertragung von Anteilen erfolgt) noch die Übertragung der Treugeber-Stellung noch die Übertragung der Anteile am Treugeber (wenn es sich hierbei um eine Gesellschaft handelt) stellen einen (unmittelbaren oder mittelbaren) Anteilsübergang i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG dar. Es ist offensichtlich, dass sich die Finanzverwaltung der hier vertretenen Ansicht verschließt. Angesichts der Ausführungen des BFH im Beschluss II B 157/05 vom 17.3.200636 ist dies unverständlich. Denn dort stellt der

zudem eine auf den 23.6.2003 datierte Treuhandvereinbarung, wonach der Neugesellschafter die Anteile lediglich treuhänderisch für die früheren Gesellschafter (AG und KG1) halten sollte. Der BFH entschied, dass auch Anteilübergänge auf einen Treuhänder den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklichen. Denn grunderwerbsteuerrechtlich komme es allein darauf an, wer bürgerlich-rechtlich und handelsrechtlich Gesellschafter und als solcher am Gesellschaftsvermögen beteiligt sei (unter Hinweis auf den zu § 1 Abs. 2a GrEStG in der Fassung vor 2000 ergangenen BFH-Beschluss II B 162/03 vom 28.9.2004). Zuvor hatte die KG auf mehrere Aufforderungen des Finanzamts zur Vorlage der Verträge nicht reagiert. Die Nicht-Erfüllung der Anzeigepflicht nach § 16 Abs. 5 GrEStG führte zum doppelten Anfall von Grunderwerbsteuer. 35 So Behrens/Schmitt, DStR 2005, 1429; dies., UVR 2008, 240, Behrens, DStR 2010, 777; Lustig, NWB 2010, 4184; Hartrott, Steuerberater-Woche 2010, 945. 36 BFH/NV 2006, 1341, 1342.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer BFH auf den zivilrechtlich-dinglichen Anteilsübergang ab, wenn er Folgendes ausführt: „Ob N … als Treuhänder der früheren Gesellschafter anzusehen war, kann offen bleiben, da es grunderwerbsteuerrechtlich allein darauf ankommt, wer bürgerlichrechtlich und handelsrechtlich Gesellschafter und als solcher am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist (vgl. – zu § 1 Abs. 2a GrEStG in der im Jahr 1999 geltenden Fassung – BFH-Beschluss vom 28. September 2004 II B 162/03, BFH/NV 2005, 72, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Wenn dies schon für die damalige Fassung des § 1 Abs. 2a GrEStG galt, in dessen Satz 2 noch eine ‚wirtschaftliche Betrachtung‘ vorgeschrieben war, dann erst recht für die im Streitfall anzuwendende Fassung, die – unter weiteren Voraussetzungen – die ‚unmittelbare‘ Änderung des Gesellschafterbestands erfasst.“

(d) Keine Verkürzung der Beteiligungskette beim Anteilsübergang auf den Treugeber? Wenn sich die Finanzverwaltung der hier vertretenen Ansicht verschließt, ist auf Grundlage der von ihr gewählten Sichtweise unklar, aus welchem Grund die Finanzverwaltung nicht bereit ist, beim Rückerwerb des Anteils am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft durch den Treugeber vom Treuhänder eine den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht berührende Anteilsketten-Verkürzung anzunehmen37. Nach Ansicht der Finanzverwaltung fällt in dem Fall, dass sich ein Anleger zu 95 % an einer grundbesitzenden Personengesellschaft zunächst über einen Treuhandkommanditisten beteiligt, er später die Rechtsinhaberschaft an seiner Beteiligung vom Treuhandkommanditisten übernimmt, doppelt Grunderwerbsteuer an. Im folgenden Beispiel tritt der Anleger im Jahr 01 der KG als Treugeber bei, d. h. dinglicher Rechtsinhaber der 95 %igen Beteiligung wird nicht der Anleger, sondern der Treuhandkommanditist. Im Jahr 09 wird das Treuhandverhältnis aufgelöst, d. h. die Treuhandkommanditisten-GmbH überträgt die bisher treuhänderisch für den Anleger gehaltene Kommanditbeteiligung auf den Anleger (und bisherigen Treugeber).

37 Vgl. Tz. 2.1 a.E. der gleichlautenden Ländererlasse v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 245: „Die Altgesellschafter-Eigenschaft bleibt erhalten bei der Verkürzung der Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften“. Nach dieser Formulierung ist der Anteilsübergang vom Treuhänder auf den Treugeber nicht begünstigt. Anders noch die Formulierung in Tz. 4.1 der gleichlautenden Erlasse v. 2.6.2003, BStBl. I 2003, 271, Tz. 4.1 am Ende: „Keine Steuerbarkeit tritt ein bei einer Verkürzung der Beteiligungskette. Wird die mittelbare Beteiligung zu einer unmittelbaren verstärkt, löst dies keine erneute Steuerpflicht aus.“

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer

Jahr 01: Der Anleger tritt der KG als Treugeber bei

Jahr 09: Die Treuhänderin überträgt die Kommanditbeteiligung auf den Anleger

Anleger (Treugeber)

TreuhandKommanditisten-GmbH

Anleger (Treugeber)

TreuhandKommanditisten-GmbH

95 % KG

95 % KG

Tz. 2.2 vierter Spiegelstrich des Erlasses vom 25.02.2010:

Tz. 2.2 sechster Spiegelstrich des Erlasses vom 25.02.2010:

Neugesellschafter ist derjenige, der aufgrund Vereinbarungstreuhand mit einem Gesellschafter nach dem Grundstückserwerb durch die KG dessen Treugeber wird → § 1 Abs. 2a GrEStG im Jahr 01 +

Neugesellschafter ist der Treugeber, auf den die treuhänderisch gehaltenen Anteile vom Treuhänder rückübertragen werden (zur anteiligen Steuerbefreiung in Höhe der rückübertragenden Anteile auf den Treugeber vgl. § 3 Abs. 8 GrEStG analog) → § 1 Abs. 2a GrEStG im Jahr 09 + , aber keine Befreiung, weil keine Rückübertragung (?).

Auf Grundlage des Erlasses vom 25.2.2010 erfüllt die Begründung des Treuhandverhältnisses im Jahr 01 aufgrund Vereinbarungstreuhand nach Ansicht der Finanzverwaltung den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG. Denn nach Tz. 2.2 vierter Spiegelstrich wird als Neugesellschafter u. a. derjenige angesehen, der aufgrund Vereinbarungstreuhand mit einem Gesellschafter nach dem Grundstückserwerb durch die Personengesellschaft dessen Treugeber wird. Nicht ausdrücklich geregelt ist, ob der erstmalige Erwerb der dinglichen Rechtsinhaberschaft durch den bisherigen Treugeber vom bisherigen Treuhänder einen Anteilsübergang i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG darstellen soll. In Tz. 2.2 sechster Spiegelstrich des Erlasses vom 25.2.2010 ist lediglich der Fall geregelt, dass die bisher treuhänderisch gehaltenen Anteile vom Treuhänder auf den Treugeber rückübertragen werden. In Übereinstimmung mit dem BFH-Beschluss II B 157/05 539

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer vom 17.3.200638 ordnet die Finanzverwaltung die Rückübertragung als schädlichen Anteilsübergang ein, und gewährt sie die (anteilige) Steuerbefreiung in Höhe der rückübertragenden Anteile auf den Treugeber gemäß § 3 Nr. 8 GrEStG analog. Auch im Beispielsfall wird die Finanzverwaltung wahrscheinlich einen schädlichen Anteilsübergang annehmen, d. h. jedwede dingliche Übertragung der Rechtsinhaberschaft an dem Personengesellschaftsanteil wird sie (ebenso wie jeden wirtschaftlichen Übergang39) als von § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst ansehen. Auf Grundlage der Ansicht, dass der Treugeber bisher mittelbar (und zwar über den Treuhänder) beteiligt war, müsste die Finanzverwaltung eigentlich zugestehen, dass eine unschädliche Beteiligungskettenverkürzung vorliegt. Dies wird jedoch – wie bereits ausgeführt – im Erlass vom 25.2.2010 gerade nicht vertreten. (e) Veräußerung von Kommanditbeteiligungen unter der aufschiebenden Bedingung der HR-Eintragung des Käufers Fraglich ist weiter, wie die Veräußerung einer min. 95 %igen Personengesellschafts-Beteiligung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Käufers als neuer Kommanditist im Handelsregister und zwischenzeitlicher Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses grunderwerbsteuerlich behandelt wird. Nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien geht die Beteiligung wirtschaftlich zu einem Zeitpunkt auf den Käufer über, zu dem er noch nicht als Kommanditist im Handelsregister eingetragen ist. Wegen des Risikos einer Haftung für in der Zwischenzeit40 begründete Verbindlichkeiten gemäß § 176 Abs. 2 HGB41 wird die dingliche Wirksamkeit des Anteilsübergangs unter die aufschiebende Bedingung der Handelsregister-Eintragung gestellt. Um insbesondere für ertragsteuerliche Zwecke eine Ergebnisaufteilung auf den Stichtag des wirtschaftlichen Vollzugs sicherzustellen, wird für den Zeitraum zwischen Vollzugstag und Handelsregister-Eintragung vereinbart, dass der Verkäufer die Kommanditbeteiligung unentgeltlich als Treuhänder für den Käufer hält42. Mit der Eintragung des Ausscheidens des Verkäufers und des Eintritts des Käufers als Kommanditist im Wege der Sonder38 BFH/NV 2006, 1341. 39 Treugeber-Wechsel, Vereinbarungstreuhand, Auftragserwerb. 40 Zeitraum zwischen Abschluss des Vertrags über die Abtretung des Kommanditanteils und der Eintragung des Käufers als Kommanditist im Handelsregister. 41 Der BGH hält § 176 Abs. 2 HGB auch im Fall der Abtretung einer Kommanditbeteiligung für anwendbar; BGH, Urt. v. 28.10.1981 – II Z R 129/80, BGHZ 82, 209, 212; BGH, Urt. v. 21.3.1983 – II R Z 113/82, NJW 1983, 2258, 2259. 42 Vgl. Kraft/Ulrich, DB 2006, 711, 715. Alternativ zur Treuhandabrede kann eine vorübergehende Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter vereinbart werden, auflösend bedingt auf den Zeitpunkt der Eintragung als Kommanditist.

540

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer rechtsnachfolge im Handelsregister endet das Treuhandverhältnis kraft Eintritts der auflösenden Bedingung.43 V

K

100 %

Verkauf der 100 igen KommanditBeteiligung

KG*

Wird § 1 Abs. 2a GrEStG zweimal verwirklicht? – Durch die Einräumung der Treugeberstellung: m. E. nein – Durch den dinglichen Anteilsübergang: ja

– Wegen § 176 Abs. 2 HBG steht die dingliche Wirksamkeit des Anteilsübergangs unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des K als Kommanditist im Handelsregister – Es wird für den Zeitraum zwischen Vollzugstag und HR-Eintragung vereinbart, dass V die Kommanditbeteiligung unentgeltlich als Treuhänder für K hält (auflösend bedingtes Treuhandverhältnis). – Mit der Eintragung des Ausscheidens des V und des Eintritts des K als Kommanditist im Wege der Sonderrechtsnachfolge im HR endet das Treuhandverhältnis.

* Die Komplementär-GmbH wird in dem Schaubild zur Vereinfachung dargestellt.

Bei konsequenter Anwendung der Verwaltungsansicht44 führt bereits die Begründung des Treuhandverhältnisses hinsichtlich der Kommanditbeteiligung zur Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG und wird – folgt mit der Eintragung des Käufers als Kommanditist im Handelsregister der dingliche Anteilsübergang nach – der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG im Eintragungszeitpunkt zum zweiten Mal verwirklicht. Eine Verrechnung der Bemessungsgrundlagen nach § 1 Abs. 6 S. 2 GrEStG kommt nach dem Gesetzeswortlaut schon deshalb nicht in Betracht, weil der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf die Verwirklichung mehrerer Erwerbsvorgänge beschränkt ist, die unter verschiedene Absätze von § 1 Der Gesellschafter gilt schon vor dinglichem Rechtsübergang ertragsteuerlich als Mitunternehmer. 43 Um zu erreichen, dass die Hafteinlage nicht erneut zu leisten ist, muss dem Registergericht gegenüber die Versicherung abgegeben werden, dass dem Verkäufer keine Abfindung aus dem Gesellschaftervermögen geleistet worden ist; vgl. BGH, Beschl. v. 19.9.2005 – II Z L/04, ZIP 2005, 2257. 44 Vgl. bereits Tz. 4.1 b) des koordinierten Länder-Erlasses v. 26.2.2003 und Tz. 2.2 des Erlasses v. 25.2.2010.

541

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer GrEStG fallen (und darüber hinaus nur solche, die unter Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 fallen, nicht aber solche i. S. v. Abs. 2 a). M. E. zeigt diese Fallkonstellation, dass die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht mit der Systematik von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht vereinbar und rechtswidrig ist. Der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG wird nicht schon durch die Begründung des Treuhandverhältnisses ausgelöst, sondern erst – und nur – durch den dinglichen Anteilsübergang (im letztgenanten Beispiel: im Zeitpunkt der Handelsregister-Eintragung). 2.2 Können die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften keine Altgesellschafter sein? Ein Anteil am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft kann nach bisheriger Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis auch dadurch mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen,45 dass innerhalb von fünf Jahren 95 % oder mehr der Anteile an einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen werden.46 Sofern – was bisher unbestritten ist47 – die Fünf-Jahres-Frist auch auf mittelbaren Beteiligungsebenen gilt, wird der neue mittelbare Gesellschafter mit Ablauf von fünf Jahren für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG zum Altgesellschafter. In den Erlassen vom 25.2.2010 vertritt die Finanzverwaltung in Tz. 2.1 jedoch die Auffassung, dass nur die Kapitalgesellschaften selbst Altgesellschafter sein können, „deren Anteilseigner jedoch nicht.“48 Dies würde 45 Allerdings wäre denkbar, dass die Unabgestimmtheit von § 1 Abs. 2a GrEStG einerseits und §§ 5, 6 GrEStG andererseits dadurch beseitigt wird, dass die Übertragung von Anteilen an vermittelnden Kapitalgesellschaften nicht als mittelbare Übergänge i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG gewertet werden, die Variante „mittelbarer Anteilsübergang“ also auf den Fall der vermittelnden Personengesellschaft beschränkt wird. 46 Vgl. Tz. 2.2 des Erlasses v. 25.2.2010, dritter Spiegelstrich. 47 Theoretisch könnte argumentiert werden, dass die unmittelbare Beteiligung einer grundbesitzenden Personengesellschaft erst dann (und zwar in einem Akt, d. h. immer innerhalb von fünf Jahren) als auf einen neuen Gesellschafter übergegangen gilt, wenn auf Ebene der zu mindestens 95 % an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergegangen sind, weshalb es auf Ebene der Kapitalgesellschaft auf die Fünf-Jahres-Frist nicht ankomme. M. E. ist dies jedoch weder mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar („ … ändert sich innerhalb von fünf Jahre der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittel dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, … “) noch mit Gesetzeshistorie und -zweck (Missbrauchsvermeidung). 48 Zustimmend Schanko, UVR 2010, 148, 152. Ablehnend Heine, UVR 2012, 23, 26: Für die neue Verwaltungsansicht (weil erstmals in den Erlassen vom 25.2.2010 vertreten) gebe es keinerlei Grundlage.

542

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer bedeuten, dass auf der zweiten und jeder weiteren Beteiligungsebene sämtliche Anteilsübergänge zur Ermittlung der 95 %-Grenze auf der jeweiligen Ebene49 aufzuaddieren wären, unabhängig davon, in welchem zeitlichen Abstand sie erfolgen. Die Fünf-Jahres-Frist wäre lediglich für die unmittelbare Beteiligungsebene relevant. Diese Sicht ist mit der Gesetzeshistorie,50 dem Gesetzeszweck, typisierend Gestaltungsmissbräuche zu vermeiden, und m. E. auch mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar.51 Beispiel:

Tz. 2.1: »Nur die Kapitalgesellschaften selbst können Altgesellschafter sein, deren Anteilseigner jedoch nicht.« Anteilseigner X

Anteilseigner X Übergang der 50 %-Beteiligung

100 %

AltgesellschafterKapGes

veräußernder Altgesellschafter

Neugesellschafter

50 %

AltgesellschafterKapGes

45 % 5%

50 % KG

Neugesellschafter 45 %

5% KG

F in Verw: Anteilseigner X ist Neugesellschafter, daher § 1 Abs. 2a GrEStG +

49 Vgl. Tz. 2.2 dritter Spiegelstrich S. 2. 50 Vgl. dazu Behrens/Schmitt, UVR 2005, 478. 51 Nach inoffiziellen Äußerungen von Vertretern der Finanzverwaltung soll es nach Tz. 2.2 dritter Spiegelstrich und dem Beispiel in Tz. 3.3 doch auch auf Ebene der Gesellschafter zwischengeschalteter Kapitalgesellschaften auf die Fünf-Jahres-Frist i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG anzukommen. Allerdings wird dies in Tz. 2.2 dritter Spiegelstrich nicht gesagt und würde die Nicht-Anwendung der Fünf-Jahres-Frist auf Ebenen oberhalb vermittelnder Kapitalgesellschaften zu der Aussage passen, dass die Anteilseigner vermittelnder Kapitalgesellschaften nicht Altgesellschafter sein können.

543

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Anteilseigner X ist seit mehr als fünf Jahren Gesellschafter der Altgesellschafterkapitalgesellschaft.52 Der zu 45 % beteiligte Neugesellschafter hat seine 45 %ige Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre erworben. Fraglich ist, ob der Erwerb der 50 %-Beteiligung vom veräußernden Altgesellschafter zum Erreichen der 95 %-Grenze führt, d. h. Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst. Auf Grundlage von Tz. 2.1 des Erlasses wird der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht, wenn der Anteilseigner X der zu 5 % an der grundbesitzenden KG beteiligten Altgesellschafter-Kapitalgesellschaft die 50 %ige Kommanditbeteiligung des Dritten erwirbt, er also neben seiner mittelbaren 5 % Beteiligung an der KG auch eine 50 %ige unmittelbare Beteiligung hinzuerwirbt. Denn als Anteilseigner der Altgesellschafter-Kapitalgesellschaft könne er nicht selbst (mittelbarer) Altgesellschafter der KG sein. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Übergang einer unmittelbaren Beteiligung auf ihn einen schädlichen Anteilsübergang darstellen soll. Dem ist zu widersprechen: Dass ein mittelbar über eine Kapitalgesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft Beteiligter Altgesellschafter sein kann, ergibt sich daraus, dass der Erwerb eines Splitteranteils an der vermittelnden Kapitalgesellschaft nach bisher kaum in Frage gestellter Rechtspraxis53 unter den Tatbestand dieser Vorschrift fällt (mittelbarer Anteilsübergang). Wenn der Erwerber des Kapitalgesellschafts-Anteils neuer Gesellschafter sein kann, muss er nach Ablauf von fünf Jahren zum Altgesellschafter werden können. 2.3 § 1 Abs. 2a GrEStG und Verkürzung der Beteiligungskette Bei der Verkürzung der Beteiligungskette nimmt die Finanzverwaltung in Tz. 2.1 a.E. des Erlasses vom 25.2.2010 eine Differenzierung vor, deren Sinn sich angesichts des Gesetzeswortlauts und der Teleologie von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erschließt.

52 Für die Falllösung ist es m. E. unerheblich, ob seine Beteiligung 100 % oder z. B. nur 1 % beträgt. 53 Vgl. allerdings Behrens, StbJb 2005/2006, S. 325 f., wonach die Variante „mittelbarer Anteilsübergang“ bei § 1 Abs. 2a GrEStG ggf. auf den Fall der vermittelnden Gesamthand beschränkt werden müsse.

544

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer (a) Verkürzung oberhalb einer an der Grundstücks-KG beteiligten Kapitalgesellschaft M-GmbH 100 % T-GmbH 100 %

Anteilsübertragung (Einzelrechtsnachfolge)

M-GmbH (inkl. T-GmbH)

100 % E-GmbH

E-GmbH 100 % G-KG

G-KG

Tz. 2.1: Die Altgesellschaftereigenschaft bleibt erhalten bei der Verkürzungder Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften

Nach Verwaltungsansicht sind die M-GmbH und T-GmbH nicht Alt-Gesellschafter der G-KG. Im Grundsatz müsste die Verschmelzung der T-GmbH auf die M-GmbH mithin dazu führen, dass die E-GmbH als Neu-Gesellschafterin der G-KG anzusehen ist. Weil jedoch lediglich die Beteiligungskette verkürzt wird, gilt die E-GmbH dennoch weiterhin als Alt-Gesellschafter. Danach wäre es die Alt-Gesellschafter-Eigenschaft der E-GmbH, die nach Tz. 2.1 a.E. erhalten bleibt. Dasselbe müsste gelten, wenn die T-GmbH nicht auf die M-GmbH verschmelzen würde, sondern die T-GmbH ihre Beteiligung an der E-GmbH auf die M-GmbH im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertrüge. Auf dieser Grundlage liegt ein schädlicher Anteilsübergang vor, wenn nicht ein Gesellschafter der vermittelnden Kapitalgesellschaft, sondern die vermittelnde Kapitalgesellschaft selbst auf ihren Gesellschafter verschmolzen wird, sich aus Sicht des Gesellschafters der vermittelnden Kapitalgesellschaft mithin die mittelbare zu einer unmittelbaren Beteiligung verstärkt.

545

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer (b) Verkürzung durch Anteilsübertragung der unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft M-GmbH 100 % T-GmbH 100 %

Anteilsübertragung (Einzelrechtsnachfolge)

M-GmbH (inkl. T-GmbH)

100 % E-GmbH

E-GmbH 100 % G-KG

G-KG

Tz. 2.1: Die Altgesellschaftereigenschaft bleibt erhalten bei der Verkürzungder Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften

Nach Tz. 2.1 des Erlasses vom 25.2.2010 sieht die Finanzverwaltung die T-GmbH nicht als Alt-Gesellschafterin der G-KG an. Mithin kann die durch die Verschmelzung der E-GmbH ausgelöste Verkürzung der Beteiligungskette auch nicht zum Erhalt der Alt-Gesellschafter-Eigenschaft der T-GmbH führen. Fraglich ist, ob die Altgesellschaftereigenschaft der E-GmbH auf die T-GmbH übergeht. Der Erlass-Wortlaut („Die Altgesellschaftereigenschaft bleibt erhalten bei der Verkürzung der Beteiligungskette von Kapitalgesellschaften“) könnte so zu verstehen sein. Allerdings liegt es näher anzunehmen, dass die Finanzverwaltung den Erhalt der Altgesellschafter-Eigenschaft nur solchen Gesellschaftern zuzubilligen bereit ist, die auch schon bisher Altgesellschafter gewesen sind. Um eine Übertragung der Altgesellschaftereigenschaft auf solche (mittelbaren) Gesellschafter zuzulassen, die bisher nach Verwaltungsansicht keine Altgesellschafter gewesen sind, hätte die Finanzverwaltung möglicherweise einen eindeutigen Erlass-Wortlaut gewählt. Dass der Fall der Verschmelzung der T-GmbH auf die M-GmbH unschädlich ist, die Verschmelzung der E-GmbH auf die T-GmbH jedoch zum Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG führen soll, ist

546

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer m. E. auf Grundlage des Gesetzeswortlauts nicht nachvollziehbar. Dafür, dass die Finanzverwaltung im Erlass vom 25.2.2010 dennoch so verstanden werden will, könnte allerdings sprechen, dass der Fall der Verstärkung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung – anders als noch in Tz. 4 Abs. 3 des Vorgänger-Erlasses vom 26.2.2003 – nicht mehr als unschädlich beschrieben wird.54 Nach Tz. 13 der gleichlautenden Erlasse vom 25.2.201055 soll die neue Ansicht der Finanzverwaltung auf alle offenen Fälle anzuwenden sein. Das ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rechtstaatlich problematisch, wenn Steuerpflichtige z. B. im Jahr 2007 im Vertrauen auf die damalige Erlass-Lage56 Beteiligungsketten-Verkürzungen wie im zuletzt genannten Beispiel dargestellt durchgeführt haben. Nach der alten Erlass-Lage war auch die im letztgenannten Beispiel dargestellte Beteiligungsketten-Verkürzung unschädlich. Es bestand kein Anlass, an der Richtigkeit der damals von der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht zu zweifeln. Dem Vernehmen nach wird innerhalb der Finanzverwaltung jegliche Bindung unter Vertrauensschutz-Gesichtspunkten abgelehnt. Die Verwaltung sei kein Gesetzgeber. Sie dürfe ihre Ansicht auch für bereits verwirklichte Sachverhalte ändern. (c) Erforderlichkeit mindestens 95 %iger Beteiligungen? Ebenso unverständlich ist, dass die Finanzverwaltung nur dann eine begünstigte Beteiligungsketten-Verkürzung anzunehmen bereit ist, wenn die Beteiligungsquote auf jeder Ebene der Beteiligungskette min. 95 % beträgt. Diese Aussage trifft die Verwaltung zwar nicht in Tz. 2.1. Sie soll jedoch im Beispiel in Tz. 3.7 getroffen worden sein57. Dort wird der folgende Sachverhalt diskutiert:

54 Tz. 4 Abs. 3 des Erlasses vom 26.2.2003 hatte den folgenden Wortlaut: „§ 1 Abs. 2a GrEStG erfasst keine Änderungen der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Altgesellschafter im Verhältnis zueinander. Unerheblich ist, welcher Form dieser Änderung erfolgt (z. B. Verschmelzung zweier Alt-Gesellschafter durch Aufnahme, Verstärkung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung). ….“ 55 Vgl. BStBl. I 2010, 245, 251. 56 Vgl. Tz. 4.1 c) am Ende der Erlasse v. 26.2.2003, BStBl. I 2003, 271, 272: „Keine Steuerbarkeit tritt ein bei einer Verkürzung der Beteiligungskette. Wird die mittelbare Beteiligung zu einer unmittelbaren verstärkt, löst dies keine erneute Steuerpflicht aus“. 57 Vgl. Schanko, UVR 2010, 148, 152.

547

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer

Vorher:

Nachher:

H-GmbH

H-GmbH 60 %

60 % Z-GmbH

Z-GmbH

100 %

100 %

M-GmbH 100 % T-GmbH

M-GmbH 100 %

100 %

0%

T-GmbH

100 %

0% T-GmbH &Co. KG

T-GmbH &Co. KG

Nachdem die Beteiligungen mehr als fünf Jahre unverändert geblieben waren, überträgt die Z-GmbH ihre Anteilean der M-GmbH auf die H-GmbH.

Die H-GmbH ist zunächst nur über die Z-GmbH, an der sie eine 60 %ige Beteiligung hält, an der T-GmbH & Co. KG beteiligt. Diese mittelbare Beteiligung zweiten Grades wird dadurch zu einer mittelbaren Beteiligung ersten Grades, dass die Z-GmbH ihre 100 %-Beteiligung an der M-GmbH auf die H-GmbH überträgt. Statt bisher nur durchgerechnet zu 60 % ist die H-GmbH nun mittelbar zu 100 % an der T-GmbH & Co. KG beteiligt. Diese Beteiligungsquoten-Erhöhung nimmt die Finanzverwaltung zum Anlass, die H-GmbH in Bezug auf den gesamten Erwerb der 100 %-Beteiligung an der M-GmbH als neue mittelbare Gesellschafterin einzustufen, so dass nach ihrer Ansicht Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst wird. Konsequenter wäre es m. E. gewesen, die H-GmbH insoweit als Altgesellschafterin und den Anteilsübergang auf sie als unschädlich anzusehen, als sich die Beteiligungsquote nicht verändert. Auf Grundlage von Tz. 3.7 verhindern geringfügige Abweichungen in der Beteiligungsquote insgesamt das Vorliegen einer begünstigten Beteiligungsketten-Verkürzung. 548

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer M. E. ist die seit mehr als fünf Jahre beteiligte H-GmbH insgesamt als mittelbare Altgesellschafterin zu qualifizieren. Unerheblich ist, in welcher Höhe sie bisher an der Z-GmbH und durchgerechnet an der grundbesitzenden KG beteiligt gewesen ist,58 und unerheblich ist auch, von wem sie Anteile an der KG erwirbt. Maßgebend muss sein, dass nach ständiger Praxis der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die ihrerseits an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind, unter den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG (Variante: Mittelbare Anteilsübergänge) fällt. Dies gilt unabhängig davon, ob der einzelne neue (mittelbare) Gesellschafter 95 % oder mehr der Anteile an der vermittelnden Kapitalgesellschaft erwirbt oder ggf. erheblich weniger. Wenn mittelbare Anteilserwerber Neugesellschafter sein können, müssen sie auch als mittelbare Altgesellschafter anerkannt werden, und zwar im Hinblick auf Erwerbe von Beteiligungen sowohl auf derselben als auch auf anderen Ebenen, z. B. einer Beteiligung von einem bisher unmittelbar an der Personengesellschaft beteiligten Veräußerer. Die im Erlass vom 25.2.2010 vertretene Verwaltungsansicht ist m. E. nicht nur mit dem Gesetzeswortlaut, sondern auch mit der Systematik von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht vereinbar. Im in Tz. 3.7 geschilderten Beispiel wird Grunderwerbsteuer nicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG, „nur“ nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ausgelöst (weil die Beteiligungen an der KG erstmals in der Hand der H-GmbH vereinigt werden). 2.4 § 1 Abs. 2a GrEStG und Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer KG (a) Übergang unmittelbar der Beteiligung an der grundbesitzenden KG auf eine Z-KG Fraglich ist, ob die Übertragung eines Anteils am Vermögen einer grundbesitzenden Personengesellschaft durch den bisher unmittelbaren Gesellschafter auf eine von diesem gehaltene Zwischen-Personengesellschaft einen schädlichen Anteilsübergang i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG darstellt. Im folgenden Beispiel hält die AG zunächst unmittelbar eine 100 %ige Kommanditbeteiligung an der G-KG. Diese 100 %ige Beteiligung an der G-KG überträgt die AG im Schritt 1 auf die ebenfalls zu 100 % von der AG gehaltene Z-KG. Vor Ablauf von fünf Jahren nach Schritt 1 verkauft und überträgt die Z-KG einen 50 %igen Kommanditanteil an der G-KG auf einen bisher nicht beteiligten Dritten. 58 Der Grund dafür ist, dass mittelbare Anteilsübergänge auch dann unter den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG fallen, wenn mehrere neue Gesellschafter jeweils nur Splitteranteile an der vermittelnden Kapitalgesellschaft mit der Folge erwerben, dass innerhalb von fünf Jahren 95 % oder mehr der Anteile an der vermittelnden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen.

549

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer

Ausgangslage:

Schritt 1:

AG

AG

100 % KomplGmbH

Schritt 2:

100 % 100 %

KomplGmbH

0%

100 %

0% G-KG

KomplGmbH

100 %

0% Z-KG

Z-KG 0%

100 % G-KG

Z-KG verkauft 50 % der Kommanditbeteiligung an G-KG nach Ablauf von vier Jahren nach Übertragung der Beteiligung an der G-KG auf die Z-KG an einen Dritten.

AG 100 %

0%

50 %

D 50 %

G-KG

Bisher: § 1 Abs. 2a ist erfüllt, aber nach § 6 Abs. 3 bleibt die GrESt unerhoben, wenn die Fünf-Jahres-Fristen gewahrt sind. Erlass vom 25.02.2010: Gemäß Tz. 2.1, Tz 8.2 bereits § 1 Abs. 2a – (?; vollständige Transparenz an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligter Personengesellschaften?)

In Tz. 2.1 und 2.2 sowie 8.1 des Erlasses vom 25.2.2010 scheint die Finanzverwaltung die Auffassung zu vertreten, dass eine Personengesellschaft als solche nicht Gesellschafterin i. S. v. § 1 Abs. 2 a GrEStG sein könne, für die Zwecke von § 1 Abs. 2a GrEStG also völlig transparent sei.59 Diese Sichtweise hätte zur Folge, dass in dem Beispielsfall in Schritt 1 der Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt wird, so dass auch die Übertragung des 50 %igen Kommanditanteils auf D in Schritt 2 keine Grunderwerbsteuer auslösen würde.

59 Wie bei §§ 5, 6 GrEStG; zu §§ 5, 6 GrEStG vgl. BFH, BStBl. II 1985, 714. Vgl. Behrens, DStR 2010, 777, 780 f.

550

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Diese Sichtweise widerspräche jedoch dem BFH-Urteil II R 61/03 vom 27.4.200560. Für die Auffassung des BFH spricht, dass Personengesellschaften nur im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG transparent sind, im Rahmen von § 1 GrEStG jedoch – ebenso wie Kapitalgesellschaften und natürliche Personen – grunderwerbsteuerrechtlich vollwertige Rechtsträger sind. Auf dieser Grundlage stellt die Übertragung des 100 %igen Kommanditanteils an der G-KG durch die AG auf Z-KG in Schritt 1 einen den Tatbestand von § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllenden Anteilsübergang auf die Neugesellschafterin Z-KG dar. Jedoch bleibt die Grunderwerbsteuer gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG in voller Höhe unerhoben, sofern die AG ihre 100 %igen Beteiligung an der G-KG nicht innerhalb der letzten fünf Jahre aufgestockt hatte, ohne Grunderwerbsteuer auszulösen. Zudem ist § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG anwendbar, d. h. die Aufrechterhaltung der Befreiung setzt voraus, dass die AG ihre 100 %ige Beteiligung in den folgenden fünf Jahren nicht vermindert. Weil die Z-KG die Hälfte ihres 100 %igen Kommanditanteils vor Ablauf dieser Fünf-Jahres-Frist auf den Dritten überträgt, ist die durch Schritt 1 ausgelöste Grunderwerbsteuer gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO nachträglich in Höhe von 50 % festzusetzen. (b) Übergang eines Anteils an einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft auf eine Z-KG Fraglich ist, wie die Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer KG zu beurteilen ist, wenn der auf die zwischengeschaltete KG übertragene Anteil ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ist, die ihrerseits an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist. Dazu hatte z. B. die OFD Chemnitz in einer Verlautbarung vom 23.3.200961 Stellung genommen. Sie wich von der zuvor von der Finanzverwaltung ausnahmslos vertretenen Regel ab, eine Anwendung von §§ 5, 6 GrEStG in Höhe der rechnerisch gleich bleibenden Beteiligung eines mittelbaren Gesellschafters scheide bei zwischengeschalteter Kapitalgesellschaft aus. Die OFD Chemnitz beurteilte den folgenden Sachverhalt:

60 Vgl. BFH, Urt. v. 27.4.2005 – II R 61/03, BStBl. II 2005, 649. 61 Az. S 4514–30/1-St 23.

551

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer

Y 100 %

Z 50 %

X-GmbH

50 %

Y

Z 50 %

B-OHG

50 % B-OHG

W 4%

100 %

96 %

A-GbR

W

X-GmbH 96 %

4% A-GbR

Y überträgt seine 100 %ige Beteiligung an der X-GmbH auf die B-OHG, an der er selbst und Z je zur Hälfte beteiligt sind

Die nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöste GrESt bleibt nach Verwaltungsansicht i.H.v.52 % gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG unerhoben (keine Identitätsveränderung der X-GmbH, deshalb »Durchgriff« durch diese Kapitalgesellschaft)

Die OFD Chemnitz vertritt die Ansicht, dass die B-OHG mit der Übertragung aller GmbH-Anteile neue mittelbare Gesellschafterin der A-GbR geworden sei. Da die X-GmbH zu 96 % an der A-GbR beteiligt sei, trete ein nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Steuer unterliegender mittelbarer Gesellschafterwechsel ein. Dies gelte als Übergang des Grundbesitzes der A-GbR auf eine neue Personengesellschaft. Allerdings werde, soweit zwischen der bisherigen und der neuen Personengesellschaft GesellschafterIdentität besteht, die Grunderwerbsteuer gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG nicht erhoben. Die Steuer bleibe daher zunächst in Höhe der fortbestehenden unmittelbaren Beteiligung des Gesellschafters W in Höhe von 4 % am Vermögen der neuen Gesellschaft unerhoben. Zugleich bleibe die mittelbare Beteiligung des Y an der (neuen) A-GbR – nunmehr vermittelt durch die B-OHG – in Höhe von 50 % von 96 % (d. h. 48 %) bestehen. Nach Auffassung der Obersten Finanzbehörden der Länder werde die Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die mittelbare Beteiligung durch eine Kapitalgesellschaft vermittelt werde. Die Zwischenschaltung der B-OHG führe nicht zu einer Identi552

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer tätsveränderung der Kapitalgesellschaft, da der bisherige GmbH-Gesellschafter aus grunderwerbsteuerlicher Sicht im Ausmaß seiner (Gesamthands-)Berechtigung an der B-OHG Zurechnungsträger der grundstücksbesitzenden A-GbR bleibe. Deshalb werde die Steuer insgesamt in Höhe von 52 % gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erhoben. Das FG München vertritt im Urteil 4 K 1978/07 vom 18.3.200962 dieselbe Ansicht. Diesem Urteil liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: X-AG

X-AG 100 %

100 %

X-KG 100 %

S-GmbH

99 % S-GmbH

1%

99 %

1% KG

KG

FG München – § 1 Abs. 2a GrEStG + – § 6 Abs. 3 GrEStG in Höhe nicht nur von 99 %, sondern von 100 % +

FG München, Urteil 4 K 1978/07 vom 18.03.2009 (Rev. beim BFH, II R 57/09): Die S-GmbH ist als an der neuen Personengesellschaft nicht (mehr) beteiligt anzusehen. § 1 Abs. 2a GrEStG betrachtet (infolge der Berücksichtigung mittelbarer Änderungen des Gesellschaftsbestandes) sogar Kapitalgesellschaften als in seinem Anwendungsbereich transparent.

Nach Ansicht des FG München gilt die unmittelbar an der Grundbesitz-KG beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin, d. h. § 6 Abs. 3 GrEStG greift nicht schon wegen der zivilrechtlichen Identität der unmittelbaren Gesellschafterin der KG. Bei Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer KG oberhalb der vermittelnden Kapitalgesellschaft werde diese jedoch als transparent betrachtet. Gegen das Urteil des FG München ist beim BFH die Revision anhängig.63 62 EFG 2009, 2141. 63 Az. II R 57/09.

553

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer 2.5 § 1 Abs. 2a GrEStG und Verlängerung der Beteiligungskette durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft Mit Urteil 7 K 1410/09 GE vom 3.2.2010 hatte das FG Düsseldorf über den folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

I-AG

J-Bank 100 %

100 %

I-Beteiligungen GmbH

J K GmbH

50 % 100 %

50 % C-GmbH 100 %

F-KG

G Gruppe AG

H-GmbH

A-GmbH

94 % 6% Klägerin

H-GmbH erwirbt am16.03.2006 unmittelbar 94 % an der Klägerin

J-Bank erwirbt am 01.01.2005 50 % an C-GmbH von I-AG. J K GmbH erwirbt am 12.08.2005 diese 50 % an C-GmbH von J-Bank. I-Beteiligungen GmbH erwirbt am 31.03.2006 50 % an C-GmbH von ihrer Alleingesellschafterin I-AG

Das FG Düsseldorf vertritt die Ansicht, dass die Tochter-GmbH Neu-Gesellschafterin sei, weil sie bisher weder unmittelbar noch mittelbar an der KG beteiligt gewesen ist. Das FG Düsseldorf hält die Vorschrift von § 1 Abs. 2a GrEStG als mit Verfassungsrecht vereinbar. Auch ein strukturelles Vollzugsdefizit sieht das FG Düsseldorf nicht.

554

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer

MG

MG 100 %

100 %

100 % 100 %

Kompl.GmbH

T-GmbH 100 %

100 %

Kompl.GmbH

0% KG

T-GmbH 0% KG

Nach teilweise in der Literatur vertretener Ansicht stellt die Übertragung der 100 %igen Beteiligung an der KG auf T-GmbH keinen Anteilsübergang auf einen neuen Gesellschafter i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG dar, weil die MG vor und nach diesem Anteilsübergang sämtliche Anteile an der KG hält. § 1 Abs. 2a GrEStG diene der Missbrauchsvermeidung. Bleibe die grundbesitzende Personengesellschaft in derselben Hand, liege kein Missbrauch vor. Nach anderer in der Literatur64 vertretener Auffassung verstößt § 1 Abs. 2a GrEStG bei wörtlicher Auslegung gegen das im allgemeinen Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Folgerichtigkeit. Eine auf die wörtliche Auslegung von § 1 Abs. 2a GrEStG gestützte Besteuerung der grundbesitzenden KG anlässlich der Übertragung der 100 %igen Kommanditbeteiligung durch die MG auf deren 100 %ige Tochter T-GmbH ist danach verfassungswidrig.

64 Vgl. Micker, DStZ 2009, 285.

555

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer

3. Gestaltungsrisiken bei § 1 Abs. 3 GrEStG 3.1 Keine ordnungsgemäße Anzeige nach Abschluss des Anteilskaufvertrags Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG löst bereits das den Anteilsübertragungsanspruch begründende Rechtsgeschäft, d. h. der Abschluss des Anteilskaufvertrags die Grunderwerbsteuer aus, vorausgesetzt, der Kaufvertrag steht unter keiner aufschiebenden Bedingung und unter keinem Genehmigungsvorbehalt i. S. v. § 14 GrEStG. Mithin ist im Grundsatz bereits innerhalb von zwei Wochen nach Kaufvertragsabschluss ordnungsgemäß Anzeige beim zuständigen Finanzamt/Grunderwerbsteuerstelle zu erstatten65. In dem folgenden Beispiel schließen der Anteilsverkäufer und der Anteilskäufer am 12.10.2011 einen unbedingten Kaufvertrag ohne Genehmigungsvorbehalt über die 100 %ige Beteiligung an der grundbesitzenden GmbH. Beurkundet wird dieser Vertrag durch einen Notar in der Schweiz. Zwei Monate später wird die kartellrechtliche Freigabe endgültig verweigert. Der Anteilskaufvertrag wird nicht durchgeführt. Der schweizerische Notar hat den Kaufvertragsabschluss keinem deutschen Finanzamt angezeigt. AnteilsVerkäufer

Käufer Kaufvertrag

100 %

GmbH

Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum um Grundstück bzw. die bereits vereinigten Anteile auf den Erwerber übergegangen ist, so wird gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts

65 Vgl. § 19 Abs. 3 oder § 18 Abs. 3 GrEStG.

556

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet66. Gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG gilt dies unter anderem im Falle von § 1 Abs. 3 GrEStG nicht, wenn der Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt (§§ 18, 19 GrEStG) war. Im Beispielsfall wird nach dem Gesetzeswortlaut die Grunderwerbsteuer nur dann auf Antrag i. S. v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht festgesetzt bzw. eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Abschluss des Anteilskaufvertrags ordnungsgemäß – insbesondere rechtzeitig, d. h. innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung67 bzw. nach Kenntnisnahme von dem anzeigepflichtigen Vorgang durch die Anzeigepflichtigen68 – angezeigt worden ist. Die innerhalb der Zwei-WochenFrist zu erstattende Anzeige muss nach BFH nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen der §§ 18 und § 19 i. V. m. § 20 GrEStG genügen. Vielmehr können in der Anzeige noch fehlende Angaben innerhalb einer vom Finanzamt zu setzenden angemessenen Frist nachgereicht werden. Dazu bedarf es eines innerhalb der Anzeigefrist zu stellenden Fristverlängerungsantrags.69 Ob die Grunderwerbsteuer auf Antrag nach §§ 163, 227 AO im Wege einer Billigkeitsmaßnahme erlassen würde, ist nicht gesichert (obwohl die endgültige Belastung mit Grunderwerbsteuer in dem Beispiel, in dem es nicht zu einem Rechtsträgerwechsel gekommen ist, wirtschaftlich völlig unsinnig ist, so dass durchaus zweifelhaft erscheint, ob der Gesetzgeber sie in solchen Fällen tatsächlich gewollt hat70). Das Finanzamt könnte argumentieren, dass kein Fall einer sachlichen Unbilligkeit vorliege, weil das Grunderwerbsteuergesetz für solche Fälle in § 16 einen Rückabwicklungsmechanismus vorsehe.71 66 Bzw. nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird. 67 § 18 Abs. 3 GrEStG. 68 § 19 Abs. 3 GrEStG. 69 Vgl. BFH, Beschl. II B 52/04, BStBl. II 2005, 492; in dem zugrunde liegenden Sachverhalt war von dem Anteilserwerb eine Vielzahl von Grundstücken in zwei Bundesländern betroffen; vgl. auch BFH, Beschl. v. 2.3.2011 – II R 64/08, HFR 2011, 778; UVR 2011, 170. 70 Sinnvoller wäre es, die Tatbestände in § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG (unabhängig von § 16 GrEStG) so auszulegen, dass es im Ergebnis nicht zu ihrer Verwirklichung kommt, wenn der Rechtsträgerwechsel scheitert. 71 Sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Festsetzung der Steuer an sich zwar dem (ggf. nach Wortlaut, Systematik und Zweck etc. ausgelegten) Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten (Einzel-)Fall derart zuwider läuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint, wenn also nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetz-

557

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer 3.2 94,9/5,1-Modelle und Risiko des Gestaltungsmissbrauchs Der Tatbestand von § 1 Abs. 3 GrEStG setzt die Vereinigung von 95 % oder mehr der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand des Erwerbers („der einen Hand“) voraus. Dies bedeutet, dass – wenn lediglich 94,9 % (oder weniger) der Anteile in der Hand eines Rechtsträgers vereinigt werden – keine Grunderwerbsteuer anfällt. Relevant wird dies z. B. in dem Fall, dass der Verkäufer einer grundbesitzenden GmbH bereit ist, in geringem Umfang an der grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar beteiligt zu bleiben. Denkbar ist, dass er vor Verkauf eine GmbH & Co. KG gründet, auf die er 5,1 % der Anteile an der Grundstücks-GmbH überträgt. An der zwischengeschalteten KG ist eine im Alleineigentum des Verkäufers stehende GmbH beteiligt, z. B. zu 5,1 % oder auch in geringerer Höhe (ggf. vermögensmäßig zu 0 %). Anschließend verkauft und überträgt der Verkäufer die ihm verbliebene unmittelbare 94,9 %ige Beteiligung an der Grundstücks-GmbH, 94,9 % der Anteile an der K-GmbH sowie seine Beteiligung an der zwischengeschalteten KG an den Käufer. Dies lässt sich wie folgt veranschaulichen:

V

V

V 100 %

K-GmbH

94,9 % 100 %

5,1 % (Var.: 0 %)

94,9 % (Var.: 100 %)

KG 5,1 %

I-GmbH

I-GmbH

K 5,1 %

94,9 %

K-GmbH 94,9 % 5,1 % (Var.: 0 %)

KG

5,1 %

(Var.: 100 %)

94,9 %

I-GmbH

Alternativ kommt es in Betracht, dass der potentielle Anteilskäufer mit einem weiteren Investor (Dritter) eine KG gründet, die anschließend bei Abschluss des Anteilskaufvertrages mit V als Käufer eines 5,1 %igen Anteils an der Grundstücks-GmbH auftritt. Der Käufer erwirbt 94,9 % geber („offensichtlich“) nicht gewollten Ergebnis führt, und der Gesetzgeber die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne der Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte; vgl. Rüsken in Klein, § 163 AO, Rz. 32 m. w. N., 10. Auflage 2009.

558

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer der Anteile an der Grundstücks-GmbH. Dies lässt sich wie folgt veranschaulichen:

V

K

Dritter

94,9 % (Var.: 100 %) 100 %

5,1 % (Var.: 0 %)

K

Dritter

94,9 % (Var.: 0 %)

KG

5,1 % (Var.: 100 %)

KG 94,9 % 5,1 %

I-GmbH

I-GmbH

In der Praxis ist zuletzt zu beobachten, dass einzelne Finanzämter trotz Nichterfüllung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unter Hinweis auf § 42 AO dennoch Grunderwerbsteuer festsetzen (wollen). Dabei gab es in diesem Bereich hinreichenden Grund, davon auszugehen, dass Rechtssicherheit eingekehrt sei.72 Dies trotz Fehlens entsprechender Gesetzesänderungen nun doch wieder in Frage zu stellen, ist schlicht inakzeptabel. Denn die Anwendung von § 42 AO ist in den beschriebenen Fällen in jedem Falle unzulässig.73 Wenn der Gesetzgeber innerhalb eines spezifischen Bereichs durch einen speziellen Umgehungstatbestand konkretisiert, welche Gestaltung er als angemessen akzeptiert und welche nicht, schafft er für den Steuerpflichtigen insoweit Gestaltungssicherheit. Daran muss er sich trotz des Vorbehalts in § 42 Abs. 1 S. 2, S. 3 AO festhalten lassen.74 Bei § 1 Abs. 3 GrEStG handelt es sich um eine spezielle und abschließende Missbrauchsvermeidungsvorschrift.75 Eine Erweiterung des Be72 Vgl. insbesondere Hofmann, § 1 GrEStG, Rz. 137, 9. Auflage 2010, auch unter Hinweis auf das BFH, Urt. v. 31.7.1991 – II R 157/88, BFH/NV 1992, 97. 73 So auch Heine, UVR 2009, 212, 215. 74 Vgl. z. B. Drüen in Tipke/Kruse, § 42 AO, Rz. 20, Oktober 2010. 75 Vgl. z. B. Fischer in Boruttau, § 1 GrEStG, Rz. 852 f, 16. Auflage 2007; Reiß in Tipke/Lang, 17. Auflage, § 15 Rz. 5, S. 656; Pahlke in Pahlke/Franz, § 1 GrEStG, Rz. 319, 3. Auflage 2005: „§ 1 Abs. 3 verfolgt das Ziel, Steuerumgehungen zu verhindern (Begr. GrEStG 1940, 392)“.

559

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer steuerungstatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG nach Maßgabe von § 42 AO scheidet aus.76 Nach dem BFH-Urteil vom 31.7.199177 kommt eine Besteuerung entsprechend der den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung nicht in Betracht, wenn erst die Verwirklichung einer bestimmten zivilrechtlichen Gestaltung die Steuer auslöst. In den oben dargestellten Beispielsfällen wird die in § 1 Abs. 3 GrEStG für tatbestandsmäßig erklärte zivilrechtliche Gestaltung nicht verwirklicht.

4. Offene Fragen zu § 6a GrEStG Durch das Wachstumbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 wurde mit Wirkung ab 1.1.2010 § 6a GrEStG in Kraft gesetzt, wonach übertragende Umwandlungen unter zum Teil durch den Gesetzeswortlaut nicht geklärten Voraussetzungen von der Grunderwerbsteuer befreit sind. Gemäß § 6a S. 3 GrEStG ist diese Begünstigung nur dann anwendbar, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und eine oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Gemäß § 6 Abs. 4 GrEStG ist „abhängig“ eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen78 das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Weil § 6a GrEStG keine Definition der Begriffe „Unternehmen“ und „herrschendes Unternehmen“ enthält, ist unklar, was einen Rechtsträger zum Unternehmen i. S. v. § 6a GrEStG macht und welche Rechtsträger bei Beteiligungsketten als herrschende Unternehmen anzusehen sind.79 76 Vgl. Pahlke in Pahlke/Franz, § 1 GrEStG, Rz. 319, 3. Auflage 2005; Hofmann, § 1 GrEStG, Rz. 137, 9. Auflage 2010, auch unter Hinweis auf das BFH, Urt. v. 31.7.1991 – II R 157/88, BFH/NV 1992, 97; vgl. auch BFH, Urt. v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 m. w. N.: „Der spezielleren Vorschrift kommt hiernach im Hinblick auf die allgemeine Regelung eine Abschirmwirkung zu.“ 77 Vgl. BFH, Urt. v. 31.7.1991 – II R 157/88, BFH/NV 1992, 97. 78 Dass eine mindestens 95 %ige (unmittelbare oder mittelbare) Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (statt am Kapital) ausreicht, ist im Rahmen des OGAWIV-Umsetzungsgesetzes vom 22.6.2011, BGBl. 2011, 1126, ergänzt worden, um gesetzlich klarzustellen, dass auch Personengesellschaften „abhängige Gesellschaften“ i. S. v. § 6a S. 4 GrEStG sein können; so bereits Tz. 2.3 der gleichlautenden Erlasse und BMF, Schr. v. 1.12.2010 – IV D 4 – S 4518/10/10001, BStBl. I 2010, 1321; StEK § 6a GrEStG Nr. 2. 79 Zum „Umfang des grunderwerbsteuerlichen Verbundes i. S. v. § 6a GrEStG“ vgl. Schanko, UVR 2011, 151.

560

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Wegen dieser (und anderer) Rechtsunsicherheiten waren schon früh gleichlautende Ländererlasse zu § 6a GrEStG angekündigt worden80. Diese wurden dann am 1.12.2010 beschlossen.81 Sie ließen jedoch insbesondere die offenen Fragen zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale Unternehmen und herrschend unbeantwortet. In Tz. 2.2 wird lediglich ausgesagt, das herrschende Unternehmen müsse selbst Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn sein, und bei natürlichen Personen dürften die Anteile an der Gesellschaft nicht im Privatvermögen gehalten werden, das herrschende Unternehmen dürfe keine reine Holdinggesellschaft sein und die Grundsätze der Anteilsvereinigung im Organkreis (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG) würden nicht gelten. Zur Frage der Identifizierung des herrschenden Unternehmens in Beteiligungsketten enthält Tz. 1 des Erlasses vom 1.12.2010 den Hinweis, dass der Kreis der an einem nach § 6a GrEStG begünstigungsfähigen Erwerbsvorgang beteiligten Rechtsträger auf das eine über den gesamten Verbund herrschende Unternehmen und/oder von diesen abhängigen Gesellschaften beschränkt sei. Dies ist in der Literatur kritisiert worden.82 Durch den Erlass vom 22.6.201183 ist Tz. 2.2. des Erlasses vom 1.12.2010 um den folgenden einen Satz ergänzt worden: „Das herrschende Unternehmen i. S. des § 6a GrEStG ist der oberste Rechtsträger, der die Voraussetzungen des § 6a S. 4 GrEStG erfüllt, und insbesondere Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne ist.“84

„Oberster Rechtsträger“ kann danach nicht notwendigerweise nur der Rechtsträger sein, der an der Spitze der Beteiligungskette steht, d. h. an dessen Kapital oder Gesellschaftsvermögen kein anderer Rechtsträger zu 95 % oder mehr beteiligt ist. Der „oberste Rechtsträger“ ist nach dem Erlass vom 22.6.2011 vielmehr derjenige, der „von oben betrachtet“ (d. h. aus der Sicht der obersten Gesellschafter) als strukturell den obersten Gesellschaftern am nächsten stehender Rechtsträger sowohl die Voraussetzungen von § 6a S. 4 GrEStG erfüllt als auch umsatzsteuerlicher Unternehmer ist. Damit steht fest, dass § 6a GrEStG anwendbar ist, wenn zwar nicht die Konzernspitze, jedoch eine von der Konzernspitze (unmittelbar oder mittelbar) mindestens zu 95 % gehaltene Konzerngesellschaft auf tieferer Ebene umsatzsteuerliche Unternehmerin i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG ist: 80 Vgl. FM Baden-Württemberg, Erl. V. 23.2.2010 – E – S 4514/27, StEK § 6a GrEStG Nr. 2. 81 Vgl. BStBl. I 2010, 1321. Vgl. dazu z. B. Wischott/Adrian/Schönweiß, DStR 2011, 497; Schaflitzl/Götz, DB 2011, 374; Klass/Möller, BB 2011, 407. 82 Z. B. vgl. Viskorf in Boruttau, § 6a GrEStG, Rz. 60, 17. Auflage 2011 n. w. N.; Behrens, Ubg 2010, 845. 83 BStBl. I 2011, 1321. 84 BStBl. I 2011, 673.

561

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Beispiel:

50 %

50 %

Nichtunternehmer-GmbH (umsatzsteuerlich)

50 %

50 %

Nichtunternehmer-GmbH (umsatzsteuerlich)

100 % Unternehmer-GmbH (umsatzsteuerlich)

100 % Unternehmer-GmbH (umsatzsteuerlich)

100 % T-GmbH

100 % T-GmbH 100 % E-GmbH

Die T-GmbH überträgt das Grundstück durch Ausgliederung zur Neugründungauf die E-GmbH.

Im Beispiel ist nach Verwaltungsansicht nur die Unternehmer-GmbH, d. h. der Rechtsträger in zweiter Ebene – weil die Finanzverwaltung auf den umsatzsteuerlichen Unternehmerbegriff abstellt und das Tatbestandsmerkmal „ein herrschendes Unternehmen“ in § 6a S. 3 GrEStG in „das herrschende Unternehmen“ umdeutet – das herrschende Unternehmen. Sollte die Unternehmer-GmbH ihre Beteiligung an der T-GmbH vor Ablauf der nachgelagerten Fünf-Jahres-Frist auf unter 95 % reduzieren, wäre m. E. die T-GmbH als das eine herrschende Unternehmen anzusehen, vorausgesetzt, die T-GmbH behält ihre Beteiligung an der E-GmbH in Höhe von mindestens 95 % fünf Jahre lang ab Eintragung der Ausgliederung zur Neugründung im Handelsregister. Denn der oberste Rechtsträger, der zugleich die Voraussetzungen von § 6a S. 4 GrEStG und auch die Voraussetzung erfüllt, Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne zu sein, ist – wenn die Unternehmer-GmbH die nachgelagerte Fünf-JahresFrist nicht wahrt – die T-GmbH85. Dem Vernehmen nach war dies jedoch 85 Vgl. Behrens, BB 2011, 2724. Die T-GmbH ist – im Nachhinein betrachtet – als die oberste Rechtsträgerin und damit als herrschendes Unternehmen anzuer-

562

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer von der Finanzverwaltung nicht beabsichtigt. Obwohl der Wortlaut der gleichlautenden Länder-Erlasse vom 22.6.2011 der hier vertretene Meinung keineswegs entgegensteht, muss in der Praxis damit gerechnet werden, dass die Finanzämter die Befreiung nach § 6a GrEStG in dem Fall, dass die Unternehmer-GmbH die nachgelagerte Fünf-Jahres-Frist nicht wahrt, nicht gewähren wird. Im Erlass vom 22.6.2011 bekräftigt die Finanzverwaltung ihre Auffassung, dass es für den Unternehmensbegriff auf § 2 Abs. 1 UStG ankommt.86 Offen bleibt jedoch unter anderem, ob es auch auf die Zuordnung der Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft zum unternehmerischen Bereich des obersten Rechtsträgers ankommt, und wenn ja, nach welchen Kriterien sich diese Zuordnung bestimmen soll87 und ob die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft während des gesamten bis zu 10-jährigen Beobachtungszeitraums bestehen muss. In der Zwischenzeit ist bekannt geworden, dass die Finanzverwaltung die gleichlautenden Länder-Erlasse zu Anwendung von § 6a GrEStG grundlegend überarbeiten will. Es deutet sich an, dass in den zukünftigen neuerlichen Erlassen zu § 6a GrEStG die folgenden Ansichten vertreten werden könnten: – Die Anwendung von § 6a GrEStG setzt das Vorhandensein eines sog. Verbundes (d. h. einer Mehrzahl von Unternehmen und/oder Gesellschaften) während des gesamten Zehn-Jahres-Zeitraums voraus. Umwandlungen, die zur Entstehung eines Verbundes oder zu dessen Beendigung führen, können – wenn durch diese Umwandlung Grundstücke übertragen werden – von vornherein nicht nach § 6a GrEStG begünstigt sein. – Der Rechtsträger, der der oberste Rechtsträger ist, der sowohl umsatzsteuerlicher Unternehmer ist als auch die in § 6a S. 4 GrEStG postulierten Fristen wahrt, muss während des gesamten Zehn-Jahres-Zeitraums der selbe Rechtsträger sein und bleiben. Ein Down-Stream-Merger dieses obersten Rechtsträgers während des relevanten Zehn-Jahres-Zeitraums steht der Anwendung von § 6a GrEStG von vornherein entgegen. Dieser oberste Rechtsträger muss während des gesamten Zehn-Jahres-Zeitraums umsatzsteuerlicher Unternehmer sein. kennen, die zugleich die Voraussetzungen von § 6a S. 4 GrEStG erfüllt und auch umsatzsteuerliche Unternehmerin ist (vorausgesetzt, die T-GmbH bleibt bis zum Ablauf der in 2010 begonnenen nachgelagerten Fünf-Jahres-Frist zu mindestens 95 % an der E2-GmbH beteiligt). 86 So schon Tz. 2.2. der gleichlautenden Erlasse v. 1.12.2010; vgl. auch Viskorf in Boruttau, § 6a GrEStG, Rz. 53, 17. Auflage 2011. A. A. Behrens/Bock, NWB 2011, 615, 612 f. 87 Vgl. dazu Behrens/Bock, NWB 2011, 615, 621 f.

563

Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer – Es soll an der beteiligungsbezogenen Auslegung von § 6a GrEStG festgehalten werden. Der in der Literatur88 vertretenen Ansicht, dass § 6a GrEStG wie alle Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes grundstücksbezogen auszulegen sei, so dass – die vorgelagerte Fünf-Jahres-Frist nur die im Rahmen der übertragenden Umwandlung übertragende Gesellschaft und die nachgelagerte Fünf-Jahres-Frist nur die im Rahmen der übertragenden Umwandlung aufnehmende Gesellschaft betrifft und – die jeweilige Frist durch teleologische Auslegung zu reduzieren ist, wenn das Ereignis, das zur Nicht-Wahrung der Frist führt, selbst grunderwerbsteuerbar ist, soll nach wie vor nicht gefolgt werden89. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Finanzverwaltung doch noch anders entscheiden wird, schon um die ansonsten entstehenden vielfältigen Zweifelsfragen und Anwendungsprobleme für die Praxis zu vermeiden. Unabhängig davon sollte der Gesetzgeber erwägen, den Wortlaut von § 6a GrEStG zu überarbeiten, um die vielfältigen Auslegungsschwierigkeiten zu beseitigen.

5. Zusammenfassung In der Praxis treten grunderwerbsteuerliche Gestaltungsrisiken insbesondere bei Gegenleistungsfragen auf, wenn sich die Grunderwerbsteuer – was nach § 8 Nr. 1 GrEStG der Regelfall ist – nach der Gegenleistung bemisst. Offene Fragen ergeben sich zum einen aus der BFH-Rechtsprechung, wonach der zivilrechtlich vereinbarte Kaufpreis im Grundsatz auch dann die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bildet, wenn er weit unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegt, als auch – nach wie vor – Fragen nach den Voraussetzungen für das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerks. In Bezug auf § 1 Abs. 2a GrEStG ergeben sich Gestaltungsrisiken aus den gleichlautenden Länder-Erlassen vom 25.2.2010. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung ihre restriktiven Ansichten zur Verkürzung von Beteiligungsketten und zu den Voraussetzungen für die Altgesellschafter-Eigenschaft möglichst schnell wieder aufgibt. Vom BFH werden in absehbarer Zeit wohl drei Fälle zu § 1 Abs. 2a GrEStG im Zusammenhang mit Beteiligungsketten-Verlängerungen (neu zwischengeschobene Personengesellschaft, neu zwischengeschobene 88 Vgl. Behrens, AG 2010, 119. 89 Weilbach, § 6a GrEStG, Lfg. 31/Juni 2011, Rz. 31 gesteht zu, dass die grundstücksbezogene Auslegung „nicht völlig zu Unrecht“ gefordert wird.

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Behrens, Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer GmbH, Einschaltung eines Treuhänders) entschieden werden müssen. Es ist zu hoffen, dass sich der BFH in diesem Zusammenhang auch mit Beteiligungsketten-Verkürzungen auseinandersetzen wird. Es spricht Einiges dafür, dass diese Fallgestaltungen nicht jeweils isoliert entschieden werden können, sondern – um eine in sich schlüssige Beurteilung zu erreichen – im Zusammenhang gesehen werden müssen. Im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 GrEStG wird von der Finanzverwaltung jüngst die Frage nach dem Verhältnis des zivilrechtlich orientierten Grunderwerbsteuerrechts zu § 42 AO neu aufgeworfen. Die Anwendung von § 42 AO im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 GrEStG ist abzulehnen, weil nur die Verwirklichung der von den Tatbeständen von § 1 Abs. 3 GrEStG erfassten zivilrechtlichen Gestaltungen zum Anfall von Grunderwerbsteuer führt, dies durch die BFH-Rechtsprechung geklärt ist und deshalb davon ausgegangen werden konnte, dass Rechtssicherheit besteht. Dass einzelne Finanzämter dies nun – ohne dass es dies veranlassende Rechtsprechung oder gar Gesetzesänderungen gegeben hätte – nicht mehr anzuerkennen wollen, ist unverständlich bzw. nur mit dem (rechtswidrigen) Streben nach zusätzlichem Steueraufkommen zu erklären. Im Zusammenhang mit § 6a GrEStG soll es zu einer Neufassung der gleichlautenden Länder-Erlasse zur Anwendung dieser Befreiungsvorschrift kommen. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung doch noch zur grundstücksbezogenen Auslegung dieser Vorschrift finden und diese Befreiung nur dann versagen wird, wenn die – den auf ein Grundstück bezogenen Rechtsträgerwechsel bewirkende – Umwandlung zu einer grunderwerbsteuerlichen Statusverbesserung geführt hat.

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Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Dr. Karsten Randt Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, Bonn Inhaltsübersicht

A. Einleitung B. Aktuelles zur Selbstanzeige I. Positive Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige 1. Allgemeines 2. Umfang der Offenlegung 3. Form und Inhalt einer Selbstanzeige 4. Geringfügige Abweichungen der Selbstanzeige vom tatsächlichen Verkürzungsbetrag 5. Undolose Teilselbstanzeige a) § 371 Abs. 1 AO a. F. b) § 371 Abs. 1 AO n. F. 6. Selbstanzeige nach der (unvollständigen) Selbstanzeige a) Unwirksamkeit der ersten Teilselbstanzeige b) Unwirksamkeit der zweiten Selbstanzeige c) Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit – Zeitliche Begrenzung der Sperrwirkung für erste und zweite Selbstanzeige? II. Negative Wirksamkeitsvoraussetzungen (§ 371 Abs. 2 AO) 1. Bekanntgabe der Betriebsprüfungsanordnung (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO n. F.) 2. Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO n. F.) 3. Erscheinen eines Amtsträgers (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c AO n. F.)

4. Kennen(-müssen) der Tatentdeckung (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO n. F.) a) Tatentdeckung (Objektives Merkmal) b) Wissen oder rechnen müssen (Subjektives Merkmal) 5. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO n. F.: Hinterziehungsbetrag von mehr als 50.000 Euro 6. Verfahrenseinstellung nach § 398a AO III. Folgen der Selbstanzeige 1. Strafverfahrensrechtliche Folgen 2. Strafrechtliche und bußgeldrechtliche Folgen 3. Steuerliche Folgen 4. Sonstiges C. Steuerabkommen DeutschlandSchweiz I. Stand der Ratifizierung bzw. Gesetzgebung II. Übersicht und Regelungsstruktur III. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2. Persönlicher Anwendungsbereich a) Natürliche Personen mit Wohnsitz in Deutschland am 31. Dezember 2010 b) Nutzungsberechtigung c) Zwischengeschaltete „Strukturen“ 3. Zeitlicher Anwendungsbereich

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln IV. Vergangenheitsbesteuerung („Regularisierung“) 1. Einmalzahlung a) Berechnung b) Erlöschen deutscher Steueransprüche von Anfang an und Strafbefreiung c) Anonyme Abbuchung und Überweisung/Bescheinigung 2. Freiwillige Meldung und Selbstanzeige

V. Amtshilfe und Datenankauf 1. Deutsches Anfragerecht (Amtshilfe über den OECD-Standard hinaus) 2. Nennung von Zielstaaten abgezogener Vermögenswerte durch die Schweiz 3. Deutscher Verzicht auf den Erwerb entwendeter Kundendaten VI. Anonyme, abgeltende Quellensteuer (Abgeltungsteuer) für die Zukunft

A. Einleitung Korrekturerklärungen gehören zum steuerrechtlichen Alltag. Dabei geht es zunächst einmal – ganz allgemein formuliert – darum, die „richtige“ Besteuerung sicherzustellen. Es wundert nicht, dass hiervon in der Praxis vielfach Gebrauch gemacht wird. Die Komplexität des Steuerrechts einerseits und die Datenfülle andererseits bedingen dieses Erfordernis. So erklärt es sich auch, dass über § 90 AO ein Zusammenspiel zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem normiert und die Finanzbehörde auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen ist. Die Selbstanzeige greift überhaupt erst ein, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich in der Vergangenheit über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Es war dabei die Linie von Gesetzgeber und Rechtsprechung, keine hohen Hürden aufzustellen. Im Vordergrund stand das fiskalische Interesse, das nachträgliche Festsetzen von Steuern zu befördern und strafrechtlich Milde walten zu lassen. Die Selbstanzeige lässt sich in zwei Blöcke aufteilen: Einerseits geht es darum, dass der Steuerpflichtige positiv bestimmte Handlungen vornehmen muss, während anderseits bestimmte Umstände nicht vorliegen dürfen (Sperrgründe). Er muss unrichtige Angaben berichtigen, unvollständige ergänzen oder unterlassene Angaben nachholen. Dabei ist er nicht an entsprechende Formvorschriften gebunden gewesen. Auch der Karton nicht gebuchter Einnahmen reicht aus. Die Großzügigkeit ging sogar soweit, dass dem Steuerpflichtigen für das, was er an Angaben berichtigt, ergänzt oder nachgeholt hat, die Straflosigkeit garantiert wurde. Die sog. Teilselbstanzeige hat sichergestellt, dass der Steuerpflichtige soweit straffrei wurde, wie er sich erklärt hatte. Erst durch die sog. CD-Fälle ist die Frage aufgekommen, inwieweit strengere Maßstäbe an die Selbstanzeige anzusetzen sind. Im Blick ist dabei der Fall, dass der Steuerpflichtige – quasi durch die Medienberichterstat568

Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln tung angetrieben – nur so viel nacherklärt, wie ihm die Ermittlungsbehörden auf der Spur sind. Diese Salamitaktik sollte nicht belohnt werden. Der Bundesgerichtshof hat dann – für Fachleute überraschend – mit seiner Entscheidung vom 20. Mai 2010 kundgetan, dass die Selbstanzeige stets vollständig sein müsse, während hingegen die Teilselbstanzeige keine strafrechtliche Wirkung entfalte. Der Gesetzgeber hat diese Sichtweise aufgenommen und den Gesetzestext des § 371 AO grundlegend überarbeitet. Voraussetzung ist jetzt, dass zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang eine Korrektur abgegeben werden muss. Es heißt daher im § 371 Abs. 1, Abs. 2 AO n. F. (Änderungen sind kursiv hervorgehoben): „(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft.“ „(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1.

bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten, vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder

2.

eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste oder

3.

die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt.“

Die Darstellung der Auswirkungen dieser Gesetzes- und Rechtsprechungsänderungen wird den ersten Teil dieses Aufsatzes in Anspruch nehmen. Neben den somit verschärften Regeln des Selbstanzeigerechts werden zukünftig die „konkurrierenden“ Regelungen des Deutsch-Schweizer Steuerabkommens vom 21. September 2011 in Betracht zu ziehen sein. Das zwischen der Schweiz und Deutschland vereinbarte Steuerabkommen regelt nämlich unter anderem die Nachversteuerung bisher unversteuerter Vermögenswerte von deutschen Steuerpflichtigen bei Schweizer Banken („Regularisierung der Altlasten“). Dies kann – wie bisher – durch die „neue“ strafbefreiende Selbstanzeige oder durch die beiden im 569

Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Steuerabkommen vorgesehenen Alternativen – Einmalzahlung oder freiwillige Meldung – geschehen, die im zweiten Teil des Aufsatzes dargestellt werden sollen.

B. Aktuelles zur Selbstanzeige Gemäß § 371 AO wird nicht wegen einer Steuerstraftat bestraft, wer gegenüber der Finanzbehörde seine steuerlichen Pflichten, vor allem die korrekten Angaben zum steuerlich relevanten Sachverhalt, vollumfänglich nachholt und die hinterzogene Steuer innerhalb der ihm gesetzten Frist entrichtet. Um die Straffreiheit erlangen zu können, hat das Gesetz positive und negative Wirksamkeitsvoraussetzungen aufgestellt, die beide durch die jüngste Gesetzesänderung verschärft wurden. Hierzu kurz ein Überblick: Zunächst muss der Täter positiv: – gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigen, die unvollständigen Angaben ergänzen oder die unterlassenen Angaben nachholen (Berichtigungserklärung, § 371 Abs. 1 AO) sowie – die verkürzten Steuern, die er schuldet, innerhalb einer bestimmten Frist nachentrichten (fristgerechte Nachzahlung, § 371 Abs. 3 AO). In negativer Hinsicht darf keiner der in § 371 Abs. 2 AO aufgeführten Ausschlussgründe vorliegen: – Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten; – Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten; – Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten; – Tatentdeckung einer der Steuerstraftaten; – Steuerverkürzung größer als 50.000 Euro je Tat.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln

I. Positive Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige 1. Allgemeines Die Selbstanzeigemöglichkeit besteht für denjenigen, der andernfalls wegen einer Steuerhin-terziehung nach § 370 AO bestraft würde. Damit ist jeder Tatbeteiligte, also der Allein- oder Mittäter (§ 25 StGB), der mittelbare Täter sowie der Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe, §§ 26, 27 StGB) von § 371 AO erfasst. Da die strafrechtliche Verantwortung (gem. § 370 AO) höchstpersönlich ist und nur natürliche Personen direkt erfasst, privilegiert die Selbstanzeigemöglichkeit des § 371 AO unmittelbar nur natürliche Personen. Die Selbstanzeige ist strafrechtssystematisch ein sogenannter persönlicher Strafaufhebungsgrund. Die Rechtsfolge des § 371 AO – die strafbefreiende Wirkung – kommt daher nur derjenigen natürlichen Person zugute, der die gesetzlichen Voraussetzungen in seiner Person erfüllt. Grundsätzlich hat daher jeder Beteiligte an einer Steuerhinterziehung selbst eine Selbstanzeige für die von ihm gemachten unkorrekten Angaben abzugeben. Welche Anforderungen der Gehilfe (§ 27 StGB, typischerweise Bankberater, steuerlicher oder rechtlicher Berater) erfüllen muss, um eine wirksame Selbstanzeige abzugeben, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Allerdings sollte die Rückgängigmachung des erbrachten Tatbeitrages ausreichend sein, wenn also die beihilferelevanten Sachverhalte im Einzelnen aufgedeckt werden, d. h. z. B. die Beratung und die Kenntnisse aus dieser.1 Neben seinen eigenen Angaben hat der Teilnehmer auch die der anderen Tatbeteiligten insoweit zu berichtigen, als ihm die Umstände aus der Sphäre der anderen bekannt sind. Verlangt werden kann, dass der Teilnehmer die seinen Tatbeitrag darstellenden Angaben richtig stellt.2 Bedeutsam für den Teilnehmer ist, dass seine Selbstanzeige auch ohne Nachzahlung der Steuer wirksam ist, es sei denn, diese wurde zu seinen Gunsten hinterzogen (§ 371 Abs. 3 AO). Es besteht generell keine höchstpersönliche Nacherklärungs- oder Erstattungspflicht gem. § 371 Abs. 1, Abs. 3 AO. Erforderlich ist allein, dass die Abgabe der Selbstanzeige auf dem Willen des Tatbeteiligten beruht und von ihm veranlasst wurde. Demnach kann die Berichtigungserklärung auch durch einen beauftragten und bevollmächtigten Dritten für den Tatbeteiligten abgegeben werden. Dies setzt voraus, dass der Auftrag und die Vollmacht zur Abgabe einer Selbstanzeigte vor der Anzeigeerstattung erteilt worden sind. So sind weder eine Geschäftsführung ohne Auftrag i. S. des § 677 BGB noch eine nach1 OLG Hamburg, wistra 1986, 116; vgl. zu diesem Problem Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 62. 2 OLG Hamburg, wistra 1986, 116, 117.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln trägliche Genehmigung der Selbstanzeige anerkannt. Nach h. M. ist es insoweit jedoch nicht erforderlich, dass der Beauftragte nach außen zu erkennen gibt, dass er die Erklärung für einen anderen abgibt. Die sog. verdeckte Stellvertretung ist mithin zulässig.3 Hieran änderte sich durch die Neufassung des § 371 AO nach allgemeiner Auffassung nichts. Bei einer juristischen Person genügt es nach einer BGH-Entscheidung aus dem Jahre 19844 grundsätzlich, dass die Selbstanzeige durch einen Bevollmächtigten – d. h. z. B. durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt – oder durch einen gesetzlichen oder satzungsgemäßen Vertreter erstattet wird. Bei Gesellschaften genügt es nach dieser Entscheidung, dass die Selbstanzeige durch den zuständigen Geschäftsführer erfolgt. Diese wirkt dann auch für die anderen Organe und Mitarbeiter, selbst wenn diese in der Nacherklärung nicht ausdrücklich benannt sind. Denkbar ist auch, dass Vollmachten bzw. Anschlusserklärungen der strafrechtlich Betroffenen bei dem Bevollmächtigten hinterlegt werden, so dass jederzeit nachgewiesen werden kann, wer personell von den Rechtswirkungen der Selbstanzeige erfasst ist, auch wenn diese Personen im Rahmen der Selbstanzeige nach außen nicht in Erscheinung traten.5 2. Umfang der Offenlegung In zeitlicher Hinsicht sind nach der Neufassung des § 371 Abs. 1 AO dem eindeutigen Wortlaut zufolge alle unverjährten Steuerstraftaten vollständig zu berichtigen („zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart“). Maßgeblich ist insoweit – da nur auf die Unverjährtheit von Straftaten Bezug genommen wird – allein die strafrechtliche Verjährungsfrist im Sinne der §§ 78 ff. StGB, 376 AO. Der davon abweichenden steuerlichen Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO) kommt bei der Bestimmung der Vollständigkeit einer Selbstanzeige somit keine Bedeutung zu. In sachlicher Hinsicht wird der Umfang der Selbstanzeige auf die vollständige Offenlegung der Hinterziehungssachverhalte einer Steuerart (z. B. ESt, ErbSt, KSt, USt) begrenzt.6 Seit dem 3. Mai 2011 setzt eine wirksame Selbstanzeige demnach – die vollständige Offenlegung – aller strafrechtlich noch verfolgbaren Hinterziehungen – einer Steuerart 3 BayObLG v. 7.10.1953, NJW 1954, 244; BayObLG v. 27.4.1972, DStZ/B 1972, 287; Rüping in HHSp, AO-Kommentar, Rn. 43 zu § 371. 4 BGH v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74, 75; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 39.1. 5 Zusammenfassend Adick, PStR 2012, 51, 52, zur Selbstanzeige im Unternehmen. 6 Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln voraus. Eine steuerstrafrechtliche Lebensbeichte – wie ursprünglich geplant – ist demnach nicht erforderlich, nur die steuerartspezifische steuerstrafrechtliche Lebensbeichte ist unabdingbare Voraussetzung einer vollständigen Selbstanzeige.7 In der Entscheidung des BGH vom 20. Mai 20108 hatte dieser hingegen lediglich verlangt, dass der Steuerpflichtige nur bzgl. der jeweiligen Tat im materiellen Sinne (§ 52 StGB) „reinen Tisch“ machen müsse und sich die Vollständigkeit der Nacherklärung auf diese bezog (d. h. etwa auf die ESt eines Steuerjahres).9 Die gesetzliche Neuregelung seit dem 3. Mai 2011 geht mithin hier deutlich über die vorherige – bereits gegenüber früher verschärfte – neuere Rspr. in Strafsachen hinaus. 3. Form und Inhalt einer Selbstanzeige Die Selbstanzeige bedarf keiner besonderen Form – auch nicht der Schriftform – und sie muss nicht als solche bezeichnet werden, um die Rechtsfolge des § 371 AO zu erzielen. Ausschlaggebend ist ihr Inhalt, der die Finanzbehörde in die Lage versetzen muss, anhand der Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen ohne eigene langwierige Sachverhaltsermittlungen eine ordnungsgemäße Steuerfestsetzung durchführen zu können, als wäre der Steuerpflichtige von Anfang an seiner Erklärungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen (Grundsatz der Materiallieferung).10 Daher genügt es für eine Selbstanzeige auch, wenn nachträglich eine Steuererklärung abgegeben wird, aus der sich ergibt, dass damit die bisher unterbliebene Steuererklärung nachgeholt oder die ursprüngliche falsche Erklärung korrigiert wird. Bei unzutreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen muss nicht jede einzelne explizit berichtigt werden. Ausreichend ist (für jedes betroffene Steuerjahr) die Einreichung einer korrekten Umsatzsteuerjahreserklärung, ohne dass der Gesamtbetrag auf einzelne Voranmeldungszeiträume aufgeteilt werden muss oder es eines ausdrücklichen Hinweises auf die Berichtigung bedarf.11 Nicht ausreichend und strafrechtlich riskant ist es, eine noch zu erstattende Selbstanzeige der Finanzbehörde anzukündigen, insbesondere nicht das für eine steuerliche Korrektur erforderliche Zahlenwerk mitzuliefern. Die bloße Mitteilung, Selbstanzeige erstatten zu wollen, entfaltet keine strafbefreiende Wirkung gem. § 371 AO, da auf Grund dieser 7 8 9 10 11

Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117. BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133. Vgl. Wegner, PStR 2010, 309, 310. OLG Hamburg, wistra 1993, 274. BGH, wistra 1999, 27; LG Hamburg, wistra 1983, 266; OLG Stuttgart, wistra 1987, 263, 265.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Ankündigung gerade keine Veranlagung möglich ist. Sie kann – je nach Inhalt und Formulierung – hingegen zum Eingreifen eines Sperrgrundes im Sinne des § 371 Abs. 2 AO führen. Die darin enthaltenen Angaben können zu einer Entdeckung der Tat führen (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) oder zumindest die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens heraufbeschwören und dessen Bekanntmachung nach sich ziehen (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 c AO). Dann wäre eine Sperre für die später tatsächlich folgende „Selbstanzeige“ mit ausreichenden tatsächlichen Angaben eingetreten. Sind keine konkreten Zahlen bzgl. der hinterzogenen Steuern bekannt, etwa weil für die ausländischen Kapitalanlagen noch keine Erträgnisaufstellungen für zurückliegende Jahre vorliegen, ist aber zu befürchten, dass die Steuerhinterziehung alsbald entdeckt wird, können und müssen die Zahlen geschätzt werden. Im Rahmen der Selbstanzeige ist dann darauf hinzuweisen, dass die Zahlen bislang geschätzt sind oder mit einem Sicherheitszuschlag angegeben wurden. Sobald die genauen Unterlagen vorliegen, können die Angaben korrigiert werden. Wichtig ist dabei, dass die Schätzung nicht zu niedrig erfolgt. Eine Korrektur „nach unten“ ist jederzeit möglich. Fehlen überhaupt Unterlagen, welche die steuerlich relevanten Tatsachen belegen können, z. B. infolge mangelhaft oder gar nicht geführter Buchhaltung, lassen sich die Besteuerungsgrundlagen gleichfalls nur schätzen. In diesem Fall hat der Steuerpflichtige in der Selbstanzeige für die Finanzbehörde nachvollziehbar die seiner Kalkulation zu Grunde liegenden Größen (Umsatz, Wareneinsatz, Löhne) anzugeben.12 Einer sog. gestuften Selbstanzeige, die aus mehreren zeitlich auseinanderliegenden Erklärungen besteht, die erst als Einheit den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO genügen, hat der BGH eine klare Absage erteilt.13 Eine gestufte Selbstanzeige ist unwirksam, wenn nicht schon vorab konkret geschätzte Beträge erklärt werden. Zudem bringt sie dieselben Risiken wie die Ankündigung einer Selbstanzeige mit sich. 4. Geringfügige Abweichungen der Selbstanzeige vom tatsächlichen Verkürzungsbetrag Bei Erforderlichkeit der Korrektur der Selbstanzeige „nach oben“ – d. h. bei einer zu geringen Schätzung der Einkünfte/des Verkürzungsbetrags – erlangt der Täter volle Straffreiheit nur bei einer versehentlich geringfügigen – nach neuer Rspr. des BGH unter 5 % des nachträglich festgestellten tatsächlichen Verkürzungsbetrags (§ 370 Abs. 4 AO) liegen-

12 BGH, NJW 1974, 2293. 13 BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133, 1136.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln den14 – Abweichung.15 Andernfalls ist die Selbstanzeige bei einer zu geringen Schätzung des Verkürzungsbetrags in vollem Umfang unwirksam, d. h. die Strafbarkeit gem. § 370 AO bzgl. des gesamten Verkürzungsbetrags bleibt bestehen, auch wenn dieser zu 94 % mit der (unwirksamen) Selbstanzeige erfasst wurde.16 Dem BGH zufolge gilt dies auch bei versehentlich unrichtigen Selbstanzeigen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der BGH 5 % wohl als absolutes Maximum sieht, das im Einzelfall unterschritten werden kann: Im Urteil wird angedeutet, dass auch der Versuch der einzelfallbezogenen Bestimmung oder der betragsmäßigen Begrenzung des Prozentwertes von 5 % bei absolut gesehen hohen Verkürzungsbeträgen in Betracht kommen könnte.17 Da nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz bei der Selbstanzeige der Wille zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit vorausgesetzt wird, muss Straffreiheit in den Fällen doloser Selbstanzeigen – auch bei einer vorsätzlich zu geringen Schätzung bzw. Angabe der Einkünfte -ausscheiden. Auch aus der fehlerhaften Selbstanzeige muss zu entnehmen sein, dass der Täter nach besten Kräften einen wesentlichen Beitrag zur richtigen Steuerfestsetzung leistet.18 5. Undolose Teilselbstanzeige a) § 371 Abs. 1 AO a. F. Zu § 371 AO a. F. bestand bis zum 20. Mai 2010 in der Rechtsprechung und der Literatur die übereinstimmende Auffassung, dass eine Teilselbstanzeige hinsichtlich der aufgedeckten Tatabschnitte wirksam war und somit diesbezüglich zur Straffreiheit führte, sofern auch die weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Selbstanzeige erfüllt waren.19 Der BGH hat jedoch mit seinem Beschluss vom 20. Mai 201020 eine Grundsatzentscheidung in Bezug auf die Anforderung an die Vollständigkeit einer Selbstanzeige nach § 371 AO a. F. getroffen. Dabei betonte das Gericht, dass eine Selbstanzeige voraussetze, dass der Täter „reinen Tisch“ mache. Seine Angaben müssten daher vollständig und richtig sein. Damit erachtete der BGH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung eine Teilselbstanzeige zu § 371 AO a. F. als nicht mehr ausrei14 BGH, Beschl. v. 25.7.2011 – 1 StR 631/10, in NJW 2011, 3249 ff. m. Anm. Trüg und Anm. Rübenstahl, PStR 2011, 278 ff. 15 Veraltete Rspr. bis zu 10 %, vgl. BGH, wistra 1999, 27, 28; BGH, BB 1978, 698; OLG Frankfurt, NJW 1962, 974. 16 Vgl. Rübenstahl, PStR 2011, 278 ff. 17 Vgl. Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200, 201. Kritisch: Rübenstahl, PStR 2011, 278 ff. 18 BGH, NJW 2011, 3249 ff. Rn. 57; Rübenstahl, PStR 2011, 278 ff.; Zanziger, DStR 2011, 1397, 1399. 19 Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 66.2 m. w. N. 20 BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln chend, um Straffreiheit zu erlangen. Wer also z. B. Kapitaleinkünfte bei der „Bank A“ nacherklärte, hingegen Erträge bei der „Bank B“ weiter verheimlichte, wurde nicht (mehr) straffrei, und zwar auch nicht für den Teil der nacherklärten Einnahmen der Bank A. b) § 371 Abs. 1 AO n. F. Durch die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO wurde die Teilselbstanzeige nunmehr per Gesetz abgeschafft, indem die Nacherklärungspflicht gem. § 371 Abs. 1 AO explizit auf alle unverjährten Zeiträume einer Steuerart ausgedehnt wurde (s. o.). Dies hat zur Folge, dass unvollständige Selbstanzeigen, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesneufassung am 3. Mai 2011 bei den Finanzbehörden abgegeben werden, als Teilselbstanzeige in vollem Umfang unwirksam sind. Eine undolose Teilselbstanzeige liegt vor, wenn der Steuerpflichtige eine Selbstanzeige im guten Glauben auf deren Vollständigkeit abgibt, die korrigierten Angaben tatsächlich jedoch unvollständig sind. Die Teilselbstanzeige wird also nicht bewusst als Teil einer Hinterziehungsstrategie eingesetzt. Die gesetzliche Neufassung des § 371 AO gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, wie undolose Teilselbstanzeigen künftig zu behandeln sind. Anders als nach der früheren Rechtslage kommt dieser Fragestellung Bedeutung zu, da die bewusste Teilselbstanzeige durch die Neufassung ausgeschlossen ist, und nicht mehr wie früher in jedem Fall im Umfang der korrigierten Angaben zur Straffreiheit führt.21 Die der Existenz der Selbstanzeige von der Rechtsprechung beigemessene Rechtfertigung, nämlich das fiskalische Interesse an der Entrichtung hinterzogener Steuern sowie die zu honorierende Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, spricht dafür, dass der BGH zur vollständigen Unwirksamkeit der undolosen Teilselbstanzeige gelangen würde. Dafür spricht sich auch der Richter am BGH Prof. Dr. Jäger aus, der der Ansicht ist, dass der bloße Wille zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit nicht zur Straffreiheit führe, wenn die Angaben in der Selbstanzeige – jenseits von geringfügigen Abweichungen – unrichtig sind.22 Dafür spricht, dass die Begründung des ursprünglichen Entwurfs des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vorsah, dass unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten nicht zum Ausschluss der Straffreiheit führen sollten,23 dies aber nicht erkennbar umgesetzt wurde. Der neue Gesetzeswortlaut des § 371 AO spricht durch das alleinige Abstellen auf die objektive Vollständigkeit der Berichti-

21 Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 68.3. 22 Jäger, 10. NStZ-Jahrestagung, S. 28. 23 BT-Drucks. 17/4182; Schauf/Schwartz, PStR 2011, 8, 9 f.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln gungserklärung gegen die Wirksamkeit undoloser Teilselbstanzeigen.24 Für eine Unwirksamkeit der undolosen Teilselbstanzeige – bei einer Differenz von mehr als 5 % – aus Sicht des BGH dürfte auch dessen strenge Rspr. zur undolosen „Bagatellabweichung“ (s. o.) sprechen.25 Demgegenüber haben die Koalitionsfraktionen in den Beratungen des Finanzausschusses noch betont, dass auch die unbewusst unvollständige Selbstanzeige zur Straffreiheit führen solle.26 Für die Beachtlichkeit undoloser Teilselbstanzeigen27 spricht im Übrigen, dass die Abschaffung der Teilselbstanzeige mit dem ausgesprochenen Ziel erfolgte, ein Taktieren und „Reue“ nach Stand der Ermittlungen nicht zu belohnen.28 Ein Steuerpflichtiger, der eine undolose Teilselbstanzeige abgibt, taktiert nicht, sondern handelt in der Absicht und dem guten Glauben, durch seine Nacherklärung vollständig in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Würde der undolosen Teilselbstanzeige die Wirksamkeit abgesprochen, würde der gutgläubig handelnde Steuerpflichtige dem dolos handelnden Steuerpflichtigen gleichgestellt und die subjektiv beabsichtigte vollständige Offenlegung der unrichtigen Angaben nicht honoriert.29 Im Übrigen dürfen an den Inhalt einer Selbstanzeige keine strengeren Maßstäbe angelegt werden, als im Steuerermittlungsverfahren, bei dem es genügt, dass der Steuerpflichtige sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, seine Erklärungen richtig und rechtzeitig abzugeben.30 Es erscheint allerdings derzeit sehr fraglich, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung diese Argumentation akzeptieren und – etwa aus Billigkeitsgesichtserwägungen – zumindest in besonders unglücklichen Konstellationen eine unbewusst unvollständig Selbstanzeige zulassen könnte. Die teilweise Offenlegung der unrichtigen Angaben und die fehlende Absicht eine Teilselbstanzeige abzugeben, müssen andernfalls jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung massiv zu Gunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden.

24 Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 120; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 68.3. 25 BGH, NJW 2011, 3249 ff. 26 BT-Drucks. 17/5067, 22. 27 So etwa Heuel/Beyer, StBW 2011, 315, 316; Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 120 f. 28 BT-Drucks. 17/4182. 29 Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 68.3. 30 Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 121; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 68.3.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln 6. Selbstanzeige nach der (unvollständigen) Selbstanzeige Bis zur Entscheidung des BGH vom 20. Mai 2010 wurde die Thematik der Selbstanzeige nach der Selbstanzeige kaum problematisiert. Typischerweise wurden beide aufeinanderfolgenden Selbstanzeigen anerkannt.31 In Folge dieser Entscheidung des BGH sowie der Gesetzesneufassung birgt die Selbstanzeige nach der Selbstanzeige bei sich überschneidenden Veranlagungszeiträumen für den Steuerpflichtigen erhebliche Risiken: – Unwirksamkeit der ersten Selbstanzeige, da deren ursprüngliche Unvollständigkeit offenbar wird; – Unwirksamkeit der zweiten Selbstanzeige, da die Taten durch die erste Selbstanzeige entdeckt und mithin der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vorliegen könnte. a) Unwirksamkeit der ersten Teilselbstanzeige Wenn die erste Selbstanzeige zum Zeitpunkt ihrer Abgabe objektiv unvollständig war, lag ursprünglich damit eine nach § 371 Abs. 1 AO unwirksame Teilselbstanzeige vor, da nicht zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart die unrichtigen Angaben in vollem Umfang berichtigt wurden. Soweit die Finanzverwaltung jedoch keine Kenntnis davon hat, wird die Wirksamkeit der Selbstanzeige zunächst anerkannt. Erst durch eine zweite – vervollständigende – Selbstanzeige wird die ursprüngliche Unvollständigkeit der ersten Selbstanzeige nachträglich erkannt. Bei einer isolierten Betrachtung der beiden Selbstanzeigen ist die erste Selbstanzeige als Teilselbstanzeige unwirksam. Nimmt man dagegen eine Gesamtbetrachtung der beiden Selbstanzeigen vor, wären – sofern zwischen den Abgaben der beiden Nacherklärungen kein Sperrgrund eintrat – beide Selbstanzeigen wirksam. Durch die zweite vervollständigende Selbstanzeige würde eine Heilung der ursprünglich unvollständigen ersten Selbstanzeige eintreten.32 Für die Möglichkeit der Heilung einer ursprünglich unvollständigen Teilselbstanzeige spricht, dass der Steuerpflichtige durch die zweite Selbstanzeige de facto zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt hat und somit den Anforderungen des Gesetzes letztlich Genüge getan hat. Da der BGH und der Gesetzgeber bei der Abschaffung der Teilselbstanzeige das ausdrückliche Ziel hatten, die Teilselbstanzeige als Bestandteil einer Hinterziehungsstrategie zu unterbinden, ist nicht davon 31 Vgl. zu dieser Problematik Schwartz, wistra 2011, 81; Schwartz, PStR 2011, 150; Aue, PStR 2010, 127; Heuel/Beyer, StBW 2011, 315, 317. 32 So etwa Salditt, PStR 2010, 168, 173; Heuel/Beyer, StBW 2011, 315, 317.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln auszugehen, dass sich die Rspr. dieser Auffassung anschließt. Eine Vervollständigung der ersten Selbstanzeige nach dem Eintritt eines Sperrgrundes – Tatentdeckung gem. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO durch die erste Selbstanzeige – wäre danach nicht möglich, so dass eine verspätete Vervollständigung keine Heilung der ersten Teilselbstanzeige ermöglichen würde. Es bliebe dann bei der ursprünglichen Unwirksamkeit der ersten Selbstanzeige; eine Teilselbstanzeige wäre kein tauglicher Bestandteil einer Hinterziehungsstrategie.33 Rechtsfolgen: – Bezüglich der in der ersten Selbstanzeige offenbarten Taten – soweit in der Zwischenzeit keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist – droht die Strafverfolgung. Die Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO steht einer erneuten Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht entgegen, da sie nicht zu einem Strafklageverbrauch führt. – Durch die Bekanntgabe der Einleitung des ursprünglichen Ermittlungsverfahrens wurde zudem die Verjährung nach § 369 Abs. 2 AO i. V. m. § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB unterbrochen, mit der Folge, dass nach § 78c Abs. 3 Satz 1 StGB die Verjährung von neuem beginnt. – Die teilweise Berichtigung ist im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (Schadenswiedergutmachung).34 b) Unwirksamkeit der zweiten Selbstanzeige Bei der zweiten Selbstanzeige ist problematisch, ob die erste Selbstanzeige zur Tatentdeckung im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO führt und damit die wirksame Abgabe einer zweiten Selbstanzeige sperrt. Nach Ansicht des BGH bestimmt sich der Tatbegriff nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigem.35 Nach diesem weiten Verständnis des Tatbegriffs ist die Einkommensteuerhinterziehung eines Veranlagungszeitraums jeweils eine Tat. Danach ist die Einkommensteuerhinterziehung eines Veranlagungszeitraums und daher das Verschweigen von Kapitaleinkünften aus unterschiedlichen Konten innerhalb eines Veranlagungszeitraums die gleiche Tat. Durch die Abgabe der ersten Selbstanzeige waren demnach jedenfalls die sich überschneidenden Ver-

33 Schwartz, PStR 2011, 150, 152. 34 Schwartz, PStR 2011, 150, 152. 35 BGH v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219, 226; anderer Ansicht (Tatbegriff der Einkunftsquelle): Schwartz, wistra 2011, 81; zustimmend Heuel/ Beyer, StBW 2011, 315, 319; ähnlich Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 206; Radermacher, PStR 2009, 155.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln anlagungszeiträume entdeckt.36 Die Anknüpfung an die einzelne Steuererklärung zur Bestimmung des Tatbegriffs führt zu dem fragwürdigen Resultat, dass Lebenssachverhalte als entdeckt gelten, von denen die Finanzverwaltung tatsächlich keine Kenntnis hat.37 c) Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit – Zeitliche Begrenzung der Sperrwirkung für erste und zweite Selbstanzeige? Nach zutreffender – in der Rspr. leider bisher nicht aufgegriffener – Auffassung bedarf die Entdeckung der Tat einer zeitlichen Einschränkung. Bei genauer Betrachtungsweise ist die „Entdeckung“ durch zwei Merkmale gekennzeichnet: Zum einen durch ein objektives Moment, aus dem sich der Verdacht einer Straftat ergibt und einem subjektiven Element, dem Verfolgungswillen. Wenn daher die Ermittlungsbehörde z. B. die erste Selbstanzeige überprüft hat und mit der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO zum Ausdruck gebracht hat, dass sie den Vorgang umfassend überprüft hat, stellt sie damit auch fest, dass kein weiterer Verfolgungswille besteht. Nicht ermittelte Sachverhaltskomplexe, auch wenn sie Gegenstand der materiellen Tat sind, sind dann nicht entdeckt. Auch eine dauerhafte Sperre der Abgabe weiterer Selbstanzeigen stünde nicht im Einklang mit dem Fiskalinteresse, da der Staat zur Aufdeckung weiterer Steuerquellen der entdeckten Tat auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen ist. Dieser wird weitere Steuerquellen jedoch nur offenbaren, wenn er wenigstens insoweit die Gewissheit der Straffreiheit hat. Daher ist die zeitliche Reichweite der Sperrwirkung auch bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu begrenzen und ein Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO zur ersten Selbstanzeige anzuerkennen.38 Dadurch bringt die Finanzverwaltung nämlich zum Ausdruck, dass kein hinreichender Tatverdacht mehr vorliegt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Finanzverwaltung wieder auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen.39 Dies überzeugt auch deshalb, weil damit eine gewisse Parallelität mit dem Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit nach dem Abschluss der steuerlichen Prüfung gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1 c AO n. F. bzw. § 371 36 Roth/Schützeberg, PStR 2010, 214, 215; Aue, PStR 2010, 127, 128. 37 Schwartz, PStR 2011, 150, 153. 38 Schwartz, PStR 2011, 150, 153; ebenso Aue, PStR 2010, 127, 128; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 68.8; gegen ein Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit spricht sich dagegen RiBGH Jäger, 10. NStZ-Jahrestagung, S. 22 aus. 39 Schwartz, PStR 2011, 150, 153; Aue, PStR 2010, 127, 128; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 68.8.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Abs. 2 Nr. 1 AO a. F. hergestellt wird. Insoweit war anerkannt, dass die Prüfungsanordnung den Rahmen der Sperrwirkung vorgibt und die Selbstanzeigemöglichkeit wegen des Entfallens der intensivierten Entdeckungsgefahr nach Abschluss der Betriebsprüfung wieder auflebt. Mit der Einstellung des Strafverfahrens zur ersten Selbstanzeige entfällt entsprechend die verstärkte Entdeckungsgefahr bzgl. der durch die erste Selbstanzeige nicht offengelegten Einkunftsquellen, so dass auch hier die Selbstanzeigemöglichkeit wieder aufleben muss. Dies gebietet auch das fiskalische Interesse des Staates.40

II. Negative Wirksamkeitsvoraussetzungen (§ 371 Abs. 2 AO) Straffreiheit gem. § 371 AO kann auch bei vollständiger Aufdeckung der Besteuerungsgrundlagen und Zahlung der Steuerschulden nicht erlangt werden, wenn vor der Abgabe der Selbstanzeige bereits einer der Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO gegeben ist. Die Neufassung des § 371 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat zu einer Ausweitung und Verschärfung der Sperrgründe geführt, deren Darstellung deshalb hier im Vordergrund steht. Die Gesetzesneufassung führt bereits dadurch zu einer Ausweitung der Sperrwirkung, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des Sperrgrundes für eine der zur Selbstanzeige gebrachten Taten die Selbstanzeige hinsichtlich aller unverjährten Steuerstraftaten der betroffenen Steuerart ausschließt.41 Die Sperrwirkung erstreckt sich mithin auf den gesamten sogenannten „Berichtigungsverbund“, den die einzelne Tat „infiziert“.42 1. Bekanntgabe der Betriebsprüfungsanordnung (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO n. F.) Neu ist, dass nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO n. F. die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO an den Täter oder seinen Vertreter künftig bereits die Selbstanzeigemöglichkeit sperrt, statt wie bisher erst das physische Erscheinen des Prüfers zur Prüfung. Hierin liegt eine zeitliche Vorverlegung des Ausschlussgrundes. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine wirksame Prüfungsanordnung, während es auf deren Rechtmäßigkeit nicht ankommt.43 Eine Korrektur nach Bekanntgabe der 40 Schwartz, PStR 2011, 150, 154. 41 Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 118; a. A. Beyer, AO-StB 2011, 119, 122, der die Sperrwirkung auf die jeweilige Tat im materiellen Sinne bezieht. 42 Wulf/Talaska, PStR 2011, 175, 178. 43 Obenhaus, Stbg 2011, 166, 172; vgl. BGH v. 16.6.2005 – 5 StR 118/05, wistra 2005, 381, 383.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Prüfungsanordnung und vor Erscheinen des Prüfers – wie dies nach der alten Rechtslage möglich war – ist nunmehr ausgeschlossen. Die bloße Ankündigung der Prüfung sowie eine im Vorfeld erfolgte Terminabstimmung lösen noch keine Sperrwirkung aus.44 Der sachliche Umfang der Sperrwirkung bemisst sich weiterhin nach dem Inhalt der Prüfungsanordnung, so dass nur die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten gesperrt sind. Ungeklärt ist bisher, ob die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO im Steuerstrafverfahren Anwendung findet. Dagegen spricht, dass § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO einen Strafaufhebungsgrund einschränkt und daher das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot von Verfassungs wegen (Art. 103 Abs. 2 GG) zu beachten ist.45 Die Versagung der Strafaufhebung auf eine abgabenrechtliche Fiktion zu stützen, dürfte damit nicht zu vereinbaren sein.46 Nach anderer Ansicht soll die 3-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 AO anzuwenden sein, mit der Folge, dass der Steuerpflichtige den Zeitraum zwischen Zugang der Prüfungsanordnung und (fingierter) Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO für die Abgabe einer (wirksamen) Selbstanzeige nutzen könnte.47 Im Strafverfahren müssen die Ermittlungsbehörden nachweisen, dass und zu welchem konkreten Zeitpunkt die Bekanntgabe erfolgt ist. Dies kann letztlich nur durch eine förmliche Zustellung sicher geschehen. Aus praktischen Gründen – jährlich ergehen fast 200.000 Prüfungsanordnungen – wird eine Zustellung wohl bei weitem nicht in jedem Fall erfolgen.48 Dieser Sperrgrund gilt nur für die vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 370 AO), für den Fall der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 AO) sieht die Parallelvorschrift des § 378 Abs. 3 AO nichts Entsprechendes vor. Hier kann daher auch weiterhin nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und selbst während der laufenden Betriebsprüfung eine Selbstanzeige erfolgen. In der Praxis dürfte dies dazu führen, dass der Streit mit der Finanzverwaltung um Vorsatz oder Leichtfertigkeit zunehmen wird.49

44 Ebenso Stellungnahe OFD Niedersachen; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 119.1. 45 Adick, PStR 2011, 199; im Ergebnis ebenso Habammer, StBW 2011, 310, 314; Beyer, AO-StB 2011, 119, 121. 46 So aber wohl die OFD Niedersachen, die ausdrücklich auf § 122 Abs. 2 AO Bezug nimmt. 47 Wulf/Talaska, PStR 2011, 175, 179. 48 Beyer, AO-StB 2011, 119, 121. 49 Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 121.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln 2. Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO n. F.) Nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO tritt Straffreiheit nicht ein, wenn dem Täter oder seinem Vertreter für eine der zur Selbstanzeige gebrachten Taten die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist. Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO wird auch nach der Gesetzesneufassung im Wesentlichen beibehalten, doch schließt künftig das Vorliegen der Voraussetzungen des Sperrgrundes für eine der zur Selbstanzeige gebrachten Taten eine Selbstanzeige hinsichtlich aller unverjährten Steuerstraftaten der betroffenen Steuerart aus (s. o.), d. h. bzgl. des „Berichtigungsverbundes“. 3. Erscheinen eines Amtsträgers (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c AO n. F.) Straffreiheit tritt gem. § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO nicht ein, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten Taten vor der Selbstanzeige ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Das „Erscheinen“ zum Zwecke der Prüfung muss äußerlich erkennbar sein. Nicht ausreichend ist die bloße Vorbereitung der Prüfung. Der bisherige § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a. F. wurde in § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO mit der Maßgabe neu kodifiziert, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des Sperrgrundes für eine der zur Selbstanzeige gebrachten Taten die Selbstanzeige hinsichtlich aller unverjährten Steuerstraftaten der betroffenen Steuerart ausschließt (d. h. wie in allen Fällen bzgl. des „Berichtigungsverbundes“). In sachlicher Hinsicht erfolgte zunächst eine Begrenzung der Sperrwirkung aus der sachlichen Zuständigkeit der Finanzbehörde, in deren Auftrag der Amtsträger erscheint. Ferner war zu § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a. F. anerkannt, dass die Begrenzung des sachlichen Umfangs der Sperrwirkung anhand des internen Prüfungs- bzw. Ermittlungsauftrags erfolgt. In dem Beschluss vom 20. Mai 201050 hat der BGH zu § 371 Abs. 2 Nr. 1a Alt. 2 AO a. F. jedoch ausgeführt, dass die Sperrwirkung nicht zwingend anhand des Prüfungs- bzw. Ermittlungsauftrags zu bestimmen sei. Vielmehr solle sich laut BGH die Sperrwirkung auch auf solche steuerlichen Sachverhalte erstrecken, bei denen zu erwarten sei, dass sie beim üblichen Gang des Ermittlungsverfahrens in die Überprüfung mit einbezogen würden, insbesondere auf solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stünden. Es ist zu befürchten, dass der BGH dies zumindest für § 371 Abs. 2 Nr. 1c Alt. 2 AO (Erscheinen eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat) entsprechend handhaben wird. Durch die Gesetzesneufassung 50 BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln wurde hier lediglich der zeitliche Anwendungsbereich der Sperrwirkung konkretisiert. Die sachliche Begrenzung der Sperrwirkung bleibt im Hinblick auf die unbestimmten Ausführungen des BGH dagegen ungewiss. Insbesondere ist unklar, ob ein sachlicher Zusammenhang im Sinne des BGH auch bzgl. verschiedener Steuerarten bestehen kann. Das Finanzministerium NRW nimmt bei Taten mit erbschaft- und schenkungsteuerpflichtigem Bezug einen entsprechenden Sachzusammenhang zu ESt-pflichtigen Kapitaleinkünften und mithin das Vorliegen der Sperrwirkung an; teilweise wird auch ein solcher Zusammenhang zwischen ESt und GewSt gesehen.51 Zur Bestimmung des sachlichen Umfangs der Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1c Alt. 1 AO (Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung) ist zwar nach h. Lit. weiterhin auf den Inhalt des Prüfungsauftrags abzustellen. Das Finanzministerium NRW erkennt zwar an, dass sich die Ausführungen des BGH allein auf die Alt. 2 beziehen, ist – ohne nähere Begründung – aber der Ansicht, dass diese in gleicher Weise für § 371 Abs. 2 Nr. 1c Alt. 1 AO Geltung haben, d. h. dass die Sperrwirkung des Erscheinens zur steuerlichen Prüfung auch auf Taten ausgedehnt werden soll, die mit denjenigen, die Inhalt des Prüfungsauftrags sind, in einem derartigen Sachzusammenhang stehen, dass sie beim üblichen Gang des Verfahrens in die Ermittlung einbezogen werden würden.52 Diese Auslegung steht mit dem Gesetz nicht in Einklang und übersieht, dass steuerliche Prüfungen und ein strafrechtliches oder bußgeldrechtliches Verfahren sachlich nicht vergleichbar sind. 4. Kennen(-müssen) der Tatentdeckung (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO n. F.) Weiter ist die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO gesperrt, wenn eine der Steuerstraftaten ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Nach der Neufassung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist zu befürchten, dass die Entdeckung einer Tat aus Sicht der Rspr. zugleich die Sperrwirkung hinsichtlich sämtlicher Taten der betroffenen Steuerart auslösen könnte. Wie bei § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO dürfte die Entdeckung einer Tat den gesamten Berichtigungsverbund sperren.53

51 Finanzministerium NRW, Stellungnahme v. 25.6.2010 – S 0702 – 9 – VA 1; ebenso Webel, PStR 2010, 189, 192, der auch einen sachlichen Zusammenhang zwischen Einkommen- und Gewerbesteuer annimmt. 52 Finanzministerium NRW, Stellungnahme v. 25.6.2010 – S 0702 – 9 – VA 1; ebenso Webel, PStR 2010, 189, 193; a. A. Wulf, wistra 2010, 286, 287. 53 So etwa die Stellungnahmen des Finanzministeriums NRW sowie der OFD Niedersachen.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln a) Tatentdeckung (Objektives Merkmal) Man nahm bis 2010 an, dass der Begriff der Tatentdeckung den strengen Erfordernissen des „hinreichenden Tatverdachts“, wie er für die Anklageerhebung (§ 170 Abs. 1 StPO) sowie die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) nötig ist, entspricht.54 Ein solch hinreichender Tatverdacht bzgl. einer Steuerhinterziehung kann nur angenommen werden, wenn die verkürzte Steuer nach Steuerart und Veranlagungszeitraum beziffert werden kann,55 d. h. im konkreten Einzelfall ein Abgleich mit der Steuerakte erfolgte und dieser ergab, dass die fraglichen Beträge in der Steuererklärung des Steuerpflichtigen nicht deklariert wurden.56 In seinem Beschluss vom 20. Mai 2010 hat der BGH zwar ausgeführt, dass der gesetzliche Anknüpfungspunkt der Tatentdeckung nicht der Begriff des Anfangsverdachts sei, aber ein hinreichender Tatverdacht, wie in der Literatur gefordert, ebenfalls nicht erforderlich ist.57 Tatentdeckung liege vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist, d. h. wenn nach den Umständen des Einzelfalls konkrete Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt seien. Die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle (z. B.: Existenz eines Schweizer Kontos) stelle für sich allein noch keine Tatentdeckung dar. In der Regel sei aber eine Tatentdeckung bereits dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat naheliege. Entdeckung sei jedenfalls schon vor einem Aktenabgleich denkbar, etwa bei Aussagen von Zeugen, die dem Steuerpflichtigen nahestehen und vor diesem Hintergrund zum Inhalt der Steuererklärungen Angaben machen können, oder bei verschleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben sei.58 b) Wissen oder rechnen müssen (Subjektives Merkmal) Neben der objektiven Tatentdeckung ist insbesondere in den Fällen des „Datenankaufs“ fraglich, zu welchem Zeitpunkt das für die Verwirklichung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zusätzlich nötige Vorliegen des subjektiven Elements gegeben ist. 54 Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 204; Randt/Schauf, DStR 2008, 489, 490; Dörn, wistra 1998, 175 f.; Heerspink, AO-StB 2009, 25, 30. 55 Randt/Schauf, DStR 2008, 489, 490; 56 Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 230.3; Randt/Schauf, DStR 2008, 489, 490. 57 BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133, 1135. 58 BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133, 1135.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Der BGH will in seinem Beschluss vom 20. Mai 2010 angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf Steuerstraftaten und der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit heute keine hohen Anforderungen an die subjektive Seite der Tatentdeckung mehr stellen.59 Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO werde laut BGH maßgeblich durch die objektiven Voraussetzungen der Tatentdeckung bestimmt. Derzeit fehlt es vor dem Hintergrund dieser vagen Vorgaben an der zur Bestimmung der Verwirklichung des subjektiven Tatbestandselements des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO nötigen Rechtssicherheit. Es ist weitgehend ungewiss, welche konkreten Kenntnisse der Steuerpflichtige zur Verwirklichung der subjektiven Voraussetzungen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO haben muss. Dies lässt sich – theoretisch – allein für die 1. Alt. (Wissen) mit hinreichender Sicherheit beantworten. Kenntnis von der Tatentdeckung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige positiv weiß, dass die Behörde oder ein anzeigewilliger Dritter von der Tat so viel wahrgenommen haben, wie es den Erfordernissen für die Tatentdeckung entspricht.60 In der Praxis stellt sich jedoch die Schwierigkeit, dass dem Steuerpflichtigen eine solch positive Kenntnis oft nicht nachzuweisen ist. In den Fällen des „Datenankaufs“ hat der Täter typischerweise keine positive, konkrete Kenntnis von seiner Entdeckung, da diese Informationen vor Bekanntmachung eines Ermittlungsverfahrens nur Ermittlungsbehörden bekannt oder zugänglich sind.61 Mit der Entdeckung rechnen müssen (2. Alt.) heißt, dass der Täter aus den ihm nachweislich bekannten Tatsachen den Schluss hätte ziehen müssen, dass die Behörde von seiner Tat der Steuerhinterziehung erfahren hat.62 Für das Merkmal des Rechnenmüssens kommt es nach h. Lit. darauf an, ob der Täter objektiv die Möglichkeit hatte, seine individuelle Tatentdeckung zu erkennen.63 Insoweit ist in den Fällen des „Datenankaufs“ jedoch wiederum völlig ungewiss, welche konkreten Erkenntnisse der Steuerpflichtige im Einzelfall haben muss: – Insbesondere vage und unbestimmte Berichterstattungen in den Medien, über mögliche Datenankäufe sind nicht dazu geeignet, ein Rechnenmüssen mit der Tatentdeckung zu begründen.64

59 60 61 62 63 64

BGH v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, DStR 2010, 1133, 1136. Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 232. Randt/Schauf, DStR 2008, 489, 491. Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 198. Randt/Schauf, DStR 2008, 489, 491. Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 239.1; ebenso Heerspink, AOStB 2009, 25, 30.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln – Entsprechendes muss gelten, wenn jedenfalls nicht zweifelsfrei feststeht, welches Kreditinstitut von einem „CD-Verkauf“ betroffen ist, denn dem Täter kann sich auf Grund der Vielzahl der Institute ansonsten die Tatentdeckung nicht aufdrängen. – Selbst wenn es für den Täter (nachweislich) bekannte öffentliche Verlautbarungen des eigenen Kreditinstituts bzgl. eines Datenankaufs gab, dürfte das Vorliegen des subjektiven Tatbestandselements regelmäßig zu verneinen sein. Die vergangenen „Datenaffären“ haben gezeigt, dass jeweils nur ein geringer Prozentsatz der deutschen Kunden des ausländischen Bankinstituts betroffen war. Im Übrigen erschöpfen sich die Informationen der kontoführenden Bank regelmäßig in der Aussage, es sei nicht bekannt, welche Daten entwendet worden seien. Diese Informationspolitik ermöglicht es dem Kontoinhaber gerade nicht, davon auszugehen, dass sein Konto entdeckt sei. – Selbst bei einer gezielten Mitteilung des Kreditinstituts u. a. an den Täter, dass dessen Konto von einem Datenankauf betroffen sein könne, ist m. E. ein Kennenmüssen dann abzulehnen, wenn die Mitteilung an sämtliche Kunden des betroffenen Kreditinstituts erfolgt, da dies zeigt, dass die Bank – wie zumeist – nicht weiß, welche konkreten Daten entwendet wurden (s. o.). Eine Mitteilung des Kreditinstitutes an einen unbestimmten Kreis potentiell betroffener Kunden begründet nicht die Annahme, dass der Täter die die Tatentdeckung kennzeichnenden Umstände positiv kannte. – Anders könnte es m. E. bei einer konkretisierten Mitteilung der Bank an einen bestimmten, erkennbar beschränkten Kundenkreis liegen, der zu entnehmen ist, dass die Bank tatsächliche Anhaltspunkte dafür hat, dass gerade diese Kunden von einem Datenankauf betroffen sind, weil die entwendeten Daten individualisiert und betroffenen Kunden zugeordnet werden konnten. Hier dürfte der Täter die die Tatentdeckung kennzeichnenden Umstände mit Kenntnisnahme von der Mitteilung positiv kennen, d. h. er müsste mit seiner Tatentdeckung im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO rechnen. Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass hinsichtlich der Auslegung des Merkmals „Rechnenmüssen“ besonders in den Fällen entwendeter Bankdaten bzw. CD-Fällen erhebliche praktische Schwierigkeiten und Unsicherheiten bestehen, die derzeit dadurch potenziert werden, dass nach dem Beschluss vom 20.5.2010 keine einschlägige Rspr. veröffentlicht wurde.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln 5. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO n. F.: Hinterziehungsbetrag von mehr als 50.000 Euro Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz65 wurde der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO neu eingeführt. Er ist nur anzuwenden auf Selbstanzeigen, die nach dem 2. Mai 2011 bei der Finanzverwaltung eingegangen sind. Danach ist Straffreiheit ausgeschlossen, wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt. Damit hat der Gesetzgeber erstmals eine Betragsgrenze eingeführt, ab der eine Selbstanzeige keine Straffreiheit mehr verschafft. Bei der Bemessung der Betragsgrenze erfolgte ausweislich der Gesetzesbegründung eine Orientierung an der Rechtsprechung des BGH zum Regelbeispiel des „großen Ausmaßes“.66 Dies ist jedoch insoweit unstimmig, als bei der Hinterziehung von Kapitalerträgen, was gerade der Auslöser der Gesetzesneufassung war, nach Ansicht des BGH67 richtigerweise erst ab einem Betrag von 100.000 Euro ein „großes Ausmaß“ im Sinne des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO vorliegt.68 Die Betragsgrenze bezieht sich auf die jeweilige materiell-rechtliche Tat (definiert durch Steuerart und Veranlagungszeitraum).69 Wird der Betrag von 50.000 Euro nur durch die Addition der Summen mehrerer Taten überschritten, ist eine strafbefreiende Selbstanzeige weiterhin möglich, es ist bzgl. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO demnach nicht auf den gesamten hinterzogenen und nacherklärten Zeitraum und Umfang abzustellen.70 Ferner führt das Vorliegen des Sperrgrundes des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO für eine Tat nicht dazu, dass sich die Sperrwirkung in zeitlicher Hinsicht auch auf die weiteren unverjährten Taten der betroffenen Steuerart erstreckt. Übersteigt der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro, tritt die Rechtsfolge Straffreiheit für diese Tat nicht ein. Das weitere Verfahren bestimmt sich dann nach § 398a AO. 6. Verfahrenseinstellung nach § 398a AO Nach dem neu eingeführten § 398a AO wird in den Fällen, in denen der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt, grundsätzlich von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer 65 BGBl. I 2011, 676. 66 BT-Drucks. 17/5067, 24. 67 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528, 532; vgl. Meyberg PStR 2012, 55, 56. 68 Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 118 f.; Rübenstahl, PStR 2012, 92, 93. 69 BT-Drucks. 17/5067, 24. 70 Mack, Stbg 2011, 162, 165.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln ihm bestimmten angemessenen Frist neben der Entrichtung der hinterzogenen Steuer einen Geldbetrag in Höhe von 5 % der hinterzogenen Steuer zu Gunsten der Staatskasse zahlt. Ungeklärt ist bislang, ob das Kompensationsverbot gem. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO bei der Berechnung der Verkürzungssumme zu berücksichtigen ist, oder – zu Gunsten des Täters – der Betrag rein steuerlich zu ermitteln ist.71 Von der Strafverfolgung wird nur abgesehen, wenn die Straffreiheit allein deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. § 398a AO setzt demnach das Vorliegen einer Selbstanzeige voraus, die die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 und Abs. 2 AO erfüllt, bei der allein die hinterzogene Steuer zu hoch ist und die daher unter den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO fällt. Ist die Selbstanzeige hingegen unvollständig oder wegen der Verwirklichung eines anderen Sperrgrundes unwirksam, ist eine Verfahrensbeendigung nach § 398a AO ausgeschlossen.72 In den Gesetzesmaterialien zu § 398a AO heißt es, dass zur Verfahrensbeendigung Steuer und Zins zu entrichten seien.73 Dies widerspricht jedoch dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut, der die Nachzahlung klar auf die hinterzogenen Steuern beschränkt. Die Verfahrenseinstellung hat daher unabhängig von der Nachentrichtung der Hinterziehungszinsen zu erfolgen.74 Im Übrigen ist ausweislich des Wortlauts nur die „zu Gunsten“ des Täters hinterzogene Steuer nachzuentrichten. Damit ist – anders als in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO – der Teilnehmer nicht vom Wortlaut des § 398a AO erfasst. Im Ergebnis sollte dies m. E. so verstanden werden, dass der Teilnehmer gem. §§ 371 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 398a AO ohne Nachzahlung eines Zuschlags straffrei wird. Die Eingrenzung auf den Täter ergibt sich in beiden Normen daraus, dass die Nachzahlungspflicht sinnvollerweise auf die zu Gunsten des Anzeigeerstatters hinterzogenen Steuern begrenzt wird. Entscheidend hierfür ist, wem die unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile aus der Tat zugeflossen sind. Das ist in aller Regel der Täter und nicht der Teilnehmer. Andernfalls wäre jedenfalls von einer teleologischen Reduktion des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf den Täter auszugehen. Ansonsten könnte der Teilnehmer bei Hinterziehungsbeträgen über 50.000 Euro entweder nicht gemäß § 398a AO straffrei werden oder müsste selbst (ggf. zusätzlich, neben dem Täter) den Aufschlag entrichten, obwohl er einen unmittelbaren (unberechtigten) steuerlichen Vorteil 71 72 73 74

Vgl. Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 119. Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 119. BT-Drucks. 17/5067, 22; so aber auch BMF, Pressemitteilung vom 6. April 2011. Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 119.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln nicht hatte, was der Gesetzgeber wohl nicht beabsichtigt hat, wie der Vergleich mit § 371 Abs. 1, Abs. 3 AO nahelegt.75 Eine weitere Auslegungsfrage wirft § 398a AO insoweit auf, als er in Nr. 1 die Zahlung der „zugunsten des Täters hinterzogenen Steuern“ fordert. In Nr. 2, bei der Strafzahlung, macht er diese Einschränkung nicht, sondern spricht nur – noch dazu in der Einzahl – von der „hinterzogenen Steuer“. Daraus ist nach richtiger Auffassung nicht zu folgern, dass die Zahlungspflicht gem. § 398a AO bei mehreren Tätern jedem die Strafzahlung von 5 % auf die gesamte verkürzte Steuer aufbürdet. Man kann vielmehr argumentieren, dass sich die „hinterzogene Steuer“ in Nr. 2 sprachlich verkürzend auf den entsprechenden Satzteil in Nr. 1 bezieht. Bezugsgröße für den Prozentsatz ist dort die jeweilige „zugunsten des Täters hinterzogene Steuer“. Bei mehreren Tätern bemisst sich die Strafzahlung daher mit 5 % aus dem jeweils zu Gunsten des Einzelnen hinterzogenen Teilbetrag; hatte ein Mittäter keinen unmittelbaren steuerlichen Vorteil trifft ihn – wie den Teilnehmer – ohne Einbuße der Straffreiheit keine Zahlungspflicht gem. § 398a AO.76 Bei § 398a AO handelt es sich um eine Freigrenze, sodass der zu zahlende Geldbetrag ab dem ersten hinterzogenen Euro berechnet wird.77 Bei einem Hinterziehungsbetrag von 100.000 Euro sind demnach 5.000 Euro an die Staatskasse zu zahlen, nicht etwa nur 2.500 Euro (wie es bei einem Freibetrag der Fall wäre). Dem Täter ist zur Zahlung des Geldbetrages eine angemessene Frist zu setzen. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, durch welche Behörde die Fristsetzung zu erfolgen hat. Aus dem strafverfahrensrechtlichen Charakter der Fristsetzung dürfte sich jedoch ergeben, dass die für die Strafverfolgung zuständige Finanzbehörde im Sinne des § 386 Abs. 1 AO bzw. die Staatsanwaltschaft, wenn das Ermittlungsverfahren in ihrer Hand liegt (§ 386 Abs. 4 AO), die Fristsetzung vorzunehmen hat. Unklar ist dagegen, welchen Rechtscharakter diese neue Verfahrensvorschrift hat und nach welcher strafprozessualen Norm ein eingeleitetes Strafverfahren im Fall des § 398a AO künftig eingestellt wird.78 Der Wortlaut des § 398a AO selbst enthält keine ausdrückliche Einstellungsregelung; es ist dennoch wohl anzunehmen, dass die Vorschrift selbst die Verfahrenseinstellung abschließend regelt.79 § 153a StPO, dem § 398a AO 75 Vgl. dazu Zanziger, DStR 2011, 1397, 1402; Hunsmann, NJW 2011, 1482, 1487; Heuel/Breyer, StBW 2011, 15, 321. 76 Zanziger, DStR 2011, 1397, 1402 m. w. N. 77 Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 398a Rn. 5. 78 Schauf/Schwartz, PStR 2011, 117, 121. 79 Vgl. Hunsmann, NJW 2011, 1482, 1487, unter Verweis auf die systematische Stellung nach § 398 AO.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln nachempfunden ist, sieht mit der Zustimmung des für die Hauptverhandlung zuständigen Gerichts zusätzliche Einstellungsvoraussetzungen vor, so dass eine Einstellung jedenfalls nicht gemäß § 153a StPO erfolgen kann. Nach der ganz überwiegenden Ansicht führt § 398a AO nicht zu einem beschränkten Strafklageverbrauch wie – für Vergehenstatbestände (§ 370 AO) – § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO.80 Dagegen spricht, dass in jenen Fällen, in denen sich die Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens und damit verbunden die des Strafklageverbrauchs stellt, die Voraussetzungen des § 398a AO objektiv nicht vorlagen, da es sich i. d. R. um unvollständige Teilselbstanzeigen handelte. Damit trat die Straffreiheit schon nicht nur deswegen nicht ein, weil der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Im Übrigen befasste sich der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ausdrücklich mit § 153a StPO, ohne bei § 398a AO eine dem § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO vergleichbare Regelung zu kodifizieren.81 Vor dem Hintergrund des unklaren Rechtscharakters des § 398a AO besteht auch über den zulässigen Rechtsschutz noch keine Gewissheit.82 Nach einer Auffassung soll zwischen dem Ermittlungsverfahren und dem Hauptverfahren zu differenzieren sein; in letzterem sei das jeweils bzgl. der instanzabschließenden Entscheidung einschlägige Rechtsbehelf bzw. -mittel (Berufung, Revision) allein anwendbar. Gegen die Nichteinstellung des Verfahrens gem. § 398a AO im Ermittlungsverfahren gebe es kein Rechtsmittel; eine Klärung des Vorliegens der Prozessvoraussetzungen müsse im Erkenntnisverfahren erfolgen.83 Diese Lösung belastet den Beschuldigten u. U. ohne dessen Verschulden mit einem langwierigen Hauptsacheverfahren über mehrere Instanzen, obwohl die gerichtliche Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 398a AO erfüllt sind zumeist kurzfristig möglich sein wird. Dies ist nicht zumutbar. Vor dem Hintergrund des strafprozessualen Charakters des § 398a AO spricht vieles dafür, dass analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO beim Unterbleiben einer Einstellung oder bei deren inhaltlicher Unrichtigkeit ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei dem Ermittlungsrichter des im Ermittlungsverfahren zuständigen Amtsgerichts gestellt werden muss. Jedenfalls scheiden Rechtsbehelfe nach AO und FGO von vornherein aus.84

80 Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 398a Rn. 7; ebenso die Stellungnahmen des Finanzministeriums NRW und der OFD Niedersachsen. 81 Zanziger, DStR 2011, 1397, 1402; Hunsmann, NJW 2011, 2011, 1482. 82 Eingehend dazu Hunsmann, NZWiSt 2012, 102 ff. 83 Hunsmann, BB 2011, 2519, 2526; Hunsmann, NZWiSt 2012, 102, 104 f. 84 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281, 288: Hunsmann, NZWiSt 2012, 102.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln

III. Folgen der Selbstanzeige 1. Strafverfahrensrechtliche Folgen Die Selbstanzeige führt regelmäßig zur temporären Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bzgl. des nacherklärten Sachverhalts.85 Als Strafaufhebungsgrund betrifft die Selbstanzeige die materielle Strafbarkeit und damit unmittelbar die Schuldfrage. Ein gegen den Steuerpflichtigen anhängiges Ermittlungsverfahren ist deshalb – außer in den Fällen der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO – nach Feststellung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Selbstanzeige nach §§ 385, 170 Abs. 2 StPO einzustellen.86 Da das Steuerstrafverfahren in den Fällen der vollständigen und zutreffenden Selbstanzeige typischerweise nie das Stadium des Hauptverfahrens erreicht, führt die lege artis erstattete Selbstanzeige im Rahmen eines diskreten – unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führenden Ermittlungsverfahrens zur Straffreiheit. Dessen typische Dauer beläuft sich auf 6 bis 12 Monate. Im Rahmen des temporären Ermittlungsverfahrens auf Grund einer Strafanzeige kommt es erfahrungsgemäß nicht zu Ermittlungsmaßnahmen mit Außenwirkung; bei einer vollständigen und richtigen Selbstanzeige wären diese zudem wohl unverhältnismäßig und damit strafprozessual nicht zulässig. 2. Strafrechtliche und bußgeldrechtliche Folgen Sind die positiven Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 erfüllt und liegen keine Ausschlussgründe nach Abs. 2 vor, so ist der aus der Steuerhinterziehung resultierende staatliche Strafanspruch beseitigt. Für den Anzeigenerstatter tritt insoweit Straffreiheit ein. Die Selbstanzeige schließt aber nur die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) aus. Auf andere (Steuer-)Straftaten ist die Vorschrift des § 371 AO – soweit nicht ausdrücklich auf sie verwiesen wird – nicht analog anwendbar. Auch sämtliche mit dem betreffenden Hinterziehungsdelikt in Tateinheit (§ 52 StGB) oder -mehrheit (§ 53 StGB) stehende Delikte, seien sie steuerlicher oder allgemeiner Natur (z. B. Urkundenfälschung, § 267 StGB), werden von der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige nicht erfasst und bleiben somit strafbar.87 Es sollte bei Gelegenheit der Selbst85 Burkhard, PStR 2001, 46; Rolletschke, DStZ 1999, 566; Blesinger, DB 2007, 488; vgl. BFH v. 29.4.2008 – VIII R 5/06, juris; FG Düsseldorf v. 23.5.2006 – 15 V 1431/06, in PStR 2006, 223. 86 Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 245; Hoffmann/Knierim, PStR 2000, 211. 87 BGH v. 11.11.1958 – 1 StR 370/58, in BGHSt 12, 100; v. 5.5.2004 – 5 StR 548/03, in wistra 2004, 310.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln anzeige daher stets überprüft werden, inwieweit auch nicht steuerliche Straftaten im Raum stehen und ohne Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO, § 355 StGB) zum Gegenstand eines Strafverfahrens gegen den Anzeigenerstatter werden könnten. Obwohl der Steuerpflichtige mit den wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben einer Selbstanzeige auch nach Ansicht des BGH seine steuerlichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten erfüllt, soll das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 AO nicht eingreifen, soweit der Steuerpflichtige in einer Selbstanzeige nichtsteuerliche Straftaten offenbart.88 Auch (mit verwirklichte) Ordnungswidrigkeiten sollen nach herrschender Auffassung regelmäßig nicht von der Selbstanzeigewirkung profitieren, dies soll selbst für die Bußgeldtatbestände der §§ 379–382 AO gelten, die als Gefährdungstatbestände überwiegend Vorstufen einer Steuerhinterziehung ahnden. Eine Ausnahme bildet insoweit lediglich der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO), der § 371 AO für entsprechend anwendbar erklärt (§ 378 Abs. 3 AO). Alle anderen (subsidiären) Steuerordnungswidrigkeiten sowie der Auffangtatbestand des § 130 OWiG (Verletzung der Aufsichtspflicht) leben wieder auf, wenn eine Selbstanzeige die Strafbarkeit nach §§ 370, 378 ausschließt.89 Dem Betroffenen soll dann jedoch (insbesondere in Fällen des § 379 AO) mit einer Einstellung nach § 47 OWiG entgegengekommen werden.90 3. Steuerliche Folgen Auf die steuerliche Rechtslage hat eine Selbstanzeige an sich hingegen keinen Einfluss.91 Es bleiben sämtliche Steuer- und Haftungsansprüche (§§ 70, 71 AO) gegen den Betreffenden bestehen. Unberührt lässt die Selbstanzeige außerdem alle Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen, so dass Hinterziehungszinsen (§ 235 AO, 6 % pro Jahr), Verspätungs-

88 So die h. M., BGH v. 5.5.2004 – 5 StR 548/03, in wistra 2004, 309; zustimmend BVerfG v. 15.10.2004 – 2 BvR 1316/04, in wistra 2005, 175 f.; Jäger, PStR 2004, 181, 184; Rolletschke, StV 2005, 358 f.; str. 89 So die h. M., BayObLG, NJW 1981, 1055 (zu § 380 AO); OLG Celle, MDR 1980, 77 (zu § 380); KG, wistra 1994, 36; Wegner, PStR 2005, 115, 117; a. A. im Wesentlichen auch Schauf in Kohlmann AO, § 371 Rn. 258 f., § 379 Rn. 69, 74, § 380 Rn. 60–62, § 381 Rn. 23, § 382 Rn. 42, wonach nur bei § 380 ein Rückgriff auf die Ordnungswidrigkeit zulässig sein soll. Offen gelassen von BVerfG, wistra 1997, 297. 90 BMF, Schr. v. 29.7.1981 – IV A 8 – S 0711 – 3/81, wörtlich abgedruckt in der Entscheidung des KG, wistra 1994, 36; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 212; a. A. allerdings KG, wistra 1994, 36, bestätigt durch BVerfG, wistra 1997, 297. 91 Schauf in Kohlmann AO § 371 Rn. 262; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 370 Rn. 219.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln (§ 152 AO) sowie Säumniszuschläge (§ 240 AO), die gegen den Steuerpflichtigen festgesetzt werden können. Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO beträgt die steuerliche Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen (§ 370 AO), und fünf Jahre soweit sie leichtfertig verkürzt worden (§ 379 AO) ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat (§ 169 Abs. 2 Satz 3 AO). Nicht zuletzt bedingt die Selbstanzeige eine Ablaufhemmung der steuerlichen Festsetzungsfrist von einem Jahr, § 171 Abs. 9 AO. § 171 Abs. 9 AO verdrängt dabei die Vorschrift des § 171 Abs. 5 AO nur in dem Fall, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist eine Selbstanzeige erstattet und die Finanzbehörde erst nach Ablauf dieser Frist ein Steuerstrafverfahren einleitet.92 Insgesamt kann dies dazu führen, dass im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige über die (strafrechtlich veranlasste) Steuernachzahlung gem. § 371 Abs. 3 AO hinaus insgesamt Steuernachzahlungen für einen Zeitraum von 10 bis 13 Jahren erfolgen müssen, soweit auch für die zwar strafrechtlich verjährten aber noch nicht festsetzungsverjährten Zeiträume von einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 169 Abs. 2 S. 2 AO auszugehen ist. Eine Steuer ist danach hinterzogen, wenn der vollendete objektive und der subjektive Tatbestand einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und Rechtswidrigkeit der Tat sowie die Schuld des Täters vorliegen.93 Strafaufhebungs- und Strafausschließungsgründe stehen hingegen der Steuerfestsetzung nicht im Weg, d. h. strafprozessuale Verjährung ist genauso irrelevant wie die Selbstanzeige. 4. Sonstiges Es gilt zu berücksichtigen, dass Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte, Richter oder Soldaten nach herrschender Auffassung trotz wirksamer Selbstanzeige möglich sind.94 Das Steuergeheimnis steht dem in der Ver92 FG Düsseldorf v. 23.5.2006 – 15 V 1431/06 A (V); zustimmend Rolletschke, wistra 2007, 372. 93 BFH, BStBl. II 1973, 273; BFH, BStBl. II 1988, 213; BFH, BStBl. II 1989, 216; BFH, BStBl. II 1993, 36; BFH/NV 1994, 294. 94 BFH v. 15.1.2008 – VII B 149/07, DStRE 2008, 383; inzident auch BVerfG v. 6.5.2008 – 2 BvR 336/07, NJW 2008, 3489; OVG Nordrhein-Westfalen v. 30.5.2006 – 21 d A 3905/05, ZbR 2006, 420; OVG Rheinland-Pfalz

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln waltungspraxis regelmäßig nicht entgegen (§§ 125 c Abs. 6 BRRG, 30 Abs. 4 Nr. 5 AO).95 Geprüft werden sollte auch, ob im Einzelfall eine Steuerhinterziehung trotz Selbstanzeige einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt.96

C. Steuerabkommen Deutschland-Schweiz I. Stand der Ratifizierung bzw. Gesetzgebung Am 10. August 2011 wurde in Bern zwischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizer Eidgenossenschaft ein Steuerabkommen („STA“) als Ergebnis der seit Oktober 2010 andauernden Steuerverhandlungen zu Fragen der Besteuerung von Kapitalerträgen deutscher Anleger in der Schweiz paraphiert. Die Unterzeichnung erfolgte durch die Finanzminister der beiden Staaten am 21. September 2011 in Berlin. Das Inkrafttreten ist vertraglich für den 1. Januar 2013 vorgesehen. Da das STA jedoch noch von dem schweizerischen wie auch von dem deutschen Parlament ratifiziert werden muss, ist das Inkrafttreten zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sicher. Insbesondere die Regelungen zur „Regularisierung“ werden von den Oppositionsparteien in Deutschland derzeit (Stand: November 2011) strikt abgelehnt; vor dem Hintergrund, dass die Regierungsparteien im Bundesrat nicht über eine Mehrheit verfügen, das Ratifikationsgesetz in Deutschland aber dort zustimmungspflichtig ist, könnte dies zur Ablehnung der Ratifizierung des STA in seiner jetzigen Gestalt ausreichen.97 Es kommt hinzu, dass in der Literatur zwischenzeitlich deutliche Zweifel an der Verfassungskonformität des STA geäußert werden.98 Vor dem Hintergrund der Anonymitätsregelungen des STA wird bezweifelt, ob durch das STA eine reguläre Besteuerung (Quellensteuerabzug) für die Zukunft sicherstellt und dadurch den Hinterzieher gegenüber dem Steuerehrlichen begünstigt. Zudem wird eine unberechtigte Besserstellung der Kapitalanlagen in der Schweiz und ihrer wirtschaftlich Berechtigten gegenüber Kapitalanlagen in anderen Staaten beanstandet; zumindest in

95 96 97 98

v. 15.4.2005 – 3 A 12188/04.OVG u. 3 A 12224/04.OVG zit. nach Burhoff, PStR 2006, 54. BMF BStBl. I 2011, 574; BVerfG, Beschl. v. 6.5.2008 – 2 BvR 336/07, NJW 2008, 3489; BVerwG, Beschl. v. 5.3.2010 – 2 B 22/09, NJW 2010, 2229. BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 325/00, NJW 2002, 2582; Mareck, PStR 2002, 59 ff. Holenstein, DStR 2012, 153; Tippelhofer, IStR 2011, 945. Joecks, wistra 2011, 441 ff.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Letzterem wird ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) gesehen.99

II. Übersicht und Regelungsstruktur Das STA soll die effektive Besteuerung von Vermögenswerten deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz sicherstellen. Es sieht vor, dass Personen mit Wohnsitz in Deutschland ihre bestehenden Bankbeziehungen in der Schweiz nachversteuern können, indem sie entweder eine einmalige Steuerzahlung leisten oder ihre Konten offenlegen. Für künftige Kapitalerträge deutscher Bankkunden in der Schweiz soll eine Abgeltungsteuer erhoben werden, deren Erlös die Schweiz an die deutschen Behörden überweist. Das Abkommen sieht insbesondere folgende Aspekte vor: – Abgeltungsteuer für die Zukunft: Künftige Kapitalerträge sollen unmittelbar über eine Abgeltungsteuer erfasst werden. Der einheitliche Steuersatz beträgt 26,375 %, was dem in Deutschland geltenden Abgeltungsteuersatz entspricht. Nach der Bezahlung der Abgeltungsteuer ist die Steuerpflicht gegenüber dem Wohnsitzstaat erfüllt. – Auskunftsgesuche: Um zu verhindern, dass neues unversteuertes Geld in der Schweiz angelegt wird, sollen die deutschen Behörden Auskunftsgesuche stellen können, die den Namen des Kunden, jedoch nicht zwingend den der Bank enthalten müssen. Diese Gesuche sind jedoch zahlenmäßig beschränkt und bedürfen eines Anlasses. – Vergangenheitsbesteuerung („Regularisierung“): Zur steuerlichen Nachbesteuerung bestehender Bankbeziehungen mit der Schweiz soll einmalig die Möglichkeit gewährt werden, eine pauschal bemessene Steuer zu entrichten. Die Höhe der Steuerbelastung liegt zwischen 19 und 34 % des Vermögensbestandes und wird festgelegt auf Grund der Dauer der Kundenbeziehung sowie des Anfangs- und Endbetrages des Kapitalbestandes. Anstelle dieser pauschalen Nachbesteuerung besteht die Möglichkeit, die Konten in der Schweiz gegenüber den deutschen Behörden offenzulegen. Durch die Nachbesteuerung sollen die Steuerforderungen im Zeitpunkt ihres Entstehens grundsätzlich als erloschen gelten. – Sowohl bei der Nachbesteuerung als auch bei der für die Zukunft vorgesehenen Abgeltungsteuer wird das Geld anonym nach Deutschland überwiesen. – Als Bemessungsgrundlage des pauschalen Nachbesteuerungssatzes ist das Kapital zu einem bestimmten in der Vergangenheit liegenden Stich99 Joecks, wistra 2011, 441, 443 ff.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln tag vorgesehen. Durch die Kombination von Bemessungsgrundlage und Steuersatz soll bei der Berechnung der Steuer berücksichtigt werden, wie lange Anlagen unversteuert in der Schweiz gehalten wurden. – Prozedere: Nach Inkrafttreten des Abkommens werden die Betroffenen von ihrem Schweizer Kreditinstitut über den Inhalt des Abkommens und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten informiert. Danach soll ihnen bis zum 31. Mai 2013 Zeit gegeben werden, um sich zu entscheiden, wie sie sich verhalten wollen.

III. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Unter das Abkommen fallen die bei einer schweizerischen Zahlstelle auf Konten oder Depots verbuchten Vermögenswerte: Zu den Vermögenswerten zählen Geldkonten, Aktien, Treuhandanlagen, strukturierte Produkte (Zertifikate, Wandelanleihen), derivative Instrumente, Terminkontrakte, Optionen und Treuhandanlagen. Vom Abkommen nicht erfasst sind Inhalte von Schrankfächern und regulatorisch der schweizerischen Finanzmarktaufsicht unterstellte Versicherungsverträge, die nicht als Lebensversicherungsmäntel einzustufen sind (Art. 2 f Steuerabkommen). Auch wenn nicht ausdrücklich genannt, fallen auch Immobilien und Gelder auf Vorsorgekonten nicht in den Anwendungsbereich des Abkommens.100 Schweizer Zahlstellen sind in erster Linie Banken nach dem Schweizer Bankengesetz zu verstehen, jedoch ggf. auch andere in der Schweiz ansässige natürliche und juristische Personen, Personengesellschaften und Betriebstätten ausländischer Gesellschaften, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit regelmäßig Vermögenswerte von Dritten entgegennehmen, halten, anlegen und übertragen (Art. 2 e STA).101 2. Persönlicher Anwendungsbereich a) Natürliche Personen mit Wohnsitz in Deutschland am 31. Dezember 2010 Die Nachbesteuerung erfasst lediglich Vermögenswerte, die in Deutschland ansässigen natürlichen Personen gehören oder diesen wirtschaftlich zuzurechnen sind, wenn diese ihren Wohnsitz am 31. Dezember 2010 in Deutschland hatten (Art. 3 Abs. 2 STA). Daraus folgt, dass eine Wohnsitz100 Holenstein, DStR 2012, 153, 155. 101 Holenstein, DStR 2012, 153, 155.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln verlagerung nach dem 1. Januar 2011 nicht zur Vermeidung der Nachversteuerung führt. Umgekehrt sind natürliche Personen, die zwar aktuell ihren Wohnsitz in Deutschland haben, nicht jedoch am 31. Dezember 2010 dort ansässig waren, von der Regularisierung der Altlasten ausgenommen. Maßgebend ist die bei einer Kontoeröffnung vor dem 31. Dezember 2010 getroffene Feststellung der schweizerischen Zahlstelle (Bank) über den Wohnsitz des Vertragspartners bzw. des Nutzungsberechtigten.102 b) Nutzungsberechtigung Ist eine in Deutschland wohnhafte natürliche Person Vertragspartnerin einer schweizerischen Zahlstelle, ist für die Anwendbarkeit des Steuerabkommens zusätzlich erforderlich, dass diese an den entsprechenden Vermögenswerten „nutzungsberechtigt“ ist (Art. 2 h STA). Im Zusammenhang der DBA ist „Nutzungsberechtigter“, wer entweder über die Hingabe des Kapitals oder des Wirtschaftsgutes zur Nutzung oder über die Verwendung der Nutzungen, ggf. über beides entscheiden kann, als nutzungsberechtigte Person ist somit die an den Vermögenswerten wirtschaftlich berechtigte Person zu verstehen.103 Die für die Durchführung der Regularisierung zuständige schweizerische Zahlstelle muss auf Grund der für sie geltenden schweizerischen Sorgfaltspflicht – einschlägig sind hier die Art. 3 und 4 des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (Geldwäschegesetz; GwG) – feststellen, wer an den bei ihr verbuchten Vermögenswerten wirtschaftlich berechtigt ist.104 c) Zwischengeschaltete „Strukturen“ Auch wenn das Steuerabkommen nur auf natürliche Personen anwendbar ist, können diese die Regularisierung der Altlasten bzw. die Abgeltungsteuer für die Zukunft nicht einfach durch Zwischenschaltung einer Struktur vermeiden. Dies unterscheidet das Steuerabkommen von der EU-Zinsbesteuerung in der geltenden Fassung.105 Besteht das Vertragsverhältnis der schweizerischen Zahlstelle zu einer Sitzgesellschaft, einer Lebensversicherungsgesellschaft im Zusammen102 Holenstein, DStR 2012, 153, 154. 103 Holenstein, DStR 2012, 153, 154. 104 Holenstein, DStR 2012, 153, 154: Für schweizerische Banken- und Effektenhändler sind diese Sorgfaltspflichten in der Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 08) zwischen der Schweizerischen Bankiersvereinigung einerseits und den unterzeichnenden Banken andererseits vom 7.4.2008 konkretisiert. 105 Holenstein, DStR 2012, 153, 154.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln hang mit einem Lebensversicherungsmantel oder zu einer anderen natürlichen Person, und gilt nach den – gestützt auf die schweizerischen Sorgfaltspflichten – vorgenommenen Abklärungen nicht der Vertragspartner, sondern eine in Deutschland ansässige natürliche Person als nutzungsberechtigt, fallen die vom Vertragspartner gehaltenen Vermögenswerte unter das Steuerabkommen (Art. 2 h STA).106 Sitzgesellschaften: Als solche zu behandeln sind insbesondere – aber nicht abschließend – juristische Personen, Gesellschaften, Anstalten, Trusts, Treuhandunternehmungen und ähnliche Verbindungen, die kein Handels-, Fabrikations- oder anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben (Art. 2 h STA; vgl. entsprechend VSB 08). Indizien für das Vorliegen einer Sitzgesellschaft sind gegeben, wenn keine eigenen Geschäftsräume bestehen oder kein eigenes Personal angestellt ist.107 Nicht als Sitzgesellschaften gelten neben operativ tätigen Unternehmungen Holdinggesellschaften, sofern deren Zweck nicht hauptsächlich in der Verwaltung des Vermögens der Beteiligten bzw. von Dritten besteht; entsprechendes gilt auch für Immobiliengesellschaften.108 Gelingt der Nachweis, dass die Sitzgesellschaft nach dem Recht am Ort der Errichtung oder der tatsächlichen Leistung effektiv besteuert wird, gilt die Sitzgesellschaft als nutzungsberechtigte Person, was zur Folge hat, dass die von ihr gehaltenen Vermögenswerte nicht unter das STA fallen. Dasselbe gilt für Sitzgesellschaften, die nach deutschem Recht bezüglich ihres Einkommens als intransparent behandelt werden (Art. 2 h STA). Wie diese Nachweise zu führen sind, wird in einem vom Schweizerischen Parlament zu verabschiedenden Bundesgesetz sowie in der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zu erlassenden Wegleitung geregelt werden.109 Trusts, Stiftungen etc.: Vermögenswerte von Personenverbindungen, Vermögenseinheiten, Trusts und Stiftungen werden nur dann bestimmten natürlichen Personen zugerechnet, wenn diesen an den Vermögenswerten eine feststehende wirtschaftliche Berechtigung zusteht. Dies ist beispielsweise nicht der Fall bei Vereinbarungen mit Ermessenscharakter (Ermessensstiftungen, Discretionary Trusts).110 Um als solche anerkannt zu werden, muss die Struktur unwiderruflich errichtet sein. Bei widerruflichen Konstruktionen wie Revocable Trusts bzw. widerruflichen Stif-

106 107 108 109 110

Holenstein, DStR 2012, 153, 154; VSB 08 Rn. 38 f. Holenstein, DStR 2012, 153, 154; VSB 08 Rn. 38 f. Holenstein, DStR 2012, 153, 154;VSB 08 Rn. 39. Holenstein, DStR 2012, 153, 154;VSB 08 Rn. 39. Holenstein, DStR 2012, 153, 154.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln tungen gelten die widerrufsberechtigten Personen als wirtschaftlich Berechtigte.111 Lebensversicherungsmantel: Als Lebensversicherungsmantel zu behandeln ist ein Versicherungsvertrag, der lediglich einen minimalen Versicherungsschutz vorsieht, dessen Aus- oder Rückzahlungsbedingungen nicht auf Tod, Invalidität oder Krankheit beschränkt sind und die individualisierte Verwaltung des vom Versicherungsnehmer eingebrachten Vermögens vorsieht (Art. 2 f STA). Kann die Versicherungsgesellschaft gegenüber der schweizerischen Zahlstelle darlegen, dass die steuerlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Lebensversicherungspolice in Deutschland erfüllt sind, gilt die nutzungsberechtigte Person nicht als betroffene Person, müssen also die in den Lebensversicherungsmantel eingebrachten Vermögenswerte nicht regularisiert werden.112 3. Zeitlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 42 Abs. 1 STA tritt das Steuerabkommen am 1. Januar desjenigen Kalenderjahres in Kraft, welches dem Kalenderjahr folgt, in dem die Notifizierung durch die beiden Vertragsstaaten erfolgt ist. Die Schweiz und Deutschland gehen bisher von einem Inkrafttreten zum 1. Januar 2013 aus, dies setzt allerdings eine Ratifizierung 2012 voraus; vor dem Hintergrund der politischen Streitigkeiten in Deutschland ist dies nicht gesichert.113 Hinsichtlich der jeweiligen Anwendungsbereiche des Steuerabkommens enthält dieses verschiedene festgelegte Stichtage (vgl. Art. 2 j STA), welche jeweils zur Klärung der Frage heranzuziehen sind, ob das Steuerabkommen auf eine betroffene Person mit Vermögenswerten in der Schweiz Anwendung findet. Eine Anwendung hängt dabei maßgeblich vom Beginn und Ende der Kundenbeziehung dieser Person zu einer Schweizer Zahlstelle ab.114 Eine betroffene Person fällt für die Möglichkeit der Nachversteuerung nur unter das Steuerabkommen, wenn diese sowohl am 31. Dezember 2010 als auch am Stichtag 3 (geplant: 31. Mai 2013) ein Depot/Konto bei einer Schweizer Zahlstelle unterhält (Art. 5 Abs. 1 STA). Für deutsche Bankkunden, die nach dem 31. Dezember 2010 ihre Depots/Konten in der Schweiz aufgelöst haben bzw. bis zum Stichtag 3 (31. Mai 2013) noch auflösen werden, findet Teil 2 des Steuerabkommens keine Anwendung. Dasselbe gilt für Konten/Depots deutscher Steuerpflichtiger

111 112 113 114

600

VSB 08 Rz. 44. Holenstein, DStR 2012, 153, 155. Tippelhofer, IStR 2011, 945. Tippelhofer, IStR 2011, 945, 947.

Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln in der Schweiz, welche erstmalig nach dem 31. Dezember 2010 eröffnet wurden.115 Hat der Steuerpflichtige zwischen dem 31. Dezember 2010 und dem Stichtag 3 (31. Mai 2013) mehrere Kundenbeziehungen zu Schweizer Banken unterhalten, so hat grundsätzlich diejenige Schweizer Zahlstelle die Nachversteuerung der entsprechenden Vermögenswerte durchzuführen, bei welcher die Vermögenswerte am 31. Dezember 2010 verbucht waren. Dies gilt jedoch nur, soweit zu dieser Bank weiterhin eine Kundenbeziehung des Steuerpflichtigen besteht (vgl. Art. 6 Abs. 1 bis Abs. 4 STA).116 Um sich der Regularisierung der Altlasten unterstellen zu können, sind mithin folgende Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen:117 – Wohnsitz per 31. Dezember 2010 in Deutschland, – Nutzungsberechtigung an Vermögenswerten bei schweizerischer Zahlstelle am 31. Dezember 2010 und – Nutzungsberechtigung an Vermögenswerten bei schweizerischer Zahlstelle am Stichtag 3 (geplant: 31. Mai 2013)

IV. Vergangenheitsbesteuerung („Regularisierung“) Die betroffenen Personen können zwischen der Nachbesteuerung durch Einmalzahlung (Art. 7 STA) oder der freiwilligen Meldung (Art. 9 STA) wählen. Hinzu kommen faktisch das Abziehen der Vermögenswerte vor dem 31. Mai 2013 aus der Schweiz, damit die Vermögenswerte nicht in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen, sowie die Selbstanzeige nach deutschem Recht (s. o.).118 Gesetzliche Regelungsfolge des STA ist die Einmalzahlung. Diese entfällt grundsätzlich nur dann, wenn die betroffene Person ihre schweizerische Zahlstelle spätestens per Stichtag 3 (31. Mai 2013) schriftlich ermächtigt, der zuständigen deutschen Behörde Meldung zu erstatten (Art. 9 Abs. 1 STA).119 1. Einmalzahlung a) Berechnung Hat die betroffene Person die Zahlstelle bis zum Stichtag 3 (voraussichtlich 31. Mai 2013) nicht schriftlich zur Erstattung der freiwilligen Meldung ermächtigt, so erhebt die Zahlstelle an diesem Stichtag auf den bei 115 116 117 118 119

Tippelhofer, IStR 2011, 945, 947. Tippelhofer, IStR 2011, 945, 947. Holenstein, DStR 2012, 153, 155. Holenstein, DStR 2012, 153, 155. Holenstein, DStR 2012, 153, 155.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln ihr verbuchten Vermögenswerten die Einmalzahlung. Die Höhe der Einmalzahlung bemisst sich nach einer komplexen mathematischen Formel mit einigen Variablen. Die Formel für den Steuerbetrag (SB) lautet:120     0 0 9 8  K þK > >

> : ; Smin  Kr Schlüsselgröße ist das „relevante Kapital“ (Kr). Dieses besteht aus dem Kapitalbestand entweder am 31. Dezember 2010 (K8) oder am 31. Dezember 2012 (K10). Maßgebend ist grundsätzlich der höhere der beiden Kapitalbestände. Ist das Kapital am 31.Dezember 2012 höher als am 31. Dezember 2010, ist das relevante Kapital auf das 1,2-fache des Kapitalbestandes am 31. Dezember 2010 begrenzt, es sei denn, die Wertzunahme sei auf Wertsteigerungen sowie auf Zuflüsse zurückzuführen, welche frühere Abflüsse kompensieren.121 Unklar ist noch, wie hier Barzuflüsse aus versteuertem Vermögen und Schenkungen sowie Erbschaften einzuordnen sind. Die Steuerbelastung soll bei der pauschalen Nachversteuerung theoretisch zwischen minimal 19 und maximal 34 % des Vermögensbestandes des Kunden liegen.122 Auf Grund von Modellrechnungen der Schweizerischen Bankiersvereinigung wird erwartet, dass für die meisten Kunden die reale Einmalzahlung zwischen 20 und 25 % des relevanten Kapitals (Kr) beträgt.123 b) Erlöschen deutscher Steueransprüche von Anfang an und Strafbefreiung Mit der vollständigen Entrichtung der Einmalzahlung gelten die deutschen Einkommen- (ESt)124 und Umsatzsteueransprüche (USt), Vermögensteueransprüche (VSt), Gewerbesteueransprüche (GewSt), Erbschaftsteuer- und Schenkungsteueransprüche (ErbSt), welche mit den entsprechenden Vermögenswerten verbunden sind, im Zeitpunkt ihres Entstehens als erloschen (Art. 7 Abs. 6 STA). Für KSt findet das STA hingegen nach seinem eindeutigen Wortlaut keine Anwendung. Darüber hinaus entfällt mit der Zahlung auch eine Verfolgung von Steuerstraftaten nach § 369 ff. AO oder Steuerordnungswidrigkeiten nach § 377 AO (Art. 8 STA).125 Eine solche Erlöschenswirkung tritt jedoch 120 121 122 123 124 125

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Nach Holenstein, DStR 2012, 153, 155. Holenstein, DStR 2012, 153, 155. Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948. Holenstein, DStR 2012, 153, 155; Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948. Zzgl. Kirchensteuer und Solidarzuschlag. Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948.

Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln nicht ein, wenn bereits vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Steuerabkommens (21. September 2011) Anhaltspunkte für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens i. S. eines Anfangsverdachts gem. § 152 Abs. 2 StPO vorlagen und die betroffene Person dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (Art. 7 Abs. 9 b STA; vgl. oben zu § 371 Abs. 2 AO). Ist dem Betroffenen allerdings die Eröffnung eines Steuerstrafverfahrens noch nicht mitgeteilt worden und basiert der Verdacht auf angekauften Bankdaten, müssen die betroffenen Personen allenfalls dann damit rechnen, wenn sie Kunden von Banken sind, von denen zu diesem Zeitpunkt allgemein bekannt war, dass die deutschen Behörden Bankdaten angekauft haben.126 Darüber hinaus erlöschen auch Steueransprüche auf solche Vermögenswerte nicht, welche aus Verbrechen im Sinne des deutschen Strafrechts (§ 12 StGB, Mindeststrafe 1 Jahr Haft, d. h. regelmäßig keine Wirtschaftsstraftaten, nie Steuerstraftaten) herrühren (Art. 7 Abs. 9 a STA).127 c) Anonyme Abbuchung und Überweisung/Bescheinigung Die vom Konto des deutschen Steuerpflichtigen abgebuchte Einmalzahlung wird von der Schweizer Zahlstelle an die ESTV überwiesen und dann an die deutsche Steuerbehörde ohne Rückschlüsse auf den deutschen Bankkunden – d. h. anonym – weitergeleitet. Damit die Zahlstelle die Einmalzahlung vom Konto der betroffenen Person abziehen kann, muss dieses am Stichtag 3 (voraussichtlich 31. Mai 2013) den erforderlichen Geldbetrag in Euro enthalten (Art. 5 Abs. 2 STA). Reicht der auf dem Konto vorhandene Geldbetrag nicht aus, um die Einmalzahlung leisten zu können, muss die schweizerische Zahlstelle der betroffenen Person eine Fristverlängerung von längstens acht Wochen für die Sicherstellung eines ausreichenden Geldbetrages einräumen (Art. 11 Abs. 1 STA). In dieser schriftlichen Aufforderung muss die Zahlstelle darauf hinweisen, dass die Zahlstelle die betroffene Person melden muss, wenn bei Ablauf der verlängerten Frist nicht ausreichend flüssige Mittel auf dem Konto vorhanden sind, um die Einmalzahlung vollständig abführen zu können (Art. 11 Abs. 1 STA). Kommt die betroffene Person der Aufforderung nicht fristgerecht nach, muss die Zahlstelle der ESTV dieselben Informationen über die betroffene Person melden wie im Falle der freiwilligen Meldung (Art. 11 Abs. 3 STA).128 Der Steuerpflichtige erhält gleichzeitig mit der Erhebung der Einmalzahlung eine Bescheinigung, welche gegenüber Anfragen der deutschen 126 Holenstein, DStR 2012, 153, 157. 127 Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948. 128 Holenstein, DStR 2012, 153, 156.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Finanzbehörden verwendet werden kann und von diesen als Nachweis der Versteuerung akzeptiert wird (Art. 7 Abs. 3, Art. 14 STA). Die Bescheinigung enthält dabei die folgenden Angaben: – Identität (Name und Geburtsdatum) und Wohnsitz der betroffenen Person, – Soweit bekannt, die Identifikationsnummer nach § 139b AO, – Name und Anschrift der Schweizer Zahlstelle, – Kundenummer der betroffenen Person (Kunden-, Konto- oder DepotNummer, I-BAN-Code), – Betrag der Einmalzahlung und Berechnungsmodalitäten.129 Hierdurch kann der deutsche Steuerpflichtige im Nachhinein – auf Anfrage deutscher Behörden – erforderlichenfalls nachweisen, dass die Steuer- und Strafansprüche insoweit erloschen sind und er einem Steuerstrafverfahren nicht bzw. allenfalls zur Überprüfung der Richtigkeit seiner Angaben unterzogen werden darf. 2. Freiwillige Meldung und Selbstanzeige Stattdessen kann der Bankkunde eine Freiwillige Meldung (Art. 9 STA) bzw. eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § AO § 371 AO für seine bislang noch nicht in Deutschland versteuerten Einkünfte aus Depots/ Konten bei Schweizer Kreditinstituten bei dem zuständigen Finanzamt in Deutschland angeben. Hierbei ist zu beachten, dass der Bankkunde trotz Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige in Deutschland die Schweizer Zahlstelle zusätzlich zu ermächtigen hat, eine freiwillige Meldung nach Art. 9 STA an die deutschen Behörden mit den Informationen zu übermitteln (Art. 9 Abs. 2 STA), die in der o. g. Bescheinigung enthalten sind, zzgl. der Informationen über den jährlichen Kontostand per 31. Dezember für die Periode zwischen dem 31. Dezember 2002 und dem Inkrafttreten des Steuerabkommens. Auch im Fall der freiwilligen Meldung erhält der Steuerpflichtige von der Schweizer Zahlstelle eine Bescheinigung über die übermittelten Informationen als Nachweis für die deutschen Steuerbehörden (Art. 9 Abs. 4, Art. 14 STA).130 Die Abgabe einer wirksamen (Teil-)Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO kann auch durch die freiwillige Meldung nach Art. 9 STA selbst bewirkt werden: Werden die Angaben des Steuerpflichtigen durch die deutschen Steuerbehörden überprüft und ergeben sich dabei Abweichungen zu bisher erklärten steuerlichen Sachverhalten und wurden hierdurch Steuern

129 Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948. 130 Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948 f.; Holenstein, DStR 2012, 153, 156.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln verkürzt oder ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt, so gilt die freiwillige Meldung ab dem Zeitpunkt der schriftlichen Ermächtigung nach Art. 9 Abs. 1 STA als Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige nach § 371 AO bezogen auf die gemeldeten Depots/Konten (Art. 10 Abs. 1 STA). Dies gilt jedoch nicht, wenn die Vermögenswerte aus Verbrechen im Sinne des § 12 StGB (s. o.) herrühren bzw. vor Unterzeichnung des Steuerabkommens Anhaltspunkte für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens i. S. des § 152 Abs. 2 StPO vorlagen und die betroffene Person dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (Art. 10 Abs. 2 STA).131 Es bleibt abzuwarten, ob die deutschen Gerichte die Regelungen der Art. 9, 10 STA – trotz der Abschaffung der Teilselbstanzeige gem. § 371 AO n. F. (s. o.) – als eine Sonderform der Teilselbstanzeige bezogen auf die gemeldeten Schweizer Konten/Depots akzeptieren werden, wie es der Wortlaut des STA nahelegt, auch wenn Einkunftsquellen derselben Steuerart und des betroffenen Besteuerungszeitraums in einem anderen Staat durch den Steuerpflichtigen nicht gem. § 371 AO erklärt werden und mithin keine volle Offenlegung bzw. Nachversteuerung des Korrekturverbundes erfolgt.132 Anders als § 371 AO verlangt Art. 10 Abs. 1 STA für die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht explizit, dass die verkürzte Steuer auch fristgerecht bezahlt wird. Dies ist jedoch wohl so gewollt.133 Das Abkommen fingiert jedenfalls die Wirksamkeit der Selbstanzeige ab dem Zeitpunkt der Ermächtigung.134 Anders als bei der Selbstanzeige nach § 371 AO ist zudem für die Wirksamkeit der freiwilligen Meldung gem. Art. 9, 10 STA nicht erforderlich, dass bisher unrichtige Angaben berichtigt werden. Die freiwillige Meldung gilt per se „bezogen auf die gemeldeten Konten oder Depots“ als wirksame Selbstanzeige. Die Meldung umfasst lediglich die Jahresendstände, nicht jedoch die im betreffenden Steuerjahr angefallenen steuerbaren Einkünfte.135 Eine berichtigende Nacherklärung zu den an sich für die gesetzliche Versteuerung maßgeblichen Einkünften ist gerade nicht erforderlich. Die im STA ungeregelte Festsetzung der bisher nicht entrichteten Steuer richtet sich nach dem innerstaatlichen deutschen Recht. Soweit die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist, hat die steuerpflichtige

131 132 133 134 135

Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948 f.; Holenstein, DStR 2012, 153, 156. Tippelhofer, IStR 2011, 945, 948 f.; Holenstein, DStR 2012, 153, 156. Holenstein, DStR 2012, 153, 156; a. A. Kubale/Probst, IWB 2011, 761. Holenstein, DStR 2012, 153, 156. Holenstein, DStR 2012, 153, 156.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Person die steuerbaren Einkünfte zu deklarieren und die daraufhin festgesetzte Steuer zu entrichten.136

V. Amtshilfe und Datenankauf Die vollkommene Regularisierung der Altlasten gem. STA setzt voraus, dass die Vermögenswerte sowohl am 31. Dezember 2010 als auch am Stichtag 3 (voraussichtlich dem 31. Mai 2013) bei einer schweizerischen Zahlstelle verbucht sind bzw. waren (s. o.). Fließen Vermögenswerte erst nach diesen Stichtag zu, ist nicht klar, ob sie versteuert sind, denn die schweizerischen Zahlstellen sind nicht verpflichtet, vom Kunden den Nachweis der ordnungsgemäßen Versteuerung zu verlangen. Daher kann es unter Geltung des STA weiterhin vorkommen, dass eine schweizerische Bank Vermögenswerte zur Verwaltung annimmt, die unversteuert sind; Neukunden könnten nach dem 31. Dezember 2010 und bestehende Kunden nach dem Stichtag 3 (31. Mai 2013) unversteuerte Vermögenswerte bei schweizerischen Banken anlegen.137 1. Deutsches Anfragerecht (Amtshilfe über den OECD-Standard hinaus) Daher räumt das STA der zuständigen deutschen Behörde das Recht ein, eine beschränkte, vom gemeinsamen Ausschuss noch genau festzulegende Anzahl zwischen 750 und 999 Anfragen pro Zwei-Jahres-Periode zu stellen, in welchen die schweizerische Zahlstelle nicht genannt werden muss. Erforderlich ist lediglich die Identifikation der in Deutschland steuerpflichtigen Personen durch Nennung von Namen, Adresse, Geburtsdatum und ausgeübter Tätigkeit (Art. 31 Abs. 2 STA). Die Nennung der Tätigkeit soll den schweizerischen Behörden die Möglichkeit geben, gegen ganze Berufsgruppen gerichtete „Fischzüge“ zu erkennen und zu unterbinden.138 Zudem ist die Nennung eines plausiblen Anlasses erforderlich, die Angaben einer in Deutschland steuerpflichtigen Person auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Nach Art. 31 Abs. 3 STA liegt ein plausibler Anlass dann vor, wenn „die nach deutschem Recht zuständige deutsche Behörde aufgrund des Gesamtbildes der Umstände es als notwendig erachtet, die Angaben … auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Sie berücksichtigt dabei insbesondere Erklärungen der … steuerpflichtigen Person, Einkunftslage, Erkenntnisse aus der

136 Holenstein, DStR 2012, 153, 156. 137 So Holenstein, DStR 2012, 153, 158. 138 Holenstein, DStR 2012, 153, 158.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln steuerlichen Außenprüfung, Kontrollmitteilungen sowie Kenntnisse über die an der Steuererklärung mitwirkenden Personen.“ Die Amtshilfe der Schweiz besteht dann in der Mitteilung, ob die in Deutschland steuerpflichtige Person über ein Konto bei schweizerischen Zahlstellen verfügt oder nicht. Bestehen Kontoverbindungen, nennt die ESTV der deutschen Behörde die Namen der Banken und die Anzahl der im angefragten Zeitraum bestehenden Konten oder Depots (Art. 31 Abs. 5 STA). Diese Amtshilfe ist lediglich für Zeiträume ab Inkrafttreten des Abkommens, somit für Steuerjahre voraussichtlich ab 2013 anwendbar.139 Die ESTV überprüft für jedes Ersuchen die Regularisierung gemäß dem STA. Sind sämtliche Voraussetzungen erfüllt, teilt die ESTV der zuständigen deutschen Behörde lediglich mit, dass kein auskunftspflichtiges Konto oder Depot besteht (Art. 41 Abs. 2 STA). Sind die auf einem schweizerischen Konto oder Depot verbuchten Vermögenswerte durch Einmalzahlung regularisiert und durch die Abgeltungsteuer besteuert und haben weder Neugeldzuflüsse noch Änderungen in der Nutzungsberechtigung stattgefunden, bleibt mithin die Anonymität der Kunden gewahrt, obwohl sie weiter ein Konto in der Schweiz unterhalten. Die ESTV wird allerdings bei Änderung der Nutzungsberechtigung inkl. Erbgang oder bei Zufluss von Neugeldern nach dem 31. Dezember 2010, die nicht durch das für die Einmalzahlung relevante Kapital abgedeckt sind, den Namen der Bank sowie die Anzahl der bestehenden Konten oder Depots mitteilen.140 2. Nennung von Zielstaaten abgezogener Vermögenswerte durch die Schweiz Den Kunden steht es frei, ihre bei schweizerischen Zahlstellen verbuchten Vermögenswerte aus der Schweiz abzuziehen. Das Abkommen sieht aber vor, dass die ESTV dem BMF innerhalb von zwölf Monaten nach dem Stichtag 3 (voraussichtlich 31. Mai 2013) die gemessen am Volumen zehn wichtigsten Staaten oder Territorien in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit nennt, wohin diejenigen deutschen Kunden, welche ihre Konten oder Depots zwischen der Unterzeichnung des Abkommens und dem Stichtag 3 saldiert haben, die Vermögenswerte der saldierten Konten oder Depots überwiesen haben (Art. 16 STA). Die Mitteilung enthält die Anzahl der deutschen Steuerpflichtigen pro Staat respektive Territorium.141

139 Holenstein, DStR 2012, 153, 158. 140 Holenstein, DStR 2012, 153, 158. 141 Holenstein, DStR 2012, 153, 158.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln Denkbar ist, dass hieran anknüpfend bald deutsche Auskunftsersuchen nach OECD-Standard bei diesen Zielländern möglich sein werden. Das OECD-Fiskalkomitee ergänzt derzeit den für die Auslegung des OECDMusterabkommens maßgebenden Kommentar. Nach dieser Ergänzung sollen Gruppenanfragen innerhalb eines definierten Rahmens möglich sein, wonach die Personen nicht mehr namentlich identifiziert werden müssen, sondern die Schilderung eines bestimmten Verhaltens genügt. Bis die Ergänzung des Musterkommentars veröffentlicht ist, lässt sich nicht ausschließen, dass diejenigen Personen, welche zwischen der Unterzeichnung des Abkommens und dem Stichtag 3 ihr Vermögen aus der Schweiz abgezogen haben, zu einer Gruppe gehören, deren Angaben in einem Amtshilfeverfahren offenzulegen sind.142 Der Wegtransfer des Vermögens aus der Schweiz könnte mithin ggf. zur „Enttarnung“ im Zielland führen. 3. Deutscher Verzicht auf den Erwerb entwendeter Kundendaten? Die Bundesrepublik Deutschland hat anlässlich der Unterzeichnung des Steuerabkommens erklärt, „dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden“.143 Der genaue Gehalt dieser Aussage ist unklar, insbesondere stellt sich die Frage, ob die Formulierung nicht die Möglichkeit offen lässt, dass deutsche Behörden Kundendaten ankaufen, die ihnen angeboten bzw. aufgedrängt werden. Auch gibt es – trotz der o. g. Absichtserklärung – konkrete tatsächliche Anzeichen, dass sich deutsche Behörden weiter um den Ankauf von Daten Schweizer Banken bemühen.144

VI. Anonyme, abgeltende Quellensteuer (Abgeltungsteuer) für die Zukunft Ab Inkrafttreten des Abkommens sieht das STA für deutsche Steuerpflichtige hinsichtlich der zukünftigen Besteuerung von Zinsen, Dividenden, Veräußerungsgewinnen und sonstigen Erträgen aus in der Schweiz belegenen Vermögenswerten als Standardvariante die jährliche Erhebung einer Quellensteuer (in Euro) durch die Schweizer Zahlstelle mit abgeltender Wirkung auf diese Erträge vor, welche der deutschen Einkommensteuer entsprechen soll (Art. 18 Abs. 1 STA). Alternativ hat der dt. Kunde auch die Möglichkeit, die Erträge aus seinen Schweizer Vermögenswer142 So Holenstein, DStR 2012, 153, 158. 143 Holenstein, DStR 2012, 153, 158. 144 Vgl. Holenstein, DStR 2012, 153, 158; NZZ v. 18.11.2011.

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Randt, Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln ten der ESTV freiwillig zur Weitergabe an die deutschen Finanzbehörden zu melden und in Deutschland im Rahmen der regulären Veranlagung zu erklären (Art. 21 STA).145 Bei Wahl der Quellensteuer überweist die Zahlstelle die entsprechenden Steuerbeträge spätestens zwei Monate nach dem Ende des Steuerjahres an die ESTV, welche diese dann an die Steuerbehörden in Deutschland weiterleitet (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 STA). Auch dieses Verfahren läuft für den Steuerpflichtigen vollständig anonym ab. Der Bankkunde erhält von der Bank jährlich sowie bei Auflösung der Bankbeziehung eine Bescheinigung nach festgelegtem Muster (Art. 29 STA); diese gilt als Nachweis für die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten gegenüber den deutschen Steuerbehörden (Art. 29 Abs. 2 STA).146 Der Steuersatz für den Quellensteuereinbehalt wird an den deutschen Abgeltungsteuersatz (25 %) zuzüglich Solidaritätszuschlag (5,5 %) gekoppelt und beträgt damit derzeit 26,375 % (Art. 18 Abs. 2 und Abs. 3 STA). Auf Antrag des Steuerpflichtigen erhebt die Schweizer Zahlstelle auch einen Abgeltungsbetrag für die deutsche Kirchensteuer (Art. 18 Abs. 6 STA). Bei Veränderungen des deutschen Abgeltungsteuer- sowie Solidaritätszuschlagsatzes soll der Schweizer Abgeltungsteuersatz entsprechend angepasst werden (Art. 19 STA). Die erhobene Schweizer Quellensteuer gilt gemäß Art. 22 STA als in Deutschland durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer nach § 36 EStG. Die deutsche Einkommensteuer auf die Erträge aus Schweizer Vermögenswerten gilt jedoch nur insoweit durch den Quellensteuerabzug als abgegolten, soweit das deutsche Einkommensteuergesetz für diese Erträge auch eine abgeltende Wirkung vorsieht (Art. 18 Abs. 4 STA).147

145 Tippelhofer, IStR 2011, 945, 949. 146 Tippelhofer, IStR 2011, 945, 949. 147 Tippelhofer, IStR 2011, 945, 949.

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Sachregister

Abfindungsguthaben – Unentgeltliche Anteilsübertragung/ Verzicht auf das – 39 Abschlussprüferbilanz – Handelsbilanzanpassung, spätere 259 Abspaltung – Teilbetriebserfordernis/doppeltes 169 Abzinsungspflicht – BilanzrechtsmodernisierungsG/Abzinsung für handelsrechtliche Zwecke 335 – Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen 334 – Sachleistungs- und Geldleistungspflichten 337 Anlagemodelle – Eigenkapitalbeschaffungskosten 35 Anrechnungsmethode (DBA) – Abkommensdurchbrechende Vorschriften 395 – Abschaffung 2000/Einführung des KStlichen Schachtelprivilegs 80 – Deutschland als Ansässigkeitsstaat und Gewährung der Freistellungsmethode 374 – Doppelte Nichtbesteuerung/Verhinderung 377 – Einkunftsarten, betroffene 374 – Entstehung und Hintergrund 374 – Freistellung in Deutschland als Voraussetzung 374 – Freistellungsmethode/Übersicht 375 – Konterkarierung von ausländischen Investitionsmaßnahmen 384 – Nichtbesteuerung wegen Nichtansässigkeit 382 – Pilotenfälle 383 – Qualifikationskonflikt als Voraussetzung 376

– Qualifikationskonflikte/keine Freistellung bei bestimmten (§ 50d Abs. 9 Satz 1 EStG) 375 – Rückwirkungsfragen 390 – Sondervergütungen ausländischer Gesellschafter (§ 50d Abs. 10 EStG)/ Entstehung und Hintergrund 384 – statt Freistellungsmethode (§ 50d Abs. 9 EStG) 374, 380 – Subject-to-Tax- und Switch-overKlauseln in DBA 375 – Treaty Override 388 – Übergang zum Halbeinkünfteverfahren (Teileinkünfteverfahren) 81 – Verfassungsmäßigkeit 395 – Verhinderung weißer Einkünfte/ grauer Einkünfte 374 Ansässigkeit – Anteilsvereinigung und Grunderwerbsteuer/keine – 313 – Auslegung, einkünfteunabhängige 33 – Begriff (§ 255 Abs. 1 HGB) 315 – Erwerb unter Wert 302 – Freistellungsmethode/Übergang zur Anrechnungsmethode bei Nichtbesteuerung wegen fehlender – 382 – Fonds-Modell als Personengesellschaftsform 32 – Nebenkosten und Fonds-Modelle 37 – Verbindlichkeit aus Verkaufsoption 327 – Verbindlichkeiten/nicht bilanzierte 311 – Zweckbestimmung (finaler Begriff) 316 Anschaffungsvorgänge – Prinzip der Erfolgsneutralität 311 Ansparabschreibungen – Einbringungen 51 Ansparrücklage – Investition nach Realteilung 49 Anteile – s. Beteiligungsbesitz

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Sachregister Anteilsvereinigung – Gegenstand der Besteuerung 316 – Grunderwerbsteuer als Betriebsausgaben 316 – Grundstückserwerb/Abgrenzung 317 Asset Back Security-Modelle – Wirtschaftliches Eigentum an Forderungen 295 Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen – Rückstellungsbildung 330 Auflösungsbeschluss – Organschaftsbeendigung 69 Ausgleich – Außenstehende Aktionäre s. Organschaft Ausgleichsposten – Organschaft/Bildung und Nachverfolgung 72 – Unternehmenskauf/negativer Kaufpreis und Fortschreibung des – 304 Auslagerung – Teilbetriebsveräußerung/einzelne Wirtschaftsgüter 180 Ausländische Betriebstätte – Aufgabe/angefallene Verluste 350 – Lidl Belgium-Entscheidung des EuGH 347 – Umwandlung/Übertragung von Verlustvorträgen 354 Ausländische Gesellschaft – Erwerb mit hohen Gewinnrücklagen 93 Ausländische Personengesellschafter – Besteuerung von Sondervergütungen (§ 50d Abs. 10 EStG) 384 Ausländische Tochtergesellschaft – Marks & Spencer-Entscheidung des EuGH zur Definition finaler Verluste 346 Ausländische Verluste – Frage ihrer Finalität 345 Ausschüttungssperre – Organschaft/zutreffender Gewinnausweis 63

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Außensteuerrecht – Substanzerfordernisse/Aktivitätserfordernisse (Dublin-Dock-Gesellschaft) 26 Banken – E-Bilanz-Verpflichtung (Spezialtaxonomien) 268 Bauherrenmodelle – Erwerbereigenschaft 33 Beratungsunternehmen – Finanzunternehmen 85 Bergrechtliche Verpflichtungen – Rückstellungen 336 Berichtigung – Rückwirkung der Rechnungsberichtigung/Umsatzsteuer 419 Beteiligungsbesitz – Anteilstausch/§ 25 UmwStG 189 – Anteilsvereinigung und Grunderwerbsteuer/keine Anschaffungskosten 313 – Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG/ Anteile im Sinne des KWG 86 – Einbringung eines Kapitalgesellschaftsanteils in eine Personengesellschaft gegen Gesellschaftsrechte 130 – Inkongruenz der Gewinnausschüttung 191 – Mitunternehmeranteil s. dort – Neue Anteile/§ 20 Abs. 1 UmwStG 189 – Steuerbefreiung § 8b KStG/Dividenden und Veräußerungsgewinne 80 – Umsatzsteuer/Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Beteiligungsveräußerungen 429 – Veräußerungsgewinn s. dort – Veräußerungsgewinn bei Wertveränderungen der Kaufpreisforderung nach Anteilsverkauf 9 – Veräußerungspreis Veränderungen, später eintretende 10 – Vergleich ertragsteuerlicher Organschaft mit Treuhandmodell bei der KG 141 Beteiligungsgesellschaften – Finanzunternehmen 85

Sachregister Betriebsaufgabe – und Teilbetriebsveräußerung 165 Betriebsaufgabe/Betriebsveräußerung – E-Bilanz-Verpflichtung 264 Betriebsausgaben – Eigenkapitalbeschaffungskosten/ Fonds-Modelle 34 – Fonds-Modelle/Personengesellschaftsform und Sofortabzug 31 – Grunderwerbsteuer bei Anteilsvereinigung 313 – Steuerbefreiung § 8b KStG/5 % nicht abziehbare Ausgaben 80 – Steuerbefreiung und nicht abziehbare – als pauschale Besteuerung 80 – Unmittelbarer Zusammenhang – und steuerfreie Einkünfte 80 – Verdeckte Gewinnausschüttungen und nichtabziehbare – 13 Betriebsprüferbilanz – und fehlerkorrigierende Steuerbilanz/Unterscheidung 257 Betriebsprüfung – Rückstellung für Kosten künftiger – 340 Betriebsstätte – Organschaftliche Erfordernisse 21 – Schlussbesteuerung 28 – Treuhandmodell/KG als – bezüglich Komplementär-Treuhänder 135 Betriebsvermögen – Anderes – Übertragung hierauf Steuerneutralität § 6 Abs. 5 Satz 1/2 EStG 108 – Anlagevermögen, Umlaufvermögen 109 – Mitunternehmerschaften 108 – Regelfall einer Übertragung, Aufdeckung stiller Reserven 108 – Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus – 108 – Übertragung von Wirtschaftsgütern in ein anderes – desselben Steuerpflichtigen als Entnahme und Einlage 109 Bilanzberichtigungen – Fehler s. dort

Bilanzierende Steuerpflichtige – E-Bilanz-Verpflichtung 262 Bilanzsteuerrecht (aktuelle Probleme – Übersicht) – Anteilsvereinigung/Grunderwerbsteuer keine Anschaffungskosten 313 – Asset Back Security Modelle/wirtschaftliches Eigentum an Forderungen 296 – Betriebsprüfungen/Rückstellungen für Kosten künftiger 340 – Börsennotierte Wertpapiere/voraussichtlich dauernde Wertminderung 318 – Geschäftsunterlagen/Rückstellung für die Aufbewahrung 330 – Rückkaufverpflichtung/Passivierung einer Verpflichtung 325 – Sachleistungsverpflichtungen/Abzinsungspflicht für Rückstellungen 334 – Unternehmenskauf/negativer Kaufpreis 301 – Unternehmenskauf/Übernahme von Verbindlichkeiten 305 Bonitätsrisiko – Forderungsverkauf und erforderliche Übernahme des – 298 Börsennotierte Wertpapiere – Voraussichtlich dauernde Wertminderung/Aktien und Anleihen 318 Branchen – Spezifische E-Bilanz-Verpflichtung (GAAP-Modul) 267 Buchhaltung – E-Bilanz-Verpflichtung/GAAP-Modul und – 269 Buchwertfortführung – Gesamthandsvermögen zu Gesamthandsvermögen: Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ohne – 111 – Kettenübertragung und Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven 112 – Regelungszusammenhang des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 110 – Trennungstheorie 110

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Sachregister – Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern bei Mitunternehmerschaften 109 – Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern: enumerative Aufzählung der Buchwertverknüpfungen 111 – Übertragung zwischen Gesamthandsvermögen von Schwestergesellschaften 111 – Umwandlungssteuerrecht: Wertausgleich s. Umwandlungssteuerrecht (Wertausgleich) – Unentgeltliche Übertragung: tauschähnlicher Vorgang 110 Buchwertverknüpfung – Einzelwirtschaftsgüter/Sachgesamtheiten 42 – Personenunternehmen/Umstrukturierung 42 Bundesfinanzhof – Fehlerbegriff und zutreffende Rechtsbeurteilung 256 – Grundsatzanrufung zum Fehlerbegriff (7.4.2010) 243, 260 Bundesverfassungsgericht – Görgülü-Entscheidung 388 Cash-Pool – Organschaft/Erfüllung der Verlustausgleichsforderung 68 Darlehen – Kauf/Abgrenzung 297 – Teilbetriebsbegriff/Trennung von Darlehensvaluta und und Darlehensverbindlichkeit 161 – Verlustausgleichsforderung bei der Organschaft/Erfüllungsform 67 DATEV – und E-Bilanz-Verpflichtung 275 Deponien – Rückstellungen für Rekultivierungspflichten 336 Diskriminierungsverbot – s. Doppelbesteuerungsabkommen

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Doppelbesteuerungsabkommen – § 8b Abs. 1 KStG und DBA-Schachtelprivileg: Sowohl-als-auch-Anwendung 94 – Abkommensrechtliche Zuordnungsnormen oder Einkünfte (§ 2 EStG) 379 – Anrechnungsmethode statt Freistellungsmethode (§ 50d Abs. 9 EStG) 374 – Diskriminierungsverbot/Bedeutung, Auslegung 367 – Diskriminierungsverbot und Erfordernis inländischen Organträgers (§ 14 KStG) 365 – Gewerbesteuer/sachlicher Geltungsbereich 12 – Gruppenbesteuerung und Konzernkonsolidierung 17 – Internationale Organschaft und Diskriminierungsverbot 17 – Organschaft und Abkommensberechtigung 22 – Parallelität § 8b KStG/Schachtelprivileg 13 – Partiarische Zinsen/Gewinnanteile typischer stiller Gesellschafter 382 – Qualifikationskonflikte s. dort – Rechtsträger als Gesellschaft 381 – Sondervergütungen ausländischer Gesellschafter/deutsche Besteuerung (§ 50d Abs. 10 EStG) 384 – Subject-to-Tax-Klauseln 375 – Switch-over-Klauseln 376 – Treaty Override: § 50d Abs. 9, 10 EStG 373; auch dort – Verständigungsverfahren 376 – Virtuelle Doppelbesteuerung/Vermeidung 379 – Völkerrechtsfreundliche Rechnungsauslegung 12 Dritte – Steuerwirkungen durch deren Dispositionen 2 Drohende Verluste – Mietzahlungsverpflichtungen und Unternehmenskauf 309 – Schwebende Geschäfte bei Betriebsveräußerung 307

Sachregister Drohverluste – Schwebende Geschäfte/Ausweis 328 E-Bilanz (Taxonomie) – Aktueller Handlungsbedarf (Einzelheiten in tabellarischer Form) 278 – Amtlich vorgeschriebener Datensatz 266 – Anhang, Anlagespiegel, Textfelder 267 – AnwendungszeitpunktverschiebungsVO 285 – Aperiodische Bilanzen 264 – Banken und Versicherungen 268 – Bilanz, G+V-Rechnung 266, 267 – Bilanzanlässe, besondere 264 – Bilanzierende Steuerpflichtige 262 – BMF-Schreiben 16.12.2010: Pilotierungstaxonomie 285 – Branchenspezifische (GAAPModule) 267 – DATEV/E-Bilanz als Assistent 275 – EDV-gestützte Validitätsprüfungen 261 – Eigenkapitalspiegel 267 – Elektronik statt Papier 261 – Elektronisches Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung 261 – Ergebnisverwendungsrechnung 267 – EStG §§ 5b und 51 Abs. 4 Nr. 1b; BMF-Schreiben 19.1.2010 284 – Fazit: erhebliche Eingriffe in die Finanzbuchhaltung/zweifelhafte Rechtsgrundlagen 277 – Finanzbuchhaltung und GAAP-Module 269 – GAAP-Module 268 – Gesellschafterwechsel 264 – Gesetzliche Regelungen 262 – Größenunabhängigkeit 262 – Handelsrechtliche G+V-Rechnung/ Einreichungspflicht 270 – Härtefallregelung bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit 265 – Inhalt der Taxonomie – Jahresabschluss-Modul (GAAP-Modul) 267 – Kapitalflussrechnung 267

– Kapitalkontenentwicklung (Personengesellschaften) 267 – Kommunale Eigenbetriebe 268 – Kontenrahmen/Anpassung an die Mussfelder der Taxonomie 272 – Körperschaften 262 – Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen 268 – Land- und Forstwirtschaft 268 – Liquidationsbilanz 264 – Mindestumfang der Taxonomie 266 – Personengesellschaften 262 – Personengesellschaften/Elemente steuerlicher Gewinnermittlung 274 – Pilotierungsauswertung 287 – Pilotierungskonsequenzen 290 – Pilotierungstaxonomie/Planung und Durchführung 285 – Pilotierungstaxonomie/technische Anforderungen an die Übermittlung 293 – Rechtsformen 262 – Rechtsformspezifische Darstellungen (GAAP-Module) 267 – Stammdaten-Model (GCD-Modul) 267 – Steuerbegünstige Körperschaften 263 – Steuerbilanz oder Überleitungsrechnung 270 – Steuerliche G+V-Rechnung/keine Einreichungspflicht 269 – Steuerliche Gewinnermittlung 267 – Steuerliche Gewinnermittlung in elektronischer Form 261 – Steuerliche Modifikationen 267 – Testjahresabschlüsse/Erstellung 286 – Textteil/visualisierte Darstellungen 267 – Transferticket 277 – Überschusseinkünfte, nicht erfasste 263 – Umsatzerlöse/Untergliederung 276 – Verkehrsunternehmen 268 – Verkennzifferung der bilanziellen Gewinnermittlung 261

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Sachregister – Vermögensverwaltende Personengesellschaften 262 – Verpflichtungsumfang (§ 5b Abs. 1 EStG) 264 – Verprobungen, mehrjährige Betriebsvergleiche 261 – Wohnungsunternehmen 268 – Zebragesellschaften 263 – Zeitliche Anwendung 265 – Zwischenbilanzen 264 Eigenhandel – § 8b Abs. 7 KStG und kurzfristige Erzielung eines Eigenhandelserfolges 90 Eigenkapital-Genussrechte – Beteiligungsbesitz an Finanzunternehmen 86 Eigenkapitalbeschaffungskosten – Aktivierungsverbot und Maßgeblichkeitsprinzip 33 Eigentum – Wirtschaftliches – s. dort – Zivilrechtliches – oder wirtschaftliches – 300 Eigentumsübertragung – Teilbetriebsveräußerung/Übertragung maßgeblicher Wirtschaftsgüter 164 Einbringung – Ansparabschreibungen 51 – Ausländische Betriebsstätte/Buchwerteinbringung in inländische Tochtergesellschaft 354 – Übernehmende Körperschaft/ Fußstapfentheorie 25 Einkommensbesteuerung – Steuerbefreiung § (8b KStG), Vermeidung des Kaskadeneffekts 80 Einkommensteuer – und Gewerbesteuer/Transparenzprinzip und betriebsbezogene Betrachtung 49 Einkünftezurechnung – Komplementär als Treugeber für den Kommanditisten 134 Einkunftsarten – Anschaffungs- und Herstellungskosten/einkünfteunabhängige Auslegung 33

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Einlage – Ausgleich negativen Kapitalkontos 304 Elektronisches Risikomanagementsystem – s. E-Bilanz (Taxonomie) Energiemarkt – Fonds-Modell als Personengesellschaftsform 32 Enforcementverfahren – Fehlerfeststellungen

245

Ergänzungsbilanz – Unternehmenskauf/negativer Kaufpreis 302 Ertragsteuern – Struktur des Treuhandmodells (Komplementär als Treugeber, Kommanditist als Treunehmer) 135 Erwerbsbegriff – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG 89 EuGH – Finale Verluste/Lidl Belgium-Entscheidung 347 – Finale Verluste/Marks & SpencerEntscheidung 346 – FusionsRL und Teilbetriebsbegriff/ EuGH-Auslegung 157 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee 347 – Oy AA-Entscheidung 359 – Rückwirkung der Rechnungsberichtigung 419 – Steueraufkommen, nationales 19 – X-Holding-Entscheidung 358 – X-Holding-Urteil 15, 23 Europäisches Recht – EU-Richtlinienrecht/BFH zu unionsrechtlichen Defiziten der Steuerbefreiung (§ 4 Nr. 18 UStG) 409 – Teilbetriebsbegriff (FusionsRL) s. Umwandlungssteuerrecht (Teilbetriebsbegriff) – Vorsteuerabzug/richtlinienkonforme Umsetzung 454

Sachregister Factoring – Übergang des wirtschaftlichen Eigentums 300 Factoringunternehmen – Finanzunternehmen 85 Fehler – Organschaft/Folgen falschen Bilanzausweises 64 – Rechtsfolgen bei der Teilbetriebsveräußerung nach fehlerhafter Wirtschaftsgüterzuordnung 174 Fehlerbegriff – Abschlussprüfung: Prüferbilanz keine fehlerkorrigierende Steuerbilanz 257 – Bandbreitenbetrachtung 255 – Beratungserkenntnisse/steuerliche Bilanzkorrekturen 256 – Betriebsprüfung/Abfederung von Mehrergebnissen 244 – Betroffene Rechenwerke von Bilanzberichtigungen 242 – BFH-Entscheidung: rechtserkennende Wirkung 256 – BFH-Rechtsprechung zum subjektiven Fehlerbegriff 247 – Bilanzänderungen/subsidiäre (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) 244 – Bilanzaufstellungszeitpunkt und ungeklärte Rechtsfrage 255 – Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 EStG)/ fehlerkorrigierende 243 – Bilanzberichtigung/Bilanzänderung: erste Gewinnermittlungsstufe 257 – Bilanzberichtigung/nicht verwendeter Begriff 246 – Bilanzberichtigungspflicht/nicht bestehende 243 – Bilanzierung/Bewertung-Vertretbarkeit 250 – Bilanzsteuerliche, handelsbilanzielle und verfahrensrechtliche Aspekte 242 – dichotomer – nach Sach- und Rechtsfragen differenziert 260 – Dokumentationserfordernisse 258 – Dualismus der Bilanzkorrekturen (§ 4 Abs. 2 EStG) 242 – Enforcementverfahren/Fehlerfeststellungen 245

– Fehlerbegriffsverständnis und Bilanzänderungen 244 – Gestaltungsrecht des Steuerpflichtigen 243 – Grundsatzanrufung an den Großen Senat (7.4.2010) 243, 251, 260 – Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung 254 – Handelsbilanz/Anpassung mit neuem Feststellungserfordernis/ggf. Nachtragsprüfung 259 – Handelsbilanzielle Änderungen von Jahresabschlüssen 245 – Handy-Subventionen als aktiver Rechnungsposten 251 – Internationale Rechnungslegung/ Fehlerkorrekturen IAS 245 – Kaufmann/zukunftsorientierte Bilanzierungs- und Bewertungseinschätzungen 254 – Kaufmännische Rechnungslegung und Dokumentationserfordernisse 258 – Korrekturmitteilung (§ 153 AO) 243 – Maßgeblichkeitsgrundsatz und Prüferbilanz 257 – Nebeneinander von subjektivem und objektivem – 251 – Normativ-subjektiver – 255 – Objektiver und subjektiver – 246 – Rechnungslegungszweck und subjektives Fehlerbegriffsverständnis 254 – Rechtsfortbildung und objektive Maßstäbe 252 – Rechtsfragen/objektive Rechtslage 255 – Rechtsfragen, streitige 255 – Rechtsfragen und subjektiver – 248 – Rechtsfragen, ungeklärte und Vertrauensschutzaspekte 252 – Rechtsprechungsänderung und subjektiver – 248 – Rechtsverständnis als Lösungsschlüssel für etwaige bilanzielle Korrekturmaßnahmen 242 – Rückwirkend bessere Erkenntnisse zur objektiven Rechtslage/nachträgliche Berichtigung 259 – Steuerbilanz und Prüferbilanz 257

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Sachregister – Steuerbilanz und Stichtagsprinzip 246 – Steuerbilanzkorrekturen/Ausgangspunkt 242 – Steuerbilanzkorrekturen: betreffende Gewinnermittlungsstufe 257 – Steuerliche Wahlrechte und Handelsbilanz 257 – Subjektive Einschätzungen/Dokumentationserfordernis 258 – Subjektive Einschätzungsprärogative 252 – Subjektive Fehlbilanzierung ohne Sanktionen 254 – Subjektiver –/Entwicklung der Rechtsprechung 247 – Subjektiver – und FinVerw-Änderungssperre 249 – Subjektiver –/Wirkungen – Schutzfunktion für den Kaufmann, für den Fiskus 249 – Subjektives Richtigkeitsgebot 249 – Tatsachenfragen und subjektiver – 247 – Tatsachenfragen/zwingender subjektiver – 254 – Veranlagung und nachträgliche Korrekturen (§ 173 AO) 243 – Verdeckte Gewinnausschüttung, § 8b KStG-Änderungen: Geltung allgemeiner verfahrensrechtlicher Korrekturgrenzen 257 – Verfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot 252 – Verwaltungsanweisungen, kritische/ ansonsten zweifelhafte Rechtslage 258 – Vielfältige Rechtsprechung/mehrfache Gesetzesänderungen 242 – Wahlrechtsähnliche Situation für den Steuerpflichtigen 251 – Wahlrechtsausübung/geänderte als gestaltendes Bilanzänderungsinstrument 259 – Wertaufhellende Erkenntnisse 246 – Willkürliche Handhabung, pflichtgemäße Prüfung 255 Fiktiver Teilbetrieb – s. Umwandlungssteuerrecht (Teilbetriebsbegriff)

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Finale Verluste – Auslandsbetriebstätten/Auslandstochtergesellschaften 346 Finanzbuchhaltung – E-Bilanz-Verpflichtung (GAAP-Modul) 268 – E-Bilanz-Verpflichtung/Anpassungen der – 278 Finanzdienstleistungsinsitute und Banken – Sondervorschrift für Anteile § 8b Abs. 7 KStG 84 Finanzieller Aspekt – Teilbetriebsbegriff 158 Finanzunternehmen – Beispiele 85 – Holdingunternehmen als –/Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG 85 – KWG-Voraussetzungen 85 – Sondervorschrift für Anteile § 8b Abs. 7 KStG 84 Fonds-Modelle – Personengesellschaftsform/Anlagegut, unerhebliches 37 – Personengesellschaftsform/Anschaffungskosten und sofort abziehbare Betriebsausgaben bei Auflegung 31 – Personengesellschaftsform/Art der Einkünfteerzielung, unerhebliche 37 – Personengesellschaftsform/Einkünfteerzielung 33 – Private Equity Fonds und Freistellung der Erträge nach DBA-Großbritannien 379 Forderung – Forderungsverkauf oder Darlehensgewährung 298 – Kaufpreis Nennwert abzüglich Risikoabschlag 295 – Verkauf/erforderliches Bonitätsrisiko 298 – Verlustausgleichsforderung bei der Organschaft/Erfüllungsformen 67 – Wirtschaftliches Eigentum bei Asset Back Security-Modellen 295 Forfaitierung – Forderungsverkauf/erforderliches Bonitätsrisiko 298

Sachregister – Übergang des wirtschaftlichen Eigentums 300 Formwechsel – Grundbesitzübertragung/Anteilsveräußerung bei der Treuhand-KG 147 – Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft 189 Freistellungsmethode (DBA) – Anrechnungsmethode als abkommensdurchbrechende Vorschriften (§ 50d Abs. 9, 10 EStG) s. Anrechnungsmethode – Einkünfte, betroffene 375 Fremdbestimmung – Prophylaxe und Medikation 3 Funktionaler Aspekt – Teilbetriebsbegriff 158, 160 FusionsRL – Teilbetriebsbegriff s. a. Umwandlungssteuerrecht (Teilbetriebsbegriff) 156 GAAP-Modul – E-Bilanz-Verpflichtung/Bedeutung 268 Gebäuderückbau – Rückstellungen für Verpflichtungen 336 Gemeinnützige Körperschaften – E-Bilanz-Verpflichtung 263 Gerhard-Thoma Ehrenpreis 2010 1 Gesamtplanrechtsprechung – Aufteilung eines Übertragungsvorgangs 113 – Ausfüllung des § 42 AO 181 Geschäftsunterlagen – Rückstellung für Aufbewahrungspflicht 330 Gesellschaft bürgerlichen Rechts – Gebäudeerrichtung und Einkünfteerzielung 33 Gesellschafterausscheiden – Gewerbesteuer und vortragsfähiger Verlust 48 Gesellschafterhinzutreten – Organschaft/Vertragsbeendigung 69

Gewaltenteilung – Rechtsprechung und Steueraufkommen 19 Gewerbesteuer – Beteiligung an grundstücksverwaltender Zebragesellschaft 44 – DBA/Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG 13 – Forderungsverkauf oder Darlehensgewährung/Hinzurechnungsfrage 298 – Gesellschafterausscheiden und vortragsfähiger Verlust 48 – Grundstücksunternehmen/erweiterte Kürzung 43 – Hebesatzeffekt/Vergleich ertragsteuerlicher Organschaft mit Treuhandmodell bei der KG 141 – Hinzurechnungen/Vermeidungen Vergleich ertragsteuerlicher Organschaft mit Treuhandmodell bei der KG 141 – Organkreis und Grundstücksunternehmen 45 – Organschaft und Gewinnabführungsvertrag 18 – Schachtelprivileg/Anwendung von § 8b Abs. 7 KStG 83 – Schachtelprivileg und Hinzurechnungen (§ 8 Nr. 5 GewStG) 11 – Treuhandmodell (einziger Gesellschafter als KG-Beherrschender) 133 – und Einkommensteuer/Transparenzprinzip und betriebsbezogene Betrachtung 49 Gewerbliches Unternehmen – und Verwaltung eigenen Grundbesitzes 45 Gewinn- und Verlustrechnung – E-Bilanz-Verpflichtung 264, 266, 267 Gewinnabführungsvertrag – s. Organschaft Gewinnausschüttung – DBA-Qualifizierung von partiarischen Zinsen/typischen stillen Gesellschaftereinkünften 382 – Inkongruenz/Abweichung vom Nominalkapital 191

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Sachregister – Steuerbefreiung s. dort Gewinnermittlung – und Umfang der E-Bilanz-Verpflichtung 264 Gewinnermittlungsstufen – Steuerbilanzkorrekturen 257 Gewinnrücklage – Erwerb einer Auslandsgesellschaft mit hohen Rücklagen 93 – Organschaft/Einstellung von Beträgen 66 GmbH-Anteile – Beteiligungsbesitz an Finanzunternehmen 86 Großbritannien – Private Equity Fonds und Freistellung der Fondserträge 379 Grundbesitz – Übertragung vom Komplementär auf Treuhand-KG 144 Grunderwerbsteuer – Abgrenzung Erwerb und Anteilsvereinigung 317 – Altgesellschafter von Kapitalgesellschaften 542 – Anteilskaufvertrag/keine ordnungsgemäße Anzeige nach Vertragsabschluss 556 – Anteilsübergang an zwischengeschalteter Kapitalgesellschaft auf Z-AG 551 – Anteilsvereinigung/ – keine Anschaffungskosten 313 – Beteiligungsübergang/unmittelbarer an grundbesitzender KG auf Z-KG 549 – Gestaltungsmissbrauch 558 – Gestaltungsrisiken 523 – Grundstückskaufverträge/Bestimmung der Gegenleistung beim einheitlichen Vertragswerk 528 – Grundstückskaufverträge/Gegenleistungen unter dem Verkehrswert 524 – KG-Beteiligung/Veräußerung unter aufschiebender Bedingung der Registereintragung des Käufers 540 – Personengesellschaft/Änderung des Gesellschafterbestands 533

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– Treugeber-Anteilsübergang und Beteiligungskette 538 – Treuhandverhältnisse/auf Grundstücksgesellschaften bezogene 534 – Übertragende Umwandlungen 560 – Übertragung vom Komplementär auf Treuhand KG 146 Grundsatzanrufung an den Großen Senat – Fehlerbegriff (7.4.2010) 243, 260 Grundstücke – Kontenrahmen und Taxonomie 272 Grundstücksübertragung – Mitunternehmerschaften und Anwendung des § 6b EStG 114 – Sperrfristregelung 115 – Sperrfristverletzung und steuerverhaftete stille Reserven 116 Grundstücksunternehmen – Gewerbesteuer/erweiterte Kürzung 43 Grundstücksverwaltende Zebragesellschaft – Gewerbesteuer/erweiterte Kürzung 44 Haftungsabschirmung – Vergleich ertragsteuerlicher Organschaft mit Treuhandmodell bei der KG 141 Halbeinkünfteverfahren (Teileinkünfteverfahren) – Übergang vom Anrechnungsverfahren 81 Handel und Dienstleistungen – Außensteuerrecht und Substanzanforderungen 27 Handelsbilanz – Änderung von Jahresabschlüssen 245 – Aperiodische Bilanzen/E-Bilanz-Verpflichtung 264 – BP-Feststellungen, spätere und rückwirkende Anpassung 259 – E-Bilanz-Verpflichtung 264, 266, 267

Sachregister – E-Bilanz-Verpflichtung/Abweichungen vom Gliederungsschema 272 – Fehler s. dort – und Steuerbilanz/Abweichungen durch BilMoG 333 Handelsrecht – Organschaft/Folgen falschen Bilanzausweises 64 – Organschaft/zutreffender Ausweis des gesamten Gewinns 63 Herstellungskosten – Auslegung, einkünfteunabhängige 33 – Fonds-Modell als Personengesellschaftsform 32 – Nebenkosten und Fonds-Modelle 37 Holding – Finanzunternehmen/Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG 85 Immobilienfonds – Eigenkapitalbeschaffungskosten 34 Insolvenz – Organschaftsbeendigung 69 Internationale Regelungen – Fehler s. dort – Fehlerkorrekturen 245 Internationales Steuerrecht – Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten und -tochtergesellschaften/ EuGH- und BFH-Definition 345 – Organschaft/fehlende Steuerpflicht des Organträgers im Inland 361 – Rechtsprechung/Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9, 10 EStG 373 Investition – Ansparrücklage und Realteilung 49 Investitionszulagengesetz/Änderung des SteuersenkungsG 2000 – Aktien und Derivate bei Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen/ Verhinderung negativer Folgen 82 Irland – Pilotenfälle 383

Jahresabschluss – Änderung 245 Jahresabschluss-Modul (GAAP-Modul) – E-Bilanzverpflichtung 267 Jahresüberschuss – Organschaft/Richtig ermittelter Gewinn 64 Kapitalerträge – Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Kapitalgesellschaftsanteilen/Steuerpflicht nach § 8b Abs. 7 KStG 82 – Dividenden/Veräußerungsgewinne – Steuerbefreiung (§ 8b KStG) 80 – Steuerbelastung, erheblicher Anstieg (§ 8b Abs. 7 KStG) 82 – SteuersenkungsG 2000/Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft an andere 81 Kapitalgesellschaft – Buchwerteinbringungen und Wertausgleich s. Umwandlungssteuerrecht (Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen) – Fiktiver Teilbetrieb und 100 %-Anteilsveräußerung 166 – Formwechsel einer Personengesellschaft 189 – Fremdbestimmte Steuerwirkungen 1 – Organschaft bei Entstehung durch übertragende Umwandlung einer Personengesellschaft 24 – Schenkungsteuer (Leistungen Gesellschafter/Gesellschaft) s. dort – Verwaltungssitzverlegung in das Inland 28 – Zuzug, grundsätzlich steuerneutrale – 28 Kaskadeneffekt – Steuerbefreiung § 8b KStG – Vermeidung 80 Kauf – Darlehen/Abgrenzung 297 – Unternehmenskauf und negativer Kaufpreis 301

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Sachregister Kaufmännische Rechnungslegung – Fehler s. dort Keinmalbesteuerung – DBA-Diskriminierungsverbot 18 – Organschaft/Vermeidung durch Ausgleichsposten 72 Kfz-Handel – Rückverkaufsoptionen 326 Kommanditgesellschaft – Betriebstätteneigenschaft im Treuhand-Modell 135 – Einziger Gesellschafter als wirtschaftlich Beherrschender s. Treuhandmodell – Immobilienfonds/gewerblich geprägte KG und Eigenkapitalbeschaffungskosten 34 Kommunale Eigenbetriebe – E-Bilanz-Verpflichtung (Spezialtaxonomien) 268 Komplementär – Treugeber für den Kommanditisten s. Treuhandmodell Kontenrahmen – Anpassung an die Mussfelder der Taxonomie 272 Konzernbesteuerung – Steuerbefreiung § 8b KStG – Vermeidung des Kaskadeneffekts 80 Körperschaften – Bilanzierungsverpflichtungen (Gesetz, § 141 AO) 263 – E-Bilanz-Verpflichtung 263 Körperschaftsteuer – Dividenden/Veräußerungsgewinne – Steuerbefreiung § 8b KStG 80 – Verwaltungssitz, Verlegung in das Inland 28 Krankenhäuser/Pflegeeinrichtungen – E-Bilanz-Verpflichtung (Spezialtaxonomien) 268 Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – EuGH-Entscheidung 347 Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute – Sondervorschrift für Anteile § 8b Abs. 7 KStG 84

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Kreditwesengesetz (KWG) – Begriff des Finanzunternehmens 86 Kündigung – Organschaft/fehlerhafte Beendigung 69 Kurzfristiger Erfolg – § 8 Abs. 7 KStG und Erzielung eines Eigenhandelserfolges 91 Land- und Forstwirtschaft – E-Bilanz-Verpflichtung (Spezialtaxonomien) 268 Latente aktive Steuern – Organschaft/zutreffender Gewinnausweis 63 Leasingunternehmen – Finanzunternehmen

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Lidl Belgium – Definition finaler Verluste durch EuGH 347 – EuGH-Entscheidung 347 Liquidationsbilanz – E-Bilanz-Verpflichtung 264 Marks & Spencer-Entscheidung – Definition finaler Verluste durch EuGH 346 Maßgeblichkeitsgrundsatz – Handelsbilanzregeln und Steuerbilanz 32 Maßgeblichkeitsprinzip – Abschlussprüferfeststellungen, abweichende 259 Mietzahlungsverpflichtung – Unternehmenskauf und Übernahme einer – 309 Missbräuchliche Praktiken – Doppelte Nichtbesteuerung wegen unterschiedlicher Umsatzqualifizierung in zwei EU-Staaten/ausgeschlossene 407 Missbräuchliche Verhaltensweisen – Teilbetriebsbegriff 161

Sachregister Mitunternehmeranteil – Anteilsübertragung/Ausgliederung von Sonderbetriebsvermögen in Schwesterpersonengesellschaft 41 – Unentgeltliche Anteilsübertragung/ Anwendungsfälle des § 6 Abs. 3 EStG 38 – Unentgeltliche Anteilsübertragung/ Ausgliederung von Einzelwirtschaftsgütern 40 – Unentgeltliche Anteilsübertragung/ Verzicht auf das Abfindungsguthaben 39 – Unentgeltliche Anteilsübertragung/ Zurückbehaltung von Sondervermögen 39 Mitunternehmerschaft – Ausgliederung eines Betriebs oder Teilbetriebs 126 – Einbringung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft 130 – Einzelwirtschaftsgut: Übertragung vom Gesamthandsvermögen in Mitunternehmer-Betriebsvermögen 108 – Freie Anteilsübertragung/fehlende Wirtschaftsguteigenschaft 167 – Grundstücksübertragungen und § 6b EStG 114 – Handelsrecht und Konzept des § 24 UmwStG 124 – Komplementär als alleiniger Mitunternehmer im Treuhandmodell 135 – Laufende Besteuerung/Vergleich Personengesellschaft/vermögensverwaltende Personengesellschaft und Treuhand-KG 143 – Treuhand-KG/keine – 135 – Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts aus einem Privatvermögen 107 – Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts aus einem Privatvermögen/Konzept der Gegenleistung 120 – Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen 107 – Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern bei Beteiligung einer Körper-

schaft, Personenvereinigung, Vermögensmasse 119 – Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern: Fälle einer Buchwertfortführung 109 – Übertragung von Sachgesamtheiten auf eine – (Regelungsbereich des § 24 UmwStG/Konzept der Gegenleistung) 123 Mutter-Tochter-Richtlinie – Dividenden-Steuerbefreiung 94 Negativer Kaufpreis – Unternehmenskauf/passiver Ausgleichsposten 301 Negatives Kapitalkonto – Ausgleich durch Einlage 304 Niederlassungsfreiheit – Außensteuerrecht und Substanzanforderungen 27 – Organschaft/inländischer Organträger (§ 14 KStG) 364 Nutzungsüberlassung – Teilbetriebsveräußerung ohne Eigentumsübertragung 164 Objektiver versus subjektiver Fehlerbegriff – s. Fehlerbegriff Öffentliche Hand – Umsatzsteuerliche Organschaft 406 – Vermögensverwaltung/Umsatzsteuerbarkeit 403 Option – Verkaufsoption und Verpflichtung hieraus 325 Organschaft – Abführungsbetrag höher als zuzurechnendes Einkommen 75 – Aufrechnung als Erfüllung 67 – Ausgleichsposten als Korrekturposten zum Beteiligungsansatz 76 – Ausgleichsposten/Bildung und Nachverfolgung 72 – Ausgleichsposten/Technik der Bildung und Auflösung 73

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Sachregister – Ausgleichsposten/Vermeidungsvorschläge, administrative Erleichterung 74 – Ausländischer Organträger 17 – Ausschüttungssperre als Fehlerquelle 66 – Ausschüttungssperre, Reichweite 63 – Automatische Vertragsbeendigungsfälle 69 – Besteuerungsrechte/keine Veränderung 371 – Bilanzausweis/Folgen eines falschen 64 – Cash-Pooling 67 – Cash-Pool-Systeme, konzernweite 68 – Darlehensumwandlung 67 – DBA-Diskriminierungsverbot 17 – DBA-Diskriminierungsverbot/Gruppenbesteuerung und Konzernkonsolidierung 17 – DBA-Diskriminierungsverbot/Keinmalbesteuerung 18 – DBA/Organgesellschaft als abkommensberechtigte 22 – Eingegliederte Gesellschaft, Besonderheiten 65 – Erfüllung der Gewinnabführung 66 – Erfüllungszeitraum 68 – Ergebnisabführungsvertrag/unionsrechtliche Einschätzung 16 – Ersetzung/Modelle 77 – Feststellungsverfahren/Frage einer Einführung 77 – Finanzämter-Zuständigkeitsvereinbarungen 77 – Finanzunternehmen (§ 8b Abs. 7 KStG) als Organgesellschaft, als Organträger 96 – Form des Gewinnabführungsvertrages 54 – Frist für Gewinnabführungsvertrag/ Fünf-Jahresfrist 56, 60 – Geldleistungsansprüche/praktische Erfüllungsformen 67 – Geringfügigkeit von Vertragsverletzungen 65 – Gewerbesteuer/Gewinnabführungsvertrag 18

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– Gewinnabführungsverpflichtung/ Ausgleich für außenstehende Aktionäre 56 – Gewinnabführungsvertrag/Beendigung ohne Kündigung 69 – Gewinnabführungsvertrag/fehlerhafte Beendigung 69 – Gewinnabführungsvertrag/fehlerhafte Durchführung 62 – Gewinnabführungsvertrag/formelle und materielle Fehler 54 – Gewinnabführungsvertrag/Rechtsfolge fehlerhafter Verträge 57 – Gewinnabführungsvertrag/wichtiger Kündigungsgrund 70 – Gewinnausweis/zutreffender des gesamten 63 – Grenzüberschreitende Anerkennung 15 – Grenzüberschreitende –/Auslandsverluste der Tochtergesellschaft 361 – Grundstücksunternehmen im Organkreis/gewerbesteuerliche Kürzung 45 – Handelsbilanz, objektive zutreffende Ermittlung 63 – Handelsrechtliche Wirksamkeitserfordernisse/Verstöße 57 – Handelsregistereintragung des Gewinnabführungsvertrages 55, 58 – HGB-Regeln in der BilMoG-Fassung 63 – Inländische Ergebnisse/Zurechnung zu ausländischem Rechtsträger – Inländischer Organträger 17 – Inländischer Organträger (§ 14 KStG) 364 – Inländischer Organträger und DBADiskriminierungsverbot 365 – Jahresergebnis/richtig ermitteltes 63 – Jahresüberschuss und Gewinnrücklage 66 – KStBescheid für die Organgesellschaft/keine Grundlagenfunktion für die Organträgerbesteuerung 77 – Latente Steuern 63 – Niederlassungsfreiheit und inländischer Organträger 364 – Öffentliche Hand 406

Sachregister – Organ als Betriebstätte ausländischen Organträgers 21 – Organträger nur bei unbeschränkter Steuerpflicht 364 – Organträger/steuerliches Ergebnis, Zurechnung bei fehlender Ansässigkeit im Inland 361 – Richtiger Gewinnausweis/Frage eines Testats 64 – Rückwirkung der finanziellen Eingliederung 24 – Spaltung des Organträgers 70 – Treuhandmodell bei der KG/Vergleich ertragsteuerlicher – und Treuhandmodell 140 – Umsatzsteuerfragen s. Umsatzsteuer (Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung) – Veräußerung der Organgesellschaft 70 – Verfahrensrechtliche Schwierigkeiten 76 – Verlustausgleich, tatsächlich zu erfolgender 75 – Verlustausgleichsanspruch als Forderung 67 – Verlustausgleichsverpflichtung, fehlende 58 – Verlustausweis/Unterschied Handelsbilanz und Steuerbilanz 74 – Verlustvortrag aus vorvertraglicher Zeit 65 – Verrechnungskonten mit regelmäßiger Saldenfeststellung 67 – Vorvertraglicher Gewinnvortrag 66 – Zinsverzicht 67 – Zurechnungsergebnis/Organträgerveranlagung – kein Zusammenhang 77 Oy AA-Entscheidung – EuGH 359 Pauschale Besteuerung – Steuerbefreiung § 8b KStG/nicht abzugsfähige Betriebsausgaben 80 Personengesellschaft – DBA-Einordnung/unterschiedliche 378 – E-Bilanz-Verpflichtung 262

– E-Bilanz-Verpflichtung/Kapitalkontenentwicklung ab 2015 267 – E-Bilanz-Verpflichtung/spezielle Elemente 274 – Ertragsteuerliche Zwitterstellung der unternehmerisch geprägten 36 – Fonds-Modelle/Anschaffungskosten und sofort abziehbare Betriebsausgaben bei Auflegung 31 – Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft 189 – Fremdbestimmte Steuerwirkungen 1 – Gesellschafter als Besteuerungssubjekt 36 – Steuerbefreiung und Sondervorschrift § 8 Abs. 7 KStG: Einschaltung von –en, zwischengeschalteten 100 – Subjekt der Gewinnermittlung 36 – Übertragende Umwandlung auf Kapitalgesellschaft und spätere Organschaft 24 Personenunternehmen – Buchwertverknüpfung und Umstrukturierungszweck 42 – Laufende Besteuerung einer Personengesellschaft/Vergleich mit vermögensverwaltender Gesellschaft und Treuhand-KG 143 – Mitunternehmerschaft s. dort – Treuhandmodell bei der GK s. dort Pilotenfälle – Erzielung unerwünschter Steuervorteile 383 Pilotierungstaxonomie – s. E-Bilanz (Taxonomie) Private Equity Fonds – Limited Partnership und deutsche Investoren/weder Fonds noch deutsche Investoren besteuert 379 Privatvermögen – Übertragung eines Einzelwirtschaftsguts in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft 120 Qualifikationskonflikte – Anrechnungsmethode statt Freistellungsmethode (DBA) 374

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Sachregister – Doppelte Nichtbesteuerung/nationales Recht als Grundlage 379 – Doppelte Nichtbesteuerung/Verhinderung 377 – Ermittlung betroffener Einkünfte 379 – Nichtbesteuerung auf nationalem Recht beruhend 379 – Personengesellschaften/unterschiedliche Einordnung 378 – Quellenstaat und Nichtbesteuerung/Abkommensanwendung 378 – Tatbestandsvoraussetzung beim Übergang zur Anrechnungsmethode 376 Quellenstaat – Beschränkte Steuerpflicht/keine Erfassung von Einkünften 382 – Qualifikationskonflikte s. dort Realisationstatbestände – Vermögensverschaffungsvorgänge nach dem UmwStG 165 Realteilung – Ansparrücklage für Investition 49 – Organträger-Personengesellschaft/ Organschaftsbeendigung 69 Rechenwerke – Fehler s. dort Rechnungsabgrenzung – Passive/Voraussetzungen 327 Rechtsform – E-Bilanz-Verpflichtung 262 – Spezifische E-Bilanz-Verpflichtung (GAAP-Modul) 267 – Steuerarten und fremd bestimmte Steuerwirkungen 3 Rechtsfragen und Tatsachen – Fehlerbegriff s. dort Rechtslage – Rückwirkend bessere Erkenntnisse 259 Restaurantdienstleistungen und Speiseleistungen – Umsatzsteuer/Abgrenzung 417 Risikoabschläge – Forderungsausfälle (Asset Back Security-Modelle) 295

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Rückstellungen – Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen 330 – Betriebsprüfungskosten, künftige 340 – BilanzrechtsmodernisierungsG/Abzinsung für handelsrechtliche Zwecke 335 – Drohende Verluste aus schwebenden Geschäften bei Betriebsveräußerung 307 – Drohverluste aus schwebenden Geschäften 328 – Rückstellungsverbot und Kaufpreisreduzierung – Sachleistungsverpflichtungen/Abzinsungspflicht 334 – Übernahme steuerlich nicht passivierungsfähiger – 306 – Ungewisse Verbindlichkeiten 340 Rückwirkung – Teilbetriebsveräußerung 176 Rückwirkungsfragen – Internationales Steuerrecht: § 50d Abs. 9, 10 EStG 390, 393 Sacheinlage von Kapitalgesellschaftsanteilen – Anwendung der Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG 98 Sachgesamtheit – s. Wirtschaftsgüter (Sachgesamtheit) Sachleistungsverpflichtungen – Abzinsungspflicht für Rückstellungen 334 Schachtelprivileg – Hinzurechnungen § 8 Nr. 5 GewStG/Verhältnis 11 – Nationales Privileg (§ 8b KStG) s. Steuerbefreiung – Unilaterales und bilaterales/Verhältnis 12 Schenkungsteuer – BeitrRLUmsG 502 – Disquotale Einlagen 491, 502 – Einlagen nahestehender Personen 495 – Gründung gegen zu geringe Einlagen 494

Sachregister – Kapitalerhöhung gegen überhöhte Einlagen 493 – Kapitalerhöhung gegen zu geringe Einlagen 494 – Konzernregelung 510 – Koordinierter Ländererlass 20.10.2010 490 – Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern 487 – Verdeckte Einlage 501, 503 – Verdeckte Gewinnausschüttungen 496, 518 – Verschmelzung/Erhalt zu vieler Anteile 494 Schuldübernahme/Schuldfreistellung/ Vertragsübernahme – Besteuerung von Veräußerer und Erwerber 313 – Verbindlichkeitenübernahme beim Unternehmenskauf 308 Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren – Anerkennung 192 Schwebende Geschäfte – Drohende Verluste und Betriebsveräußerung 307 – Drohverluste 328 – Unternehmenskauf und Übernahme von Mietzahlungspflichten 309 Schwesterpersonengesellschaften – Anteilsübertragung unter Ausgliederung von Sonderbetriebsvermögen 41 – Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen – 111 Selbstanzeige – s. Steuerhinterziehung (Selbstanzeige) Sonderbetriebsvermögen – Ansparrücklage und Investition nach Realteilung 50 – Anteilsübertragung/Ausgliederung in Schwesterpersonengesellschaft 41 Sondervergütungen – Abschaffungsforderung 387 – Anwendung durch die Rechtsprechung/ablehnende 386

– Einkünfte ausländischer Personengesellschafter (§ 50d Abs. 10 EStG) 384 – Fiktion der Unternehmensgewinne 385 Sondervermögen – Unentgeltliche Anteilsübertragung/ Zurückbehaltung von – 39 Spaltung – Organträger 70 Spaltung einer Kapitalgesellschaft – 100 %iger Anteil als Teilbetrieb 130 Spanien – Unbeschränkt Steuerpflichtiger/Beteiligung an spanischer Personengesellschaft 380 Stammdaten-Model (GCD-Modul) – E-Bilanz-Verpflichtung 267, 268 Steuerbefreiung – Belastungsvergleich (§ 8b Abs. 2/§ 8b Abs. 7 KStG) 82 – Dividenden/Veräußerungsgewinne (§ 8b KStG)/außerbilanzielle Gewinnkürzung 80 – Doppelbesteuerungsabkommen und § 8b Abs. 1 KStG 94 – Finanzunternehmen als Organgesellschaft, Organträger 96 – Mutter-Tochter-Richtlinie 94 – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG: Barkapitalerhöhung 100 – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG: Erwerb ausländischer Tochtergesellschaft mit hohen Gewinnrücklagen 93 – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG: Kapitalerhöhung 96 – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG: Kurzfristige Erzielung eines Eigenhandelserfolges 91 – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG: Sacheinlage 97 – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG; Umwidmung von Anteilen aus dem Anlage- in das Umlaufvermögen und umgekehrt 92 – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG und Mutter-Tochter-Richtlinie 94

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Sachregister – Sondervorschrift § 8b Abs. 7 KStG: Verkauf eingebrachten Anteils durch ein Finanzunternehmen 99 – Sondervorschrift § 8 Abs. 7 KStG: Zwischenschaltung von Personengesellschaften 101 – Sondervorschrift Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen, Finanzunternehmen, EU-/EWR-Unternehmen § 8b Abs. 7 KStG 85 – Sondervorschrift Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen, Finanzunternehmen, EU-/EWR-Unternehmen: Anteilsbegriff, Erwerb der Anteile, Zeichnung von Anteilen 88 – SteuersenkungsG 2000/Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft an andere 81 Steuerbilanz – E-Bilanz-Verpflichtung: Handelsbilanz oder – 270 – Fehlerbegriff und Bilanzkorrekturen s. Fehlerbegriff – Stichtagsprinzip 246 – Stichtagsprinzip/voraussichtlich dauernde Wertminderung 323 – Überleitungsrechnung, strukturierte als Alternative 271 – Übersicht über aktuelle Probleme s. Bilanzsteuerrecht – und Handelsbilanz/Abweichungen durch BilMoG 333 Steuerbürokratieabbaugesetz – AnwendungszeitpunktverschiebungsVO und E-Bilanz-Verpflichtung 265, 285 – Zeitliche Anwendung der E-BilanzVerpflichtung 265 Steuerfestsetzung – Rückwirkung, verfahrensrechtliche Umsetzung 11 Steuerfreie Einkünfte – Unmittelbarer Zusammenhang mit nicht abziehbaren Betriebsausgaben 80 Steuerfreistellung – Fehlerkorrektur § 8b KStG (Gewinnermittlungsstufe 2) 257

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– Neutralisierung der steuerlichen Vorbelastung 10 – Parallelität § 8b KStG und DBA-Privileg 14 – Veräußerungsverluste – Finale Verluste und Abzugsverbot (§ 8b Abs. 3 Satz 2 KStG) 14 Steuerhinterziehung (Selbstanzeige) – Abweichungen, geringfügige der Selbstanzeige 574 – Amtsträgererscheinen 570, 583 – Betriebsprüfungsanordnung/Bekanntgabe 581 – Deutsch-Schweizer-Steuerabkommen 21.9.2011 569, 595 – Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte, Richter, Soldaten 594 – Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens, Bekanntgabe 570, 582 – Entdeckung der Tat/Merkmale 580 – Guter Glaube an Vollständigkeit 576 – Hinterziehungsbetrag von mehr als 50 000 Euro je Tat 587 – Mitteilung der Absicht einer Selbstanzeige 573 – Nachentrichten zu Gunsten des Täters hinterzogener Steuern 589 – Nacherklärungspflicht auf alle unverjährten Zeiträume 576 – Offenlegungsumfang 572 – Prüfungsanordnung, Bekanntgabe 570 – Schätzung bei noch fehlenden Unterlagen 574 – Selbstanzeige/Aktuelles 570 – Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund 571 – Selbstanzeige/Einteilung 568 – Selbstanzeige/Form und Inhalt 573 – Selbstanzeige/kein Ausschlussgrund 570 – Selbstanzeige/nach unvollständiger Selbstanzeige 577 – Selbstanzeige/positive Wirksamkeitsvoraussetzungen 570 – Selbstanzeige/Rechtfertigung 576 – Selbstanzeige/Täterverhalten, positives 570 – Selbstanzeigemöglichkeit/Wiederaufleben 580

Sachregister – Selbstanzeigerecht/verschärftes 569 – Sperrgrund § 371 Abs. 2 AO 573 – Steuerart/volle Korrekturabgabe 569 – Steuernachentrichtung 570 – Steuerverkürzung größer als 50 000 Euro je Tat 570 – Strafrechtliche und bußgeldrechtliche Folgen 592 – Tatentdeckung 570 – Tatentdeckung/Damit rechnen müssen 586 – Tatentdeckung/Kennen(-müssen) 584 – Teilselbstanzeige/undolose 575 – Teilselbstanzeige/Unwirksamkeit erster und zweiter 578 – Unbewusst unvollständige Erklärung 577 – Verfahrenseinstellung (§ 398 AO) 588 – Verfahrensrechtliche Folgen der Selbstanzeige 591 – Vollständigkeitserfordernis, „reinen Tisch machen“ 575 – Zahlenwerk, nicht mitgeliefertes 573 Steuerliche Gewinnermittlung – E-Bilanz-Verpflichtung/Elemente speziell bei Personengesellschaften 274 – E-Bilanz-Verpflichtung/GAAP-Modul und – 269 Steuerpflichtiger – und Vorsteuerabzug 455 Steuerschuld – Umsatzsteuer/keine Rechnungsvoraussetzung 419 Steuersenkungsgesetz 2000 – Neufassung des § 8b KStG 81 Steuerstundungsmodelle – Fonds als Personengesellschaften 32 Steuersubjekt – Organgesellschaft als eigenes – 76 Steuervergünstigung – Betriebsbezogene statt personenbezogene Ausgestaltung 49

Steuerwirkungen – Fremdbestimmungen in Kapitalund Personengesellschaften 1 – Sphärenübergreifende 2 Stille Reserven – Steuerneutrale Übertragung von Vermögen auf eine Tochterpersonengesellschaft 142 – Treuhandmodell bei der KG/steuerneutrale Realisation 141 – Umgehung des Veräußerungstatbestandes durch Teilbetriebsübertragung 161 – Umwandlungssteuerrecht/Grundsatz der Nichtaufdeckung 187 Subject-to-Tax-Klauseln – Freistellung nur bei tatsächlicher Besteuerung im Ausland 375 Subjektiver versus objektiver Fehlerbegriff – s. Fehlerbegriff Subsidiäre Bilanzänderungen – StBereinG 1999 (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) 244 Switch-over-Klauseln – Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode 376 Tatsachen und Rechtsfragen – Fehlerbegriff s. dort Tausch – Einbringung eines Kapitalgesellschaftsanteils in eine Personengesellschaft gegen Gesellschaftsrechte 130 Taxonomie – s. E-Bilanz (Taxonomie) Teilbetriebsgeriff – s. Umwandlungssteuerrecht (Teilbetriebsbegriff) Teileinkünfteverfahren – Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren 81 Teilsteuerrechnung – Veranlagungssimulation, klassische als Weiterentwicklung 3

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Sachregister Teilwertabschreibung – Aktienkursentwicklung 323 – Festverzinsliche Wertpapiere/Wert unter Nominalwert 324 – Steuerbefreiung § 8b KStG/nicht berücksichtigungsfähige – 80 – Veräußerungsgewinne/Steuerpflicht nach § 8b Abs. 7 KStG 82 Tonnagesteuer – Fonds-Modell als Personengesellschaftsform 32 Transparenzprinzip – Treuhandmodell (einziger Gesellschafter als KG-Beherrschender) 133 – und betriebsbezogene Betrachtung: Einkommensteuer und Gewerbesteuer 49 Treaty Override – § 50d Abs. 9, 10 EStG 373, 388 – § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG als – 388 – BVerfG-Entscheidung Görgülü 388 – DBA im Rang einfachen Rechts 388 – Figur der verdeckten 13 – Grundrechtseingriff 389 – Missbrauchsbekämpfung 389 – Organschaft, grenzüberschreitende 23 – Rückwirkungsfragen 390, 393 – Sicherstellung der Besteuerung 389 – Verfassungsmäßigkeit 389 – Völkerrecht als Auslegungshilfe 388 – Zulässigkeit 388 Treuhandmodell (Gestaltungsinstrument) – Atypisches Treuhandmodell/ausgeschlossenes 139 – Aufbau:von einem einzigen Gesellschafter wirtschaftlich beherrschte KG 133 – Ausschüttungen möglich trotz fehlender Rücklagen 142 – Beteiligungsverhältnisse 138 – Beteiligungsvoraussetzungen (Organschaftsvergleich) 141 – Debt-push-downs-Möglichkeit 142 – Einheitliche und gesonderte Feststellung/nicht durchgeführte 143

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– Ertragsteuerliche Vermögensübertragung auf Tochterpersonengesellschaft/Vorteile des Treuhandmodells 142 – Erwerb eigener Anteile 142 – Flexibilität im Vergleich mit anderen Gebilden 142 – Formwechsel in GmbH 147 – Gewerbesteuer-Hebesatzeffekt 141 – Gewerbesteuerliche Hinzurechnungen 141 – Gewinnrealisierung bei KG-Anteilsverkauf 145 – Grundbesitzübertragung 144 – Haftungsabschirmung/ausgeschlossene 141 – Haupteinsatzbereich 141 – Historie insbesondere zur Gewerbesteuer 136 – KG als Betriebstätte im Hinblick auf das Komplementär-Stammhaus 135 – KG kein Gewerbeschuldner 133 – Kommanditist als Treugeber/ausgeschlossenes Modell 139 – Kommanditist/KG-Anteil treuhänderisch für den Komplementär 138 – Komplementär als alleiniger Mitunternehmer 135 – Komplementär als Treugeber, Kommandist als Treunehmer, Treuhandvertrag zwischen beiden 134 – Komplementärstellung: Vereinigung eigenen Anteils mit KG-Anteil 135 – Laufende Besteuerung 143 – Laufzeit/keine erforderliche 141 – Mitunternehmerschaft, ausgeschlossene 135 – Organschaftliche Wirkung/Vergleich der Rechtsfolgen 140 – Rechtliches Eigentum am KG-Anteil/eingeschränkte Verfügungsmacht 138 – Renaissance durch BFH-Urteil 3.2.2010 149 – Sale & lease back 144 – Stille Reserven/steuerneutrale Realisation 141 – Treugutzurechnung in Gestalt des KG-Anteils an den Kommanditisten 134

Sachregister – Treuhandvertrag/Kernelemente 137 – Treuhandzurechnung in Gestalt des KG-Anteils an den Kommanditisten – Einkünftezurechnung an den Komplementär 134 – Typische Struktur 134 – Übertragung auf die Personengesellschaft/Übertragungsgegenstand, Gegenleistung, Wertansatz im Vergleich 143 – Übertragung von Wirtschaftsgütern auf Treuhand-KG – Steuerneutralität 142 – Übertragungsvorgang und laufende Besteuerung: Vergleich TreuhandModell mit Mitunternehmerschaft, Vermögensverwaltende Personengesellschaft 143 – Umsatzsteuer/keine begleitende umsatzsteuerliche Organschaft 141 – Verkaufsprozesse/Strukturierung 144 – Verkaufsprozesse/Umsatzsteuer 145 – Verlustverrechnung 140 – Zinsschranke 143 – Zivilrechtliche Existenz, ertragsteuerliche Transparenz 133, 135 – Zwischengewinnbesteuerung 140 Umsatzsteuer – Vergleich umsatzsteuerlicher Organschaft mit Treuhandmodell bei der KG 141 Umsatzsteuer (Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung) – 100 %-Beteiligung/Veräußerung als Geschäftsveräußerung 477 – Beteiligungsveräußerung/Vorsteuerabzug 473 – Beteiligungsveräußerung/Vorsteuerabzug bei steuerbefreiter 453 – Doppelte Nichtbesteuerung wegen unterschiedlicher Umsatzqualifizierung (2 EU-Staaten) 407 – EU-Richtlinien/konforme Umsetzung des Vorsteuerabzugs 454

– EU-Richtlinienrecht: Anwendungsvorrang 409 – Gemischte Verwendung unternehmerische und nichtwirtschaftliche Tätigkeiten/Vorsteuerabzug und Vorsteuerkorrektur 468 – Geschäftsveräußerung/Fall einer nichtsteuerbaren 400 – Grundstücke/teilunternehmerische Nutzung und Vorsteuerabzug 451 – Grundstücksnutzung für unternehmensfremde private Zwecke/Vorsteuerabzug 464 – Grundstücksnutzung, teilunternehmerische/Vorsteuerabzug 462 – Grundstücksübertragung Organgesellschaft als Mieter auf Organträger 400 – Hinterziehungskonstruktionen/Einschränkungen des Vorsteuerabzugs 480 – Innergemeinschaftliche Lieferung/ Mitwirkung des Lieferers an der Hinterziehung im Bestimmungsland 411, 454 – Innergemeinschaftlicher Warenverkehr/Einschränkungen des Vorsteuerabzugs 479 – Leistungsbezug für Zwecke außerhalb des Unternehmens, für privaten Personalbereich, unentgeltliche Zuwendungen für Unternehmenszwecke/Vorsteuerabzug 458 – MwStSystRL Art. 168a 465 – Nichtwirtschaftliche Tätigkeit/Unternehmensfremde außerunternehmerische Zwecke/Vorsteuerabzug 469 – Organschaft bei der öffentlichen Hand 406 – Organschaft/finanzielle Eingliederung als Tatbestandselement 402 – Organschaftsbeteiligung/Veräußerung und Vorsteuerabzug 478 – Psychologische Gutachten/keine Steuerbefreiung 413 – Rechnungsberichtigung/Rückwirkung 419

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Sachregister – Restaurantdienstleistungen und Speisenlieferungen/Abgrenzung 417 – Sanierung des Bodenbelags eines Marktplatzes/Vorsteuerabzug 405 – Steuerpflichtiger und Unternehmer/ zentrale Bedeutung für den Vorsteuerabzug 455 – Steuerschuld und Rechnung 419 – Teilunternehmerische Verwendung 462 – Unentgeltliche Wertabgaben/Vorsteuerabzug 458 – Vermietungs- und Pflegeleistungen/ Trennung in Seniorenwohnheimen 413 – Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand/Steuerbarkeit 403 – Verwendung für das Unternehmen/ für Zwecke der besteuerten Umsätze (Vorsteuerabzug) 456 – Verwendungszusammenhang beim Vorsteuerabzug 457 – Vorsteuerabzug/Entwicklungen 449 – Vorsteuerabzug/Funktion 450 – Vorsteuerabzug/Grundsatzurteile 414 – Vorsteuerabzug/nationales Recht und EU-Richtlinie 456 – Vorsteuerberichtigungen (§ 15a UStG) 471 Umsatzsteuer (Geschäftsveräußerung im Ganzen) – Beteiligungsveräußerungen 429 – Eheleute (Gesamtplan) 439 – Einzelrechtsnachfolge 427 – Fortführungsabsicht des Erwerbers 425 – Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage 443 – Innerorganschaftliche Geschäftsveräußerung im Ganzen 438 – Konkurrenzverbot 441 – Kundenliste 442 – MwStSystRL/Ausnahmen vom Umsatzsteuer-Anwendungsbereich 424 – Nachweispflichten/Dokumentation 443

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– Rechtsfolgen/alle bewirkten Umsätze steuerfrei 427 – Share deal als Geschäftsveräußerung 431 – Tatbestandsvoraussetzungen einer Veräußerung im Ganzen 425 – Übereignungsbegriff/umsatzsteuerlicher 426 – Übertragung selbständigen Unternehmensteils 425 – Übertragungsakt 426 – Unternehmen 425 – Unternehmerstellung des Erwerbers 425 – Unternehmerstellung des Veräußerers 425 – Vermietete Immobilie/Veräußerung 425 – Vermietungen 435 – Vorsteuerabzugsrecht aus Eingangsleistungen 428 – Vorsteuerberichtigung 428 – Wertpapiertransaktionen/steuerbare, steuerfreie 431 – Wesentliche Betriebsgrundlagen 425 – Zeitlich zusammenhängende Akte/ mehrere 425 Umwandlungssteuergesetz – Ausländischer Teilbetrieb/Einbringung in inländische Tochtergesellschaft gegen Gesellschaftsrechte 354 Umwandlungssteuerrecht – Gegenleistungsproblematik 188 – Sinn und Zweck: Steuerneutrale Fortsetzung des unternehmerischen Engagements 164 – Steuerunschädliche Fortführung/ steuerschädliche Fortführung/Wertausgleichsproblematik 188 – Vermögensverschaffungsvorgänge und Realisationstatbestände 165 – Zweck des Erhalts und der Verbesserung der Erwerbsgrundlage, nicht aber Erzielung von Markteinkommen 188

Sachregister Umwandlungssteuerrecht (§ 22 UmwStG – Veräußerungs- und Ersatztatbestände – Ausschüttung/Betragsrückzahlung aus dem Einlagekonto 232 – Buchwerteinbringung 227 – Einbringung durch mittelbaren Gesellschafter/Ausgliederung mit verhältniswahrender Kapitalerhöhung 237 – Einlagenrückgewähr auf die erhaltenen Anteile 236 – Einlagenrückgewähr nach Einbringung 233 – Einlagenrückgewähr nach Ketteneinbringung 236 – Fiktive Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG) 227 – Ketteneinbringung und mittelbare Veräußerung 231 – Mittelbare Veräußerung im Rahmen § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 232 – Umstrukturierungsmaßnahmen/ nachfolgende 227 – Umwandlungssperre/faktische für 7 Jahre 230 – Umwandlungsvorgänge als Veräußerungsvorgänge/undifferenzierte Einstufung 229 – Veräußerung nach Einbringung durch Mitunternehmerschaft 231 – Veräußerungsbegriff/Veräußerung neuer Anteile innerhalb von 7 Jahren nach Einbringungszeitpunkt 225 – Verschmelzung nach Einbringung 228 Umwandlungssteuerrecht (Teilbetriebsbegriff) – Abgrenzung Betriebsaufgabe/Teilbetriebsveräußerung 165 – Abspaltung/doppeltes Teilbetriebserfordernis 169 – Abspaltung/fehlende Teilbetriebsvoraussetzungen 184 – Aufbau eines Teilbetriebs 176 – Aufspaltung/fehlende Teilbetriebsvoraussetzungen 184 – Ausgliederung/Abspaltung keine Fälle der Gesamtrechtsnachfolge 174 – Auskunft, verbindliche 186

– Auslagerung einzelner Wirtschaftsgüter 180 – Auslegung, richtlinienkonforme 165 – Eigentumsübertragung/Frage erforderlicher 164 – Fehlende Teilbetriebsvoraussetzungen/Rechtsfolgen 184 – Fiktiver Teilbetrieb/100 %-Beteiligung 182 – Fiktiver Teilbetrieb/Mitunternehmeranteil 167 – Fiktiver Teilbetrieb/zuzuordnende Wirtschaftsgüter 182, 183 – Forderungen und Verbindlichkeiten 172 – FusionsRL/abweichende, günstige Regelungen 166 – FusionsRL/Forderung nach Richtlinienorientierung hieran 185 – FusionsRL und Teilbetriebsbegriff 156 – FusionsRL/Vorgaben 157 – FusionsRL/Zuordnung funktionsnotwendiger Wirtschaftsgüter 173 – Gesamtplan und § 42 AO 181 – Grundstücke 180 – Immaterielle Wirtschaftsgüter/Teilung 180 – Kriterien/funktioneller, finanzieller Aspekt 158 – Missbrauchsgedanke/Schädlichkeit der Trennung von Darlehensvaluta und Darlehensverbindlichkeit 161 – Nationaler Begriff/Fälle des großzügigeren 156 – Nationaler und europäischer Begriff 155 – Nutzungsüberlassung/Frage ausreichender 164 – Originärer Teilbetrieb – Rest-Gesamtheit/nicht mehr teilbetriebsfähiger 178 – Rückverlegung der Teilbetriebsvoraussetzungen auf den Übertragungsvorgang 154 – Rückwirkungszeitpunkt und Teilbetriebsvoraussetzungen 169 – Spaltung/kein Wertausgleich zum Gleichwertigmachen von Teilbetrieben 173

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Sachregister – Spaltung und Teilbetriebsbegriff 156 – Spaltungshindernis/falsche Zuordnung von Wirtschaftsgütern 161 – Steuerschuldnerschaft/Bedeutung 174 – Stille Reserven/Aufdeckung bei fehlenden Teilbetriebsvoraussetzungen 184 – Teilbetrieb/Funktionsfähigkeit 159 – Teilbetrieb und operatives Ziel/ keine freie unternehmerische Entscheidung 162 – Teilbetriebsbegriff 153 – Teilbetriebsbegriff/europäischer 156 – Teilbetriebsbegriff/nationaler 155 – Teilbetriebsfunktionieren unter funktionellem Aspekt 160 – Übertragung der maßgeblichen Wirtschaftsgüter 164 – Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums/oder obligatorisches Recht ausreichend 164 – Übertragung maßgeblicher Wirtschaftsgüter 177 – Umgehung eines Veräußerungstatbestandes 161 – UmwSt-Erlass 2011, Anwendung des europäischen Teilbetriebsbegriffs 154 – Veränderungen bis zum Wirksamwerden der Umwandlung 177 – Verbindlichkeiten 162 – Vermögensverschaffungsvorgang/ Realisationstatbestände 165 – Verschärfungen gegenüber europäischem Begriff 154 – Wesentliche Betriebsgrundlagen/ funktionale Betrachtungsweise 170 – Wesentliche Betriebsgrundlagen/gemischt-genutzte 179 – Wesentliche Betriebsgrundlagen/ nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zurechenbare Wirtschaftsgüter 171 – Wesentliche Betriebsgrundlagen/ Nutzung von mehreren Teilbetrieben 171

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– Willkürliche Zuordnungen/zu vermeidende 172 – Wirtschaftliches Eigentum 177 – Wirtschaftsgüter/Frage der Übertragung aller 160 – Wirtschaftsgüter/Funktionsfähigkeit und Entscheidung der Geschäftsleitung 161 – Wirtschaftsgüter, zuzuordnende 159 – Zeitpunkt des Vorliegens 167, 175 – Zuordnungsmängel/Rechtsfolgen 174 Umwandlungssteuerrecht (Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen) – Anteilstausch (§ 21 UmwStG) 189 – Ausgleichszahlung vorab/im Rahmen der Einbringung 206 – Barausgleich, sofortiger oder Forderung an den einbringenden Gesellschafter 208 – Buchwertfortführung bei Gewährung von Gesellschaftsrechten 190 – Einbringung Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil in Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 1 UmwStG) 189 – Einlage und Schuldenzuordnung/ Mix 205 – Einlage von Barmitteln durch kleineren Partner 203 – Ergebnisabführungsvertrag mit Ausgleichszahlung 221 – Erhalt anderer Wirtschaftsgüter neben Gesellschaftsanteilen 189 – Fallgruppen 201 – Finanzverwaltung (BMF-Schreiben 7.12.2000) 195 – Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (§ 25 UmwStG) 189 – Formwechsel und Sonderbetriebsvermögen 217 – Fremdverschuldung, erhöhte 204 – Gesellschafterleistungen, beachtliche und inkongruenter Gewinnbezug 196 – Gestaltungsmissbrauch 193

Sachregister – Gewährung zusätzlicher Wirtschaftsgüter/Voraussetzung versagter Buchwertfortführung 190 – Gewinnbezugsrechte/vom Nominalkapital abweichende 192 – Gewinnverteilung und gesetzlicher Gewinnverteilungsschlüssel/Abweichen 196 – Grundstück/zusätzlich übertragenes 219 – Inkongruenter Gewinnbezug/Auffassung der FinVerw 195 – Inkongruenter Gewinnbezug/gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit, steuerlicher Streit 191 – Inkongruenter Gewinnbezug/kein gesellschaftsrechtlicher Ausschluss 196 – Kartellrecht/Begrenzung der Beteiligung 216 – Körperschaftsteuerguthaben/Mobilisierung 195 – Leistungen an die Gesellschaft/Einlagen in die Gesellschaft 197 – Miete als Gewinn vorab 218 – Neue Anteile an der übernehmenden Gesellschaft 190 – Neue Anteile/Voraussetzung der Buchwerteinbringung 218 – Profitableres Unternehmen und 50:50 Joint Venture/Einlage 202 – Schenkung durch Fälle freigiebiger überquotaler Einlage 199 – Schenkungsteuer/BeitrRLUmsG § 7 Abs. 8 neu 199 – Schenkungsteuer/Zuführungen in Kapitalgesellschaften als mittelbare Schenkung 198 – Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren 192 – Spaltung einer Gewinnausschüttung 194 – Steuerunschädliche Aktivitätsfortführung oder steuerliche Veränderung (Veräußerung) 188 – Stille Beteiligung/Gewährung typischer als sonstige Gegenleistung 209 – Unterbewertung des eingebrachten Vermögens 191

– Verdeckte Gewinnausschüttung/ Vergleich 197 – Verlustausschöpfung 193 – Vorzugsgewinnrecht für bestimmten Zeitraum 210 – Wertausgleichsregelungen/praktisches Bedürfnis 223 – Wertproportionale Erhöhung: Einbringung von Mitunternehmeranteilen in Kapitalgesellschaft 201 Unentgeltliche Mitunternehmeranteilsübertragung – s. Mitunternehmeranteil Unternehmen – Umsatzsteuer/Geschäftsveräußerung im Ganzen 425 Unternehmenskauf – Negativer Kaufpreis/passiver Ausgleichsposten 301 – Übernahme von Verbindlichkeiten 305 Unternehmer – Umsatzsteuer/Geschäftsveräußerung im Ganzen 425 – und Vorsteuerabzug 455 Veräußerung – Betriebsveräußerung und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften 307 – Teilbetriebsveräußerung 155, 165 – Treuhandmodell KG/Strukturierung von Verkaufsprozessen 144 – Umgehung des Tatbestandes durch Teilbetriebsübertragung 161 – Umsatzsteuer/Geschäftsveräußerung im Ganzen s. dort – Umwandlungssteuerrecht und Veräußerungstatbestände s. dort Veräußerungsgewinn – Kapitalanteil und Kaufpreisausfall 9 – Kapitalgesellschaftsanteile/Steuerpflicht nach § 8b Abs. 7 KStG 82 – Komprimierte Gewinne 10 – Steuerbefreiung § 8b KStG 80 – Steuerbelastung, erheblicher Anstieg (§ 8b Abs. 7 KStG) 82

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Sachregister – Steuerfreistellung und Umfang der Freistellung 14 Veräußerungsverluste – Steuerbefreiung § 8b KStG/nicht berücksichtigungsfähige – aus Anteilen 80 Verbindlichkeit – Nicht bilanzierte – und Anschaffungskosten 311 – Passivierung einer Verkaufsoption 325 – Rückstellung für ungewisse – 340 – Teilbetriebsveräußerung 162 – Übernahme beim Unternehmenskauf 305 Verdeckte Gewinnausschüttung – Fehlerkorrektur (Gewinnermittlungsstufe 2) 257 – Nichtabziehbare Betriebsausgaben/ Verhältnis 13 Verfassungsmäßigkeit – Treaty-Override-Regelungen (§ 50d Abs. 9, 10 EStG) 389 Verkaufsoption – Passivierung einer Verpflichtung hieraus 325 Verkehrsunternehmen – E-Bilanz-Verpflichtung (Spezialtaxonomien) 268 Verlustausgleich – Organschaft s.dort Verluste/Verlustverrechnung – Auslandsbetriebsstätten/Auslandstochtergesellschaften (finale Verluste) 345 – Einlage und negatives Kapitakonto/ kein Verbrauch durch ausgleichsfähige Verluste 304 – Gewerbeverlust, vortragsfähiger und Gesellschafterausscheiden 48 – Organschaft/grenzüberschreitende 361 – Organschaft/Vergleich ertragsteuerlicher und Treuhandmodell bei der KG 140 – Organschaft/Verlustvortrag aus vorvertraglicher Zeit 65 – Veräußerungsverluste und Abzugsverbot (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) 14

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– Vororganschaftliche Verlustvorträge 65 – Vortragsfähigkeit, aber fehlende Nutzbarkeit (Gewerbesteuer) 49 Vermietungs- und Pflegeleistungen – Seniorenwohnheim/Teilung für Umsatzsteuer 413 Vermögensverwaltende Einkünfte – Steuerbilanz und Handelsbilanzregeln 32 Vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft – Finanzunternehmen 85 Vermögensverwaltende Personengesellschaft – E-Bilanz-Verpflichtung/fehlende 262 – Laufende Besteuerung/Vergleich mit Personengesellschaft und Treuhand-KG 143 – Vermittlung eigenen Gesellschaftergrundbesitzes 45 Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand – Umsatzsteuer/Steuerbarkeit 403 Verschmelzung – Kapitalgesellschaft auf Personengesellschaft/nicht angesetzte Verbindlichkeiten in der Schlussbilanz 311 – Organgesellschaft auf anderen Rechtsträger 69 – Organgesellschaft und Organträger/ Vertragsbeendigung 69 Versicherungsgesellschaft – Dublin-Dock-Gesellschaft als Zwischengesellschaft 26 Versicherungsunternehmen – E-Bilanz-Verpflichtung (Spezialtaxonomien) 268 Verwaltungsanweisungen/kritische – und zweifelhafte Rechtslagen/Umgang des Steuerpflichtigen 258 Völkerrechtsfreundliche Rechnungsauslegung – Völkerrechtliche Verträge und § 2 AO 12

Sachregister Vorsteuerabzug – s. Umsatzsteuer (Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung) Wahlrechtsausübung – Änderung als gestaltendes Bilanzänderungsinstrument 259 Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen – s. Umwandlungssteuerrecht (Wertausgleich) Wertminderung (voraussichtlich dauernde) – Aktien und Anleihen 318 Wertpapierausgabe – Forderungsankauf/Finanzierung durch Ausgabe von – 297 Wertpapiere – Wertminderung (voraussichtlich dauernde) 318 Wesentliche Betriebsgrundlagen – s. Umwandlungssteuerrecht (Teilbetriebsbegriff) – Umsatzsteuer/Geschäftsveräußerung im Ganzen 425 Wichtiger Grund – Organschaftsbeendigung 70 Wirtschaftliches Eigentum – Forderungen bei Asset Back Security-Modellen (Factoring oder Forfaitierung mit Übergang des –) 295 – Zivilrechtliches Eigentum oder – 300 Wirtschaftsgut (Einzelwirtschaftsgut) – Anteil an einer Kapitalgesellschaft 130 – Mitunternehmeranteil/fehlende Eigenschaft 167 – Teilbetriebsbegriff und Zuordnungsfragen 159 – Übertragung aus einem Betriebsvermögen 107 – Übertragung aus einem Privatvermögen 107 – Übertragung des Komplementärs auf die Treuhand KG 142 – Übertragung/Vergleich Personengesellschaft, vermögensverwaltende

Gesellschaft und Treuhand-KG 143 – Übertragungsfälle s. Betriebsvermögen – Unentgeltliche Mitunternehmeranteilsübertragung/Zurückbehaltung von Wirtschaftsgütern 40 – Zivilrechtliches oder wirtschaftliches Eigentum 300 Wirtschaftsgut (Sachgesamtheit) – Übertragung auf eine Mitunternehmerschaft 107 – Unentgeltliche Übertragung/Buchwerttransfer 42 X-Holding – EuGH-Entscheidung 15, 23, 358 Zebragesellschaft – Grundstücksverwaltung und erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung 44 Zinsschranke – Beratungsempfehlungen und Verwaltungsauffassung 5 – Dissertationsdichte 4 – EBITDA und Zinssaldo-Ermittlung 5 – Forderungsverkauf oder Darlehensgewährung 298 – HGB, IFRS 6 – Liquiditätswirksamkeit 5 – Rechtsunsicherheit, Konfliktpotential 5 – Risiken 1. und 2. Ordnung 4 – Risiko durch Auslösung von Steuerwirkungen 4 – Risikoquantifizierung 5 – Steuerwirkungsanalyse 1 Zuzug einer Kapitalgesellschaft – Steuerneutralität, grundsätzliche 28 Zwischenbilanzen – E-Bilanz-Verpflichtung 264 Zwischengewinne – Organschaft/Vertrag ertragsteuerlicher und Treuhandmodell bei der KG 140

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